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Ordens Albrecht des Beherzten, Officier des königl. ſerbiſchen Takowa-Ordens, Beſitzer des Marienkreuzes des hohen deutſchen Ritterordens, Beſitzer der königl. württemberg'ſchen goldenen Medaille für Kunſt und Wiſſenſchaft, der k. k. Kriegsmedaille und der päpſtlichen Kriegs⸗Erinnerungsmedaille Pius IX. ꝛc. ꝛc., em. Mitglied des Landes⸗-Culturrathes f. d. Königreich Böhmen, der k. k. Central⸗Commiſſion für Kunſt⸗ und hiſtoriſche Denkmale, Ehrenbürger mehr. Gem., Mitglied zahlreicher wiſſenſchaftl. und hum. Vereine ꝛc. ꝛc., Verfaſſer des nationalökonomiſchen Eſſays „Urproduction und Induſtrie“, der jagdzoologiſchen Monographien: „Das Edelwild“, „Das Reh“, „Der Fuchs“, „Der Wildpark“, „Die Geweihbildung der europäiſchen Hirſcharten“, des „Lehr- und Handbuchs für Berufsjäger“ ꝛc. ꝛc. Vierter Band. Iluggeſchwindigkeit — Heiß. Mit 1 Doppeltafel, 11 einfachen Tafeln und 56 Figuren im Texte. LIBRARY FACULTY OF FORESTRY UNIVERS'"" OF TORONTO EARTH SCIENCES RARY IR i = Wien und Leipzig. Verlag von Moritz Perles. 1889. Alle Rechte vorbehalten. er A L iS f HAHN 4 Druck von Johann N. Vernay in Wien. 3 re Pe Verzeichnis der Autoren und der ihren Artikeln beigeſetzten Namenskürzungen. Dr. Joſeph Albert, em. Director und Profeſſor der böhmiſchen Forſtlehranſtalt Weißwaſſer in München. — At. Dr. Günther Beck, Vorſtand des k. k. botanischen Hofeabinets und Docent an der Univerſität in Wien. — Bk. Dr. 3. Benecke, Profeſſor an der Univerſität in Königsberg i. Pr. — Bcke. Dr. Audolf Blaſius, Präſident des perma— nenten internationalen ornithologiſchen Co— mite, Docent der Hygienie an der herzog— lichen techniſchen Hochſchule und Redacteur der Zeitſchrift „Ornis“ in Braunſchweig. — R. Bl. Dr. Wilhelm Blaſius, Profeſſor der Zoologie, Vorſtand des herzoglichen naturhiſtoriſchen Muſeums in Braunſchweig. — W. Bl. E. v. d. Voſch in Berlin. — v. d. B. Dr. A. von Brandt, Profeſſor der Zootomie an der Univerſität in Charkow. — v. Bdt. Tudwig Dimitz, k. k. Oberforſtmeiſter und Vicepräſident des oberöſterreichiſchen Schutz⸗ vereines für Jagd und Fiſcherei in Linz, D Ernſt Ritter v. Dombrowski, Chefredakteur des „Weidmann“ in Blaſewitz-Dresden. — Aaoul Ritter v. Dombrowski in Wien. — R. v. D. Zulius von Egerväry, Secretär des ungariſchen Landes⸗Jagdſchutz-Vereines und Redacteur der Zeitſchrift „Vadaszlap“ in Budapeſt. — v. Ey. Dr. Wilhelm Franz Exner, k. k. Hofrath, Director des technologiſchen Gewerbe— muſeums und Profeſſor an der k. k. Hoch- ſchule für Bodencultur in Wien. — Er. G. A. Jörſter, k. k. Forſtmeiſter in Gmun⸗ den. — Fr. Dr. Hans Gadow, Srickland⸗Curator, Docent für Morphologie der Wirbelthiere an der Univerſität zu Cambridge. — Gw. Dr. Carl Theodor Ritter von Gohren, Director und Profeſſor des k. k. landwirtſchaftlichen Inſtitutes in Mödling bei Wien. — v. Gn. Dr. Touis Großmann, an der Seewarte zu Hamburg. — Gßn. Julius Theodor Grunert, kgl. preuß. Ober⸗ forſtmeiſter a. D., em. Director und Pro— feſſor der kgl. preuß. Forſtakademie Neu— ſtadt⸗Eberswalde, Redacteur der Zeitſchrift „Forſtliche Blätter“ in Trier. — Gt. Adolf Ritter von Guttenberg, k. k. Forſt⸗ rath, Profeſſor an der k. k. Hochſchule für Bodencultur in Wien und Redacteur der öſterreichiſchen Vierteljahresſchrift für das geſammte Forſtweſen. — v. Gg. Dr. Robert Hartig, Profeſſor an der kgl. Univerſität in München. — Hg. Dr. Ir. Heincke, Profeſſor in Oldenburg i. Gr. — He. Guſtav Henſchel, k. k. Forſtmeiſter und Pro— feſſor an der k. k. Hochſchule für Boden— cultur in Wien. — Fſchl. Eugen Ferdinand von Homeyer, Mitglied des permanenten internationalen ornitho= logiſchen Comité, auf Stolp in Pommern. d ur. C. A. Joſeph, großherzoglicher Forſtinſpector in Eberſtadt bei Darmſtadt. — Iph. Dr. Fr. von Zudeich, kgl. ſächſ. geheimer Ober- forſtrath, Director und Profeſſor an der kgl. ſächſiſchen Forſtakademie zu Tha⸗ randt. — v. Ich. Hans Freiherr Jüptner von Jonſtorff in Neu⸗ berg, Ingenieur und Correſpondent der k. k. geologiſchen Reichsanſtalt. — v. Ir Heinrich Kadich Edler von Pferd, k. k. Ge- neralmajor a. D. in Wien. — v. Ka. J. C. Keller, Redacteur der Zeitſchrift „Weid— e in Kötſchach in Kärnthen. — Klr. Dr. Friedrich K. Knauer in Wien, Redacteur der Zeitſchrift „Der Naturhiſtoriker“. — Kur. Alois Koch, Veterinärarzt in Wien. — Kch. Ferdinand Tangenbacher, Profeſſor an der mähriſch-ſchleſiſchen Forſtlehranſtalt in Eu— lenberg. — Lr. Dr. Joh. Tatſchenberger, Leiter des chemiſch— phyſiol. Laboratoriums am k. k. Thier⸗ arznei-Inſtitute in Wien. — Lbr. Dr. Guſtav Marchet, Profeſſor an der k. k. Hochſchule für Bodencultur in Wien. — Mcht. Leopold Martin, Conſervator in Stutt- gart. — L. Mn. Saul Martin, Profeſſor an der Thierarznei— ſchule in Zürich. — P. Mn. Michael von Menzbier, Profeſſor der Zoologie an der Univerſität zu Moskau. — v. Mzr. Dr. A. Metzger, Profeſſor an der kgl. Forſt— akademie Hann.-Münden. — Mgr. Dr. Max Neumeiſter, Profeſſor an der kgl. ſächſ. Forſtakademie Tharandt. — Nr. Oskar von Nolte, kgl. Oberſtlieutenant a. D. in Bensheim, Großherzogthum Heſſen. — v. Ne. Dr. Paul Pancritius in Königsberg. Carl Vieper, Ingenieur in Berlin. — Pr. C. G. T. Quenſell, ikgl. Oberförſter in Bla- ſewitz bei Dresden. — Qul. Dr. Quiſtorp in Greifswald. — Qup. Dr. Guſtav von Nadde, kaiſ. ruſſ. wirkl. Staats- rath, Director des kaukaſiſchen Muſeums und der öffentlichen Bibliothek in Tiflis, Mitglied des permanenten internationalen ornithologiſchen Comité. — v. Rde. Dr. Emil Hamann, Profeſſor an der kgl. preuß. Forſtakademie Neuſtadt-Eberswalde. — Rn. Oskar von Nieſenthal. Oberförſter des kgl. preuß. Ackerbauminiſteriums und Redacteur des „Allgemeinen Holzverkaufs-Anzeigers“ in Charlottenburg. — v. Rl. Dr. Carl Auſs, Redacteur der Zeitſchriften „ Welt“ und „Iſis“ in Berlin. — ha A. von Schmiedeberg, Redacteur der „Neuen deutſchen Jagdzeitung“ in Berlin. — v. Schg. Dr. Adam Schwappach, Profeſſor an der kgl. Ds Forſtakademie Neuſtadt-Eberswalde. — Schw. Ewald Thiel, kgl. Artillerie- Major a. D. in Karlsruhe. — Th. Victor Bitter von Tſchuſt zu Schmidhoffen, Mitglied des permanenten internationalen ornithologiſchen Comits. Villa Tännenhof bei Hallein in Salzburg. — v. Tſch. Dr. Martin Wilckens, Profeſſor an der k. k. Hochſchule für Bodencultur in Wien. — Ws. Dr. Moritz Willkomm, kaiſ. ruſſ. Staatsrath, Director des botaniſchen Gartens und Prof. an der Univerſität in Prag. — Wm. Die Illuſtrationen werden hergeſtellt durch die Herren: H. Braune in Königsberg, Raouf Ritter von Dombrowski in Wien, G. A. Jörſter in Gmunden, Nobert Hartig in München, Guſtav Henſchel in Wien, Ferdinand Tangenbacher in Eulenberg, T. Martin in Stuttgart, G. Mützel in Berlin, H. Sperling in Berlin, Friedrich Specht in Stuttgart, M. Streicher in Wien u. v. a. Die Reproduction erfolgt in Lithographie und Chromolithographie durch Th. Vannwarth in Wien, in Holzſchnitt durch VB. Eder in Wien und Fr. Vieweg & Sohn in Braunſchweig, in Zinkographie durch Angerer & Göſchl in Wien. 2. 8 Perzeichnis der Alluſtrationen des IV. Bandes. Doppeltafel: Zum Artikel Haare, v. H. von Gadow in Cambridge. Einfache Tafeln: . Schädelbildung des Fiſchotters und Fuchſes, v. M. Baron Schlereth in Wien, 3. Artikel Fiſchotter und Fuchs. Zum Artikel Fluſskrebs, v. H. Braune in Königsberg. Zum Artikel Fräſen, v. J. Weſſely in Wien. „Zum Artikel Fraxinus, v. M. Streicher in Wien. 3. Geſchoſsformen, v. Major E. Thiel in / Karlsruhe. 6.—9. Zum Artikel Geweihbildung, v. Raoul 10.—11. Zum Artikel Grapholitha v. von Dombrowski. G. Henſchel und M. Baron Schlereth in Wien. Textillutſtrationen: . 352 und 353. Z. Artikel Flugſandcultur. 354 und 355. Typen der Stammform. 334. Ameiſenflügel. 355. Häckelrechen in Sollinger Form. 356. Häckelhacken Seebachs. 337. Schäl⸗ oder Breithacke. 358. Sollinger Hacke. 359. Dreizack von Schoch. 360 Eichelpflänzer. 361. Pflanzdolch. 362. Saatflinte. 363. Säehorn. 364. Schutzgitter. 365. Fragaria vesca, Walderdbeere. 366. Franzöſiſche Rodemaſchine. 367. Fraxinus Ornus, gemeine Blumeneſche. 368. Schwanenhals. 369. Stellvorrichtung am Schwanenhals. 370. Fuchs im Schwanenhals. 371. Tellereiſen 372. Fuchs im Tellereiſen. 373. Fuchsangel. 374. Fuchsbrett. 375. Fuhrſchlitten. 376. Gastropacha lanestris. Fig. 377. 378 379 381. 382. 383. 384. 385. 386. 387. 388. 389 392. 393. 394. 395 399. ). Gründung für Uferſchutzbauten. Gymnocladus canadensis, kauadiſcher Gastropacha pini. . Gastropacha nenstria. und 380. Z. Artikel Gehirn. Straßengeländer. Z. Artikel Gerberei. Geſchlechtsorgane der Inſecten. Hauptgeſimſe. Floſshölzerverbindung. Sperre eines Langfloſſes. Gewölbebrüſtung. Gingko biloba, Gingkobaum. bis 391. Z. Artikel Glasmikrometer. Gnaphalium dioicum. Grubendurchſchnitt. Grenzenbezeichnung. bis 398. Z. Artikel Grenzregulierung. Steingreßling. Schuſſerbaum 02 und 403. Habichtskörbe. . Handſchlitten. 3. Hebemaſchinen. . Steinfreppe. 7. Hedera Helix, Epheu. Druckfehler und Berichtigungen. Auf pag. 297, Sp. b, al. 35 v. o. lies: Beſchädigten ſtatt Beſchuldigten. ä J. Fluggeſchwindigkeit iſt die Geſchwindig— keit, mit welcher das Geſchoſs in horizontaler Richtung fortſchreitet, alſo eigentlich die hori— zontale Projection der wirklichen Geſchwindigkeit im Gegenſatz zu der Fallgeſchwindigkeit als der Verticalprojection. Ausgedrückt wird fie durch die horizontale Strecke, welche das Geſchoſss in einer Secunde zurücklegt bezw. bei gleich— förmiger Bewegung zurücklegen würde; über die Meſſung derſelben ſ. Anfangsgeſchwindigkeit. Die Fluggeſchwindigkeit des Geſchoſſes nimmt infolge des Luftwiderſtandes im Verlaufe der Bewegung ſehr ſchnell ab. Für ein nach den Grundſätzen der neueren Militärpatronen con— ſtruiertes Geſchoſs (z. B. deutſches m7 oder öſterreichiſches w/ 77), welches die Mündung mit 450 m Geſchwindigkeit verlässt, beträgt die Fluggeſchwindigkeit auf 100 m nur mehr 385 m per Secunde; auf 200 m 338 m, auf 300m 304 m, auf 400 m 279 m, auf 500 m 259 m, auf 600 m 243 m, auf 900 m 208 m per Se— cunde. Geſchoſſe mit größerer Querſchnittsbe— laſtung (Länge) büßen ihre Fluggeſchwindigkeit nicht ſo ſtark ein, kurze Geſchoſſe verlieren ſie erheblich ſchneller, zumal wenn ſie mit großer Anfangsgeſchwindigkeit verſchoſſen werden und dadurch einen bedeutenden Luftwiderſtand er— zeugen. Die größte Fluggeſchwindigkeit liegt in der Regel nicht, wie man erwarten ſollte, un— mittelbar an der Mündung, ſondern meiſt eine gewiſſe Strecke vor derſelben, da die nachge— ſchoſſenen und das Geſchoſs kurz vor der Mün— dung überholenden Pulvergaſe dem letzteren noch außerhalb des Rohres einen gewiſſen, wenn auch unbedeutenden Zuwachs an Ge— ſchwindigkeit geben; exacte Meſſungen hiefür liegen bei Gewehren noch nicht vor. Th. FIlughaut, ſ. Flugvermögen. Kur. Flughöhe = Höhe (Ordinate) des fliegen- den Geſchoſſes über der wagerechten Ebene (Viſierlinie) auf einer beſtimmten Entfernung (Abſeiſſe); ſ. Balliſtik II, Fig. 85. Th. Flughörnchen, Pteromys, Gattung der Familie Eichhörnchen oder Hörnchen, Seiu— rini, der Ordnung Nagethiere, Rodentia — Glires. Sie unterſcheiden ſich von der Gattung Eichhörnchen, Sciurus, hauptſächlich durch die breite, die Beine und Schwanzwurzel verbin- dende Flatterhaut, welche den Thieren im Sprunge als Fallſchirm dient und es ihnen ſo ermöglicht, bedeutende Strecken zu durchmeſſen. Europa beherbergt nur einen Repräſentanten dieſer artenarmen Gattung, das Flatter- oder Flugeichhörnchen, Lju— taga der Ruſſen, Umki oder Omké der oſt— ſibiriſchen Völkerſchaften, Pteromys volans (P. sibiricus; Sciuropterus sibiricus: Seiurus ro- tans). Sein Verbreitungsgebiet iſt der Norden von Oſteuropa und faſt ganz Sibirien. Kleiner als unſer gemeines Eichhörnchen, miſst das ganze Thier 26 em, wovon 10 em auf den Schwanz zu rechnen ſind. Der Sommerpelz iſt auf der Oberſeite fahlbraun, auf der Flughaut und Außenſeite der Beine dunkler graubraun, unten weiß. Der Schwanz zeigt wie bei un— ſerem gemeinen Eichhörnchen zweizeilige Be— haarung von oben fahlgrauer, unten licht ſtroh— gelblicher Farbe. Im dichten Winterkleide erſcheint die Oberſeite des Thieres ſilbergrau. Der Pelz, obwohl ungemein weich und ge— ſchmeidig, wird doch nur in beſchränktem Maße verarbeitet. Das Flughörnchen lebt in den nor— diſchen reinen Birkenwäldern; ſcheint überhaupt nach Brehms Anſicht an dieſe letztere Holzart oder mit Fichte, Kiefer, Lärche gemiſcht gebun— den zu ſein. Es iſt ein Nachtthier. Den Tag verbringt es zuſammengerollt ſchlafend in Baumhöhlen und ähnlichen Verſtecken und kommt erſt abends hervor. Als Nahrung nimmt es Beeren, Samen, Knoſpen u. dgl. und benützt beim Freſſen die Vorderpfoten ganz nach Art unſeres Eichhörnchens. — Das in hohlen Bäu— men weich mit Moos, Moder 2c. ausgepolſterte Neſt nimmt die 2—3 blindgeborenen Jungen auf; und hier verbringt das Thier auch ſeine Winterruhe. Dieſe iſt aber häufig eine unter— brochene; bei günſtigem Wetter verläjst das Flughörnchen ſein warmes Neſt, theils um Nahrung zu ſich zu nehmen, theils um ſeinen Unrath abzugeben. Infolge der vielen Nach— ſtellungen iſt es in manchen Gegenden, wo es früher zu den häufigen Erſcheinungen zählte, ſchon nahezu verſchwundenn. Hſchl. Ilugjagd, die, ſ. v. w. Luftjagd, Beizjagd; ſelten. „Wie die Jagd mit dem Gewehr und Hund auf Hirſch und Schwein den höchſten Genujs für den Jäger in ſich ſchließt, jo iſt die Beize des Reihers und Milans für den Lieb⸗ haber der Flugjagd das höchſte und impo⸗ ſanteſte Vergnügen.“ „Kein Wunder, dajs zur Beizzeit die Jünger der Flugjagd aller Na— tionen zum gemeinſamen Vergnügen ſich dort zuſammenfanden ...“ O. v. Rieſenthal, Die Raub— Dombrowski. Eneyklopädie d. Forſt⸗ u. Jagdwiſſenſch. IV. Bd. 1 2 Flugjahr. — Flugſand. vögel, p. 191, 192. — Fehlt bei Grimm und Sanders. E. v. D. Ikugjahr (auf Inſecten bezogen mit min- deſtens zweijähriger Generationsdauer), das Jahr des Maſſenfluges. Gewöhnlich wird Flug— jahr ſpeciell mit dem Maikäfer in Beziehung gebracht; bei dieſem wiederholt es ſich jedes 5. (Mitteleuropa) oder jedes 4. (Südeuropa) Ka— lenderjahr. Einem Flugjahre gehen meiſt ſog. Vorflüge voraus und folgen Nachflüge Hſchl nach. Hſchl. Iluglahm, ſ. Flügellahm. E' v. D. Fluglöcher, jene Offnungen im Pflanzen- körper (Rinde, Holz 2c.), welche das flugfertige Inſeet beim Verlaſſen ſeiner Puppenwiege hinterläſst. Die Fluglöcher zeigen theils eine kreisrunde, theils eine breit- oder ſchmalellip⸗ tiſche, oder eine mehr oder weniger halbkreis⸗ förmige Form und bieten dadurch und ihre Größenverhältniſſe Anhaltspunkte für das An— ſprechen des Schädlings (vgl. a. Brutgang). Hſchl Hſchl. Fluglofigkeit, nicht gleichbedeutend mit Flugunfähigkeit überhaupt, ſondern nur für ſolche flugunfähige Thiere gebraucht, deren nächſte Verwandte Flugvermögen beſitzen. Solche flug— loſe Vögel finden wir bei den Straußvögeln, bei den Tauchern, Inſecten kleiner Inſeln u. ſ. w. Dieſe Flugloſigkeit iſt keine urſprüngliche, ſon— dern erſt im Laufe der Zeit von der Natur ge⸗ züchtete; dieſe rückſchrittliche Entwicklung erſcheint aber als eine im Intereſſe der be— treffenden Thiere gelegene bei Inſecten der Ge— birge, die von Luftſtrömungen erfaſst und davon— getragen, bei Inſecten kleiner Inſeln, die ins Meer geſchleudert wurden, bei den Tauchern, deren lange Flügel und geringes ſpeeifiſches Ger wicht das Tauchen ſehr erſchweren würden, bei den im dichten Walde lebenden Kiwis und Kaſuaren, denen bei der Beengtheit ihres Auf- enthaltes das Fliegen ſehr erſchwert iſt. Bei den Emus, Straußen des Flachlandes, liegt die Erklärung nahe, dafs fie urſprünglich wie die Kaſuare Waldvögel geweſen und beim Vor⸗ dringen in die Wüſte an Stelle der ſeinerzeit eingebüßten Flugfähigkeit ihr Laufvermögen nach und nach erhöhten. Kur. Flugmuskeln. Bei den Vögeln treten als Flugmuskeln in erſter Linie die beiden pecto— rales in Action; der untere p. minor hebt, der obere p. major ſenkt die Flügel; letzterem dient der Bruſtbeinkamm, der bei guten Fliegern enorm entwickelt iſt, als weitere Anſatzſtelle. Kur. Ffugfand iſt ein lockerer, feiner Sand, der vom Winde bewegt ſich in Form von Dünen ablagert. Man unterſcheidet Küſten- und Inlandsdünen. Erſtere finden ſich an den Küſten von Preußen, Pommern, Schleswig-Holſtein, Jütland, Oſtfriesland, Holland, Südfrankreich und Norfolk, letztere in der ungariſchen Ebene, in Norddeutſchland und im großartigſten Maß— ſtabe in der Sahara, der lybiſchen Wüſte und der Gobi. Die Bildung der Dünen läſst ſich am beſten an flachen, ſandigen Küſten beob- achten. Sobald die Sande zu trocknen anfangen, werden ſie ein Spiel des Windes und in der Richtung desſelben vorwärtsgetrieben. Je feiner die Sandkörer ſind, um ſo weiter fliegen ſie naturgemäß und gelangen, von zufälligen Hin⸗ derniſſen abgeſehen, erſt dann zur Ruhe, wenn die Stärke des Windes ſo nachläſst, dajs ihr Eigengewicht den Luftdruck überwiegt. Die von der See horizontal wehenden Winde treffen die ſanft anſteigende Küſte unter einem ſtumpfen Winkel und werden von dieſer unter dem gleichen Winkel veflectiert. Zwiſchen den reflec- tierenden Winden und der Küſte entſteht anf dieſe Weiſe ein windſtiller Raum, in den die hochgewehten Körner hineinfallen und ſich zu Sandrücken, den Dünen, anhäufen. Die Wind⸗ ſeite der Dünen zeigt die flachere Böſchung, die entgegengeſetzte die ſteilere, und iſt der Grad der letzteren lediglich von dem Aufſchüttungs⸗ winkel der in den Windſchatten fallenden Kör⸗ ner abhängig. Da die Winde in ihrer Stärke einem ewigen Wechſel unterliegen, ſo erklärt ſich hieraus die häufig zu beobachtende Aus⸗ bildung mehrer Dünenreihen hinter einander, indem die Sande bald näher, bald ferner der Geſtadelinie getragen werden. Die Küſtendünen zeigen ferner die Tendenz, landeinwärts zu wandern, weil ihre der See zugewandte Seite der ſtetigen Abtragung durch die Winde unter⸗ liegt und das fortgeblaſene Material erſt jen⸗ ſeits des Dünenkammes zur Ruhe gelangt. G. Berendt (Geologie d. kur. Haffes, 1869) berech⸗ net das Wandern der Dünen der kuriſchen Nehrung von der Seeſeite nach dem Haff auf 6m im Jahre, jo daſs ſie letzteres im nörd⸗ lichen Theil zu verſanden drohen. Daſs Dörfer, ja ganze Gegenden (wie in Meſopotamien) von wandernden Dünen oftmals verſchüttet werden, iſt eine wohlbekannte Thatſache. f Die mineralogiſche Beſchaffenheit der Dünen hängt natürlich von der petrographiſchen Natur der Gegend ab, in der ſie gebildet werden, je— doch dürfte Quarzſand überall das dominierende Material ſein. Sind Inlandsdünen durch Waldbeſtand, den ſie in Norddeutſchland z. B. nicht ſelten tragen, im Wandern verhindert, ſo iſt es häufig nicht leicht, ſie von den übrigen Sanden der benachbarten Quartärbildungen (Diluvium und Alluvium) zu Anterſcheiden. Der einzig ſichere Unterſchied iſt dann nur das abſolute, durch die Natur ihrer Bildung ja bedingte Fehlen jeden gröberen Grandes und kleinerer Gerölle, welche ſelten den anderen Quartärbildungen auf weitere Erſtreckung hin ſo vollſtändig fehlen, gegeben. a Häufig bieten auch Wegeinſchnitte, Sand⸗ gruben u. ſ. w. Gelegenheit, die Vegetations- rinde der urſprünglichen Oberfläche, oder bei periodiſcher Bildung der Düne, mehrfache, ehe malige Oberflächen bezeichnende Vegetations- ſchichten, an ihrer durch Humusſtoffe hervor⸗ gerufenen grauen oder ſchwärzlichen Färbung zu erkennen, wodurch dann der Dünenſand als ſolcher unzweifelhaft gekennzeichnet iſt. Einen Einblick in die Körnung und den chemiſchen Beſtand norddeutſcher Flügſande ge— währt die Unterſuchung des Dünenſandes nahe dem Dorfe Sputendorf bei Groß-Beeren in der Mark von Ernſt Laufer. „ Flugſandcultur. 3 J. Mechaniſche Analyſe. Tiefe der Entnahme Sand Procent b) 101 Decimeter Bezeichnung 2—1 mm 41—0'5mm 0'5—0'2 mm unter 0˙2 mm 0˙8—1˙0 Waldoberkrume 0˙9 1˙0 31 950 (mit Wurzeln) 10 Untergrund 13 8% 230 67:0 II. Chemiſche Analyſe des Geſammtbodens. Kieſel- Thon- Eiſen-⸗ Kalk- m f 40585 Glüh- jäure erde oxyd erde Magneſia Kali Natron verluſt Summa Waldoberkrume 954 163 047 0% 0:18 089 043 121 410046 Untergrund 93559 08 052 020 0:62 075 042 048 99:47 4 v. O. Flugſandcultur. Ein im weſentlichen aus mehr oder weniger feinen Quarzkörnern bejtehen- der Sandboden bedeckt einen großen Theil des Bodens Deutſchlands und der angrenzenden Län— der. Iſt der reine Quarzſand auch an ſich un— fruchtbar, ſo kann er doch nach Maßgabe ſeiner ihm beigemengten feinen, anorganiſchen, wie organiſchen, der Vegetation förderlichen Theile, unter Hinzutritt eines augemeſſenen Feuchtigkeits⸗ gehalteseine gewiſſe Bindigkeit erlangen und dann ſehr verſchiedene Grade der Fruchtbarkeit durch⸗ laufen. So dient er vielfältig der Landwirt— ſchaft, beſonders aber auch der Forſtwirtſchaft als Unterlage, während er allerdings beim Zurücktreten jener günſtigen Eigenſchaften zu— nächſt für den Landwirtſchaftsbetrieb ungeeignet wird und mit Recht der forſtwirtſchaftlichen Be— wirtſchaftung anheimfällt, bis dann endlich bei vollſtändiger Erſchöpfung des Sandbodens oder ſonſt vorliegenden ſehr ungünſtigen äußeren Verhältniſſen desſelben auch dieſe kaum oder gar nicht mehr imſtande iſt, ihn ihren Zwecken dienſtbar zu machen. Eine derartige ungünſtige Lage kann ſich beim Sandboden aus natürlichen Urſachen ergeben, kann aber auch durch Miſswirt— ſchaft herbeigeführt ſein. Jene findet ſich 3. B. auf altem, ausgewaſchenem, kahlem Seeſand— boden, auf ausgetrocknetem Seegrunde mit Sand, dem reichlich unvollkommener, ſtaubiger Humus beigemengt iſt, auf dürren, ſtark eiſenſchüſſigen Sandflächen mit Ortſteinunterlagen u. ſ. w. vor, Zuſtände, die alle wenigſtens nicht durch unmit— telbare Einwirkung des Menſchen entſtanden ſind, ſondern ihm ſo von der Natur ſeit Unvor— denklichem überliefert wurden. Durch Miſswirt— ſchaft entſtehen aber auch verödete Sandflächen durch unwirtſchaftliche Ausbeutung an ſich armen, unbewaldeten Sandbodens, durch ſchlechte Beacke— rung, Entnahme der etwa erzeugten ſchwachen Humusdecken als Dungſtoff ꝛc., beſonders aber durch unvorſichtige Entwaldung des ſeither mit Holz beſtanden geweſenen Sandbodens, der ein langes Liegenbleiben desſelben ohne Wieder— bewaldung folgt. Derartige verödete Sand— flächen können die Natur der Heiden annehmen, über deren Aufforſtung ein beſonderer Artikel handelt, ſie können aber ſelbſt dadurch zu einem noch höheren Grade der Verwüſtung gelangen, dass ſich auf ihnen keine Heidevegetation einſtellt und ſie nun, infolge der fehlenden Narbe, zu Flug ſandflächen werden, die bei größerer Ausdehnung in vollſtändige Sandwüſten überge⸗ hen können. Die Gefahr des Entſtehens von Flug- ſand auf armem, trockenem, bloßliegendem Sand— boden liegt nahe, wenn derſelbe in Lagen vor— kommt, die dem Spiele der Winde ſehr ausge- ſetzt ſind, wie dies an Seeküſten, aber auch an Hoch- und Freilagen des Binnenlandes nicht ſelten der Fall iſt. Die freien, loſen Sand— körner, die meiſt die obere, oft mächtige Schicht jener öden Sandflächen bilden, werden dann leicht vom Winde erfasst und oft maſſenhaft von ihm ſo lange fortgetrieben, bis ſie ſich an einem oft weit von ihrer Urſprungsſtelle ent— fernten hindernden Gegenſtande aufſtauen, dort zeitweiſe liegen bleiben, oft aber von neuem von entgegengeſetzt wehenden Windſtrömen er— faſst und nach anderen Richtungen hin gefegt werden. So können weite Flugſandflächen einem Sandmeere gleich werden, das innerhalb ſeiner Grenzen in ſeinen Sandwellen auf- und ab— wogt, jene aber auch überſchreiten und ſich ver— heerend über angrenzende Culturländereien er— gießen und ſo an Ausdehnung immer mehr im Laufe der Zeit gewinnen kann. Die Aufgabe der Landescultur iſt es nun, nicht nur das Ent- ſtehen von Flugſand nach Möglichkeit zu ver— hüten, ſondern auch denſelben durch einen ge- regelten Bau, der meiſt im Holzanbau ſeinen Abſchluſs findet, zu beruhigen und. feſtzulegen, um ſo die Gefahr der weiteren Ausdehnung des Übels zu beſeitigen, ſelbſt in der früheren Flug— ſandfläche ein ertragfähiges Culturgelände zu gewinnen. Als ſolche keineswegs ſeltene Flugſand— gegenden kommen hier beſonders die in Be— tracht, welche die weite norddeutſche Ebene und Schleswig-Holſtein darbietet und hier vor allem längs der Küſten der Oſt- und Nordſee, herrührend von ſtetig ausgewehtem, ausgetrock— netem, ſich oft zu mehr oder weniger hohen „Dünen“ aufthürmendem, bald weitere Ebenen, bald Einſenkungen oder „Kehlen“ bildendem, meiſt feinem Seeſande, in großartiger Ausdeh— nung auftritt, aber auch im Binnenlande in beſchränkterem Umfange, als ſog. „Sand— ſcholle“ oder „Sandſchelle“ hie und da nicht fehlt. Außerdem bietet aber auch noch die öſterreichiſch-ungariſche Donauebene in ihrem vorzeitigen Seegrunde ſehr ausgedehnte Flugſandgebiete dar. Hier iſt namentlich in der großen niederungariſchen Ebene, unter verſchie— denen vorkommenden Flugſandgebieten, beſon— ders das des Banats als impoſant zu bezeich— nen, während die Flugſandflächen der kleineren vorderungariſchen Ebene im Raaber und Graner Comitat, ſowie die rechts und links der March belegenen, zwar keineswegswegs unbedeutend, 1 * 4 Flugſandcultur. aber doch gegen jenes tend ſind. Alle Odlandaufforſtungen (f. d.) bieten viele Schwierigkeiten dar, die meiſten wohl die Cultur des Flugſandes. Beim Flugſand beruht die Hauptaufgabe in ſeiner Bindung, d. h. in ſeiner Beruhigung gegen Verwehen und dadurch herbei— geführte ſtete Ortsveränderung des die obere Bodenſchicht bildenden Sandes. Die Löſung der Aufgabe iſt leichter, wenn die Flugſandflächen beſchränktere Ausdehnung haben, die Sandquelle nicht ſtetig fließt, die Unfruchtbarkeit des Sandes eine mäßigere und die treibende Kraft des Windes eine beſchränktere iſt; ſie wird umſo ſchwieriger, je mehr das Gegentheil dieſer Punkte hervortritt. So wird ſich die „Sand— ſcholle“ des Binnenlandes verhältnismäßig am leichteſten binden, bezw. aufforſten laſſen, ſchwie⸗ riger wird ſich dieſe Arbeit in den ausgedehnten Flugſandgebieten der Donauebene geſtalten und jedenfalls der Seedünenbau der Cultur die größten Schwierigkeiten entgegenſtellen. Bei ausgedehnten Flugſandeulturen reicht übrigens ſehr oft die beſtehende allgemeine Geſetzgebung nicht aus, um dieſelben mit Erfolg ausführen zu können, und erheiſchen eine die örtlichen Ver— hältniſſe ſcharf ins Auge faſſende Sondergeſetz— gebung, wie denn auch ſehr häufig bei der- artigen, im Beſitz von Gemeinden, Privaten ꝛc. befindlichen Flugſandflächen die Kräfte des ein⸗ zelnen Beſitzers ungenügend find, die Cultur- koſten aus eigenen Mitteln aufzubringen, wes— halb hier der Staat aus allgemeinen ſtaats⸗ wirtſchaftlichen Rückſichten helfend eintreten mufs; es liegen ſonach hier nach dieſer Rich— tung hin die Verhältniſſe mindeſtens ganz ebenſo, wie bei allen ausgedehnten Odland— culturen. Was die techniſche Ausführung der Flugſandculturen anbetrifft, ſo beruhen dieſelben zunächſt, wie bereits bemerkt, in einem zeit halten des beweglichen Sandes zu dem Zwecke, denſelben mit einer Vegetationsdecke zu über— ziehen. Das Erzeugen einer Vegetation auf Flugſand erfolgt erſt bei einer Beruhigung desſelben, die auf mechaniſchem Wege durch Belegen des flüchtigen Sandes mit geeigneten todten Stoffen, dann durch Bepflanzung des— ſelben nach vorgängiger geeigneter Bodenvor— bereitung zu erreichen iſt. Letzteres kann ſich auf niedrig bleibende Gewächſe, beſonders Gräſer erſtrecken, und kann dieſe Art der Pflanzung entweder nur die Einleitung zum Holzanbau bilden, der dann die Culturarbeit auf der Flugſandfläche dauernd abſchließt, oder es kann letzterer auch auf ruhigeren Sandflächen un— mittelbar ausgeführt werden, ohne zuvor den niederen Graswuchs 2c. erzielt zu haben. Es kommt ſelbſt vor, daſs man ſich mit einer bloßen Begraſung der Flugſandfläche beſonders da beruhigt, wo die Verhältniſſe jo liegen, daſs dieſelbe eine landwirtſchaftliche Benützung zu— läſſig macht. Dies kann da der Fall ſein, wo der Sand eine günſtige Beimengung von be— ſonders mineraliſchen Stoffen hat, welche dem Graswuchſe förderlich ſind. Ein ſolches Ver hältnis liegt z. B. in den Flugſandgebieten der erwähnten Donauebene vor, jo dajs dort in der immerhin zurücktre— That die fruchtbaren Theile derſelben dem Gras— bau verbleiben, und die zuſammenhängenden, weniger fruchtbaren Flächen, namentlich wenn ſie auf das Culturland ſchützend wirken ſollen, dem Holzanbau zugewieſen werden. Nicht minder würde Flugſand, dem durch Überrieſelung ein ſtändiger Feuchtigkeitsgehalt zugeführt werden könnte, zum Grasbau dauernd zu benützen ſein, wie z. B. die großartigen Berieſelungen in der preußiſchen Tucheler Heide zeigen. Im allgemeinen folgt aber der Deckung der Flugſandfläche oder ſteht mit dieſer in un⸗ mittelbarer Verbindung der Holzanbau. Es gilt dies für den Sandbau im Binnenlande wie in der Düne. | Überall, wo der Sandbau erfolgen ſoll, iſt eine ſtrenge Hege der Baufläche erſtes Erfor⸗ dernis, auch erſcheint es unerlässlich, daſs den Arbeiten, ſobald es ſich um größere, ſchwer zu überſehende und nur nach und nach zu culti⸗ vierende Flächen handelt, ein allgemeiner Cultur- plan zu grunde gelegt werde, der ſich auf eine genaue Vermeſſung und Kartierung der Fläche gründet, bei welcher letzteren die für den Bau beſonders wichtigen Punkte, wie Hügel, Sand— kehlen, der herrſchende Windſtrich u. ſ. w. her⸗ vorgehoben ſind. Was die Zeitfolge der Arbei⸗ ten anbetrifft, ſo empfiehlt es ſich, die ſchwie⸗ rigſten Stellen, wie Kuppen, Kehlen u. ſ. w. zunächſt beim Bau in Angriff zu nehmen und dieſelben, dem herrſchenden Windſtriche folgend, den weniger bedrohten Stellen zuzuführen. Wir unterſcheiden beim Sandbau: den im Binnen⸗ lande und den in den Dünen. 1. Binnenlandsſandbau. a) Als Einleitung eines Sandbaues iſt das Einebnen der Flugſandfläche bis zu einem gewiſſen Grade, namentlich durch Beſeitigen ſchroffer Erhöhungen und Füllen von ſcharf eingeſchnittenen Vertiefungen, ſog. Kehlen, zu betrachten, damit dem Winde die Gelegenheit benommen wird, große Sandmaſſen, welche jene Bodenſtellen zu liefern vermögen, zu faſſen und vor ſich herzutreiben und ſo alle weiteren Sandbauarbeiten zu erſchweren oder zu vereiteln. Die Einebnungsarbeiten er⸗ folgen durch vollſtändiges Abtragen, bezw. Aus⸗ füllen, werden aber oft dadurch weſentlich er= leichtert, dajs man nur die oberen Schichten, bezw. ſteilen Ränder lockert und es dem Winde überläjst, durch Wegführen der geloderten Schichten in die Tiefen nad) und nach die noth- wendige Ausgleichung der Bodenoberfläche der Hauptſache nach ſelbſt zu bewirken. b) Man führt nach Beendigung jener Vor⸗ arbeit den Sandbau entweder unter Zuhilfe⸗ nahme von Schutzzaunſtellung oder auch ohne eine ſolche, durch bloße Horizontaldeckungen aus aa) Die Schutz- oder Coupierzäune können Einfaſſungs- oder auch Fangzäune ſein. Man pflegt ſie in einer Höhe von 1˙5 m aus etwa Jem ſtarken, ſenkrecht in den Boden geſetzten Pfählen von beliebigem Holze, welche mit Zaunſtrauch dicht durchflochten werden, zu errichten. Sie durchziehen als Einfaſſungs— zäune entweder die ganze Sandſcholle oder nur beſonders bedrohte Theile derſelben, nament- lich zum Schutz gegen Betreten derſelben durch 8 a W Flugſandcultur. 5 Menſchen oder Vieh, und ſind da unentbehrlich, wo Wege oder Triften durch die feſtzulegende Fläche führen, um von dieſen aus das Betreten der Sandfläche zu verhindern. Sollen dagegen die Zäune als Fangzäune dienen, d. h. ſollen ſie den fliegenden Sand von Strecke zu Strecke auffangen und ſo ſein ungehindertes Bewegen auf der Sandfläche aufhalten, ſo müſſen die— ſelben in gewiſſen Entfernungen von einander mit der Front dem herrſchenden Winde recht— winkelig gegenüber und etwas nach dieſem zu ausgebuchtet, errichtet werden. Man fängt dann mit der Aufrichtung des Zaunes von der Windſeite an und ſtellt den erſten Zaun noch auf feſtem Boden auf, die nächſtfolgenden immer in ſolchen Entfernungen, daſs der Windſtrich den Sand nicht treffen und auf größere Ent— fernungen fortführen kann, wozu nach Um— ſtanden je 15—20 m genügen können. Dabei iſt zu beachten, daſs der Fangzaun auf der Scholle nicht abbrechen darf, wenigſtens dann nach dem Ende zu niedrig verlaufen mujs, ferner dajs er nicht von uncoupierten Sandhöhen be— herrſcht werden darf. Dieſe, ſowie Kehlen u. dgl. werden wohl in engeren Kreiſen beſonders um— zäunt. Es iſt unzweifelhaft, daſs Coupierzäune ein gutes Mittel bilden, fliegenden Sand zu beruhigen, und wurden ſie ſonſt ſtets zu dieſem Zwecke verwendet. Es iſt ihr Setzen aber häufig mit großen Umſtänden und Koſten verknüpft, ſo daſs man jetzt vielfach Zäune nur noch zur Einfaſſung von Wegen und Triften, auch wohl zur Feſtlegung von Kuppen und Kehlen ver— wendet und ſtatt der Fangzäune liegende Boden— decken anbringt, die überdies auch ſelbſt beim Anwenden jener nicht ganz zu entbehren waren, nur in minderem Maße angewendet wurden. bb) Das Decken der Flugſandflächen durch flache, auf den Boden gelegte, den Sand beſchwerende und feſthaltende Stoffe iſt ein Hauptmittel zur Beruhigung des Sandes. Die hiezu zu verwendenden Stoffe können ſehr man— nigfaltiger Art ſein, doch iſt ihre Auswahl in— ſoferne beſchränkt, als ſie billig und in nächſter Nähe der Arbeitsſtelle zu beſchaffen ſein müſſen, um die Arbeit nicht zu ſehr zu vertheuern. Sehr gründliche Deckungen werden wohl in Niederungsgegenden mit fruchtbarem Boden, der bei Überſchwemmungen durch Flüſſe mit todtem Sand überlagert wurde, ſo vorgenom— men, daſs durch volle Raiolarbeit (ſog. „Wenden“) der ſchwere Boden in entſprechender Mächtigkeit über den Überſchwemmungsſand gefördert wird. Derartige Arbeiten ſind aber koſtſpielig und nur da auszuführen, wo man auf dieſe Weile von neuem einen ſehr wert- vollen Boden für landwirtſchaftliche Benützung zu erlangen vermag. Auch das überfahren einer vollen Erd— decke in Stärke von etwa 15—20 em würde, wegen ſeiner Koſtſpieligkeit, nur unter ähnlichen Verhältniſſen ausführbar ſein, wie jenes Wenden. Dagegen iſt in einzelnen Gegenden, wo die Flugſandflächen an Brücher oder gras— wüchſige Gelände ſtoßen, ein Decken jener mit Palten oder Plaggen wohl ausführbar und ſehr erfolgreich. Ebenſo ſind Palten von Heide— kraut, die man zuvor gemähten, dann wieder mit junger Heide bewachſenen Heideländereien ent— nahm, bei Sanddeckungen um ſo dienlicher, als ſie leicht auf dem Sande anwachſen und fo befeſtigender wirken, als wenn der Sand nur mit todten Deckpalten belegt wurde. Die Palten werden entweder quadratiſch geſtochen und in engerem oder weiterem Verbinde (016-14 m) nach Maßgabe der Böſchung und der Wind— wirkung auf den Sand gelegt, oder aber in Streifen von etwa 016 m Breite geſchnitten und als ein Netz mit einer Maſchenweite von 0:76—2 m, je nach Bedürfnis, über die Sand— fläche gelegt. Bei weiteren Maſchen legt man gewöhnlich in den Mittelpunkt noch eine qua— dratiſche Palte. Das Auslegen der Palten er— folgt am beſten in der Herbſtzeit, wenn der Sand friſch iſt, u. zw. mit der Wurzelſeite nach unten, um ſo möglichſt ein Anwachſen derſelben zu vermitteln. Es gelingt dies, wie geſagt, bei jenen Heidepalten in der Regel, bei Graspalten ſeltener, was ihre Wirkſamkeit natürlich be— ſchränkt aber keineswegs aufhebt. Anderweites Deckmaterial bietet öfter die betreffende Gegend in Stroh, Schilf, Pfriemen (Spartium), Mähheide, Nadelſtreu u. ſ. w., welches ſtreifenweis ausgelegt, auch wohl nach der Art zu Würſten gebunden und ſo verwendet wird, wobei ſeine gute Befeſtigung auf dem Sande durch übergelegte Stangen, durch Be— ſchütten mit Erde oder dergleichen geſichert werden muſßs. Ein im deutſchen Binnenlande vorzüglich in Anwendung gebrachtes Deckmaterial bildet der Strauch, vor Allem der Kieferſtrauch. Dieſer wird in möglichſter Nähe der Arbeits— ſtelle von Seitenzweigen, nicht von Wipfeln gewonnen und wird ſo ausgelegt, daſs man, von der Windſeite damit anfangend, die Spitzen windabwärts richtet, und wo mehrere Schichten bei einander zu liegen kommen, die Zweige dachziegelförmig übereinanderfügt. Die Strauch- reihen werden nicht zu dicht an einander ge— rückt, daſs noch Raum für die zu erwartende Vegetation bleibt (etwa 100 Fuhren Deckſtrauch pro Hektar), die ſelbſt von Holzpflanzen da er— wartet werden kann, wo man mit Zapfen bedeckten Strauch auslegte. Dass der Strauch feſt liegt und nicht vom Winde getrieben wird, mujs durch Beſchweren, bezw. durch Befeſtigen mit übergezogenen Stangen, an Stellen, die vom Winde hart angegriffen werden, durch Einſtecken des Strauches mit den Sturzenden in den Sand, jedenfalls veranlasst werden. c) Die Deckung des Flugſandes im Binnen— lande durch eine lebendige Graspflanzung zu machen, wozu man u. a. den Elymus are- narius wohl verwenden könnte, während Arundo arenaria nur in den friſchen Dünenſand paſst, lohnt nicht. In jenen ungariſchen Flugſand— gebieten iſt Elymus häufig angebaut, auch Festuca ovina, Var. amethystina Host. und vaginata Wild. (nicht veginata, wie ſie Weſſely nennt; vgl. Forſtliche Blätter, 1874, Beilage, p. 61), welchen Gräſern im Banat ſelbſt die Kugeldiſtel (Echinops Bitro) beigeſellt wurde, ohne auch hier gerade Großes mit dieſen Deck— pflanzen erreicht zu haben. 6 Flugſandeultur. d) Der Holzanbau auf den Flugſand— flächen des Binnenlandes wird überall da, wo nicht etwa ausnahmsweiſe eine Grasnutzung möglich iſt und beabſichtigt wird, den Schluß— ſtein der Bauarbeit bilden müſſen, um ihr dauernden Halt zu verſchaffen. Zwar ſprießt auf dem beruhigten, ſelbſt nahrungsarmen Flugſande freiwillig eine ärmliche Vegetation hervor, die in Deutſchland mit Vorliebe zu— nächſt das Bartgras (Corynophorus canescens), die Sandſegge (Carex arenaria), auch der blau— grüne Sandhafer (Elymus arenarius) ſtellt, im Sandgebiete der Donauebene aber infolge größeren Nahrungsgehaltes des Sandes weit reichhaltiger erſcheint und ſich nicht nur auf Gräſer, ſondern auch auf Kräuter u. dgl. er— ſtreckt, und ſind auch alle dieſe natürlichen Anfänge der Vegetation auf dem Flugſande nur erwünſcht, genügen allein aber faſt nirgends. Für den Holzanbau bildet die gemeine Kiefer (P. silvestris) in Deutſchland faſt das aus— ſchließliche Material, da der hin und wieder verſuchte Anbau anderer Nadelhölzer, z. B. der Hakenkiefer (P. uncinata), der Weißfichte (Abies alba), für Flugſandeultur kaum erwähnungs— wert iſt (j. Heideaufforſtung) und dies auch von Weidenſtecklingspflanzungen auf fliegendem Überſchwemmungsſande an einzelnen Slujsufern gilt. Dagegen bietet der Flugſand der Donau— ebene außer der Weißkiefer (P. silvestris) auf ſeinen kalkhaltigen Stellen der Schwarzkiefer (P. austriaca) einen paſſenden Standort dar, wie man denn auch auf ihr mit gutem Erfolge Wälder von Pappeln, beſonders von Populus canadensis und pyramidalis, mit geringerem von P. nigra und alba und ſolche von Acacien erzog und hier auch ferner zweckmäßig bei Holzanlagen in den betreffenden Flugſand— gebieten in Anwendung bringen wird. Der Kieferanbau kann allerdings durch Saat verſucht werden, wie wir dies bereits beim Auslegen von mit Zapfen beſetztem Deck— ſtrauch erwähnten, auch haben Zapfenſaaten, unter einer leichteren Decke von Strauch aus— geführt, hin und wieder Erfolg, doch beruht die Sicherheit der Cultur hier vor Allem auf der Pflanzung. Ganz beſonders iſt die Ballen— pflanzung (j. d.) angebracht, da ſie, gut ausge— führt, die größte Sicherheit des Erfolges ge— währt. Bei der nicht ſelten vorliegenden Schwierigkeit, die Ballenpflanzen zu beſchaffen, bleibt noch die Pflanzung einjähriger Kiefern (ſ. Kiefererziehung) zur Ausführung übrig. Man führt die Pflanzung zwiſchen dem Deckmaterial aus, nach Umſtänden entweder gleichzeitig mit dem Auslegen desſelben oder, wenigſtens bei Pflanzung einjähriger Kiefern, nach Friſt eines oder einiger Jahre, ſobald der Sand an Feſtig— keit durch Setzen und leichtes Benarben ge— wonnen hat. Die Anlage von Pappelwald im Flug— ſandgebiete der Donauebene erfolgt durch Stecklingspflanzung und durch Pflanzung von Setzſtangen, die man, der Sicherheit des Fort— wachſens willen, in der Regel zuvor in Kämpen bewurzeln läjst. Die Bewirtſchaftung der Pap— peln erfolgt meiſt als Niederwald in einem 12- bis 15jährigen Umtriebe, doch würden ſich Setzſtangeupflanzungen auch empfehlen, um die im Flugſandgebiete belegenen Grasprädien mit einer ſchützenden Baumeinfaſſung zu um— geben oder ſie ſonſt zu hochſtämmigen Schutz— pflanzungen, wo es die Ortlichkeit wünſchens— wert erſcheinen läſst, zu verwenden. Der Acacienwald bewährt ſich auf dem Sandreviere des ungariſchen Tieflandes vor— trefflich und übertrifft dort an Genügſamkeit oft ſelbſt die canadiſche Pappel. Sie kann im niederen Hochwaldumtriebe, doch auch als Niederwald bewirtſchaftet werden. Als Hoch— ſtamm würde ſie auch zu Schutzreihen zu ver— wenden ſein und Acacienniederwald den Grenz— ſchanzen ene tüchtige Wehr verleihen. Als bemerkenswerte Literatur über den Flugſandbau des Binnenlandes iſt zu nennen: Weſſely der europäiſche Flugſand, Wien 1883, der beſonders auch auf die öſterreichiſchen Verhältniſſe Rückſicht nimmt, ebenſo die Auf- ſätze in der Oſterreichiſchen Monatsſchrift 1869 von Kargl und 1870 von Mattuſch Joſef; außerdem v. Pannewitz Anleitung zum An— bau der Sandflächen im Binnenlande und auf den Stranddünen. Marienwerder 1832. 2. Der Dünenbau. Die am flachen, unbewaldeten Seeſtrande unausgeſetzt erfolgenden Seeſandausſpülungen bilden, ſobald der Wind landeinwärts weht, durch das Forttragen der oberen ausgetrockneten feinen Sandſchicht und Ablagern derſelben längs der Küſte die ſog. „Dünen“. Sie ſind eine Folge früherer Küſtenentwaldung und erſt entſtanden, wo und ſeit eine ſolche ſtattfand. Unzweifelhaft waren vordem, an Küſten, die jetzt von Dünen bedeckt ſind, ſchützende Wälder und das Neuſchaffen von Wald iſt das einzige Mittel, das Entſtehen der Dünen und vor Allem ihr Wandern ins Culturland hinein zu ver— hindern. Die Ausdehnung der Dünen, die wir hier zu beobachten haben, iſt eine ſehr bedeutende. Sie ſäumen den größten Theil der deutſchen Küſten von der ruſſiſchen bis zur holländiſchen Grenze, oft in erheblicher Breite und in mehr oder minderer Mächtigkeit ein. Dabei fehlen ſie aber auch anderen Nachbarländern nicht. Sie ſind an der däniſchen, holländiſchen, belgi— ſchen und auf 123 Meilen Länge an der Nord— küſte Frankreichs vertreten, in welch letzterem Lande außerdem die Küſten des biscay'ſchen Meerbuſens die berühmten „Landes“ in meilen— breiten Streifen mit einer Fläche von ca. 80.000 ha zeigen. Ihre Mächtigkeit iſt eine ſehr verſchiedene; indem ſie bald als flache, vielfach unterbrochene Wälle längs des Strandes, bald als Sand— berge, die ſich bis zu Höhen von etwa 30 m aufzuthürmen vermögen, erſcheinen. Überall hat man das Verderbliche der Dünen erkannt und überall hat man ſchon längſt ſich bemüht, dasſelbe von den betroffenen Ländern zu nehmen, freilich unter Aufwendung ſehr verſchiedener Kraftanſtrengung und mit ſehr verſchiedenen Erfolgen. Mit gutem Bei— ſpiele iſt ſchon vor langen Jahren Dänemark, welches aus der Feſtlegung der Dünen nicht nur einen dringend nothwendigen Schutz für a u a nn ir Flugſandeultur. 7 das Land gegen rauhe Stürme, ſondern auch einen ſolchen gegen die fortſchreitende Verſandung von Culturland gewann, vorangegangen, wie denn auch Holland, welches überhaupt nur unter dem Schutz ſeiner Deiche und ſeines Dünenwalls zu beſtehen vermag, der Erhaltung beider von jeher alle Sorgfalt zuwenden mujste, was hier bei den Dünen aber mehr durch Er— richtung von Steinbauten und Pfahlwerken an beſonders bedrohten Punkten als durch einen geregelten, auf Vegetation geſtützten Dünenbau, wie er in Dänemark durch Reventlow, in Preußen durch den Dänen Sören-Biörn, in Frankreich durch Bremontier längſt einge— leitet und ſpäter fortgeführt wurde, geſchah. Der auf Pflanzenanbau gegründete Dinen- | bau ſtützt fi) auf Gras- und auf Holz⸗ anlagen. Durch beide ſoll der Flugſand ge— bunden, dauernd gehalten und ſelbſt ertrags— fähig gemacht werden. a) Der Grasbau ſoll im Weſentlichen nur Mittel zum Zweck ſein und dem Holz— anbau vorarbeiten und dieſen ſchützen. Gras— flächen verſchwinden daher überall da, wo der Holzanbau zu ermöglichen iſt, bleiben aber auch wenigſtens auf den ſog. Vordünen be— ſtehen, die ſich auf verhältnismäßig ſchmalen Streifen längs des ganzen Strandes hinziehen und als Schutz für etwa dort vorkommende Anſiedlungen, dann aber für allen Holzanbau dienen, der auf den landeinwärts belegenen alten Dünen vorgenommen wird. Man bedient ſich zur Ausführung des Grasbaues beſonders des Sandrohrs (Arundo arenaria), von Ratzeburg in „Standorts— gewächſe, Berlin 1859“ Dünenrohr und Sand- hafer genannt, dann des Sandhafers (Elymus arenarius), von Ratzeburg a. a. O. als „Sand— roggen (al. Sandhafer)“ bezeichnet. Das Sandrohr eignet ſich beſonders zur Pflanzung an Stellen, wo fortwährend friſcher Seeſand übergeweht wird, da es dieſe Überwehungen, in welchen es ſich durch Aus— ſendung gabeliger Triebe wuchernd fortpflanzt, überwächst, unausgeſetzt den nun zugewehten friſchen Sand auffängt, ihn wieder durchwächst und ſo auf ſeine Pflanzſtelle haltend und er— höhend wirkt. Wo ihm friſcher Seeſand nicht zugeführt wird, alſo auf den weiter landein— wärts belegenen trockenen Dünen, ſelbſt auf der Landſeite der vorderen Dünen, ſobald ſie jener Sand nicht mehr überſchüttet, ſtirbt es ab und kann nur eine auffangende Wirkung auf den Sand ausüben, wie jeder in den Sand aufgeſtellte Strohbüſchel. Zur Bepflanzung ſolcher Partien eignet ſich daher beſſer der vorgenannte Sandhafer, deſſen Gedeihen vom friſchen Seeſande nicht abhängig iſt, der ſich auf altem loſem Sande hält und durch Kriechtriebe fortpflanzt, indem er größere Kaupen bildet und ſo befeſtigend wirkt. Von Natur ſiedelt ſich auf etwas be— ruhigtem Dünenſande zuerſt beſonders Sand— ſegge (Carex arenaria) und Bartgras (Cory- nophorus oder Aira canescens) an und trägt zur Befeſtigung desſelben dann weſentlich mit bei. Der Graspflanzung geht auch hier eine Doſſirung der Sanddüne voran und iſt eine möglichſt flache Doſſirung dem Sandbau be— ſonders günſtig. Die Graspflanzung führt man vom September bis anfangs Juni aus, gibt aber der Herbſtpflanzung den Vorzug. Die Pflanzen werden in der Regel als Wildlinge auf der umgebenden Düne oder aus bereits be— ſtockten Anlagen gewonnen. Es geſchieht dies durch Ausziehen, beſſer durch Ausgraben, wo man darauf ſieht, daſs die Wurzeln mindeſtens 8-30 em lang ſind, und dieſe nach dem Aus— heben gegen Luft und Sonne ſorgfältig bis zum Wiedereinpflanzen geſchützt werden. Das Einpflanzen erfolgt Pflanze an Pflanze in Grübchen von der Form der Fig. 332, meiſt in Netzform, wie Fig. 353 zeigt. Die Seiten der Fig. 352. Netzförmige Graspflanzung. N 9 9 Netzmaſchen ſind länger oder kürzer zu wählen, je nach der Macht des einwirkenden Wind— ſtromes und wechſeln daher von. 125 bis 3˙5 m Länge. In die Netzfelder werden noch Gras- büſchel in 045—0°90 m Verband, ebenfalls nach a wechſelndem Bedürfnis des Schutzes gepflanzt. Da wo es ſich um Feſt⸗ legung von unter dem Winde belegenen, hier oft ſteil auftretenden und zur Verflachung ungeeig— neten Abdachungen han- delt, genügt eine Gras— pflanzung in einfachen Reihen. Doppelreihen werden überall längs der Wege gepflanzt. Wo es an Pflänzlingen zum Ausſtechen und weiteren Verpflanzen fehlt, müſſen dieſelben auf geeigneten Stellen der Düne durch Saat erzogen werden, die man übrigens geeigneten Orts wohl ebenfalls unmittelbar zur Deckung und Bindung des Sandes verwenden kann. Zum Zwecke der Saat müſſen reife Ahren be— ſchafft und muſs aus ihnen der Same ausge— droſchen werden. 4 hl Sandrohrähren geben ge— wöhnlich 1 hl Korn, während letzteres Maß, ſchon von 2 hl Sandhaferähren gewonnen wird. Die Ausſaat des Korns wird gegen Ende Mai in flache, auf größeren Flächen gewöhnlich mit Fig. 353. Durchſchnitt des Grabens für Graspflan⸗ zung auf Dünen mit An⸗ gabe der Abmeſſungen in Centimetern. 8 Flugſandcultur. dem Pflug gezogenen, 50—60 em von einander entfernte Furchen vorgenommen und dabei pro Hektar 2 hl Sandhafer oder 1 hl Sandrohr ver— wendet. Der Same pflegt nach 2—4 Wochen aufzugehen. Wir haben bereits erwähnt, daſs die ſog. Vordüne mit Hilfe des Grasbaues geſchaffen und der Graswuchs auf ihr ſtändig erhalten werden mujs, und führen über dieſe Art der Anlage hier noch Folgendes an: Die Dünenfläche würde in ihren Sand— maſſen ſtändig vermehrt werden, wenn man die Quelle dieſer Vermehrung, den aus der See friſch ausgeſpülten, oberhalb trocken und dann ein Spiel des landeinwärts wehenden Windes werdenden Sand nicht verſtopfen wollte. Dies geſchieht dadurch, daſs man dahin trachtet, zu— nächſt faſt unmittelbar am Strande (nach Um— ſtänden in etwa 30—40 m Entfernung von der See) einen den Seeſpiegel mäßig überragenden, vom gewöhnlichen Wellenſchlag nicht erreichten, in ſanft geſchwungener Linie hinlaufenden, mit einer möglichſt gleichmäßigen Krone und flacher Abdachung nach der See verſehenen Sandwall herzuſtellen, damit dieſer den erſten Sandaus— wurf auffängt, dann noch einen zweiten ähn— lichen Wall unmittelbar am Fuße der weiter hinten liegenden hohen Düne zu bilden, wel— cher hier etwaige weitere Sandwehen auffängt und ſo die hohe Düne vor weiteren Sandauf— häufungen ſchützt. An den preußiſchen Seeküſten nennt man den erſteren Sandwall die äußere, den an— deren die innere Vordüne. Von beſonderer Wichtigkeit iſt die Herſtellung und ſorgfältige Erhaltung jener äußeren Düne, da ſie zum erſten und hauptſächlichſten Schutz des hinter— liegenden Dünenterrains dient, während die innere Vordüne nur Beihilfe leiſtet. Die Vor— düne ſtellt man, wo nicht bereits natürliche, dem Zweck ganz entſprechende oder demſelben durch Nacharbeit anzupaſſende Sandwälle be— ſtehen, künſtlich her. Früher geſchah dies faſt bloß durch Ausführung von Sandrohranlagen, ſowohl Pflanzungen als auch Saaten, die in entſprechender Sohlenbreite auf flachem Strande ausgeführt wurden und ſich nach und nach durch ſtändiges Überwehen der Anlage mit friſchem Seeſande und ebenſolches Durchwachſen des Graſes zu der entſprechenden Schützdünen— höhe erhoben. Wo dieſe Bildung nicht ſchnell genug vonſtatten geht, beſchleunigt man jetzt die Anlage durch ſenkrechtes Aufſtellen von etwa 25m über den Waſſerſpiegel ragende, in 2 m Entfernung der Einzelreihe von einander aufgeſtellte Doppelreihen von todtem Zaun— ſtrauch, der oben gleichhoch beſchnitten wird. Der aus der See gewehte Sand bildet hier, bald über den Strauch reichend, den erwünſchen Wall, der durch einige Nachhilfe die nöthige gleichmäßige Form erhält und dann mit einem engeren Grasnetz überzogen wird, deſſen un— tere Maſchen an der Seeſeite, wenn ſie ſtark von den Wellen beſpült werden, wohl aus Elymus arenarius gebildet werden, der dem Ausſpülen weniger unterworfen iſt, als Arundo arenarla, b) Was den Holzanbau auf den Dünen anbetrifft, jo beruht derſelbe an den deutſchen Küſten der Hauptſache nach auf Anpflanzung der gemeinen Kiefer. Die früher wohl ge— bräuchlich geweſenen Zapfenſaaten derſelben hat man als ungenügend aufgegeben. Auch auf den Oſt⸗ und Nordſeedünen anderer Länder bildet jene Holzart das gebräuchlichſte Pflanzmaterial. In den Landes tritt an ihre Stelle die See— ſtrandskiefer [Pinus maritima), die den dortigen klimatiſchen Verhältniſſen angepasst iſt, an unſeren Dünen aber nicht ausdauert. Von Laubhölzern haben ſich, nach ver— ſchiedenen angeſtellten Verſuchen, nur die Schwarz- und Weißerle zur Bepflanzung der hin und wieder in den Dünen auftretenden feuchten Senkungen bewährt. Letztere widerſteht dem Seewinde beſſer und leidet durch die— ſelben weniger unter Wipfeldürre, als die Schwarzeller, weshalb man ſie hier zu bevor— zugen pflegt. In den holländiſchen Dünen wer- den jedoch an derartigen feuchten Stellen auch Schwarz- und Weißpappel gepflanzt. Die auf der Düne hin und wieder von Natur vorkommenden Sträucher, wie Berberis vulgaris, Hippopbas rhamnoides, Salix repens, rosmarinifolia und daphnoides, in Holland noch Ulex europaea und Rosa pimpinellifolia, dienen mit zur Befeſtigung des Sandes, werden aber zum Zwecke derſelben nicht künſtlich angebaut, da eine derartige Anlage eine durchgreifende Wirkung nicht haben würde. Die Kieferpflanzung erfolgt auf den Dünen der Hauptſache nach wie auf den Sand— flächen des Binnenlandes (ſ. Kiefererziehung). Die Standortsverhältniſſe ſind hier freilich, na— mentlich auf der hohen, dem ſtetigen Windwehen ausgeſetzten trockenen Düne, äußerſt ſchwierig und erfordert die Cultur große Aufmerkſamkeit. Es iſt zweckmäßig, den Holzanbau nicht auf compacten Terrainkörpern der Düne auszu- führen, ſondern denſelben in langen, breiten Streifen, der Küſte etwa parallel laufend und die günſtigeren Culturſtellen faſſend, auszu- führen, um erſt bewaldete Holzgürtel in jenem Sandmeer zu ſchaffen, ihre Zwiſchenräume vor— läufig durch Sandgraspflanzung zu halten und fie erſt demnächſt nach und nach mit zum Holz- anbau heranzuziehen, ſobald ſich die Ausſichten, ſie zu bewalden, durch Begraſung, Abplattung u. ſ. w. günſtiger geſtaltet haben. Ballenpflan zungen find auf der Düne am erfolgreichſten, doch iſt für ſie das Material ſchwer zu beſchaffen und ein weiterer Transport von Ballenpflanzen im Dünenterxain ſchwierig. In den Danziger Dünen erzog man früher auf naſſen Stellen zweijährige Kiefern und ver— pflanzte ſie mittelſt des Hohlkeilſpatens (ſ. d.) als Ballen. Die Pflanzung war ſehr theuer und ihr Erfolg keineswegs immer zus friedenſtellend. Die Pflanzung einjähriger Kiefern mit entblößten Wurzeln mujs daher vielfach in Anwendung gebracht werden. Die Pflanzungen müſſen, wenn der Boden nicht bereits durch Graspflanzung befeſtigt iſt, unter Anwendung von Deckmaterial ausgeführt werden. Jedenfalls iſt der mit Graspflanzung verſehene Boden der alten Düne möglichſt raſch mit Holz in Beſtand zu bringen, da außerdem der Boden ſchnell Flugſchießen. — Flugvermögen. 9 wieder verwildert und neue Graspflanzungen erheiſcht, an deren Stelle beſſer der Holz— anbau tritt. Der auf der Düne erzogene Holzbeſtand iſt nur auf den geſchützten Stellen wüchſig, auf höheren Dünen meiſt armſelig. Man mufs ſich aber ſchon mit demſelben zufrieden geben und erwarten, daſs im Laufe der Zeit ſeitlicher Schutz durch beſſer wachſendes Holz und der Nadelabfall auf jenen dürftig beſtandenen Flä— chen ſelbſt nach und nach beſſere Beſtandsver— hältniſſe ſchaffen werden. Als Literatur über Dünenbau iſt be— merkenswert: Krauſe, Der Dünenbau an den Oſtſeeküſten Weſtpreußens, Berlin 1850. Hagen, Handbuch der Waſſerbaukunſt. 3. Theil. im Abſchnitt Seeufer- und Hafenbau. Berlin 1863. — Auch Weſſelys Schrift, Der euro— päiſche Flugſand, Wien 1873, handelt über Meeresdünenbau. Gt. Legislatur ſ. Fliegender Boden. Mcht. Flugſchießen, das, auch Luftſchießen, das Schießen von Federwild im Fluge. „Er (der Jägerpurſch) muſs ſich im Lauf- und Flug- ſchießen, und ſonderlich mit dem Pürſchrohr nach dem Ziel wol üben.“ C. v. Heppe, Aufr. Lehr- prinz, p. 229.— „Flugſchießen, Laufſchießen iſt eine durch fleißige Übung erlangte Fertigkeit, das Federwildpret im Flug, und etwa einen Haaſen oder anderes vierfüßiges Wild, im Lauffen zu ſchießen.“ Onomat. forest. I., p. 866. — Fleming, T. J., Ed. I, 1724, I., fol. 341. — Döbel, Ed. I, 1746, III., p. 118. — Jeſter, Kleine Jagd, Ed. I, 1797, II., p. 62. — Behlen, Wmſpr., 1829, p. 59. — Grimm, D. Wb. III., p. 1849. E. v. D. Ikugſchütz, der, veraltet, auch Luft- oder Federſchütze, ein im Flugſchießen geübter Jäger, dann in früherer Zeit auch ſynonym mit Feld⸗, Reis- oder Niederwaldjäger, da nur dieſer mehr in die Gelegenheit kam, Flugwild zu ſchießen. C. v. Heppe, Aufr. Lehrprinz, p. 168 (Beleg b. Federſchütze). — „Endlich müſſen ſie (die Faſanenjäger) mit der Flinte gut umgehen können und geſchickte Lauf- und Flugſchützen ſeyn.“ Mellin, Anwſg. z. Anlage von Wildbah— nen, 1779, p. 197. — „Flugſchütze iſt der- jenige, welcher im Lauf und Flug, ohne viel zu fehlen, wohl ſchießen kann. Einige verſtehen hierunter auch den Feld- oder Reisjäger.“ Chr. W. v. Heppe, Ed. II, 1779, p. 156. — Onomat. forest. I., p. 887. — Jeſter, Kleine Jagd, Ed. I, 1797, II., p. 155. — Behlen, Wmſpr., 1829, p. 39; Real⸗ u. Verb.⸗Lexik. II., p. 398. — Grimm, D. Wb. III., p. 1849. Sanders, Wb. II., p. 1030 a. E. v. D. Flugvermögen. Die vollkommenſten Flug— organe beſitzen die Vögel (ſ. d.). Die vorderen Gliedmaßen dienen als Träger der Flügel; die zwiſchen Unter- und Oberarm ausgeſpannte Doppelhaut trägt kleine Deckfedern, der Unter— arm und der Mittelhandknochen des Mittel— fingers eine Reihe großer Schwungfedern, die wieder von den ſog. Deckfedern überdeckt wer— den; ſo ſind die Vögel imſtande, der Luft eine genügende Widerſtandsfläche entgegenzuſtellen und ſich in der Luft um ſo leichter herumzutum⸗ | zutummeln, je kräftiger dieſe Fläche entfaltet, zuſammengezogen und durch die Flugmus— keln bewegt wird. Auch der aus 3—4 am Daumen befeſtigten Federn gebildete Afterflügel und der langfederige Schwanz treten beim Stei— gen, Fallen, Schwenken u. ſ. w. in Mitwirkung. — Bei den Fledermäuſen vermitteln die zu Flugorganen umgewandelten vorderen Extremi— täten das Fliegen. Die dünne Flughaut zwiſchen Ober- und Unterarm, den fünf Fingern und deren Mittelhandknochen und den Hintextremi— täten bildet die windfangende eigentliche Flug— wand; die zwiſchen dem Schwanze und den Hinterextremitäten ausgeſpannte Haut dient zur Direction des Fluges. Auf gleichen Principien beruht das Fliegen der Inſecten. Die Zahl der Flügelſchläge iſt bei den verſchiedenen Fliegern ſehr verſchieden; während einige Inſecten in der Secunde 28 Flügelſchläge vollführen, macht die Taube in derſelben Zeit nur 8, die langgeflü— gelte Möve nur 3 Flügelſchläge. Anhaltend und ſchnell fliegen nur die Vögel; ſo legt eine gute Brieftaube in einer Stunde bei 75 km, die ame— rikaniſche Wandertaube in einem Tage 1000 km zurück. Das Fliegen geht derart vor ſich: der Flügel wird gehoben und nun zunächſt abwärts bewegt, während gleichzeitig der vordere Rand desſelben niedergebogen wird, jo daſs von der Fläche des Flügels ein Druck ſchief nach unten und hinten ausgeübt wird. Nach dem Geſetze des Kräfteparallelogrammes theilt ſich nun der Luftwiderſtand in zwei Componenten, jo dass eine indifferente Strömung längs der Fläche des Flügels hinführt, während eine zweite im rechten Winkel auf den Flügel drückt und den Vogelleib vorwärts und aufwärts jagt. Beim nun eintretenden Wiederheben des Flü— gels dreht ſich dieſer zugleich um ſeine Achſe, hebt ſich ſein Vorderrand, ſo daſs nun der Flügel nach hinten uud oben einen Druck ausübt und die Luft wiederum eine ſchiefe Fläche trifft, infolge deſſen der Vogel vorwärts und abwärts geſchleudert wird, welcher Nieder— druck aber bei der Convexität der Flügelober- ſeite und der Elaſticität der Schwungfedern ab— geſchwächt wird. Als Directionsmittel und Steuer dienen der Schwanz und der Afterflügel; weil ſolche Steuermittel den meiſten Inſecten fehlen, vermögen ſie nicht, raſche Flugwendungen aus— zuführen. Je nachdem nun die Flügel einzelner Vögel ſpeciell ausgebildet ſind und die ein— zelnen Arten gewohnt ſind, die Flügel zu be— wegen, iſt natürlich der Flug ein verſchiedener. Viele Flieger verſtehen auch den Wind geſchickt zu benützen, um ſich zu heben. Selbſtverſtändlich wird das Flugvermögen durch das abſolute und das ſpecifiſche Gewicht und die Körperform weſentlich beeinflujst; kleinere Thiere brauchen ge— ringere Kraft, das Fallen zu verhindern; Thiere, die ihren Körper (da ſie viele Hohlräume im Innern aufweiſen, Luftſäcke und Knochen abwech— ſelnd mit Luft füllen und wieder luftleer machen können) zeitweiſe ſpecifiſch leichter machen können, vermögen natürlich raſcher und in vielſeitigerer Weiſe zu fliegen; je mehr die Körperform in Verbindung mit den Flugwerkzeugen ſich der Geſtalt eines Fallſchirmes nähert, deſto leichter fliegt das Thier. Sehr verſchieden iſt die Me— 10 Flugweite. — Flunder. thode des Fluges bei den verſchiedenen Fliegern. Die einen fliegen im Zickzack, andere pendel— förmig, im Bogen, im Kreiſe, die einen laſſen ſich vom Winde tragen, andere bleiben an einer Stelle wie angefeſſelt ſchweben, andere bringen ſich mit regelmäßigem Flügelſchlage ſchwim— mend fort. Kur. Ilugweite, ſ. Flügelweite. E. v. D. Flugwild, das, ſ. v. w. Federwild, d. h. Sammelname für alle zur Jagd gehörigen Vogel— arten; vgl. Federwild, Flügelwerk, Gefieder, Geflügel, Wildgeflügel, Gevögel; in der älteren Literatur ſelten, im heutigen Sprachgebrauche allgemein. „Der Umſtand, dajs die Auerhenne am Boden brütet, und die Jungen verhältnis— mäßig ſpät flugbar werden, hindert die gute Vermehrung dieſes edlen hohen Flugwildes.“ R. R. v. Dombrowski, Lehr- u. Hb. f. Berufsjäger, 5. 133. E. v. D. Flugzeit (der Inſecten), die unter nor— malen Witterungsverhältniſſen ziemlich conſtant bleibende Zeit des Erſcheinens und Fluges der geſchlechtsreifen Thiere, um ihrem Fortpflan— zungsgeſchäfte zu obliegen. Verſchiebungen oder Unterbrechungen der Flugzeit können durch ab— norme Witterungsverhältniſſe verurſacht werden. Hſchl. Sfunder, die (Pleuronectes flesus Linné; Syn. Pleuronectes passer, Platessa flesus), auch Flinder, Flinger, Butt, Graubutt, Sandbutt, Stauffbutt; ital.: passera; frz.: plie, flet; engl.: flounder, flook; Fiſch aus der Gattung Scholle (Pleuronectes Günther) und der Familie der Plattfiſche (Pleuronectidae, ſ. Syſtem der Ichthyologie). Die Flunder erreicht eine Länge von 20—50 em und tft 2— 2% mal ſo lang als hoch. Der ſeitlich plattgedrückte, ganz unſymmetriſche Leib hat eine gefärbte und eine ungefärbte Seite; auf der erſteren ſtehen beide Augen. Meiſtens ſtehen die Augen auf der rechten Seite, nicht ſelten jedoch auch links (dieſe linksäugigen wurden früher als eigene Art unter dem Namen Pleuronectes passer beſchrieben). Die ſehr kleinen, runden und glatten Schuppen decken einander nicht. Längs der Rücken- und Afterfloſſe und oben und unten von der geraden, nur über der Bruſtfloſſe ſchwach gebogenen Seitenlinie ſteht je eine Reihe großer, mit ſpitzen Dornen beſetzter Warzen. Häufig iſt auch die ganze übrige Fläche auf der Augenſeite mit kleinen Dorn— warzen mehr oder weniger dicht beſetzt; auf der blinden Seite ſind ſie ſpärlicher, können auch wohl ganz fehlen. Die beiden faſt ſenkrecht über einander ſtehenden Augen ſind durch eine ſchmale, glatte Knochenleiſte getrennt; vom Ende derſelben bis zur Seitenlinie zieht ſich eine Reihe kleiner Knochenhöcker. Das enge ſchiefe Maul trägt kleine, ſtumpfkegelförmige Zähne in einer oder zwei Reihen, welche auf der blinden Seite größer ſind als auf der gefärbten. Auf den Schlundknochen hinter der Kiemenhöhle ſtehen ſtumpfe Mahlzähne, Pflugſchar und Gaumen ſind zahnlos. Die lange Rückenfloſſe beginnt etwas vor der Mitte des oberen Auges und endet in geringer Entfernung von der Schwanzfloſſe; ſie enthält 55—62 weiche, un— getheilte Strahlen. Die weit nach vorn begin— nende Afterfloſſe enthält 38 — 435 ebenſolche Strahlen, vor ihr ſteht ein kurzer, nach vorne gerichteter dornartiger Stachel; nach hinten reicht ſie ſo weit wie die Rückenfloſſe. Die kehl— ſtändigen Bauchfloſſen haben 6 ungetheilte Strahlen, die Bruſtfloſſen 10—14, die Schwanz— floſſe 14— 18 meiſt getheilte Strahlen. Die Fär— bung iſt ſehr verſchieden. Während die augen— loſe Seite meiſtens weiß und nur ſelten ſtellen— weiſe oder ganz dunkel iſt, richtet ſich die faſt momentan veränderliche Farbe der- Augenſeite wie bei allen Plattfiſchen nach dem Grunde, auf welchem der Fiſch ruht, und kann ſich demſelben ſehr genau anpaſſen. Gewöhnlich iſt ſie braun oder braungelb, zuweilen mit roth— gelben Flecken. Die Bauchhöhle der Flunder erſtreckt ſich nur wenig hinter die Bruſtfloſſen; der Darm macht deshalb mehrere Windungen, und die Eierſtöcke und Hoden finden nur außer der Laichzeit in der Bauchhöhle Platz, bei zu— nehmender Füllung dagegen ſchieben ſie ſich zwiſchen Skelet und Muskeln in den Schwanz hinein. Die Flunder bewohnt in großer Menge das Meer von Island und den äußerſten Norden Europas bis nach Gibraltar und iſt namentlich im öſtlichen Theile der Oſtſee ſehr häufig. Faſt noch zahlreicher findet ſie ſich in brackiſchen Buchten und Fluſsmündungen, nicht ſelten aber auch weit hinauf in den Flüſſen. Im Rhein hat man ſie bis Mainz gefunden, im Main bei Frankfurt und weiter oben, in der Moſel bei Metz, ebenſo in der Weſer, Elbe und Oder. Sie liebt ſandigen Grund mehr als ſchlammigen und liegt mit der blinden Seite platt auf dem Boden, oft bis auf die weit hervortretenden Augen eingewühlt. Ihre Nah— rung beſteht aus grundbewohnenden Thieren aller Art, namentlich Schnecken, Muſcheln, Wür— mern und Inſectenlarven, unter letzteren vor— züglich die Larven gewiſſer Mückenarten (Chiro- nomus). Die Laichzeit fällt in die Monate Januar bis Mai, im Meere früher als im brackiſchen und ſüßen Waſſer. Die ſehr zahl— reichen, nur Umm großen Eier ſchwimmen im Salzwaſſer von 178%, Salzgehalt und mehr an der Oberfläche, in leichterem und in ſüßem Waſſer ſinken ſie unter. Die aus den Eiern ſchlüpfenden jungen Flundern ſind anfangs völlig ſymmetriſch gebaut wie andere Fiſche, mit einem Auge auf jeder Seite und ſchwim— men auch regelrecht. Erſt ganz allmählich rückt infolge ungleichmäßigen Wachsthums beider Kopfſeiten das eine Auge in einem Bogen vor der Rückenfloſſe auf die andere Seite hinüber, und gleichzeitig legt ſich der Fiſch mehr und mehr auf die nun augenloſe Seite und geht, während er ſich früher nahe der Oberfläche hielt, jetzt zur Lebensweiſe auf dem Grunde über. Dieſe Umwandlung iſt bei einer Größe von 2—4 em vollendet. Zuweilen tritt ein dauerndes Zurückbleiben in der Entwicklung der aſymmetriſchen Körperform ein; ſolche In— dividuen haben im erwachſenen Zuſtande das eine Auge mitten auf der Stirn und ſind auf der blinden Seite meiſt ebenſo gefärbt wie auf der augentragenden. Das Fleiſch der Flunder iſt wohlſchmeckend, namentlich bei ſolchen aus dem Brackwaſſer. Am Flunderlaus. — Flüſſe. 11 beſten iſt es in den Sommermonaten. Es wird theils friſch, gekocht oder gebraten, theils ge— räuchert genoſſen. Nach engliſchen Erfahrungen eignet ſich die Flunder vorzüglich zur Zucht in Süßwaſſerteichen und ſoll dort beſonders wohl— ſchmeckend werden. Gefangen wird ſie in großer Menge im Meere, namentlich an den preußiſchen Oſtſee— küſten, mit Stell- und Schleppnetzen; in Flüſſen ähnlich wie der Aal mit Angeln, welche mit einem Wurm geködert ſind. Eine ſehr nahe verwandte Art (Pleuro- nectes italicus Günther) lebt im Mittelmeer und geht von hier aus in die Lagunen und Fluſsmündungen der italieniſchen Küſte. He. Slunderlaus, trivialer Name für die be— ſonders auf Schellfiſchen und Schollen ſchma— rotzenden Arten der Gattung Caligus. Kur. Sfuor, FI = 19:06, findet ſich ſtets in Verbindung mit anderen Elementen, beſonders mit Calcium als Fluſsſpath (Fluorcalcium), ferner als Kryolith (Fluornatrium mit Fluor— aluminium), im Topas, Amphibol, den weißen Agatiten, im Lepidolith u. ſ. w. In manchen Pflanzen, z. B. Lycopodium, Equiſetum, Zucker- rohr, Teakholz, Gerſtenſtroh und Raygras wird auch Fluor gefunden, im thieriſchen Körper ent— halten die Knochen, der Email der Zähne, das Blut, das Gehirn und die Milch geringe Men— gen von Fluorverbindungen. Wegen der großen Verwandtſchaft des Fluors zu anderen Grund— ſtoffen iſt ſeine Iſolierung ſehr ſchwierig, im freien Zuſtande ſtellte es zuerſt Moiſſan 1886 dar. Man erhält Fluor, wenn man waſſerfreien flüſſigen Fluorwaſſerſtoff durch den elektriſchen Strom zerſetzt. Es iſt ein farbloſes Gas, riecht chlorähnlich, verbindet ſich mit Waſſerſtoff unter heftiger Exploſion, entzündet Alkohol; Benzol, Terpentinöl, Silicium, Schwefel und Jod ver— brennen in ihm mit Flamme. Die wichtigſte Verbindung des Fluors iſt die mit Waſſerſtoff, welche bei Einwirkung von Schwefelſäure auf gepulvertem Fluſsſpath in einer Blei- oder Platinretorte entſteht. Waſſer— frei wird ſie erhalten durch Zerlegen von Fluor⸗ blei mittelſt Schwefelwaſſerſtoff. Die Fluor- waſſerſtoffſäure iſt eine farbloſe, rauchende, ſehr flüchtige Flüſſigkeit, von ſtechend ſaurem Geruch, bildet an der Luft dichte Nebel, ſiedet bei 19°5°, ſpec. Gew. 09879. Sie erzeugt auf der Haut ſtarke Entzündung und ſchmerzhafte Blaſen. Eingeathmet wirken die Dämpfe im höchſten Grade nachtheilig. Infolge der großen Verwandtſchaft zwiſchen Fluor und Silicium ätzt ſie das Glas und löst dasſelbe ebenſo wie reine Kieſelſäure unter ſtarkem Erhitzen auf, indem Waſſer und gasförmiger Fluorkieſel ent⸗ ſteht. Man benützt ſie daher auch zum Atzen von Schrift und Zeichnungen auf Glas und zur Analyſe kieſelſäurehaltiger Mineralien. Sie verkohlt Kork, Holz, Papier, greift Paraffin nicht an, verhält ſich im Weſentlichen wie Chlor— waſſerſtoffſäure und liefert mit doppeltchrom— ſaurem Kalium dunkelrothes Chromylfluorid. Die Fluormetalle (Fluorite) entſtehen bei Einwirkung der Fluorwaſſerſtoffſäure auf Metalle, Hydroxyde, Carbonate und gleichen im Allgemeinen den Chlormetallen. Gn. Fluorescein (Cee 20, Anhydrid des Reſorein-Phtalein), fluoreſciert in ſeinen alkali— schen Löſungen prächtig gelbgrün, entſteht beim Erhitzen von Phtalſäureanhydrid mit Refoxcin; dunkelrothe Kryſtallkörner, in Alkohol, Ather nicht, in Waſſer löslich. Von techniſcher Wich— tigkeit iſt die Eigenſchaft des Fluoresceins, an Stelle von 4 Atomen Waſſerſtoff ebenſo viele Atome Brom aufzunehmen. Das entſtehende vierfache Bromfluorescein iſt der prächtig rothe Farbſtoff „Eoſin“. Gn. Flurbereinigung, ſ. Feldbereinigung. At. Flurzwang iſt die Verpflichtung der Grund— beſitzer, ihre Grundſtücke ſtets ſo zu beſtellen, wie es für das betreffende Jahr für den Theil der Gemeindemarkung, in welchem dieſelben liegen, vorgeſchrieben iſt. Derſelbe beruht nicht auf geſetzlicher Anordnung, ſondern iſt nur eine Folge der früheren Feldgemeinſchaft (ſ. d.) und eine wirtſchaftliche Nothwendigkeit bei der einſt über den größten Theil von Deutſchland ver— breiteten Dreifelderwirtſchaft. Dieſe beſteht nämlich darin, daſs die Feldmarkung in drei gleich große Abtheilungen gebracht wird, von welchen im dreijährigen Turnus die erſte mit Wintergetreide (Winterflur), die zweite mit Sommergetreide (Sommerflur) angebaut wird, die dritte (Brachflur) aber unbeſtellt bleibt und durch mehrmaliges Umpflügen für den folgenden Anbau von Wintergetreide vorbereitet wird. Die beſtehende Brach- und Stoppelweide zwingt, in Verbindung mit dem allgemeinen Wegrechte der Nachbarn (ſ. Nachbarrecht), die Grundbeſitzer, nicht nur ihre in der Brachflur liegenden Grund— ſtücke unbebaut zu laſſen, ſondern ſich überhaupt mit Beſtellung und Ernte nach den Nachbar- grundſtücken zu richten. Die Weiderechte wurden theils aufgehoben, theils abgelöst, an die Stelle der Dreifelder— wirtſchaft ſind intenſivere Betriebsſyſteme ge— treten, und die Feldbereinigung (ſ. d.) hat bei Zuſammenlegung der Grundſtücke auch für die nöthigen Wege geſorgt, ſo daſs der Flurzwang wohl faſt überall in Deutſchland mit der Be— rechtigung auch die Exiſtenz verloren hat. Der Flurzwang galt übrigens nur für die „im Gemenge“ liegenden Grundſtücke, nicht aber für die geſchloſſenen Höfe. At. Flüſſe. (Deutſchland.) Die bewegliche Welle (aqua profluens) gehört, wie das flüchtige Wild, dem, welcher ſich ihrer bemächtigt, und es kann daher unter dem Eigenthume an einem Fluſſe nur ein Occupationsrecht verſtanden wer- den, welches, ähnlich dem Jagdrecht, in der aus ſchließlichen Befugnis beſteht, das Fluſswaſſer menſchlichen Zwecken dienſtbar zu machen. Ein ſolches Eigenthum iſt nur mit dem Eigenthume an dem Fluſsbette verbunden. Man unterſcheidet öffentliche Flüſſe, welche mit dem Fluſsbette im Eigenthume des Staates ſtehen, und Privat— flüſſe, bei welchen das Fluſsbett je bis zur Mitte desſelben als ein Zubehör der die Ufer bildenden Grundſtücke betrachtet wird, und welche demnach, ſo lange ſie von einem einzigen Grund— ſtücke umſchloſſen ſind, dem Eigenthümer des— ſelben, außerdem aber den angrenzenden Grund— eigenthümern nach Maßgabe der Uferlänge der einzelnen Grundſtücke gehören. Die Privatflüſſe 12 Flüſſe. bildeten früher mehrfach einen Beſtandtheil der verboten, und das etwa aus dem Fluſſe abge— Almend (Allmende) und ſtanden ſpäter unter der Dispoſition des Grundherrn, wodurch es ſich erklärt, daſs in einigen Gegenden Deutſch— lands das Fiſchereirecht in den Privatflüſſen der ehemaligen Gutsherrſchaft zuſteht. Das römiſche Recht unterſcheidet öffentliche (Humina publica) und Privatflüſſe (flumina privata) und macht den Charakter des öffent— lichen Fluſſes abhängig von der Gewalt, der Größe und dem ſteten Laufe desſelben, jo dass der Begriff des öffentlichen Fluſſes in der Haupt— ſache mit dem der Floß- und Schiffbarkeit zu— ſammenfällt. Nach deutſchen Rechtsquellen gelten als öffentliche Flüſſe nur die in irgend einem Theile ihres Laufes ſchiffbaren (flumina navi- gabilia et ex quibus fiunt navigabilia), und es werden demgemäß auch nach den deutſchen Particularrechten (3. B. auch nach dem preußi— ſchen allgemeinen Landrecht und Artikel 538 des franzöſiſchen Code civil) ſowie nach der neue— ren Waſſergeſetzgebung als öffentliche Flüſſe und damit als Staatseigenthum die floß- (zur Langholzflößerei geeigneten) und ſchiffbaren Flüſſe betrachtet. Das Eigenthum des Staates an den öffentlichen Flüſſen iſt nach römiſchem Recht ein Privateigenthum und nach der dem Mittel- alter eigenthümlichen Vermiſchung von öffent— lichem und Privatrecht ein Regal (ſ. Waſſerregal), während die neuere Theorie den öffentlichen Fluſs als res communis omnium betrachtet, welche der Hoheit des Staates unterſteht. In jedem Falle aber ſtellt man jetzt bei Geſtattung der Benützung öffentlicher Flüſſe das öffentliche Intereſſe über das fiscaliſche, und wenn auch für die Gewährung einer Nutzung eine Abgabe er— hoben wird, ſo erſcheint eine ſolche entweder, wie z. B. bei den Schiffahrts- und Flößerei— abgaben, als ein Beitrag zu den Koſten der Erhaltung des Fluſſes in geeignetem Zuſtande, oder, wie bei den Gebühren für die Nutzung von Eis, Sand, Kies u. ſ. w., als eine Vergütung für den Wert der Nutzungsobjeete. Zu jeder Benützung eines öffentlichen Fluſſes gehört die Conceſſion des Staates, indem hier, wie bereits erwähnt, das Eigenthum an den Ufern kein Nutzungsrecht an dem Waſſer begründet. Die Geſtattung einer Nutzung gewährt kein Eigen— thumsrecht an einem öffentlichen Fluſſe, und eine Servitut an einem ſolchen kann nicht durch Verjährung erworben werden (j. Erſitzung). — Dem Staate ſteht das Recht der Regelung, Beſchränkung und Beaufſichtigung der Benützung der öffentlichen Flüſſe zu, und die betreffenden geſetzlichen Beſtimmungen gehören mit jenen über den Schutz dieſer Flüſſe dem Waſſer— rechte (ſ. d.) an. Bei Privatflüſſen iſt jeder Uferbeſitzer berechtigt, das an ſeinem Grundſtücke vorbei— fließende Waſſer zu benützen, jedoch unbeſchadet der gleichen Rechte der übrigen Anlieger. Es dürfen deshalb giftige oder ſchädliche Stoffe, welche das Waſſer dauernd verderben können, nicht in dasſelbe geworfen werden. Anlagen, welche einen Rückſtau des Waſſers oder eine Überſchwemmung oder Verſumpfung der an— liegenden Grundſtücke veranlaſſen könnten, ſind leitete Waſſer muſs noch innerhalb des Grund— ſtückes in den Flußs zurückgeleitet werden. Die Regelung der Nutzungsrechte der Uferbeſitzer zur Vermeidung von Colliſionen und die Be— ſchränkung dieſer Rechte im öffentlichen In— tereſſe iſt ebenfalls unter Waſſerrecht zu be— ſprechen. Einzelne, das Eigenthum an den Flüſſen und die Benützung derſelben betreffende Fragen wurden bereits unter Alluvion, Deichver— bände, Eis, Fährgerechtigkeit und Fiſche— reirecht erörtert. Der Staat hat innerhalb ſeines Gebietes über alle Flüſſe die Landeshoheit. Dieſelbe er— leidet jedoch bei Flüſſen, welche die Landesgrenze bilden oder mehrere Staatsgebiete durchfließen, im Intereſſe der Verkehrsgemeinſchaft Beſchrän— kungen, welche dem Völkerrechte angehören. Die deutſche Reichsverfaſſung vom 1. Januar 1871 beſtimmt in Abſatz 3—5 des Artikels 54, daſs auf allen natürlichen und künſtlichen Waſſer— ſtraßen der einzelnen Bundesſtaaten die Kauf— farteiſchiffe ſämmtlicher Bundesſtaaten gleich— mäßig zuzulaſſen und zu behandeln ſind. Auf allen natürlichen Waſſerſtraßen dürfen Abgaben nur für die Benützung beſonderer Anſtalten, die zur Erleichterung des Verkehres beſtimmt ſind, erhoben werden. Dieſe Abgaben ſowie die Abgaben für die Befahrung ſolcher künſtlichen Waſſerſtraßen, welche Staatseigenthum ſind, dürfen die zur Unterhallung und gewöhnlichen Herſtellung der Anſtalten und Anlagen erfor— derlichen Koſten nicht überſteigen. Auf die Flößerei finden dieſe Beſtimmungen inſoweit Anwendung, als dieſelbe auf ſchiffbaren Waſſer— ſtraßen betrieben wird. Auf fremde Schiffe oder deren Ladungen andere oder höhere Abgaben zu legen, als von den Schiffen der Bundes— ſtaaten oder deren Ladungen zu entrichten ſind, ſteht keinem Einzelſtaate, ſondern nur dem Bunde zu. Das Reichsgeſetz vom 1. Juni 1870 hob die Abgaben für die Flößerei auf den nur flöß⸗ baren Strecken derjenigen natürlichen Waſſer— ſtraßen, welche mehreren Bundesſtaaten gemein— ſchaftlich ſind, auf und geſtattete eine Entſchä— digung (gleich dem 18fachen Betrage des durch— ſchnittlichen Reinertrages der Abgabe aus den Jahren 1867-69) innerhalb der nächſten ſechs Monate von Tage der Promulgation an nur für auf einem läſtigen Privatrechtstitel beru— hende, nicht einem Bundesſtaate zuſtehende Ab— gaben. Dagegen dürfen Abgaben für Benützung beſonderer, zur Erleichterung des Verkehres be— ſtimmter Anſtalten auch ferner erhoben werden. Ebenſo ſind unter gewiſſen Beſchränkungen auch Abgaben zuläſſig, welche als Entſchädigungen an Beſitzer von Waſſerwerken, insbeſondere von Wehren zu betrachten ſind. Die Vereinbarungen über den Verkehr mit Schiffen und Flößen auf gemeinſchaftlichen Flüſſen erfolgen bei Staaten, die nicht in einem Bundesverhältniſſe zu einander ſtehen, durch Staatsverträge (Fluſsſchiffahrtsacte), für welche Artikel 109 der Wiener Congreſsacte vom 9. Juni 1815 das Prineip der freien Schiffahrt beſtimmte, welches zunächſt für die Schelde und den Rhein zur Geltung gebracht wurde. Be— Zum Artikel Flusskrebs.” H. Braune del. Encyklopädie der Forst-u. Jagdwissenschaften. lithAnstThBannwarh Wien. Fia. 1. Flusskrebs von der Unterseite. AMännchen, B Weibchen, Die Glied- maassen der einen Seite sind ganz oder teilweise entfernt.a erster Abdominalanhang, b zweiter Abdominalannang des Mannchens. Fig2 A 2 eben ausgeschlüpfte junge Krebse an einem Schwimmfuss der Mutter hängend, etwa 4 mal vergr. ss 5 leere Eischalen. B.Scheere eines eben ausgeschlüpften Krebses, etwa 8 mal ver gr. 1 J. d. b. c Rücken Schild, dritter Hinterleibsring von der Seite und N vom steinkrebs (Astacus torrentium)d,ef dieselben Theile vom delkrebs Astacus nobilis) Fig 4 Astacus leptodactylus, etwa / nat Gr. Verlag vou MORITZ PERLES, Wien und Leipzis. Fluſsgarneele. — Fluſskrebſe. 13 züglich der Schiffahrt auf dem Rhein kam ſchon auf dem Wiener Congreſſe unterm 24. März 1815 eine Vereinbarung unter den Uferſtaaten zuſtande, welche zunächſt die Einſetzung einer Centralcommiſſion zur Folge hatte, deren Thä— tigkeit durch die Rheinſchiffahrtsacte vom 31. Mai 1831 ihrem Abſchluſs fand. Dieſe Acte wurden unterm 17. October 1868 mit völli— ger Freigabe der Schifffahrt für alle Nationen revidiert und enthält auch die nöthigen Beſtim— mungen über die Zollabfertigung, die Taug— lichkeit der Schiffsgefäße (Schiffsatteſt), die Be— fähigung der Schiffsführer (Schifferpatent), die Flößerei, das Lootſenweſen, die Erhaltung und Verbeſſerung des Fahrwaſſers, die Schiffahrts— gerichte ſowie über die Aufgabe der Central— commiſſion und der localen Aufſichtsbehörden. Die Elbſchiffahrtsacte, datiert vom 23. Juni 1821, wurde in den Jahren 1824, 1844 und 1863 mehrfach ergänzt und mit der Aufhebung der Elbzölle (1. Juli 1870) durch, den Vertrag des norddeutſchen Bundes mit Oſterreich vom 22. Juni 1870 neu formuliert. Die Donau— ſchiffahrtsaete vom 7. und 9. November 1857, welche infolge des Pariſer Friedens vom 30. Mai 1856 zuſtande kam, verſchaffte den auf dem Wiener Congreſſe feſtgeſtellten Grundſätzen nur eine beſchränkte Geltung. Die Schiffahrt auf der Weſer, welche durch die Weſerſchiffahrtsacte vom 10. September 1823 und verſchiedene Additionalacten ihre Re— gelung fand, wurde durch den Vertrag vom 26. Januar 1836 von der Entrichtung von Waſſerzöllen befreit. At. Slufsgarneele, ſ. Fluſskrebs. He. Iluſsgrundel, die (Gobius fluvia- tilis Bonelli; Syn. Gobius Martensii), ital.: bottola, ghiozzo, magnerone; ein- kleiner, nur 3—8 em langer Fiſch aus der Gattung der Grundeln (Gobius Linné) und der Familie der Meergrundeln (Gobiidae, ſ. Syſt. der Ichthyologie). Der nur ſehr wenig zuſammen— gedrückte, faſt cylindriſche Leib, deſſen größte Höhe etwa ſechsmal in der Länge enthalten iſt, hat einen dicken, an den Wangen aufgetriebenen Kopf mit ſtumpfer abgerundeter Schnauze und engem, nur bis unter den vorderen Augenrand geſpaltenem Maule, welches vorne in den Kie— fern mehrere Reihen kleiner ſchwacher Zähne trägt. Der Kopf iſt ganz nackt und glatt, auf dem Rumpf ſtehen mit Ausnahme des größten— theils nackten Bauches und Vorderrückens mäßig große, hinten mit feinen Spitzen beſetzte Schuppen; in der Seitenlinie zählt man 35 bis 40. Auf dem Rücken ſtehen zwei niedrige, durch einen ganz kleinen Zwiſchenraum ge— trennte Rückenfloſſen, von denen die erſte 6 un— getheilte, biegſame Strahlen enthält, die zweite 1 ungetheilten und 9—114 getheilte. Die After— floſſe enthält 1, bezw. 7—9 Strahlen; die breiten Bruſtfloſſen 13—14 getheilte, die Schwanzfloſſe 13 getheilte und einige ungetheilte Strahlen. Die kehlſtändigen Bauchfloſſen ſind zu einer einzigen dütenförmigen Floſſe mit 10 getheilten Strahlen verwachſen und dienen dem Fiſchchen zum Anſaugen an Steinen und anderen Gegen— ſtänden. Die Färbung iſt ſehr veränderlich, meiſt grünlich- oder gelblichbraun, mit vielen ſchwarzen Pünktchen. Die erſte Rückenfloſſe iſt meiſt weiß und gelb geſäumt, am oberen Winkel des Kiemendeckels iſt meiſt ein brauner Fleck. Die Fluſsgrundel bewohnt die ſüßen Gewäſſer von Italien, namentlich Norditalien und das Gebiet der Etſch und kommt ebenſo— wohl in Seen wie Flüſſen, Bächen und Grä— ben vor. Meiſtens hält ſie ſich verſteckt unter Steinen oder an dieſe mit den Bauͤchfloſſen angeheftet. Die Laichzeit fällt in den Mai und Juni, wo beide Geſchlechter am ganzen Körper einen körnigen, ſchwärzlichen Ausſchlag bekom— men. Die Geſchlechtsöffnung mündet an der Spitze einer ziemlich langen Papille; mit ihrer Hilfe werden die birnförmigen Eier vom Weib— chen an Steinen oder Pflanzen einzeln ange— klebt. In Italien, namentlich im Gardaſee, wird unſer Fiſchchen viel gefangen; ſein Fleiſch iſt ſehr geſchätzt und wird namentlich gebacken genoſſen. Im Schwarzen Meer und in einigen zu ihm gehörigen Strömen, wie Dujſtr und Bug, kommen noch mehrere andere kleine Arten der Gattung Gobius vor, welche der gemeinen Fluſsgrundel darin gleichen, daſs ſie ebenfalls 6 Strahlen in der erſten Rückenfloſſe haben, ſich aber andererſeits von ihr durch die größere Zahl der Strahlen in der zweiten Rückenfloſſe (14—16) und der Afterfloſſe (12—15) ſowie durch die größere Zahl von Schuppen in der Seitenlinie (30—70) unterſcheiden. Auch die Größe iſt meiſt bedeutender (S—13 em). Da jedoch dieſe Arten noch wenig bekannt und überhaupt die Gobius-Arten außerordentlich veränderlich und ſchwierig zu beſtimmen ſind, begnüge ich mich, hier nur die Namen anzu— führen: Gobius melanostoma Pallas (Schwarzes Meer, Dujſtr, Pruth); G. fluviatilis Pallas (Südruſsland, Dnjſtr, Pruth); G. gymnotra- chelus Kessler (Dujſtr, Dujpr und Bug); G. platyrostris Pallas (G. Kessleri Günther, G. Trautvetteri Kessler) im Schwarzen Meere, Dnjſtr, Dnjpr und Bug. He. Fluſskrebſe. Die Kruſtenthiere oder Krebſe (Crustacea), zu welcher die Fluſskrebſe gehören, bilden eine Claſſe der Gliederfüßer oder Arthropoden und laſſen ſich kurz charaf- teriſieren als im Waſſer lebende Gliederthiere mit Kiemen- oder Hautathmung, zwei Paar Fühlern und meiſt zahlreichen gegliederten An— hängen verſchiedenſter Geſtalt an den Körper⸗ abſchnitten, welche als Kiefer, Beine oder Kie— menträger fungieren. Weitaus die meiſten An⸗ gehörigen dieſer großen Thierclaſſe leben im Meere, nur 6 von den 11 Ordnungen haben einige wenige Vertreter im ſüßen Waſſer, näm— lich die Muſchelkrebſe (Ostracoda), die Blattfußkrebſe (Phyllopoda), die Spalt⸗ fußkrebſe (Copepoda), die Aſſeln (Isopoda), die Flohkrebſe (Amphipoda) und die zehn- füßigen Krebſe (Decapoda). Gleichwohl ſpielen die Kruſtenthiere des ſüßen Waſſers im Thierleben desſelben keine unbedeutende Rolle; namentlich die ganz kleinen Arten, ſo unter den Muſchelkrebſen die Gattung Cypris, unter den Blattfußkrebſen die Waſſerflöhe oder Daphnien (Daphnia), unter den Spaltfußkrebſen die Hüpferlinge oder Einaugen (Cyelops), ſind 14 Fluſskrebſe. wegen der enormen Individuenzahl, in welcher ſie auftreten, und wegen ihrer großen Ver— mehrungsfähigkeit als Nahrung für Fiſche und beſonders für deren Brut von kaum zu über— ſchätzender Wichtigkeit. Ahnliches gilt, wenn auch in geringerem Grade, von den größeren Süß— waſſeraſſeln (Asellus) und den in kleinen, ſchneller fließenden Bächen und Gräben in großer Menge vorkommenden Flohkrebſen (Gam— marus). Unmittelbaren Nutzen für den Menſchen haben dagegen nur die im Süßwaſſer lebenden Vertreter der zehnfüßigen Krebſe, welche Ord— nung in Bezug auf Körpergröße und Organi— ſation an der Spitze der ganzen Krebsclaſſe ſteht, und zu denen die für uns wichtigſte Art, der Fluſskrebs (Astacus fluviatilis Ron- delet) gehört. Anatomie des Fluſskrebſes. Wie bei allen zehnfüßigen Krebſen beſteht auch beim Fluſs— krebs der Leib aus zwei großen, gegen einan— der beweglichen Abſchnitten. Der vordere heißt Kopfbruſtſtück oder Cephalothoraz; er iſt äußerlich ungegliedert und oben und an den Seiten mit einem ununterbrochenen feſten Panzer be— kleidet. Der hintere Abſchnitt wird als Hinter— leib oder Abdomen bezeichnet (von Laien gewöhnlich Schwanz genannt) und iſt aus ſechs beweglich verbundenen Ringen gebildet; an ſeinem Ende ſitzt die aus fünf Platten be— ſtehende Schwanzfloſſe. Das Kopfbruſtſtück geht vorne in einen ſpitzen, mit zwei ſeitlichen Zähnen verſehenen Schnabel (Rostrum) aus und beſitzt etwa in der Mitte eine nach vorne concave, ſtark gekrümmte Bogenlinie. Dieſe ſog. Nackenrinne bezeichnet äußerlich die Stelle, an welcher der vorderſte Abſchnitt des Leibes, der Kopf, mit dem mittleren, der Bruſt, zum Kapfbruſtſtück verwachſen iſt. Betrachten wir den Krebs von unten und entfernen zur beſſeren Orientierung die Füße der einen Seite, jo finder wir vom Schnabel bis zur Schwanz— floſſe im ganzen 20 Paare beweglicher Anhänge. Dieſelben ſind zum Theil ſehr complieiert zu— ſammengeſetzt und dienen theils als Fühler, theils als Mundtheile, theils als Bewegungs— oder Begattungsorgane. Doch liegt faſt allen ein und dasſelbe Schema zugrunde: ein unteres, kurzes Glied, das Hüftglied (ex. p.), dient zur Einlenkung an dem Körper; auf dieſes folgt ein zweites, längeres Stamm- oder Bajal- glied (b. p.) und an ihm ſitzen vorne zwei ge— gliederte Abſchnitte nebeneinander, ein äußeres oder Exopodit (ex. p.) und ein inneres oder Endopodit (en. p.). Je nachdem der eine oder andere dieſer Theile mehr oder weniger aus— gebildet oder in dieſer oder jener Weiſe beſon— deren Zwecken angepaſst iſt oder auch ganz fehlt, entſtehen alle verſchiedenen Formen jener 20 Paare von Anhängen. Die Reihe derſelben eröffnen die unter dem vorderen Rande des Kopfbruſtpanzers ſtehenden beweglichen Augen— ſtiele (1), welche aus zwei Gliedern, dem Hüft⸗ und Baſalglied beſtehen, während Endo— podit und Exopodit fehlen. Vorne auf dem letzten Gliede ſitzt das Auge, welches im Bau ganz den zuſammengeſetzten Augen der Inſecten gleicht. Nach innen und hinten von den Augen— ſtielen folgen die kleinen oder inneren Fühler (Antenillae 2), deren Endopoditen und Exopoditen als vielgliedrige Geißel entwickelt ſind. Dann kommen die größeren oder äußeren Fühler (Antennae 3); bei abel it nur das Endopodit als lange Fühlergeißel ent— wickelt; das Exopodit dagegen als kurze und breite Schuppe. Das vierte bis ſechste Paar. von Anhängen ſind die zu beiden Seiten der Mundöffnung ſtehenden eigentlichen Kiefer des Krebſes. Vor ihnen wird die Mundöffnung von einer unpaaren vorſpringenden Platte (1b), der Oberlippe, überragt. Das erſte Kieferpaar (4) heißt Mandibeln; bei ihnen ſind Hüft- und Baſalglied zu einer mächtigen, am inneren freien Rande ſtark gezähnten Kauplatte vers einigt, das Exopodit fehlt, das Endopodit iſt zu einem kleinen, aus wenigen Gliedern be— ſtehenden Taſter geworden. Das fünfte Paar von Anhängen find die vorderen Hilfs- kiefer oder Maxillen; Hüft- und Baſal⸗ glied ſind hier zwei getrennte, dünne, mit Borſten umrandete Kauplatten, das Exopodit fehlt, das Endopodit iſt ein kleiner, ungeglie— derter Taſter. Das ſechste Paar, die hinteren Hilfskiefer oder Maxillen, hat eben⸗ falls zwei dünne, mit Borſten beſetzte Kau— platten, ein taſterartiges Endopodit und an Stelle des Exopoditen eine lange, ſchmale Platte, welche weiter unten bei Beſprechung der Kiemen Erwähnung findet. Auf die eigentlichen zum Zerkleinern der Nahrung dienenden Kiefer folgen nun drei Paare ſog. Kieferfüße (7, 8, 9), welche in ihrem Baue zwiſchen jenen und den auf ſie folgenden Gehfüßen die Mitte halten und bei der Zurechtlegung, Verarbeitung und Reinigung der Nahrung verwendet werden. Bei ihnen find Hüftglied, Baſalglied, Endopodit und Exopodit vorhanden, letzteres ſtets in Form eines gegliederten Taſters. Das Endopodit iſt ſchon mehr fußartig, am Innenrande mit Borſten beſetzt; Hüft- und Baſalglieder ſind breit, am freien Rande mit Borſten, erſteres außen und oben entweder mit einem bloß ſchuppenartigen Anhang (1. Kieferfuß) oder mit einer richtigen, in der Kiemenhöhle geborgenen Kieme. Das letzte oder dritte Kieferfußpaar (9), deſſen Endopodit ſchon ganz einem Gehfuß ähnelt, iſt das größte und bedeckt in der Regel von hinten her alle übrigen Mundtheile. Auf die Kieferfüße folgen nun die fünf Paare eigent⸗ licher Gehfüße (10—1A), die größten Anhänge des Körpers. Bei allen fehlt das Exopodit gänzlich, das Endopodit iſt das eigentliche viel— gliedrige Bein, an dem Hüftglied ſitzt nach oben und außen eine Kiemenplatte. Die drei erſten Gehfußpaare enden mit einer Schere, welche dadurch entſteht, daſs das vorletzte Glied einen zahnartigen Fortſatz bildet, gegen welchen das letzte Glied eingeſchlagen werden kann. Die Scheren des erſten Gehfußpaares ſind ſtets viel größer als die übrigen. Betrachtet man den⸗ jenigen Theil des Cephalothorax, an welchem die fünf Gehfußpaare ſitzen, von unten, nachdem man die Füße entfernt hat, ſo zeigt ſich der— ſelbe entſprechend der Zahl der Anhänge inner- lich in Ringe gegliedert. Man ſieht denn auch, dajs der letzte Ring des Cephalothorax mit dem letzten Gehfußpaar nicht feſt mit den vorderen Fluſskrebſe. 15 Ringen verwachſen, ſondern ziemlich ausgiebig | reißen. beweglich iſt. Dieſe Eigenthümlichkeit iſt ein wichtiger Unterſchied zwiſchen dem Fluſskrebs und ſeinem nächſten Verwandten im Meere, dem Hummer, bei welchem jener Ring unbeweglich mit den vorderen Ringen verbunden iſt. Auf das letzte Gehfußpaar folgen nun fünf Paare von kurzen, zweiſpaltigen Anhängen des Abdomens (15—19), welche ganz dem oben beſchriebenen Schema der Krebsgliedmaßen ent— ſprechend gebaut ſind. In Betreff der beiden erſten Paare der Abdominalfüße beſteht jedoch ein wichtiger Unterſchied zwiſchen Männchen und Weibchen. Bei letzterem iſt das erſte Paar ganz rudimentär und winzig klein, das zweite Paar den nachfolgenden gleichgebildet. Beim Männchen dagegen ſind beide Paare zu Be— gattungsorganen umgewandelt. Das erſte beſteht aus zwei ungegliederten griffelförmigen Körpern, deren blattartige Enden ſo eingerollt ſind, daſs ein hinten und vorne offener Canal entſteht. Das zweite Paar beſitzt alle Theile des Gliedmaßenſchemas, das viel dickere Endopodit aber hat an ſeinem Ende gleichfalls einen blatt— artigen eingerollten Fortſatz. Bei der Begattung wird der Same mit Hilfe dieſer blattartigen eingerollten Anhänge, welche gleichſam als Löffel fungieren, theils in der Umgebung der weib— lichen Geſchlechtsöffnungen, theils an die Unter— ſeite des weiblichen Abdomens angeklebt. Die Abdominalanhänge des Weibchens dienen zum Tragen der Eier und Jungen. Die ſog.Schwanz— floſſe des Krebſes beſteht aus einer mittleren Platte, dem Telſon (t), an deren Unterſeite die Afteröffnung (a) liegt, und den an ihrer Seite liegenden Anhängen des ſechsten Abdominal— ringes (20), deren Endopoditen und Exopoditen in breite, bewimperte Schwimmplatten umge— wandelt ſind. Die Haut des Krebſes beſteht aus einer weichen, zelligen Unterhaut und einer von ihr abgeſchiedenen, geſchichteten und po— röſen Oberhaut oder Cuticula. Letztere bildet zugleich im Vereine mit mancherlei Fort— ſätzen, welche von ihr aus nach innen gehen, das Skelet des Krebſes. Sie beſteht chemiſch aus etwa 39% Chitin, einer dem Horn ähn— lichen Subſtanz, und 51%, innig mit dieſem verbundenen mineraliſchen Stoffen, größten— theils kohlenſaurem Kalk, der durch Säuren ausgezogen werden kann. An den Gelenken iſt die Cuticula unverkalkt, dünn und gefaltet. Da der Panzer keines inneren Wachsthums fähig iſt, ſo iſt der Krebs gezwungen, denſelben all— jährlich mindeſtens einmal abzuwerfen, um dann, ſo lange bis der neue Panzer ſich bildet und erhärtet, in kurzer Zeit an Größe zuzunehmen. Dieſer Vorgang, die Häutung oder das Mietern, findet nur im Sommer ſtatt und greift den Krebs, der ſich um dieſe Zeit verſteckt hält, ſichtlich an. Sie beginnt damit, daſs in— folge krampfhafter Muskelanſtrengungen die weiche Haut zwiſchen dem Cephalothorax und dem Abdomen zerreißt, worauf erſterer ſich all— mählich von hinten nach vorne abhebt. Dann zieht der Krebs den übrigen Leib mit allen, auch den kleinſten Anhängen nach und nach aus der alten Hülle wie aus einem Futterale her— vor, wobei die Beinhäute der Länge nach auf— Die abgeſtreifte Hülle wird meiſtens vom Krebſe verzehrt; er iſt nun anfangs ganz weich ( Butterkrebs); der neue Panzer er— härtet aber ſehr ſchnell, u. zw. auf Koſten der ſog. Krebsſteine oder Krebsaugen, zweier linſenförmigen, in den Seitenwänden des Magens liegenden Maſſen von kohlenſaurem Kalk, welche im Laufe des Jahres allmählich aus dem Blute abgeſchieden wurden und bei der Häutung im Magen zerkleinert werden und von da ins Blut gelangen. Die Muskeln des Krebſes ſind ſämmt— lich quergeſtreift und liegen unmittelbar unter der Haut. Das centrale Ner venſyſtem be— ſteht wie bei allen Gliederthieren aus einem über dem Schlunde im Kopfe liegenden Gehirn— ganglion und einer am Bauche liegenden Gan— glienkette von 13 Nervenkuoten, von denen das erſte, das Bruſtganglion, das größte iſt. Dem Gehirn entſpringen die Nerven für Augen und Fühler, vom großen Bruſtganglion aus werden die Kiefer und Kieferfüße innerviert. Von den Sinnesorganen des Krebſes hat man die ohne Zweifel vorhandenen Geſchmacks— organe noch nicht aufgefunden; wahrſcheinlich haben ſie ihren Sitz in den Mundtheilen. Der Taſtſinn wird durch zahlreiche feine Härchen vermittelt, welche an den verſchiedenſten Stellen des Körpers, namentlich aber an den Fühlern ſitzen; ſie ſind hohl und ſtehen über porenartigen Durchbohrungen der harten Oberhaut, durch welche Nervenfaſern an die Haare herantreten. Der Geruchsſinn oder beſſer Spürſinn hat ſeinen Sitz ſehr wahrſcheinlich in kleinen, büſchel— förmig gruppierten, gegliederten und am Ende keulenförmig angeſchwollenen Stäbchen, welche ſich an der Unterſeite des äußeren Aſtes der inneren Fühler oder Antennulae befinden. Die inneren Fühler enthalten auch das Gehör- organ, u. zw. in ihren Baſalgliedern. Unter⸗ ſucht man dieſe auf der oberen Fläche, ſo bemerkt man eine kleine, länglich-eiförnage Off- nung, welche durch dichtſtehende Borſten ver— ſchloſſen iſt und in einen kleinen Sack mit zarten Wänden führt. Zwei ins Innere dieſes ſog. Hörſackes vorſpringende Leiſten ſind mit zahl— reichen zarten Haaren, den Hörhaaren beſetzt, in welchen die letzten Verzweigungen eines vom Gehirn entſpringenden Nerven enden. Das Waſſer dringt durch die Offnung des Hörſackes in denſelben ein; außerdem findet man kleine Sandkörnchen darin, welche nach Beobachtungen an nahe verwandten Kruſtenthieren wahrſcheinlich von dem Krebs ſelbſt hineingeſtopft werden, und welche den Gehörſteinen höherer Thiere ent⸗ ſprechen. Schallbewegungen des Waſſers ſetzen durch Vermittlung der mitſchwingenden Hör— haare die Endigungen des Hörnerven in Er— regung. Die Augen ſind ſchon oben erwähnt. Die Athmungsorgane des Krebſes ſind Kiemen. Dieſelben liegen im Innern der Kies menhöhle, welche dadurch entſteht, dass der Rückentheil des Kopfbruſtpanzers jederſeits eine ſich nach unten bis zu der Einlenkung der Beine überwölbende Falte bildet. So wird auf jeder Seite der Kopfbruſt ein weiter Raum herge— ſtellt, welcher unten, vorne und hinten offen bleibt und dem Waſſer den Durchtritt geſtattet. 16 In dieſer Höhle ſitzen je 18 aus breiten Platten und weichen Kiemenfäden zuſammengeſetzte Kiemen, welche theils an der inneren Wand der Höhle, alſo der eigentlichen Leibeswand be— feſtigt, theils Anhänge der letzten beiden Kiefer— fußpaare und der fünf Gehfußpaare ſind, wie ſchon oben erwähnt wurde. Das Waſſer tritt beſtändig von unten und hinten her in die Kiemenhöhle und vorne wieder heraus; dieſer Strom wird unterhalten durch die rhythmiſch erfolgenden Hin- und Herbewegungen des ſchon oben erwähnten plattenartigen Anhanges des zweiten Hilfskiefers, der genau in die vordere Offnung der Kiemenhöhle paſst. Die Verdauungsorgane des Krebſes be— ginnen mit einer ſehr kurzen Speiſeröhre, auf welche der ſehr geräumige, vorne in der Kopfbruſt gelegene Magen ſolgt. Speiſeröhre und Magen ſind von einer Fortſetzung der chitinöſen äußeren Haut ausgekleidet, welche im Magen nicht bloß ſehr ſtarke, theilweiſe ver— kalkte, zahnartige Vorſprünge und Leiſten bildet, die zum Zerkleinern der Nahrung dienen, ſon— dern auch im hinteren Magenabſchnitte mit zahlreichen Borſten beſetzte Leiſten entwickelt, welche als eine Art Seihapparat den Übertritt gröberer Nahrungstheile in den Darm ver— hindert. Dieſer verläuft vom Magen bis zum After ganz gerade; vorne münden in ihm die Ausführungsgänge der Leber, zweier großer Drüſen von gelber oder brauner Farbe, welche in der Kopfbruſt hinter dem Magen liegen. Das farbloſe Blut des Krebſes wird von dem Herzen aus durch den Körper getrieben, indes iſt das Blutgefäßſyſtem nicht geſchloſſen. Das Herz ſelbſt liegt auf dem Rücken unntittel- bar unter der Haut im hinteren Theil des Cephalothorark; es hat eine unregelmäßig ſechseckige Geſtalt und ſaugt das Blut durch ſechs Offnungen direct aus ſeiner Umgebung auf, um es nach vorne, hinten und den Seiten in mäch— tige Arterien und durch ſie in den Körper und die Kiemen zu treiben. Die Venen höherer Thiere, alſo die das Blut zum Herzen zurück— führenden Adern, fehlen und ſind durch regel— mäßig liegende Blutrinnen zwiſchen den Ein— geweiden erſetzt. Die Nieren des Krebſes ſind zwei ganz vorne im Kopfe liegende ſcheibenförmige Or— gane von grüner Farbe, die ſog. grünen Drüſen. Jede derſelben mündet auf einen zapfenartigen Vorſprung am Grunde der großen Fühler. Die leicht erkennbaren, in der Mitte mehr oder weniger verſchmolzenen Eierſtöcke und Hoden liegen in der Kopfbruſt unter dem Herzen; die einfachen Ausführungsgänge der erſteren münden am Grunde des dritten Geh— fußpaares, die knäuelförmig gewundenen Samen— leiter am Grunde des fünften oder letzten Geh— fußpaares. Die äußeren Geſchlechtsdiffe— renzen zwiſchen Männchen und Weibchen beſtehen theils in dem ſchon erwähnten verſchie— denen Bau der beiden erſten Paare der Abdo— minalfüße, theils darin, dafs das Abdomen beim Weibchen ſtets breiter und weniger ge— wölbt iſt als beim Männchen. Auch ſind letztere immer größer als die Weibchen. Fluſskrebſe. Die Fortpflanzung des Fluſskrebſes, über welche bei Laien manche irrthümlichen Vorſtellungen verbreitet ſind, iſt erſt in neuerer Zeit genügend bekannt geworden. Die Begat⸗ tung geſchieht in der Zeit vom October bis Januar, wobei dem auf dem Rücken lie— genden Weibchen, wie ſchon oben beſchrieben wurde, mittelſt der beiden erſten Paare der Abdominalanhänge der in eigenthümlich ge— wundenen Schläuchen, ſog. Samenpatronen, ent⸗ haltene Same vom Männchen an die Umgebung der Geſchlechtsöffnungen und die Unterſeite des Abdomens angeklebt wird. 10—40 Tage nach der Begattung legt das in ſeiner Höhle verbor— gene Weibchen die großen, wenig zahlreichen Eier, indem es den Hinterleib nach der Kopf— bruſt zu einbiegt; dieſelben werden befruchtet und kleben mittelſt eines zähen, fadenziehenden Schleimes an den Abdominalfüßen feſt. Das Weibchen bewegt die Füße mit dem Eiern be= ſtändig, da ein ſtarker Waſſerſtrom zu ihrer Entwicklung unbedingt erforderlich iſt. Letztere nimmt nun den ganzen Winter in Anſpruch, und erſt im Mai und Juni ſchlüpfen die jun⸗ gen, hellgrauen Krebschen in einer Länge von 9—15 mm aus. Sie gleichen im allgemeinen ſchon den erwachſenen, zeigen aber im einzelnen, z. B. der Form der Kopfbruſt und der Schwanz⸗ floſſe, mancherlei Unterſchiede. Ihre großen Scheren haben an der Spitze hakenförmig ein— gekrümmte Finger, und mit ihnen klammern ſich die Jungen neben den verlaſſenen Eihüllen ſehr feſt an die Borſten der Abdominalfüße der Mutter an, von der ſie ziemlich lange herumgetragen werden. Nach ihrer erſten Häutung verlaſſen fie die Mutter zeitweiſe, kehren aber in der erſten Zeit bei Gefahr in ihren Schutz zurück. Der gemeine Fluſskrebs (Astacus fluviatilis Rondelet) bewohnt die ſüßen Ge— wäſſer von ganz Europa mit Ausnahme des hohen Nordens und des öſtlichen Ruſsland. Von anderen nahe verwandten Gattungsgenoſſen, welche in Oſtruſsland, dem Amurgebiet, Japan und Californien leben, unterſcheidet er ſich durch folgende Merkmale: Die Länge geſchlechts⸗ reifer Thiere beträgt ohne die Fühler 8—25 em. Der Kopfbruſtpanzer iſt oben gewölbt, ſeitlich etwas zuſammengedrückt, mit erhabenen Höckern und Körnchen, beſonders auf der Gegend der Kiemenhöhle; jeine größte Breite beträgt etwas mehr als ein Viertel der Totallänge. Hinter dem Auge iſt auf dem Kopfbruſtpanzer eine er⸗ habene, oft bedornte Längsleiſte. Der Hinterleib iſt faſt glatt. Der erſte Scherenfuß iſt beim Männchen faſt jo lang wie der Leib, beim Weibchen kürzer, ſeine Schere iſt gedrungen, ſehr verſchieden groß, oft auf beiden Seiten ungleich. Die Färbung iſt meiſt dunkeloliven⸗ grün, übrigens ſehr veränderlich und oſt mo⸗ mentanem Wechſel unterworfen; zuweilen ganz ſchwarz oder roth, ſelbſt weiß. Die Farbe wird durch zwei verſchiedene Farbſtoffe bedingt, einen ſchwarzen und einen rothen; erſterer wird beim Kochen zerſtört, ſo daſs der Krebs nachher roth erſcheint. Die Unterſeite iſt immer heller als die Oberſeite; die Scherenſpitzen ſind mehr oder weniger roth. Sämmtliche zur Art Asta- eus fluviatilis gehörige Krebſe laſſen ſich mit Fluſskrebs. Sicherheit in zwei gut unterſchiedene Racen oder Unterarten gruppieren. 1. Der Steinkrebs, auch Dohlenkrebs, Quellenkrebs: frz. écrevisse à pieds blanes (Astacus fluviatilis torrentium; Syn. Astacus torrentium. saxatilis, longicornis, pallipes, tristis, fontinalis). Kleiner und ſchlanker als der folgende; höchſtens 70g ſchwer, mit län— geren Scheren und weißlichen Füßen. Schnabel oder Rostrum allmählich zugeſpitzt, die beiden Seitenſtachel ganz nahe an der Spitze; am Unter— rande des Schnabels ein oder zwei Dornen. Die Leiſten hinter den Augen ſind ſchwach und ohne Dornen. Der mittlere Theil der Schwanzfloſſe, das Telſon, iſt länger und ſchmäler als bei der folgen— den Abart, namentlich iſt der hintere Theil des— ſelben relativ größer. Wird beim Kochen nur theilweiſe roth. Die Jungen ſollen ſchon an— fangs Mai ausſchlüpfen. Der Steinkrebs liebt vorzugsweiſe kleinere, ſchneller fließende Bäche, namentlich im Gebirge. Er findet ſich als ein— zige Abart in Großbritannien und Irland; ferner in vielen Theilen von Frankreich, Spa— nien, der Schweiz, Griechenland und Dalmatien. Sein Fleiſch iſt ſchlecht und findet meiſt nur zu Krebsſuppen Verwendung. 2. Edelkrebs, frz. ecrevisse A pieds rouges (Astacus fluviatilis nobilis). Größer und gedrungener, ausnahmsweiſe bis 400 g ſchwer. Füße röthlich. Schnabel im unteren Theile faſt parallelſeitig, die beiden Seitenſtachel ſind um ein volles Drittel der Schnabellänge von der Spitze desſelben entfernt; Unterrand des Schna— bels ohne Dorn. Die Leiſten hinter den Augen namentlich hinten ſtärker, oft mit Dornen. Telſon kürzer und breiter. Wird beim Kochen ganz roth. Die Jungen ſchlüpfen erſt im Juni und Juli aus. Der Edelkrebs bewohnt langſamer fließende und ſtehende Gewäſſer, namentlich im mittleren und öſtlichen Europa, aber auch in Italien. In Großbritannien, Irland, Dalmatien, der Türkei und Griechenland fehlt er ganz. In deutſchen Ländern ſcheint ſeine Südoſtgrenze der Zirknitzerſee in Krain zu ſein. Der Edelkrebs hat ein weit beſſer ſchmeckendes Fleiſch als der Steinkrebs; er iſt der eigentliche Tafelkrebs und allein Gegenſtand der Zucht. In allen ruſſiſchen Strömen, welche ſich ins Schwarze, Aſow'ſche und Kaſpiſche Meer er— gießen, in den Flüſſen des Weißen Meeres, in vielen Bächen und Seen im Becken des Finni— ſchen Meerbuſens, endlich in der unteren Donau und der Theiß wird Astacus fluviatilis durch eine andere naheſtehende Art vertreten, nämlich den ſchmalfingerigen Krebs (Astacus lep— todactylus), welcher ſich hauptſächlich durch den viel gedrungener gebauten Cephalothorax und die ſehr viel längeren und ſchlankeren Scheren— füße unterſcheidet. Auch ſind die Fühler weit länger als beim gemeinen Flujsfrebs. Lebensweiſe des Fluſskrebſes. Zum Gedeihen des Krebſes iſt klares, kalkreiches, etwas fließendes und nicht zu tiefes Waſſer nöthig. Ferner müſſen Steine, Baumwurzeln und Uferhöhlen ihm hinreichend Verſteckplätze bieten; daher liebt er namentlich langſamer ſtrömende Flüſſe mit ſchattigen, weichgründigen Ufern, in 1 welche er ſich oft weit hineingehende Höhlen ausgräbt. In ihnen hält er ſich tagsüber, namentlich aber im Winter verborgen, ohne indes einen richtigen Winterſchlaf zu halten. Am Eingange der Höhle lauernd oder nachts, von ſeinem ſcharfen Witterungsvermögen ge— leitet, umherſchweifend ſtürzt er ſich auf Beute aller Art und ergreift ſie mit den Scheren. Verfolgt ſchießt er pfeilſchnell rückwärts in ſein Verſteck. Die Männchen ſchweifen viel weiter umher als die Weibchen und werden deshalb auch leichter gefangen. Der Krebs iſt Alles— freſſer; er friſst Waſſerthiere aller Art, ſelbſt Waſſerratten ſoll er gelegentlich angreifen und auch ſeinesgleichen ſchont er nicht. Aas ſcheint er nur im Nothfalle anzugehen; mit Leidenſchaft verzehrt er dagegen friſche Thierleichen, Ein— geweide, geronnenes Blut u. a. Andererſeits verſchmäht er auch Pflanzenſtoffe nicht, nament— lich Möhren, Waſſermelonen, Kürbiſſe, Rüben u. a. Schneckenſchalen und kalkhaltige Waſſer— pflanzen (Characeen) liefern ihm den zu ſeinem Schalenbau nöthigen Kalk. Trotz ſeiner enor— men Gefräßigkeit wächst der Krebs ſehr langſam. Genaue Beobachtungen haben er— geben, dass er im erſten Jahre höchſtens 5—6 cm Länge erreicht und ſpäter kaum 2 cm jährlich zunimmt. Nach Micha ſind große Krebſe von mehr als 100g Gewicht über 10, ja 21 und mehr Jahre alt. Fortpflanzungsfähig wird er wahrſcheinlich erſt im fünften oder ſechsten Jahre. Die Häutung erfolgt im erſten Jahre etwa achtmal, im zweiten fünfmal, im dritten zweimal, ſpäter beim Weibchen nur einmal, beim Männchen zweimal im Jahre, im hohen Alter wahrſcheinlich gar nicht mehr. Der Krebs hat zahlreiche Feinde, unter denen der Aal und der Fiſchotter die erſte Stelle einnehmen. Zwei kleine Schmarotzer, Bronchiob- della parasita Henle und Bronchiobtella astaci Odier, die ſog. Krebsegel, 2—3 mm lange, durchſichtige, gelbliche, egelartige Würmer, finden ſich oft am Krebſe in enormer Menge, der erſtere an den Gelenkhäuten der Unterſeite des Abdomens und am Grunde der Fühler und Augen, wo man auch die Eier desſelben als kleine braune Körnchen findet; letzterer an den Kiemen. Der Fang der Krebſe geſchieht auf ſehr verſchiedene Weiſe. Theils fängt man ſie mit der Hand in ihren Löchern oder holt ſie unter Steinen hervor, theils und in größerer Menge erbeutet man ſie mit reuſenartigen Vorrich— tungen. Die einfachſten derſelben ſind Korb— oder Netzgeflechte ähnlich einem aufgeſpannten Schirm, welche mit der Offnung nach oben auf dem Grunde des Waſſers feſtgeſtellt oder an einem Tau hinabgeſenkt und mit einem Stück Fleiſch oder einem todten Fiſch geködert werden. Die Krebſe kriechen, namentlich in der Nacht, auf das Schirmgeflecht, welches von Zeit zu Zeit ſchnell aufgezogen wird. Viel er— giebiger iſt der Fang mit Krebsreuſen, welche kleinen Fiſchreuſen ähnlich ſind, die mit einem todten Fiſch oder abgehäuteten Froſch beködert und nachts mit Steinen beſchwert auf den Grund gelegt werden. Sie ſind namentlich im nordöſtlichen Deutſchland gebräuchlich. Dombrowski. Eneyklopädie d. Forſt⸗ u. Jagdwiſſenſch. IV. Bd. 2 18 Fluſsregenpfeifer. — Fluſsrohrſänger. Zur längeren Aufbewahrung lebender Krebſe iſt fließendes Waſſer nöthig; wenige Tage halten ſie ſich auch ohne Waſſer in einem ſchattig und kühl geſtellten Behälter mit Brennneſſeln. Zum Verſandt, welcher in Körben zwi— ſchen Stroh geſchieht, müſſen die Krebſe vorher jorgfältig getrocknet werden. Das Fleiſch der Krebſe iſt am beſten in den Monaten ohne „r“, alſo Mai bis Auguſt, weil ſie dann nach Beendigung des Brutge— ſchäftes bereits begonnen haben, ſich durch reich— liche Nahrung wieder zu mäſten. Die wirtſchaftliche Bedeutung des Ktrebjes . iſt nicht gering. In Paris allein werden jähr— lich mehr als 6 Millionen Stück verzehrt, von denen die meiſten über Berlin und Deutſchland importiert werden. Leider hat die Zahl der Krebſe in den meiſten Gewäſſern in den letzten Jahrzehnten bedeutend abgenommen, theils durch ſchonungsloſes Wegfangen der Mutter— krebſe, theils durch Verunreinigung der Ge— wäſſer durch das Röthen von Hanf und Flachs und den Abfluſs aus Fabriken, theils endlich durch die Krebspeſt (ſ. d.). Man hat deshalb auf eine Vermehrung der Krebſe durch die Zucht Bedacht genommen. Da jedoch bei der eigenthümlichen Fortpflanzungsweiſe des Krebſes eine künſtliche Befruchtung und Ausbrütung der Eier ebenſowenig wie eine künſtliche Aufzucht der Jungen möglich iſt, hat man ſich bis jetzt damit begnügen müſſen, im Frühjahr Mutter- krebſe mit Eiern einzufangen und in große Behälter oder kleine Teiche zu ſetzen, wo ſie vor Feinden geſchützt ſind und wo man ihnen durch Einlegung von Drainröhren oder Stein— haufen Schlupfwinkel herſtellt. Im Herbſt fängt man dann die Jungen heraus und ſetzt ſie in geeignete Gewäſſer. In Frankreich hat man mit Erfolg Krebſe in eigenen Teichen oder abge⸗ ſperrten Bachſtrecken mit künſtlich hergerichteten Schlupfwinkeln durch Hineinwerfen von Fleiſch— abfällen, todten Fiſchen, Rüben, Kohl u. a. ge- mäſtet (vgl. Carl Vogt, Künſtliche Fiſchzucht, Leipzig 1875, p. 173 ff.). Im Anſchluſs an den Fluſskrebs ſei noch die Fluſsgarneele (Palaemonetes varians Leach; Syn. Palaemon lacustris) erwähnt, ein 3—5 em langer, zehnfüßiger Krebs aus der Familie der Garneelen und naher Verwandter der Garnaten oder Garneelen unſerer Meeres— küſten. Von einem gleich großen Fluſskrebs unterſcheidet man die Fluſsgarneele ſofort durch den ſchlankeren Bau, die größere Länge der Fühler, Beine und Schwanzplatten, hauptſäch— lich aber dadurch, daſs die inneren Fühler drei Geißeln tragen und nur die beiden erſten Geh— fußpaare mit Scheren verſehen ſind, von denen die des zweiten Paares die größten, nie— mals jedoch ſo ſtark ausgebildet ſind wie beim Fluſskrebs. Die Fluſsgarneele lebt in Seen, Flüſſen und Bächen von Norditalien und dem Etſchgebiet, eine ſehr ähnliche Art (Anchistia migratoria Heller) in Italien. Die geſammte Naturgeſchichte des Fluſs— krebſes findet ſich erſchöpfend behandelt in: T. H. Huxley, Der Krebs. Internationale wiſſenſchaftliche Bibliothek. Leipzig, Brockhaus, 1881. Hcke. Iluſsregenpfeifer, ſ. ei E. F. v. Hmr Fluſsrohrſänger, Locustella fluvia- tilis, M. & W. Sylvia fluviatilis, Wolf, Ta- ſchenbuch deutſcher Vogelk. I. p. 229, Acro- lan stagnatilis, J. A. Naumann, Vögel Deutſchl. Nachtr. p. 202, T. 26, Fig. 23 (1819), Calamoherpe fluviatilis (Wolf), Chr. L. Brehm, Vögel Deutſchl. p. 438 (1831); Locustella fluviatilis (Wolf), Gould, B. of Eur. p. 102 (4836); Salicaria fluviatilis (Wolf), Keys. & Blas. Wirbelthiere Europas pp. LIII Nr. 197 und 180 (1840), Lusciniopsis fluviatilis (Wolf), Bp. Cat. met. Ucc. Eur. p. 36 Nr. 152 (1842); Locustella strepitans, Chr. L. Brehm, Vogel⸗ fang, p. 233 (1855); Locustella Wodzickii, idem ibidem, p. 234: Calamodyta fluviatilis (Wolf), V. Müller, J. f. O. 1855, p. 198: Luseiniopsis fluviatilis strepitans, alticeps, macrorhynchos, macroura, A. E. Brehm, Verz. Samml., Chr. L. Brehm, p. 6 (1866); Pseu- doluscinia fluviatilis, Wolf, Tristram, Ibis 1867. p. 77; Potamodus fluviatilis (Wolf), Gray, Hand-list of birds. I, p. 210, Nr. 2971 (1869); Threnetria fluviatilis (Wolf), E. Schauer, J. f. O. 1873, p. 161; Locustella cicada, Hansmann. J. f. O. 1873, p. 432. Abbildungen: 1. Vogel. J. F. Nau⸗ mann, Vögel Deutſchl. T. 83, Fig. 1; Dreſſer, B. of Europe II., T. 92, Fig. 1. — 2. Eier. Thienemann, Abbildungen von Vogeleiern, T. IC., Fig. 11. a. b; Bädecker, Die Eier der europäiſchen Vögel, T. 19, Nr. 19. Fluſsſänger, Fluſsrohrſänger, Rohrſänger, Rohrſchirf und Spitzkopf mit gefleckter Kehle, grünlichgrauer Syitzkopf, großer Schwirl. Böhm.: Räkosnik rièni; engl.: warbler; frz.: Bec-fin riverain; ital.: Saleia- jola elivastra; froat.: Trstenjara potocarka; poln.: Trzeiniak tozowy; ungar.: folyami Zener, Der Fluſsrohrſänger, der größte der drei europäiſchen Schwirrſänger, kommt in Central- und Oſteuropa an geeigneten Stellen als Sommerbrutvogel vor, er wurde bis jetzt im Sommer beobachtet in Anhalt, Pommern, Schleſien, Oſtpreußen, Polen, Böhmen, Oſter⸗ reich, Galizien, Ungarn und Ruſsland bis nördlich zum Ladogajee und Finnland hinauf. Im Winter ſcheint er nach dem Süden Europas und Nordafrika zu wandern. Da der Vogel ſehr verſteckt lebt und nicht leicht, namentlich von Laien, beobachtet wird, jo wird voraus- ſichtlich ſein Verbreitungsgebiet noch größer ſein. Brutpläge wurden bisher hauptſächlich bei Breslau, Wien und in Ungarn gefunden, es iſt aber mit größter Wahrſcheinlichkeit anzu⸗ nehmen, daſs er viel häufiger als man bisher angenommen hat, in den oben genannten Ge— bieten brütet, daſs er nur bisher der Beob— achtung entgangen iſt. River Dotallünge 15˙3 em Flügellänge 80 Schwanzlänge .... 68 o 216 „ Schnabel 112 (h aus der Sammlung Tanere, Anclam 29. Mai 1883.) - Fluſsrohrſänger. 19 Der Schnabel iſt ſchlank, an der Baſis breit, etwas von oben nach unten zuſammen— gedrückt, am vorderen Theil ſeitlich compri— miert, der Oberſchnabel an der Spitze leicht abwärts gekrümmt, den Unterſchnabel wenig überragend. Die Flügel ſind mittellang, reichen bis zur Mitte des Schwanzes hinab, erreichen nicht das Ende der oberen Schwanzdeckfedern. Die Flügel ſind ſtumpf zugeſpitzt, die 2. und 3. Schwinge bilden die Spitze 2 >3 >4>5 E HMI, keine einzige Schwinge zeigt eine Einſchnürung. Der Schwanz iſt lang, ſtufenförmig zugeſpitzt, die äußerſten Schwanzfedern ca. 1½ em kürzer als die mittelſten, unten mit auffallend langen unteren Schwanz— deckfedern verſehen. Der Lauf ſchlank und dünn, die Krallen ſehr ſchwach. Altes Männchen. Oberſeite olivenbraun mit einem leichten rothbräunlichen Anfluge am Schwanz und feinen Deckfedern und einer außer— ordentlich feinen dunkelbraunen Querwellung, die ſich durch das ganze Rückengefieder und auch die Schwanzfedern hinzieht. Unterſeite weißlich, an der Kehle, dem Halſe und der Oberbruſt dunkelbraun geſtrichelt, an den Weichen ſchmutzig roſtbräunlich angeflogen, die unteren Schwanzdecken ebenſo ſchmutzig roſtbräunlich mit weißen Endflecken, Schwanz- und Schwung— federn braun ohne den charakteriſtiſchen oliven— farbigen Anflug von oben. Vom Schuabel zieht ſich über das Auge hin ein ſchmaler hellgelb— lichbrauner Streifen, das Olivenbraun der Kopf— ſeiten iſt etwas heller als auf der Oberſeite. (Beſchreibung nach zwei Männchen, ge— ſchoſſen bei Anclam i. P. 29. Mai 1883 und 1. Juni 1884.) Zwei alte Männchen aus Moskau (ge— ſchoſſen am 23. und 30. Mai) gleichen den beiden deutſchen Vögeln, haben nur einen etwas helleren ſchmutzig roſtbräunlichen Anflug der Weichen. Zwei alte Männchen von Sarepta (18. Mai 1882 und 17. Mai 1883) unter- ſcheiden ſich durch eine gleichmäßig ſchmutzig gelblich bräunliche Unterſeite und ſehr verwa— 0 Strichelung an Kehle, Hals und Ober— ruſt. Altes Weibchen. Im Gefieder dem Männchen ſehr ähnlich (nach zwei ? von Mos— kau 23. Mai und 27. Juni); nur ausgezeichnet durch einen ſchmutzig hellgelbbräunlichen Anflug der hellen Spitzen der unteren Schwanzdeck— federn. Die Jungen gleichen den Alten, nur fehlen ihnen die Streifen an der Kehle. Der Schnabel iſt im Oberkiefer dunkel- hornbraun mit etwas hellerer Kieferſchneide, der Unterkiefer hellbraun mit dunkelbrauner Färbung am Kieferbogen. Die Iris iſt lebhaft dunkelbraun. Die Läufe hellbraun, Zehen und Krallen etwas dunkler braun. (Beſchreibung nach Exemplaren aus der Sammlung Taneré.) Das Gelege enthält meiſtens 4 oder 5 Eier. Dieſelben ſind von länglich eiförmiger Form, Längsdurchmeſſer 211 mm, Querdurchmeſſer 14˙9 mm, Dopphöhe 9˙2 mm im Durchſchnitte. Was die Färbung anbetrifft, jo liegen mir! zwei Gelege aus Sammlung Taners vor, die einen verſchiedenen Anblick bieten. Das eine von Breslau (15. Juni 1878, 4 Eier) ähnelt denen, die meiſtens in den Büchern beſchrieben werden; die Eier ſind auf weißlicher Grund— farbe mit zahlreichen tiefer liegenden grauslila gefärbten Flecken und zahlreichen oberflächlichen leuchtend röthlichen braunen Flecken verſehen, die ziemlich gleichmäßig über das ganze Ei ver— theilt ſind, am ſtumpfen Ende aber doch etwas dichter ſtehen; das andere Gelege (4 Eier) zeigt auf hellbräunlich weißer Grundfarbe matt— ſchwärzlichgraue tieferliegende Flecken und hell— braune oberflächliche Fleckeu, die auch am ſtumpfen Ende etwas dichter ſtehen, als an dem übrigen Ei. Die Schale iſt mattglänzend, ſehr feinkörnig mit verhältnismäßig tiefen Poren. Das Neſt gleicht ſehr dem der Nachtigall, es ſteht auf dem Boden oder dicht über dem Boden; häufig ſogar in einer Bodenvertiefung im Graſe, es hat nach Taczanowski einen Totaldurchmeſſer von 10 em und eine Tiefe von 4 em. Außen beſteht es aus trockenen Laubblättern, innen aus Grashalmen und feinen Würzelchen, meiſtens iſt es nicht ſo ſorgfältig gebaut wie das der Nachtigall und nicht ſo tief. Im Frühjahr treffen die Vögel nach Taczanowski bei Warſchau anfangs Mai ein und ziehen im Auguſt wieder ab. Volle Gelege findet man im Juni. Der Vogel hält ſich nach den Schilde— rungen von Schauer, Graf Wodzicki, Tacza— nowski, A. von Homeyer am liebſten an den Rändern des Waldes in dicht mit Unterholz durchwachſenen Partien, in der Nähe von kleinen, offenen, naſſen oder feuchten Plätzen auf, ſo z. B. in der Nähe der Oder bei Bres— lau, in der Nähe der Donau bei Wien, am Ladoga- und Onegaſee u. ſ. w. Er lebt außer⸗ ordentlich verſteckt, immer in den Büſchen und im Graſe kriechend, fliegt nur ganz kurze Strecken von einem Buſch zum andern und ſucht, wenn er aufgeſcheucht wird, ſein Heil nicht im Wegfliegen, ſondern darin, dass er ſich raſch auf den Boden wirft und zwiſchen dichtem Graſe und Gebüſch fortſchlüpft. Das Weibchen iſt am allerſchwerſten zu beobachten, da es nicht ſingt, das Männchen verräth ſich durch ſeinen höchſt charakteriſtiſchen Geſang, indem es an einem Zweige hinaufklettert, ſich dicht über dem Boden ſchräg zur Aſtrichtung hinſetzt und nun namentlich Morgens ſtunden— lang von demſelben Platze aus ſein ſchwirren— des Liedchen erſchallen läſst. A. von Homeyer, der ein außerordentliches Talent für Beob— achtung des Geſanges der Vögel hat, wie ich auf Excurſionen mit ihm in der Nähe von Anclam ſelbſt erfahren habe, beſchreibt den Geſang in den „Mittheilungen des Ornithologi— ſchen Vereins“ in Wien 1886, p. 294 fol- gendermaßen, indem er namentlich auf den Unterſchied von unſeren beiden anderen deut— ſchen Schwirrſängern, Locustella naevia und Locustella luseinioides aufmerkſam macht. Es heißt dort: „Während L. naevia und luscinio- ides ihr langes irrrr oder urrrr einſilbig ſchwirren oder ſchnurren, ſchwirrt fluviatilis „ * 2 20 deutlich zweiſilbig. Der Geſang hat auch nicht den feſten Schwirrton, ſondern iſt mehr ein zwiefaches Zittern, ähnlich wie bei der Auguſt— heuſchrecke (Locusta viridissima). Der Ge— ſang iſt alſo auch kein wirkliches Schwirren, wenigſtens nicht im wahren Sinne des Wortes, ſondern erinnert nur daran. Der lang anhaltende Geſang beſteht deutlich aus den Silben „setter, setter, setter“ und jo fort wohl eine Minute lang. Das „Sett“ iſt ganz deutlich, das „er“ iſt Nachſchlag mit etwas weniger Betonung, ſo daſs man beſſer nicht „setter“, ſondern „settr, settr, settr, settr“ u. ſ. w. ſchreiben kann. Dieſer Geſang hat, wenn der Vogel damit beginnt, oft viel Ahnlich— keit mit den Anfangsſtrophen mancher Gold— ammern, wenn dieſe in etwas trübem Tone eilfertig vorgeſtoßen werden. Herr Lehrer Arlt hat dieſen Vergleich zuerſt aufgeſtellt (J. F. O. 1871, p. 30). Hat aber der Goldammer eine klare Stimme und gibt er die erſten Strophen etwas langſam und gezogen, dann fällt die Beziehung vollſtändig fort, und es iſt nicht die geringſte Ahnlichkeit vorhanden. . ... Das Cha— rakteriſtiſche der drei Geſänge iſt alſo: Locu— stella naevia und luscinioides ſchwirren, reſp. ſchnurren je in ir und ur einſilbig und L. flu- viatilis zittert in e under zweiſilbig.“ Meves gelang es ſeinen Geſang nach— zuahmen, er ſchreibt in ſeinen „Ornithologi— ſchen Beobachtungen im nordweſtlichen Rußs— land“ (ſ. Onis, 1886, p. 207): „Wenn es nach lange fortgeſetztem Suchen gelang, den Vogel zu Geſicht zu bekommen, warf er ſich ge— wöhnlich von einem Baume oder Buſche flugs nieder ins Gras und verſchwand, um an einer entlegenen Stelle wieder anzufangen, ſchwieg aber, ſobald er Verfolgung merkte. In anderen Gegenden, z. B. am See Onega, fand ich ſpäterhin doch, daſs man ihn leicht zum Geſang verleiten konnte. Ich nahm nämlich zwei Schilf— blätter, rieb ſie gegen einander und brachte dadurch einen ſeinem Geſange einigermaßen gleichen Laut hervor. Dann begann er erſt leiſe und in kurzen Sätzen wieder zu ſingen, aber bald lauter und immer lauter. Konnte man ſich dann ſtill und verborgen halten, ſo ſah man, wie der arme kleine Sänger eifrig zur Erde ſprang und neugierig nach dem Er— zeuger der falſchen Töne umherſpähte.“ Er nährt ſich von zwei- und vierflügligen Inſecten und kleinen Käfern und iſt dadurch unbedingt nützlich. R. Bl. Iluſsmeerſchwalbe, die. Sterna fluvia- tilis Naumann; Sterna hirundo, part. Linn.; Larus bicolor, Larus sterna et Larus columbi- nus Scop.; Sterna senegalensis Sw.; Sterna Wilsoni Bp.; Sterna macrodactyla et macro- ptera Blas.; Sterna Dougalli Layard. Gemeine, große, rothfüßige, aſchgraue, ſchwarzköpfige, ſchwarzplattige, europäiſche Meer— oder Seeſchwalbe, ſchwarzplattige, gemeine Schwalbenmöwe, kleine Fiſchmöwe, Fiſchmeiwe, grauer Fiſcher, Rohrmöwe, Rohrſchwalm, Schwarzkopf, Spirer, Schnirring, Tänner. Engl.: Common Tern, Sea- Swallow, Kir- mew, Picket, Tarney, Pictarne, Rittock, Tarret, Spurre, Seraye, Gull-teaser; frz.: Pierre-Garin; | | Fluſsmeerſchwalbe. ital.: Rondine di Mare; ſpan.: Golondrina de Mar; portug.: Andorhina do Mar; holländ.: het vischdiefje; ſchwed.: Fisktärna; norweg.: Makrelterne; dän.: Haette Terne: poln.: Ry- botowka zwiezajna; böhm.: Rybak obecny; froat.: Crnoglava éigra; ruſſ.: Martyschka, Kratchka riecynaya; ungar.: fölyami Ha- läszka. Abbildung des Vogels: Naumann, Vögel Deutſchl., X., T. 252; Dreſſer, Birds of Europe, VIII, T. 580. Beſchreibung: Der Schwanz wird von den Flügeln etwas überragt. Die Füße und der Schnabel ſcharlach- oder mennigroth, letzterer von der Spitze weit herauf ſchwarz. Die Iris lebhaft röthlich-ſchwarzbraun. Sommerkleid: Stirn, obere Hälfte der Zügel, Schläfe, der ganze Oberkopf, Genick und Nacken mit einer ſchwarzen Kopfplatte bedeckt, die ſich ſehr ſcharf von dem Weiß der unteren Zügelhälfte, der Wangen und der Halsſeiten ab— grenzt. Rücken, Schultern und Oberflügel hell bläulich-aſchgrau. Die Primärſchwingen von außen mit weißlich-aſchgrauem Überzuge; die Außenfahne der erſten ſchieferſchwarz, die Schäfte aller weiß, von der Innenſeite mit einer ſchwarzen Linie begrenzt; die Innenfahne aller Federn weiß, mit einem ſchieferfarbigen Streif nächſt der Schäfte, welche in die ſchieferfarbige Spitze ausläuft. Die Secundärſchwingen licht aſchgrau, längs den ſchwärzlichen Schäften etwas dunkler, mit weißen Endkanten und vielem Weiß auf der Innenfahne, welche ſich an den Enden in Weiß verwächst. Die untere Seite der Schwungfedern, die unteren Flügeldeckfedern und das Flügelrändchen weiß, die dunklen Zeich— nungen der Schwungfedern von oben nebſt den Spitzen dunkel ſilbergrau. Bürzel, die oberen und unteren Schwanzdeckfedern und Schwanz ſelbſt ſind weiß, die Außenfahne der äußerſten teuerfedern dunkelaſchgrau, die der beiden fol— genden aſchgrau u. ſ. w., immer heller, bis zu den mittleren Steuerfedern, welche rein weiß ſind; bei manchen ſind jedoch nur 2—3 Federn grau und alle übrigen rein weiß. Die Unter- ſeite des Körpers, vom Kinn und den Wangen ab bis zum Schwanz, iſt weiß, an der Bruſt bis an den Kropf mit ſilbergraulichem Anfluge, welcher bei ſehr alten Männchen ſich an den Seiten der Unterbruſt hinzieht und in der Paar- zeit einen ſchönen purpurröthlichen Schein hat. Im Gefieder ſtimmen beide Geſchlechter überein, doch die ſchwarze Kopfplatte des Weibchens reicht gewöhnlich nicht ſo tief auf den Nacken hinab und in der Brütezeit iſt die Unterſeite der Weibchen etwas bräunlichgelb. Winterkleid wie Sommerkleid, aber Stirn und Zügel mit weißen Flecken verſehen und innere Primärſchwingen ſchwärzlich ohne weißlich-aſchgrauen Überzug. Jugendkleid: Stirn weiß, mit bräun⸗ lichem Anfluge, Vorderſcheitel weiß mit ſchwar⸗ zen Schaftſtrichen, Hinterkopf bis auf den Nacken hinab ſchwärzlich oder braunſchwarz, jede Feder an den Seiten graulich gerändert, vor dem Auge ein ſchwarzes Mondfleckchen. Rücken, Schultern, mittlere Flügeldeck- und hintere Schwungfedern bläulich-aſchgrau, jede Feder mit Fluſsmeerſchwalbe. gelblichen Enden und braunen Mondflecken vor dieſen. Flügelrändchen weiß, Secundärſchwung— federn licht aſchgrau mit weißen Enden, die Primärſchwungfedern hell aſchgrau, mit weißen Schäften und weißem Längsbande auf dem Rande der Innenfahne; die Außenfahne der erſten Federn dunkel ſchiefergrau. Steuerfedern weiß, die äußerſte auf der Außenfahne ſchiefer— grau, die anderen hell aſchgrau, alle mit roſt— gelblichen Spitzen. Unterſeite rein weiß, bei manchen mit dunklen Flecken an den Seiten des Kropfes; Unterflügel weiß, mit grauer Spitze. Schnabel oben braun, an der Spitze ſchwärz— lich, gegen die Baſis zu ſchmutzig-röthlich; Iris röthlichbraun; Füße fleiſchfarben, ſpäter röth— lichgelb. Erſtes Winterkleid: Stirn und Zügel weiß, Mittelſcheitel mit feinen ſchwarzen Flecken, Hinterkopf bis auf den Nacken hinab ſchwarz. Rücken aſchgrau, ſchwärzlich gewellt, jede Feder weiß geſpitzt; Schwung- und Steuerfedern an der Spitze weiß. Schnabel ſchwarz, gegen die Baſis zu tief roth; Füße orangeroth. Verbreitung. Dieſe Art bewohnt Europa, Aſien und Nordamerika, ſteigt jedoch nicht ſehr hoch nach Norden hinauf. Sie brütet an allen Küſten Europas mit Ausnahme der arktiſchen. Nach Palmen brütet ſie auch in Finnland an allen Süßwäſſern und in den meiſten inneren Theilen der Scheren, von der Südküſte an bis in die Niederung des Uleafluſſes (65°); an der Küſte bis Tornen (66°). Aber ſie findet ſich weder in Lappland noch in Finnmarken. In den Oſtſeegegenden iſt ſie ſehr häufig an allen größeren Seen wie auch an den Küſten ſelbſt. An der Nordſee brütet ſie ſtellenweiſe in ungeheurer Menge, iſt häufig in Großbritannien, Frankreich und Holland, jeltener am Mittel- ländiſchen Meer. In Deutſchland, Holland und Oſterreich-Ungarn wohnt ſie vorzugsweiſe an Flüſſen, ſandigen Fluſsmündungen, am ſeichten Seeſtrande und an vielen Landſeen. Den Boden— ſee, Züricher- und Bielerſee, den Rhein, Main, die Iller, Donau u. ſ. w. bewohnt ſie in Menge. Im europäiſchen Ruſsland findet ſich die Flußs— ſeeſchwalbe zahlreich an den meiſten Teichen, Seen, Flüſſen u. ſ. w., beſonders wo die Ufer flach und kieſig ſind; die nördliche Grenze dieſes Vogels in Rufsland kann ich nicht genau be— ſtimmen. Nach Mewes iſt ſie häufig am Onega, Ladoga und anderen nahegelegenen Seen; im Dwinagebiet iſt ſie nach Norden wahrſcheinlich bis zum mittleren Theile des Fluſſes verbreitet, da um Archangel die Küſtenmeerſchwalbe ſchon gemein iſt; von der Dwina nach Oſten brütet die Fluſsmeerſchwalbe im Kamagebiet. In Aſien iſt ſie durch alle Mittelzonen des Continents verbreitet, wie auch in Kleinaſien, Perſien und anderen ſüdlichen Gegenden, nach Oſten bis zum Indus. Im Winter zieht dieſe Art in Afrika bis zum Cap der guten Hoffnung und in Aſien bis zur Inſel Ceylon. In Nordamerika iſt ſie von Texas bis nach Labrador gemein, brütet aber nicht an der Weſtküſte. Lebensweiſe. Die Flußsſeeſchwalbe iſt ein ſehr lebhafter Vogel, obgleich ſie öfter als viele andere Seeſchwalben ſitzt. Sie hat einen ſehr leichten Flug, durch deſſen größere Schnellig⸗ 21 keit ſie ſich von den Verwandten auszeichnet, läſst ſich mit ungemeiner Leichtigkeit auf und nieder und ſucht bei unfreundlicher Witterung den Fluſs ſtundenlang hinauf und herab. Streicht ſie gerade aus, ſo erſcheint ihr Flug etwas langſam, da ſchwingt ſie dann ihre Flügel in nicht ſchnellen aber ſehr ausholenden Schlägen, die beim Niedergehen der Flügel den leichten Körper etwas heben, beim Aufheben aber etwas ſinken machen und dadurch charakteriſtiſche, wellenförmige Schwingungen bewirken. Natür— lich iſt dies im eilenden Fluge nicht ſo be— merklich, derſelbe iſt überhaupt ſelten zu beob— achten. Meiſtentheils ſtreicht ſie ſuchend langſam und niedrig über dem Waſſer hin, den Schnabel gegen dasſelbe gerichtet, oft plötzlich anhaltend, wenn ſie etwas im Waſſer entdeckt. Häufig be— ſchreibt ſie größere oder kleinere Bogen und beſonders an von Fiſchen belebten Stellen kreist ſie oft längere Zeit. Nur zuweilen fliegt ſie in bedeutender Höhe und dann ſind ihre Be— wegungen beſonders ſchön. Als Ruheorte dient ihr entweder der platte Boden, auf welchem ſie zuweilen läuft, oder ſie benützt dazu aus dem Waſſer emporragende Steine, Pfähle u. ſ. w.; auf das Waſſer läſst ſie ſich viel ſeltener nieder als auf den Boden und ſchwimmt dann mit ſehr hoch gehaltenem Flügel und Schwanz. Ihre Stimme iſt hauptſächlich ein helles krähen— artiges „kriäh“ und ein ſehr gedehntes „kriiäh“ und „kliiäh“. Bei ihrer Brut ſchreit ſie „keck, kick“ oder „kreck“; im ganzen aber ſchreit ſie weniger als ihre Gattungsverwandten. Die Hauptnahrung der Fluſsmeerſchwalbe ſind leben— dige kleine Fiſche, in Europa vorzüglich der Ukelei (Cypr. alburnus), ein in Flüſſen und klaren Seen ungemein häufiges Fiſchchen. Doch fängt ſie auch größere Waſſerinſecten und die Larven derſelben, wie auch kleine Waſſerfröſche und Froſchlarven. Bei ihrer Fiſchjagd fliegt die Fluſsmeerſchwalbe in geringer Höhe über dem Waſſer, den Kopf bald auf die eine, bald auf die andere Seite geneigt, und den Blick aufs Waſſer gerichtet, fällt, eine Beute erſpähend, aufs Waſſer und fliegt ſchon im nächſten Augen— blick darauf mit dem Fiſchchen im Schnabel davon. Bei ſchlechtem Wetter, wenn die Fiſche nicht hoch gehen, dehnt der Vogel während einiger Stunden ſeine Streifzüge zuweilen jo weit von ſeinem gewöhnlichen Reviere aus, dajs man dortſelbſt manchmal keine einzige ſieht. Bei ſchönem Wetter aber, wenn die Fiſchjagd gut geht, kann man die Vögel immer in der Nähe des Brutplatzes antreffen. Dieſe liegen meiſt auf großen niedrigen Inſeln und Ufer— bänken oder flach in das Waſſer verlaufenden Ufern, womöglich mit kieſigem aber nicht ſan— digem Grund, von allem Pflanzenwuchs ent— blößt. Je ausgedehnter ſolche Stellen ſind, von deſto mehreren Paaren ſind ſie bewohnt. Hier bildet die Fluſsmeerſchwalbe eine kleine Ver— tiefung in dem Kieſe oder nimmt eine vorge— fundene zum Neſte, und zu Ende Mai legt ſie ihre zwei bis drei großen, glattſchaligen, fein— körnigen, glanzloſen Eier. Die Grundfarbe der— ſelben iſt meiſtens ein ſehr trübes, roſtgelbliches Weiß oder ſchmutziges Roſtgelb, die Zeichnung beſteht in violettgrauen, röthlichen und tief— 19 ſchwarzbraunen, runden oder länglichen Flecken, Tüpfeln und Punkten. Die 7 0 595 unter dieſen Eiern iſt lange nicht ſo groß als bei jenen der Küſtenmeerſchwalbe, welchen ſie außer— ordentlich ähnlich ſind. Männchen und Weibchen brüten abwechſelnd, doch während der Nacht bloß letzteres. In den Mittagsſtunden ſitzen ſie faſt gar nicht über den Eiern, überlaſſen deren Erwärmen vielmehr den Sonnenſtrahlen; in 16—17 Tagen fallen die Jungen aus, entlaufen bald dem Neſte und verbergen ſich zwiſchen den größeren Steinen des Kiesbodens und anderen Unebenheiten. Nach zwei Wochen können ſie ſchon flattern, in der dritten Woche ihren Eltern fliegend folgen und empfangen nun das Futter nicht mehr ſitzend, fondern im Fluge, den jungen Schwalben ähn— lich. Wenn dieſen Vögeln das erſte Gelege zu grunde geht, was abgeſehen von Störungen durch Menſchen nicht ſelten auch durch Über— ſchwemmungen geſchieht, ſo machen ſie ein zweites Gelege; tritt aber ein ſolcher Unglücksfall noch einmal ein, ſo bleiben ſie in ſolchem Jahr ohne Nachkommenſchaft. Jedenfalls iſt das Waſſer ihr ſchlimmſter Feind. Von den Raubvögeln ſcheint ihr nur der Lerchenfalke gefährlich zu werden, welcher auch meiſtentheils nur Junge fängt; Raben, Krähen und Elſtern ſtehlen ihnen natür— lich womöglich die Eier. Ein erheblicher Nutzen wird durch die Fluſsmeerſchwalbe nicht geſtiftet, doch iſt auch der von ihr verurſachte Schaden meiſt kaum nennenswert, da ſie faſt nur kleine, wertloſe Fiſcharten aufnimmt. v. Mzbr. Ilufsſchifffahrt, ſ. Flüſſe. At. FIluſsſchildkröten, Emydae, Unterfamilie der Chersemydae (ſ. d.), mit den Gattungen: Emys, Clemmys, Cinosternon, Chelydra. Rücken— ſchild ziemlich flach, Schwanzplatte doppelt, Schwimmfüße bekrallt. Kur. Fluſsſchleimſiſch (Blennius vulgaris Pollini; Syn. Blennius cagnota, Blennius anti- eulus); ital.: cagnetto, cagnota, cabazza; ein kleiner, 6—8 em langer Fiſch aus der Gat— tung Blennius Artedi und der Familie der Schleimfiſche (Blenniidae, ſ. Syſt. d. Ichthyo— logie). Der völlig nackte und glatte, mäßig zu— . Leib iſt etwa fünfmal ſo lang als hoch. Das Profil des Kopfes fällt vor den Augen ſteil nach vorne ab und hat ein end— ſtändiges, dicklippiges, bis unter den vorderen Augenrand geſpaltenes Maul. Oben und unten im Munde ſteht eine Reihe kleiner feſtſitzender Zähne, der Endzahn jederſeits iſt größer und ſtärker gekrümmt. Über dem Ende des Kiemen— deckels beginnt die bis nahe an die floſſe reichende Rückenfloſſe; ſie beſteht aus einem vorderen, niedrigeren Theil mit 12— 13, und einem hinteren höheren Theil mit 16 bis 18 Strahlen. Faſt alle Strahlen mit Ausnahme der letzten find ungetheilt und biegjam. Die Afterfloſſe hat 18—21, die Bruſtfloſſe 13, die Schwanzfloſſe 11 Strahlen. floſſen ſtehen nahe zuſammen an der Kehle und enthalten 2—3 Strahlen. Das Männchen hat über jedem Auge einen kurzen Tentakel und auf dem Kopfe einen niedrigen, fleiſchigen Haut— Schwanz Die langen Bauch- 2 Flufsſchifffahrt. — Fluſsuferläufer. kamm, entwickelt iſt. Die Färbung iſt außerordentlich ver⸗ ſchieden, meiſt gelblich mit ſchwarzen Flecken. Der Flufsſchleimfiſch bewohnt das ſüße Waſſer von ganz Italien, Sieilien, Dalmatien ſowie das Etſch- und Rhönegebiet. Ahnlich wie die Groppe liebt er klare, ſchnellfließende Bäche und hält ſich meiſt unter Steinen verſteckt. Die Nahrung beſteht aus kleinen Thieren; die Laich⸗ zeit fällt in den Sommer. Trotz ſeines weißen, recht ſchmackhaften Fleiſches iſt er als Speiie fiſch wenig gejchäßt. Hcke Flufsſpat (Fluſs, Fluorit) iſt Fluorcal⸗ cium, CaFl,. Kryſtalliſiert regulär; am häufig⸗ ſten als Würfel, o Oo nächſtdem als Dcta= eder O und Nhombendodefaöder oO; es fin— den ſich jedoch noch viele andere Formen, namentlich Tetrakishektas der, o On, in Verbin- dung mit dem Würfel. Die ſchönen und großen Kryſtalle ſind meiſt in Druſen vereinigt, ſel— tener auch einzeln eingewachſen. Auch derb kommt Fluſßsſpat als Fluſsſtein (dichter Flußs) und eben jo erdig, als erdiger Flußs vor. Fluorit iſt vollkommen ſpaltbar nach O. Härte — 4; ſpec. Gew’ 3•1. Er iſt durchſichtig bis kantendurchſcheinend, waſſerhell, weiß und mans nigfach gefärbt: gelb, grün, blau, blaſsroth; häufig an demſelben Kryſtall wechſelnde Far— ben; beſitzt Glasglanz, zeigt Fluorescenz (z. B. im auffallenden Licht königsblau, im durchfal— lenden meergrün). Viele Varietäten phospho— rescieren ſchwach erwärmt grüngelb und grün; manche entwickeln dabei einen unangenehmen Geruch, der theils auf Kohlenwaſſerſtoffe, welche auch die Farbe der Fluorite bedingen, theils vielleicht auch auf freies Fluor zurückzuführen iſt. Beim Übergießen mit concentrierter Schwe— felſäure entwickelt der Fluſsſpat glasätzenden Fluorwaſſerſtoff. Fundſtätten: Zinnerzlager in Böhmen, Sachſen und Cornwall, auf Silber— gängen im Erzgebirge und bei Königsberg, auf Bleigängen in England, in kryſtalliniſchen Schiefern der Schweizeralpen, im Val Sugana in Tirol, bei Kapnik in Ungarn und an vielen anderen Orten. Dient zu Ornamenten und Ge— fäßen, als Flussmittel bei Hüttenprocefjen, zur Entwicklung von Flufsſäure., v. O. Fluſsuſerläufer, Actitis hypoleueus Linné: Tringa hypoleucos Linn., 11 Nat. I., p. 250 (4766); Trynga guinetta Pall. Zoogr. Rosso-as. II., p. 195 (st): Trynga leuco- ptera Pall., I. c. p. 196 (1814); Tetanus hypo- leucos (L.) Temm., Man d’Orn.. p. 424 (1815); Actitis hypoleucos (L.) Boie, Isis 1822. p. 560; Actitis stagnatilis C. L. Brehm, Vögel Deutſchl., p. 649 (1831); Guinetta hypoleuca (L.) Gray. G. of B., p. 68 (1841): Tringoides hypoleuca en 1. e. p. 88 (1841); Actitis empusa Gould, P. Z. S. 1847, p. 222; Actitis mega- rhynchos C. L. Brehm, Vgf., p. 314 (1833). Gemeiner, trillernder, Meer-, Lerchenz, Strandläufer-, Strandläuferlein, Sandläufer, gemeiner, grauer, blauer, bunter, mittlerer Sandläufer, kleiner, trillernder, Meer-, Waſſer⸗ läufer, Strand-, Waſſerſchnepfe, Waſſerhühnchen, Herbſtſchnepflein, Waſſerbekaſſine, Sandpfeifer, Strandpfeifer, Teichſtrandpfeifer, Pfeiferle, Pfi— der zur Laichzeit im Sommer ftärfer Fluſsuferläufer. 23 ſterlein, Fiſterlein, Lysklicker, kleiner Myrſtickel, Meeer⸗, Seelerche, Steinpicker, Steinbeißer. Engl.: Common Sandpiper; frz.: Cheva- lier guignette; ſpan.: Andarios, Correrios; ital.: Piro-piro piccolo; malt.: Beggazina tar- rocca; dän.: Muddersneppe; norweg.: Strand- snipe; ſchwed.: Drillsnäppa; finn.: Ranta-— tilleri; ungar.: Apro Külöd; böhm.: Pisik podbily; poln.: Kulik piskliwy; eroat.: Guzavac. Naumann, Vögel Deutſchl., Bd. VIII. p. 7. T. 194; Fritſch, Vögel Europas, T. 33, Fig. 13; Dreſſer, Vögel Europas, Bd. VIII, T. 563. Die Uferläufer ſtehen den Waſſer— läufern nahe, unterſcheiden ſich jedoch in weſent— lichen Dingen, beſonders in der Lebensart. Der ſchlanke, weiche, gerade Schnakel iſt nur an der Spitze hart. Die Naſenfurche geht bis an die Spitze. Die Naſenlöcher ſind ritzförmig, durch eine weiche Haut verſchließbar. Die Füße mäßig ſtark, nicht ſehr hoch; zwiſchen der äußeren und mittleren Zehe eine faſt bis an das erſte Gelenk gehende Spann— haut; Krallen ſchmal und ſchwach. Flügel mittellang, ſpitz. Beim zuſammen— gelegten Flügel erreichen die hinteren Schwingen beinahe die Spitze der erſten ſichtbaren Schwung— feder, welche beinahe die längſte iſt. Der zwölffedrige Schwanz iſt faſt keil— förmig abgeſtuft. Das Gefieder iſt weich und doch feſtge— ſchloſſen, ändert auch, trotz der doppelten Mauſer, ſehr wenig ab. Auch die Jungen ſind den Alten ähnlich. In Europa iſt nur dieſe Art Brutvogel und allgemein verbreitet. Zwei nordamerikaniſche Arten ſind mehr— fach beobachtet. Dieſelben werden am Schluſſe erwähnt werden. Der Fluſsuferläufer kennzeichnet ſich 1. durch ſeinen Schwanz, deſſen äußerſte Fahne der erſten Federn ſtets ganz, die drei äußerſten an der Spitze weiß ſind; gewöhnlich iſt die ganze erſte Feder in der Grundfärbung weiß. 2. Die Unterſeite bis zur Bruſtmitte rein weiß, ohne jeg— liche Fleckung. Die ganze Oberſeite mit dem Schwanze it lichtgrünlich-olivenbraun, über den Schwanz ſchwarze Binden, auf der übrigen Oberſeite bei ſehr alten Vögeln Querbinden und Schaft— ſtreifen von ſchwarzer Farbe, die ſich flecken— artig an den Kreuzungspunkten erweitern. Am Hinterhalſe und Oberkopfe fehlen die Quer— binden und die Schaftſtreifen verbreitern ſich in bräunlichſchwarzer Färbung. Die hinterſten Schwingen zweiter Ordnung ſind meiſt weiß und die übrigen haben weiße Wurzeln und weiße Spitzen, die nach dem Vorderflügel zu nach und nach ſchmäler werden. Die Oberſeite des Flügels iſt rein weiß, am Rande mit ſchwar— zen Flecken. | Die Federn der Kopf- und der Hals— ſeiten ſind von der Rückenfärbung mit breiten weißlichen Rändern. Der Augenring und ein Streif über dem Auge ſind weiß oder weißlich. Durch das Auge bis zum Hinterhaupte ein olivenbrauner Streif. Die Färbung der Halsſeiten geht zum Vorderhalſe und der Bruſt allmählich in lichtere Färbung über, indem ſich lichte, allmäh— lich breiter werdende Federränder an der Mitte des Halſes und der Bruſt jo ausbreiten, dass nur der Federſchaft braun bleibt, die anderen Federtheile weiß oder weißlich werden. An den Bruſtſeiten zieht ſich die Rückenfärbung in Form eines dunklen Fleckes zuſammen. Der eben be— ſchriebene Vogel wurde am 28. Mai 1847 er— legt, ein Weibchen, aber ſo ſchön, wie ich nie ein Männchen geſehen. Die ganze Unterſeite erſcheint mit großen, eckigen, ſchwarzen Flecken bedeckt. Gewöhnliche alte Vögel haben auf der Oberſeite weit weniger ſtarke Fleckung, die auf dem Oberrücken oft faſt ganz fehlt, auf den Flügeln nur durch Querbänderung angedeutet iſt, während Vorderhals und Bruſt ſehr hell, auf weißlichem Grunde mit dunklen Schaft— ſtreifen erſcheinen, welche an der Kehle ganz fehlen. Im Jugendkleide iſt die Grundfärbung der Oberſeite graulichgrün angehaucht. Die Feder— ſpitzen, beſonders an den Deckfedern der Flügel find weiß-gelblich, darüber ein ſchmales dunkles Band; Vorderhals, Halsſeiten und Bruſt ſind weit mehr weiß, beſonders an der Mitte mit ſehr ſchmalen Schaftſtreifen von der Rückenfär— bung an den Seiten. Der dunkle Seitenfleck an der Bruſt iſt vorhanden oder fehlt individuell faſt ganz. Das Dunenkleid iſt an der ganzen Unter— ſeite rein weiß, oben hell bräunlichgrau mit ſchwarzen kleinen Flecken. Durch das Auge geht ein ſchwarzer Streif, ein ebenſolcher von der Stirn über die Kopfmitte, Hinterhals und die ganze Oberſeite. Dieſe Art, welche ganz Europa und Nord— aſien bewohnt, ändert nach der Localität nicht unweſentlich ab. Spaniſche Exemplare, zur Brutzeit durch Se. k. k. Hoheit Erzherzog Kron— prinz Rudolf erlegt, haben viel weniger Weiß im Flügel als deutſche, während Exemplare meiner Sammlung aus dem Amurlande, am 20. April erlegt, mehr Weiß haben. Eine Abgrenzung dieſer Formen iſt jedoch nicht möglich, indem überall individuelle Ver— ſchiedenheiten vorkommen. Bei der Bearbeitung dieſer Art lagen mir außer einer Anzahl deutſcher Vögel Exemplare aus dem Amurlande, Borneo, Java und Spa— nien vor. Die Körpergröße dieſes Vogels iſt etwas über der Lerche, doch erſcheint dieſelbe durch den langen Schwanz weſentlich größer. Maße. Flügelſpitze 10˙5— 11, Schwanz 52—5'4, Tarſus 25 em gewöhnlich, doch auch Umm länger oder kürzer, Schnabel 28, auch 2 mm länger oder kürzer. Die längſten Flügel haben die vom Amur. Die Färbung der nackten Theile ſind folgende: Augen braun, Schnabel bei den Alten röthlichgrau, an der Firſte ſchwarzgrau, an der Spitze ſchwarz, gewöhnlich an der Wurzel röth— lich angehaucht; bei den Jungen bleigrau, an der Spitze dunkel, an der Wurzel röthlich; Füße 24 Focaldiſtanz. — Föhn. bei Alten röthlichgrau, bei Jungen ſchmutzig— gelbgrün. Der Fluſsuferläufer hat eine ſehr weite Verbreitung. Er lebt als Brutvogel in ganz Europa und im nördlichen Aſien, ziemlich weit gegen Norden und geht im Winter ſehr weit gegen Süden, jo dass er dann in weit entlegenen Gegenden vorkommt. Zum Sommeraufenthalt liebt er die Ufer der Flüſſe und Bäche, weniger diejenigen der Landſeen und bevorzugt waldige Gegenden ſo— wohl in der Ebene, als in Bergen. Außer der Brutzeit findet man ihn an allen Gewäſſern. In ſeinen Aufenthalthaltsorten ähnelt er am meiſten dem Waldwaſſerläufer, doch liebt er nicht wie dieſer Waldmoore. Gern ſitzt er am Ufer auf einem etwas erhabenen Punkt, einem kleinen Hügel, einem kurzen Pfahl, einer hervorſtehenden Baumwurzel. Er läſst dann gewöhnlich die Flügel hängen, wippt mit dem erhobenen Schwanze, läuft eine kurze Strecke in raſchem Laufe zu einem anderen Punkte oder fliegt mit eigenthümlich wirbelnden Flügel— ſchlägen von einem erhabenen Punkte zum andern. Sein Neſt ſteht in der Nähe eines Fluſſes oder Baches und auch wohl immer auf feſtem Boden, bisweilen unter jungen Kiefernculturen, auf Holzſpänen u. dgl., 10, 20, 30 Schritte vom Waſſer entfernt. Die Eier wie bei allen Gattungsver— wandten, bei vollem Gelage ſtets vier an der Zahl, haben etwas mehr Glanz wie bei den Waſſerläufern, ſind dieſen ſonſt theilweiſe ſehr ähnlich, in der Grundfarbe jedoch gewöhnlich mehr gelblich. Gewöhnlich ſind die Eier des Waldwaſſerläufers feiner und dunkler gefleckt, diejenigen des Bruchwaſſerläufers mit dunkleren großen Flecken, die auch bei dieſem an der Baſis mehr oder weniger kranzartig vereinigt ſtehen, doch kommt die Färbung bei manchen ſich recht nahe. Die Eier des Bruchwaſſer— läufers haben keine gelbliche, ſondern eine grün— graulichweiße Grundfärbung und die des Wald— waſſerläufers ſind erheblich größer. Im allge— meinen ſind die Eier der Uferläufer mehr bauchig, die der Waſſerläufer mehr geſtreckt zugeſpitzt. Beſchreibung. Die Eier des Fluſsufer— läufers ſind auf gelblichweißem oder graugelb— lichweißem Grunde mit Flecken und Punkten von rothbrauner Färbung beſtreut, welche an der Baſis am dichteſten ſtehen; bisweilen zieht die Grundfärbung jedoch einen ſchwachen Ton ins Röthliche und die nur kleinen Flecken und Punkte ſind ſchwarzbraun. In beiden Zeich— nungen kommen auch matt bläulichaſchgraue Schalenflecken vor. Bisweilen iſt das ganze Ei mit ſehr kleinen Flecken und Punkten von ſchwarzbrauner oder röthlich-ſchwarzbrauner und grauer Färbung, ziemlich gleichmäßig gezeichnet. Maße der Eier: Längsachſe 35—3’7, Querachſe 25—27 cm. Gefleckter Uferläufer. Dreſſelufer— läufer, gefleckter Strandvogel, gefleckte Waſſer— amſel. Actitis macularia Temm. Man. d’Orn. II., p. 656. Naumann VIII, p. 34, T. 195, 10, die Fußwurzel 2˙2, der Schnabel 2˙4, der Schwanz 5’5 cm lang. In der ganzen Form iſt dieſe Art dem Fluſsuferläufer ſehr ähnlich, jedoch ein wenig ſchwächer. Die Färbung der nackten Theile iſt folgende: Schenkel unten und an den Rändern des Oberſchenkels röthlich, auf dem Fuß braun, an der Spitze dunkelbraun, Füße ſchmutzig fleiſchfarben, an den Gelenken gewöhnlich grünlich überlaufen; die Krallen ſchwarz; Iris dunkelbraun. Die Grundfärbung der Oberſeite iſt ein bräunliches Olivengrau mit ſchwarzer Zickzack— bänderung auf dem Rücken, ähnlich wie bei den alten Fluſsuferläufern. Oberkopf mit braunen Flecken an der Mitte der Federn. Die Hals— ſeiten bis zur Bruſtſeite zeigen die Rückenfär— bung ohne ſchwarze Strichelung. Dies dehnt ſich auch über die Kopfjeiten aus. Durch das Auge ein ſchwarzer, über dasſelbe ein weißer Streif. Die Färbung und Vertheilung der Farben im Flügel iſt weſentlich dieſelbe wie bei der vorigen Art. Der Schwanz hat die Rückenfär— bung; nur an den beiden mittleren Federn ohne ſchwarze Bänderung. Die erſte Seitenfeder jeder— ſeits meiſt weiß, ſchwarz gebändert, die Spitzen aller Federn weiß. Die Unterſeite iſt auf rein weißem Grunde, vor der Spitze jeder Feder mit einem rundlichen ſchwarzen Fleck gezeichnet, die Kehle ungefleckt. Dieſe Art lebt nur in Nordamerika, iſt jedoch vielfach in Europa als Waudervogel ge— funden. Im Venetianiſchen iſt er beſonders, öfter ſogar in kleinen Trupps beobachtet, ſoll auch in früherer Zeit in Heſſen verbreitet ge— weſen ſein. Ein Vorkommen für Deutſchland kann ich jedoch conſtatieren. Im Januar 1844 brachte ein Bauer aus der Umgegend, unter Beccaſ— ſinen einen jüngeren Vogel dieſer Art auf den Markt zu Aachen, wo Herr Alexander Nütten denſelben im Fleiſche kaufte und dem Verfaſſer zur Beſtimmung zuſendete. E. F. v. Hmr. Jocaldiſtanz (Brennweite), ſ. Linſen. Lr. Focus, ſ. Linſen. Lr. Jogoſch, j. Sander. Hde. Föhn bezeichnet urſprünglich die charakte— riſtiſchen Stürme am Nordfuß der Alpen, welche durch ihr plötzliches Auftreten und ihre hohe Temperatur, häufig oder meiſt verbunden mit großer Trockenheit der Luft, ſchon frühzeitig die Aufmerkſamkeit der Naturforſcher auf ſich zogen; bekannt war ſchon lange ihr regelmäßiges Er— ſcheinen, beſonders im Herbſt, Winter und Frü- ling, ſeltener im Sommer, und die Bedeutung, welche der Schweizer ihnen für das Schmelzen der ungeheuren Schneemaſſen zuſchrieb. Unter dem Hauch des Föhn ſollten dieſe trocken ver— ſchwinden, ohne irgend Überſchwemmungen zu verurſachen, alſo weſentlich verſchieden von den Folgen unſerer gewöhnlichen warmen Thau— winde. Der erſte Gedanke, welcher ſich für die Er— klärung bot, war, dieſe warme Luft aus der Sahara ſtammen zu laſſen, und dieſe Erklärung fand bald eine große Stütze durch die Geo— logie. Die Erkenntnis, daſs die Alpen früher Fig. 1—3. Etwas über Lerchengröße. Der Fittig viel tiefer herab vollſtändig mit Gletſchern be— Föhn. 25 deckt geweſen waren, und daſs die Grenze der Gletſcher allmählich in die Höhe gerückt ſein müſſe, ließ ſich nämlich durch jene Saharawind— theorie ſehr einfach zurechtlegen, ſobald an— genommen werden konnte, daſs die Winde von der Sahara her einſt eine andere Beſchaffenheit gehabt hatten. Schon Ritter hatte 1817 ange— deutet, daſfs die Sahara noch in verhältnis— mäßig ſehr neuer Zeit ein Meer geweſen ſein müſſe, eine Anſicht, welche eine geologiſche Er— forſchung der Sahara durch Deſor, Eſcher von der Linth und Martius 1863 in jeder Weiſe beſtätigen konnte. Es galt von da ab zunächſt als feſtſtehend, daſfs ehedem, wo die Sahara unter Waſſer lag, feuchte Winde viel Nieder— ſchlag nach den Alpen geführt hätten und hie— durch die Vergletſcherung begünſtigt worden ſei, während allmählich bei dem Trockenwerden der Sahara die zugeführten, trockenen, heißen Luftmaſſen die Gletſcher wieder zurücktreten ließen. Dieſer Anſicht von Deſor (berühmtes Werk „Über Sahara und Atlas“) ſchloſs ſich der be— rühmte Geologe Sir Charles Lyell an (1864) und ebenſo de la Rive (1865). Dove hatte gegen die Saharatheorie den Einwand erhoben, dajs Luftmaſſen, welche über der Sahara emporſteigen, nicht nach der Schweiz geführt werden, ſondern bei ihrem Vordringen nach Norden durch die Erddrehung mehr nach rechts abgelenkt werden und aus dieſem Grunde mehr Aſien als Europa treffen; er bezeichnet als die Wiege jener ſüdlichen Winde der Schweiz nicht die Sahara, ſondern Weſtindien, das feuchte Karaibiſche Meer. Hiemit in Übereinſtimmung waren auch die Föhnwinde nach ſeiner Anſicht feucht und von ſtarken Niederſchlägen begleitet (auf der Südſeite der Alpen fallen bei Föhn auf deren Nordſeite meiſt erhebliche Nieder— ſchläge und Dove ſcheint die Erſcheinung als Ganzes unter Föhn zuſammengefaſst zu haben. Vgl. Dove, Der Schweizer Föhn, 1868. p. 33). Bezüglich der Erwärmung der Atmoſphäre, welche die unter den Tropen ſich erhebende und in höheren Breiten herabſinkende Luft erzeugt, hatte Dove die Anſicht, daſs ſie dann erſt ein— tritt, „wenn der Waſſerdampf, welcher ſich über der tropiſchen Meeresfläche bildete, in nördlichen Gegenden in die Form des tropfbar Flüſſigen zurückkehrt und auf dieſe Weiſe die früher ge— bundene Wärme freimacht“. Er ſchließt: „Europa iſt der Condenſator für das karaibiſche Meer, nicht durch Luftheizung erwärmt, wofür Afrika die Rolle des Ofens übernähme.“ Für das Folgende bemerkenswert iſt der gleichzeitige Ausſpruch Doves: „Die Anden und Felſengebirge bewirken, daſs die Condenſation der Dämpfe des ſtillen Oceans nur dem ſchmalen Küſtenſtrich Amerikas jenſeits jener Gebirge zu— gute kommt.“ Von höchſter Bedeutung für unſere Anſicht über den Föhn war die Unterſuchung von Hann „Zur Frage über den Urſprung des Föhn, Oſterr. Met. Zeitſchr. 1866“, in welcher vor allem der Nachweis geführt wird, daſs aus einem Reiſewerk über Grönland von Rink (1854) hervorgeht, daſs Grönland ebenfalls einen Föhn habe. Die warme Luftſtrömung weht dort aus Oſt bis Südoſt an der ganzen Weſtküſte und fällt direct in die Fjorde ein. Die Beſchreibung dieſer Föhnerſcheinungen iſt ſo charakteriſtiſch, daſs es geſtattet ſein mag, die Worte Hanns zu citiren: „Ihr Herannahen verkündet der niedrigſte Barometerſtand und gleichzeitig zeigt ſich der Himmel ſchwach überzogen, beſonders von bläulichen, langen, ovalen Wolken, die außer— ordeutlich hoch ziehen und nie die Berggipfel erreichen, wie das Gewölk im Gefolge der an— deren Winde. Inzwiſchen ſind Meer und Luft noch ganz ruhig. Die Atmoſphäre wird im Winter wie im Sommer durch plötzliche Tem— peraturerhöhung ſehr drückend und zeigt eine ſeltene Durchſichtigkeit. Dann tritt der Sturm auf einmal ein, aber erſt auf den größeren Berghöhen; man ſieht den Schnee über das Hochland hinwirbeln und auf dem Fjordeiſe unter den ſteilen Abhängen kann man den Sturm oben ſauſen und brauſen hören, während es unten ganz windſtill iſt. Er weht ſehr un— beſtändig in Stößen, meiſt bringt er viel Regen, beſonders wenn er von kurzer Dauer, weht er aber mehrere Tage hindurch mit voller Stärke, ſo pflegt er die Luft aufzuklären und iſt dann außerordentlich trocken. Ohne daſs ein Tropfen rinnendes Waſſer zum Vorſchein käme, ſieht man den Schnee dünner werden und verſchwin— den. Er erhöht die Temperatur im Winter oft um 20 R., durchſchnittlich im Herbſt und Frühling um IR, im Winter um 1O—15 R. über die betreffende Mitteltemperatur.“ Da für den Föhn in Grönland ein er— wärmtes Feſtland als Urſache nicht angenommen werden könne, fällt nach Hann auch für den Schweizer Föhn die Nothwendigkeit einer ſolchen Annahme fort. Hann erklärte damals den Föhn noch als den „Paſſat, der über dem Gebirge herabkommend, locale Eigenthümlichkeiten an— nimmt“. Die hohe Temperatur erklärt Hann durch die Temperaturſteigerung, welche die Luft bei ihrer Compreſſion während des Herab— kommens nach den Geſetzen der mechaniſchen Wärmetheorie, ſpeciell dem mit dieſer in Über— einſtimmung ſtehenden Geſetze von Poiſſon, erfährt; durch dieſe Temperaturſteigerung erkläre ſich auch die Abnahme der relativen Feuchtigkeit; wäre die Luft auch in der Höhe mit Waſſer— dämpfen geſättigt geweſen, ſo müſſe ſie re— lativ trocken, weil wärmer, unten ankommen. Es wird ferner auf den Unterſchied der Tem— peraturänderungen aufmerkſam gemacht, je nach— dem die in der Verticalen bewegte Luftmaſſe trocken oder feucht iſt. Wird eine feuchte Luft— maſſe auf der einen Seite eines Gebirges em— porgehoben, ſo kühlt ſie ſich dabei weniger ab, als eine trockene, wegen der bei der Conden— ſation der Waſſerdämpfe freiwerdenden Wärme; wird dieſelbe gehobene Luftmaſſe, nachdem ſie ſoviel Waſſer verloren, daſs ſie bei der nied— rigſten Temperatur in der Höhe gerade ge— ſättigt iſt, auf der anderen Seite des Gebirges wieder herabgepreſst, ſo erwärmt ſie ſich nun viel ſchneller und gelangt ſomit wärmer herab, als ſie in gleichem Niveau beim Aufſtieg. Die Abkühlung eines feuchten Luftſtromes, der bis zur Höhe der Berner Alpen aufſteigt, be— rechnet Haun zu 16 R., dagegen die eines 26 trockenen zu 25 R.; es würde demnach die Luft um 9 R. wärmer am Nordfuß anlangen, als ihre Temperatur am Südfuß betrug. Dieſe Steigerung von Temperatur und Ab— nahme der relativen Feuchtigkeit müſſen na— türlich abhängig ſein von dem Maße der Be— rührung und Miſchung mit der kälteren benach— barten und verdrängten Luft und der Berührung mit der kälteren Bodenoberfläche bei dem Herab— ſteigen; die Anderungen müſſen in der Mitte der herabſteigenden Luftmaſſen am bedeutendſten ſein. „Übrigens mujs der feuchte Südweſt auch beim Überſteigen der Alpen an deren Südab— hängen einen großen Theil ſeines Waſſerdampfes durch Niederſchläge verlieren. Es iſt daher wohl möglich, daſs der Südweſt als Föhn bald local ſehr trocken, bald wieder als feucht erſcheint.“ Über die Natur des Föhn in Grönland lieferte ſpäter ein Vortrag von Hoffmeyer, ge— ſtützt auf 20jährige Beobachtungen von Dr. Pfaff in Jakobshavn, intereſſante weitere Belege (vgl. Oſterr. Met. Zeitſchr. 1878); das Vorkommen dieſer Stürme bringt es mit ſich, daſs die Mitteltemperatur des Februar in verſchiedenen Jahren zwiſchen — 31.6 C. und — 87°C. ſchwankte; innerhalb 24 Stunden wurde dreimal durch den Föhn eine Temperaturſteigerung von mehr als 25° C. herbeigeführt. Damit der Sturm zuſtande kommt, fand Hoffmeyer hohen Luftdruck über Island und wiederum höheren Druck zu Jakobshavn als zu Ivyiktut er— forderlich. Den Anſichten Hanns ſchloſs ſich im weſent— lichen Mühry an in ſeiner Abhandlung „Über den Föhnwind“ (Oeſt. Met. Zeitſchr. 1867), welcher an der Hand der ſeit 1864 in der Schweiz eingerichteten meteorologiſchen Sta— tionen und ihrer Aufzeichnungen das Haupt- föhngebiet der Schweiz in folgender Weiſe ab— grenzt: „Ein Föhngebiet iſt anzunehmen an der Nordoſtſeite des Centralzuges der Alpen, etwa des St. Gotthard und des Tödi, hier wird es umſchrieben von einem Halbkreis, welcher un— gefähr verläuft, freilich mit ſchwankenden Gren— zen, von Brienz über Luzern, Zug, Glarus und Chur, begreifend namentlich das Reußthal, das Linththal und das Rheinthal, jedoch zeit— weiſe auch weiterhin ſich ausdehnend.“ Zunächſt drehte ſich der Streit bezüglich des Föhn beſonders um die Frage, ob der Föhn trocken oder feucht ſei. Hann wies 1867 („Der Föhn in den öſter— reichiſchen Alpen“, [Oſterr. Met. 1867) an der Hand der Beobachtungen zu Bludenz nach, dajs die relative Trockenheit und übermäßig hohe Wärme des Luftſtromes nur auf kurze Entfernungen hervortreten, während hohe Temperaturen noch weiterhin bemerkbar bleiben. Für die Zeit des Föhn fand er auf der Südſeite ſtets hohen Luftdruck und niedrige Zeitſchr. Temperatur, und für die Nordſeite ergab ſich, daſs trotz der hie und da auftretenden hohen relativen Trockenheit die Niederſchläge ſich auch häufig auf die Nordſchweiz erſtrecken und nicht allein auf die Südſeite der Alpen beſchränkt bleiben. Dove glaubte in „Eiszeit, Föhn und Sci— rocco“ 1867 den ſtrengen Nachweis dafür zu Föhn. liefern, dafs der Föhn ein feuchter Wind ſei, läſst allerdings auch die Möglichkeit von aus— nahmsweiſe trockenen Föhnen zu, „wo nach den von Ebel geſammelten Notizen ein urſprünglich feucht ankommender Föhn ſeinen Waſſerdampf an der Südſeite des Gebirges ſo ſtark ver— dichtet, daſs er, durch Herabſinken wärmer wer— on auf der Nordſeite trocken erſcheint“ (p. 86). Die Beobachtungen anderweitiger Föhn— erſcheinungen konnten bei der regen Betheili— gung der Meteorologen an der aufgeworfenen wichtigen Frage nicht ausbleiben; ſo gelangten u. a. zunächſt die Föhnſtürme am Abſturz des Elbrusgebirges zur kaſpiſchen Senkung, der Föhn in Hermanſtadt, welcher durch die Trans— ſilvaniſchen Alpen im Rothenthurmer Paſs her— vorbricht, und ein Föhn auf der Oſtſeite der Südalpen Neuſeelands, welcher als trockener, warmer Nordweſt vom Gebirge herkommt, wäh— rend er auf der anderen Seite als feuchter Nordweſt zuſtrömt, zur ſicheren Kenntnis. In der berühmten Unterſuchung „Recher- ches sur le Foehn du 23. Sept. 1866 en Suisse“ gab Dufour 1868 (vgl. Oſterr. Met. Zeitſchr. 1868) eine treffliche Darſtellung dieſes Föhnſturmes in Anlehnung an die dabei in ganz Europa ſtattfindende Wetterlage. Aus jenem Referat erſehen wir, daſs am 23. bei einem tiefen barometriſchen Minimum in Nordweſt— europa mit ſtarken Gradienten nach Südoſt, nördlich von den Alpen hohe negative, ſüdlich dagen poſitive Anomalien des Luftdruckes herrſchten; auch in Algier lag eine Depreſſion. In Nord-, Nordweſt- und Mitteleuropa herrſch— ten heftige Südweſtwinde, in der Schweiz Süd— weſt⸗, Süd- und Südoſtwinde, aber der Wolken— zug zeigte Südweſt als obere Strömung an; in Italien dagegen waren die Winde ſchwach und veränderlich. Temperaturzunahme von 6—8° C. trat über einem großen Theil der Nordſchweiz ein, eine geringere ward über ganz Centraleuropa fühlbar, gegen Nordweſten abnehmend. Auf der Südſeite waren die Temperaturveränderungen geringer oder ſelbſt entgegengeſetzt. Der Föhn war trocken, beſonders im Nordoſten der Schweiz. Starke Regengüſſe fanden dagegen in Nordweſt- und Südweſteuropa, ſowie auf der Südſeite der Alpen ſtatt. Während auf der Südſeite verheerende Waſſerläufe herabſtürzten, blieben die Rinnſale auf der Nordſeite trocken. Als Beweis für die Richtigkeit der Hann— ſchen Erklärung forderte Dufour das Auftreten von Nordföhn auf der Südſeite der Alpen. Den Nachweis ſolcher Nordföhne lieferte wohl zuerſt Wild 1868 in ſeiner Rectoratsrede „Über Föhn und Eiszeit“, indem er für Chiavenna die Exiſtenz eines trockenen Nord— oſtwindes nachwies, bei geringer Temperatur- änderung und ſteigendem Barometer; für die Jahre 1863-1866 conſtatierte Wild in ſechs Fällen ſolchen Nordföhn, welche bei warmen, heftigen Weſt- und Nordweſtſtürmen auf der Nordſeite der Alpen eintraten. Bezüglich der Südföhne betonte Wild, daſs die Trockenheit nicht lange andaure, die Luft ſich bald ſättige und in den Höhen überhaupt nicht trocken ſcheine, nach der Bildung von Föhn. Cirren und Cirro-cumuli („Föhngewölk“) zu ſchließen, welche bei Föhn meiſt auftreten. Seine Unterſuchung ergibt für die Witterung auf dem Jura und im Flachland, während der Föhn in den Thälen der Alpen tobt, ein ſehr wechſelndes Verhalten; meiſt herrſchen feuchte Südweſt— winde oder dieſe kämpfen mit Nordoſtwinden; auf der Südſeite wurden ſtets gleichzeitig Nieder— ſchläge beobachtet. Auf die mit eingeſtreuten Angriffe ant— wortete Dove durch eine Ergänzungsſchrift „Der Schweizer Föhn,“ 1868, aus welcher ſein früherer Standpunkt klarer hervortritt. Dove wiederholt, daſs nach feiner Anſicht gewöhnlich feuchte Aquatorialſtröme nach der Schweiz gelangen, in Ausnahmsfällen jedoch auch Wüſtenwinde, und fährt fort, daſs, wenn zu dieſen noch die von ihm Leſte-Seirocco (jo genannt nach dem in Madeira „Leſte“ genannten Wüſten— winde; unter ALejte- Scirocco verſteht Dove Stürme, die durch ein plötzliches Verdrängen polarer Stürme durch äquatoriale entſtehen und durch raſchen Wechſel von trocken und naß aus— gezeichnet ſein ſollen) genannten und ferner die Winde hinzukämen, welche „vorzüglich in der Oſt— ſchweiz, durch Überſteigen des Gebirges auf kurze Zeit local trocken geworden“, auftreten, und alle Temperatur-Abnahme mit der Höhe bei 27 mit dem Namen Föhn bezeichnet werden, ſo müſſe eine große Verwirrung entſtehen. „Wenn es vorgezogen wird, nur den in Schweiz bei dem Herabſinken trocken gewordenen Wind Föhn zu nennen, ſo ſinkt das ganze zu der bedeutungs— loſen Rolle ſog. Wetterſcheiden herab. Man be— greift dann in der That nicht, wie überhaupt in allgemeinen wiſſenſchaftlichen Betrachtungen hat können von ihm die Rede ſein.“ Im Wider— ſpruche gegen dieſe allgemeine Bezeichnung will Dove die Bezeichnung auch für den von Wild entdeckten Nordföhn nicht gelten laſſen. Einer weiteren eingehenden Beobachtung unterwarf Hann, geſtützt auf Unterſuchungen von B. Dürer, die Nordföhne der Südalpen in einer Abhandlung („Der Scirocco der Süd— alpen,“ Oſterr. Met. Zeitſchr., 1868). Die Stürme, meiſt aus Norden hereinbrechend, traten gewöhn— lich bei ſteigendem Barometer auf, blieben aber meiſt auf engen Umkreis beſchränkt; bei ihrem Vorherrſchen in Lugano fehlten dieſelben ſchon in Mailand. Beſonders lehrreich ſind die Tem— peraturabnahmen mit der Höhe, welche Hann für zwei Föhnſtürme und zwei Sciroccoſtürme (eigentlich Nordföhn) berechnete und deren Mittelzahlen hier Platz finden mögen. — — — üdföhn und Nordföhn. Höhen- Differenz in Meter Im Mittel (12. und 13. Decem- Wind⸗ oder Regenſeite Lee- oder Föhnſeite Tempe= | Tempe= | ze | Tempe- | Tempe- ratur⸗ ratur⸗ 7 0 ratur⸗ ratur⸗ Differenz Abnahme]; 1 0 Differenz Abnahme C pro 100 mf * eker C pro 100m ber 1863 [Nordföhn]) .. ... . 1368 4˙3 0:32 1410 147 1:08 Im Mittel (15. December 1864 : Tf)JCJCC ER 1350 6˙9 0•44 1403 10˙3 0:75 Im Mittel (9. November 1867 i r 1368 7 5 0˙64 1695 17˙6 104 Im Mittel (15. und 16. Novem— ber 1867 (Südföhnj 1695 8˙8 052 1368 14˙6 1-12 lgemeines: Mittel 2....3...... 1495 6˙8 0˙48 1469 14˙3 1:00 „Im Mittel der vier Fälle beträgt die Wärmeabnahme nahe für 100 m Erhebung an der Windſeite des Gebirges 0˙48 C., an der Föhnſeite erreicht ſie 1.00 C., iſt ſomit doppelt ſo raſch.“ Ein Unterſchied in der Er— ſcheinung zwiſchen Nord- und Südföhn beſteht in dieſer Beziehung alſo nicht. Die Theorie des Föhns legte zum Zu— ſtandekommen des Föhn, wie wir geſehen haben, ein großes Gewicht auf das Emporſteigen der Luftmaſſen auf der dem Auftreten des Föhn abgewandten Seite des Gebirges. Der weitere Ausbau der Theorie ließ zunächſt an der Hand der ſynoptiſchen Karten jene Bedingung als nicht immer erforderlich erkennen. 1873 zeigte Billwiller in ſeiner Studie „Über ein locales Auftreten des Nordföhns, Oſt. Met. Zeitſchr., X. Bd.“, daſs es Fälle gibt, wo von einem Aufſteigen des Windes auf der einen Seite der Alpen nichts zu bemerken iſt, ſondern der Föhn nur als ein Abfließen der langſam aufgeſtauten Atmoſphäre in die Thäler der anderen Seite, wo die Luft weniger verdichtet iſt, ſich bemerkbar macht, wo der Föhn nur als Folge eines bedeutenden Dich— tigkeitsgradienten auftritt. Dieſes Aufſtauen der Luft und die dadurch hervorgerufenen Druck— unterſchiede hatte Dove ſchon 1828 in dem Aufſatz „Über barom. Minima, Pogg. Ann. 13“ für die Südföhne hervorgehoben und dabei be— ſonders betont, daſs dieſe Druckunterſchiede mit der Tiefe zunehmen und deshalb die Luft mit der größten Heftigkeit dort vordringen werde, wo ſich Spalten im Gebirge finden. Einen erheblichen Fortſchritt machte die Theorie durch die Unterſuchung von Hann „Der Föhn in Bludenz, Sitzungsbericht der Wiener Akad. 1882, auch Oſt. Zeitſchr. 1882“, welche ſich auf eine treffliche ſorgfältige Beob— achtungsreihe aus den Jahren 1836 — 1873 des Baron von Sternbach ſtützt. Die Lage von Bludenz im Illthal, welches gegen Südoſten durch die Sylvrettagruppe, im Weſten und Süd— weſten durch die Rhäticonkette derartig abge— 28 Föhn. ſchloſſen iſt, daßs die Süd- und Südoſtwinde aus einer relativen Höhe von mindeſtens 2000 m herabkommen, iſt für das Auftreten von Föhnſtürmen eine beſonders günſtige. Auch diesmal ſtellte ſich heraus, daſs die abnorm hohe Temperatur und die Trockenheit nur in Bludenz beobachtet werden, dagegen im Süden wie im Norden in einiger Entfernung von dem Alpenkamm fehlen, dajs dieſe Erſcheinungen ſomit als locale Phänomene aufzufaſſen ſind. Unter Berückſichtigung der Beobachtungen an den ſchweizeriſchen Stationen berechnet Hann für zwei beſonders ausgeprägte Föhn— perioden (31. Januar bis 1. Februar 1869 und ., 4., 7.—9. Januar 1877) Temperaturab— nahmen, welche ſich durch folgende Gleichungen darſtellen laſſen: Südſeite tu 44° — O34, Nordſeite tn = 167° — 0˙9 25, Südſeite tu 7˙4 — 0˙46n, Nordſeite tu = 17˙9 — 0˙95a wo die Höhe h in der Formel nach 100 m fortſchreitet. „Die Wärmeabnahme iſt auf der Südſeite ſomit im Mittel 0˙4 per 100 m, auf der Nordſeite 0-945; letzteres iſt faſt genau das theoretiſche Maß der Wärmezunahme in einem herabſinkenden Luftſtrom.“ Aus beiden Formeln ergibt ſich im Mittel als Temperaturdifferenz im Meeresniveau für beide Föhnſtürme 11˙42 und Hann ſchließt weiter: „Nimmt man die durchſchnittliche Wärmeabnahme mit der Höhe im Winter zu 0˙45 (wie dies auf der Süd— ſeite jo ziemlich der Fall war) und berückſichtigt, daſs dieſelbe in einem herabſinkenden Luft— ſtrom um 0˙97 — 0˙43˙ 52“ größer iſt, jo genügt es, dass der Luftſtrom aus einer relativen Höhe von 2200 m kommt, um den Wärmeunterſchied von 11˙4 hervorzubringen.“ Es iſt, wie Hann hervorhebt, alſo nicht er— forderlich, daſs die Luft auf der anderen Seite des Gebirges emporgepreſst worden ſei, um auf der anderen Seite den Föhn hervorzurufen, ſondern es genügt ſchon jene langſame Abnahme der Temperatur, welche im Winter mit der Höhe ſtattfindet, in Verbindung mit der ſchnellen Temperaturzunahme beim Herabkommen. „Es erklärt ſich daraus auch, daſs der Föhn im Sommer keine ſo große Temperaturſteigerung hervorbringen kann als im Winter, denn während in letzter Jahreszeit die herabſinkende Luftmaſſe für je 100 meine relative Temperatur— zunahme von 099° — 045° erhält, beträgt, dieſelbe im Sommer nur 0˙90 — 0˙70 = 029°, das iſt faſt die Hälfte. Desgleichen iſt dieſer Temperaturzuwachs im Herbſt größer als im Frühling und Sommer.“ „Das Motiv der Föhnſtürme liegt alſo nicht jenſeits, ſondern diesſeits auf der Nord— ſeite (bei Südföhn) und es beſteht in dem Auf— treten tiefer Barometerminima auf irgend einem Theile der Strecke zwiſchen der Bay von Bis— faya und Nordſchottland. Dieſe Barometer— minima ziehen zunächſt die Luft über Frank— reich und Mitteleuropa in den Wirbelſturm hinein und ſpäter auch die Luft über den Niede— rungen der Nordſchweiz und der Alpenthäler. Ill nach Norden und Nordweſten hin abfließt, ſtürzt ſich die Luft von den Alpenkämmen in die Thäler hinab, erwärmt ſich dabei und bildet den Föhn.“ Die Föhnluft kommt im Anfang gar nicht von Süden her, es iſt die Luft über den Alpenkämmen ſelbſt. „Im weiteren Verlauf werden dann allerdings auch die tieferen Luftſchichten auf der Südſeite in die Bewegung hineingezogen, die Luft auf der Südſeite ſteigt dann auf und es tritt Conden— ſation des Waſſerdampfes ein. Der Regenfall auf der Südſeite der Alpen wird im Allge— meinen dem Auftreten des Föhn erſt nach— folgen, nicht vorangehen.“ Auf der Nordſeite der Alpen braucht gleichzeitig kein Süd- oder Südweſtſturm zu herrſchen, wenn der Föhn— ſturm in den inneren Alpenthälern herrſcht, aber es müſſen Luftdruckunterſchiede vorhanden ſein; es muſs der Druck nach Nordweſten oder Norden abnehmen und jo die Luft zum Ab— fließen aus den Thälern zwingen. Hienach iſt in den meiſten Fällen der Föhnſturm keineswegs als eine local ver— änderte Fortſetzung eines herrſchenden Luft— ſtromes aufzufaſſen, ſondern er ſtellt uns den Vor⸗ gang des Ausgleiches der Druckverhältniſſe im Norden und Süden der Alpen dar. Bei Beſprechung dieſer Unterſuchung Hann's zeigt Köppen (Oſt. Met. Zeitſchr. 1882, p. 467), wie ſich der Föhn, die gewöhnlichen Gebirgs— winde und die Bora, ein kalter ſtürmiſcher Wind, der aus Norden am Südfuß der Alpen bisweilen beobachtet wird, unter demſelben Ge— ſichtspunkt zuſammenfaſſen laſſen. Sei a ein Punkt auf dem Kamm und b einer am Fuß des Gebirges, deren Höhendifferenz n X 100 m, jo wird die Luft, die von a nach b hinabſteigt, ſich um nN 1˙02 erwärmen und dabei vom Sättigungspunkt ſich entfernen, wenn die Be— wegung raſch vor ſich geht. „Die Temperatur, mit welcher die Luft in b ankommt, iſt nun nur noch abhängig von der Temperatur der Luft in a; beträgt der Unterſchied der Temperatur nur etwa n X 32, entſprechend der Tempe— raturabnahme im Winter, ſo gelangt die Luft am Fuß mit nN (10 — 0˙5 n N 05° Temperaturüberſchuß über die vorher in b ſtattfindende Temperatur an, wir haben den Föhn.“ Iſt die Luft in a kälter und beträgt der Unterſchied gegen b mehr als n X 4. m, ſo kommt die Luft in b kälter an als die hier vorhandene; „die Trockenheit wird wegen theil— weiſer Miſchung mit der umgebenden warmen Luft weniger ausgeprägt ſein“. So entſteht die Bora. Beträgt der Unterſchied der Temperatur in b und a zwiſchen nX 05 und n 10°, . jo entſtehen die gewöhnlichen Gebirgswinde. Aus verſchiedenen Urſachen werden Zwiſchen— formen und Modificationen mannigfacher Art auch bisweilen auftreten müſſen. Die eben genannte Unterſuchung Hann's bezeichnet den Schlußſtein in dem Aufbau der Theorie des Föhns, und es wird ſich jetzt im Weſentlichen nur noch darum handeln, an der Hand der meteorologiſchen Aufzeichnungen dieſes großartige Phänomen überall eingehend zu ſtudieren und ſeine Verbreitung auf der Erde Indem aber die Luft aus den Alpenthälern [genau feſtzuſtellen. Föhre. — Föhrenkreuzſchnabel. 29 Außer den bereits aufgeführten Heim— ſtätten von Föhnerſcheinungen ergaben weitere Unterſuchungen unter anderem noch einen Föhn in Modena, der ſenkrecht von den Apenninen weht, einen Südföhn in Trapezunt und einen Föhn in Nordſibirien zu Niſchne-Kolymsk, deſſen Wehen nach den Schilderungen des Admiral von Wrangell die Temperatur einmal von — 30° auf + 5 erhoben hat; der Sturm hält dort ſelten mehr als 24 Stunden an und tritt beſonders im Herbſt und Winter ein. Je— doch ſteht zu erwarten, daſs ausgedehntere Beobachtungen ein ziemlich allgemeines Vor— kommen des Föhns am Fuße hoher Gebirgs— mauern werden feſtſtellen laſſen. Nachdem wir vorſtehend zugleich mit dem Weſen und der Theorie des Föhns ihre ge— ſchichtliche Entwicklung kennen gelernt haben (vgl. Hann: „Einige Bemerkungen zur Ent— wicklungsgeſchichte der Anſichten über den Ur— ſprung des Föhn“, Met. Zeitſchr. 1885), er— übrigt es nur noch der Vollſtändigkeit halber, einige Vorläufer dieſer Theorie kennen zu lernen, wobei es ſich um mehr oder minder klar ausgeſprochene Anſichten theils über die in Betracht kommenden phyſikaliſchen Vorgänge im allgemeinen, theils direct in Beziehung auf den Föhn handelt. Hann erwähnt den Schweizer Meteorologen Ebel, welcher zu Anfang dieſes Jahrhunderts auf der richtigen Fährte zur Föhntheorie war; in Dove's Schrift „Über Eiszeit, Föhn und Scirocco“ findet ſich dieſen Meteorologen be— treffend die Stelle: „Die Bemerkung, dafs der Alpenkamm oft eine Scheidewand der Witterung ſei, führte ihn dazu, die Alpen als Erzeuger des Föhn anzuſehen; ſeine hohe Temperatur rühre von dem vielen durch das Tropfbarwerden der Dünſte entbundenen Wärmeſtoff her.“ Ferner erwähnt Hann das berühmte Werk von Espy „Phylosophy of storms“ 1841, in wel— chem die Sätze über die Temperaturabnahme in aufſteigenden Luftſtrömen infolge der Expan— ſion, die Verzögerung dieſer Temperaturab— nahme in feuchten aufſteigenden Luftſtrömen infolge der Condenſation, die Erwärmung herabſinkender Luftmaſſen durch die dabei ſtatt— findende Compreſſion bereits gelehrt worden ſind. Beſonders wichtig ſind die von Hann citierten Stellen: „J inferred from the great rains in the West of the Rocky mountains that, in consequence of the great quantity of latent caloric evelved by the condensation of vapour and carried over the mountains by the air, it was probable that the mean tem- perature near the mountains on the east side would be found to bi abnormally great and such it has been found to be. The theory also would indicate that during the great rains that take place north of the head of the Golf of Venice, and south of the Carnie Alps, there would be felt on the north slope of these Alps a very hot, dry wind, such as the sirueco is described to be.“ Wenn auch Espy die Vorſtellung der Er- wärmung durch Compreſſion beim Abſtieg be— ſeſſen hat, ſo ſcheint er hienach doch das Auf— treten warmer Luſt auf der Leeſeite mehr als durch die mechaniſche Mitführung der auf der anderen Seite durch Condenſation freigewor— denen Wärme verurſacht aufgefajst zu haben, wohl ebenſo wie Ebel. Wir haben geſehen, daſss dieſe höhere Wärme auf dem Kamm des Ge— birges in Verbindung mit der Erwärmung durch Compreſſion die wahre Löſung des Pro— blems enthalte. Auf die Bedeutung der Expanſion und Compreſſion der Luft bei den Föhnerſchei— nungen wies wohl zuerſt Helmholtz ausdrück— lich hin in einem ſeiner populären Vorträge „Eis und Gletſcher, 1865“; aber jedenfalls lag es dieſem berühmten Phyſiker fern, bei dieſer Gelegenheit die Theorie des Föhn entwickeln zu wollen, und ſo blieb dieſer Ausſpruch, welcher nebenher in einem populären Vortrage gefallen war, unbeachtet. Jedenfalls gebührt dem be— rühmten öſterreichiſchen Meteorologen Hann das Verdienſt, ganz unabhängig von den genannten Vorläufern, eine Theorie des Föhn geſchaffen und derſelben zu allgemeiner Anerkennung ver— holfen zu haben. Wir können die in vieler Beziehung lehr— reiche und charakteriſtiſche Entwicklungsgeſchichte der Föhntheorie nicht beſſer ſchließen, als mit den Worten Hanns: Es dürfte hervorgehen, „daſs es bei der Aufſtellung der Föhntheorie ganz ähnlich zugegangen iſt, wie bei der Auf— findung der wahren Urſachen der meiſten Natur— erſcheinungen. Die richtigen Ideen waren lange ſchon vorhanden bei verſchiedenen Naturforſchern, ſie konnten aber nicht zur allgemeinen Geltung und Anerkennung gelangen, bis nicht der allge— meine Fortſchritt der betreffenden Disciplin jo weit gediehen war, daſs dieſe Ideen einen fruchtbaren Boden zur Weiterentwicklung finden konnten, und bis nicht die Kenntnis der That— ſachen ſelbſt, d. i. die auf das Phänomen be— züglichen Beobachtungen zahlreich und gründ— lich genug waren, um die Theorie an denſelben jo eingehend zu prüfen, daſs alle anderen Hypo— theſen ausgeſchloſſen werden konnten, und die als Ausfluſs der Theorie vorhergeſagten Er— ſcheinungen in der That an der beſtimmten Ortlichkeit und in der angezeigten Weiſe vor— gefunden waren“ (Met. Zeitſchr. 1885, 9 n. Hößre, j. Pinus und Kiefer. Wm. Föhrenbäume, Entrindung derſelben ohne Bewilligung der politiſchen Behörde (vidiert vom Gemeindevorſtand) iſt nach dem Geſetze vom 19. Fe— bruar 1873, R. G. Bl. Nr. 20, in Dalmatien ver- boten und die Übertretung dieſes Verbotes ein Forſtfrevel (Arreſt bis zu 14 Tagen oder Geld— ſtrafe bis zu 50 fl.), wenn das Strafgeſetz nicht Anwendung findet. Transportierte oder zum Verkauf gebrachte Föhrenrinden müſſen von einem Certificat begleitet ſein, widrigens die— ſelben ſammt etwaigen Gewinnungswerkzeugen in Beſchlag genommen und zu gunſten des Armenfonds des Thatortes veräußert werden. Wachorgane (mit Ausnahme der Forſthüter) er- halten ein Drittel dieſes Erlöſes, wenn die Be— ſchlagnahme im Walde erfolgte, ſonſt ee 15 Jöhrenkreuzſchnabel, Loxiapityopsit- ta cus, Bechst, Loxia curvirostra var. J, Gmelin, 30 Föhrenkreuzſchnabel. Syst, Nat. I. p. 843 (1788); Loxia pityopsittacus Bechstein, Orn. Taſchenbuch, p. 106 (1802); Crucirostra pinetorum, Meyer, Vögel Liv- und Eſthlands, p. 71 (1815); Crueirostra pityo- psittacus, Brehm, Vögel Europas, p. 241 (1831): Crucirostra subpityopsittacus, idem, ibidem. p. 242 (1831); Crucicostra brachy- e Brehm, Naumannia 1853, p. 185; Crucirostra pseudopityopsittacus, idem, ibidem p. 185: Crucirostra intercedens, idem, ibidem p. 187; Crueirostra major, idem, ibidem 1855, p. 275; Loxia curvirostra, var. pityopsittacus, Seebohm, Hist. of brit. Birds, II., p. 31 (1884). Abbildungen: Vögel Deutſchl., Birds of Europe, 1. Vogel: Naumann, T. 109, Fig. 1—3; Dreſſer vol. IV, T. 15, Fig. 1—3. 2. Eier: Thienemann, Abbildungen von Vogeleiern, Tab. XXXVI, Fig. 17, a. b; Bä⸗ decker, Die Eier der europäiſchen Vögel, T. 76, Nr. 12; Seebohm A., History of brit. Birds, II 742. Großer oder wälſcher Kreuzſchnabel, kurz— ſchnäbeliger Kreuzſchnabel, Roſskrinitz, Krumm— ſchnabel, großſchnäbeliger oder ſcherenſchnäbeliger Kernbeißer, Kiefernpapagei, Tannenpapagei. Böhm.: Kiivka obecnä; engl.: Parrot crosstbil; dän.: Stor Korsnaeb: finn.: Iso Käpylintu: frz.: Bec-croise Perri oquet; ital.: Crociere delle pinete, Crosnobel grande, Cros- nobol, Ciöccher, Bekstort gross; kroat.: Kri- vokljun borikas: norweg.: Furukorsnaeb; poln.: Kryzodziob papuzka, Kryzodziob sosnowy; ruſſ.: Klest sosnowik; ſchwed.: Större Kors- näbb; ungar.: Kajdacsorru Keresztesör. Der Föhrenkreuzſchnabel, der von einigen Autoren, ſo namentlich von denjenigen, die ſich ſpeciell mit dem Studium der Vogeleier befaſst haben, wie Thienemann und Seebohm, nur als eine größere Varietät des gewöhnlichen Kreuz— ſchnabels aufgefasst iſt, den wir aber als ſelb— ſtändige Art aufrecht erhalten, iſt ein haupt— ſächlich nordeuropäiſcher Vogel, der öſtlich nicht über den Ural hinausgeht und am häufigſten in Skandinavien brütet, auf ſeinen Wande— rungen weſtlich bis England und Frankreich, ſüdlich bis zum Mittelmeer und Südruſßs— land geht. Totallänge.. .. „. 197 em Flügellänge 104 „ Schwanzlänge. .... 72 4 Tau, 20 75 Schnabelfirſte... .. Schnabelhöhe (ſenkrecht über 7 Mitte des Unterſchnabels) = 1˙5 em. (& 8. November 1881. Anclam. Sammlung Tanere.) Der Schnabel iſt ſehr kräftig und breit an der Baſis, ſehr kurz gebogen, die Firſt in einem Quadranten, die Spitze des Unterſchnabels kaum über die Schneide des Oberſchnabels hinauf— ragend. Die Flügel ſind lang und ziemlich ſpitz, die 1., 2. und 3. Schwinge bilden die Flügel— ſpitze und ſind auf der Außenfahne bogenförmig eingeföinärt fie ragen bis ungefähr zur Mitte des Schwanzes bis zu der Spitze der oberen kleinen Deckfedern. Der Schwanz iſt mittellang, keilfüörmig ausgeſchnitten, die äußeren Federn ca. 9 mm länger als die beiden mittelſten. Die Läufe ſind kurz und kräftig, vorne ge— täfelt. Altes Männchen. Oberſeite: Kopf, Nacken, Rücken und Bürzel ſchön weinroth, auf dem Bürzel am hellſten, auf dem Rücken am dun⸗ kelſten. Schwungfedern braun mit hellen, ſehr ſchmalen Rändern, die großen oberen Deckfedern ebenſo, wie die kleinen auch braun mit dunkel— weinrothem Anfluge. Unterſeite auch weinroth bis zum Bauche hinab, dieſer grauweißlich. Schwanzfedern von oben braun mit hellen, ſchma— len Seitenſäumen, wie die Schwungfedern, untere Schwanzdeckfedern grau mit dunkelbraunem Schaftfleck nahe der Spitze und röthlichem Anfluge der Ränder, Schwanz- und Schwung— federn von unten heller braungrau, die unteren kleinen Deckfedern am Buge mit ſchwachem röth— lichem Anfluge. Altes Weibchen, jüngere Männchen und jüngere Weibchen ſind ganz analog ge— färbt, wie die entſprechenden Geſchlechter und Altersſtufen bei Loxia curvirostra, auch der junge Neſtvogel zeichnet ſich wie bei dieſem durch die geſtrichelte Unterſeite aus. Schnabel hornfarben, an den Rändern und der Baſis des Unterkiefers heller. Iris dunkel- nuſsbraun, Läufe, Zehen und Krallen bräunlich. Das Gelege beſteht in der Regel aus 4, ſeltener aus 3 Eiern. Dieſelben ſind von eiför— miger Geſtalt, Längsdurchmeſſer durchſchnittlich 215 mm, Querdurchmeſſer 15°5 mm, Dopphöhe 9:5 mm. Auf weißlicher Grundfarbe finden ſich ſehr vereinzelte, tiefer liegende, mattröthlich— bräunliche und ſehr vereinzelte, oberflächliche, dunkelrothbraune Flecken, die verhältnismäßig am ſtumpfen Ende noch am zahlreichſten ſtehen. Die Schale iſt mattglänzend, gegen das Licht weißlich durchſcheinend, das Korn fein und flach, Poren von mittlerer Häufigkeit. (Nach einem Ei aus der Sammlung Hollandt vom 28. April 1873.) Baron R. v. König-Warthauſen hatte die Güte, mir aus ſeiner reichen Sammlung 2 Neſter und 12 Eier zur Anſicht zu ſenden. Dieſelben variieren ganz außerordentlich in der Form, von ganz ſchlanken, ſpitzeiförmigen, bis zu dicken, ſtumpfeiförmigen, auch die Zeichnung zeigt außerordentliche Schwankungen, bei ein— zelnen überwiegen die tieferliegenden, mattröth— lich-bräunlichen Flecken, bei anderen (und dies iſt bei weitem die Mehrzahl) die oberflächlichen, dunkelrothbraunen Flecken, die bisweilen deut— liche Schnörkelform, wie bei den Finken z. B., zeigen. Bei einigen zeigt die weißliche Grundfarbe einen weiß-blaſsbräunlichen Überzug, auf dem dann die obenbeſchriebene Fleckung auftritt. Die beiden Neſter zeigten folgende Ver— hältniſſe: Neſt Nr. 1 vom 26. Februar 1886, aus der Gilberga Gemeinde, Provinz Wermland, Schwe— den, beſteht aus einem dichten, filzigen Gewebe von Moos und Flechten, durchſetzt mit einzelnen Grashalmen, feinen Zweigen, ferner dürrer Rinde von Kiefern, innen einige Federn. De nu u Föhreuſchädlinge. — Foix. 31 Außerer Durchmeſſer. ..... 0'135 m innerer Durchmeſſer .. .... 0.075 „ eier Doeppppßpß 0˙030 „ VCC 0˙040 „ Neſt Nr. 2 aus Schweden. Ahnliche Be— ſtandtheile wie Nr. 1, aber mehr Zweige und Moos, innen Baſt und Gras halme. Außerer Durchmeſſer innerer Durchmeſſer r dDo ppb 0030 „ ganze Tiefe 0˙030 „ Die Brutweiſe iſt ganz ähnlich wie beim Fichtenkreuzſchnabel. Die erſten Angaben darüber hat uns Chr. L. Brehm gemacht, der ſie oft im Voigt⸗ oder Oſterlande beobachtete, ſpäter na= mentlich Meves in Stockholm, von dem auch die meiſten Neſter und Gelege in den europäi— ſchen Eierſammlungen herſtammen. Die Neſter ſtehen auf Fichten oder Kiefern, jüngeren oder älteren Bäumen. 30—120 Fuß von der Erde entfernt, bald dicht am Stamm, bald weit davon entfernt, bald nahe dem Gipfel, bald tiefer, immer aber jo, dajs ein dichter Büſchel von Zweigen oder ein ſtärkerer Aſt gegen den einfallenden Schnee ſchützt. Die Brutzeit variiert auch außerordentlich und ſcheint von der mehr oder minder reich— lichen Ernte des Kiefern- oder Fichtenſamens abzuhängen; ſchon in der zweiten Hälfte des December wurden ſie brütend beobachtet, dann im Januar, Februar, März, Mai und Juni. Die Brutzeit dauert nach Naumann 14 bis 15 Tage; das Weibchen brütet allein; die Jungen werden von beiden Eltern gefüttert und ziehen nachher familienweiſe noch lange mit dieſen umher. Sie klettern außerordentlich geſchickt, be— nützen ihren Schnabel ähnlich wie die Papa— geien mit zur Fortbewegung und Anklam— merung. Ihr Flug iſt ſchnell, aber etwas ſchwer— fälliger als beim Fichtenkreuzſchnabel, ſchuſsweiſe oder in kleinen Bogenlinien; meiſt ſehr hoch in der Luft. Sie ſind nicht ſcheu, ſehr unvorſichtig, dummdreiſt und gefräßig. Ihre Lockſtimme iſt tiefer als bei curvi- rostra, ſie lautet ungefähr: Köp, kop! oder Zock! In der Paarungszeit laſſen ſie ein zärt— liches Gip, gip ertönen. Der Geſang ähnelt auch dem des Fichtenkreuzſchnabels, iſt nur kräftiger und beſſer und zeichnet ſich in der Mitte des Gezwitſchers durch ein ſchnurrendes Errr aus. Bechſtein bezeichnet denſelben folgendermaßen: Gack, gack, häär! Göpp, göpp, görrehih! Graih, göp, garreih! Jäck, jäck, gohr goroh! ꝛc. Dabei ſitzt das Männchen meiſtens hoch und ganz frei auf einer die Umgegend beherrſchenden Spitze einer Kiefer oder Fichte. In der Gefangenſchaft ſind ſie außerordent— lich poſſierlich und ſehr fleißig beim Singen, auch die Weibchen ſingen, aber nicht ſo ſchön wie die Männchen. Sie nähren ſich faſt ausſchließlich von Nadelholzſamen, namentlich Kiefern-, Tannen-, Fichten- und Lärchenſamen und ſind, da ſie als Zigeunervögel nur dann erſcheinen, wenn ſehr viel Samen gewachſen iſt, nicht als f ſehr 1 0 anzuſehen. R. Bl. Föhrenſchädkinge, ]. Sifenfgübtinge Hſchl. Jöhrentriebe, bezw. Knoſpen find als Holz anzuſehen und deren Diebſtahl Kor dem Strafgejege zu behandeln (Entſch. des O. G. H. als Caſſationshof vom 6. November A885, Z. 8780). Föhrentriebe und -Knoſpen im Ge— wichte von 20 kg wurden auf einer Fläche von mehr als 1 ha abgeſchnitten und auf 13 fl. ge— ſchätzt. Die erſte Inſtanz nahm Forſtfrevel an, weil Föhrentriebe und -Knoſpen noch kein Holz ſeien, der Waldſchadenerſatztarif aber nur von Holz ſpricht. Der O. G. H. erklärte aber mit Recht, dass Forſtfrevel nur dann anzunehmen ſei, wenn das Strafgeſetz nicht anwendbar ſei, hier aber entſchieden ein Gegenſtand von Wert entwendet worden ſei und der Waldſchadentarif keine Begriffsdefinition von Holz gebe, vielmehr im $ 3 von einer Entwendung von Holz ſpricht, „vorausgeſetzt, daſs nicht Gipfel, Aſte oder Zweige hiebei abgehauen oder abgeriſſen werden“, und doch Niemand in Abrede ſtellen könne, dajs Gipfel, Aſte u. ſ. w. als Holz anzuſehen ſind (ſ. a. Diebſtahl und Forſtfrevel). Mcht. Foix, Gaſton II. Graf von, neben Jacques du Fouilloux der berühmteſte franzöſiſche Jagd- ſchriftſteller, wurde, der edlen Familie der Grafen von Foix, Herren zu Bearn, entſproſſen, im Jahre 1331 geboren. Sein Vater Gaſton II. ſowohl, wie auch ſeine Mutter, Eleonore von Comminges, verwandten eine außerordentliche Sorgfalt auf ſeine Erziehung, die um ſo nö— thiger war, als Gaſton ſchon in früher Jugend zügellos und aufbrauſend, unlenkbar und ſtolz war. Da er jedoch gleichfalls ſchon als Knabe von hohem Ehrgeiz beſeelt war und ſich mit Eifer auf Alles warf, was ſeiner Einbildungs— kraft momentan zu ſchmeicheln vermochte, ſo handelte es ſich nur darum, ſeinem Streben eine beſtimmte Richtung zu geben, um ihn in dieſer ſeine geſammten, hohen Fähigkeiteu entfalten zu laſſen. Dies geſchah auch, als auf den Wunſch der Eltern der Ritter Corbeyran de Rabat, ein gelehrter und in jeder Beziehung ausge— zeichneter Mann, die Leitung des jungen Prinzen übernahm. Dieſem gelang es bald, in mancher Beziehung die Sinnesart Gaſtons zu ändern, ſeine Heftigkeit zu mildern und vor allem ihn ſeine Fehler als ſolche erkennen zu lehren. Gaſton hat nie vergeſſen, was er ſeinem Lehrer und ſeinen Eltern für ihre treue Fürſorge ſchuldete, und ruft in Bezug auf jene Zeit ſelbſt aus: „Von meiner Geburt an war ich verderbt und ſittenlos, jo daſs Vater und Mutter mich ver— abſcheuten; und alle Leute ſprachen: Dieſer Mann kann es nie zu etwas bringen und wehe dem Lande, das er beherrſchen wird.““ Ebenſo erzählt er, wie er zu Gott gefleht: „Jeden Tag betete ich zu dir, daß du mir Kraft und Sanft— muth gebeſt; und du, Herr voll der Gnade, er— hörteſt mein Flehen und gabſt mir mehr davon, als irgend einer meiner Zeitgenoſſen beſaß !“ *) Primo quando fui natus eram multum perversus et frivolis; tantum quod meus pater et mea mater vere- condebantur; et omnes dicebant: iste nihil poterit valere et vae erit terrae cujas erit dominus. Ms. d. Bibl. nat. Nr. 7097. ** Rogavi te, qualibet die, quod dares mihi vim et lenitatem: et tu domine plenus omni bonitate audivisti eito preces meas et dedisti mihi plus quam alicui fuisset in meo tempore. Ibidem. 32 Foix. Deſſenungeachtet währte es längere Zeit, bis er den Kampf widerſtreitender Empfindungen in ſeiner Bruſt zu ſchlichten und mit ſich ſelbſt einig zu werden vermochte. Mit Leidenſchaft hatte er ſich unter Rabats Leitung in die Ge— heimniſſe der Aſtronomie und anderer Wiſſen— ſchaften vertieft, aber ſo lieb ihm dieſe auch waren, ſo konnte er doch in ihnen allein keine Befriedigung finden und noch weniger den Spott ertragen, der ihm von vielen Seiten zu Theil ward. Die Natur hatte an ihm ihre Gunſt in reichſtem Maße verſchwendet und ihn in jeder Beziehung mit ſeltenen Gaben bedacht. Gaſton beſaß nicht nur einen ſcharfen durchdringenden Verſtand, ein raſches Auffaſſungsvermögen und vortreffliches Gedächtnis, ſondern er war auch durch ſeltene Schönheit und hohe Körperkraft ausgezeichuet — Eigenſchaften, die zu ſeiner Zeit faſt höher gehalten wurden als die erſteren, und die ihm jchon als Knaben den Beinamen Phöbus verſchafft hatten.?) Im Vollbewuſst— ſein dieſer Eigenſchaften, und weil er die Kraft in ſich fühlte, nicht nur auf dem Gebiete der Wiſſenſchaften, ſondern auch auf dem Felde der Ehre Hervorragendes leiſten zu können, ſchmerzte es ihn tief, wenn es hieß: „Schade um einen ſolchen mit ſo hoher Kraft und Weisheit aus— geſtatteten Menſchen, dem gleichwohl das Waffen— handwerk fremd iſt.“ **) — Inwieweit es unſerm Gaſton gelang, dieſen Stimmen Schweigen zu gebieten, werden wir ſpäter hören. Seinen Vater verlor er früh. Alfons XI. von Caſtilien, welcher im Jahre 1312 den Thron beſtiegen und ſich durch Wiederher— ſtellung des königlichen Anſehens den Namen des Rächers erworben hatte, hegte, nachdem er ſchon früher, am 13. October 1340, die Mauren am Flüſschen Salado aufs Haupt geſchlagen hatte, die Abſicht, dieſen auch ihr letztes und mächtigſtes Bollwerk auf der iberiſchen Halbinſel, die Veſte Algeziras, zu entreißen, und erließ, da er allein ſich zu dieſem Unter— nehmen zu ſchwach fühlte, einen Aufruf an die chriſtlichen Fürſten Europas, in welchem er ihren Beiſtand zu dieſem Unternehmen erbat. Alle Regenten Spaniens ſagten ihm dieſen zu, und obwohl Gaſton II. dem Könige Caſtiliens gegenüber keinerlei Verpflichtungen hatte, ***) jo entſchloſs er ſich dennoch, beſeelt von religiöſem Eifer und ritterlicher Begeiſterung, gleichfalls an dem Kampfe gegen die Ungläubigen theil— zunehmen, welchen der Papſt durch ſeine Er— klärung, es ſei ein heiliger Krieg, gleichſam zu einem Kreuzzuge geſtempelt hatte. Gaſton II. brach im Juni 1343 im Vereine ) Der Grund, weshalb Gaſton, wie es heißt ſchon als Jüngling, den Beinamen Phöbus führte, iſt nicht vollkommen klargeſtellt. Die Mehrzahl der Chroniſten und Hiſtoriker führt ihn auf die Schönheit Gaſtons und die Fülle ſeines Haares zurück, welches er nie bedeckt trug; andere behaupten, er ſei wegen ſeines ſtrahlenden Ruhms auf dem Gebiete der Wiſſenſchaften und im Kriege dem Sonnengotte verglichen; noch andere erklären den Namen aus der Sonne, welche er als Emblem auf Helm und Schild zu führen pflegte. Die erſte Interpretation hat jedenfalls die meiſte Wahrſcheinlichkeit für ſich. ) Omnes gentes dicebant: magna perditio tanti hominis tam fortis et tam sapientis, qui nil valet in armis. Ms. d. Bibl. nat. Nr. 7097. , Die Grafſchaft Bearn war ſouverain; die Lebens⸗ rechte auf Foix ſtanden der Krone Frankreich zu. mit ſeinem Bruder Roger Bernhard, Grafen von Caſtelbon, an der Spitze anſehnlicher Streit- kräfte nach Spanien auf, war jedoch ei : Stheils durch Krankheit, anderntheils durch die Miſs— gunſt, die man ihm als Fremden entgegen— brachte, gehindert, einen thätigen Antheil an dem Kriegszuge zu nehmen, brach jchon im Auguſt desſelben Jahres zur Rückkehr auf und ſtarb während dieſer in den erſten Tagen des September zu Sevilla. Seine Leiche ward nach Foix gebracht und in der Gruft der Abtei Bol- bonne beigeſetzt. In dem vor ſeiner Abreiſe nach Spanien verfaſsten Teſtamente hatte Gaſton II. ſeine Gemahlin Eleonore auf die Zeit der Wunder- jährigkeit ſeines Sohnes zur Thronfolge de— ſignirt, und die Kraft und Umſicht, mit welcher dieſe edle Frau in einer Zeit voll Unruhen und gefährlicher Anfeindungen das Ruder ihres Staates führte, iſt im höchſten Maße des Lobes würdig, welches ihr die Chroniſten zollen. Bald indeß, wenn auch nur für kurze Zeit, ſollte Eleonore ihren und den Erwartungen aller Zeitgenoſſen entgegen in ihrem Sohne eine kräftige Stütze finden, welcher im Jahre 1345 zum erſtenmale Gelegenheit fand, Kraft und Muth im Kampfe gegen einen überlegenen Feind zu erproben. Ein engliſches Heer war unter Führung des Herzogs von Derby ver— heerend in der Guyenne eingebrochen, und Pflicht und Sicherheit riefen den jungen Prin⸗ zen unter die Waffen. Zu ſeinem Schmerze jedoch war es ihm nicht lange vergönnt, dieſe gegen den mächtigen Feind zu führen, da ihn der König, trotzdem er damals erſt 16 Jahre zählte, am 31. December 1347 zum Statthalter der Languedoc ernannte. Obwohl die Auſpicien, unter welchen unſer Held dieſe Ehrenſtelle übernahm, keineswegs günſtige waren, indem zu Beginn des Jahres 1348 eine furchtbare Peſt Tauſende ſeiner neuen Unterthanen hinraffte,“) jo wuſste er dennoch das in ihn geſetzte Vertrauen zu recht— fertigen. . Am 25. Mai 1349 vermälte er ſich zu Paris in feierlicher Weiſe mit Agnes, der Tochter Philipps III. von Navarra und der Prinzeſſin Johanna von Frankreich, und wurde bei dieſer Gelegenheit, erſt 18 Jahre alt, durch König Philipp IV. großjährig und zum An⸗ tritte der Regierung in ſeinen Stammlanden berechtigt erklärt. Dieſe Vermählung führte indes nicht, wie Gaſton durch ſeine nunmehrige Verwandtſchaft mit den Regenten Frankreichs zu hoffen berechtigt war, zur Pacification ſei⸗ ner eigenen, vielfach zerrütteten Länder, im Gegentheile wurde ſie für ihn zu einer Quelle ſchweren Kummers und beſtändiger Unruhen. Agnes war die Schweſter des ränkeſüchtigen Königs Karl von Navarra, welcher ſeinen Schwager in bittere Verlegenheit brachte, ebenſo wie er ja auch an Frankreichs Unglück *) „Item en cel an M. CCC. XL. viij. fut une mor- talit6 de gent en Provence et en la Languedoc, venue des parties de Lombardie et “'outremer si tres grant qu'il n'y demuera pas la vje partie du peuple et dura en ces parties de la Languedoc, qui sont du royaume de France par viij. mois et plus.“ Chronique de Saint-Denys. Foix. in den Kämpfen gegen England, namentlich in der Schlacht von Poitiers, die Haupt— ſchuld trug. Karl, welcher ſich mit der Tochter König Johanns ohne Land vermählt hatte, wollte, daſs der Mitgift derſelben auch die Grafſchaft Angouléme beigefügt werde, und als dieſe dem Connetable Karl de la Carda verliehen wurde, rächte er ſich für dieſe Bevorzugung ſeines Gegners, indem er ihn ermorden ließ. Johann, tief ergrimmt über dieſe Gewaltthätigkeit, die er, wollte er den geringen Reſt des Anſehens, welchen er noch beſaß, nicht vollends ſchwinden ſehen, mit Strenge ahnden muſste, berief Karl zu ſeiner Rechtfertigung vor das Parlament. Wohlvertraut mit der Ohnmacht des Königs hütete ſich jedoch Karl wohl, dieſer Aufforde— rung bedingungslos Folge zu geben, und er— klärte, daſs er nur in dem Falle ſich dem Richterſpruche des Parlaments unterwerfen könne, wenn ihm zur Sicherſtellung gegen eine ihm ungünſtige Entſcheidung entſprechende Geiſeln geſtellt würden. Die Regierung war ſchwach genug, dieſem frechen Anſinnen zu willfahren und, wie ſelbſtverſtändlich, entgieng Karl auf dieſe Weiſe der ihm drohenden Strafe.“) Karl begab ſich nun, unmittelbar nachdem er ſeine ironiſche Rechtfertigung abgelegt hatte, zu dem Dauphin nach Rouen und trachtete dieſen für die verrätheriſchen Verbindungen zu gewinnen, welche er mit den Engländern an— geknüpft hatte. Johann erfuhr insgeheim von dieſen neuerlichen Umtrieben Karls und ſah in ihnen eine günſtige Gelegenheit, ſeinem durch die ihm widerfahrene Demüthigung wachgeru— fenen Haſſe die Zügel ſchießen zu laſſen. Von einer nur geringen Anzahl Reiſiger geleitet, brach er von Paris auf, erſchien plötzlich zu Rouen, wo ſich Karl eben mit dem Dauphin bei einem feſtlichen Gaſtmahle befand, nahm erſteren mit eigener Hand feſt und ließ mehrere ſeiner Edlen auf der Stelle tödten. Johann hatte ſich ſchon früherhin mehr— fach Verletzungen der adeligen Privilegien zu ſchulden kommen laſſen und dieſe neuerliche, wenn auch nicht ungerechte Gewaltthat brachte die lange zurückgehaltene Unzufriedenheit der Ritterſchaft zu einem für Frankreich verderb— lichen Ausbruche. Auch Gaſton de Foir theilte dieſe Unzufriedenheit, und trotzdem er keinerlei Sympathie für ſeinen Schwager hegte, fühlte er ſich doch durch dieſe Verwandtſchaft ge— zwungen, die ſofortige Freilaſſung Karls im Hinblick auf die widerrechtliche Verhaftung zu fordern. Ungeachtet der Folgen einer neuen gewaltthätigen Handlung ließ nun Johann Gaſton de Foix wegen der drohenden Form ſeiner Forderung gleichfalls verhaften und nach Chätelet bringen — eine Unbedachtſamkeit, die in erſter Reihe mit die Urſache war, daſs die Chroniſten Johann den traurigen Beinamen „ohne Land“ beilegen durften. *) Die genaueſte und umfaſſendſte Schilderung der merkwürdigen Gerichtsverhandlung, welche grelle Streif- lichter auf die damalige Zerrüttung der ſocialen Verhält- niſſe in Frankreich wirft, verdanken wir dem Chroniſten Froiſſart. — 2 33 Die Kämpfe mit England, welches jeder— zeit bereit war, die Schwächen Frankreichs zu eigenem Vortheil auszunützen, nahmen einen immer drohenderen Charakter an, und als ſich Johann endlich genöthigt ſah, dem Feinde auf den Gefilden von Poitiers in offener Feld— ſchlacht entgegenzutreten, hatte er ſein unbe— ſonnenes Vorgehen gegen die Ritterſchaft, welche ſich nun aus Rückſicht für ihre Vorrechte nicht entblödete, den König zu verlaſſen, aufs bitterſte zu bereuen. Umſonſt warf ſich Johann perſön— lich, jede Gefahr verachtend, den feindlichen Scharen entgegen — das Häuflein der ihm treu Gebliebenen war bald zerſprengt und die Edlen ſahen, an dem Kampfe nicht theilneh— mend, mit dem Gefühle befriedigter Rache dem blutigen Drama zu, deſſen Abſchluſs die Ge— fangennahme des Königs bildete, der ihre Rechte mit Füßen getreten hatte. — Nunmehr war es den Anhängern Karls von Navarra ein Leichtes, ihn ſowohl als Gaſton de Foix aus dem Gefängniſſe zu befreien. Bald jedoch, nachdem er ſeine Freiheit wieder gewonnen, wandte letzterer, der beſtändigen Verlegenheiten, in welche ihn ſein charakterloſer Schwager ver— ſetzte, müde, dem Vaterlande den Rücken und folgte dem Rufe, der von Seite des deutſchen Ritterordens an ihn ergangen war, an die Küſten des baltiſchen Meeres. Die eigentlichen Urſachen und der Endzweck dieſer Reiſe, welche Gaſton, von einem glänzenden Gefolge be— gleitet, im Jahre 1357 antrat, ſind nicht voll— ends aufgeklärt, wie auch ihre Erörterung den Rahmen dieſer Skizze überſchreiten würde; be— merkenswert iſt für uns nur, daſs er gelegent— lich dieſes Zuges auch Schweden und Norwegen berührte und dort das Renthier kennen lernte, ſo daſs es ihm möglich war, die erſte genauere Nachricht über dasſelbe zu liefern.“) Als Gaſton ſchon um die Mitte des Jah— res 1358 wiederkehrte, fand er Frankreich in der troſtloſeſten Lage. Die Jacquerie, einer der blutigſten Volksaufſtände, welche die Geſchichte dieſes Landes zu verzeichnen hat, hatte inzwi— ſchen ihr Haupt erhoben und gewann von Tag zu Tag an Ausdehnung. Unter dem Vorwande, die Gefangennahme des Königs an jenen Edlen, die ſich im entſcheidenden Momente zurückge— zogen hatten, zu rächen, zogen plündernde, zügelloſe Volkshaufen von Schloſs zu Schlojs, und ſelbſt Frauen und Kinder wurden von dieſen Mordbrennern nicht verſchont. Schon an der Grenze Frankreichs von dieſen troſtloſen Zuſtänden in Kenntnis geſetzt, beſchleunigte Gaſton, von etwa 60 Reiſigen und mehreren Edlen gefolgt, ſeinen Marſch und wandte ſich zuerſt nach Meaux in der *) Buffon und nach ihm viele andere — vgl. die bekannte Rieſenhirſchpolemik in „Hugos Jagdzeitung“, Jahrgang 1876 — haben behauptet, daſs das Renthier noch im XIV. Jahrhundert in den Pyrenäen exiſtirt habe, und berufen ſich diesfalls auf Gaſton de Foix Dieſe An⸗ ſicht, welche zahlreiche Verwirrungen in paläontologiſcher Beziehung zur Folge hatte, iſt jedoch falſch. Allerdings heißt es in der Ausgabe von Verard: „Jen ai vu en morienne et puedene oultre mer; mes en romain pays en ay je plus veu; wie jedoch dieſe Ausgabe überhaupt von Fehlern wimmelt, ſo iſt auch dieſe Stelle verſtümmelt, welche im Originaltext tautet: „Pen ay veuz en Nour- vegue et en Xuedene et en la oultre mer, mes en ro- main pays en ay je pou veuz“. Dombrowski. Encyklopädie d. Forſt⸗ u. Jagdwiſſenſch. IV. Bd. 3 34 Foix. Brie, wohin ſich die Herzogin der Normandie, der Herzog von Orleans mit ſeiner Gemahlin und zahlreiche andere Edeldamen zurückgezogen hatten, von welchen das kleine Häuflein freudig begrüßt wurde. Gaſton war übrigens eben zur rechten Zeit gekommen, denn als die Bauern der Brie vernommen hatten, welche Gäſte die Stadt Meaux beherberge, verbanden ſie ſich mit den Aufſtändiſchen von Valois und Paris und erſchienen plötzlich, an 9000 Mann zäh— lend, vor den Thoren, welche die erſchrockenen Bürger widerſtandslos öffneten. Inzwiſchen jedoch hatte Gaſton raſch ſeine Getreuen ge— ordnet und ſich mit dem Herzog von Orleans, welcher gleichfalls eine kleine Zahl Bewaffneter mit ſich führte, verbunden, um den Pöbel zu vertreiben. Trotzdem die Aufſtändiſchen eine furchtbare Übermacht beſaßen, konnten ſie in den engen Gaſſen der Stadt dennoch den kühnen Angriffen der Ritter nicht widerſtehen, nach kurzem Gefechte ſchon begannen ihre Rei— hen zu wanken, die vorderſten Haufen wandten ſich zur Flucht, wurden aber von ihren eigenen weiter rückwärts befindlichen Abtheilungen auf— gehalten, bis endlich die ganzen Scharen in heilloſer Verwirrung, über 700 Todte zurück— laſſend, das Feld räumten. Unmittelbar nach dieſer kühnen Waffen— that eilte Gaſton in ſeine arg vernachläſſigten Staaten, die, ohnehin durch die allgemeinen Wirren beunruhigt, nunmehr mit neuen Käm— pfen, hervorgerufen durch die erbliche Feind— ſchaft der Häuſer Foix und d' Armagnac, be— droht waren. Umſonſt bemühten ſich ſowohl der Herzog von Berry, der damals das Amt eines Generalgouverneurs der Languedoc be— kleidete, als auch der Papſt, die Streitigkeiten auf gütlichem Wege zu ſchlichten, und als Gaſton in ſeine Erblande kam, griffen beide Theile zu den Waffen, ſo daſs der Kampf un⸗ ausbleiblich ſchien. Erſt als der Marſchall de Boucicault im Vereine mit zwei anderen De— legirten im Auftrage der Krone Verhandlun— gen mit beiden Theilen anbahnte, gelang es, einen vorläufigen Waffenſtillſtand herbeizu— führen, welcher durch einen am 7. Juli 1360 geſchloſſenen Vergleich beſiegelt ward. Aber ſchon im December 1362 kam die Fehde von neuem in noch heftigerer Weiſe zum Ausbruche und endete mit der vollſtändigen Niederlage des Grafen von Armagnac in der Schlacht bei Launac, welche bei der bedeutenden Über— macht des Feindes in glänzendſter Weiſe Gaſtons hervorragendes Feldherrntalent zutage treten ließ. Armagnac ſelbſt wurde nebſt 900 ſeiner Getreuen gefangen genommen und ver— mochte nur durch das Verſprechen, ein Löſegeld von 250.000 Livres zu zahlen, ſeine Freiheit wiederzugewinuen. Nunmehr widmete ſich Gaſton mit vollſter Sorgfalt und regem Eifer der Beruhigung ſeiner vielfach zerrütteten Provinzen. Die Steuern wurden geregelt, die Übergriffe des Adels gegen die Landbevölkerung in Schranken gehalten, die Rechtspflege verbeſſert und durch Wahrung einer neutralen Stellung gegen— über England und Frankreich die Ruhe des Landes auch für die Zukunft geſichert, inſo— weit dies in jenen ſturmbewegten Zeiten mög— lich war. Trotz all ſeines Strebens war indes Gaſton nicht imſtande, dieſe Ruhe dauernd zu wahren, welche ſchon nach wenigen Jahren durch die Heftigkeit ſeines Temperamentes und ſeinen leicht erregbaren Zorn geſtört werden jollte. Als nämlich der Herzog von Anjou an der Spitze einer Heeresmacht von 15.000 Mann die Stadt Saint-Sevͤre einnahm und bald hierauf mit der Belagerung von Lourdes be— gann, fürchtete Gaſton, der Graf d' Armagnac könnte dieſen für ihn günſtigen Moment be— nützen und, da ja der geſchloſſene Friede nur dem Scheine nach die alte Feindſchaft beſeitigt hatte, in das Herz ſeines Landes eindringen. Demgemäß hielt er es für vortheilhaft, mit dem Herzog im guten Einvernehmen zu blei— ben, und als dieſer ihm den Vorſchlag machte, ihm bei der Einnahme von Lourdes behilflich zu ſein, wogegen er Gaſton Bigorre zuſagte, willigte er unbedenklich ein. Lourdes wurde durch einen Verwandten Gaſtons, Pierre Ar— nault de Bearn, vertheidigt und dieſen berief Gaſton zu ſich, um ihn zu freiwilliger Über— gabe zu bewegen. Umſonſt aber blieben alle Bitten, alle Drohungen, und als ſich endlich Pierre Arnault mit Entſchiedenheit weigerte, weitere Unterhandlungen zu pflegen, ſchlug ihn Gaſton zu Boden. Der Tod ihres Befehlhabers ſchüchterte indeſſen den Muth der Beſatzung keineswegs ein, im Gegentheil ward er durch den Drang nach Rache noch vermehrt, und nach längerer fruchtloſer Belagerung ſah ſich der Herzog ge— zwungen, ſeine Hoffnungen auf Lourdes auf— zugeben. Bald nach dieſen Vorfällen wurde Gaſton infolge der zügelloſen Heftigkeit ſeines Tem— peraments in neuerliche Verlegenheiten verſetzt. So klug, maßvoll, edelmüthig und rechtlich er in der Verwaltung und Leitung des Staates, in der Fürſorge für ſeine Unterthanen war, ſo wenig konnte man ihm dieſe Eigenſchaften in Bezug auf ſein Verhalten gegenüber ſeinen Verwandten nachrühmen, welche ausnahmslos vor ſeinen Leidenſchaften zitterten, die, wenn ſie einmal zum Ausbruch gekommen waren, nichts mehr zu hemmen vermochte. Am meiſten hatte ſeine Gemahlin unter dieſen den Cha— rakter Gaſtons entſtellenden Fehlern zu leiden, da ſie ihm ſchon wegen ihres Bruders verhaſst war. Endlich konnte Agnes, nachdem ſie ihr ſchweres Joch 25 Jahre hindurch ertragen hatte, ſich vor der häufig offen zutage tretenden Ge— waltthätigkeit ihres Gatten nicht mehr anders retten, als indem ſie ſich, einen paſſenden Grund vorſchützend, wie es hieß nur für kurze Zeit, nach Navarra begab, wo ſie ſich unter den Schutz ihres Bruders ſtellte. Inzwiſchen war der alte Haß zwiſchen den Familien Foix und Armagnac, welcher niemals vollſtändig erloſch, von neuem zu heller Flamme entfacht, als Jean d' Armagnac, um ſich für die Niederlage ſeines Hauſes bei Launage zu rächen, plötzlich und unvermuthet die Waffen erhob und durch einen Handſtreich die Stadt Cazeres ein- nahm. Bevor es jedoch dem Eroberer noch Foix. 35 möglich wurde, den Platz mit den im Falle einer Belagerung nöthigen Vorräthen zu ver— ſehen, war ſchon Gaſton vor den Thoren der Stadt erſchienen, und der Hunger zwang die Belagerten nach wenigen Tagen zur Uebergabe ihrer kaum genommenen Poſition Kaum war Jean d' Armagnac durch Zahlung eines hohen Löſegeldes wieder in den Beſitz ſeiner Freiheit gelangt, als er die Streitigkeiten neuerdings aufnahm, bis es endlich nach mehr— jährigem Kampfe, in welchem das Kriegsglück unſerem Helden niemals den Rücken gewandt hatte, im Jahre 1379 zu einem endgiltigen Friedensſchluſſe kam. Um dieſen vollſtändig zu ſichern, wurde am 4. April desſelben Jahres zwiſchen den beiden Familien ein feierlicher Vertrag unterzeichnet, laut welchem Gaſtons Sohn die Tochter des Grafen Jean d' Armagnac, Beatrix, welcher die Chroniſten wegen ihres heiteren Temperaments den Beinamen La Gaie gaben, ehelichen ſollte, nachdem dieſe beiden damals noch im zarteſten Alter ſtehenden Kinder ihre Großjährigkeit erlangt hätten. Als nun überdies Gaſton de Foix gleichfalls noch im ſelben Jahre neuerdings zum Statt— halter der Languedoc eingeſetzt wurde, ſchien dieſe Landſchaft endlich den ſo lange erſehnten Frieden erreicht zu haben. Dieſe Hoffnung, welche Gaſton ſelbſt am lebhafteſten theilte, wurde indeß zunichte, als Karl der Weiſe, welcher Gaſton in jenes Amt eingeſetzt hatte, ſchon im Jahre 1380 ſtarb und ſein Nachfolger, Karl VI., den Vorgänger Gaſtons, den Herzog von Berry, zum Statthalter ernannte. Die Bevölkerung, welche des Herzogs Grau— ſamkeit ebenſowohl wie die Zügelloſigkeit und Plünderungswuth ſeiner Söldnerbanden aus Erfahrung nur zu gut kannte, wandte ſich an Gaſton mit der dringenden Bitte, ſie nicht zu verlaſſen, und ſandte gleichzeitig eine Deputation an Karl VI. ab, welche dieſen um die Belaſſung Gaſtons in ſeiner Stellung als Statthalter an— flehen ſollte. Karl blieb jedoch unbeugſam, und als Gaſton jeden Weg friedlichen Uebereinkom— mens abgeſchnitten ſah, erklärte er, um das von Seiten ſeiner Unterthanen in ihn geſetzte Ver— trauen zu rechtfertigen, feierlich, daſs nur der Tod ihn ſeines Amtes entkleiden könne, und griff ohne Säumen zu den Waffen. Nachdem er einen Theil der Söldnerbanden bei Rabaſtens am Tarn aufgelöſt hatte, wandte er ſich gegen die Ebene von Berel, wohin der Herzog ſeine mit königlichen Truppen verſtärkten anſehnlichen Streitkräfte concentrirt hatte. Am 16. Juli 1381 erfolgte der Zuſammenſtoß und endete mit der vollſtändigen Niederlage des königlichen Heeres, welches, obwohl an Zahl überlegen, den kriegs— gewohnten, trefflich disciplinirten Truppen Ga— ſtons nicht Stand zu halten vermochte. Dank ſeinen glänzenden Eigenſchaften als Feldherr war es Gaſton gelungen, ſeinen Willen ſelbſt gegen jenen des Königs ſiegreich durch— zuſetzen, aber ſein rechtlicher Charakter geſtattete ihm nicht, das hierdurch erlangte Uebergewicht zu ſeinem Vortheile auszunützen. Wilder noch und verderblicher als die wenige Jahre vorher in den mittleren Provinzen Frankreichs aus— gebrochene Jaquerie war jener Bauernaufſtand, der, indirect durch Gaſtons Siege wachgerufen, nunmehr die Languedoc zum Schauplatz ſeiner furchtbaren Greuelthaten wählte. Gleichwie früher die Jacques die Gefangenſchaft Johanns ohne Land zum Vorwande ihrer Erhebung nahmen, jo wußten auch die Aufſtändiſchen der Languedoc, welche ſich Tuſchins nannten, ihrem Sengen und Brennen, das in der That nur aus Plünderungs— ſucht und Mordgier entſprang, dadurch ein günſtigeres Relief zu bieten, daſs fie die Edlen des Landes, die Geiſtlichkeit und die Vorſtände der Städte verrätheriſcher Verbindungen mit dem Herzoge von Berry, dem ehemaligen Statt— halter, beſchultigten. So wohl durchdacht indeß dieſer Plan war, welcher bei Gaſton de Foix Sympathien mit den plündernden Horden er— wecken ſollte, ſo ſcheiterte er dennoch an deſſen lauterem Charakter, indem er es verſchmähte auch nur den Schein eines Einverſtändniſſes mit der Revolte zu dulden, und den Anſtiftern derſelben dadurch eine gerechte Strafe angedeihen ließ, daſs er ſein Amt nunmehr freiwillig an den Herzog abtrat und dieſem die Unterdrückung des Pöbels überließ. Gaſton zog ſich hierauf in ſeine Reſidenz Orthez zurück und hielt ſich fern von allen politiſchen Unternehmungen, umſomehr als das Schickſal nun ſein ſtrafwürdiges Vorgehen gegen Agnes von Navarra, ſeine Gemahlin, in bitterer Weiſe an ihm rächte und ihm das Unterpfand jener Verbindung, ſeinen Sohn und Erben Gaſton entriß. Dieſer, im Charakter ſeinem Vater nicht unähnlich, empfand die der Mutter zugefügte Schmach tief, und höher noch ſtieg ſeine Er— bitterung über dieſelbe, als er ſie, nachdem er die Erlaubniß zu einem Beſuche in Navarra erhalten, perſönlich näher kennen gelernt hatte. Karl von Navarra, jederzeit bereit, ſeinem Schwager einen ſchlimmen Streich zu ſpielen, zögerte keinen Augenblick, die Abneigung des jungen Gaſton gegen ſeinen Vater zu erhöhen und ihn ſchließlich — ob direct oder nur durch Anſpielungen, iſt ungewiß — zu einer verbreche— riſchen Gewaltthat, zur Vergiftung des Vaters aufzureizen. Nach Orthez zurückgekehrt, verband er ſich mit fünfzehn gleichgeſinnten jungen Edelleuten, und ſein Anſchlag wäre wohl gelungen, wenn nicht Iwein, ſein jüngerer Bruder, denſelben entdeckt und dem Vater mitgetheilt hätte. Gaſtons Schmerz über die Verworfenheit ſeines Sohnes kannte keine Grenzen“) Die übrigen Theilhaber des Attentats wurden hin— gerichtet und dem jungen Gaſton wäre faſt dasſelbe Schickſal zu Theil geworden, wenn ſein Vater nicht, dank den Bemühungen ſeiner Um— gebung, die Vollſtreckung des Urtheils erſt ver— ſchoben und dieſes ſelbſt bald darauf in eine ſtrenge Haft verwandelt hätte. Der anfängliche Zorn des unglücklichen Vaters verwandelte ſich nach und nach in einen tiefen Seelenſchmerz, und als ſich der verbrecheriſche Sohn nach kurzer Gefangenſchaft im Kerker das Leben nahm, ſchien ) Froiſſart läſst ihn ausrufen: „Oh! Gaston! traitre! pour toi, pour aceroitre ton heritage, jai voue guerre et haine au roy de France, au roys d’Angletterre, au roy d’Espaigne, au roy d’Aragon; je me suis bien tenu contre eux, et cest toi qui me veux faire mourrier! Ah! tu es un monstre, mai tu en mourras!“ 3 36 Gaſton deſſen Anſchlag vergeſſen zu haben und war der Verzweiflung nahe. — Karl von Na— varra hatte ſein Ziel beſſer erreicht, als wenn das Attentat gelungen wäre. Zum Glücke war Gaſton etwa ein Jahr nach den geſchilderten Vorfällen genöthigt, ſeine einſiedleriſche Lebensweiſe aufzugeben und zu den Waffen zu greifen, wodurch er auf neue Ideen gebracht und ſeinem quälenden Schmerze entrückt wurde. Der Graf von Flandern war durch einen Volksaufſtand aus ſeinem Lande vertrieben worden, und auf ſeine Bitten hin entſandte König Karl VI. unter Anführung des Herzogs Philipp von Burgund ein bedeutendes Heer zu ſeiner Unterſtützung. Gaſton de Foix, vom Herzog, ſeinem langjährigen Freunde, zur Theilnahme an dieſem Kriegszuge eingeladen, zögerte nicht, ſich an die Spitze ſeiner Edlen zu ſtellen, und erfocht im Vereine mit Philipp bei Roſebecg einen glänzenden Sieg, welcher dem Grafen von Flandern ſeine Herrſchaft ſicherte. Dies war Gaſtons letzte Waffenthat. Er widmete ſich nunmehr vollkommen wiſſenſchaft— lichen Studien und, inſoweit dieſe und ſeine Pflichten als Regent es nur irgend zuließen, vor allem der Jagd. Begeiſtert durch Gace de la Bignes Gedicht beſchloſs er, ſelbſt ein Buch über das Weidwerk zu ſchreiben, und begann dasſelbe auch wirklich am 1. Mai 1387. Der Abend ſeines Lebens geſtaltete ſich heiterer, als man hätte vorausſetzen können. Er vereinigte an ſeinem Hofe die bedeutendſten Gelehrten und Schriftſteller jener Zeit, unter dieſen den gefeierten Chroniſten Froiſſart, und wußte ſich auch bei König Karl VI. in hohe Gunſt zu ſetzen. Nachdem es ihm im Jahre 1389 gelungen war, ſeine Verwandte, die Prinzeſſin Johanna von Boulogne, an den verwitweten Herzog von Berry, des Königs Oheim, zu ver— heiraten und ſich ſo mit Karl auch durch die Bande des Blutes zu verbinden, ward er von dieſem zu einer Zuſammenkunft nach Toulouſe eingeladen. Durch einen Vertrag, mittels welchen er, da er keine legitimen Erben bejajs, die Grafſchaften Foix und Bearn für den Fall ſeines Todes der Krone Frankreichs zuſicherte, wurde die Verbrüderung der beiden Fürſten vollſtändig, und nun folgte eine Reihe glänzender Feſte, die glänzendſten, von denen uns die Chroniſten jener Zeit überhaupt zu erzählen wiſſen. Am 7. Januar 1390 zog der König in Begleitung Gaſtons und eines großartigen Ge— folges nach Foix, wo letzterer dem Könige einen jo glänzenden Empfang bereitete, dafs ſich dieſer wiederholt äußerte, Gaſton ſei nicht nur der tapferſte Feldherr, ſondern auch der galanteſte, ritterlichſte und edelſte Fürſt ſeiner Zeit. Als der König ſeinen freundlichen Gaſt— geber verlaſſen hatte, widmete ſich dieſer voll— ſtändig den Freuden der Jagd und büßte bei einer ſolchen, im Mai 1391, ſein Leben ein. Wie uns der Chroniſt Froiſſart berichtet, hielt Gaſton, welcher trotz ſeines damals ſchon ziem— lich hohen Alters immer noch Kraft, Aus— dauer und Gewandtheit eines Jünglings beſaß, eine Bärenjagd im Walde Sauveterre zwiſchen Navarra und Pampelona ab. Um neun Uhr war der Bär erlegt, und nach der Curse begab Foix. ſich Gaſton mit ſeinem Gefolge nach Rion, um dort eine Stunde zu ruhen und einen Imbiß zu ſich zu nehmen. Vor dem Mahle befahl er, ihm Waſſer zu bringen; kaum hatte er jedoch ſeine Hände in dasſelbe getaucht, als er plötzlich erbleichte und mit dem Ausrufe „Je sui mort! Dieu, mercy!“ leblos niederſank— Gaſtons Leichnam wurde nach Orthez ge— bracht und in feierlichem Gepränge, betrauert von ſeinem Lande, dem er mehr Gutes er— wieſen als irgend einer ſeiner Vorgänger, in der Gruft ſeiner Väter beigeſetzt. Gaſtons aus⸗ gezeichnete Fähigkeiten und ſein hohes Wiſſen werden von allen Chroniſten geprieſen, das leuchtendſte Denkmal ſeines illuſtren Geiſtes, hat er ſich aber ſelbſt mit ſeinem Werke Deduits de la chasse geſetzt, welches nicht nur die wich— tigſte Erſcheinung der älteren Jagdliteratur, ſondern, vom kritiſchen Standpunkte aus be= trachtet, überhaupt das am klarſten und Schönsten geſchriebene Proſawerk des 14. Jahrhunderts zu nennen iſt. Die Erörterung des hohen Werthes, welchen es in zoologiſcher Beziehung. beſitzt, gehört nicht hierher, bemerkt möge jedoch werden, daſs der Entwickelungsgang der Zoo— logie wohl ein ganz anderer geweſen wäre, wenn Geſner und Aldrovandus ihre Blicke auf dieſes Werk gelenkt und ihre Forſchungen im * Gaſtons Weiſe durchgeführt hätten, ſtatt ſich mit den Angaben eines Ariſtoteles, Plinius und Aelianus zu begnügen. Bis auf Buffon blieb Gaſtons naturgeſchichtliche Schilderung unſerer Jagdthiere unerreicht, und noch dieſer hat ihr manche Anregung zu entnehmen ge— wußt, wenn er auch oft mit der Sprache in arge Kolliſionen gekommen zu ſein ſcheint. Gaſton hat ſein Buch mit einem Prologe verſehen, der deſſen Ziele und Zwecke kenn— zeichnen ſoll und als Stilprobe hier auszugs— weiſe Raum finden möge: „Ich, Gaſton, von Gottes Gnaden, bei— genannt Febus, Graf von Foyx, Herr von Bearn, habe mich allzeit vorzugsweiſe drei Arten von Vergnügungen hingegeben: die erſte iſt der Krieg, die zweite die Liebe und die dritte die Jagd. Da es nun in Bezug auf die beiden erſteren beſſere Meiſter gab, als ich es bin, da es beſſere Ritter gab, als ich, und auch Männer, die die Liebe beſſer zu beſingen wußten, des- halb wäre es einfältig von mir, über dieſe ſprechen zu wollen. Ich übergehe daher den Dienſt der Waffen und der Liebe; denn jene, welche ſich ihm weihen wollen, werden ihn durch die Praxis beſſer kennen lernen, als ich ihn ihnen mit Worten ſchildern kann. Aber von der dritten Kunſt, in welcher ich, ohwohl dies wie Prahlerei erſcheinen mag, keinen Meiſter über mir zu haben glaube, von ihr will ich euch ſprechen ... Dieſes Buch wurde begonnen am erſten Tage des Mai, im Jahre nach der Menjch- werdung unſeres Herrn, als man zählte ein» tauſend, dreihundert achzig und ſieben; und zwar habe ich es begonnen, weil ich will, dajs alle Menſchen, die es beſitzen und leſen werden, wiſſen ſollen, daſs, wie ich es wohl zu ſagen wage, die Jagd der Urſprung von vielem Guten ſei. Vor allem lernt man durch ſie, ſich Foix. ‚31 vor den ſieben Todſünden zu bewahren; dann lernt man durch ſie vortrefflich reiten, gerecht, aufmerkſam, kühn, unternehmend ſein, das Land, alle Wege und Stege kennen; und kurz und gut, von ihr kommen alle guten Gewohnheiten und Sitten, von ihr das Heil der Seele; wer die ſieben Todſünden flieht, wird nach unſerem Glauben ſelig; und der Waidmann wird ſelig und genießt ſchon auf dieſer Welt genug der Freude und des Vergnügens, nur möge er ſich vor zwei Dingen hüten, das eine iſt, er ſoll über der Jagd nie den Dienſt Gottes, von dem alles Gute kommt, vergeſſen; und ebenſowenig ſoll er wegen ihr den Dienſt ſeines Herrn und auch ſeine eigenen Pflichten vernachläſſigen. Ich will dir beweiſen, daſs der Weidmann niemals in eine der ſieben Todſünden verfallen kann: du weiſst, das Müßiggang die Quelle derſelben iſt; denn wer müßig iſt, keine Arbeit verrichtet und ſeinen Sinn nicht auf irgend eine beſtimmte Thätigkeit lenkt, ſondern immer auf ſeinem Lager oder doch in ſeinem Zimmer bleibt, der wird durch ſeine Einbildungskraft bald zu verbotenen weltlichen Vergnügungen geleitet werden. Wer immer an einem Orte bleibt und keine Sorge kennt, bei dem erwachen Stolz, Geiz, Zorn, Trägheit, Schlemmerei, Unzucht und Neid; denn die Einbildungskraft des Menſchen neigt ſich mehr zum Böſen hin als zum Guten in Folge der drei Erbfeinde: das iſt des Teufels, der weltlichen Geſinnung und fleiſchlicher Gelüjte . Jeder, welcher Ver— nunft beſitzt, weiß wohl, daſs Müßiggang der erſte Anlaß zu ſündhaften Gedanken iſt. Der Gedanke iſt der Herr und Meiſter aller guten oder böſen Handlungen, des Körpers und der Glieder des Menſchen. Du weiſst wohl, daſs alle Handlungen, ob ſie nun gut oder ſchlecht ſeien, nicht vollbracht werden, ohne vor— her gedacht zu werden; was der Gedanke an— deutet, vollführt der Menſch. Wenn Jemand ſich beſtändig einbildet, krank zu ſein, ſo wird er es wirklich ... Nun werde ich dir zeigen, daſs der Jäger niemals müßig ſein und in Folge deſſen keine ſchlimmen Gedanken hegen und keine böſen Thaten vollführen kann. Nach dem mit Ver— richtungen aller Art ausgefüllten Tage folgt die Nacht, er eilet, ſich in's Bett zu legen, und denkt an nichts als daran, daſs er jetzt ſchlafen und morgen zeitig aufſtehen müſſe, um ſeinen Obliegenheiten genau und eifrig nachzukommen, wie es einem guten Jäger ziemt. Dieſer iſt nie müßig, im Gegentheile hat er am Morgen genug mit ſeinen Berufsgeſchäften zu ſchaffen, ihm bleibt keine Zeit, ſchlechte und ſündhafte Gedanken zu nähren. Bei Tagesanbruch eilt er zur Vorſuche und kann bei dieſer nicht müßig ſein, denn er iſt beſtändig in Thätig— keit. Dann kehrt er an den Verſammlungs— platz zurück und hat dort ſo viel zu ſchaffen, daſs er weder unthätig ſein, noch an etwas anderes als an ſeine Obliegenheiten denken kann; dann muſßs er auf ſein Pferd und auf die Hunde achten, mufs ſeinen Jagdſchrei und ſein Horn ertönen laſien; er mujs den Hirſch im Auge behalten, und wenn er von ihm ab— kommt, ihn von neuem beſtatten. Und wenn der Hirſch erlegt iſt, anch dann hat er keine Gelegen— heit zum Müßiggang, er muſs an das Auf— brechen und Zerwirken denken, ſowie an die Curce; dann mußs er ſeine Hunde abzählen und jene, welche im Holze zurückgeblieben ſind, auf— ſuchen und ſammeln. Und wenn er dann heim— kehrt, ſo bleibt ihm wieder keine Zeit übrig, um müßig ſein und ſchlechten Gedanken nachhängen zu können, denn er mujs an ſein Pferd denken, er muſs ſchlafen und ausruhen, denn er iſt müde; er muſs ferner das Geweih vom Schweiße reinigen und auch ſich ſelbſt, wenn er durch dieſen zufällig beſchmutzt worden wäre. So ſage ich denn, daſs das Leben des Jägers ohne Müßiggang und deswegen auch ohne ſündhafte Gedanken vergeht. Und weil er frei von dieſen beiden Laſtern iſt, ſo kann er auch keine ſchlimme That vollbringen . . . Ich könnte dies noch mit vielen Beweiſen belegen, aber es genügt das, was ich geſagt habe; denn jeder, der Vernunft beſitzt, wird einräumen, dajs ich die Wahrheit ſprach. Nun hört, um wie viel freudenreicher die Jäger leben als andere Leute; denn wenn der Jäger ſich in der Frühe erhebt, ſchaut er den milden, ſchönen Morgen und das klare freund— liche Firmament, er hört, wie ſüß, melodiſch und lieblich die Vöglein ſingen, jedes in ſeiner Sprache, ſo gut ſie es vermögen, ſo, wie es ſie die Natur gelehrt hat. Und wenn die Sonne ſich erhoben hat, dann ſieht er den ſüßen Thau auf den Zweigen und Halmen, und die Sonne mit ihrer Kraft läſst ihn erglänzen. Das iſt eine große Luſt und Freude für das Herz des Weidmannes. Dann zieht er zur Vorſuche aus und überlegt, wo er, ohne lange Zeit fehlzu— ſuchen, den Haupthirſch antreffen und wo er ihn ſpäter ohne lange Jagd am beſten erlegen könne. Dies iſt eine große Luſt und Freude für den Weidmann. Dann kehrt er zurück zum Sammelplatz und vor dem Jagdherrn und den Kameraden erzählt er nun alles, was ihm am Herzen liegt, entweder nach dem Augenſchein oder nach den Fährten, oder nach der mitge— brachten Loſung, und alle rufen aus: Seht, welch braver Hirſch!* Und nun, wenn die Meute gut iſt, zum Anjagdort! An all den Sachen, die ich eben genannt, hat der Jäger große Freude. Nachdem er die Jagd aufgenommen hat, kommen die Hunde zum Bett, dort werden ſie abgehalst, keiner darf gekoppelt bleiben, und die ganze Meute ſucht brav. Daran hat der Jäger große Freude und großes Vergnügen. Dann beſteigt er mit Haſt ſein Pferd, um den Hunden zu folgen. Und weil dieſe ſich auf dem Platze, wo ſie abgehalst wurden, zerſtreuen, nimmt er einen Anlauf und trachtet vor ſeine Hunde zu kom— *) Originaltext: „....quar, quant le veneur se lieve au matin, il voit la tres douce et belle matinee et le temps cler et serain et le chant de ses (nicht les?) oise- letz qui chantent douleement, melodieusement et amou- reusement chascun en son langage, du mieulx qu'il puent, selon ce que nature leur aprent. Et quant le soleill sera leve, il verra celle doulce rosee sur les raincelles et her- betes et le soleill par sa vertu les fera reluysir. C'est grant plaisance et joye au euer du veneur.... Apres quant il vendra a l’assemblee et fera devans le seigneur et ses autres compaignons son report ou de veue a l’ueil ou de reporter par le pied ou par les fumees qu'il aura en son cor ou en son giron; et chascun dira: Veez si grant cerf!“ 38 Foix. men. Wenn er aber den Hirſch vor ſich hat, ſchreit er ihn aus vollem Halſe an, läſst das erſte, das zweite, das dritte und das vierte Treffen (bataille) der Hunde vorbei, und wenn ſie alle vor ihm ſind, dann jagt er hinter ihnen her und ſchreit ſie an und ſtößt ins Horn, ſo laut er es vermag. Daran hat er große Freude, und ich verſichere Euch, dafs er da an feine Sünde, an keine böſe Handlung denkt. Wenn der Hirſch halali wird (sera desconfit), hat er große Freude. Wenn der Hirſch abgefangen iſt, und er die Curée macht, auch dann hat er große Freude. Und wenn er endlich heimkehrt, dann kehrt er freudig heim, denn bei der Curee hat ihm ſein Jagdherr von ſeinem guten Weine zu trinken gegeben. Und iſt er zuhauſe ange— kommen, ſo zieht er ſich Kleider und Schuhe aus und wäſcht ſich Hände und Schenkel und, wenn nöthig, den ganzen Körper. Dann richtet er ſich zum Nachtmahl her, wo Speck, Hirſch— wildpret und anderes gutes Fleiſch und guter Wein aufgetragen wird. Und nachdem er gut ge— geſſen und gut getrunken, legt er ſich nieder und ruht wohl aus. Dann geht er hinaus ins Freie, hinaus in den kühlen Abend, um ſich von ſeiner Anſtrengung zu erholen, dann legt er ſich in ſein mit friſchen Tüchern und weißen Linnen bedecktes Bett und ſchläft die ganze Nacht ſüß und ruhig und denkt gewiſs an keine Sünde. Deshalb ſage ich, daſs die Jäger ins Paradies gelangen, weil ſie auf Erden freudiger leben als alle anderen Menſchen. Und nun will ich dir beweiſen, daſs die Jäger länger leben als alle übrigen Menſchen. Denn, wie Hippokrates ſagt: Fettleibigkeit tödtet mehr Menſchen als Meſſer und Schwert. Die Jäger trinken und eſſen weniger als die Leute der Welt. Morgens, am Sammelplatz, eſſen ſie nur wenig, und wenn ſie tüchtig zu Abend eſſen, ſo haben ſie dafür die Natur zu Mittag um ſo weniger befriedigt; ſo ſind ſie in der Verdauung nicht behindert, und es können ſich bei ihnen keine ſchlechten und überflüſſigen Säfte bilden. Du weißt ja, dajs man einen kranken Menſchen diät hält und ihm drei oder mehrere Tage hindurch nichts zu eſſen gibt als Zuckerwaſſer und ähnliche Dinge, um die vorhandenen ſchlechten Säfte zu ver— tilgen und ihre Neubildung zu verhüten. Beim Jäger iſt dies nicht nöthig; denn bei ſeiner ge— ringen Nahrung und ſeiner Arbeit kann keine Stauung ſchlechter Säfte eintreten. Und voraus— geſetzt ſelbſt, daſs dies dennoch geſchehen könnte, und er wirklich von ſchlechten Säften erfüllt wäre, jo weiß man ja doch wohl, dafs für jede Krankheit Schweiß das beſte Heilmittel ſei. Und der Jäger ſchwitzt, wenn er zu Pferde oder zu Fuß ſeinen Pflichten nachkommt, jo viel, dass ſich keine Krankheit bei ihm einniſten kann; nur ſoll er ſich, wenn er erhitzt iſt, vor plötz— licher Abkühlung hüten. Ich glaube genug ge— ſagt zu haben; denn wenig eſſen iſt das beſte Mittel, um den Kranken von jedem Übel zu be— freien. Und weil die Jäger wenig eſſen und viel ſchwitzen, deshalb leben ſie lange und blei— ben geſund. — Man wünſcht ſich in dieſer Welt ein langes und geſundes Leben, Freude und zu— letzt die ewige Seligkeit: und der Jäger beſitzt das alles! Darum ſoll jeder Jäger ſein. Da— rum rathe ich allen Menſchen, mögen ſie dieſer oder jener Claſſe, dieſem oder jenem Lande an— gehören, daſs ſie die Hunde und die Jagd und die Thiere und die Vögel lieben ſollen; denn müßig ſein ohne die Hunde und die Vögel (Beizvögel) zu lieben, das ſteht, hilf mir Gott, fürwahr keinem vernünftigen Menſchen an, und ſei er auch noch ſo reich. Denn wenn er in Noth und Krieg geſtürzt wird, dann weiß er nicht, was er beginnen ſoll, weil er die Arbeit nicht gewöhnt iſt und anderen das zu thun überlaſſen muss, was er ſelbſt vollbringen ſollte. Deshalb ſagt man auch immer: „wie der Herr, jo der Knecht“. Auch verſichere ich Euch, dass jeder Menſch, der die Arbeit und die Jagd mit Hunden wie mit Vögeln liebt, auch immer wohlgeartet iſt; denn durch ſie wird jeder Menſch im Herzen edel und ritterlich, aus welchem Lande immer er ſtammen möge, ob er ein großer oder kleiner Herr, ob er reich oder arm ſei.“ Was nun das Werk ſelbſt anbelangt, ſo möge nachſtehend eine kurze bibliographiſche Schilderung der beſtehenden Manuſeripte und Druckausgaben Raum finden. Manuſcripte: A. Nr. 7098 an der Bibl. nat. zu Paris. Nach J. Lavallee befand ſich dieſe Handſchrift urſprünglich im Beſitze der Herzoge von Bur⸗ gund oder in jenem Jehan J. de Foix; ſie iſt vor 1437 copiert, deutlich geſchrieben, mit primitiven Miniaturen geziert und correct im Text. xt B. Nr. 7097, ibidem. Dieſe äußerſt koſt⸗ bare Handſchrift wurde für Aymor de Poitiers, Seigneur de Saint-Vallier *) angefertigt, kam im Jahre 1523 an König Franz J., fiel nach der Schlacht von Pavia (1525) in die Hände eines Soldaten, welcher ſie dem Biſchof Bern— hard von Trient verkaufte, wurde von dieſem an Ferdinand, Infant von Spanien, Bruder Carls V., abgetreten, blieb dann etwa 30 Jahre im Beſitze des Hauſes Oſterreich, gelangte dann in die Hände des Marquis de Vigneau und endlich am 22. Juli 1661 in jene Ludwigs XIV., welcher ſie der obigen Bibliothek einverleibte. Bald darauf jedoch ſchenkte ſie Ludwig ſeinem Sohne, dem Grafen von Toulouſe, aus deſſen Beſitz ſie durch Erbſchaft in jenen des Hauſes Orléans und endlich unter Louis Philipp wieder an ihren alten Platz gelangte. Dieſe vom paläo— graphiſchen Standpunkte aus hochintereſſante Handſchrift iſt prächtig geſchrieben, mit meiſter⸗ haft ausgeführten Miniaturen geziert, im Texte vollkommen correct und daher die wertvollſte, welche uns erhalten iſt; ſie enthält auch die „Prieres de Gaston Phebus“. C. Nr. P/5l4 an der Bibl. Mazarin, ca. a. d. J. 1525, copiert für Jehan de Pot, Sei- gneur de Rhodes et de Chemant; dieſe Hand— ſchrift, welche in der Orthographie geändert iſt, zieren ſchöne, von jenen der älteren Hand— ſchriften verſchiedene Miniaturen. D. und E. Im Vatican zu Rom. F. An der Kgl. Bibl. zu Stockholm. ) Diejer Edelmann zählt zu den hervorragendſten Weidmännern ſeiner Zeit; ſein Sohn Jehan de Poitiers war ein fo leidenſchaftlicher Jäger, daſs er ſeine Tochter Diana taufen ließ. Folge. 39 G. An der Bibl. zu Cambridge; über dieſe vier Manuſeripte konnte ich nichts Näheres eruieren. Ausgaben im Druck: I. Fol. 1. r. (P)hebus des deduiz de la chasse des bestes sauuaiges et des oyseauz de proye. Nouuellement imprime a Paris; auf fol. 1 ». befindet ſich ein großer Holzſchnitt, darunter beginnt die in Verſen geichriebene Widmung Verards, die bis zum Ende der erſten Colonne auf fol. Ar reicht; mit der zweiten Colonne beginnt der Prolog des Werkes, welches im ganzen 57 Quartblätter mit zwei Colonnen * 42 Zeilen einnimmt und von 26 kleinen, zum Theil ſehr ſchönen Holzſchnitten begleitet wird. Daran ſchließt ſich 77 Blatt mit 23 Holzſchnitten umfaſſende Ge— dicht Gace de la Bignes *). Am Schluſſe heißt es: Cy fine le liure de phebus du deduyt de la chasse des bestes sauuages et oyseaulx de proye. Imprime pour Anthoine verard libraire marchant demourand a paris deuant la rue neufue nostre dame a lenseigne de sait iehan leuageliste Qu au palais au premier pillier deuant la chappelle ou len chante la messe de messeigurs les presidens. Darunter das ſchöne Zeichen Verards mit den Lilien Frank— reichs. Dieſe Ausgabe iſt eine ausgezeichnete typographiſche Leiſtung und als ſolche von hohem Werte; dagegen iſt der Text ſehr in— correct und ſtellenweiſe bis zur Unkenntlichkeit entſtellt; namentlich iſt dies in Bezug auf Gace de la Bignes Gedicht der Fall, da Verard, der es eben abſichtlich veränderte, um Gaſton de Foix als deſſen Autor betrachten zu laſſen, alle Partien eliminierte, die auf Stand, Familie und Namen Bignes Bezug haben. — Lavallée verſetzt dieſe Ausgabe in die letzten Jahre des XV. Jahrhunderts und nennt ſie die Editio princeps; erſteres iſt möglicherweiſe richtig, letzteres jedoch ſcheint mir unwahrſcheinlich, da ja auf dem erſten Blatte die Bemerkung nou- uellement imprime a Paris enthalten iſt, die auf das Beſtehen einer früheren Ausgabe hin— weist; möglich wäre es nur, daſs zwei voll— kommen ähnliche Ausgaben von Verard exi— ſtieren, die ſich eben nur durch jene Bemerkung unterſcheiden. — Ein auf Pergament gedrucktes Exemplar befindet ſich an der königlichen Biblio— thek zu Kopenhagen, N II. Phebus des deduiz de la chasse des bestes sauuaiges et des oyseaux de proye... Cy fine le liure de phebus imprime a Paris par Jehan treperel... A—V (1505), Klein⸗ folio, 118 Blatt goth. Dieſe Ausgabe, welche gleichfalls den Romant des oyseaux enthält, iſt überaus ſelten; ich konnte ſie nicht zu Händen bekommen, ebenſo fand ſie Lavalle in keiner ihm bekannten öffentlichen Bibliothek Frankreichs; auf Pariſer Auctionen wurde fie nach Bruns *) Durch dieſen Umſtand iſt eine bedeutende Ver— wirrung hervorgerufen worden, indem zahlreiche Jagd— hiſtoriker angeben, Gaſtons Werk beſtehe aus einem in Proſa und einem in Verſen abgefajsten Theile, welch letzterer der Falknerei gewidmet ſei, trotzdem Gaſton dieſe in ſeinem Buche überhaupt nicht berückſichtigt hat. Viele der Genannten können es nicht unterlaſſen, von Gaſton de Foix poetiſcher Abhandlung — und nebenher von Gace de la Bignes Gedicht zu ſprechen, was von einer Sachkenntnis zeugt, die nichts zu wünſchen übrig läſst. ohne Zwiſchentitel das mit 595, 1605 und 1250 Franes gezahlt. Wäre es im Hinblick auf das früher Geſagte nicht möglich, dass dieſe Ausgabe die erſte, die vorige dagegen, welche von mehreren Bibliographen in das erſte Decennium des XVI. Jahrhunderts verfetzt wird, die zweite wäre? III. Le Myroir de Phebus des deduictz de la chasse aux bestes saulvaiges et des oyseaulx de proye avec l’art de Fauconnerie et la cure des bestes et oyseaulx a cela pro- pice. On les vent a Paris par Philippe Le Noir libraire demourant en la rue Saint- Jacques a lenseigne de la Rose blanche cou- ronnée. Am Ende: Cy finist Phebus des de- duictz de la chasse nouuellement imprime a Paris par Philippe Le Noir libraire et l'ung des deux relieux jures en l’Universite de Paris, demourant a la rue Saint-Jacques a lenseigne da la Rose blanche couronnde. XV. (1515) Klein 4, 78 Blatt à zwei Colonnen, goth. IV. Id. op. ibid. 1520. Dieſe von Le Ver- rier de la Conterie und den Brüdern Lallemant genannte Ausgabe iſt mir nicht bekannt; nach Einigen iſt ihr Beſtehen zweifelhaft, Lavallee vermuthet, daſs ſie identisch mit der vorigen und nur mit neuem Schluſs- und Titelblatt verſehen ſei. ö V. La chasse de Gaston Phoebus Comte de Foix, Envoyée par lui à Messire Philippe de France, Duc de Bourgogne, Collationé sur un manuscrit ayant appartenu a Jean I. de Foix, Avec des notes et la vie de Gaston Phoebus Par Joseph Lavallde. Paris 185%. Gr.⸗8“, LO und 284 p. Dieſe Ausgabe zeichnet ſich durch ihre vortreffliche Einleitung, durch ſorgſame kritiſche Behandlung und einen reichen, gut redigirten Commentar aus. Leider iſt jedoch ihre Ausſtattung eine nichts weniger als glän— zende zu nennen, was namentlich von den ver— unſtaltenden Holzſchnitten gilt.. Vgl. a. Prieres de Gaston Phoebus, lat., Ms. der Bibl. nat. prov. de Neuilly, Nr. 7097. — Chronique de Saint Denis. — Jean Froiſ— ſart, Chronique de France. — M. Gaucherand, Histoire de Gaston Phoebus. — Nunez de Villazan, Chronique d’Alphonse XI. — Me- moires sur l’ancienne chevalerie, de la Curne de Ste. Palaye. — Nouvelle Biographie gene- rale. Paris 1857, Tome 18, p. 43 ff. — Bio- graphie universelle. Paris 1856, Tome 14, p. 283 ff. E. v. D. Folge, die, das Nachhängen auf der Roth— fährte eines angeſchweißten Wildes oder im jagdrechtlichen Sinne das Recht, einem im eigenen Revier angeſchweißten Stücke auch über die Grenze in Nachbarreviere folgen zu dürfen Vgl. Jagd-, Nach-, Wildfolge, Nacheile; Folg— Feiſch⸗, Schweißſchnur; Nachſuche. Döbel, Ed. J. 1746, III., fol. 96. — Chr. W. v. Heppe, Wohl- red. Jäger, p. 127. — Winkell, Ed. J, 1805, I., p. 47. — Hartig, Anltg. z. Wmſpr., 1809, p. 106; 26. f. Jäger, Ed. I, 1812, I., p. 38; Lexik., Ed. I, 1836, p. 268; Ed. II, 1861, p. 298. — Behlen, Wmſpr., 1829, p. 59; Real- u. Verb.⸗Lexik. II., p. 422. — Die Hohe Jagd, Ulm 1846, J., p. 358. — Grimm, D. Wb. III., p. 1871. — Sanders, Wb. I., p. 475 c. E. v. D. 40 Folgeſchnur. — Forelle. Jolgeſchnur, die, ſ. v. w. Feiſch- oder Schweißſchnur, ſ. d. „Folg- oder Faiſch— ſchnur, iſt diejenige, welche der Jäger, unter oder über dem Hüfthorn, an dem Feſſel als eine Zierde mit angebunden hat. Viele Jäger tragen dieſe Schnur annoch, wiſſen aber nicht warum, und halten es vor eine Zierde; allein es iſt ſicher, daſs in alten Zeiten durch dieſe Schnur, die eine gewiſſe Länge ausmachet, die Folge beobachtet worden, ſo weit nämlich eine ſolche Schnur über die Grenze einreichte, hatte er ohne Anfrag die Folge. Dieſe Gewohnheit iſt aber hernach, wegen vorgefallenen Exceſſen abgeſtellet worden, doch wird zum Andenken und ſonderheitlich hier zu Lande (Bayern) die Faiſchſchnur noch am Hornfeſſel getragen.“ Chr. W. v. Heppe, Wohlred. Jäger, p. 128. — Fehlt in allen Wbn. E. v. D. Folliculus, gleichbedeutend mit Cocon(ſ. d.). Hſchl. Joraminiſeren ſind theils nackte, theils beſchalte Rhizopoden. Die Schalen der letzteren beſtehen faſt durchgehends aus Kalk und ſind nur bei einigen Arten von ſandigkieſeliger oder chitinöſer Beſchaffenheit. Die Foraminiferen mit kalkiger Schale beanſpruchen in geologiſcher Beziehung das größte Intereſſe. Ihre Schale iſt meiſt ſehr klein, oft überaus zierlich gebaut, frei, nicht aufgewachſen. Sie iſt entweder von mehr oder weniger zahlreichen Poren durch— bohrt und dann treten durch eben dieſe Poren die Wurzelfüßchen der Thiere heraus, oder ſie beſitzt nur eine Hauptöffnung, welche die Ver— bindung des Individuums mit der Außenwelt geſtattet. Die Schale iſt entweder eine ein— fache, gewöhnlich mit einer großen Offnung verſehene Kammer oder ſie iſt vielkammerig, d. h. aus zahlreichen regelmäßig angeordneten Kammern zuſammengeſetzt, deren Räume durch feine Gänge und größere Offnungen communi— cieren. In ſehr verſchiedenen Geſchlechtern und Arten bewohnen und bewohnten die Foramini— feren alle Meere in jo enormen Mengen, daſs wir in ihnen einen der wichtigſten Factoren zur Bildung vieler Kalkſteine zoogenen Ur— ſprungs zu erkennen haben. Gewaltige Areale des Bodens faſt aller Oceane bis zu einer Tiefe von 5300 m werden heute von Foramini— feren bevölkert und von deren abſterbenden Generationen in mächtigen Schlammſchichten überdeckt. Auf dem Grunde des nördlichen Atlantiſchen Oceans findet ſich Foraminiferen— ſchlamm, der aus 85%, kalkigen Foraminiferen— ſchalen beſteht und ſich von Irland bis Neu— fundland auf einer Erſtreckung von mehr als 350 Meilen ausdehnt; er verdankt ſeine Ent— ſtehung vornehmlich den Gattungen Globigerina (Globigerinenſchlamm), Textularia, Orbulina, Biloculina und Criſtellaria. Und ebenſo hatten die Foraminiferen in der Vorzeit eine weite Verbreitung. Ja ihre geſteinbildende Thätigkeit übertraf an Wichtigkeit vielleicht noch die der lebenden Arten. Ganz beſonders iſt das Num— mulitengeſchlecht, zu dem die größten bekannten Foraminiferen gehören, welche mächtigen Schich— tencomplexen Entſtehung gaben. Gewöhnlich formt es dichte, zähe, graue, helle oder rothe Kalkſteine, und nur dann eigentliche Sand— ſteine, wenn ſeine Schalen durch Sand ver— kittet zuſammengehalten werden. In einer nur wenig unterbrochenen Zone ziehen ſich z. B. Felſen, die zum Theile lediglich aus linſen— bis thalergroßen Nummulitenſchalen beſtehen, von Spanien und Marokko aus, diesſeits und jenſeits des mittelländiſchen Beckens, durch das ganze Gebiet der Alpen und Karpathen, durch die Apenninen, Griechenland und die Türkei, durch Agypten und Kleinaſien, durch Perſien und Oſeindien bis nach China und Japan hin, überall theilnehmend an dem Bau der Gebirge dieſer Länder und mitunter zu Höhen von über 3000 m über den Meeresſpiegel gehoben. v. O. Forceps, Zangen, Haftzangen, zangen— förmige Analanhänge mancher Inſecten (3. B. beim bekannten Ohrwurm). oſchl. Jorchel, Forcheln, ſ. Forkel, Forkeln. E. v. D. Forcieren, ſ. Gallicismen. E. v. D. Fordern, verb. trans., ſ. v. w. auffordern, ſ. d. u. vgl. an-, auflaufen, anrufen, anſchreien; ſelten. „Schlechte Bachen und Friſchlinge aber werden aufs Couteau de chasse oder den Hirſchfänger gefordert, und im Anlaufen damit abgefangen.“ C. v. Heppe, Aufr. Lehr⸗ prinz, p. 54. — Fehlt in allen Wbn. E. v. D. Före, ſ. Forelle und Lachsforelle (2., nicht wandernde oder Seeforelle). cke. Jorelle (Salmo fario Linné; Syn.: Salmo alpinus, Gaimardi, saxatilis, trutta, Sa- lar Ausonii, dentex, genivittatus, obtusirostris, Trutta fario), auch Ferchen, Förchen, Före, Bach-, Berg-, Alpen-, Stein-, Wald-, Weiß⸗, Gold⸗, Lachs⸗, Schwarz- und Teichforelle. Böhm.: pstruh; poln.: pstrag; ungar.: piszträng; krain.: posteru, posterva; dalmat.: pastrova; ruſſ.: forelj; ital.: trota, trutta, torrentina; engl.: common trout; frz.: truite. Ein Fiſch der Gattung Lachs (Salmo Linné, ſ. d.) und der Familie der lachsartigen Fiſche (ſ. Lachs) [Salmonidae ſ. Syſtem der Ichthyologiel. Der ſehr gedrungene, ſeitlich zuſammengedrückte Leib iſt 4—5mal jo lang als hoch und etwa zwei— mal ſo hoch als dick. Der große, dicke Kopf hat eine kurze abgeſtumpfte Schnauze mit großem, endſtändigem Maule, welches bis unter den hinteren Augenrand geſpalten iſt. In beiden Kiefern, auf der Zunge, den Gaumenbeinen und dem Pflugſcharbein oder Vomer ſtehen ſtarke und ſpitze Zähne. Das Pflugſcharbein hat eine nach vorne zugeſpitzte, dreieckige Vorderplatte mit 4—6 in einer Querreihe ſitzenden, ſtarken Zähnen und einen langen Stil mit zwei Reihen abwechſelnd ſtehender Zähne, welche das ganze Leben hindurch er— halten bleiben. Die Schuppen ſind klein und rund; in der Seitenlinie ſtehen 100 —120. Die vor der Mitte der Totallänge ſtehende Rückenfloſſe enthält 3—4 ungetheilte und 7—10 getheilte Strahlen, die Afterfloſſe 3 —4, bezw. 7—9. Die unter der Mitte der Rückenfloſſe ſtehenden Bauch- floſſen enthalten je 1 ungetheilten und 8 getheilte Strahlen, die Bruſtfloſſen 1, bezw. 12—13, die Schwanzfloſſe meiſt 17 getheilte Strahlen und oben und unten eine Anzahl ungetheilter. Alle Floſſen find dick und abgerundet, die Schwanz— Forelle. 41 floſſe hinten ſchwach ausgebuchtet oder gerade abgeſchnitten, nur in der Jugend tiefer gegabelt. Die kleine Fettfloſſe auf dem Schwanzrücken ſteht über dem Ende der Afterfloſſe. Am An— fang des Darmes ſtehen 30 bis über 50 Pfört— neranhänge. Die Männchen erhalten zur Laich— zeit eine ſchwartige Verdickung der Haut und Anſchwellung der Floſſen; bei ganz alten ent— wickelt ſich nicht ſelten eine hakenförmige An— ſchwellung des Unterkiefers. Die ganze Körper— form der Forelle, auch die Stärke und Zahl der Zähne variiert nach Alter, Geſchlecht, Auf— enthaltsort und Ernährungszuſtand außer— ordentlich; viele Spielarten ſind daher als eigene Arten beſchrieben worden In noch höherem Grade iſt dasſelbe der Fall mit der Färbung, für welche ſich kaum eine allge— meine Beſchreibung geben läſst; ſie hängt größtentheils von der Färbung und Beſchaffen— heit des Waſſers und der Umgebung ab, in welcher die Forelle lebt. Von nahe verwandten Arten unterſcheidet ſie namentlich der meſſing— gelbe Glanz der Seiten, der nur jelten ins Silberweiße übergeht. Der Rücken iſt meiſt dunkelgrün und wie die Seiten in der Regel mit verſchieden großen, ſchwarzen oder rothen, oft Xförmigen und bläulich umrandeten Flecken geziert. Beſonders glänzend und ſchön iſt die Forelle in klaren, ſchnellfließenden Gebirgs— bächen, dunkler, oft ganz ſchwarz in ſtark be— ſchatteten oder moorigen Gewäſſern. Die Größe iſt ebenfalls außerordentlich verſchieden. Ge— wöhnlich nur 20—30 em lang und / —1 kg ſchwer, kann die Forelle unter außergewöhn— lich günſtigen Umſtänden, namentlich in Seen oder wenn ſie in Teichen gezüchtet und gemäſtet wird, ſogar 10—25 kg ſchwer werden; ſie wird dann meiſtens Lachsforelle genannt. Die Forelle bewohnt die ſüßen Gewäſſer faſt ganz Europas, vielleicht mit Ausnahme der pyrenäiſchen Halbinſel und des ſüdöſtlichen Theiles, wo ſie aber durch nahe verwandte Arten oder Abarten vertreten wird. Auch in Is— land kommt ſie vor, iſt aber im äußerſten Nor— den ſtets kleiner und ſchlanker. Ihre bevorzugten Aufenthaltsorte ſind klare, fließende Gewäſſer oder von Flüſſen durchſtrömte Seen und Teiche mit reinem, ſandigem oder ſteinigem Grunde, vor allem aber kleine, kühle, ſteinige Gebirgs— bäche mit ſchattigen Ufern, in denen ſie zu— ſammen mit der Groppe und Ellritze, oft aber auch als einziger Raubfiſch lebt. Sie findet ſich daher vorzugsweiſe in gebirgigen Gegenden, iſt jedoch auch in der Ebene nicht ſelten, wenn die— ſelbe, wie im Oſten und Norden Deutſchlands, hügelig iſt und ſchnellerfließende Bäche beſitzt. An der Oſtſeeküſte iſt die Forelle gelegentlich auch im Meere anzutreffen. Ihrer Lebensweiſe nach iſt die Forelle als ein einſam lebender Raub— fiſch zu bezeichnen. Des Tages hält ſie ſich meiſtens in Uferhöhlen oder zwiſchen Steinen verſteckt und ſchweift erſt in der Dämmerung und des Nachts umher; ſie wandert nicht, ſon— dern bleibt das ganze Jahr in einem kleinem Revier, in dem 15 gegen ihresgleichen ſehr un⸗ verträglich iſt. Die Forelle iſt äußerſt unge— ſtüm im Angriff auf ihre Beute und außer⸗ ordentlich gefräßig, ſelbſt zur Laichzeit, in welcher die meiſten wandernden lachsartigen Fiſche nichts freſſen. Kleine Fiſche, namentlich Gründlinge, Weißfiſche und Ellritzen, ferner Tritonen, Krebſe, Inſectenlarven, namentlich die der Köcherfliegen, der Laich des Lachſes und ihre eigenen Artgenoſſen bilden ihre Haupt— nahrung. Fliegende Inſecten fängt ſie durch Herausſpringen aus dem Waſſer; ſie ſcheinen ihre liebſte Speiſe zu ſein und ihr Fleiſch am wohlſchmeckendſten zu machen, weshalb auch letzteres zur Flugzeit der Waſſerinſecten, vom Mai bis September, am meiſten geſchätzt iſt. Die Laichzeit fällt in die „Monate Oe⸗ tober bis Januar, oft noch ſpäter. Das Weibchen ſucht dann in Begleitung einiger Mäunchen flache, kieſige Stellen auf, welche einem mäßigen Strom ausgeſetzt ſind, wühlt mit Schnauze und Schwanzfloſſe kleine Gruben und legt in dieſe ihre 4—5 mm großen, gelblichen oder röthlichen Eier ab, welche dann ſogleich vom Männchen befruchtet und nachher mit Kies theilweiſe bedeckt werden. Die Zahl der Eier iſt nach der Größe und dem Alter des Weibchens verſchieden; bei zwei— jährigen beträgt ſie 200 — 500, bei dreijährigen 500-1000, ſpäter bis zu 2000. Die erſt im Frühjahre ausſchlüpfenden, anfangs ganz durch— ſichtigen Jungen find etwa 15mm lang, haben aber noch einen großen Dotterſack, der erſt nach etwa ſechs Wochen, bei einer Länge des Fiſches von 25 mm ſchwindet. Statt der ſenk— rechten Floſſen it ein einziger continuierlicher, vom Nacken bis zum After ziehender und von ſehr feinen Fäden geſtützter Floſſenſaum vorhanden. Je nach der Menge a Nahrung erreichen ſie im erſten Jahre eine X Länge von 100-150 mm, ſie ſind ſtets mit dunklen Quer— binden verſehen. Das Fleiſch der Forelle iſt äußerſt wohl— ſchmeckend, am beſten vom April bis Septem— ber. Je nach der Art des Gewäſſers hat es eine weiße, gelbe oder rothe Farbe. Am meiſten ge— ſchätzt iſt das Fleiſch ſteriler Forellen, deren Roggen und Milch niemals reif werden; man erkennt ſie an dem kleinen Kopf und dem ſehr dicken und feiſten Körper. Der überall fühlbaren Abnahme der Forellen in den Gewäſſern wird jetzt bekanntlich ſehr energiſch und mit gutem Erfolge durch die Ab— grenzung von Laichſchonrevieren und durch das maſſenhafte Ausſetzen künſtlich erzogener Brut entgegengewirkt. Auch werden Forellen vielfach in Teichen gemäſtet, wozu ſie vorzüglich geeignet ſind. Hierüber und über den Fang vgl. die betreffenden beſonderen Artikel. Durch Befruchtung von Lachseiern und Saiblingseiern mit Bachforellenmilch hat man neuerdings Baſtarde erzielt, von denen nament— lich die zwiſchen Saiblingen und Forellen ſehr gerühmt werden, weil ſie ſchnellwüchſiger ſein ſollen als reine Saiblinge und Forellen. Aus Californien hat man in den letzten Jahren die Regenbogenforelle (Salmo irideus), ſo ge— nannt wegen. eines regenbogenfarbigen Strei— fens an der Seite, nach Deutſchland eingeführt: ſie ſoll ſehr ſchnellwüchſig ſein. Andererſeits iſt unſere Forelle nach Nordamerika importiert worden. Hcke. — 19 Jorellengranulit iſt eine Granulitvarietät, die Hornblendenädelchen in putzenförmigen Aggregaten führt. v. O. Jorellenregion nennt man in der Fiſch— kunde diejenigen Abſchnitte von Quellbächen und kleineren Flüſſen, für welche das Vorkom— men der Forelle (Salmo fario, ſ. d.) bezeichnend iſt. Dieſe Region umfaſst die unmittelbar auf die Quellen folgenden ſeichten Bachpartien mit ſtarkem Gefälle, ſtarker Strömung und ſteini— gem oder felſigem Grunde. Sonſtige charakte— riſtiſche Fiſche der Forellenregion ſind die Ellritze (1. d.), die Groppe (ſ. d.) und die Schmerle (ſ. d.); etwas weiter entfernt von den Quellen, an waſſerreicheren Stellen, namentlich der Döbel (ſ. d.) und die Naſe (s. d.). „Auf die Forellen— region folgt thalwärts die Aſchenregion (f. d.). Hcke. Forellenftein, eine Gabbrovarietät, be— ſteht aus einem Aggregat von Anorthit und größtentheils zu Serpentin umgewandeltem Olivin; bei Volpersdorf, Harzburg, Drammen antſtehend. a v. O. Forfieulina, Ohrlinge, Ohrwürmer, eine Familie der Inſectenordnung Orthoptera (Gymnognatha), Geradflügler (Kaukerfe, Helmkerfe): Mundtheile mit feſten Mandibeln; Füße z3gliedrig, bekrallt; Flügel ungleichartig; Hinterflügel mit Hinterfeld (area postica) um vieles breiter als die Vorderflügel, fächerartig zuſammenlegbar; die letzteren kurz, viereckig, in einer Naht zuſammenſtoßend; Hinterleib ge— ſtreckt, hringig, nach hinten meiſt etwas ver— breitert; Hinterleibsende mit Zangen bewehrt, welche für die Charakteriſtik der Art verwertet wird. — Die Forficulinen bilden eine eigene kleine Orthopterengruppe: Fächerflügler, Dermaptera (Euplexoptera) mit etwa ein— halbdutzend Arten, darunter Forfieula auricu— laria, gemeiner Ohrwurm, der häufigſte. Für den Forſtwirt ſind die Arten ohne Be— deutung; wohl aber iſt ihnen für Gemüſe- und Weinbau ſowie für die Obfteultur eine ſolche nicht abzuſprechen; nicht minder nachtheilig können ſie dem Körnerbau (Getreide, Mais) werden, deren unreife, noch milchige Körner ſie ausfreſſen und zerſtören. Schon frühzeitig im Frühjahre werden die wenigen, bis 20 Eier in ſicherem Verſteck abgelegt; nach etwa drei Wochen erſcheinen die kleinen, der Imago ähn— lichen, öbeinigen, von dem Mutterthiere be— wachten Larven; dieſe beſtehen mehrfache Häu— tungen und werden bis zum Herbſte zur ge— ſchlechtsreifen Imago. Hſchl. Forgel, forgeln, ſ. Forkel, forkeln. E. v. D. Forkel, die, richtiger wäre Furkel, da das Wort vom lat. furca — Heugabel, ahd. furkula, mhd. furke, abgeleitet iſt, ma. auch Forchel, Forgel, Forckel, Furchel, Furckel, Gabel— ſtange zum Stellen der Jagdzeuge; local auch Stellſtange, Stiftel, Stiefel; bezüglich der Herſtellung und Verwendung ſ. Jagdzeuge. — „Furckel] do mit man die netze jtellt| amis | ames,” Vocabularius lat.-teuton., s. I. 1482, fol. 16r, 18v. — „Eine Forckel iſt eine Stange darauff die Tücher und anderer Jagd— Zeug auff geſtellet wird | an theils Orten nen— nen Sie es auch eine Stiffel.“ Täntzer, Ed. I, Forellengranulit. — Forkeln. Kopenhagen 1682, I., fol. 11. — „Vor zwölf Furckeln von Dannenholtz mit eiſernen Hacken 2 Thlr.... Fleming, T. J., Ed. I, Ra fol. 215, 218, 222. — „Die Ober⸗ und Unter⸗ leinen werden auch nicht ſo gar ſcharf ange— zogen, damit es auch nicht ſo ſchwer und alſo geſchwinder auf die Furckeln zu heben ſey.“ „Furchel.“ Döbel, Ed. I. 1746, II., fol. 39, 32. — „Forcheln, Forkeln, auch Furcheln benennt; dieſes ſind die Stellſtangen, welche bei Sau-, Wolfs- und Haaſen-Garnen gebraucht werden.“ Chr. W. v. Heppe, Wohlred. Jäg er, p. 129. — „Forckeln, Forcheln, Furckeln, nennet man bey dem Jagdweſen gewieſſe Stan— gen, worauf die Netze, Tücher und andere Jagdzeuge aufgeſtellet werden.“ Onomat. forest. I., p. 888 — „Zu dieſen (Rehgarnen) ſowohl, als zu den vorhergehenden Saugarnen, ſind zu dem Aufſtellen derſelben Stellſtangen nöthig, die man auch Forkeln nennt.“ Mellin, Anwſg. 3. Anlage v. Wildbahnen, 1779, p. 239. — „Beim Gebrauche werden ſie (die Tagnetze) oben an der Leine ganz aus einander gezogen, und demnächſt auf Gabeln (Furkeln) ... auf- geſtellt.“ „Beyde, ſowohl die Tücher- als Feder— lappen, wie nicht minder die Netze, werden beym Gebrauch vermittelſt hölzerner Stäbe, Furcheln, die man in die Erde ſtößt, . . . auf- geſtellt.“ Jeſter, Kleine Jagd, Ed. J, 1797, III., p. 103; IV., p. 98. — J. Chr. Heppe, Jagdluſt, 1783, I., p. 108. — „Forkeln — jo werden die zu den Netzen gehörigen Stellſtangen ge— nannt...“ Winkell, Ed. I, 1805, I., p. 581. — „Forcheln heißen an einigen Orten die Stangen, die zur Aufſtellung der Jagdzeuge nöthig find.“ Hartig, Aultg. z. Wmſpr., 1809, p. 106; Lb. f. Jäger, Ed. 1, 1812, 1, p Lexik., Ed. II, 1861, p. 199. — „Forgeln.“ Behlen, Wmſpr., 1829, p. 58; Real- u. Verb.⸗ Lexik. II., p. 422, 759 (hier Furkel). — „For⸗ kel.“ Die Hohe Jagd, Ulm 1846, I., p. 358. — Grimm, D. Wb. III., p. 757. — Sanders, Wb. I., p. 2185 a. E. v. D. Forkeln, verb. trans., ſeltener gabeln oder ſchießen, mit dem Geweih ſtoßen und verwunden, von allen Gehörn- und Geweih— tragern; da das Wort wie Forkel von furca S Gabel abzuleiten iſt und ſomit eigentlich ſpießen, ſtechen bedeutet, iſt ſeine Anwendung auch für das Stoßen des Gemswildes nicht zutreffend.“ „Sich vor den Hund ſtellen heißet: wenn 3. E. ein ſehr forcierter Hirſch ſich nicht mehr auf ſeine Läufe, ſondern auf ſein Gehörn verläſſet, und nicht vom Platze weichet, was ihm zu nahe kommet abkämpfet, und hierbey manchen Hund, der ihm zu ſcharf iſt ſpießet, auch einen Jäger, der ſich nicht wohl verſiehet, forkelt, dajs er ſein Lebetage genug hat.“ C. v. Heppe, Aufr. Lehrprinz, p. 74. — „... Auch nennen einige das Spießen Forkeln.“ Chr. W. v. Heppe, Wohl- red. Jäger, p. 129. — „Wenn ein Hirſch mie dem Gehörne einem Thiere oder Menſchen eint Wunde beybringt, ſo ſagt man, der Hirſch oder der Menſch ſey geforckelt worden.“ Mellin, Anwſg. z. Anlage v. Wildbahnen, p. 132. — „Forkeln nennt man es, wenn ein Hirſch den Jäger, Hund, Pferd oder ſelbſt einen anderen Hirſch mit dem Gehörn ſpießt.“ Hartig, Anltg Form des Banmſchaftes. 43 z. Wmſpr., 1809, p. 106; Lb. f. Jäger, Ed. J, 1812, I., p. 38; Lexik., Ed. I. 1836, p. 188; Ed. II. 1861, p. 198. — „Forgeln, For— keln. . .“ Behlen, Wmſpr., 1829, p. 59; Real- u. Verb.⸗Lexik. II., p. 422; VI., p. 233. — Die Hohe Jagd, Ulm 1846, I., p. 358. — „Große Hunde packen zu ſchnell und werden dann leicht vom Hirſche geforkelt.“ R. R. v. Dombrowski, Edelwild, p. 122. — „Während der Brunftzeit kämpfen ſtarke (Gems-) Böcke mit einander, und wenn ſie ſich mit den Kri— keln Verletzungen beibringen, jo forkeln ſie.“ Keller, Die Gemſe, p. 496. — Grimm, D. Wb. III., p. 1897. — Sanders, Wb. I., p. 479 b. E. v. D. Form des Vaumſchaftes. Von der Form s Baumes als ſolchen kann wohl im Sinne Fig. 354. Typen der Stammform. der Holzmeſskunde niemals geſprochen werden, wohl aber von der Form einzelner Theile des— ſelben, u. zw. in erſter Reihe von der Form des Baumſchaftes oder Stammes; und ſelbſt bei dieſem wichtigſten Beſtandtheile des Wald— baumes unterſcheiden ſich, wie weiter unten ge— zeigt wird, einzelne Abſchnitte desſelben in ihrer Geſtalt ſehr weſentlich von einander. Auch bieten einzelne Aſtpartien Körper von ſtereo— metriſcher Form dar. Denken wir uns den Baum von allem Aſt— werk befreit, ſo erhalten wir in dem ganzen übrigbleibenden ſichtbaren (oberirdiſchen) Theil den Baumſchaft oder Stamm. Bei der Fällung des Baumes geſchieht jedoch der Abhieb (Ab— ſchnitt) nicht unmittelbar am Erdboden, ſondern, je nach Umſtänden, in einer Höhe von 20—30 cm (wohl auch darüber), und iſt ſohin in der Regel unter Schaſt jener Theil des Stammes verſtanden, der auf der Abhiebsfläche aufſteht. Die Verbindungslinie des Mittelpunktes der Q merdnachſchnitesfläche am Stammrande mit dem Wipfelpunkte heißt die Achſe des Stam— mes, dns wird durch dieſe eine ſchneidende Ebene hindurchgelegt gedacht, ſo ſtellt der Schnitt dieſer Ebene mit der Oberfläche des Schaftes die Schafteurve vor. Die Form dieſer Curve be— dingt die Form des Stammes, da ja letzterer durch Rotation der Schafteurve um die Stamm— achſe eutſtanden gedacht werden kann. Nimmt man nun an, daſs die Stämme alle Zwiſchenformen, die innerhalb des Cylin— ders und des Neiloides liegen, anzunehmen vermögen, ſo gilt im allgemeinen N P le als Gleichung der Stammceurve; denn wird für m in 1. der Reihe nach 0, 1, 2, 3 geſetzt, jo reſultieren die Gleichungen 5 = p, YSpx, y. px und p d. h. die erſte Gleichung ent— ſpricht zwei zu beiden Seiten der Achſe zu dieſer in gleichen Entfernungen (+ V5) parallel gehenden Geraden, durch deren Rotation der Cylinder entſtan— den gedacht werden kann; die zweite Gleichung iſt die der Apolloniſchen Parabel, durch deren Umdrehung das Parabo— loid entſteht; y» px? ent⸗ ſpricht zwei Geraden, die von einem gemeinſchaftlichen Punkte der Achſe ausgehen und zur letzteren ſymmetriſch liegen. Die Umdrehung dieſer Geraden um die Achſe gibt den gemei— nen Kegel, und ſchließlich iſt y px die Gleichung der Neil'ſchen (ſemikubiſchen) Pa— rabel (Evolute der Apolloniſchen Parabel), durch deren Rotation das Neil'ſche Paraboloid (Nei— loid) entſteht. Cylinder, Para— boloid, Kegel und Neiloid ſind gewiſſermaßen die Typen für die Form der Stämme. Figur 334 verſinnlicht dieſelben in einfachen Strichen. Werden in die allgemeine Gleichung! auch alle Zwiſchenwerte, die innerhalb der Grenzen 0 und 1, 1 und 2, 2 und 3 liegen, ſubſtituiert gedacht, ſo reſultieren daraus die Gleichungen der Schafteurven für alle Zwiſchengeſtalten innerhalb der Typen Cylinder und Paraboloid, Paraboloid und gemeiner Kegel, Kegel und Nei⸗ loid, die alle nach dem Geſetze der Stammeurven— gleichung Y » px” gebildet ſind. Dieſe ſonſt einfache Gleichung begründet, wie man ſieht, eine ſolche Mannigfaltigkeit von Geſtalten, daſs die Möglichkeit, hiedurch, wenn 44 Form des Baumſchaftes. auch nicht immer ganze Baumſchäfte, ſo doch einzelne Partien derſelben in ihrer Form, wohl auch für wiſſenſchaftliche Zwecke genau genug zu beſtimmen, begreiflich erſcheint. Den vorangehenden Ausführungen iſt zu entnehmen, daſs die Form der Schafteurve und ſohin auch jene des Stammes ausſchließlich von dem Exponenten der Abſeiſſe (x) abhängig iſt, weshalb dieſe Zahl mit Fug und Recht die Bezeichnung „Formexponent“ verdient. Kennt man den Formexponenten eines nach dieſem Geſetze geſtalteten Körpers, ſo ſind wir über des letzteren Form ganz im Klaren, da dieſe ein— fache Zahl mit Beſtimmtheit angibt, innerhalb welcher typiſcher Geſtalten ae Bara- boloid, Kegel und Neiloid) der fragliche Kör— per liegt und inwieweit er ſich der einen oder der anderen bekannten Form nähert. Die Form des Stammes wird in der Praxis auch nach dem mehr oder minder raſchen Sinken des Schaftdurchmeſſers gegen obenhin beurtheilt (j. abholzig). Denken wir uns oben zwei auf ſelber Baſis aufſtehende gemeinkegel— förmige Stämme von ſehr verſchiedener Höhe, ſo wird wahrſcheinlich der niedrige Stamm als „abholzig, der ſehr hohe aber als „vollholzig“ angeſprochen werden, obwohl beide in ihrer ſtereometriſchen Form vollkommen übereinſtim— men, weshalb dieſe Art der Formſchätzung nur jr untergeordnete Zwecke zuläſſig erſcheint. Es wurde weiter oben dargethan, daſs der Formexponent eine Zahl iſt, welche die Form eines Schaftſtückes in einer Weiſe ausdrückt, wie dies vollkommener von einer Zahl nicht er— wartet werden kann; daſs die gebräuchlichen in Hinſicht auf Formbeſtimmung nur wenig, unter Umſtänden gar nichts leiſten, und mujs daher dem Formexponenten eine umſo größere Beachtung zugewendet werden. Die Berechnung des Formexponenten für irgend eine Partie des Schaftes iſt übrigens eine ziemlich einfache; denn ſind x, und x, (Fig. 355) die Entfernungen, in 71 N e . ! 9 2 55 =(,.); logarithmiſch aufgelöst m (log xi — logx,)—=2 (log y, — log ye), log yı — log ye woraus m 2 .) erhalten log x. — log x. wird. Gehört der Durchmeſſer y, der Querfläche G, der Durchmeſſer ye aber der Querfläche g 1, jo beſteht die Gleichung I. = = „daher 8 — log yz) = 10g G — 10g g und wir er⸗ halten ſonach auch log G logg = — — 2) log xi — log x- Beiſpiel: Wäre x, = 30˙1 m, 1½ As, y,=3T8cm und ye = 277 em. jo würde nach einfacher Rechnung unter Zuhilfenahme der Formel 4) m = 0'977 betragen, das fragliche Schaftſtück würde alſo ſehr nahe die Form eines Paraboloidſtutzes beſizen und nur ein ganz wenig darüber ſtehen ). Dadurch, daſs man den ganzen Schaft je nach ſeiner Länge oder je nach dem verlangten Genauigkeitsgrade in zwei, drei, vier und mehr Sectionen theilt und für jede den Formexpo— nenten beſtimmt, bekommt man ein vollkommen klares Bild auch über die Form des ganzen Schaftes. Wir hatten an einem 37 m langen Schaft— ſtücke die Unterſuchung bezüglich des Formexpo— nenten m derart vorgenommen, daſs dabei das 29 m lange Wipfelſtück außer Beachtung blieb, von da ab am Schafte 18 gleichlange (1˙6 m) Sectionen aufgetragen und für dieſe ſämmt— lichen Theile die Formexponenten berechnet; das unterſte Stück des Stammes (5˙3 m) blieb un⸗ unterſucht. Wir laſſen hier die Reſultate der Meſſung und Berechnung folgen, wollen jedoch, um Miſsverſtändniſſen aus dem Wege zu gehen, noch einige Bemerkungen voranſetzen. Die ſämmtlichen Erzeugenden (Schafteur— ven), denen die 1˙6 m langen (und über— haupt die) Schaftſtücke angehören, haben ihren welchen die das fragliche Schaftſtück begrenzen— den Querflächen liegen, und ſind die Durch— meſſer der letzteren durch y, und y, beſtimmt, jo iſt klar, daſs die Gleichungen ( u ) px“ und (A) rn ihre Berechtigung haben. Durch Diviſion dieſer Gleichungen ergibt ſich aber 5 =, 92 oder 55 I und 2E deshalb, weil die Ordinaten von der Abſeiſſenachſe zu rechnen ſind und daher die Radien des Stammes bedeuten. Scheitelpunkt im Wip- J fel des Stammes. Die Abſeiſſen (x) ſind die Entfernungen, in wel— chen vom Wipfel aus die Meſſung der be— treffenden Durchmeſſer geſchah. Es wäre von großer Wichtigkeit, zu wiſſen, wie der Formexponent an den verſchiedenen Stammindividuen wechſelt, und ob er häufig in ſo ſtark differierenden Werten auftritt, wie in dem von uns unterſuchten Falle, da erſt hiedurch die Zuläſſigkeit der oder jener Kubie— rungsmethode der Schäfte mit Klarheit erkannt werden würde. Allerdings müſste da, um Verläſsliches zu *) Für die Berechnung des m am Wipfelſtücke müſste allenfalls das x, = Im genommen und hier das uz gemeſſen werden, die Formel würde dann, wie begreiflich log y. — log ya m=?2 log xi lauten: Formaldehyd. — Formationen. 45 ſchaffen, die Meſſung mit einer Millimeter— kluppe und unter ſonſtigen gebotenen Vorſichten, am beſten durch genaue Ermittlung der Quer— flächen an den entſprechenden Stammſcheiben ge— ſchehen. Wie der folgenden Zuſammenſtellung zu entnehmen iſt, haben wir auch das ganze Schaft— ſtück in ſechs, drei und zwei Sectionen getheilt und für jede den Formexponenten berechnet. Zuſammenſtellung der Formexponenten „m eines Schaftſtückes für 1˙6 m, 4˙8 m, 9˙6 m, und 144m lange Sectiouen. “u = y Formexponent — X Durch 5 3 7 I. 1 m für | m für | m für | m für 8 in m meſſer 18 Sec⸗ 6 See⸗ | 3 Sec⸗ 2 Sec⸗ in cm ſtionen tionen tionen | tionen 0 I 29 7˙6 : 1 45 11˙2 [1765 2 64 15˙9 2˙304 | 1510 3 77| 194 [1708 9 # | 93| 217 4.487% 1.619 5 14109] 232 | 0'842 1014 1496 6 12˙6 24˙8 0•974 7 114˙1 261 | 0848 8145271277 11°407|} vs 9 173 289 |0-874 |! 97806 40 118˙9J 29˙7 0617 44 120·˙5 30:6 | 0735| ) 0025 | 12 1221| 312 0-170 413 1237 | 321 | 0814 14 12531 334 |1°215 zu 0'998 15 [26:9 | 348 4.3390 20 46 28˙5 36°4 [1•558 2 47 1301 | 37:8 | 1'382 | 1418 18 131˙7J 394 11'306 ; Dem ganzen Schaftſtück entſprach m — 1'309. Da der Formexponent m So dem Cylin— der (Walze), m 1 dem Paraboloid, m S2 dem gemeinen Kegel und m Ss dem Neiloid entſpricht, ſo könnten für die Zwiſchenſtufen folgende Bezeichnungen eingeführt werden, u. zw.: für Schäfte, deren m = (0 bis 0:5 „unterwalzig“ m—=05 „ 1:0 „überparaboloidiſch“, m = 10 „ 1'5 „unterparaboloidiſch“, m=45 „ 20 „überkoniſch“, m=20 „ 25 „unterkoniſch“, m = 2˙5 „ 3˙0 „überneiloidiſch“. So wären in der vorliegenden Tabelle die Sectionen 5, 6, 7, 9, 10, 14, 12, 13 überpara- boloidiſch, 4, 8, 14, 15, 17 unterparaboloidiſch, 1, 3, 16 überkoniſch und 2 unterkoniſch. Lr. Formaldehyd (Methylaldehyd), CHO, wird dargeſtellt, indem man Methylalkoholdampf mit Luft über glühenden platinierten Asbeſt leitet, das Product im Waſſerbade erhitzt und in einem durch Eis gekühlten Kolben auffängt. Außerdem entſteht es durch Erhitzen von ameiſenſaurem oder oxyeſſigſaurem Kalk, auch durch Behandeln von Methylenjodid mit Silber— oxyd. Farbloſes, ſtechend riechendes Gas, deſſen Löſung an der Luft Ameiſenſäure gibt, mit ammoniakaliſchem Silbernitrat einen Silber— ſpiegel, mit verdünnter Natronlauge Ameiſen— ſäure und Methylalkohol. Das Formaldehyd hat große Neigung ſich zu polpmeriſieren und in Paraformaldehyd (Dioxymethylen), C,H,O,, von dreimal jo hohem Molecularge— wicht, zu verwandeln. v. Gn. Formationen und Altersfolge der— ſelben. Unter einer geologiſchen Formation (für Formation iſt auch der Ausdruck Syſtem üblich und wird in neuerer Zeit immer ge— bräuchlicher) verſteht man die Geſammtheit von gleichzeitig, in derſelben Periode der Erdent— wicklung abgelagerten Geſteinſchichten. Die Zu— ſammengehörigkeit der Geſteinſchichten iſt vor— nehmlich durch ihren paläontologiſchen Charakter, d. i. durch die in ihnen enthaltenen Reſte von organiſchen Weſen (Leitfoſſilien) gekennzeichnet. Nur da, wo (wie in den älteſten Schichten) dieſe Reſte fehlen, muſs die Gleichalterigkeit der Schichten — ihre Zuſamenfaſſung zu einer Formation — theils aus ihrer mineralogiſchen Beſchaffenheit, theils aus ihren Lagerungsver— hältniſſen geſchloſſen werden. In ihrer Geſammtheit ſetzen die Formatio— nen die mächtige Schichtenreihe zuſammen, aus welcher die äußere Erdkruſte beſteht. Die älteſten Formationen ſind aus der Zerſtörung der urſprüng— lichen Erſtarrungskruſte der Erde (der Grund— oder Fundamentalformation [ſ. d ]), durch die Thätigkeit des urälteſten Meeres hervorgegangen und haben ihrerſeits wieder das Material zur Bildung aller folgenden Formationen geliefert. Die Verſchiedenheit im paläontologiſchen Charakter der Formationen, von welchen die oberen nur bei normaler Lagerung als die ſpäter abgelagerten, jüngeren zu betrachten ſind, tritt im allgemeinen dadurch deutlich her— vor, daſs ganze Abtheilungen von Thieren und Pflanzen während der Bildung einer jeden Formation nach und nach ausſtarben oder ſich neu entwickelten. Der Habitus der Faunen und Floren iſt in den älteſten Forma— tionen am verſchiedenſten von dem der jetzt lebenden; er nähert ſich mehr und mehr dem der letzteren, je jünger die Formationen ſind. In der Tertiärformation erſcheinen ſogar Gat— tungen (z. B. Lorbeer, Pappel, Ulme, Birke), welche mit jetzt lebenden übereinſtimmen, und ihre Zahl wächst mit den oberen Gliedern be— deutend. Auch ſehen wir, daſs in den älteſten Formationen die vollkommenſten Geſchöpfe — die Wirbelthiere — gar nicht vertreten ſind und daſs überhaupt erſt nach und nach die entwickelteren Thier⸗ und Pflanzenformen Bürger der Erde werden. Da an derſelben Stelle der Erde nicht zu allen Zeiten, nicht in ſtetiger Folge Sedimente zur Ablagerung ge— langten, ſo begegnet man auch nicht den ihrer Entſtehung nach zeitlich auf einander folgenden Formationen oder ihren Unterabtheilungen immer an demſelben Orte zugleich. Die Zuge— hörigkeit wird in ſolchen Fällen eben nach der Art der Verſteinerungsführung und auch nach der petrographiſchen Beſchaffenheit der Geſtein— ſchichten feſtgeſtellt werden müſſen. Auch dann, wenn die Schichten aus ihrer normalen (hori— zontalen) Lage durch ſeitlichen oder durch radiären, von unten nach oben wirkenden Druck nach einer Richtung gehoben, ſteil aufgerichtet oder gar ganz überkippt ſind, wird man ihr Alter aus ihren Foſſilien und ihrem Geſtein— material zu folgern haben. 46 Formationen. Überiicht der Formationen (Syſteme), welche jeit der Bildung der urſprünglichen Erſtarrungskruſte der Erde bis zur Jetztzeit zur Ablagerung gekommen ſind. Nach F. v. Hochſtetter. Erſtes Zeitalter: Die Urzeit der Erde. Die archäiſchen Perioden und Formationen. a) Gneisformation, Gneis, Ohne organifche Reſte. Hornblendegneis, Granulit, I. Periode Das Urgneis- Quarzit, kryſtalliniſcher Kalk und der gebirge. Graphit. zweifelhaften | Das Fryitalli- |) Glimmerſchieferforma- Die Graphite organiſchen Ur— Anfänge niſche oder (tion, Glimmerſchiefer, Horn— ſprunges. organifhen | Arſchiefer⸗ blendeſchiefer, Kalk, Quarzit. Lebens. gebirge. |.) Phyllitformation, Phyl— Spärliche Tange. lite, Quarzit, Kalke, Chlorit-, | Talk- und Graphitſchiefer. Zweites Zeitalter: Das Alterthum der Erde. Die paläozoiſchen Perioden und Formationen. | Vegetation fait ausſchließlich Tange, nur ſelten Lepidodendren und Calamiten. Thiere ſämmt⸗ lich wirbellos bis auf die ärm⸗ Die ſiluriſche N lichen Spuren der erſten Fiſche II. Periode mordialzone. 755 Formation ph u al im oberſten Silur. Zoantharia Trilobiten oder das ) nterfi Ir. rugosa und tabulata (Halysites, Cyſtideen ältere Über— c) Oberſilur. Calamopora); Graptolithen; von 1115 gangs- oder Grauwacken; Thonſchiefer, Quar- Crinoideen namentlich Cyſtideen; Graptolithen. Grauwacken- zite und Kalke, ſowie Grapto- von Brachiopoden Orthis, Stro- gebirge. lithen- und Alaunſchiefer. phomena, Pentamerus; von Nautileen Orthoceras, Cyrto- ceraàs, Gomphoceras; von Tri- lobiten Paradoxides, Olenus, Agnostus, Calymene. a) Unterdevon, rheiniſche Die erſten häufigeren Land— Grauwacke, Spiriferen-Sand- pflanzen u zw. Gefäſskryptoga⸗ ſtein. men; Deckelkorallen (Calceola), b) Mitteldevon, Stringo- überhaupt viel Zoantharia ru- cephalenkalk, Calceolaſchiefer, osa und tabulata; Brachiopo⸗ Eiflerkalk. den, namentlich Spirifer, Strin- c) Oberdevon, Kramenzelkalk, gocephalus, Goniatiten und Cly⸗ Goniatitenkalk, Cypridinen- menien. Neue Trilobitenfauna ſchiefer. (Phacops, Homalonotus). Im Alle drei local, jo in Schott- alten rothen Sandſteine zahl- land, vertreten durch den alten reiche Panzerganoidfiſche: Pte- rothen Sandſtein (Old Red Sand- richthys, Coccosteus, Cepha- stone). laspis. Die devoniſche III. Periode] Formation der oder das obere Panzerfiſche | Grauwacken— und erſten oder Über— Landpflanzen | gangsgebirge. Die Trilobiten erlöſchen; Fu⸗ ſulina; Maximum der Crinoi⸗ | deen, ſewohl Blaſtoideen, wie IV. Periode a) Subcarbonijhe Forma- fechten Crinoideen (Pentatremites, der Die carbo- tion, Kalke, Grauwacken, Thon-|Actinocrinus, Amphoracrinus). Kryptogamen, niſche Forma- und Kieſelſchiefer (Kohlenkalk, Viel Brachiopoden, namentlich der erſten [tion oder das Kulm). Productus; Posidonomya Be- Amphibien, Steinkohlen- b) Productive Kohlenfor-|Cheri; erſte Spinnen und In⸗ Spinnen und gebirge. mation, Sandſtein, Schiefer- ſecten; erſte Amphibien (Stego- Inſecten. thon, Kohlenflötze. cephalen). Großartige Entwid- lung der Kryptogamen, alſo Sigillaria, Lepidodendron, Ca- lamites und vieler Farne. Formationen. V. Periode der ungleich— ſchwänzigen Schmelz— ſchupper und der Stego— cephalen. Die permiſche For— mation oder die Dyas. Drittes Zeitalter: Das Mittelalter der Erde. Die meſozoiſchen Perioden und Formationen. a) Rothliegendes, Konglome— rate, Sandſteine, Letten. bp) Zechſteinformation, Kupferſchiefer, Zechſtein, Dolo— mit, Gyps, Steinſalz, Mergel. niferen. Cycadeen. Panzerlurche 47 Verkieſelte Faruſtrünke und Co- (Branchiosaurus, Pelosaurus, Archegosaurus), erſt- Reptilien? (Proterosaurus), ſowie zahlreiche ungleichſchwänzige Schmelzſchup— per (heterocercale Ganoidfiſche), z. B. Palaeoniscus, viel Pro- duetus, Spirifer, Schizodus. VI. Periode der Panzerlurche, der erſten Ammoniten und Säugethiere. VII. Periode der Nerineen, Ammoniten, Belemniten, der Fiſch⸗ und Flugſaurier. VIII. Periode der Hippuriten und der Krüppel⸗ formation oder formen, der Ammoniten, ſowie der erſten Laub- hölzer. Die Trias— formation oder das Salzgebirge. Die Inra— formation oder das Oolithen— gebirge. u) Buntſandſteine, Sandſteine, Röth. In den Alpen Werfener Schichten und GrödenerSandſtein. b) Muſchelkalk, Kalkſteine, Do— lomite, Gyps, Steinſalz. In den Alpen Partnachſchichten, Halo— bienſchichten, Virgloriakalke. c) Keuper, bunter Mergel, Let— ten, Dolomite und Gyps. In den Alpen Raibler Schichten, Schlerndolomit, St. Caſſian— Schichten; Hallſtädter Kalk. d) Rhät (Köffener Schichten), Schichten der Avicula contorta. a) Lias oder ſchwarzer Jura, dunkle bituminöſe Schiefer, Sand— ſteine, ſowie Kalkſteine und voli— thiſche Eiſenerze. b) Brauner Jura oder Dog— ger, Eiſenoolithe Sandſteine, dunkle Thone. c) Weißer Jura oder Malm, Oxford, Kimmeridge, Port— land; Scyphienkalke, Pteroceras- Schichten, ſämtlich meiſt helle Kalke, Kalkmergel und Mergel, ſowie Oolithe. Die Einleitung in die Wealdenbildung macht ſich geltend. Ablagerung des Purberk. Beſondere Facies des oberen Jura iſt die tithoniſche Stufe. Die Kreide— das Quader— ſandſtein— gebirge. a) Neocom, Hils, Lowergreen— ſand, Spatangenkalke. Gleich— zeitig mit dem unteren Neocom eine Sumpf- und Deltabildung, die Wealdenformation mit Steinkohlenflötzen. b) Gault, Flammenmergel, Garsgasmergel, Speetonthon, Ancyloceras-Schichten, Godula— ſandſtein. c) Cenoman, unterer Quader, Eſſener Grünſand (Tourtia), chloritiſche Kreide, Varians— Schichten. d) Turon, Strehlener Pläner, mittlerer Quader, Goſaumergel, rother Pläner. e) Senon, Schreibkreide, Kreide— tuff, oberer Quaderſandſtein, oberer Grünſand, Danien. Rieſige Schachtelhalme (Equise— tum), Cycadeen und Nadelhölzer, Panzerlurche (Labyrinthodonten). Der Lilien — Encrinit, Encri— nus liliiformis — Ceratiten, die erſten langſchwänzigen Krebſe (Pemphyx), Meerſaurier (No— thosaurus). Das älteſte Säugethier Micro— cestes, eine Beutelratte, Avicula eontorta. Panzerlurche (Masto- donsaurus) und Krokodile; in den Alpen die erſten echten Am— moniten. Die Flora beſteht aus Krypto— gamen, Coniferen und Cycadeen. Sehr viel riffbauende Korallen, Bentacriniten, Spongien, Ostrea, Gryphäen, Exogyra, Trigonia. Pteroceras, Nerinea, echte Tin- tenfiſche, Belemniten, Ammoni— ten, Aptychen, Schildkröten, Kro— kodile, Fiſchſaurier (Lehthyosau- rus, Plesiosaurus), Flugſaurier (Pterodactylus), Dinoſaurier, erſte Knochenfiſche, erſte Vögel (Archaeopteryx), ziemlich viel Beutelthiere. Die erſten Laubhölzer, neben dieſen tropiſche Nadelhölzer, Cy— cadeen und Kryptogamen. Viel Schwämme, Foraminiferen, Bryozosn, Spatangen, Hippu— riten, z. B. Caprotina und Hip- purites; Inoceramen, Auſtern (Gryphaea, Exogyra, Ostrea), Ammonites und jeine Krüppel⸗ formen, z. B. Hamites, Scaphi- tes, Turrilites, Baculites, fer— ner Belemniten. — Dinoſaurier:“ Ignanodon und Mosasaurus. Formclaſſen. — Formeln. Viertes Zeitalter: Die Neuzeit der Erde. Die känozoiſchen Perioden und Formationen. IX. Periode der Paläotherien und Nummuliten. | X. Periode der | Maſtodonten tertiär, Neo— gen oder das a) Eocän, Pariſer Grobkalk, London-Thon, Nummuliten- und Die ältere Flyſchformation. Tertiärforma- b) Oligocän, Gypſe des Mont— tion oder das martre, Septarienthone, nord— ältere Braun- [deutſche Braunkohlenbildung kohlengebirge. z. T., — untere Meeresmolaſſe, bernſteinführende Schichten des Samlandes. l a) Miocän, Cerithienkalk, Lei— Das Jung⸗ thakalk, obere Meeresmolaſſe. Braunkohlen der Mark z. T., der Wetteran. b) Pliocän (Belvedere-Schotter, Congerien-Tegel, Dinotherien- Sand, Crag. jüngere Braunkohlen— gebirge. XI. Periode | lehm, erratiſche Blöcke, Morä— ar nen, Geröll- und Sandablage— Die Quartär- rungen der Eiszeit (altquartäre a) Diluvium, Löß, Höhlen— In Centraleuropa: eine echt tro— piſche Flora. Erſte große Säuge-⸗ thierfauna: Paläotherium, Ano- plotherium, Xiphodon, Num⸗ muliten und Fucoiden. In Centraleuropa: Palmen, Bambus, Lorbeer, Feige, Pappel, Ulme, Birke, Magnolien, Sequoia. Taxodium. Zweite große Säuge— thierfauna: Maſtodon, Dinothe— rium, Hipparion, Affen. Die erſten Spuren des Menſchen in Europa. Dritte große Säuge— thierfauna: Mammuth, Kno— chennashorn, Höhlenbär, Ren⸗ thier, Auerochs, Moſchusochs, Pferd, Rieſenhirſch u. ſ. w. des formation oder Gebilde). M | S fge⸗ 5 en Mammuth das aufge- p) Alluvium, recente Süß— und des ſchwemmte Ge— d Salzwaſfe Torf Urmenſchen. | birge und Salzwaſſerbildungen, Torf— un moore, Korallenbauten, moderne vulkaniſche Producte (jungquar— | täre Gebilde). Jede Formation entſpricht naturgemäß einer gewiſſen Zeitepoche, während welcher ſie zur Entwicklung kam. Dieſe Zeitepochen, die geologiſchen Perioden, tragen zweckmäßig den Namen nach denjenigen Organismen, die während ihrer Dauer zuerſt aufblühten oder denen ver— möge ihrer Anzahl, Entwicklung und weiten Verbreitung gleichſam die Herrſchaft über die Erde zukam. 2 Die vorſtehende Überſicht gibt nicht nur die wichtigſten Geſteinarten, ſondern auch die leitenden organiſchen Reſte der ſedimentären Formation an. Es iſt hier noch vielleicht be— ſonders zu betonen, daſs die Abgrenzung der Formation nach oben und unten eine ziemlich willkürliche iſt. Der Vorgang der Umgeſtaltung der organiſchen Schöpfung und der Bildung der ſedimentären Geſteinſchichten wurde niemals durch alles verändernde Revolutionen unter— brochen, ſondern ging ganz allmählich (uner- meßliche Zeiträume beanſpruchend) unter dem Einfluſs derſelben Naturkräfte vor ſich, die noch heute verändernd und entwickelnd auf unſerem Planeten wirken. v. O Formelaffen. König hat Baumarten, aus deren Scheitelhöhe ſich ſo ziemlich dieſelbe Ge— haltshöhe (ſ. Formhöhe) ergibt, gruppiert und in jeder ſolcher Gruppe fünf Claſſen (Form- claſſen) unterſchieden, deren charakteriſtiſches Merkmal namentlich in dem Kronenanſatz und daher auch in dem gedrängteren oder geräu— migeren Schlujsverhältniffe gelegen war. (Wur⸗ den früher zum Zwecke der Bestande g verwendet.) £ 125 Jormelmethoden, j. Normalvorrathsme— thoden. Nr. Formeln, chemiſche. Man unterſcheidet drei Arten von Formeln: 1. die atomiſtiſchen Verhältnisformeln, 2. die empiriſchen Mole- cularformeln und 3. die rationellen Molecular- formeln. Die atomiſtiſchen Verhältnis⸗ formeln geben nur die relative Anzahl der einzelnen Elemente, die in einer Verbindung enthalten ſind, an, nicht die abſolute Anzahl. Man erhält das atomiſtiſche Verhältnis durch Rechnung aus den Ergebniſſen der Analyſe. Hat man z. B. durch die Elementaranalyſe ge— funden, daſs Eſſigſäure aus 39˙96 % Kohlen- ſtoff, 674% Waſſerſtoff und 3330 % Sauer⸗ ſtoff zuſammengeſetzt iſt, ſo erhält man die atomiſtiſche Verhaltnisformel durch Diviſion dieſer Zahlen mit den entſprechenden Atom- gewichten : H: O = 2 er Be Fee 1ͤ—ỹßFW„ 4.83 674: 3.33 Ba Es kommen alſo in der Eſſigſäure auf 3 Atome Kohlenſtoff 6 Atome Waſſerſtoff und 3 Atome Sauerſtoff oder auf 1 Kohlenſtoff 2 Waſſerſtoff und 1 Sauerſtoff. Die atomiſtiſche Formel der Eſſigſäure könnte alſo ausgedrückt werden durch CH,O oder CH, O, oder CH,;nOn. Die empiriſchen Molecularformeln geben an, wie viele Atome in einem Molecül Formexponent der Verbindung enthalten ſind, alſo ſowohl die pereentiſche Zuſammenſetzung als auch die geringſten in Wirkung tretenden Mengen. Man findet dieſelben, falls die betreffenden Körper unzerſetzt flüchtig ſind, durch Beſtimmung ihrer Moleculargewichte, Feſtſtellung der dem Mole— eulargewichte entſprechenden Mengen Kohlen— ſtoff, Waſſerſtoff u. ſ. w. und Diviſion dieſer Mengen durch die bekannten Atomgewichte der Elemente. Bei nicht flüchtigen Körpern ſtellt man, je nachdem der betreffende Körper eine Säure iſt oder baſiſchen Charakter hat, ein waſſerfreies kryſtalliſierbares Salz (zumeiſt das Silberſalz) oder eine Platindoppelverbindung her und berechnet das Moleculargewicht des Salzes oder der Platindoppelverbindung mit Zugrundelegung des Atomgewichtes des Me— talls. Iſt der organiſche Körper weder flüchtig noch ſauer, noch baſiſch, muſs man die Formel aus den Moleculargewichten bekannter chemi— ſcher Abkömmlinge desſelben berechnen. So beträgt z. B. das Volumgewicht der Eſſigſäure 30, das Moleculargewicht alſo 60. Da das Moleculargewicht gleich der Summe der Atomgewichte iſt, jo muſs das Molecül der Eſſigſäure 2 Atome Kohlenſtoff, 4 Atome Waſſerſtoff und 2 Atome Sauerſtoff — 24 - 4 + 32 — 60 enthalten. Die empiriſche Molecularformel für die Eſſigſäure iſt ſomit H. 0. Will man die Formel aus dem Silberſalz beſtimmen, ſo glüht man eine abgewogene Menge des eſſigſauren Silberoxydes und be— rechnet aus dem Gewicht des zurückbleibenden Silbers das Moleculargewicht des Salzes, d. h. diejenige Menge, welche 108 (Atomgewicht des Silbers) Gramm Silber enthält. Beim Glühen von z. B. 0501 ˙g Silberſalz bleiben 0'324 8 Silber zurück: o 07324 * 108 x 167. Die Säure unterſcheidet ſich von dem Silberſalz dadurch, daſs an Stelle eines Atomes Silbers ein Atom Waſſerſtoff tritt. Das Molecül der Eſſigſäure wird alſo ſein: 167 — 108 160. Dieſem Moleculargewicht entſpricht die Formel CH. O02. a Die rationellen Molecularformeln verdeutlichen gleichzeitig die Gruppierung der Atome in dem Molecül und damit die chemiſche Natur der betreffenden Subſtanzen. Dieſe Art von Formeln iſt beſonders geeignet zur Er— klärung der Metamorphoſen der Verbindungen und der Bildung neuer Verbindungen. Ferner geben ſie eine überſichtliche Anſchauung über die Atome oder Atomgruppen der Verbindungen, welche bei der Wechſelwirkung der Molecüle auf einander mit beſonderer Leichtigkeit gegen andere ausgetauſcht werden können oder bei gewiſſen Reactionen unangegriffen bleiben. Die rationelle Molecularformel der Eſſigſäure iſt 3. B. nach der Typentheorie 9 O, die Structurformel der Eſſigſäure iſt (CH, CH, (600 0 oder H CO. OH . — Formicariae. 49 Während man nach der typiſchen Formel die drei Waſſerſtoffatome als Beſtandtheile des Radicals Acetyl, Ce Hz 0, annimmt, werden nach der Structurformel die 3 Atome Waſſerſtoff als Beſtandtheile des CH, aufgefaſst. v. Gn. Formerponent, ſ. Form des ee Or. Formbhöhe. Ein mit einem Stamme gleich hoher Cylinder (Idealwalze), deſſen Grundfläche g iſt, hat, wenn h die Höhe desſelben bedeutet, den Inhalt gh, und iſt auch der echte Bruch f (Formzahl, Reductionszahl) bekannt, mit wel— chem dieſes gh multipliciert werden muſs, um den Inhalt K des fraglichen Baumſtammes zu erhalten, ſo kann letzterer nach der Formel K gf berechnet werden. Schreibt man K=g(hf), jo erſcheint der Stamminhalt als Körperinhalt eines Cylinders, deſſen Grundfläche ebenfalls g, deſſen Höhe jedoch (hf) iſt, wes— halb (hf) als Gehaltshöhe oder Formhöhe des Stammes bezeichnet wird. Lr Formiate nennt man die Salze der Ameiſenſäure. v. Gn. Formicariae (Formididae), Ameiſen; Familie der Hymenopterenabtheilung Raub— weſpen (Hymenoptera rapientia), Hauptab— theilung Hymenoptera monotrocha. Die Ameiſen ſind charakteriſiert durch eine aufſtehende Schuppe (Leiſte) oder ſtatt dieſer durch zwei Knötchen am erſten Hinterleibsſegment; durch flache, nicht gefaltete, unvollkommen geaderte und nur loſe dem Bruſtkaſten anhaftende, den Hinterleib weit überragende Flügel der & und 57; durch peitſchenförmige Fühler und durch ungeflügelte Arbeiter (8 oder 5). Die Ameiſen, obwohl von jedermann ſofort als ſolche erkannt, be— reiten der Syſtematik und Charakteriſtik der Species dadurch, daſs eine jede derſelben drei Formen (Geſchlechter) in ſich vereinigt, nicht unweſentliche Schwierigkeiten. Alle Ameiſen haben geſtielten Hinterleib, welcher, wenn man den Stiel als ſelbſtändiges Stück betrachtet, eine mehr oder weniger eiförmige oder der Kugelform ſich nähernde Geſtalt annimmt und aus 4—6 Ringen zuſammengeſetzt iſt. Die hinterſten Glieder ſind oft ineinandergeſchoben und daher ſcheinbar die Geſammtzahl derſelben geringer. Dieſe zeigt überdies ein gewiſſes Ab— hängigkeitsgeſetz ſowohl in Bezug auf Ge— ſchlecht (ob & oder 2 und 5), als bezüglich der Form des Stieles. Die männlichen Geſchlechter haben ausnahmlos um ein Hinterleibsſegment mehr als die 2 undech; andererſeits zeigen die eingliedrigen Schuppenſtiele deren 5 (daher & 6), die zweigliedrigen Knotenſtiele 4 (daher die & 5) Hinterleibsringel. — Die ? und 5 beſitzen entweder einen Wehrſtachel oder nur Drüſen, vermögen aber in jedem Falle Ameiſenſäure auszuſpritzen. Bei den Arbeitern nimmt der Vorderrücken, bei & und 7 der Mittelrücken den größten Theil des Bruſtkaſtens ein. Die letzteren ſind durch geringere Größe und zier— licheren Körperbau vor den 2 ausgezeichnet. — Die Geißel der ſtark gebrochenen Fühler iſt entweder faden- oder etwas keulenförmig, aus (10) 11—13 Gliedern zuſammengeſetzt, und zeigen auch in dieſem Falle die männlichen Fühler in der Regel um ein Glied mehr als Dombrowski. Eneyklopädie d. Forſt⸗ u. Jagdwiſſenſch. IV. Bd. 4 30 a Formicariae. die der Weibchen. Beine mit ögliedrigem Tar- ſus. Die Flügel (Fig. 354), welche dem Männ- chen leicht verloren gehen, zeigen ein ziemlich unvollſtändiges Geäder: die Radialzelle ge— wöhnlich nach der Spitze hin offen; Cubital⸗ zellen in ſeltenen Fällen 2, bei den meiſten Arten nur 1, das Randmal immer vorhanden. . WI Fig. 354. aa — Cubitalader und ihre Verzweigungen; Q — Qerader; e = Cubitalzelle; = r Radialzelle; d — Discoidalzelle. Die Familie Formicariae zerfällt in drei Gruppen: 1. Hinterleibsſtiel zweigliedrig, mit zwei Knoten. Gruppe Myrmicidae. 1. Hinterleibsſtiel eingliedrig, mit Schuppe, Leiſte oder nur 1 Knoten. 2. Hinterleib (unter Außerachtlaſſung des Stieles) zwiſchen dem 1. und 2. Ring eingeſchnürt. Gruppe Poneridae. 2. Hinterleib (ebenſo aufgefasst) zwiſchen dem 1. und 2. Ring nicht eingeſchnürt. Gruppe Formicidae. Die Gruppe der Poneriden enthält nur eine Gattung. Jene der beiden übrigen Grup- pen, inſofern ſie ein größeres Intereſſe ſeitens des Forſtwirtes beanſpruchen können, laſſen ſich in folgende Überſicht zuſammenfaſſen: 1. Gruppe Formieidae. 2. Arbeiter und Weibchen (ch und P). 3. Fühler über den Hinterrand des tra— pezförmigen, mit den Seitenrändern nach vorn divergierenden Kopfſchildes an den Fförmig gebogenen Stirnleiſten einge— lenkt, 12gliedrig; Stirnfeld nicht deutlich abgegrenzt, etwa doppelt, jo breit als lang; Schuppe des Stieles aufrecht, beiderſeits gleichmäßig ſchwach gewölbt. 5 ohne Nebenaugen. 2 Flügel mit einer Cubitalzelle. Gattung Camponotus Mayr. Fühler in einem Winkel entſpringend, welchen die Stirnleiſten mit dem Hinter— rande des Kopfſchildes bilden; dieſe von der Fühlergrube an ſich nicht weiter nach hinten fortſetzend; Oberkiefer flach gedrückt, mit gezähntem Kaurande; Fühler 12gliedrig. 4. Geißelglied A—5 länger als die fol- genden (das Endglied nicht berückſichtigt); Stirnfeld ſcharf abgegrenzt; Stirnleiſten mit nach außen convexem Rande; Schuppe groß; 5 Nebenaugen deutlich; d Flügel den Hinterleib weit überragend. Gattung Formica L. 4. Geißelglieder () 2—10 einander gleich, die letzten dicker; Stirnfeld undeutlich begrenzt, faſt doppelt ſo breit als lang; Schuppe ſenkrecht oder nahezu ſenkrecht, viereckig, ſchmal; Hinterleib nicht nach 1 2 Je D 00 vorn verlängert; Vorderrand des Kopf— ſchildes nicht ausgerandet; h Neben— augen ſehr klein, undeutlich; F die Augen etwas hinter der Kopfesmitte. f Gattung Lasius L. Männchen (5); Flügel mit 1 Cubi- talzelle; Fühler 13gliedrig; Oberkiefer flachgedrückt mit Kaurand; untere After— klappe ganzrandig (nicht in der Mitte ausgeſchnitten); Kopfſchild viereckig, nicht hinter die Fühlereinlenkung ſich fort— ſetzend; Schuppe des Stieles aufrecht. Genitalien groß; Stirnfeld ſcharf abge— grenzt, ſo lang als breit; äußere Geni— talklappe meſſerförmig, ohne Anhang; Hinterleib oben ziemlich flachgedrückt; Flügel den Hinterleib überragend; Geißelglied 1 um ein Drittel kürzer als 2; Bruſtſtück in der Mitte ſeitlich etwas erweitert. Gattung Formica L. Genitalien ſehr klein; Stirnfeld nicht ſcharf abgegrenzt, doppelt ſo breit als lang. . Stirnleiften lang, „förmig gekrümmt; Fühler über dem Hinterrande des Kopf— ſchildes neben jenem entſpringend; äußere Genitalienklappe dornförmig. Gattung Camponotus Mayr. . Stirnleiſten kurz, hinten etwas diver— gierend; Fühler an den Hinterecken des Kopfſchildes eingelenkt; äußere Genital- klappen flach, doppelt ſo lang als am Grunde breit, gegen das Ende verſchmä— lert und daſelbſt halbkreisförmig abge— rundet. Gattung Lasius F. . Gruppe Myrmicidae. Weibchen und Arbeiter ( um 9). Oberkiefer breit, flachgedrückt, mit meiſt gezähntem Kaurande; Fühler mit 11 bis 12 Gliedern; die Keule nicht 2gliedrig; zweites Stielglied ohne Dorn; das erſte vorn cylindriſch, hinten verdickt; bei den 5 der Hinterrücken mit Dornen, Höckern oder Zähnen. Arbeiter (6). . Fühler 12gliedrig, die 3 letzten Glieder kürzer als die übrigen Geißelglieder; Kieferntaſter 6gliedrig; Lippentaſter 4gliedrig; Stirnfeld hinten ſpitz; Bruſt— ſtück zwiſchen Mittel- und Hinterrücken mit Einſchnitt; vor dieſem ziemlich flach; Schenkel keulenförmig; Schienenſporne kammzähnig. Gattung Myrmica Latr. . Die letzten Glieder der Geißel eine dicke Keule bildend und ſo lang oder länger als die übrigen; Endglied mehr als doppelt ſo lang wie das vorletzte; Hinterrücken mit Zähnen oder Dornen. Hinterrand des Kopfſchildes zwiſchen der Stirnleiſte und der Kiefereinlenkung als erhabene Leiſte die Fühlergrube vorn begrenzend; Vorderrand nicht aufgebo— gen; Kiefertaſter 4, Lippentaſter 3glie⸗ drig; Vorderrücken vorn beiderſeits ſtumpfeckig; Bruſtſtück kurz, hoch, zwiſchen Mittel- und Hinterrücken keine Ein⸗ ſchnürung; obere Fläche der vorderen Formicariae. 5 Hälfte des Stielgliedes 1 von vorn nad) hinten concav; Fühler 12gliedrig. Gattung Tetramorium Mayr. 8. Weibchen (2). Flügel mit 1 Cubital— zelle; das Stirnfeld nach hinten nicht abgerundet. Cubitalzelle halb getheilt; Schienenſporne gekämmt. Gattung Myrmica Latr. Cubitalzelle ungetheilt; Schienenſporne einfach; Körper 2—3mal jo groß als die der Arbeiter; Hinterrand des Kopf— ſchildes zwiſchen der Stirnleiſte und der Kiefereinlenkung als erhabene Leiſte die Fühlergrube vorn begrenzend; Fühler 12gliedrig. Gattung Tetramorium Mayr. Männchen (85); Mittelrücken mit zwei tief eingedrückten, etwas hinter der Mitte ſich vereinigenden und als Furche über den Hinterrücken ſich fortſetzenden Linien. Flügel mit halbgetheilter Cubitalzelle; Oberkiefer gezähnt; Fühler 13gltedrig; Geißelglied 1 kürzer als 2. Gattung Myrmica Latr. Cubitalzelle ungetheilt; Querader mit der Cubitalader an der Theilungsſtelle ihrer Aſte verbunden; Fühler 10glied- rig; Schaft kürzer als Geißelglied 2; dieſes ſehr lang; Oberkiefer flach, der Kaurand gezähnt. Y Gattung Tetramorium Mayr. Über Lebensweiſe und forſtliche Be— deutung der Formicarien im allgemeinen Folgendes: Die Ameiſen leben, wie ihre Ver— wandten die Weſpen, Bienen, Hummeln, zu größeren und kleineren Familien in gemein— ſamen Wohnungen beiſammen, welche je nach den beſonderen Zwecken, bei den verſchiedenen Arten mehr oder minder abweichend eingerichtet ſind. Im allgemeinen könnte man ſie in Erd— und Holzbaue trennen. Die erſteren liegen ganz oder zum größten Theile im Boden und ſind obenauf gedeckt durch einen größeren Stein oder durch ein Holzſtück, einen Stock ꝛc.; oder durch Raſen⸗, Moospolſter u. dgl. Alle dieſe Dinge ſind ſchon vorhanden; die Ameiſen voll— führen nur die Erdarbeiten. Bei anderen Arten wird aber dieſe Decke künſtlich hergeſtellt, indem die Thiere das hiezu erforderliche Material, Holz⸗ und Harzſtückchen, Halme, Erdtheilchen, Steinchen, Knoſpen u. dgl., aus der Umgebung zuſammenſchleppen und über den, im Boden befindlichen eigentlichen Bau, zu einem kegel— förmigen, mitunter Meterhöhe erreichenden ſog. Ameiſenhaufen aufſchichten, wie dies die Wald— ameiſe, Formica rufa, thut. Dieſe nach dem äußeren Anſehen ſcheinbar plan- und regellos auf- geworfenen Haufen ſind im Innern von einem Netz zahlloſer Gänge durchzogen, welche ſich in Etagen, Kammern, Vorräume 2c. erweitern und theils dazu beſtimmt ſind, die Communication zwiſchen dem unterirdiſch gelegenen, eigentlichen Baue und der Außenwelt zu vermitteln, haupt— ſächlich aber, um der Brut die ſo nothwendige Pflege in ausreichendem Maße angedeihen laſſen zu können. Zugleich ſchützt der ober— irdiſche Haufen die Colonie vor den, beſonders 10. 10. — . 1 für die Brut ſchädlichen Einflüſſen der Tempe— raturextreme, ſowohl hoher Hitzegrade, als em— pfindlicher Kälte. Zur Herſtellung der Erd— wohnungen bedienen ſich die Ameiſen ihrer ſtark entwickelten Freſszangen. Derartige Erd— baue beſtehen in der Regel aus einer größeren Anzahl von Gelaſſen, welche durch Säulen und Zwiſchenwände von einander getrennt, unter— einander aber durch Thüröffnungen in Verbin— dung ſtehen. Die Anlage erfordert ſelbſtver— ſtändlich die Wegſchaffung des beim Baue los— gelösten, die Gänge verlegenden Erdmateriales, was ebenfalls mittelſt der ſtarken Kinnbacken geſchehen muſs. Manche Arten verwenden das— ſelbe ſofort als Aufſchüttungsmaterial zur Er— richtung oberirdiſcher Erdhaufen. Auch dieſe ſind, ähnlich jenen der Waldameiſe, reichlich mit Gängen, Kammern und anderen Räumlichkeiten eingerichtet und mit dem unterirdiſchen Haupt— baue in Verbindung gebracht. Derartige, aus Erde errichtete Haufen, beraſen ſich ſehr bald und bilden dann ein um ſo ſichereres Schutzdach für den darunterliegenden Hauptbau. Eine andere Gruppe von Ameiſen quartiert ſich aus— ſchließlich nur im Holze ein; und darunter wohl die meiſten in morſchen, abgeſtorbenen Stämmen, oder in den auf den Holzichlägen zurückgebliebenen alten Stöcken u. dgl. Einzelne Arten aber bauen auch (und wahrſcheinlich aus— ſchließlich) im vollkommen geſunden Holze lebender Stämme (vgl. Camponotus und Fig. 1 der zugehörigen Tafel). Während daher die einen zur raſcheren Humificierung der Holz— rückſtände auf den Schlägen und ſo zur Hebung der Bodenkraft beitragen, ſich mithin als ent— ſchieden nützlich erweiſen, müſſen die anderen, da ſie vollkommen geſundes Holz zerſtören und dadurch Nutz- und Geldwerth oft bedeutend herabdrücken, als zweifellos ſchädlich be— zeichnet werden. Jede Ameiſencolonie beſteht der überwiegenden Mehrheit nach aus jog. Arbeiterinnen (ſ. d.) oder Arbeitern und beherbergt außerdem ein oder einige Weibchen. Jenes geſchäftig ab- und zugehende Ameiſen— volk, dem man im Bereich der Ameiſenhaufen allenthalben begegnet, beſteht ausſchließlich aus Arbeiterinnen, während die Weibchen, von der Außenwelt abgeſchloſſen, nur der Erzeugung zahlreicher Nachkommenſchaft zu leben ſcheinen. Die Arbeiterinnen haben denn auch für Alles und Jedes Sorge zu tragen, was die Erhal— tung der Colonie erfordert. Sie ſchleppen das Baumaterial zuſammen, um theilweiſe Erwei— terungen oder Ausbeſſerungen der Wohnungen durchzuführen; ſie ſorgen nicht nur für Nahrungsmittel, ſondern beſorgen auch die Fütterung der Weibchen und Larven. Die Brutpflege iſt ja überhaupt die wichtigſte der ihnen obliegenden Geſchäfte. Die Eier werden von ihnen gewendet, beleckt, und je nach den Temperatur- und Witterungsverhältniſſen aus dem Erdgeſchoße weg, in eine höher gelegene Kammer gebracht und auf das ſorgfältigſte be⸗ treut und bewacht. Eine nicht minder große Sorgfalt wird den gänzlich unbeholfenen madenförmigen Larven zugewendet. Je nach Bedürfnis werden ſie bald in die oberen Stock— werke, bald in tiefer gelegene gebracht und 4 * 52 Formicariae. müſſen von den Arbeiterinnen gefüttert werden. Ohne dieſe fremde Hilfe müſsten ſie zugrunde gehen; ſie würden verhungern. Ein Tropfen waſſerheller ſüßer Flüſſigkeit, aus dem Munde der Amme gereicht, bildet die Nahrung. Dieſe Fütterung wird ſolange fortgeſetzt, bis die Larve erwachſen und nunmehr in das Puppenſtadium übertritt. Dabei umgibt ſie ſich mit einem dichten, gelblichen oder bräunlichen Cocon und ruht in dieſem Geſpinſtgehäuſe, bis ſie ſich zur imago, zur fertigen Ameiſe entwickelt hat. Dieſe Cocons ſind die allbekannten ſog. Ameiſeneier, wie ſelbe als Vogelfutter in den Handel ge— bracht werden. Obwohl die Ameiſenpuppe nicht mehr gefüttert zu werden braucht, da ja der Puppenſtand ein Zuſtand der Ruhe iſt, ſo kann ſie dennoch nicht der ſorgſamſten Pflege ent— rathen. Auch ſie müſſen, da in dieſem Zuſtande gerade ein höheres Maß von Wärme bean— ſprucht wird, öfters überbettet werden. Sind die Tage ſonnig, warm, dann werden ſie von den Arbeiterinnen in die oberſten Stockwerke getragen, fleißig gewendet, beleckt, mit den Füh— lern betaſtet, unterſucht, geliebkost, und beginnt es abends kühler zu werden, dann ſieht man ſie dieſelben wieder zurückbringen in die wär— meren, tiefer gelegenen Bodenräume, wo ſie die Nacht über ruhen. Der wichtigſte Moment für das nun ſchon erwachſene Ameiſenkind iſt wohl der, wo es, bereits zur vollen Entwicklung gelangt, ſein Gefängnis durchbrechen, ſich ſeiner Umhüllung entledigen ſoll. Und auch in dieſer kritiſchen Periode find es wiederum die Ar- beiterinnen, welche hilfreich und thatkräftig eingreifen. Halten ſie den richtigen Zeitpunkt für gekommen, d. h. haben ſie ſich durch Be— taſten mittelſt der Fühlhörner überzeugt, dafs die im Cocon eingeſchloſſene Puppe die Ver— wandlung zur fertigen imago überſtanden hat, dann beißen ſie mit ihren ſtarken Freßzangen die Umhüllung durch und ziehen das noch ſehr unbeholfene, junge, beflügelte Thier aus dem geöffneten Sacke hervor. Zu den bis dahin ausſchließlich flügelloſen Bewohnern des Amei— ſenſtaates kommen nun auch geflügelte Thiere, u. zw. Weibchen ſowohl wie Arbeiterinnen, aber auch, u. zw. der Mehrzahl nach Männchen. Dieſe letzteren hatten bis dahin gänzlich ge— fehlt. Während der größte Theil der Ar— beiterinnen ſich ihrer Flügel, die auch nur ſehr loſe anhaften, ſehr bald zu entledigen trachtet, behalten die Geſchlechtsthiere (& und 5) die— ſelben; und da ſich dieſe letzteren auch an keinerlei Arbeiten des gemeinſamen Haushaltes betheiligen, ſondern häufig genug den Arbeitern nur den Raum beengen und die Thore und Wege verſtellen, ſo ſind die vielen Männchen wenigſtens, nur unliebſame Faulpelze im Staate, welche ſich füttern laſſen, ohne ſelbſt zu verdienen. Doch dauert dieſe Beläſtigung nicht lange; es erwacht der Begattungstrieb; die Flügel— thiere fühlen ſich unbehaglich, beengt in ihrer ge— ſchäftigen Umgebung; es befällt ſie eine gewiſſe ſich allmählich ſteigernde Unruhe, welche gegen Ende Juli oder im Auguſt den Höhepunkt erreicht. Ein Theil der Weibchen erhebt ſich in die Luft begleitet von Tauſenden von Männchen; andere werden von den Arbeiterinnen am Entweichen noch rechtzeitig gehindert und nachdem ihre Befruchtung erfolgt iſt, in die Baue zurück— gebracht. Die Begattung geſchieht oft hoch in den Lüften während des Hochzeitsfluges. Da— bei werden ſolche Ameiſenſchwärme nicht ſelten vom Winde erfaſst und oft meilenweit von ihren Heimatscolonien verſchlagen und wohl Tauſende gehen dabei auch zu grunde. Einzelne kleinere Schwärme erheben ſich mitunter nur wenig hoch über den Ameiſenbau; die Weibchen fallen infolge der um ihre Gunſt ſich ungeſtüm balgenden Männchen in der Nähe desſelben wieder zur Erde; und dieſe ſind es, welche, vom weiteren Auffluge zurückgehalten und in die Baue zurückgebracht, künftighin für die Be— völkerung der eigenen Colonie zu ſorgen haben. Jene weiter verſchlagenen Flüge, reſp. deren befruchtete Weibchen, gründen neue Anſied— lungen; die Männchen aber ſterben ſehr bald nach erfolgter Copula. Von da ab finden ſich in den Colonien wiederum nur Arbeiterinnen nebſt einem oder einigen Weibchen. Nicht in allen Ameiſenſtaaten bilden die Arbeiterinnen den thatſächlichen Arbeiterſtand; derſelbe wird vielmehr aus Gefangenen anderer Ameiſenarten reerutiert, die von den Arbeiterinnen, ſei es als Larven oder Puppen oder vollkommen entwickelte Ameiſenthiere geraubt, in die Co— lonie geſchleppt und für die Arbeit erzogen worden ſind. Solche Ameiſen werden als Raub— ameiſen bezeichnet; ſie bilden nur eine ganz kleine Gruppe, welche ſich durch ſchwächlich ent— wickelte, ſehr ſchmale Kiefern auszeichnet und als deutſche Arten Polyergus rufescens Latr. und Strongylognathus testaceus Schenk ent- hält. Hochintereſſant iſt das Vorkommen an— derer Inſecten in den Ameiſenſtaaten und das friedliche Zuſammenleben mit den Ameiſen, deren Pflege ſie oft gar nicht entbehren zu können ſcheinen. Am artenreichſten ſind die Käfer vertreten, beſonders die Familie der Staphylinen mit den Gattungen Dinarda und Lomechusa (ausſchließlich), Myrmedonia, Ho- malota, Placusa, Oxypoda, Leptacinus u. a. Nebſt Staphylinen finden ſich Pſelaphyden, Scydmaeniden und Clavigeriden (die letzteren ausſchließlich) mit den Ameiſen zuſammen. Unter den Cryptophagiden bewohnt Emphylus glaber nur die Neſter der rothen Waldameiſe; ebenſo Monotoma conjeicolle; auch Lathridien und Ptenidien haben ihre Vertreter. Ptinus coareticollis, Mycetocharis barbata; Larven von Cetonien, einige Pflanzenläuſe u. a. ſind zu den Ameiſengäſten zu zählen. Die Bedeu— tung der Ameiſen für die Bodeneultur wurde zum Theile bereits angedeutet. Der Nutzen für den Forſt beſteht in der Betheili⸗ gung der Ameiſen am Säuberungsgeſchäfte im Walde, und in dieſer Beziehung hat eigentlich nur die rothe Waldameiſe, Formica rufa, Be— deutung und verdient aus dieſem Grunde alle Schonung. Dasſelbe gilt von allen jenen Arten, welche ihre Quartiere in alten Stöcken, morſchen Bäumen u. dgl., wertloſem, auf den Schlägen zurückbleibendem Gehölze beziehen (Lasius fu- liginosus), indem ſie den Verweſungsproceſs desſelben weſentlich fördern. Als ſchädlich aber müſſen jene Ameiſenarten bezeichnet werden, m Formoſe. —= Formzahl. 53 welche, wie Camponotus ligniperdus und her- euleus, vom Wurzelſtocke aus in lebende Bäume eindringen und im vollkommen geſunden Stamm— körper ihr Zerſtörungswerk vollbringen. Ferner die meiſten der unter Raſen, Moos oder in reinen Erdbauen lebenden Arten, wenn ſie ſich, was häufig geſchieht, in Saatſchulen einniſten, oder ihre Colonien im Wurzelraume der Pflan— zen, beſonders der Freiculturen anlegen. Theils infolge übermäßiger Lockerung des Bodens, theils infolge der ſchädlichen Einflüſſe der Ameiſenſäure, theils auch durch directe Wurzel— beſchädigungen können ſolche Pflanzen nach längerem Kränkeln zum Abſterben gebracht werden. Hieher gehören vor allen anderen die gelbe Ameiſe (Lasius flavus). In dieſer Hin— ſicht am meiſten gefährdet ſcheinen Hügelpflan— zungen (beſonders nach v. Manteuffel's Me— thode) zu ſein. Hſchl. Formofe, Ce Hi 20ç, iſt ein der Gruppe der Kohlehydrate angehöriger Körper, der neben Ameiſenſäure entſteht, wenn man auf eine 4% ige Löſung von Formaldehyd Kalk— hydrat einwirken läſst Sie iſt gummiartig, intenſiv ſüß, optiſch inactiv, unterliegt nicht der alkoholiſchen Gährung, hingegen wird ſie durch Spaltpilze in Milchſäure und Bernſteinſäure zerlegt. Fehling'ſche Löſung wird durch For— moſe nicht reduciert. v. Gn. Jormſande heißen feinkörnige, glimmer— reiche, zum Theil eiſenſchüſſige, ungeſchichtete Quarzſande, die in den Gießereien Verwen— dung finden. Meiſt tertiären (oligocänen) Alters; in Norddeutſchland nicht ſelten. v. O. Jormulare. Die wünſchenswerte Gleich— mäßigkeit der zahlreichen Ausweiſe, Zuſammen⸗ ſtellungen und ſouſtigen Tabellen, welche ein geordneter Betrieb und das Rechnungsweſen im Forſtdienſte nothwendig machen, ſowie die große Zahl, in welcher manche Schriftſtücke (wie z. B. Anweiſezettel, Erlagsſcheine u. dgl.) auszufer— tigen ſind, laſſen es zweckmäßig erſcheinen, die Form aller dieſer Geſchäftsſtücke durch Heraus— gabe von Formularien einheitlich feſtzuſetzen, deren Drucklegung in größerer Menge ſodann zur Erſparung der Schreibarbeit in der Regel angezeigt ſein wird (Druckſorten). Form und Inhalt dieſer Formulare ſind in den einzelnen Verwaltungen ſehr mannigfach verſchieden. Eine Sammlung der Formulare der wichtigſten Forſt— dienſtpapiere in Preußen, Bayern, Heſſen und Sachſen enthält Schwappachs Handbuch der Forſtverwaltungskunde; die in der öſterreichiſchen Staatsforſtverwaltung eingeführten Formulare für den Verwaltungsdienſt ſind in der Dienſt— inſtruction für die k. k. Forſt- und Domänen— verwalter (Wien, bei W. Frick, 1884) vollſtändig enthalten. v. Gg. FJormyl, CHO, iſt ein einwertiges Säure— radical. v. Gn. Formzahl iſt jener echte Bruch, mit wel— chem ein Cylinder von der Höhe des Baumes multipliciert werden mujs, um den körperlichen Inhalt des letzteren (die oberirdiſche Holzmaſſe über dem Abhiebe) zu erhalten. Da es ſich aber nicht immer um Gleiches handelt, ſondern je nachdem um den Inhalt a) des ganzen Baumes, b) des Schaftes allein oder e) bloß des Aſtholzes, unterſcheidet man Baum-, Schaft- und Aſtformzahlen. Es kann aber auch die Holzmaſſe des Baumes in Derb- und Reisholz geſchieden werden, weshalb auch Derbholz- (oder Grob— holz-) und Reisholzformzahlen unterſchieden werden. Bedeutet B die Holzmaſſe eines Baumes, h deſſen Höhe, F die Formzahl und g die Grundfläche des Vergleichscylinders (Ideal⸗ oder Vergleichswalze), ſo iſt der obigen Defi— nition der Formzahl zufolge B gh, der Inhalt 8 des Schaftes, wenn deſſen Formzahl mit f angenommen, wird 8 S ghf. Da die Aſtmaſſe A als Differenz der Baum- und Schaftmaſſe anzuſehen it, 05 folgt ASB — SS gh (F--N)=ghy, worin F—f=o die Aſtformzahl vorſtellt. Die Aſtformzahl iſt ſohin immer als Diffe— renz der Formzahlen des Baumes und des Schaftes aufzufaſſen. Aus der letzten Gleichung ergeben ſich fol— gende zwei Relationen: Ff und'f = F- p, die Jedermann leicht in Worte übertragen kann. Ganz ähnlich ſind die Beziehungen zwiſchen Baum-, Derbholz- und Reisholzformzahl. Wer- den dieſe der Reihe nach mit F, f, und o, be— zeichnet, ſo finden folgende Relationen ſtatt: f. = F — pi und p. Ff. Je nach der Wahl des Meſspunktes (für, g unterſcheidet man: a) Bei conſtanter Höhe (1˙3 m) des Meis- punktes und Beibehaltung der ganzen Scheitel— höhe des Baumes (vom Abhieb bis zum Wipfel) erhalten wir die „unechten“ oder Bruſtform— zahlen. („Bruſtform,“ weil früher der Meſs— punkt in „Bruſthöhe“ genommen wurde.) b) Bei der Annahme des Meſspunktes in der Scheitel— höhe ergeben ſich die „echten“ oder „Normal— formzahlen“. c) Eine dritte Art wurde von H. Riniker unter dem Namen „abſolute“ Formzahlen einzu— führen verſucht; ſelbe beziehen ſich auf einen in conſtanter Höhe (1˙3 m) gewählten Meſs— punkt, berückſichtigen jedoch nur die über dem Meſspunkte liegende Holzmaſſe. Die Baum-, Schaft-, Derbholz-, Aſt- und Reisholzformzahl kann daher eine „unechte“, „echte“ oder auch „aſolute“ ſein. Da der Inhalt eines Baumſchaftes nach der Formel 8 ghf gefunden wird, jo ergibt ſich hieraus N d. h. die Schaft- formzahl kann als Quotient aus dem Inhalte des Schaftes und der Idealwalze (Scheitelwalze) angeſehen werden. Würden die Schafteurven (ſ. Form des Baumes) im allgemeinen dem Geſetze folgen, wie es die Gleichung 5» Sp xe ausdrückt, jo ließe ſich der kubiſche Inhalt der aus derartigen Curven entſtandenen Rotationskörper nach der Formel 1 S— 1+m könnten daher die (unechten, echten und abjoluten) u ; 1 einem aliquoten Theile (* gh berechnen (ſ. Kubierung) und or — Schaftformzahlen einfach in folgender Art dar— geſtellt werden: a) Unechte Formzahlen. Iſt R der Radius des Schaftes am Abhiebe, jo iſt der körperliche Inhalt des Schaftes ne eh...) Sit r der Radius des Schaftes in der Meß— punkthöhe (n vom Abhiebe aus gerechnet), jo iſt der Inhalt der Vergleichswalze W Sréürh, und da, wie wir weiter oben ſahen, k W. ſo 1 2 FEE | EN 2 J.. Te Pe Nun beſteht aber die Proportion R: ®—h”:(} J) m de 2 BER he : Sh: h - )*, oder F welches, in 2 ſubſtitutiert, 1 857 1m (h—n)" 2 1 1 Im n 0 ergibt; dieſer Ausdruck iſt die „unechte“ (oder Bruſt⸗) Formzahl. Wir ſehen, dafs dieſe abhängig iſt von dem Formexponenten w, der Scheitel- und Meſs— punkthöhe des Schafteckes. Dieſe Formzahl könnte als Ausdruck für die Form des Stammes ſelbſt dann nicht angeſehen werden, wenn die Vorausſetzung zuträfe, daſs allen Baumſchäften die Curvengleichung 5» px entſpricht, weil, wie die letzterhaltene Formel lehrt, bei gleichem m, d. h. bei gleichen Formen der Schäfte und verſchiedenen Höhen der letzteren auch verſchie— dene Bruſtformzahlen erhalten werden. Wir haben daher die „unechten“ Formzahlen ledig als Reductionsfactoren zu betrachten. b) Echte Formzahlen. Sit R der Radius des Schaftes am Abhiebe, ſo iſt der Inhalt des Baumſchaftes, wie bereits bekannt S = I Re rh und iſt 6 der Radius desſelben Schaftes in = (vom Abhiebe nach auf- wärts gemeſſen), ſo iſt der Rauminhalt der Vergleichswalze W=p*rh, daher die echte = ER m 520 1 l R Formzahl F — [a och da aber hier die Proportion: 1 “m ee] 8 | 2 n J 2 auch h” * 1 D FN 1 2, . = h 1 =, a werden, wodurch die echte Formzahl als 1 1 i+m (1 5 g 8 R? ſtattfinden muss, jo kann ſtatt — 0 7 EN in ihrer allge n Formzahl. meinen Form erhalten wird. Wir entnehmen dieſem Ausdrucke, daſs die „echte“ Formzahl von dem Formexponenten m und jener Zahl n abhängig iſt, die den alliquoten Theil jener Höhe beſtimmt, in welcher der Meßpunkt liegt. Da dieſes n, je nach der Höhe des Schaftes, bald größer, bald kleiner gewählt werden mujs, weil man z. B. unter Beibehaltung von n —= 20 mit dem Meßpunkte bei ſehr hohen Stämmen in von der Kluppe nicht leicht erreichbaren Partien, bei niedrigen Bäumen aber in die Wurzelanläufe kommen könnte, jo würde auch eine Reihe ſolcher Formzahlen nicht das er— wünſchte Bild der „Form“ der Schäfte bieten, ſelbſt dann nicht, wenn die Schafteurven dem Geſetze y» Spe xn vollkommen entſprechen wür- den. Auch iſt hier die Beſtimmung des Meß— punktes unbequem. c) Abſolute Formzahlen. Iſt der Inhalt des Schaftes 8 —= 1 r* * h, worin r den Radius des Schaftes in der Meßpunkthöhe, h die Höhe des Schaftes vom Meßpunkte bis zum Scheitel bedeuten, fo iſt die Vergleichs- walze Were v h und die 1 Formzahl 1 Br 8 1 re A Im n in ihrer allgemeinen Form. Wir jehen, dajs dieſe Formzahl nur vom Formexponenten ab— hängig tft, dajs ſie alſo einzig und allein den vollen Anſpruch auf den Namen „Formzahl“ erheben dürfte, wenn der Satz: „Der Schaft— curve entſpricht im Allgemeinen die Gleichung * Dp xn, als unantaſtbares Poſtulat, ge— gründet auf ausgedehnte Unterſuchungen, Gel— tung hätte. Wie ſichs jedoch damit verhält, zeigt der Artikel „Form des Baumſchaftes“ und wir können uns deshalb auch für dieje Art von Formzahlen — als „Formzahlen“ vorläufig noch nicht erwärmen. Wir werden daher gut thun jede Art von Formzahl als Reduetionszahl anzuſehen und in letzterer Eigenſchaft ihren Wert zu ſuchen. Was die Beſtimmung der Form des Schaftes betrifft ſ. „Form des Baumſchaftes“. Was die Ermittlung der Formzahlen be— trifft, ſo beſteht dieſelbe in möglichſt genauer Kubierung der betreffenden Bäume, Schäfte 2c. und in der Berechnung nach der Formel F — 0 wenn K die ermittelte Holzmaſſe und W die Scheitelwalze bedeuten. Hat man für dieſelbe Holzart Höhenclaſſen gebildet, ſo wird innerhalb jeder dieſer Höhen— claſſen eine möglichſt große Zahl Meſſungen und Berechnungen durchgeführt und aus den Reſultaten innerhalb jeder Claſſe das arith— metiſche Mittel als die mittlere Formzahl an— geſehen. Die in Tabellen zuſammengeſtellten mitt- leren Formzahlen dienen zur Maſſenſchätzung von Beſtänden und ſind in Hinſicht auf ihre Entſtehung zur Kubierung einzelner Bäume, Schäfte ꝛc. nicht verwendbar. Wir laſſen hier eine Zuſammenſtellung ſolcher mittleren (Be— ſtandes-) Formzahlen folgen: Formzuwachs. — Forſtabſchätzung. Unechte Formzahlen für Derbholz. 8 { Nach Höhe Nach Baur Lorey m Rothbuche Fichte Tanne Metern Formzahl 8 0'188 0'264 0.311 10 0˙237 0.341 0'433 12 0.300 0'413 0'513 14 0 369 0'454 0524 16 0'422 0'478 0'528 18 0'452 0'481 0'536 20 0'465 0'487 0'528 22 0'475 0'487 0'525 24 048% 0'485 0'508 26 0'492 0'482 0'519 28 0499 0'477 0507 30 0˙507 0˙470 0'488 32 0513 0461 0'475 34 0'517 0'452 0'476 Jormzuwachs, j. Zuwachs. Nr. Jorſt iſt ein rein deutſches Stammwort und bedeutete in den älteſten Zeiten ebenſo wie heute „Wald“. Die althochdeutſche Form iſt „forst“, die mittelhochdeutſche „vorst“, daneben finden ſich im Mittelhochdeutſchen auch die Formen: „vorést, forest, foreis, foreht“. Die letztgenannten ſind romaniſcher Abkunft aus dem mittelalterlichen lateiniſchen und romaniſchen foresta abgeleitet, während althochdeutſch forst und mittelhochdeutſch vorst rein germaniſch ſind und aus ihnen erſt forestis, foresta, fo- reste, forestum gebildet wurden. Vielleicht hängt „Forſt“ mit dem gothiſchen „fairguni* — Berg zuſammen. (Kluge, etymologiſches Wörterbuch, Straßburg 1883.) Als ſich im Laufe der Zeit bei Ausſcheidung beſonderer Waldungen für den Gebrauch des Königs der Wunſch und das Be— dürfnis nach einem beſonderen Ausdruck für Herrenwald zeigte, benützte man im VI. und VII. Jahrhundert forst, forestis ſpeciell zur Bezeichnung für dieſe Art von Waldungen, und ſcheint das deutſche Wort forst dieſe Bedeutung durch das ganze Mittelalter beibehalten zu haben, denn nach Maaler (die teütsch spräach, Turgau 1561) erklärt forst einfach als „Fron— wald“ (Herrenwald, althochdeutſch wald frönö, wie Grimm in ſeinem deutſchen Wörterbuch näher ausführt, als Gegenſatz zu „Markwald“. Das lateiniſche forestum nahm dann gegen den Schluſs des VIII. Jahrhunderts die Be— deutung „Bannforſt“ und um die Mitte des IX. Jahrhunderts außerdem auch noch jene der Berechtigung zur Jagd- und Fiſchereiausübung ſelbſt im abjtracten Sinn an (ſ. „Bannforſt“ und meinen Aufſatz: Zur Bedeutung und Ety— mologie des Wortes „Forſt“ in Baur's Forit- wiſſenſchaftlichem Centralblatt, 1884, p. 515ff). Im Laufe der Zeit erhielt dann das Wort noch verſchiedene andere Bedeutungen. Dadurch, dajs das lateiniſche forestum ſeit dem J. und XI. Jahrhundert mit der Ausdehnung der Wildbannsgerechtigkeit nicht nur das durch Fr !!!!! K—T... ——. —)—ͥ— — ——n ——— —n r —— 55 Königsbann geſchützte Jagdrecht, ſondern auch noch die Befugnis in ſich ſchloſs, andere Nutzungen in den betreffenden Waldungen, na— mentlich die Rodungen zu unterſagen und die Gerichtsbarkeit gegen dieſelben auszuüben, jo wurde gegen das Ende des Mittelalters auch das deutſche „Forſt“ nicht nur zur Bezeichnung des Waldes, bezw. deſſen Eigenthümers, ſon— dern auch in dem Sinn von „Forſthoheit“ oder „Forſtgerechtigkeit“ gebraucht, wie ein im IX. Bd. von Moſer's Forſt-Archiv, p. 109 ff. mitgetheiltes Reichshofratheoneluſum von 1768 gegen den Grafen Fugger zu Babenhauſen ausführlich erörtert. In den heſſiſchen Halbengebrauchswal— dungen (ſ. d.) hat „Forſt“ die Bedeutung von Taxe, und hatten die Unterthanen je nach den Eigenthumsverhältniſſen bald den „halben Forſt“ und bald den „ganzen Forſt“, d. h. nur den halben Geldwert des Holzes oder den ganzen Betrag desſelben zu entrichten. Schw. Jorſtabſchätzung iſt der Inbegriff der taxatoriſchen Vorarbeiten bei einer neuen Forſt— einrichtung oder Forſteinrichtungsreviſion. Ihre Aufgabe liegt in der Unterſuchung aller in— neren Waldverhältniſſe, welche den gegenwär— tigen oder zukünftigen Ertrag beeinfluſſen; ſie wird mithin die Ermittlung der Standorts— verhältniſſe, der Beſtandsverhältniſſe und der zeitherigen Koſten und Erträge ins Auge zu faſſen haben. Die Standorts— beſchreibung hat ſich auf Klima, Lage und Boden zu beziehen. Für die Charakteriſtik des Klimas iſt es zweckmäßig, eine Claſſenbildung auf die Lebensfähigkeit beſtimmter Culturge— wächſe zu gründen. Gewöhnlich bildet man die Stufen: ſehr mild, mild, gemäßigt, rauh, ſehr rauh und bezeichnet ein Klima als ſehr mild, wo der Wein gut gedeiht, und als ſehr rauh, wenn höchſtens noch Hafer und Kartoffeln zu er- bauen ſind und der Holzſamen ſelten reif wird. Hinſichtlich der Lage iſt die allgemeine und beſondere zu unterſcheiden. Die erſtere wird durch die geographiſche Breite und Länge und durch die Erhebung über dem Meere beſtimmt. Die letztere iſt durch die nachbarliche Umgebung und die Bodenausformung bedingt. Während die nachbarliche Umgebung eine Lage als freie oder geſchützte erkennen läſst, ſpricht ſich die Bodenausformung in der Expoſition — Rich— tung eines Hanges nach der Himmelsgegend — und in der Neigung aus. Der Boden iſt nach dem Grundgeſtein, ſeinen Beſtandtheilen, phyſikaliſchen Eigenſchaften und dem äußeren Zuſtande zu charakteriſieren. Bei dem Grund— geſtein trennt man gewöhnlich Gebirgsland und Schwemmland, bei den Bodenbeſtandtheilen hebt man die mineraliſche Zuſammenſetzung, die Steinbeimengung und den Humusgehalt hervor, hinſichtlich der phyſikaliſchen Eigenſchaften iſt die Gründigkeit, Bindigkeit und Friſche zu er— wähnen, und bezüglich des äußeren Zuſtandes unterſcheidet man einen offenen, bedeckten, be— narbten, verwilderten, bezw. verwurzelten Boden. Die Geſammtheit der ermittelten Standortsver— hältniſſe ſucht man wegen ihres Einfluſſes auf die Wahl der Holzart, Betriebsart und des Umtriebes und zur Berechnung der normalen 56 Forſtabſchätzung. Ertragsfähigkeit in einer Zahl, der Stand— ortsbonität (ſ. d.), zum Ausdruck zu bringen. Da die Standortsbonitierung auf unſicheren Füßen ſteht, kann ſie die Ertragsregelung nicht hervorragend direct beeinfluſſen. Sie hat aber einen weſentlichen Wert für die allgemeine und ſpecielle Waldcharakteriſtik und die Beſtimmung des Grundcapitals, mithin auch für die Grund— ſteuerabſchätzungen und Waldwertrechnungen. Die Ermittlung der Beſtands verhältniſſe iſt die wichtigſte Arbeit der Forſtabſchätzung, umſomehr als die Standortsbeſtimmung un— ſicherer iſt. Auch ſpricht ſich, Wirtſchaftsfehler und Elementarereigniſſe abgerechnet, im Be— ſtande der Standort aus. Die Beſtandsbeſchrei— bung umfaſst für einen Beſtand: die Betriebs— art, bezw. Betriebsform, die Holzart, den Be— ſtockungsgrad, das Alter, die Begründungsweiſe, den Maſſengehalt, den Zuwachs, das Holzvor— raths- und Grundcapital. Wie man bei der Ermittlung dieſer Factoren vorzugehen, na— mentlich wie weit man zu gehen habe, hängt nicht nur von den Beſtandsverhältniſſen ſelbſt ab, ſondern auch von dem Intenſitätsgrade der Wirtſchaft, von der gewählten Ertragsregelungs— methode, dem zur Einrichtung und Verwaltung verfügbaren Perſonale und den Mitteln an Geld und Zeit. Dit Ermittlung der Beſtandsverhältniſſe iſt für die Ertragsregelung und Waldwertrechnung von beſonderer Wichtigkeit; ſie giebt Aufſchluſs über die Ertragsfähigkeit des ganzen Waldes, über die Hiebsreife des einzelnen Beſtandes, über die Wahl des Betriebsſyſtems und der Umtriebszeit. Die Angabe der Betriebsart (ſ. d.), eigentlich der Betriebsform, erfolgt für jeden einzelnen Beſtand nur dann beſonders, wenn es ſich um etwas Anderes als den Hoch— wald handelt. Hinſichtlich der Holzart ſind reine und gemiſchte Beſtände zu trennen. Bei den reinen Beſtänden wird einfach die Holzart erwähnt, bei den gemiſchten Beſtänden dagegen iſt die Vermiſchungsart zu beſchreiben. Das letztere geſchieht entweder durch beſtimmte Aus— drücke, z. B. in Sachſen, oder durch ſchätzungs— weiſe Angabe des Flächenantheils nach Zehn— theilen. Erwähnt man die Flächenantheile, ſo iſt außerdem hervorzuheben, ob die eine oder an— dere Holzart zwiſchen der Hauptholzart einzeln, horſtweiſe, truppweiſe, ſtreifenweiſe, reihen— weiſe oder an deren Rande auftritt. Jeden— falls iſt die Hauptholzart immer zuerſt zu nennen und im Taxationsmanual (ſ. d.) hervor— tretend zu ſchreiben. Beſteht ein gemiſchter Beſtand beiſpiels— weiſe aus Fichte und Kiefer, ſo wird man ſchreiben können: 0˙5 Fi., 0˙5 Ki. oder 0˙6 Fi., 0˙4 Ki. u. ſ. w. Bei geringer Einmiſchung der Ki. jagt man: einige Ki., und wenn es ſich um wenige wertvolle Einmiſchlinge handelt, kann man ſogar deren Stammzahl angeben. In Sachſen wendet man im gegebenen Falle folgende Bezeichnungen an: Fi., Ki., wenn beide Holzarten faſt gleich ſtark vertreten ſind, Fi. u. Ki., wenn die Stammzahl der Fichte etwas größer iſt, Fi. mit Ki., wenn die Fichte weſentlich über— wiegt, Fi. einige Ki., wenn nur wenige Kiefern da find. Es sit auch erwähnenswert, ob die Miſchung eine bleibende oder vorübergehende, eine zwiſchenſtändige oder unterſtändige, ob Bodenſchutzholz, Unterwuchs, brauchbarer An— flug vorhanden iſt. Für jeden Beſtand iſt der Beſtockungsgrad (f. d.), bezw. der Beſtands— ſchluſs (ſ. d.) anzugeben. Die Altersangabe erfolgt entweder bis auf das Jahr genau oder wenigſtens nach Claſſen (ſ. Beſtandsalter und Altersclaſſe). Hinſichtlich der Begründungsweiſe iſt hervorzuheben, ob der Beſtand durch Vorver— jüngung oder Nachverjüngung, auf natürlichem Wege (Naturbeſamung oder Ausſchlag) oder künſtlichem Wege (Saat oder Pflanzung) ent- ſtanden iſt. Im letzteren Falle iſt auch wohl die Saat- oder Pflanzmethode bemerkenswert. Überdies iſt, ſo weit zuverläſſige Angaben vor— liegen, eine kurze Geſchichte des Beſtandes am Platze, weil derartige Angaben am eheſten den wirtſchaftlichen Erfolg früherer Maßregeln kriti— ſieren. Die Beſtimmung des Maſſengehaltes eines Beſtands lehrt die Forſtmathematik; es iſt jedoch hier noch beſonders auf die Abhand— lung über Beſtandsſchätzung zu verweiſen. Der Zuwachs (ſ. d.) des Beſtands iſt als Quanti⸗ täts⸗, Qualitäts- und Theuerungszuwachs ge— trennt zu beſtimmen. Der Quantitätszuwachs iſt für alle Ertragsregelungsmethoden wiſſenswert. Am einfachſten iſt in dieſer Hinſicht das Ver— fahren bei der Cameraltaxe (f. d.) und den ihr folgenden Methoden, weil da nur der Haubar— keitsdurchſchnittszuwachs in Betracht kommt. Die Hundeshagen'ſche Methode ermittelt den laufenden Zuwachs aus localen Erfahrungs- tafeln, nachdem die Beſtände bonitiert worden ſind. Entweder erfolgt die Beſtimmung des Maſſenzuwachſes innerhalb einer Betriebsclaſſe (ſ. d.) durch Erhebung in jedem Einzelbeſtande oder durch ſummariſche Berechnung aus der Geſammtfläche. Im letzteren Falle iſt es zweck— mäßig, die Einzelflächen der Betriebselaſſe auf eine Bonität zu reducieren. Das Maſſenzuwachsprocent zeigt das ſog. forſtliche Haubarkeitsalter an. Das letztere iſt 100 5 g da, wenn das erſtere auf u, geſunken iſt. Für das finanzielle Hiebsalter kommt dies Procent deshalb weſentlich in Betracht, weil es das a in der Weiſerformel (ſ. d.) bildet. Der Quali⸗ tätszuwachs ſpielt eine große Rolle bei der Er- tragsregelung im finanziellen Sinne. Als Pro— cent erſcheint er mit der Bezeichnung b in der Weiſerformel. Dieſes b läſst ſich aber nur hin— reichend genau beſtimmen, wenn bereits längere Zeit das zum Verkauf gelangende Holz ſortiert worden iſt. Der Theuerungszuwachs, deſſen Procent als e in der Weiſerformel auftritt, zeigt die Veränderung des Abſatzes. Der letztere iſt durch Angebot und Nachfrage bedingt. Die Beſtimmung dieſes Procentes, das außerdem das allgemeine Sinken des Geldwertes in ſich ſchließt, iſt ſchwierig und unſicher. Das Vor⸗ rathscapital, das H in der Weiſerformel, hat der Taxator in allen hiebsfraglichen Be— ſtänden zu beſtimmen. Dasſelbe ergibt ſich aus der nach Sortimenten getrennten Maſſe und den dafür geltenden Preiſen. Damit bekommt man zwar nur das augenblickliche H, wenn man aber 7 Forſtagrargeſetze. — Forſtamtsſyſtem. 57 noch das zukünftige — für das Ende des in Frage genommenen Zeitraumes — berechnet, ſo ergiebt ſich dann leicht das für die Weiſer— formel brauchbare arithmetiſche Mittel. Das Grundcapital, welches als G in der Weiſer— formel erſcheint, iſt das um das Culturcapital vermehrte Bodenbruttocapital. Die Ermittlung geſchieht auf Näherungswegen. Es kann G ſum— mariſch beſtimmt werden oder aus den einzelnen Factoren für das Bodenbruttocapital (ſ. Grund— capital). Hinſichtlich der Berechnung des Weiſerpro— cents der einzelnen Beſtände iſt auf die Weiſer— formel zu verweiſen und nur noch zu er— wähnen, dass in der Hauptſache die Beſtände in Betracht zu ziehen ſind, welche ihrer Lage und Beſchaffenheit nach hiebsfraglich er— ſcheinen. Eine kurze Charakteriſtik der Beſtands— verhältniſſe iſt in der Beſtandsbonität (f. d.) ausgeſprochen. Es werden deshalb bei der Forſt— abſchätzung die einzelnen Beſtände nach Maß— gabe ihrer Verhältniſſe bonitiert. Da der Taxator an jeden Beſtand oder an jede Waldblöße die Frage zu richten hat, was damit im wirtſchaftlichen Sinne künftighin zu geſchehen habe, ſo iſt es auch er— forderlich, dafs darüber Notizen im Taxations— manual (f. d.) platzgreifen. Dieſe ins Einzelne gehenden Notizen werden ſpäter durch die Rück— ſichten auf das Ganze modificiert. Solche An— gaben betreffen namentlich die Holzernte, die Beſtandsbegründung, die Beſtandspflege, oder beziehen ſich auch auf allgemeine Forſtverbeſſe— rungen. Bezüglich der Ernte iſt namentlich die Hiebsreife und Hiebsfähigkeit der betreffenden Beſtände zu beurtheilen und die Nothwendig— keit von Loshieben mit Rückſicht auf die Be— ſtandslagerung zu erwähnen. Ferner iſt die Durchforſtungsbedürftigkeit und Fähigkeit der Beſtände zu prüfen und zu erörtern, inwieweit andere Maßregeln der Beſtandspflege, als: Räumungen, Läuterungen, Aufaſtungen ꝛc., zweck— mäßig erſcheinen. Hinſichtlich der Beſtandsgrün— dung ſind die Ausbeſſerungen und Verjüngungen auseinanderzuhalten. Bei den Ausbeſſerungen vorhandener Culturen iſt entweder die nach der Pflanzenzahl zu ermittelnde abſolute Fläche oder der Procentſatz, bezw. Antheil von dem ganzen Beſtande anzugeben. Bei den Verjün— gungen iſt ebenſo wie bei den Ausbeſſerungen die Wahl der Holzart ins Auge zu faſſen, auch die Culturmethode ꝛc. anzudeuten. Für die all— gemeinen Forſtverbeſſerungen kommen nament— lich die Wegebaue und Entwäſſerungen in Be— tracht. Bei dem vorhandenen Nichtholzboden kann die Umwandlung zu Holzboden in Frage gezogen werden. Was endlich noch die bis— herigen Erträge und Koſten anbetrifft, ſo iſt auf Grund der zeitherigen Buchung eine Zu— ſammenſtellung der Hauptnutzung nach dem Material- und Geldertrage, der Nebennutzung und der Koſten anzufertigen. Dieſe Erträge und Koſten ſind für das ganze Revier, bezw. die einzelnen Betriebsclaſſen und für einzelne Beſtände auszuwerfen. Sie dienen der Veran— ſchlagung der zukünftigen Erträge und Koſten als Anhalten. - Nr. Jorſtagrargeſetze nennt man die Geſetze zur Förderung der Staatszwecke durch Be— ſeitigung der Hinderniſſe einer beſſeren Bewirt— ſchaftung der Waldungen, insbeſondere aber die Geſetze, welche die Ablöſung der Forſtſer— vituten, die Bildung und Theilung eines gemeinſchaftlichen Waldeigenthumes und die Waldarrondierung zum Gegen— ſtande haben (j. Forſtgeſetz). At. Jorſtalter, normales, nennt Preßler jenes Alter, in welchem ein Beſtand den höchſten jährlichen Durchſchnittszuwachs erreicht. Wird dieſes mit A bezeichnet, ſo ſind Beſtände in dem Alter +— als Junghölzer, in dem Alter A l dat — als Mittelhölzer, in dem Alter A als Alt— hölzer und — — Jahre alt gewordene Be— ſtände als Hochalthölzer anzuſehen. er SForffamf. In dem Geſammtorganismus des Forſtdienſtes wird jene Stelle, welcher die Beſorgung der eigentlichen Verwaltungsgeſchäfte, insbeſondere auch die Vertretung des Beſitzes nach außen, der Schriftwechſel mit anderen Be— hörden, die Leitung und Verrechnung der ganzen Betriebsgebarung übertragen iſt, als Forſtamt be zeichnet. Dieſem unterſtehen dann die Revierförſter oder Förſter als ausübende Organe. An der Spitze des Forſtamtes ſteht in der Regel ein Forſtmeiſter, welchem meiſt mehrere Hilfsbeamte, Oberförſter oder Förſter, auch Forſt— amtsſchreiber oder Aſſiſtenten als Gehilfen für den techniſchen und manuellen Dienſt beigegeben ſind. Zumeiſt obliegt dem Forſtamte auch die Con— trole der Materialgebarung in den Revierver— waltungen, mitunter auch die Caſſaführung für den ganzen Forſtamtsbezirk. In manchen Forſt— verwaltungen, insbeſondere Staatsforſtver— waltungen, iſt der urſprüngliche Charakter der Forſtämter als Wirtſchafts- und Verwal— tungsämtern mit der Selbſtändigkeit der Revier— verwaltungen verloren gegangen und dieſelben haben ſich dann vorwiegend zu Inſpections— und Controlſtellen herausgebildet (vgl. Forſt— amtsſyſtem und Forſtmeiſter). v. Gg. Forſtamtsſyſtem oder Forſtmeiſter⸗ ſyſtem nennt man jene Einrichtung des Forſt— dienſtes, bei welcher den eigentlichen Local- oder Revierbeamten nur die Ausführung des Be— triebes nach Maßgabe der ihnen ertheilten Auf— träge zugewieſen iſt, während die Führung der eigentlichen Verwaltungsgeſchäfte und die An— ordnung aller Betriebsmaßnahmen für je mehrere ſolcher Betriebsbezirke (Reviere) einem Forſtamte (Forſtmeiſter) übertragen ſind, im Gegenſatze zum Oberförſterſyſtem, bei wel— chem die Betriebsführung mit der Führung der Verwaltungsgeſchäfte in eine Hand gelegt iſt. Dem Oberförſter oder Forſtverwalter des letz— teren Syſtems iſt daher ein beſtimmter Forſt— bezirk zur ſelbſtändigen und verantwortlichen Verwaltung übergeben, er vertritt denſelben auch nach außen, den Parteien und anderen Behör— den gegenüber, während der Revierverwalter in allen Betriebsmaßnahmen der Leitung des vorgeſetzten Forſtamtes unterſteht, welchem letzteren auch allein die Vertretung des Beſitzes 58 Forſtärar. — Forftberechtigungen. und vorwiegend die Verantwortlichkeit für die Verwaltung zukommt. Das Forſtamt hat den geſammten ſchrift— lichen Verkehr und die Rechnungsführung, die Verkaufs- und Lohnabſchlüſſe, ſowie die An— weiſung von Zahlungen, die Stellung der jähr— lichen Betriebsanträge (letztere meiſt im Ein— vernehmen mit den Revierverwaltern) und die Obſorge für deren entſprechende Durchführung, die Arbeiten der Betriebseinrichtung und Evi— denzhaltung, ſoweit dieſe der Verwaltung zu— kommen. Der Revierförſter hat die Leitung der ihm unterſtehenden Forſtſchutzorgane bei gleich— zeitiger Mithilfe im Forſtſchutz, die Ausführung aller Geſchäfte des eigentlichen Betriebes, die Überwachung der diesbezüglichen (Culturs-, Fäl- lungs- ꝛc.) Arbeiten, die Abgabe des Mate— riales an die Käufer nach Maßgabe der vom Forſtamte ausgeſtellten Anweiſungen. Das Forſtamtsſyſtem war bis in die neueſte Zeit ſowohl in den Privat- als auch in den Staatsforſtverwaltungen die am meiſten ver— breitete Form der Dienſteinrichtung (nur in Preußen wurde bereits im Jahre 1825 das Oberförſterſyſtem eingeführt). Mit der heute insbeſondere von den Staatsforſtverwaltungen geforderten vollkommenen techniſchen Ausbildung der Verwaltungsbeamten wird jedoch deren Lostrennung und Bevormundung durch ein Forſtamt überflüſſig, ja vielfach ſelbſt nach— theilig, und es wurden daher in der öſterreichi— ſchen (im Jahre 1873), ſowie in den meiſten deutſchen Staatsforſtverwaltungen die Forſt— ämter entweder ganz aufgehoben, oder auch in Localinſpectionsſtellen umgewandelt. Im Privat- förſtbeſitze beſtehen noch heute großentheils die Forſtämter, entweder weil in dieſen die einzelnen Beſitzkörper (die ehemaligen Herrſchaften) ein— heitlich repräſentiert bleiben, oder weil ein ſehr ausgedehnter Forſtwaarenbetrieb bei gleichzeitig nothwendigem intenſiverem Forſtſchutz die Tren— nung aller Betriebsgeſchäfte von dem letzteren zweckmäßig erſcheinen läſst. Auch hier find übrigens die Forſtämter häufig mehr inſpicierende und con— trolierende als Verwaltungsſtellen, namentlich wo bei kleinerem Beſitze eine eigentliche Directions— ſtelle fehlt. Nicht ſelten ſind auch die Forſtmeiſter und Revierförſter des Privatbeſitzes nichts anderes als die Forſtverwalter und Forſtwarte des Oberförſterſyſtems; während umgekehrt eine nach dem letzteren Syſteme eingerichtete Verwaltung, wenn bei großen Verwaltungsbezirken und Häu— fung der Schreibgeſchäfte der Oberförſter vor— wiegend dieſen letzteren ſich widmen muſs und der Betrieb faſt ganz in die Hände der Forſt— warte gelegt wird, in Wirklichkeit mehr dem Forſtamtsſyſtem ſich nähern kann. In beiden Fällen entſcheiden nicht die Titel, ſondern die Abgrenzung des Wirkungskreiſes der einzelnen Stellen über das beſtehende Verwaltungsſyſtem. v. Gg. Forſtärar als ſolches kann ſtrafrechtlich nicht verurtheilt werden (Entſch. d. M. d. J. v. 30./5. 1874, 3. 20.93 1ex 1873 [j. Bannle⸗ gung). Mcht. Forftaufnaßmen, ſ. „Aufnahme im Allge— meinen“ sub a. Lr. Jorſtberechtigungen. Geſchichte der— ſelben. Wenn auch bei der Geringwertigkeit des Waldes in den älteſten Zeiten des Mittel— alters, ſowie auch noch ziemlich lange nachher zu Sicherſtellungen des Bedürfniſſes an Forſt— nutzungen Schenkung und Verleihung des Wald— grundeigenthumes vorwiegend gebräuchlich war, ſo finden ſich doch ſchon ſehr frühzeitig Beiſpiele davon, daſs ſich der bisherige Beſitzer das Grundeigenthum und wohl auch einen Theil der Erträge vorbehielt und nur den mehr oder - minder bedeutenden Reſt derſelben, bisweilen auch ſämmtliche Nutzungen des Waldes dritten Perſonen überließ. Es war dieſes der Fall ſo— wohl bei grundherrlichen Markgenoſſenſchaften, welchen öfters kein eigener Wald, ſondern nur Nutzungsrechte am Herrenwald eingeräumt wur— den (Form. Salomonis C. 5: Ut eadem pos- sessio solis regibus hereditario jure subjecta sit in perpetuum et nullus de pagensibus ibi aliauid commune habeat nisi forte precario), als auch beſonders bei Klöſtern und einzelnen Geiſtlichen (Lacombl. I no. 17: simili modo tradidimus et dominationem aliquam in sil- vam adjacentem a. 800 und J. c. no. 45: tradi- dimus ad saginandum porcos XX a. 833). Meiſt werden in den Urkunden die verliehenen Nutzungsrechte ſpeciell aufgezählt, weniger häufig kommt unbeſchränkte Forſtrechtsverleihung vor, mit dem Ausdruck: dominatio, potestas, com- munio. Doch ſcheint auch hier als Maß ge— wöhnlich der ſonſt ebenfalls zu ähnlichen Zwecken dienende Bedarf der normalen Hufe üblich ge— weſen zu ſein. Seit dem X. Jahrhundert nahmen die Schenkungen von Wald immer mehr ab, und treten in dem gleichen Maße Verleihungen von Forſtberechtigungen in den Vordergrund. In erſter Linie war es wieder der Clerus, die Klöſter und frommen Stiftungen, welche ſolche erlangten, ſeit dem Aufblühen des Städte— weſens erhielten deren Bewohner gleichfalls ſehr häufig von den Kaiſern und Landesherren das Recht, ſämmtliche oder nur beſtimmte Nutzungen gewiſſer Waldungen allein oder neben den be— reits früher daſelbſt Berechtigten zu beziehen, aber auch zahlreichen anderen Perſonen wurden mehr oder minder ausgedehnte Nutzungsbefug— niſſe eingeräumt. Neben der Verleihung war in der ſpä— teren Zeit des Mittelalters Occupation ein Hauptgrund für die Entſtehung von Forſtbe— rechtigungen. Bei den ausgedehnten Waldungen mit ſchlechten Verkehrsgelegenheiten und oft un— klaren Grenzverhältniſſen war es leicht möglich, daſs die umliegenden Ortſchaften lange Zeit aus dem fremden Walde Holz holten oder Vieh dort weideten, ohne daſs der Eigenthümer Kenntnis davon erhielt. Wenn dieſes aber nach Verlauf von längerer Zeit geſchah, ſo wurde die Einrede des unvordenklichen Beſitzes geltend gemacht und dann meiſt auf dem Verleihungs⸗ wege eine Anerkennung des thatſächlichen Ver— hältniſſes erreicht. Als Forſtberechtigungen dürften auch jene Holzbezüge anzuſehen ſein, welche die in den Markgenoſſenſchaften angeſeſſenen Handwerker zum Betrieb ihres Gewerbes über das Maß des A Forſtberechtigungen. gewöhnlichen Marknutzens hinaus bezogen, na— mentlich dann, wenn den Angehörigen der ein— zelnen Gemarke ein ſpecieller Markenantheil, eine eigene War (warandia) zugewieſen war. Ihre größte Ausdehnung, ſowie auch ihre rechtliche Fixierung haben die Forſtberechti— gungen in der Zeit vom XVI. bis zum Be— ginn des XIX. Jahrhunderts erlangt. Die wichtigſten Urſachen, aus denen in dieſer Periode ſo zahlreiche Forſtrechte hervor— giengen, ſind folgende: 1. Der Verfall der Markgenoſſen— ſchaften. Schon in den letzten Jahrhunderten des Mittelalters, noch mehr aber ſeit dem XVI. Jahrhundert verfielen die in ſocialer und rechtlicher Beziehung jo hochwichtigen Mark— genoſſenſchaften und ein höchſt beträchtlicher Theil der ausgedehnten Markwaldungen gieng in das Eigenthum der Landesherren über, wäh— rend die Genoſſen zu bloßen dinglich Berech— tigten herabſanken (vgl. Markwald). Der Über— gang vom Eigenthümer zum bloß dinglich Be— rechtigten erfolgte umſo unmerkbarer, als die Forſthoheit damals auch die Benützung des eigenen Waldes in einer Weiſe beſchränkte, dass der erſtere in ſeinem Walde kaum mehr Be— fugniſſe ausüben durfte, als der letztere im fremden. 2. Gegen das Ende des angegebenen Zeit— abſchnittes entwickelte ſich allmählich der Begriff der politiſchen Gemeinde, und hatte die damit verbundene Trennung der in der Mark— genoſſenſchaft vereinigten öffentlich-rechtlichen und vermögens-rxechtlichen Seite öfters das Reſultat, daſs das Eigenthum des Markwaldes an die politiſche Ortsgemeinde übergieng, während die Markeigenthümer zu Servitutsberechtigten am Gemeindewalde wurden. 3. Bei Neuanlage von Dorfſchaften in der Mark des Mutterdorfes wurden mitunter dem letzteren Berechtigungen in der den letzteren zugewieſenen Mark vorbehalten. Bei der Theilung größerer Markgenoſſen— ſchaften kam es auch vor, daſs nicht der ganze Wald auf die einzelnen Ortſchaften vertheilt, ſondern auch ein Reſt für gemeinſame Benützung vorbehalten wurde. 4. In einzelnen Fällen hatten die Grun d— herren den Markgenoſſenſchaften einen Wald zur gemeinſamen Benützung über- laſſen und ſich nur einzelne Rechte in Bezug auf Jagd-, Maſt⸗ oder Holz- nutzung vorbehalten. Hier konnte es nun geſchehen, daſs die Genoſſen im Laufe der Zeit das volle Eigenthum des betreffenden Waldes erwarben, während die erwähnten Herrenrechte den Charakter von Servituten am Gemeinde— oder Genoſſenſchaftswalde annahmen. 5. Auch ſeit Beginn der neueren Zeit wur— den noch ſowohl Einzelnen (namentlich Pfarrern, Lehrern, den Beiſaſſen und ſonſtigen armen Leuten), als auch Gemeinden, ſo beſonders häufig Städten Nutzungsrechte an den herr— ſchaftlichen Sonderwaldungen und in Mark— waldungen eingeräumt. Eine beſondere Auf— merkſamkeit wandten die Regierungen ferner den Holz verarbeitenden Gewerben zu und 39 ſuchten dieſelben durch große Begünſtigungen zu heben. 6. Mit dem Anwachſen der Bevölkerung entſtanden zahlreiche Neuanſiedelungen in bisher ſchon berechtigten Ortſchaften, häufig wurden auch Anweſen, welche im Genuſſe von ſolchen Bezügen ſtanden, getheilt, und es nahmen alsdann die neuen Anſiedler das Recht im gleichen Umfang für ſich in Anſpruch, wie es den bisherigen Bewohnern zuſtand. 7. Umfaſſend Forſtberechtigungen wur— den allenthalben von jeher, namentlich aber ſeit dem XVI. Jahrhundert, in welchem der eigentliche Aufſchwung des Bergbaues be— gann, zu deſſen Hebung verliehen. Nicht nur für die Zwecke des Berg- und Hüttenbetriebes ſelbſt, ſondern auch zur Deckung des privaten Bedarfes der Bergleute wurden in den Berg— geſetzen Bergfreiheiten, unentgeltlicher Holzbe— zug, Weideberechtigung ꝛc. geſtattet. Meiſt war den Bergwerken auch ein Beholzigungsrecht in den angrenzenden fremden Waldungen einge— räumt, wenn die landesherrlichen Forſte nicht ausreichten, um den Bedarf zu decken. 8. In den ehemals ſlaviſchen Landes— theilen, ſowie auch in den übrigen Gegenden Deutſchlands, in welchen Markgenoſſenſchaften entweder überhaupt gefehlt hatten, oder doch in ſehr früher Zeit wieder untergegangen waren, muſsten den Hinterſaſſen Waldnutzungs— rechte zur Befriedigung ihrer Bedürfniſſe ein— geräumt werden. Hier ſind aus dem Colo— natsverhältnis die meiſten jetzigen Servituten hervorgegangen. In ähnlicher Weiſe wurden auch bei den großen Coloniſationen in Preußen wäh— rend des XVII. und XVIII. Jahrhunderts den Anſiedlern Forſtberechtigungen eingeräumt. 9. Bei dem Mangel einer geordneten Forſtwirtſchaft und der Geringwerthigkeit der meiſten Waldnutzungen war es leicht mög— lich, daſs auch ſpäterhin noch durch Occupa— tion und Verjährung Servituten entſtanden, namentlich wenn culpoſe oder doloſe Nachſicht von Seiten der Forſtbedienſteten Vorſchub leiſteten. 10. Seit dem Ende des Mittelalters war beſonders auch der Übergang von der Na— tural⸗zur Geldwirtſchaft und das Steigen des Wertes der Forſtproducte eine wich— tige Veranlaſſung zur Entſtehung von Forſt— berechtigungen. Schon in der älteren Zeit muſsten in weitaus den meiſten Fällen für den Genujs der verſchiedenen Waldnutzungen Gegenleiſtungen an Geld oder Naturalien gegeben werden, welche urſprünglich bald den Charakter einer Anweis— gebür für den Forſtbedienſteten, bald jenen einer vollen oder theilweiſen Bezahlung trugen. Als nun die Forſtnutzungen mit der Entwicklung der Cultur und dem Zurückdrängen des Waldes an Wert zunahmen, wurden die Naturalleiſtungen ſelten erhöht, ſondern erſt ſehr ſpät, etwa zu Beginn des XIX. Jahrhunderts, in eine kleine Geldzahlung umgewandelt. Aber auch die früher etwa üblichen Geldabgaben wurden nicht immer jo weit geſteigert, daſs fie eine vollſtändige Be— zahlung für den jeweiligen Wert der Forſtpro— ducte darſtellten. Sehr häufig war der Verlauf vielmehr ſo, daſs die urſprünglich feſtgeſtellte 60 Forſt berechtigungen. Abgabe entweder überhaupt nicht, oder doch nur anfangs dem wirklichen Preisverhältniſſe entſprechend erhöht wurde, dann aber unver— ändert blieb. In den beiden Fällen ſtellte es ſich als— dann im Laufe der Zeit heraus, dafs ſich der Wert der Gegenleiſtung und jener der Forſt⸗ producte nicht mehr deckte. Wenn nun eine nach— trägliche Erhöhung aber entweder wegen Un— kenntnis der thatſächlichen Verhältniſſe über— haupt nicht erfolgte oder wegen Geltendmachung der Verjährung unterbleiben muſste, jo war hiedurch in Verbindung mit der ebenfalls neu— eingedrungenen römiſch-xechtlichen Auffaſſung die Vorausſetzung für eine Forſtgrundgerechtigkeit gegeben. Obwohl ſich die Anſprüche auf den ganz oder theilweiſe unentgeltlichen Bezug von Forſt— producten aus den verſchiedenſten Titeln, frühe— ren Eigenthumsrechten, markgenoſſenſchaftlichen Verhältniſſen, Occupation, Verleihung ꝛc. her— leiten, ſo hat die veränderte Rechtsanſchauung ſeit dem Ende des XVII. Jahrhunderts die Folge, dass für alle gleichmäßig die Grundſätze des römiſchen Rechts über Servituten Anwen— dung fanden, wodurch bald der Belaſtete, bald der Berechtigte in eine günſtigere Lage kam. Aus dieſem Umſtande erklären ſich die vielen Inconvenienzen des praktiſchen Lebens und die oft divergierenden Urtheilsſprüche der Ge— richtshöfe. Allein ſchon ehe die Einwirkung des römi— ſchen Rechts ſich auf dieſem Gebiete mit voller Stärke fühlbar machte, hatten die Forſtrechts— verhältniſſe verſchiedene Anderungen erfahren. Sobald ſich eine einigermaßen geregelte Forſtwirtſchaft zu entwickeln begann, wurde ge— fordert, daſs die Rechtsbezüge nicht mehr nach Willkür, ſondern erſt nach vorhergegangener Anmeldung und Anweiſung durch die Forſtbe— dienſteten entnommen werden ſollten. Da ferner die Berechtigten ſehr häufig ſtatt des gewöhnlich allein zugeſtandenen Ab— fall⸗ und Dürrholzes die beſſeren Sortimente ſich anzueignen ſtrebten, ſo wurden, ſeitdem dieſe höheren Wert erlangten, zahlreiche Verordnun— gen darüber erlaſſen, daſs nur das gering— wertige Holz oder ſolches, welches wegen Un— zugänglichkeit des Standortes nicht anderweitig verwertet werden konnte, als Rechtsbezug ent— nommen werden ſollte. Je mehr ſich im Laufe der Zeit die Forſt— wirtſchaft ausbildete und die Erinnerung an die urſprünglichen Eigenthumsverhältniſſe ſchwand, deſto lebhafter erſchienen die Forſt— berechtigungen als ein Hemmnis der Forſt— cultur, zu deren Beſeitigung die im XVIII. Jahrhundert in vollſter Blüte ſtehende Forſt— hoheit eine geeignete Handhabe bot. Es wurden nunmehr zahlreiche Verord— nungen erlaſſen, welche die Forſtrechtsbezüge nach Quantität und Qualität beſchränkten. Wo auf dem Wege der Verordnung ſolche Ein— ſchränkungen nicht zu erreichen waren, wurde oft zur Liſt und Gewalt gegriffen, was natür— lich auch thätlichen Widerſtand von der anderen Seite zur Folge hatte. Immerhin darf man dieſe Beſchränkungen der Rechtsbezüge nicht ausſchließlich als Acte der Willkür betrachten, ſondern muſßs bedenken, daſs dieſelben auf einer beſtimmten Stufe der wirtſchaftlichen Entwicklung ebenſo eine im In— tereſſe der Geſammtheit nothwendige Maßregel waren, als im XIX. Jahrhundert die voll— ſtändige Beſeitigung der Servituten; daſs man gegenwärtig anders zu Werke geht als im XVII. und XVIII. Jahrhundert, hängt eben mit der veränderten Rechtsanſchauung zu— ſammen. Unter dem Einfluſs der römiſchen Rechts— anſchauung folgte aus dem Satz: Servitutes perpetuas causas habere debent die Beſchrän⸗ kung, daſs eine ſolche Ausübung der Berech— tigungen, welche geeignet war den belaſteten Wald zu devaſtieren, verboten wurde. Schon ſeit früher Zeit galt der Grundſatz, daſs das im Berechtigungsweg bezogene Ma— terial nur zur Deckung des eigenen Bedarfes dienen, aber nicht verkauft werden dürfe, eine Ausnahme wurde gewöhnlich nur bei den auf ein beſtimmtes Maß fixierten Berechtigungen gemacht, doch war bisweilen, ſo z. B. in Mainz, 1 5 die Veräußerung ſolchen Materials unter— agt. Eine Umwandlung der ungemeſſenen Forſt— rechtsbezüge in gemeſſene wurde an einzelnen Orten ſchon im XVI. Jahrhundert verſucht (Ansbach 1531), allein in der zweiten Hälfte des XVIII. Jahrhunders energiſcher in An— griff genommen. Die vollſtändige Befreiung der Waldungen durch Ablöſung der Servituten kam bis zu Beginn des XIX. Jahrhunderts immer nur in untergeordnetem Maße vor; zur Abfindung wurde in der Regel Grund und Boden hingegeben. Auch im XIX. Jahrhundert dauerten die oben erwähnten Entſtehungsgründe für Forſt— berechtigungen wenigſtens theilweiſe noch fort, während als neues Moment in dieſer Richtung die Geſetzgebung über das Gemeinde— vermögen hinzukam. Wo nämlich die Markwaldungen in das Eigenthum der politiſchen Gemeinde übergiengen, ſind in jenen Fällen, in welchen die Erträge des Gemeindewaldes nicht in die Gemeinde— caſſe fließen, ſondern allen einzelnen Gemeinde— gliedern oder gewiſſen Claſſen derſelben direct zukommen, dieſe als Inhaber eines dinglichen Rechtes am Gemeindevermögen aufzufaſſen. Aber auch da, wo die frühere Markgenoſſen— ſchaft als Agrargemeinde oder Intereſſenten— ſchaft innerhalb der öffentlich-rechtlichen Gemeinde fortbeſteht, iſt doch vielfach das Eigenthum der Allmende ganz oder theilweiſe an die politiſche Gemeinde übergegangen, jo daſs die Agrar— genoſſenſchaft, bezw. Intereſſentenſchaft nur als Nutzungsberechtigte erſcheint. Bei der Umgeſtaltung der Markgemeinde in die andere politiſche Gemeinde ſind für den Fall des Überganges des Eigenthumes der Allmende an dieſe oder an eine innerhalb der— ſelben beſtehende Genoſſenſchaft die Holz— bezugsrechte und ſonſtigen Nutzungsbefugniſſe, welche im Laufe der Zeit den Pfarrern und Lehrern, den Dorfhandwerkern ſowie jenen Ortseinwohnern, die nicht mehr als vollberech— Forſtbereitung. — Forſtcaſſengeſchäfte. 61 tigte Genoſſen aufgenommen wurden, einge— räumt worden waren, zu Servituten am Ge— meinde- oder Genoſſenſchaſtsforſt geworden. Verjährung und unbefugte Aus— dehnung beſtehender Servituten haben im XIX. Jahrhundert ebenfalls noch vielfache Veranlaſſung zur Entſtehung neuer Servituten, bezw. zur Erweiterung der beſtehenden ge— geben. Wenn auch nach dem eben Angeführten im Beginn des XIX. Jahrhunderts zahlreiche Momente die Belaſtung des Waldes mit Ser— vituten bedingten und vermehrten, ſo war es doch auch der gleiche Zeitraum, welcher infolge des ſich während desſelben vollziehenden Um— ſchwunges in den volkswirtſchaftlichen An— ſchauungen die Befreiung von dieſen die Wirt— ſchaft in ſo hohem Maß hemmenden Feſſeln inaugurierte. Allerdings iſt die Landwirtſchaft in dieſer Beziehung weit voran geeilt, hier wurde ſchon ſeit dem Ende des XVIII. Jahrhunderts die Befreiung von den dinglichen Laſten als eine der wichtigſten Vorausſetzungen für die erfolg— reiche Entfaltung einer wirtſchaftlichen Thätig— keit betrachtet und dieſelbe deshalb auf legis— latoriſchem Wege herbeigeführt oder doch wenig— ſtens angebahnt. Die Forſtwirtſchaft erfreut ſich erſt etwa ſeit 50 Jahren einer ähnlichen Berückſichtigung. In einzelnen Staaten wurden zwar ſchon früher Ablöſungsgeſetze erlaſſen (Heſſen 1814, Preußen, Gemeinheitstheilungsordnung von 1821), allein dieſelben waren ungenügend oder ermöglichten die Abfindung nur durch unver— hältnismäßige Opfer an Waldgrund. Wenn auch das erwünſchte Ziel, die voll— kommene Befreiung von den für die Wirtſchaft ſo hinderlichen und die Erzielung der höchſten Rente unmöglich machenden Forſtberechtigungen, noch nicht allenthalben erreicht iſt und in einigen Staaten (3. B. Bayern) ſogar gegen— wärtig noch zweckmäßige Ablöſungsgeſetze fehlen, ſo iſt doch durch die neuere Geſetz— gebung wenigſtens allenthalben die Entſtehung neuer Servituten verhindert und die Fixierung ungemeſſener Rechte ermöglicht, auch ſorgt die beſſere Ordnung des Forſthaushaltes durch ge— naue Verzeichniſſe über die beſtehenden Berech— tigungen und entſprechende Controle über deren Ausübung dafür, daſs eine widerrechtliche Er— weiterung derſelben nicht leicht mehr ein— treten kann. - Die Erklärung für den Umſtand, dajs die Befreiung des Waldgrundes von dinglichen La— ſten ſpäter erfolgte als jene des landwirtſchaftlich benützten Geländes, liegt in dem Umſtand, dass die Nothwendigkeit einer Beſeitigung der Servi— tuten erſt bei einer gewiſſen Stufe der wirt— ſchaftlichen Entwicklung hervortritt, während ſie vorher ſowohl mit Rückſicht auf die ökonomi— ſchen Verhältniſſe der Berechtigten als auch auf den hiſtoriſchen Entwicklungsgang als ſchädlich und ungerecht erſcheint. Die Forſt— wirtſchaft ſteht aber in ihrer Entwicklung gegenüber der Landwirtſchaft nicht nach der Reihenfolge, welche beide in der geſammten Volkswirtſchaft einnehmen, weſentlich zurück, allerdings ſind auch noch andere Momente hiebei von Einfluſs geweſen. Schw. Forſtbereitung iſt der alte Ausdruck für Forſtinſpection, welche früher durch eine ganze Commiſſion vorgenommen wurde (ſ. a. Forſt— verwaltung, Geſchichte derjelben). Schw. Jorſtbeſchreibung it die Schilderung der allgemeinen und beſonderen Verhältniſſe eines Forſtes. Die Unterlagen hiezu liefert die Forſt— abſchätzung (.. d.) und, was die Flächenverhält— niſſe anbetrifft, die Forſtvermeſſung (ſ. d.). Die allgemeine Beſchreibung erſtreckt ſich auf die Grenzen, auf die Flächen (getrennt nach Holz— und Nichtholzboden), auf den Standort, auf die Beſtandsverhältniſſe (getrennt nach Betriebsart, Holzart, Alters- und Bonitatsverhältniſſen, Holz— vorrath, Beſtandsgruppierung), auf die zeitherige Bewirtſchaftung und Verjüngung, auf die zeit— herigen Erträge und Koſten, auf die Waldein— theilung und den allgemeinen Betriebsplan, auf die Ertragsbeſtimmung, auf den ſpeciellen Wirt— ſchaftsplan für den nächſten Zeitraum und auf etwaige Wirtſchaftsregeln. Unterſtützt wird ſie durch die Claſſenüberſicht und die Abnutzungs— tabelle. Die jpeciellere Beſchreibung iſt im Taxa— tionsmanual, im Flächen- und Beſtandsregiſter, in der Standortstabelle — mit Überſicht der Zu— wachsverhältniſſe —, in der Beſtandsclaſſen— tabelle und im Grenzregiſter niedergelegt. Wr. Jorſtbetriebseinrichtung, Forſtbetriebs— regulierung ſ. Forſteinrichtung. Nr. FJorſtcaſſengeſchäfte (Deutſchland) be— ſtehen in der Verwaltung und Verrechnung der in einem Forſthaushalte ein- und ausgehenden Gelder. Das Forſtcaſſenweſen iſt bei den deutſchen Staatsforſtverwaltungen vollſtändig von der Forſtverwaltung getrennt, jo dafs die Forſt— beamten weder Geld vereinnahmen, noch ver— ausgaben dürfen, die Caſſenbeamten aber von der Betheiligung bei der Materialverwertung ausgeſchloſſen ſind, mit Ausnahme von Sachſen, wo die königlichen Forſtrentbeamten die Verſtei— gerungen der Forſtproducte unter Concurrenz des Forſtmeiſters und Revierverwalters abhalten. Wenn anderwärts, wie z. B. in Preußen und Württemberg, die Foritcaffenbeamten oder deren Stellvertreter den Verſteigerungen anwohnen, ſo geſchieht dies nur, um die Gebote vorzu— merken, Zahlungen anzunehmen und zahlungs— unfähige Käufer zurückzuweiſen. Die Material- rechnung, wenngleich mit Vortrag der Geld— einnahmen, ſtellt demnach auch die Forſtver— waltung, die Geldrechnung die Caſſenbehörde. Man hat nun die Forſtceaſſengeſchäfte ent— weder den für die geſammte Finanzverwaltung beſtehenden äußeren Amtern übertragen, oder wie in Preußen, Sachſen, Braunſchweig und Elſaſs-Lothringen, beſondere Forſtrentämter (Forſtrendanten) beſtellt. Die Aufſtellung be— ſonderer Forſteaſſenbeamten liegt jedoch, da man ihnen, um ſie voll zu beſchäftigen, immer mehrere Reviere zuweiſen muſs, wegen der Größe der Amtsbezirke nicht im Intereſſe des Publicums, und kann dieſem Mißſtande durch Abhaltung von Amtstagen an verſchiedenen Orten des Amtsbezirkes nur theilweiſe abge— holfen werden. Hiezu kommt noch die ungleiche 62 Forſteultur. — Forſtculturgeräthe. Vertheilung der Geſchäfte des Caſſenbeamten, wie ſie ſich namentlich aus dem Zuſammen— drängen der Holzverkäufe und ſomit der Geld— erhebung ergibt. Derſelbe wird deshalb zeit— weiſe kaum ſeinen Obliegenheiten nachkommen können, in einer anderen Zeit aber nur wenig beſchäftigt fein. Bei Zutheilung der Forſtcaſſen— geſchäfte an die allgemeinen Finanzbehörden fallen dieſe Übelſtände weg, da hier die Amts— bezirke kleiner ſind, die Forſtproductenkäufer ohnehin aus anderer Veranlaſſung öfter zu Amt kommen, und die Verſchiedenartigkeit der Ge— ſchäfte des Caſſenbeamten die gleichmäßige zeit— liche Vertheilung derſelben erleichtert. Um den genannten Nachtheilen zu begegnen und an Koſten zu ſparen, überträgt man in den ge— nannten vier Staaten die Geſchäfte eines Forſt— rendanten häufig Perſonen, welche bereits eine Caſſe des Staates, einer Gemeinde u. ſ. w. ver— walten, oder penſionierten Officieren, oder auch Schullehrern (Braunſchweig). Die Function der beſonderen Forſtren— danten iſt eine widerrufliche, und der Gehalt derſelben beſteht in Procenten der Einnahme, in Preußen und Braunſchweig z. B. bis zu 2%, in Preußen jedoch mit der Beſchränkung, das die Tantieme nach Abrechnung von einem Drittheil derſelben als Amtskoſtenentſchädigung den Jahresbetrag von 3300 Mark nicht über— ſteigen darf. Aber auch dort, wo die Erhebung der Forſtgefälle den allgemeinen Caſſenämtern übertragen iſt, werden öfter Tautienten gewährt, wie z. B. in Bayern, wo der Rentbeamte nebſt ſeinem Gehalte in der Regel 1½ / der reinen Einnahme erhält, dagegen aber ſein Kanzlei— perſonale ſelbſt zu zahlen hat. In den zuſammenhängenden Staatswal— dungen der öſtlichen Provinzen Preußens ſind den Forſtrendanten mehrfach 3—5 Oberförſte— reien mit Staatswaldflächen bis zu 35.000 ha zugewieſen. In Sachſen bildet der Forſtinſpee— tionsbezirk in der Regel auch den Bezirk eines Forſtrentbeamten mit durchſchnittlich 11.170 ha Staatswald, während in Bayern auf ein Rent— amt im Durchſchnitt nur eine Staatswaldfläche von 4300 ha kommt. Man vgl. auch J. Albert, Lehrbuch der Forſtverwaltung, München 1883. At. Forſtcuftur. Im Allgemeinen verſteht man unter Forſteultur die höhere Ausbil— dung der Waldungen in Bezug auf Anlage und Behandlung, auf rationellem und ſyſte— matiſchem Wege; im Beſondern wird aber auch jede künſtliche Waldanlage durch Saat oder Pflanzung eine Forſteultur, auch wohl blos eine Cultur (im forſtlichen Sinne) ge— nannt. So kann denn auch die Lehre von der Forfteultur als mit der Lehre vom Holzanbaue zuſammenfallend angeſehen werden, wie es z. B. Jäger in ſeinem „Forſteulturweſen nach Theorie und Erfahrung“, Marburg 1865, thut. Gt. FTorſtculturgeräthe. Bei der Ausführung von Forſteulturen kommt es beſonders auf Bodenbearbeitung zur Aufnahme der Saat oder zur Ausführung der Pflanzung an. Zur Ausführung dieſer Arbeiten werden vorzugs— weiſe gewiſſe Geräthe erforderlich, weit weniger zu den übrigen Culturarbeiten, wie zum Säen und zum Decken der Saaten und der Pflanzen. Pflug, Egge, ſelbſt Walze, dann Hacke, Spaten, Pflanzenſtecker und Rechen ſind beſon— ders die jenen erſtgenaunten Zwecken dienenden Geräthe, alſo ſolche, deren ebenfalls die Land— wirtſchaft bedarf, um ihre Culturen in Aus— führung zu bringen, und die ſich in der Regel im Beſitz der Landwirte oder ihrer Arbeiter befinden. Der Forſtwirt iſt daher häufig in der Lage, dieſe Geräthe von Jenen zu entlehnen, indem er von ihnen entweder Geſpannarbeiten oder Hack- und Pflanzarbeiten in Zeiten aus⸗ führen läſst, wo ſie die Landwirtſchaft ent- behren kann. Jedenfalls iſt eine ſolche Entlehnung für den Forſtwirt ſehr angenehm, da es ihn der Haltung eines koſtſpielig zu beſchaffenden und zu erhaltenden, dabei läſtig aufzubewahrenden Inventars überhebt, und iſt ihm dieſelbe daher nur anzurathen, wenn er damit ſeinen Zweck in der Hauptſache erreicht, was oft genug der Fall ſein wird. Demohngeachtet finden wir bei vielen Forſtwirten das Beſtreben, beſondere Forſt— culturwerkzeuge zu erfinden und zu verwenden, ſehr ausgebildet, und hat da die Phantaſie jener allezeit gar wunderliche Blüten getrieben und uns mit einer Fülle unpraktiſcher oder mindeſtens überflüſſiger Culturgeräthe belaſtet. Dabei iſt jedoch nicht in Abrede zu ſtellen, dass in gewiſſen Fällen jene landwirtſchaftlichen Ge— räthe für den forſtlichen Gebrauch nicht voll— ſtändig geeignet und einer entſprechenden Um— änderung bedürftig ſind, daſs auch wohl derartig abgeänderte Forſteulturgeräthe weder von den geſpannhaltenden Landwirten, noch von ihren Handarbeitern oder anderweiten ländlichen Taglöhnern, wenn ſie zur Forſt— cultur zugezogen werden, in ausreichender Menge beſchafft werden können und daher von der Forſtverwaltung nothwendigerweiſe ſelbſt gehalten werden müſſen. Es bildet ſich denn auf ſolche Weiſe eine Lehre von den Forſteulturgeräthen aus, die bereits früher in einer beſonderen Schrift: „Beil's Forſtwirtſchaftliche Culturwerkzeuge und Geräthe in Abbildungen und Beſchrei— bungen, Frankfurt a. M. 1846“ behandelt wurde, welch letztere jedoch zum Theil jetzt veraltet iſt. Die bei den Forſteulturen jetzt etwa in Betracht kommenden Werkzeuge und Geräthe führen wir im Nachſtehenden an: 1. Pflüge. a) Bei den Forſteulturen, wo die Boden— bearbeitung durch Pflugarbeit hergeſtellt wird, alſo bei Vollumbruch des möglichſt ſtockfreien Landes oder bei ſtreifenweiſer Verwundung desſelben, werden vielfältig die gewöhnlichen Ackerpflüge und Haken zur Ziehung ein- facher Furchen verwendet, ebenſo wird mit ihnen auch das Doppelpflügen (j. d.), wo es erforderlich erſcheint, vorgenommen, indem man dann gewöhnlich die Vertiefung der erſten Ackerpflugfurche mittelſt eines Schwingpflugs, alſo doch ebenfalls eines landwirtſchaftlichen Ge— räthes, vornehmen läſst. Forſtculturgeräthe. 63 b) Beſondere Waldpflüge (f. d.) ſtellen der Alemann'ſche, Eckert'ſche und Rüders— dorfer Waldpflug dar. e) Als Untergrundpflüge (ſ. d.) be— nützt man die beſonderen Untergrundpflüge Alemann's, Eckert's und den Lüneburger Un— tergrundpflug. d) Außer den vorgenannten, durch Ange— ſpann von Pferden oder Rindvieh be— wegten Pflügen werden neuerdings hin und wieder zur Forſteultur auch Dampfpflüge (ſ. d.) verwendet. e) Handpflüge, bei welchen durch Men— ſchen eine Schar mit der Hand im Boden hingezogen wird, um in dieſem das Unkraut zu beſeitigen, auch wohl die in Reihen ſtehenden Pflanzen zu behäufeln, kommen hie und da in Kämpen unter dem Namen von Jät- und Häufelpflügen in Anwendung, ſo z. B. der Bayeriſche Handpflug, der Nördlinger'ſche Rei— hencultivator, der Fiſchbach'ſche Häufelpflug. Sie erleichtern wohl in etwas die Arbeit, ſind aber leicht zu entbehren. 2. Eggen. a) Bei vollem Umbruch des Landes be— hufs Forfteultur wird ebenfalls die gewöhnliche Feldegge benützt, auch dient dieſelbe wohl, gehörig beſchwert und mit eiſernen Zinken ver— ſehen, zur Bodenverwundung in Samenſchlägen, doch gerade für letzteren Zweck reichen öfter dieſe Eggen wegen der hindernden Boden— beſchaffenheit nicht aus und ſind b) die Waldeggen (f. d.) zweckdienlicher. Von dieſen ſind beſonders zu nennen die dreieckige Egge, die Gliederegge und die Ingermann'ſche Egge. e) Unter Strauchegge oder Schlepp— buſch verſteht G. L. Hartig ein fächerförmig zuſammengebundenes Bündel ſperriger Dornen, welches an eine 1˙3—1˙5 m lange Stange ge— bunden wird, um mit dieſem einfachen Werk— zeuge Holzſamen, der auf lockerem Boden voll ausgeſät wurde, mehrmals zu überziehen und ſo mit Erde etwas zu bedecken. 3. Walze. Wo dieſe bei Forſteulturen etwa in Ge— brauch kommt, iſt es in der Regel die gewöhn— liche Feldwalze, die man wohl z. B. beim Einwalzen von voll ausgeſäeten Eicheln ver— wendet. Man hat freilich auch ſog. Rillen— oder Saatwalzen zum Rillendrücken in Kämpen verwendet, doch ſind dieſelben weder nothwendig noch beſonders praktiſch (ſ. darüber bei Kamp sub 10). 4. Rechen oder Harken. a) Der gewöhnliche Gartenrechen iſt auch bei Forſteulturen, wenn er eiſerne Zähne und einen nicht zu langen hölzernen oder eiſernen Balken hat, das gebräuchlichſte Werk— zeug, wenn es ſich nur zum Ebenen des Bodens oder Einharken von Samen in lockeren Boden handelt. Soll der Rechen aber in den rohen Waldboden eingreifen, ſo reichen die Garten— rechen nicht mehr aus und benützt man dann dazu kräftigere eiſerne Werkzeuge. b) Von dieſen Forſteulturrechen iſt der Sollinger Wald- oder Häckelrechen und die Seebach'ſche Häckelhacke z. B. beim flachen Umhacken (Häckeln) des rohen Wald— bodens wohl zu empfehlen. Den erſteren ſtellt Fig. 355 vor, und ſei nur bemerkt, dafs der eiſerne Balken 34. em lang iſt, die daran be— feſtigten kräftigen meiſelförmigen, 2'5 em breiten Zähne eine Länge von 6 em haben, die rechen— artige Hacke Fig. 356 dagegen aus einem Stück von Eiſen ſo gearbeitet iſt, daſs ſie eine obere Breite von 17˙5 m erhält und die 3 mm dicken Zähne von der Biegung nur 15 em Länge er- halten. Fig. 355. Häckelrechen in Fig. 356. Häckelhacke Sollinger Form. Seebach's. Die ſonſt wohl in der forſtlichen Literatur erwähnten Culturrechen, wie der Kreisrechen, die Rechenhacke u. a. ſind unpraktiſch, jeden— falls entbehrlich. 5. Hacken oder Hauen. a) Auch dieſe Werkzeuge, wie ſie in der gewöhnlichen Form der Gegend zur Ausführung land- und gartenwirtſchaftlicher Arbeiten beſtimmt ſind, dienen oft mit Nutzen auch bei Forſteulturen. Sie werden wohl mit kürzerem breitem Blatte, etwa in der Form von Kartoffelhacken oder mit längerem, ſchmä— lerem Blatte, als Rodehacken, zum Lockern des Bodens in verſchiedenſter Weiſe auch forſtwirt— ſchaftlich verwendet. Paſſen die landüblichen Hacken der Gegend aber ihrer Bauart nach nicht für die gerade vorliegende forſtwirtſchaftliche Bodenverwun— dung und reichen ſie dabei etwa auch der Zahl nach nicht aus, um die erforderlichen Forſt— culturarbeiter damit zu verſehen, ſo werden wohl beſondere Culturhacken in verſchiedenſter Form hergeſtellt und verwendet. b) Als ſolche beſondere Forjtcultur- hacken nennen wir hier u. a. die namentlich beim Abſchälen des Bodenfilzes verwendete ſog. Schäl⸗ oder Breithacke mit einem 24 em langen, an der Schneide ebenſo breiten, nach oben zu etwas verſchmälerten Blatte, an einem etwa 12 cm langen Halſe, welche Fig. 357 dar- ſtellt, in faſt gleicher Form aber auch nicht ſelten bei der gewöhnlichen Palt- oder Plagg— hacke der Gegend vorkommt; ferner die Sol— linger Cultur- oder Heidehacke, meiſt mit 64 Forſtculturgeräthe. 17 em hohem, 12 em breitem Blatte, wie fie | Legen von Eicheln vor. Man kann zu ihnen Fig. 358 zeigt; endlich die märkiſche Cultur⸗ hacke, die in beſonderem Artikel (ſ. d.) be— ſchrieben und abgebildet iſt. Fig. 357. Schäl- oder Breithacke. Fig. 358. Sollinger Hacke. c) Für Eichelculturen iſt die Doppelhacke als eine beſondere Hackenform, die einen eigenen Artikel (ſ. d.) mit Abbild erhielt. d) Als Jäthacken können ſelbſtredend alle kleineren Hacken und Karſte zum Lockern des Bodens und Ausjätens von Unkraut, wie es im Kamp oft nöthig wird, dienen, doch wer— den hier hin und wieder auch wohl beſondere Karſte u. ſ. w. gebraucht, von denen der ſog. Fünf— zack und der Dreizack Schoch's erwähnt ſein mag, welch letzteren auch Fig. 359 der Form 2 darſtellt. Der Drei- zack wird an einem Jig. ar Stiele gehandhabt und . eee = iſt in ſeinem Eiſentheile 14 em lang, die äußeren Zinken haben eine Länge von 4 em, die Mittelzinke hat eine ſolche von 5 em, die Zinkenſpitzen ſtehen em aus— einander. e) Rillenzieher ſind leichte Hacken mit mehr löffelförmigem Blatte, um im loſen Kampboden Saatrillen zum Einlegen von Eichen, Bucheln, Kaſtanien oder dgl. aufzu— ziehen. 6. Vorſtecher. Zum Einſtoßen von Löchern in den Bo— den, um dieſelben als Saat-, beſonders aber als Pflanzſtellen zu verwenden, dienen, je nach der lockereren oder feſteren Beſchaffenheit des Bodens, verſchiedene hölzerne oder eiſerne, mit Spitzen verſehene einfache Stechwerkzeuge. a) Vorſtecher zur Ausführung von Saaten kommen im Weſentlichen nur beim ſchon das bekannte, nach Art eines Rübenkern— pflanzers eingerichtete Eichelſteckbrett, wel— ches beim Artikel „Eichenerziehung“ erwähnt und dort Fig. 263 auch dargeſtellt wurde, rechnen, doch weichen die eigentlichen Eich el— pflänzer von dieſem in der Form inſofern ab, als fie in der Regel einfache hölzerne oder eiſerne Stöcke, etwa in Länge und Geſtalt eines Spatenſtiels mit Krücke bil- den, welche unten ſich in ihrer Stärke etwas verjün— gen und, wenn von Holz, mindeſtens einen eiſernen Schuh tragen, der wie eine ein fache, auch wohl drei— oder vierkantige Lanzenſpitze geformt iſt, wie ihn Fig. 360 darſtellt. Mit der Spitze wird das Saatloch für die Eichel in den Boden geſtoßen, auch bei drei- oder vierkantiger Spitze, durch Umdrehen der— ſelben, vor dem Einlegen der Eicheln in etwas gelockert. Schon G. L. Hartig beſchreibt einen ſolchen Eichelſtecker un— en ter dem Namen Saatfol- Fig. 360. Eichelpflän- ben, der nach ihm ganz zer. a NONE von Holz etwa in Form der 5 oben gebrachten Figur gefer— tigt und deſſen unterer Theil, der Kolben (13 cm lang, 8 em dick), auch in Holz vierkantig geſchnitzt wird. Hartig hält den Gebrauch des Kolbens bei lockererem Boden, in den er 11—13 em tief ein- gedrückt und das dadurch entſtandene, durch Drehen des Kolbens etwas gelockerte Loch mit Eicheln belegt wird, beſonders da für zweck— mäßig, wo Schwarzwild den Eichelſaaten nach— ſtellt, da dasſelbe die ſo gelegten Eicheln nicht ſo leicht aufzufinden und daher weniger Scha— den in ihnen anzurichten pflegt, eine Hoffnung, die ſich freilich oft genug nicht erfüllt. Man hat übrigens die Vorſtecher auch jo eingerichtet, daßz man den Stiel mit einer Rinne verſieht, die bis in den mehr löffel— förmigen Schuh läuft und ſo das Einführen der Eichel auf dieſem Wege in das Steckloch, bei eingeführtem Stecher, ermöglicht, wie die Eichelſtecher von Prouvs, Müller, Sacher zeigen. Wo es ſich um Einlegen von Eicheln auf ungelockertem Boden mittelſt der Vorſtecher handelt, iſt der Erfolg meiſt weniger ſicher, bei gelockertem Boden bedarf man aber jener Inſtrumente in der Regel nicht. Noch überflüſſiger erſcheinen die Geräthe, Saathämmer, Saatſchlägel u. ſ. w., mit deren Hilfe in feſteren Boden die Eichelſteck— löcher eingehauen werden ſollen. Sie werden um ſo weniger empfehlenswert, je feſter der Boden, je glatter dadurch das Saatloch und je ſchwieriger die gute Umhüllung der Eichel mit loſem Boden, bei dem nur oberflächlichen Schließen des Loches, auszuführen iſt. re a u 3 * * 2 2.2 Kiefern Buttlar's Pflanzung Forſtculturgeräthe. 65 b) Vorſtecher zum Herſtellen von Stecklöchern für Holzpflanzungen kom— men dagegen bei Frei- und Kampeulturen vielfach in Verwendung. Sie ſtellen ſich in der Regel aa) in der Form der gewöhnlichen Pflanzhölzer, Pflanzſtöcke oder Pflän— zer der Gärtner und Landleute zum Gebrauch beim Einſetzen kleinerer Pflänzlinge in gelockerten Boden dar und werden in dieſer Form namentlich zum Pflanzen einjähriger verwendet, wo ſie eine ungefähre Länge von 40—30 em und eine obere Stärke von gut 3 em zu haben pflegen, während die Weidenpflänzer für Stecklinge, wo ſie ver— wendet werden, in der Regel länger geſchnitten ſind. Eine etwas abweichende Form erhält der Pflänzer, wenn er dreikantig geformt, auch wohl noch, zum Gebrauch bei etwas feſterem Boden, mit eiſernem Schuh verſehen iſt und nun unter dem Namen des Pflanzdolchs geht, wie ihn Fig. 361 darſtellt. Fig. 361. Pflanzdolch. bb) Ein eigenthümlicher Vorſtecher iſt ferner das Buttlar'ſche Pflanzeiſen (ſ. d. mit Fig. 162), ebenſo dieſes in langgeſtielter Geſtalt als Warten— berg’iches Pflanzeiſen (j. d., Kiefererziehung, ſ. a. Setzſtab). ec) Das Pfahleiſen kommt entweder als ſchwerer 1˙5 m langer Vorſtecher vor, um für Weidenſetzſtangen die Pflanzlöcher 60—70 em tief in den Boden zu treiben oder in der Form des Alemann 'ſchen Vorſtecheiſens, welches nicht wie jenes ganz von Eiſen, ſondern bei einer Höhe von nur 118 em in Form eines 2˙8 em ſtarken Spatenſtiels aus eichenem Holze gefertigt und mit eiſernem, langen ſpitzigen Schuh verſehen iſt, um mit dieſem Werkzeuge zur Unterbringung der unverkürzten Eichen— pfahlwurzel ein beſonderes Loch im Pflanz— loche vorzuſtechen. 7. Spaten. a) Flachſpaten. aa) Zum Umgraben des Bodens für Saatſtreifen, Kampbeete, Aufgraben von Pflanz— löchern bedient man ſich auch im Walde in der Regel der gewöhnlichen ortsüblichen Flachſpaten. Zu ihnen zählt auch der märki— ſche Gartenſpaten mit hölzernem, eiſenbeſchla— genem, ſchaufelförmig gekrümmtem Blatte zur Ausführung der Alemann! ſchen Klemmpflanzung (. . bb) Der Keilſpaten iſt dagegen ein ausſchließlich forſtliches Geräth zum ſog. Klemmen der jungen Kieferpflänzlinge (ſ. Kiefer— erziehung), aber doch immer nur ein gewöhnlicher Spaten mit hölzernem, eiſenbeſchlagenem Blatte, von gerader, keilförmiger Geſtalt, um mit dem- ſelben in gelockerten Boden einen keilförmigen Spalt zum Einſetzen der Pflänzlinge ſtoßen Spalt wieder ſchließen zu können, weshalb man dieſe Pflanzart wohl Spaltpflanzung, den Keilſpaten ebenſo Spaltpflanzer nennt, an deſſen Stelle hie und da auch wohl ein Beil (Pflanzbeil) benützt wird, um jenen Pflanz— ſpalt beſonders in feſteren Boden zu ſchlagen. Man muſs beim Gebrauche dieſer Werkzeuge ein zu ſtarkes Drücken oder Klemmen der Wurzeln vermeiden. Fuge Vorſicht wird dies lehren, ohne dass es deshalb noch beſonderer vorgeſchlagener nden wie zwiſchenge— ſchobene Pflanzbleche u. dgl. bedarf. cc) Stoßſpaten, ganz von Eiſen, etwa Um lang, mit geradem, etwa 22 em langem 12 em breitem Blatte, 7—8 kg ſchwer, dient zum guten Ausroden ſtarker Pflanzenheiſter. In einigen Gegenden geht der Spaten unter dem Namen Rodeeiſen, auch wohl Sollinger Rodeeiſen. b) Hohlſpaten. Man verſteht hierunter Spaten, deren Blatt etwa zu einem Halbkreis oder mehr ge bogen, auch wohl ſo gearbeitet iſt, daſs es die Form eines hohlen Keils annimmt. So ent— ſtehen: I aa) Schaufelförmige Hohlſpaten oder Pflanzſchaufeln, wie ſie mit kurzem oder längerem Stiel auch der Gärtner verwendet, um aus loſem Boden Pflänzlinge, unter möglichſter Schonung der an ihren Wurzeln hängenden Muttererde, zum weiteren Verpflanzen auszu— nehmen. Sie können ſelbſtredend zu gleichem oder ähnlichem Zweck auch vom Forſtmanne, namentlich bei Kamparbeiten, Verwendung finden. bb) Hohlbohrer oder Pflanzbohrer (f. Hohlbohrer, Ballenpflanzung) zum Ausbohren von jungen Pflanzen mit anhängenden Erd— ballen zum weiteren Verpflanzen, in den Haupt— formen des alten preußiſchen cylindriſchen, des v. Meyerinckiſchen kegelförmigen und des C. Heyer'ſchen a 3 kegelför— migen Hohlbohrers (ſ. b. Hohlbohrer, wo auch ein Abbild des letzteren.) cc) Spiralbohrer, Hohlbohrer mit ſchwach ſchraubenförmig gebogenen Blatte (f. Viermans ſches Culturverfahren nebſt Abbild dabei). dd) Hohlkeilſpaten (j. b. Hohlbohrer, auch b. Sandbau), beim Bepflanzen der Dünen mit jungen Kiefern hie und da im Gebrauche. 8. Rillenzieher. Zum Einbringen von Samen, auch Sämlingen, in gelockerten Boden werden bei Frei- und Kampſaaten Rillen, nach den verſchiedenen Verhältniſſen, flacher und tiefer gezogen. Bei Freiſaaten werden zu dieſem Zweck die tieferen Rillen in der Regel mit der Hacke, die ſeichteren mit dem Harkenſtiel u. dgl. gezogen, wenn nicht etwa Säemaſchinen in Ge— brauch ſind, die das Rillenziehen mit beſorgen. Auch bei Kampſaaten iſt zur Herſtellung tie ferer Rillen jedenfalls eine gewöhnliche leich— tere Hacke das geeignetſte Werkzeug, mit welchem, nach Erfordern, auch längs der Schnur gearbeitet werden kann, doch glaubte man ſich namentlich hier die Arbeit zu erleichtern, wenn man die Hacke zur Herſtellung von Rillen we— und demnächft durch einen Gegendruck den nigſtens mehr löffelförmig herſtellen ließ, Dombrowski. Eneyklopädie d. Forſt⸗ u. Jagdwiſſenſch. IV. Bd. 5 66 3 ſelbſt einen kleinen Handpflug als ſogenannten Rilleupflug verwendete. Seichte Rillen. die oft zum Einſäen von leichterem Samen dienen, laſſen ſich im Kampe ebenfalls oft genug mittelſt eines, viel— leicht längs der Schnur, geführten Stockes oder Harkenſtiels herſtellen, doch drückt man auch wohl, zur Herſtellung der Rille, in den loſen ebenen Boden eine, die Form der Rille in letz— terem wiedergebende Saatlatte ein, braucht auch das ſog. Saatbrett oder Rillenbrett ſ. b. Kamp sub 10, mit Abbild.) 9. Säevorrichtungen (j. Einſaat). Wo man ſich beim Einſäen des Holzſamens nicht glaubt der Saat aus freier Hand bedienen zu können, ſtehen dem Forſtmanne verſchiedene künſtliche Vorrichtungen zu Gebote, um jene zu erſetzen. Auch zu dieſem Zweck ſind eine große Zahl von, zum Theil unpraktiſchen oder mindeſtens überflüſſigen Saatrinnen, Saat— hölzern, Säemaſchinen u. ſ. w. erdacht und empfohlen, deren Aufführung keinen Zweck haben würde. Wir nennen nur als brauchbare Ge— räthe: das bekannte Säehorn der Gärtner ſ. d.) für Kampſaaten, das Baruther Säerohr oder die ſog. Saatflinte (ſ. d.) und von den Säemaſchinen (ſ. d.) die Ahlborn'ſche für Frei— ſaaten. Wir weiſen hier a) in Betreff der Säemaſchinen auf den beſonderen gleichnamigen Artikel hin und ſtellen . d Fig. 362. Saatflinte. Ia Hölzerner, oben durch Schie— ber verſchließbarer Samenkaſten, de Mittelſtück mit Bohr⸗ loch zum Durchlaſſen nach ed, dem aus Eiſenblech gefer— tigten Endſtück, s Schieber, durch welchen ſich das einge- bohrte Samenloch erweitern und verengern läßt, Kk Knopf eines auf II näher dargeſtellten Drahts, der ſich in einer Spalte des Endſtückes auf und abbewegen läßt, um das Laufen des Samens nach und durch die Endöffnung bei Win die Saatrille zu befördern. Wird der Draht bis an die Stelle k 1 aufgezogen, ſo ſchließt eine an ihn ange⸗ löthete Kugel das Bohrloch und verhindert das Auslaufen des Samens aus dem Kaſten. Forſteulturgeräthe. b) die Saatflinte in Fig. 362 mit dem Bemerken dar, daſs dieſelbe zuerſt im Baruther Forſtrevier (Preußen) vom Oberförſter Con- ſtantin gebraucht, 1839 von Sack, bei der Verſammlung der Forſtwirthe zu Potsdam, veröffentlicht und danach von Beil (Forſtwirtſch. Culturwerkzeuge ꝛc., Frankfurt a. M. 1846) als Säetrichter von Sack beſchrieben, etwa 30 Jahre nach Sack's Bekanntmachung aber vom Förſter Schultz zu Sorauerwald als Neu— heit angezeigt und ſeitdem unter dem obigen Namen, beſonders in Revieren der preußiſchen Mark, mit Nutzen verwendet wurde. Die Saatflinte wird, wie eine Flinte, die Offnung d der Saatrille zugekehrt, getragen und der Samen, durch gleichmäßige Vorwärts- bewegung des Säemanns, in dieſelbe geſtreut. c) das Säehorn der Gärtner, bei Kamp— ſaaten verwendbar, ſtellt Fig. 363 in der ge— bräuchlichſten Geſtalt dar. Dasſelbe iſt bei fei— neren, leicht laufenden Samen verwendbar, die Fig. 363. Säehorn. a Blechgefäß zur Samenaufnahme, b Ausfluſsrohr, vorn mit Gliedern, die ſeitlich verſchoben werden können, um das Fließen des Samens zu beför- dern. Durch Anſetzen oder Abnehmen von Gliedern wird die Weite der Ausfluſsöffnung vermindert oder vermehrt, wie es Samenart und Stärke der Ausſaat erheiſcht. mit dem Horn ſchwächer und ſtärker, nach Er— fordern geſäet werden können. 10. Pflanzbretter. Das Einſetzen von Sämlingen in die Rillen der Pflanzbeete er— folgt in gewiſſen Entfernungen jener von ein— ander, die ſelbſtredend leicht abzumeſſen ſind. Man benützt hiezu jedoch auch wohl, zur Er— leichterung, beſondere Pflanzbretter, welche nicht nur die Entfernung der Pflanzen, ſondern auch die der Rillen von einander, für eine beſtehende Abmeſſung beider vorzeichnet. Das Brett hat die Länge des Beets oder ſeiner Breite, je nachdem Längs- oder Querrillen entſtehen ſollen; ſeine Breite iſt die der Rillenentfernung, eine Seite iſt glatt und dient als Lineal fürs Ziehen der Rille, die andere trägt die Einſchnitte in Pflanzenentfernung. Sit die Rille gezogen und wird an dieſe die Brettſeite mit Einſchnitten gelegt, ſo können in dieſe und in die Rille die Pflänzlinge ein— gehängt und eingepflanzt, und kann demnächſt das Brett weiter gerückt und die bezügliche Arbeit bis zum Füllen des Beets wiederholt werden. 11. Schutzgitter. Im Artikel: „Decken der Samen und Sämlinge“ iſt bereits über die einfache Art des Deckens der Beete gehandelt, doch auch das Schutzgitter erwähnt. Ein ſolches Forſteulturkoſten. — Foriteufturwejen. ſtellt Fig. 364 vor und iſt jo eingerichtet, daſs es Beetbreite (1—1˙5 m), eine Länge von etwa 125 m und eine Höhe von 15cm hat. Es wird Gitter an Gitter, die Decklatten quer über das Beet, bis zur Deckung desſelben, geſtellt; an die Beetenden kommen Gitter zu jtehen, deren Giebel, wie hier die Fig. 364 zeigt, ge— ſchloſſen iſt, während die Gittergiebel im Beet— innern offen ſind. Dieſe Gitter mit ihren, unter ih) 2 cm von einander entfernten, ebenſo breiten Latten, gewähren den Pflanzen Schutz gegen Hitze und Froſt, müſſen aber beim Fortſchreiten des Wachsthums ihrer Schützlinge nach und nach höher geſtellt werden, um dieſen Luft und Licht in gehörigem Maße zukommen zu laſſen, und ſind ſpäter, wenn jene des Schutzes nicht mehr bedürftig ſind, ganz zu entfernen. 67 meinen Anhalt zu geben vermögen. Schon G. L. Hartig hat in ſeiner „Anleitung zur wohlfeilen Cultur der Waldblößen und zur Berechnung des dazu erforderlichen Zeit- und Geldaufwandes, Berlin 1826“, ſehr ausführliche bezügliche Zahlen gebracht, und neuerdings hat Gayer als Anhang zu ſeinem „Waldbau, Ber— lin, 1882“ und v. Fiſchbach in ſeinem „Lehr— buch der Forſtwiſſenſchaft 1886“ ſolche für ver— ſchiedene Gegenden Deutſchlands, Henſchel im „Forſtwart 1883“, Hempel im „Taſchen— kalender für den öſterreichiſchen Forſtwirth für 1888“, und Fromme's forſtliche Kalender— taſche 1888 dergleichen für öſterreichiſche Ver— hältniſſe gegeben. Auch der Judeich-Behm'ſche Forſt⸗ und Jagdkalender pro 1888 bringt der— gleichen Zahlen, welche beſonders für die Ver— Fig. 364. Schutzgitter. 12. Pflanzſchnuren oder Pflanzleinen dienen dazu, um bei Culturen gerade Linien, bezw. regelmäßige Verbände abzuſtecken. Man nimmt dazu etwa 05 em starte Haufſchnuren von zweckentſprechender, für den Gebrauch in der Ebene z. B. etwa 50—60 m betragender Länge und verſieht ſie an beiden Enden mit etwa 40 em langen zugeſpitzten Steckhölzern, mit deren Hilfe die Schnur am Boden ausgeſpannt werden kann. Die gebräuchlichen Pflanzweiten werden auf der Schnur an den betreffenden Punkten mit farbigem Band eingezogen. Damit ſich die Schnuren nicht ziehen, werden ſie wohl mit Leinöl oder Theer vor der Eintheilung getränkt, müſſen aber dennoch hin und wieder auf die erhaltene Richtigkeit dieſer geprüft werden. 13. Schneide- und Hauwerkzeuge verſchiedener Art werden bei waldpfleglichen Ar— beiten, namentlich beim „Ausäſten“ und „Be— ſchneiden“, verwendet, die bei den betreffenden Artikeln erwähnt ſind (j. a. Flügelſäge, Höhen— ſäge, Stangenjäge). Gt. Jorſtculturkoſten. Es iſt klar, daſs bei der Ausführung von Forſtculturen, die in jo verſchiedener Form und unter ſo verſchiedenen Verhältniſſen des Bodens, der Witterung und der zu Gebot ſtehenden Arbeitskraft vorge— nommen werden müſſen, die Koſten jener ſehr verſchieden ausfallen müſſen. Dann können ſie aber auch durch die Liebhabereien oder unzweckmä— ßige Anordnungen des ausführenden Forſt— wirtes, ſowie durch mangelnde Aufſicht des— ſelben weſentlich vertheuert werden. Jene erſt— genannte Koſtenverſchiedenheit iſt nicht zu be— ſeitigen, gegen unnöthige Vertheuerung der Culturen nach der zweiten Richtung hin mujs aber ſtets alles Ernſtes eingeſchritten werden. Immer laſſen ſich aber gewiſſe Mittelſätze für die Forſteulturen angeben, die, wenn ſie auch meiſt beſchränkteren Ortlichkeiten entnommen wurden, doch auch anderwärts einen allge— hältniſſe Nord- und Mitteldeutſchlands einen ungefähren Anhalt bieten. Gt. Forſtcultursantrag, Forſteultursnach— weiſung, ſ. Cultursantrag, Cultursnachweiſung. v. Gg. Forſtculturwerkzeug, ſ. Forſtculturge— räthe. Gt. Forſtculturweſen. Es begreift alle die— jenigen waldbaulichen Arbeiten in ſich, welche dazu dienen, auf künſtlichem Wege die Nachzucht der Wälder zu bewirken oder zu fördern, und dabei weder Zwecke der Forſtbenutzung, noch des Forſtſchutzes als Hauptaufgabe verfolgen. Es zählen zu dieſen Arbeiten: 1. die Ausläuterungen von jüngerem, drückendem Holze aus nachzuziehenden Jung— wüchſen (ſ. b. Ausläuterung, Beſtandspflege, Füllholz); 2. die Beſeitigung bezw. Ausjätung von Unkräutern, Gräſern u. ſ. w., welche die Jungwüchſe in ihrer Entwicklung hemmen. Es kommt dies allerdings beſonders in Kämpen vor, doch auch bei Freianlagen erſcheinen öfter Unkräuter in ſolcher Fülle und Beſchaffenheit, daſs ihre Vertilgung vortheilhaft, ſelbſt noth— wendig wird (j. b. Jäten, Ausſchneiden); 3. die Bodenverwundungen, welche vorgenommen werden: a) um als grober ſcholliger Umbruch auf ſehr ſtrengen, verhärteten oder mit Ort— ſteinlagern (ſ. Ortſtein) verſehenen Böden einen nachfolgenden Holzanbau (ſ. d.) vorzubereiten, zu erleichtern und zu ſichern; b) um Bodenvernäſſungen auf Cultur— ſtellen ſoweit zu beſeitigen, als die Nachzucht des Holzbeſtandes es erheiſcht (ſ. b. Erlener— ziehung 3, Freiſaat 2 e, Heideaufforſtung 4 e, Moorcultur 2 a, Waſſerſtandspflege); : c) um beweglichen, zum Holzanba n. beſtimmten Boden zu halten, u. zw.: 5* 68 aa) durch Befeſtigen der Laubdecke mittelſt Anlegung von Laubfängen (j. d., auch Boden— pflege), bb) durch Verflachen von Erdriſſen, Ver— bauen derſelben, Ableitung von Bo den ab— ſchwemmendem Waſſer, nach Maßgabe der örtlichen Beſchaffenheit (ſ. Heideaufforſtung 4c), ce) durch Decken von leichtem Sandboden mit Strauch, Schilf u. ſ. w. (ſ. b. Flugſand— cultur 1a bb), dd) durch vorübergehenden, befeſtigenden Grasbau auf Dünenſande (j. b. Flugſand— cultur 2 a); d) um den Boden der Verjüngungs— ſchläge zur natürlichen Beſamung ſo vorzubereiten, daſs der abfallende Same ein Keimbett findet, bezw. in ihm nach dem Abfalle eine Decke erhält. Dazu kann dienen: aa) Vieh- namentlich Schweineein— trieb (ſ. d.), bb) Beſeitigung zu dichter Decken von Laub, Nadeln, Moos, Beerkraut u. dgl., die den abfallenden Samen verhindern ſo zum Boden zu gelangen, daſs er ſich dort zu tauglichen Pflanzen entwickeln kann. Es dient hierzu be— ſonders die Streuentnahme, entweder unter voller Entfernung des Streumateriales von der zu verjüngenden Fläche, oder unter wenigſtens theilweiſer Erhaltung desſelben, bei ſeinem nur ſtreifenweis ſtattfindenden Abziehen, aus boden— pfleglichen Rückſichten (ſ. b. Bodenpflege), ce) Aufeggen des Bodens, bezw. Ueber— eggen des liegenden Samens mit geeigneten Waldeggen (ſ. d.), dd) Aufpflügen, bezw. Unterpflügen, wie vorher mittelſt geeigneter Waldpflüge (ſ. d.), ee) Bearbeiten mit der Hacke, oder dem eiſernen Rechen, zu dem Zwecke wie vorher, unter Benutzung der gewöhnlichen Werkzeuge der Gegend, zweckmäßiger ſolcher, die für die Waldarbeit beſonders geeignet eingerichtet ſind, wie die Sollinger-Hacke (Forſteulturgeräthe 5 b) oder die Sollinger Rechen in Form des Häckel— rechens oder der Häckelhacke (ſ. Forſteultur— geräthe 4, b); 4. Die eigentlichen Forſteulturar— beiten durch Handſaat und Pflanzung. Hierbei bedürfen a) eine verſchiedene allgemeine Behand— lung die Culturflächen, je nachdem ſie aa) auf Wald- oder altem Baugrunde | liegen, für welche die waldbaulichen Regeln, wie ſie hier unter 4 b nach ihren Hauptpunkten angegeben ſind, meiſt ohne Weiteres in An— wendung kommen, oder bb) je nachdem ſie Oedlandsauffor— ſtungen betreffen, die meiſt noch beſondere Rückſichtnahme erfordern, wie dies die Artikel Flugſandeultur, Heideaufforſtung, Kalködland— anbau und Moorcultur näher darthun; b) die beſondere Culturausführung erſtreckt ſich Aua) auf Saat u. zw. auf Vollſaat oder Stückſaat, mit mancherlei Abweichungen (j. b. Freiſaat, Einſaat). bb) auf Pflanzung u. zw. ſolche mit Wildlingen oder ſolche mit Kamppflanzen (ſ. b. Freipflanzung, Kamp). Forſtdiebſtahl. — tung. Forſteinrichtung. Zu bemerken iſt ſchließlich zum Artikel „Forſteulturweſen“, daſs dasſelbe in unſeren Lehrbüchern über Waldbau (s. d.) meiſt ſehr ausführlich abgehandelt iſt, doch auch als be— ſondere Schrift: „Das Forſteulturweſen nach Theorie und Erfahrung von Jäger. Mar— burg 1865“ erſchien. Gt. Forſtdiebſtahl, ſ. Forſtſtrafrecht. At. Jorſtdienſteinrichtung, ſ. PIE U Gg. Forftdirection, Forſtinſpection ar. s. Direction, Inſpection ꝛc. v. Gg. Forſlein kommen iſt der Geſammertrag eines forſtwirtſchaftlich benützten Waldes. Das— ſelbe iſt am höchſten in den Culturſtaaten mit reichlich entwickelter Induſtrie und ausgebildeten Communicationsmitteln. Es ſteht im allge— meinen mit dem Bildungsgrade der Forſtwirte in geradem Verhältniſſe. Gemeinhin bezeichnet man es als die Differenz zwiſchen den geſamm— ten Einnahmen und Koſten. Bemiſst man den wirtſchaftlichen Effect nach dem Reinertrage, welchen der Wald (Boden plus Holzbeſtand) abwirft, ſo ſteht man auf dem Standpunkte der Waldrente (ſ. d.), einem Standpunkt, welchen die neuere rationelle oder Reinertragsſchule ver— wirft. Dieſe letztere benützt den Bodenreinertrag oder die Bodenrente (ſ. d.) als Maßſtab. Nr. Jorſteinrichtung, Forſtbetriebsein— richtung, Forſtbetriebs regulierung, Forſtſyſtemiſierung (in Oſterreich) bezweckt, den geſammten Wirtſchaftsbetrieb in einem Walde zeitlich und räumlich jo zu ordnen, dass der Wirtſchaftszweck möglichſt erreicht werde. Forſttaxation und Waldertragsregelung ſind nicht ſynonym mit Forſteinrichtung; fie find nur weſentliche Theile derſelben. Die Forſtein— richtung faſst ſelbſtverſtändlich nur die Haupt- nutzung, die Holzuutzung ins Auge. Die Neben- nutzungen, wenn ſie auch in beträchtlicher Menge ausfallen können, erſcheinen für dieſelbe als mehr oder weniger modificierend einwirkende Factoren. Die Forſteinrichtung kommt beſonders erſt bei größeren Waldcomplexen zur Geltung, da in dieſen die Eigenthümlichkeiten der Forſt— wirtſchaft eine gewiſſe Regelmäßigkeit des Roh— ertrages nothwendig oder doch mindeſtens wün— ſchenswert erſcheinen laſſen. Vornehmlich ſprechen in dieſer Beziehung die Abſatzfähigkeit des Holzes und die Arbeiterverhältniſſe. Es iſt klar, daſs man ſich den Abſatz nicht ſichert, wenn man in ganz unregelmäßigen Zeiträumen das Holz auf den Markt wirft oder einmal ſehr viel und das anderemal ganz wenig demſelben bietet. Ein ſicherer, preiswürdiger Holzabſatz zieht den Käufer an und ſchützt den Holzver— käufer vor Verluſten. Zur Ausformung des Materiales gehört aber auch ein tüchtiger Holz— hauerſtand. Dieſer iſt nur zu erhalten, wenn für ausreichende Arbeit geſorgt wird. Kennt man nun mit Hilfe der Forſteinrichtung die jährlich abzugebende Holzmaſſe, jo läſst ſich daraus un— gefähr die Menge der Holzhauer beſtimmen, welche ausdauernd mit der Gewinnung des Materiales beſchäftigt werden kann. Hieraus darf jedoch nicht entnommen werden, dajs die Forſteinrichtung lediglich die Herbeiführung und Einhaltung eines ſtrengen Nachhaltsbetriebes Forſteinrichtung. 69 (ſ. d.) als ihre Aufgabe betrachtet; denn der ſtrenge Nachhaltsbetrieb iſt nicht eine innere Nothwendigkeit der Waldwirtſchaft. Wohl aber muſs durch die Forſteinrichtung die Ordnung des Wirtſchaftsbetriebes inſoweit unter Berück— jihtigung der Anforderungen des jährlichen Nachhaltsbetriebes erſtrebt werden, als dies die gerade vorliegenden Waldverhältniſſe erheiſchen. Zeigt ſich bei einer Forſteinrichtung, daſs etwas auf Koſten des höchſten Reinertrages zu ge— ſchehen hat, ſo müſſen derartige Opfer wirt— ſchaftlich gerechtfertigt ſein. Nicht ſelten werden der Waldwirtſchaft durch äußere Verhältniſſe engere oder weitere Grenzen für eine regel— mäßige Jahresnutzung gezogen; es kann ſogar der ſtrengſte jährliche Nachhaltsbetrieb gefordert werden, wie z. B. in den geſetzlich beſchränkten Fideicommijswäldern ꝛc. Für die kleinen, im einfachſten ausſetzenden Betriebe zu bewirtſchaf— tenden Wälder hat die Forſteinrichtung einen geringeren Wert und eine einfache Löſung. Hier handelt es ſich meiſt nur um die Ermittelung des entſprechendſten Abtriebsalters und um eine rationelle Heranziehung der Zwiſchennutzung. Die Lehre der Forſteinrichtung hat zu behan— deln: J. die allgemeinen theoretiſchen Grund— lagen, auf welche ſich die Einrichtung ſtützen mujs, und 2. die Ausführung der zur Einrich— tung nöthigen Arbeiten. Die letzteren zerfallen (nach Judeich) in die Vorarbeiten (geometriſchen und taxatoriſchen), die Waldeintheilung, die Er— tragsbeſtimmung, die Zuſammenſtellung des Wirtſchaftsplanes und die Erhaltung und Fort— bildung des Einrichtungswerkes. Nr. Jorſteinrichtung, Geſchichte derſelben. Beim Übergang aus dem ganz ungeregelten Plenterbetrieb zu einer geordneten Forſtwirt— ſchaft war ein Doppeltes nothwendig: Einer— ſeits muſste man in irgend einer Weiſe dafür Sorge tragen, dajs an die Stelle des geernteten Holzes wieder neue Baumindividuen, ſei es auf dem Wege der natürlichen oder auf jenem der künſtlichen Verjüngung traten, an— dererſeits muſste aber die Nutzung des vor— handenen Materiales jo bemeſſen werden, dajs dasſelbe unter Berückſichtigung des Zuwachſes ſolange ausreichte, bis das heranwachſende Holz die gewünſchte Stärke erlangt hatte. Das letztgenannte Ziel konnte entweder dadurch erreicht werden, daſs man Vorrath und Zuwachs auf die Jahre der Nutzungs— periode vertheilte (Maſſentheilung), oder dadurch, dajs man eine analoge Dispoſition hinſichtlich der Waldfläche traf (Flächen— theilung). Der erſtgenannte Weg war im XIV. Jahr- hundert, als man überhaupt den erſten Schritt in dieſer Richtung that, noch gänzlich unbe— kannt und blieb es auch bis zur Mitte des XVIII. Jahrhunderts; man hielt ſich deshalb überall da, wo man überhaupt eine derartige Anordnung traf, an die Fläche und vertheilte dieſelbe in eine der Umtriebszeit entſprechende Anzahl von gleichen oder ungleichen Jah— resſchlägen. Letzteres dürfte im Anfang und wohl noch ziemlich lange der weitaus häufigere Fall geweſen ſein, denn erſtere ſetzt eine ge— naue Vermeſſung der Waldfläche voraus, welche vor dem XVIII. Jahrhundert doch wohl nur ganz ausnahmsweiſe vorgenommen worden war. Es lag ungleich näher, die Lage der ein— zelnen Parcellen und die Ausformung des Terrains in Verbindung mit den durch Waſſer— läufe und Wege gegebenen Grenzen, eventuell auch den gegenwärtigen Holzgehalt zu be— nützen, um eine Ausſcheidung von Wirtſchafts— figuren vorzunehmen. Auf ein derartiges Vor— gehen deuten auch alle vorhandenen Quellen, während eine einzige von Flächengleichheit ſpricht, nämlich jene, nach welcher Kurfürſt Auguſt von Sachſen dem Rath von Weißenſee befahl, richtige und ordentliche Gehaue zu halten „das eine jahr so viel zu blössen als das andere“. Die erſte uns bekannte Forſteinrichtung wurde nach dieſem Verfahren 1359 im Erfurter Stadtwald durchgeführt, indem derſelbe in 7 Schläge eingetheilt wurde. Dieſer Wald um— faſste 268 Acker in 3 Parcellen; hievon war die erſte, welche 132 Acker hielt, in 4 Schläge zu je 33 Acker, die zweite von 104 Acker in 2 Schläge, einen zu 50 und einen zu 5% Acker, getheilt, während die dritte Parcelle zu 50 Acker einen einzigen Schlag bildete. Von ähnlichen Theilungen berichten ſeit der Mitte des XIV. Jahrhunderts immer zahlreicher Urkunden, wo— bei für alle die geringe Anzahl der Jahres— ſchläge charakteriſtiſch iſt, welche einerſeits auf die Kürze der Umtriebszeit und andererſeits auf die Einfachheit des Verfahrens hinweist. So waren die Hackwaldungen bei Kenne im XIV. Jahrhundert in 7 Schläge, der Mühl— hauſer Stadtwald um 1560 in 9, bezw. 12, die Mansfelder Waldungen in 12, die Mitten— berger Stadtwaldungen 1587 und 1619 in 16, die Eichſtädtiſchen Waldungen um 1600 in 20 bis 30 Schläge getheilt. Erſt ſeit der Mitte des XVII. Jahrhunderts begann man in ein— zelnen Gegenden die Umtriebszeiten zu erhöhen und dementſprechend die Zahl der Schläge zu vermehren, ein Verhältnis, auf welches in der Geſchichte des Waldbaues noch weiter einge— gangen werden wird. Dieſes Verfahren eignete ſich naturgemäß immerhin nur zur Anwendung in den ſog. Vorhölzern und Feldhölzern, aus denen wegen der Leichtigkeit des Holztransportes am liebſten das Brennholz geholt wurde, und in denen auch die geordnete Waldwirtſchaft mit Einfüh— rung eines niederwaldartigen oder des Hack— waldbetriebes begann. Als man aber anfieng, auch größere Wal— dungen in regelmäßiger Weiſe zu benützen, zeigte es ſich bald, dass hier die Flächenthei— lung unter den damaligen Verhältniſſen ihre Dienſte verſagte, und deshalb die betreffenden Verordnungen unausgeführt blieben. Man war daher genöthigt, hier die Maſſe als Anhalts— punkt zu benützen, was, allerdings in höchſt einfacher Weiſe, veranlaſst durch die Bedürf— niſſe des Bergbaues, zuerſt am Harz geſchah. Die Braunſchweigiſch-Lüneburg'ſche Forit- ordnung für die Harzer Communionforſten von 1547 ſchrieb nämlich vor, daſs man einerſeits unterſuchen ſolle, wie groß der gegenwärtige Holzvorrath der verſchiedenen Beſtände wäre, 70 Forſteinrichtung. wie alt ſie werden müſsten, um eine den lo— calen Verhältniſſen entſprechende Stärke zu er— langen, und andererſeits auch die Höhe des jährlichen Holzverbrauches ermitteln müſſe. Unter Berückſichtigung dieſer verſchiedenen Mo— mente wurde eine gewiſſe Ordnung in den Be— trieb gebracht und eine Dispoſition über die Reihenfolge des Abtriebes der Beſtände getroffen. Verſchiedene Belege aus dem XVIII. Jahr— hundert beweiſen, daſs beide Methoden der Forſteinrichtung neben einander in Übung waren. Bemerkenswert iſt es, daſs man bereits im XVI. Jahrhundert Reſerven durch Zurück— ſtellung von Beſtänden für Krieg, Brand und andere Nothfälle bildete, wie u. a. in der Forſt— ordnung für das Fichtelgebirge vom Jahre 1574. Die eigentliche Entwicklung der Forſtein— richtung begann erſt um das Jahr 1740. Als man anfieng, die alte Methode der Eintheilung in gleiche oder annähernd gleiche bei größeren Waldungen anzuwenden, trat die Ungleich— mäßigkeit der Erträge wegen der Verſchieden— artigkeit der Beſtockung und Ertragsfähigkeit in einer Weiſe hervor, daſs man genöthigt war, auf Abhilfe zu ſinnen. Der erſte Schritt zu einer Beſſerung wurde von dem Clausthaler Oberförſter Jacobi in einem Gutachten über die Bewirtſchaftung der Göttinger Stadtwaldungen vom Jahre 1741 gethan, indem er vorſchlug, die Schläge zwar im allgemeinen gleich zu machen, nur an einer Stelle mit ſehr ungünſtigen Bodenverhältniſſen ſollten dieſelben bleibend größer abgeſteckt wer— den als außerdem. Hiemit war das Princip des Proportionalſchlages gegeben. Jacobi ſagte aber noch weiter, daſs man dieſe Jahres— ſchläge nicht ſofort bei der Nutzung feſthalten, ſondern erſt allmählich auf dieſelben übergehen ſolle, um einen jährlich wenigſtens annähernd gleichen Holzertrag zu erzielen. Er berechnete auch in der früher bereits angegebenen Weiſe einen Materialetat. Nich den ähnlichen Geſichtspunkten ver— fuhren v. Langen und Zanthier, welche die Methode von Jacobi, da fie ſelbſt am Harz wirkten, jedenfalls gekannt haben. Beide theilten die Waldflächen geometriſch ein, hielten aber an der Größe des einzelnen Jahresſchlages nicht feſt, ſondern verlangten nur, dass die ge— ſammte Fläche innerhalb der Umtriebszeit ab— getrieben würde. Zanthier zählte auch noch das auf einem Schlag ſtehende Holz aus und ent— warf einen Materialetat in der Weiſe, dass er berechnete, wie viele Bäume jährlich zum Hiebe gebracht werden dürften, um nachhaltig damit auszureichen. 1 Noch weiter als Zanthier gieng Ottelt in Thüringen; derſelbe ſagte, daſs die Ord— nung und Einrichtung der Wirtſchaft der Ab— ſchätzung vorausgehen müſſe, ferner ſtellte er den Grundſatz auf, daſs das Verhältnis der zu ſchlagenden Hölzer nicht allein in der Acker— zahl, ſondern auch in der Beſchaffenheit der Hölzer zu ſuchen ſei. Ottelt gieng von dem Fläche Umtriebszeit Jahresſchlag aus, wollte aber, um die jährlichen Erträge auszugleichen, die Verſchiedenheit des Holzbe— ſtandes nach Alter, Güte, Boden und Expo— ſition in Betracht gezogen wiſſen. Er war auch der erſte, welcher die Einreihung der Beſtände in Altersclaſſen zur Anwendung brachte; letz— tere waren ungleich lang (für Nadelholz: 1. ſchlagbares Holz über 75 Jahre, 2. Mittel- hölzer 55--75 Jahre, 3. gereinigte Hölzer 40—50 Jahre, 4 Stangenholz 24— 40 Jahre, 5. Dickicht 12— 24 Jahre, 6. junger Wuchs unter 12 Jahren). Zur Beſtimmung des Ertrages claſſificierte Ottelt die Beſtände auch nach drei Bonitäten und ermittelte den Durchſchnittszuwachs nach jenem der normalen Orte, unter Berückſichti⸗ gung der Blößen, Lücken und conereten Be— ſtandesgüte. War das Altersclaſſenverhältnis normal, ſo durfte dann der Etat gleichmäßig genützt werden, und jede Altersclaſſe wurde in ſo viele Schläge getheilt, als ſie Jahre umfaſste. War aber das Altersclaſſenverhältnis nicht normal, ſo muſste in den älteren Abtheilungen ſo lange gewirtſchaftet werden, bis das Holz in den jün— geren das beſtimmte Alter des Umtriebes er— langt hatte. Die wechſelnde Bonität wurde ſpäterhin dadurch berückſichtigt, daſs die Schläge in guten und wohlbeſtandenen Gegenden in der Ackerzahl etwas kleiner, in ſchlecht beſtandenen aber nach Proportion größer genommen, ſo abgetheilt und verſteint wurden. Ottelt machte alſo Proportionalſchläge im ſchulgerechten Sinne, unterſchied aber noch nicht zwiſchen der Standorts- und Beſtandes— bonität. Dieſes geſchah erſt zu Anfang der 1770er Jahre durch den ſpäteren Landjägermeiſter v. Wedell in den ſchleſiſchen Gebirgsforſten. Derſelbe behandelte beide getrennt und nannte die Theilung nach der bleibenden Standorts— güte die geometriſche, jene nach der vorüber— gehenden, auf den vorhandenen Beſtand bezüg— lichen Beſtandesgüte die arithmetiſche Thei— lung. Die erſtere ſollte nicht planimetriſch gleich, ſondern der Ertragsfähigkeit des Bodens proportional ſein. Die Bonitierung aller Beſtände geſchah nach vier Claſſen. Die Geſammtholzmaſſe wurde nach Probeflächen ermittelt und ihr der ſehr gering angenommene Zuwachs zugezählt, um den Geſammtholzertrag während des Umtriebes und zugleich die mittlere jährliche Abnutzungs— größe zu finden. Letztere diente aber nur dazu, um zu unterſuchen, wie lange das haubare Holz ausreichen würde, wenn man jenen Hiebs— ſatz feſthalten wollte. Konnte nicht angenommen werden, dajs die nächſtjüngere Altersclaſſe bis zum Schluis dieſer Zeit zur vollen Haubarkeit herangewachſen ſei, ſo wurde der Hiebsſatz entſprechend ermäßigt. Bezüglich der Waldeintheilung machte v. Wedell den Fortſchritt, daſs er mit Rückſicht auf die Berechtigungs- und Abſatzverhältniſſe ſowie um keine zu großen Schlagflächen zu er— halten (er verjüngte durch ſchmale Abſäumun⸗ gen), die Reviere in ſog. Haupttheile (den Forſteinrichtung. heutigen Blöcken, Complexen, Betriebselaſſen entſprechend) zerlegte, welche unter Umſtänden, z. B. mit Rückſicht auf den Abſatz, wieder zu Regionen zuſammengefaſst werden konnten. Bis 1790 wurden im Breslauer Kammer— departement nach dieſem Verfahren etwa 800.000 Morgen Wald eingerichtet, allein es wurde obgleich dasſelbe 30 Jahre lang in Kraft war, nirgends lange hienach gewirtſchaftet, namentlich weil es für die damaligen Forſt— beamten zu compliciert war. Die bisher beſprochene Entwicklung des Forſteinrichtungsweſens war hauptſächlich durch die localen Verhältniſſe im Hügelland und Mittelgebirge veranlajst worden, wo die häufig wechſelnde Standortsgüte einen jo weſentlichen Unterſchied in dem Ertrag der einzelnen Flächen bedingt, daſs derſelbe bei einer Ordnung des Betriebes in irgend einer Weiſe ausgeglichen werden muſste. Anders lag die Sache in den ausge— dehnten Nadelholzforſten der norddeutſchen Tiefebene. Hier war ſowohl der Unterſchied im Ertrag nahegelegener Flächen nicht jo auffal— lend wie im coupierten Terrain, als machte. ſich eine ſolche auch weniger ſtörend bemerkbar, weil das Material doch größtentheils zum Ex— port beſtimmt war und die einzelnen Verwal— tungsbezirke ſich gegenſeitig ergänzten. Die Eintheilung in gleichgroße Jahresſchläge, welche häufig durch die zu jagdlichen Zwecken durchgehauenen Linien, die Geſtelle, begrenzt wurden, war hier das ein— fachſte Mittel zu einer Ordnung des Betriebes und hat ſich als ſolches lange erhalten Friedrich der Große hatte ſchon beim Be— ginne ſeiner Regierung (1740 und wieder 1754) die Eintheilung der Forſte angeordnet ſowie 1764 und 1770 die Eintheilung derſelben in 70 Jahresſchläge vorgeſchrieben. Allein erſt durch den Forſtdepartementsrath v. Kropff wurde eine Ordnung des Betriebes wirklich angebahnt, indem derſelbe 1780 eine Anweiſung zur Ein— theilung der Forſte und 1783 eine Inſtruction verfaſste, welche mehrfache Anklänge an Ideen von Wedell enthielt. Wie in Schleſien, ſo ſollten auch in der Mark und in Pommern die Forſten in eine gewiſſe Anzahl von Haupt— abtheilungen, jede derſelben aber in zwei gleich große Theile, Blöcke, und jeder Block in 70 gleich große Schläge getheilt werden. Man hatte ſo factiſch eine 140jährige Umtriebs— zeit mit gleich großen Jahresſchlägen. Die Zerlegung jeder Hauptabtheilung in 2 Blöcke war lediglich ein Kunſtgriff, um den König zu täuſchen, welcher an der Zahl 70 conſequent feſthielt. Als Graf v. Arnim im Jahre 1787 Staats- miniſter und Chef des Forſtweſens geworden war, trat hierin bald wieder eine Anderung ein, weil ſich die Weideberechtigten über die zu großen Schonungen beklagten, die im voraus für den ganzen Umtrieb abgeſteckten Schläge nicht feſtgehalten werden konnten, und der Ertrag ſehr ſchwankte ſowie häuſig nicht hinreichte, um die Auſprüche der Berechtigten zu befriedigen. Der von Arnim zum Director der Forſt— kartenkammer und Forſtrath ernannte Hennert 74 erließ 1783 neue Vorſchriften über das Forſt— einrichtungsweſen. Hennert faſste, ähnlich wie Wedell, größere Flächen zuſammen, welche den Etat mehrerer oder vieler Jahre enthielten, forderte die Inne— haltung dieſer Flächenabtheilung, beſtimmte den Etat nach der Holzmaſſe, welche ſie zu liefern verſprach, und vertheilte dieſe für ſo viel Jahre, als ſie der Flächendispoſition entſprechend aus— reichen ſollte. Der Eintheilung wurden die bereits zu jagdlichen Zwecken durchgehauenen Trennungs— ſchueußen (Geſtelle) und die hiedurch gebil— deten Flächen (Jagen) zu grunde gelegt. Waren ſolche nicht bereits vorhanden, ſo wurden ſie neu angelegt. Nach der Vermeſſung und Eintheilung in Blöcke, Jagen und Schläge erfolgte die Boni- tierung nach drei Claſſen und die Einreihung in vier (Kiefern), bezw. drei (Buche und Eiche) Altersclaſſen. Für jeden Block wurde der mitt— lere Ertrag der letzteren durch Probebeſtände ermittelt, der Geſammtertrag der Blöcke auf 140 Jahre berechnet und hienach ein Material- etat gefunden. Um den Jahreshiebsſatz feſtzu— ſtellen, dividierte Hennert die Geſammtmaſſe der erſten Altersclaſſe im Block durch die Zahl der Jahre, für welche das haubare Holz aushalten muſste, damit die nächſtjüngere Altersclaſſe hiebsreif wurde, auch für die übrigen Perioden berechnete er analog ſeinen Hiebsſatz. Stellten ſich hiebei große Schwankungen heraus, ſo konnte die erſte Periode verkürzt, die zweite verlängert werden oder umgekehrt, auch konnte man die beiden Perioden zuſammenfaſſen. Bei Hennert blieb der Grundſatz ebenfalls in Geltung, daſs beim Beſtand von dem angenommenen Haubarkeitsalter genutzt werden ſollte. Er ſtellte ſeinen Etat nicht nur nach Maſſe, ſondern auch nach Geld auf, erſtrebte nicht allein einen mög— lichſt gleichen Maſſenertrag, ſondern namentlich einen gleichen Geldertrag. Schon in den Jahren 1789 und 1790 wurden nach den Angaben Hennerts in Litauen, Oſt-⸗ und Weſtpreußen und Hinterpommern ca. 192.000 ha vermeſſen, doch dürfte dieſes mit Rückſicht auf das verfügbare Perſonal wohl nur in ſehr oberflächlicher Weiſe geſchehen ſein. Das Verfahren von Hennert hatte ver— ſchiedene große Mängel, ſo namentlich das Streben, jeden Beſtand das normale Haubar— keitsalter erreichen zu laſſen, wodurch das un— richtige Altersclaſſenverhältnis immer beibe— halten wurde, und auch eine richtige Hiebsfolge niemals erzielt werden konnte. Gegen die Hennert'ſche Methode liefen viele Klagen ſeitens der Weideberechtigten ein, dem Forſtperſonal war die Überſichtlichkeit der Wirtſchaft unangenehm und auch in Berlin erfuhr ſein Verfahren viele Anfeindungen, na— mentlich von Seiten Kropffs. Die von Hennert gegebenen Vorſchriften wurden nur theilweiſe innegehalten, und als dieſer ſchon im Jahre 1800 geſtorben war, riß meiſtentheils die alte Un— ordnung wieder ein. Die auf Regelung des Forſtbetriebes durch Theilung der Fläche gerichtete Strömung ge— wann in der zweiten Hälfte des XVIII. Jahr— Bu. 8 12 Forſteinrichtung. hunderts große Verbreitung, ſo erſchien u. a. 1789 auch in Bayern die Verordnung, dajs eine Eintheilung der Waldungen in Jahres— ſchläge vorgenommen werden ſollte und jährlich nur je ein Schlag abgetrieben werden dürfe. Während jo dieſe Richtung theoretiſch und praktiſch während des XVIII. Jahrhunderts bedeutende Fortſchritte machte, kann nicht das Gleiche hinſichtlich der auf Maſſentheilung baſierenden Methoden geſagt werden. Dieſes Verhältnis erklärt ſich leicht dadurch, daſs zu jener Zeit die Ermittlung der Maſſe und des Zuwachſes, namentlich vom ſtehenden Holz, noch auf ſehr wenig zuverläſſige Weiſe erfolgte, während die Waldfläche nicht nur bereits mit immerhin genügender Sicherheit gemeſſen wer— den konnte, ſondern namentlich auch eine nie verſagende Handhabe und Controle für die Regelung des Betriebes darbot. Der gräflich Schönburg'ſche Forſtbeamte Johann Gottlieb Beckmann war der erſte, welcher von der alten, höchſt ſummari— ſchen Oculartaxation der Holzmaſſe und der faſt noch unbekannten Schätzung des Zuwachſes zu einem relativ beſſeren Verfahren fortſchritt und dabei für die Forſteinrichtung von dem Prin— cipe der Maſſentheilung ohne Berückſichtigung der Fläche ausgieng. Derſelbe ermittelte ſeit 1743 durch ſtamm— weiſe Aufnahme den gegenwärtigen Holzvor— rath, addierte hiezu den progreſſiv abnehmenden Zuwachs nach gutachtlicher Schätzung (auf gutem Boden 2½/, auf mittlerem 2%, auf ſchlechtem 1',%). Dann machte er für einen Wald, deſſen Holzbeſtand zu 40.000 Klafter angenommen war, folgende Berechnung: 1. Jahr. Abgang durch Fällung 700 Klafter, verbleiben für das 2. Jahr 39.300 + 589 (1½% ) Zus wachs = 39.889 Klafter, wovon durch Fällung 700 Klafter abgehen, verbleiben 39.189 Klafter, hiezu 587 Klafter Zuwachs, gibt zuſammen 39.776, wovon wieder durch Fällung 700 Klafter abgehen. So wird die Rechnung bis zum 125. Jahr fortgeſetzt, wo der alte Wald vollſtändig abgetrieben und ein neuer nachgewachſen iſt. Wie Beckmann zu dem Etat von 700 Klafter gekommen iſt, kann aus ſeinen Darſtellungen nicht erſehen werden, wahrſcheinlich nahm er denſelben nach den localen Abſatzverhältniſſen gutachtlich an. 40 Jahre lang iſt alsdann auf dieſem Gebiete kein beſonderer Fortſchritt mehr zu verzeichnen, man bemühte ſich nur, die Me— thode der Maſſenſchätzung zu vereinfachen, namentlich aber eine einfache Formel für die Zuwachsberechnung in allmählich abzunutzenden Beſtänden zu finden. Solche wurden verſchiedene aufgeſtellt, z. B. von dem ſächſiſchen Bezirkshauptmann Oppel im Jahre 1760, ferner von Däzel und Grünberger. Die beſte rührt von dem . Pfarrer Vierenklee her und lautet: 2 11 — | 6 -); jie wurde 1767 veröffentlicht. Im Jahre 1783 erſchienen alsdann zwei Anleitungen zur Betriebsregulierung, welche von der Maſſentheilung ausgehen und deswegen höchſt bemerkenswerth ſind, weil ſie den Über— gang zu den Fachwerksmethoden dadurch bilden, daſs ſie ſtatt der von Pfeil jo genannten „natürlichen“ Altersclaſſen der übrigen Taxa— toren, welche eine ungleiche Anzahl von Jahren umfaſsten, die Eintheilung in gleich lange (daher, wie Pfeil will, „künſtliche“) Perioden anwandten. Das eine Verfahren iſt in der Inſtruction geſchildert, wonach ſich die herzoglich Württem— bergiſchen Kirchenrathsbeamten bei An— fertigung eines neuen Forſtetats über die Kir— chenwaldungen zu richten hätten. Hier ſollten die Waldungen ordentlich ver— meſſen und der Holzvorrath nach Probeflächen. beſtimmt werden, alsdann wurde der zehnte Theil des dermaligen Holzvorrathes als Re— ſerve ausgeſchieden, der Zuwachs, welcher nach Beſchaffenheit des Bodens zu / oder ¼½ Klafter angenommen wurde, hinzugerechnet und ſodann die Beſtände in jene zehnjährigen Perioden (Decennien) eingereiht, in welchen ſie zur Fällung kommen ſollten. Der Material- ertrag innerhalb der einzelnen Perioden wurde addiert und der zehnte Theil hievon als Jahres- etat derſelben betrachtet. Man ſollte dahin trachten, durch Verſchiebung von Abtheilungen eine möglichſte Gleichſtellung im Ertrag der einzelnen Perioden herbeizuführen. Schließlich wurde auch noch berechnet, welcher Gelderlös pro Jahr zu erwarten ſein dürfte. Im gleichen Jahre (1783) publicierte der kurfürſtlich ſächſiſche Oberförſter Maurer drei verſchiedene Methoden der Betriebsregulierung, von denen die erſte 10jährige, die zweite 205 jährige Alterselaſſen annimmt. a Die erſte ſchließt ſich ziemlich enge an das Hennert'ſche Verfahren an, der Vorrath des über 30 Jahre alten Holzes ſoll durch ſtamm— weiſe Meſſung ermittelt werden, zum gegen— wärtigen Vorrath ſollte der Zuwachs addiert und dieſe Summe durch die Zahl der Jahre der Nutzungsperiode, für welche das haubare Holz ausreichen mußs, dividiert werden. Die zweite Methode Maurers iſt combi— nierte Flächen- und Holztheilung, die dritte endlich ein reines Flächentheilungsverfahren. Die jährliche Hiebsfläche iſt hier gleich dem Quotienten aus Geſammtfläche dividiert durch die Zahl der Jahre der Umtriebszeit; um jedoch Schwankungen im Ertrage auszugleichen, bildete er eine Flächeureſerve von 2%, welche genutzt werden ſollte, wenn beſonders ſchlechte Flächen zum Hiebe gelangten. Am vollſtändigſten hat der heſſiſche Forſt— meiſter Kregting bereits 1788 das Prineip des reinen Maſſenfachwerkes gelehrt; er bildet Altersclaſſen mit zehnjähriger Abſtufung, ent— wirft einen Hauptwirtſchaftsplan (Forſtmäßige Holzanweiſung) für die ganze Umtriebs⸗ zeit, welche angibt, wann jeder Beſtand ange— griffen, nachgehauen und abgetrieben werden ſolle, ebenſo beſtimmt er den Maſſenertrag aller Abtheilungen für den ganzen Turnus und ſtellt bereits eine vollſtändige Periodentabelle (Holzertragstabelle) auf, mit deren Hilfe er den Etat für die einzelnen Decennien be— rechnet. Den Verſuch eines Ausgleiches zwiſchen Forſteinrichtungsanſtalt. ne den Erträgen der einzelnen Perioden machte Kregting nicht. Ein eigenartiges Verfahren publicierte der kurpfalzbayriſche Forſttaxator Franz Sales Schilcher im Jahre 1796. Dasſelbe nähert ſich der Methode Hennerts, doch ſollte eine Ab— theilung der Schläge im Walde nicht durchge— führt, ſondern die Auswahl derſelben dem Forſtverwalter überlaſſen werden. Einen gewaltigen Aufſchwung nahm die Entwicklung der Forſteinrichtung zu Beginn des XIX. Jahrhunderts durch die beiden Kory— phäen Georg Ludwig Hartig und Heinrich Cotta. a Hartig hat, wahrſcheinlich angeregt durch Kregting, das Prineip der Maſſentheilung bereits 1793 in ſeiner „Anweiſung zur Taxation der Forſten“ weiter ausgebildet und zu den bereits vorhandenen Bauſteinen noch die Gleichſtellung der periodiſchen Maſſenerträge gefügt, welcher er ſowohl das normale Hiebsalter der Beſtände als die Flächengleichheit der Perioden opferte. Wegen der Zunahme des Holzbedarfes wünſchte Hartig jedoch für die ſpäteren Perioden all— mählich ſteigende Erträge, er hielt dasjenige Alter für die richtige Umtriebszeit, in welchem ſich der höchſte Durchſchnittsertrag mit Rück— ſicht auf den Wert der Erzeugniſſe gibt. Im Gegenſatze zu Hartig ſtützte ſich Cotta vorwiegend auf die Fläche, erſtattete die ein-. zelnen Perioden (Fache) nicht mit gleichen Er— trägen, ſondern mit gleicher Fläche aus und nannte ſeine Methode Flächenfachwerk, während das Hartig'ſche Verfahren als Maſſen— fachwerk bezeichnet wird. Cotta war dabei von der Anſicht geleitet, daßs ſich weder der dermalige Holzvorrath mit aller Genauigkeit beſtimmen, noch auch der Zuwachs eines Wal— des nach ganz ſicheren Vorausſetzungen be— rechnen laſſe. Im Anfang drückte er den Ab— nützungsſatz noch in Fläche und Maſſe aus, gieng aber ſpäter immer mehr zum reinen Flächenfachwerk über, welches namentlich durch ſeinen Sohn Friedrich Wilhelm von Cotta weiter ausgebildet wurde. Hartig ſowohl als Cotta führten ihre Be— rechnungen für die ganze Umtriebszeit durch, doch legte letzterer ſchon bedeutenden Wert auf die periodiſche Reviſion des Waldſtandes; der heſſiſche Oberforſtdireſttor von Klipſtein machte dann den Vorſchlag, die ſpeciellen Er— tragsberechnungen bloß noch für die nächſten Perioden vorzunehmen, die ſpäteren dagegen nur mehr ſummariſch zu berückſichtigen. Die Methode Cottas bildet die Haupt— grundlage des ſog. combinierten Fach— werkes, welches ſich bald mehr dem Maſſen-, bald mehr dem reinen Flächenfachwerk nähert. Das Ende des XVIII. Jahrhunderts hat durch ein 1788 für die Zwecke der Waldwert— berechnung erlaſſenes öſterreichiſches Hof— kammerdeeret (vgl. d. Art. Geſchichte der Forſtwiſſenſchaft) den Keim für die Ausbildung der ſog. rationellen oder Normalvor— rathsmethoden gelegt. Aus dem erwähnten Decret, welches vorſchreibt, dajs das Verhältnis zwiſchen wirklichem Vorrath und Normalvor— rath (fundus instructus) bei der Wertberech— nung als Anhaltspunkt dienen ſolle, entwickelte ſich um das Jahr 1800 die ſog. Cameral— tarationsmethode, ISLL, wo ſie in André's „Okonomiſchen Neuigkeiten“ zum erſtenmal er— wähnt wird, iſt von ihr als von etwas Be— fanntem die Rede. Eine Verbindung der von dem Lippe— Detmold'ſchen Oberförſter Paulſen in einer 1795 anonym erſchienenen Schrift entwickelten Ideen mit den bereits in der Cameraltaxa— tionsmethode verwerteten Begriſſen „Normal— vorrath“ und „wirklicher Vorrath“ ſtellt die Hundeshagen'ſche Methode dar. Hundeshagen hat ſich große Verdienſte um die Klarlegung von „Normalvorrath“ und „Normalertrag“ erworben. Er war auch der erſte, welcher ſein Verfahren als das „rationelle“ bezeichnete, wodurch ſich der Name „rationelle Methoden“ auf alle Normalvorrathsmethoden allmählich übertrug. Ahnliche Verfahren wurden auch noch publiciert von dem königlich bayriſchen Sa— linenforſtinſpector Huber 1812, bezw. 1823, ferner durch den fürſtlich Sigmaringen'ſchen Forſtrath Karl 1838 und 1851, den bayriſchen Forſtmeiſter Martin 1836, ſowie durch Pro— feſſor Breymann 1835. Eine ſehr intereſſante Normalvorraths— methode hat Carl Heyer in ſeiner Waldwert— berechnung 1841 gelehrt, derſelbe hält nicht ſtarr an einer mathematiſchen Formel feſt, ſondern räumt dem wirtſchaftlichen Ermeſſen einen größeren Spielraum ein und verlangt den Entwurf eines Wirtſchaftsplanes. Die Reinertragstheorie hat auch in den Principien der Betriebsregulierung eine neue Richtung angebahnt, indem bei ihr nicht der Geſammtzuſtand des Waldes, ſondern die Hiebsreife des einzelnen Beſtandes im Sinne des Weiſerpercentes für die Beſtimmung des Fällungsquantums maßgebend iſt. Doch iſt hier ebenfalls ein allgemeiner Rahmen nöthig, innerhalb deſſen der Betrieb ſich bewegt; ein ſolcher ergibt ſich durch den nach der finan— ziellen Umtriebszeit bemeſſenen Jahresſchlag. Von den verſchiedenen Methoden der Be— triebsregulierung haben die beiden Fachwerks— methoden und das combinierte Fachwerk in der Praxis die größte Verbreitung erlangt, wobei neben ihrer Anwendbarkeit im großen Betrieb namentlich auch die hohe dienſtliche Stellung Hartigs und Cottas in der Forſtver— waltung bedeutenden Einfluſs gehabt hat. Nur in Baden wurde 1869 die C. Heyer'ſche Me— thode eingeführt, während die ſächſiſche Staats— forſtverwaltung ſeit der Mitte der 1860er Jahre der Reinertragstheorie eine beſtimmende Einwir— kung auf die Forſteinrichtung . hat. Schw. Forſteinrichtungsanſtalt iſt die Auſtalt oder Behörde, welche ſich mit der Aufſtellung von Forſteinrichtungsarbeiten, bezw. Wirtſchafts— plänen befajst. Das ganze Forſteinrichtungswerk gewinnt an Wert, wenn es in den Händen einer beſonderen Behörde liegt. Es iſt damit der Vor— theil verknüpft, daſs allzu bindende oder detail— lierte, daher leicht ſchädlich werdende Inſtruc— tionen zu erſparen ſind. Einen ſprechenden Be— 74 weis für den Vortheil einer geſondert beſtehenden Forſteinrichtungsanſtalt liefert die anfangs dieſes Jahrhunderts im Königreich Sachſen durch Cotta begründete Forſtvermeſſung. Dieſe Anſtalt zählt jetzt außer einem Director (Oberforſtmeiſter) 13 Beamte Forſtingenieure) und eine größere An— zahl Hilfsarbeiter. Sie iſt der Grund, weshalb Sachſen die Wiege der feineren Forſteinrichtung geworden iſt. Das ſächſiſche Forſteinrichtungs— weſen wird namentlich auch durch die Groß— waldbeſitzer innerhalb und außerhalb Sachſens geſchätzt. Es ſteht auf dem Boden der Rein— ertragsſchule und hat das ausgebildetſte Karten— werk. Die Frage, ob beſondere Anſtalten oder die Verwaltungsbeamten nebenbei die Forſtein— richtungsarbeiten zu erledigen haben, iſt viel— fach ventiliert worden. Sowohl die geometriſchen als auch die taxatoriſchen Vorarbeiten erfordern mehr Übung und Gewandtheit, als gewöhnlich die Verwal— tungsbeamten beſitzen. Schon darin liegt eine Nothwendigkeit, namentlich jüngere Kräfte län— gere Zeit mit ſolchen Arbeiten zu beſchäftigen. Beſonders aber bedarf der Beamte umfäng— licher Kenntnis des Forſteinrichtungsweſens, welcher die Waldeintheilung und die Ertrags— regelung auf Grund der Vorarbeiten endgiltig zu beſtimmen hat. Dieſer Beamte mujs, wenn er ſeine Aufgabe ganz erfüllen will, außer durch die Schule des Verwaltungs dienſtes auch durch diejenige der Forſteinrichtung gegangen ſein, wie ſie nur eine beſonders organiſierte Forſt— einrichtungsbehörde bietet. Die Vortheile der letzteren ſind mithin unzweifelhafte. Sie beruhen zunächſt in dem Erfolg, welcher ſtets auf Seite einer rationellen Arbeitstheilung ſteht. Das Per— jonal der Forſteinrichtungsanſtalt erhält in allen geometriſchen und taxatoriſchen Arbeiten größere Gewandtheit als der durch andere Arbeiten hin— länglich beſchäftigte Verwaltungsbeamte (Re— vierverwalter). Es iſt ferner klar, daſs das Perſonal einer ſtändigen Behörde die Bonitierung des Stand— orts und Beſtands viel gleichmäßiger vor— nimmt als der weniger geübte Revierverwalter. Auch iſt es nicht unbedenklich, wenn vom Revier— verwalter die Bonitierung ſeiner eigenen Pflan— zungen 2c. geſchieht Wenn überdies in gewiſſen Zwiſchenräumen außer vom Verwaltungsbeamten auch noch von anderen Beamten an die Be— ſtände die Frage geſtellt wird, was mit ihnen zu geſchehen habe, jo wird dadurch gewiſs ein fruchtbarer Meinungsaustauſch geſchaffen. Endlich wird nur durch eine beſondere Be— hörde Übereinſtimmung gewährt in Karten und Schriften, ohne Auferlegung von Feſſeln, die leicht die geſunde Entwicklung der Forſteinrich— tung hindern können. Nicht ohne Intereſſe iſt es, die Einwände gegen geſonderte Einrichtungsbehörden kennen zu lernen. Man hebt hervor die größere Wohl— feilheit des Verfahrens, wenn der Revierver— walter einen großen Theil der Einrichtungs— arbeiten nebenher fertigt. Es iſt jedoch die An— nahme gewiſs nicht unbegründet, daſs entweder ſo nebenher gefertigte Forſteinrichtungsarbeiten eine der Wohlfeilheit entſprechende Qualität Forſteinrichtungsanſtalt. zeigen, oder daſs die eigentlichen Berufsarbeiten des Revierverwalters ungebürlich zurücktreten. Ferner hört man einwenden, daſs dem Revierbeamten ſeine gründlichere Localkenntnis für die Forſteinrichtung zugute komme, und daſs der Revierverwalter mehr Luſt zur Auf— rechterhaltung ſeines eigenen Regelungswerkes haben müſſe. Dieſe Einwände ſind hinfällig, wenn ein entſprechendes Einvernehmen zwiſchen dem Perſonale der Einrichtung und Verwal— tung ſtattfindet, und werden doch auch durch den unvermeidlichen Stellenwechſel entkräftet. Sonach erſcheint es zweckmaßig, die Forſteinrichtungs— arbeiten einer beſonderen Behörde zu über— tragen, jedoch unter der Vorausſetzung der entſprechenden Betheiligung der Verwaltungsbe— hörden. Der Geſchäftsgang bei geſondert be— ſtehenden Forſteinrichtungsanſtalten ſei in Fol— gendem geſchildert. Bei einer neuen Forſt— einrichtung werden die geometrijchen und taxatoriſchen Vorarbeiten vom Perſonal der Anſtalt erledigt. Die Waldeintheilung wird durch das Perſonal skizziert und durch den Director der Anſtalt in Vernehmung mit dem Revier— verwalter und dem Inſpectionsbeamten fixiert. Bei Verſchiedenheit der Anſichten iſt die Ent— ſcheidung der Forſtdirection herbeizuführen. Das Perſonal der Anſtalt führt die Ein— theilung im Walde aus. Über die Hiebsorte, Abtriebs- und Zwiſchennutzungen, bezw. die Culturen ꝛc. des uächſten Wirtſchaftszeitraumes ſowie über den Wirtſchaftsplan im allgemeinen erſtattet der Revierverwalter Bericht an den Inſpectionsbeamten, welcher dieſe Anträge mit ſeiner Beurtheilung dem Director der Einrich— tungsanſtalt vorlegt. Das Perſonal ſtellt auf Grund der Vorararbeiten einen vorläufigen Wirtichaftsplan, beſonders den Hauungsplan (ſ. d.) auf, beſpricht denſelben mit dem Revier— verwalter, vergleicht ihn mit den Anträgen der Verwaltung und legt ihn dem Director vor. Durch eine gemeinſame Berathung zwiſchen den Beamten der Verwaltung und Einrichtung werden namentlich die etwaigen Meinungsdiffe— renzen im Zimmer feſtgeſtellt und dann im Walde ſelbſt thunlichſt zur Erledigung ge— bracht. Die dabei unerledigten Fraglichkeiten werden der Beſchluſsfaſſung der Forſt direction, bezw. an Ort und Stelle unterſtellt. Die for— melle Ausarbeitung des vollſtändigen Wirt— ſchaftsplanes verbleibt ausſchließlich der Ein— richtungsbehörde. Die jährlichen Nachträge (f. d.) ſollten, wenn nicht beſonders umfängliche Verände— rungen vorliegen, vom Revierverwalter beſorgt werden. Ausnahmsweiſe kann hier die Einrich— tungsanſtalt helfend eintreten. Bei den Haupt— reviſionen iſt das Vorgehen ähnlich wie bei Neueinrichtungen. Fraglich erſcheint es, ob nicht die fünfjährigen oder Zwiſchenreviſionen ledig— lich in die Hände der Revierverwaltung zu legen ſeien. In Sachſen beſorgt auch die Ein— richtungsanſtalt. Es mag dies dann wohl am Platze ſein, wenn damit gleichzeitig eine Prü— fung der Thätigkeit der Verwaltung durch die Forſtdirection verbunden wird. Für die Fort- führung des Forſteinrichtungswerks ſind nur die 10jährigen oder Hauptrevifionen nöthig, Forſteinrichtungsarbeit. die Zwiſchenreviſionen können dagegen erſpart werden. Nr. Jorſteinrichtungsarbeit, Forſteinrich— tungselaborat, Forſteinrichtungsſchrift, iſt das Schriftſtück, in dem die Reſultate der Vorarbeiten und der Extragsbeſtimmung, die Grundzüge der Waldeintheilung und die Be— triebsanordnungen für einen gewiſſen Zeitraum, gewöhnlich für die nächſte Wirtſchaftsperiode, zuſammengeſtellt ſind. In demſelben iſt dem Revierverwalter die Unterlage für die Wirt— ſchaftsführung gegeben. Synonym iſt nach ſächſiſcher Auffaſſung der Wirtſchaftsplan (j. d. u. Einrichtungsarbeiten). Nr. Jorſteinrichtungsreviſion, |. 1 Nr. Jorſleinrichtungsſyſtem iſt die Methode, welche der Forſteinrichtung, bezw. der Ertrags— beſtimmung zugrunde gelegt wird. Die wich— tigſten Verfahren, welche ſich allmählich aus einander und neben einander entwickelt haben, ſind folgende: Schlageintheilung, Flächenfach— werk, Maſſenfachwerk, combiniertes Fachwerk, Cameraltaxe, Hundeshagens Methode, Carl Heyers Verfahren, Karls Verfahren, Brey— manns Verfahren, Verfahren in den öſterrei— chiſchen Reichsforſten, Wageners Verfahren, Verfahren der Beſtandswirtſchaſt, bezw. ſäch— ſiſches Verfahren. (Das in neuerer Zeit nam— haft gemachte Verfahren der kleinſten Fläche iſt weiter nichts als eine Methode der Be— ſtandswirtſchaft.) Nr. Forfteintheilung, ſ. Waldeintheilung. Nr. Förfter. Der Titel „Förſter“, welche Be— zeichnung früher wohl mehr allgemein für die Angeſtellten des Forſtdienſtes (etwa wie das heutige „Forſtwirt“) gebraucht wurde, wird heute hauptſächlich jenen Forſtbedienſteten bei— gelegt, welchen die Ausführung des Betriebes und die Überwachung der Betriebsarbeiten an Ort und Stelle, meiſt zugleich mit der Ausübung des Forſtſchutzes für einen beſtimmten Bezirk (Revier, daher auch „Revierförſter“) übertragen iſt. Auch die den Forſtämtern beigegebenen Hilfsbeamten haben bei manchen Verwaltungen den Titel „Förſter“, werden aber dann meiſt als „Amtsförſter“, „controlierende“ oder „rech— nungsführende Förſter“ im Gegenſatze zum „Revierförſter“ bezeichnet. Die Dienſtſtufe des Förſters im oben an— gedeuteten Sinne iſt hauptſächlich dem Forſt⸗ amtsſyſteme (ſ. d.) eigenthümlich und in dieſem von weſentlicher Bedeutung, daher dasſelbe auch häufig als Förſter- oder Revierförſterſyſtem be— zeichnet wird; aber auch bei Dienſteinrichtungen nach dem Oberförſterſyſteme führen jene unter— geordneten Organe der Verwaltung, welchen für einen beſtimmten Schutzbezirk nebſt der Aus— übung des Forſtſchutzes auch die Mithilfe im Betriebe als weſentliche Dienſtaufgabe zuge— wieſen iſt, mitunter den Titel „Förſter“. (So 3.8. in Preußen und in vielen Forſtverwal— tungen Oſterreichs.) Im letzteren Falle haben die „Förſter“ genau dieſelbe Stellung und Auf— gabe, welche in anderen Verwaltungen den „Forſt— warten“ zugewieſen iſt. Die Rangsſtellung und die fachliche Aus— bildung der Förſter iſt je nach der Stellung, — Förſter. 15 welche diejelben in der Dienſtorganiſation ein— nehmen, eine ſehr verſchiedene. Im Forſtamts— ſyſteme bilden dieſelben eine Mittelſtufe zwiſchen dem techniſch vollkommen gebildeten ſelbſtandigen Forſtverwalter und dem einfachen Forſtſchutz— organe; ſie bedürfen mehr einer tüchtigen, vor— wiegend praktiſchen Fachſchulung als einer hö— heren allgemeinen Bildung und werden daher meiſt den Beamten geringerer Kategorie zuge— rechnet. Ihre Heranbildung erfolgt in dieſem Falle zumeiſt in Förſter- oder forſtlichen Mittel- ſchulen. In manchen Verwaltungen (wie z. B. bisher in Württemberg) bilden die Revierförſter— ſtellen die erſte (aber häufig den größten Theil der ganzen Dienſtzeit ausfüllende) Dienſtſtufe für die akademiſch gebildeten Verwaltungsbe— amten, in anderen dagegen die höchſte erreichbare Dienſtſtufe für beſonders tüchtige und mit der Betriebsführung wohlvertraute Forſtſchutzorgaue. In der öſterreichiſchen Staatsforſtverwaltung führte ein Theil der mit der ſelbſtändigen Ver— waltung eines Forſtbezirkes betrauten Forſt— beamten bis zu Auguſt 1887 officiell noch den Titel „k. k. Förſter“, mit welchem Zeitpunkte dieſer Titel jedoch an die bisherigen Forſt— warte“ der Staatsforſtverwaltung übertragen und erſteren der Titel „K. k. Forſt- und Do— mänenverwalter“ beigelegt wurde. v. Gg. Förfter Guſtav Robert, geboren 18. April 1843 zu Waſilisko (Mähren), machte ſeine Vor— bereitungsſtudien an der k. k. Oberrealſchule in Troppau (185. —1860) und am Polytechnikum in Wien (1861 und 1862), hierauf abſolvierte er die forſtliche Vorpraxis auf der Herrſchaft Oſtrawitz in Mähren und beſuchte 1862— 1864 die damalige Forſtlehrauſtalt zu Auſſee in Mähren. Seine dienſtliche Laufbahn begann Förſter im September 1863 als Taxations- adjunct im Dienſtverband des Breslauer Bis— thums in Oberſchleſien und wurde unter Leitung des Oberforſtmeiſters Micklitz bei der Ver— meſſung und Betriebseinrichtung der Herrſchaften Johannisberg, Friedeberg, Freiwaldau und Zuck— mantel beſchäftigt. Nach Beendigung dieſer Ar— beiten wurde Förſter im Herbſt 1867 als Forſt— amtsadjunct und Forſtamtsrechnungsführer an das Forſtamt Zuckmantel verſetzt und 1870 zum Oberförſter des ca. 3000 ha großen Forſt— bezirkes Freiwaldau mit dem Sitz in Adels— dorf ernannt. Im Jahre 1873 trat Förſter als Oberforſtingenieur bei der neuerrichteten k. k. Forſt⸗ und Domänendirection für Oberöſterreich und das Salzkammergut in Gmunden in den Staatsdienſt über; 1877 erfolgte ſeine Beför— derung zum Forſtmeiſter daſelbſt. Während ſeiner Thätigkeit im Staatsdienſt wurde Förſter auch noch anderweitig mehrfach verwendet. So wurde er 1873 auf die erz— herzogliche Domäne Saybuſch geſandt, um die Anlage und Verwendbarkeit von Rieswegen zu ſtudieren, 1876 unternahm er im Auftrag des k. k. Ackerbauminiſteriums eine zweimonatliche Studienreiſe in die Schweiz, um die Wildbach— und Lawinenverbauungen ſowie die Auffor— ſtungen am Hochgebirge an Ort und Stelle zu beſichtigen, ſeit 1877 fungiert Förſter als Prü— fungscommiſſär bei der jährlich im Ackerbau— miniſterium abgehaltenen Prüfung für den tech— 76 niſchen Dienjt in der Staatsforſtverwaltung. Außerdem iſt er auch Mitglied des Reichs— forſtvereines und Centralgeſchäftsleiter des ober— öſterreichiſchen Forſtvereines. Die Erfahrungen ſeiner Studienreiſen hat Förſter im „Centralblatt für das geſammte Forſtweſen“ (1875— 1879) ſowie in der „Oſter— reichiſchen Vierteljahrsſchrift“ veröffentlicht und als unmittelbar praktiſche Frucht derſelben auch die erſte erfolgreiche Lawinenverbauung im Salzkammergut durch die Kronprinz Rudolfs— bahn am Sommenftein bei Gmunden veranlaſst. Im Jahre 1885 iſt das von ihm verfaſste, von der Kritik mit W Beifall aufge— nommene Werk „Das forſtliche Transportweſen“ erſchienen, auch hat Förſter von 1885 ab die Redaction der Berichte des Forſtvereines ob der Enns übernommen. Schw. Forftfonds. Von den nach dem unga— riſchen F. G. einzutreibenden Geldſtrafen und den aus dem Verkaufe der confiscierten Gegen— ſtände einfließenden Summen verfällt ein Fünftel zu gunſten des Gemeindearmen- oder Kranken— fonds, vier Fünftel werden zur Bildung eines Forſtlandesfouds verwendet, welchen der Acker— bauminiſter „zu Forſtzwecken“ verwaltet. Mcht. Forftfrevef (Oſterreich). „Diejenigen Verletzungen der Sicherheit des Waldeigenthums, auf welche das Strafgeſetz keine Anwendung findet, ſind, falls ſie ohne Zuſtimmung des Waldeigenthümers oder deſſen Stellvertreters oder den feſtgeſetzten Bedingungen entgegen aus— geübt werden, als Forſtfrevel anzuſehen und zu beſtrafen“ (SS 39 und 60 F. G.). Da unſer F. G. die Forſtfrevel ſpeciell aufzählt, ſo hat ſich, insbeſondere kurze Zeit nach dem Erſchei— nen des F. G., das Miſsverſtändnis verbreitet, daſs die Übertretungen der Eingeforſteteten ($ 18, F. G.) und die im $ 60, F. G. aufge— zählten Handlungen immer Forſtfrevel ſeien; auch in neuerer Zeit kommen derartige mij3- verſtändliche Entſcheidungen vor. Feſtgehalten muſs werden, dass Uncorrectheiten nur dann als Forſtfrevel zu behandeln ſind, wenn das Strafgeſetz keine Anwendung findet, indem der Begriff Forſtfrevel deshalb geſchaffen wurde, damit Unregelmäßigkeiten, welche zu— meiſt ihres culturfeindlichen Charakters halber, nicht aber wegen der in ihnen liegenden ethi— ſchen Verwerflichkeit einer Ahndung zugeführt werden müſſen, beſtraft werden. Forſtfrevel um— faſst daher die leichteſten Unregelmäßigkeiten, u. zw. immer Zuwiderhandlungen gegen das F. G. ſelbſt. Am eclatanteſten zeigt ich das Weſen der Forſtfrevel im Vergleiche zum Dieb— ſtahle (ſ. d.). Alinea 6, § 60 F. G. erklärt „die unberechtigte Gewinnung von Producten jeder Art.. .“ als Forſtfrevel; demzufolge wurden Entwendungen von Bodenſtreu als Forſtfrevel behandelt und daher weſentlich anders und vor allem viel milder beſtraft als Diebſtahl. Dieſe Auffaſſung ſteht mit dem Buchſtaben und dem Geiſte des F. G. im Widerſpruche und hat auch das Juſtizminiſterium veranlaſst, unterm 6./11. 1854, 3. 20.350, eine Belehrung an die Generalprocuratur in Prag zu erlaſſen, in welcher betont wird, daſs die im F. G. benannten Unregelmäßigteiten' nur dann als Forſtfrevel Forſtfonds. — Forſtfrevel. I zu behandeln find, wenn das Strafgeſetz keine Anwendung findet, daſs daher die Entziehung von Bodenſtreu ohne Zuſtimmung des Wald— beſitzers einen je nach dem Werte der entzogenen Sache oder anderen Umſtänden als Verbrechen oder Übertretung zu behandelnden Diebſtahl bildet. Hat aber z. B. der Streuberechtigte die Streu mit eiſernen Rechen oder in einer für den Nachwuchs rückſichtsloſen Weile gewonnen, jo iſt Forſtfrevel vorliegend (ſ. über dieſe Streit— frage Oſterr. Forſtzeitung Nr. 57 ex 188% meinen Artikel: „Iſt die unberechtigte Streu— entnahme aus einem fremden Walde Diebſtahl oder Forſtfrevel?“). Ebenſo irrthümlich iſt die Annahme, das u Übertretungen der Einge— forſteten“ (§ 18 F. G.) immer Forſtfrevel ſeien, auch das iſt nur dann der Fall, wenn auf die— ſelben das Strafgeſetz keine Anwendung findet. Wenn ein Eingeforſteter eigenmächtig von einem vereinbarten Modus der Servitutsausübung zu ungunſten des dienenden Waldes abweicht, ſo ge— hört dieſe Angelegenheit vor die Civilgerichte und bildet keinen Forſtfrevel (Entſch. d. M. des J. v. 26./5. 1852, 3. 7174). Wenn ein Einge⸗ forſteter ſich eigenmächtig bereits von Anderen gefälltes Holz zueignet, begeht er einen Dieb— ſtahl (Entich. d. M. des J. v. 7./9. 1870. 3. 12.861 |vgl. Dienftbarfeiten)). Unter Bezugnahme auf die hier gemachten Einſchränkungen ſeien die im F. G. aufgezählten Forſtfrevel angeführt: 1. Sammeln von Raff⸗ und Klaub- oder Leſeholz (3. B. an unerlaubten Tagen oder Orten); Zurücklaſſung des geſam— melten Holzes kann begehrt werden, die Ge— räthſchaften verfallen zu gunſten des Landes- culturfonds. In Wiederholungsfällen Arreſt von 1—3 Tagen. 2. Anhacken, Anbohren von Bäu— men, Beſteigen mit Steigeiſen, Beſchädigung der Bäume u. ſ. w. durch Beförderung von Holz, Steinen u. ſ. w. Entrindung. 3. Zueig— nung von Rinde liegender Bäume, Entblößung von Wurzeln, Stockroden, Abhauen von Gipfeln und Aſten, Laubſtreifen. 4. Ausgraben, Ausziehen und jede anderweitige Beſchädigung junger Baum- und Strauchpflanzen, Gewinnung von Beſeureis, Gerten, Reifſtangen und anderer klei— nerer Holzſorten. (Durch das Geſetz vom 19/2. 1873, L. G. Bl. Nr. 20, iſt in Dalmatien das Ausgraben, Ausreißen von Wurzeln und Wurzelſtöcken der Forſtgewächſe und ſtehender Bäume mit Ausnahme der Nadelhölzer, wenn nicht die Rodung (ſ. d.) geſtattet iſt ſowie die Entrindung der Föhrenbäume ohne Bewilligung durch die politiſche Behörde in den Gemein de— wäldern verboten und als Forſtfrevel mit Arreſt bis zu 14 Tagen oder Geld bis 30 fl. zu beſtrafen. Waldſchadenerſätze anlässlich Forſtfrevel werden über Anſuchen der Gemeinden in Dalmatien durch die Steuerämter herein— gebracht — . des Ackerbauminiſteriums pro 1875, p. 257.) 5. Sammeln von Baum- ſäften, Wuldfeichen, ee Bäumeroden und Wurzelgraben. Gewinnung von Boden— ſtreu, ganz beſonders deren Sammlung mit Hauen und eiſernen Rechen, Zueignung von Erde, Sand u. ſ. w., Raſenabſchälen, Mähen und Ausraufen von Waldgras, Kräutern und anderen Gewächſen, welche keine Forſtculturpflanzen find. Forſtfrevel. * (Die Zueignung ſchon gemähten Waldgraſes | weiſung der [Heul bildet keinen Forſtfrevel [Entſch. d. M. des J. v. 5./5. 1870, Z. 4473 ].) 7. Das Ver⸗ bleiben im Walde gegen die ausdrückliche Wei— ſung des Forſtperſonales, die Bildung neuer und die Benützung außer Gebrauch geſetzter Wege und Stege, Anlage von Erdrieſen, Ablei— tung von Wäſſern in nachbarliche Waldungen, Anlage von Kohlſtätten und jede anderweitige Benützung des Waldbodens. (Unter dieſen weit— umfaſſenden Begriff gehört nach Entſch. des M. des J. v. 5./5. 1870, 3. 4358 auch das Einackern und Einſäen fremden Waldbodens, obwohl hier jedenfalls auch Beſitzſtörung |}. Beſitz] vorliegen kann, die Merkmale derſelben vorausgeſetzt.) Wenn in einem Gemeindewalde Holz gefällt und die Ausbringung dem Käufer überlaſſen wird, dieſer über Anfrage beim Gemeindevorſteher trotz Proteſtes des Nachbarwaldbeſitzers durch den Nachbarwald das Holz bringen läſst, ſo begeht er nach der Entſch. des M. des J. v. 7./9 1870, 3. 10.460) einen Forſtfrevel, wenn nicht eine Beſitzſtörung (ſ. d.). 8. Der unberechtigte Vieh— eintrieb in fremde Wälder überhaupt, dann der Eintrieb einer größeren Anzahl, anderer Gattung oder Altersclaſſe des Viehes, die Benützung der Waldweide an anderen Orten und in einer an— deren Zeit als die ertheilte Bewilligung geſtattet. Wenn Vieh nur durch Eintrieb in den Wald dro— hender Gefahr entzogen werden kann, ſo iſt der Eintrieb nicht ſtrafbar; Schade mufs erſetzt wer— den. Hirten, welche forſtgeſetzlichen Beſtimmungen zuwiderhandeln, begehen einen Forſtfrevel; ebenſo derjenige, welcher Hegezeichen abreißt, zerſtört oder beſchädigt. Letzterer muſs Erſatz leiſten, und wird mit Arreſt von 1—3 Tagen oder mit Geld von 5—15 fl. beſtraft (über die Berechnung der Entſchädigung bei Forſtfrevel ſ. Schadenerſatzj). Das Verfahren in Forſtfrevelſachen ſteht den politiſchen Behörden zu und findet ſtatt, wenn die Behörde auf was immer für eine Art Kenntnis von dem begangenen Forſtfrevel er— halten hat. Eingaben wegen Forſtfrevel ſind ſtempelfrei (Erl. des F.⸗M. v. 11./ 2. 1854, Z. 1791) und werden von dem Wachperſonale mittelſt Liſten erſtattet; die Behörde hat die Verhandlung ſammt Ergebnis in ein Straf— regiſter einzutragen. (Min.-Vdg. v. 5./3. 1858, R. G. Bl. Nr. 34 und Vog. der Statth. für Tirol v. 3./ 12. 1879, L. G. Bl. Nr. 54.) Nach $ 13 der Vg. d. A.⸗Min. v. 3./7.1873, Z. 6953, haben die Behörden, wenn in einem Bezirke Forſtfrevel ſich häufiger ereignen ſollten, den Urſachen dieſer Erſcheinung nachzuforſchen und entſprechende Vorkehrungen zu treffen. Die politiſchen Landes— ſtellen haben insbeſondere darauf zu ſehen, dass die Behörden erſter Inſtanz gegen Forſtfrevel raſch einſchreiten, und demnach die Ausweiſe dieſer Behörden eingehend zu prüfen. Die Statt- halterei für Galizien hat mit Erl. v. 27./7. 1864, Z. 29.853 und vom 25./1. 1869, Z. 429, raſches und energiſches Eingreifen "bei Forſt— frevel den Behörden erſter Inſtanz zur Pflicht gemacht; ähnlich der Erl. des Landespräſi— denten von Salzburg, ddo. 13/12, 1869, Z. 6908, welcher u. a. verlangt, daſs Ver— weiſe nur ſelten verhängt werden, und die Ver— Schadenerſatzanſprüche auf den Rechtsweg thunlichſt beſchränkt werde; Forſt— frevel ſeien ſtrenger zu beſtrafen, wenn der Nachwuchs beſchädigt iſt, und ebenſo, wenn der Forſtfrevel aus einer Nichtbeachtung der durch die Grundentlaſtungsorgane verfügten Zuſtände entſpringt. Die Strafe für Forſtfrevel iſt je nach Milderungs- oder Erſchwerungsgründen der Verweis oder Arreſt von 1—40 Tagen, bezw. 5—50 fl. Nur phyſiſche Perſonen können mit Strafen für Forſtfrevel belegt werden, daher nicht das Forſtärar als ſolches (Entſch. des M. d. J. v. 20./5. 1874, Z. 20.951 ex 1873). Nur die ſchuldige Perſon (und nicht die Guts— verwaltuag als ſolche) iſt zu Strafe oder Scha— denerſatz zu verurtheilen, und kann daher bei freiſprechendem Erkenntnis die Eintreibung des Schadenerſatzes nicht auf den Civilrechtsweg verwieſen (Erk. des M. des J. v. 7./9. 1870, 3. 10.787) und ebenſowenig dem Freigeſprochenen Erſatz von Commiſſionskoſten auferlegt werden (Entſch. des M. des J. v. 3/4. 1877, Z. 2374). Wenn mehrere Perſonen wegen Forſtfrevel ſchul— dig erkannt wurden, kann ihnen die zuerkannte Geldſtrafe nicht ſolidariſch auferlegt werden (Entſch. d. M. d. J. v. 14./11. 1876, 3. 15.308) und ebenſowenig darf die im F. G. ausge— ſprochene Strafe irgendwie (3. B. durch einen Faſttag) verſchärft werden (Entſch. d. M. d. J. v. 4./4. 1877, 3. 2124). Die Frage, ob Executions— geſuche gegen Forſtfrevler, welche von der politi— ſchen Behörde zu einer Entſchädigung verurtheilt wurden, von den Gerichten durchgeführt werden dürfen, iſt allerdings ſtreitig, dürfte aber zu ver— neinen ſein (Gerichtsordnung $ 298 ſpricht nur von richterlichen, gerichtlich executionsfähigen Sprüchen), da die Erkenntniſſe der politiſchen Be— hörden in Forſtſtrafſachen durch keine Vorſchrift die gerichtliche Executionsfähigkeit erlangt haben. Schadenerſatz anläſslich eines Forſtfrevels kann von der zweiten Inſtanz nicht von amtswegen zuerkannt werden, wenn die erſte Inſtanz kein diesfälliges Erkenntnis gefällt, ſondern die be— ſchädigte Partei auf den Civilrechtsweg ver— wieſen hat (Erk. des M. d. J. v. 18.11 1869, 3. 16.068). Der Inſtanzenzug bei Forſtfrevel iſt der gleiche wie bei allen Erkenntniſſen der politi— ſchen Behörden. Recurſe gegen zwei gleich— lautende Erkenntniſſe müſſen der oberſten Be— hörde (Miniſterium des Innern, Straferkennt— nis ſ. Ackerbauminiſterium) vorgelegt werden | (Bög. d. M. d. J. v. 7./2. 1858, 3. 32.514); Gnadengeſuche gelten als Recurſe (Erl. d. M. d. J. v. 4./6. 1855, Z. 5137). Die anzeigenden Wachorgane und der Forſtbeſitzer haben gegen ein freiſprechendes Erkenntnis kein Berufungs— recht, da ſie nicht als Privatkläger, ſondern nur als Beſchädigte fungieren, und § 69 F. G. von amtswegen zu handhaben iſt (Entſch. d. M. d. J. v. 19./ 11. 1869, Z. 16.526 und v. 6./7. 1869, 3. 8603 unter Berufung auf § 301 Strafprocejsordnung). Der V. G. H. hat in mehreren Fällen beſchloſſen (nach § 48 des Ge— ſetzes vom 22./10. 1875) Klagen über Forſt— frevelerkenntniſſe (ineluſive auferlegten Schaden— erſatz) a limine als Polizeiſtrafſache abzuwei— 78 Forſtfrevel. — Forſtfrevelliſten. ſen, d. h. nicht zur Verhandlung vor dem V. G. H. zuzulaſſen (Beſchluſs vom 5./7. 1880, 3. 1295 v. 20. 9. 1880, 3. 1810, und v. 26./9. 1881, 1525). 181 Verjährung, auf welche von amts— wegen Rückſicht zu nehmen iſt, erlöſchen Unter— ſuchung und Beſtrafung der Forſtfrevel, wenn der Frevler binnen ſechs Monaten vom Tage des begangenen Frevels nicht in Unterſuchung gezogen wurde (Entſch. d. M. d. J. v. 3./5 853, R. G. Bl. Nr. 84. [Ob anläßlich eines Forſtfrevels eine Hausdurchſuchung vorgenom— men werden darf ſ. Hausrecht. ]) Das ungariſche F. G. behandelt im II. Titel die Forſtübertretungen (Wald— frevel) und ſtatuiert damit dem Forſtfrevel ana— log ſtrafbare Handlungen. Diebſtähle und Be— ſchädigungen unter 30 fl, ſowie Feueranmachen und andere gefährliche Handlungen (3. B. Er— richtung von Rieſen, Kalk- oder Kohlebrennen, Pech- oder Theerſieden, Rußbereitung, An— legung von Holz- oder Werkplätzen, ohne Er— laubnis) gelten ohne Rückſicht auf Schaden oder Gefahr (auch im eigenen Walde) als Forſtüber— tretung. Verfahren findet (mit Ausnahme bei Feueranmachen und Ankauf von Holz ohne Certificat [}. d.], wo ein ſolches vorgeſchrieben) nur über Verlangen der Beſchädigten ſtatt. Strafbarkeit verjährt in zwei Jahren nach der Übertretung die Vollſtreckbarkeit des gefällten Urtheiles binnen drei Jahren vom Tage der Rechtskräftigwerdung des Urtheils. Andere ſtraf— bare Handlungen gehören vor das Strafgeſetz. — Strafe: Geldſtrafe, bei Uneinbringlichkeit Arreſt (3 fl. 1 Tag), im Maximum 10 Tage. Über Beſtrafung des Diebſtahls ſ. d.). Viehein— trieb: Neben Schadenerſatz an Strafe für ein Stück Hornvieh oder Ziege 50 kr., Pferd, Maul— eſel oder Eſel 40 kr., Schwein zur Maſtzeit 30, Schaf 15, Schwein außer der Maſtzeit 10, ſaugendes Füllen 5 kr.; in Wäldern unter 15 Jahren, unter Verbot oder auf Flugſand ſtehenden Schutzwäldern doppelt, in Culturen unter ſechs Jahren dreifach; für eine Gans 2 kr., ſonſtiges Federvieh die gleichen Strafen, wenn der ed en die Berechtigung in Bezug auf Ort, Zeit oder Gattung und Zahl des Weideviehes überſchreitet. Bei unberechtigtem, aber ohne Abſicht auf Beweidung, und fahr— läſſigem Eintreiben kann die Strafe auf die Hälfte herabgeſetzt werden; bei Bergung vor einer Gefahr keine Strafe, nur Schadenerſatz. Beſchädigungen durch Anhacken, Anbohren, Ent- rinden u ſ. w. Strafe bis 15 fl. (und Schaden- eriag), Aſte- und Zweigeabbrechen oder ſonſtige Baumbeſchädigung Strafe bis 10 fl. Beſchädigung liegenden Holzes, von Umzäunungen, Gräben, Dammen, Wegen, Rieſen und anderen Bringungs— vorrichtungen, Wehrtafeln, Signale, der Holzkohl— vorrichtungen Strafe von 30 kr. bis 23 fl.; un⸗ befugtes Gewinnen von Raſen, Sand, Erde, Steinen u. ſ. w., Eintragen von bodenjchädlichen Stoffen in den Wald, Strafe von 30 kr. bis 10 fl., ebenſo wenn der Eingeforſtete die ihm zukommenden Producte nicht in der feſtgeſetzten Zeit, Menge und an den bezeichneten Orten nimmt, oder beim Sammeln der Streu eiſerne Rechen oder Hauwerkzeuge benützt oder ſein Recht auf andere überträgt oder ſolche Wald— producte verkauft (ſ. Dienſtbarkeiten). Die oben— bezeichneten gefährlichen Handlungen werden mit Geldſtrafen von 5— 20 fl. belegt. Fahren oder Viehtreiben auf verbotenen Waldwegen, Bahnen eines neuen Weges oder Gehen zwi— ſchen Culturen unter ſechs Jahren Strafe von 50 kr. bis 20 fl.; Nichtbefolgung einer Aus— weiſung aus dem Walde durch das Forſtper— ſonale Geldſtrafe bis 5 fl. Das Verfahren ſteht in Comitaten dem Stuhlrichter (ſ. Behörden), in Städten dem Stadt— hauptmann, in Budapeſt dem betreffenden Be— zirksvorſtande zu; bei Fällen unter 10 fl. nach der Wahl der verletzten Partei auch dem Ge— meinderichter. Zweite Juſtanz ein Gerichtscol- legium, beſtehend aus dem Obergeſpan und zwei Mitgliedern des Verwaltungsausſchuſſes; der Staatsanwalt iſt einzuladen, damit er be— urtheilen könne, ob der Fall nicht vor das Strafgericht gehört. Wird ein diesbezüglicher Antrag des Staatsanwaltes (Nullitätsklage) verworfen, jo entſcheidet der O. G. H. Die Mit⸗ glieder der beiden erſten Inſtanzen legen in Betreff ihrer Function einen beſonderen Eid ab. Competent iſt das Gericht des Wohn-, reſp. Aufenthaltsortes des Thäters; wurde derſelbe auf der That ertappt, oder hat er ein Pfand ge— geben, bezw. wurde ihm ein ſolches abgenom— men, auch das Gericht des Thatortes. Unbe— kannte oder Fremde, welche ertappt oder ver— folgt wurden, ſind dem nächſten Gemeindevor— ſtande vorzuführen, welcher ſogleich die Amtshandlung zu beginnen hat. Unterſuchungs— haft (im Maximum 48jtündig und in die Strafe einzurechnen) nur wegen Fluchtverdacht oder bei Vagabunden; ſie iſt aufzuheben, wenn der Ge— klagte einen feſten Wohnſitz im Lande erweist oder Caution oder Bürgen ſtellt Waldübertre— tungen ſind „extra turnum* raſch zu erledigen; Appellation (mit ſuspenſiver Wirkung) binnen 48 Stunden, verſpätete abzuweiſen. Das öffent- liche, ſowie das private Forſtſchutzperſonal hat ſämmtliche Waldübertretungen in ein „Forſt— journal“ einzutragen (SS 41 und 42 F. ©.) Über die internationalen Abmachungen in Beteeff der Forſtfrevel j. Conventionen. Mcht. Forfifrevel (Deutſchland), ſ. Sorftftenf» recht. Forftfrevelliften. Die Anzeige der he frevel, Diebſtahlsfälle und ſonſtigen, der Ver— handlung durch die Gerichts- oder Verwal— tungsbehörden unterliegenden Exceſſe bei dieſen Behörden erfolgt je nach den geltenden geſetz— lichen Beſtimmungen entweder von Fall zu Fall oder in beſtimmten Terminen (monatlich) mit— telſt beſonderer Frevelliſten. Die erſte Aufzeich- nung des Thatbeſtandes mit allen für die An— zeige erforderlichen Umſtänden hat durch das betreffende Forſtſchutzorgan ſtets ſofort nach der Betretung oder Eutdeckung der That im Dienſt— buch oder in einem beſonderen Forſtrügen— buche (in Preußen) zu erfolgen. Sowohl zur ſtatiſtiſchen Nachweiſung der ſtattgehabten Forſtfrevel und des Ergebniſſes der darüber geführten Verhandlungen als auch zur Erſichtlichmachung des jeweiligen Standes der betreffenden Verhandlungen, ſowie der zu— * 2 Forſtgarbe. — Forſtgeſetz. 79 erkannten und bereits eingezahlten oder noch ausſtändigen Schadenerſätze hat jede Forſtver— waltung eine Evidenzliſte über alle zur Anzeige gebrachten Falle (Forſtfrevel- oder Wald— ſchadenprotokoll) zu führen, in welche jeder Fall ſofort nach der Anzeige einzutragen, dann das erfolgte Urtheil, der zuerkannte Schaden— erſatzbetrag und deſſen Einzahlung nachzutragen iſt. Dieſes Protokoll wird ſomit in entſprechen— den Columnen Namen und Wohnort des An— gezeigten und des Anzeigers, die Bezeichnung des Frevels ſammt Ortsangabe, das Datum der Anzeige und der Verhandlung, ſowie eines eventuellen Recurſes und ſeiner Entſcheidung, das Urtheil und dann den Betrag des ange— ſprochenen und des zuerkannten Schadenerſatzes, endlich die Einzahlung des letzteren enthalten. An die Direction haben die Forſtverwaltungen in der Regel alljährlich einen Nachweis aller ſtattgehabten Forſtfrevel und Diebſtähle mit Angabe der noch ausſtändigen Verhandlungen und der noch nicht hereingebrachten Schaden— erſätze einzuſenden. v. Gg. Jorſtgarbe, ſ. Forſthafer. Schw. Jorſtgarten, ſ. Kamp. Gt. Jorſtgehilſen. In der Regel die Bezeich— nung für die Aſpiranten des Forſtſchutzdienſtes, welche entweder einem Forſtſchutzorgane zur Aushilfe und Einführung in den Dienſt beige— geben ſind oder auch bei den Forſtverwaltungen zur Kanzlei- und Schreibaushilfe in Verwen— dung genommen werden. Beim Forſtamtsſyſtem iſt die Forſtgehilfenſtelle die Vorbildungsſtufe für die künftigen Revierförſter, und ſind die— ſelben gleichfalls zumeiſt ſolchen Revierförſtern, welche einer Aushilfe bedürfen, oder auch dem Forſtamte zur Erlernung der Kanzleiarbeiten zugetheilt. v. Gg. Jorſtgerecht iſt ein namentlich im XVIII. Jahrhundert üblicher Ausdruck, um die Fähig— keit einer Perſon zur guten Bewirtſchaftung des Waldes zu bezeichnen. Synonym damit iſt „holzgerecht“, übrigens auch öfters neben „forſtgerecht“ gebraucht. So ſagt Döbel (III., P. 46): Der Jäger mufs hirſch⸗, jagd-, holz— und forſtgerecht ſein. Dieſe Forderung wurde geſtellt, als man in der Forſtverwaltung den einſeitigen Jagdſtandpunkt zu verlaſſen und auch der Bewirtſchaftung des Waldes größere Auf— merkſamkeit zuzuwenden begann. Schw. Jorſtgeſetz (Oſterreich). Die Forſtwirt— ſchaft trägt Eigenthümlichkeiten an ſich, welche die Aufgabe der Verwaltung und die Methode ihrer Durchführung mächtig beeinfluſſen. Wir ſehen ab von den mehr privatwirtſchaftlichen, wie z. B. daſs der Wald einen gegenüber der Landwirthſchaft geringeren Flächeneinheitsroh— ertrag liefert, daſs aber dafür eine größere Quote dieſes Ertrages Reinertrag iſt; wir ab— ſtrahieren von der geringeren Circulations— fähigkeit der Forſtproducte, den Eigenthümlich— keiten, welche die induſtrielle Verarbeitung der— elben mit ſich bringt u. ſ. w., ſondern erwähnen nur der Eigenthümlichkeiten von allgemeiner Bedeutung, weil wir hiedurch einen umfaſſen— den Geſichtspunkt für die principielle Haltung der Verwaltung gegenüber der Forſtwirtſchaft, wie ſich dieſelbe im Forſtgeſetze ausdrückt, ge— winnen wollen. Da fällt zunächſt der langſame Wuchs der Holzpflanzen ins Auge, welcher neben anderen Conſequenzen ſich darin äußert, daſs das Ca— pital jahrelang aufgeſtapelt werden mufs, bis dasſelbe erntereif iſt, daſs vorzeitige Eingriffe leichter möglich werden und daher ein thunlichſt conſervativer Beſitzer der erwünſchteſte Eigen— thümer der Forſte iſt; daſs ferner, wie man es (wenn auch nicht ganz richtig) auszudrücken pflegt, der Factor „Natur“ bei der Forſtwirt— ſchaft eine verhältnismäßig große Rolle ſpielt, daſs der Arbeitsfactor mehr im Hintergrunde ſteht und daher auch die Arbeitstheilung eine geringere, productionſteigernde Wirkung aus— übt und der Forſtwirtſchaftsbetrieb ein mehr extenſiver und verhältnismäßig wenig riscanter iſt. Dazu kommt, dajs die Holzpflanzen im all- gemeinen weit geuügſamer ſind, als die anderen Culturpflanzen, und Ddajs es Bodenarten gibt, welche ihre höchſte privatwirtſchaftliche Reute nur bei Bepflanzung mit Forſteulturgewächſen liefern (abſoluter Waldboden), ſo daſs hier der privat⸗ und nationalbkonomiſche Geſichtspunkt zuſammenfallen. Verlangt der Forſtwirtſchafts— betrieb ſchon aus den hier angegebenen Grün— den größere, zuſammenhängende Flächen, ſo wird dieſe Forderung verſtärkt durch den Um— ſtand, daſs die Fortpflanzung und Wiederan— zucht der Waldungen durch vorhandene Holz— beſtände weſentlich gefördert wird. Endlich jind die Waldungen „öffentliche Anſtalten“, indem ſie einen gewiſſen allgemein klimatiſchen Ein— fluſs beſitzen, mit dem ungefährlichen Vorhan— denſein der Gewäſſer im innigſten Zuſammen— hange ſtehen (was ſchon Colbert erkannt hat) und endlich Schutz gegen verheerende Natur— ereigniſſe aller Art (Winde, Abrutſchungen, La— winen u. ſ. w.) bieten. Unter ſolchen Verhält- niſſen kann es nicht wundernehmen, daſs die Frage der Freilaſſung, bezw. des Maßes, in welchem die private Forſtwirtſchaft durch die Verwaltung beeinfluſst werden ſoll, ernſtlich ventiliert wurde. Vollkommen freie Privat— wirtſchaft und deren gänzliche Beſeitigung durch ausſchließlichen Staatsforſtbeſitz oder jtrenge Beförſterung (ſ. d.) bilden die Extreme der An— ſichteu, welche wohl nirgends in ihrer Reinheit zutage traten; vielmehr handelte und handelt es ſich immer nur um ein Mehr oder Weniger von Freiheit oder Beſchränkung. Der allge— meine Standpunkt der Verwaltung für ihre Einfluſsnahme auf die Privatwirtſchaft lässt ſich dahin präcijieren, daſs die Verwaltung überall dort und inſoweit die Privatwirtſchaft beeinfluſſen, bezw. beſchränken darf und ſoll, wo die freigelaſſene Selbſtthätigkeit gewiſſe von der Geſellſchaft als Vorausſetzung für ihr Gedeihen und ihre Entwicklung erkannte Be— dingungen verletzen würde. Dieſen allgemeinen Satz mit coneretem Inhalte zu erfüllen, bildet dann den Gegenſtand der Meinungsverſchieden— heit. Zur Abgrenzung des Gebietes dient ferner der Satz, dais, jo lange der Einzelne oder die vereinigten Einzelnen ſich vor Gefahren ſelbſt zu ſchützen in der Lage ſind, die Verwaltung dieſe Aufgabe nicht zu übernehmen hat. Daraus Br DR 80 Forſtgeſetz. ziehen wir nun den allgemeinen Schlujs, daſs das Forſtgeſetz (die Verwaltung) überall dort befehlend oder verbietend einzugreifen habe, wo es ſich um Gefahren, deren ſchädigende Wirkung über die Sphäre des Einzelnen hinausgreift, handelt, um Vorgänge, deren Setzung oder Unterlaſſung nicht nur für den Handelnden, ſondern für andere Bedeutung hat, worunter auch pflegliche Dispoſitionen aller Art gehören, bei Abwendung von Gefahren unter der Vor— ausſetzung, dajs der Einzelne oder die genoſſen— ſchaftlich zuſammengefaſsten Einzelnen der Auf— gabe nicht gewachſen ſind. Daſs die Verwaltung gegenüber der Forſt— wirtſchaft häufiger und nachdrücklicher Anlajs zu befehlender oder prohibitiver Einmiſchung haben wird, als z. B. gegenüber der Landwirt— ſchaft, ergibt ſich ſchon aus den hervorgehobenen Eigenthümlichkeiten des Forſtwirtſchaftsbetriebes. Nichtsdeſtoweniger muſs man aber, will man nicht in unterſcheidungsloſes Reglementieren ver— fallen, die aufgeſtellten modernen Prineipien der Verwaltungstheorie, deren grundſätzliche und hiſtoriſche Motivierung uns zu weit führen würde, auch hier beibehalten und demnach etwa folgendermaßen argumentieren: Die Verwaltung hat die private Forſtwirtſchaft gerade ſo wie die Landwirtſchaft und alle übrigen Erwerbszweige ſtaatlich erſt dann zu beeinfluſſen, wenn allge— meine, über den Einzelhaushalt hinausgehende Schädigungen zu bekämpfen oder die Schwäche des Einzelnen zu ergänzen iſt. Daraus folgt, daſs man alle Waldungen, welche „öffentliche“ Bedeutung (Schutzwaldungen) beſitzen, alſo 3. B. jene auf ſteilen Abhängen (ſ. d.), jene, welche als Schutz gegen Abſtürze aller Art, zur Erhaltung der Quellen und damit auch Hint— anhaltung der Überſchwemmungen, gegen aus— hagernde Winde dienen, als klimatiſche Factoren fungieren, auf hohen Bergkuppen liegen, auf ab— ſolutem Waldboden ſtehen oder deren Wieder— anzucht nach der Abholzung unbeſiegbare oder unverhältnismäßig große Schwierigkeiten be— reitet, vielleicht auch in einem gewiſſen Sinne Gemeindewaldungen mit Rückſicht auf die öffent— lichen Aufgaben der Gemeinden, zu deren Er— füllung materielle Mittel nöthig ſind, worüber der Staat zu wachen befugt iſt u. ſ. w., daſs man, ſagen wir, alle ſolche Waldungen unter ſtrenge öffentliche Controle bringe, wo es nöthig iſt, mit Bannvorſchriften vorgehe, im Übrigen aber die private Forſtwirtſchaft frei laſſe. Dieſe principielle Forderung ſchließt nicht aus, ſon— dern erheiſcht ſogar weiters Vorſchriften in Bezug auf Gefahren, deren Tragweite über die Einzelwirtſchaft hinausgeht (Waldbrände, In— ſectengefahr u. ſ. w.), ſowie Normen über den Forſtſchutzdienſt, Forſtübertretungen, Qualifi— cation der Wirtſchaftsführer, Bringung zu Waſſer und zu Lande, Schonflächen u. ſ. w. Das weſtöſterreichiſche Forſtgeſetz geht in— ſoferne über die hier gezogene Grenze hinaus, als es durch das allgemeine Rodungs- und Devaſtationsverbot und den Aufforſtungszwang (ſ. Rodung, Verwüſtung, Aufforſtung) die ge— ſammte Privatforſtwirtſchaft unter behördliche Ingerenz ſtellt und auch ſonſt noch z. B. durch allgemeine Anordnung eines Windmantels (ſ. d.) | unnöthige Beſchränkungen auferlegt. Das Prin— cip der Walderhaltung, welches unſer Forſtgeſetz feſthält, d. h. dafs dort, wo Wald war, ohne behördliche Bewilligung der Wald nicht be— ſeitigt werden kann, bedarf aber einerſeits der erwähnten Beſchränkung bezüglich jener Wal— dungen, welche keine Schutzwaldungen ſind, andererſeits der Ergänzung, daſs dort, wo dermalen kein Wald iſt, ſolcher aber ſtehen ſollte, die Anzucht von Holzpflanzen erzwungen werden kann, wie es der neue Forit- geſetzentwurf auch verlangt (ſ. Aufforſtung). Das ungariſche Forſtgeſetz vom 11/6. 1879, Geſ.-Art. XXXI ex 1879 entſpricht den hier vertretenen Principien mehr als das weſt— öſterreichiſche Forſtgeſetz, indem es in den bin— nen fünf Jahren, von der Wirkſamkeit des Forſtgeſetzes gerechnet, durch den Ackerbaumini— ſter als Schutzwälder zu bezeichnenden Wal— dungen Rodung und Kahlſchlag verbietet, ebenſo das Stock- und Wurzelroden und das Streu— ſammeln, ſowie die Beweidung, inſolange die— ſelbe ſchädlich iſt. Die Schutzwaldungen, welchen auch die im Beſitze des Staates, der Juris— dictionen, Gemeinden, Kirchen, die Fideicom- miſs- und Aetiengeſellſchaftswaldungen zuge— rechnet werden, ſind nach einem behördlich ge— nehmigten Betriebsplane, deſſen Durchführung überwacht wird, zu bewirtſchaften. Von den Waldungen in den Ländern der ungariſchen Krone ſtehen 67°89%, unter dieſer Aufſicht, wäh— rend die übrigen Privatwaldungen frei ſind. Damit iſt auch der Einwand widerlegt, dass die Schutzwaldungen nicht ausgeſchieden werden können, da dies in Ungarn factiſch geſchieht iſt und durch einen Waldcataſter wohl auch anderwärts geſchehen könnte. Außerdem ſtellt das ungariſche Forſtgeſetz die Modalitäten feſt, unter welchen unbewaldete Gebiete nöthigenfalls zwangsweiſe der Aufforſtung zuzuführen ſind. Wenn die hier vertretenen Principien feſt— gehalten werden, iſt auch die Durchführung des Forſtgeſetzes weſentlich erleichtert und ver— billigt, und damit eine dem öſterr. Forſt— geſetze gegenüber erhobene Klage leichter zu be— ſeitigen. In neuerer Zeit hat man in Oſterreich in dieſer Richtung ernſte und erfolgreiche An— ſtrengungen gemacht, indem das Inſtitut der Forſtinſpectoren eingeführt und den politischen Behörden forſttechniſche Organe in ausgedehn— terem Maße zugewieſen wurden (j. Behörden). Eine Bewirtſchaftung von Schutzwaldungen, die in Weſtöſterreich nicht ausgeſchieden ſind, nach behördlichen Betriebsplänen iſt nicht vorge— ſchrieben, ebenſo darf eine ausgiebigere Bannung als erwünſcht bezeichnet werden, denn nur dann iſt die Freilaſſung der als indifferent zu bezeich— nenden Privatwaldungen, welche lediglich als Quellen der Lieferung von Forſtproducten anzu— ſehen ſind und eine öffentliche Bedeutung nicht beſitzen, ungefährlich. Jedenfalls wäre die Thä— tigkeit der Forſtaufſichtsorgane, wenn ſie auf die Schutzwaldungen und die allgemeine Hand— habung der ſonſtigen Beſtimmungen des Forſt— geſetzes (Waldbrände, Inſectenſchäden, Brin— gung u. ſ. w.) beſchränkt wäre, eine zwar um⸗ fänglich beſchränktere, aber deſto intenſivere. Mcht. 1 Forſtgeſetz. Jorſtgeſetz (Deutſchland) eines Landes iſt im weiteren Sinne die Geſammtheit der das Waldeigenthum und ſeine Bewirtſchaftung be— treffenden Rechtsnormen. Die Staatsverfaſſung, indem ſie jedem Einwohner die Sicherheit ſeiner Perſon, ſeines Eigenthumes und ſeiner Rechte garantiert, gehört demnach ebenſo gut zum Forſt— geſetze wie die Civil-, Straf-, Verwaltungs- und Finanzgeſetze des Landes. Im engeren Sinne verſteht man jedoch unter Forſtgeſetz die zum Schutze und zur Pflege der Waldungen den Wald— beſitzern und übrigen Unterthanen im öffentlichen Intereſſe auferlegten Beſchränkungen und Ver— pflichtungen, ſowie die Repreſſivmaßregeln gegen die Außerachtlaſſung dieſer Obliegenheiten. Bis weit in das Mittelalter beſtand die Forſtgeſetzgebung in Deutſchland aus autonomen Satzungen der Markgenoſſenſchaften (ſ. Corpo— rationswaldungen), welche aus Majoritätsbe— ſchlüſſen der Märkerverſammlungen hervor— giengen und im Intereſſe der Ordnung und der Erhaltung des Waldes die Waldnutzung regelten. Die ſo entſtandenen Markordnungen oder Markweisthümer bilden nicht nur, wie die Weisthümer überhaupt, eine Hauptquelle für die Cultur⸗ und Rechtsgeſchichte unſeres Volkes, ſie gewähren uns auch ein Bild des Zuſtandes und der Behandlung der Waldun gen vom XI. bis in das XVII. Jahrhundert. Als infolge der Inforeſtationen in Ver— bindung mit dem Lehenweſen das Waldeigen— thum zum großen Theil in die Hände der Landesherren kam, und die früheren Markge— noſſen zu bloßen Waldnutzungsberechtigten herabſanken, war es natürlich, daſs die Landes— herren für die ihnen gehörigen Waldungen Verordnungen erließen, welche neben der Rege— lung der Waldnutzung und dem Schutze des Waldes vorzüglich die Beſchränkung der Nutzungsrechte der Eingeforſteten zum Zwecke hatten. Eigentliche Forſtgeſetze, giltig für die ſämmtlichen Waldungen eines Landes, hatte man dagegen im ganzen Mittelalter nicht, es ſei denn, daſs man die Salzburger Waldord— nung vom 17. Mai 1324, welche zur nach— haltigen Deckung des Holzbedarfes der Berg— werke die ſämmtlichen Privatwaldungen unter Aufſicht des erzbiſchöflichen Waldmeiſters ſtellte, als ein Forſtpolizeigeſetz betrachtet. Zu Ende des XVI. Jahrhunderts und im XVII. Jahrhundert wurden dieſe Forſtordnungen uicht nur zahlreicher, ſie enthielten auch meiſt neben den Vorſchriften für die landesherrlichen Waldungen forſtpolizeiliche Beſchränkungen hin⸗ ſichtlich der Privatwaldungen, die mitunter viel weiter giengen als man in unſerer Zeit für gerechtfertigt hält. So ſtellte z. B. die bayriſche Forſtordnung vom Jahre 1616 die Wälder der Prälaten und Landſaſſen unter ſpecielle Aufſicht der landesherrlichen Beamten und wieder die der Kirchen und Gemeinden unter die der Obrig— keit und drohte den Bauern ſogar bei ſchlechter Waldwirtſchaft mit Einziehung ihres Erbrechtes oder der Leibgedingsgerechtigkeit. In Braun- ſchweig durfte nach der Forſtordnung von 1591 kein Bauer bei 50 Gulden Strafe ohne Er— laubnis Holz ſchlagen, und ähnliche Beſtim— mungen finden ſich in den Forſtordnungen für 81 Jülich, Cleve und Berg von 1558, für Baden und Durlach von 1586 und 1587, für die frän- kiſchen Beſitzungen des Hauſes Brandenburg von 1531 u. ſ. w. Außer der Rückſicht auf Ver— hinderung von Devaſtation der Privatwaldungen war oft die Erhaltung der Wildbahn, wie z. B. in Kurbrandenburg (1622), Kurſachſen (1560), Sachſen-Weimar (1646) und Gotha (1664) u. ſ. w., oder auch die Verhütung der Verſchlechterung der lehenherrlichen Waldungen, wie in Anhalt (Landes ordnung von 1572) und Henneberg (1615), das Motiv der ſtaatlichen Beaufſichtigung der Privatwaldungen. Im XVIII. Jahrhundert, in welchem die Landes- (und Forſt-) Hoheit und die Bureaukratie zur vollen Entwicklung kam, wurden vorzüglich durch die Furcht vor Holz— mangel die Maßregeln zur Beſchränkung der Privatforſtwirtſchaft bedeutend verſchärft, allein ſie traten, wie alle früheren Forſtordnungen, nicht recht in Wirkſamkeit, theils weil dieſelben dem Geiſt der Zeit nicht entſprachen, vorzüglich 1 weil es an entſprechenden Vollzugsorganen fehlte. Erſt unſerem Jahrhunderte, welches mit der Einführung des Conſtitutionalismus die Ent- wicklung des Rechtsſtaates ermöglichte, iſt es gelungen, auf Grundlage der neu begründeten Volks- und Forſtwirtſchaftslehre Forſtgeſetze zu ſchaffen, welche, das Intereſſe des Allgemeinen und des Einzelnen in gerechter und humaner Weiſe wahrend, umſomehr des Vollzuges ſicher ſind, als jetzt überall ein gebildetes Forſtper— ſonale den Forſtpolizeibehörden zur Seite ſteht. Die neueren Forſtgeſetze unterſcheiden ſich von den älteren aber auch noch dadurch vortheil— haft, daſs aus ihnen Alles, was dem Privat— rechte und der Finanzgeſetzgebung angehört, weggelaſſen iſt, und ſich die Vorſchriften der— ſelben vielfach nicht nur auf die Sicherung (Forſtpolizei), ſondern auch auf die directe För- derung des Wohles des Einzelnen und des Ganzen (Forſtwirtſchaftspflege) beziehen. Es gehören demnach zum Forſtgeſetze eines Landes die Beſchränkungen der Autonomie des Waldeigenthümers, wenn dieſer eine ju— riſtiſche Perſon oder ſein Eigenthum ein beſchränktes (ſ. Autonomie des Waldeigen— thümers) iſt (in letzterem Falle nur ausnahms⸗ weiſe), die Geſetze über die Ablöſung der Forſt— ſervituten (ſ. d.), die Bildung (ſ. d.) und Thei— lung (ſ. d.) eines gemeinſchaftlichen Waldeigen— thumes und die Waldarrondierung (ſ. d.), das Forſtpolizeigeſetz (ſ. Forſtpolizei) und das Forſt— ſtrafgeſetz (j. d.). 5 Ä Ein vollſtändiges Forſtgeſetz (vom 28. März 1852) beſitzt nur Bayern für die rechtsrhei⸗ niſchen Landestheile. Das Forſtgeſetz vom 15. November 1833 für Baden, die Forſt⸗ ordnung vom 21. November 1833 für Waldeck und der franzöſiſche Code forestier vom 31. Juli 1827 (ergänzt bezüglich des Forſt— ſtrafweſens durch die Verordnung vom 19. Oe— tober 1841 und die Geſetze vom 18. Juni und 31. December 1859), welcher für Eljajs- Lothringen Geltung hat, ſind ebenfalls voll— ſtändige Forſtgeſetze, haben aber in neueſter Zeit durch den Erlaſs beſonderer Forſtſtraf— geſetze dieſen Charakter zum Theil verloren. Dombrowski. Eneyklopädie d. Forſt⸗ u. Jagdwiſſenſch. IV. Bd. 6 er * e 1 82 Forſtgrenze. — Forſtgrundſteuerermittlung. In allen übrigen deutſchen Staaten bildet die Forſtgeſetzgebung kein zuſammenhängendes Ganzes. Man vgl. auch J. Albert, Lehrbuch der Staatsforſtwiſſenſchaft, Wien 1875. At. Jorſtgrenze, ſ. Abgrenzen. Nr. Jorſtgrundſteuer, ſ. Beſteuerung. Nr. FJorſtgrundſteuerermittlung (Deutſch— land) iſt die Feſtſtellung der von den Wal— dungen zu erhebenden Grundſteuer. Grundſteuergeſetze beſtehen in Preußen (vom 21. Mai 1861, durch Geſetz vom 14. Fe⸗ bruar 1870 auf die annectierten Provinzen aus— gedehnt), Bayern (vom 15. Auguſt 1828 nebſt Ergänzungsgeſetz vom 28. März 1852), Würt— temberg (vom 28. April 1873 und vom 23. Juli 1877), Sachſen (angeordnet durch Landtagsabſchied vom 30. October 1834; Ge— ſchäftsanweiſung zur Abſchätzung des Grund— eigenthumes vom 30. März 1838; Geſetz vom 9. September 1843 und Einkommenſteuergeſetz vom 22. December 1874 und 2. Juli 1878), Baden (vom 20. Juli 1810, 23. März 1854 und 7. Mai 1838), Heſſen (vom 13. April 1824 und die Bonitierungsinſtruction für die Be— ſteuerung der Waldungen vom 31. Jänner 1825), Oldenburg (1852), Sachſen-Weimar (revi- diertes Geſetz über die Steuerverfaſſung vom 18. März 1851 und Geſetz über die allgemeine Einkommenſteuer vom 19. März 1834, ſowie das Geſetz vom 18. März 1869 und 10. Sep- tember 1883), Braunſchweig (vom 24. Auguſt 1849), Sachſen-Coburg (vom 25. Mai 1860, dem bayriſchen Geſetze nachgebildet), Sach ſen— Gotha (vom 22. Juli 1869), Sachſen-Alten⸗ burg (vom 21. Februar 1855), Sachſen— Meiningen (vom 13. Februar 1869, im Weſentlichen das preußiſche), Schwarzburg— Rudolſtadt (vom 13. Auguſt 1868) und Son— dershauſen (das preußiſche Grundſteuergeſetz durch preußiſche Beamten und Behörden durch— geführt), Waldeck (preußiſch), Reuß jüngere Linie (vom 20. März 1850), Elſaſs-Loth⸗ ringen (franzöſiſche Geſetzgebung) u. ſw. Dic Ermittlung der Forſtgrundſteuer gründet ſich zwar im allgemeinen auf das für ein Land beſtehende Grundſteuergeſetz, bedarf aber wegen der Eigenthümlichkeiten der Forſtwirtſchaft be— ſonderer Behandlung. Es iſt deshalb nöthig J. die Grundſteuerermittlung im allgemeinen und II. die Feſtſtellung der Forſtgrund— ſteuer zu erörtern. I. Bei jeder Grundſteuerermittlung kommen in Betracht: 1. die allgemeinen Vor— arbeiten, 2. die Feſtſtellung der Steuer— werte der Grundſtücke, 3. die Herſtellung des Grundſteuercataſters und 4. die periodiſchen Reviſionen der Grund— teuer und die Evidenthaltung des Grund— ſteuercataſters. 1. Zu den allgemeinen Vorarbeiten der Grundſteuerermittlung zählen die Vermeſſung, Flächenberechnung und Kartierung der ſteuer⸗ 3 die Feſtſtellung des Beſitzſtandes erſelben und die Organiſation d Geſchäftes. ganı) es ganzen Die zum Behufe der Grundſteuerveran— lagung vorgenommene Landesvermeſſung (Ca— taſtermeſſung; muſs alle Objecte, welche be— züglich der Beſteuerung beſonders zu behandeln ſind, auch zum Gegenſtande der Aufnahme machen. Es ſind deshalb nicht nur die ſteuer— freien Objecte (3. B. Wege, Eiſenbahnen, Flüſſe u. ſ. w., meiſt auch das Grundeigenthum des Staates und der Stiftungen), ſondern auch die ſteuerbaren Grundſtücke nach Verſchiedenheit des Beſitzſtandes und der Culturart (Gebäude und Hofräume, Gärten, Acker, Wieſen, Weiden, Wal- dungen und Odungen) auszuſcheiden und zu vermeſſen. Für jede Steuergemeinde wird eine be— ſondere Karte hergeſtellt, und in derſelben er— halten die einzelnen Grundſtücke fortlaufende Nummern (Cataſternummern). Der Maßſtab der Karten iſt nach der Größe der Parcellierung des Grundbeſitzes verſchieden, vom 1250theiligen bei Städteaufnahmen bis zum 5000theiligen bei Vermeſſung großer Waldcomplexe. Die Flächen der einzelnen Steuerobjecte werden berechnet und für die Steuergemeinde zuſammengeſtellt. Wenn das Grundſteuercataſter, wie z. B. in Bayern, ein Saal- und Lagerbuch mit Be- weiskraft für die Zukunft nicht nur in Anſehung der Steuerverhältniſſe, ſondern auch bezüglich der Rechte und Verbindlichkeiten der Betheiligten bilden ſoll, wird es nöthig, dass bei der des— halb zu pflegenden Verhandlung nicht nur der Beſitzer eines Cataſterobjectes für ſolches den Erwerbstitel und die Art des Eigenthumes (ob frei oder belaſtet) angibt, ſondern daſs auch die übrigen Betheiligten (Beſitzer von ſteuer— baren Dominical- und Zehntrechten, ſowie von ſteuerbaren Realrechten) die auf dem Grund— beſitze ruhenden Reallaſten als liquid aner— kennen. Reclamationen gegen dieſe Liquidation find innerhalb des geſetzlichen Termines (im Bayern z. B. drei Jahre) anzubringen. Die oberſte Leitung der Grundſteuerregu— lierung und die Verantwortlichkeit für dieſelbe liegt überall dem Finanzminiſter ob, dem dann eine zu fraglichem Zwecke gebildete Commiſſion unterſteht, welche wieder in Localcommiſſionen ihre Organe beſitzt. In großen Ländern, wie z. B. Preußen, wird es nöthig, zwiſchen die Generalcommiſſion und die Localcommiſſionen noch Provinzialcommiſſionen zu ſtellen, welche innerhalb des ihnen zugewieſenen Landestheiles die nöthige Einheit des Verfahrens herzuſtellen aben. 5 Zu den Arbeiten der Localcommiſ— ſionen zählen im allgemeinen die Vermeſſung, die Liquidation des Beſitzſtandes, die Feſtſtel— lung des Steuerwertes der Grundſtücke, die Annahme der Reclamationen, ſowie die Evident— haltung der Cataſter; zum Reſſort der Ge— neralcommiſſion, bezw. Brovinzialcom- miſſionen gehören dagegen die Inſtruierung und Überwachung der äußeren Commiſſionen die Verbeſcheidung der Neclamationen und die definitive Feſtſtellung der Reſultate der Steuer: regulierung. Die fraglichen Commiſſionen wurden je nach den beſonderen Zwecken der Steuerregu— lierung und dem beſtehenden Verwaltungsorga— Forſtgrundſteuerermittlung. 83 nismus in den einzelnen deutſchen Staaten in verſchiedener Weiſe gebildet und einzelne der genannten Geſchäfte, wie z. B. die Evidenthal— tung der Cataſter, ſind öfter den für andere Aufgaben beſtellten Behörden commiſſariſch über— tragen. Den Localcommiſſionen, deren Vorſtände eine cameraliſtiſche Bildung nicht wohl ent— behren können, ſind für die Vermeſſungsge— ſchäfte Geometer, für die Bodenſchätzungsarbei— ten Land- und Forſtwirte beigegeben. 2. Die Steuerwertsermittlung hat nach dem Grundſatze zu erfolgen, daſs die Steuerbeträge der einzelnen Grundſtücke durch— gehends deren Erträgen proportional ſein ſollen. Unter Steuerwert (Steueranſchlag, Ca— taſtergröße, allivrement) eines Grunſtſtückes verſteht man den Jahresertrag oder den Capi— talwert desſelben, oder überhaupt jede dem einen oder anderen der genannten beiden Wert— momente proportionale Größe, welche als Maß— ſtab bei Feſtſtellung der Grundſteuer dient. Nachdem das Verfahren bei der Grund— ſteuerregulierung der Koſtenerſparung wegen ein möglichſt einfaches ſein ſoll, ſo erhebt man nicht den Steuerwert eines jeden Obſectes durch ſpe— cielle Ertragsberechnungen u. ſ. w, ſondern bil- det für jede der beſtehenden Culturarten (Gär— ten, Acker, Wieſen, Weinberge, Waldungen u. ſ. w.) Güte- oder Bonitätsclaſſen des Bodens (oder eigentlich des Standortes), die ſich nach der Größe des jährlichen Ertrages oder des Kaufpreiſes der Flächeneinheit u. ſ. w. aus⸗ ſcheiden, wählt für jede Claſſe ſog. Muſter— gründe oder Muſterſtücke aus, d. h. ent⸗ ſprechend große Flächen der fraglichen Culturart, die ein charakteriſtiſches Bild der mittleren Be— ſchaffenheit, bezw. der Ertragsfähigkeit des Bo— dens der Claſſe darſtellen, ſtellt deren Erträge, bezw. Capitalwerte u. ſ. w. feſt und reiht nun die einzelnen Grundſtücke des Steuerbezirkes durch Vergleichung mit den Muſtergründen in die entſprechende Bonitätsclaſſe der betreffenden Culturart ein. Die Bildung der Bonitätsclaſſen nennt man meiſt Bonitierung, die Zuwei— ſung der einzelnen Grundſtücke in die entſpre— chenden Claſſen dagegen Claſſificierung oder Claſſification (in Preußen jedoch Claſſification und Einſchätzung). Die Aufnahme der Grenzen der Bonitäts— claſſen und die Flächenberechnung der ſo aus— geſchiedenen Cataſterobjecte hat nachträglich zu den bereits ausgeführten Vermeſſungsarbeiten zu geſchehen. Wie viel Hauptculturarten angenommen werden ſollen, iſt durch das Geſetz beſtimmt. So unterſcheidet man z. B. in Bayern nur Acker, Wieſen und Waldungen, während man in Preußen Ackerland, Gärten, Wieſen, Weiden, Holzungen, Waſſerſtücke und Odland geſondert betrachtet. Die Zahl der Bonitätsclaſſen einer Cultur— art richtet ſich nach der Größe der vorkommen— den Ertragsunterſchiede des Landes, doch iſt häufig auch das Maximum der Zahl dieſer Claſſen geſetzlich vorgeſchrieben (in Preußen z. B. 8). Gleiches gilt öfter bezüglich der Zahl der Muſtergründe für jede Bonitätsclaſſe. Die Bonitäsclaſſen verſchiedener Cultur— arten werden einfach dadurch in Beziehung zu einander gebracht, daſs man jene Claſſen, welche bezüglich des der Claſſenbildung zu grunde ge— legten Steuerwertes (Jahresertrages, Capital— wertes u. ſ. w.) gleiche Größe zeigen, als gleich— wertig annimmt. Dies gilt auch für die Einrei— hung der Bonitätsclaſſe in den allgemeinen Landestarif (Claſſificationsſcala in Preußen). Als Steuer- oder Cataſtralgemeinde, für welche ein beſonderes Cataſter angefertigt wird, nimmt an in der Regel die politiſche Gemeinde man, doch werden auch öfter, wie z. B. in Bayern und Baden, größere Guts-, nament— lich aber Waldcomplexe, die einer politiſchen Ge— meinde nicht zugetheilt ſind, als eigene Steuer— gemeinden bei der Cataſtrierung betrachtet Die betreffende Markung wird dann behufs der Bonitierung und Claſſificierung entweder in mehrere Steuer- (Schäßungs- oder Claſſifi— cations-) Bezirke zerlegt, oder es werden um— gekehrt mehrere Gemeinden zu einem einzigen Steuerbezirke zuſammengefaſst, wenn nämlich Boden-, Verkehrs- und wirtſchaftliche Verhält— niſſe im erſteren Falle innerhalb einer Mar— kung ſehr wechſeln, im zweiten Falle aber für einen weiteren Kreis größere Gleichförmigkeit zeigen. Die Naturalerträge der einzelnen Cultur— arten und ihrer Bonitätsclaſſen ſind ſo anzu— nehmen, wie ſie ſich nach der im Steuerbezirke herkömmlichen Wirtſchaftsweiſe im mittleren Durchſchnitte bei gegendüblicher Betriebſamkeit ergeben, indem nur ſo der fleißigere und um— ſichtigere Landwirt dem weniger tüchtigen gegen— über vor Nachtheil bewahrt bleibt. Es mujs hiebei jedes Grundſtück nur an und für ſich, ohne Rückſicht auf den wirtſchaftlichen Zuſam— menhang mit anderen und auf die; Eigenthums⸗ verhältniſſe, betrachtet werden. Für die Beſteuerung der Dominicalrenten, Zehnten und anderer nutzbaren Rechte bildet der jährliche Ertrag derſelben, wie er ſich durch Liquidation, Fatierung und controlierende Schätzung ergibt, die Grundlage. Die Preiſe der Maßeinheiten der Natural- erträge, z. B. des Centners Getreide oder Heu, des Feſtmeter Holz u. ſ. w., laſſen ſich nur auf Grund eines mehrjährigen (10—30jährigen) Durchſchnittes, allenfalls mit Weglaſſung der Jahre mit abnormen Preiſen, ermitteln. In gleicher Weiſe werden dort, wo man die Steuerregulierung auf die Reinerträge der Grundſtücke gründet, die Jahresbeträge des mittleren Productionsaufwandes nach dem Durchſchnitte der letzten Jahre beſtimmt, ſofern man nicht, wie dies meiſt geſchieht, vom Roh— ertrage bei allen Bodenclaſſen eine gleiche Quote desſelben in Abzug bringt. Bei der Bonitierung der Grundſtücke nach der jährlichen Pachtrente oder dem Kaufpreiſe derſelben müſſen, ähnlich wie bezüglich der Preiſe der Naturalien, Durchſchnitte für die letzten Jahre gezogen und der Claſſenbildung zu grunde gelegt werden. 6 * 84 Wenn es ſich darum handelt, die Güter- quellen eines Landes gleichmäßig zur Tragung der Staatslaſten herbeizuziehen, ſo müſſen natürlich die von dem jährlichen Geſammt— ertrage eines jeden Gewerbes auf die einzelnen Factoren der Production fallenden Antheile er— mittelt werden. Es wird insbeſondere für die Landwirtſchaft der Reinertrag der Grundſtücke feſtzuſtellen ſein, wie er ſich aus dem jährlichen Rohertrage nach Abzug der Wert- oder Koſten— beträge der Hilfs- und Verwandlungsſtoffe, der Zinſen aller verwendeten ſtehenden Capitalien, der Arbeitslöhne und des Unternehmergewinnes ergibt. Die Schwierigkeiten dieſer Feſtſtellung des Bodenreinertrages (Grund- oder Bodenrente) hat jedoch, wie z. B. in Bayern und Sachſen— Coburg, Veranlaſſung gegeben, die Grundſtücke nach dem jährlichen Rohertrage zu be— ſteuern. Die Beſteuerung nach dem Rohertrage kann nur unter der Vorausſetzung eine richtige fein, dajs der zum Betriebe nöthige Capital— und Arbeitsaufwand bei allen Grundſtücken immer der Bodengüte proportional iſt. Wären z. B. für ein Grundſtück der Rohertrag e und a, b, e die auf Land, Capital und Arbeit treffenden Antheile vom Rohertrage, jo müſste für ein anderes Gelände mit dem Rohertrage von viel— leicht 2e auch 2e = 2 a + 2 (b - c) fein, wenn die Beſteuerung eine gleichmäßige ſein ſoll. Denn es ſei in einem anderen Falle z. B. 2e ag 3(b-+ ce), jo würde hier der Grund— eigenthümer, obgleich die Bodengüte nur die Hälfte der obigen von 2 a iſt, doch dieſelbe Steuer wie für jene zahlen müſſen, indem er die durch erhöhten Capital- und Arbeitsauf— wand entſtandene Quote des Rohertrages gerade ſo beſteuern müſste, als ſei ſie durch die Kraft des Bodens gebildet worden. Es wird nun bei hoher Beſteuerung und bei einem Betriebe, der ſich vorzugsweiſe auf Capital- und Arbeits- aufwand ſtützt, vorkommen können, daſs die vom ganzen Rohertrage erhobene Steuer größer iſt, als die auf den Grund und Boden treffende Quote des Rohertrages, jo dass alſo der Grund— eigenthümer nicht nur auf eine Bodenrente ver— zichten muſs, ſondern auch noch für die von ihm häufig gemietheten Capitalien und Arbeits— kräfte eine Steuer auferlegt bekommt. Die Feſt— ſtellung der Grundſteuer nach dem Rohertrage der Grundſtücke erſcheint demnach, namentlich wenn ſie hochgegriffen iſt, als ein weſentliches Hindernis der Hebung der Landescultur, ſie mujs aber auch eine große Ungleichheit in der Steueranlage der einzelnen Grundſtücke herbei— führen, da für eine jede Culturart der Capi— tal⸗ und Arbeitsaufwand ein verſchiedener iſt, und ſelbſt für eine und dieſelbe Culturart nicht nur der Rohertrag nach Maßgabe der Inten— ſität des Betriebes ſehr wechſelt, ſondern auch der Productionsaufwand mit abnehmender Bodengüte relativ größer wird. Der jährliche Rohertrag iſt das Product aus dem Naturalertrage in den Preis der Maß— einheit desſelben. Die Bonitätsclaſſen ſtufen ſich hier nach den jährlichen Roherträgen ab, in Bayern z. B. Forſtgrundſteuerermittlung. nach Gulden, indem immer ein Gulden Roh— ertrag gleich dem Ertrage von ½ Schäffel Roggen à 8 fl. angenommen wird. Es wurden übrigens in Bayern die Nachtheile der Boni— tierung der Grundſtücke nach ihrem Rohertrage dadurch etwas paralyſiert, dafs man bei den einzelnen Culturarten manche Nutzungen gleich— ſam als Compenſation für die Productions— koſten außer Rechnung gelaſſen hat, wie z. B. bei den Waldungen die Forſtnebennutzungen, bei dem Ackerlande das Saatkorn, das Stroh, die Früchte, die Brache, Weide und ſonſtigen ökonomiſchen Nebennutzungen. Das Product aus dem jährlichen Roh— ertrage der Flächeneinheit in die Fläche des zu beſteuernden Grundſtückes ſtellt den Steuer— wert (Steuerverhältniszahl in Bayern) dar, aus dem mit Hilfe des geſetzlich feſtgeſtellten Steuer— fußes ſich der jährliche Steuerbetrag des Ob— jectes leicht berechnen läſst. Gehörte z. B. in Bayern ein Steuerobject von 20 Tagwerk der Bonitätsclaſſe 15 an, jo wäre hier die Steuer— verhältniszahl 15 20 300, d. h. das frag: liche Grundſtück hätte einen jährlichen Roh— ertrag von 300 fl. Jeder Gulden dieſes Roh— ertrages wird nun mit einem Kreuzer als Steuerſimplum belegt, und wenn nun z. B. für eine Finanzperiode drei Simpla erhoben werden ſollen, ſo iſt der jährliche Steuerbetrag dieſes Grundſtückes — I 15 fl. Die Steuerwertermittlung nach dem jähr— lichen Reinertrage (Grund- oder Bodenrente) iſt entweder eine directe, oder man ſchließt von der Größe der in dem Steuerbezirke üblichen Pacht- oder Kaufſchillinge auf die Höhe der Grundrente. Die Beſteuerung nach der Pachtrente, welche, wie z. B. in der ehemaligen Republik Venedig, nur möglich iſt, wenn die Verpach— tung des Grund und Bodens allgemein ge— bräuchlich iſt, geht von der unrichtigen Vor— ausſetzung aus, daſs die Pachtrente gleich der Bodenrente ſei, welche eigentlich nur dem Grund— eigenthümer gebüre. Die Concurrenz bringt aber die Pachtrente bald über, bald unter die Bodenrente, und die Vertheilung eines Geſammt— pachtſchillings auf die einzelnen Grundſtücke, ſo— wie die Ausſcheidung des von demſelben auf die mit übergebenen Gebäude und ſonſtigen In— ventargegenſtände treffenden Antheiles iſt un— möglich. Für die Steuerveranlagung nach dem Kaufpreiſe der Grundſtücke hat das über die Beſteuerung nach der Pachtrente Geſagte volle Giltigkeit, indem ſich hier der Kaufpreis, welcher dem Capitalswerte der Bodenrente entſprechen ſollte, in der Wirklichkeit ebenſo verhält, wie die Pachtrente gegenüber der Bodenrente. Es iſt hier insbeſondere noch unmöglich, aus den jo ſehr abweichenden Güterpreiſen einen mitt- leren Preis für jede Claſſe einer Culturart zu finden. Dieſe Beſteuerungsmethode, welche jetzt nur noch in Baden in Anwendung iſt, beſtand früher in dem Großherzogthume Würzburg, proviſoriſch in Bayern (Vg. v. 13. Mai 1808), in dem Forſtgrundſteuerermittlung. Herzogthume Naſſau (Steuerediete vom 10. und 14. Februar 1800), ſowie in Schwarzburg— Rudolſtadt (Geſetz vom 23. März 1855). Die directe Ermittelung des jährlichen Reinertrages der Grundſtücke, welche zuerſt in Frankreich zur Zeit des erſten Kaiſerreiches in größerer Ausdehnung zur Anwendung kam, bildet demnach die allein richtige und deshalb auch faſt ausſchließlich gebräuchliche Grundlage der Steuerregulierung. Das Product der Fläche eines Grund— ſtückes in den jährlichen Reinertrag, bezw. die Pachtrente oder den Kaufpreis der betreffenden Bonitätsclaſſe bildet den Steuerwert des— ſelben nach den erörterten drei Methoden der Steuerveranlagung auf Grund des Reiner— trages. 3. Das Grundſteuercataſter (Mutter- rolle, Güterbuch in Württemberg, matrice du role cadastral) iſt in der Hauptſache nur ein der Ordnung der Haus- oder Beſitznummern folgendes tabellariſches Verzeichnis der den einzelnen Beſitzern gehörigen Grundſtücke einer Steuergemeinde mit Angabe der Lage und Be— grenzung des Flächeninhaltes, der Bonitäts— claſſe, der Reallaſten und des Steuerwertes eines jeden Grundſtückes ſowie des Beſitztitels des dermaligen Beſitzers. Dem Cataſter wird ein dieſelben Daten enthaltendes, jedoch den Cataſternummern folgendes Verzeichnis (Re— pertorium, Primärcataſter in Württemberg) beigegeben. Die Zuſammenſtellung der einem Beſitzer gehörigen Grundſtücke erleichtert der Steuerbehörde die Anfertigung des Hebregiſters; das Repertorium iſt nöthig, um ſofort die Steuerverhältniſſe der einzelnen Grundſtücke zu finden. Die auf den einzelnen Grundſtücken ruhenden Servituten und Reallaſten ſind in dem Cataſter vorgemerkt und unterliegen, da ſie an der Bodenrente theilnehmen, der Be— ſteuerung. Die Beiziehung des Berechtigten zur Tra— gung der Grundſteuer erfolgt nun entweder durch geſonderte Beſteuerung ſeines Autheiles am Ertrage (Dominical- oder Gefällſteuer), wie z. B. in Württemberg, Baden und Heſſen, oder dadurch, daſs man die Grundſteuer von dem pflichtigen Grundbeſitzer ganz erhebt, die Beitragsleiſtung des Berechtigten aber der Privatausgleichung zwiſchen beiden Betheiligten überläjst, wie dies z. B. in Preußen, Bayern, Sachſen und Frankreich geſchieht. Reclamationen gegen die Feſtſtellungen des Cataſters ſind innerhalb des beſtimmten Termines (in Bayern z. B. ein Jahr und drei Monate, in Preußen nur vier Wochen) anzu— bringen. 5. Eine periodiſche Reviſion der Grundſteuer iſt wohl in Frankreich und Oſterreich, nicht aber in Deutſchland in den Steuergeſetzen vorgeſehen. Die Anderungen der Grundlagen der Steuerregulierung, insbeſon— dere der Reinerträge der einzelnen Grundſtücke durch Culturumwandlung, durch intenſiveren Betrieb, durch Preiserhöhung der Producte infolge der Eröffnung neuer Verkehrswege u. ſ. w. machen jedoch eine Reviſion und Neu— C ˙wJ P ] 85 herſtellung der Cataſter trotz des hiemit ver— bundenen Mühe- und Koſtenaufwandes im Laufe der Zeit unvermeidlich. Die Mißverhält— niſſe der Unveränderlichkeit der Grundſteuer zeigen ſich z. B. in England, wo nach Pitt's Grundſteuerbill vom Jahre 1797 die Grund— ſteuer / des Reinertrages bilden ſollte, jetzt aber nur / — 0 desſelben darſtellt. Die Evidenthaltung des Grund— ſteuercataſters hat zum Gegenſtande den Nachtrag aller Anderungen am Beſitzſtande und an der Fläche der Grundſtücke ſowie an der etwaigen Steuerbefreiung und Culturart (3. B. durch Waldrodung) derſelben. Ebenſo müſſen alle an den Servituten und Reallaſten durch Fixierung oder Ablöſung ſich ergebenden Ande— rungen im Cataſter nachgetragen werden. II. Die Forſtgrundſteuerermitt⸗ lung läſst die Nebennutzungen in der Regel außer Rechnung, ſo z. B. in Bayern als eine Compenſation für den Regieaufwand, in Preu— ßen als eine ſolche für die Zinſen des Holz— betriebs- und Forfteulturcapitals, in Württem- berg unter Annahme einer Nichtſchmälerung des Holzertrages durch Forſtnebennutzungen u. ſ. w. Sollen die Forſtnebennutzungen zur Grundſteuer herangezogen werden, ſo addiert man die durchſchnittlich jährlichen Gelderträge derſelben einfach zu den betreffenden Erträgen aus der Hauptnutzung. Die Bonitierung erfolgt nach der gegendüblichen Holz- und Betriebsart und Um— triebszeit. Bei derſelben ſcheidet man meiſt (mit Ausnahme von Preußen) nur zwei Be— triebsarten aus, Hoch- und Niederwald, indem man den Mittelwald mit dem Niederwalde, von dem er ſich ohnehin in der Wirklichkeit nicht ſcharf trennen läſst, zuſammenwirft und die mit Kopf- und Schneidelholzſtämmen licht beſtockten Waldweideflächen als Weiden cata— ſtriert. Auf Alter, Schluſs und Wachs der Be— ſtände ſowie auf deren Verhältnis zum Wald— ganzen bezüglich der Herſtellung eines Nach— haltbetriebes für dasſelbe darf bei der Claſſi— ficierung der einzelnen Waldtheile keine Rückſicht genommen werden. Die Bonitierung kann ſich nur auf den nachhaltigen mittleren Jahresertrag des Wald— bodens gründen, und es müſſen ſich demnach die Bonitätsclaſſen zunächſt nach dem jähr— lichen Durchſchnittsertrage abſtufen, wie er ſich aus der Diviſion des Haubarkeitsertrages normaler Beſtände beim Umtriebsalter durch die Zahl der Jahre der Umtriebszeit ergibt. Soweit Zwiſchennutzungserträge verwertbar ſind, iſt der jährliche Durchſchnittsbetrag der— ſelben dem Haubarkeitsertrage zuzuzählen. Gleiches gilt bezüglich des Stockholzertrages. Normalbeſtände und Normalerträge ſind jene, welche ſich bei den gegebenen Standorts— verhältniſſen für die fragliche Holz- und Be— triebsart bei einer mittleren, einen beſonderen Betriebsaufwand und außergewöhnliche Stö— rungen gleichmäßig vermeidenden Wirtſchafts— weiſe jetzt und für die Folge mit ziemlicher Verläſſigkeit erzielen laſſen. Die Wirkungen ſolcher ſchädigenden äußeren Einflüſſe auf die Beſchaffenheit und den Ertrag der Beſtände, 86 Forſtgrundſteuerermittlung. welche, wie z. B. Schnee- und Duftbruch, Wind, | keit aus dem Waldpreiſe wird ausſcheiden in unveränderlichen Verhältniſſen des Stand- laſſen. Es erſtrecken ſich ſolche Waldverkäufe ortes u. ſ. w. liegen, müſſen natürlich bei Feſt— ſtellung der Normalbeſtände und Erträge be— rückſichtigt werden. Es werden z. B. für Un— glücksfälle vom Normalertrage in Abzug ge— bracht in Preußen / — 7, in Württemberg für Nadelholz 25, für Laubholzhochwald 20%, in Sachſen bei Nadelholz 16, beim Laubholz— hochwald 9 und beim Niederwalde 8%. Der durchſchnittlich jährliche Materialertrag der einzelnen Bonitätsclaſſen wird dann in die gegendüblichen Sortimente (Bau- und Nutzholz, Kleinnutzholz, Scheit-, Prügel-, Reiſig- und Stockholz, Gerberrinde u. ſ. w.) zerlegt und für jedes derſelben ein Durchſchnittspreis ermittelt. Es wird wohl überall verlangt, daſs der Steuerwertsermittlung der Preis zugrunde ge— legt werde, den das Holz auf dem Stocke hat, d. h. der gegendübliche Holzpreis, nach Abzug der Hauerlöhne und der Transportkoſten, wenn das Holz behufs der Verwertung aus dem Walde geſchafft werden muj3. Die Forſtſervituten, welche eine Theilung des Waldertrages zwiſchen dem Walbdbeſitzer und dem Berechtigten bedingen, unterliegen wie die Reallaſten der Beſteuerung, und nur dann, wenn eine Waldnutzung bei der Steuer— wertsermittlung außer Anſatz bleibt, mujs natürlich der zu ſolcher Mitberechtigte von der Grundſteuerzahlung befreit bleiben. Es dürfen deshalb dort, wo man die Forſtnebennutzungen außer Acht läſst, auch die auf ſolche bezüg— lichen Forſtſervituten, wie z. B. die Gras-, Weide- und Streuferbituten, nicht zur Be— ſteuerung gezogen werden. Die jährlichen Materialerträge der Servi— tuten, multipliciert mit den Preiſen der Maß— einheit, geben, nach Abzug etwaiger Gegen— reichniſſe des Berechtigten, den Geldertrag der— ſelben. Bezüglich dieſer Ertragsberechnung vgl. man übrigens auch Forſtſervitutenablö— ſungs verfahren. Nach dieſen Feſtſtellungen hat die Ermitt— lung des Rohertrages der für die Wal— dungen ausgeſchiedenen Bonitätsclaſſen und die Einreihung derſelben in die allgemeinen Claſſen des Steuerbezirkes, bezw. des ganzen Landes keine Schwierigkeiten. Die Pachtrente, welche ſchon bei land— wirtſchaftlichen Grundſtücken nicht als aus— ſchließlicher Maßſtab der Steueranlage gelten kann, muss als ganz unbrauchbar für die Be— ſteuerung der Waldungen bezeichnet werden, aus dem einfachen Grunde, weil Waldungen nicht zur Verpachtung kommen und deshalb auch von einer Pachtrente für ſolche keine Rede ſein kann. Auch die Steueranlage nach den Preiſen der Grundſtücke findet in der Regel bei Wal— dungen keine Anwendung, weil Waldverkäufe verhältnißmäßig ſelten vorkommen und von den hiebei erzielten Erlöſen ſich kein Schluss auf den Wert des Bodens, bezw. auf die Grundrente machen läſst, da der Wertbetrag der mit in den Kauf gegebenen Materialvor— räthe ſich faſt nie mit hinlänglicher Verläſſig— auch häufig auf eine Anzahl von Cataſter— objecten, auf die ſich dann der Geſammtpreis nicht entſprechend vertheilen läſst. Man hat deshalb auch in Baden, wo im Allgemeinen die Bonitierung auf Grund der mittleren Kaufpreiſe ſtattfindet, für die Waldungen die Bonitierung nach den aus den jährlichen Waldreinerträgen ermittelten Capitalwerten vorgeſchrieben. Um für die Waldungen den jährlichen Bodenreinertrag (Boden- oder Grundrente) zu erhalten, müſſen von dem jährlichen Roh— ertrage die ſämmtlichen Jahresausgaben und die Zinſen des Geldwertes des zum Nachhalt— betriebe nöthigen Materialvorrathes in Abzug gebracht werden. Es begegnet aber bei dem Mangel entſprechender Erfahrungstafeln in den meiſten Fällen ſchon die Ermittlung des Ma— terialvorrathes unüberwindlichen Schwierig— keiten, mehr jedoch noch gilt dies von der Feſt— ſtellung des Geldwertes desſelben. Dieſelbe ſetzt nämlich voraus, daſs man imſtande iſt, ſowohl das Sortimentendetail des Materialvorrathes als auch die Preiſe der einzelnen Sortimente genau zu beſtimmen. Der Materialvorrath, welcher aus Holz vom einjährigen bis zum Haubar— keitsalter hinauf beſteht, bietet natürlich ganz andere Sortimente dar, als der Materialanfall in haubarem Holze, und es iſt deshalb dort, wo nur Holz vom Alter des Umtriebes abſetzbar iſt, ganz unmöglich, für den Theil des Material- vorrathes, welcher den jüngeren Altersclaſſen angehört, den Geldwert zu beſtimmen. Allein aber auch dann, wenn der ganze Material- vorrath ſofort verwertbar iſt, erſcheint es, bei größeren Complexen wenigſtens, unmöglich, von den bisherigen Holzpreiſen nur einiger— maßen verläſſige Schlüſſe auf die Preiſe zu machen, die man bei Verkauf des Materialvor— rathes infolge des hiedurch im Verhältnis der Höhe des Umtriebes (bei Buchenhochwaldungen im 120jährigen Umtriebe mehr als Höfach) vermehrten Angebotes zu erwarten hat. Laſſen ſich aber Materialvorrath, Sortimentendetail und Preiſe desſelben nicht ermitteln, dann fehlt auch die Möglichkeit, die Zinſen des zum Nachhaltbetriebe nöthigen Materialgeldcapitals und ſomit auch die Bodenrente aus dem jähr— lichen Rohertrage des Waldes zu ermitteln. Auch die Beſtimmung der Bodenrente nach dem Bodenrentierungs- und Bodenerwar- tungswerte führt nicht zum Ziele, da die betreffenden Formeln auf die unrichtige Vor— ausſetzung gegründet find, daſs die Bodenrente eine gleichbleibende iſt und ſich zu vollen Zin— ſeszinſen anlegen läſst. Wäre es aber auch möglich, die Bodenrente mit entſprechender Ge— nauigkeit zu ermitteln, jo müſste doch wieder die Rente des Materialgeldcapitals beſonders beſteuert werden, und man hat es daher mit Recht überall vorgezogen, beide Steuern in der Beſteuerung des Waldreinertrages (Wald— rente) zu vereinigen. Man bringt deshalb von dem jährlichen Geldrohertrage nur die jähr— lichen Verwaltungsausgaben in Abzug, am einfachſten in Procenten des jährlichen Geld— Forſthafer. — Forſthoheit. 87 rohertrages oder nach einem Durchſchnitte für die Flächeneinheit. Da die jährlichen Verwaltungsausgaben im Verhältnis zum Rohertrage den anderen Culturarten (etwa die Weide ausgenommen) gegenüber bei der Forſtwirtſchaft am geringſten ſind, ſo erſcheint dieſe als diejenige Art der Bodenbenützung, bei welcher die Reſultate der Beſteuerung nach dem Rohertrage jenen der Steueranlage nach dem Reinertrage verhältnis— mäßig am nächſten kommen. Da der Grundſteuerermittlung nur Durch— ſchnittserträge bei mittlerem Betriebsaufwande zu grunde liegen, jo muſßs der jährliche Rein— ertrag der Grundſtücke ſchon hiedurch, mehr aber noch infolge der Vermögensverhältniſſe (Schulden, Mangel an Betriebscapital) und größeren oder geringeren Arbeitsleiſtung der Beſitzer im Vergleich mit deren Steuerwerte ein ſehr verſchiedener ſein. Bei Waldungen kommt hiezu insbeſondere noch, dajs für eine Blöße die gleiche Steuer zu entrichten iſt, wie für die mit dem Normalvorrathe verſehene Fläche. Die hiedurch entſtehenden Ungleichheiten in der Grundbeſteuerung werden jedoch ausge— glichen, wenn man, wie z. B. in Preußen, Sachſen und Sachſen-Weimar, den Grundbe— ſitzer neben der Grundſteuer noch mit einer Ein— kommenſteuer (ſ. d.) belegt, welche ſich auf den durchſchnittlichen Reinertrag der Grundſtücke (einſchließlich des perſönlichen Arbeits verdienſtes des Beſitzers) in den letzten (3. B. drei) Jahren ſtützt. Man vgl. übrigens J. Albert, Lehrbuch der Forſtgrundſteuerermittlung, Wien 1866. At. Jorſthafer war eine der Naturalabgaben, welche in früherer Zeit an Stelle der Geld— zahlung für den Bezug der Waldnutzungen entrichtet werden muſste. An manchen Orten wurde der Forſthafer ſchon ziemlich früh— zeitig bei der Entwicklung der Geldwirtſchaft in Geld umgewandelt, nicht ſelten hat ſich aber dieſe ältere Form der Bezahlung trotz des ver— änderten Wertes der Forſtproducte in der alten Weiſe noch lange, ſelbſt bis in das XIX. Jahr- hundert, erhalten, jedoch faſt überall den Cha— rakter einer Gegenleiſtung für einen Forſtrechts— bezug angenommen. In anderer Form findet ſich der Forſt— hafer (Lovzhaber) im öſtlichen Deutſchland, wo nach polniſchem Recht die Bauern verpflichtet waren, die fürſtlichen Jäger und Vogelſteller, ferner die Hundewärter und Jagdhunde in ihre Wohnungen aufzunehmen, ihnen Lebensmittel zu reichen, Vorſpann zu geben und hilfreiche Hand bei der Jagd zu leiſten. Dieſe Laſt, Psare, welche ſo ziemlich der deutſchen Atzungspflicht entſpricht, wurde ſpäter bisweilen in eine Ge— treideabgabe verwandelt. Nicolaus von Ratibor befreite 1737 das Jungfrauenſtift daſelbſt: a servitiali annona, id est avena venatorum, quae Theutonico eloquio Loozhaber appellatur cum censu silvatico. Schw. Forſthoheit, Geſchichte derſelben. Schon zu Anfang des X. Jahrhunderts hatten die Inhaber von Bannforſten nicht nur die ausſchließliche Ausübung der Jagd in denſelben, ſondern auch das Recht in Anſpruch genommen, andere Nutzungen, namentlich die Maſt und das Anlegen von Neubrüchen zu verbieten, ſowie Zuwiderhandelnde zu beſtrafen, wie eine Ur— kunde Kaiſers Ludwig d. K. vom Jahre 911 recht deutlich beweist, in welcher es heißt: Ju— bemus, ut nulla persona in illa propria marcha predieti monasterii .. parte foresti. erga Setzzin et Affintal sine consensu et uoluntate Odalfridi prescripti pontifieis. sue— cessorumque ejus in silvis majoribus vel minoribus porcos saginare, feras silvaticas venare. arbores abseindere aut ullam injuriam facere. sed haec utilitas atque potestas Eich- statensis aecclesiae praesuli sibique subjectis in elemosinam nostram aeternaliter sit con- cessum. Mon, Germ. Urkunden deutſcher Kaiſer und Könige, p. 33, no. 36 (ſ. a. „Bannforſt“). Verſchiedene Urkunden aus dem XI. und XII. Jahrhundert zeigen, wie weit ſich die Anſprüche der Bannherren in kurzer Zeit geſteigert hatten, und daſs namentlich Rodungen nur mit Zu— ſtimmung des Bannherrn angelegt werden durften. In erſterer Richtung iſt beſonders eine Urkunde vom Jahre 1101 bemerkenswert, durch welche der Erzbiſchof Egilbert von Trier einen Wald des Kloſters St. Irmin mit folgenden Worten aus dem Forſtbann entließ: .. jJuxta villam, que dicitur Casella silvam unam s. Marie quidem propriam sed nostro forestario, ut dicebatur, juri obnoxiam. ab hac forestali lege deinceps liberam facio et absolutam. ut nullus legatus publicus vel magister fo- restarius eam invadere presumat. sed quic- quid commodi vel servitii vel utilitatis inde haberi potest. sive medena. sive quicunque usus inde proveniat. omnino in ecclesie uti- litate. dispositione et potestate consistat. Für die Nothwendigkeit der Einholung der Rodungs— erlaubnis in Bannforſten ſpricht u. a. eine Urkunde des Herzogs Adolf von Berg vom Jahre 1202 für den Abt von Heiſterbach: Cum enim idem monasterium possideret silvam curti sue que vocatur Bürge adjacentem et attinentem, venerabilis abbas Geuardus pater ipsius monasterii cum fratribus suis preces nobis porrexit, ut liceret eis eandem silvam ineidere et in sartum culte terre redigere, quod fieri sine nostra permissione nequaquam lieuit, cum bannum ferarum ipsius silve ad nos pertinere dinosceretur. Nos itaque tacti zelo domus dei piis postulacionibus preno- minati abbatis et fratrum satisfieri dignum et justum percensuimus, silvam incidi con- cessimus, sartum fieri annuimus. Bei der großen Ausdehnung, welche die Bannforſte in der Zeit vom X. bis XIII. Jahr- hundert erhielten, wurden die Rechte, welche als ein Ausfluss derſelben erſchienen, entweder ſtillſchweigend als mit denſelben verbunden be— trachtet oder auch öfters bei der Verleihung nochmals als bannus silvarum, appendicium foresti, wiltbannus beſonders hervorgehoben. Da die Inhaber von Bannforſten zum weitaus größeren Theil im Laufe der Zeit die Landesherrlichkeit erlangten, ſo war durch dieſe bereits ein Rechtsgrund gegeben, aus welchem die Territorialherren die Forſtwirtſchaft ihrer Unterthanen beeinfluſſen konnten. Dieſe Ein— 88 Forſthoheit. wirkung ſteigerte ſich in dem Maß, als die Landesherren gegen das Ende des Mittelalters immer mehr Waldungen ihrem Banne zu unter— werfen wuſsten und mit der ſchärferen Aus— prägung der Landeshoheit ſowohl die mit dem Bannforſt verbundenen Rechte erweiterten, als auch ihr jagdliches Intereſſe durch die eigene Machtvollkommenheit in kräftiger Weiſe zu ſchützen in der Lage waren. Ein weiteres für die Ausbildung der Forſt— hoheit ſehr bedeutungsvolles Moment lag in der Vereinigung von Obermärkerſchaft und Landeshoheit. In den letzten Jahrhunderten des Mittel— alters führten verſchiedene Gründe dazu, dajs die Landesherren gleichzeitig Obermärker in den Allemendwaldungen ihres Gebietes wurden, ſei es dadurch, dass die früheren Schutzherren der Marken die Landesherrlichkeit erlangten, oder daſs die Landesherren die Beaufſichtigung der Markwaldungen als ein Hoheitsrecht für ſich in Anſpruch nahmen. Da gleichzeitig die Auto— nomie der Markgenoſſenſchaften immer mehr erloſch und an Stelle derſelben die landes— herrlichen Verordnungen traten, ſo hatten die Fürſten nun noch einen weiteren Grund für die Beſchränkung des Waldeigenthumes und der Forſtwirtſchaft. Gar häufig waren die Markwaldungen gleichzeitig auch Theile der landesherrlichen Bannforſte. Endlich übten die Landesherren ſchon von jeher ein beſonderes Anfſichtsrecht über die Ver— waltung einzelner Claſſen ihrer Unterthanen, namentlich über die Klöſter. Hier erſcheint denn auch ſchon ziemlich frühzeitig eine vom Wild— bann unabhängige Einwirkung auf die Wal— dungen. Herzog Heinrich von Bayern unter— ſagte z. B. bereits 1318 unberechtigte Fällungen in den Waldungen des Frauenkloſters zu Lands— hut bei einer Strafe von 2 Pfund Pfennigen (wan wir das frawenchloster ze Lantzhot gern türdern und schirmen wellen, als unser vor— dern habent getan, haben wir aller der hay- hoitzer, der zu demselben chloster gehören swan si in unserm lande ligent, en pan ge- legt bei zwain pfunden Regenspurg. pfening. und wellen und gebieten ev bei unsern hulden daz ewer jglicher in seinem gerichte und gepiet der selben höltzer also verbiet und der puzze von in nem die ez uber unser gebot abslugen). Das Reſultat dieſer Entwicklung war be— reits am Ende des Mittelalters, daſs die Landesherren auf den weitaus größten Theil der Waldungen ihres Gebietes theils aus privatrechtlichen, theils aus ſtaatsrechtlichen Titeln einen bald mehr, bald minder weit— gehenden Einfluſs ausübten, welchen man als Forſthoheit bezeichnet. Am ſchärfſten und früheſten war dieſelbe in Südweſtdeutſchland ausgebildet, wo z. B. in Naſſau bereits 1489 jährlich ein- bis zweimal durch die Amtleute mit Zuziehung der Schultheißen, Waldförſter und Landknechte Waldbeſichtigungen ſtattfinden ſollten, um zu überwachen, dass die Hegen und Schläge zur gehörigen Zeit aufgethan und die Waldungen im guten Stande gehalten würden. Von der Forſthoheit hatten ſich damals und meiſt auch in den folgenden Jahrhunderten nur die beſonders bevorrechteten Unterthanen, der hohe Adel, frei zu halten gewuſst, da deſſen Waldungen nur ſelten einem landesherrlichen Wildbann angehörten, ſondern dieſe meiſt ſelbſt Bannforſte beſaßen und auch die Landesherren bei den Verſuchen, kraft ihrer Hoheitsrechte gegen den Adel vorzugehen, häufig auf erfolgreichen Widerſtand ſtießen. In den folgenden Jahrhunderten verſchärfte ſich der landesherrliche Einfluſs auf die Forſte aus verſchiedenen Gründen ungemein, und er— reichte die Forſthoheit ihren Gipfelpunkt am Ende des XVIII. Jahrhunderts, wo vielfach der Waldeigenthümer keinen Baum ohne An- weiſung des herrſchaftlichen Forſtbedienſteten fällen, keinen Holzverkauf ohne Erlaubnis des Amtmannes vornehmen durfte, und wo vielfach ſogar zur Anlage von Hopfengärten wegen des hiebei erforderlichen Holzes eine beſondere Ge— nehmigung nothwendig war. In erſter Linie kommt hiefür die voll— kommene Ausbildung der Landeshoheit ſeit dem XVI. Jahrhundert in Betracht, welche auch die rechtliche Befugnis zu einer Oberauf— ſicht über ſämmtliche Waldungen in ſich ſchließt, außerdem dauerten auch die Wirkungen der Vereinigung von Obermärkerſchaft und Landesherrlichkeit, des ausgedehnten landesherrlichen Waldbeſitzes und des geringen Umfanges des bäuerlichen Pri— vatwaldbeſitzes noch fort. Neu kamen im XVII. und beſonders im XVIII. Jahrhundert noch hinzu die mercan- tiliſtiſche Richtung der Wirtſchafts— politik und der Abſolutismus in der Regierung, welche die geſammte Wirtſchafts— pflege in der Hand des Staates vereinigen und durch Polizeimaßregeln leiten wollten. Wenn hiedurch auch manche unrichtige und uns bisweilen ſogar geradezu abenteuerlich er— ſcheinende Schritte veranlaſst wurden, ſo darf doch auch nicht überſehen werden, daſs bei der Lage der forſtlichen Verhältniſſe, beſonders ſeit dem 30jährigen Krieg, wo der genoſſenſchaft— liche Sinn der Bauern erloſchen war, die Wal— dungen vielfach devaſtiert wurden, Weide- und Streunutzung eine gefahrdrohende Ausdehnung erlangten, ungenügende forſtliche Technik und mangelhafte Transportanſtalten dem ſteigenden Holzbedarf nicht zu entſprechen vermochten, das Eingreifen der Staatsgewalt bis zu einem ge— wiſſen Grad ein Act der Nothwendigkeit war. Auch die Juriſten haben ihren guten Theil zur Ausbildung der Forſthoheit beige— tragen, indem ſie ein allgemeines Landeseigen— thum der Fürſten behaupteten, Lehren des rö— miſchen Rechtes, beſonders hinſichtlich der den Vortheil des Fiscus betreffenden Vorſchriften einmiſchten und die Anſichten vom öffenlichen Wohl in der übermäßigſten Weiſe ausdehnten. Die extremſten Forderungen, welche in der Praxis niemals volle Verwirklichung gefunden haben, ſind in den juriſtiſchen Abhandlungen dieſer Periode zu finden. Die Forſthoheit war keineswegs zu gleicher Zeit ſtets in ganz Deutſchland gleichmäßig ent— wickelt, ſondern entſprach im weſentlichen der Forſtingenieur. — Forſtinſecten. geſammten Lage der wirtſchaftlichen Verhält— niſſe. Je vorgeſchrittener die Cultur überhaupt, je dichter die Bevölkerung und je ſtärker daher das Bedürfnis nach den Producten des immer mehr zurückgedrängten Waldes, deſto nothwen— diger war auch ein Eingreifen zum Schutz des letzteren. Im Süden und Weſten von Deutſch— land war deshalb die Forſthoheit ſtets jeweils am intenſivſten ausgeprägt, während der Norden und Oſten um faſt 200 Jahre zurückſtand, aber der Entwicklungsgang war hier der gleiche wie dort, nur entſprechend verzögert, bis der gewaltſame Umſchwung im geſammten Staats— und Wirtſchaftsleben des deutſchen Volkes zu Anfang des XIX. Jahrhunderts auch auf dieſem Gebiete gewaltſam eingriff. Die Forſthoheit oder „forſtliche Obrig— keit“, auch einfach „Forſt“ genannt, wurde im XVII. und XVIII. Jahrhundert allgemein zu den Regalien gezählt und war nach der üblichen Definition eine öffentliche Macht, wegen der Forſte, Jagden und Wälder etwas zu ge— bieten und zu verbieten, über die Forſt- und Jagdſtreitigkeiten zu erkennen, die Übertreter zu beſtrafen und allen Nutzen aus dem Forſt zu genießen. Als ein „totum integrale“ enthielt die forſtliche Obrigkeit 1. den Wildbann und 2. das Forſtrecht oder die Waldgerechtig— keit, Forſtgerechtigkeit. Wer die forſtliche Obrig— keit beſaß, hatte zugleich auch den Wildbann, nicht aber umgekehrt. Das Forſtrecht wurde ſelbſt wieder in ein höheres und ein niederes eingetheilt. Das höhere Forſtrecht umfaſste namentlich die landespolizeiliche Überwachung der ge— ſammten Forſtwirtſchaft ſowie die Befugnis zum Erlass von Forſtordnungen und konnte nur vom Landesherrn geübt werden. Das niedere Forſtrecht ſchloſs die Berechtigung zur Aufſicht über forſtmäßige Waldbenützung nach Maßgabe der Forſtordnungen ſowie die Forſt— gerichtsbarkeit in ſich und konnte auch land— ſäſſigen Adeligen, Prälaten und Landſtädten zuſtehen. Die Bezeichnungen „Forſtrecht, Forſtge— rechtigkeit, Forſtherrlichkeit ꝛc.“ wurden von den Autoren keineswegs ſtets im gleichen Sinn gebraucht, wodurch viele Mißverſtändniſſe ent— ſtanden. In der Praxis wurde die Forſthoheit ſtets als ein ſog. höheres Regal aufgefaſst, nie— mals als ein Eigenthums- und Nutzungsan— ſpruch des Landesherrn an ſämmtliche Wal— dungen, welcher allerdings öfters von den Ju— riſten vertreten wurde. Höchitens nahmen die Landesherren im Intereſſe des Bergbaues und Salinenbetriebes ein Vorkaufsrecht in Anſpruch. Die auf Grund der Forjthoheit ergangenen Beſtimmungen galten, ſoweit nichts anderes ausdrücklich bemerkt iſt, für alle Waldungen ohne Rückſicht auf den Beſitzſtand. Dieſelben ſind vielfach zerſtreut und finden ſich in Land— tagsabſchieden, Landesordnungen, häufiger noch in Polizeiordnungen. Am umfaſſendſten und zahlreichſten find jedoch die ausschließlich forſt— liche oder forſtliche und jagdliche Verhältniſſe betreffenden Forſtordnungen (ſ. d.). Seit dem 89 XVII. Jahrhundert erſchienen auch häufig Spe— cialverordnungen über einzelne Gegenſtände des Forſt- und Jagdweſens. Die Forſtordnungen wurden gewöhnlich jährlich einmal oder zweimal publiciert, damit ſich niemand mit Unwiſſenheit entſchuldigen könne, u. zw. geſchah das Verleſen entweder von der Kanzel oder auf dem Rathhaus. Unter dem Einfluſs der großartigen Ver— änderungen der ſtaatsrechtlichen und volkswirt— ſchaftlichen Anſchauungen zu Beginn des XIX. Jahrhunderts hat in der neueſten Zeit das Weſen und der Begriff der „Forſthoheit“ be— deutende Veränderungen erfahren. Zunächſt erfolgte die Trennung des jagd— lichen und forſtlichen Gebietes, hinſichtlich des erſteren wird auf den Artikel „Jagdregal“ ver— wieſen. Aber auch die Forſthoheit oder das „Forſt— recht“ im engeren Sinn, wie ſie von den Ju— riſten des XVIII. Jahrhunderts aufgefaſst wurde, iſt der Gegenwart fremd geworden. Der Staat übt zwar auch jetzt noch die Überwachung und Pflege der geſammten Forſt— wirtſchaft, allein das moderne Staatsrecht kennt keine beſondere „Forſthoheit“ mehr, ſondern betrachtet die bezüglichen Handlungen als einen Ausfluſs, theils der Verwaltungshoheit, theils der Polizeihoheit. Erſteres iſt dann der Fall, wenn Schutz und Förderung der Forſt— wirtſchaft ohne Eingriff in eine fremde Rechts— ſphäre in Frage kommt, letzteres dann, wenn die Verwirklichung der ſtaatlichen Intereſſen nur durch eine Einſchränkung der Privatrechts— ſphäre erreicht werden kann. Die Befugnis zum Erlajs der diesbezüg— lichen Beſtimmungen richtet ſich nach den all— gemeinen ſtaatsrechtlichen Normen über die Zu— läſſigkeit von Regierungsverordnungen oder über die Nothwendigkeit, die betreffenden Fragen auf dem Weg der Geſetzgebung zu. löſen. Das jog. niedere Forſtregal iſt gegenwärtig ganz in Wegfall gekommen, indem ſowohl das Recht der Beaufſichtigung der Forſtwirtſchaft, als auch die Forſtgerichtsbarkeit ſtaatliche Ho— heitsrechte ſind, welche von Privaten nicht mehr geübt werden können. (Vgl. a. Forſtgeſetz und Regal.) Schw. Jorſtingenieur, Forſteonducteur, iſt der Titel derjenigen Beamten, welche vornehm— lich mit Forſteinrichtungsarbeiten beſchäftigt werden. Beſonders gebräuchlich iſt dieſer Titel in Oſterreich und Sachſen. Nr. Jorſtinſecten: alle, die Entwicklung der Forſtculturgewächſe beeinfluſſenden Kerfe. Dieſer Einfluſs kann ein zweifacher ſein: ein directer, inſofern eine größere Anzahl von Inſecten rückſichtlich ihrer Entwicklung auf unſere Wald— bäume angewieſen iſt und denſelben, als ihren eigentlichen Nahrungsquellen, mehr oder minder empfindliche Verletzungen zufügt, ſie mithin ſchädiget: Schädliche Forſtinſecten; — oder dieſer Einfluſs iſt ein indirecter, wenn es ſich um Juſecten handelt, welche nur auf Koſten anderer Claſſenverwandter ihre Entwicklung finden, daher ein natürliches Gegengewicht der Ausbreitung und Vermehrung eben dieſer Arten bilden und welche, inſofern auch ſchäd— 90 liche Forſtinſecten dadurch betroffen und ver— nichtet werden, ſich für den Forſtbetrieb als nützlich erweiſen: Nützliche Forſtinſeeten. Zwiſchen dieſen beiden Gruppen ſchiebt ſich eine dritte Gruppe als die weitaus artenreichſte ein. Ihr gehört die ungleich größte Zahl der im Walde lebenden Kerfe an, deren einzelne Arten weder einen namhaften Nutzen noch einen Schaden für denſelben bringen, daher für die Forſtwirtſchaft eigentlich gleichgiltig ſein können: Gleichgiltige Forſtinſeeten. Nach dem Grade der Schädlichkeit theilt man (nach Ratzeburg's Vorgang) die ſchädlichen Forſt— inſecten ein in ſehr ſchädliche, ſchädliche, minder ſchädliche und kaum ſchädliche Arten; und rückſichtlich der Holzarten in Na— del- und Laubholz-Inſecten, u. zw. getrennt nach Baumarten und Baum alter (Alt- und Jungbeſtands-[Cultur-] Verderber). Bezüglich der Baum-, reſp. Pflanzentheile unterſcheidet man: Wurzel- und Stammzerſtörer; und in letzter Hinſicht noch weiter zwiſchen: Holz-, Rinde-⸗, Blatt-, Blüten-, Knoſpen⸗„Trieb⸗ und Frucht- (Samen-) Zerſtörer. Die nüß- lichen Forſtinſecten zerfallen auf Grund ihrer Angriffsweiſe in Raub- und Schmarotzer— injecten. Literatur: Ratzeburg, Dr. J. Th. Chr. Die Forſtinſecten ꝛc., 3 Theile. Berlin, I. Theil 1837, 2. Aufl. 1839; II. Theil 1840; III. Theil 1844. Derſelbe. Die Ichneumonen der Forſt— injecten 2c., 3 Bände. Daſ. I. Bd. 1844; II. Bd. 1844; III. Bd. 1852. Beide Werke bieten aus— gezeichnet gearbeitete Abbildungen. Derſelbe. (Vollſtändig umgearbeitet von Dr. J. F. Judeich und Dr. H. Nitſche.) Lehr— buch der Mitteleuropäiſchen ) Forſtinſecten— kunde ꝛc. (als 8. Aufl. von Ratzeburg's, Die Waldverderber und ihre Feinde) I. Abth. ** Wien 1885. Nördlinger, Dr. H. Nachträge zu Ratze— burg's Forſtinſecten. Stuttgart 1856. 2. Aufl. u. d. T.: Lebensweiſe von Forſtkerfen oder Nach— träge zu Ratzeburg's Forſtinſecten. Daſ. 1880. Derſelbe. Die kleinen Feinde der Land- wirtſchaft. Stuttgart und Augsburg 1835. 2. Aufl. Stuttgart 1869. (Enthält auch forſtl. Arten.) Derſelbe. Die Kenntnis der wichtigſten kleinen Feinde der Landwirtſchaft. Mit vielen Holzſchnitten. Stuttgart 1871. Henſchel G. Leitfaden zur Beſtimmung ſchädlicher Forſt- und Obſtbauminſecten. Wien 1861. 2. Aufl. Daſ. 1876. (Analytiſch bear- beitetes Excurſionsbuch.) Taſchenberg, Dr. E. L. Schutz der Obſt⸗ bäume und deren Früchte gegen feindliche Thiere. Im Auftrage des Deutſchen Pomologen— er bearbeitet. Stuttgart 1873. 2. Aufl. 879 Derſelbe. Forſtwirtſchaftl. Inſectenkunde. Leipzig 1874. (Mit vielen guten Holzſchnitten.) Graber, Dr. Vitus. Die Inſecten. 2 Theile. München 1877 und 1879. (Beſpricht den inneren J Sollte wohl richtiger heißen: Lehrbuch der Forſt⸗ inſectenkunde für mitteleuropäiſche Verhältniſſe. ) Die II. Abth. iſt noch nicht erfchienen. Forſtjournal. — Forſtliche Baugeſchäfte. und äußeren Bau der Inſecten und deren ver— gleichende Lebens- und Entwicklungsgeſchichte. Text mit vorzüglichen erläuternden Holzſchnitten für das Studium der allgem. Entomologie ſehr zu empfehlen.) N Taſchenberg, Dr. E L. Was da kriecht und fliegt! Bilder aus dem Inſectenleben. Berlin 1878. Becker C. Die Feinde der Obſtbäume und Gartenfrüchte. Leipzig 1878. von Binzer. Inſectenkalender. Lebens- phaſen und Freſsperioden der wichtigſten ſchäd— lichen Forſtinſecten. Berlin 1878. (Unter den Inſectenkalendarien eines der beſten.) Bejely Wilhelm. Nomenclatur der Forſt— inſecten. I. Abth. Käfer und Schmetterlinge. Olmütz 1878. II. Abth. Die Haut-, Zwei⸗, Grad-, Netz- und Halbflügler. Olmütz 1880. (Mit außerordentlichem Fleiß zuſammengeſtellt, aber zu etwa ¼ Theilen auch Nichtforſtinſecten mit einbeziehend.) Taſchenberg, Dr. E. L. Praktiſche In⸗ ſectenkunde ꝛc. 5 Theile. Bremen 1879 und 1880. (Mit über 300 meiſt vorzüglichen, in den Text gedruckten Holzſchnitten; berückſichtigt die Be— dürfniſſe des Forſt- und Landwirtes, ſowie Gärtners in gleicher Weiſe. Sehr zu empfehlen.) von Binzer. Schädliche und nützliche Forſtinſecten. Berlin 180. Schmidt-Göbel, Dr. H. M. Die ſchäd⸗ lichen und nützlichen Inſecten in Forſt, Feld und Garten. I. Abth. Die ſchädlichen Forit- inſecten. Mit 6 Foliotafeln in Farbendruck und 9 Abbildungen im Texte. Wien 1881. Supple⸗ ment: Die nützlichen Inſecten. Mit 2 Folio⸗ tafeln in Farbendruck und einer Abbildung im Texte. (Text ſehr mangelhaft; Tabellen wenig gelungene, nicht ſelten mißlungene Reproduc- tionen der künſtleriſch vollendeten Ratzeburg— ſchen Abbildungen.) 3 Taſchenberg, Dr. E. L. Die Inſecten nach ihrem Schaden und Nutzen. Mit 70 Ab- bildungen. Leipzig 1882. Bildet den 4. Bd. der von G. Freytag herausgegebenen Univerſal⸗ bibliothek „Das Wiſſen der Gegenwart“. Judeich, Dr. J. F. und Nitſche, Dr. H., vgl. Ratzeburg. Die allgemein forſtzoologiſchen Werke, ſ. Forſtzoologie. ſchl. Jorſtjournal, ſ. Forſtſchutz. Met. Forftkarfen nennt man die bildlichen Darſtellungen eines Waldes, welche für deſſen Forſteinrichtung, Bewirtſchaftung und Grenz- ſicherung einen Anhalt bieten. Hiebei ſind fol— gende Arten zu unterſcheiden: Specialkarten, Beſtandskarten, Terrainkarten, Bodenkarten, Hiebszugskarten, Netzkarten (ſ. d.). Als Unter⸗ lagen zu den Karten dienen die Vermeſſungs— manuale, und wo Meſstiſchaufnahmen ſtatt⸗ finden (wie in Sachſen), die Menſelblätter. Die verſchiedenen Länder haben abweichende Karten— ſyſteme. Es unterliegt keinem Zweifel, dajs Oſterreich und Sachſen das ausgebildetſte und zweckentſprechendſte Kartenſyſtem beſitzen. Nr. Jorſtliche Vaugeſchäfte (Deutſchland) beſtehen in der Herſtellung und Unterhaltung von Wegen und anderen Holztransportanſtalten, Bauten zur Fluſscorrection und zum Uferſchutze, Forſtliche Rechtsvertretung. — Forſtmeiſter. Bes und Entwäſſerungsanlagen und Hochbauten für die verſchiedenen Zwecke der Forſtverwal— tung. Dieſelben gehören demnach dem In— genieur-, dem Culturingenieur-(Cultur⸗-, Meliorations- oder Wieſenbautechnik) und dem Hochbaufache an. Bei den deutſchen Staatsforſtverwaltungen beſtellt man, mit Ausnahme von Württemberg, für alle dieſe Bauten keine eigenen Techniker, ſondern überträgt die leichteren derartigen Arbeiten dem Revierverwalter, die ſchwierigeren aber den Beamten der allgemeinen Staatsbau— verwaltung. Die Herſtellung und Unterhaltung von Waldſtraßen, ſowie die Vornahme kleiner Cor— rections- und Uferſchutzbauten an den im Walde befindlichen Privatgewäſſern zählt man all— gemein zu den Obliegenheiten des Revierver— walters, der bei der Ausführung dieſer Arbeiten am beſten das Intereſſe der Forſtverwaltung zu wahren vermag und zur Erlangung der nöthigen Kenntniſſe auf unſeeren Forſtlehr— anſtalten hinlänglich Gelegenheit findet. Ebenſo gehören kleine Be- und Entwäſſerungsanlagen zum Geſchäftskreiſe des Revierverwalters, wäh— rend größere derartige Unternehmungen, ins— beſondere aber der Kunſtbau auf ausgedehnteren Wieſenflächen, im Intereſſe einer ſachgemäßen Ausführung am beſten einem Culturtechniker überwieſen werden. Bei Herſtellung von Hoch— bauten für die Forſtverwaltung beſchränkt ſich die Thätigkeit des Revierverwalters in der Regel auf den Vorſchlag und die Controle der Ausführung derſelben. Neben ſeinen eigentlichen Berufsgeſchäften und vielfach auf Koſten derſelben hat demnach der Revierverwalter auch die Function eines Forſtingenieurs, und es dürfte deshalb gewiſs im Intereſſe einer ſachverſtändigen und einheitlichen Geſchäftsführung liegen, in größeren Waldcomplexen für die fraglichen Arbeiten einen eigenen Forſtbeamten (Forſtingenieur) aufzu— ſtellen, welcher die Aufträge der einzelnen Re— vierverwaltungen zu vollziehen hat. Es ſchließt dies natürlich nicht aus, daſs der Forſtingenieur bei der Projectierung der Bauten mit ſeinem Gutachten gehört und bei der Ausführung ſelbſt durch das Verwaltungs- und Schutzperſonale unterſtützt wird. Mit einer ſolchen Arbeitsthei— lung wurde jedoch der Anfang bis jetzt erſt in Württemberg gemacht, wo bei der königlichen Forſtdirection ein forſtbautechniſches Bureau beſteht, und bei den Forſtämtern Forſtbau— techniker verwendet werden, welche unſtändig angeſtellt und mit vierteljähriger Kündigung entlajsbar ſind. Dieſelben beſorgen die Waſſer— und Weguenbauten, während die Wegunter— haltung ausſchließlich Aufgabe der Revierförſter iſt. Einzelne weniger bedeutende Wegneubauten werden jedoch auch den Revierförſtern über— laſſen. Für eine Waldfläche von beiläufig 25 000 ha war durchſchnittlich ein Forſtbau— techniker aufzuſtellen. Dieſelben werden außer— dem noch mit Höhenaufnahmen, mit generellen Nivellements zum Zwecke des Entwerfens von Wegnetzen für kleinere Waldcomplexe, mit der Prüfung von Forderungen Bauholzberechtigter — — ͤꝗ—ä ͤ — ! — ——2᷑—9 xk 5˙⅛˙2 Q ̃ —xsß̃ Z ůͤůͤ ͤ —ͤꝛͤꝛ—ßK5—X—⁶z!ñ ĩ˙ —..xůͤ ——ßX«ßX—ö 9 u. ſ. w., endlich auch mit Vermeſſungsarbeiten für Wirtſchaftseinrichtungen beſchäftigt. Man vgl. auch J. Albert, Lehrbuch der Forſtverwaltung, München 1883. At. Jorſtliche Nechtsvertretung (Deutſch— land) iſt die Wahrung der Rechte des Wald— beſitzers vor den Staatsbehörden. Bei den deutſchen Staatsforſtverwaltungen iſt die Rechtsvertretung vor den Behörden der inneren und der Finanzverwaltung zu— nächſt Sache der betreffenden äußeren Organe, der Caſſen-, Bau- und äußeren Forſtverwal— tungsbehörden, in zweiter Linie der höheren Stellen nach Maßgabe der Landesgeſetze und Dienſtinſtructionen. In Sachen der nicht ſtreitigen (frei- willigen) Gerichtsbarkeit, insbeſondere bei Protokollierung von Verträgen über Grundeigen— thum und auf ſolches bezügliche Rechte, beſtimmt die höhere Stelle den Vertreter des Fiscus, u. zw. entweder ihren Referenten für Rechts— ſachen (Fiscalrath, Juſtitiar), oder in minder wichtigen Fällen den einſchlägigen äußeren Beamten. Da nach der deutſchen Civilproceſsordnung vom 30. Januar 1877 die Parteien vor dem Amtsgerichte den Rechtsſtreit ſelbſt oder durch jede procejsfähige Perſon als Bevollmächtigten führen dürfen, ſo kann in zur Competenz des Einzelrichters gehörigen Civilrechtsſtreitig— keiten die höhere Stelle die Proceſsführung ihrem Fiscalrathe oder dem Vorſtande der zu— nächſt betheiligten äußeren Behörde, in Preußen 3. B. auch dem Oberförſter, übertragen. Vor den Landgerichten und vor allen Gerichten höherer Inſtanz müſſen ſich dagegen die Parteien durch einen bei dem Proceſsgerichte zugelaſſenen Rechts— anwalt als Bevollmächtigten vertreten laſſen (Anwaltsproceſs). Der Bevollmächtigte hat die Bevollmächtigung durch eine ſchriftliche Voll— macht nachzuweiſen und dieſe zu den Gerichts— acten abzugeben. Dies gilt auch für den Fiscus, der proceſſuale Privilegien nicht mehr beſitzt, und es beſteht demnach die Aufgabe der Fiscal— räthe bei den höheren Stellen hier nur in der Information des für einen Proceſs beſtellten Rechtsanwaltes, zu welcher auch die äußeren Behörden vielfach das nöthige Materiale zu liefern haben. Dem bei den Forſtſtrafgerichten als Staatsanwalt beſtellten Staatsforſtbeamten (f. Forſtſtrafproceſs) liegt die Wahrung der In— tereſſen der Waldbeſitzer bezüglich des Wert— und Schadenerſatzes ob, weshalb dieſelben auch, mit Ausnahme von Württemberg (früher auch Baden), von der Abhaltung der Forſtſtraf— gerichtsſitzungen nicht in Kenntnis geſetzt werden. Eine Vertretung der Staatsforſtverwaltung vor den Strafgerichten kommt nicht vor, da wohl die Organe der juriſtiſchen Perſonen, nicht aber dieſe ſelbſt ſtrafrechtliche Reate begehen können. Denjelben kann aus Amtshandlungen ihrer Beamten im ſchlimmſten Falle nur eine civilrechtliche Haftung entſtehen. Man vgl. auch J. Albert, Lehrbuch der Forſtverwaltung, München 1883. At. Forftmeifter. Schon die Bezeichnung als „Meiſter“ (früher „Waldmeiſter“) beſagt, dajs 92 die dieſen Titel führende Perſon eine ſelbſtän— dige oder leitende Stellung einnehme, und ſoll dieſer Titel daher auch nur den in ſolcher Stel— lung ſtehenden Verwaltungs- oder Inſpections— beamten gegeben werden. Beim Forſtamtsſyſteme iſt der Forſtmeiſter als Vorſtand des Forſtamtes der verantwort— liche Verwalter eines größeren Forſtgebietes und zugleich der Leiter der ihm unterſtehenden Revierverwalter, er iſt hier Wirtſchafts— beamter; beim Oberförſterſyſtem dagegen iſt er Inſpectionsbeamter, da ihm hier haupt— ſächlich die Inſpeetion in den Forſtverwaltungen und außerdem zumeiſt das Referat über die Gegenſtände ſeines Inſpectionsbezirkes bei der Direction obliegt. Die Wirtſchaftsforſtmeiſter ſtehen meiſt in dem Range der höheren Localverwaltungsbe— amten, die Inſpectionsforſtmeiſter in jenem der Räthe bei Provinzialbehörden (in Oſterreich in der VII. und VIII. Rangsclaſſe, erſtere ſeit 1887 mit dem Titel „Forſtrath“, in Preußen im Range der Regierungsräthe). In Bayern wird ſeit der Einführung ſelbſtändiger Forſt— verwaltungen (1884) den meiſten Forſtverwal— tern der Titel „Forſtmeiſter“ verliehen. v. Gg. Forftmeteorologie, ſ. Meteorologie, forſt— liche. Gßn. Jorſtmiete bezeichnet die generelle Abgabe für die Erlaubnis während eines beſtimmten Zeitraumes (meiſt ein Jahr lang) den Anfall an gewiſſen Forſtnutzungen, namentlich Dürr— holz und Abfallholz beziehen zu dürfen (ſ. a. „Heidemiete“). Schw. Forſtordnungen (Holzordnungen, Wald— ordnungen, Forſt- und Jagdordnungen, Wild— bahn, Holz- und Kohlordnungen) waren allge— meine Landesgeſetze, welche die Benützung und Bewirtſchaftung ſämmtlicher in einem Staat vor— handenen Waldungen (meiſt auch gleichzeitig der Jagden und Fiſchereien) nach allen Beziehungen regelten. Ahnliche Beſtimmungen ſowie auch die Ausdrücke „Waldordnung“ oder „Forſtordnung“ finden ſich bereits während des Mittelalters, allein dieſe waren damals nur Eigenthumsord— nungen, d. h. Vorſchriften für die Bewirtſchaf— tung und den Schutz, welche die Landesherrn oder andere Großgrundbeſitzer für ihre eigenen Waldungen oder als Obermärker nach der Ver— drängung der markgenoſſenſchaftlichen Autonomie für einzelne Markwaldungen erließen. Eigentliche Forſthoheitsordnungen (Forſtordnungen im ſpäteren, meiſt allein gebräuchlichen Sinn), welche für alle Waldungen eines Staates ohne Rückſicht auf den Beſitzſtand Geltung hatten, ſoweit nicht ausdrücklich etwas anderes bemerkt war, konnte erſt nach der vollen Ausbildung der Landesherrlichkeit und der damit zuſammen— hängenden Entwicklung der Forſthoheit, alſo ſeit dem XVI. Jahrhundert erlaſſen werden. Die Forſtordnungen ſind theilweiſe höchſt umfangreich und umfaſſen bis in die Mitte des XVIII. Jahrhunderts überhaupt das geſammte forſtliche Wiſſen ihrer Zeit. Sie bilden daher für die Zeit vom Beginn des XVI. bis faſt zum Schluſs des XVIII. Jahrhunderts eine nicht nur ſehr reichhaltige, ſondern zugleich auch Forſtmeteorologie. — Forſtpolitik. die wichtigſte Quelle für das Studium der forſt— lichen und jagdlichen Verhältniſſe. Es iſt unrichtig, die Forſtordnungen auf fremde, u. zw. hauptſächlich franzöſiſche Vor— bilder zurückzuführen, wie dies z. B. Pfeil ge— than hat; in den Weisthümern und Wirtjchafts- ordnungen des Mittelalters lag Stoff und Rich— tung der Forſtordnungen verzeichnet, wenn auch die berühmte Ordonnanz Colbert's von 1669 nicht ohne Einfluſs auf die ſpäteren deutſchen Forſtordnungen geblieben iſt. Der Erlass der Forſtordnungen erfolgte auf Grund der landesherrlichen Gewalt, was im Eingang derſelben häufig beſonders hervor— gehoben iſt. Anfangs wurden dieſelben meiſt zuerſt mit den Ständen berathen und vereinbart, allein ſeit dem XVIII. Jahrhundert iſt davon nicht mehr die Rede. Die Zahl der Forſtordnungen iſt eine un— gemein große, da ſolche in allen den zahlreichen Territorien des heiligen römiſchen Reiches deutſcher Nation erlaſſen und oft erneuert wurden. Allerdings ſind die ſpäteren Ordnungen häufig unveränderte Abdrücke ſchon früher er— laſſener, ebenſo übernehmen auch verſchiedene Territorien häufig nicht nur größere oder klei— nere Abſchnitte, ſondern bisweilen auch faſt die ganze Verordnung von den Nachbarſtaaten. Die wichtigſten Sammlungen von Yorjt- ordnungen find: Fritschii, Corpus juris Vena- torio-forestalis, III. Theil, 2. Aufl., 1702; Müllenkampf, Sammlung der Forſt- und Jagd— ordnungen verſchiedener Länder (I. Theil, 1792, II. Theil 1796); ferner enthält das Forſtarchiv von Moſer (Ulm 1788-1796) als: Neues Forſt⸗ archiv, fortgeſetzt von Moſer und Gatterer 1796 bis 1807, zahlreiche ältere und neuere Forſt— ordnungen. : Schw. SForftpflug nennt v. Alemann in jeiner Schrift „Ueber Forſteulturweſen 1884“ den nach ihm benannten Waldpflug (j. b. Waldpflug). Gt. Jorſtpolitill. Geſchichte derſelben. Die älteſte Einwirkung der Landesherren auf die Forſtwirtſchaft war jedenfalls, auch wenn man von den kaum hieher zu rechnenden Beſtim— mungen zum Schutze der Bannforſte abſieht, durch das jagdliche Intereſſe derſelben be— dingt und äußerte ſich in Verboten der Ro— dung ſowie der Fällung einzelner für die Jagd durch den Maſtertrag wichtigen Holzarten, na— mentlich der Eiche. Das Streben nach Er— haltung des Waldes gieng ſo weit, dafs ſich die Landesherren nicht nur auf das Verbot der Ausſtockung des ſeit langer Zeit vorhan— denen Waldes beſchränkten, ſondern dasſelbe auch auf jene Grundſtücke anwandten, welche eigentlich Felder waren, und auf denen ſich nur infolge Brachliegens Holzanflug eingeſtellt hatte. Hieraus entſtanden viele Beſchwerden von ſeiten der Unterthanen, welche meiſt von Erfolg be— gleitet waren. So heißt es z. B. in der baye⸗ rischen Landesfreiheit vom Jahre 1516: Nach⸗ dem ſich die Prälaten, von Adel, Städte, Märkte und die armen Leute, ſonderlich vor dem Ge— bürge, beklagt haben, wo ihre Holzgründe und Wismader aus ihrer Nachläſſigkeit mit Holz verwachſen, daſs ihnen ſolches abzuhauen ver— Forſtpolitik. 93 boten ſeye; es ſollen die Jägermeiſter, Förſter und andere Amtleute ihnen das Holz, ſo auf ihren Gründen und Wismadern ungefähr inner 10 Jahren auf ein neues erwachſen und nicht Eichreiſer ſezen, abzuhauen nicht mehr wehren. In ähnlicher Weiſe wie die Jagd veran— laſste der Bergbau in ſehr früher Zeit eine Reihe von landesherrlichen Beſtimmungen zum Schutze der umliegenden Waldungen, von denen eine der älteſten wohl die Verordnung des Erz— biſchofßs Eberhard von Salzburg vom Jahre 1237 ſein dürfte, in welcher dieſer die Umwand— lung abgetriebener Waldflächen in Feld oder Weide verbot, „damit auf ihnen wieder Holz nachwachſen könne“. Später kamen dann die Verordnungen, nach welchen Privatwaldungen in der Nähe von Bergwerken für dieſe gehegt werden und verpflichtet ſein ſollten, für deren Bedarf Holz abzugeben, wenn die eigenen Wal— dungen der Bergwerke nicht ausreichen würden, ſo z. B. nach der Ordnung für die Bergwerke in Oſterreich, Steiermark, Kärnthen und Krain vom Jahre 1517 und nach der Oſterreichiſchen Holz-, Berg- und Waſſerordnung vom Jahre 1553, in welch letzterer (Art. 5) es heißt: Alle Wäld, ſo bey einer halben Meile rings um die Bergwerke gelegen, die ſollen allen anderen darinnen zu ſchlagen verbotten ſeyn, ſondern ebenfalls auf die Bergwerke warten. Endlich kam auch bisweilen das militä— riſche Interereſſe bei ſolchen Verordnungen in Betracht, wie z. B. in dem Vertrag zwiſchen Kaiſer Maximilian und den Herzogen von Bayern vom Jahre 1518, nach welchem beide Theile ſich vereinbarten, in ihren Landen zehn Jahre lang das für die Bogen und Armbruſt ſo wichtige Eibenholz weder fällen noch in das Ausland führen zu laſſen. In ungleich höherem Maße als es im Mittelalter geſchehen, widmeten die Landes— herren ſeit dem XVI. Jahrhundert der Pflege der Forſtwirtſchaft ihr Augenmerk, da mit der Zu— nahme der Bevölkerung auch das Bedürfnis nach den Producten des Waldes ſtieg, während der Verfall der Markgenoſſenſchaften und der Eigennutz anderer Beſitzer das Eingreifen einer fremden kräftigen Hand im allgemeinen Intereſſe dringend geboten erſcheinen ließen. Der abſolu— tiſtiſche Polizeiſtaat und die mercantiliſtiſche Rich— tung der Wirtſchaftspolitik im XVII. und XVIII. Jahrhundert begünſtigten eben ſo ſehr die Aus— bildung der Forſthoheit als deren Verwirk— lichung in zahlreichen forſtpolitiſchen Maß— regeln. Als im XVI. Jahrhundert an Stelle der aus markgenoſſenſchaftlicher Autonomie erlaſſenen Weisthümer allgemein verbindliche, landes herr— liche Forſtordnungen traten, beſchränkten ſich dieſe anfangs im weſentlichen darauf, die alten, mehr negativen Vorſchriften erſteren zum Schutz des Waldes durch Schonung der beſſeren Holzarten, Regelung der Holznutzung und der verſchiedenen Nebennutzungen, ſowie Beſeitigung der Holzverſchwen— dung zu übernehmen. Allmählich wurden nicht nur dieſe Vorſchriften immer mehr verſchärft, ſondern es erſchienen nun auch mit der Entwick— lung der forſtlichen Technik poſitive Anordnungen zur Förderung der Waldcultur, bezüglich deren materieller Würdigung auf den Artikel Wald— bau, Geſchichte desſelben verwieſen wird. Im XVIII. Jahrhundert gieng man als— dann weiter und ordnete auch die Neuanlage von Wald auf ſolchen Flächen an, welche keiner anderen Benützungsweiſe fähig waren, außerdem ſuchte man die Landescultur noch weiter durch Bindung und Cultur der Flug— ſandſchollen und Erhaltung von Schutz— waldungen im Gebirge zu fördern. Statt— halter Graf Wenzel Saur von Tirol erließ bereits im Jahre 1788 einen leider erfolglos gebliebenen Aufruf zur Verbauung der Wild— bäche und Bepflanzung des Quellgebietes der— ſelben mit Wald. Große Sorge machte in dieſer Periode den Regierungen das Steigen der Holzpreiſe, welches allerdings im XVIII. Jahrhundert in ſehr bedeutendem Maße erfolgte. In gänzlicher Verkennung des Geſetzes der Preisbildung ſuchte man unter Feſthaltung des mercantiliſtiſchen Grundſatzes, daſs das Holz als ein Hilfsmittel der Production möglichſt billig geliefert werden müſſe, den Preis desſelben auf die verſchiedenſte Weiſe niedrig zu halten. Das beliebteſte Mittel waren die auch außerdem üblichen obrigkeitlichen Taxen, deren Einhaltung man durch Androhung ſtrenger Strafen, ſowie der Confiscation von Holz und Kaufgeld anſtrebte. Sogar die Holzmeſſer und Holzhauer waren ſtrafbar, wenn ſie eine Tax— überſchreitung nicht ſogleich anzeigten. Außerdem glaubte man auch durch Be— ſchränkung des Holzhandels Preisſteige— rungen verhüten zu können. Der Verkauf von Waldungen an Fremde war unterſagt, ebenſo auch die Ausfuhr von Holz und an— deren Forſtproducten, oder doch wenigſtens nur gegen die Abgabe des Zehenten vom Erlös, des ſog. Holzzehnts, geſtattet. In Preußen waren die Juden vom Holzhandel ebenſo wie vom Getreidehandel ausgeſchloſſen. In manchen Staaten, ſo z. B. in Württemberg, war den ein— heimiſchen Unterthanen ein Verkaufsrecht vor— behalten. Zur Verſorgung größerer Städte mit Holz waren gewöhnlich Holzmagazine angelegt, auch durfte bisweilen das einmal von außen zum Verkauf dahin gebrachte Holz nicht wieder ausgeführt werden, ſo z. B. in Königsberg. In Berlin wurde ſogar 1766 der Brennholzhandel monopoliſiert und für königliche Rechnung an eine Geſellſchaft, die Brennholzeompagnie, ver— pachtet, an deren Stelle 1785 eine königliche Brennholzadminiſtration trat, welche aber eben ſo viel Unzufriedenheit erregte, als die erſtere. Eine weitere Kategorie der forſtpolitiſchen Maßregeln beſchäftigte ſich mit der Aufſicht über die Privat- und Gemeindewal— dungen. Die älteſten Beſchränkungen der Privat- forſtwirtſchaft wurden durch deren Zugehörigkeit zu einem Bannforſt veranlaſst; um das Jahr 1600 bewirkte alsdann ſowohl das jagdliche Intereſſe der Landesherren, als deren Sorge für eine nachhaltige Befriedigung des Holzbe— darfes die Anordnung, daſs in verſchiedenen SIR 94 Forſtpolitik. Theilen Deutſchlands, jo in Braunſchweig 1590, in Württemberg 1614, in Ansbach A531 und 1613 Fällungen in den Privatwaldungen nur mit Vorwiſſen und nach Anweiſung der landes— herrlichen Forſtbedienſteten vorgenommen wer- den durften. Noch mehr wurben dieſe Maß— regeln im XVIII. Jahrhundert verſchärft, u. zw. namentlich deshalb, weil jetzt auch das Per— ſonal zur Durchführung ſolcher Beſtimmungen zur Verfügung ſtand. In Oſterreich ſollten nach der Verordnung von 1766 eigene Forſtpolizei— beamte zur Beaufſichtigung der Privatwaldungen angeſtellt werden. In Baden beanſpruchte das Forſtperſonal ſogar die Aufſicht über die in Fel— dern ſtehenden Obſtbäume. Von dieſen Beſchränkungen hatten ſich je— doch die adeligen Waldbeſitzer meiſt freizuhalten gewujst, jo z. B. in Bayern, wo denſelben ſo— wohl durch die Landesordnung von 1553, als durch die ſpätere Verordnung von 1788 die Freiheit der Forſtwirtſchaft ausdrücklich gewahrt wurde. Der bisher geſchilderte Entwicklungsgang der forſtpolitiſchen Maßregeln hinſichtlich der Privatforſtwirtſchaft bezieht ſich jedoch lediglich auf Süd- und Weſtdeutſchland. In Preußen blieb dieſelbe bis weit in das XVIII. Jahr- hundert hinein faſt vollkommen frei. Erſt in der Forſtordnung von 1720 war angeordnet, dass Vaſallen und Unterthanen bei Vermeidung der Beſtrafung ihre Waldungen nicht unpfleglich be— handeln ſollten. Doch ſcheint auch dieſe Beſtim— mung wenig Beachtung gefunden zu haben, weshalb, veranlaſst durch eine Cabinetsordre Friedrichs des Großen, unterm 22. Mai 1766 eine neue Verordnung erlaſſen wurde, welche eine ſtrenge Beaufſichtigung der Privatforſt— wirtſchaft durch die königlichen Forſtbeamten und eine nachdrückliche Beſtrafung übermäßiger Holzfällungen vorſchrieb. Außerdem konnte der betreffende Beſitzer noch zur Einhaltung eines durch Sachverſtändige feſtgeſetzten Abnutzungs— ſatzes gezwungen werden. Viel eingehender als mit den Privatwal— dungen haben ſich die Landesherren ſtets mit den Mark- und Gemein dewaldungen be- ſchäftigt, zu denen ſie ſchon ſeit langem nicht nur durch die Jagd, ſondern auch als Ober— märker im engerer Beziehung ſtanden; nach der Reception des römiſchen Rechtes kam dazu noch der Standpunkt der Oberaufficht über die Gemeinden und deren Vermögensverwaltung nach dem Satz: universitas cum pupillo pari ambulat passu“. Fa.ür eine Ordnung der Gemeindeforſtwirt— ſchaft wurde ſowohl durch den Erlass von be— ſonderen Vorſchriften, ſoweit die allgemeinen Forſtordnungen nicht ausreichten, als auch da— durch geſorgt, daſs entweder die Gemeinden ſelbſt Forſtbeamte anſtellen muſsten, oder daſs den landesherrlichen Forſtbedienſteten die Be— aufſichtigung und Bewirtſchaftung der Gemeinde— waldungen übertragen wurde, letzteres war na— mentlich im XVIII. Jahrhundert der Fall. In der Heſſen-Caſſel'ſchen Verordnung von 1711 iſt ſogar bereits das Princip der vollen Be— förſterung durchgeführt, ebenſo auch in der Badiſchen von 1787. Friedrich der Große beſchäftigte ſich eben— falls eingehend mit der Verbeſſerung der Ge— meindeforſtwirtſchaft und übertrug durch eine Immediatinſtruction von 1754 den ſtaatlichen Forſtbeamten die Beaufſichtigung der Gemeinde— waldungen; noch weiter gieng eine Verord— nung für die Neumark von 1773, welche eigent- lich die volle Beförſterung einführte. Leider verhinderten die zu großen Dienſtbezirke und der Umſtand, daſs den Gemeinden durch die Beaufſichtigung keine Koften erwachſen ſollten, die wirkſame Durchführung dieſer ganz guten Vorſchriften. Bei den Städtewaldungen iſt zu unter— ſcheiden zwiſchen jenen der Reichsſtädte und jenen der landesherrlichen Städte. Erſtere unterſtanden mit ihrer ganzen Ad— miniſtration und auch mit jener der Waldun— gen der niemals ſtark drückenden Einwirkung der Reichsbehörden, allein auch die landesherr— lichen Städte genoſſen gewöhnlich eine größere Freiheit bezüglich ihrer Forſtwirtſchaft als die Landgemeinden, auch war die Beaufſichtigung derſelben meiſt etwas anders organiſiert. Vortreffliche Vorſchriften waren in dieſer Richtung durch die preußiſche Städteforſtord— nung von 1749 erlaſſen worden. Die Forſt⸗ wirtſchaft der Städte war den Provinzialregie— rungen unterſtellt und jedem Kammerdeparte— ment ein beſonderer Städteforſtmeiſter zugetheilt, welcher die Inſpection der ſtädtiſchen Forſte übernahm, während die ſpecielle Verwaltung verantwortlichen Holzſchreibern in den Städten oblag. Indeſſen ſcheiterte auch dieſe ganz gute Verordnung bei der Ausführung daran, dajs man die Stellungen der Städteforſtmeiſter als eine Verſorgungsanſtalt für invalide Officiere betrachtete. Hinſichtlich der Maßregeln der Landes— herren zur Förderung des forſtlichen Unter— richtes, welche erſt gegen das Ende des XVIII. Jahrhunderts begannen, vgl. Geſchichte des forſtlichen Unterrichtes. Der gewaltige Umſchwung der forjtwirt- ſchaftlichen Anſchauungen zu Anfang des XIX. Jahrhunderts hat auch auf dem Gebiete der Forſtpolitik einen Bruch mit dem Syſtem der polizeilichen Bevormundung herbeigeführt. Unter dem Einfluſs der Adam Smith'ſchen Theorien iſt eine große Anzahl veralteter Zwangsmaßregeln gefallen, wobei allerdings nicht ſelten ein Umſchlag in das andere Extrem eintrat. Gänzlich beſeitigt wurde diejenige Gruppe von Verordnungen, welche eine Beſchränkung des Verkehres mit Forſtproducten ſowie der natürlichen Preisbildung bezweckte; die letzten Schranken ſind mit der Errichtung des deutſchen Zollvereins gefallen. Ebenſo hat die Aufſicht über die Gemeinde— und Privatwaldungen im XIX. Jahrhundert einen weſentlich anderen Charakter angenom— men, wenn auch für die fernere Geſtaltung derſelben innerhalb der einzelnen Staaten na- türlich der hiſtoriſche Entwicklungsgang und das Verhältnis am Schluſs des XVIII. Jahr- hunderts maßgebend geblieben ſind. Von der modernen Geſetzgebung werde die Städte und Landgemeinden als bejonder: Forſtpolizei. 95 Körperſchaften mit einem genau begrenzten Kreis von Rechten und Pflichten anerkannt, zu erſteren gehört insbeſondere die Verwaltung ihres Vermögens und damit auch der etwa hierunter befindlichen Waldungen. Über dieſen Wirkungskreis übt der Staat eine Oberauf— ſicht, welche in den einzelnen Ländern ungleich ſtark entwickelt iſt. Was ſpeciell die ſtaatliche Einwirkung auf die Bewirtſchaftung der Gemeindewaldungen betrifft, ſo haben ſich hiebei in Anlehnung an die hiſtoriſchen Verhältniſſe und im Zuſammen— hang mit dem jeweils den Gemeinden einge— räumten Maß der Selbſtverwaltung 3 Syſteme herausgebildet: 1. die volle Bewirtſchaftung der Gemeindewaldungen durch Staatsforſt— beamte; 2. die ſpecielle Aufſicht des Staates auf die Bewirtſchaftung der Gemeindewaldungen und Sicherſtellung der Betriebsleitung durch befähigte Beamte und 3. völlige Freiheit der Gemeindewaldwirtſchaft innerhalb der die Be— nützung des Gemeindevermögens regelnden allgemeinen geſetzlichen Beſtimmungen. Bei der Wandlung, welche in neueſter Zeit die Anſchauung über das Verhältnis der Zwangsgemeinwirtſchaften zum ſtaatlichen Or— ganismus und über die Bedeutung der Wal— dungen erfahren hat, wird nunmehr auch da, wo der Gemeindeforſtwirtſchaft eine ſehr weit— gehende Freiheit eingeräumt war, ein höheres Maß der ſtaatlichen Einwirkung erſtrebt. Noch vollkommener als bezüglich der den juridiſchen Perſonen gehörigen Waldungen iſt die Befreiung von der ſtaatlichen Bevormun— dung bei den Privatwaldungen in den erſten Decennien des XIX. Jahrhunderts geſetzlich oder doch wenigſtens factiſch erfolgt. Die ſchlimmen Folgen hievon traten jedoch bald ſo fühlbar durch die immer weiter grei— fende Devaſtation der Waldungen hervor, daſs man in manchen Orten ſchon frühzeitig wieder eine Abhilfe zu ſchaffen ſuchte. Die Frage bezüglich des Maßes der Staatsaufſicht über die Privatforſtwirtſchaft bekam einen ganz veränderten Charakter, ſeit— dem ſich die Erkenntnis von der klimatiſchen Bedeutung des Waldes und der Begriff der Schutzwaldungen Bahn gebrochen hatten. Jetzt war wenigſtens theoretiſch die Grenze gegeben, bis zu welcher das Intereſſe der Allgemeinheit eine Beſchränkung der individuellen Freiheit zu fordern berechtigt iſt. Die erſte praktiſche Anwendung dieſer Begriffe verſuchte das bay— riſche Forſtgeſetz von 1852, ferner das preußiſche von 1873 und das württembergiſche von 1879. An die Stelle der übrigen polizeilichen Vorſchriften zur Hebung der Forſtwirtſchaft ſind im XIX. Jahrhundert zahlreiche Maßregeln der Wirtſchaftspflege durch Förderung des Unterrichtes, Verbeſſerung der Verkehrsmittel, Regelung der Eiſenbahntarife ꝛc. getreten. Schw. Forſtpolizei (Deutſchland) iſt die Siche— rung des Wohles des Ganzen und der Einzelnen durch den Schutz der Waldungen. Dieſelbe bildet eine Aufgabe des Staates, begründet in dem Einfluſſe des Waldes auf Boden, Klima und Production und ſomit auch auf das materielle und geiſtige Wohl der Menſchen. Der Staat mit repräſentativer Verfaſſung entledigt ſich dieſer Aufgabe, ſoweit es ſich um Beſchränkung des Eigenthumes und der Per— ſonen handelt, durch die Geſetzgebung, außer— dem unter Einhaltung der beſtehenden Geſetze durch Verordnungen (j. Organiſation der forſt— lichen Thätigkeit des Staates). Die Forſt— polizeigeſetzgebung ſoll hier, der Schutz des Waldes im Verordnungswege unter Forſt— wirtſchaftspflege (f. d.) erörtert werden. Der Schutz des Waldeigenthumes iſt im Privatrechte begründet, aber die Thätigkeit der Civilgerichte, welche nur auf Antrag der Par— teien und bloß über das formelle Recht ent— ſcheiden, genügt nicht, wenn es ſich um die Wahrung öffentlicher Intereſſen handelt, welche ein ſachverſtändiges, raſches und wohlfeiles Eingreifen der Behörden ſelbſt gegen den Willen des Eigenthümers verlangt. Es wurde deshalb der Schutz des Waldes auch zum Gegenſtande des öffentlichen Rechtes gemacht, u. zw. des Verwaltungsrechtes bezüglich der zu treffen— den Präventivmaßregeln und des Forſtſtraf— rechtes (ſ. d.) hinſichtlich der Repreſſion gegen die Außerachtlaſſung der geſetzlichen Vorſchriften. Die forſtpolizeilichen Maßregeln, welche für ſämmtliche Waldungen des Landes ohne Unterſchied des Beſitzſtandes gelten, haben zum Hauptzwecke entweder I. die Sicherung des öffentlichen Wohles, oder II. die Regelung der Rechtsverhält— niſſe des Waldbeſitzers, der angren— zenden Grundbeſitzer und der an der Waldnutzung in irgend einer Weiſe Be— theiligten, oder III. den Schutz des Waldes gegen unbefugte Eingriffe Dritter. I. Alle Waldungen, welche zur Erhaltung der Geſundheit, Fruchtbarkeit und des Wohl— ſtandes eines Landes ſowie zu deſſen Verthei— digung (j. Defenſionswaldungen) nöthig ſind, erſcheinen als Schutzwaldungen (Bann— waldungen in Oſterreich, Bannlegung), welche ſtets in dem Zuſtande erhalten werden müſſen, welchen die Sicherung des öffent— lichen Wohles verlangt. Es gehören zu den Schutzwaldungen zunächſt alle jene Gebirgs— waldungen, deren Abtrieb das Entſtehen, von Verſumpfungen, Lawinen, Erdſtürzen und Über— ſchwemmungen zur Folge hat, ſowie die Wal— dungen auf Steingerölle, auf dem Flugſande der Dünen und des Binnenlandes und an Fluſs— ufern. Aber auch alle Waldungen, deren Zer— ſtörung nicht die erwähnten Folgen hat (wie dies bei den meiſten Waldungen der Ebene und des Hügellandes der Fall), müſſen erhalten bleiben, wenn durch ihre Rodung das Klima in einer für die Geſundheit und Fruchtbarkeit des Landes nachtheiligen Weiſe geändert wird, oder der Waſſerſtand der Flüſſe ſchädliche Stö— rungen bezüglich der Schifffahrt, Induſtrie und Landwirtſchaft erleidet. Endlich iſt eine Min- derung aller jener Waldungen unſtatthaft, deren Ertrag für die Befriedigung des Bedarfes der Gegend oder des Landes an Forſtproducten un— umgänglich nöthig iſt, welcher Fall jedoch in Deutſchland bei den hier beſtehenden Wald— 96 Forſtpolizei. ſtands- und Verkehrsverhältniſſen wohl nirgends gegeben iſt (ſ. Privatwaldungen), ebenſowenig wie die Nothwendigkeit der Herbeiführung ent— ſprechender Forſtproduetenpreiſe, welche man früher zu den Aufgaben der Regierung zählte. In dieſen Schutzwaldungen darf weder eine Rodung (d. i. Umwandlung in eine andere Culturart), noch das Entſtehenlaſſen von Blößen geduldet werden, und für die Wal— dungen an ſteilen Hängen und im Hochgebirge, auf Steingerölle ſowie auf Dünen und dem Flugſande des Binnenlandes iſt auch die Füh— rung von Kahlſchlägen beim Hochwaldbetriebe zu verbieten, ja nöthigenfalls ſelbſt der Feh— melbetrieb anzuordnen, für die anderen Schutzwaldungen aber der kahle Abtrieb nur unter der Bedingung der ſofortigen Wiederauf— forſtung zu geſtatten. Alle übrigen Waldungen des Landes dagegen ſollten von dieſen forſt— polizeilichen Beſchränkungen befreit bleiben, da dauernde Waldblößen oder die Rodung einer Fläche, die ſich nach Lage und Beſchaffenheit nicht zum dauernden Betriebe der Landwirt— ſchaft eignet und deshalb, wie bei den ſog. Außenfeldern der Fall iſt, nach einiger Zeit wieder mit Wald anfliegt, wohl einen volks— wirtſchaftlichen Nachtheil, nicht aber einen Zwangsmaßregeln rechtfertigenden Nothſtand bedingen. Es müſste ja ſonſt auch dem Land— wirte verboten werden, einen Acker unbebaut liegen zu laſſen, oder von einer dem öffentlichen Intereſſe förderlicheren Benutzung ſeines Grund— eigenthumes zu einer minder vortheilhaften über— zugehen. Geſetzliche Beſtimmungen bezüglich der Er— haltung des dem Lande nöthigen Waldſtandes finden ſich in Preußen (Geſetz über Schutz— waldungen und Waldgenoſſenſchaften vom 6. Juli 1875, das Feld- und Forſtpolizeigeſetz vom I. April 1880 und die vorläufige Verordnung vom 5. März 1843 über die Ausübung der Waldſtreuberechtigung), Bayern (für die rechts— rheiniſchen Landestheile das Forſtgeſetz vom 28. März 1852 und für die Rheinpfalz die Verordnung der öſterreichiſchen und bayriſchen Landesadminiſtration zu Kreuznach vom 15. De— cember 1814, jedoch ohne Strafbeſtimmungen), Württemberg (Forſtpolizeigeſetz vom 8. Sep— tember 1879), Baden (Forſtgeſetz vom 15. No- vember 1833 mit Nachtrag vom 27. April 1854 und Forſtſtrafgeſetz vom 25. Februar 1879), Heſſen (für die Provinzen Oberheſſen und Starkenburg die Verordnung vom 26. Juni 1838 und 20. December 1839, für Rheinheſſen wie für die bayriſche Rheinpfalz), Braunſchweig (Geſetz über die Ausübung der Forſthoheit und Forſtaufſicht über die Privatforſte vom 30. April 1861), Sachſen-Meiningen (Forſtordnung vom 29. Mai 1856), Sachſen-Coburg (Geſetz vom 20. Februar 1860), Sachſen-Gotha (Geſetz vom 11. Juni 1858), Schwarzburg— Rudolſtadt (Geſetz über die Beaufſichtigung der Privatwaldungen vom 18. März 1840), Schwarzburg-Sondershauſen (Verord- nung vom 27. Februar 1864), Reuß ältere Linie (Verordnung vom 13. December 1870), Waldeck (Forſtordnung vom 21. November 1853), Lippe-Detmold (Verordnung vom 23. Mai 1819) und Elſaſs-Lothringen (franzöſiſcher Code forestier vom 31. Juli 1827, welcher die Rodung der Privatwaldungen an die Genehmigung der Behörden knüpft). Dieſe Geſetze ſtellen nun entweder, wie in Preußen, Bayern und Württemberg, den Be— griff des Schutzwaldes feſt, oder fie beſchränken ſich einfach auf das Verbot der Devaſtation und der eigentlichen Rodung des Waldes. Wenn ſich die dem Waldbeſitzer auferlegten Verpflichtungen auf das zur Walderhaltung unumgänglich Nöthige beſchränken, liegen die— ſelben auch im Intereſſe des Waldbeſitzers und bringen demſelben in keinem Falle wirtſchaft— liche Nachtheile. Es iſt deshalb auch in den genannten Geſetzen von einer Entſchädigung des Waldbeſitzers und der Servitutberechtigten Um— gang genommen. Eine Ausnahme hievon macht nur das preußiſche Geſetz vom 6. Juli 1875, welches ſich auch die Bindung von Sandſchollen, den Schutz gegen Abſchwemmen und Abrutſchen des Bodens u.j.w. zur Aufgabe geſtellt hat, indem es den Eigenthümern, Nutzungs-, Ge— brauchs- und Servitutberechtigten ſowie den Pächtern der gefahrbringenden Grundſtücke volle Entſchädigung für den ihnen aus den angeord— neten Beſchränkungen, Waldeulturen oder ſon— ſtigen Schutzanlagen zugehenden Schaden ge— währt, ſolche Anlagen dagegen auch nur dann zuläſst, wenn der abzuwendende Schaden den Nachtheil für den Eigenthümer beträchtlich über— wiegt. Die Entſchädigung des Eigenthümers und die Koſten der Anlage liegen dem Antrag— ſteller ob, bezüglich der letzteren unter Zuziehung des Eigenthümers bis zu dem Mehrwerte, den das Grundſtück durch die Anlage erhält. Der Antrag auf Erlaſs von Eigenthumsbeſchrän— kung und Herſtellung von Schutzanlagen ſteht zu den gefährdeten Intereſſenten, den Gemeinde-, Amts-, Kreis- und ſonſtigen Communalver— bänden in allen innerhalb ihrer Bezirke vor— kommenden Fällen und der Landespolizeibehörde. Die Entſcheidung über die geſtellten Anträge hat das Waldſchutzgericht (Landrath mit ſechs von der Kreisverſammlung gewählten Mit— gliedern). Rechtsſtreitigkeiten gehören vor die Civilgerichte. Die Genehmigung zu jeder Waldrodung iſt, mit Ausnahme von Preußen, in den oben genannten deutſchen Bundesſtaaten nöthig, in der bayriſchen Rheinpfalz und Rheinheſſen jedoch nur bei Flächen von mehr als 8, in Sachſen-Coburg bei ſolchen über 2½ ha. Dieje Genehmigung, welche bei Schutzwaldungen un— bedingt verweigert wird, iſt außerdem von der Culturfähigkeit des Bodens und der Zuſtimmung der Forſtberechtigten abhängig und an die Be— dingung geknüpft, die gerodete Fläche inner— halb der durch das Geſetz oder durch die Forſt— polizeibehörde beſtimmten Friſt der beabſichtigten Cultur zuzuwenden. An das Verbot der eigenmächtigen Wald— rodung reiht ſich in den fraglichen Geſetzen jenes des Entſtehenlaſſens von Blößen und das Gebot der Aufforſtung derſelben innerhalb des geſetzlichen (in Reuß ältere Linie und Schwarzburg-Rudolſtadt drei Jahre) oder von der /Forftpolizeibehörde, unter beſonderer Forſtpolizei. 97 Berückſichtigung etwaiger größerer Entwaldungen durch natürliche Ereigniſſe, beſtimmten Zeit— raumes. Die Verpflichtung zur Wiederauffor— ſtung der Blößen erſtreckt ſich, mit Ausnahme von Baden, nur auf die nach dem Erſcheinen des Forſtgeſetzes entſtandenen. Der Kahlhieb iſt in Bayern und Würt— temberg nur für die Schutzwaldungen verboten, in Baden dagegen iſt zu jedem Kahlhiebe oder einem anderen in ſeinen Folgen ähnlichen Hiebe die Erlaubnis der Forſtbehörde einzuholen, welche nicht verweigert werden ſoll, wenn der künſtliche Wiederanbau der Waldfläche nach den örtlichen Verhältniſſen zuläſſig erſcheint, und der Waldbeſitzer für die Ausführung der Cul— turen die nöthige Sicherheit bietet. In Schutzwaldungen iſt eine jede Betriebs— führung, welche die Exiſtenz und die Verjün— gungsfähigkeit der Beſtände oder überhaupt das öffentliche Wohl gefährdet, als Waldabſchwen— dung oder Devaſtation zu betrachten und geſetzlich zu verbieten. Insbeſondere aber darf auch nicht geſtattet werden, daſs dort, wo Kahl— ſchläge erlaubt ſind, dieſe in ſolcher Ausdehnung an einander gereiht werden, daſs der Nachwuchs aus Mangel an Seitenſchutz durch älteres Holz kein Gedeihen findet, oder gar die klimatiſchen Verhältniſſe in einer für die Gegend ſchädlichen Weiſe alterirt werden. In jenen Schutzwal— dungen, für welche der kahle Abtrieb verboten iſt, darf bei natürlicher Verjüngung mit dem Abtriebe nicht unter den Zeitpunkt der vollen Samenproductionsfähigkeit herabgegangen wer— den. Es ſind die Samenbäume erſt nach ge— höriger Erſtarkung des Nachwuchſes vollſtändig zu entfernen, und bei Waldungen, die im Plenter— betriebe bewirtſchaftet werden müſſen, erſcheint jede Wegnahme des alten Holzes, welche den Zweck der gedachten Anordnung, z. B. den Schutz gegen Lawinen oder gegen Flugſand— bildung, gefährdet, als Waldabſchwendung. Da es nicht möglich iſt, für ein größeres Land, namentlich mit einer bedeutenderen Ver— ſchiedenheit der Waldſtands-, Standorts-, Ver- kehrs⸗ und wirtſchaftlichen Verhältniſſe, alle Fälle der Waldabſchwendung vorzuſehen, ſo haben ſich unſere deutſchen Forſtpolizeigeſetze auf das allgemeine Verbot der Waldabſchwen— dung beſchränkt und die Feſtſtellung des Be— griffes derſelben für gegebene Verhältniſſe den einſchlägigen Behörden überlaſſen. Dieſes Ver— bot wurde übrigens, gleich jenem der eigen— mächtigen Waldrodung, auf die ſämmtlichen Waldungen des Landes ausgedehnt. Bei Schutzwaldungen iſt die Fernhaltung von Waldbeſchädigungen durch Elementar— ereigniſſe, Inſecten, Wild u. ſ. w. ſowie durch Forſtfrevel als eine ganz beſondere Pflicht des Waldbeſitzers zu erklären. Eine Walddevaſtation erfolgt übrigens nicht allein durch Zerſtörung des Holzbeſtandes, ſondern auch durch übermäßige Ausdehnung der Forſtnebennutzungen, und es ſind dieſe deshalb in Schutzwaldungen ſo zu beſchränken, daſs die Beſtände im geſunden, verjüngungs— fähigen Zuſtande erhalten bleiben. Die Schädlichkeit der Forſtnebennutzungen iſt nach der Art und Weiſe der Gewinnung ſowie nach den Beſtands- und Standsortsver— hältniſſen eine ſehr verſchiedene, ſo daſs auch hier die deutſchen Forſtpolizeigeſetze mit Recht eine detaillierte Feſtſtellung walddevaſtierlicher Handlungen unterließen. Die betreffenden An— ordnungen erſtrecken ſich auch hier nicht bloß auf die Schutzwaldungen, ſondern auf alle Waldungen des Landes. Die Entfernung einer ſtarken Laubdecke in Buchenwaldungen oder hoher Moospolſter in Fichtenbeſtänden iſt oft die Vorbedingung der Beſtandsbegründung, und es äußert wohl auch auf kräftigem Gebirgs- oder durch die Über— ſchwemmungen gedüngtem Auboden eine mäßige Nutzung der Bodendecke eine vielleicht kaum merkliche ſchädliche Wirkung auf den Holz— wuchs; aber auf armem Boden führt eine maß— loſe Streunutzung unfehlbar zur Walddeva— ſtation. Es ſind deshalb unter ſolchen Verhält— niſſen polizeiliche Maßregeln zum Schutze des Waldes um ſo mehr am Platze, als die Wald— ſtreu, welche ohnehin nur zu den minder wert— vollen Streumaterialien zählt, bei einem ratio— nellen Betriebe der Landwirtſchaft entbehrlich wird, und in der Abgabe derſelben meiſt das Haupthindernis des Aufſchwunges der Boden— cultur liegt. In den Waldungen auf Dünen oder auf Flugſand im Binnenlande hätte die Rechſtreu— nutzung ganz zu unterbleiben, außerdem aber wäre dieſelbe bei ſchlagweiſem Betriebe durch angemeſſene Schonung des Waldes vor (Vor— hege) und nach der Verjüngung (Nachhege) ſowie durch einen entſprechenden Wechſel mit den zur Nutzung beſtimmten Beſtänden und durch den Ausſchluſs eiſerner Rechen bei der Streugewinnung jo weit zu beſchränken, dajs die Erziehung geſunder, verjüngungsfähiger Beſtände ermöglicht bleibt. Beim Plenterbetriebe mujs durch längeres Ausſetzen mit der Streu— nutzung den einzelnen Beſtänden die nöthige Schonung gewährt werden. In Württemberg können die k. Forſtämter bei Wahrnehmung übermäßiger Streunutzung die nöthigen Anordnungen zur Einſchränkung derſelben an den betreffenden Waldbeſitzer er— laſſen, und in Sachſen-Meiningen darf die Streunutzung in allen Waldungen nur nach Einweiſung der Forſtbeamten in einer den Waldbeſtand nicht gefährdenden Weiſe ausgeübt werden. Das Verbot des Gebrauches eiſerner Rechen beſteht in Sachſen-Meiningen und Waldeck. *. Das fortgeſetzte Abmähen von Heide, Heidelbeere, Beſenpfrieme u. ſ. w. (Plaggen— mähen) bringt den Boden durch das ofte Bloß— legen und durch das Entziehen von Aſchen— beſtandtheilen zur Sterilität und ſollte daher in gleicher Weiſe wie die Benutzung der Laub— und Moosſtreu beſchränkt werden. 8 Infolge des Verbotes des Entſtehenlaſſens von Blößen wird dieſe Nutzung mit dem Be— ſtandsſchluſſe von ſelbſt aufhören und erſt mit der Lichtung der Beſtände im höheren Alter wieder möglich werden. Dieſelbe wäre jeden— falls mit dem Beginne der Beſtandsverjüngung oder beſſer noch einige Jahre vor derſelben einzuſtellen. In Sachſen-Meiningen ſind die Dombrowski. Eneyklopädie d. Forſt⸗ u. Jagdwiſſenſch. IV. Bd. 7 98 Forſtpolizei. bei dieſer Nutzung anzuwendenden ſchneidenden Inſtrumente von den Forſtbeamten beſonders zu bezeichnen. Noch verderblicher als das Plaggenmähen wird dem Walde das Plaggenhauen, durch welches nicht nur die Bodendecke, ſondern auch die obere Dammerdeſchichte weggenommen wird, und es ſollte dasſelbe deshalb in den Schutz— waldungen unbedingt verboten werden. Dieſe Nutzung iſt übrigens ſchon alt, indem ſich in verſchiedenen Markordnungen hierauf bezügliche Beſtimmungen finden, ſo z. B. in der Derne— kamper Mark aus dem Jahre 1603, wonach in den Orten, wo Heiſter geſetzt waren, keine Plaggen gehauen werden durften, vielmehr die Plaggenmatt von denſelben 12 Fuß (an an— deren Orten 6 Fuß) und bei größeren Bäu— men ſo fern bleiben ſollte, als deren äußerſter Tropfen fällt. Vorſchriften zur Regelung dieſer wald— devaſtierlichen Nutzung, welche übrigens auch durch Verbot des Entſtehenlaſſens von Wald— blößen zeitweiſe unmöglich gemacht wird, ent— halten die deutſchen Forſtpolizeigeſetze nicht. Die Gewinnung von Aſt- oder Schneidel— ſtreu an ſtehenden Bäumen (Fichten- und Weiß— tannen, ſeltener Lärchen und Kiefern und ver— einzelt Buchen) iſt mit Beſchädigung der Bäume durch das Beſteigen derſelben mit Steigeiſen, durch das Herabreißen der Aſte und durch die Saftſtockung infolge der Minderung der Reſpi— rationsorgane verbunden und gefährdet die Bodenkraft durch den geminderten Nadelabfall und die Unterbrechung des Beſtandsſchluſſes. Es kommt dieſes Reißſtreuhacken (in den Alpen Schnatten genannt) als eigene Betriebsart in den bäuerlichen Waldungen verſchiedener Ge— birgsgegenden, z. B. des Schwarzwaldes, Fichtel- gebirges, fränkiſchen Waldes, namentlich aber der öſterreichiſchen Alpen (ſ. Aſtſtreu) vor und ſollte in Waldungen, deren Erhaltung durch das öffentliche Intereſſe geboten iſt, nicht geduldet oder doch auf ein Minimum beſchränkt werden. Beſondere polizeiliche Beſchränkungen der Aſtſtreunutzung beſtehen in Deutſchland nicht. Die Waldweide, welche mit der inten— ſiveren Geſtaltung der Landwirtſchaft in der Ebene und dem Hügellande mehr und mehr verſchwindet, kann durch das Auflockern des zu leichten und das Feſttreten des zu bindenden Bodens, durch das Abrutſchen der losgetretenen Erde an ſteilen Hängen, durch Beſchädigungen flach ſtreichender Wurzeln, durch Abtreten junger Stockausſchläge, durch Abbeißen von Knoſpen und Blättern, durch das ſog. Überreiten junger Stangen u. ſ. w. dem Walde, namentlich im Hochgebirge, vielen Schaden bringen, ja ſelbſt häufig die Begründung und Erziehung von Be— ſtänden in Frage ſtellen. Die Nachtheile der Waldweide traten in Deutſchland bei dem ausſchließlichen Plenter— betriebe in den Hochwaldungen und dem nie— drigen Umtriebe der Ausſchlagwaldungen früh— zeitig hervor, und die Maßregeln zur Beſeitigung derſelben datieren ſchon aus dem XIII. Jahr- hundert. Man glaubte allgemeine geſetzliche Vorſchriften über die Schonung des Waldes gegen das Weidevieh geben zu können, indem man entweder eine Schonungszeit vorſchrieb (3. B. erſt im 5., 6., 7. u. ſ. w. Blatt hüten ließ), oder den Vieheintrieb erſt bei einer be— ſtimmten Höhe des Holzes, z. B. von 9 bis 12 Fuß, geſtattete, oder endlich einen beſtimmten Theil der Waldfläche, z. B. / bis / im Hoch— walde und ½ bis ½ im Niederwalde, von der Weideausübung verſchont wiſſen wollte; allein dieſe Anordnungen genügten nicht, da die Schäd— lichkeit der Waldweide nach dem Standorte, der Terraingeſtaltung, der Holz» und Betriebsart, der Umtriebszeit, der Art und Weiſe der Be— ſtandsbegründung, der Gattung, der Zahl und Gewöhnung der Thiere, der Witterung, der Zeit des Eintriebes u. ſ. w. eine ſehr verſchiedene ift. Man beſchränkt ſich deshalb jetzt mit Recht auf das allgemeine Verbot der Walddevaſtation durch die Weide und überläſst den Localbe— hörden die Definition der ſchädlichen Wald— weide. Eine weſentliche Beſchädigung der Holz— beſtände läſst ſich jedenfalls dadurch vermeiden, daſs man, wie durch das bayriſche Forſtgeſetz vorgeſchrieben, beim ſchlagweiſen Betriebe die Verjüngungen der Weide erſt aufgibt, wenn ſie dem Maule des Viehes entwachſen ſind, und in die Plenterwaldungen nur ſo viel Vieh ein— treibt, als ſich von dem vorhandenen Graſe zu ernähren vermag. Durch Fernhalten des Weide— viehes von Flugſandboden und von kahlen, nur in den Vertiefungen etwas Erde enthaltenden Felshängen iſt die Erhaltung, bezw. die Neu— bildung von Dammerde geſichert. Die Ziege, welche ſich mit Vorliebe von Knoſpen, Blättern und jungen Trieben der Holz— pflanzen nährt, eine beſondere Fähigkeit zu klettern und ſich auf den Hinterfüßen aufzu⸗ richten beſitzt und ſich nicht leicht bei der Herde erhalten läſst, ſollte aus Plenterwaldungen ſowie aus Waldungen, deren Verjüngung, wie z. B. in manchen Alpenländern, durch natürliche Beſamung der Kahlſchläge nur ſehr langſam erfolgt, ganz verbannt werden. Das Weidevieh darf (wie z. B. in Bayern) nur dann ohne Hirten in den Wald gelaſſen werden, wenn die Schonungsflächen vor dem— ſelben durch entſprechende Einfriedigung ge— ſchützt ſind. Reiht ſich an dieſe polizeilichen Maßregeln im Intereſſe eines entſprechenden Vollzuges derſelben noch das Verbot der Nachtweide und der Einzelhut bei einer Mehreren (Gemeinde) zuſtehenden Weideberechtigung an, und unter» ſagt man wohl auch noch, um das Vieh mit ſeiner Ernährung nicht auf die Holzpflanzen anzuweiſen, den Eintrieb desſelben vor dem Erſcheinen des Graſes, d. i, bei uns nicht vor Anfang oder Mitte Mai (in Baden für die Wal- dungen juriſtiſcher Perſonen nur während der Monate Mai bis October einſchließlich), ſo iſt dem Schutze des Waldes in jeder Beziehung Rechnung getragen. Das Verbot der Einzel- und Nachtweide iſt ein allgemeines in Preußen, Bayern, Baden, Sachſen-Meiningen und Waldeck. Weitere poli— zeiliche Beſchränkungen beſtehen für alle Wal— dungen in Bayern, für die Waldungen der ju— riſtiſchen Perſonen in Baden und nur bezüglich Forſtpolizei. der Weiderechte in Preußen und Schaumburg— Lippe (ſ. Regulierung der Forſtſervituten). Die Maſtnutzung, welche durch Fern— halten der Schweine von Beſamungsſchlägen und von zur Flugſandbildung oder Verſumpfung geneigtem Boden unſchädlich gemacht werden kann, hat gegenwärtig in Deutſchland ſo wenig Bedeutung, dajs jich bis jetzt noch nirgends das Bedürfnis gezeigt hat, dieſelbe im Wege der Forſtpolizeigeſetzgebung zu beſchränken. Der Wildſtand iſt in ſolchen Grenzen zu halten, daſs er die Begründung und Heran— ziehung geſunder und wüchſiger Beſtände nicht gefährdet, was ohnehin ſchon durch die im In⸗ tereſſe der Bodencultur erlaſſenen Jagdpolizei— geſetze angeordnet iſt. Die Harznutzung mindert, wenn ſie im Übermaße betrieben wird, nicht nur Menge und Güte des Holzertrages der Fichtenwaldungen in ganz unverhältnismäßiger Weiſe, ſie iſt auch die Urſache, dajs von den Lagen aus bald Rothfäule die Stämme befällt, oder doch die— ſelben an ihrer Geſundheit ſo geſchwächt werden, daſs dadurch die natürliche Verjüngung er— ſchwert oder ſelbſt unmöglich gemacht, und die Vermehrung der Borkenkäfer, denen die Natur das kränkelnde Holz zu Brutplätzen angewieſen hat, befördert wird. Es erſcheint deshalb noth— wendig, mit dieſer Nutzung erſt 10—20 Jahre vor dem Beſtandsabtriebe zu beginnen und das Harzſcharren nur alle zwei Jahre vorzunehmen, u. zw. längſtens bis Ende Juli, damit ſich noch vor Winter ein neuer, die Lagen gegen die Witterungseinflüſſe ſchützender Harzüberzug bildet. Die Zahl der Lagen, welche nicht über 4m lang und nicht über 0•05 m breit ſein ſollten, iſt derart für den Stamm feſtzuſtellen, daſs zwiſchen je zwei Lagen immer ein Rinden— ſtreifen von 0˙2—0˙3 m Breite verbleibt. Übrigens iſt die Harznutzung in Deutjch- land eine unbedeutende, da durch die Concur— renz des ruſſiſchen und amerikaniſchen Harzes die Harzpreiſe ſo gedrückt ſind, daß der mit dieſer Nutzung verbundene Holzertragsverluſt nicht gedeckt wird. Es findet ſich deshalb auch nur in dem badiſchen Forſtgeſetze die, für Privatwaldungen jedoch nicht mehr giltige, Vor— ſchrift, daſs das Harzen nicht vor dem 30. Jahre, nur in der Zeit von Mitte Juni bis Mitte September und in der Regel nur alle zwei Jahre ſtattfinden darf. Die Stockholzgewinnung kann in den Schutzwaldungen nur ſtattfinden, wenn Beſchä— digungen des Nachwuchſes, Verſumpfung, Ab— ſchwemmen der geloderten Erde und Flugſand— bildung nicht zu befürchten ſind. Einer Zerſtörung des Nachwuchſes der Schläge durch die Waldgräſerei iſt ſchon durch das Verbot des Entſtehenlaſſens von Blößen in den Schutzwaldungen vorgebeugt. Specielle Beſchränkungen der Waldgräſerei be— ſtehen in Saſchen-Meiningen (Einweiſung durch die Forſtbeamten), Waldeck (Verbot der Schneide- werkzeuge) und in Baden für die Nichtprivat- waldungen (nur in Orten, welche die für die Waldweide feſtgeſetzte Schonungszeit über- ſchritten haben). Die Futterlaubgewinnung darf hier K— — . — — . —— — — — uL—— ——— ¼½2—¼ — — —— — —_’ 99 nur an Kopf- und Schneidelholzſtämmen, an Durchforſtungshölzern und in Niederwaldungen, welche im darauffolgenden Jahre zum Hiebe kommen, ſtattfinden. Für die übrigen Forſtnebennutzungen iſt eine forſtpolizeiliche Beſchränkung nicht nöthig. Die Ausſcheidung der Schutzwaldungen und insbeſondere auch jener, in welchen kein kahler Abtrieb ſtattfinden darf oder gar der Plenter— betrieb ſtatthaben muß, hat durch die Forſt— polizeibehörde im Einvernehmen mit der Forſt— behörde zu geſchehen. Zweckmäßiger wäre es aber jedenfalls, die Entſcheidungen der Forſt— polizeibehörden auf die Reſultate von Unter— ſuchungen zu gründen, welche in fraglicher Be— ziehung für das ganze Land von einer aus Forſt⸗, Land- und Volkswirthen, Naturforſchern und Waſſerbau- und Culturingenieuren beſtehen— den Commiſſion unter Aſſiſtenz der Localforſt— beamten vorgenommen wurden. Die Beſitzer von Schutzwaldungen müſſen von dieſer Qualification ihrer Waldungen durch die Forſtpolizeibehörde mit dem Bemerken ver— ſtändigt werden, dass ihnen gegen die getroffene Entſcheidung innerhalb der geſetzlichen Friſt die Berufung an die höhere Inſtanz zuſteht. Es läſst ſich endlich auch rechtfertigen, dajs in Gegenden, wo das ganze Waldareal als Schutzwald zu betrachten iſt, Ausnahmen ge— macht werden zugunſten von Parkanlagen und geſchloſſenen Gärten, von kleinen tjolierten Par— cellen in der Ebene und von neuen Waldanlagen auf früher landwirtſchaftlich benützten Grund- ſtücken, wie dies z. B. der franzöſiſche Code forestier thut. Da ſich übrigens häufig der Einfluſs der Waldungen eines Landes über deſſen Grenzen hinaus erſtreckt, jo iſt in vielen Fällen zur voll- ſtändigen Sicherung des allgemeinen Wohles durch den Waldſchutz ein gemeinſames Vor— gehen aller an einem größeren Waldcomplexe oder an einem Stromgebiete betheiligten Staaten nöthig. Nach dem preußiſchen Geſetze vom 6. Juli 1875 beſteht principiell Freiheit in der Bewirt— ſchaftung der Waldungen, indem Beſchränkungen des Waldeigenthums, wie oben ausgeführt, nur auf Antrag der Gefährdeten eintreten. Dieſe Beſchränkungen ſind dem Ermeſſen des Wald— ſchutzgerichtes überlaſſen und werden ſich wohl meiſt mit den vorſtehend für die Schutzwaldungen angegebenen Präventivmaßregeln decken. Die Zuwiderhandlungen der Waldbeſitzer gegen dieſe ihnen im öffentlichen Intereſſe auf— erlegten Verpflichtungen bezeichnet man als Forſtpolizeiübertretungen (j. Foritjtraf- recht). Die Wiederbemwaldung (j. d.) großer Odungen, welche der ſtaatlichen Beihilfe bedarf, wird in der Regel durch beſondere Geſetze ge— regelt. Die mit dem Waldüberfluſſe eiues Landes verbundenen Nachtheile können wohl auch ein Geſetz über Waldcoloniſation (ſ. d) nöthig machen. Den Bezug unentbehrlicher Holzſortimente ſichert ſich der Staat durch ein Holzvorkaufs— recht (ſ. d.). ik 100 Forſtpolizei. II. Die Regelung der hältniſſe 1. zwiſchen dem Waldbeſitzer (j. Beſitz) und den an dem Eigenthume oder der Nutzung des Waldes Mitberechtigten, 2. zwiſchen dem Waldbeſitzer und den an— grenzenden Grundbeſitzern und 3. den bei der Bewirtſchaftung und Be— nützung des Waldes Betheiligten iſt zunächſt Sache des Privatrechtes, und die Forſtgeſetzgebung darf hier nur ſo weit ein— greifen, als es die Sicherung des öffentlichen Wohles verlangt. Jede Störung eines privatrechtlichen Ver— hältniſſes läſst ſich zwar auf dem Civilrechts— wege beſeitigen, aber dieſer Weg iſt langwierig und koſtſpielig und wird deshalb von den Be— ſchädigten meiſt nur in wichtigeren Fällen be— treten. Die Civilgerichte entſcheiden nur auf An— trag und nur über das formelle Recht, die Rechtsſicherheit eines Landes verlangt dagegen, daſs alle Übergriffe in fremde Rechte ſchnell, ohne Kojten für den Beſchädigten und mit Wah— rung der öffentlichen Intereſſen entſchieden wer— den, was in vielen Fällen nur dadurch möglich iſt, dafs man die Zuwiderhandlungen gegen privatrechtliche Verpflichtungen als öffentliche Delicte erklärt und beſtraft. Ad 1. Der Staat regelt nicht nur im Wege der Geſetzgebung für die einzelnen Eigenthums— kategorien die Rechte der Miteigenthümer des Waldes oder des Eigenthümers gegenüber dem Nutznießer, wie z. B. bei Lehen- und Erblehen— waldungen, im Intereſſe der Betheiligten und des öffentlichen Wohles, er beſtraft auch jede eigenmächtige Aneignung von Forſtproducten, ſowie jede Beſchädigung des Waldes und Ord— nungswidrigkeit von Seite eines Gemeindeglie— des, eines Miteigenthümers bei Corporations— waldungen, eines Agnaten bei Waldungen im fideicommiſſariſchen Verbande u. ſ. w., ſowie eines Forſtſervitutsberechtigten gerade ſo, als ob die fragliche Handlung von einem unbefugten Dritten verübt worden wäre. Auch Verletzungen privatrechtlicher Verpflichtungen, welche dem Walde keinen directen Nachtheil bringen, ſind, wie z. B. der Verkauf von berechtigungsweiſe oder aus einem Gemeindewalde zur Befriedi— gung des Hausbedarfes bezogenen Forſtpro— ducten, in den deutſchen Forſtſtrafgeſetzen mehr— fach (3. B. in Preußen, Bayern, Baden u. ſ. w.) als forſtpolizeiwidrige Handlungen mit Strafe bedroht. Die Regulierung der Forſtſervituten (s. d.) bildet eine Hauptaufgabe der Forſtpolizeigeſetz— gebung. f Ad 2. Die natürlichen wechſelſeitigen Be— ziehungen benachbarter Grundſtücke erfordern im Intereſſe der Rechtsordnung und Rechtsſicher— heit Einſchränkungen des Nutzungs- und Ver— fügungsrechtes der Grundeigenthümer, welche, als ſog. Nachbarrecht (j. d.), dem Privat- rechte angehören, mehrfach aber auch im öffent— lichen Intereſſe durch die Verwaltungsgeſetz— gebung geregelt werden. Da durch neue Anſiedlungen in unmittel— barer Nähe des Waldes dieſem mancherlei Ge— fahr durch Beſchädigungen und durch Entwen— Rechtsver— dung von Forſtproducten droht, ſo ſollte, ſofern es nicht ſchon durch allgemeine geſetzliche Vor— ſchriften angeordnet iſt, durch das Forſtgeſetz, wie z. B. in Preußen, Bayern, Baden, Sachſen— Meiningen, nach dem franzöſiſchen Code fore stier u. ſ. w. beſtimmt werden, daſs die bau— polizeiliche Genehmigung zur Errichtung von Gebäuden, insbeſondere von feuergefährlichen Anſtalten, wie Ziegelbrennereien, Theer- und Kalköfen, Pechhütten u. ſ. w., innerhalb einer be- ſtimmten Entfernung (in Preußen z. B. 75, in Bayern 440 m) vom Walde nach Vernehmung des Waldbeſitzers nur dann zu ertheilen iſt, wenn derſelben keine forſtpolizeilichen Bedenken entgegenſtehen. In Württemberg wird mit Geld bis zu 150 Mark oder mit Haft beſtraft, wer Wald— flächen oder Felder, welche an Waldungen an— grenzen, ohne Erlaubnis der Forſtpolizeibehörde abbrennt oder den hierauf bezüglichen Anord— nungen der Forſtpolizeibehörde zuwiderhandelt, Mitunter, wie z. B. auch noch vor nicht langer Zeit in Bayern, iſt dem Waldbeſitzer die Verpflichtung auferlegt, zu beiden Seiten der den Wald durchziehenden öffentlichen Straßen Lichtungen ohne Entſchädigung zu erhalten. Es liegt dieſe die Trockenerhaltung und Sicherheit der Straße beabſichtigende Einrichtung lediglich im öffentlichen Intereſſe, und es wären deshalb die betreffenden Straßenlichtungen von dem Staate zu expropriieren, oder doch die Wald- beſitzer für den hiedurch entſtehenden Ertrags— ausfall zu entſchädigen. a Die Regelung der Holztrift auf den öffent- lichen und Privatgewäſſern iſt in Deutſchland nicht, wie in Oſterreich, Sache der forſt-, ſondern der waſſerrechtlichen Gejeßgebung. Wird ein älterer Nadelholzbeſtand durch die Wegnahme des Waldes plötzlich den An: griffen des Windes bloßgeſtellt, ſo iſt ſeine Zer— ſtörung in den meiſten Fällen ſo ziemlich ſicher, und man hat deshalb, wie z. B. in Oſterreich, geglaubt, in ſolchen Fällen dem Angrenzer durch das Forſtgeſetz die Verpflichtung aufer— legen zu ſollen, beim Abtriebe ſeines Waldes einen Schutzſtreifen an der Grenze desſelben ſtehen zu laſſen. Es hat natürlich der Staat, zu deſſen erſten Pflichten der Schutz des Eigen— thumes der Staatsbürger gehört, die Berechti— gung zu einer ſolchen Anordnung, aber dieſelbe dürfte doch kaum dem beabſichtigten Zwecke ent— ſprechen, da ein ſolcher Schutzſtreifen ſelbſtver— ſtändlich ebenſowenig dem Winde zu wider— ſtehn vermag, wie der zu ſchützende Wald ſelbſt. Man ſollte es deshalb den Waldbeſitzern über— laſſen, durch Zurückbleiben mit der Beſtands— begründung von der Grenze, wozu ſolche ohnehin öfter particularrechtlich verpflichtet ſind, einen ſchützenden Mantel für ihren Wald zu bilden, oder, wenn dies früher verſäumt worden ſein ſollte, durch Aufhauen ſchmaler, allmählich zu erweitern— der Schneiſen (im Thüringerwalde Loshiehe genannt) eine kräftige Entwicklung der Rand— bäume zu bewirken. Für letzteren Fall wäre es zweckmäßig, die Waldbeſitzer geſetzlich anzu— halten, ſich von der Abſicht des Abtriebes der Grenzbeſtände rechtzeitig (vielleicht 5—A10 Jahre vor dem Zeitpunkte, wo der Hieb die Grenze Forſtpolizei. erreicht) Mittheilung zu machen. Jedenfalls aber ſollte für den aus dem Überhalten eines Schutzſtreifens über den Zeitpunkt der vortheil— hafteſten Haubarkeit erwachſenden Verluſt von dem Staate, oder dem Waldbeſitzer, in deſſen Intereſſe die Erhaltung des Windmantels er— folgt, Entſchädigung geleiſtet werden. Eine Sicherheitsbeſtellung für die nach dem Beſtands— triebe drohende Gefahr (cautio damni infecti) kann der Beſitzer des bedrohten Waldes nicht verlangen (ſ. Caution). Forſtinſecten, Mäuſe und andere ſchäd— liche Thiere können unter Umſtänden, welche ihre ohnehin ſtarke Vermehrung begünſtigen, zu einer großen Calamität für eine ganze Ge— gend werden, wenn ihrer Verbreitung nicht ſchnell und mit vereinten Kräften entgegen— getreten wird. Die Verpflichtung der Grund— beſitzer zu einem ſolchen gemeinſamen Vorgehen iſt überall in der Polizeigeſetzgebung begründet und das Unterlaſſen der polizeilich angeord— neten Raupenvertilgung nach dem Reichsſtraf— geſetze ſogar mit Geldſtrafe bis zu 60 Mark oder mit Haft bis zu 14 Tagen bedroht, aber demungeachtet dürfte es zweckmäßig ſein, im Wege der Forſtgeſetzgebung, wie z. B. in Bayern, Sachſen (Geſetz über den Schutz der Waldungen gegen ſchädliche Inſecten vom 17. Juli 1876), Baden, Sachſen-Meiningen u. ſ. w., die betreffenden Verpflichtungen der Waldbeſitzer näher zu präcijieren, dieſen die Auflage der ſofortigen Anzeige des Vorkommens ſchädlicher Thiere zur Pflicht zu machen und die Forſtpolizeibehörden zu ermächtigen, die von den Waldbeſitzern unterlaſſenen Vorbeu— gungs⸗ und Vertilgungsmaßregeln auf deren Koſten vornehmen zu laſſen. Die Wildbeſchädigungen ſind von den be— nachbarten Grundſtücken fern zu halten durch gute Jagdpolizeigeſetze, welche einen über⸗ mäßigen Wildſtand verbieten, bezw. (wie z. B. in Preußen, Bayern und Württemberg) die Verwaltungsbehörden zur Beſeitigung desſelben ermächtigen. Um die durch Waldbrände den benach— barten Waldungen drohenden Gefahren zu be— ſeitigen, muſs dem Waldbeſitzer, ſeinen Ar— beitern und den Nutzungsempfängern Alles verboten werden, was die Entſtehung eines Waldbrandes verurſachen könnte. Es ſollte ſich jedoch, da die Feuersgefahr nach den Be— ſtands⸗ und Standortsverhältniſſen, der Größe des Waldes, der Witterung u. ſ. w. eine äußerſt verſchiedene iſt, das Forſtgeſetz hiebei auf die Feſtſtellung allgemeiner Normen beſchränken und den Verwaltungsbehörden die Ermächti— gung ertheilen, nach Maßgabe der örtlichen Verhältniſſe ſpecielle Vorbeugungsmaßregeln mit Geſetzeskraft anzuordnen. Das deutſche Reichsſtrafgeſetz bedroht (S 368) das Anzünden von Feuer an gefähr— lichen Stellen in Wäldern oder Heiden mit Geldſtrafe bis zu 60 Mark oder mit Haft bis zu 14 Tagen. Die Anordnungen unſerer Forſtpolizei— geſetze erſtrecken ſich nun auf a) die Feſtſtellung der Bedingungen des Feueranzündens im Walde oder in deſſen Nähe, 101 auf die Beaufſichtigung ſelben, b) das Verbot des Betretens des Waldes mit unverwahrtem Feuer oder Licht ſowie des Fallenlaſſens, Wegwerfens oder unvorſichtigen Handhabens brennender oder glimmender Ge- genſtände (3. B. Preußen und Württemberg), c) die Vorſichtsmaßregeln beim Ausbrennen der Schläge, welches nur mit Genehmigung und nach Anordnung der Forſtpolizeibehörde ſtattfinden darf (3. B. Preußen und Baden), d) die Vorſichtsmaßregeln beim Aſche— brennen, bei der Köhlerei und früher auch be— züglich des Zeidelns (ſ. Zeidelweiderecht), e) das Verbot des Tabakrauchens im Walde bei trockener Witterung und einer Bo— dendecke aus dürrem Graſe oder Moos, ſowie endlich auf f) die Verhütung der Entſtehung von Waldbränden durch die Eiſenbahnlocomotiven, welche durch Anbringen rauchverzehrender Vor— richtungen an den Locomotiven ſowie durch Waldlichtungen zu beiden Seiten der Eiſen— bahn, deren Boden durch öfteres Umpflügen 1115 wund zu erhalten iſt, am beſten erreicht wird. Die fahrläſſige oder vorſätzliche Wald— brandſtiftung durch den Waldbeſitzer ſelbſt wird, wenn dadurch fremdes Eigenthum ge— fährdet iſt, nach den SS 308 und 309 des und Löſchung des— deutſchen Strafgeſetzes mit Gefängnis, bezw. Zuchthaus beſtraft. Die ſofortige Anzeige eines entdeckten Waldbrandes bei der nächſten Gemeindebehörde und die Mitwirkung bei der Löſchung des— ſelben iſt allgemeine Staatsbürgerpflicht; die Leitung der Löſchung aber erfolgt auf Grund der beſtehenden Löſchordnung und unter Mit- wirkung der betreffenden Forſtbeamten durch die Polizeibehörden. Denſelben iſt hiebei von allen Seiten unbedingter Gehorſam zu leiſten, und ſind dieſelben berechtigt, in den bedrohten Waldungen die zur Löſchung und Verhinde— rung der Weiterverbreitung des Feuers nöthi— gen Fällungen und ſonſtigen Arbeiten vor— nehmen zu laſſen. Die Verpflichtungen der Ge— meinden und einzelnen Staatsbürger bei Lö— ſchung von Waldbränden ſind entweder bloß im Polizeiſtrafgeſetze, wie z. B. in Bayern, Heſſen, Anhalt u. ſ. w., begründet oder auch im Forſtgeſetze, wie z. B. in Preußen, Württem⸗ berg, Baden (Löſchordnung bei Waldbränden vom Jahre 1834), Sachſen-Meiningen, Schaum⸗ burg⸗Lippe u. ſ. w., näher feſtgeſtellt, in jedem Falle aber iſt deren Erfüllung durch das Reichsſtrafgeſetz geſichert, welches im § 360 mit Geldſtrafe bis zu 150 Mark oder mit Haft Denjenigen bedroht, welcher bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Noth der Auffor— derung der Polizeibehörde keine Folge leiſtet, obgleich er der Aufforderung ohne erhebliche eigene Gefahr genügen konnte. Der Waldbeſitzer iſt, wie jeder andere Grundbeſitzer, zum Beitritte zu den bereits be- ſtehenden oder nach den geſetzlichen Beſtim— mungen zu errichtenden Deichverbänden (ſ. d.) ebenſo verpflichtet, wie zur Befolgung der für den Uferſchutz ſowie für die Verhinde— 102 Forſtpolizei. rung und Beſeitigung der Waſſergefahr in ähn— licher Weiſe, wie bezüglich der Feuersgefahr, beſtehenden Verordnungen. Für die auf behördliche Anordnung in Anwendung des Staatsnothrechtes (j. d.) zur Beſeitigung von Inſecten-, Feuer- und Waſſer⸗ gefahr vorgenommenen Eigenthumsbeſchädi— gungen iſt dem Waldbeſitzer vom Staate inſo— weit Entſchädigung zu leiſten, als die frag- lichen Beſchädigungen nicht ausſchließlich im Intereſſe des Waldbeſitzers ſelbſt erfolgten. Es kann übrigens ein Waldbeſitzer, wenn er ohne irgend eine Aufforderung zum Schutze der an— grenzenden Waldungen gegen Feuer-, Waſſer⸗ oder Inſectengefahr ſeinen Wald niederhaut (nach Analogie der lex rhodia de jactu) von dem betreffenden Nachbar eine verhältnismäßige Entſchädigung verlangen und mit der actio de in rem verso geltend machen. Wie der Schutz des Waldes gegen Natur- ereigniſſe oder ſchädliche Thiere öfter ein ge— meinſames Vorgehen der Waldbeſitzer einer Gegend verlangt, ſo erfordert oft auch die Be— ſeitigung exceſſiver Holzfrevel das Zuſammen— wirken der betheiligten Waldbeſitzer, und es müſſen dieſelben deshalb die Regierung bezüg— lich der Conſtatierung der Frevel dadurch unter— ſtützen, daſs ſie alles zur Abgabe kommende Holz mit dem Waldhammer ſchlagen und nur gegen Abfuhrſchein aus dem Walde bringen laſſen. In Bayern kann bei Überhandnahme der Forſtfrevel durch Entwendung durch k. Ver— ordnung für einen beſtimmten Zeitraum ver- fügt werden, daſs ſowohl innerhalb der Bezirke, in welchen die Forſtfrevel vorfallen, als auch innerhalb derjenigen, in welchen die gefrevelten Gegenſtände verkauft zu werden pflegen, jeder Verkäufer von Walderzeugniſſen (bei Vermei— dung einer Geldſtrafe bis zu 9 Mark) mit einem von dem Gemeindevorſtande ſeines Wohn- oder Aufenthaltsortes ausgeſtellten, auf fünf Tage giltigen und bei dem Verkaufe an die Ortspolizeibehörde abzuliefernden Zeug— niſſe über den rechtmäßigen Erwerb der nach Art und Größe, Zahl oder Maß beſtimmten Verkaufsgegenſtände verſehen ſein müſſe. Zum Erlaſſe ähnlicher Maßregeln iſt das preußiſche Miniſterium durch die allerhöchſte Verordnung vom Juni 1839 über die Controle der unver— arbeitet transportirt werdenden Hölzer ermäch— tigt, und ſind die Zuwiderhandlungen gegen die betreffenden Anordnungen durch $ 43 des Forſtpolizeigeſetzes mit Geldſtrafe bis zu 50 Mark oder mit Haft bis zu 14 Tagen bedroht. Die Verletzungen der den Waldbeſitzern hier auferlegten Verpflichtungen zählen zu den ee Handlungen (j. Forſtſtraf— recht). ad 3. Der Waldbeſitzer kann zwar ver— tragsmäßig den bei der Gewinnung der Forſt— producte, bei den Culturen, beim Wegbaue u. ſ. w. beſchäftigten Arbeitern alle Handlungen, durch welche dem Walde ein Nachtheil droht, verbieten und für die Zuwiderhandlungen Con— ventionalgeldſtrafen beſtimmen, zu deren Bei⸗ treibung nöthigenfalls gerichtliche Hilfe in An— ſpruch genommen werden kann, allein ein ſol— ches Verfahren iſt umſtändlich, koſtſpielig, dem zahlungsunfähigen Arbeiter gegenüber zwecklos und führt ſchon deswegen nicht recht zum Ziele, weil die Wahrung des formellen Rechtes, nicht aber der Schutz des Waldes die nächſte Aufgabe der Civilgerichte iſt. Es erſcheint des- halb zweckmäßig, ſolche Zuwiderhandlungen der Waldarbeiter gegen ihre Inſtruetionen und die zur Aufrechthaltung der Ordnung beſtehen— den Vorſchriften, wie z. B. in Bayern und Heſſen, als forſtpolizeiwidrige Handlungen durch die Forſtſtrafgerichte aburtheilen zu laſſen. Die Forſtproductenempfänger find ent— weder jchon, wie die Miteigenthümer und Ser— vitutberechtigten, durch das beſtehende Rechts— verhältnis zur Vermeidung von Gefährdungen des Waldes und von Störungen der Ordnung verpflichtet, oder ſie können, wie die gewöhn— lichen Käufer der Walderzeugniſſe, vertrags— mäßig, unter Androhung von Conventional— ſtrafen, dazu angehalten werden; allein es empfiehlt ſich auch hier, die betreffenden Zu— widerhandlungen, wie in allen deutſchen Forſt— ſtrafgeſetzen mehr oder minder geſchehen, zur Competenz der Forſtſtrafgerichte zu verweiſen (ſ. Forſtſtrafrecht). Dieſe Übertretungen beziehen ſich im all— gemeinen auf: a) die Einhaltung der für die Gewinnung und Abfuhr der Producte beſtimmten Termine und Abfuhrwege; b) das Verbot der Vornahme der betref— fenden Arbeiten bei Nacht; e) die Einhaltung der zur Verhütung von Beſchädigungen des Waldes und von Stö— rung der Ordnung gegebenen Vorſchriften, ins— beſondere aber auch der beſtehenden Inſtrue— tionen der Waldarbeiter bei Gewinnung der Forſtproducte durch die Empfänger; d) das Gebot der Herſtellung der zur Sicherheit des Publicums nöthigen Vorkeh— rungen, wie z. B. von Geländern an Gtein- brüchen; e) die Forſtproductenentwendung oder Waldbeſchädigung bei Unglücksfällen, im ſog. Nothſtande; ˖ ) die Vorſchriften über die Köhlerei, Theerſchwelerei, Pechſiederei, Kienrußbrennerei, über das Beſchlagen des Bau- und Nutzholzes und das Lagern des Holzes ohne Erlaubnis oder außerhalb der erlaubten Plätze; g) die Trift- und Floßordnung, ſofern nicht bereits in den Waſſergeſetzen das Nöthige vorgeſehen iſt; h) den Verkauf der berechtigungs- und vergünſtigungsweiſe empfangenen Forſtpro— ducte, und i) den Ankauf der nach h widerrechtlich verkauften Walderzeugniſſe für den Fall, dajs der Käufer wuſste, daſs die fraglichen Objecte nicht veräußert werden durften. Die Empfänger von Forſtprodueten und deren Arbeiter ſind, wie bereits erwähnt, auch an die allgemeinen polizeilichen Vorſchriften (ad 2) gebunden. Durch die Einführung des metriſchen Maß— ſyſtems in Deutſchland iſt der Waldbeſitzer verpflichtet, die geſetzlichen Maße für das zum Verkaufe beſtimmte Holz einzuhalten. Forſtpolizeiübertretungen. — Forſtrecht. 103 III. Die unbefugten Eingriffe Dritter in das Waldeigenthum beſtehen in Ent— wendungen von Forſtproducten, in Wald— beſchädigungen und in bloßen Gefährdungen des Waldes und der Rechtsſicherheit. Entwen— dungen und Waldbeſchädigungen bezeichnet man als Forſtfrevel, die letztgenannten Ord— nungswidrigkeiten als forſtpolizeiwidrige Handlungen (. Forſtſtrafrecht). Entwendung (ſ. d.) von e und Waldbeſchädigungen (f. d.) find, ſo— weit ſie nicht unter das Strafgeſetz fallen, nach dem Forſtſtrafgeſetze zu ahnden. Gleiches gilt für die Begünſtigung und Hehlerei bezüglich des Forſtfrevels durch Entwendung. Zu den forſtpolizeiwidrigen Hand— lungen gehört vor allem das Feueranmachen im Walde ſowie die Außerachtlaſſung der all— gemeinen Sicherheitsmaßregeln gegen Feuer— und Waſſergefahr. . Das Betreten von Verjüngungen gegen das Verbot des Waldbeſitzers, das unbefugte Befahren des Waldes ſowie das eigenmächtige Offnen von Schlagbäumen u. ſ. w. zählen eben— falls zu den forſtpolizeiwidrigen Handlungen. Nach § 368, Z. 9 des Reichsſtrafgeſetzes wird mit Geldſtrafe bis zu 60 Mark oder mit Haft bis zu 14 Tagen beſtraft, wer unbefugt über Gärten oder Weinberge, oder vor heen— deter Ernte über Wieſen oder beſtellte Acker, oder über ſolche Acker, Wieſen, Weiden oder Schonungen, welche mit einer Einfriedigung verſehen ſind, oder deren Betreten durch War— nungszeichen unterſagt iſt, oder auf einem durch Warnungszeichen geſchloſſenen Privat- wege geht, fährt, reitet oder Vieh treibt. Wenn auch mit Rückſicht auf die Art und Weiſe der Entſtehung des Waldeigenthums das Verlaſſen der beſtehenden Wege von Seite eines harmloſen Spaziergängers mit Recht nicht als ein öffentliches Delict betrachtet wird, jo wären doch Perſonen, welche außerhalb der Wege mit Frevelwerkzeugen betroffen werden, zur ne zu ziehen, wie dies z. B. die Forſtſtraf geſetze für Preußen. Württemberg, Baden, Heſſen, Oldenburg, Braunſchweig, die thüringiſchen Staaten u. ſ. w. vorſchreiben. Gleiche Strafe ſollte Jene treffen, welche, ohne Frevelwerk— zeuge außerhalb des Weges betreten, der Auf— forderung des Forſtperſonales, den Wald zu verlaſſen, bezw. ſich auf die Wege zu begeben, nicht ſofort Folge leiſten. Zu einer ſolchen Auf— forderung müſste das Forſtperſonale immer berechtigt ſein, wenn die betreffenden Perſonen durch ihre Antecedentien (namentlich infolge ihrer Beſtrafung wegen Forſt- und Jagdfrevels) und ihr Gebaren Verdacht erregen. Die Übertretungen der unter II., 2 erör— terten Controlvorſchriften bezüglich des Forſt— productenverkaufes bei Überhandnahme der Forſtfrevel durch Entwendung von Forſtpro— ducten gehören ebenfalls hieher. Man vgl. auch J. Albert, Lehrbuch der Staatsforſtwiſſenſchaft, Wien 1875. At. Jorſtpolizeiübertretungen, ſ. Forſt— ſtrafrecht. At. Jorſtpolizeiwidrige Handlungen, ſiehe Forſtſtrafrecht. At. Jorſtrath, im Staatsdienſte meiſt der Titel der forſtlichen Referenten bei Regierungs— behörden, mit welchen auch die Leitung des Forſtweſens verbunden iſt, oder auch bei den Centralſtellen in kleineren Staaten; im Privat- dienſte führt der oberſte Leiter der Forſtverwal— tung, bezw. der Referent für dieſelbe in der Centralſtelle mitunter den Titel Forſtrath⸗ (auch Forſtdirector oder Oberforſtmeiſter). In Oſter— reich haben jene Beamten des Miniſterialforſt— departements, dann jene Landesforſtinſpectoren (Organe der politiſchen Forſtaufſicht), und ſeit 1887 auch jene Inſpectionsbeamten der k. k. Forſt⸗ und Domänendirectionen, welche in der VII. Rangsclaſſe ſtehen, den Titel „Forſtrath“, jene, Een: in der VI. Rangsclaſſe neben den Titel „Oberforſtrath“. v. Gg. Jorſtrecht iſt die Geſammtheit der in Forſtſachen zur Anwendung kommenden Rechts— 158 Dasſelbe umfaſst das öffentliche und 3 Privatrecht. Die betreffenden geſetzlichen Beſtimmungen ſind von entſcheidendem Einfluſſe auf die ganze Forſtwirtſchaft und bedingen in Verbindung mit einer ſchnellen, wohlfeilen und unparteiiſchen Rechtspflege die zu einer gedeihlichen Entwick— lung des Verkehres nöthige Rechtsſicherheit. Vom öffentlichen Rechte kommen in Be— tracht das Verfaſſungs-, Verwaltungs⸗— und Strafrecht, der Civil- und Straf— proceſs und ſelbſt das Völkerrecht, wenn 3. B. eine Waldgrenze die Landesgrenze bildet, oder es ſich um Staatsverträge oder Staats- ſervituten handelt, die ſich auf Forſte, auf die Beſtrafung auswärtiger Forſtfrevler u. ſ. w. be— ziehen. Das Privatrecht unterſcheidet ſich in das Perſonen- und das Vermögensrecht. Das Perſonenrecht iſt bezüglich der Rechtsfähigkeit der Perſonen überhaupt und der juriſtiſchen Perſonen insbeſondere von Be— deutung. Ebenſo greift das Vermögensrecht nach jeder Richtung entſcheidend in die Forſtwirt— ſchaft ein. So gefährdet auf dem Gebiete des Erb— rechtes jede Beſtimmung, welche, wie z. B. beim Seniorate, die Kinder des dermaligen Waldbe— ſitzers von der Erbfolge ausſchließt, die Nach— haltigkeit der Wirtſchaft. Auch das beſtehende Vormundſchafts— und Familienrecht iſt von Bedeutung für die Waldbehandlung, indem z. B. im allge— meinen eine ſtrenge Controle des Vormundes durch den Staat für die Nachhaltigkeit des Betriebes ebenſo günſtig iſt, wie die Güter— . der Ehegatten. Das Obligationenrecht iſt ſelbſtver— ſtändlich für die dem Waldbeſitzer beſtändig vorkommenden Verträge über Verkauf, Kauf, Dienſtmiete u. ſ. w. von Wichtigkeit. Treibt der Waldbeſitzer Handel mit Forſt— producten, ſo ſind für ihn die Vorſchriften des Handels-, Wechſel- (in Frankreich zahlen die Holzkäufer nur mit Wechſeln) und ſelbſt des Seerechtes maßgebend. Von allen Theilen des Vermögensrechtes | ift jedoch das Sachenrecht bezüglich jeiner 104 Beſtimmungen über das Grundeigenthum und die übrigen dinglichen Rechte an Grund und Boden für den Waldbeſitzer das wichtigſte. At. In der älteren Literatur und in den Ur⸗ kunden kommt der Ausdruck Forſtrecht in ſehr verſchiedenem Sinne vor. 1. bezeichnet es nämlich ähnlich wie heute, eine auf dem Wald laſtende Berechtigung, 2. wurde Forſtrecht als gleichbedeutend gebraucht mit forſtlicher Obrig— keit oder Forſthoheit im engeren Sinn (aljo mit Ausſchluſs des Wildbannes), 3. verſtand man darunter auch bisweilen die für den Holz— bezug zu leiſtende Abgabe oder das dem Förſter zu zahlende Anweisgeld. Schw. Jorſtregal, analog dem Jagdregal (vgl. Jagdrecht), d. h. als ein ausſchließliches Eigen— thum des Landesherrn an den, Waldungen des Landes, gab es in Deutſchland nicht, und wurde ein ſolches auch nie in Anſpruch genommen. Dagegen verſtand man öfter unter höherem Forſtregal die Forſthoheit (ſ. d.) des Lan— desherrn, unter niederem oder unterem die Forſtgerechtigkeit (Forſtgerichtsbarkeit), welche auch den der Landesherrlichkeit unter— worfenen Landſaſſen (Adel, Geiſtlichkeit und Städte) zuſtehen konnte (ſ. a. Regal). At. Jorſtregulierung, ſ. Forſteinrichtung und Ertragsregelung. Nr. Jorſtreinertrag iſt der Geldbetrag, wel— cher nach Abzug aller Ausgaben in die Caſſe eines Waldbeſitzers fließt. Es iſt gebräuchlich, den Forſtreinertrag eines Jahres entweder auf die Flächeneinheit oder auf den Feſtmeter Derb— holz zu beziehen. Dadurch gewinnt man eine Größe, welche zur Beurtheilung des wirtſchaft— lichen Effectes dient. Nr. Jorſtrente iſt der in Rentenform ausge— drückte Ertrag eines Waldes. Man unterſcheidet die Waldrente, die Bodenrente und die Be— ſtandsrente. Die Waldrente iſt gleich dem Reinertrag, welchen der Wald (Boden plus Holzbeſtand) abwirft. Beim jährlichen Betriebe iſt die Waldrente gleich Au+Da-+...—[e+u(v+s)] Bezieht man Au, Da, c, v, s auf die Flächeneinheit, ſo iſt beim jährlichen Nachhalts— betriebe der jährliche Reinertrag gleich — ( 435 Die Bodenrente iſt gleichbedeutend mit dem Bodenreinertrag (ſ. Bodennettorente). Die Beſtandsrente iſt aus dem Beſtandswerte abzuleiten. Beim jährlichen Betrieb entſteht ſie, wenn man den Wert des normalen Vorrathes mit 0•˙0p multipliciert. Unterſtellt man den Bodenerwartungswert, ſo findet man die Vor— rathsrente, wenn man von dem jährlichen Rein— ertrage die Rente des Bodenerwartungswertes abzieht. Nr. Jorſtreſervate, ſ. Reſervate. Mcht. Forftrevier nennt man die Wirtſchafts— einheit des Waldes. Gewöhnlich iſt Voraus— ſetzung, daſs das Revier einem Beſitzer gehört und einem Wirtſchaftsführer (Ober- oder Re- vierförſter) zur Verwaltung übergeben iſt. Es iſt nicht ausgeſchloſſen, daſs ein Wirtſchafts— führer mehrere kleine Reviere verſchiedener Be— Forſtregal. — Forſtſchutz. ſitzer bei getrennter Wirtſchaft zugetheilt er— halten kann. Iſt die einem Beſitzer gehörige Waldung jo groß, daſs hiefür ein Verwal— tungsbeamter allein nicht genügt, jo muſßs die Theilung des Waldes in Reviere eintreten. Die niedrigſte Grenze der Flächenausdehnung eines Reviers wird durch den kleinſten Umfang des ſelbſtändig für ſich beſtehenden Waldeigen— thums, bezw. durch iſolierte Lage bedingt. Die höchſte Grenze beſtimmt die Lage bezw. Ar— rondierung eines Waldes, namentlich aber auch die Wirtſchaftsintenſität. Zur Arrondierung ſteht die Reviergröße im directen und zur Arbeits— intenſität der Wirtſchaft im umgekehrten Ver- hältnis. Überdies iſt es erklärlich, daſs die be— ſonderen Wirtſchafts-, Abſatz- und Perſonal⸗ verhältniſſe die Bildung der Forſtreviere beeinfluſſen. Gewöhnlich ſind die Reviere zwi— ſchen 1000 und 5000 ha groß. Nr. Forſtreviſton, ſ. Reviſionen. Nr. Jorſtrügenbuch, j. Forſtfrevelliſten. v. Gg. Jorſtſchutz. Sicherung des Waldes als Object des Eigenthums (Privatforſtſchutz) und der öffentlichen Wohlfahrt (öffentlicher oder ſtaatlicher Forſtſchutz) gegen die ihn gefährdenden oder benachtheiligenden äußeren Einwirkungen. Der öffentliche Forſtſchutz, gleichbedeutend mit Forſtpolizei, Forſt⸗ recht, erſtreckt ſich auf alle Wälder; der Pri- vatforſtſchutz hingegen nur auf das Eigen— thum und auf die als Waldeigenthümer oder deſſen Vertreter zu ergreifenden, geſetzlich zu— läſſigen Maßnahmen. Dieſe letzteren können ſich beziehen auf: A. Natürliche Factoren. J. Durch ſtandörtliche Verhältniſſe hervorgerufene Gefahren. Sie haben ins Auge zu faſſen: 1. Rückſichtlich des Bodens. a) die Bodenbewegungen; b) Bodenvernäſſung; c) Bodenverarmung. 2. Rückſichtlich des Klimas, die ſchädlichen Einflüſſe a) der Temperaturextreme; b) der Luftſtrömungen; c) der atmoſphäriſchen Niederſchläge; d) der Gewitter. II. Durch Thiere verurſachte Schäden rück— ſichtlich 1. der Säugethiere, 2. der Vögel, 3. der Kerfe. III. Durch Gewächſe hervorgerufene Be— nachtheiligungen und Krankheiten, u. zw.: 1. Phanerogame, 2. Kryptogame Gewächſe. B. Handlungen durch Menſchen. Die Aufgaben des praktiſchen Forſt⸗ ſchutzes laſſen ſich auf Grund vorſtehender Überſicht folgendermaßen zuſammenfaſſen: ad A obliegt es dem Forſtſchutze, die Ent— wicklung des Baumes, reſp. des Waldes während ſeines ganzen Entwicklungszeitraumes zu fürs dern und zu überwachen, natürliche Gefahren möglichſt von ihm abzuwenden und ihn gegen die Angriffe natürlicher Feinde nach Mög— lichkeit zu ſchützen; Forſtſchutz. 105 und ad B, die ſämmtlichen, wie immer Namen habenden, auf Grund getroffener Ver— fügungen durch das Arbeiterperſonale oder durch Unternehmer zur Ausführung gelangenden Arbeiten im Walde zu überwachen; das Wald— eigenthum gegen unberechtigte Angriſſe fremder Perſonen zu ſchützen, und Handlungen oder Unterlaſſungen, welche den Wald gefährden könnten, rechtzeitig entgegenzutreten. Die sub A präeiſierten Aufgaben ſind Ge— genſtand der Waldpflege; jene sub B fallen der Waldaufſicht zu. Der Waldpflege im obigen Sinne ob— liegt es mithin: 1. Elementare Gefahren, von denen der Wald bedroht oder betroffen wird, rechtzeitig abzuwenden, eventuell die erlittenen Schäden und ihre weiteren Folgen nach Mög— lichkeit zu ſanieren. 2. Das Auftreten krank— hafter oder ſonſt auffallender Erſcheinungen auf die denſelben zu grunde liegenden Urſachen zu unterſuchen, um 3. aus den ſo gewonnenen Ergebniſſen jene Mittel abzuleiten und in jach-, orts- und zeitgemäße Anwendung zu bringen, welche geeignet erſcheinen, um einerſeits a) das Übel mit Erfolg zu bekämpfen (Abſtellungs— mittel); oder b) demſelben noch rechtzeitig für die Zukunft vorzubeugen (Vorbeugungs— mittel). Die Waldaufſicht hingegen wird ſich zu befaſſen haben: 1. Rückſichtlich des Cultur— und Verjüngungsbetriebes mit der Über— wachung der ſämmtlichen, damit in directem oder indireetem Zuſammenhange ſtehenden Aus— führungsarbeiten. 2. Betreffs der Waldpflege: Beachtung der im Walde ſich bemerkbar machenden außergewöhnlichen und bedenklichen Erſchei— nungen und Anzeige hierüber an die Verwal— tungsbehörde; Beaufſichtigung der den Forſt— ſchutz bezweckenden Vorkehrungs- und Abſtel— lungsarbeiten. 3. In Rückſicht der Nutzungs- betriebe: Sicherung des Waldes und der Walderzeugniſſe gegen Mißbräuche, unerlaubte Handlungen und Unterlaſſungen. 4. Die Wald- grenzen betreffend: Beaufſichtigung derſelben rückſichtlich deren Inſtandhaltung und etwaiger Verſchiebung durch und zu Gunſten der An— grenzer. 5. Rückſichtlich etwa beſtehender Ser— vitutsverhältniſſe: Überwachung der Be— rechtigten in Bezug auf die ihnen obliegenden Verpflichtungen in activer und paſſiver Bezie— hung. 6. Forſtvergehen betreffend: die Be— aufſichtigung und den Schutz des Waldes gegen unerlaubte Handlungen überhaupt und ſolcher im Sinne des Forſtgeſetzes im Speciellen. Heß und Nördlinger legen ihren Lehr— büchern des Forſtſchutzes einen von der vor— ſtehenden abweichende Gliederung zu grunde, nämlich: I. Schutz der Waldungen gegen ſtörende Eingriffe der Menſchen. II. Schutz gegen Thiere (Säugethiere, Vögel, Inſecten). III. Schutz gegen Gewächſe (entfällt bei Nördlinger). IV. Schutz gegen atmoſphäriſche Einwirkungen. V. Schutz gegen außerordentliche Naturereigniſſe (Waſſer— ſchäden, Lawinen, Flugſand, Waldbrände). VI. (Anhang.) Schutz gegen gewiſſe Krankheiten (entfällt bei Nördlinger). Eine Trennung der Aufgaben des Forſt— ſchutzes in jene der Waldpflege und der Wald— aufſicht findet mithin hier nicht ſtatt. Literatur (betreffend das Geſammtgebiet des Forſtſchutzes umfaſſende Werke): Laurop C. P. Die Grundzüge des Forſt— ſchutzes in nöthiger Verbindung mit der Forſt— polizeilehre. Heidelberg 1810; 2. Aufl. 1833. Bechſtein, Dr. J. M. Die Waldbe⸗ ſchützungslehre für angehende und ausübende Forſtmänner und Cameraliſten. (Die Forſt— und Jagdwiſſenſchaft nach allen ihren Theilen IV. Bd., 1. Forſtſchutz.) Gotha 1818. Pfeil, Dr. W. L. Forſtſchutz und Forſt— polizeilehre, im Anhange die Nachweiſung der preußiſchen Forſtpolizeigeſetze. Berlin 1831; 2. Aufl. 1845. Kauſchinger G. Die Lehre vom Wald— chutz und der Forſtpolizei. Aſchaffenburg 1848; Aufl. herausgegeben von zwei Freunden 1872; 3. Aufl. vollſtändig neu bearbeitet von H. Fürſt. Berlin 1883. König, Dr. G. Die Waldpflege aus der Natur und Erfahrung neu aufgefasst. Gotha 1849; 2. Aufl. herausgegeben von Dr. C. Grebe, daſ. 1859; 3. Aufl., unter dem Titel: Der Waldſchutz und die Waldpflege. Von demſelben. Gotha 1875. Bernhardt A. Die Waldwirtſchaft und der Waldſchutz, mit beſonderer Rückſicht auf die Waldſchutzgeſetzgebung in Preußen. Berlin 1869. Guſe C. Aus dem Forſtſchutz. Berlin und Leipzig 1876. Simony, Dr. F. Schutz dem Walde! Vortrag, gehalten am 21. Februar 1877 in Wien. Nebſt einem Anhange: Über einige Feinde des Waldes von J. Edlen von Nahlik. Wien 1878. Buchmayer A. Der Forſtſchutz. Olmütz 1878. Für niedere und mittlere Forſtſchulen berechnet. 3 Sperling P. Die Erzfeinde des Waldes. Dresden 1878. Eine für Volksaufklärung be— rechnete populäre Schrift. Heß, Dr. Richard. Der Forſtſchutz. Leipzig 1878; 2. Aufl. 1. Bd. (der 2. Bd. im Erſcheinen begriffen), daſ. 1887. Nördlinger, Dr. H. Lehrbuch des Forſt— ſchutzes. Berlin 1884. Dieſe beiden zuletzt genannten Autoren behandeln den Gegenſtand am erſchöpfendſten. Dem Texte ſind zahlreiche, inſtructive und vor— züglich ausgeführte Holzſchnitte ee Hſchl. Jorſtſchutz. Legislatur in Oſterreich.) Die politiſchen Behörden haben für das Vor— handenſein eines entſprechend zahlreichen und genügend gebildeten Forſtwirtſchaftsperſonales (J. Wirtſchaftsführer und Prüfungsweſen) und außerdem (nach § 52 F. G.) dafür zu ſorgen, daſs dem Forſtverwaltungsperſonale ein ange— meſſenes Schutz- und Aufſichtsperſonale nach Maßgabe des landesüblichen Gebrauches beige— geben werde. Durch $ 10 der Durchführungs-Vdg. des F. G. v. 3./7. 1873 wird den politiſchen Bezirksbehörden dieſe Vorſchrift neuerlich einge— ſchärft und darauf hingewieſen, daſs mehrere Beſitzer von kleinen Waldungen entweder mit — 1 106 größeren Nachbarbeſitzern ein Übereinkommen treffen oder zu einer Genoſſenſchaft vereinigt werden ſollen, damit ausreichendes Aufſichts— perſonale beſtellt werde. Bei Zweifeln und An— ſtänden oder falls öffentliche Rückſichten es er— heiſchen, hat die politiſche Landesſtelle „mit Beachtung aller Verhältniſſe die angemeſſene Beſtimmung zu treffen“. Eine detaillierte dies— bezügliche Vorſchrift betreffend die Creierung eines Forſtſchutz- und Aufſichtsperſonales für kleinere und Gemeindewaldungen hat die Be— zirkshauptmannſchaft von Vöcklabruck (Ober— öſterreich) unterm 17/3. 1874, 3. 1949 erlaſſen, die mähriſche Statthalterei mittelſt Kundmachung v. 28./10. 1873, L. G. Bl. Nr. 69, und die krainiſche Landesregierung mit Vdg. v. 9./10. 1874, L. G. Bl. Nr. 30. Für das Forſtſchutz— perſonale in Tirol und Vorarlberg iſt die kaiſ. Vdg. v. 19./4. 1856, R. G. Bl. Nr. 70 ($ 32 ff) und die kaiſ. Vdg. v. 12./7. 1859 maßgebend; hienach ſind in den Gemeindebezirken zur Unter— ſtützung der „Waldaufſeher“ zwei Ausſchüſſe aufzuſtellen, die Waldaufſeher werden über Vor— ſchlag der Gemeinden ernannt, ihre Beſoldung durch Concurrenz der Gemeinden und Wald— beſitzer gedeckt. Außerdem werden aus Landes— mitteln (dermalen 108) Forſtwarte erhalten, für welche eine ausführliche Dienſtinſtruction erlaſſen wurde. Zu dem forſttechniſchen Per— ſonale der politiſchen Verwaltung gehören nach der Miniſterialverordnung v. 27./7. 1883, R. G. Bl. Nr. 137 auch Forſtwarte (ſ. Behörden). Durch das Geſetz v. 9./11. 1880, L. G. Bl. Nr. 2 ex 1881 (8 11) haben die Gemeinden in Dalmatien für die Beaufſichtigung ihrer Waldungen „Forſthüter“ zu beſtellen, u. zw. für je 300 ha einen; die Stellung dieſer Forſt— hüter richtet ſich nach dem Geſetze v. 16/6. 1872 (ſ. unten). Nach dem dalmatiniſchen Feldſchutz— geſetze v. 13./ 2. 1882, L. G. Bl. Nr. 18 (8 33) kann den Feldhütern, dort wo keine eigenen Forſtſchutzorgane beſtehen, unter Beobachtung der für den Forſtſchutz beſtehenden Vorſchriften, „auch die Überwachung der Gemeinde- oder Privatwälder übertragen werden“. Das vom Staate oder den Gemeinden aufgeſtellte Forſtperſonale iſt jedenfalls von der volitiichen Bezirksbehörde zu beeiden, das Privatperſonale über Wunſch der Walbdbeſitzer, damit dasſelbe der (unten zu erörternden) Vor— theile theilhaftig werde. Anſuchen um Beeidi— gung des privaten Forſtſchutzperſonales ſind nach dem Decrete des Finanz-M. vom 22.2. 1868, 3. 5816 (im Sinne der T. P. 44 lit. & des Gebührengeſetzes v. 9/2. 1850, R. G. Bl. Nr. 50) ſtempelfrei, weil das be— eidete Forſtperſonale als öffentliche Wache an— zuſehen iſt. Die Erforderniſſe für die Beeidi— gung zum Forſtſchutzdienſte ſind durch die Vdg. des Min. des Innern und der Juſtiz vom 1/7. 1857, R. G. Bl. Nr. 124 feſtgeſtellt: Nur Männer „von unbeſcholtenem Benehmen“, welche das 20. Jahr zurückgelegt und die vorgeſchrie— bene Staatsprüfung ((ſ. Prüfungsweſen) abge— legt haben, können beeidet werden. Perſonen, welche wegen eines Verbrechens, eines aus Ge— waltthätigkeit entſpringenden Vergehens oder einer ſolchen Übertretung, ferner eines Ver— Forſtſchutz. gehens oder einer Übertretung aus Gewinn— ſucht oder gegen die öffentliche Sittlichkeit oder wegen einer anderen Geſetzesübertretung zu einer mindeſtens ſechsmonatlichen Freiheitsſtrafe verurtheilt wurden, dürfen ohne beſondere Be⸗ willigung der politiſchen Landesſtelle, welche aber nur in rückſichtswürdigen Fällen zu er— theilen iſt, für den Forſt- und Jagdſchutzdienſt nicht in Eid und Pflicht genommen werden. Tritt einer dieſer Ausſchließungsgründe bei einem beeideten Forſtſchutzmanne ein, ſo ver— liert er die durch die Beeidigung erlangten Vorrechte kraft des Geſetzes. Wegen Schwäche des Wahrnehmungs- und Erinnerungsvermö— gens, wegen Hang zur Trunkenheit, zum Spiele, zu Raufhändeln und Exceſſen, wegen Verdachtes der Beſtechlichkeit und des Schleich— handels, überhaupt wegen ſolcher phyſiſchen oder moraliſchen Gebrechen, die nach dem Da— fürhalten der Behörde zur Ausübung des Forſtſchntzdienſtes, zu dem Rechte einer obrigfeit- lichen Perſon und Civilwache minder geeignet oder ganz unfähig machen, kann die Zulaſſung zur Beeidigung verweigert werden. Wegen ein— getretener derartiger Gebrechen kann auf den Verluſt dieſer Vorrechte erkannt werden. Die Entſcheidung in allen dieſen Fällen ſteht der Bezirkshauptmannſchaft zu, gegen normalen Recurs an die Oberbehörden. Jeder Beeidete erhält eine ſchriftliche Beſtätigung der geſche— henen Beeidigung als Legitimation. Die Be— zirkshauptmannſchaften haben genaue Evidenz über das in ihrem Bezirke befindliche Forſt— ſchutzperſonale zu führen; Dienſtgeber oder deren Stellvertreter haben bei einer Strafe von 2 bis 10 fl. jede Veränderung im Stande ihres be— eideten Perſonales längſtens binnen ſechs Mo— naten der Behörde zur Kenntnis zu bringen. (Alle dieſe Vorſchriften gelten auch für den Jagdſchutzdienſt, ſ. Jagdſchutz.) Die nach dem Miniſterialerlaſſe v. 3./ J. 1849, R.⸗G.-Bl. Nr. 67 geſchehene Beeidigung iſt (laut Minifterialerlajs v. 3./4. 1853 R. G. Bl. Nr. 38) auch der⸗ malen giltig. Durch die Beeidigung wird der Forſtſchutz— mann zur öffentlichen (Civil-) Wache und genießt als ſolche gewiſſe Vorrechte und be— ſonderen Schutz Der Forſtſchutzmann hat das Recht, im Dienſte Schieß- und Seitengewehr — „die üblichen Waffen“ — zu tragen und bedarf hiezu eines an nicht (Waffen- patent v. 24./ 10. 185%, R. G. Bl. Nr. 223, $ 15 al. a). Laut Entſch. d. Min. d. J. v. 12./2. 1874, 3. 17.098 ex 1873 (im Einvernehmen mit dem A.-M.) findet das im Jagdgeſetz für Böhmen (v. 1./6. 1868, $ 42 al. 4) aus⸗ geſprochene Verbot des Betretens des Jagd— reviers mit Schießgewehren u. ſ. w. ohne Be— willigung des Jagdherrn auf das beeidete Forſt— ſchutzperſonale keine Anwendung, d. h. der beeidete Forftichugmann kann den ihm zuge— wieſenen Schutzrayhon mit der Waffe auch dann begehen, wenn die Jagdberechtigung in demſelben verpachtet iſt; „beſtehende Geſetze müſſen ſo ausgelegt und gehandhabt werden, daſs fie keinen Widerſpruch enthalten und nicht eines das andere lahm legen .. . ſonſt käme man zu der Conſeqnenz, daſs der Forſtſchutz⸗ . Forſtſchutz. mann im Grunde des Jagdgeſetzes von dem Jagdaufſeher aus dem Walde, und daſs das Jagdperſonale mit Berufung auf § 55 F. ©, von der Forſtaufſicht aus der Jagd im Walde abgeſchafft werden könnte“. Dieſe Entſcheidung iſt per analogiam auch für die übrigen Kron— länder ſicherlich anwendbar. Von den Waffen darf der Forſtſchutzmann „nur im Falle gerechter Nothwehr“ (j. dort) Gebrauch machen. Jedermann iſt gehalten, ſeinen dienſtlichen Aufforderungen Folge zu leiſten. In Übertretungsfällen macht deſſen Ausſage (nach $ 453 der Strafproceſsordnung v. 23./5. 1873), wenn fie unter Berufung auf den Dienſteid abgegeben, ſich nur auf That— ſachen und Umſtände bezieht, welche der Forſt— ſchutzmann in Ausübung ſeines Dienſtes wahr— genommen hat und dem Ausſagenden keinen Vortheil bringt, vollen Beweis, obwohl Gegen— beweis zuläſſig iſt. Außerdem genießt der Forſt— ſchutzmann als öffentliche Wache beſonderen ſtrafgeſetzlichen Schutz. Jede wörtliche oder thätliche Beleidigung desſelben, wenn er ſich im Dienſte befindet, iſt als „Übertretung“ (nach SS 312, 313 Str. G.), erſtere mit Arreſt von drei Tagen bis zu einem Monate, letztere bis zu ſechs Monaten zu beſtrafen; iſt durch die Beleidigung die Vollſtreckung eines obrigkeit— lichen Auftrages oder die Ausübung des Dienſtes verhindert worden, ſtrenger Arreſt von 3—6 Monaten. Andere Einmengungen in den Dienſt, um deſſen Ausübung oder Vollziehung eines amtlichen Befehles zu verhindern, werden mit Arreſt von einem Tage bis zu einem Monate beſtraft. Die Zuſammenrottung mehrerer Per— ſonen, um einem beeideten Forſtſchutzmanne im Dienſte „mit Gewalt Widerſtand zu leiſten“, ſei es „um etwas zu erzwingen, ſich einer auf— liegenden Pflicht zu entſchlagen, eine Anſtalt oder die Vollziehung eines öffentlichen Befehles zu vereiteln oder auf was immer für eine Art: die öffentliche Ruhe zu ſtören“, gleichgiltig ob ſich Jemand „der Rottierung gleich anfänglich oder erſt in dem Fortgange zugeſellt“, bildet das Verbrechen des Aufſtandes (SS 68—72 Str. G.). Die in der Widerſetzlichkeit Be— harrenden werden mit ſchwerem Kerker von 5—10 Jahren, wenn ſie zugleich Aufwiegler und Rädelsführer ſind, von 10—20 Jahren be— ſtraft; ſonſt ſind die Rädelsführer mit ſchwerem Kerker von 5—10 Jahren, die übrigen von 1—5 Jahren zu beſtrafen; hat ſich die Unruhe bald wieder gelegt: Anſtifter mit Kerker von 1—5 Jahren, die übrigen ſechs Monate bis ein Jahr. „Wenn Jemand für ſich allein oder auch, wenn Mehrere, jedoch ohne Zuſammenrottung, ſich dem Forſtſchutzperſonale in Vollziehung eines obrigkeitlichen Auftrages oder in Aus— übung ſeines Amtes oder Dienſtes, in der Ab— ſicht um dieſe Vollziehung zu vereiteln, mit gefährlicher Drohung oder wirklicher gewalt— ſamer Handanlegung, obgleich ohne Waffen und Verwundung widerſetzt oder eine dieſer Hand— lungen begeht, um eine Amtshandlung oder Dienſtverrichtung zu erzwingen“, begeht er (nach $ 81 Str. G.) das Verbrechen der öffent— lichen Gewaltthätigkeit. Unter „Hand— anlegung“ verſteht man jede Handlung, durch 107 welche der Forſtſchutzmann gezwungen wird, das verbotene Vorgehen des Thäters, welches er hindern will, geſchehen zu laſſen; Art und Grad der gebrauchten Gewalt iſt nicht maß— gebend (Entich. d. O. G. H. als Caſſ.-H. v. 2./10. 1875, Z. 3618). Nach der Entſch. d. O. G. H. als Caſſ.⸗H. v. 7./11. 1876, 3. 5840 genügt es zur „gewaltſamen Handanlegung“, wenn mittel— bar aus der angewendeten Gewaltthätigkeit ein Nachtheil für die körperliche Unverletztheit des Schutzorganes entſtehen kann, doch mußs dieſes durch einen gegen dasſelbe gerichteten Wider— ſtand phyſiſch oder pſychiſch zur Abſtehung vom Dienſtvollzuge gezwungen werden ſollen. Nach Entſch. d. O. G. H. als Caſſ.-H. v. 20.12. 1880, 3. 9454 genügt „jede gewaltſame auf Ver— eitelung der Amtshandlung oder Dienſtver— richtung abzielende Handlung“ für den That— beſtand des S 81 Str. G. So wurde durch Entſch. d. O. G. H. als Caſſ.⸗H. v. 19./6. 1881 ein Angeklagter wegen Verbrechens der öffent— lichen Gewaltthätigkeit nach $ 81 Str. G. ver- urtheilt, weil er ſich mit dem für den Jagd— ſchutzdienſt beeideten Wachmann um ſein pfand— weiſe abgenommes Gewehr herumzerrte und es auch ſchließlich an ſich riß. Denn „das Merk— mal der wirklich gewaltſamen Handanlegung iſt keineswegs an die Vorausſetzung geknüpft, als ob die Gewalt gerade mit der Hand und unmittel— bar am Körper ausgeübt werden müſste Es genügt hiezu jede Widerſtandshandlung durch Anwendung einer körperlichen Kraft, welche der Thätigkeit des öffentlichen Organes ent— gegentritt und dasſelbe vor die Alternative ſtellt, entweder den Widerſtand mit Aufbietung phyſiſcher Kraft zu beſeitigen oder von der Amtshandlung abzuſtehen. Dajs das Geſetz mit dem Ausdrucke „gewaltſamer Handanlegung“ nur das Minimum der zum $ 81 Str. G. erforderlichen Gewalt bezeichnen wollte, ergibt ſich aus den daſelbſt unmittelbar nachfolgenden Worten „obgleich ohne Waffen oder Verwun— dung“, da die Anwendung von Waffen offenbar nicht mit der Handanlegung im buchſtäblichen Sinne zuſammenfällt. Nicht vis absoluta, ſondern vis compulsiva fordert $ 81 Str. G.; daſs die angewandte Gewalt geeignet ſei, es dem Angegriffenen wirklich unmöglich zu machen, auf ſeinem Vorhaben zu beharren, iſt nicht erforderlich“. Strafe: ſchwerer Kerker von ſechs Monaten bis ein Jahr; bei Widerſtand mit Waffen oder begleitet von Beſchädigung oder Verwundung oder um eine Amtshandlung oder Dienſtverrichtung zu erzwingen, ſchwerer Kerker von, 1—5 Jahren. (Der Thäter mujs die Waffe nicht blos beſeſſen, ſondern muſs ſie zu Angriff oder Vertheidigung bereit gehalten, wenn auch nicht gebraucht haben. Entſch. d. O. G. H. als Caſſ.⸗H. v. 16./4. 1874, Z. 2384; „Waffen“ ſind ſolche Werkzeuge, welche entweder zum Angriffe oder zur Vertheidigung beſtimmt ſind oder mit denſelben gleiche Brauchbarkeit haben., Eutſch. d. O. G. H. als Caſſ.⸗H. v. 11/12. 1874, 3. 10.576.) Nach der Entſch. d. O. G. H. als Caſſ.⸗H. v. 24./6. 1873, Z. 6191 iſt die wörtliche oder thätliche Bedrohung eines beei— deten Hegers ſeitens eines beim Wilddiebſtahle Betretenen auch „öffentliche Gewaltthätigkeit“, 108 Forſtſchutz. wenn der Letztere nicht auf dem dem Erſteren zur Überwachung zugewieſenen Territorium, ſondern in unmittelbarer Nähe desſelben be— treten worden iſt. „Das beeidete Forſtperſonale iſt verpflichtet, jeden außer den öffentlichen Wegen im Forſte Betretenen, wenn ſein Aufenthalt im Walde zu Beſorgniſſen für die öffentliche Sicherheit oder das Waldeigenthum Anlaſs gibt, aus dem Forſte hinauszuweiſen. Jedermann iſt gehalten, ſeinen dienſtlichen Aufforderungen Folge zu leiſten. (Widerſtand iſt nach den oben mitge— theilten Beſtimmungen des Strafgeſetzes zu behandeln.) Wird Jemand im Forſte außer den öffentlichen Wegen mit Werkzeugen be— treten, welche gewöhnlich zur Gewinnung oder Bringung der Forſtproducte verwendet werden (Hacken, Sägen, Handgeräthe jeder Art u. ſ. w.), ſo ſind ihm dieſe Werkzeuge, falls er deren Mitnahme nicht zu rechtfertigen vermag, abzu— nehmen und dem Ortsarmenfonde zuzuweiſen. Iſt ein im Forſte Betretener eines vollbrachten Waldfrevels verdächtig, ſo können die allenfalls vorgefundenen verdächtigen Forſtproducte mit Beſchlag belegt werden.“ ($$ 55 und 56 F. G.) „Beim Frevel auf der That betretene oder des Frevels verdächtige unbekannte Perſonen ſind feſtzunehmen, auf dem Frevel betretene bekannte Perſonen aber nur dann, wenn ſie ſich dem Forſtperſonale widerſetzten, es beſchimpften oder ſich an ihm vergriffen; ferner wenn ſie keinen feſten Wohnſitz haben oder ſehr bedeu— tende Frevel verübten. Die feſtgenommenen Perſonen ſind ohne Verzug der competenten Behörde (bei eigentlichen Freveln [j. d.] der Bezirkshauptmannſchaft, bei ſtrafgerichtlich zu ahndenden Vorgängen dem Gerichte erſter In— ſtanz) zu übergeben. Im Falle als der auf friſcher That Betretene entfloh, kann er außer den Forſten verfolgt, und das von ihm ent— wendete Forſtproduct mit Beſchlag belegt wer— den“ (SS 57 und 58 F. G.). Über das Recht, zu dieſem Behufe den Körper der Eiſenbahnen zu betreten, ſ. „Eiſenbahnen“; über die hieher gehörigen internationalen Vereinbarungen, . „Conventionen“, über das Recht des Forſt— Ihußperjonales Hausdurchſuchungen vorzu— nehmen, ſ. „Hausrecht“. Die Pfändung anderer als der oben be— zeichneten Gegenſtände iſt dem Forſtſchutzper— ſonale nicht geſtattet, wobei allerdings die Vieh— pfändung, wenn Schaden durch unberechtigt eingetriebenes Vieh angerichtet wurde, ausge— nommen werden mujs (ſ. Pfandrecht). Der O. G. H. als Caſſ.-H. hat mit Entſch. v. 14/12. 1885, Z. 10.041 erklärt, daſs die Pfändung von Effecten eines Frevlers, welche nicht That— werkzeuge oder Producte des Frevels ſind, nicht in den Begriff einer Amtshandlung oder Dienſtesausübung des Forſtſchutzperſonales ge⸗ hören und demnach die geſchehene Pfändung der Mütze eines Frevlers „eine Anmaßung einer dem Forſtſchutzperſonale geſetzlich nicht zuſtehenden Dienſtgewalt“ iſt. Damit das Forſtſchutzperſonale als ſolches „erkannt und als öffentliche Wache geachtet werden könne, hat es im Dienſte das vorge— ſchriebene Dienſtkleid zu tragen oder wenig— ſtens durch bezeichnende und zur öffentlichen Kenntnis des Bezirkes gebrachte Kopfbedeckung oder Armbinde ſich kenntlich zu machen“ (§ 34 F. G.). Die Faſſung dieſer Beſtimmung iſt jedenfalls undeutlich und lückenhaft, weil ſie die Wirkung des Nichttragens eines derartigen Abzeichens für den Schutzmann und den Frevler zu beſtimmen unterläſst und dem Zweifel Raum gibt, ob eine Widerſetzlichkeit gegen einen Forſt— ſchutzmann, welcher ohne Dienſtzeichen fungiert, ſtrafbar iſt oder nicht. Nach dem Buchſtaben und dem Geiſte des F.⸗G. mußs hierüber Folgendes gejagt werden: Die citierte Beſtimmung des F.-G. hat offenbar den Zweck, den Forſtſchutzmann als ſolchen erkennbar zu machen; daraus folgt aber nicht, daſs eine dienſtliche Function desſelben, auch wenn derſelbe ſie ohne Abzeichen vornimmt, als nicht von einer obrigkeitlichen Perſon vollzogen angeſehen werden dürfte; war dem Frevler der Forſtſchutzmann als) ſolcher er— wieſenermaßen bekannt, ſo iſt eine Widerſetzlich— keit gegen denſelben nach den oben mitgetheilten Normen zu behandeln; im entgegengeſetzten Falle nicht, es wäre denn, daſs der Forſtſchutz— mann zwar kein Abzeichen trug, ſich aber während ſeiner Amtsaction durch die behörd— liche Eidesbeſtätigung als beeideter Forſtſchutz— mann legitimiert hätte. Wir können dieſe Auf— faſſung unterſtützen durch eine unterm 1/6. 1883, 3. 4593 erfloſſene Entſch. d. O. G. H. als Caſſ.-H. durch welche ein Frevler, der ſich einem ihm bekannten Forſtſchutzmanne, welcher bei der Feſtnehmung des Frevlers das Dienft- zeichen nicht trug, widerſetzte, nach $ 81 St-G. verurtheilt wurde. Die hier geſchilderte Lage der Dinge hat eine Anderung dadurch erfahren, daſs neueſtens Geſetze über die Dienſtesabzeichen, u. a. auch des Forſtſchutzperſonales erfloſſen ſind. Für jedes beeidete Wachperſonale zu Zwecken der Bodencultur (Land- unb Forſtwirtſchaft, Jagd, Bergbau, Fiſcherei, Waſſer u. ſ. w.), alſo auch des Forſtſchutzb- und Jagdperſonal, welches auf Grund von Landesgeſetzen aufgeſtellt iſt, gilt bezüglich ſeiner öffentlichen Stellung das Geſetz v. 16./6. 1872, R. G. Bl. Nr. 84. Nachdem wir uns auf dieſe Normen bezüglich das Forſt-, Jagd-, Fiſcherei- und Waſſerſchutzes berufen müſſen, ſeien dieſelben hier ſkizziert: „Die Wachmänner ſind, wenn ſie in Ausübung ihres Dienſtes handeln und hiebei das ihnen vorgeſchriebene Dienſtkleid oder Dienſtzeichen tragen, als öffentliche Wachen anzuſehen und genießen die in den Geſetzen begründeten Rechte, welche den obrigkeitlichen Perſonen und Civilwachen zukommen“ ($ 2). Hier iſt deutlich erklärt, daſs das Tragen des Dienſtkleides u. ſ. w. die Vorausſetzung dafür abgibt, daſs das Wachperſonale auch die Vorrechte einer Wache genießt; trägt alſo dieſes Wachperſonale das vorgeſchriebene Dienſtabzeichen nicht, ſo genießt es weder die Vorrechte noch den weitgehenden Schutz des Strafgeſetzes und iſt daher Zuwiderhandeln oder Widerſetzlichkeit gegen deſſen Anordnungen nicht nach den Aus— nahmsbeſtimmungen des Strafgeſetzes, ſondern Forſtſchutz. jo zu behandeln, wie wenn die Widerſetzlichkeit ö 6 gegen eine andere Perſon vorgekommen wäre. Der O. G. H. als Caſſ.-H. hat mit Entſch. v. 5./6. 1880, 3. 4605 (für Feldſchutzperſonale) anerkannt, daſs in einem Lande, in welchem für dieſe Kategorie von Schntzperſonale ein Landesgeſetz beſteht, nur jene beeideten Wach— männer, welche das vorgeſchriebene Dienſtkleid oder Abzeichen tragen, die Vorrechte der Civil— wache genießen. Die hierüber erlaſſenen Landesgeſetze und Statthaltereiverlautbarungen ſind folgende: Böhmen v. 21./2. 1885, L. G. Bl. Nr. 41, Statth.⸗Vdg. v. 2./10. 1885, 3. 8843/präs., L. G. Bl. Nr. 42, weißen Wappenſchild, auf der linken Bruſtſeite zu tragen; ferner folgende Landesgeſetze, insgeſammt v. 29./5. 1887; Bu⸗ kowina Nr. 17 und Bog. v. 25/10. 1887, 3. 10.859, Nr. 28, Armbinde mit braunen und grünen Streifen und gelbem Metallſchilde mit dem kaiſ. Adler und Landeswappen; Dalma— tien Nr. 28 und Kundm. d. Statth. v. 31./10. 1887, Z. 20.362, Nr. 34, dunkelblaue Armbinde mit gelbem Metalladler und Landeswappen; Galizien Nr. 42 und Statth.-Vdg. v. 28/11. 1887, Z. 67.265, Nr. 65, blaurothe Armbinde und gelber Metallſchild mit dem Landeswappen; Kärnthen Nr. 26 und Odg. d. Landes-Pr. v. 16./7. 1887, 3. 7530, Nr. 27, braun-grüne Armbinde mit gelbem Metalladler uud Landes— wappen; Krain Nr. 28 und Bog. d. Landes-Pr. v. 2./12. 1887, Z. 11.430, Nr. 29, gelber Metall- ſchild; Küſtenland Nr. 21 und Statth.-Vdg. v. 24./8. 1887, Z. 11.922, Nr. 24, braun⸗grüne Armbinde mit gelbem Metalladler und Landes- wappen; Mähren Nr. 75, Statth.⸗Vdg. v. 18.6. 1887, Nr. 76, Metallſchild; Nieder- öſterreich Nr. 42, Statth.⸗Vdg. v. 22./7. 1887, 3. 38.348, Nr. 46, Metallſchild; Oberöſter— reich Nr. 18, Kundm. d. Statth. v. 12/10. 1887, 3. 11.705/1, Nr. 25, gelber Metallſchild mit dem kaiſ. Adler und Landeswappen; Salz- burg Nr. 16, Statth.⸗Vdg. v. 26/11. 1887,38: 846, Nr. 28, Metallſchild mit dem kaiſ. Adler und Landes— wappen; Schleſien Nr.33, Kundm. d. Landes-Pr. v. 12./7. 1887, 3. 7790, Nr. 34, Metallſchild mit dem Landeswappen; Steiermark Nr. 39, Statth.⸗Vdg. v. 3.) 8. 1887, Nr. 40, Metall⸗ ſchild mit Emblemen; Tirol und Vorarlberg Nr. 31, 32. Die Metallſchilde ſind auf der linken Bruſtſeite zu tragen. Durch den Erl. d. A.-M. v. 8.6. 1887, Z. 7775, wird ausdrücklich betont, daſs zwar die Ortsbehörden Wachorgane beſtellen, aber keinesfalls beeiden können. Dieſe Geſetze ſind ſeit anfangs 1888 in Wirkſamkeit. Nach dieſen Geſetzen ſind die Wachorgane verpflichtet, bei Ausübung ihres Dienſtes das vorgeſchriebene Abzeichen zu tragen, doch können neben dem— ſelben noch andere zur Kennzeichnung des Dienſtes oder Culturzweiges dienende Embleme getragen oder von den Dienſtherren beigefügt werden. Trägt der Wachmann das Dienſtzeichen bei dienſtlichen Functionen nicht, ſo wird er nach der Min.⸗Vdg. v. 30./9. 1857, R. G. Bl. Nr. 198 mit Geld von 1—100 fl. oder mit Arreſt von ſechs Stunden bis zu 14 Tagen beſtraft und die Beſtrafung dem Dienſtherrn zur Kenntnis gebracht. Der gleichen Strafe ver— — — — ———e 109 fallen Jene, welche ſich das Dienſtzeichen un— befugt anmaßen, wenn ihre Handlungsweiſe nicht unter das Strafgeſetz fällt. Verhaftungen dürfen (nach dem Geſetze v. 16./6. 1872) nur zum Zwecke der Ablieferung an die competente Behörde (binnen längſtens 48 Stunden nach dem Geſetze v. 27/10. 1862, R. G. Bl. Nr. 87, § 4) und unter folgenden Vorausſetzungen vorgenommen werden: Wenn der Betretene dem Wachmanne unbekannt iſt oder innerhalb des Aufſichtsrayons keinen Wohnſitz hat oder ſich dem Wachorgane wider— ſetzt, es beſchimpft oder ſich ihm widerſetzt oder bedeutenden Schaden verurſacht oder mit be— ſonderer Bosheit gehandelt hat; außerdem wenn ein Unbekannter auf fremdem Grund und Boden oder in der Nähe von Gegenſtänden der Be— aufſichtigung des Wachmannes unter Umſtänden getroffen wird, welche den dringenden Verdacht erregen, daſs er eine ſtrafbare Handlung (auch Frevel) an den erwähnten Gegenſtänden verübt oder zu verüben verſucht habe. Perſonen, welche der Wachmann verhaften darf, kann er auch über ſein Aufſichtsgebiet hinaus verfolgen und außerhalb desſelben feſtyehmen (wohl auch eine Hausdurchſuchung e Den auf friſcher That Betretenen können die von der ſtrafbaren Handlung herrührenden ſowie die zur Verübung derſelben beſtimmten Sachen abgenommen wer- den (aber keine anderen Sachen, alſo z. B. Effecten, ſ. oben; auch hier dürfte Haus durch— ſuchung geſtattet ſein, ſ. Hausrecht). Auch ſolchen Perſonen, welche dringend verdächtig erſcheinen, eine ſtrafbare Handlung an den ſeiner Beauf— ſichtigung anvertrauten Gegenſtänden verübt zu haben oder vorzubereiten, kann der Wachmann jene Sachen abnehmen, welche allem Anſcheine nach von Verübung einer ſolchen ſtrafbaren Handlung herrühren oder hiezu beſtimmt ſind, falls deren Mitnahme nicht gerechtfertigt wer— den kann. Nach dem ungariſchen F. G. vom Jahre 1879 (SS 22—24 und 37 45) ſind die Be⸗ ſitzer der unter öffentlicher Aufſicht ſtehenden und zur Vorlage von Wirtſchaftsplänen (j. d.) verpflichteten Waldungen zur Anſtellung einer genügenden Anzahl von Waldhütern ver— halten; Bewirtſchaftung und Schutz kann bei kleinen oder minder wertvollen Wäldern über Bewilligung durch den Verwaltungsausſchuſs von einer Perſon verſehen werden, und können ſich auch mehrere Perſonen zur Beſtellung eines gemeinſchaftlichen Waldhüters vereinigen. Ver⸗ ſäumniſſe in dieſer Richtung hat der Verwal— tungsausſchuſs zu corrigieren. Freie Privat- waldbeſitzer ſind in Bezug auf ihr Schutzper— ſonale nicht gebunden. Waldhüter kann nur ſein ein unbeſcholtener Mann, welcher das 24. Lebensjahr zurückgelegt hat; in den obbezeich— neten Waldungen vom 14./6. 1889 an nur Perſonen, welche die Waldhüterprüfung mit gutem Erfolge beſtanden haben (die hierüber zu erlaſſende Verordnung iſt derzeit noch nicht erfloſſen). Die Waldhüter haben vor dem Stuhl- richter (in Städten mit geordnetem Magiſtrate vor dem Feldpolizeihauptmanne, in der Haupt- ſtadt vor dem Oberſtadthauptmanne) einen Eid abzulegen. Privatwaldbeſitzer können ihre Wald— 110 Forſtſchutzbedienſtete. hüter ebenfalls beeiden laſſen, doch müſſen dieſe | jeinen Geſchäften in der Kanzlei und im Walde die oberwähnten Vorbedingungen erfüllen. Über den abgelegten Eid wird ein Zeugnis ausge— ſtellt. Die beeideten Waldhüter ſind als poli— zeiliche Organe zu betrachten und dürfen als ſolche eine (ſteuerfreie) Schuſswaffe tragen. Die Waldhüter der obbezeichneten Waldungen haben alle Forſtübertretungen in ein Forſtjournal einzutragen, in welchem alle Details der Über— tretung erſcheinen. Ausweiſe aus dem Forſt— journal über die nicht verglichenen Schäden u. ſ. w. find am 1. und 16. jeden Monates dem Stuhlrichter vorzulegen. Auch die Privatwald— beſitzer können ſolche Forſtjournale führen laſſen, denen die gleiche Rechtskraft mit den hier erwähnten zukommt, wenn die privaten Waldhüter ein Eideszeugnis beſitzen und beim Verwaltungsausſchuſſe angemeldet ſind. Tritt ein beeideter Waldhüter aus dem Dienſte, ſo hat der Waldbeſitzer den Stuhlrichter binnen 15 Tagen hievon zu verſtändigen. Die Wald— hüter haben im Dienſte das behördlich feſtge— ſetzte, leicht erkennbare Abzeichen zu tragen. Mcht. Jorſtſchutzbedienſtete (Deutſchland) ſind jene Organe der Forſtverwaltung, welche die Abweiſung und Anzeige rechtswidriger Eingriffe in das Waldeigenthum als Hauptgeſchäft, die Beaufſichtigung der verſchiedenen Waldarbeiter, die Unterſtützung des Revierverwalters bei der Betriebsführung, ſowie die Controle desſelben bei der Material-Einnahme und Ausgabe und der Entlohnung der Arbeiter aber als Neben— aufgabe haben. Dieſelben ſind zugleich Organe der Forſtpolizeibehörden und Forſtſtrafgerichte (. Forſtſtrafrecht) und als ſolche öffentliche Diener, welche ſich unter Umſtänden an dem allgemeinen Sicherheitsdienſte zu betheiligen haben, z. B. durch Mitwirkung bei den durch die Behörde angeordneten allgemeinen Streifen, durch Anzeige von in den Waldungen verübten Fiſchereifreveln, Übertretungen der waſſerpoli— zeilichen Vorſchriften u. ſ. w. Je nach der Größe der bei den Forſtbe— triebsgeſchäften zu leiſtenden Aſſiſtenz und der dadurch bedingten techniſchen Ausbildung der Forſtſchutzbedienſteten unterſcheidet man: 1. Wald- oder Forſtaufſeher (Wald— hüter, Heger oder Waldheger, Forſt- oder Waldſchütz-, Wald- oder Holzwärter, Forſt— läufer, Kreiſer, Holzvogt, auch mitunter Forſt— wart und ſelbſt Förſter genannt), welchen wegen ihrer geringen Bildung die ſelbſtändige Ausführung einzelner Betriebsarbeiten nicht übertragen werden kann (bei allen deutſchen Staatsforſtverwaltungen in Verwendung); 2. Förſter oder Forſtwarte (Unter- oder Beiförſter), welche nach Anordnung des Revierverwalters Betriebsgeſchäfte auszuführen vermögen (Preußen, Bayern, Sachſen, Mecklen— burg, Oldenburg, Braunſchweig, Anhalt, einige thüringiſche Staaten, Lippe-Detmold und Elſaſs— Lothringen) und 3. Forſt⸗ oder Reviergehilfen, welche in der Regel Aſpiranten für den Förſter- oder auch den Forſtverwaltungsdienſt ſind und, in- dem fie ſich ſelbſt für ihren künftigen Beruf praktiſch ausbilden, den Revierverwalter bei weſentlich unterſtützen (3. B. bei den Staats- forſtverwaldungen von Bayern, Sachſen, Braun— ſchweig, Sachſen-Altenburg, den thüringiſchen Staaten). Zur Erſparung an Forſtverwaltungskoſten durch Vergrößerung der Reviere wurden die unter 2. genannten Förſter beſtellt, welche den Revierverwalter mehr oder minder zu ver— treten haben, im weiteſten Umfange in Preußen, wo den Förſtern für den eigentlichen Forſt— ſchutz Forſthilfsaufſeher beigegeben ſind. Es iſt dieſe Einrichtung den jetzigen wirthſchaftlichen Verhältniſſen Deutſchlands wohl entſprechend, aber für einen intenſiveren Betrieb iſt ſie un— zureichend, da dieſer kleine Reviere und ein Schutzperſonal vorausſetzt, deſſen geringe Bil— dung den Revierverwalter nöthigt, alle wirt— ſchaftlichen Geſchäfte, für welche er nur allein die Befähigung beſitzt, auch ſelbſt auszuführen. Es iſt übrigens die Beſtellung gewöhnlicher Waldaufſeher für den Forſtſchutz auch eine Con— ſequenz des ſog. Oberförſterſyſtems (vgl. Organiſation der Staatsforſtverwaltung), wel— ches jede Theilung der Geſchäfte der Revier— verwaltung zwiſchen dem Revierverwalter und ſeinem Vorgeſetzten oder ſeinen Untergebenen ausſchließt. Sobald man den Förſter zum Ver⸗ waltungsaſſiſtenten macht, hat man das Forit- meiſter⸗(Förſter-) Syſtem, gleichviel, ob der Revierverwalter, wie in Preußen, Ober— förſter, oder, wie in Bayern, Forſtmeiſter heißt. Ausſchließlich kommen gewöhnliche Wald- aufſeher zur Verwendung in Württemberg (Forſtwächter und Waldwärter), Baden, Heſſen (Forſtwarte), Waldeck (Forſtläufer), Reuß ältere Linie, Lübeck und Hamburg (Holzvögte), wäh⸗ rend bei den übrigen Staatsforſtverwaltungen neben den Waldaufſehern noch Förſter oder Forſtgehilfen, oder auch beide zugleich für den Forſtſchutz beſtellt ſind. So hat man z. B. in Bayern nach der Vdg. vom 15. Februar 1885 über die Organiſation der Staatsforſtverwal— tung Waldwärter, Forſtaufſeher, Forſtgehilfen, Forſtwarte und Förſter, neben welchen auch noch die den Forſtmeiſtern zugetheilten techniſchen Aſſiſtenten zur Betheiligung am Forſtſchutze ver- pflichtet ſind. Eigenthümlich iſt die von der württem⸗ bergiſchen Staatsforſtverwaltung im Jahre 1859 für neun Forſtämter ins Leben gerufene militäriſch organiſierte Forſtwache, welche, ichon in Folge mangelhafter Befähigung der „Forſtwächter“, dem Revierverwalter eine kaum nennenswerte Unterſtützung bei der Betriebs— führung gewährte. Erſt die nach Minderung der Forſtfrevel im Jahre 1873 erfolgte Re— organiſation des Inſtitutes unterſtellte die Forſtwächter ganz den Forſtbehörden und er— möglichte es, dieſelben unbeſchränkt zur Bei— hilfe bei allen wirtſchaftlichen Verrichtungen zu verwenden. Der Commandant der Forſtwache iſt Mitglied der Forſtdirection. In Deutſchland ſind die Subalternſtellen in allen Zweigen des öffentlichen Dienſtes vor— zugsweiſe für ausgediente, mit dem Civilver⸗ ſorgungsſcheine verſehene Unterofficiere (Militär- anwärter) beſtimmt, jedoch unter der Voraus⸗ Forſtſchutzdienſt. g 111 ſetzung der Befähigung für nachzuweiſen iſt. Dies gilt, ſofern nicht eine beſondere techniſche Vorbildung verlangt iſt, im allgemeinen auch für die Forſtſchutzdienſtſtellen, mit Ausnahme von Bayern, deſſen Staatsforſt— verwaltung eine Verpflichtung zur Annahme von Militäranwärtern nicht hat. Waldaufſeher, welche den nöthigen Ele— mentarunterricht genoſſen und den Forſtbetrieb als Waldarbeiter kennen gelernt haben, genügen vollſtändig den Anforderungen unſerer Staats- forſtverwaltungen. So werden z. B. in Würt— temberg bei der Anſtellung von Forſtwächtern jüngere unverheiratete Unterofficiere, welche dem Stande der Waldarbeiter angehören und ſich über den Beſitz guter Schulkenntniſſe im Leſen, Schreiben und Rechnen auszuweiſen vermögen, vor anderen berückſichtigt. In Ermangelung tauglicher Waldarbeiter werden Bewerber aus ähnlichen Berufsarten, wie Weingärtner, Bauern, Gärtner u. ſ. w., ausgewählt, welche ſich jedoch vor der Anſtellung in der Regel auf einem Staatswaldreviere als Arbeiter und Aufſeher einige Zeit verwenden laſſen müſſen. Die Vorbildung der Forſtgehilfen und Förſter erfolgt überall durch eine 2—3jährige Lehre auf einem Forſtreviere, welche mit einer Prüfung abſchließt. Zum Eintritt in die Forſt— lehre genügt entweder, wie z. B. in Bayern und Sachſen, die Elementarſchulbildung, oder es werden, wie z. B. in Preußen, Mecklenburg, Braunſchweig und Elſaſs-Lothringen, gewiſſe realiſtiſche oder humaniſtiſche Kenntniſſe verlangt, welche durch Schulzeugniſſe oder durch das Beſtehen einer Vorprüfung nachzuweiſen ſind. Am einfachſten knüpft man, was auch in Preußen und Elſaſs-Lothringen zuläſſig iſt, den Eintritt in die Forſtlehre an die Bedingung der er— langten Berechtigung zum einjährig-freiwilligen Militärdienſte. Auf die Lehrlingsprüfung folgt mitunter noch eine zweite (Förſters-) Prüfung, in Sachſen z. B. nach 5jähriger Dienſtzeit als Reviergehilfe, in Preußen und Elſaſs-Lothringen mindeſtens ein Jahr vor Beendigung der mili— täriſchen Dienſtzeit durch wenigſtens ſechs— monatliche Verwendung als Hilfsaufſeher auf einem Staatswaldreviere. In Preußen und Elſaſs-Lothringen treten die Forſtlehrlinge nach zweijähriger Lehrzeit im Alter von 17 bis 19 Jahren in ein Jägerbataillon, machen hier die ſog. Jägerprüfung und können nach drei— jähriger Dienſtzeit bei guter Führung ſich zu fernerer neunjähriger (alſo im Ganzen zwölf— jähriger) Dienſtzeit verpflichten, nach deren Ab— lauf ſie die Ausſicht auf unbeſchränkte Verſor— gung im Forſtſchutzdienſte erlangen. Dieſelben werden, ſofern ſie nicht zu Oberjägern beför— dert werden, nach vollendeter vierjähriger Dienſtzeit zur Reſerve beurlaubt, müſſen ſich aber während ihres Urlaubes berufsmäßig be— ſchäftigen und die bereits erwähnte zweite Prü— fung beſtehen. In Bayern und Sachſen ſollen die geprüften Forſtlehrlinge alsbald als Drei— jährig⸗Freiwillige ihre Militärpflicht erfüllen. Um den Förſtern die Erziehung ihrer Kin— der und insbeſondere die Heranbildung der— ſelben für den Förſterdienſt zu erleichtern, wur— die betreffende Stelle, welche häufig durch eine Probedienſtzeit den in Preußen ſeit dem Jahre 1878 mit Staats— unterſtützung zwei Förſterſchulen (Groß— Schönebeck und Proskau) mit drei Abtheilungen errichtet. Die erſte Abtheilung, die Ortsſchule, enthält die Zöglinge unter 14 Jahren, die zweite, die Fortbildungsſchule, die Zöglinge von 14—16 Jahren und die dritte Abtheilung, die Forſtlehre bei den einſchlägigen königlichen Oberförſtern, die Schüler im Alter von 16 bis 19 Jahren. Auch in Bayern ſoll die Forſtlehre in Waldbauſchulen erſtanden werden, deren Hauptaufgabe neben der Fortbildung in den Gegenſtänden der Volksſchule durch Lehrer und Geiſtliche in der Unterweiſung in den Hand— arbeiten des forſtlichen Betriebes zu beſtehen hat. Dieſe Schulen ſind jedoch noch nicht ins Leben getreten. Dem in denſelben gebildeten Schutzperſonale ſollen auch die Officianten der Forſtbuchhaltungen der Kreisregierungen und des Miniſteriums entnommen werden. Die Stellung der Waldaufſeher und Forſtgehilfen iſt bei allen Staatsforſtver— waltungen eine widerrufliche, während die Förſter überall mit dem Range von ſub— alternen Beamten (in Bayern z. B. eines Amts— gerichtsjecretärs) auch pragmatiſche Rechte er— halten, ohne jedoch hiedurch Beamte (ſ. d.) im eigentlichen Sinne zu werden. Die Gehalte der Waldaufſeher und Forſt— gehilfen ſind geringer als jene der Förſter, und der Anfangsgehalt der bayriſchen Förſter iſt mit 1800 Mark der höchſte in Deutſchland. Zu dem Geldgehalte kommen noch bei faſt allen deutſchen Staatsforſtverwaltungen mehr oder minder theils Wohnungsgelder, theils Dienſt— wohnungen, Dienjtländereien und Holzdeputate, theils Pachtländereien und Waldweidegenuſss (Preußen). Die Betheiligung der Forſtſchutzbedienſteten an den Verwaltungsgeſchäften zieht dieſelben von ihrer nächſten Aufgabe ab und bedingt hiedurch eine Verkleinerung der Schutzbezirke. Wenn trotzdem die durchſchnittliche Größe eines Schutzbezirkes in Preußen mit 710 ha jene der Schutzbezirke bei den übrigen Staatsforſtver— waltungen (in Baden z. B. nur 215 ha) weit überragt, jo liegt dies nur darin, dajs, wie be— reits erwähnt, in Preußen nicht die Förſter, ſondern die Forſthilfsaufſeher den eigentlichen Forſtſchutz beſorgen. Ausführliche Erörterung und Statiſtik in J. Albert, Lehrbuch der Forſtverwaltung. München 1883. At. Jorſtſchutzdienſt. Die Aufgabe dieſes Dienſtes beſteht in erſter Linie in der Aus— übung des Forſtſchutzes, ſoweit dieſer mehr phyſiſche Leiſtung als Kenntniſſe und geiſtige Thätigkeit erfordert (des ſog niederen Forſt— ſchutzes), als insbeſondere: Beaufſichtigung der Grenzen, Abwehr jedes unberechtigten Eingriffes von Menſchen in das Waldeigenthum, Beauf— ſichtigung des Forſtes in Bezug auf ſchädliche Natureinflüſſe u. dgl. Hiezu kommt faſt immer in beſchränkterem oder weiterem Maße die Mit— hilfe im Betriebe, insbeſondere die Beaufjichti- gung der Arbeiter und erſte Aufſchreibung der Lohnliſten, die erſte Aufnahme des fertig ge— ſtellten Materiales und die Abgabe desſelben 112 | Forſtſchutzkoſten. — Forſtſervituten. an die Käufer, die Anweiſung oder Ausfolgung von Nebennutzungen, ſowie die Überwachung der Gewinnung derſelben durch die Käufer oder Bezugsberechtigten, nicht ſelten auch zum Theile die Auszeigung der Schläge und Durchfor— ſtungen. Auch die Ausübung des Jagdſchutzes und die Mithilfe im Jagdbetriebe gehört zumeiſt zu den Obliegenheiten der Forſtſchutzorgane. Alle dieſe Dienſtleiſtungen erfordern nur ein geringes Maß forſtlicher Kenntniſſe, zumal wenn die Betriebshilfe auf die bloße Über— wachung und mehr mechaniſche Arbeiten be— ſchränkt bleibt, ſind dagegen häufig mit bedeu— tender phyſiſcher Anſtrengung verbunden; ſie werden daher zweckmäßig an weniger gebildete, einfachere Leute übertragen, welche dieſen Dienſt für geringere Entlohnung verſehen und für den— ſelben meiſt beſſer geeignet ſind, als der gebil— dete Forſttechniker. Die längere Verwendung der letzteren im Forſtſchutzdienſte (als Vorſtufe bis zur Erlan— gung einer Revierverwaltersſtelle) iſt ſtets mit einem Brachliegen ihrer Kenntniſſe, zumeiſt auch mit einem Rückgange ihrer fachlichen und geſell— ſchaftlichen Bildung verbunden und iſt daher unbedingt zu vermeiden. Die Anforderungen, welche an das Forſt— ſchutzperſonale zu ſtellen ſind, ſind hauptſächlich körperliche Rüſtigkeit, Ausdauer und Abhärtung gegen Strapazen, unter Umſtänden auch ein muthiges, entſchloſſenes Auftreten, guter Ruf und achtunggebietendes Verhalten, welche ihm die nöthige Autorität gegenüber den Arbeitern und Anwohnern ſichern, Verlässlichkeit und prompte Dienſtleiſtung, endlich die Fähigkeit, einfachere Aufgaben und Geſchäfte des Betriebes auszuführen. Dem ſehr verſchiedenen Umkreiſe der je nach den localen und Dienſtverhältniſſen ge— ſtellten Aufgabe — vom bloßen Wachdienſt einerſeits bis zum vorwiegend techniſchen Dienſte des Revierförſters — entſprechend iſt auch das Perſonale, welches hiezu verwendet wird, die Anforderung in Bezug auf deſſen Kenntniffe ſowie die dienſtliche Stellung und Entlohnung desſelben eine verſchiedene. Wo der Betriebs— dienſt vorwiegt, und etwa auch der Schutzdienſt intelligente Leute erfordert, da wird es ſtets im Intereſſe des Dienſtes gelegen ſein, von den hiefür zu beſtellenden Perſonen außer einer guten Schulbildung auch eine ihrer Aufgabe entſprechende techniſche Vorbildung (etwa in dem einjährigen Curſe einer Waldbau- oder Forſtwartſchule) zu fordern. Dieſe Schutzorgane (Förſter oder Forſt— warte) erhalten dementſprechend auch eine beſſere Stellung und Beſoldung (die königlichen Törſter in Preußen 840—1080 Mark, die k. k. Forſtwarte (ſeit 1887 Förſter) in Sſterreich 100-600 fl., beide nebſt Stellen- oder Aetivi— tätszulage; in Bayern die exponierten Forſt— gehilfen und Förſter durchſchnittlich 1300—2000 Mark); ſie werden jedoch in der Regel nicht in die Kategorie der Beamten gerechnet. Für einen ausgedehnten Wachdienſt würde die ausſchließ— liche Verwendung eines ſolchen Perſonales zu koſtſpielig ſein, und werden daher, wo ein ſolcher erforderlich iſt, außerdem ganz einfache Leute aus dem Arbeiterſtande als Waldauf— ſeher, Waldhüter oder Heger ſpeciell für den Schutzdienſt beſtellt. | Die in jehr vielen Verwaltungen verwen— dete Mittelſtufe der Forſtſchutzbedienſteten (meiſt Forſtwarte oder Unterförſter genannt) be— ſteht in der Regel aus Perſonen, welche ohne die beſondere Vorbildung einer Forſtſchule ſich die erforderlichen Kenntniſſe durch praktiſche Verwendung im Dienſte (in der Meiſterlehre) erworben haben, oder auch dem Stande der Waldarbeiter entnommen ſind. 5 Die Anſtellung von Perſonen, welche bis- her dem Wald- und Forſtbetriebe ganz ferne ſtanden (von Leuten des Handwerkerſtandes, ausgedienten Unterofficieren u. dgl.), als Schuß- organe ohne vorherige Lehrzeit und Erprobung im Dienſte iſt keineswegs zu empfehlen. Eine weitere Kategorie der Forſtſchutzbe-⸗ dienſteten ſind Perſonen, welchen die Ausübung des Forſtſchutzes in kleineren, entlegenen Wald- parzellen als Nebenbeſchäftigung gegen geringe Entlohnung übertragen iſt (Waldaufſeher oder Wald wächter). In Württemberg iſt der eigentliche Wache— dienſt, in Frankreich der Forſtſchutzdienſt über— haupt militäriſch organiſiert. Das Oberförſterſyſtem bedarf techniſch vor— gebildeter, tüchtiger Schutzorgane, während neben den Revierförſtern des Forſtamtsſyſtems die einfachen Heger oder Waldhüter genügen. Über die Zuweiſung von Wohnung, Dienſt⸗ grund ꝛc. an die Schutzorgaue vgl. Beſoldung; über die Bildung der Schutzbezirke vgl. Dienſt— bezirke. v. Gg. Jorſtſchutzloſten ſind die Koften, welche für die Beſchützung eines Waldes aufgewendet werden müſſen. Es gehört hieher nicht nur der Aufwand für Erhaltung des Schutzperſonales, ſondern auch namentlich der für Vorbeugung und Bekämpfung von Calamitäten. In den Formeln der Waldwertrechnung ſind die Forſt— ſchutzkoſten unter den Verwaltungskoſten v auf— zurechnen. Nr. Jorſtſervituten (Forſtrechte, Forſtberech— tigungen, Walddienſtbarkeiten) ſind dingliche Rechte (ſ d.) an einem fremden (res propria nemini servit) Walde, welche dem Eigenthümer die Pflicht auflegen, etwas zu unterlaſſen oder zu leiden, was derſelbe nicht brauchte, wenn ſein Waldeigenthum ein volles 0. Autonomie des Waldeigenthümers) wäre. Ser— vituten, welche den Waldeigenthümer zu thun verpflichten, kennt das römiſche Recht nicht (servitus in faciendo existere nequit), und wo eine derartige dingliche Verpflichtung des Waldeigenthümers beſteht, handelt es ſich des- halb nicht um eine Servitut, ſoudern um eine deutſchrechtliche Reallaſt (ſ. d.). Zu den Real- laſten zählen auch diejenigen Forſtprodueten⸗ abgaben an Berechtigte, welche in dem grund— herrlichen Verhältniſſe des belaſteten Waldes begründet ſind. Die Servituten beſtehen nur in einer Bes ſchränkung des Nutzungsrechtes des Eigenthü- mers des dienenden Waldes (silva serviens) zu Gunſten des Forſtberechtigten (des herr— Forſtſ ervituten. ſchenden Herrn, gegenüber dem dienenden), bezw. in einer Theilung des Nutzungsrechtes zwiſchen dem Waldeigenthümer und dem Be- rechtigten, von der das im Waldeigenthume liegende Verfügungsrecht unberührt bleibt, ſo daſs der Eigenthümer bei Veräußerung des dienenden Waldes durchaus nicht an die Zu— ſtimmung des Berechtigten gebunden iſt. Ebenſo wird eine Theilung des dienenden Waldes dem Eigenthümer desſelben nicht verweigert werden können, wenn durch dieſelbe die Servitutaus— übung nicht alteriert wird, was entweder ſchon nach der Natur der Servitut, wie z. B. beim Wegrechte, nicht zu erwarten ſteht, oder doch dadurch verhindert wird, daſs die neuen Wald— eigenthümer dem Berechtigten gegenüber ſoli— dariſch verpflichtet bleiben. Als mit dem Untergange der Freiheit der ländlichen Bevölkerung das Grundeigenthum in dem größten Theile Deutſchlands' in die Hände des Adels und der Geiſtlichkeit kam, überließen die neuen Grundherren das Cultur— land gegen beſtimmte Leiſtungen ihren Leib— eigenen zur Nutzung, indem ſie ſich nur die Weide- und Jagdausübung auf demſelben vor— behielten, das unartbare Land dagegen lins— beſondere die Waldungen), welches früher als Mark (Allmend) unter gemeinſamer Benützung der Markgenoſſen ſtand, nahmen ſie ſelbſt in Nutzung und geſtatteten auf demſelben die Zu— gutmachung von Holz, Weide, Streu u. ſ. w. den früheren Eigenthümern nur inſoweit, als es zu deren Exiſtenz, bezw. zur Bewirtſchaftung der ihnen überlaſſenen Ländereien nöthig war. Von einem Rechte auf dieſe Mitbenützung des Waldes und einer genauen Begrenzung der— ſelben war bei dem früheren Waldüberfluſſe und der Rechtloſigkeit der Unfreien natürlich lange Zeit keine Rede; es bildete ſich vielmehr ein eigentliches Rechtsverhältnis erſt dann, als zu Ende des vorigen oder zu Anfang des jetzigen Jahrhunderts aus den Leibeigenen Grundholden wurden, und die Regulierung der Rechte und Pflichten (Real- oder Grundlaſten) derſelben gegenüber dem Grundherrn die Veranlaſſung zur Feſtſtellung und Begrenzung (Liquidation) der fraglichen Waldnutzungsrechte gab, was in der Weiſe geſchah, daſs man dieſelben nach Analogie der römiſchen Servitut als din g⸗ liche, an einem beſtimmten Grundbeſitze haf— tende und den Waldeigenthümer in der Be— nützung des Waldes beſchränkende Rechte er— klärte. Dies iſt im allgemeinen der Urſprung der Forſtſervituten in Deutſchland, wenn es in ſpäterer Zeit wohl auch häufig vorkam, daſs Servituten durch Vertrag und andere Rechts⸗ geſchäfte ſowie durch nn begründet wurden. Die Servituten unterſcheidet man in 1. perſönliche, welche Jemand nur für ſeine Perſon ertheilt wurden und nicht auf deſſen Erben übergehen, und 2. dingliche (reales), welche zum Vor⸗ theile eines Hauſes (urbanae) oder eines lie— genden Grundſtückes (rusticae) oder eines ganzen Gutes (mixtae) beſtellt worden find und jedem Beſitzer des Hauſes, Grundſtückes, Gutes zu⸗ ſtehen. ö Dombrowski. Encuklopädie d. Forſt⸗ u. Jagdwiſſenſch. 113 Als perſönliche Servituten erſcheinen der Nießbrauch (s. d.), ususfructus, und der Gebrauch (j. d.), usus. Auch Perſonalſervi— tuten auf einzelne Nutzungen kamen, obwohl ſelten, bei den Römern vor und wurden unter den Begriff des usus geſtellt, z. B. usus aquae. Auch nach deutſchem Privatrechte können die Nutzungen, welche die Objecte der dinglichen Servituten bilden, perſönlich verliehen werden, doch wird dies nicht vermuthet. Das römiſche Recht unterſcheidet die ding⸗ lichen Servituten nach der Art des herrſchen— den Gutes (praedium dominans) in servitutes praediorum urbanorum und rusticorum, woraus ſpäter im allgemeinen die Gebäudes (f. d.) und Feldſervituten (ſ. d.) entſtanden. Eigentliche Forſtſervituten kennt das rö— miſche Recht nicht, da Beholzigungsrechte (hie und da ein Recht zum Bezuge von Weinpfählen) und Weiderechte in Waldungen nur ſehr ſelten, andere Servituten, wie z. B. Streu- und Majt- rechte, gar nicht vorkamen. Unſere Forſtſervi— tuten ſind daher Real- oder Prädialſervituten (Grundgerechtigkeiten) nach römiſchem Rechts— begriffe, aber hervorgegangen aus den eigen— thümlichen Rechtsverhältniſſen Deutſchlands. Dieſelben ſind zu Gunſten eines aus Grund— ſtücken und Gebäuden beſtehenden Gutes beſtellt und daher servitutes mixtae, welche das rö— miſche Recht nicht kannte. Die Beſtimmungen des römiſchen Rechtes über Servituten gelten übrigens in Deutſchland nicht als ein feſtes Geſetz, ſie find vielmehr particularrechtlich und durch das Herkommen in der verſchiedenſten Weiſe modificiert. Für die Forſtſervituten beſtehen im allge— meinen folgende Rechtsgrundſätze: 1. Nicht das rechtliche Beſtehen der Ser— vituten, ſondern vielmehr die Freiheit des Waldeigenthumes von ſolchen wird vermuthet— Es mußs daher Derjenige, welcher eine Ser— vitut für ſich in Anſpruch nimmt, ſeine Be— hauptung beweiſen. 2. Die Servituten ſind untheilbar, inſo— fern die einzelne Handlung als ſolche nur ganz oder gar nicht geſchehen kann. Dagegen iſt eine Theilung nach Zeit und Maß zuläſſig. 3. Jede Servitut iſt ſtreng, d. h. ſo zu verſtehen und anzunehmen, wie ſie dem Eigen— thümer, welcher ſie ertheilte, ſowie deſſen Nach⸗ folgern am wenigſten läſtig und nachtheilig iſt. Der Berechtigte darf deshalb ſein Nutzungs⸗ recht, wenn es nach Zeit, Ort, Art und Weiſe der Ausübung beſtimmt iſt, nicht nur nicht überſchreiten, ſondern er muſßs ſolches auch be— ſcheiden und mäßig (modeste et civiliter) aus- üben. Iſt das Verfahren bei der Servitutaus— übung dagegen nicht genau bezeichnet, jo muss, unbeſchadet des Erfolges natürlich, jene Mo— dalität gewählt werden, welche dem Wald⸗ eigenthümer am wenigſten zum Nachtheile ge— reicht. . jr Die Theilnahme des Waldeigenthümers an der Nutzung wird ſo lange zugelaſſen, bis der Berechtigte nachweist, daſs der Waldeigen— thümer durch ein Rechtsgeſchäft oder durch Ver⸗ jährung ganz von der Concurrenz ausgeſchloſſen iſt. Macht der Waldeigenthümer von ſeinem IV. Bd. 8 114 Mitnutzungsrechte keinen Gebrauch, ſo gilt dies nicht ohneweiters als ein Verzicht auf ſolches, ſondern es wird die Concurrenz des Wald— eigenthümers nur dann als ausgeſchloſſen be- trachtet, wenn derſelbe innerhalb der Verjäh— rungszeit die Ausübung ſeines Rechtes infolge der Einſprache des Berechtigten unterlaſſen hat. Daſs der Waldeigenthümer auch ſeine Nutzung zu beſchränken hat, wenn der Geſammtertrag der Nutzung das Bedürfnis des Eigenthümers | und des Berechtigten nicht zu befriedigen ver— mag, iſt natürlich. Es mufßs bei Feſtſtellung des jährlichen Naturalertrages einer abzulöſen— den Servitut ſelbſtverſtändlich auf dieſes Mit— benützungsrecht des Waldeigenthümers, ſelbſt wenn von demſelben bisher kein Gebrauch ge— macht wurde, eutſprechend Rückſicht genommen werden. Bei einer Reduction der Forſtſervi— tuten kann endlich der Waldeigenthümer jeden— falls einen ſolchen Geſammtnutzungsantheil verlangen, daſs er mit demſelben die ſämmt— lichen Verwaltungsausgaben zu beſtreiten vermag. 5. Allen Rechtsgeſchäften, durch welche eine Servitut beſtellt wird, unterliegt ſtillſchwei— gend die Bedingung, dass die zur Zeit der Er— theilung der Servitut bei beiden Theilen, d. h. bei dem herrſchenden und dienenden Gute, be— ſtandenen Verhältniſſe auch künftig ſo bleiben werden (clausula rebus sie stantibus). Dieſer Rechtsgrundſatz ſchützt den Waldeigenthümer ſelbſt bei unbeſtimmten Servituten gegen eine Erweiterung derſelben und gibt ihm, abgeſehen von den beſtehenden polizeilichen Vorſchriften, auch von privatrechtlicher Seite die Mittel an die Hand, die Servituten, gleichviel ob be— ſtimmte oder unbeſtimmte, ſo zu beſchränken, daſs durch deren Fortdauer die Exiſtenz des Waldes ſowie die Ausübung ſeiner eigenen Nutzungsrechte nicht gefährdet wird. Es mujs hier im Auge behalten werden, dajs der Wald— eigenthümer bei Zulaſſung eines fremden Nutzungsrechtes gewiſs immer nur einen ihm verhältnismäßig wenig wertvollen Theil der Nutzungen dem Berechtigten abtreten, nicht aber ſich ſelbſt von aller Nutzung ausſchließen, oder gar die Erhaltung des Waldes dadurch in Frage ſtellen wollte. 6. Die Servituten dürfen ohne Einwilli— gung des Waldeigenthümers nicht von dem herrſchenden Gute getrennt, auf ein anderes Gut übertragen, oder auch nur einem anderen Gute oder einer anderen Perſon als dem Be— ſitzer des herrſchenden Gutes zeitlich überlaſſen werden. BT: Jede Servitut mußs ſo beſchaffen fein, daſs ſie dem Berechtigten in irgend einer Weiſe einen Vortheil zu gewähren vermag, und es muſs die Entfernung des herrſchenden Gutes vom dienenden Walde eine ſolche ſein, dafs von erſterem aus die Servitut auch wirklich ausgeübt werden kann. Sobald auch nur eine der beiden genannten Vorausſetzungen fehlt, fällt die Servitut von ſelbſt weg. 8. Alle Servituten, welche nicht auf eine beſtimmte Nutzungsgröße lauten, dürfen im allgemeinen nicht weiter ausgedehnt werden, als es die Befriedigung des Bedarfes des | Forſtſervituten. herrſchenden Gutes verlangt, und es dürfen des— halb weder die aus dem dienenden Walde be— zogenen Producte, noch die gleichen Nutzungs- zwecken dienenden Erzeugniſſe (3. B. nach dem preußiſchen allgemeinen Landrechte das Stroh bei Streurechten) des herrſchenden Gutes ver— kauft werden. Bei Feſtſtellung des Bedarfes des herrſchenden Gutes muſs daher auch auf die Größe der bezüglichen Production Rückſicht genommen werden. Unbeſtimmte Servituten können natürlich auch nicht getheilt werden. Erwirbt eine Gemeinde ein Nutzungsrecht durch Verjährung, ſo ſind in der Regel nur die bei Beendigung der Verjährung vorhandenen Gemeindemitglieder, bezw. Häuſer (nach dem preußiſchen Landrechte aber auch die ſpäter ent— ſtandenen Stellen) berechtigt; während bei den durch ein Rechtsgeſchäft beſtellten Servituten ſowohl nach altgermaniſchem, als nach altfran— zöſiſchem Recht auch die ſpäter aufgenommenen Gemeindeglieder an derſelben theilnehmen (das preußiſche Landrecht enthält jedoch entgegenge— ſetzte Beſtimmungen). 9. Für die Nichtausübung einer Servitut kann der Berechtigte vom Waldeigenthümer keine Entſchädigung verlangen, es ſei denn, dajs dies in einem gegebenen Falle durch das Geſetz, Rechtsgeſchäft oder Herkommen ausdrücklich be— ſtimmt iſt. 10. Der Waldeigenthümer hat dem Berech- tigten gegenüber die Verpflichtung, alles zu unterlaſſen, wodurch die nachhaltige Ausübung der Servitut gefährdet werden könnte, und kann der Berechtigte, wenn der Waldeigenthümer durch willkürliche Betriebsumwandlungen, durch übermäßige Nutzung oder überhaupt durch ver— kehrte Wirtſchaft den Waldſtand nachtheilig ver: ändert hat, gegen denſelben eine Entſchädigungs— klage wegen Walddevaſtation ſtellen (ſ. Gericht- liche Forſtwiſſenſchaft). Dagegen kann auch der Berechtigte die Vornahme von Betriebsände— rungen, welche durch die Waldſtandsverhältniſſe, wie z. B. bei jehr vermagertem Boden die Um- wandlung des Laubholzes in Nadelholz, unbe- dingt geboten ſind, nicht hindern. 11. Eine Servitut kann nicht wieder Gegen⸗ ſtand einer Servitut ſein (servitus servitutis esse non potest). 12. Eine Ablöſung der Servitut gegen den Willen eines der Betheiligten iſt nicht zuläſſig. Auch bezüglich der Servituten gibt es einen Beſitz (ſ. d.), welcher in der factiſchen Möglich- keit beſteht, dem Inhalte einer Servitut gemäß auf das dienende Gut einwirken zu können, und als Quaſibeſitz (quasi possessio juris) bezeich- net wird. An die Stelle eines animus domini tritt hier der animus jure suo faciendi. Er- werb und Verluſt des Quaſibeſitzes ſind nach Analogie des Sachenbeſitzes zu beurtheilen. Dem deutſchen Privatrechte eigenthümlich ſind die Gegenreichniſſe der Berechtigten, welche in Leiſtungen an Dienſten, Naturalien oder Geld beſtehen. Dieſelben bilden eine Gegen⸗ forderung des Waldeigenthümers, jo dajs der Berechtigte, jo lange er noch mit einem Gegen- reichniſſe im Rückſtande iſt, einen neuen Nutzungs⸗ bezug nicht verlangen kann. Manche Gegenlei⸗ ſtungen, wie z. B. die Stammgelder, erſcheinen e 7 Forſtſervituten. 115 nur als eine Vergütung für die Bemühungen des Waldeigenthümers bei der Anweiſung des Holzes, oder als ein Beitrag zu den Forſtver— waltungskoſten, oder, wie die Rückvergütung des Hauerlohnes, als ein Erſatz von Auslagen. Wie nicht jede ſtändige Forſtproductenabgabe als eine Servitut, ſondern, wie z. B. der Holz— zehnt, häufig als ein Ausfluſs des grundherr— lichen Verbandes des Waldes zu betrachten iſt, ſo darf man nicht ohneweiters annnehmen, dafs eine ſtändige Leiſtung des Forſtberechtigten an den Waldeigenthümer eine Gegenleiſtung für das Forſtrecht bildet, indem ſolche häufig auf einem ganz anderen Rechtstitel beruht. Die Frage, ob die Leiſtung eines Forſtberechtigten ein Gegenreichnis für die Servitut iſt oder nicht, hat deshalb eine Bedeutung, weil die Aufhebung, Ablöſung oder Regulierung von Abgaben und Frohnden, welche ſtaatsrechtlicher Natur ſind, oder auf dem grundherrlichen Verhältniſſe be— ruhen, nach den Geſetzen über die Grundent— laſtung (ſ. d.) erfolgt. So wurden z. B. durch das bayriſche Forſtgeſetz alle Natural-, Holz- oder Waldfrohnden, welche nicht die Eigenſchaft von Gegenleiſtungen für forſtrechtliche Nutzungen an ſich tragen, ohne Entſchädigung aufgehoben. Die Entſcheidung über die rechtliche Natur der Gegenleiſtung iſt entweder, wie z. B. in Bayern, den Civilgerichten, oder, wie in Preußen, den Ablöſungsbehörden übertragen. Erworben werden die Servituten, an wel— chen ein Eigenthum (f. d.) beſteht, durch Ver— trag, Teſtament, richterliches Erkenntnis, na— mentlich bei Theilungen und dem ſog. Noth— weg, Verjährung (ſ. Erſitzung) und unmittel- bare geſetzliche Anordnung, wie beim Nieß— brauche, z. B. des Vaters an dem eigenen Ver— mögen der Kinder. Bezüglich der geſetzlichen Beſchränkungen der Neubegründung von Forſt— ſervituten vgl. Ablöſung der Forſtſervi— tuten. Die Servituten erlöſchen durch Confuſion von Recht und Pflicht in einer Perſon, welche beim Nießbrauche und überhaupt bei perſön— lichen Servituten Conſolidation genannt wird, ſowie bei perſönlichen Servituten mit dem Tode des Berechtigten. Der Verluſt derſelben tritt ferner ein durch Verjährung infolge Nichtge— brauches nach 10, bezw. unter Abweſenden nach 20 Jahren (ſ. übrigens Gebäudeſervituten), durch Untergang des dienenden Gutes, durch Verzicht des Berechtigten und durch Ablöſung (ſ. d.). Der Waldeigenthümer ſchützt ſich gegen die Anmaßung einer Servitut durch die actio ne— gatoria (ſ. d.), der Berechtigte dagegen macht ſeine Rechte durch die actio confessoria (ſ. d.) geltend, ſchützt ſich gegen Beſitzſtörungen durch poſſeſſoriſche Klagen (f. Beſitz) und kann bei Minderung ſeiner Bezüge infolge ſchlechter Wald— behandlung von dem Waldbeſitzer Entſchädigung verlangen (j. Gerichtliche Forſtwiſſenſchaft). Die Forſtſervituten ſind von weſentlichem Einfluſſe auf die Bewirtſchaftung der Wal— dungen, indem ſie vor allem Waldrodungen und ſolche Anderungen der Holz- und Betriebs— art, ſowie der Umtriebszeit hindern, welche die Nutzung des Berechtigten quantitativ oder qua— litativ beeinträchtigen. Die auf einzelnen Wald- theilen laſtenden fremden Nutzungsrechte bilden häufig das Hindernis einer den Intereſſen des dienenden Waldes eutſprechenden Waldeinthei lung, Complexbildung und Schlagfolge, ſowie ſelbſt einer richtigen Bildung der Schutz- und Verwaltungsbezirke, welche bekanntlich mit der Complexbildung im innigſten Zuſammenhange ſteht. Ebenſo wirkt die Zeit und die Art und Weiſe der Gewinnung der Berechtigungs— objecte öfter ſtörend auf den Gang der Verwaltung ein. Endlich erſchwert die häufige Anweſenheit vieler Forſtberechtigten im Walde den Forſtſchutz, und das Beſtreben der Berech— tigten, ihre Nutzung möglichſt zu erweitern, gibt zu ſteten Reibereien und ſelbſt Proceſſen mit dem Waldeigenthümer Veranlaſſung. Übrigens iſt die Beeinträchtigung der Wirt— ſchaftsführung nicht nur nach der Natur der Servituten (3. B. ein Wegrecht im Vergleiche mit einem Streurecht), ſondern auch nach der Beſchaffenheit des dienenden Waldes, nach den perſönlichen und wirtſchaftlichen Verhältniſſen des Waldeigenthümers und der Berechtigten ſehr verſchieden, jo dafs eine und dieſelbe Be— rechtigung, deren Beſtehen in vielen Fällen von dem Waldeigenthümer kaum bemerkt wird, viel— leicht in eben ſo vielen Fällen als eine große Laſt erſcheint. So ſind z. B. größere, zuſammen hängende Waldungen in der Ebene und auf kräftigem Boden, namentlich wenn ſie eine Laub— holzbeſtockung haben, von weniger Gefahren als gebirgige Fichtenwaldungen oder Kiefernbeſtände auf Meeresſand bedroht, ſie erleichtern die Waldeintheilung und den Abſatz der Forſtpro— ducte und werden daher um ſo weniger von der mit Rückſicht auf eine entſprechende Servi— tutsübung herzuſtellenden Schlagfolge benach— theiligt, je mehr die bisherige Schlagführung eine regelmäßige war, und je geringer deshalb die künftigen Abweichungen von dem vortheil— hafteſten Abtriebsalter der Beſtände ſein wer— den. Eine Berechtigung, welche nur von einem oder wenigen wohlhabenden Berechtigten, die ſich durch fortwährende Erhöhung der Intenſität ihres landwirtſchaftlichen Betriebes mehr und mehr von dem Bezuge von Forſtproducten (na— mentlich Weide und Streu) unabhängig machen, ausgeübt wird, verhält ſich ganz anders als eine ſolche, welche einem zahlreichen Proletariate zuſteht, das auf Koſten des Waldes ſeine Par— cellenwirtſchaft möglichſt auszubeuten ſucht. Der kleine Waldbeſitzer, der auf Verſilberung ſeines Materialcapitales ſpeculiert und vielleicht mit dem Berechtigten um die Exiſtenz zu ringen gezwungen iſt, wird die auf ſeinem Walde ruhenden Servituten ganz anders betrachten, als der reiche Großgrundbeſitzer, dem es nur auf die ſichere Anlage eines größeren Capitales in Grund und Boden ankommt, anders als der Staat, der weiß, daſs die Bezüge der Berech— tigten in vielen Fällen ein volkswirtſchaftlicher Gewinn find, und daſs die Berechtigten in ihrer Eigenſchaft als Steuerpflichtige den durch die Servituten entſtandenen Ausfall an den Forſteinnahmen theilweiſe wieder erſetzen müſſen. Der Private wird bei dem Beſtehen ſehr aus— gedehnter Servituten, welche ihm vielleicht kaum | den Betrag der Verwaltungskoſten von dem 8 * 116 Forſtſervituten. Waldertrage übrig laſſen, ſich zweckmäßig mit koſten erhöht. Die durch manche Servituten her— dem Berechtigten auseinanderſetzen, der Staat beigeführte Beſtands- und Bodenverſchlechterung dagegen wird in den meiſten Fällen aus volks⸗ wirtſchaftlichen und polizeilichen Gründen die Adminiſtration eines ſolchen ihm eigentlich nur dem Namen nach gehörigen Waldes fortſetzen. Eine Bevölkerung mit entwickeltem Rechtsſinn und eine prompte Rechtspflege bilden natürlich Schutzmittel gegen exceſſive Servitutausübung. Die Forſtſervituten üben ſelbſtverſtändlich auf den Zuſtand der Waldungen, d. i. auf die Bodenkraft, den Schluſs, Wuchs und die Ver— jüngungsfähigkeit der Beſtände, ſowie auf die Nachhaltigkeit der Wirtſchaft bei gegebener Holz- und Betriebsart und Umtriebszeit oft einen entſcheidenden Einfluſs, und es iſt eine bekannte Thatſache, daſs durch exceſſive Aus— übung einzelner Servituten, insbeſondere der Weide- und Streurechte, mitunter große Wald— ſtrecken devaſtiert wurden; allein es kann deshalb nicht die unbedingte Beſeitigung ſolcher Servi— tuten verlangt werden, da ſich, mit Ausnahme des Rechtes zum Plaggenhauen, alle Nutzungs— rechte durch entſprechende Beſchränkungen mit der Erhaltung eines geordneten Waldzuſtandes in Einklang bringen laſſen. Dieſe Schädlichkeit iſt nicht nur bei den einzelnen Servituten (Weg— und Waſſerrechte z. B. ganz unſchädlich) ſehr verſchieden, ſie wechſelt auch bei einer und der— ſelben Servitut nach Maßgabe der Standorts— verhältniſſe, der Holz- und Betriebsart, der Umtriebszeit und der Modalitäten der Servi— tutsausübung, jo daſs ſich allgemeine Vor— ſchriften über die Einſchränkung der Servituten nicht geben laſſen, vielmehr in jedem einzelnen Falle durch Sachverſtändige die Grenze zu ziehen iſt, innerhalb welcher ſich eine die Exiſtenz und die nachhaltige Bewirtſchaftung des Waldes nicht gefährdende Nutzung von Seite des Berechtigten zu bewegen hat. Das die Forſtſervituten für die wirt— ſchaftlichen (finanziellen) Verhältniſſe des Waldeigenthümers und des Berechtigten unter Umſtänden von großer Bedeutung ſind, iſt ſelbſtverſtändlich. Seervituten mindern nicht nur durch Be— ſtandsbeſchädigungen und Schwächung der Bodenkraft den Waldertrag, ſie hindern den Waldeigenthümer in vielen Fällen auch an der Waldrodung, oder überhaupt an einer vor— theilhaften Betriebsumwandlung, insbeſondere an der Verwertung eines Theiles der Material— vorräthe durch den Übergang vom höheren zum niedrigeren Umtriebe. Ob ſolche Betriebsände— rungen überhaupt möglich ſind, hängt von den Standorts, Beſtands- und Abſatzverhältniſſen und der Größe des Waldes, ſowie von der In— dividualität des Waldeigenthümers ab, indem juriſtiſche Perſonen, insbeſondere aber der Staat, in der Regel aus volkswirtſchaftlichen Gründen auf ſolche Finanzoperationen verzichten werden, da der Waldertrag des niedrigeren Umtriebes, exeluſive der Zinſen des Erlöſes aus dem ver— werteten Theile des Materialvorrathes, geringer iſt, als jener des höheren Umtriebes. Durch eine größere Anzahl auf einem Walde ruhender mujs die Culturkoſten vermehren, und auch das mit allen Servituten verbundene Wegrecht wird in vielen Fällen durch Erhöhung des Wegbau— etats die Waldrente mindern. Der Berechtigte kann durch eine ihm zuſtehende Servitut nie wirtſchaftlich geſchädigt werden, da die Nichtausübung derſelben ihm jederzeit freiſteht. Dagegen wird die Exiſtenz desſelben durch eine Servitutablöſung dann gefährdet, wenn die betreffenden Waldnutzungen ihm nach dem in der Gegend beſtehenden und durch die Standorts- und Verkehrsverhältniſſe, die Größe der Landgüter, ſowie die Intelligenz, das Vermögen und den Credit der Grund- beſitzer bedingten landwirtſchaftlichen Betriebs— ſyſteme unentbehrlich ſind, und die Art und Weiſe der Ablöſung weder die Anderung ſeines Betriebes, noch den nachhaltigen anderweiten Bezug der bisherigen Nutzungsobjecte ermög— licht. Die Beſeitigung der Forſtſervituten ſetzt in vielen Fällen eine intenſivere Geſtaltung des landwirtſchaftlichen Betriebes voraus und hat ſie dann auch nothwendig zur Folge, indem ſich z. B. um die von dem Weide- und Streu- berechtigten benützte Waldfläche nach der Ab— löſung die landwirtſchaftliche Nutzungsfläche derſelben mindert, Capital- und Arbeitsauf— wand aber für ihre landwirtſchaftlichen Grund— ſtücke größer werden. Bei einzelnen Servituten, wie z. B. bei dem Harz- und Theerſchwelerei— rechte, iſt es nicht das Nutzungsobjeet allein, welches dieſelben den Berechtigten wertvoll macht, es ſind vielmehr die Weiterverarbeitung des Rohmateriales und der Verſchleiß der jo gewonnenen Gewerbsproducte, welche ihnen Ge— legenheit bieten, ihre ſonſt nicht verwertbare Arbeitskraft rentierlich zu verwenden. Gleiches gilt für ſolche Berechtigungen, deren Objecte, wie z. B. beim Leſeholz- und Gräſereirechte, nur in arbeitsfreier Zeit, oder von Leuten, deren Ar— beit nicht anderweit verwendbar iſt, zugut— gemacht werden. Der Einfluſs der Forſtſervituten auf Be— wirtſchaftung und Zuſtand der Waldungen ſo— wie auf die wirtſchaftlichen Verhältniſſe des Waldeigenthümers und des Berechtigten äußert ſich natürlich auch in volkswirtſchaftlicher Beziehung und macht ſich insbeſondere geltend bei der Servitutablöſung durch Anderungen - an der Production, Vertheilung und Conſum— tion der Güter, welche um ſo bedeutender und um ſo weniger nachweisbar ſind, je unent⸗ wickelter die wirtſchaftlichen und Verkehrsver— hältniſſe des Landes ſind, je mehr infolge deſſen der concrete Gebrauchswert den abſtracten und den Verkehrswert in den Hintergrund drängt, je näher daher, mit anderen Worten, die Volks- wirtſchaft noch jenen primitiven Culturzuſtänden ſteht, welche eine Theilung des Nutzungsrechtes zwiſchen dem Waldeigenthümer und dem Be— rechtigten zur Nothwendigkeit machten. Eine Servitut wirkt insbeſondere vortheilhaft auf die Gütererzeugung, wenn ſie eine volkswirt— ſchaftlich nachtheilige Herabſetzung des Umtrie— Servituten werden Forſtſchutz und Verwaltung bes hindert, oder den Berechtigten, wie z. B. erſchwert und infolge deſſen auch die Betriebs— das Theerſchwelerei-, Leſeholz- und Gräſerei⸗ Forſtſervituten-Ablöſungsgeſetzgebung. — recht, einen außerdem nicht möglichen Arbeits— verdienſt gewährt; ſie wirkt ſchädlich, wenn ſie, wie die Streurechte, gleichzeitig der Land- und Forſtwirtſchaft zum Verderben gereicht, oder das Hindernis der Waldrodung und damit einer beſſeren Bodennutzung bildet. Es müſste übrigens eine Servitutenablöſung, welche die Gütererzeugung eines Landes vermehrte und dem Waldeigenthümer eine höhere Waldrente (Grund- und Materialgeldcapitalrente) gewährte, doch für volkswirtſchaftlich nachtheilig gehalten werden, wenn das Einkommen der Berechtigten (Grundrente und insbeſondere Arbeits- und Gewerbsverdienſt) durch dieſelbe weſentlich ver— mindert würde, da die Wohlfahrt der Ein— zelnen und des Ganzen nicht bloß von der Höhe des Volkseinkommens, ſondern auch von der Art und Weiſe ſeiner Vertheilung unter die bei der Production Betheiligten abhängt, und bei der ärmeren Volksclaſſe eine geringe Einbuße am Einkommen oft gleich die Befrie— digung der dringendſten Lebensbedürfniſſe in Frage ſtellt. wirken Forſtſervituten bald vortheilhaft, bald nachtheilig. So mindert z. B. das Grubenrecht durch Erleichterung der Aufführung ſteinerner Gebäude die unproductive Güterverzehrung, während dagegen eine Bauholzberechtigung ſie fördert. Die hohe Bedeutung der Forſtſervituten für die Betheiligten und das öffentliche Wohl gab Veranlaſſung zu geſetzlichen Maßregeln bezüglich der Regulierung (ſ. d.) und Ab— löſung (ſ. d.) derſelben. In beſonderen Artikeln werden beſpro— chen werden: 1. Beholzigungsrecht, 2. Berech— tigung zum Sammeln von Beeren u. ſ. w., 3. Berechtigung zur Gewinnung von Rinden, 4. Futterlaubberechtigung, 3. Gräſereirecht, 6. Grubenrecht und Recht zum eee u. ſ. w., 7. Harzrecht, 8. Maſtrecht, 9. Recht zur Eichel und Buchelleſe, 10. Streurechte, 11. Theerſchwelereirecht, 12. Waſſerſervituten, 13. Wegſervituten, 14. Weiderechte und 15. Zei— delweiderecht. Das Jagdrecht (f. d.) beſtand vor. dem Jahre 1848 auch öfter als Servitut und kann in Heſſen nach dem Geſetze vom 2. Auguſt 1858 als ſolche wieder beſtellt werden, nur darf die Unablösbarkeit nicht bedungen werden. Man vgl. übrigens J. Albert, Lehrbuch der aer vitatenablöſung, Würzburg 59 5 Forſtſervitutenablöſungs⸗ Geſetzgebung, ſ. Ablöſung der Forſtſervituten. At. Jorſtſervituten Ablöſungs Verfahren (Deutſchland) iſt die Art und Weiſe der Durchführung der Servitutenablöſung, der freiwilligen ſowohl, wie der Zwangs— ablöſung. Dasſelbe ſtützt ſich unter Beobach— tung der geſetzlichen Vorſchriften auf die forſt— und landwirtſchaftliche Taxationslehre. Weg⸗ und Waſſerſervituten find der Ab— löſung nicht unterworfen und bleiben deshalb hier unerörtert. Das mit jeder Servitut ver— bundene Wegrecht erliſcht mit der Ablöſung der Servitut, zu deren Ausübung es nöthig war. Nach den Geſetzen über Ablöſung der winnung (Naſſau), Auf die Conſumtion der Güter, Forſtſervituten-Ablöſungsverfahren. 117 Forſtſervituten (ſ. d.) unterliegen der Zwangs— ablöſung in Preußen die Weide-, Maſt-, Holz— (ineluſive des Theerſchwelereirechtes) und Streu— rechte, ſowie die Berechtigung zur Rindenge— zum Plaggen-, Heide- und Bültenhiebe, zur Gräſerei und zur Nutzung von Schilf, Binſen oder Rohr auf Ländereien und Privatgewäſſern aller Art, zum Harzſcharren und zur Torfnutzung (in Hohenzollern jedoch nur Weiderechte); in Bayern (rechtsrheiniſche Landestheile) fixierte Holzrechte durch Waldabtretung und Forſtberechtigungen ſolcher Güter, welche zum Waldbeſitzer (mit Ausnahme des Staates) im Grundbarkeitsverbande ſtanden; in Württemberg die Weide-, Gräſerei— und Streurechte und die Brenn- und Bauholz— abgaben des Grundherrn bei Ablöſung der Grundlaſten; in Baden das Beholzigungs-, Weide-, Streu-, Majt-, Harz- und Theerſchwelereirecht ſowie die Berechtigung zum Trüfſelſuchen; in Heſſen die Holz-, Weide- und Maſt— rechte; in Oldenburg die Weiderechte ſowie im Fürſtenthume Birkenfeld auch die Holzrechte (mit Ausnahme des Raff- und Leſeholzrechtes und der Berechtigung auf ein beſtimmtes Brenn— holzquantum) ſowie die Streu-, Gräſerei- und Maſtrechte; in Sachſen— Weimar die Berechtigungen zur Beholzung, zur Weide, zum Leſeholzſam— meln, Stockroden und Harzreißen, zum Streu-, Gras- Schilf- und Raſenholen, zum Graben von Sand, Lehm, Kies, Thon und anderen Erd— arten ſowie zur Benützung von Steinlagern; in Sachſen-Gotha die Holzrechte (mit Ausnahme jener auf Holzkohlen und Leſe- und Stockholz) ſowie die Befugnis zum. Harzreißen und die Weiderechte (mit Ausnahme der Rind— viehhut); in Sachſen-Meiningen die Weiderecite (bei Rindvieh- und Ziegenweide in den Do— mänenwaldungen nur im Falle der Entbehr— lichkeit derſelben für den Berechtigten); in Anhalt die Holz-, Maſt-, Weide- und Gräſereirechte, die Berechtigungen zum Laub— und Streuholen, zum Thon-, Moder-, Lehm-, Torf- und Sandgraben ſowie zur Erziehung von Holz auf Grundſtücken, welche nicht mit der Forſtqualität behaftet ſind (nämlich das Recht, Obſtbäume, Weiden, Pappeln, Eichen u. ſ. w. auf Adern, Wieſen u. ſ. w. anpflanzen zu dürfen, das Recht zur Holznutzung ſog. Hecken von Kopfbäumen und Unterholz auf dem Saume der Grundſtücke ſowie das Recht, vermöge deſſen die Beſitzer von Grundſtücken verbunden ſind, das darauf aufſchlagende Holz bis zur Haubarkeit aufwachſen und von an— deren benützen zu laſſen); in Braunſchweig die Holz-, Maſt- und Weiderechte, die Berechtigungen zum Laub- und Streuharken (ſofern der Berechtigte durch die Abfindung vor Mangel an Streumaterial ge— ſichert wird), zum Plaggen- oder Heidehiebe ſowie zur Erziehung von Holz auf Grund— 118 ſtücken, welche nicht mit der Forſtqualität be— haftet ſind (wie in Anhalt); in Waldeck wie in Preußen; in Lippe-Detmold die Holzabgaben nach den Vorſchriften der allgemeinen Grundlaſten— ablöſungsordnung, wenn fie (Vdg. v. 1. April 1845) vom Gutsherrn dem Dienſtmanne zu leiſten waren, und dieſer ſeine dem Gutsherrn ſchuldigen Dienſte und Kornpräſtationen ablöst, dann die Weide- und Maſtrechte ſowie die Pottereiberechtigungen, d. h. die Berechtigungen zur Holzerziehung auf Hutflächen, durch Thei— lung der Hutfläche, wobei auch andere auf der— ſelben ruhende Berechtigungen (3. B. auf den Plaggenhieb und Heidemähen, auf Torfſtich und Lehmgraben) durch Grundabtretung abzu— löſen ſind; in Schaumburg-Lippe wie in Preußen; in Schwarzburg-Rudolſtadt die Weide— rechte (mit Ausnahme der Rindviehhut in ge— wiſſen fürſtlichen Nadelwaldungen), das Recht zum Graben von Mergel, Kies, Sand, Lehm oder Thon (ſofern es den Berechtigten ent— behrlich iſt und nicht der Regalität unterliegt), alle Baumnutzungs- und Baumpflanzungsrechte auf nicht mit der Forſtqualität behafteten Grundſtücken, die Maſtgerechtigkeit, das Recht zum Harzſcharren, das Beholzungsrecht (ſofern es den Berechtigten entbehrlich iſt), das Recht der Grasnutzung und die Berechtigung, Wald— ſtreu und Waldfrüchte ſammeln zu dürfen; in Schwarzburg-Sondershauſen das Weide-, Streu-, Gruben- (jofern es dem Be— rechtigten entbehrlich), Baumnutzungs- und Baumpflanzungsrecht, das Beholzungsrecht, die Maſtgerechtigkeit, das Recht zum Harzreißen ſowie die Berechtigung zum Sammeln von Raff⸗, Leſe- und Stockholz, Waldbeeren, Wald— ſämereien (nur bei vorhablicher Waldrodung); in Reuß ältere Linie die ſämmtlichen Forſtſervituten; in Reuß jüngere Linie die Weide— rechte; in Eljajs-Lothringen die Holzrechte durch Waldabtretung, die übrigen durch Geld— entſchädigung, die Weiderechte aber nur, ſofern ſie dem Berechtigten entbehrlich ſind. Vollſtändig abgelöst ſind in Sachſen, Sachſen-Coburg und Sachſen-Altenburg die Beholzigungs-, Streu-, Weide- und Harz- rechte, die Berechtigungen zum Gras-, Schilf— und Raſenholen, zur Gewinnung von Sand und Lehm und zur Benützung fremder Steinlager. Wo die Zwangsablöſung der Servituten in größerem Maße zur Durchführung kommt, werden hiefür beſondere Commiſſionen, denen dann in der Regel auch die Ablöſung der Grund— laſten obliegt, beſtellt, während außerdem, wie 3. B. in Bayern und Sachſen-Coburg, die Er— ledigung der fraglichen Geſchäfte Aufgabe der gewöhnlichen Verwaltungsbehörden iſt. So weit die Entſcheidung der bei der Zwangsablöſung ſich ergebenden Fragen Sache der Gerichte iſt, folgt ſolche dem für Rechts— ſtreitigkeiten beſtehenden Inſtanzenzuge; ebenſo beſtehen für die Auseinanderſetzung der Sache durch die Verwaltungsbehörden mindeſtens zwei, meiſtens aber drei Inſtanzen, deren un— U Forſtſervituten-Ablöſungsverfahren. terſtes Glied immer die mit der Durchführung des Geſchäftes betraute Localcommiſſion bildet. Zwei Inſtanzen hat man z. B. in Sachſen⸗ Weimar und Sachſen-Gotha (Special- und und Generalcommiſſion), in Oldenburg (Ab— löſungscommiſſion und Reviſionsbehörde), drei z. B. in Preußen (Special-, Generalcommijfion und Miniſterium), Bayern (Bezirksamt, Kreis— regierung und Verwaltungsgerichtshof) und ähnlich in Württemberg u. ſ. w. 6 Die Ablöſungsbehörden ſind in der Regel nur aus Juriſten zuſammengeſetzt, und nur ausnahmsweiſe ſind denſelben, wie z. B. in Oldenburg und Sachſen-Gotha, wirtſchaftskun— dige Mitglieder zugetheilt. Es werden jedoch zur Entſcheidung wirtſchaftlicher Fragen überall Forſt- und Landwirte (in Preußen jedoch nur Landwirte) beigezogen. Auf Grund beſtehender Staatsverträge be— ſorgen die preußiſchen Auseinanderſetzungs— behörden die Ablöſungsgeſchäfte auch in An— halt, Sachſen-Meiningen, Waldeck, Schaum— burg-Lippe und in den beiden Schwarzburg. Bei dem Ablöſungs verfahren kommen in Betracht: I. die Feſtſtellung der die Grund- lage der Ablöſung bildenden Verhält- niſſe; II. die Wertberechnung der Forft- ſervituten und der Gegenleiſtungen der Berechtigten; III. die Berechnung des dem Wald- beſitzer aus der Servitutablöſung er- wachſenden Vortheiles und IV. die eigentliche Rechtsausein⸗ anderſetzung zwiſchen den Betheiligten. J. Die Feſtſtellung der die Grundlage der Ablöſung bildenden Verhältniſſe hat als nächſten Gegenſtand den Umfang und die Modali- täten der abzulöſenden Forſtſervituten und der etwaigen Gegenreichniſſe der Berechtigten. Die Forſtſervituten (ſ. d.) ſind meiſt aus vergünſtigungsweiſer Bewilligung von Wald— nutzungen an die Leibeigenen des Waldbeſitzers entſtanden, und erſt bei Aufhebung der Leib— eigenſchaft fand auf Grund von Verjährung die Anerkennung und Begrenzung der Rechts- anſprüche der nunmehrigen Grundholden, die ſog. Liquidation der Forſtrechte, ſtatt, welche natürlich die Grundlage der Servitut— ablöſung zu bilden hat. Bei den in anderer Weiſe (durch Vertrag, Teſtament, Geſetz oder richterliches Erkenntnis) begründeten Servituten müſſen Rechtmäßigkeit, Umfang und Modali— täten derſelben nach dem betreffenden Rechts— vorgange beurtheilt werden. Gleiches gilt be— züglich etwaiger Gegenreichniſſe des Berech— tigten. Umfang und Modalitäten einer Servitut find ſchon privatrechtlich jo zu begrenzen, dajs die Erhaltung des Waldes uicht gefährdet iſt, und wenn forſtpolizeiliche Vorſchriften (ſ. Re— gulierung der Forſtſervituten? weitere Ein- ſchränkungen geſtatten, ſo müſſen dieſe, wie z. B. die preußiſche Gemeinheitstheilungsord— nung ausdrücklich vorſchreibt, der Liquidation der Forſtſervituten zugrunde gelegt werden. Es Forſtſervituten-Ablöſungsverfahren. iſt einer ſolchen Reduction der bisherigen Nutzung des Berechtigten immer der dermalige Waldzuſtand zugrunde zu legen, da im Falle der Devaſtation des Waldes durch den Wald— beſitzer dem Berechtigten eine Entſchädigungs— klage gegen denſelben zuſteht. Die inneren und äußeren Verhält— niſſe des belaſteten Waldes ſind von weſentlichem Einfluſſe auf den Ertrag, den Wert und die Ablösbarkeit einer Servitut, ſo— wie auf die Art und Weiſe der Ablöſung. Die Größe des belaſteten Waldes, verglichen mit dem Umfange der Servitut, ſowie deſſen Standsorts— und Beſtandsverhältniſſe bedingen den Einfluss der Servitut auf den Wald, ſowie den Natural— ertrag derſelben und geben die Anhalte zur Be— urtheilung der Möglichkeit oder Vortheilhaftig— keit von Betriebsänderungen. Die Abſatzver— hältniſſe beſtimmen die Preiſe der Forſtproducte und ſomit den Geldwert der Servitut und des Ertragsausfalles für den Waldbeſitzer. Von ihnen hängt dann auch die Rentabilität einer Betriebsumwandlung und die Größe des Opfers ab, welches der Beſitzer eines Waldes für die Entlaſtung desſelben zu bringen ver— mag. Ob die Abfindung des Berechtigten durch Waldflächenabtretung geſchehen kann, hängt von den Standortsverhältniſſen ab. Die perſönlichen Verhältniſſe des Waldeigenthümers beſtimmen vor Allem die Geneigtheit desſelben zur Ablöſung der Servituten. Juriſtiſche Perſonen und größere Privatwaldbeſitzer werden ſich nicht freiwillig zu einer ſolchen herbeilaſſen, wenn anzunehmen iſt, daſs ſie nach erfolgter Ablöſung den Be— rechtigten die bisherigen Nutzungen aus Gründen der Volkswirtſchaft oder der Humanität fort— gewähren müſſen. Reiche Leute, die in dem Waldbeſitze weniger eine hohe Verzinſung als eine allmälige Erhöhung ihres Capitals ſuchen, werden weniger leicht große Opfer für die Be— ſeitigung von Servituten bringen, als Geld— ſpeculanten, die zur Verminderung der Ma— terialvorräthe des Waldes der Zuſtimmung der Berechtigten bedürfen. Das Recht zur Ablöſung ſteht nur dem Eigenthümer, bezw. dem rechtmäßigen Beſitzer des Waldes zu. Feſtzuſtellen iſt, ob die Dispoſitions— befugnis des Waldeigenthümers nicht beſchränkt iſt durch die Rechte der Hypothekgläubiger, des Lehnsherrn oder Obereigenthümers, der Agnaten und der Aufſichtsbehörde bei Fideicommiſſen ſowie der Curatel, wenn derſelbe ein Minder— jähriger, Verſchwender oder Geiſteskranker iſt. Soll eine auf einem gemeinſchaftlichen Walde laſtende Servitut durch Privatüberein— kommen abgelöst werden, ſo gehört dazu die Zuſtimmung ſämmtlicher Miteigenthümer, während bei der Zwangsablöſung entweder, wie in Preußen und Anhalt, jedem Theilhaber, oder einer nach der Größe der Betheiligung zu berechnenden Mehrheit (in Schaumburg— Lippe die Hälfte der Antheile) das Provo— cationsrecht zuſteht. In gleicher Weiſe ſind die Verhältniſſe des herrſchenden Gutes und ſeines Be— ſitzers feſtzuſtellen. Insbeſondere bejtimmen ' 119 die Größe und Betriebsweiſe des Gutes den Hausbedarf desſelben, und das Betriebsſyſtem des Gutes und ſomit die Ablösbarkeit der Servitut hängt wieder ab von den Vermögens— verhältniſſen, der Intelligenz und Betriebſam— keit des Berechtigten, ſowie von den Verkehrs- verhältniſſen und der Höhe des Zinsfußes und Arbeitslohnes. Nur bei entwickelter Geldwirt— ſchaft iſt die Servitutablöſung mit Geld mög— lich, und auch die Abtretung von Grund und Boden kann nur dann ſtattfinden, wenn die abzutretende Fläche in der Nähe des herrſchen— den Gutes liegt, und dieſes mit Hilfe des er— haltenen Areales ſeinen Betrieb ſo zu ändern vermag, dass ihm für die Folge die bisherigen Zuſchüſſe aus dem Walde entbehrlich werden. II. Die Wertberechnung der Forſt— ſervituten und der Gegenreichniſſe der Berechtigten iſt bei der freiwilligen und der Zwangsablöſung der Servituten an und für ſich gleich, aber bei der freiwilligen Ablöſung betrachten die Betheiligten die ermittelten Werte nur als ein Moment des von ihnen zu ver— einbarenden Preiſes, während bei der Zwangs— ablöſung die Ablöſungsbehörden in der Regel die Feſtſtellungen der Sachverſtändigen ohne— weiters der Abfindung zugrunde legen. Es haben deshalb hier die Taxatoren bei ihren Wertermittlungen die weiteren Intereſſen der Betheiligten, insbeſondere aber jene des Pro— vocaten zu wahren, da der Provocant ohnehin blos dann auf Ablöſung antragen wird, wenn ihm durch ſolche ein Vortheil erwächst. Nur bei der Servitutablöſung durch Landabtretung iſt das Intereſſe des provocierenden Wald— beſitzers in der Art zu wahren, daſs der Wert der abzutretenden Waldfläche nicht blos nach ihrer Fähigkeit, die bisherigen Nutzungen des Berechtigten zu ſurrogiren, ſondern nach ihrer vortheilhafteſten Verwendbarkeit bemeſſen wird. Dem provocierten Berechtigten wird mit Recht öfter die Wahl unter den Entſchädigungs— mitteln gelaſſen, und der Walbdbeſitzer hat mehrfach, wie z. B. in Preußen, wenn der Be— rechtigte provociert, die Wahl, ob der Wert der Servitut nach dem Nutzen, den ſie dem Berechtigten bringt, oder nach dem Vortheile, welcher dem Walde durch die Entlaſtung er— wächst, bemeſſen werden ſoll. Es mujs hier unterſchieden werden 1. die Feſtſtellung des jährlichen Naturalertrages einer Forſtſervitut und etwaiger Gegenreichniſſe des Be— rechtigten und 2. die Geldwertberechnung ſelben. ad 1. Bei beſtimmten Servituten iſt die jährliche Nutzungsgröße der Naturalertrag, während bei allen Servituten, die ihrer Natur nach, wie z. B. das Recht auf Holz zu Neu— bauten, oder nach der Waldbeſchaffenheit, oder nach den Verhältniſſen des herrſchenden Gutes einen gleichen Jahresertrag nicht haben, immer eine beſondere Feſtſtellung des intermittierenden, bezw. periodiſch ungleichen Naturalertrages nöthig wird. Bei allen unbeſtimmten Ser vituten erſtreckt ſich, unbeſchadet der durch das Mitbenutzungs— der⸗ 120 Forſtſervituten-Ablöſungsverfahren. recht des Waldeigenthümers und die Rückſicht auf die Erhaltung des Waldes bedingten Redue— tionen, die Nutzung des Berechtigten, ſofern nicht ausdrücklich anders beſtimmt iſt, nur auf die Befriedigung des Hausbedarfes desſelben, oder ſie iſt doch, wenn die gewonnenen Pro— ducte, wie z. B. beim Recht zum Harzſcharren und Theerſchwelen, zum Verkaufe beſtimmt ſind, auf das nach Maßgabe des bisherigen Ge— ſchäftsumfanges von der Perſon des Berech— tigten, oder auch noch von den Gliedern ſeiner Familie zugutgemachte Quantum beſchränkt. Der jährliche Hausbedarf des Berechtigten wird nun entweder direct feſtgeſtellt, indem man nachweist, von welcher Größe und Be— ſchaffenheit die bisherige Nutzung war, oder man beſtimmt ihn indirect durch Feſtſtellung des Bedarfes, den nach der in der Gegend herkömmlichen Wirtſchafts- und Lebensweiſe ein Gut von der Größe und Beſchaffenheit des herrſchenden hat. Der Jahresertrag einer Nutzung kann mit Verläſſigkeit nur auf das Ergebnis einer Reihe von Jahren gegründet werden, und die Ab— löſungsgeſetze beſtimmen deshalb auch die Zahl der in Betracht zu ziehenden Jahre, z. B. in Bayern 10, in Württemberg 20, in Preußen bei Weiderechten 10, bei Maſtrechten 30, in den beiden Schwarzburg bei Maſtrechten 30 Jahre. Nicht fixierte Gegenreichniſſe des Berech— tigten werden ebenfalls nach ihrem durch— ſchnittlich jährlichen Ertrage beſtimmt. Die Größe einer Nutzung, welche ſich auf den Geſammtanfall der betreffenden Producte ausdehnt, kann direct nur nach den Regeln der forſtlichen Betriebsregulierung (J. Albert, Lehrbuch der forſtlichen Betriebsregulierung, Wien 1861) beſtimmt werden. Die Ermittlung der jährlichen Nutzungs— größe hat nach dem dermaligen Waldzuſtande zu erfolgen, wovon man jedoch öfter inſofern abweicht, als nach den Gemeinheitstheilungs— ordnungen für Preußen, Anhalt, Braunſchweig und beide Schwarzburg bei Ermittlung des Weideertrages ein mittelmäßiger Holzbeſtand angenommen wird, wenn die Beſtockung eine ſchlechte iſt. Die Naturalertragsbeſtimmung eines Be— holzigungsrechtes (ſ. d.) iſt nach der Art desſelben ſehr verſchieden. Ein unbeſtimmtes Brennholzrecht auf aufgearbeitetes Materiale iſt bezüglich der Quan— tität nach dem Hausbedarfe des herrſchenden Gutes, bezüglich der Qualität aber nach dem bisherigen durchſchnittlichen Sortimentenanfalle der Schläge zu bemeſſen. Die klimatiſchen und Bodenverhältniſſe des Ortes, ſowie die Bauart und Verwendung der Gebäude beſtimmen deren Dauer, der Umfang und die Beſchaffenheit derſelben die Quantität und Oualität des zu einem Neubaue erforder— lichen Holzes, wodurch die Anhalte zur Beſtim— mung des jährlichen Durchſchnittsbetrages der Holzabgabe auf Neubau gegeben ſind, fofern | man es nicht, wie z. B. in Preußen, Braun; ſchweig und Anhalt, vorzieht, den Geldwert der nach einer beſtimmten Zeit zum erſtenmale und — dann immer periodiſch wiederkehrenden Bau— holzabgabe an den Berechtigten zu beſtim men und der Capitalwertberechnung zu grunde zu legen. Ebenſo wird die durch dieſelben Momente beſtimmte Abgabe von Holz zur Reparatur der Gebäude durch Sachverſtändige nach ihrer durch— ſchnittlichen Jahresgröße feſtgeſtellt, wobei eine genaue Vormerkung der bisher ſtattgehabten Bauholzbezüge des Berechtigten die Schätzung weſentlich erleichtert. Die Summe des alljähr— lich für Neubau und Reparatur abzugebenden Holzes bezeichnet den Jahresertrag eines un— beſtimmten Bauholzrechtes. In ganz ähn⸗ licher Weiſe wird auch der jährliche Ertrag eines Nutzholzrechtes beſtimmt, welcher neben dem Umfange und der Art der Bewirtſchaftung des herrſchenden Gutes ebenfalls von den eine mehr oder weniger ſchnelle Abnutzung der Ge— räthe u. ſ. w. bedingenden klimatiſchen und Bodenverhältniſſen abhängt. N Bei der Aſt- und Oberholzgerechtſame, dem Recht auf Windfall-, Wind bruch-⸗, Schnee- und Duftbruchholz, dem Lager— holz- und Raff- oder Leſeholzrecht, dem Recht zum Beſenreisſchneiden, ſowie bei dem Recht auf das Unter- oder das Ober⸗ holz des Mittelwaldes und auf eine be— ſtimmte Holzart wird der Jahresertrag der Nutzung, wenn er nicht auf Grund der Reſultate beſonderer Ertragsunterſuchungen oder der Vor— merkung der bisherigen Bezüge der Berechtigten direct zu ermitteln iſt, nach dem Hausbedarfe des Berechtigten bemeſſen und in jenen Sortimenten aufgearbeiteten Holzes ausgedrückt, welche den Nutzungsobjecten am meiſten entſprechen. Das Erträgnis des Rechtes, das auf fremdem Grund und Boden ohne menſch— ſchliches Zuthun auf wachſende Holz benützen zu dürfen, ſowie des Pflanz— rechtes oder der ſog. Pottereiberechti— gung kann nur mit Hilfe eines Wirtſchafts— planes feſtgeſtellt werden, welcher die Nutzung jo regelt, dafs das Holz immer im vortheil— hafteſten Alter zum Abtriebe kommt. Nach den Gemeinheitstheilungsordnungen für Preußen, Braunſchweig und Anhalt erhält bei Ablöſung des Rechtes auf das auf fremden Grundſtücken aufwachſende Holz der Berechtigte den Geldwert des vorhandenen Holzes und 1% desſelben für den künftigen Nachwuchs als Entſchädigung. Bei dem Weiderechte (ſ. d.) handelt es ſich zunächſt darum, die Zahl des Weideviehes zu beſtimmen, welches in dem belaſteten Walde volle Ernährung zu finden vermag. Als Maß— ſtab gilt hier der Weidebedarf einer Kuh, auf den dann jener der übrigen Biehgattungen reduciert wird. Für Plenterwaldungen, in wel- chen die ganze Waldfläche der Weide offen iſt, erfolgt die Feſtſtellung der Zahl des Viehes, - welches nach den beſtehenden Standorts- und Beſtandsverhältniſſen ohne merkliche Gefähr— dung des Holzwuchſes ernährt werden kann, ohneweiters, während bei ſchlagweiſem Be— triebe erſt nach Maßgabe der beſtehenden Schonungszeit und unter Berückſichtigung einer etwaigen Maſt- und Jagdſchonung oder vor— kommender Unterbrechungen der Weide durch Überſchwemmungen die der Weide offene pro— x Forſtſervituten-Ablöſungsverfahren. ductive Waldfläche ermittelt werden muſs. Es wird dann nach den beſtehenden Standortsver— hältniſſen feſtgeſtellt, wie viel Hektaren (in der norddeutſchen Ebene 0˙38—16 ha) im holzleeren Zuſtande und dann bei der dermaligen Holzbe— ſtockung zu einer Kuhweide, d. i. zur vollen Er— nährung einer Kuh während der Weidezeit nöthig ſind, und hienach dann die Zahl der Kuhweiden der ganzen Weidefläche auf Grund vorgenommener Bonitierung ermittelt. Mit Hilfe des Heubedarfes pro Tag läſst ſich der Heuertrag einer Kuhweide und der ganzen Weide— fläche beſtimmen. Es beſtände z. B. auf einem Waldcomplexe von 1400 ha ein jährlich durch 160 Tage mit durchſchnittlich 500 Stück Rindvieh, nämlich 30 Ochſen, 300 Kühen und 150 Stück Jungvieh, ausgeübtes Weiderecht, es wäre, mit Rückſicht auf die Schonung des Waldes und der Rechte des Maſtberechtigten, die jährliche Weidefläche zu 1000 ha anzunehmen und 3% ha des be— ſtockten Waldbodens wären als eine Kuhweide zu rechnen, ſo würde der Wald 300 Kuhweiden liefern, und es wäre, wenn man eine Kuhweide zu 12 Pfund Heu täglich rechnen könnte, der Jahres- ertrag des Weiderechtes gleich 300 X 160 X 12— 376.000 Pfund oder 5760 Centner Heu. Der Berechtigte beanſprucht aber ſtatt 300 Kuhweiden deren (61 300 - 75 nach den Pfeil'ſchen Ver— hältniszahlen) 436, und es mufs derſelbe ſohin entweder noch 2011 Centner Heu für die Weide— zeit zugeben, oder auf eine vollſtändige Ernäh— rung ſeines Viehes verzichten; in keinem Falle aber kann er den Jahresertrag ſeines Rechtes höher als zu 5760 Centner Heu veran- ſchlagen. Den Jahresertrag einer Berechtigung zur Nothweide findet man nach dem Erör— terten leicht, wenn feſtſteht, wie oft, wie lange, zu welcher Jahreszeit und mit welcher Viehzahl dieſes Recht in den belaſteten Waldungen durch— ſchnittlich ausgeübt wurde. Die Ertragsberechnung des Maſtrechtes (ſ. d.) erfolgt in ähnlicher Weiſe wie jene des Weiderechtes. Sind z. B. in einem Waldcomplexe von 6000 ha im 120jährigen Umtriebe die Beſtände von 80—120 Jahren als maſttragend anzu— nehmen, ſo iſt die jährliche Nutzungsfläche gleich 2000 ha. Iſt nun in einem Zeitraume von 15 Jahren immer auf 1 volle, 3 halbe und 11 Sprengmaſten zu rechnen, ſo ergibt ſich, wenn man den Ertrag der halben Maſt zu | 8 ß trachtet, außerdem aber der Jahresbetrag der— ſelben nach dem Hausbedarfe des Berechtigten 50%, jenen der Sprengmaſt zu 12% des Er— trages der vollen Maſt annimmt, durchſchnitt— lich jährlich eine Nutzungsfläche an voller Maſt = 2000 3 N 2000 XI - NN 2000 0-12 | 13 s Rechnet man 2½ ha auf ein Schwein, jo | können hier jährlich 255 — 204 Schweine gefeiſtet werden. Nimmt man den Nahrungsbe— darf eines Schweines in der Maſtzeit zu 5 hl Eckerich an, ſo iſt der Naturalertrag des Maſt⸗ 121 rechtes 204X5—=1020 hl und ſohin pro Hektar 0 der Nutzungsfläche = 420. 2˙0 hl. 309˙3 Ebenſo beſtimmt man den Naturalertrag an Rechtes zur Eichel- und Buchel— eſe. Das Rechſtreurecht (j. Streurechte) lautet entweder nur auf den Hausbedarf des Berech— tigten, oder es iſt nach Raum- oder Gewichts— maßen, oder nach der jährlichen Nutzungsfläche direct oder indirect beſtimmt. Der Streubedarf des herrſchenden Gutes richtet ſich nach dem Viehſtande, nach der Dauer der Stallfütterung, ſowie nach der herkömmlichen Art und Weiſe des Einſtreuens. Derſelbe wird nach Abzug der auf dem Gute ſelbſt erzeugten Streumaterialien erſt in Fudern oder Centnern Stroh feſtgeſtellt und dann in Raum- oder Ge— wichtsmaße waldtrockener Streu reduciert. Hat z. B. Jemand den Streubedarf für 6 Stück Rindvieh für 184 Tage Weidegang und 181 Tage Stallfütterung zu beziehen, ſo iſt, wenn man den täglichen Bedarf an Stroh pro Stück bei dem Weidegange zu 1 kg, bei der Stallfütterung zu 2 kg rechnet, der jährliche Naturalertrag 182-2 K 1818346 kg = 10˙92 Centner Stroh pro Stück und im ganzen 6552 Centner Stroh. Kann man den Centner Stroh gleich 44 Centner waldtrockener Nadel- ſtreu ſetzen, jo ergeben ſich hienach 288˙3 Cent- ner Streuertrag. . Bei directer Ermittlung des Streuertrages eines Waldes mujs beim Plenterbetriebe das Maximum der ohne beſonderen Nachtheil zu entnehmenden Streu feſtgeſtellt, beim ſchlag— weiſen Betriebe aber erſt mit Rückſicht auf die nöthige Schonzeit die jährliche Nutzungsfläche beſtimmt werden. Es ſei z. B. in einem Walde von 2000 ha bei 100jährigem Umtriebe nur in den Beſtänden von 60 —90 Jahren und nur alle drei Jahre zuläſſig, jo würde die jährliche Nutzungs- e 2000 K 0:3 fläche I eye > Streu pro Hektar, welcher nach Holzart, Alter und Beſchaffenheit der Beſtände, nach der Stand— ortsgüte und der Art und Weiſe der Streuge— winnung ſehr verſchieden iſt, wird, wenn die bisherigen Erfahrungen hiezu nicht ausreichen, am beſten durch Verſuche auf Probeflächen er— mittelt. Bei der Aſtſtreugerechtſame wird, wenn die Streuabgabe aus den Jahresſchlägen erfolgt, der bisherige Bezug als Nutzungsgröße be— — 200 ha ſein. Der Ertrag an bemeſſen. Von dem Turnus für das Heide- und Plaggenhauen (nach Pfeil bei Heide 10— 14, bei Grasüberzug 6—8 Jahre), ſowie von den Standorts- und Beſtandsverhältniſſen des Wal— des hängt die jährliche Nutzungsfläche und die Art und Weiſe der Reproduction des wegge— nommenen Bodenüberzuges und ſomit der gegenwärtige Jahresertrag des Rechtes zum Heide- und Plaggenhauen ab, welcher je- doch, da bei Fortſetzung der Nutzung die Ver— armung des Bodens ſtetig zunimmt, mit Rück— 122 ſicht hierauf und im Intereſſe der Walderhal— tung eine entſprechende Minderung erleiden mufs. Dies gilt auch für die Ertragsbeſtim— mung nach dem Hausbedarfe des Berechtigten. Bei einem Gräſereirechte (ſ. d.) kann man den Jahresertrag der geſammten Graser— zeugung, wie beim Weiderechte, nach Kuhwei— den feſtſtellen, oder, was das Gewöhnliche iſt, denſelben nach dem Hausbedarfe der Berech— tigten in Centnern Heu ermitteln. Dieſer wird, entweder direct feſtgeſtellt, indem man dem Be— rechtigten die Zahl der durchſchnittlich dem Walde entnommenen Traglaſten Gras nach— weist, oder nach dem Biehſtande desſelben be— meſſen, wobei von dem Futterbedarfe desſelben die auf dem Gute erzeugten, die angekauften und die durch Feld- und ſonſtige Weiden dem Viehe zugehenden Futtermengen abzuziehen ſind. Die Ertragsbeſtimmung des Rechtes auf Gewinnung von Rohr, Schilf und Binſen iſt einfach, da die Größe der Nutzung, welche gewöhnlich mit einemmale im Herbſt, oft beim erſten die Brücher zugänglich machen— den Froſte erfolgt, ſich ziemlich gut controlieren oder mit Hilfe des Ertrages einer Probefläche. ermitteln läſst. Wie beim Gräſereirechte wird man auch bei der Futterlaubberechtigung (ſ. d.) den jährlichen Naturalertrag am beſten nach dem Zuſchuſſe bemeſſen, welchen ſolcher dem Be— rechtigten zur Ernährung ſeines Viehes ge— währt. Den Naturalertrag eines Harzrechtes (. d.) kann man finden, indem man entweder aus der Zahl der in Nutzung ſtehenden Stämme und dem jährlichen Durchſchnittsertrage eines Stammes den Harzanfall direct beſtimmt, oder indem man von der Menge des jährlich ge— wonnenen Peches einen Schluſs auf das ver— ſottene Harz macht. Ebenſo ſtellt man beim Theerſchwelereirechte (ſ. d.) die Menge des verwendeten Kienholzes entweder aus der Größe der Abgabe von Stammkienholz, oder aus der Zahl der vom Berechtigten gerodeten Kiefern— ſtöcke feſt, oder man beſtimmt dieſelbe aus der Größe des Theerofens und der Zahl der im Durchſchnitte jährlich gemachten Brände. Das zur Feuerung nöthige Schwelholz bildet den Gegenſtand eines Beholzigungsrechtes. Die Größe des Naturalertrages einer Be- rechtigung auf Leuchtkien wird, im Anhalte an das bisherige Bezugsquantum und mit Rückſicht auf die Zahl und Größe der zu be— beleuchtenden Räume ſowie auf die Dauer und Stärke der Beleuchtung derſelben, gutachtlich in Raummaßen geputzten Kienes angeſprochen und ſodann das zur Gewinnung desſelben nö— thige Kiefernſtockholzauantum beſtimmt. Der Ertrag einer Berechtigung zur Gewinnung von Rinden (ſ. d) wird ent- weder, wenn die Abgabe aus den Jahres— ſchlägen in beſtimmten Raum- oder Gewichts— maßen erfolgt, direct feſtgeſtellt, oder nach dem Holzertragsverluſte durch das Schälen (bei Eichen / — , bei Fichten / — : der un⸗ geſchälten Holzmaſſe) bemeſſen. Bezüglich des Naturalertrages einer Be— rechtigung zum Sammeln pon Beeren, kungen ſtehenden Forſtſervituten-Ablöſungsverfahren. Wildobſt, Trüffeln, Wildhopfen u. ſ. wi (ſ. d.) entſcheidet in der Regel nicht die Menge der im Walde erzeugten Producte, ſondern die Größe der Ausnützung derſelben durch den Berechtigten, welche abhängig iſt von dem Be— rechtigungsumfange, von den Abſatzverhältniſſen und der dem Berechtigten etwa gebotenen Mög— lichkeit, durch anderweitige Verwendung ſeiner Arbeitskraft ſich einen Verdienſt zu verſchaffen, der den durch das Sammeln der bezüglichen Objecte erzielten überſteigt. Bei Beſtimmung der von den berechtigten Perſonen geſammelten Mengen mujs auf die in den einzelnen Jahren wechſelnde Größe der Production entſprechend Rückſicht genommen werden. Es wäre z. B. für eine beſtimmte Frucht in 5 Jahren auf 2 volle, 2 Mittelernten und eine Fehlernte zu rechnen, und es könnte eine Perſon bei einer Mittelernte m, bei einer vollen aber n Maß Früchte täglich ſammeln, ſo würde, wenn die Sammelzeit 21 Tage beträgt, der jährliche Naturalertrag gleich 2m - 2n 21 x 5 78 ſein. Bei dem Grubenrechte (ſ. d.) wird ſich immer nachweiſen laſſen, welche Zahl von Fu- dern oder ſonſtigen Raummaßen Steine, Sand, Thon, Torf u. ſ. w. dem Berechtigten nach dem Umfange ſeines Rechtes jährlich gebürt, bezw. von demſelben bisher durchſchnittlich jährlich bezogen wurde. Bei der Berechtigung zum Torf— ſtiche insbeſondere iſt nöthigenfalls durch Her— ſtellung eines den Wiedernachwuchs des Torfes ermöglichenden Wirtſchaftsplanes, der ſich auf eine Schlageintheilung zu gründen hat, der Nach— weis zu liefern, inwieweit ſich die Anſprüche des Berechtigten mit der Nachhaltigkeit des Betriebes vertragen, bezw. ob eine Reduction der bis- herigen Abgabe nöthig erſcheint oder nicht. Bei der Berechtigung zum Kohlen— brennen, Ablagern von Holz u. ſ. w. ſowie beim Zeidelweiderechte (ſ. d.) wird der Geldertrag nicht auf Grund des Naturalertra— ges beſtimmt. Beſtehen die Gegenreichniſſe des Berech— tigten in einer wechſelnden jährlichen Natural- leiſtung, ſo iſt der durchſchnittliche Betrag der— ſelben feſtzuſtellen. Ob und inwieweit bei Servitutsbeſchrän— die Gegenreichniſſe des Berechtigten eine Minderung zu erleiden haben, iſt eine Frage, die in einem gegebenen Falle nach der Natur der Servitut und des Gegenreichniſſes ſowie nach der Urſache und Größe der Re— duction der Berechtigung auf Grund der be— geſetzlichen Beſtimmungen zu ent— ſcheiden iſt. ad 2. Bei der Geldwertberechnung der Servituten und Gegenreichniſſe der Berech— tigten kommen in Betracht der Geldrohertrag, der Geldreinertrag und der Capitalwert derſelben. Der jährliche Geldrohertrag einer Ser— vitut iſt das Product des Naturalertrages in den Preis der Maßeinheit desſelben. Die Preiſe werden, mit Ausſchluſs etwai- ger Ausnahmsjahre, nach dem Durchſchnitte Forſtſervituten-Ablöſungsverfahren. eines längeren Zeitraumes (etwa der letzten 6—10 Jahre) beſtimmt und nöthigenfalls mo— dificiert mit Rückſicht auf wahrſcheinliche dem— nächſtige Preisänderungen, welche in Verbeſſe— rung der Verkehrsverhältniſſe, in Verwendung von Surrogaten der fraglichen Foritproducte ſowie in Anderungen des wirtſchaftlichen Be— triebes der Bevölkerung u. ſ. w. ihren Grund haben können. Auch die Servitutablöſung ſelbſt beeinfluſst die Forſtproductenpreiſe, indem z. B. das plötzliche Aufhören einer ausgedehnten Leſe-, Stock-, Duftbruch- und Windfallnutzung die Nachfrage nach den verkäuflichen Holzſorti— menten ſteigern muſs. Es kommen übrigens hiebei auch die Vermögensverhältniſſe der frü— heren Berechtigten in Betracht, indem die un— bemittelteren derſelben mit der Erhöhung der Preiſe vom Kaufe abſtehen und entweder Man— gel leiden oder ſelbſt im Wege des Frevels ſich das Unentbehrliche zu verſchaffen ſuchen werden. Wenn die der Naturalertragsbeſtimmung zu grunde gelegten Nutzungsobjecte keine Preiſe haben, müſſen dieſelben in ein Aquivalent ver— käuflicher Produete umgewandelt werden, wie 3. B. Waldſtreu in Stroh, oder Eckerich in Kar— toffeln oder Roggen. Die Preiſe werden in der Praxis bald mit, bald ohne Gewinnungs- und Transport- koſten feſtgeſtellt, doch iſt die Beſtimmung von Waldpreiſen und bei Nebennutzungen die Weg— laſſung der Gewinnungskoſten im allgemeinen Regel. Der Geldertrag der Nutzung von Beeren, Wildobſt u. ſ. w. wird nach den Preiſen am Verkaufsorte beſtimmt. Wo Rinden nicht ver— käuflich ſind, legt man der Wertberechnung der betreffenden Servitut den durch dieſelbe verur— ſachten Holzertragsverluſt zu grunde. Harz⸗ und Theerſchwelereirechte werden wohl immer nicht nach dem Harz-, bezw. Stock— holzertrage, ſondern nach dem Gewinne an Pech oder Theer geſchätzt, und es kommen daher die Preiſe dieſer Producte in Rechnung. Den jährlichen Geldreinertrag einer Servitut erhält man, wenn man von dem Geldrohertrage den zu deſſen Gewinnung nö— thigen Koſtenaufwand (inclufive der Steuern) und den Reinertrag etwaiger Gegenreichniſſe des Berechtigten in Abzug bringt. Der Reinertag der Gegenreichniſſe, welche mitunter, wie z. B. in Bayern, auch für ſich abgelöst werden können, iſt ebenfalls nur die Differenz des Geldrohertrages und der entſpre— chenden Jahresausgaben. Die Jahresausgaben werden nach dem Durchſchnitte des Zeitraumes, welcher der Feſt— ſtellung des jährlichen Naturalertrages zu grunde gelegt wurde, beſtimmt, wobei man natürlich dieſen durchſchnittlichen Jahresbetrag entſpre— chend modificiert, wenn an demſelben für die Folge durch Fallen oder Steigen der Arbeits— löhne, oder aus irgend einem anderen Grunde eine Anderung mit Wahrſcheinlichkeit zu er— warten iſt. Ob und inwieweit die Gewinnungskoſten einer Servitut oder eines Gegenreichniſſes von dem Geldrohertrage in Abzug gebracht werden dürfen, iſt eine Frage, welche nur mit Rückſicht 123 auf die Natur der betreffenden Nutzung, die Verkehrszuſtände der Gegend, die wirtſchaft— lichen Verhältniſſe des Berechtigten und die Modalitäten der Servitut beantwortet werden kann. Es muſs übrigens als recht und billig erkannt werden, daſs dem Berechtigten der Ar— beitsverdienſt bei Gewinnung der betreffenden Nutzungen nur inſoweit aufgerechnet werden darf, als ihm ſolcher nach der Servitutablöſung durch die gegebene Möglichkeit, ſeine Arbeits— kraft anderweitig zu verwerten, wie dies z. B. bei der Abfindung mit Grund und Boden der Fall iſt, in ſicherer Ausſicht ſteht. Man darf nämlich hiebei nicht aus dem Auge verlieren, daſs der Berechtigte und ſeine Leute faſt nie durch wirtſchaftliche Arbeiten voll beſchäftigt ſind, und daſs demnach auch die Gewinnung der fraglichen Forſtproduete wohl meiſt ohne beſondere Verſäumnis wird vorgenommen wer— den können. Alle Barauslagen des Berechtigten ſind dagegen unbedingt von dem Rohertrage in Abzug zu bringen. Es enthalten übrigens die deutſchen Ablöſungsgeſetze bezüglich der Art und Weiſe der Reinertragsermittlung in der Regel keine Beſtimmungen, indem ſie dieſelbe meiſt ausſchließlich dem Gutdünken der Sach— verſtändigen überlaſſen. Für alle Servituten kommen jedoch Gewinnungskoſten in Aufrech— nung in Preußen und Schwarzburg-Rudolſtadt. Die Frage, ob und inwieweit dem Berech— tigten die Erſparungen an Arbeitskoſten, die er nach der Servitutablöſung durch den Bezug der ihm nöthigen Forſtproduete aus näher gelegenen Waldungen macht, aufgerechnet wer— den dürfen, iſt ebenfalls nur mit Rückſicht auf die oben erörterten Verhältniſſe zu beant— worten. Die Gewinnung der Forſtnebennutzungen wird auch bei dem Verkaufe häufig den Em— pfängern derſelben überlaſſen, und es darf, wenn man die ſo erzielten Preiſe oder Pacht— gelder für die Geldwertberechnung der Servi— tuten benützt, ein Abzug für die Gewinnungs— koſten natürlich nicht ſtattfinden. Bei einem Beholzigungsrechte mufs der von dem Berechtigten rückzuvergütende Hauerlohn unbedingt in Aufrechnung kommen, während die Berechtigungen auf Lager-, Leſe-, Wind-, Schnee- und Duftbruchholz einen nega— tiven Wert erhalten würden, wenn man den zur Gewinnung des Holzes nöthigen Arbeits- aufwand nach den ortsüblichen Taglöhnen in Anrechnung bringen wollte. Bei dem Weiderechte läſst ſich ein Ab— zug des Hirtenlohnes von dem Geldrohertrage nur dann rechtfertigen, wenn der Berechtigte wirklich einen Hirten aufſtellt und bezahlt. Iſt die Verpachtung der Waldweide in der Gegend üblich, ſo können auch die betreffenden Pacht— erlöſe als Reinerträge gelten. Beim Maſtrechte bilden die Barauslagen für den Hirten und die Herrichtung und Unter— haltung von Buchten den Koſtenaufwand. Bei dem Harz- und Theerſchwelerei— rechte dürfen nicht nur keine Ausgaben für Gewinnung des Rohharzes und der Kiefern— ſtöcke in Aufrechnung kommen, es mußs auch dem Berechtigten für den Entgang des Ver— 124 dienſtes durch die Bereitung und den Ver— ſchleiß des Peches und Theeres eine Entſchädi— guͤng gewährt werden. Es erfordert übrigens auch noch Recht und Billigkeit, die Pechhütte, bezw. den Theerofen dem Berechtigten abzu— löſen, wenn derſelbe nach der Aufhebung der Servitut ſein Geſchäft nicht mehr fortſetzen kann. Dagegen mujs ſich der Berechtigte die Aufrechnung aller Barauslagen, wie z. B. für den Ankauf von Feuerholz, für den Bau und die Unterhaltung des Ofens u. ſ. w., gefallen laſſen. Ebenſowenig darf in der Regel bei den übrigen hier nicht genannten Servituten ein Arbeitsverdienſt in Abzug kommen. Der Reinertrag des Zeidelweiderechtes wird, wenn verläſsliche gegendübliche Pacht— gelder nicht bekannt ſind, am einfachſten aus dem den beſtehenden Verhältniſſen entſprechen— den Reinertrage der Bienenzucht nach Ver— hältnis der Zeitdauer der Ernährung der Bienen im Walde ermittelt. Bei der Berechtigung zum Kohlen— brennen, Ablagern von Holz u. ſ. w. wird der Reinertrag der dem Waldbeſitzer durch die Servitutausübung für die Holzzucht verloren gehenden Fläche einfach nach dem durchſchnitt— lich jährlichen Reinertrage der Flächeneinheit des Berechtigungscomplexes beſtimmt, da im Falle der Verpachtung der fraglichen Fläche das Pachtgeld auch nicht, anders berechnet werden könnte. Die Beſtimmung des Capitalwertes des Reinertrages einer Servitut und des bei Ablöſung derſelben etwa abzutretenden Waldes erfolgt nach den Regeln der Waldwertberech— nung (J. Albert, Lehrbuch der Waldwert— berechnung, Wien 1862). Der Zinsfuß der Capitalwertberechnung iſt bei der Zwangsablöſung geſetzlich beſtimmt 4—6¼¼½0%), bei freiwilliger Servitutablöſung der gegendübliche für Capitalanlagen gegen hypothekariſche Sicherheit (jetzt nicht über 4%). Bei Discontierungen, Prolongierungen und Rentierungen iſt auch hier die Rechnung mit Zinſeszinſen, obwohl auf ſolche in der Wirk— lichkeit nicht voll zu rechnen iſt, die allein rich— tige, bei Zwangsablöſungen jedoch mit einer Ermäßigung des Zinsfußes (um 1% und ſelbſt etwas mehr) zur Fernhaltung der Nachtheile, die den Betheiligten aus dem bereits erwähnten Umſtande zugehen, daſs hier der berechnete Capitalwert als Preis und nicht als ein bloßes Moment desſelben gilt und ſomit die Unrich— tigkeit der Aufrechnung voller Zinſeszinſen in der freien Vereinbarung der Intereſſenten ein Corrcctiv nicht findet. In Preußen, Braunſchweig, Anhalt und Sachſen-Coburg berechnet man bei der Capita— liſierung der intermittierenden Baurenten keine Zinſeszinſen, ſondern nur in der Art beſchränkte Zinſen, daſs man nur den einfachen Jahres— zins zum Capitale ſchlägt und ſodann für die ſo gefundene Summe bloß einfache Zinſen in Rech— nung bringt. In Schwarzburg-Rudolſtadt ſoll der Capitalwert einer Berechtigung zum Harzreißen dadurch beſtimmt werden, daſs man die von den zur Zeit der Provocation vorhandenen Forſtſervituten-Ablöſungsverfahren. Fichtenbeſtänden künftig zu erwartenden Rein— erträge, unter Annahme 4%iiger, Zinſen, auf ihren Jetztwert bringt. III. Bei der Zwangsablöſung einer Ser— vitut bildet der nach den Regeln unter II. ge- fundene Capitalwert den Preis derfelben, wenn der Berechtigte provociert wurde, während es Recht und Billigkeit verlangt, daſs der provo— cierte Waldbeſitzer den Ablöſungsbetrag nach dem ihm aus der Ablöſung erwachſenden Vortheile berechnen darf, ſofern dieſer unter dem Capitalwerte der Servitut für den Be— rechtigten verbleibt. Es wurde dieſer Schutz des Waldbeſitzers gegen die Zumuthung, ein ihm mehr oder minder wertloſes Nutzungsrecht um hohen Preis abzulöſen, auch durch die Ab- löſungsgeſetze von Preußen, Sachſen, Schwarz— burg-Rudolſtadt und Schaumburg-Lippe ge— währt. Bei der Feſtſtellung der Vortheile der Ablöſung für den Waldbeſitzer muſs es als leitender Grundſatz gelten, daſs nicht alle Vor— theile, welche nach der Waldbeſchaffenheit und den Verkehrsverhältniſſen der Gegend durch Betriebsänderungen, beſſere Ausnützung der Erträge u. ſ. w. möglich find, ſondern nur jene gerechnet werden dürfen, welche von dem Wald⸗ beſitzer nach ſeinen individuellen Verhältniſſen und Abſichten mit Wahrſcheinlichkeit werden er— reicht werden. So wird z. B. der unbemittelte Beſitzer eines kleinen Waldes öfter Gras, Leſe⸗ holz u. ſ. w. nach der Servitutablöſung ſelbſt gewinnen können, nicht aber der Großgrund— beſitzer; es wird der erſtere auch den vollen Gewinn einer Waldrodung erlangen können, auf den der letztere, weil er fremde Arbeits— kräfte braucht, verzichten muſßs. Übrigens wird dadurch, daſs der Geld— wert der Servitut für den Berechtigten als Maximum des Ablöſungsbetrages gilt, die Sache ſehr erleichtert, indem es ſich nur um Entſcheidung der Frage handelt, ob der Wald— beſitzer nach den beſtehenden Verhältniſſen alle bisherigen Nutzungen des Berechtigten voll zu— gutmachen kann oder nicht, und inwieweit im verneinenden Falle der Ablöſungsbetrag nach Verhältnis der Mindernutzung unter dem Geld— werte der Servitut zu verbleiben hat. Eine Erſparung an Forſtſchutzkoſten wird dem Waldbeſitzer wohl kaum aufgerechnet wer— den können, da dort, wo bisher ein Schutz den Berechtigten gegenüber nöthig war, dieſer in der Regel auch nach der Servitutablöſung wird geübt werden müſſen, ſei es gegen die Frevel— anfälle der bisherigen Berechtigten, ſei es gegen die Ausſchreitungen der neuen Nutzungsem— pfänger. Auf die Feſtſtellung des reinen Gewinnes des Waldbeſitzers und die Capitaliſierung der ermittelten Nettorente finden natürlich die unter II. entwickelten Grundſätze Anwendung. Ins⸗ beſondere ſind hiebei alle Barauslagen für die Gewinnung der Nutzungen von dem Rohertrage derſelben unbedingt in Abzug zu bringen, ein Arbeitslohn für den Waldbeſitzer aber nur dann, wenn er wirklich ſeine Arbeit anderwärts ebenſo gut verwerten kann. einfacher Forſtſervituten-Ablöſungsverfahren. 5 125 Bei einem Beholzigungsrechte auf verkäufliche Sortimente deckt ſich der Vortheil des Waldbeſitzers aus der Ablöſung wohl im— mer mit dem Nutzungswerte der Servitut für den Berechtigten, während Lager-, Leſe-, Wind-, Schnee- und Duftbruchholz von dem Wald— beſitzer meiſt nur durch Ausſtellung von Er— laubnisſcheinen zum Holzſammeln verwertet werden kann. Der Gewinn des Walbdbeſitzers aus der Ablöſung des Weide-, Gräſerei- und Maſt— rechtes ſowie der Berechtigung zur Eichel— und Buchelleſe, zur Gewinnung von Futterlaub und von Rohr, Schilf und Binſen beſteht, ſofern er dieſe Nutzungen nicht ſelbſt zugutmachen kann, in dem muthmaßlichen Erlöſe aus der Verpachtung, oder der Verthei— lung von Erlaubnisſcheinen zum Sammeln der— ſelben. Gleiches gilt bezüglich der Berechti— gung zum Sammeln von Beeren, Wild- obſt, Trüffeln u. ſ. w., des Zeidelweide— rechtes und des Grubenrechtes, ſofern nicht die Gruben aufgeforſtet werden und ſo— nach mit ihrem künftigen Forſtertrage in Rech— nung zu bringen ſind. Auch wenn der Waldbeſitzer nach Beſeiti— gung eines Streurechtes die Streunutzung nicht fortſetzt, iſt der ihm durch Schonung der Bodenkraft und Erhöhung des Holzertrages erwachſende Vortheil doch ein ſo bedeutender, daſs er, in Deutſchland wenigſtens, dieſe Ser— vitut unbedingt nach ihrem vollen Nutzungs— werte für den Berechtigten ablöſen kann. Auch bei der Berechtigung zur Rindengewin— nung und zum Ablagern von Holz, Koh— lenbrennen u.j.w. wird der Vortheil des Waldbeſitzers jenem des Berechtigten gleichge— ſetzt werden können. Der Vortheil des Waldbeſitzers bei Ab— löſung eines Harz- und Theerſchwelerei— rechtes beſteht in der Verpachtung der Harz— nutzung, bezw. dem Verkaufe des von dem Be— rechtigten bisher gewonnenen Kiefernſtockholzes oder bezogenen Stammkienes. Ein Hauptgewinn des Waldbeſitzers bei der Ablöſung auf Antrag des Berechtigten liegt aber darin, daſs dem Berechtigten eine Entſchädigung für den Ent— gang des Arbeitsverdienſtes bei Verarbeitung der Rohproducte und für die nunmehr wertlos werdenden Gebäude nicht gegeben werden mufs. IV. Bei der Rechtsauseinanderſetzung zwiſchen den Betheiligten kommt zunächſt vom Standpunkte derſelben die Wahl unter den drei gebräuchlichen Ablöſungsmitteln, Jah— resgeldrente, Geldeapital und Grund und Boden, zu erörtern, wobei natürlich als erſte Vorausſetzung gilt, daſs das abzutretende Land, ſei es nun Wald oder holzleerer Grund und Boden, geeignet iſt, ſeiner künftigen Be— ſtimmung nachhaltig zu dienen. Wie groß eine Waldfläche ſein muſs, um (3. B. nach Art. 30 des bayriſchen Forſtgeſetzes) im Nachhaltbetriebe regelmäßig bewirtſchaftet werden zu können, iſt eine Frage, die in einem gegebenen Falle nur mit Rückſicht auf die be— ſtehende Holz- und Betriebsart, Umtriebszeit, Verjüngungsart, Terrainbeſchaffenheit und jelbit ! Figur der Waldfläche beantwortet werden kann. Es kann beim Buſchholzumtriebe in Auwaldun— gen eine Hektar hiefür genügen, während bei Hochwaldungen unter Umſtänden vielleicht der zehnfache Flächenbetrag nicht ausreicht. Beſitzt der Berechtigte zufällig einen Wald und läſst ſich die Entſchädigungsfläche jo wählen, dajs ſie ſich an ſolchen anſchließt, ſo kann dieſelbe natürlich auch ganz klein ſein. Von der Größe des Arbeits- und Capital— aufwandes auf Grund und Boden hängt die Intenſität des landwirtſchaftlichen Betriebs— ſyſtemes ab, und die urſprünglich ſehr exten— ſive Form der deutſchen Landwirtſchaft ſtand mit der Naturalwirtſchaft und der Entſtehung der Forſtſervituten im Einklange. Die ſteigende Cultur ermöglichte die Auseinanderſetzung der gemeinſchaftlichen Nutzungsrechte zwiſchen dem Waldbeſitzer und dem Berechtigten durch Land— abtretung an dieſen, und unſerer Zeit mit ihrer entwickelten Geldwirtſchaft blieb es vorbehalten, die Ablöſung mit Geld in Aufnahme zu brin— gen, indem es jetzt, wo alles zu einer inten— ſiveren Geſtaltung der Landwirtſchaft drängt, die allgemeine Klage der Landwirte iſt, daſs ihre Arbeitskräfte und ihr Capital im Ver— hältnis zu ihrem Grundbeſitze unzureichend ſeien, und daher durch eine Servitutablöſung mit Grund und Boden, ohne dafs die beiden anderen Productionsfactoren vermehrt werden, dieſes Miſsverhältnis noch größer werden müſste. Wo deshalb die bisherigen Nutzungs— objecte der Berechtigung käuflich ſind, oder durch Einrichtung eines intenſiveren landwirt— ſchaftlichen Betriebes dem Berechtigten entbehr— lich werden, da iſt die Ablöſung mit Geld am Platze, u. zw. die Zahlung einer Jahresrente, wenn es ſich für den Berechtigten um den jährlichen Ankauf von Futter- und Dungmitteln handelt, die Capitalzahlung aber; wenn eine Umgeſtaltung des Betriebes des herrſchenden Gutes nöthig wird. Wo entgegengeſetzte Ver— hältniſſe beſtehen, da löſe man mit Grund und Boden ab, oder verzichte, wenn dies, wie z. B. beim Leſeholz- und Gräſereirechte, nicht mög— lich ſein ſollte, im Intereſſe der Betheiligten und des öffentlichen Wohles ganz auf die Ser— vitutablöſung. Infolge der ſteten Entwertung des Geldes iſt die Servitutabfindung durch eine Jahres— geldrente dem Waldbeſitzer vortheilhaft, dem Berechtigten dagegen nachtheilig. Die Größe des zur Abfindung des Berech— tigten hingegebenen Landes mujs jo bemeſſen werden, daſs deſſen Capitalwert dem der Servitut gleichkommt. Kleine Differenzen der Capital— werte werden dann durch Aufzahlung von Seite des Waldbeſitzers oder durch Hinauszahlung von Seite des Berechtigten ausgeglichen. Der Capitalwertberechnung von Wal⸗ dungen, die von dem Berechtigten (z. B. einer Gemeinde, Corporation oder Stiftung) nach— haltig zu bewirtſchaften ſind, mus natürlich auch der Ertrag beim Nachhaltbetriebe zu grunde gelegt werden. Steht dagegen dem Be— rechtigten die willkürliche Benützung des ihm abgetretenen Waldes zu, ſo muſs, um das Intereſſe des Waldbeſitzers nicht zu verletzen, 126 Forſtſtatik. — Forſtſtrafgeſetz. . an die Stelle der Capitaliſierung des nachhal— tigen jährlichen Waldreinertrages die orts- oder beſtandsweiſe Wertberechnung treten, welche den Wert eines jeden einzelnen Beſtandes auf deſſen ſpecielle finanzielle Haubarkeit, für den erſten Abtrieb ſowohl als für die folgenden, gründet, aber auch nicht außeracht läſst, daſs bei größeren Waldcomplexen eine rückſichtsloſe Finanzwirtſchaft durch die augenblickliche Über— füllung des Marktes auf die Holzpreiſe einen nachtheiligen Einfluſs üben muſs. Der Vor— ſchlag, auch bei willkürlich zu benutzenden Wal— dungen den Nachhaltsertrag, jedoch mit abge— mindertem Zinsfuße, zu capitaliſieren, iſt wiſſen— ſchaftlich nicht begründet. Der zur Agricultur geeignete und beſtimmte Waldboden wird, unter Abrechnung der Ro— dungskoſten, nach ſeinem künftigen landwirt— ſchaftlichen Werte von Sachverſtändigen geſchätzt und dem Berechtigten holzfrei übergeben. Es ſollte übrigens der Waldbeſitzer immer den beſten Waldboden dem Berechtigten überlaſſen, da der ſchlechtere Boden ſich bei der Forſtwirt— ſchaft verhältnismäßig beſſer rentiert. Bei Ablöſung eines Brennholzrechtes durch Überlaſſung einer Torffläche muſs, wenn der Torf verkäuflich iſt, der Capitalwert derſelben dem des Holzrechtes gleich ſein, außerdem aber ſoll der jährliche Torfertrag den bisherigen Holzbezug des Berechtigten nachhaltig ſurro— gieren, was nur durch einen Wirtſchaftsplan nachgewieſen werden kann. Die abzutretenden Waldflächen ſollen mög— lichſt zuſammenliegen und eine Form erhalten, welche eine regelmäßige Schlagführung geſtattet. Die zur Agricultur beſtimmten Waldtheile müſſen ſich in einer ſolchen Entfernung vom herrſchenden Gute befinden, dafs ſie auch ihrer neuen Beſtimmung zu dienen vermögen. Beholzigungsrechte, welche auf eine geringe Quantität eines beſtimmten Holzſortimentes lauten, laſſen ſich in der Regel nicht, oder doch nicht mit Vortheil für den Berechtigten durch Waldabtretung ablöſen, da dieſer ſtatt ſeines bisherigen Bezugsquantums nun den nach ſeinem Geldwerte äquivalenten, aber aus anderen, von ihm vielleicht nicht zu benützenden Holzſorti— menten und ſelbſt Nebennutzungen beſtehenden Jahresertrag des Waldes erhält. Die Waldab— tretung iſt daher hauptſächlich am Platze, wenn Gemeinden, wie dies nicht ſelten vorkommt, eine Berechtigung auf verſchiedene Forſthaupt- und Nebennutzungen zuſteht, und durch die von der Curatelbehörde überwachte regelmäßige Bewirt— ſchaftung des abgetretenen Waldes die bisherigen Nutzungen der einzelnen Gemeindemitglieder auch für die Folge ſichergeſtellt werden. Das Recht auf das auf fremdem Grund und Boden wachſende Holz wird gewöhnlich durch Grundabtretung abgelöst. In allen anderen Fällen iſt Ablöſung mit Geld, oder auch auf Verlangen des Berechtigten mit zur Agricultur geeignetem Waldboden zuläſſig. Bei Abfindung der Bau— holzberechtigungen von Gemeinden und Corpo— rationen durch ein Geldeapital werden mit Vortheil Baucaſſen errichtet, aus welchen die Beſitzer der berechtigten Gebäude Unterſtützungen für Neubauten und Reparaturen erhalten. führungsgeſetzes Mit Torfflächen können Breunholz- und Streurechte, ſowie Torfberechtigungen abgelöst werden. Die Überlaſſung von Grund und Boden iſt nöthig bei Ablöſung von Weiderechten im Ge— birge und von Harz- und Theerſchwelereirechten, wenn es ſich bei letzteren darum handelt, den Berechtigten eine Entſchädigung für den bis— herigen Arbeitsverdienſt zu gewähren. Streu— rechte können auch mit guten Rieſelwieſen ab— gelöst werden, welche nachhaltig ohne künſt— liche Düngung gleiche Graserträge liefern und damit dem Berechtigten die Mittel zu einer beſſeren Düngung ſeiner Felder bieten. Die Abfindung von Streurechten mit Wald hat deſſen Devaſtation zur Folge, und die Überlaſſung von Agriculturboden vermehrt bloß das Streube— dürfnis des Berechtigten; es erübrigt daher in den meiſten Fällen nur die Abfindung mit Geld. Alle übrigen Servituten laſſen ſich gegen— wärtig ohne Nachtheil für die Betheiligten mit Geld ablöſen. N Zur rechtsgiltigen Übertragung der Rechte des Servitutberechtigten auf den Waldeigen— thümer gehört die Auflaſſung (ſ. d.) derſelben, d. h. die gerichtliche (notarielle) Verlautbarung des Ablöſungsvertrages und die Vormerkung desſelben in den öffentlichen Büchern. Ausführliche exemplificierte Erörterung in J. Albert, Lehrbuch der Forſtſervitutenablöſung. Würzburg 1868. At. Jorſtſtatik iſt die Rentabilitätsberechnung forſtlicher Wirtſchaftsverfahren. Die forſtliche Statik unterſucht, ob ein Wirtſchaftsverfahren durch ſeinen Ertrag die aufgewendeten Koſten deckt. Zur Erreichung desſelben Wirtſchafts— zweckes gibt es vielfach verſchiedene Wege. Es iſt nun Aufgabe der Statik, denjenigen Weg ausfindig zu machen, welcher den größten Ertragsüber— ſchuſs ſichert. Zur Vergleichung des Ertrages mit dem Productionsaufwande iſt entweder der Unternehmergewinn oder die Verzinſung des Productionsaufwandes zu beſtimmen. Nr. Jorſtſtrafgeſetz (Deutſchland) regelt die Forſtſtrafrechtspflege, d. h. die Wiederherſtellung des durch Forſtgeſetzübertretungen von Seite der Unterthanen verletzten öffentlichen Rechts. Dasſelbe umfaſst das Forſtſtrafrecht (ſ. d.) oder die Strafbeſtimmungen und den Forſt— ſtrafproceſs (ſ. d.) oder die Normen für die Anwendung der Strafbeſtimmungen auf den einzelnen Fall. 4 Unter das Forſtſtrafgeſetz fallen alle Über— tretungen der im öffentlichen Intereſſe zum Schutze der Waldungen erlaſſenen geſetzlichen Beſtimmungen (ſ. Forſtpolizei), ſoweit ſolche nicht ſchon durch das allgemeine Strafgeſetz verboten ſind. Einen Gegenſtand des Forſtſtraf— geſetzes bilden demnach nicht die Zuwiderhand—⸗ lungen der juriſtiſchen Perſonen gegen die Bor- ſchriften über die Bewirtſchaftung ihrer Wal- dungen, ſowie die Übertretungen der geſetzlichen Präventivmaßregeln bezüglich des beſchränkten Waldeigenthumes (ſ. Autonomie des Waldeigen- thumes), z. B. der Lehenwaldungen. 0 Obwohl nach den §§ 2 und 5 des Ein- zum Strafgeſetze für das ** Forſtſtrafgeſetz. deutſche Reich vom 15. Februar 1871 die Forſt— ſtrafgeſetze der einzelnen Bundesſtaaten, jedoch mit Beſchränkung der Strafbefugniſſe auf Ge— fängnis bis zu zwei Jahren, Haft, Geldſtrafe, Einziehung einzelner Gegenſtände und die Ent— ziehung öffentlicher Amter, in Kraft bleiben ſollen, jo beeinfluſst doch das Reichsſtrafgeſetz durch ſeine allgemeinen Beſtimmungen, ſowie durch die im 29. Abſchnitte enthaltenen Straf— androhungen für verſchiedene forſtpolizeiwidrige Handlungen das deutſche Forſtſtrafrecht weſentlich und hat in mehreren Bundesſtaaten Veranlaſſung zu einer Reviſion der bisherigen Forſtſtrafgeſetze gegeben. Noch mehr beeinfluſst wurde der deutſche Forſtſtrafproceſs durch die Reichsgeſetzgebung bezüglich der Gerichts— verfaſſung (vom 27. Januar 1877) und der Strafproceſsordnung (1. Februar 1877), obgleich nach § 3 des Einführungsgeſetzes zu letzterer die Landesgeſetze anordnen können, daſs Forſt— und Feldrügeſachen durch die Amtsgerichte in einem beſonderen Verfahren, ſowie ohne Zu— ziehung von Schöffen verhandelt und entſchieden werden. Anderungen an den deutſchen Forſt— ſtrafgeſetzen wurden ferner nöthig durch die Einführung des metriſchen Maßes und der Markwährung. Nachdem unter Forſtpolizei die Geſetze über die Beſchränkung des Waldeigenthumes im öffentlichen Intereſſe, welche auch die betreffen— den Strafbeſtimmungen enthalten, mitgetheilt wurden, ſollen nachſtehend nur noch für die ein— zelnen Bundesſtaaten jene Forſtſtrafgeſetze auf— geführt werden, welche allgemeine forſtpolizei— liche Vorſchriften und die unbefugten Eingriffe 7 in das Waldeigenthum zum Gegenſtande aben. In Preußen wurde durch das Geſetz vom 15. April 1878, den Forſtdiebſtahl betreffend, und durch das Feld- und Forſtpolizeigeſetz vom 1. April 1880 ein einheitliches Forſtſtrafgeſetz geſchaffen. 5 Die Forſtſtrafgeſetzgebung für Bayern, welche im weſentlichen eine einheitliche iſt, wurde im Jahre 1879 durch die nöthigen Anderungen am rechtsrheiniſchen Forſtgeſetze vom 28. März 1852 und an dem revidierten Pfälzer Forſtge— ſetze vom 23. Mai 1846 mit der Reichsgeſetz— gebung in Übereinſtimmung gebracht. Durch das Forſtſtrafgeſetz vom 2. Septem— ber 1879 und das Forſtpolizeigeſetz vom 8. Sep— tember 1879 wurde in Württemberg die Forſtordnung vom 1. Juni 1614 aufgehoben. Die Verordnung vom 10. December 1870, die Forſtdiebſtähle, ſowie einige damit zuſam— menhängende Vergehungen betreffend, welche für das Königreich Sachſen unter Aufhebung des Geſetzes vom 11. Auguſt 1855 das Forſt⸗ ſtrafrecht mit den Beſtimmungen des Strafge— ſetzes für den Norddeutſchen Bund vom 31. Mai 1870 in Übereinſtimmung brachte, erhielt durch das Forſtſtrafgeſetz vom 30. April 1873 jene Anderungen, welche durch das Reichsſtrafgeſetz nöthig wurden. Das Geſetz, das Verfahren in Forſt⸗ und Feldrügeſachen betreffend, vom 10. März 1879 mit Zuſatzbeſtimmungen vom 27. Februar 1882 iſt eine Folge der Einfüh— rung der deutſchen Strafproceisordnung. } | über den Forſtdiebſtahl und das 127 In Baden wurden durch das Geſetz vom 25. Februar 1879, das Forſtſtrafrecht und das Forſtſtrafverfahren betreffend, aufgehoben der III. Theil des Forſtgeſetzes vom 15. November 1833, bezw. vom 6. März 1845 und 27. April 1854, mit Ausnahme der SS 179—182 und 184187, dann die Art. 5 und 25 des Geſetzes vom 23. December 1871, den Vollzug der Ein— führung des Reichsſtrafgeſetzbuches betreffend, und der $ 17 des Geſetzes vom 28. Mai 1864 über die Gerichtsbarkeit und das Verfahren in Polizeiſtrafſachen. Anderungen erlitten die SS 90, 90 a und 186 des Forſtgeſetzes. Das Forſtſtrafgeſetz vom 4. Februar 1837, welches noch jetzt für Heſſen die Grundlage des Forſtſtrafweſens bildet, wurde durch die Geſetze vom 10. October 1871, 31. Auguſt 1874 und 10. Juni 1879 mit der Reichsgeſetzgebung in Übereinſtimmung gebracht. In Mecklenburg-Schwerin und Meck— lenburg-Strelitz, welche eine ganz gleiche Forſtſtrafgeſetzbung beſitzen, traten an die Stelle der Verordnungen vom 22. December 1870 und 4. Auguſt 1875 die Verordnungen vom 31. Mai 1879 und 6. Februar 1882, die Beſtrafung der Forſtfrevel betreffend. Für das Großherzogthum Oldenburg, in welchem für die einzelnen Landestheile (Her- zogthum Oldenburg und die Fürſtenthümer Lübeck und Birkenfeld) eine beſondere Forſt— ſtrafgeſetzgebung beſtand, wurde unterm 15. Au⸗ guſt 1882 durch das Geſetz, den Forſtdiebſtahl und die Forſt- und Feldpolizei betreffend, ein einheitliches Forſtſtrafgeſetz geſchaffen, welches nur die auf Staats- und Gemeindewaldungen bezüglichen und feine Strafbeſtimmungen enthal- tenden S$ 6—19, 53, 54, Abſatz 1 und 3, 55, 37, Abſatz 1, und 60, Abſatz 2, der Forſtord— nung für das Herzogthum Oldenburg vom 28. September 1840 in Kraft erhält. In Sachſen-Weimar wurde das Geſetz zum Schutze der Holzungen, Baumpflanzungen u. ſ. w. vom 1. Mai 1850 durch die Geſetze vom 27. December 1870, 27. Februar 1872, 26. März 1879 und 25. November 1880 mit Rückſicht auf die Reichsgeſetzgebung abgeändert. Für das Herzogthum Anhalt trat an die Stelle des Geſetzes über den Diebſtahl an Holz und anderen Waldproducten vom 1. Juli 1864 das Geſetz vom 10. Mai 1879, den Yorjtdieb- ſtahl betreffend. Die Waldbeſchädigungen und forſtpolizeiwidrigen Handlungen werden nach dem Polizeiſtrafgeſetze vom 29. März 1855 (insbeſondere Art. 244— 247 beſtraft. In Braunſchweig gilt das Forſtſtraf— geſetz vom 1. April 1879. Das ſachſen-altenburgiſche Geſetz vom 24. December 1870, den Diebſtahl an Holz und anderen Waldproducten, ingleichen verſchiedene wald- und feldpolizeiliche Beſtimmungen betref⸗ fend, wurde durch das Geſetz vom 29. März 1879, die Forſt- und Feldrügeſachen betreffend, mit der Reichsſtrafproceſsordnung in Überein— ſtimmung gebracht. Sachſen-Coburg und Sachſen-Gotha, welche bisher verſchiedene Forſtſtrafgeſetze hatten, erhielten durch das Geſetz vom 27. März 1879 Feld⸗ und 128 Forſtpolizeigeſetz vom 26. Mai 1880 ein ein— heitliches Forſtſtrafgeſetz. In Sachſen-Meiningen trat an die Stelle des Forſtſtrafgeſetzes vom 22. December 1870 das Geſetz vom 23. December 1874, die Beſtrafung der Forſtvergehen, ſowie der Forſt— und Feldpolizeiübertretungen betreffend, wel— ches bezüglich des Strafverfahrens auf die allgemeine Strafproceſsordnung verweist. Die Forſtordnung vom 29. Mai 1836 bleibt in Kraft und iſt nur theilweiſe bezüglich der Straf— beſtimmungen geändert. Das Geſetz zum Schutze der Holzungen vom 26. April 1830 für das Fürſtenthum Schwarzburg-Rudolſtadt wurde durch das Geſetz vom 27. December 1870 theilweiſe ab— geändert und durch das Geſetz vom 15. März 1879 mit der Reichsſtrafproceſsordnung Einklang gebracht. Ebenſo wurde in Schwarzburg-Son— dershauſen das Geſetz zum Schutze Holzungen vom 19. April 1830 durch das Ge— ſetz vom 21. December 1870 und 3. Januar 1872 theilweiſe abgeändert. Das Strafverfahren richtet ſich nach der allgemeinen Strafprocejs- ordnung. Auch in den Fürſtenthümern Reuß-Greiz (ältere Linie) und Reuß-Schleiz (jüngere Linie) wurden infolge der Einführung des thüringiſchen Strafgeſetzes vom 20. März 1850 unterm 27. November 1861, bezw. 14. April 1832 Geſetze zum Schutze der Holzungen, Baumpflanzungen u. ſ. w. erlaſſen und im De- cember 1870 mit Rückſicht auf das Reichsſtraf— geſetz geändert, in der Hauptſache aber mit den Forſtſtrafgeſetzen von Sachſen-Weimar und den beiden Schwarzburg in der urſprünglichen Über- einſtimmung erhalten. Bezüglich des Strafver— fahrens iſt auf die allgemeine Strafproceſs— ordnung Bezug genommen. In Waldeck wurde an Stelle des zweiten Theiles der Forſtordnung vom 21. November 1853, welcher bereits durch das Geſetz vom 10. Januar 1870 wegen Aufhebung der De— nunciantenantheile und durch das Geſetz vom 11. Januar 1873 mit Rückſicht auf die Ein- führung des metriſchen Maßes modificiert wurde, unterm 1. September 1879 das preußi- ſche Forſtdiebſtahlsgeſez vom 15. April 1878 eingeführt. In Kraft blieben vom zweiten Theile nur die Art. 94—97 und 103—117, welche Strafbeſtimmungen für forſtpolizeiliche Übertretungen enthalten. Das Geſetz vom 20. Februar 1879 für das Fürſtenthum Lippe-Detmold läſst die forſtpolizeilichen Beſtimmungen der Verordnung vom 1. Juli 1806 in Kraft, indem ſie lediglich die Beſtrafung der Forſtdiebſtähle zum Gegen— ſtande hat. In Schaumburg-Lippe wurden durch das Geſetz vom 21. Juni 1879, den Forftdieb- ſtahl betreffend, und das Feld- und Forſtpoli— zeigeſetz vom 28. April 1880 die Verordnungen vom 19. und 20. Auguſt 1803 beſeitigt. Die wenigen im Gebiete der freien Stadt Hamburg vorkommenden Forſtfrevel werden nach dem allgemeinen Hamburg'ſchen Polizeiſtraf— geſetze behandelt, in welchem ein Abſchnitt über in | Anhalt, Sachſen-Coburg-Gotha, Waldeck, Lippe- der | | — — — —— ⏑ꝗũüö.Uᷣñ — Forſtſtraſproceſs. die Beſtrafung des Diebſtahls, der Beſchädi— gung der Holzpflanzen u. ſ. w. Beſtimmungen enthält. Bremen beſitzt keinen Wald und ſomit auch kein Forſtſtrafgeſetz. i Für Lübeck gilt die Verordnung vom 11. Mai 1870, die polizeiliche Beſtrafung der Forſtpolizeivergehen betreffend, welche bezüglich des Strafproceſſes auf die Beſtimmungen des Polizeiſtrafgeſetzes verweist. In Elſaſs-Lothringen wurden durch das Forſtſtrafgeſetz vom 28. April 1880 die Titel X- XIII ſowie die Strafandrohungen in den Titeln I—IX und XV des franzöſiſchen Code forestier vom 31. Juli 1827 aufgehoben. Mit dem preußiſchen Forſtdiebſtahlsgeſetze vom 15. April 1878 ſtimmen im Weſentlichen überein die betreffenden Geſetze von Oldenburg, Detmold und Schaumburg-Lippe; an dasſelbe ſchließen ſich mehr oder minder, wenigſtens be— züglich der Definition des Forſtdiebſtahles, an die Geſetze von Württemberg, Baden, Braun— ſchweig und Elſaſs-Lothringen. Das preußiſche Feld- und Forſtpolizei⸗ geſetz vom 1. April 1880 wurde der Haupt- ſache nach auch eingeführt in Oldenburg, Sachſen-Coburg-Gotha und Schaum e t Jorſtſtraſproceſfs oder Forſtſtrafver— fahren (Deutſchland) iſt die Anwendung des Forſtſtrafgeſetzes (ſ. d.) auf den einzelnen Fall. Die Vorſchriften über das Forſtſtrafver⸗ fahren bilden mit den Strafbeſtimmungen, dem Forſtſtrafrechte (ſ. d.), das Forſtſtrafgeſetz. Bei dem Forſtſtrafproceſſe iſt zu unter⸗ ſcheiden I. die Competenz der Forititraf- gerichte, II. das Gerichts verfahren, III. die Rechtsmittel gegen das Urtheil und IV. der Strafvollzug. J. Die deutſche Strafproceſsordnung vom 1. Februar 1877 findet nur auf jene Straf- ſachen Anwendung, welche vor die ordentlichen Gerichte gehören. Es ſind aber verſchiedene Strafſachen durch Reichs- und Landesgeſetze den ordentlichen Gerichten entzogen, und in ſolchen Fällen iſt ein beſonderes Strafverfahren geſtattet, welches jedoch theilweiſe wieder durch die Strafproceſsordnung ſelbſt (SS 453 —458) geregelt iſt. Insbeſondere können die Landes⸗ geſetze die Polizeibehörden ermächtigen, bei Übertretungen eine in den Strafgeſetzen ange— drohte Strafe durch Verfügung feſtzuſetzen, welche jedoch bei Haft 14 Tage nicht über⸗ ſchreiten darf. Gegen dieſe Strafverfügung kann der Beſchuldigte entweder Beſchwerde bei der vorgeſetzten Polizeibehörde führen, oder auf Entſcheidung durch das Amtsgericht Antrag ſtellen. In Forſtſtrafſachen macht von dieſem Rechte für einen Theil der Übertretungen das württembergiſche Forſtpolizeigeſetz vom 8. Sep⸗ tember 1879 Gebrauch, welches die Strafver- fügungen dem Gemeindevorſteher, bezw. dem Forſtamte überträgt und als Recursbehörde das Forſtamt, bezw. die Forſtdirection beſtimmt. Ein ſolches Polizeiſtrafverfahren iſt auch in Baden bei unbefugtem Bauen in der Nähe der Forſtſtrafproceſs. 129 Waldungen und Außerachtlaſſung der feuer— polizeilichen Vorſchriften zuläſſig. Ebenſo be— ſtimmen die Forſtpolizeigeſetze für Preußen, Oldenburg, Sachſen-Coburg-Gotha und Schaum— burg-Lippe, daſs durch die Zuſtändigkeit der Schöffengerichte die geſetzliche Befugnis der Ortspolizeibehörden zur vorläufigen Straffeſt— ſetzung, bezw. zur Verhängung einer etwa ver wirkten Einziehung nicht berührt werde. Sachlich ſind für Forſtfrevel in der Regel die Amtsgerichte zuſtändig, u. zw. ohne Zu— ziehung von Schöffen (mit Ausnahme von Oldenburg), indem nur ſchwerere Forſtſtraffälle mehrfach entweder, wie z. B. in Preußen, Württemberg, Baden, Elſaß-Lothringen u. ſ. w., dem Schöffengerichte, oder, wie in Baden (großer Forſtdiebſtahl u. ſ. w.), den Landgerichten zuge— wieſen ſind. Forſtpolizeiwidrige Handlungen ſind öfter, wie z. B. in Preußen, Oldenburg und Sachſen-Coburg-Gotha, den Schöffenge— richten überwieſen. Die örtliche Competenz oder der Ge— richtsſtand (s. d.) wird, wie in der Reichs— ſtrafproceſsordnung, in der Regel durch den Ort der That (in Bayern nur bei Forſtpolizei— übertretungen) beſtimmt, doch kommen unter Umſtänden auch die übrigen Gerichtsſtände in Anwendung. II. Die Thätigkeit des Forſtſtrafgerichtes wird durch die Übergabe der Forſtrügeverzeich— niſſe, bezw. durch die Antragſtellung des Wald— beſitzers eingeleitet und äußert ſich zunächſt durch Feſtſtellung des Aburtheilungstermines und durch Vorladung des Angeſchuldigten und der zur Feſtſtellung des Thatbeſtandes nöthigen Perſonen, bezw. durch Erlaſſung eines Straf— befehles. Die Zahl der jährlich abzuhaltenden ordentlichen Forſtſtrafgerichtsſitzungen iſt in der’ Regel durch das Geſetz beſtimmt, und die Ter— mine für dieſelben werden meiſt für das ganze Jahr im Voraus feſtgeſetzt. Eine monatliche Forſtfrevelthätigung dürfte, da erfahrungsgemäß eine raſche Juſtiz ſehr zur Verminderung der Forſtfrevel beiträgt, am beſten ſein. Dieſelbe bildet auch die Regel, die zweimonatliche (3. B. Mecklenburg) die Ausnahme. Die früher öfter vorgekommenen vierteljährlichen Forſtrüge— ſitzungen ſind durch die Verjährungsfriſten für Übertretungen ausgeſchloſſen. Wo, wie im Ge— biete der freien Stadt Lübeck, Forſtfrevel zu den Seltenheiten gehören, findet nur eine Forſt— ſtrafgerichtungsſitzung von Fall zu Fall ſtatt. In dringenden Fällen, z. B. bei Aburtheilung von Ausländern, können auch außerordentliche Sitzungen angeordnet werden. Die Zuſtellung von Strafbefehlen, die Vorladung des Angeſchuldigten, der eivilver— antwortlichen Perſonen (ſ. Forſtſtrafrecht), ſowie der vorgeſchlagenen Zeugen erfolgt überall, im Anhalte an die allgemeinen Vorſchriften der Strafprocejsordnung und die beſonderen des Forſtſtrafgeſetzes, durch das Gericht, bezw. den Gerichtsvollzieher (ſ. d.). Die Forſtſchutzbedien— ſteten werden nur zur Sitzung geladen, wenn es infolge des Widerſpruches des Angeklagten nöthig wird. Die Vorladung des Staatsforſt— perſonales erfolgt dann öfter, wie z. B. in Preußen und Bayern, durch die Forſtbehörde. Nur in Württemberg wird den beſchädigten Waldeigenthümern von dem Termine zur Haupt— verhandlung Nachricht gegeben und das Au— wohnen bei derſelben ihnen oder ihren Beauf— tragten freigeſtellt. Zu den neuen Forſtſtraffällen kommen die in der letzten Sitzung unerledigt gebliebenen. Für alle in eine Forſtſtrafgerichtsſitzung verwieſenen Fälle findet eine gemeinſame Haupt— verhandlung ſtatt. Nur ſolche Fälle, welche umfaſſendere Beweiserhebungen nöthig machen, werden einzeln verhandelt. Das Amtsgericht als Forſtſtrafgericht beſteht aus dem Amtsrichter und dem Gerichts— ſchreiber, wozu bei dem Schöffengerichte noch zwei Schöffen kommen, welche während der Hauptverhandlung das Richteramt im vollen Umfange und mit gleichem Stimmrechte wie der Amtsrichter ausüben und auch an den— jenigen im Laufe der Hauptverhandlung zu erlaſſenden Entſcheidungen theilnehmen, welche in keiner Beziehung zu der Urtheilsfällung ſtehen und welche auch ohne vorgängige münd— liche Verhandlung erlaſſen werden können. Die außerhalb der Hauptverhandlung erforderlichen Entſcheidungen werden von dem Amtsrichter erlaſſen. Bezüglich der Beſetzung der übrigen Strafgerichte ſ. Gerichtsverfaſſung. In Forſtſtrafſachen, welche zur Competenz der Amtsgerichte (mit oder ohne Zuziehung von Schöffen) gehören, iſt weder in der erſten, noch in der Berufungsinſtanz (Landgericht) ein Vertheidiger nothwendig. Auch bei Vergehen, über welche die Landgerichte in erſter Inſtanz erkennen, iſt eine Vertheidigung nur nöthig, wenn der Angeſchuldigte taub oder ſtumm iſt, oder das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Bei der Reviſionsinſtanz (Oberlandes-, bezw. Reichsgericht) kann ſich der Angeklagte ebenfalls ſelbſt vertreten; jedoch hat der nicht auf freiem Fuße befindliche Angeklagte keinen Anſpruch auf Anweſenheit bei der Verhandlung. Dagegen kann ſich nach $ 137 der Reichs- ſtrafproceſsordnung der Beſchuldigte in jeder Lage des Verfahrens eines Vertheidigers be— dienen. Es kann ſich insbeſondere auch nach § 451 der Angeklagte in der Hauptverhandlung des Schöffengerichtes durch einen mit ſchrift— licher Vollmacht verſehenen Vertheidiger ver— treten laſſen. Die Vertretung des Angeklagten durch einen Bevollmächtigten iſt auch im Forſt— ſtrafproceſſe vor dem Amtsgerichte zuläſſig, und es kann dieſer Bevollmächtigte natürlich auch ein Rechtsanwalt ſein. Das Erſcheinen des Angeklagten mit einem Vertheidiger vor dem Forſtſtrafgerichte iſt in den Forſtſtraf— geſetzen nicht vorgeſehen. Im Strafproeeſſe unterſcheidet man das Unterſuchungs verfahren, bei welchem dem Richter die Wahrheitserforſchung durch Unter— ſuchung des Falles obliegt, und den Anklage— procej3, bei welchem dem Richter durch den Kläger, einen privaten (ſ. Privatklage) oder, was die Regel, einen öffentlichen, das Beweis- materiale geliefert wird. Der deutſche Straf— proceſs beruht nur auf dem Anklagever— Dombrowski. Enchflopädie d. Forſt⸗ u. Jagdwiſſenſch. IV. Bd. 9 130 Forſtſtrafproceſs. fahren. Dies gilt auch für den Forſtſtraf— proceſs, welcher übrigens nur auf öffentliche Anklage erfolgt, wenn auch mitunter (ſ. Forſt⸗ ſtrafrecht) zur Stellung derſelben ein Antrag des Waldbeſitzers nöthig iſt. Mit der Function des Amtsanwaltes oder öffentlichen Anklägers in Forſtſtrafſachen bei dem Amts-, bezw. Schöffengerichte ſind in Deutſchland wohl immer äußere Staatsforſt— beamte betraut, ſei es, daſs das Geſetz ihnen dieſelbe direct überträgt, oder, wie z. B. in Preußen, bloß ausſpricht, dafs die Verrichtun— gen eines Amtsanwaltes einem verwaltenden Forſtbeamten übertragen werden können. Der Amtsanwalt übergibt die Forſtrügeverzeichniſſe und Anzeigeprotokolle mit dem übrigen Be— weismateriale dem Amtsgerichte, bezeichnet die zu vernehmenden Zeugen, ſtellt die Strafanträge, wohnt der Hauptverhandlung bei und iſt über— haupt vor jeder richterlichen Entſcheidung mit ſeinen Erinnerungen zu hören. Wohnt den Ver— handlungen des Landgerichtes, ſei es als erken— nender oder Berufungsinſtanz, ein Forſtbeamter (wie z. B. in Bayern) bei, ſo hat dieſer den Staatsanwalt bei Feſtſtellung des Thatbeſtandes zu unterſtützen und die etwa nöthigen Erläu— terungen abzugeben. Bei der Reviſionsinſtanz, wo es ſich nicht mehr um That-, ſondern nur um Rechtsfragen handelt, werden Forſtbeamte zu den Verhandlungen nicht zugezogen. Zur Erleichterung der Aufgabe der Ge— richte ſowie im Intereſſe der Beſchuldigten ſelbſt läſst man bei Aburtheilung der Übertre— tungen überhaupt, ſowie der Forſtfrevel ins— beſondere Vereinfachungen des Verfahrens zu, welche man in CTontumacial- und Wandats- verfahren unterſcheidet. Das Contumacial- (Ungehorſams—) Verfahren, welches früher in Deutſchland bei der Forſtfrevelthätigung die Regel bildete, be— ſteht darin, daſs der vorſchriftsmäßig geladene, aber zur Verhandlung nicht erſchienene Ange— ſchuldigte ohneweiters verurtheilt wird. Bei dem Mandats verfahren, welches auch jchon vor dem Jahre 1877 in den meiſten deutſchen Staaten (3. B. in Preußen, Bayern, Sachſen, Baden, Oldenburg, Braunſchweig, in den thü— ringiſchen Staaten u. ſ. w.) für leichtere Poli— zeiübertretungen und ausnahmsweiſe (thürin— giſche Staaten und Sachſen-Altenburg) auch für Forſtfrevel beſtand, wird der Beſchuldigte ohne vorherige Vernehmung verurtheilt und die Sache nur auf von dem Verurtheilten recht— zeitig erhobenen Einſpruch zur ordentlichen Ver— handlung gebracht. Das Contumacialverfahren ſtimmt, wenn es, wie z. B. früher bei der Forſtfrevelthätigung in Bayern und Baden (nicht aber in Preußen), auf rechtzeitigen Ein- ſpruch des Verurtheilten eine zweite Verhand— lung geſtattet, in der Hauptſache mit dem Mandatsproceſſe überein. Die Reichsſtrafproceſsordnung hat das Mandatsverfahren adoptiert, indem $ 447 der⸗ ſelben beſtimmt, daſs in den zur Zuſtändigkeit der Schöffengerichte gehörigen Sachen (mit Ausnahme einiger näher bezeichneten Vergehen) durch ſchriftlichen Strafbefehl des Amtsrichters ohne vorgängige Verhandlung eine Strafe feſt— geſetzt werden kann, wenn die Staatsaunwalt— ſchaft ſchriftlich hierauf anträgt. Durch einen Strafbefehl darf jedoch keine andere Strafe als Geldſtrafe von höchſtens einhundertfünfzig Mark oder Freiheitsſtrafe von höchſtens ſechs Wochen ſowie eine etwa verwirkte Einziehung feſtgeſetzt werden. Die Überweiſung des Beſchuldigten an die Landespolizeibehörde darf in einem Straf— befehle nicht ausgeſprochen werden. Findet der Amtsrichter Bedenken, die Strafe ohne Haupt- verhandlung feſtzuſetzen, ſo iſt die Sache zur Hauptverhandlung zu bringen. Dasſelbe gilt, wenn der Amtsrichter eine andere als die be— antragte Strafe feſtſetzen will, und die Staats- auwaltſchaft bei ihrem Antrage beharrt (8 448). Der Strafbefehl muſs außer der Feſtſetzung der Strafe die ſtrafbare Handlung, das ange— wendete Strafgeſetz- und die Beweismittel be— zeichnen und die Eröffnung enthalten, dajs er vollſtreckbar werde, wenn der Beſchuldigte nicht binnen einer Woche nach der Zuſtellung bei dem Amtsgerichte ſchriftlich oder zu Protokoll des Gerichtsſchreibers Einſpruch erhebe (§ 449). Ein Strafbefehl, gegen welchen nicht rechtzeitig Einſpruch erhoben worden iſt, erlangt die Wir— kung eines rechtskräftigen Urtheiles (§ 450). Bei rechtzeitigem Einſpruche wird zur Haupt- verhandlung geſchritten, ſofern nicht bis zum Beginne derſelben die Staatsanwaltſchaft die Klage fallen läſst oder der Einſpruch zurück— genommen wird. Bei der Urtheilsfällung iſt das Schöffengericht an den in dem Strafbefehle enthaltenen Ausſpruch nicht gebunden ($ 451). Bleibt der Angeklagte ohne genügende Ent— ſchuldigung in der Hauptverhandlung aus, und wird er auch nicht durch einen Vertheidiger vertreten, ſo wird der Einſpruch ohne Beweis— aufnahme durch Urtheil verworfen. Ein Auge— klagter, welchem gegen den Ablauf der Ein— ſpruchsfriſt Wiedereinſetzung in den vorigen Stand gewährt worden war, kann die letztere nicht mehr gegen das Urtheil beanſpruchen (§ 432). Das Mandatsverfahren nach den Beſtim— mungen der Reichsſtrafproceſsordnung findet ſich in der Hauptſache in allen deutſchen Forſt— ſtrafgeſetzen, jedoch mit der Beſchränkung auf jene Fälle, über welche die Amtsgerichte ohne Zuziehung von Schöffen entſcheiden, und, mit wenigen Ausnahmen (z. B. Bayern, Braun⸗ ſchweig, Sachſen-Altenburg und thüringiſche Staaten), ohne Begrenzung der durch Straf— befehl zu verhängenden Strafe. Ohne Mitwir- kung der Staatsanwaltſchaft wird der amts- richterliche Strafbefehl in Sachſen erlaſſen. Die Hauptverhandlung findet natürlich ohne Zu— ziehung von Schöffen ſtatt. Analog den Beſtimmungen der Reichs— proceſsordnung, kann zwar im Forſtſtrafpro— ceſſe vor dem Amtsgerichte die Hauptverhand— lung in Abweſenheit des Angeklagten geführt werden, doch iſt das Gericht ſtets befugt, das perſönliche Erſcheinen des Angeklagten anzu— ordnen und dasſelbe durch einen Vorführungs⸗ oder Haftbefehl zu erzwingen. Die Hauptverhandlung iſt im Forſtſtraf— proceſſe, wie überhaupt im Strafproceſſe, öf— fentlich und mündlich. Das Urtheil, welches = — — Forſtſtrafproceſs. 131 innerhalb der durch das Geſetz gezogenen Grenze nach Maßgabe der beſtehenden Milderungs— und Schärfungsgründe die Strafe beſtimmt, wird nach geſchloſſener Verhandlung ſofort ge— fällt, verkündigt und im Forſtrügeverzeichniſſe, bezw. dem Protokolle über die Verhandlung vorgemerkt. Entſcheidungsgründe werden nur angegeben, wenn das Urtheil von dem Straf— antrage des Amtsanwaltes abweicht. An die bei der Verhandlung ausgebliebenen Ange— klagten oder civilverantwortlichen Perſonen ge— ſchieht die Verkündung durch Zuſtellung einer beglaubigten Abſchrift des Urtheiles. Die auf eigene Wahrnehmung gegründeten, in den Forſtrügeverzeichniſſen gehörig bezeugten Angaben beeidigter Forſtſchutzdiener und an— derer Organe der Forſtſtrafgerichte haben, wie 3. B. das bayriſche Forſtgeſetz ausdrücklich vor— ſchreibt, wohl überall vorbehaltlich des Gegen— beweiſes volle Beweiskraft, ſofern nicht beſon— dere Gründe deren Glaubwürdigkeit in Frage ſtellen. Entgegen den Beſtimmungen der Reichs— ſtrafproceſsordnung kann, z. B. in Sachſen und Oldenburg, ein Zeuge in mehreren an einem und demſelben Tage zu verhandelnden Forſt— oder Feldrügeſachen für dieſelben gemeinſchaft— lich vereidet werden. 1 Bei der Aburtheilung von Übertretungen ortspolizeilicher Vorſchriften hat der Richter nicht über die Nothwendigkeit oder Zweckmäßig— keit dieſer Vorſchriften, ſondern nur über deren Giltigkeit nach den geſetzlichen Beſtimmungen zu entſcheiden, wie dies z. B. auch S 17 des preußiſchen Geſetzes über die Polizeiverwaltung anordnet. Widerſpricht der Angeſchuldigte bei Ab— weſenheit des Anzeigers oder erklärt er dem anweſenden Schutzbedienſteten gegeuüber, den Gegenbeweis führen zu wollen, oder hält über— haupt der Richter weitere Recherchen zur Feſt— ſtellung des Thatbeſtandes für nöthig, ſo iſt der betreffende Fall zur nächſten ordentlichen oder auch zu einer außerordentlichen Forſtſtraf— gerichtsſitzung zu verweiſen. Nach S 261 der Reichsſtrafproceſsordnung entſcheidet das Strafgericht, wenn die Straf— barkeit einer Handlung von der Beurtheilung eines bürgerlichen Rechtsverhältniſſes abhängt, auch über dieſes nach den für das Verfahren und den Beweis in Strafſachen geltenden Vor— ſchriften. Das Gericht iſt jedoch befugt, die Unterſuchung auszuſetzen und einem Bethei— ligten zur Erhebung der Civilklage eine Friſt zu beſtimmen oder das Urtheil des Civil— gerichtes abzuwarten. Dies gilt auch im Forſt— ſtrafproceſſe, ſofern nicht das Forſtſtrafgeſetz anders beſtimmt. So muſs z. B. in Bayern dann, wenn die Behauptung des Beſchuldigten dem Richter nicht gegründet erſcheint, die Ab— urtheilung auf mindeſtens drei Monate hinaus mit dem Bemerken vertagt werdeu, daſs in— zwiſchen der civilrechtliche Anſpruch von dem Waldbeſitzer anerkannt oder über denſelben ein Streit bei dem Civilrichter anhängig wurde, widrigenfalls auf ſein Vorbringen keine Rüd- ſicht mehr genommen werde. Wird der frag— liche Nachweis geliefert, jo bleibt die Aburthei- lung bis zur. rechtskräftigen Entſcheidung des Civilgerichtes ausgeſetzt. Durch die Anbringung einer Civilrechtsklage wird ſelbſtverſtändlich bis zu deren rechtskräftiger Entſcheidung die Ver— jährung der ſtrafrechtlichen Verfolgung unter— brochen. Nachdem bei den Forſtfreveln durch Ent- wendung und Beſchädigung in der Regel der Wert des entwendeten oder beſchaͤdigten Ob— jectes den Maßſtab der Strafe bildet, ſo iſt es, um dem Forſtſchutzbedienſteten, deſſen Angaben auch hier volle Beweiskraft haben, ſeine Auf— gabe zu erleichtern und der Strafausmeſſung eine ſichere Grundlage zu geben, nöthig, für jeden Bezirk, deſſen Forſtproductenpreiſe we— ſentlich verſchieden ſind von jenen ſeiner Um— gebung, einen Preistarif aufzuſtellen und pe— riodiſch zu erneuern, welcher für die vorkom— menden Forſtproducte die Localpreiſe, aus— ſchließlich der Gewinnungs- und Tranusport— koſten, enthält, nach Umſtänden im Anſchluſſe an die gewöhnlich entwendeten Quantitäten — Trag⸗, Schiebkarren-, Schlitten- und Wagen- laſten. Auf dieſen Tarif (Wertbeſtimmungs— tabelle), welcher öffentlich bekanntzumachen iſt, hat der Forſtſchutzbedienſtete ſeine Anzeige, der Staatsanwalt den Strafantrag und der Richter das Urtheil zu gründen. In Fällen, welche in dem fraglichen Tarife nicht vorgeſehen ſind, hat natürlich ſpecielle Schätzung durch den An— zeiger oder auch durch den Staatsanwalt, ſo— fern derſelbe ein Forſtbeamter iſt, zu erfolgen. Die Forſtſtrafgeſetze enthalten in dieſer Be— ziehung ſehr abweichende Beſtimmungen. So legt man z. B. in Preußen, Anhalt, Sachſen— Coburg-Gotha u. ſ. w. für die Frevel in den Staatswaldungen die Forſttaxen derſelben, außerdem die örtlichen Preiſe (in Oldenburg nur dieſe) der Wertsermittlung zu grunde, in Bayern, Baden, Heſſen u. ſ. w. hat man perio- diſch (3 oder 5 Jahre) zu erneuernde Wert— tarife, und in Sachſen iſt zur Exmittlung des Wertes oder des verurſachten Schadens das Geſtändnis des Thäters oder die an Eidesſtatt abgegebene Verſicherung des Eigenthümers oder die von dem verpflichteten Aufſichtsbeamten auf ſeine Amtspflicht erſtattete Angabe aus— reichend. Auch der Entſcheidung über Wert- und Schadenerſatz, ſo weit ſolche dem Forſtſtrafge— richte zuſteht (ſ. Forſtſtrafrecht), iſt der in der angegebenen Weiſe beſtimmte Wert der Frevel— objecte zu grunde zu legen (vgl. a. Gerichtliche Forſtwiſſenſchaft). Nach § 496 der Reichsſtrafproceſsordnung mufs jedes Urtheil, jeder Strafbefehl und jede eine Unterſuchung einſtellende Entſcheidung darüber Beſtimmung treffen, von wem die Koſten des Verfahrens zu tragen ſind. Dieſe Koſten, mit Einſchluſs der durch die Vorbereitung der öffentlichen Klage und die Strafvollſtreckung entſtandenen, hat der Angeklagte zu tragen, wenn er zur Strafe verurtheilt wird. Dies gilt auch für den Forſtſtrafproceſs. In Bayern er- halten die Hilfsperſonen der Forſtpolizei und Forſtſtrafgerichtsbarkeit Zeugengebüren nur dann, wenn ſie die Vorladung nicht ſelbſt verſchuldet haben. In Frankreich (bis zum Jahre 1880 auch in Elſaſs⸗Lothringen) fallen die Gerichtskoſten, 9 * 132 Forſtſtrafproceſs. welche für jeden Contraventiousfall mindeſtens 5:40 Mark betragen, dem Walbbeſitzer zur Laſt, was wohl mit Recht als eine Urſache der Wald— minderung bezeichnet wird. Anzeigegebüren ſind aufgehoben, und auf Pfandgebüren wird nur noch in Heſſen und Mecklenburg (ſ. Forſtſtrafrecht) erkannt. In dem Urtheile iſt auch über die der Einziehung (ſ. d.) unterlegenen Gegenſtände zu verfügen. Bei Forſtpolizeiübertretungen (ſ. Forſtſtraſ— recht) hat das Forſtſtrafgericht jene Maßregeln anzuordnen, welche zur Beſeitigung des wider— rechtlich herbeigeführten Waldzuſtandes oder zur Verhütung weiterer Gefährdung des öffentlichen Wohles nöthig ſind. Kommt der Verurtheilte den getroffenen Anordnungen nicht nach, ſo ſind dieſelben, wie z. B. in Bayern und Baden, auf deſſen Koſten durch die Forſtpolizeibehörde durchzuführen, in dringenden Fällen ſogar noch vor Eintritt der Rechtskraft des Urtheils. Da der Rückfall beim Forſtfrevel eine Straferhöhnng, ja ſelbſt eine höhere Qualifi— cation desſelben (ſ. Forſtſtrafrecht) begründet, ſo iſt es nöthig, daſs ſowohl das Forſtſtrafgericht, als auch der Amtsanwalt Strafvormerkungen führen. Solche Vormerkungen über die ſtraf— rechtliche Verurtheilung der Einwohner ihres Bezirkes haben die Amtsgerichte überhaupt zu führen, und es iſt denſelben deshalb von der Aburtheilung eines Amtsuntergebenen durch ein anderes Forſtſtrafgericht von dieſem Mittheilung zu machen, wie das bayeriſche Forſtgeſetz z. B. ausdrücklich vorſchreibt. III. Die Rechtsmittel (ſ. d.) der Reichs— ſtrafproceſsordnung ſind auch jene des Forſt— ſtrafproceſſes, jedoch theilweiſe mit abweichenden Beſtimmungen bezüglich der Anwendung der— ſelben. a Die Beſchwerde gegen die Anordnung einer Verhaftung oder Beſchlagnahme durch das Amtsgericht iſt mitunter, wie z. B. in Bayern, nicht zuläſſig. Gegen einen Beſchluſs des Amts— gerichtes, das Hauptverfahren nicht zu eröffnen, ſteht dem Amtsanwalte die Beſchwerde zu. Der Einſpruch gegen den Strafbefehl des Amtsrichters gehört, wie unter II. erörtert, zum Weſen des Mandatsproeeſſes. Gegen die Urtheile des Amtsgerichtes (mit und ohne Zuziehung von Schöffen) kann die Berufung an das Landgericht ergriffen werden. Das Rechtsmittel der Reviſion, welches nur gegen eine Verletzung des Geſetzes gerichtet werden kann, iſt entweder, wie z. B. in Bayern und Württemberg, auch bei den ohne Zu— ziehung von Schöffen erlaſſenen Urtheilen des Amtsgerichtes, oder nur, wie z. B. in Preußen, bei den ſchwereren, den Schöffengerichten zu— gewieſenen Fällen zuläſſig. Gegen das Urtheil des in erſter Inſtanz erkennenden Landesgerichtes gibt es nur die Reviſion. In Forſtſtrafſachen bildet auch dann, wenn das Landgericht in erſter Inſtanz entſcheidet, das Oberlandesgericht die Reviſionsinſtanz, da das Reichsgericht nicht zuſtändig iſt, wenn ſich die Reviſion ausſchließlich auf die Verletzung einer in den Landesgeſetzen enthaltenen Rechts— norm ſtützt. Nach § 9 des Einführungsgeſetzes zum Gerichtsverfaſſungsgeſetze vom 27. Januar 1877 kann durch die Geſetzgebung eines Bundes— ſtaates, in welchem mehrere Oberlandesgerichte errichtet werden, die Verhandlung und Entſchei— dung der zur Zuſtändigkeit der Oberlandes— gerichte gehörenden Reviſionen und Beſchwerden in Strafſachen ausſchließlich einem der mehre— ren Oberlandesgerichte zugewieſen werden. So wurde denn z. B. auch in Bayern im Inter⸗ eſſe einer einheitlichen Forſtſtrafrechtspflege das Oberlandesgericht in München als Reviſions⸗ inſtanz für alle Forſtſtrafſachen beſtellt. Die genannten Rechtsmittel müſſen, wie im Strafproceſſe überhaupt, binnen einer Woche nach Verkündung des Urtheiles, bezw. der Ent- ſcheidung zu Protokoll des Gerichtsſchreibers oder ſchriftlich eingelegt werden. Die Rechtsmittel der Wiedereinſetzung in den vorigen Stand gegen Verſäumniſſe von Friſten und Verhandlungsterminen und der Wiederaufnahme des Verfahrens gegen rechtskräftige Urtheile ſinden nach Maßgabe der Beſtimmungen der Reichsſtrafproceſsordnung (. Rechtsmittel) auch im Forſtſtrafproceſſe An- wendung. Ein Urtheil, gegen welches ein Rechts— mittel rechtzeitig nicht eingelegt wurde, iſt rechtskräftig und vollziehbar. IV. Der Vollzug der rechtskräftigen Straf- urtheile erfolgt immer von amtswegen (ex officio), u. zw. durch das Amtsgericht in Forſt⸗ ſtrafſachen, welche zur Competenz desſelben ge— hören, durch den Staatswalt nach der Reichs- ſtrafproceſsordnung in Fällen, über welche das Landgericht in erſter Inſtanz entſcheidet. Steht, wie unter I. erwähnt, den Polizeibehörden eine Strafverſügung zu, ſo vollziehen dieſelben auch ihre rechtskräftigen Strafbefehle. So iſt z. B. in Württemberg die Strafe der Haft, wenn ſie von dem Ortsvorſtande erkannt iſt, im Orts— gefängniſſe, wenn ſie vom Forſtamte oder der höheren Forſtpolizeibehörde verhängt wurde, im forſtamtlichen oder im oberamtlichen Gefäng— niſſe zu erſtehen, und die von dem Ortsvor⸗ ſteher feſtgeſetzten Geldſtrafen fließen in die Ge— meindecaſſe. Die Strafen vollzieht das Amtsgericht ent— weder ſelbſt, oder es veranlaſst den Vollzug derſelben durch die zuſtändigen Behörden. Der Vollzug der Freiheitsſtrafen iſt ausſchließlich Sache des Amtsgerichtes. Es gel- ten für denſelben die allgemeinen Beſtimmungen der Reichsſtrafproceſsordnung und die beſon— deren des Forſtſtrafgeſetzes. Geldſtrafen, ſowie Wert- und Scha⸗ denerſatzbeträge werden entweder durch das Amtsgericht ſelbſt erhoben, wie z. B. in Preußen, Württemberg, Braunſchweig u. ſ. w., oder es beſchränkt ſich die Thätigkeit des Amtsgerichtes auf die Mittheilung der Einzugsverzeichniſſe an die Staatsfinanzbehörden (in Bayern z. B. an die Rentämter), oder, wie z. B. in Baden (auch in Preußen bezüglich der den Gemeinden zu⸗ kommenden Geldſtrafen und Werterſatzbeträge), an die Ortseinnehmereien. Die die einzelnen Forſtſtrafrecht. Waldbeſitzer treffenden Wert- und Schadenerſatz— beträge, oder auch Geldſtrafen ſind dem Waldbe— ſitzer von der Einhebungsbehörde auszuzahlen. Für den Vollzug ſind nach der Reichsſtrafproceſs— ordnung (§ 495) die Vorſchriften über die Voll— ſtreckung der Urtheile der Civilgerichte maßge— bend, doch geſtatten die Forſtſtrafgeſetze bezüglich der Hilfsvollſtreckung öfter ein abweichendes Ver— fahren, wie z. B. in Bayern das allgemeine Exe— cutionsverfahren der Rentämter, in Preußen jenes für Einziehung der Gemeindegefälle be— züglich der den Gemeinden zugewieſenen Geld— ſtrafen und Entſchädigungen. Für den Fall, dajs die Zahlung nur theilweiſe beigetrieben werden kann, iſt geſetzlich zu beſtimmen, in welcher Weiſe der entrichtete Geldbetrag an deu einzelnen Poſi— tionen der Schuld abzurechnen iſt, wobei die Geldſtrafe, welche in eine Freiheitsſtrafe, bezw. in Strafarbeit umgewandelt werden kann, zweck— mäßig in letzter Linie kommt. So geht z. B. in Bayern das Bezahlte zuerſt auf Rechnung der Koſten, hienach des Wert-, ſodann des Scha— denerſatzes und zuletzt der Geldſtrafe, während dagegen in Baden das Eingegangene zunächſt als Strafbetrag behandelt wird. In Braun— ſchweig kann der Beſchädigte bei freiwilligen Theilzahlungen den Poſten beſtimmen, auf wel— chen die Theilzahlung gerechnet werden ſoll, außerdem aber folgen ſich Werterſatz und Er— ſatzgeld, Unterſuchungskoſten und Strafe. Uneinbringliche Geldſtrafen werden von dem Amtsgerichte, ſofern dies nicht ſchon even— tuell bei der Verurtheilung geſchehen, ohne weitere Verhandlungen in Haft oder Gefäng— nis, bezw. Wald- oder Gemeindearbeit umgewan— delt. Bezüglich der uneinbringlichen Wert- und Schadenerſatzbeträge werden weitere Schritte den Bezugsberechtigten überlaſſen. Der Vollzug der Forſt- oder Gemeinde— arbeitsſtrafe, welcher in den einzelnen Staa— ten durch das Forſtſtrafgeſetz und Verordnungen beſonders geregelt iſt, erfolgt unter der Con— trole des Amtsgerichtes entweder durch die Staatsforſtbeamten, wie z. B. in Baden und Sachſen⸗-Coburg-Gotha oder, wie in Preußen, durch die Gemeinden und die einzelnen Beſchä— digten. Die Vertretung des Verurtheilten durch einen anderen Arbeiter iſt nicht geſtattet. Da— gegen wird überall nach Möglichkeit dem Ver— urtheilten für eine beſtimmte Zahl von Tagen eine ſeiner Leiſtungsfähigkeit entſprechende be— ſtimmte Arbeit in der Art angewieſen, daſs. wenn er die Arbeit früher vollendet, die be— treffende Strafe als verbüßt gilt. Die nicht vollziehbare Arbeitsſtrafe wird von dem Amts— gerichte ohneweiters in die entſprechende Frei— heitsſtrafe umgewandelt. Der Vollzug der bei Forſtpolizeiübertre— tungen getroffenen Anordnungen polizeilicher Natur iſt Sache der Forſtpolizei-, bezw. Staats- forſtbehörden, welche von dieſen Verfügungen durch das Gericht in Kenntnis zu ſetzen ſind. Die mit Beſchlag belegten, gepfändeten und eingezogenen Gegenſtände werden, ſofern ſie nicht zur Deckung der Geldſchuld des Verurtheil— ten zu veräußern oder dem Fiscus verfallen ſind, dem Eigenthümer zurückgegeben. Iſt der Thatbeſtand eines Frevels hergeſtellt, der Frev— •Iꝛ— r ↄ ] u nn En nn m nn Lulu en 133 ler ſelbſt aber nicht entdeckt worden, jo wären, wie z. B. das bayeriſche Forſtgeſetz vorſchreibt, die mit Beſchlag belegten Gegenſtände zu ver— kaufen, der Erlös zur Deckung der Gerichts koſten und des Wert- und Schadenerſatzes zu verwenden und der verbleibende Reſt dem Eigen thümer der fraglichen Gegenſtände, bezw. der Staatscaſſe zuzuweiſen, wenn dieſer ſich in der geſetzlichen Friſt nicht meldet. Durch den engeren Anſchluſs an die Reichs— ſtrafproceſsordnung it übrigens die Überein— ſtimmung der Geſetzgebung der einzelnen Bundes— ſtaaten beim Forſtſtrafproceſſe größer als beim Forſtſtrafrechte, l Vgl. J. Albert, Lehrbuch der Staatsforſt— wiſſenſchaft. Wien, 1875. At. Jorſtſtrafrecht (Deutſchland) eines Lan— des iſt der Inbegriff der Strafbeſtimmungen für die Zuwiderhandlungen gegen das Forſt— geſetz. Dasſelbe bildet den materiellen, der Forſtſtrafproceſs (ſ. d.) den formellen Theil des Forſtſtrafgeſetzes (ſ. d.). Es kommen hier in Betracht die Normen über I. die Strafbarkeit, II. die Strafe, den Wert- und Schadenerſatz und III. die Feſtſtellung des Thatbeſtandes. I. Die Strafbarkeit einer durch die Forſtgeſetzgebung verbotenen Handlung wird zunächſt durch die Zurechnungsfähigkeit des Thäters bedingt. Dieſe wird ausgeſchloſſen durch Geiſteskrankheit, volle Berauſchung und nach den SS 55 und 56 des deutſchen Reichs— ſtrafgeſetzes bei Kindern unter 12 Jahren und bei Perſonen von 12 —48 Jahren dann, wenn denſelben die zur Erkenntnis der Strafbarkeit nöthige Einſicht fehlt (ſ. Alter). Dagegen wird nach einem Nachtrage zum Reichsſtrafgeſetze ($ 361 Abſ. 9) Derjenige, welcher Kinder oder andere unter ſeiner Gewalt ſtehende Perſonen, welche ſeiner Aufſicht untergeben -find und zu ſeiner Hausgenoſſenſchaft gehören, von der Be— gehung von Diebſtählen ſowie von der Be— gehung ſtrafbarer Verletzungen der Zoll- oder Steuergeſetze, oder der Geſetze zum Schutze der Forſte, der Feldfrüchte, der Jagd oder der Fiſcherei abzuhalten unterläſst, mit Haft oder Geld bis zu 150 Mark beſtraft. Die Vorſchriften dieſer Geſetze über die Haftbarkeit für die den Thäter treffenden Geldſtrafen oder anderen Geldleiſtungen werden hiedurch nicht berührt. Verſchiedene Forſtſtrafgeſetze, wie z. B. jene für Preußen, Bayern, Heſſen, Baden, Mecklenburg, Braunſchweig, Sachſen-Altenburg u. ſ. w., be— ſtimmen, daſs Diejenigen, welchen für die nach den SS 35 und 56 des Reichsſtrafgeſetzes ſtraf— freien Perſonen die Verantwortung obliegt, zur Zahlung der Geldſtrafe, des Wert- (bezw. auch Schaden-herſatzes und der Koſten als unmittelbar haftbar verurtheilt werden, unabhängig von der durch dieſelben verwirkten Strafe nach 8 361 Abſ. 9 des Reichsſtrafgeſetzes. Die Anwend— barkeit des § 57 des Reichsſtrafgeſetzes, welcher bei Perſonen im Alter von 12— 18 Jahren eine Strafminderung zuläſst, iſt durch die meiſten Forſtſtrafgeſetze ganz oder, wie z. B. in Baden, nur für die mit Geldſtrafe bedrohten Frevel ausgeſchloſſen. Übrigens können nach $ 55 des Reichsſtrafgeſetzes gegen die ſtraffreien Kinder 13% Forſtſtrafrecht. nach Maßgabe der landesgeſetzlichen Vorſchriften die zur Beſſerung und Beaufſichtigung geeig— neten Maßregeln getroffen werden. Insbe— ſondere kann die Unterbringung in eine Er— ziehungs- oder Beſſerungsanſtalt erfolgen, nach— dem durch Beſchluſs der Vormundſchaftsbehörde die Begehung der Handlung feſtgeſtellt und die Unterbringung für zuläſſig erklärt iſt. Bei jugendlichen Perſonen iſt nach $ 56 in dem Urtheile zu beſtimmen, ob der Angeſchuldigte ſeiner Familie überwieſen oder in eine Er— ziehungs- oder Beſſerungsanſtalt gebracht wer— den ſoll, in welcher er jedoch nicht über das vollendete 20. Lebensjahr behalten werden darf. Der im $ 34 des Reichsſtrafgeſetzes aus— geſprochene Grundſatz, dal im Nothſtande (ſ. d.) begangene rechtswidrige Handlungen ſtraffrei ſind, hat wohl ſtets auch in der Forſt— ſtrafrechtspflege gegolten, wenn er auch nicht überall in dem Forſtſtrafgeſetze beſonders aus— geſprochen war. Bedingung der Straffreiheit iſt hier die ſofortige (in Bayern z. B. binnen 24 Stunden) Anzeige der im Nothſtande be— gangenen rechtswidrigen Handlung und der Erſatz des verurſachten Schadens. Es handelt ſich übrigens hiebei nicht blos um Forſtfrevel, die infolge eines im Walde oder in deſſen Nähe erlittenen Unfalles begangen wurden, ſondern auch um Forſtpolizeiübertretungen, in— dem z. B. der Waldbeſitzer, welcher zur Ver— hinderung der Weiterverbreitung von Feuer— oder Inſectenbeſchädigungen einen Theil ſeines Waldes niederhauen läſst, nicht wegen Wald— devaſtation beſtraft werden kann. Der Einfluſs des Irrthums (f. d.) auf die Strafbarkeit einer Handlung iſt immer von dem Richter nach den allgemeinen Rechts— grundſätzen ſpeciell zu ermeſſen. Die praesumtio doli (j. Dolus), welche dem Reichsſtrafgeſetze fremd iſt, findet ſich noch in den Forſtſtrafgeſetzen, und es gelten deshalb in vielen Fällen verbotene Handlungen, insbe— ſondere Waldbeſchädigungen (mit Ausnahme von Baden) als gleich ſtrafbar, gleichviel ob dieſelben fahrläſſige oder vorſätzliche ſind. Es iſt übrigens hier auch die Feſtſtellung, ob culpa oder dolus vorliegt, häufig gar nicht möglich, wie z. B. beim Ausrupfen oder Ab— ſchneiden von Holzpflanzen bei der Wald— gräſerei. Mit dem Tode eines Angeſchul⸗— digten wird das Strafverfahren gegen den— ſelben eingeſtellt, aber die civilrechtliche Ver— pflichtung zu Wert- und Schadenerſatz geht auf ſeinen Nachlaß über. Gleiches gilt auch bezüg— lich einer rechtskräftig erkannten Geldſtrafe nebſt Wert-, Schaden- und Koſtenerſatz, wie dies auch § 30 des Reichsſtrafgeſetzes aus— ſpricht. Nach dem Reichsſtrafgeſetze (88 66—72) und den einzelnen deutſchen Forſtſtrafgeſetzen beginnt die Verjährung (ſ. d.) der Ans klage oder Strafverfolgung mit dem Tage, an welchem die Handlung begangen wurde, die Verjährung der Strafvoll⸗— ſtreckung (zuerkannten Strafe) von dem Tage, an welchem das Urtheil rechtskräftig ge— worden iſt. Jede Handlung des Richters, welche wegen der begangenen That gegen den Thäter gerichtet iſt ſowie jede auf Vollſtreckung der Strafe gerichtete Handlung unterbricht die Ver— jährung und bewirkt den Beginn einer neuen Verjährung. Die Verjährungsfriſten, welche für Übertretungen überhaupt viel kürzer ſind als für Vergehen oder gar Verbrechen, haben eine größere Länge bei der Strafvollſtreckung als bei der Strafverfolgung. Dieſelben be— tragen deshalb nach den Forſtſtrafgeſetzen für die Strafverfolgung leichter Übertretungen einige Monate und für den Strafvollzug in ſchweren Fällen ebenſo viele Jahre. — Durch Amneſtie, welche Sache der Ge— ſetzgebung iſt, können anhängige Unterſuchungen niedergeſchlagen und die noch nicht verbüßten Strafen erlaſſen werden (wie z. B. im Jahre 1848). Der Verſuch, welcher nach § 43 des Reichsſtrafgeſetzes nur bei Verbrechen und Ver— gehen ſtrafbar iſt, wird, mit Ausnahme von Bayern, Heſſen und Mecklenburg, bei Entwen— dung von Forſtproducten (in Sachſen-Meiningen nur bei einem Wertbetrage von mehr als 15 Mark) nach den Forſtſtrafgeſetzen gleich dem vollendeten Forſtdiebſtahle beſtraft. Der ſtrafrechtliche Grundſatz, daſs der An— ſtifter wie der Thäter zu beſtrafen iſt, hat nur in einen Theil unſerer Forſtſtrafgeſetze eine formelle Aufnahme gefunden, wie z. B. in Preußen, Heſſen, Württemberg und Baden ſowie in den thüringiſchen Staaten, deren Geſetze auf den § 48 des Reichsſtrafgeſetzes verweiſen. Dafür aber trifft man, mit Aus- nahme von Württemberg, in den Forſtſtraf⸗ geſetzen die Vorſchrift, daſs die Haftung für die gegen zahlungsunfähige Forſtfrevler er— kannte Geldſtrafe nebſt Wert-, Schaden- und Koſtenerſatz auf Diejenigen übergeht, zu welchen der Frevler im Verhältniſſe der Abhängigkeit und der Hausgenoſſenſchaft ſteht und in deren Intereſſe und wohl auch Auftrage der Frevel verübt wurde. Dieſe Haftbarkeit tritt natürlich nicht ein, wenn der Betreffende den Beweis liefert, daſs der Frevel nicht mit ſeinem Wiſſen verübt wurde oder daſs er denſelben nicht ver— hindern konnte. Zu ſolchen eivilverantwort— lichen Perſonen rechnet man im Allgemeinen die Ehemänner für ihre Frauen, die Väter, bezw. die Mütter für ihre Kinder, die Vor— münder für ihre Mündel, die Dienſtherrſchaften, Gewerbsleute und Geſchäftsgeber für ihre Dienſt— boten, Gehilfen, Lehrlinge und Arbeiter ſowie bei Forſtpolizeiübertretungen den Waldbeſitzer für ſeine Forſtbeamten. Menn Mehrere gemeinſchaftlich eine ſtrafbare Handlung begehen, ſo iſt Jeder als Thäter zu beſtrafen. Dieſer im § 47 des Reichs- ſtrafgeſetzes ausgeſprochene Grundſatz findet ſich auch in unſeren Forſtgeſetzen, und wird von demſelben nur in Bayern dann eine Ausnahme gemacht, wenn mehrere zu derſelben Familie gehörige Perſonen bei einer mit Geldſtrafe be— drohten Entwendung einen Handſchlitten, Schieb- karren oder zweiräderigen Karren gemeinſchaft— lich fortbewegen, indem dieſelben ſammtver— bindlich zu einer Geldſtrafe verurtheilt werden, und zugleich im Urtheile beſtimmt wird, gegen Forſtſtrafrecht. 133 welchen oder welche Frevler die Umwandlung der uneinbringlichen Geldſtrafe in Haft einzu— treten hat. Für Wert⸗ und Schadenerſatz ſowie für die Koſten haften die Theilnehmer an einem gemeinſchaftlichen Frevel ſolidariſch. Die deutſche Forſtſtrafgeſetzgebung ſchließt ſich bezüglich der Concurrenz (ſ. d.) von De— licten an das Reichsſtrafgeſetz an. Begünſtigung und Hehlerei, welche nach dem Reichsſtrafgeſetze nur bei Verbrechen und Vergehen beſtraft werden, ſind in den meiſten deutſchen Bundesſtaaten, wie in Preußen, Württemberg, Sachſen, Baden, Braunſchweig, den thüringiſchen Staaten u. ſ. w. auch bei Forſtfreveln mit der ganzen oder halben (in Sachſen⸗Meiningen auch /) Strafe des Fre— vels bedroht. II. Das Reichsſtrafgeſetz kennt außer der Todesſtrafe nur Geld- und Freiheits— ſtrafen, letztere als Zuchthaus für Verbrechen, als Gefängnis für Vergehen und als Haft für Übertretungen. Der Zuchthausſträfling mufs, der Gefängnisſträfling kann zur Arbeit angehalten werden, und die Haft beſteht in einfacher Freiheits— entziehung. Die deutſchen Forſtſtrafgeſetze haben neben der Geldſtrafe für leichtere Forſtſtraffälle Haft, für ſchwerere Gefängnis im Maximalbe— trage von zwei Jahren oder, wie in Mecklenburg, Zwangsforſtarbeit. Geld- und Freiheits- ſtrafen, welche nach dem Reichsſtrafgeſetze bei Übertretungen nur alternativ Anwendung finden, werden in ſchwereren Forſtſtraffällen öfter, wie z. B. in Preußen, Württemberg, Braunſchweig, Sachſen⸗Altenburg u. ſ. w., mit einander ver⸗ bunden. Die Geldſtrafe ſollte für leichtere Forſt— ſtraffälle immer die Regel, die Haft die Aus- nahme ſein, hervorgerufen durch die Eigen— thümlichkeit der Übertretung oder der Ange— ſchuldigten, z. B. der Militärperſonen. Die Geldſtrafen ſind, ſofern ſie nicht einen aliquoten Theil des Wertes der Frevelobjecte bilden, von Zeit zu Zeit zu erhöhen, um ſie mit dem ſinkenden Geldwerte im Einklange zu erhalten. Für die Geldſtrafe läſst ſich bei Entwen— dungen von Forſtproducten und Waldbeſchädi— gungen zwar ein Minimum (z. B. in Bayern 0:30, Preußen, Württemberg, Baden u. ſ. w. 1 Mark), aber kein Maximum beſtimmen, da dieſelbe hier immer der Größe der Beſchädigung und des Gewinnes des Thäters proportional ſein muſs. Haft und Gefängnisſtrafe dagegen ſind, um ihnen den Charakter als Übertretungs>, bezw. Vergehensſtrafe zu wahren, genau zu be— grenzen, wobei mit Rückſicht auf das Reichs- ſtrafgeſetz ſechs Wochen (in Bayern z. B. jedoch nur ein Monat) und bei realer Concurrenz drei Monate, bezw. zwei ($ 5 des Einführungs- geſetzes) Jahre als Maximum gelten müſſen. In Sachſen-Meiningen kann bei Entwen— dungen im Wertbetrage von mehr als 15 Mark auf Verluſt der bürgerlichen Ehrenrechte (ſ. d.) erkannt werden. Die Stellung unter Polizei- lig iſt nach dem Reichsſtrafgeſetze nicht zu— äſſig. Von dem Grundſatze des Reichsſtrafgeſetzes, daſs die Geldſtrafen in die Staatscaſſe fließen, machen unſere Forſtſtrafgeſetze mehrfach Aus- nahmen. So fallen bei Forſtdiebſtählen die Geldſtrafen den Beſchädigten in Preußen und Braunſchweig ganz, in Baden und Mecklenburg zur Hälfte zu, und in Württemberg fließen die vom Ortsvorſteher erkannten Forſtpolizeiſtrafen in die Gemeindecaſſe. Eine Geldſtrafe, welche weder von dem Verurtheilten, noch von den als civilverant— wortlich erklärten Perſonen beigetrieben werden kann, iſt, wie auch S 28 des Reichsſtrafgeſetzes vorſchreibt, in Haft, bezw. Gefängnis umzuwan— deln (ein Tag = 1 bis 9 Mark), wobei natür⸗ lich das für dieſe Strafarten beſtimmte Mini— mum und Maximum nicht überſchritten werden darf. Dagegen kann dort, wo die Gefängnis— ſtrafe, wie in Sachſen, Sachſen-Meiningen und den thüringiſchen Staaten, bei den Forſtdieb— ſtählen die Regel bildet, in leichteren Fällen auch auf Geldſtrafe erkannt werden. Die noch aus feudaler Zeit ſtammende Umwandlung der Geldſtrafe in Forſtarbeit zu Gunſten des Staates oder gar der Beſchädigten, welche nach § 6 des Einführungsgeſetzes zum Reichsſtrafgeſetze ſtatthaft iſt, erſcheint als eine durch die Eigenthümlichkeit der Forſtfrevel nicht gerechtfertigte Ausnahme von der Beſtrafung der übrigen Geſetzesübertretungen, welche um— ſomehr beſeitigt werden ſollte, als eine ſolche Strafarbeit, welche ohnehin eine erhöhte Auf— ſicht verlangt, wenig wert iſt, und doch dem mittelloſen Frevler (wie z. B. in Sachſen— Meiningen geſetzlich) das zum Lebensunterhalt Nöthige verabreicht werden muſs. Die Forſt— ſtrafarbeit oder ſtatt derſelben auch Gemeinde— arbeit beſteht übrigens, mit Ausnahme von Bayern, Württemberg, Oldenburg, Braunſchweig und Lübeck, in allen deutſchen Bundesſtaaten. Die früher in einzelnen Staaten gebräuchliche Abverdienung des Wert- und Schadenerſatzes durch Waldarbeit iſt durch die neuere Geſetz— gebung beſeitigt. 5 Die Feſtſtellung des Wert- und Schaden— erſatzes, welche nach dem Reichsſtrafgeſetze zur Competenz der Civilgerichte gehört, wird bei Forſtfreveln, um das Verfahren einfacher und wohlfeiler zu machen, in der Regel den Forſt— ſtrafgerichten übertragen, wobei jedoch dem Be— ſchädigten der Civilrechtsweg offengehalten wer— den mujs, ſofern ſich derſelbe durch das ſtraf— richterliche Urtheil in ſeinem Rechte verletzt glaubt. Auf Wert- und Schadenerſatz mit Vor— behalt des Civilrechtsweges erkennen z. B. die Forſtſtrafgerichte in Bayern, Württemberg und Sachſen, ohne ſolchen Vorbehalt in den thürin— giſchen Staaten, Heſſen, Sachſen-Meiningen u. ſ. w. Nur auf Werterſatz wird erkannt in Preußen, Oldenburg u. ſ. w., und in Baden und Mecklenburg, wo dem Beſchädigten die Strafe zur Hälfte (in Mecklenburg auch drei Viertel des Pfandgeldes) zufällt, hat dieſer etwaigen weiteren Schaden vor dem Civilrichter geltend zu machen. Die forſtſtrafrechtlichen Reate unterſcheidet man in: 1. Forſtpolizeiübertretungen, 2. Forſtfrevel und 3. forſtpolizeiwidrige Handlungen (. Forſtpolizei). 1. Forſtpolizeiübertretungen ſind die Verletzungen der dem Waldbeſitzer im öf— 136 Forſtſtrafrecht. fentlichen Intereſſe bezüglich der Waldwirtſchaft auferlegten Verpflichtungen. Die Strafbarkeit liegt hier nicht, wie bei den Forſtfreveln, in der Verletzung der Rechte Dritter oder, wie bei den forſtpolizeiwidrigen Handlungen, in der Gefährdung von Privat- und öffentlichen In— tereſſen durch Übertretung allgemeiner Vor— ſchriften, ſondern in dem Verfehlen gegen Be— ſchränkungen in der ſonſt freien Benützung des Grundeigenthumes, welche unter den gegebenen Verhältniſſen zur Sicherung des öffentlichen Wohles für nöthig gehalten werden. Dieſe Zu— widerhandlungen ſollten deshalb als Übertre— tungen im Sinne des Reichsſtrafgeſetzes be— trachtet und nur mit Geldſtrafe, welche natür— lich bei Uneinbringlichkeit in Haft umzuwandeln wäre, bedroht werden. Hievon weicht jedoch die neuere württembergiſche und badiſche Geſetz— gebung ab, indem ſie unter Umſtänden ſtatt oder neben der Geldſtrafe auch Haft und Ge— fängnis bis zu 3, bezw. 6 Monaten zuläſst. Die Strafe muſs, um abſchreckend zu wirken, dem Vortheile, welcher dem Wald— beſitzer aus der Forſtpolizeiübertretung erwächst, angemeſſen ſein. Ein Wert- und Schadenerſatz an den Staat kommt hier nicht vor, und die Entſchädigungs— anſprüche wegen Verletzung von Privatrechten, z. B. der Miteigenthümer, Forſtberechtigten u. ſ. w., ſind vor dem Civilgerichte geltend zu machen. Wird der Waldbeſitzer wegen Forſtpolizei— übertretungen wiederholt rückfällig oder kommt er der ihm gemachten Auflage der Beſeitigung der Folgen ſeiner geſetzwidrigen Handlungen nicht nach, ſo iſt es unter Umſtänden zweck— mäßig, den betreffenden Wald zeitweilig (in Baden z. B. nicht unter 10 Jahren) auf Koſten ſeines Beſitzers in ähnlicher Weiſe, wie die Ge— meinde-, Körperſchafts- und Stiftungswaldun— gen, unter ſpecielle Aufſicht und Betriebsleitung der Staatsforſtbehörden zu ſtellen. Eine ſolche Beförſterung des betreffenden Waldes wäre neben der verwirkten Strafe durch das Gericht zu beſtimmen, und müſsten dem Verurtheilten bezüglich derſelben auch (wie z. B. in Baden) die geſetzlichen Rechtsmittel zuſtehen. Nach rechtskräftiger Verurtheilung wegen unerlaubter Ausſtockung oder wegen Walddevaſtation kann die Beförſterung in Baden und Lippe-Detmold durch die Verwaltungsbehörde, in Württemberg durch das Forſtamt angeordnet werden. Der Forſtpolizeibehörde muſs das Recht eingeräumt werden, bei Conſtatierung einer Forſtpolizeiübertretung dem Waldbeſitzer die Fortſetzung ſeiner geſetzwidrigen Handlungen zu verbieten, und die Übertretung dieſes Ver— botes ſollte mit einer höheren Strafe belegt werden. Die Forſtpolizeibehörde iſt, wie z. B. in Bayern und Baden (in Württemberg das Forſtamt), durch das Forſtſtrafgericht zu er— mächtigen, für die Erhaltung und bezw. Wie— derherſtellung des Waldes nöthigenfalls auf Koſten des Waldbeſitzers Fürſorge zu treffen. Die Strafe für den kahlen Abtrieb von Schutzwaldungen ſollte, wie in Bayern (ein Viertel bis zum vollen Werte), Württemberg (mit einem Maximalbetrage von 1500 Mark) und Baden (bis 1500 Mark und bis zum vollen Werte des Holzes, wenn dieſer 1500 Mark überſteigt), nach dem Werte des hiebei gewonnenen Holzes oder, wenn dieſer nicht zu ermitteln iſt, nach der Schlaggröße (3. B. pro Hektar 10—50 Mark) bemeſſen werden. Gleiches gilt bezüglich der Waldabſchwen— dung oder Walddevaſtation. Ebenſo ſollte, wie in Bayern, Baden, Sachſen-Meiningen und Sachſen-Coburg, die Übertretung des Verbotes der Waldrodung nach dem Werte des gefällten Holzes oder nach der Größe der Rodungsfläche, wie in Württemberg (pro Ar 5 Mark, mindeſtens 50 Mark) und Eljajs-Lothringen (400 — 1200 Mark pro Hektar) beſtimmt werden. In Schwarz- burg-Rudolſtadt und Reuß-Greiz tritt Geld— ſtrafe von 3 bis 30 Mark ein. Die Strafe für Unterlaſſung der Auf— forſtung von culturfähigen Blößen oder der Nachbeſſerungen in den Schlägen innerhalb der geſetzlich beſtimmten Friſt könnte ebenfalls für die Flächeneinheit feſtgeſetzt wer— den, iſt aber nach den deutſchen Forſtpolizei— geſetzen nur bezüglich ihres Maximalbetrages (in Bayern und Sachſen-Meiningen 90, Würt- temberg und Baden 150 und in Reuß-Greiz 300 Mark) beſtimmt. Gleiche Strafe ſollte, wie in Bayern und Württemberg, eintreten, wenn der gerodete Boden den geſetzlichen Vorſchriften entgegen nicht einer anderen Culturart zuge— führt wird. Für eine mit den beſtehenden geſetzlichen Beſtimmungen im Widerſpruche ſtehende Art und Weiſe der Streugewinnung gibt eben— falls der Wert der ſo gewonnenen Streu oder die Größe der Nutzungsfläche den beſten Maß— ſtab. In Württemberg kann auf Geldſtrafe bis zu 150 Mark, in Sachſen-Meiningen auf eine ſolche bis zu 90 Mark erkannt werden. Für die ordnungswidrige Waldweide kann die Geldſtrafe entweder nach der Menge des eingetriebenen Weideviehes oder auch in— nerhalb der durch einen Höchſt- und Mindeſt— betrag (in Bayern 0˙90—45 Mark, in Sachſen⸗ Meiningen 1˙80—90 Mark) gezogenen Grenze nach richterlichem Ermeſſen beſtimmt werden. Für den Eintrieb des Viehes ohne Hirten ſo— wie für die Übertretung des Verbotes der Nacht— hut gelten die durch die allgemeinen Polizei— vorſchriften beſtimmten Strafen. Die Strafe für die Zuwiderhandlungen gegen die Vorſchriften bezüglich der Harznutzung iſt auch entweder nach der Menge der geharzten Bäume feſtzuſtellen oder innerhalb des durch das Geſetz beſtimmten Minimal- und Maximal- betrages gutachtlich anzunehmen. In Baden werden die Forſttechniker der Waldungen juriſtiſcher Perſonen für Übertre— tungen der Wirtſchaftsordnung mit Geld bis zu 150 Mark beſtraft. Man vgl. auch Holzvorkaufsrecht des Staates. 2. Forſtfrevel ſind unbefugte Eingriffe Dritter in das Waldeigenthum durch Entwen— dung (j. d.) von Forſtproducten und durch a - u Forſtſtrafrecht. Waldbeſchädigungen (ſ. d.), ſoweit ſolche nicht nach dem Reichsſtrafgeſetze zu beſtrafen ſind. Di.ieſelben ſollten in leichteren Fällen als Übertretung, in ſchwereren und bei Gewohn— heitsfrevel als Vergehen beſtraft werden. Geld— ſtrafe hätte bei den Übertretungen die Regel zu bilden. Die Strafe muſs immer nach der Größe des verurſachten Geſammtſchadens be— meſſen werden. Mildernde und erſchwerende Gründe beim Strafausmaße unterliegen nach dem Reichs— ſtrafgeſetze lediglich dem richterlichen Ermeſſen, in der Forſtſtrafgeſetzgebung dagegen ſind die— ſelben für Forſtfrevel vielfach genau beſtimmt. Die Berückſichtigung von Strafmilde— rungsgründen iſt nur in Sachſen-Meiningen vorgeſchrieben, und ſind als ſolche insbeſondere bezeichnet der etwa geleiſtete Erſatz und die Witterungsverhältniſſe. Strafſchärfungs gründe dagegen, welche innerhalb der durch das Strafmaximum ge— zogenen Grenze eine Erhöhung der einfachen Strafe um die Hälfte (Bayern) bis zum dop— pelten (Preußen, Württemberg, Baden u. ſ. w.), drei⸗ (Bayern) oder ſelbſt vierfachen (Sachſen) Betrage rechtfertigen, finden ſich in allen deutſchen Forſtſtrafgeſetzen. Als ſolche gelten im allge— meinen die Verübung des Frevels bei Nacht, an Sonn⸗ und geſetzlichen Feiertagen, mit Uns kenntlichmachung des Frevlers, mit Führung von Feuerwaffen, mit der Säge, das Entlaufen trotz der Aufforderung zum Stehenbleiben, die Verweigerung oder falſche Angabe des Namens, die Fortſetzung des Frevels trotz erfolgter War— nung, die Verübung des Frevels während der Ausübung der Waldarbeit bei Holzhauern, Waldarbeitern u. ſ. w., die Hinwegnahme mit vorſorglichem Beſchlage belegter Gegenſtände, die Verweigerung der Aushändigung der Fre— velwerkzeuge, die Benützung eines Fuhrwerkes u. ſ. w., die Überſteigung von Umfriedungen, die Vermuthung der Abſicht der Veräußerung der entwendeten Objecte, der Rückfall binnen Jahresfriſt u. ſ. w. Zur Strafe kommt bei den Forſtfreveln durch Entwendung noch Wert- und Schaden— erſatz, bei den Freveln durch Beſchädigung nur Schadenerſatz. Erhält der Waldbeſitzer das entwendete Object ganz oder theilweiſe zurück, ſo iſt, wie z. B. in Bayern, Mecklenburg, Sachſen-Alten⸗ burg u. ſ. w. ausdrücklich vorgeſchrieben, der Wertbetrag desſelben außer Rechnung zu laſſen Der Forſtfrevel durch Entwendung von Forſtproducten (Forſtdiebſtahl) iſt in Sachſen, Sachſen⸗Meiningen und den thüringiſchen Staaten auch in leichteren Fällen mit Gefäng— nisſtrafe bedroht und damit als Vergehen er— klärt. In den übrigen deutſchen Staaten wird auf Geldſtrafe erkannt und dieſe im Falle der Uneinbringlichkeit entweder, wie z. B. in Bayern und Heſſen, in Haft oder, wie in Preußen, Württemberg, Baden u. |. w., in Gefängnis um— gewandelt. Die Subſtitution einer Gefängnis— ſtrafe verleiht dem Forſtdiebſtahle ebenfalls den Charakter eines Vergehens, gleich dem gewöhn— lichen Diebſtahle, während derſelbe bei der Um— 137 wandlung der Geldſtrafe in Haft als Über— tretung erſcheint. Die Gefängnisſtrafe richtet ſich nach dem Werte des Entwendeten und ſteigt in Sachſen bei einem Werte von 050—9 Mark von zwei Tagen bis zu drei Wochen und in Sachſen-Mei— ningen bei einem Werte von 0•40—13 Mark von einem halben Tag bis zu vier Wochen, während in den thüringiſchen Staaten das Strafausmaß innerhalb des Höchſtbetrages von zwei Jahren nach richterlichem Ermeſſen erfolgt. Die Geldſtrafe wird dem ein- oder mehr— fachen Betrage des Wertes (in Preußen z. B. dem fünffachen) oder, wie in Bayern, des Wertes und Schadens zuſammen gleichgeſetzt. Der durch die Entwendung verurſachte Schaden wird am einfachſten in Theilen des Wertes des entwendeten Holzes ausgedrückt und vielleicht, wie in Bayern, zu einem Drittel bis zum vollen Vetrage dieſes Wertes ange— nommen. Außer Holz und Rinde bilden noch Holz— pflanzen, Gras, Heide, Plaggen, Moos, Laub, Streuwerk, Nadelholzzapfen, Waldſämereien, Baumſäfte und Harz Objecte des Forſtdieb— ſtahls. Die Entwendung derſelben wird, mit Ausnahme von Bayern (Strafe gleich dem ein— fachen, bezw. doppelten Werte) und Heſſen (Drei-, bezw. Sechsfaches des Wertes als Strafe), dem Holzdiebſtahle ganz gleich erachtet. Das unbefugte Sammeln von Beeren (f. d.), Pilzen und Kräutern unterliegt entweder den allgemeinen Polizeivorſchriften oder wird nur bei ausdrücklichem Verbote des Waldbeſitzers beſtraft. (Vergl. auch Ameiſeneier.) Die unbefugte Bienenweide wird in Preußen mit Geld bis zu 50 Mark oder mit Haft bis zu 14 Tagen beſtraft. Die Entwendung von Erde, Lehm, Sand, Grand, Plaggen oder Bülten, Raſen, Steinen und Mineralien wird nach § 370 des Reichs- ſtrafgeſetzes mit Geld bis zu 150 Mark oder mit Haft beſtraft. Auf die Entwendung von Forſtproducten finden, wie einzelne Forſtſtrafgeſetze (3. B. von Württemberg, Sachſen, den thüringiſchen Staaten) ausdrücklich vorſchreiben, die Beſtimmungen des § 247 des Reichsſtrafgeſetzes Anwendung, nach welchen eine ſolche, wenn ſie von einem Ehegatten gegen den anderen oder von Per— ſonen, die zu dem Beſchädigten in verwandt— ſchaftlichem, dienſtlichem u. ſ. w. Verhältniſſe ſtehen, begangen wurde, ſtraflos bleibt, bezw. nur auf Antrag des Beſchädigten beſtraft wird. Ein höherer Wert des entwendeten Ob— jectes (in Baden z. B. von 25 Mark), öftere Rückfälle, die Entwendung zum Zwecke der Ver— äußerung, ſowie die gewerbsmäßige Hehlerei und ſelbſt die gemeinſchaftliche Ausübung des Forſtdiebſtahles veranlaſſen die deutſchen Forſt— ſtrafgeſetze zu einer höheren Qualification des— ſelben und zur Verhängung von Gefängnis— ſtrafen, die jedoch nach der Reichsſtrafgeſetz— gebung in keinem Falle zwei Jahre überſchreiten dürfen. Die Forſtfrevel durch Waldbeſchädi— gung ſind nach den deutſchen Forſtſtrafgeſetzen theils Übertretungen und nur mit Geldſtrafe 138 oder Haft bedroht, theils Vergehen, welche mit Gefängnis beſtraft werden. Als Vergehen gelten in den thüringiſchen Staaten die vorſätzlichen Weidefrevel, welche mit Gefängnis bis zu zwei Jahren beſtraft werden, und die Baumbeſchädi— gungen bei Entwendung von Forſtproducten dort, wo, wie in Sachſen, Sachſen-Meiningen und den thüringiſchen Staaten, dieſe Entwen— dung ſelbſt mit Gefängnisſtrafe geahndet wird. Die Geldſtrafe ſollte die Regel bilden und Haft, wie z. B. in Bayern, nur bei Beſchädi— gungen aus Muthwillen oder Bosheit ein— treten. . Die Geldſtrafe wird entweder nach der Größe des verurſachten Schadens (in Baden z. B. gleich dem Vierfachen) beſtimmt oder für das betreffende Reat geſetzlich feſtgeſetzt, meiſt unter Annahme eines Minimal- und Maximal- betrages. Letzteres gilt auch bezüglich der Haft— ſtrafe. Ebenſo bildet der Schaden die Grundlage bei Feſtſtellung der Gefängnisſtrafe, indem z. B. in Sachſen Baumbeſchädigungen nach Verhält— nis des Schadens mit Gefängnis bis zu drei Wochen beſtraft werden, ſofern nicht nach dem Wertbetrage des Entwendeten oder wegen er— ſchwerender Umſtände eine höhere Strafe eintritt. Der Schaden läſst ſich in vielen Fällen nach dem Werte der beſchädigten Objecte, z. B. in Bayern bei ſtehendem grünen Holze von einem Zehntel bis zum vollen Werte, beſtimmen. Bei Weidefreveln hat der Beſchädigte öfter, wie z. B. in Preußen, Oldenburg, Braunſchweig und Elſaſs-Lothringen, die Wahl zwiſchen der Erſtattung des nachweisbaren Schadens und der Zahlung eines Erſatzgeldes (ſ. Buße). Der Anſpruch auf Erſatzgeld iſt unabhängig von dem Nachweiſe eines Schadens. Das Erſatzgeld ſelbſt iſt geſetzlich normiert und beträgt in Preußen z. B. bei der Weide in Schonungen für ein Pferd oder ein Stück Rindvieh 2 Mark, bei ſolcher in anderen Waldtheilen nur 0˙30 Mark, mit der Beſchränkung bei einer Mehrzahl von Thieren im erſten Falle auf 60, im zweiten auf 15 Mark. Zu den gewöhnlichſten Freveln dieſer Art gehören die Beſchädigungen ſtehenden grünen Holzes, durch Schälen, Ringeln, Entgipfeln, Entäſten, Anbohren, Anhauen oder Anſägen, Reißen, Beſteigung mittelſt Steigeiſen, An- und Abhauen der Wurzeln u. ſ. w., bei welchen neben dem Schadenerſatze und der Strafe noch für die etwaige Entwendung, wie z. B. bei der Aſt⸗ und Kienholzgewinnung, auf die betreffende Strafe nebſt Werterſatz zu erkennen iſt, wie dies z. B. in Bayern ausdrücklich vorgeſchrieben iſt. Gleiches hätte auch für die Beſchädigung von liegendem Holze oder anderen Forſtpro— ducten zu gelten. Die Strafen hiefür ſind in Bayern z. B. 090—45 Mark, in Preußen, Württemberg, Braunſchweig u. ſ. w. bis zu 150 Mark oder Haft bis zu vier Wochen, in Heſſen gleich dem einfachen, in Baden gleich dem vierfachen. Schaden u. ſ. w. Die rechtswidrige Weideausübung im frem— den Walde wird meiſt zu den Waldbeſchädi— gungen gezählt, obgleich das Abweiden des dem Waldbeſitzer gehörigen Graſes doch nichts als Forſtſtrafrecht. eine Entwendung desſelben iſt. Die Strafe, welche bei der Weide in verhängten Orten größer (in Preußen und Baden z. B. dreifach, in Bayern doppelt) iſt als in offenen, wird ent— weder nur nach ihrem Höchſtbetrage (in Preußen, Württemberg, Sachſen u. ſ. w. 150 Mark oder Haft) beſtimmt oder, wie z. B. in Bayern und Baden, ebenfalls unter Annahme eines Maxi- malbetrages (in Bayern und Baden bei Scho— nungen 43, bezw. 150 Mark), pro Stück der einzelnen Thiergattungen (3. B. bei Schonungen für ein Stück Rindvieh in Bayern 1˙20 Mark, in Baden 3 Mark) geſetzlich normiert. In Bayern muf3 der Schadenerſatz mindeſtens die Hälfte der Strafe betragen. Der die beſtehende Berechtigung zur Weide überſchreitende Eintrieb von eigenem Vieh it ebenſo wie der Miteintrieb fremden Viehes als Weidefrevel zu beſtrafen, worüber z. B. die Forſtſtrafgeſetze von Bayern, Sachſen, Heſſen u. ſ. w. ausdrückliche Vorſchriften enthalten. Die Beſchädigungen von Einfriedungen, Grenz- und Hegezeichen und anderen Signalen, ſowie der verſchiedenen Betriebsanlagen und Bauten, dann das Vernichten des Zeichens des Waldhammers an ſtehendem oder gefälltem Holze, das Einwerfen des aufgeſchichteten Holzes u. ſ. w. werden neben dem Erſatze der Koſten der Wiederherſtellung des früheren Zu— ſtandes mit Geld oder Haft beſtraft, wie z. B. in Bayern, Heſſen und den thüringiſchen Staaten bis zu 9 Mark (bezw. in Bayern 45 Mark), in Preußen mit Geld bis zu 130 Mark oder mit Haft, in Württemberg mit Geld bis zu 19 Mark oder mit Haft bis zu vier Wochen u. ſ. w. In Bayern wird derjenige, welcher Feuer im Walde anmacht, um Bäume anzubrennen oder um unerlaubter Weiſe Holz, Laub oder anderes Streuwerk zur Gewinnung von Aſche zu verbrennen, außer dem Schadenerſatze und dem Erſatze des Wertes bei unbefugter Zueig— nung mit Haft nicht unter ſechs Tagen be— ſtraft. 3. Forſtpolizeiwidrige Handlungen ſind Übertretungen der allgemeinen Vorſchriften zur Erhaltung der Ordnung und Rechtsſicher— heit. Dieſelben könuen ſowohl vom Waldbeſitzer, als von Dritten begangen werden. Die forſtpolizeiwidrigen Handlungen gelten nach den deutſchen Forſtſtrafgeſetzen nur als Übertretungen im Sinne des Reichsſtrafgeſetzes und werden daher nur mit Geld oder Haft be— ſtraft. Bei der Unmöglichkeit, alle Eventuatitäten im Geſetze vorzuſehen, iſt es zweckmäßig, den Richter zu ermächtigen, die Übertretungen der von den Forſtpolizeibehörden weiter erlaſſenen Verbote innerhalb des geſetzlichen Strafmaßes für ſolche Fälle (in Baden z. B. bis zu 10 Mark, Württemberg 60 Mark oder acht Tage Haft, in Mecklenburg bis zu 6, bezw. 15 Mark, in den thüringiſchen Staaten 60 Mark oder vierzehn Tage Haft, Sachſen-Meiningen 150 Mark oder Haft u. ſ. w.) zu beſtrafen. Übrigens haben wohl überall die Polizeibehörden, in Preußen z. B. nach dem Geſetze über die Polizeiverwal— tung vom 11. März 1850 und in Bayern nach dem Polizeiſtrafgeſetze vom 26. December 1871, 3 — Forſtſtrafrecht. 139 die Ermächtigung, beſondere ortspolizeiliche Vorſchriften mit Strafandrohung (in Preußen z. B. bis zu 30 Mark) zu erlaſſen. Muſsten die von dem Waldbeſitzer unter— laſſenen Vorkehrungen zur Abwendung von Feuer- und Waſſergefahr, ſowie von Beſchädi— gungen durch Thiere von der Forſtpolizeibehörde ausgeführt werden, ſo iſt auch auf Erſatz der betreffenden Koſten zu erkennen. Ebenſo hat bei verbotswidriger Errichtung von Anſtalten und Gebäuden im Walde oder in deſſen Nähe die Wiederherſtellung des frü— heren Zuſtandes auf Koſten des Schuldigen zu geſchehen. Bei Ausmeſſung der Strafe für das un— befugte oder unter Nichtbeachtung der geſetz— lichen Vorſchriften vorgenommene Feueranmachen im Walde iſt vorzüglich die Größe der Gefahr für den Wald zu berückſichtigen und deshalb z. B. das Rauchen einer Cigarre (in Lübeck jedoch Strafe bis zu 18 Mark) geringer als das unbefugte Feueranzünden, letzteres aber dann am höchſten zu beſtrafen, wenn es zu einer Zeit ſtattfand, wo die Bodendecke trocken und daher leicht entzündlich war. Abgeſehen von den Beſtimmungen des § 368 Ziffer 6 des Reichsſtrafgeſetzes (ſ. Forſtpolizei) werden die Zuwiderhandlungen gegen die Vorſchriften über das Anmachen und Auslöſchen von Feuer z. B. beſtraft in Preußen mit Geld bis zu 50 Mark oder mit Haft bis zu 14 Tagen (unerlaubtes oder polizeiwidriges Kohlenbrennen bis zu 150 Mark oder Haft), in Bayern bis zu 45 Mark, in Württemberg und Baden mit Geld bis zu 60 Mark oder Haft bis zu 14 Tagen, in den thüringiſchen Staaten bis zu 9 Mark u. ſ. w. Ungehorſam gegen die Löſchordnung bei Wald— bränden fällt, ſofern das Forſtſtrafgeſetz (in Preußen und Württemberg z. B. Geldſtrafe bis zu 50, bezw. 60 Mark oder Haft bis zu 14 Tagen) nicht ausdrücklich anders beſtimmt, unter das allgemeine Polizeiſtrafgeſetz, bezw. § 368 Ziffer 6 des Reichsſtrafgeſetzes. Die Übertretung des Verbotes der Errich— tung von Gebäuden in der Nähe von Wal— dungen wird neben der Verpflichtung zum Niederreißen des Gebäudes und zum Erſatze etwaigen Schadens z. B. beſtraft in Preußen und Baden mit Geld bis zu 150 Mark oder Haft. Wo, wie z. B. in Bayern, das Forſt— geſetz in dieſer Beziehung keine Strafbeſtim— mungen enthält, treten die allgemeinen Vor— ſchriften des Polizei-, bezw. des Reichsſtraf— geſetzes (ſ. Bauführungen) in Kraft. Eine geſetzliche Verpflichtung des Wald— beſitzers zur Erhaltung eines Windmantels zum Schutze des angrenzenden Waldes beſteht in Deutſchland nicht. Die Strafe gegen derartige Zuwiderhandlungen (in Oſterreich 20 bis 200 Gulden) könnte, wie bei der unbefugten Waldrodung und Walddevaſtation, nach dem Werte des vorſchriftswidrig gefällten Holzes feſtgeſtellt werden, z. B. von einem Viertel bis zum vollen Betrage dieſes Wertes. Die Nichtbefolgung der zur Vertilgung von Inſecten und anderen ſchädlichen Thieren angeordneten Maßregeln, welche das bayeriſche Forſtgeſetz zu den Forſtpolizeiübertretungen zählt, wird z. B. beſtraft mit Geld in Preußen und Württemberg bis zu 150 Mark (oder Haft in Preußen), in Bayern und Sachſen-Meiningen bis zu 90, Mark u. ſ. w. Die Übertretung des Verbotes der Weide zur Nachtzeit oder ohne Hirten wird zweck— mäßig nach der Menge des eingetriebenen Viehes bemeſſen, wie z. B. in Bayern, wo eine ſolche Zuwiderhandlung als Weidefrevel beſtraft wird, während hiefür in Preußen Geld— ſtrafe bis zu 10 Mark oder Haft bis zu drei Tagen beſteht. Gleiches könnte bezüglich der Einzelhut gelten, welche jedoch in Braunſchweig als Weidefrevel betrachtet und in Bayern z. B. mit Geld bis zu 9 Mark beſtraft wird. Nach § 13 des preußiſchen Feld- und Forſtpolizei— geſetzes ſoll die Ausübung der Nachtweide, des Einzelhütens ſowie der Weide durch Gemeinde— und Genoſſenſchaftsherden durch Polizeiver— ordnung geregelt werden. In den thüringi— ſchen Staaten werden die blos fahrläſſigen Weidefrevel mit Geld bis zu 60 Mark beſtraft. Die Zuwiderhandlungen der Waldarbeiter gegen ihre Inſtructionen ſind nur mit geringen Geldſtrafen zu belegen, in Bayern z. B. von 0˙90—9 Mark. Die Ordnungswidrigkeiten der Forſtproductenempfänger bei Gewinnung und Abfuhr der Forſtproducte werden z. B. beſtraft in Sachſen-Meiningen mit Geld bis zu 5 Mark, in Bayern und den thüringiſchen Staaten bis zu 9 Mark, in Preußen und Württemberg bis zu 100 Mark oder vier Wochen Haft u. ſ. w. Das Verlaſſen des Weges und Nichtzurückkehren auf ſolchen nach Aufforderung von Seite des Berechtigten wird in Preußen mit Geld bis zu 10 Mark oder bis zu drei Tagen Haft beſtraft. Wer außerhalb der gewöhnlichen Wege mit Frevelwerkzeugen betroffen wird, erleidet eine Strafe in Sachſen bis zu zwei Tagen Haft, in Helfen von 0˙60 Mark, in den thüringiſchen Staaten bis zu 2 Mark, in Mecklenburg bis zu 6 Mark, in Baden bis zu 10 Mark, in Preußen und Württemberg bis zu 50, bezw. 60 Mark oder Haft bis zu 14 Tagen u. ſ. w. Für das Fahren, Reiten, Viehtreiben oder Holzſchleifen über fremde Grundſtücke beträgt die Strafe z. B. in Preußen bis zu 40 Mark oder drei Tagen Haft, in Württemberg bis zu 60 Mark oder 14 Tagen Haft. Das unbefugte Befahren von Wegen, auf welches nicht § 368 Nr. 9 des Reichsſtrafgeſetzes Anwendung findet, wird nach den Forſtſtrafgeſetzen höchſtens mit 10 Mark beſtraft. Das unbefugte Betreten von Forſteulturen oder von Schlägen, in welchen die Holzhauer beſchäftigt ſind, wird in Preußen und Württemberg mit Geld bis zu 50, bezw. 60 Mark oder mit Haft bis zu 14 Tagen beſtraft. Die Strafe für den Verkauf und den An— kauf der unter der Bedingung der Nichtver— äußerung erhaltenen Forſtproduete wird am beſten nach dem Werte der rechtswidrig ver— äußerten Producte bemeſſen. Solche Reate wer— den z. B. beſtraft in Preußen mit Geld bis zu 100 Mark oder mit Haft bis zu 14 Tagen, in Heſſen mit einer Geldſtrafe gleich dem einfachen Geldwerte des Verkauften, in Bayern mit Geld bis zu 9 Mark, in den thüringiſchen Staaten 140 Forſtſtrafrecht. bei Verkauf von Leſeholz, Streu u. ſ. w. mit Gefängnis bis zu zwei Monaten, wodurch der— ſelbe als Vergehen erklärt wird u. |. w. Sofern Verkauf und Erwerb entwendeter Forſtproducte nicht, wie z. B. in Preußen und Baden, ſchon im erſten Falle als Vergehen gilt, kann auch hier der Wert des Entwendeten als Maßſtab der Strafe (in Bayern z. B. gleich dem dop— pelten) dienen. Die Übertretungen aller übrigen hier nicht weiter genannten Forſtpolizeivorſchriften werden im Allgemeinen nur gering beſtraft. III. Die Feſtſtellung des Thatbe— ſtandes hat zunächſt nur durch die hiezu be— ſonders berufenen Perſonen zu geſchehen, da nach § 139 des Reichsſtrafgeſetzes eine allge— meine Anzeigepflicht nur bezüglich ſchwerer oder gemeinſchädlicher Verbrechen beſteht. Selbſtver— ſtändlich hat jedoch Jedermann das Recht, von der Entdeckung eines forſtlichen Reates betref— fenden Orts Anzeige zu erſtatten. Die Anzeige der Forſtfrevel und forſt— volizeiwidrigen Handlungen iſt Aufgabe der für den Schutz des Waldes beſtellten Individuen, von welcher dieſelben durch das badiſche Forſt— geſetz z. B. nur dann entbunden ſind, wenn eine Übertretung vom Waldbeſitzer ſelbſt her— rührt. Betheiligt ſich 110 Waldbeſitzer am Schutze ſeines Eigenthumes, jo ſtehen ihm, wie z. B. die Forſtſtrafgeſeze von Mecklenburg und Sachſen-Meiningen ausdrücklich beſtimmen, die Rechte der Forſtſchutzbedienſteten zu. Die Strafverfolgung ohne beſonderen An— trag des Waldbeſitzers bildet in Deutſchland die Regel, und nur ausnahmsweiſe wird, wie in Mecklenburg (jedoch mit der Berechtigung des Forſtſchutzperſonales zur Antragſtellung) für alle Forſtſtraffälle, in Sachſen für die Weidefrevel und in Preußen für verſchiedene forſtpolizeiwidrige Handlungen, zur Einleitung des Strafverfahrens ein Antrag des Beſchä— digten oder ſeines Vertreters verlangt. Die Conſtatierung der Forſtpolizeiüber— tretungen ſollte nur durch die Organe der Forſtpolizeibehörden, d. i. durch das betreffende Staatsforſtperſonale geſchehen, da man von den Forſtſchutzbedienſteten nicht, wie es übrigens in Baden geſchieht, verlangen kann, daſs ſie die Übertretungen ihres Herrn zur Anzeige bringen. Als Hilfsorgane für die Forſtſtrafgerichte ſowie für die Forſtpolizeibehörden gelten außer den Forſtſchutzbedienſteten überall und ſind zur Anzeige von Verletzungen des Forſtgeſetzes ver— pflichtet das Polizeiperſonale der Gemeinden, einſchließlich der Feldhüter, die Gendarmerie und andere öffentliche Diener. Volljährigkeit und Unbeſcholtenheit bilden allenthalben eine unerläßliche geſetzliche Vor— ausſetzung der wnitellung als Forſtſchutz— bedienſteter, da ein ſolcher ein öffentlicher Diener iſt, deſſen Ausſage, vorbehaltlich des Gegenbeweiſes, vollen Beweis liefert. Es ſollten deshalb auch alle Forſtſchutzorgane von der Jorſtpolizeibehörde im Einvernehmen mit der Staatsforſtbehörde beſtätigt und von dem Ge— richte beeidigt werden (j. Dienſteid). Die Ent- laſſung untauglicher Waldhüter ſollte, wie z. B. in Preußen und Baden, der Forſtpolizeibehör de zuſtehen. Um die Glaubwürdigkeit der Forſtſchutz— organe zu erhöhen, dürfen dieſelben kein per— ſönliches Intereſſe an der Frevelanzeige haben und deshalb auch keine Pfand- und Anzeige— gebüren beziehen. Auf Zahlung von Anzeige— gebüren von Seite des Schuldigen wird übri— gens von den deutſchen Forſtſtrafgerichten nicht mehr erkannt, und die in einzelnen Staaten noch vorkommenden Pfandgelder fließen in die Gerichtscaſſe. In Baden iſt jede Abrede, wo— nach der Waldhüter irgend einen Theil der Strafgelder zu empfangen oder im Verhältniſſe derſelben einen beſonderen Vortheil zu beziehen hätte, ungiltig. Bei außergewöhnlicher Überhandnahme der Forſtfrevel wird es öfter nöthig, das Forſt— ſchutzperſonale durch Militär unterſtützen zu laſſen, für welchen Fall das Forſtgeſetz auch ei erforderlichen Beſtimmungen enthalten ollte. Bei der Conſtatierung von Verletzungen des Forſtgeſetzes muſs der objective und ſub— jective Thatbeſtand genau feſtgeſtellt werden. Die Beſtimmung des objectiven That- beſtandes iſt eine ſolche Individualiſierung des Reates nach Zeit, Ort und Umſtänden, daſs die Qualification desſelben dem Richter möglichſt erleichtert iſt. Es gehört hiezu ins— beſondere auch bei Forſtpolizeiübertretungen die Feſtſtellung der ordnungswidrig behandelten Waldfläche oder des vorſchriftswidrig gefällten Holzes, bei Forſtfreveln die Wertbeſtimmung der entwendeten Objecte und des verurſachten Schadens und bei forſtpolizeiwidrigen Hand— lungen die Angabe jener Umſtände, welche die— ſelben als culpoſe oder doloſe charakteriſieren. Die Feſtſtellung des jubjectiven That— beſtandes umfajst die genaue Bezeichnung des Übertreters und ſeiner etwaigen Mitſchul— digen nach Vor- und Zunamen, Alter, Be— ſchäftigung und Wohnort ſowie die Angabe der civilverantwortlichen Perſonen und jener Mo— mente, welche die Strafbarkeit aufheben, min— dern oder erhöhen. Zur richtigen Beurtheilung einer ſtrafbaren Handlung gehört auch die Angabe, ob die An⸗ zeige des Schutzbedienſteten auf eigener Wahr— nehmung oder fremder Mittheilung beruht, ſowie die Bezeichnung etwaiger Zeugen und ſonſtiger Beweismittel. Weiter iſt es von Be— deutung, ob der Anzeiger den Frevler auf friſcher That oder nur auf dem Wege im Walde oder außerhalb desſelben betreten hat oder nur durch Hausſuchung zur Kenntnis des Frevels gelangt iſt. Schließlich müſſen die mit Beſchlag belegten oder gepfändeten Gegenſtände näher bezeichnet werden. Die Erſtattung brauchbarer Frevelanzeigen erfordert natürlich von Seite der Forſtſchutz— bedienſteten Umſicht, Vertrautſein mit dem Forſt— geſetze und den Elementen der forſtlichen Tech— nik ſowie genaue Local- und Perſonalkenntniſſe, und man mujs deshalb bei der Wahl dieſer Bedienſteten auf den Beſitz der fraglichen Eigen— ſchaften möglichſt Rückſicht nehmen und ſolche Forſtſtrafrecht. durch ſtete Belehrung ſowie durch Vermeidung häufigen Perſonalwechſels zu erhöhen ſuchen. Es ſollte jeder Schutzbedienſtete den Ein— trag ſeiner Anzeigen in das vorgeſchriebene Verzeichnis täglich ſelbſt vornehmen und nur dann, wenn er des Schreibens unkundig iſt, hätte er von Zeit zu Zeit, wie z. B. in Bayern vorgeſchrieben, einem mit Führung eines Forſt— rügeverzeichniſſes betrauten Schutzbedienſteten, oder auch ſeinem Vorgeſetzten behufs des frag— lichen Eintrages mündliche Mittheilung über die von ihm wahrgenommenen Übertretungen zu machen. In den Forſtrügeverzeichniſſen darf, wie z. B. in Bayern geſetzlich angeordnet iſt, nichts verändert oder unleſerlich gemacht werden. Anzeigen von nicht dem Schutzperſonale angehörigen Perſonen werden entweder bei dem einſchlägigen Forſtſchutzbedienſteten oder beim Amtsanwalte des Forſtſtrafgerichtes gemacht. Die Forſtrügeverzeichniſſe der einzelnen Schutzbedienſteten werden der Amtsanwaltſchaft periodiſch entweder direct oder durch Vermitt— lung des Vorgeſetzten übergeben, welche dieſelben zuſammenſtellt, mit den nöthigen Anträgen bezüglich der Strafe und des Wert- und Scha— denerſatzes verſieht und dem Forſtſtrafgerichte in Vorlage bringt. Erſcheint ein Frevel auf Grund der Straf— vormerkungsbücher als ein ausgezeichneter Rück— fall oder Gewohnheitsfrevel oder ſchon an und für ſich als ein höher qualificierter, einem be— ſonderen Strafverfahren unterſtellter, ſo iſt bei dem zuſtändigen Gerichte ein eigener Straf— antrag zu ſtellen. Wo, wie in Bayern, die Forſtpolizeiüber— tretungen geſondert verhandelt werden können, ſind für dieſelben beſondere Anzeigeprotokolle nöthig. Ebenſo iſt bezüglich der als gewöhnliche Diebſtähle zu betrachtenden Forſtproductenent— wendungen geſonderte Anzeige bei dem ein— ſchlägigen Strafgerichte zu erſtatten. Auch über die Forſtfrevel von Ausländern ſind beſondere Verzeichniſſe zu führen, wenn deren Aburtheilung von den ausländiſchen Forſtſtrafgerichten erfolgt. Die beſte Art der Conſtatierung des Forſt— frevels iſt die Betretung des Frevlers auf friſcher That, und für dieſen Fall geſtatteten ſchon die älteren deutſchen Geſetze die Pfän— dung (ſ. d.) des Frevlers, welche jedoch in neuerer Zeit auf jene Fälle beſchränkt wurde, in welchen eine Wegnahme des Weideviehes, der Frevelwerkzeuge, des Fuhrwerkes u. ſ. w. zur Feſtſtellung der Identität des Frevlers, zur Verhinderung der Fortſetzung des Frevels, zur Schadloshaltung des Waldbejigers ſowie zur Sicherung der Zahlung der Geldſtrafe nöthig iſt. Die Pfändung iſt, mit Ausnahme von Württemberg und Baden, nach allen deutſchen Forſtſtrafgeſetzen zuläſſig und erſtreckt ſich nur auf Weidethiere, ausgenommen Bayern, wo auch Werkzeuge, Fuhrwerke und Geſpanne gepfändet werden können. Die Pfändung der Thiere ſteht nicht nur dem Schutzperſonale, ſondern auch, wie in Preußen z. B. das Feld— und Forſtpolizeigeſetz ausdrücklich beſtimmt, dem Beſchädigten, deſſen Familiengliedern und 141 Dienftboten zu. Eine unrechtmäßige Pfändung ſowie der Widerſtand gegen eine rechtmäßige Pfändung wird beſtraſt, in Preußen z. B. mit Geld bis zu 150 Mark oder Haft. In Mecklen— burg und Heſſen hat der Weidefrevler ein Pfandgeld zu entrichten, auch wenn eine Pfän— dung nicht geſchah. Dasſelbe beträgt in Mecklen— burg z. B. für ein Stück Rindvieh in offenen Waldungen 0˙30 Mark, in Schonungen 1 Mark, mit dem Maximum von 18, bezw. 36 Mark, in Heſſen mit einem Höchſtbetrage von 171 Mark für Tag- und von 342 Mark für Nachtfrevel. Die Forſtſtrafgeſetze beſtimmen nicht nur die Vorausſetzungen der Pfändung und das Ver— fahren bei derſelben, ſie treffen auch Anord— nungen bezüglich der Verwahrung der gepfän— deten Objecte bei den einſchlägigen Gemeinde— oder Gerichtsbehörden, der Rückgabe derſelben an den Frevler oder der Verwertung und der Verwendung des Erlöſes. Verſchieden von der Pfändung iſt die Ein— ziehung (s. d.) oder Confiscation der Frevelwerkzeuge und entwendeten Gegenſtände zu Gunſten des Staates und die Beſchlag— nahme der Frevelobjecte zur Feſtſtellung des Thatbeſtandes und zur Sicherung des Wert— und Schadenerſatzes, welche in Bayern in Ver— bindung mit der Pfändung der Frevelwerkzeuge an die Stelle der daſelbſt nicht zuläſſigen Ein— ziehung tritt. Die Verhaftung eines auf friſcher That (s. d.) betretenen Frevlers it in Deutſch— land nach Special- (in Preußen z. B. Geſetz vom 12. Februar 1850 zum Schutze der per— ſönlichen Freiheit) oder Forſtſtrafgeſetzen nur dann zuläſſig, wenn es zur Herſtellung der Identität der Perſon, insbeſondere eines Aus— länders, oder (wie z. B. in Bayern) zur Ver— hinderung der Fortſetzung des Frevels unum— gänglich nöthig iſt. Zur Verhaftung iſt nach den Forſtſtrafgeſetzen in der Regel nur das Schutzperſonale befugt, in Mecklenburg und Sachſen-Meiningen jedoch auch der Waldbeſitzer und in Preußen (Geſetz vom 12. Februar 1850) jogar jede Privatperſon. Wegen der Abliefe— rung des Verhafteten an die Behörden und der Entlaſſung desſelben nach Feſtſtellung ſei— ner perſönlichen Verhältniſſe iſt überall im Ge— ſetze Vorſorge getroffen. Wo, wie z. B. in Württemberg und Baden, keine beſonderen ge— ſetzlichen Beſtimmungen beſtehen, treten die SS 127 und 128 der Reichsſtrafproceſsordnung vom 1. Februar 1877 in Kraft. Hausſuchungen nach entwendeten Forſt— producten, welche ſchon nach den S8 102— 407 des Reichsſtrafgeſetzes zuläſſig, in verſchiedenen Bundesſtaaten aber durch ein Special- oder das Forſtſtrafgeſetz genauer geregelt ſind, ſollten nur unter Zuziehung des Verdächtigen oder ſeiner Hausgenoſſen ſowie eines Mitgliedes der einſchlägigen Gemeindebehörde oder in beſon— ders dringenden Fällen (wie z. B. in Bayern) wenigſtens eines weiteren Organes des Forſt— ſtrafgerichtes (Polizeidieners, Gendarmen, Wald— aufſehers) und bloß dann erfolgen dürfen, wenn Frevel im Walde entdeckt wurden, und die Verfolgung der Spuren derſelben oder andere Umſtände beſtimmte Verdachtsgründe an die 142 Forſtſtrafrecht. Hand geben. Über den Befund der Haus— ſuchung, wenn ſolche ein Reſultat hatte, wäre von dem Hausſuchenden ein Protokoll aufzu— nehmen und dem Forſtrügeverzeichniſſe beizu— legen. In Preußen iſt, wenn in der Gewahrſam eines innerhalb der letzten zwei Jahre wegen einer Zuwiderhandlung gegen das Forſtſtraf— geſetz rechtskräftig Verurtheilten friſch gefälltes, nicht forſtmäßig zugerichtetes Holz gefunden wird, gegen den Inhaber zu Gunſten der Ar— mencaſſe auf Einziehung des gefundenen Holzes zu erkennen, ſoſern er ſich über den redlichen Erwerb nicht ausweiſen kann. Ebenſo erfolgt in Braunſchweig die Einziehung von zur Zünd— holzfabrication geeignetem Holze, wenn es bei einem zu ſolcher Nichtberechtigten gefunden wird, und derſelbe den redlichen Erwerb desſelben nicht nachweiſen kann. Die Durchſuchung der öffentlichen Holz— lagerplätze nach gefreveltem Holze muſs dem Schutzperſonale jederzeit geſtattet ſein. Die Forſtſchutzbedienſteten ſind öffentliche Diener, welche ſich als ſolche den Frevlern gegenüber durch das Dienſtkleid (Walduniform des eigentlichen Forſt- und Jagdperſonales) oder ein Dienſtzeichen (3. B. Dienſtmütze oder ein Bruſtſchild für Waldaufſeher) zu erkennen geben müſſen, wie z. B. die Forſtſtrafgeſetze für Baden und Mecklenburg ausdrücklich vor— ſchreiben. Übrigens iſt die Giltigkeit der Amts— handlung eines Forſtbedienſteten nicht davon abhängig, daſs ſie von dieſem in Uniform be— gangen wurde, da es zu ſolcher z. B. nach einem Erkenntniſſe des preußiſchen Gerichts— hofes zur Entſcheidung der Competenzconflicte genügt, daſs der Forſtſchutzbeamte als ſolcher dem Contravenienten perſönlich bekannt iſt. Die dem Forſtſchutzbedienſteten zu ſeiner Vertheidigung geſtattete Waffe iſt nach der dienſtlichen Stellung desſelben verſchieden. Wäh— rend man z. B. den mit Uniform und Hirſch— fänger verſehenen Forſtbeamten überall auch das Tragen eines Jagdgewehres erlaubt, mujs fi; der Waldhüter der Gemeinden und Pri— vaten vielfach noch mit einer Piſtole oder einer Axt begnügen, was wohl nicht ſelten in der Abſicht geſchieht, ihm keine Veranlaſſung zum Wildern zu geben. Nach dem preußiſchen Ge— ſetze vom 31. März 1837 über den Waffen- gebrauch der Forſt- und Jagdbeamten ſind nur die königlichen Forſt- und Jagdbeamten ſowie die vereideten, lebenslänglich angeſtellten und mit ihrem Dienſteinkommen nicht auf Anzeige— gebüren angewieſenen Communal- und Pri— vatforſtbedienſteten befugt, von ihrer Waffe gegen Holz- und Wilddiebe Gebrauch zu ma— chen. Als Waffen dürfen nur der Hirſchfänger, die Flinte oder Büchſe geführt werden, und die Ladung für Flinte oder Büchſe darf nur in Schrot oder Kugel beſtehen. Wo die Forſt— und Jagdbedienſteten keine Jagdkarten (ſ. Jagd— polizei) erhalten, bedürfen dieſelben zum Tra— gen eines Jagdgewehres einer beſonderen Er— laubnis, eines ſog. Schutzgewehrſcheines, welcher in Bayern z. B. auch zur Erlegung von Raubzeug ermächtigt. Die Vorausſetzungen, unter welchen der Schutzdiener von der Waffe zum Schutze ſeiner Perſon Gebrauch machen darf, ſowie ſein Ver— halten nach der durch ihn verurſachten Ver— wundung oder Tödtung eines Frevlers, ſind, ſoweit es nicht bereits durch allgemeine Geſetze geſchehen, durch das Forſtſtrafgeſetz zu regeln. So darf z. B. in Preußen, Mecklenburg und Reuß jüngere Linie (Geſetz vom 7. December 1853) der Gebrauch der Waffen nicht weiter ausgedehnt werden, als es zur Abwehr eines Angriffes und zur Überwindung einer bei der Anhaltung, Pfändung oder Verhaftung thätlich oder durch gefährliche Drohungen geleiſteten Widerſetzung nothwendig iſt. Der Gebrauch des Schießgewehres als Schutzwaffe iſt nur dann erlaubt, wenn der Angriff oder die Widerſetz— lichkeit mit Waffen, Axten, Knütteln oder an- deren gefährlichen Werkzeugen, oder von einer Mehrheit, welche ſtärker iſt als die Zahl der zur Stelle anweſenden Forſt- und Jagdbeamten unternommen oder angedroht wird. Der An— drohung eines ſolchen Angriffes wird es gleich geachtet, wenn der Betroffene die Waffen oder Werkzeuge nach erfolgter Aufforderung nicht ſofort ablegt oder ſie wieder aufnimmt. Der Forſtſchutzbedienſtete hat dem verwundeten Frevler möglichſt Beiſtand zu leiſten, nöthigen— falls für deſſen Verbringung nach dem nächſten Orte Sorge zu tragen und in jedem Falle ſeinem Vorgeſetzten, bezw. der Ortspolizei— behörde und dem Amtsgerichte ſofort Anzeige zu erſtatten (in Mecklenburg bei Vermeidung einer Geldſtrafe bis zu 150 Mark). Nach dem Forſtſtrafgeſetze für Sachſen-Meiningen darf dagegen die von dem Forſtſchutzbedienſteten an— zuwendende Gewalt nur unter den Bedingun— gen und in den Grenzen der Nothwehr aus— geübt werden. Für die Waldbeſitzer ſind, wenn ſie ſich am Forſt- und Jagdſchutze betheiligen, die geſetzlichen Beſtimmungen über Selbſt— hilfe (ſ. d.) und Nothwehr (j.d.) maßgebend. Der Miſsbrauch der Waffen oder über— haupt des Amtes von Seite eines Forſtſchutz— bedienſteten unterliegt den Beſtimmungen der SS 340—343 des Reichsſtrafgeſetzes über Ver— brechen und Vergehen im Amte. Es wird hie— nach ein Beamter, welcher in Ausübung ſeines Amtes vorſätzlich eine Körperverletzung begeht oder begehen läſst, mit Gefängnis nicht unter drei Monaten, bei ſchwerer Körperverletzung mit Zucht⸗ haus nicht unter zwei Jahren beſtraft, und nur bei dem Vorhandenſein mildernder Umſtände kann im erſten Falle die Strafe bis auf einen Tag Gefängnis ermäßigt, oder auf Geldſtrafe bis zu 900 Mark erkannt werden, im zweiten Falle aber Gefängnisſtrafe nicht unter drei Monaten eintreten. Ein Beamter, welcher vor— ſätzlich, ohne hiezu berechtigt zu ſein, eine Ver— haftung oder vorläufige Ergreifung und Feſt— nahme oder Zwangsgeſtellung vornimmt oder vornehmen läſst, oder die Dauer einer Frei— heitsentziehung verlängert, wird mindeſtens mit Gefängnis von drei Monaten beſtraft. Begeht ein Beamter in Ausübung oder in Veranlaſſung der Ausübung ſeines Amtes (z. B. bei einer Hausſuchung) einen Hausfriedensbruch, ſo kann auf Gefängnis bis zu einem Jahre oder auf Geldſtrafe bis zu 900 Mark erkannt werden. Forſtſtrafrechtspflege. — Forſtſtrafweſen. 143 Das Forſtſchutzperſonale ſelbſt iſt bei Aus— übung ſeines Amtes gegen Beleidigungen und Gewaltthätigkeiten von Seite der Frevler durch das Reichsſtrafgeſetz geſchützt. Die Beleidigung wird nach § 185 des Reichsſtrafgeſetzes mit Geld bis zu 600 Mark oder mit Haft oder mit Gefängnis bis zu einem Jahre und, wenn die Beleidigung eine thät— liche war, mit Geld bis zu 1300 Mark oder mit Gefängnis bis zu zwei Jahren beſtraft. Den Strafantrag kann bei Beleidigungen eines Beamten in Ausübung ſeines Berufes außer dem unmittelbar Betheiligten auch der amtliche Vorgeſetzte desſelben ſtellen (§ 196). Wer einem Forſt⸗ oder Jagdbeamten, einem Waldeigenthümer, Forſt- oder Jagdbe— rechtigten, oder einem von dieſem beſtellten Auf— ſeher in der rechtmäßigen Ausübung ſeines Amtes oder Rechtes durch Gewalt oder durch Bedrohung mit Gewalt Widerſtand leiſtet, oder wer eine dieſer Perſonen während der Aus— übung ihres Amtes oder Rechtes thätlich an— greift, wird ($ 117) mit Gefängnis von vier⸗ zehn Tagen bis zu drei Jahren, bei Vorhan— denſein mildernder Umſtände mit Gefängnis bis zu einem Jahre beſtraft. Iſt der Wider- ſtand oder der Angriff unter Drohung mit Schießgewehr, Axten oder anderen gefährlichen Werkzeugen erfolgt, oder mit Gewalt an der Perſon begangen worden, ſo tritt Gefängnis— ſtrafe nicht unter drei Monaten, bei mildernden Umſtänden nicht unter einem Monat ein. Iſt durch den Widerſtand oder den Angriff eine Körperverletzung deſſen, gegen welchen die Handlung begangen iſt, verurſacht worden, ſo iſt auf Zuchthaus bis zu zehn Jahren, bei mil— dernden Umſtänden auf Gefängnis nicht unter drei Jahren zu erkennen (§ 118). Wenn eine der in den beiden letzten Ab— ſätzen bezeichneten Handlungen von Mehreren begangen worden iſt, ſo kann die Strafe bis um die Hälfte des angedrohten Höchſtbetrages, die Gefängnisſtrafe jedoch nicht über fünf Jahre erhöht werden. In Sachſen wird Derjenige, welcher, bei einem Forſtdiebſtahle auf friſcher That betroffen, gegen eine Perſon Gewalt verübt oder Dro— hungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben anwendet, um ſich im Beſitze des geſtoh— lenen Gutes zu erhalten, gleich einem Räuber beſtraft ($ 252 des Reichsſtrafgeſetzes). Man vgl. auch J. Albert, Lehrbuch der Staatsforſtwiſſenſchaft. Wien 1873. At. Forſtſtrafrechtspflege, ſ. Forſtſtrafge— At Forſtſtrafweſen, Geſchichte desſelben. Für die ganze Geſchichte des Forſtſtrafweſens von den älteſten Zeiten bis zur Neuzeit iſt eine Stelle der lex Ribuariorum (Art. 76) charaf- teriſtiſch, welche lautet: Si quis Ribuarius in silyva commune seu reges vel alicujus locadam materiamen vel ligna fissata abstulerit, 15 sol. eulpabilis judicetur. sicut de venationibus vel de piscationibus: quia non res possessa, sed de ligno agitur. Holz und namentlich Brennholz erſchien im frühen Mittelalter als etwas jo Wertloſes und doch dabei zum Lebens⸗ unterhalt jo Unentbehrliches, daſs deſſen Weg— ſetz nahme nur durch das Hinzutreten beſonderer Nebenumſtände, namentlich ſolcher, welche bereits eine Beſitzergreifung von Seiten eines Dritten erkennen ließen, den Charakter eines ſtrafbaren Delictes annahm. Dieſe Rechts— anſchauungen haben ſich bis auf den heutigen Tag im Volk erhalten (Dem richen wald lützel schadet, ob sich ein man mit holze ladet. Freidank XIII. Jahrh.), und ſind auch in allen Forſtſtrafgeſetzen, natürlich entſprechend modificiert, vertreten. Beim Studium der für die Geſchichte des Forſtſtrafweſens der älteſten Zeit in erſter Linie in Betracht kommenden Quellen, nämlich der Volksrechte, muſs man wohl unterſcheiden zwi— ſchen den Rechtsanſchauungen der auf deutſchem Boden wohnenden Volksſtämme, wie Franken, Sachſen, Bayern einerſeits und jenen der Bur— gunder, Longobarden und Weſtgothen anderer— ſeits, bei welch letzteren infolge römiſchrecht— licher Einflüſſe ein viel ſchärfer ausgeprägter Eigenthumsbegriff für Wald und Waldnutzung zum Ausdruck gelangt iſt. Als Holzfrevel im Sinne der reindeutſchen Volksrechte wurden namentlich betrachtet: die Wegnahme und Beſchädigung von Holz, beſon⸗ ders von Bauholz, welches entweder im Wald geſammelt und vorgerichtet oder bereits nach Haus gebracht worden war, ferner die Ent— wendung maſttragender Bäume, wegen ihrer Bedeutung für Schweinezucht und Jagd. Unberechtigter Schweineeintrieb ebenſo wie unbefugte Entnahme von Bienen und Wildhonig waren entſprechend dem relativ höheren Wert dieſer Nutzungen mit verhältnismäßig ſchweren Strafen bedroht, doch finden ſich derartige Be— ſtimmungen in der älteſten Zeit nur bei den Weſtgothen, Longobarden und Burgundern; von hier aus giengen dieſelben allmählich bei Neurecenſionen auch in die Volksrechte der auf deutſchem Boden wohnenden Stämme über. Sehr ſtreng wurde ſtets ſelbſt ſchon in den früheſten Zeiten Brandſtiftung im Wald und Verrückung, bezw. Beſeitigung von Grenzmalen geahndet. Die Strafen für Forſtfrevel waren vor- wiegend Vermögensſtrafen, welche nach dem allgemein geltenden Compoſitionenſyſtem dem Beſchädigten zufielen. Bei den Weſtgothen und Longobarden war auch die Confiscation von Wagen und Zug— thieren, mittelſt deren die entwendeten Gegen— ſtände aus dem Wald gebracht werden ſollten, zuläſſig. Leibesſtrafen, u. zw. Geißelhiebe, wurden bei den Burgundern und Weſtgothen, gewöhn— lich aber bloß gegen Unfreie angewendet; nur bei Brandſtiftung und bei Entwendung eines Bienenſchwarmes waren bei den Weſtgothen ohne Rückſicht auf den Stand Geißelhiebe ange— droht. "leben der Geldſtrafe wurde auch ſchon in der älteren Zeit mehrfach auf Schadenserſatz erkannt. Die ſtrafrechtlichen Beſtimmungen der Volksrechte blieben bei den Forſtfreveln wie auch auf anderen Gebieten bis zum Schluſs der Karolingerperiode, ja ſogar vielfach noch 144 lange Zeit nachher in Kraft, haben jedoch im Lauf der Zeit bei ſpäteren Neurecenſionen Verſchärfungen erfahren, wie dies namentlich bei der J. salica ganz genau zu verfolgen iſt. Anfangs war hier für Entwendung von Bau— holz eine Strafe von 15 Schillingen, für jene von Brennholz aber nur eine ſolche von drei Schillingen angedroht; ſpäter wurde auch letz— tere auf 15 Schilling erhöht, und nach den jüngſten Texten muſsten neben der Strafe auch noch Wertserſatz und Verzugszinſen gezahlt werden. Im K. und XI. Jahrhundert verloren die Volksrechte mit der Veränderung der politi— ſchen, ſtaatsrechtlichen und wirtſchaftlichen Ver— hältniſſe ſowie der damit zuſammenhängenden Umgeſtaltung der Rechtsanſchauungen ihre An— wendbarkeit und Giltigkeit. Von jetzt ab begann ſich ſpeciell auch das Forſtſtrafweſen auf par— ticularer Baſis weiterzubilden, ein Verhältniß, welches bis auf den heutigen Tag fortdauert. Am mannigfaltigſten war das Syſtem des Forſtſtrafrechtes im ſpäteren Mittelalter entwickelt, wo in jedem Herrenhof und in jeder Mark eigene Beſtimmungen beſtanden und in den Weisthümern ihren Ausdruck fanden. Nur einzelne allgemeine Geſichtspunkte ſind auch hier gemeinſam geblieben, auf welche weiter unten eingegangen werden ſoll. Auch die berühmten Rechtsbücher des XIII. Jahrhunderts, der Sachſenſpiegel und Schwa— benſpiegel, enthalten Beſtimmungen über Forſt— frevel, ebenſo auch das bayriſche Landrecht von 1347. Einige beſondere Eigenthümlichkeiten bot alsdann noch das Forſtſtrafweſen in den Bann— forſten. Immerhin erſtrecken ſich dieſe ſowie auch die Beſtimmungen der Rechtsbücher nur auf die Zeit bis etwa zur Mitte des XIV. Jahrhun— derts; für die folgenden zwei Jahrhunderte kommen faſt ausſchließlich die Beſtimmungen der Weisthümer in Betracht. Wenn man von den ſchwereren Verbrechen, Brandſtiftung, böswilliger Beſchädigung und Grenzverletzungen, abſieht, ſo waren es vom X. bis zum XIII. Jahrhundert namentlich zwei Momente, welche Eingriffe in das Waldeigen— thum als beſonders ſtrafbar erſcheinen ließen, nämlich 1. die Qualität des Waldes als Bann— wald und 2. ebenſo wie früher, die Entwen— dung oder Beſchädigung von ſolchen Forſtpro— ducten, welche bereits von einem Dritten in Beſitz genommen waren. Seit dem X. Jahrhundert behaupteten die Inhaber von Bannforſten das Recht, nicht nur die Jagd, ſondern auch andere Waldnutzungen für ſich ausſchließlich zu beanſpruchen. Infolge deſſen gewann der Ausdruck „Bannholz“ in Süddeutſchland überhaupt den Sinn eines rechtlich beſonders geſchützten Waldes und wurde ſowohl für Privatwaldungen im Gegen— ſatz zu Allmendwaldungen, als auch ſpäterhin für ſolche Waldungen gebraucht, welche aus forſtwirtſchaftlichen Rückſichten beſonders gehegt werden ſollten. Solange die Bannforſte in der alten Form Forſtſtrafweſen. „„ ———T—:::f :P!!! ee u = Han fortbeſtanden, hielt man im wejentlichen an der Strafe des Königsbannes von 60 Schillingen auch für Forſtfrevel feſt (In hac silva quem- cunque forestarius accusaverit sub juramento, ille nullam offerre poterit innocentiam, sed componet 60solidos. Spurkenberger Wald, Anf. d. XIII. Jahrh.). Indeſſen wurde dieſe hohe Buße doch wohl nur ausnahmsweiſe in beſon— ders ſchweren Fällen erkannt, und machte ſich allmählich das Streben nach einer Milderung dieſes Strafſatzes geltend. Je mehr ſich alsdann die Landeshoheit der Fürſten ausbildete, deſto mannigfaltiger geſtaltete ſich das Strafſyſtem für Forſtfrevel in ihren eigenen Waldungen. Im allgemeinen kann nur gejagt werden, daßs die Beſtrafung derſelben gegen das Ende des Mittelalters immer gelinder wurde. Die Rechtsbücher beſchäftigen ſich Haupt- ſächlich mit der Entwendung von bearbeitetem Holz, welche ſie mit gemeinem Diebſtahl in eine Linie ſtellen, ferner mit Nachtfrevel an gehauenem Holz, auf welchen ſogar die Todes— ſtrafe geſetzt war. Mit Unrecht wird eine Stelle des Sachſen⸗ ſpiegel, welche für die Entwendung von „ge— ſetztem“ Holz (holt dat gesat is) eine Strafe von 30 Schillingen beſtimmt, auf Forſteulturen bezogen; um 1215 kannte man ſolche noch nicht, hier iſt lediglich von ſonſtigen Baumpflanzun⸗ gen die Rede. Am reichhaltigſten und verſchiedenartigſten entwickelte ſich, wie bereits oben bemerkt, das Forſtſtrafrecht während der letzten Jahrhun⸗ derte des Mittelalters in den Markgenoſſen— ſchaften. Da ſich das wirtſchaftliche und recht⸗ liche Leben der Markgenoſſenſchaften unter äußerſt ungleichen Bedingungen ausgebildet hat, ſo ſind auch die in den Weisthümern niedergelegten Rechtsanſchauungen hinſichtlich des Forſtſtrafrechtes und Forſtſtrafproceſſes außerordentlich mannigfaltig. Dieſelben erjchei- nen aber deshalb als ganz beſonders intereſ— ſant, weil in ihnen die Auffaſſung des Volkes ſelbſt uns am lebendigſten entgegentritt; erſt ſeit dem XVI. Jahrhundert haben die Landes— und Grundherren ſowohl durch Einwirkung bei Abfaſſung der Weisthümer als durch den Er— laſs von Forſtordnungen auch auf dieſem Ge— biet vielfach fremde Rechtsanſchauungen zur Geltung gebracht. 0 Als ſolche Grundſätze, welche in den Weis— thümern allgemeiner vertreten find, dürften na= mentlich folgende hervorzuheben ſein: Stets iſt der Unterſchied zwiſchen „ge⸗ hauenem Holz“ und „ſtehendem Holz“ feſtge— halten und die Entwendung von erſterem weit ſtrenger geahndet worden als jene von letz— terem. „Gehawen holz genommen, dat is ein dieberey* war die überall verbreitete Ans ſchauung. f Weiter unterſchied man ganz allgemein zwiſchen Inmärkern und Ausmärkern, jene wurden für die gleichen Vergehen ſtets viel gelinder beſtraft als dieſe. Die Strafe für die gewöhnlichen Forſt— frevel beſtand regelmäßig in Geldſtrafen, u. zw. ſtuften ſich die Strafſätze meiſt nach der Zahl der gefrevelten Bäume und dem Wert des ent⸗ wendeten Objectes ab; ſelten, meiſt nur in der Forſtſtrafweſen. 145 älteren Zeit, war die Strafſumme unabhängig von der Größe des verurſachten Schadens. Als Erſchwerungsgründe galten, wenn der Frevel zur Nachtzeit oder an Sonn- und Feier— tagen, oder mit der Säge ſtatt mit der Axt begangen worden war. Geradezu barbariſch waren die Leibes— und Lebensſtrafen, welche auf böswillige Be— ſchädigung, Entrinden, Brandſtiftung und Aſchen— brennen ſowie Verrücken von Grenzzeichen ge— ſetzt waren. So heißt es z. B. im Weisthum des Lorſcher Wildbannes vom Jahre 1423: Wäre es auch, das man einen eschenbrenner oder einen der den wald brennte, begriffe. den sall man nehmen, und sall in eine wanne binden und sall in setzen gen einem fure, do soll en fuder holz ahn sin, und soll ihm setzen neun schuhe von dem feuer barfusz und sall ihn laszen sitzen, bisz ihme die sohlen von den füszen fallen. Hiebei ift jedoch zu bedenken, daſs das Strafrecht damals überhaupt ungleich grau— ſamer war als jenes der modernen Strafgeſetze; außerdem mujS aber auch noch hervorgehoben werden, daſs dieſe Strafen doch nur ſelten wirklich vollſtreckt wurden, da ſchon in den Weisthümern ſelbſt auf „Gnade“ hinge— wieſen iſt. In manchen Marken war die Beſtrafung dann milder, wenn ſich der Thäter freiwillig ſtellte. 1 Die in älterer Zeit beſtandene Übung, dajs neben der Strafe noch ein beſonderer Schadens— erſatz geleiſtet werden muſste, iſt in den Weis— thümern dieſer Periode nur ſelten zu finden. Die Anzeige der Forſtfrevel geſchah ent— weder durch den Eigenthümer oder durch den Markbeamten; bisweilen waren auch alle Mark— genoſſen verpflichtet, jeden von ihnen wahrge— nommenen Frevel anzuzeigen. Ofters war der Thäter ſtraflos, wenn er das Holz bei der Betretung bereits aufgeladen hatte und mit dem Wagen bereits eine Strecke Weges vom Ort des Frevels weggefahren oder gar auf den gewöhnlichen Weg gekommen war, höchſtens durfte ihm der Föͤrſter nachfolgen und ſich bemühen, das Holz vom Wagen her— abzuziehen, ehe der Frevler in ſeinen eigenen Hof gekommen war. 7 Zum Beweis genügte entweder die An— zeige, die bisweilen eidlich bekräftigt werden ſollte, oder es muſste, was der häufigere Fall war, ein Pfand beigebracht werden. Widerſetzung gegen die Pfändung wurde beſtraft, verſuchte aber der Beamte ein unverhältnismäßig wert— volles Pfand wegzunehmen, ſo war er ſelbſt ſtrafbar. Häufig wurden bloß die Ausmärker gepfändet, die Inmärker aber angezeigt. Die Markbeamten hatten die Befugnis, bei ſchweren Freveln unter Umſtänden Leibes— ſtrafen ſofort bei der Betretung zu vollziehen. Der Gerichtsſtand in Forſtſtrafſachen war ein außerordentlich verſchiedener. In den Reichs— waldungen war meiſt der Reichsvogt oder der Forſtmeiſter Träger der Gerichtsgewalt, ähn— lich in den landesherrlichen Waldungen; in den Marken führte gewöhnlich der Grundherr oder deſſen Beamte, außerdem der Obermärker den Vorſitz im Märkerding. Während des Mittelalters war aber der Vorſitzende des Gerichtes nicht auch zugleich der Urtheilsfinder. In den Reichs- und landes— herrlichen Waldungen wurde das Recht in den Forſtgerichten häufig durch die Förſter ge— wieſen, ſelten durch Schöffen. In den Märker— dingen war die Findung des Urtheiles Sache der Markgenoſſen. Die Geldſtrafen wurden gewöhnlich in der Weiſe getheilt, daſs der Gerichtsvorſitzende oder auch der Vogt einen Theil und der Eigen— thümer den Reſt erhielt; in den Markwaldungen wurde dieſer Theil in der älteren Zeit häufig in ſog. Märkergelagen vertrunken. Die Gerichtsſitzungen wurden meiſt ge— legentlich der Märkerverſammlungen gehalten, deren gewöhnlich jährlich drei ſtattfanden. Mit dem Anfang des XVI. Jahrhunderts begann auf dem Gebiete des Forſtſtrafweſens ein großer Umſchwung, welcher ſich jedoch haupt— ſächlich auf den formellen Theil, weniger auf den materiellen Inhalt erſtreckte. Die Princi— pien des Forſtſtrafrechtes, welche ſich ſeit den älteſten Zeiten entwickelt hatten, blieben auch fortan in Geltung und wurden ſogar durch die peinliche Halsgerichtsordnung Kaiſer Karls V. im Jahre 1532 codificiert. Dieſelbe beſtimmt im Art. 168: Item, So jemandt sein gehauwen holtz, dem andern heymlich hinweg füret, das ist eynem diebstall gleich, nach gestalt der sachen zu straffen. Welcher aber in eine andern holtz helicher und verbottner weisz hauwet, der sol gestrafft werden nach gewon- heyt jedes lands odder orths. Doch wo eyner zu ungewonlicher oder verbottner zeit, als bei der nacht oder an feiertägen einem an- dern sein hoitz gefehrlicher und dieblicher weisz abhawet, der ist nach rath herter zu straffen. : Es war durch dieſe Beſtimmung die weitere Entwicklung des Forſtſtrafrechtes auf particularrechtliche Baſis geſtellt worden, welche ſie auch bis zur neueſten Zeit beibehielt. Wenn aber auch das Forſtſtrafrecht aus dem Gebiet der Reichsgeſetzgebung ausgeſchloſſen blieb, ſo wurde doch ſeit dem XVI. Jahrhun— dert eine Einheitlichkeit in demſelben wenigſtens innerhalb der einzelnen Territorien herbei— geführt. In dem Maß als die Markgenoſſen— ſchaften verfielen, hörten dieſelben auch auf, neues Recht zu ſchaffen, ſie wiederholten nur die alten Sätze. Allmählich griffen aber die Landesherren immer energiſcher ein und zwan— gen die Genoſſen, entweder Strafbeſtimmungen aus den Forſtordnungen aufzunehmen, oder verfaſsten die Weisthümer ſelbſt. Als endlich ſeit dem Ende des XVII. Jahrhunderts die Autonomie der Markgenoſſenſchaften und dieſe ſelbſt bis auf wenige Reſte erloſchen waren, erlangten die Forſtſtrafrechte der Landesherren, welche urſprünglich nur für deren eigene Wal— dungen oder, ſoweit keine anderen Beſtimmun— gen beſtanden, galten, Giltigkeit für das ganze Territorium. Da in den landesherrlichen Forſt— ſtrafgeſetzen vielfach auch römiſch- rechtliche Anſchauungen vertreten waren und den Ver— Dombrowski. Cneyklopädie d. Forſt⸗ u. Jagdwiſſenſch. IV. Bd. 10 146 hältniſſen der neueren Zeit entſprechend Rech— nung getragen werden muſste, ſo zeigt das Syſtem des Forſtſtrafrechtes, wie es ſich in den Forſtordnungen findet, erhebliche Abweichungen und Fortſchritte gegenüber den analogen Be— ſtimmungen der Weisthümer. Die Ausmeſſung der Strafen erfolgte im XV. Jahrhundert noch nach ſehr verſchiedenen Grundſätzen. Meiſt waren damals nur wenig ſpecialiſierte Beſtimmungen getroffen, und blieb die Hauptſache dem Ermeſſen des Richters über— laſſen, ein Verhältnis, welches in einzelnen Gegenden ſogar bis weit in das XVIII. Jahr- hundert hinein fortdauerte. In den meiſten Staaten begann man je— doch im XVII. Jahrhundert bereits das Syſtem des Forſtſtrafrechtes beſſer auszubilden und ſehr eingehende Beſtimmungen, die ſog. Straf— tarife oder Bußordnungen zu erlaſſen, welche ganz detailliert für jeden Frevel die entſpre— chende Strafe feſtſetzten. Dieſe Bußordnungen bildeten häufig einen Anhang zu den Forſt— ordnungen, wenn ſie nicht in denſelben ſelbſt enthalten waren. In der zweiten Hälfte des XVIII. Jahr- hunderts wurde dann in den meiſten Ländern das Forſtſtrafrecht abermals neu geordnet, und ſtammen aus dieſer Zeit eine große Anzahl ſolcher Geſetze. In dieſen ſtand nun bereits vielfach die Strafe in einem beſtimmten arith— metiſchen Verhältnis zu dem Wert des ent— wendeten Objectes. Als Strafmittel diente wie früher faſt ausſchließlich Geld. Nur einzelne beſonders ſchwere Vergehen wie Brandſtiftung und Wi— derſetzlichkeit gegen die Forſtbeamten wurden mit ſchweren Leibes- und unter Umſtänden auch mit Lebensſtrafe geahndet. Selten wurde auf Gefängnis und Leibesſtrafen für gewöhnliche Forſtfrevel primär erkannt. Da aber die Geldſtrafen wegen Vermö— gensloſigkeit häufig uneinbringlich waren, ſo kam man im XVII. Jahrhundert zu dem Syſtem der Strafumwandlung. Schon die Weintar- Ihe Forſtordnung von 1646 will Umwandlung in angemeſſene Waldarbeit; ein genauer Maß— ſtab hiefür findet ſich zuerſt in der Forſtord— nung für Oſtpreußen vom Jahre 1739. Neben der Strafe muſste auch noch Wert— und Schadenerſatz nach verſchiedenen Normen geleiſtet werden, außerdem erhielt der Anzeiger eine Pfandgebühr, falls ihm nicht ein gewiſſer Antheil an der Strafe zukam. Ungemein mannigfaltig war der Gerichts— ſtand in den Forſtſtrafſachen. In den Mark⸗ genoſſenſchaften behielt die Märkerverſammlung noch ziemlich lang die Rechtſprechung in dieſen Angelegenheiten. Die Aburtheilung derſelben war ſogar gegen das Ende dieſer Inſtitution ihre einzige Aufgabe, wobei allerdings die guts⸗ und landesherrlichen Beamten immer mehr Einfluſs gewannen. In den meiſten übri— gen Waldungen beſaßen die Grundherren als Inhaber des niederen Forſtregals die Forſt— gerichtsbarkeit, welche ſie im Lauf der Zeit auch über die markgenoſſenſchaftlichen Waldun— gen auszudehnen wuſsten. Wo endlich auch die Gutsherren nicht als Forſtgerichtsherren fun— Forſtſtrafweſen. gierten ſowie in den landesherrlichen Waldun— gen waren die landesherrlichen Forſtgerichte zuſtändig. Die ſchwereren Verbrechen, namentlich Brandſtiftung und Diebſtahl, wurden allent— halben von den ordentlichen Landesgerichten abgeurtheilt. Die landes- und gutsherrlichen Forſtſtraf— gerichte waren ſehr verſchiedenartig organiſiert. Ju der älteren Zeit waren dieſelben nur aus Forſtbeamten gebildet; allmählich traten aber neben ihnen oder auch allein die Amtsleute, bezw. Patrimonialrichter als Richter auf. Gegen das Ende des XVIII. Jahrhunderts begann dann die Rechtſprechung an die Juſtizbeamten allein überzugehen, ſo in Bayern z. B. ſchon 1789. N Die Sitzungen der Forſtſtrafgerichte fanden gewöhnlich alljährlich 2—Amal ſtatt und waren häufig mit den Holzſchreibtagen verbunden. Der Beweis wurde wie im Mittelalter durch Pfänder erbracht, welche dem Thäter bei der Betretung abgenommen wurden, weshalb die Forſtgerichtstage, an welchen dieſelben vorgebracht wurden und wieder ausgelöst werden konnten, auch „Pfandtage“ hießen. Da ſich aber hieraus mannigfaltige Unzuträglichkeiten ergaben, indem die Forſtbedienſteten auf Frevler, welche die Flucht ergriffen, ſogar ſchoſſen, um ſie zum Stehen zu zwingen, ſo kam die Übung auf, den Eid des Forſtbeamten, bezw. deſſen pflicht— gemäße Anzeige gegenüber dem leugnenden Forſtfrevler als Beweismittel zuzulaſſen. Über die entdeckten Forſtfrevel wurden ſchon ziemlich frühzeitig Verzeichniſſe, Rüg— regiſter von den Forſtſchutzbeamten geführt und periodiſch an ihre Vorgeſetzten abgeliefert. Trotz der durchgreifenden Anderungen, welche das allgemeine Strafrecht im XIX. Jahr- hundert erfahren hat, iſt doch bezüglich des Forſtſtrafrechtes die bis in die Zeit der Volks— rechte zurückreichende Anſchauung, daſs das Holz, ſolange es noch nicht vom Boden ge— trennt, keine fremde bewegliche Sache ſei, durch deren unbefugte Wegnahme ein Diebſtahl be— gangen wird, beſtehen geblieben. Für die leichteren Eigenthumsverletzungen und rechtswidrigen Handlungen am Wald gelten auch jetzt noch Specialgeſetze; nur für die ſchwereren Fälle finden die Normen des allge— meinen Strafrechtes Anwendung. Erſt die neueſten Forſtſtrafgeſetze fangen an, die Entwendung von Forſtproducten als „Diebſtahl“ zu bezeichnen, die älteren behan— deln ſie noch alle als Frevel. Die Strafen ſind gewöhnlich primär Geld— ſtrafen, welche in einem beſtimmten Verhältnis zum Wert des entwendeten Objectes ſtehen und im Fall der Uneinbringlichkeit durch Haft oder Strafarbeit erſetzt werden. In ſchwereren Fällen iſt Freiheitsſtrafe ſchon in erſter Linie an- gedroht. Vor dem Jahre 1848 ſtand die Aburthei- lung der Forſtfrevel ebenſo wie jene der übri— gen Polizeivergehen noch häufig den verſchie— denen Patrimonial- und Polizeigerichten ſowie ſelbſt Adminiſtrativbehörden zu. Erſt ſeit neueſter Zeit (in Deutſchland 1879, in welchem Jahre 2 — Ü Forſtſyſtemiſierung auch die bis dahin beſtandene Jurisdiction der württembergiſchen Forſtämter erloſch) iſt durch die neuen Gerichtsverfaſſungsgeſetze die Recht— ſprechung in Forſtſtrafſachen allgemein an die ordentlichen ſtaatlichen Gerichte e Schw. Jorſtſyſtemiſterung, f. . Nr Jorſttagſatzungen Tirol und Vorarl— berg). Hierüber ſind Verfügungen erlaſſen in § 27 ff. des II. Theiles der prov. Waldord— nung für Tirol und Vorarlberg v. 19.10. 1839, der Statth.⸗Vdg. v. 29./9. 1857, L. G. Bl. II Nr. 35, v. 28./12. 1859, L. G. Bl. II Nr. 88, v. 19./10. 1880, 3. 16.830, L. G. Bl. Nr. 49 und v. 1./5. 1885, Z. 7428, L. G. Bl. Nr. 14. Die Forſttagſatzungen haben den Zweck, die Bewirthſchaftung der Gemeinde- und Local— ſtiftungswaldungen und den Bezug der Forſt— producte aus denſelben zu regeln, die Anmel- dungen der in Staats- oder Gemeindewaldungen Eingeforſteten zu ermöglichen und neben der Aus— zeigung der Forſtproducte für dieſe Zwecke die— ſelbe auch dann zu normieren, wenn ein Wald— beſitzer aus einem Privat- oder Theilwalde ſür den Verkauf oder über den Haus- und Guts— bedarf hinaus, insbeſondere für induſtrielle Zwecke Forſtproducte beziehen will. Die Forſt— tagſatzungen haben womöglich in der Zeit vom November bis Ende Februar regelmäßig in jeder Ortsgemeinde ſtattzufinden, was durch die poli— tiſche Bezirksbehörde (im Einvernehmen mit dem Forſttechniker) feſtzuſtellen und kundzu— machen iſt; verſpätete Anmeldungen werden nur auf Koſten des Säumigen, unvorherge— ſehene Ereigniſſe ausgenommen, realiſiert, doch können nachträgliche Holzanweiſungen aus forſt— polizeilichen Gründen unterbleiben, all das unter der Vorausſetzung, daſs nicht etwa in einer Einforſtungsurkunde andere Beſtimmungen enthalten wären. In Bezirken, welche zumeiſt aus belaſteten Staatswaldungen beſtehen, kön— nen zur Anmeldung der Bezüge aus denſelben durch die Bezirkshauptmannſchaft (mit dem Forſtbeamten) eigene Forſttagſatzungen ausge— ſchrieben werden. Für Waldungen, welche nach behördlich genehmigtem Wirtſchaftsplane be— handelt werden, und für Bannwälder gelten nicht die hier beſprochenen Normen, ſondern die in den betreffenden Erkenntniſſen aufgeſtellten. Die k. k. Forſtbeamten, Schutzorgane und Gemeinde— vorſteher müſſen, andere Gemeindemitglieder können bei den Forſttagſatzungen erſcheinen, bei welchen neben der Beſtimmung über den Um⸗ fang der Forſtproductenabgabe, Zeit und Ort ihrer Gewinnung, Abſtellung von holzverſchwen— deriſchen Gebräuchen, Anlegung von Pflanzgärten, Bannlegung, Auszeigung von Schonflächen, Forſt⸗ ſchutz, Grenzfeſtſtellung u. ſ. w., auch allgemeine Belehrung über die Beſtimmungen des F. G., die Berechtigungen der einzelnen Gemeinde- glieder, über ihren Productenbezug und über die Verbeſſerung der Waldwirthſchaft überhaupt ge- boten werden joll. Mcht. Jorſttaxation, ſchätzung. $ Forſtverbeſſerung iſt der Inbegriff der Maßregeln, welche zur Verbeſſerung des Wald— Forſttaxe, ſ. Forſtab⸗ Nr Trennungslinien im . — Forſtverwaltung. 447 zuſtandes angewendet werden. Gewöhnlich zerfällt man die Forſtverbeſſerungen in 1. die Culturen, 2. die Maßregeln der Cultur- und Beſtands— pflege, 3. die Entwäſſerungen und 4. die Wege— baue (ſ. überdies Culturplan). Nr. Forſtvermeſſung gewährt die geometri- ſchen Unterlagen für Karten und Schriften eines Waldes. Sie hat aufzunehmen: die Grenzen bezw. auch Servitutsgrenzen eines Waldcom— plexes oder eines Revieres, das Terrain, die Standorte, diejenigen zwiſchen dem Holzboden und Nichtholzboden und zwiſchen den Betriebsclaſſen, die Wald— eintheilung, die Trennung der Beſtände nach Holzart, Alter und Bonität und ſoweit nöthig die wichtigſten Gegenſtände und Culturarten der angrenzenden Grundſtücke. Vorausgehen muſs der Forſtvermeſſung eine Regelung der Eigenthums- und Servitutsgrenzen. Die Wald— eintheilung iſt vor der Detailvermeſſung feſtzu— legen, bezw. im Freien zu markieren. Bei be» ſonders feiner Wirtſchaft wird die Minimal— fläche eines Beſtands auf 10—20 a fixiert werden können. Alle Hauptlinien ſind mittelſt Meſslatte oder Stahlbandes doppelt zu meſſen. Für die Beſtandslinien genügt einfache Meſſung oder die Anwendung eines Diſtanzmeſſers. Die Hauptlinien ſind mit dem Theo— dolit aufzunehmen; für das Detail genügt der Meſstiſch oder die Bouſſole. Die Hauptfiguren werden nach der Coordinatenmethode berech— net, das Detail mittelſt Planimeters oder Mikro— meters (ſ. Flächenberechnung). Ob ältere vorhan— dene Karten zu einer Forſteinrichtung zu be— nützen ſind, hängt ab von der Richtigkeit dieſer Karten und von dem gewünſchten Genauigkeits- grade. Nr. Forſtverwaltung. Während die Forſtver— waltung im weiteren Sinne die geſammte Thätigkeit zur Erhaltung und Nutzbarmachung des Forſtbeſitzes umfaſst, wird als ſolche im engeren Sinne ſpeciell jene Dienſtſtelle bezeich— net, welcher die eigentliche wirtſchaftliche Thätig— keit, die Projectierung und Ausführung des Betriebes, die locale Vertretung des Beſitzes nach außen und die Rechenſchaftslegung über den Erfolg des Betriebes übertragen iſt. Dieſe Stelle bildet daher den Schwerpunkt des ganzen Dienſtorganismus. Die Aufgaben der Verwaltungsſtelle ſind im Beſonderen: die Leitung des Forſtſchutzes und Überwachung des Schutzperſonales, gelegent— lich auch eigenes Eingreifen in den Forſtſchutz, insbeſondere Wahrnehmung des jog. höheren Forſtſchutzes; die Verfaſſung aller Betriebsan— träge, die Durchführung aller Betriebsgeſchäfte, die Beſchaffung der hierfür erforderlichen Ar— beitskräfte, deren Überwachung eventuell auch Entlohnung, Anträge und Durchführung in Bezug auf die Lohn-, bezw. Gedingabſchlüſſe, auf die Verwendung und den Verkauf der Pro- ducte und Übergabe derſelben, Projectierung und Durchführung der einfachen Bauten; die Arbeiten für Evidenzhaltung der Betriebsein— richtung, der ſchriftliche Verkehr mit der vor— geſetzten Stelle und anderen Amtern, die Füh⸗ rung der Material- und Geldrechnung, eventuell die Beſchaffung der Grundlage für die letztere, 10 * 148 die Vertretung des Bezirkes in Gerichts-, Steuer-, Gemeinde- u. dgl. Angelegenheiten. Die Ausführung dieſer ſämmtlichen Ge— ſchäfte iſt entweder je einem Bedienſteten (Ober— förſter, Forſtverwalter) für einen beſtimm— ten Dienſtbezirk übertragen oder es ſind die unmittelbar im Walde auszuführenden Betriebs— geſchäfte dem Revierförſter, die Kanzlei- und Vewaltungsgeſchäfte aber für mehrere Reviere, eventuell für deu ganzen Beſitz, einem Forſtamte zugewieſen (vgl. Forſtamt und Forſtamts— ſyſtem). Den ſelbſtändigen Forſtverwaltungen wer— den bei größerem Umfang der Geſchäfte nach Bedarf auch techniſche Gehilfen (Aſſiſtenten, bezw. Aſpiranten für den Verwaltungsdienſt) beigegeben, welche ſich zugleich in dieſer Weiſe am beſten für die ſelbſtändige Revierverwaltung vorbilden; ferner muſs jedem Forſtverwalter, um ihn von mechaniſchen Kanzlei- und Schreib— geſchäften möglichſt zu entlaſten, ein Schreib— und Kanzleigehilfe zugewieſen werden, wozu | auch die Aſpiranten für den Forſtſchutzdienſt (Forſtgehilfen) zweckmäßig zeitweiſe Verwen— dung finden können. Über die Bildung der Forſt— verwaltungsbezirke vgl. Dienſtbezirke. v. Gg. Jorſtverwaltung, Geſchichte derſelben. Infolge der höchſt primitiven Verhältniſſe, welche hinſichtlich der Bewirtſchaftung der Waldungen im frühen Mittelalter herrſchten, war auch der Apparat für deren Verwaltung und Schutz ein höchſt einfacher. Beſtimmte Nachrichten über dieſe Einrichtungen ſind nur bezüglich der könig— lichen Waldungen aus der Zeit der Karolinger erhalten. Aus den Zuſtänden der ſpäteren Zeit läſst ſich indeſſen ſchließen, daſs die Organiſa— tion bei den übrigen Großgrundbeſitzern ähnlich geweſen ſein dürfte. Die Forſtverwaltung war damals vom Jagdbetrieb vollkommen getrennt, ein Verhält— nis, welches vielfach bis in das XVII., theil— weiſe ſogar bis in das XVIII. Jahrhundert fortdauerte, und bildete einen Zweig der allge— meinen Güterverwaltung. Letztere war nach dem ſog. Villenſyſtem geordnet, d. h. das ganze Ge— biet der königlichen Grundherrſchaft war in eine Anzahl Domänen (fisei) zerlegt, deren jede eine beſondere Verwaltung hatte, während die ge— ſammte Oberleitung dem senescaleus zuſtand. Von den Domänen war ein Theil zu Palatien (palatia) für die Haus- und Hofhaltung des Kaiſers eingerichtet, während die übrigen villae, cortes regiae hießen. Auf den einzelnen Domänen war ein im Eigenbetrieb des königlichen Fiscus ſtehender Haupthof und ein Complex von Nebenhöfen welche theils in eigener Verwaltung durch unter— geordnete Beamte bewirtſchaftet, theils an Frei— bauern oder Zinsleute hingegeben waren. Die Verwaltung der einzelnen Villen lag in der Hand eines Amtmannes (judex actor villae), auf den Nebenhöfen wirtſchafteten die Meier (majores, actores), denen noch verſchie— dene andere Beamte unterſtanden. Den Amtleuten und Meiern oblag gleich— zeitig auch die Aufſicht über die Forſte und das Forſtperſonal, die Sorge für die Nutzbar— 1 Forſtverwaltung. machung der erſteren, die Rechnungslegung über die Einkünfte hieraus, ſowie auch einzelne ad— miniſtrative Aufgaben bezüglich der Jagd. Die Vertilgung der Wölfe als gemeinſchädliche Thiere war ebenfalls der Obſorge der Guts— verwalter überwieſen. c Um dieſe Aufgaben durchführen zu können, waren den Gutsverwaltern Förſter (forestarii) unterſtellt, welche bisweilen dem Stande der Freien angehörten und ſich gewiſſer Vorrechte erfreuten, während in den weitaus meiſten Fäl— len Hörige und Knechte zu dieſer Beſchäftigung verwendet wurden, über welche gleichzeitig mit den Forſten bei den Schenkungen ꝛc. verfügt wurde. Die Förſter hatten alle Rechte des Königs in Bezug auf den Wald wahrzunehmen und daher auch den Jagdſchutz auszuüben, mit dem Jagdbetriebe hatten ſie dagegen nichts zu thun. Für die Vertilgung der Wölfe ſollten auf jedem Gut zwei Wolfsjäger vorhanden ſein, welche vom Kriegsdienſte und dem Beſuch der Gerichtsverſammlungen befreit waren. Entſprechend dem damaligen Syſtem der Naturalwirtſchaft beſtand die Beſoldung der Förſter in Landhufen, welche ſie für ſich be— wirtſchafteten, die ihnen aber außer ihrer eigent— lichen Amtspflicht noch weitere Leiſtungen auf— erlegten. Die Wolfsjäger erhielten auch noch von den freien Gaubewohnern für den Schutz, welchen ſie ihnen und ihren Herden gewährten, eine Getreideabgabe. Im ſpäteren Mittelalter iſt bei der Be- trachtung der Organiſation der Forſtverwaltung zu unterſcheiden zwiſchen den Waldungen des Kaiſers, der Landesherren, ſowie anderer Groß— grundbeſitzer einerſeits und den Markwaldungen andererſeits. In einem Theil der erſteren war ſchon ziemlich frühzeitig die Forſtverwaltung von der Gutsverwaltung getrennt und eigenen Forſtmeiſtern (comes forestarius, magister fore- starius) übertragen worden. Auf dieje giengen alsdann die Befugniſſe, welche die judices villae in Bezug anf Wald und Jagd gehabt hatten, über, und waren ſie die eigentlichen verwaltenden Beamten, welche die Aufrecht- haltung der mit dem Bannforſt verbundenen Rechte überwachten, ſowie gleichzeitig auch den Vorſitz in den Forſt- und Jagdſtrafgerichten führten und die Urtheilsvollziehung leiteten. Soweit aber dieſe Theilung nicht durchge— führt wurde, blieb die Leitung der Forſtver— waltung und ſelbſt die Ausübung forſtpolizei— licher Functionen wie früher Sache der Amts— leute. Der Forſtſchutz und der Forſtbetrieb, alſo namentlich die Abgabe der Forſtproducte, Rege— lung der Schweinemaſt, Erhebung der Forſt— gefälle, ferner Hilfeleiſtung bei der Jagd, waren Sache der Förſter (Holz- oder Wildförſter, Forſtknechte ꝛc.) welche auch häufig als Schöffen bei den Forſtgerichten fungierten. Sehr häufig muſsten ſie auch den Jagdſchutz aus⸗ üben, durften aber nicht für ſich ſelbſt jagen. Im ſüdweſtlichen Deutſchland war in den landesherrlichen Waldungen in der zweiten Hälfte des XV. Jahrhunderts ſchon eine ziem- Forſtverwaltung. 149 lich vollſtändig entwickelte Forſtverwaltung mit Inſtanzenzug, ſchriftlichem Geſchäftsgang und gut geordneter Rechnungslegung vorhanden. Forſtmeiſter ſowohl als Förſter gehörten wenigſtens etwa bis zum XIII. Jahrhundert zu den Miniſterialien, wobei namentlich die Förſter eine ſehr untergeordnete Stellung einnahmen. Mit der Ausbreitung des Lehensweſens und der Verbeſſerung der Stellung der Unfreien ge— ſtalteten ſich auch die Verhältniſſe der Forſt— beamten günſtiger. Das Amt der Forſtmeiſter nebſt den damit verbundenen Einkünften wurde ſeit dem XII. Jahr— hundert faſt regelmäßig zu Lehen vergeben und hatten häufig ſehr angeſehene Familien dieſe Forſtmeiſterlehen inne. Auch die Förſter genoſſen als Entſchädi— gung für ihre Dienſtleiſtung bäuerliche Lehen, indem ſie auf ſog. Forſthufen ſaßen, für welche ſie aber meiſt noch beſondere Abgaben zu zahlen hatten. Seitdem die Lehen überhaupt anfingen erb— lich zu werden, trat dieſer Fall ſowohl bei den Forſtmeiſter- als auch bei den Förſterlehen eben— falls nicht ſelten ein, wodurch die ſog. Erb— förſter entſtanden. In den Markwaldungen waren für den Forſtbetrieb und Forſtſchutz untergeordnete Markbeamte angeſtellt, welche verſchiedene Namen führten: Förſter, Holzförſter, Forſtmeiſter, Schar— meiſter, Scharatores, Bannwarte ꝛc.). Sie unter— ſtanden den Märkmeiſtern (Holzgrafen, Mark— richtern ꝛc.), hatten jedoch eine höhere Stellung als die ganz untergeordneten Diener: Holz— knechte, Forſtknechte, Schützen ꝛe. Indeſſen iſt eine Grenze zwiſchen beiden letzteren ſchwer zu ziehen; in den meiſten Marken findet man einen der untergeordneten Beamten mit einem oder mehreren niederen Dienern, bisweilen fehlen auch letztere und die Förſter nehmen ſelbſt eine dieſen ähnliche Stellung ein. In den freien Marken giengen dieſe Be— amten aus der Wahl der Genoſſen hervor, in den grundherrlichen wurden ſie entweder vom Gutsherrn ernannt oder ebenfalls von der Ge— meinde, jedoch unter Vorbehalt der Genehmi— gung durch erſteren, gewählt. In dem Maße, als gegen das Ende des Mittelalters die oberſte Märkerſchaft an die Landesherren übergieng, nahmen dieſe auch das Ernennungsrecht der Forſtbeamten für ſich in Anſpruch. Die Bejolduug der Forſtbeamten in den landesherrlichen Waldungen ſowohl als in den Markwaldungen beſtand während des ſpäteren Mittelalters, wie oben bereits bemerkt, haupt— jahlich in dem Genuss beſtimmter Güter und Naturalbezüge (freies Bau- und Brennholz, Waldweide, Recht zum Schweineeintrieb ꝛc.). Geldeinnahmen kamen nur direct aus dem verwalteten Amt in Form von Strafantheilen und Pfandgebühren ein, namentlich bei den Forſt— meiſtern ſpielten die erſteren eine Hauptrolle. An einzelnen Orten begann man jchon im XV. Jahrhundert ſtatt der Naturalien und Acci— dentien, welche vielfach Gelegenheit zur Unred— lichkeit und Unterſchlagung gaben, Geldbezüge zu gewähren. N Mit dem XVI. Jahrhundert vollzogen ſich auch auf dem Gebiete der Forſtverwaltung wichtige Fortſchritte und Neuerungen, doch be— treffen dieſe hauptſächlich die landesherrlichen Waldungen. In den Mark- und Gemeindewal— dungen blieb die oben geſchilderte Einrichtung, daſs Verwaltung und Schutz durch genoſſen— ſchaftliche Beamte beſorgt wurde, fortbeſtehen, bis infolge der ſchärferen Ausbildung der Forſt— hoheit beide an landesherrliche Beamte über— giengen, oder doch wenigſtens unter eine weit— gehende Oberaufſicht und Einwirkung der Fürſten kamen. In den landesherrlichen Waldungen blieb zunächſt wie früher die Adminiſtration der Forſte ein Zweig der Domänenverwaltung, und waren an den meiſten Orten die Amtleute, Kaſtner ꝛc. gleichzeitig die Verwalter derſelben, aber auch da, wo die Bewirtſchaftung der Wal— dungen ſchon frühzeitig ſelbſtändiger organi— ſiert worden war, unterſtand dieſelbe den Kam— mern. Die Geſchäfte der Forſtverwaltung waren bis zum XVIII. Jahrhundert außerordentlich einfacher Natur: Verwertung der Forſtproducte, Abgabe derſelben und Forſtſchutz. Der erſter— wähnte Geſchäftstheil blieb noch im XVI. Jahr- hundert ausſchließlich Sache der Amtleute, meiſt heißt es ausdrücklich, daſs die Forſtmeiſter ohne Vorwiſſen und Befehl der Kaſtner kein Holz abgeben dürften; größere Holzverkäufe waren gewöhnlich dem Landesherrn, bezw. ſeiner Kammer vorbehalten. Der Forſtſchutz, die Ab— gabe der Forſtproduete und Überwachung der Ausübung der verſchiedenen Nutzungen bildeten die Aufgabe der Forſtknechte, Forſtläufer, Heide— läufer, Überreiter ꝛc. unter Leitung und Mitwir— kung der Oberförſter und Forſtmeiſter. Die erſterwähnten Forſtbedienſteten ſcheinen ſich ſchon frühzeitig in zwei Claſſen geſchieden zu haben: die ganz untergeordneten Forſt— knechte, Forſtläufer, Heideläufer und; die etwas höher ſtehenden Heidereiter, Überreiter, reitende Förſter, welche etwa unſerem Revierförſter ent- ſprechen dürften. Da die Forſtbeamten ihrer großen Mehr— zahl nach des Schreibens unkundig waren, und die Amtleute, bezw. deren Perſonal nicht überall zugegen ſein konnten, ſo waren an den meiſten Orten noch beſoudere Forſtſchreiber angeſtellt, welche die Verkaufsliſten zu führen, die Materialabgaben zu controlieren und häufig auch das Geld und die ſonſtigen Abgaben ent— gegenzunehmen hatten. Der Inſpectionsdienſt erfolgte in Form der ſog. Waldbereitungen, wobei die Amtleute und oberen Forſtbeamten unter Zuziehung der Localbeamten eine Beſichtigung des Waldzu— ſtandes vornahmen, auch wurden mit Vorliebe fremde Forſtbeamte berufen, um deren Gut— achten und Vorſchläge zu hören. Wie im Mittelalter blieb auch im XVI. und theilweiſe ſogar noch im XVII. Jahrhun- dert der Jagdbetrieb von der Forſtverwaltung getrennt, die Forſtbeamten hatten nur den Jagd— ſchutz zu beſorgen und nach Bedürfnis bei den Jagden Hilfe zu leiſten. Erſt um das Jahr 1600 trat hierin eine Anderung ein, da einerſeits die Jagdliebe der 150 Forſtverwaltung. Fürſten und die neuaufkommenden Jagdmetho— den ein zahlreicheres Perſonal erforderten als früher und andererſeits infolge der ſteigenden Holzpreiſe und der immer weiter um ſich grei— fenden Verſchlechterung des Waldzuſtandes die Nothwendigkeit entſtand, den Waldungen größere Aufmerkſamkeit und Sorgfalt zu widmen. Es traten nunmehr ſtatt und neben den Amtleuten, bezw. Kammern die Chefs der Jägerei an die Spitze der Forſtverwaltung; gleichzeitig wurde auch das untere Forſtper⸗ ſonal angewieſen, der Aufrechthaltung der Forſt— ordnungen ebenfalls ſein Augenmerk zuzu— wenden. n 1 Das Reſultat dieſes Entwicklungsganges war eine Verſchmelzung der Forſt- und Jagd— verwaltung, wenigſtens in den mittleren und oberen Stufen, während dagegen das Unterper— ſonal, die Forſtſchützen, Forſtknechte einerſeits und die Jäger andererſeits für beide Zweige noch längere Zeit ein verſchiedenes blieb. Im XVIII. Jahrhundert verlangte man von dem verwaltenden Beamten, daß er ſowohl „hirſchgerecht“ als „holzgerecht“ ſei. Dieſe in den damaligen Verhältniſſen wohl begründete Verbindung der Forſt- und Jagdverwaltung verurſachte im Lauf der Zeit große Schäden wegen des einſeitigen Überwucherns der Jägerei; den Jägern war die Sorge für Jagd und Wald die Hauptſache, die Waldwirtſchaft kam erſt in zweiter Linie. Während des XVIII. Jahrhunderts traten in den meiſten deutſchen Staaten, namentlich in den kleineren, Cameraliſten an die Spitze der Forſtverwaltung, welche als Vertreter der mer— cantiliſtiſchen Richtung der Wir tſchaftspolitik die ſtaatliche Einwirkung auf allen Gebieten der Urproduction, des Handels und der Induſtrie zur Geltung bringen ſollten. In Preußen hatte Friedrich der Große während der ſchleſiſchen Kriege durch die Er— richtung der Fußjäger und des Feldjägercorps zu Pferd, deren Angehörige ſpäterhin Forſt— ſchutze, bezw. Forſtverwaltungsſtellung erhalten ſollten, eine engere Verbindung zwiſchen Mili— tär und Forſtperſonal herbeigeführt. Aus dieſen heterogenen Elementen reeru— tierte ſich das Perſonal der Forſtverwaltung, als deren Organiſation im modernen Sinne um die Mitte des XVIII. Jahrhunderts begann; es bedurfte daher langer Zeit und energiſcher Na— turen, um die Erreichung des modernen Stand— punktes zu ermöglichen. Am früheſten wurde der einſeitige Jagd— ſtandpunkt überwunden, als in der zweiten Hälfte des XVIII. Jahrhunderts die über— mäßige Jagdleidenſchaft der Fürſten allmählich nachließ und es einzelnen Gliedern des Forſt— beamtenſtandes gelang, ſich über das allge— meine Niveau zu erheben und die Entwicklung der Forſtwiſſenſchaft anzubahnen. Um dieſelbe Zeit erfolgte in den meiſten deutſchen Staaten eine eigentliche Organiſation des Forſtdienſtes, wobei nun auch an den Cen— tralſtellen Abtheilungen für die Forſtverwaltung gebildet und mit fachkundigen Perſonen beſetzt wurden. In Preußen wurde ſogar 1770 ein eigenes Forſtminiſterium eingerichtet, welches unter den beiden Miniſtern Schulenburg und Arnim bis 1798 fortdauerte. Die Beſoldung der Forſtbeamten beſtand bis zum Ende des XVIII. Jahrhunderts noch vorwiegend in Naturalbezügen: Wohnung, Dienſtkleid, Kleidung, Weide- und Maſtrecht, Holz, Getreide ꝛc. Die Geldbeſoldung war ge- ring und wurde weniger direct vom Waldbe— ſitzer als vielmehr hauptſächlich in Form von Accidentien bezogen, d. h. als Anweisgelder, Pfandgebüren und Strafantheile, ſowie aus der Verwertung gewiſſer ihnen überlaſſener Ma— terialanfälle, namentlich des Afterſchlages, der Windbrüche und öfter auch des Stockholzes.“ Beſonders ungünſtig geſtalteten ſich dieſe Verhältniſſe, als ſeit der Mitte des XVI. Jahr⸗ hunderts an die Stelle der Naturalwirtſchaft mehr und mehr die Geldwirtſchaft trat. Wenn die Geldbezüge auch etwas ſtiegen, ſo waren dieſelben doch bei weitem nicht ausreichend und das Forſtperſonal an den meiſten Orten zur Unredlichkeit geradezu genöthigt. Die Haupt- gelegenheit zur Unredlichkeit boten die erwähnten Aceidentien, weshalb man auf eine Beſeitigung und Umwandlung derſelben in fixe Natural- und Geldbezüge hinarbeitete, ohne daſs dieſe jedoch allenthalben durchgeführt worden wäre, die Accidentien haben ſich vielmehr, wenn auch in eingeſchränkter Form, bis in das XIX. Jahr- hundert erhalten. Die Sittlichkeit, Moralität und Disciplin der Forſtbeamten, welche früher gar oft herr— ſchaftliche Kutſcher und Lakaien geweſen waren, ließ viel zu wünſchen übrig, ebenſo war ihre Unwiſſenheit oft unglaublich. . Die ſociale Stellung, welche das Forſt— perſonal infolge deſſen einnahm, war natürlich ſehr niedrig. In Hannover mujsten die Forit- bedienſteten noch 1734 ausdrücklich für ehrlich erklärt und ihren Kindern die Zulaſſung zu den Zünften, ihnen ſelbſt aber ein ehrliches Be— gräbnis zugebilligt werden. Mit der ſteigenden Erkenntnis von der Bedeutung der Waldungen trat endlich auch eine durchgreifende Beſſerung in der Organi- ſation der Forſtverwaltung ein. Die An— ſchauung, daſs die Bewirtſchaftung der Wal— dungen und nicht die Pflege der Jagd als die Hauptaufgabe des verwaltenden Forſtbeamten zu betrachten ſei, welche ſeit der Mitte des XVIII. Jahrhunderts zuerſt in den größeren Staaten zur Geltung gekommen war, brach ſich allmählich immer weiter Bahn, doch dauerte es faſt ein Jahrhundert, bis ſie überall anerkannt wurde, in den Kleinſtaaten iſt ſie auch heute noch nicht allenthalben durchgedrungen. Die weitere Vorausſetzung einer entſpre— chenden Pflege der forſtlichen Intereſſen,' näm— lich die Oberleitung durch Fachmänner, nicht durch Cameraliſten, wurde gleichfalls erſt bei Beginn des XIX. Jahrhunderts allgemein er- füllt. Die vielfachen Umgeſtaltungen in der äußeren und inneren Organiſation der einzelnen Staaten während der erſten beiden Decennien unſeres Jahrhunderts brachten auch manchen Wechſel in dem Syſtem der Forſtverwaltung mit ſich; erſt ſeit dem Jahre 1820 iſt in dieſem Forſtverwaltungskoſten. — Forſtwirthſchaftspflege. 151 Zweige der Staatsverwaltung eine größere Stetigkeit und eine normale Weiterentwicklung eingetreten. Trotz der Verſchiedenheit der Organiſation der Forſtverwaltung in den einzelnen Staaten find doch verſchiedene Züge allen gemeinſam. In den meiſten Staaten blieb die Ver— waltung der Staatsforſte als eines Theiles der Domänen dem hiſtoriſchen Entwicklungs— gange gemäß ein Zweig der allgemeinen Fi— nanzverwaltung, nur einige größere Staaten unterſtellten dieſelbe behufs beſſerer Pflege und BerückſichtigQung der allgemeinen Intereſſen einem Miniſtexium der inneren Verwaltung, jo Preußen und Oſterreich; dort iſt die Oberleitung der Staatsforſtverwaltung ſeit 1879 dem Mi— niſterium für Landwirtſchaft, Domänen und (dadurch auch für) Forſte, hier dem Ackerbau— miniſterium übertragen. Die Forſtverwaltung gliedert ſich überall in drei Stufen: Direction, Controle und Be— trieb (Verwaltung im engeren Sinne). Die Or— ganiſation der beiden erſten entſpricht im All— gemeinen der Einrichtung der geſammten Staatsverwaltung und der Ausdehnung des Staatswaldes. Ein weſentlicher Unterſchied zeigte ſich nur längere Zeit in dem Maß der Selbſtſtändigkeit, welches dem Revierverwalter überlaſſen wurde und welches ſeinen Ausdruck in den Bezeichnungen „Forſtmeiſter-“, bezw. „Revierförſterſyſtem“ und „Oberförſterſyſtem“ zu finden pflegt, ohne jedoch durch den Namen allein das Weſen der Sache erſchöpfend darzuſtellen. Die Theilung der Verwaltung in Anord— nung und Vollzug, welche das Charakteriſtiſche des Revierförſterſyſtems bildet, hatte, vom hiſtoriſchen Standpunkte aus betrachtet, ſolange ihre volle Berechtigung, als die wirtſchaftenden Beamten nur ein ungenügendes Maß allge— meiner und fachlicher Bildung beſaßen; damals muſste ein weitgehendes Maß von Selbſtſtändig— keit des Revierverwalters bedenklich erſcheinen. Anders geſtaltete ſich die Sache, als die Aus— bildung der Forſtverwaltungsbeamten eine höhere Stufe erreicht hatte. Jetzt traten ver— ſchiedene Mißſtände hervor, welche nur durch den Übergang zum Oberförſterſyſtem beſeitigt werden konnten, dieſes iſt nunmehr wenigſtens in den größeren Staaten allgemein durchgeführt. Als eine Errungenſchaft des XIX. Jahr— hunderts muſs die Trennung von Bervakanng und Schutz betrachtet werden, welche eben durch das Oberförſterſyſtem in confequenter Weiſe vermittelt wird. Die Beſoldungen der Forſtbeamten wurden in der Neuzeit fixiert und auf eine den ana— logen übrigen Beamtenkategorien entſprechende Höhe gebracht. Die verſchiedenen Aceidentien, Tantiemen ebenſo die Naturalbezüge ꝛc., welche früher den Haupttheil des Einkommens aus— machten, wurden gänzlich bis auf einzelne durch die beſonderen Verhältniſſe der Forſtverwaltung bedingte Ausnahmen, wie namentlich Woh— nung ꝛc., beſeitigt und hiedurch dem Forſtper— ſonal die ihm gebürende ſociale Stellung ver— ſchafft. Schw. Forftverwaltungskoften betreffen nicht nur den Aufwand für die eigentliche Verwal— tung, ſondern auch den für Schutz, Inſpection, Direction und Rechnungsweſen, für Unterhal— tung der Dienſtgebäude, Wirtſchaftsgebäude 2c. Hieher ſind auch die Koſten für Unterhaltung der Wege und für Entwäſſerungen zu rechnen, welche vielfach den Forſtverbeſſerungskoſten ſub— ſumiert werden. Es gehören kurz geſagt zu den Forſtverwaltungskoſten alle diejenigen jähr— lichen Ausgaben, mit Ausnahme der Steuern, die ihrer Natur nach eine durchſchnittliche Ver— theilung auf die einzelnen Flächeneinheiten eines ganzen Waldes geſtatten. Wenn es auch cor— recter wäre, für die verſchieden alten Be— ſtände eine verſchiedene Belaſtung in Anſatz zu bringen, jo wird doch durch den Umſtand, dafs jeder Beſtand am Anfang und am Ende ſeines Lebens am meiſten von den Verwaltungskoſten abſorbiert, die Annahme eines Durchſchnitts— ſatzes für die Flächeneinheit genügend gerecht— fertigt. Betragen nun die für die Flächeneinheit durchſchnittlich entfallenden jährlichen Verwal— tungskoſten v, jo iſt das Verwaltungscapital N 0˙0 P Nr. Forſtverwaltungslehre. Die Forſtverwal— tungslehre iſt eine ſyſtematiſche Darſtellung der Grundſätze und Regeln, nach welchen die ge— ſammte Verwaltung eines größeren Forſtbeſitzes einzurichten und zu führen iſt, damit durch die— ſelbe den Aufgaben der Wirtſchaft mit Rück— ſicht auf die jeweiligen inneren und äußeren Verhältniſſe des Beſitzes am beſten entſprochen werde. Sie bildet, da ſie ſich hauptſächlich mit der Regelung der Verwaltungs-, bezw. Betriebs- thätigkeit befajst, einen Theil der forſtlichen Betriebs- oder Gewerbslehre und zerfällt natur— gemäß in die beiden Theile: a) die erſtmalige Organiſation der Ver— waltung in Bezug auf die zu ſchaffenden Dienſt— ſtellen, die hiefür zu beſtellenden Organe und die Zuweiſung der Geſchäfte an dieſe und b) in die Darſtellung der formellen Ge— ſchäftsbehandlung bei den einzelnen Zweigen der Betriebs- und Verwaltungsthätigkeit. Über den erſten Theil ſ. Dienſteinrichtung, dann Forſtſchutzdienſt, Forſtverwaltung, Direc- tion, Inſpection ꝛc., über den zweiten Theil hauptſächlich bei Anträge, Buchführung, Rech— nungsweſen, Kanzleiweſen, Correſpondenz 2C. Neuere Literatur: Weſſely, Einrich- tung des Forſtdienſtes in Oſterreich; Micklitz, Forſtliche Haushaltungskunde; Albert, Lehr— buch der Forſtverwaltungskunde; Schwappach, Handbuch der Forſtverwaltungskunde. v. Gg. Jorſtverwaltungsrechtspflege, ſ. Ver- waltungsrechtspflege. At. SForftwart, ſ. Forſtſchutzdienſt. v. Gg. Forftwirt, ſ. Wirtſchaftsführer und 19 fungsweſen. Mch Jorſtwirtſchaftspflege oder Fun ſchafts-(Forſt-) Politik iſt die Förderung des öffentlichen Wohles durch Pflege der Forſt— wirtſchaft von Seite des Staates. Dieſelbe bildet mit der Forſtpolizei (ſ. d.), welche den 152 Schutz der Waldungen zum Gegenſtande hat, einen Theil der Culturpflege (Adminiſtration) und eine Aufgabe der Verwaltungsbehörden. So weit dieſe Pflege der Forſtwirtſchaft eine Beſchränkung der Perſon, des Eigenthums oder anderer Rechte nöthig macht, erfolgt dieſelbe durch die Geſetzgebung (j. Forſtagrargeſetze), außerdem aber im Wege der Verordnung, d. i. durch die freie, nicht ſpeciell durch das Geſetz gebotene, aber alle geſetzlichen Schranken ſtreng einhaltende Thätigkeit der Regierung. Es ſoll hier nur dieſe freie Thätigkeit der Regierung erörtert werden, u. zw. nicht nur bezüglich der Förderung, ſondern auch bezüglich des Schutzes der Forſtwirtſchaft, da die betreffenden Maß— regeln ein unzertrennliches Ganzes bilden. Die Forſtwirtſchaft bildet einen Theil der Volkswirtſchaft, und wie in jedem Organismus Wohl und Wehe des Ganzen und der einzelnen Glieder ſich gegenſeitig bedingen, ſo auch hier. In einem Rechtsſtaate mit entwickelter Land— wirtſchaft und Induſtrie und einem regen Ver— kehre wird der Wald als Träger der Cultur erkannt und geſchützt und, da ſeine Erträge die nöthigen Mittel liefern, auch gehörig gepflegt, während umgekehrt die auf niedriger Cultur— ſtufe ſtattfindende unverſtändige Waldzerſtörung ſich ſtets durch Verkümmerung des materiellen und geiſtigen Wohles der Bevölkerung rächt, wie zahlreiche Beiſpiele aus älterer und neuerer Zeit zeigen. Nach dem Geſagten wird nun faſt jeder Regierungsact direct oder indirect fördernd oder hindernd auf die Entwicklung der Forſtwirt— ſchaft wirken, wenn ſich dieſer Einfluſs auch nicht immer durch Zahlen nachweiſen läſst. Hier ſoll jedoch nur die Förderung der Forſt— wirtſchaft J. durch die Behörden der inneren Verwaltung und II. durch die Fin anzverwaltungsbe— hörden Gegenſtand der Erörterung ſein. J. Die erſte Vorausſetzung einer erſprieß— lichen Thätigkeit der Behörden der inneren Verwaltung iſt, daſs die Beamten derſelben für ihre Aufgabe Verſtändnis und Eifer be— ſitzen. Dies könnte am einfachſten dadurch er— reicht werden, daſs die Aſpiranten für den Verwaltungsdienſt bei dem Abgange von der Univerſität hinlängliche Kenntniſſe in der Forſt— und Landwirtſchaftslehre nachweiſen und dann in der Vorbereitungspraxis durch einen viel— leicht halbjährigen Aufenthalt auf einem Forſt— reviere einen Einblick in den forſtlichen Betrieb und ein Intereſſe am Wald erlangen. Lehrer und Geiſtliche, deren bedeutender Einfluſs auf die ländliche Bevölkerung bekannt iſt, ſollten in ihren Seminarien den nöthigen Unterricht in der Forſt- und Landwirtſchafts— lehre erhalten. Die Forſtlehranſtalten des Staates müſſen zur Ermöglichung der techniſchen Ausbildung der Privatwaldbeſitzer und ihres Forſtperſonals auch Jenen zugänglich ſein, welche die Vorbe— dingungen für den Staatsforſtdienſt nicht er- füllt haben, ſofern dieſelben nur eine zum Ver— ſtändniſſe der Vorträge ausreichende Vorbildung Forſtwirtſchaftspflege. beſitzen. Es iſt deshalb, abgeſehen von anderen. Gründen, vortheilhaft, die forſtlichen Lehran— ſtalten mit Univerſitäten, an welchen ſich immer Söhne größerer Gutsbeſitzer behufs ihrer all— gemeinen Ausbildung aufhalten, zu vereinigen. Dort, wo keine Staatswaldungen ſind, muſs der Staat aus demſelben Grunde, aus welchem er Landwirtſchafts- und Gewerbeſchulen ins Leben ruft, Forſtlehranſtalten errichten. An den landwirtſchaftlichen Lehranſtalten mujs, wie dies wohl auch meiſt geſchieht, Ency— klopädie der Forſtwiſſenſchaft einen Unterrichts— gegenſtand bilden, theils um die jungen Leute zur Bewirtſchaftung der mit Okonomiegütern häufig verbundenen kleinen Waldparcellen zu befähigen, theils um denſelben klar zu machen, daſs eine unrationelle Laudwirtſchaft vielfach des Waldes größter Feind iſt. Von demſelben Geſichtspunkte aus wäre die ländliche Jugend in den jetzt faſt überall in Deutſchland beſtehenden landwirtſchaftlichen Fortbildungsſchulen zu belehren. Die gegenwärtig vielfach von der Regierung oder den landwirtſchaftlichen Vereinen beſtellten landwirtſchaftlichen Wanderlehrer ſollten in ihre Vorträge auch den Schutz und die Bewirtſchaf— tung des Waldes aufnehmen, oder beſſer noch dürfte es in vielen Fällen ſein, für ein ganzes Land oder größere Theile desſelben beſondere forſtliche Wanderlehrer aufzuſtellen, welche auf Grund der von ihnen über die landwirtſchaft— lichen und forſtlichen Verhältniſſe einer Gegend vorgenommenen Unterſuchungen den betreffenden Gemeinden in öffentlicher Verſammlung die nöthigen Belehrungen zu ertheilen haben. Iſt auf dieſe Weiſe in ſämmtlichen bethei— ligten Kreiſen die Erkenntnis alles deſſen ver— breitet, was in forſtlicher Beziehung dem Ein— zelnen und dem Ganzen frommt, ſo wird nicht nur von der Regierung und ihren Organen in jeder Hinſicht eine entſprechende Initiative zu erwarten ſein, es wird dieſelbe auch bei dem Vorſchlage und dem Vollzuge von Forſtgeſetzen, ſowie für die ihr obliegende Forſtwirtſchafts— pflege von allen Seiten ein freundliches Ent— gegenkommen und die nöthige Unterſtützung finden. Außer dieſer indireeten Förderung der Forſtwirtſchaft iſt den Behörden der inneren Verwaltung vielfach Veranlaſſung geboten, die Beſtrebungen der Waldbeſitzer direct durch Rath und That zu unterſtützen. Die bezügliche Thätigkeit der Regierung erſtreckt ſich, wie bei der Volkswirtſchaftspflege überhaupt, auf die Förderung, bezw. Nege- lung der Production, Vertheilung und Conſumtion der Forſtproducte. Die forſtliche Güterproduction wird weſentlich gefördert durch Herſtellung und Evidenthaltung einer Forſtſtatiſtik und Mitthei⸗ lung derſelben, verbunden mit praktiſchen Rath— ſchlägen, an die Waldbeſitzer. Die Aufſtellung von Forſteulturtechnikern zur unentgeltlichen praktiſchen Unterweiſung der Waldbeſitzer wird dort, wo die Wiederbe— ſtockung von Blößen große Schwierigkeiten bil- det, oder die Manipulationen eines rationellen „ Forſtwirtſchaftspflege. 153 Betriebes ganz unbekannt find, Dienſte leiſten. Unentgeltliche oder möglichſt wohlfeile Be— ſchaffung von Sämereien und Pflanzen für un— bemittelte Waldbeſitzer, ſowie Geldprämien für gelungene Culturen ſind Mittel zur Belebung des Cultureifers (ſ. Wiederbewaldung). In eini— gen bayriſchen Regierungsbezirken wurden bei verſchiedenen landwirtſchaftlichen Bezirksvereinen Forſtſectionen unter Betheiligung der Forſt— beamten gebildet, welche durch Vorträge und Waldbegänge belehrend auf die ländliche Be— völkerung einwirken und mit Staatsunter— ſtützung Saat- und Pflanzenkämpe anlegen be— hufs unentgeltlicher Verabfolgung von Pflanzen an die Walbdbeſitzer. Die Bildung von Genoſſenſchaften der Waldbeſitzer zum gemeinſamen Uferſchutze, zur Waldentwäſſerung und zur Bindung von Flug— ſandſchollen ſollte von dem Staate ganz beſon— ders noch durch Gelddarlehen gegen Annuitäten— zahlung unterſtützt werden. Die Ausſtellung von zweckmäßigen Cultur— und Fällungsgeräthen bei den forſt- und land— wirtſchaftlichen Vereinsverſammlungen, ſowie die Verſchaffung von Gelegenheit zum wohl— feilen Bezuge ſolcher Geräthe ſollten ſich die — ebenfalls angelegen ſein laſſen. Die rechtzeitige Belehrung der Waldbeſitzer über dem Walde drohende Gefahren und die entſprechenden Vorbeugungsmittel wird viele Waldbeſchädigungen und manche Verluſte der Waldbeſitzer, wie z. B. durch Wegſchwemmen von Holz u. ſ. w. bei plötzlichem Hochwaſſer, verhüten. Die Bildung von Vereinen der Waldbeſitzer zur gegenſeitigen Verſicherung gegen Feuers— gefahr (ſ. Feuerverſicherung) wäre dort, wo, wie in den norddeutſchen Kiefernheiden, Waldbrände häufig ſind, von der Regierung zu begün— ſtigen. Die Ablöſung der volkswirtſchaftlich ſo nachtheiligen Streuſervituten im Wege freiwil— ligen Übereinkommens der Betheiligten ſollte von Seite des Staates durch Vorſchießen des Ablöſungscapitals gegen Annuitätenzahlung möglichſt gefördert werden. Endlich ſollte jede freiwillige Bildung eines gemeinſchaftlichen Waldeigenthumes (ſ. d.) und Waldarrondierung (j. d.) der bereitwiligen Bei⸗ hilfe der Behörden gewiſs ſein. Als erſtes Mittel zu einer richtigen Ver⸗ theilung der Forſtproducte erſcheint die Förderung des Verkehres, indem die Eröffnung neuer oder die Erweiterung beſtehender Ver— kehrswege durch Erhöhung der Waldrente eine pflegliche Forſtwirtſchaft ermöglicht und den Bewohnern waldarmer Gegenden den Bezug der Forſtproducte und ihrer Surrogate erleich— tert, was wieder durch Minderung der Forſt— frevel von wohlthätigem Einfluſſe auf den Wald iſt. Eingangszölle auf Holz zum Schutze für die Waldbeſitzer ſind ebenſowenig nöthig, wie Ausgangszölle zum Schutze der Conſumenten, da der freie Verkehr hier am meiſten allen In— tereſſen dient (ſ. Holzzölle). vortreffliche Die Abſchaffung von Schifffahrts- und Flößereiabgaben auf öffentlichen Flüſſen (j. d.), ſowie Tarifermäßigungen für den Holztrans— port auf Eijenbahnen ſind wirkſame Mittel zur Hebung des Verkehres. Der Verkehr mit Holz wurde in Deutſch— land weſentlich durch die Einführung des me— triſchen Maßes erleichtert. Bezüglich der Conſumtion der Forſt— producte ſind hier nur die Maßregeln zur Verhinderung von Holzverſchwendung zu er— örtern. Schon die zu Ende des XVI. und An— fang des XVII. Jahrhunderts erſchienenen Forſtordnungen für die landesherrlichen Forſte wirkten auf Holzerſparung hin; allgemeine polizeiliche Vorſchriften bezüglich der Beſeiti— gung von Holzverſchwendung gehören in der Hauptſache jedoch erſt dem XVIII. Jahrhunderte au. Ein Hauptaugenmerk wurde hiebei auf Erſparungen an Eichenholz gerichtet und z. B. noch in der Forſt- und Jagdordnung für Schleswig-Holſtein vom 2. Juli 1784 verfügt, daſs zu Särgen kein Eichenholz verwendet werden ſolle, bei Vermeidung einer Strafe von 10 Reichsthalern ſowohl für den, der den Sarg machen läſst, als auch für den Tiſchler. Dieſe Verordnungen, deren Unzulänglichkeit ſich bald zeigte, ſind übrigens außer Kraft ge— treten, und man denkt nicht mehr an deren Erneuerung, da ein Holzmangel bei den jetzigen e und dem durch hohe Holzpreiſe hervorgerufenen Forſtcultur⸗ eifer uns re als je jteht, und die Wiſſen— ſchaft überhaupt über Luxusgeſetze den Stab gebrochen hat. Wenn unn auch hohe Holzpreiſe das beſte Mittel gegen Holzverſchwendung bilden, ſo darf doch die Regierung nicht verſäumen, im In— tereſſe der Einzelnen und des Ganzen recht— zeitig auf die Minderung der unproductiven Holzeonjumtion hinzuwirken und jo insbe— ſondere zu verhüten, daſs die Conſumenten einer etwa plötzlich eintretenden Vertheuerung des Holzes bezüglich der Befriedigung ihres Holzbedarfes rath- und machtlos gegenüber— ſtehen. Die Mittel hiezu ſind folgende: Das polizeiliche Verbot der in holzreichen Gegenden noch häufig beſtehenden Schindel⸗ dächer und Blockhäuſer ſchützt gegen Feuers— gefahr und beſeitigt unnöthigen Holzverbrauch— In gleicher Weiſe wirkt die Förderung der Aufführung ſteinerner Gebäude ſtatt der auf dem Lande noch häufigen Fachwerksbauten, zumal dieſe eine viel geringere Dauer beſitzen als die maſſiven. Ein weiteres Mittel der Holzerſparung bildet die auch aus feuerpolizei— lichen Gründen ſchon ſeit zwei Jahrhunderten in allen deutſchen Ländern von der Regierung angeſtrebte Abſchaffung der Privat- und Ein— führung von Gemeindebacköfen. Durch Ausſtellung holzſparender Einrich— tungen für die gewöhnliche Hausfeuerung ſo— wohl als auch für den Betrieb induſtrieller Etabliſſements läſst ſich bei Gelegenheit von— landwirtſchaftlichen und gewerblichen Vereins— verſammlungen ſowie auch in den Fortbil- dungsſchulen mancher Fortſchritt erzielen. Die Einführung der Olbeleuchtung ſtatt der feuer— 154 gefährlichen Kien- oder Buchenſpäne, der leben— digen Zäune, ſteinerner Brücken u. ſ. w. dient ebenfalls der Holzerſparung. Dies gilt noch in erhöhtem Maße von dem Gebrauche von Brenn— holzſurrogaten. Die Prämiirung jener Landwirte, welche ſich bezüglich der Holzerſparung hervorthun, wird den Eifer für neue derartige Einrich— tungen beleben. Belehren die etwa aufgeſtellten Forſt— culturtechniker die Waldbeſitzer auch bezüglich der nach den beſtehenden Abſatzverhältniſſen zweckmäßigſten Art und Weiſe der Holzſor— tierung, ſo wird dadurch eine minder wertvolle Ausnutzung des Holzes und ſomit eine Wert— zerſtörung, d. i. eine unproductive Conſumtion verhindert. Aus gleichem Grunde erweist ſich auch die Einführung ſolcher Fällungsgeräthe und Methoden, welche Stammbeſchädigungen am meiſten fernhalten, als gemeinnützig. II. Einen bedeutenden Einfluſs auf die Forſtwirtſchaft eines Landes übt die Finanz— verwaltung dadurch, daſs ſie die Grundſteuer für den Waldboden nicht nur an und für ſich, ſondern auch im Verhältnis zur Steuer von dem landwirtſchaftlich benützten Boden nicht zu hoch greift und ſo die Grundbeſitzer zur Er— haltung und Pflege der vorhandenen und zur Anlage neuer Waldungen beſtimmt. Eine zu hohe Grundſteuer wird übrigens, wie ſchon Pfeil nachgewieſen hat, von dem Kleinbauern, der zur Deckung derſelben auf einen Theil ſeiner Arbeitsrente verzichten kann, leichter ge— tragen werden als von dem Großgrundbeſitzer, der nur mit fremden Kräften arbeitet, und dem Waldbeſitzer, dem wegen der Eigenthümllichkeit des forſtlichen Gewerbes die Gelegenheit zur Erlangung einer Arbeitsrente faſt gänzlich fehlt. In Frankreich z. B. bildet die Ungleich— heit der Beſteuerung eine Haupturſache des ſchlechten Zuſtandes der Forſtwirtſchaft, indem dort der Waldboden durchſchnittlich ein Zehntel mehr Grundſteuer zahlt, als ihm im Verhältnis zum übrigen Grundeigenthume zufallen würde. In einzelnen Departements iſt die Ungleichheit ſo bedeutend, daſs die Steuer vom Waldboden 40 — 50% des Rohertrages beträgt, während das übrige Grundeigenthum nur 5—6%, zahlt. Es ſoll dies daher rühren, dass ſich der Wald— boden zur Zeit der Cataſtrierung meiſt in den Händen von Corporationen und Großgrund— beſitzern befand, während die Schätzleute des Ca taſters faſt ausſchließlich zu den Landwirten des Kleinbeſitzes gehörten. Alle vor den Staats— rath gebrachten Geſuche der Waldbeſitzer blieben reſultatlos. Nach dem Geſagten erſcheint es nöthig, daſs bei Herſtellung des Grundſteuercataſters (ſ. Forſtgrundſteuerermittlung) den Schätzungs— commiſſionen eine entſprechende Anzahl von forſtlichen Sachverſtändigen mit nicht bloß be— rathender, wie dies die Regel, ſondern mit ent— ſcheidender Stimme zugetheilt wird, und dajs berechtigte Reelamationen der Waldbeſitzer gegen die Feſtſtellungen der Schätzungscommiſſionen u. ſ. w. auch immer von Seite der Behörden die gehörige Berückſichtigung finden. Iſt unter gegebenen Verhältniſſen die Auf— Forſtwirtſchaftspflege. forſtung von Odungen beſonders ſchwierig, ſo kann man, wie dies z. B. in Oſterreich und Frankreich geſchieht, den Cultureifer der Grund— beſitzer dadurch beleben, daſfs man denſelben nach gelungener Cultivierung fraglicher Objecte eine mehr- (25—30-) jährige Steuerbefreiung bewilligt. Ein Steuernachlaß für ſolche Grund— ſtücke vor deren Aufforſtung müſste natürlich das Gegentheil bewirken, indem gerade in der Beſteuerung ein Sporn für den Beſitzer liegt, dieſen Flächen einen Ertrag abzugewinnen, wie dies z. B. in Bayern der Fall war, wo die Anwendung des Grundſteuergeſetzes vom 15. Auguſt 1828 auf die früher größtentheils unbeſteuerten Gemeinde-, Stiftungs- und Kör⸗ perſchaftswaldungen nicht unerheblich zur För— derung des Cultureifers der betreffenden Wald— beſitzer und insbeſondere zur Aufforſtung der ertragsloſen Gemeindeödungen beigetragen hat. Die Mittheilung der Reſultate der Landes— vermeſſung und des Grundſteuercataſters an die Grundbeſitzer iſt dieſen in vielfacher Beziehung förderlich. Das Flößereiregal darf nicht in mono— poliſtiſcher Weiſe zu gunſten der Staatswal— dungen ausgebeutet werden. Es ſollte vielmehr allen Waldbeſitzern die Flößerei gegen einen entſprechenden Beitrag zu den Koſten derſelben und zu jenen der Herrichtung und Unterhaltung des Floßwaſſers geſtattet werden. Die hie und da noch beſtehenden Straßen— zölle (Chauſſéegelder) belaſten, da das Holz (namentlich das Brennholz) im Verhältnis zu ſeinem Wert einen großen Raum einnimmt, den Verkehr mit Holz mehr als den mit anderen Rohſtoffen, und liegt deren Abſchaf— fung ganz beſonders im Intereſſe der Holz— producenten und Conſumenten. Das unter J. bezüglich der Schutzzölle Ge— ſagte gilt auch für die Finanz- oder Steuer- zölle auf Holz. N Aber nicht nur die Grenzzölle, ſondern auch die im inneren Verkehre vom Holze er— hobenen Steuern, insbeſondere die ſog. Aceiſe oder der Aufſchlag (Octroi), ſollten beſeitigt werden, indem nur der vollſtändige Frei- handel Holzmangel und Überfluss verſchie— dener Orte in naturgemäßer und gemein— nütziger Weiſe auszugleichen vermag. Es wird dieſe Aufwandsſteuer, welche in vielen größeren Städten noch beſteht, namentlich dann für die Waldbeſitzer nachtheilig, wenn fie für das Holz verhältnismäßig höher gegriffen iſt als für deſſen Surrogate. Auch zu hohe und ungleiche Beſitzverände— rungstaxen können eine Veranlaſſung zur Wald— devaſtation werden. So liegt z. B. in Frank- reich eine Haupturſache der Zerſtörung der Wälder in der übertrieben hohen Taxe, welche der Staat bei Veräußerung des Waldeigen— thumes als Einregiſtrierungsgebür (droit d'enregistrement) erhebt, ſowie in dem Um— ſtande, daſs das franzöſiſche Geſetz den Holz— beſtand, fo lange er nicht umgehauen iſt, als Immobilium betrachtet, für ein ſolches aber die Taxe der Einregiſtrierung 625%, ſeines Wertes beträgt, während ſie ſich bei dem Mo- bilium nur auf 220% beläuft. Da nun der Forſtwirtſchaftspolitik. — Forſtwiſſenſchaft. Wert des Holzbeſtandes meiſt 75%, des ganzen Waldwertes beträgt, ſo iſt es leicht erklärlich, daſs ein Jeder, der ſich zum Waldverkaufe ge— zwungen ſieht, den Holzbeſtand vorher umhaut. Der Ausfall, den die Staatsforſtver— waltung dadurch an den Einnahmen erleidet, daſs ſie bei Bewirtſchaftung der Staatswal— dungen (ſ. d.) das finanzielle Moment dem volkswirtſchaftlichen unterordnet, wird leicht mit Hilfe der ſo gehobenen Steuerkraft des Landes gedeckt werden können. Es wird insbeſondere eine Unterſtützung der Landwirte und Indu— n bei dem Bezuge von Forſtproducten ſo unbedenklicher ſtattfinden können, je gange der Staatswaldbeſitz über das and vertheilt iſt, und je mehr Steuerpflichtige infolge deſſen an dieſen Vortheilen direct theil— nehmen. Durch Vermehrung des Staatswaldbeſitzes, namentlich durch den Ankauf von Schutzwal⸗ dungen, wird dem Staate die Löſung ſeiner forſtpolizeilichen Aufgabe ganz weſentlich er— leichtert. Die Staatswaldungen ſollten Muſterwirt— ſchaften für die Gegend bilden, und die Staats— forſtbeamten die Privatwaldbeſitzer bei dem Forſtbetriebe möglichſt mit Rath und That, namentlich auch durch wohlfeile Überlaſſung von Sämereien und Pflanzen unterſtützen. Der Staat kann natürlich, wie jeder andere Waldbeſitzer, auch durch gute Sor— tierung des Holzes, durch Geſtattung der Leſe— holz- und Grasnutzung an die Armen, ſowie durch, Überlaſſung geringerer Brennholzſorti— mente um ermäßigte Preiſe an die Armen— pflegen auf die Minderung der Forſtfrevel weſentlich einwirken. Durch gute Abfuhrwege und andere Holz— bringungsanſtalten erhöht nicht nur die Staats- forſtverwaltung die Walderträge, ſie erleichtert auch der Bevölkerung den Holzbezug und för— dert ſelbſt den allgemeinen Verkehr. Endlich kann der Forſtbeamte und nament— lich der des Staates auch auf den nicht zu den Waldbeſitzern zählenden Theil der länd— lichen Bevölkerung, mit dem er ſich ja in ſteter Berührung befindet, belehrend wirken und ihn zur Einſicht bringen, daſs das wahre Intereſſe der Landwirtſchaft mit dem der Forſtwirtſchaft identiſch iſt. Man vergl. auch J. Albert, Lehrbuch der Staatsforſtwiſſenſchaft. Wien 1875. At. Jorſtwirtſchaftspolitik, ſ. Forſtwirt⸗ ſchaftspflege. At. Jorſtwiſſenſchaſt und Forſtliche Lite— ratur, Geſchichte derſelben. Die Anfänge unſerer forſtlichen Literatur ſind nicht in Deutſch— land zu ſuchen, ſondern in Italien, wo die hoch entwickelte römiſche Civiliſation und Cultur ſich bereits zu einer Zeit mit der Pflanzung und Erziehung von Bäumen beſchäftigte, als in Deutſchland noch eine rein occupatoriſche Wirth— ſchaft in den Urwäldern geübt wurde. Allerdings kannten die Römer keine Forſt— wirthſchaft im modernen Sinne, ihre Baum— zucht erſtreckte ſich, abgeſehen von der Cultur der Obſtbäume, weſentlich nur auf Haine und Parks, welche allerdings theilweiſe ſehr ausge— nn nn nn a ML an m nn Rn kk!!! dehnt waren und neben Anderem auch jo große Flächen mit gleicher Beſtockung, z. B. Cypreſſen, Lorbeern, Kaſtanien, Eichen ꝛc. enthielten, dass dieſe vom modernen Standpunkt als Beſtände. bezeichnet werden müſſen. Derartige größere und kleinere Baum— gruppen waren entweder in der Natur vor— handen oder wurden künſtlich begründet, in beiden Fällen aber ſehr ſorgfältig weiter gepflegt. Über die Anlage und Behandlung ſolcher Gehölze finden ſich in den Schriften der Römer zahlreiche Anweiſungen; in dieſer Beziehung ſind namentlich zu nennen: M. P. Cato (de re rustica), Varro (de re rustica), Virgilius (Bucolica), Plinius (Historia naturalis), Columella (de re rustica, liber de arboribus), Palladius (de re rustica), Geoponicorum sive de re rustica lib. XX. u. a. m. Aus den Materialien, welche in dieſen Schriften enthalten ſind, hat um das Jahr 1300 ein Bologneſer Senator Petrus de Cres— centiis vom Standpunkt ariſtoteliſcher und arabiſcher Naturwiſſenſchaft ausgehend eine ſcholaſtiſche Compilation unter dem Titel „ruralium commodorum lib. XII.“ verfaßt, welche dem König Karl II. von Sicilien (F 1309) gewidmet iſt. Hier werden in 12 Büchern Land— wirthſchaft, Botanik, landwirthſchaftliche Thier— zucht und Falknerei behandelt. In forſtlicher, bzw. in jagdlicher Beziehung ſind aus dieſem Werk intereſſant: Buch 2: de natura plantarum, Buch 5: de arboribus et de utilitate fructuum ipsarum, Buch 7: de pratis et nemoribus, namentlich deſſen zweiter Theil: de nemoribus, quae hominum industria fiunt, und Buch 10: de diversis ingeniis ca- piendi animalia fera. Zur Charakteriſtik dieſes Werkes dürfte nur hinzuweiſen ſein auf ein Capitel des zweiten Buches, welches den Titel führt: „de trans— mutatione et mutatione unius plantae in alia“. In demſelben wird der Umſtand, dafs nach dem Abtrieb eines Eichen- oder Buchenwaldes öfters wenige werthvolle Holzarten auf der betreffenden Fläche erſcheinen, dadurch erklärt, daſs die Wurzeln der alten Bäume hart ſeien und deren Poren verſtopft. Der Saft vermöge dann nicht zu dem oberirdiſchen Stammtheil zu gelangen, faule und die von demſelben aus— ſtrömende Hitze erzeuge einen Baum von anderer Form. Im 7. Buche ſagt er u. A.: Et quanto pinguior erit terra, tanto piciores proveniunt arbores. In macra vero et salsa ve] amara nascentur spineta et arbores parvae, tortuosae, spinosae, scabiosae et hyspidae. Pinienund Palmen ſollen in 30 Fuß gegenjeitigen Abſtand gepflanzt werden. Ganz richtig ſagt er aber, daſs da, wo die Wälder zu dick ſtehen, die unnöthigen Bäume herausgenommen werden ſollen. Die hohe Bedeutung, welche P. de Cres— centiis Palmen, Mandelbäumen, Pinien und Kaſtanien beilegt, erklärt ſich daraus, daſs er ebenſo wie die von ihm benützten Autoren in Italien gelebt und geſchrieben hat. Obwohl in Italien geſchrieben, wurde das Buch zuerſt 1471 in Augsburg, ſodann wieder— holt, wahrſcheinlich 147% und 1478 in Löwen 1585 156 und 1486 in Straßburg gedruckt, die erſte deutſche Ausgabe erſchien 1493. Graeſſe führt in ſeinem: Trésor des livres rares et préciaux nicht weniger als 40 latei— niſche, 7 deutſche, 4 franzöſiſche und 13 ita— lieniſche Ausgaben dieſes Buches an. Es würde keine Veranlaſſung geweſen ſein, dieſes Buches beſonders zu gedenken, wenn das— ſelbe nicht wegen ſeiner großen Verbreitung in Deutſchland einen bedeutenden Einfluß auf weiter unten zu erwähnende Hausväterliteratur geübt hätte. Mit den gleichen Materialien wie Petrus de Crescentiis bearbeitet und weſentlich auch auf dieſen fußend erſchien in der zweiten Hälfte des XVI. Jahrhunderts ein großes Sammelwerk, Praedium rusticum, welches, von einem franzöſiſchen Arzt Etienne im Jahre 1559 begonnen, durch Libault (Libaltus) fortgeſetzt und von Sebizius, Arzt zu Straß— burg, im Jahre 1392, noch vermehrt um des kurpfälziſchen Leibarztes Marius Gartenfunjt*), ſowie mit Ficharts Feldbaurecht herausgegeben wurde. Waldbau und Waldvermeſſung, die letztere ganz gut und unter genauer Beſchreibung eines Winkelinſtrumentes, werden anhangsweiſe ge— lehrt. Als beſte Pflanzzeit wird die Zeit von Weihnachten bis Ende März bezeichnet und da— mit ſofort dem Buche der Stempel eines praktiſch hilfloſen Scholaſticismus aufgedrückt. Dazwiſchen findet ſich manches Richtige und Brauchbare betreffs der Durchforſtungen (welche übrigens um 1550 auch bereits in verſchiedenen Forſtordnungen vorgeſchrieben wurden) und Eichelſaat, auch der Anlange von Pflanzgärten, der Erziehung von Pappeln und Weiden. Doch das alles hatten die römiſchen scrip- tores rei rusticae bereits gewuſst und aufge— zeichnet; die deutſchen und franzöſiſchen Compi— latoren hatten wenig oder nichts hinzugethan, was eigener Beobachtung, eigener Denkthätig— keit entſprungen wäre. In Deutſchland fand die Forſtwirtſchaft bis zum Anfang des XVIII. Jahrhunderts ihre literariſche Behandlung in den ſog. „Haus— vätern“. Es ſind dieſes jene mächtigen Folian— ten des XVI. und XVII. Jahrhunderts, welche oft in vielen Bänden die Landwirtſchaft nach allen ihren Richtungen, Feld-, Wieſen-, Garten— bau, Viehzucht, Fiſcherei, Hausarzneikunde, Traumdeuterei und nebenbei auch den Waldbau vermiſcht mit vielem Wunderlichen, Aberglauben, Aſtrologie und Alchymie, beſprechen. *, XV Bücher von dem Feldbaw und der recht vol- komenen Wolbestellung eines bekömmlichen Landsitzes, unnd geschicklich angeordneten Meierhofs oder Landguts, Sampt allem, was demselben Nutzes oder Lusts halben anhängig. Deren etliche vorlängst von Carolo Stephano und Joh. Libalto, Frantzösisch vorkommen, welche nach- xehends ihres fürtrefflichen Nutzes halben, gemeinem Vatter Land zu frommen, theyls vom Hochgelehrten Herrn Melchiore Sebizio der Artzney Doctore, theils auss letsten Libaltischen zusetzen durch nachgemeltenn inn Teutsch gebracht seind. Etlicht aber anjetzo auffs New, erstlich auss dem Frantzösischen letstmahls ernewerten und ge- mehrten Exemplar, So dann aus des Herrn Doctoris Georgii Marij Publieirten Gartenkunst und fortters, des Herrn Joh. Ficharti J. U. D. eolligirten Feldbawrechten und Landsitzgerechtigkeiten etc. zu lust und lieb dem teut- schen Landmann hinzugethan worden. Getruckt zu Strass- burg, bei Bernhart Jobiu, 1592. Forſtwiſſenſchaft. Zu dieſer Hausväterliteratur gehört u. A.: Boeclers Haus- und Feldſchule, 1666, Herrmanns ſchlechtes und gerechtes Haus— haltungsbuch, 1674, Hohberg, Georgica cu- riosa, 1687, Francisci Philippi Florini serenissimi ad Rhenum comitis Palatini Prin- eipis Solibacensis P. in Edelsfelden et Kirm- reuth, Oeconomus prudens et legalis, 1702. In forſtlicher Beziehung iſt von dieſen Hausvätern beſonders intereſſant Cole rus, welcher in ſeiner „Oeconomia ruralis et do- mestica, worin das Recept aller braven Haus— väter und Hausmütter begriffen“ (1. Auflage 1593-1609), der Landwirtſchaft eine ganz neue Richtung gab und zugleich mehr in die Maſſen drang als alle übrigen. Was Colerns auf forſtlichem Gebiet bringt, iſt nur eine allerdings ganz intereſſante Schil— derung deſſen, was er im Wald geſehen, ſowie unter Benützung der älteren Forſtordnung, z. B. jener für Braunſchweig-Lüneburg 1547 geſchrieben. Aber Colerus war dadurch epochemachend, daſs er gegenüber der ſcholaſtiſchen Richtung eines Petrus de Crescentiis und Sebizius auf die Naturbeobachtung und eigene Erfahrung verwies: „aber selbst muss man es probiren, denn eigene Erfahrung lehret Alles“. Im übrigen geht er in ſeinem forſtwirt— ſchaftlichen Wiſſen nicht über das hinaus, was ihm die Heidereiter und Holzhauer, an welche er ſelbſt verweist, boten, und wenn er es trotz- dem thut, jo verliert er ſeine Selbſtändigkeit. Nadelholzſaat und Gehaueinrichtung, auch das Ausklengen des Nadelholzſamens werden gut vorgetragen, ebenſo das Ausſchneideln der Eichenheiſterpflanzen lehrt er in entſprechender Weiſe, dagegen bringt er auch manches Stück Holzhaueraberglauben, z. B. die Selbſtentzün— dung der Wälder infolge der gegenſeitigen Rei— bung der Aſte durch den Wind. Außer den Hausvätern wandten in dieſer Periode auch die Juriſten neben dem Forſt— recht der Forſtwirtſchaſt ihre Aufmerkſamkeit zu. Das älteſte und zugleich ein ſehr bemerkens— wertes Werk in dieſer Richtung iſt das „Jag- und Forstrecht *)“ von Nos Meurer, kur⸗ fürſtlich pfalzbayriſchem Rath. Der erſte Theil dieſes Buches handelt: „von allerley nützlichen Anstellungen der Wälder und Höltzer, wie dieselben zu hägen. aufzu- bringen und zu gebrauchen.“ Die Uberein- ſtimmung dieſes Abſchnittes mit der ober— pfälziſchen, bayriſchen und württembergiſchen Forſtordnung v. 1363, bezw. 1568 und 1767 iſt ſtellenweiſe ſo auffallend, daſs die Benutzung der— *) Jag- und Forstrecht, das ist Unterricht Chur- und Fürstlicher Landt-. auch Graff und Herrschafften, und anderen Obrigkeiten Gebiet, von verhawung und wider- hawung der Wäld und Gehöltz, Auch den Wildtbänen, Fischereyen und was solchem anlangt, wie die nach Kay- serlichen und Fürstlichen gemeinen Rechten, Gebrauch und Gelegenheit in guter Ordnung zu halten und in besser Form anzurichten. Erstlichen aussgegangen durch den Ernvesten und Hochgelarten No& Meurer, der Rechten Doctor und Churfürstlichen Pfaltzgrävischen Raht, jetzt unndt von jm auffs neuwe widerumb corrigirt, mit dreyen Theilen gemehret. Gedruckt zu Franckfurt 1576. (Die erſte Auflage erſchien in weſentlich kürzerer Faſſung be— reits 1561.) Forſtwiſſenſchaſt. 187 ſelben offenbar tft. Vielleicht hat Meurer beim Erlass der beiden erſtgenannten Forſtordnungen ſelbſt mitgewirkt. Bis zum Beginn des XVIII. Jahrhunderts iſt die forſtliche Praxis, welche ſich handwerks— mäßig weiterentwickelte, von der Wirtſchafts— lehre durch eine weite Kluft getrennt geweſen. Dieſelbe wurde zuerſt überbrückt von dem ſächſiſchen Berghauptmann Hans Carl von Carlowitz. Derſelbe hat nicht allein wie Colerus die Feſſeln fremden Wiſſens abgeſchüt— telt und darauf hingewieſen, wie die wirtſchaft— liche Kraft und der Fortſchritt ſich aus den be— ſonderen Verhältniſſen eines jeden herausbilden müſſe, ſondern auch das Gebiet der Holzzucht losgetrennt von der Landwirtſchaft, von der Jagd und anderen benachbarten Gebieten. In ſeiner 1713 erſchienenen „Sylvieultura oeconomica“ wird zum erſtenmal die Forſtwirt— ſchaft vollkommen ſelbſtändig behandelt. Carlowitz widmete allerdings deshalb der Forſtwirtſchaft beſondere Aufmerkſamkeit, weil ſie für den Bergbau ſo unentbehrliche Verbrauchs— und Rohſtoffe liefert und er dem bevorſtehenden Holzmangel abhelfen will, allein in ſeinem Buch finden ſich viele treffende Beobachtungen und noch heute als richtig anzuerkennende wald— bauliche Vorſchriften. Der Schwerpunkt ſeiner Forſtwirtſchafts lehre liegt in der Waldcultur durch Saat und Pflanzung ſowie in der Wald— pflege, eine Anleitung zur Betriebseinrichtung fehlt vollkommen. Carlowitz iſt auch der erſte, welcher die volkswirtſchaftliche und ethiſche Be— deutung der Wälder betont: Mit gutem Fug und Recht können die Wälder vor eine Krone der Berge, vor eine Zierde der Felder, vor einen Schatz des Landes und vor eine mit Nutz vermengte Sinnen-Lust angesehen und gerechnet werden (Sylvic., II. Th., C. VII. 1). Ziemlich gleichzeitig mit der „Sylvicultura oeconomica* iſt auch das erſte von einem Forſt— beamten verfasste Buch erſchienen, nämlich die „Notabilia venatoris“ des fürſtlich ſächſiſchen Oberlandjägermeiſters und Landrathes von Göchhauſen (1710). Der weitaus größere Theil dieſes abſolut ſyſtemloſen Werkes iſt der Jagd und Fiſcherei gewidmet, dazwiſchen findet ſich aber auch eine Forſtwirtſchaftslehre in dem Capitel, welches den Titel führt: „Beſchreibung von der Mannig— faltigkeit der Arten Gehölzes in denen Wal— dungen und Gehölzen.“ Abgeſehen von einer allerdings aus eigener Kenntnis geſchöpften Be— ſchreibung der Holzarten und einer Anleitung zur Ausnützung des Holzes in den Schlägen findet ſich wenig Forſtliches in demſelben. Die eigentliche Entwicklung der Wirtſchafts— lehre begann erſt mit dem Zeitpunkt, in welchem die im Wald arbeitenden Forſtwirte das ein— ſeitige Jägerthum überwunden hatten und ihre Erfahrungen durch ihre Schriften weiteren Kreiſen zugänglich machten, wodurch zugleich ein ungemein lebhafter und anregend wirkender Ideenaustauſch veranlajst wurde. Die empi— riſchen Kenntniſſe der „holzgerechten Jäger“ bildeten die Grundlage, auf welcher ſich die Forſtwiſſenſchaft allmählich aufbaute. Zwei Altersgenoſſen, Heinrich Wilhelm Landes Döbel und Johann Gottlieb Beckmann, eröffneten um die Mitte des XVIII. Jahr— hunderts den Reigen der ſchriftſtellernden Em— piriker. 1746 erſchien die erſte Auflage von Döbel's „Jägerpraktika“ “), welche im höchſten Grad populär wurden und ſo große Verbreitung er— langten, daſs noch 1828 und 1829 eine neue (vierte) Auflage derſelben herausgegeben wurde. Döbel war ein Mann von bedeutender praktiſcher Begabung. Wenngleich das Jäger— thum noch alle ſeine Anſchauungen beherrſcht und der Forſtwirt noch keineswegs zum Durch— bruch gelangt iſt, ſo wohnt ihm doch ein Ver— ſtändnis für wirtſchaftliche Fragen überhaupt inne und beſaſs er ein offenes Auge für die wirtſchaftlichen Maßregeln. Döbel kannte nur die plenter- und mittelwaldartigen Betriebs— ſyſteme aus eigener Anſchauung genau, weniger die Nadelholzwirtſchaft; daraus iſt zu erklären, daſs er ſich gegen jede Durchforſtung und gegen die Nadelholzpflanzung ausſpricht. Schlagein— theilung und Vermeſſung, Baumſchätzung und Baummeſſung lehrte er für jene Zeit ganz gut, die Streunutzung hielt er aber nicht für ſchäd— lich, ſonden animirte ſogar dazu. Infolge des Mangels aller naturwiſſen— ſchaftlichen Kenntniſſe findet ſich in ſeiner Be— ſchreibung der Waldbäume viel Abenteuerliches. Döbel glaubt z. B., daſs die „ſchwefelichten und ſalpeterichten“ Beſtandtheile des Erdbodens die Urſachen der vielen von ſelbſt entſtehenden Wald— brände ſeien. Döbel war Autodidakt und Forſthand— werker, eine Förderung hat die Waldwirtſchaft durch ihn kaum erfahren. Weſentlich höher als Döbel ſteht J. G. Beckmann, obwohl auch ihm eine allgemeine und namentlich jede naturwiſſenſchaftliche Schu— lung fehlte. Er hat zwei klar ausgeprägte Ge— danken in die Wirtſchaftslehre eingefügt und im Wald verwirklicht, nämlich die Abnützung des haubaren Holzes in regelrecht aneinander— zureihenden Kahlſchlägen, welche durch Be— ſtandesſaaten wieder aufgeforſtet werden ſollten, und eine Betriebsdispoſition, welche den heutigen Holzvorrath mit dem bis zum Abtrieb erfol— genden Zuwachs in gleichen jährlichen Ab— nützungsquoten auf den Umtrieb vertheilt. Beckmann hat zwar keine der beiden Auf— gaben vollkommen gelöst, allein er war doch über das einſeitige Jägerthum hinausgekommen, deſſen Unwiſſenheit er oft bitter beklagt; Beck— mann war auch der erſte, welcher in ſeinen Schriften den Ausdruck „Forſtwiſſenſchaft“ ge— braucht. Das Motto ſeiner „Anweiſung zu einer pflanzlichen Forſtwiſſenſchaft“ (1. Aufl. 1739): Lernt doch von jedem Baum, ihr Förſter, den ihr ſchauet, Wie man ihn ſä't und zieht, den Wald mit ihm bebauet, Damit kein öder Platz in ihm zu finden ſei!“ enthält das Grundprincip deſſen, was den Prak— tikern jener Zeit noth that, und iſt der Vor— läufer von Pfeils „Fraget die Bäume!“ ) Heinrich Wilhelms Dödels Neueröffnete Jä⸗ ger⸗-Practica oder der wohlgeübte und erfahrene Jäger, darinnen eine vollſtändige Anweiſung zur gantzen hohen und niederen Jagd-Wiſſenſchaft in vier Theilen enthalten, Leipzig 1746. 158 Zu den holzgerechten Jägern gehört auch Melchior Chriſtian Käpler, ebenfalls ein reiner Empiriker, welcher ſich in ſeinen Schriften ſtreng auf die Darſtellung der eigenen Erfah— rungen, die ſich ausſchließlich auf Mittel- und Niederwald bezogen, beſchränkte. So vermeidet es Käpler z. B. über die Weißtannen etwas zu ſagen, „weil er niemals auf Revieren, wo Tannen wachſen, jo lange geblieben, dass er ſie Jahr und Tag hätte beobachten können“. Er verurtheilt das Streurechen, will ſchlechte Laubholzbeſtände in Nadelholz umwandeln und entwickelte noch zahlreiche andere ſehr richtige wirtſchaftliche Vorſchriften. Johann Jakob Büchting war der erſte Forſtmann, welcher eine Univerſität be— ſuchte. Obwohl ſeine Thätigkeit hauptſächlich dem Forſtvermeſſungsweſen zugewendet war, ſo hat er doch auch über Forſtwirtſchaft geſchrie— ben und verlangt hier Kahlhiebe mit Saat oder Randbeſamung; die Pflanzung erklärt er als gleichberechtigt mit der Saat. Wenn ſchon die holzgerechten Jäger nicht allein gute Wirtſchafter waren, ſondern auch die Geſetze erkannten, welche ſich nach ihren Erfahrun— gen in den ſpeciellen Wirkungskreiſen als maßge— bend erwieſen, ſo waren ſie doch noch Empiriker und glaubten, daſs die von ihnen als richtig er— probten Wirtſchaftsregeln allgemeine Giltigkeit beſitzen müſsten. Da ſie nun unter theilweiſe höchſt un— gleichartigen Verhältniſſen wirtſchafteten und ihnen auch die nöthigen naturwiſſenſchaftlichen Kenntniſſe zur richtigen Erklärung der verſchie— denen Erſcheinungen fehlten, ſo konnte es nicht ausbleiben, dass ſie viele ihrer gegenſeitigen Anſchauungen für gänzlich falſch hielten, wo— durch lebhafte literariſche Fehden entſtanden, welche ſie den damaligen Zeitverhältniſſen und ihrem Bildungsgrade entſprechend nicht im höflichſten Tone führten. Ziemlich gleichzeitig mit den genannten Holzgerechten wirkten verſchiedene andere Forſt— wirte, welche zwar als Schriftſteller, wenigſtens unter eigenem Namen, nicht oder doch nur in geringem Maß thätig geweſen ſind, aber für die Entwicklung der Technik und Wiſſenſchaft noch mehr geleiſtet haben als jene. Hieher gehört vor allem Georg Fried— rich v. Langen. Ohne beſondere techniſche Vorbildung, wuſste er ſich auf ſeinen zum Zweck der jagdlichen Ausbildung nach Süd— deutſchland und Oſterreich unternommenen Reiſen auch vielſeitige forſtwirtſchaftliche An— ſchauungen zu verſchaffen, welche er gelegentlich einer Beſchäftigung in Dänemark und Norwegen (Einrichtung der für die Zwecke des Bergbaues beſtimmten Forſte) vermehrte. Langen eilte ſeiner Zeit weit voraus, und obwohl er ſtreng genommen in literariſchem Sinne gar nicht thätig war, ſo legte er in ſeinen Gutachten und Wirtſchaftsregeln für die Behandlung der Braunſchweigiſchen und Stol— berg⸗Wernigerode'ſchen Forſte“ doch den Grund zu einer geordneten Forſtwirtſchaft, als deren Vater ihn Moſer bezeichnet. *) Gedruckt in Moſer's Ferſtarchiv, Bd. XIV. Forſtwiſſenſchaft. Glücklicher als v. Langen, deſſen ſpäteres Leben eine Kette von Widerwärtigkeiten und ſchweren Krankheiten bildete, waren die Schick— ſale ſeines hervorragendſten Schülers Hans Dietrich v. Zanthier, welcher ihn nach Nor- wegen begleitet hatte und ſich mit ihm an der Einrichtung des Wernigerode'ſchen Forſtweſens betheiligte; ſpäter wirkte er als Oberforſt- und Jägermeiſter zu Ilſenburg. Wie Langen iſt auch Zanthier aus dem Jägerthum herausgewachſen, in beiden iſt die Empirie zur höchſtmöglichen Entwicklung ge— langt; beide haben das Jägerthum in ſich überwunden, die forſtwirtſchaftlichen Aufgaben ihrer Zeit erkannt und ihre Löſung mit ſeltener Energie erſtrebt. Was ſie uns an Schriften überlaſſen haben, ſind einfache, überaus nüch- terne Aufzeichnungen der ſelbſtgewonnenen Wirt- ſchaftsregeln, welche weder ſyſtematiſche Anord— nung oder Vollſtändigkeit beanſpruchen, noch auch durch ſpeculative Gedanken glänzen. Gegen das Ende des XVIII. Jahrhunderts traten noch mehrere Forſtwirte auf, welche in der gleichen Richtung wie Langen und Zanthier weiter arbeiteten. Unter ihnen find neben Laſs⸗ berg, welcher ebenfalls Langens Schüler war und ſpäter als Oberlandforſtmeiſter in kurfürſtlich Sächſiſche Dienſte trat, noch beſonders zu nen— nen: Der Heſſen-Caſſel'ſche Oberjägermeiſter Karl Friedrich von Berlepſch, Verfaſſer verſchiedener für die Ausbildung des Femel— ſchlagbetriebes wichtiger Forſtordnungen (vgl. Geſchichte des Waldbaues), und der preußiſche Oberforſtmeiſter v. Kropff, welcher namentlich auf dem Gebiet des Forſteinrichtungs- und Vermeſſungsweſens Vorzügliches geleiſtet hat. Trotz der hohen Verdienſte, welche ſich die holzgerechten Jäger durch die Darſtellung ihrer Erfahrungen und Anſichten um die Begrün— dung der Forſtwiſſenſchaft erworben haben, fehlte ihnen doch jene allgemeine Bildung und geiſtige Schulung, welche erforderlich war, um den vorhandenen Wiſſensſtoff vollſtändig zu überſehen und ſyſtematiſch zu ordnen. Die Summe der empiriſchen Erfahrungen, welche in den Forſtordnungen ſowie in den Schriften der Praktiker niedergelegt waren, eneyklopädiſch zuſammenzufaſſen und formell durchzuarbeiten, übernahmen die Cameraliſten; dieſe waren nicht allein durch ihren vielſeitigen Bildungs gang, der auf Philoſophie, Jurisprudenz und Staatswiſſenſchaft baſierte, ſondern auch infolge ihrer amtlichen Stellung an der Spitze der geſammten Finanzverwaltung oder als Lehrer der Forſtwiſſenſchaft mehr zu dieſer Arbeit be- rufen als irgend ein anderer Stand im XVIII. Jahrhundert, obwohl ihnen die eigenen prak— tiſchen Kenntniſſe und Erfahrungen meiſt voll- kommen mangelten. Der hervorragendſte unter dieſen Camera— liſten war Wilhelm Gottfried Moſer, Verfaſſer der „Grundſätze der Forſtökonomie“ (1757) und Herausgeber des „Forſtarchivs“ (ſ. Zeitſchriften). In den „Grundſätzen der Forſtökonomie“ wurde das erſte forſtwiſſenſchaftliche Syſtem aufgeſtellt, die Forſtwirtſchaft in ihrem vollen Umfang abgehandelt und der Forſtbetrieb, was Forſtwiſſenſchaft. 159 bis dahin noch nicht der Fall geweſen war, vom volkswirtſchaftlichen Geſichtspunkt aus ge— würdigt. In hiſtoriſcher Beziehung haben die „Grundſätze der Forſtökonomie“ trotz verſchie— dener ihnen anklebenden Mängel bleibenden Wert. Eine für die damaligen Verhältniſſe ſehr gute Darſtellung des Waldbaues findet ſich in der „Anleitung zum Forſtweſen, nebſt ausführ— licher Beſchreibung von Verkohlung des Holzes und Nutzung der Torfbrüche“ (1766) des braun— ſchweigiſch-lüneburgiſchen Kammerrathes Jo— hann Andreas Cramer, ein Werk, welches lange Zeit namentlich von den Cameraliſten benützt wurde. Weniger befriedigend ſind in demſelben die Behandlung der Forſtbenutzung und Forſtſchutz, am ſchwächſten iſt ſeine Lehre von der Betriebsregulierung. An den oben erwähnten literariſchen Strei— tigkeiten zwiſchen den Holzgerechten betheiligte ſich auch der braunſchweigiſch-lüneburgiſche Re— gierungsrath Heinrich Chriſtian v. Brocke, ein aufgeweckter, ſtrebſamer Mann, welcher einige kleine Güter beſaß, auf welchen er Verſuche über Forſtwirtſchaft und namentlich über die Zucht von Eichheiſtern machte. Er war maßlos eitel, hielt ſich für unfehl— bar und warf allen Forſtbeamten Unwiſſenheit, Faulheit und Unredlichkeit vor. Bereits 1752 ließ er unter dem Pſeudonym „Sylvander“ eine Schrift mit dem Titel „Zufällige Gedanken von der Natur, Eigenſchaft und Fortpflanzung der wilden Bäume“ erſcheinen. Sein Haupt- werk führt den Titel „Wahre Gründe der phy— ſikaliſchen und experimentalen allgemeinen Forſt— wiſſenſchaft“ (4 Th., 1768— 1775); dasſelbe iſt jedoch keine Encyelopädie, ſondern ein ziemlich ungeordnetes Allerlei von forſtlichen Abhand— lungen und Bemerkungen über forſtliche Ge— biete ſowie einige intereſſante Rechtsfälle. Brocke löste 1774 auch die Preisfrage des königlich preußiſchen Generaldirectoriums „Wie ohne Nachtheil der Feſtigkeit des Holzes das Wachs— thum der Forſten beſchleunigt werden könne“ durch die Empfehlung eines geordneten Durch— forſtungstriebes. Eine für jene Zeit charakteriſtiſche Erſchei— nung war Mag. phil. Joh. Friedrich Stahl. Nachdem derſelbe in faſt allen Stellungen des württembergiſchen Cameraldienſtes gearbeitet hatte, wurde er ſchließlich Forſtdirector und hielt ſeit 1772 auch Vorleſungen über Mathe— matik, Naturwiſſenſchaft und Forſtkunde an den forſtlichen Unterrichtsanſtalten zu Solitude, bezw. Stuttgart. Seine ſchriftſtelleriſchen Leiſtungen auf dem Gebiet der Forſtwiſſenſchaft (Onoma— tologia forestalis - piscatoria - venatoria oder Vollſtändiges Forſt⸗, Fiſch⸗ und Jagdlexikon, 1772—1780) waren allerdings nicht bedeutend, allein er hat ſich doch um die Hebung des württembergiſchen Forſtweſens durch vortreff- liche Vorſchriften und nützliche Einrichtungen ſehr verdient gemacht. Stahl hat auch die erſte forſtliche Zeitſchrift „Das allgemeine ökono— miſche Forſtmagazin“ herausgegeben. Sehr geringen Wert beſitzen zwei von Cameraliſten gegen Ende des XVIII. Jahrhun— derts herausgegebene forſtliche Eneyklopädien, nämlich jene, welche Benckendorf im 7. und 8. Band ſeiner Oeconomia forensis (1775 bis 1784, 8 Bd.) liefert, ſowie Germani Philo- parchi „Kluger Forſt- und Jagdbeamte“, 1774. Trotz aller juriſtiſchen Feinheit bringen beide in ſehr ermüdender breiter Darſtellungs— weiſe keine neuen wirtſchaftlichen Gedanken, ſondern lediglich Compilationen aus den ver— ſchiedenen forſtlichen Schriften, ohne eigene Kenntnis und ohne Verſtändnis der forſtwirt— ſchaftlichen Verhältniſſe. Während die bisher erwähnten Camera— liſten ausſchließlich Beamte waren, traten gegen das Ende dieſes Zeitabſchnittes noch eine Reihe von Univerſitätslehrern als forſtliche Schrift— ſteller auf, da ſeit 1770 faſt in allen deutſchen Hochſchulen forſtwiſſenſchaftliche Vorleſungen eingerichtet wurden, welche allerdings nicht für Forſtwirte, ſondern, wenigſtens in erſter Linie, nur für Cameraliſten beſtimmt waren. Von dieſen Univerſitätsprofeſſoren ſind be— ſonders hervorzuheben: Johann Beckmann, der größte Polyhiſtor ſeiner Zeit, welcher in den 45 Bände umfaſſenden „Grundſätzen der deutſchen Landwirtſchaft“, allerdings nur auf 61 Seiten, ein vollſtändiges Syſtem der Forſt— wirtſchaft und zugleich einen Ertract aus ſämmtlichen bekannten forſtlichen Schriften des In⸗ und Auslandes zuſammenſtellte. Ebenfalls ein Muſter cameraliſtiſcher Viel— ſeitigkeit iſt Dr. med. et phil. Johann Hein— rich Jung, gen. Stilling, welcher an der Cameralſchule zu Lautern (jetzt Kaiſerslautern) neben Zandwirtichaft, Technologie, Fabriks- und Handelskunde ſowie Vieharzneikunde auch eine Zeit lang über Forſtwiſſenſchaft las und 1781 den „Verſuch eines Lehrbuches der Forſtwiſſen— ſchaft zum Gebrauche der Vorleſungen auf der hohen Cameralſchule zu Lautern“ herausgab, am beſten iſt in demſelben die Forſtbotanik be— handelt. Der bedeutendſte von den hieher gehörigen Männern iſt Dr. phil. et jur. Johann Jakob Trunk. Obwohl von Beruf eigentlich Juriſt, ſo hat derſelbe doch auf forſtlichem Gebiet als Oberforſtmeiſter für die öſterreichiſchen Vor— lande und Profeſſor der Forſtwiſſenſchaft zu Freiburg i. Br. Tüchtiges geleiſtet. In ſeinem 1789 erſchienenen Werk „Neues vollſtändiges Forſtlehrbuch oder ſyſtematiſche Grundſätze des Forſtrechtes, der Forſtpolicey und Forſtökono⸗ mie nebſt Anhang von ausländiſchen Holzarten, von Torf und Steinkohlen“ behandelt er das Forſtrecht am ausführlichſten, Waldbau, Forſt— einrichtung und Forſtſchutz führt er unter dem Abſchnitt „Forſtpolizei“ als die näheren und entfernteren Mittel zur Förderung der Wald— cultur vor; auch den mathematiſchen Grund— lagen des Forſtbetriebes wandte er ein beſon— deres Augenmerk zu. Weniger bemerkenswert als die genannten ſind: Johann Friedrich Pfeiffer, Profeſſor der ökonomiſchen und Cameralwiſſenſchaften an der Univerſität Mainz, Verfaſſer des 1781 er- ſchienenen „Grundriſſes der Forſtwiſſenſchaft bisher 160 zum Gebrauch dirigirender Forſt- und Cameral— bedienten, ſowie auch Privatgutsbeſitzer“. Ferner: Dr. Johann Daniel Succow, Profeſſor der Mathematik und Phyſik an der Univerſität Jena, wo er ſpäter auch Vorleſungen über Cameralwiſſenſchaften hielt, ſchrieb u. a. eine „Einleitung in die Forſtwiſſenſchaft zum akademiſchen Gebrauch“ 1776 und Franz Damian Müllenkampf, Profeſſor der Forſt— wiſſenſchaft an der Univerſität Mainz. Wie die bisherige Darſtellung zeigt, hat ſich die Forſtwiſſenſchaft während der zweiten Hälfte des XVIII. Jahrhunderts nach zwei ziemlich ſtreng getrennten Richtungen entwickelt, nämlich einerſeits in den Schriften der holz— gerechten Jäger, welche in der Hauptſache nur die Reſultate der eigenen Erfahrung enthielten, und andererſeits in den Werken der Cameraliſten, welchen dieſe zwar meiſt fehlte, die ſich aber von erſteren vortheilhaft durch ſyſtematiſche Anord— nung und Durcharbeitung des Stoffes aus— zeichneten. Eines iſt jedoch beiden gemeinſam, nämlich die eneyklopädiſche Behandlungsweiſe des ganzen ihnen zur Verfügung ſtehenden Mate— riales. Während ſich aber die Schriften der Cameraliſten gegen das Ende des XVIII. Jahr— hunderts wegen des Mangels an genügender Kenntnis der ſich raſch entwickelten Technik immer mehr verflachten, wie dieſes namentlich bei Benckendorf und Philoparchus zum Vorſchein kommt, gewannen die literariſchen Producte der Praktiker mit ihrer beſſeren Vorbildung nicht nur an Gehalt, ſondern auch in formeller Be— ziehung, jo dass die rein cameraliſtiſche Schule raſch in den Hintergrund gedrängt wurde und ſich an dem weiteren Ausbau der Forſtwiſſen— ſchaft, wenigſtens nach der rein techniſchen Seite hin, nicht mehr betheiligte. Auch die forſtlichen Autoren behandelten zunächſt das ganze Wiſſensgebiet meiſt eneyklo— pädiſch. Als hieher gehörige Werke ſind be— ſonders zu nennen: Burgsdorf, Forſthand— buch 1788 und 1796; G. L. Hartig, Lehrbuch für Förſter und die es werden wollen, 1808; H. Cotta, Grundriß der Forſtwiſſenſchaft, 1832; Däzel, Anleitung zur Forſtwiſſenſchaft, 1802 und 1803; Egerer, die Forſtwiſſenſchaft, 1812; Pfeil, Vollſtändige Anleitung zur Behandlung, Benützung und Schätzung der Forſten, 1820 und 1821. In ſyſtematiſcher Beziehung ſteht die von Hundeshagen 1821 herausgegebene „En— cyklopädie“ der Forſtwiſſenſchaft obenan. Bechſtein's Unternehmen, eine große, aus Monographien zuſammengeſetzte Eneyklopädie herauszugeben, deren einzelne Theile von Specialiſten bearbeitet werden ſollten, war noch verfrüht und iſt deshalb nicht zu Ende geführt worden. s Etwa mit dem Jahre 1830 ſchließt die Reihe der älteren Encyklopädien; der Verſuch, welchen Carl Heyer machte, eine ſolche zu ſchaffen, wurde nicht vollendet, indem nur zwei Theile (Waldbau und Waldertragsregelung) er- ſchienen ſind. f Erſt jetzt, nachdem mehr als 60 Jahre ſeit dem Erſcheinen der Hundeshagen'ſchen En— cyklopädie verfloſſen ſind, ſcheint das Bedürfnis Forſtwiſſenſchaft. * nach einer derartigen Zuſammenfaſſung des bisher Geleiſteten vorhanden zu ſein, welches durch das ziemlich gleichzeitige Erſcheinen der Unternehmen von Fürſt und Lorey, ſowie des vorliegenden Werkes befriedigt werden ſoll; in— folge des nunmehr gewaltig vermehrten Stoffes können dieſe Werke nur durch das Zuſammen— wirken mehrerer Specialiſten geſchaffen werden. Damit die Forſtwiſſenſchaft ſich zu ihrer heutigen Blüte entwickeln konnte, bedurfte es ſowohl eingehender ſpecieller Arbeiten auf dem rein forſtlichen Gebiete, als auch der ſyſtema— tiſchen Verbindung mit den drei Gruppen von Grund- und Hilfswiſſenſchaften, der Mathematik, Naturwiſſenſchaft und Volkswirtſchaftslehre. In richtiger Erkenntniß dieſes Umſtandes haben die hervorragenden Forſtwirte an der Schwelle des XIX. Jahrhunderts neben das ganze Gebiet des forſtlichen Wiſſens umfaſſen— den Eneyklopädien auch bereits Mon o— graphien über einzelne Disciplinen erſcheinen laſſen, von denen als die älteſten zu nennen ſind: Hennert, Anweiſung zur Taxation der Forſten, 1791; G. L. Hartig, Anweiſung zur Holzzucht für Förſter, 1791, ferner deſſen An— weiſung zur Taxation der Forſten, 1793; Cotta, ſyſtematiſche Anleitung zur Taxation der Waldungen 1803 und 1804, ſowie Cotta, Anweiſung zum Waldbau. Ungefähr ſeit 1820 hat ſich die Zahl der Specialſchriften raſch vermehrt. Dem praktiſchen Bedürfniſſe entſprechend behandelten dieſelben ſtets in erſter Linie: Waldbau, Forſt— benutzung und Forſteinrichtung. Die Ge— biete dieſer Disciplinen waren allerdings anfangs etwas anders abgegrenzt als ſpäterhin, wo mit der fortſchreitenden Entwicklung der Wiſſen— ſchaft ſich mehrfach einzelne Abſchnitte derſelben als ſelbſtändige Wiſſenszweige loslösten, wie dieſes z. B. bei der Holzmeßkunde und Forit- vermeſſung der Fall iſt, welche früher ſtets in den Schriften über Forſteinrichtung mitbehandelt wurden. Was zunächſt die Literatur über Wald— bau betrifft, ſo ſteht Cotta's Waldbau weſent— lich auf dem Boden ſächſiſch-thüringiſcher Ver— hältniſſe, während dem Hartig'ſchen Lehrbuche ſür Förſter vorzüglich die Zuſtände des weſt— deutſchen Buchengebietes und in den ſpäteren Auflagen auch ſolche der norddeutſchen Wal— dungen zu Grunde liegen. Mehr in Anlehnung an die ſüddeutſchen Verhältniſſe ſchrieben Gwinner*) und Stumpfk* *). Für die nord⸗ deutſchen Verhältniſſe hinterließ Pfeil in ſeiner „deutſchen Holzzucht“ (1860) ein Handbuch, welches von tiefer Kenntniß des forſtlichen Ver— haltens der norddeutſchen Waldbäume Zeugniſs ablegt. C. Heyer's „Waldbau“ (1854) ſteht in ſyſtematiſcher Beziehung und als Lehrbuch bis jetzt unübertroffen da. Eine ganz neue Richtung des Waldbaues bahnte Burckhardt's „Säen und Pflanzen“ (1855) an, welches ſich ebenſo durch eine Fülle praktiſcher Erfahrungen, wie durch ungemein klare und feſſelnde Darſtellungsweiſe aus— zeichnet. Die jüngſte Reformperiode dieſer Gwin ner, Der Waldbau in kurzen Umriſſen, 1834. Stumpf, Anleitung zum Waldbau, 1850. Forſtwiſſenſchaft. Disciplin begann mit Gayer's epochemachen— dem Werk „Der Waldbau“ 1880, an welches ſich in raſcher Folge jene von Wagener, Ney und Borggreve angeſchloſſen haben. In der Literatur der Lehre vom Säen und Pflanzen leiſteten J. Ph. E. Jägers) und v. Aleman nk“) Tüchtiges, mit ganz be— ſonderer Meiſterſchaft hat Burckhardt in ſeinem oben bereits genannten Werk „Säen und Pflanzen“ dieſes Gebiet behandelt. Seit 1860 entſtanden eine Reihe trefflicher monographiſcher Arbeiten über einzelne Betriebsarten und den Anbau einzelner Holzarten. Die Theorie des Buchen-Hoch— waldbetriebes fand durch C. Grebe***) eine meiſterhafte Bearbeitung, durch Knorr 5) wurden derſelben neue und geiſtvolle Ideen eingefügt; die Weißtanne behandelte Ger— wig erf) in einer guten Monographie. Home burg eit) lehrte ein eigenartiges Verfahren der Nutzholzwirtſchaft, Neubrand behandelt den Eichenſchälwald §), Fürſt die Pflanzenzucht im Walde, 1882. Eine ähnliche Entwicklung wie die Lehre vom Waldbau zeigt jene der Forſtbenutzung. Auch ſie wurde nach Überwindung des eneyklo— pädiſchen Standpunktes ſyſtematiſch bearbeitet von Pfeil Ss), König sss) und Gayer); allerdings iſt die Abgrenzung des hieher zu rechnenden Gebietes bei den verſchiedenen Au— toren keine gleichmäßige, noch mehr aber ſchwankt der Umfang, in welchem die einzelnen Abſchnitte behandelt werden, da derſelbe weſent— lich durch die örtlichen und zeitlichen Verhält— niſſe, von denen der Verfaſſer ausgeht, be— dingt wird. Aus eben dieſem Grund hat hier ſchon frühzeitig eine monographiſche Behand— lungsweiſe den örtlichen Bedürfniſſen ent— ſprechend platzgegriffen. Von der reichen hieher gehörigen Literatur mögen nur genannt werden: Jägerſchmid, Handbuch für Holztransport— und Floßweſen 1827/28, Berg, Anleitung zum Verkohlen des Holzes, 1830; G. L. Hartig, Phyſikaliſche Verſuche über das Verhältniß der Brennbarkeit der meiſten deutſchen Wald— Baum⸗Hölzer, 1882; Th. Hartig, Über das Verhältniß des Brennwerthes verſchiedener Holz⸗ und Torfſorten, 1855; Nördlinger Die techniſchen Eigenſchaften der Hölzer, 1860; Schuberg, Der Waldwegebau und ſeine Vor— arbeiten, 1873; Förſter, Das forſtliche Trans- portweſen, 1885. Unter den forſtlichen Nebennutzungen hat keine mehr Streit in der Praxis und ſchroffere Meinungsverſchiedenheiten ‚in den literariſchen *) Jäger, Das Forſteulturweſen nach Theorie und Erfahrung, 1850. E Alemann, Über Forſtculturweſen, 1851. **) Grebe, Der Buchenhochwaldbetrieb, 1856. ) Knorr, Studien über die Buchenwirthſchaſt. Gerwig, Die Weißtanne im Schwarzwald, 1868. I) Homburg, Die Nutzwirthſchaft im geregelten Hochwald⸗Überhalt-Betriebe und ihre Praxis, 1878. 5) Neubrand, Die Gerbrinde mit beſonderer Be- ziehung auf die Eichenſchälwaldwirthſchaft, 1869. 8 SS) Pfeil, Die Forſtbenutzung und Forſttechnologie, 1831. 588 König, Die Forſtbenutzung, 1851. 2) Gayer, Die Jorſtbenutzung, 1863. Dombrowski. Encyklopädie d. Forſt⸗ u. Jagdwiſſenſch. IV. Bd. 161 Debatten hervorgerufen als die Waldſtreu. Es würde zu weit führen, auch nur die wich— tigſten Werke in dieſer Richtung hier anzuführen, und wird deshalb auf die vom Profeſſor Weber verfaiste Einleitung zu den Arbeits— plänen über Streuverſuche in Ganghofer (Das forſtliche Verſuchsweſen, II. Band, 1. H., 1882) verwieſen. Die Geſchichte der Literatur über das Forſteinrichtungsweſen iſt enge verknüpft mit der Entwicklung dieſer Diſciplin ſelbſt, welche in dem Artikel „Forſteinrichtung, Ge— ſchichte derſelben“ behandelt worden iſt. Die wichtigſten Werke der dort genannten Gelehrten, welche entweder eine neue Methode begründeten oder die Weiterbildung bereits vorhandener Verfahren zur Folge hatten, ſind: Oettelt Praktiſcher Beweis, daſs die Matheſis beim Forſtweſen unentbehrliche Dienſte thue, 1765, Anleitung zu der neuen auf Phyſik und Mathematik gegründeten Forſtabſchätzung und Forſtflächeneintheilung, 1794 (Darſtellung des Wedell'ſchen Verfahrens, bearbeitet von Wie— ſenhavern); Maurer, Betrachtungen über einige ſich neuerlich in die Forſtwiſſenſchaft ein— geſchlichene irrige Lehrſätze und Künſteleien, 1783; Kregting, Mathematiſche Beiträge zur Forſtwiſſenſchaft, 1788; Hennert, Anleitung zur Taxation der Forſten, 1791; G. L. Hartig, Anweiſung zur Taxation der Forſten, 1795; Schilcher, Über die zweckmäßigſte Methode den Ertrag der Waldungen zu beſtimmen, 1796; - Cotta, Syſtematiſche Anleitung zur Taxation der Waldungen, 1803/4; Klipſtein, Verſuch einer Anweiſung zur Forſtbetriebsregulierung; Hundeshagen, Die Forſtabſchätzung auf neuen wiſſenſchaftlichen Grundlagen, 1826; Karl, Grundzüge einer wiſſenſchaftlich begründeten Forſtbetriebsregulierungsmethode, 1838, und ſeine: Forſtbetriebsregulierungsmethode nach der Fach werfsmethode, 1851; C. Heyer, Die Wald— ertragsregelung, 1841; Breymann, Anleitung zur Holzmeſskunſt, Waldertragsbeſtimmung und Waldwertberechnung, 1868. Daneben iſt auch noch eine reiche Literatur von Hand- und Lehrbüchern zu verzeichnen. Dieſelben repräſentieren hauptſächlich die ma— thematiſche Richtung der Betriebsregelung, ſo namentlich: Hoßfeld, Die Forſttaxation nach ihrem ganzen Umfang, 1823-1825; Sma⸗ lian, Anleitung zur Unterſuchung und Feſt⸗ ſtellung des Waldzuſtandes, der Forſteinrich— tung, des Ertrages und Geldwertes der Forſte, 1840; doch fehlte es in der Literatur auch nicht an Vertretern des Fachwerkprincips, von wel— chen noch beſonders zu nennen ſind: E. F. Hartig, Die Forſtbetriebseinrichtung nach ſtaatswirtſchaftlichen Grundſätzen, 1825; Pfeil, Die Forſttaxation, 1833; Albert, Lehrbuch der forſtlichen Betriebsregulierung, 1861; und Grebe, Die Betriebs- und Ertragsregulierung der Forſten. 1867. Für das Studium der Re⸗ gelung des Forſtbetriebes nach Grundſätzen der Reinertragstheorie kommt vor allem: Judeich, Die Forſteinrichtung, 1871, ſowie die von Guſtav Heyer beſorgte dritte Auflage der Carl Heyer'ſchen Waldertragsregelung, 1883, in Betracht. 11 162 Forſtwiſſenſchaft. Von den drei Gruppen der Hilfs- und Grundwiſſenſchaften war die Mathematik am früheſten bereits vollſtändig durchgebildet und einer Anwendung für die Zwecke der Forſt— wirtſchaft fähig; die Naturwiſſenſchaften be— gannen erſt gegen das Ende des XVIII. Jahr— hunderts ihre Blüten zu entfalten und von einer wiſſenſchaftlichen Volkswirtſchaftslehre kann vor Adam Smith nur in untergeordnetem Maß geſprochen werden. 1. Wenden wir uns zunächſt zur Betrach— tung der Geſchichte der Forſtmathematik. a) Forſtvermeſſung. Das Bedürfnis der Praxis war die Veranlaſſung, daſs ſchon in ziemlich früher Zeit wenigſtens ein Theil der Forſte regelrecht vermeſſen wurde. Die Ein— theilung des Niederwaldes in Schläge, ſowie der hiemit in Verbindung ſtehende flächenweiſe Verkauf des Holzes haben die Kenntnis der Größe des Waldes ſowie eine Abmeſſung der Jahresſchlagflächen und Verkaufsloſe zur Vor— ausſetzung; das Meſſungsverfahren war aller— dings ein ziemlich einfaches. An vielen Orten begnügte man ſich ſelbſt noch gegen Ende des XVIII. Jahrhunderts damit, die Ausdehnung der Waldungen gutachtlich nach Stunden oder Meilen anzuſprechen, kleinere Flächen wurden nach dem Umſchreiten und kreuzweiſen Durch— gehen geſchätzt, es ſind indeſſen auch genügende Beweiſe dafür vorhanden, dafs eine genauere Vermeſſung der Waldungen ſchon zu Beginn des XVIII. Jahrhunderts nicht gerade zu den Seltenheiten gehörte. Langen und Oettelt legten auf eine gute Forſtvermeſſung großes Gewicht, da ſie ja die Fläche faſt ausſchließlich als Regulativ für die Wirtſchaft benützten. Die älteſte Anleitung zur Forſtvermeſſung iſt in der „Praxis geométriae“ von Penther (1. Auflage, 1729, 9. Auflage, 1788) enthalten, um die Mitte des XVIII. Jahrhunderts be— ſchäftigte ſich Vierenklee in ſeinen „Anfangs— gründen der theoretiſch-praktiſchen Geometrie“ (1767) auch eingehend mit der Forſtvermeſſung. Die Inſtrumente, welche nach dieſen Autoren hiebei gebraucht wurden, ſind: ein kleiner Meſs— tiſch (Mensula Praetoriana), die Buſſole und das Aſtrolabium. Man beſchränkte ſich bei der Flächenermittlung im Weſentlichen auf die Meſſung der Umfangswinkel und Seiten, von denen erſtere mit Hilfe des Transporteurs auf— getragen wurden. Auch in der zweiten Hälfte des XVIII. Jahr— hunderts war es lediglich das graphiſche Ver— fahren, welches zur Beſtimmung der für die Flächenberechnung nothwendigen Elemente an— gewendet wurde; ſei es, daſs die Aufnahme mit dem Meſstiſch erfolgte, oder daſs man die ge— meſſenen Winkel und Seiten mittelſt Trans— porteurs und ergänzten Maßſtabes zur Con— ſtruction des Planes benützte. Däzel war der Erſte, welcher die poly— gonometriſche Methode nach den Formeln Lexells, Profeſſors der Mathematik in Peters— burg bei den Forſtvermeſſungen zur Anwendung brachte ); nach ſeiner Anleitung wurden von * Däzel, Über die zweckmäßigſte und zuverläſſigſte Methode, große Waldungen zu meſſen, zu zeichnen und zu berechnen, 1799. dem Forſtmeſſer Neebauer 1798 das Revier Höhenkirchen und 1797 das Revier Eglharding in Oberbayern mit einem kleinen Reichenbach'ſchen Theodoliten aufgenommen. n Am früheſten wurden die Theodolitmeſſung und polygonometriſche Berechnung für Forſtver— meſſungen im Großherzogthum Heſſen ge— braucht, wo ſchon ſeit Beginn der Landesver— meſſung zu Anfang der 1820er Jahre Fluren, Gewanne und Waldungen nur auf dieſe Weiſe aufgenommen wurden, namentlich der Oberforſt— ſecretär Reißig war es, welcher ſich um die Durchführung dieſer Arbeiten ſehr verdient ge— macht, und 1820 ſeine mit ſehr großem Beifall aufgenommenen Coordinatentafeln herausgab. In den übrigen Staaten blieben theils der Meſstiſch, theils die Buſſole bei den Forſtver— meſſungen faſt ausſchließlich in, Anwendung, erſterer wurde namentlich in Oſterreich und Bayern, letztere in Preußen, wo ſie durch die Inſtruction von 1819 vorgeſchrieben war. All— mählich verdrängte jedoch der Theodolit die unvollkommenen Inſtrumente, wenigſtens bei der Meſſung der Eigenthumsgrenzen und Um— fangslinien, mehr und mehr, und iſt derſelbe für dieſe Zwecke jetzt in Deutſchland faſt aus⸗ ſchließlich in Gebrauch. Die Entwicklung des Forfteinrichtungs- weſens hat ſeit der Mitte des XVIII. Jahr⸗ hunderts auch die Weiterbildung der Methoden der Forſtvermeſſung und Cartierung durch den Erlass zahlreicher Inſtructionen gefördert. Bereits Wedell hat um 1766 gemein- ſchaftlich mit dem Bauinſpector Geißler eine ſolche bearbeitet, welche auf Anwendung der Buſſole beruhte; 1783 erließ Kropff eine Ver- meſſungsinſtruction und 1787 Hennert das vortreffliche „Reglement für die Ingenieurs bei Vermeſſung der Forſten“. In letzterem wurden drei Arten von Karten vorgeſchrieben: 1. Brouil⸗ lonkarten im Maßſtabe von 50 Ruthen — 1rheinl. Decimalzoll, 2. reducierte Karten in jenem von 250 Ruthen = 1“ rheinl. Maßes, und 3. Forſtſituationskarten. Hartig und Cotta behandelten in ihren Anleitungen zur Forſttaxation auch dieſen Gegen- ſtand, und in Zuſammenhang mit den Forſtein— richtungsinſtructionen, welche etwa ſeit 1820 in allen deutſchen Staaten erlaſſen wurden, er— ſchienen meiſt auch Anleitungen zur Forſtver— meſſung (3. B. Inſtruction für die königlich preußiſchen Forſtgeometer vom 13. Juli 1819, Beſtimmungen und Inſtructionen über das bei Forſtvermeſſungen im Königreich Sachſen zu beobachtende Verfahren von 1841, Inſtruction für die Begrenzung, Vermarkung, Vermeſſung und Betriebseinrichtung der öſterreichiſchen Staats- und Fondsforſte, 1878). Von den verſchiedenen Werken, welche im XIX. Jahrhundert die Forſtvermeſſung ſyſte— matiſch behandelten, ſind beſonders zu nennen: Ernſt Friedrich Hartig, Praktiſche An— leitung zum Vermeſſen und Chartieren der Forſte in Bezug auf Betriebsregulierung, 1828; ferner Kraft, Die Anfangsgründe der Theo— dolithmeſſung und der ebenen Polygonometer, 1865, und Baur, Lehrbuch der niederen Geo— | Forſtwiſſenſchaft. 163 däſie, vorzüglich für Forſtwirte, Cameraliſten und Okonomen, 1858. b) Holzmeſskunde. Weſentlich ſpäter als die Forſtvermeſſung entwickelte ſich die Holz— meſskunde, deren Fundament eigentlich erſt durch Oettelt in ſeinem 1765 erſchienenen Werk: Praktiſcher Beweis, daſs die Matheſis beim Forſtweſen unentbehrliche Dienſte thue, gelegt worden iſt. Bis auf Oettelt kannte man eine genaue Methode, die Maſſe eines Baumes zu be— ſtimmen, überhaupt nicht, ſondern taxierte ent— weder gutachtlich deſſen Inhalt nach Klaftern bezw. die Nutzholzelaſſe, in welche er gehörte, oder richtete ſich beim Verkauf vorwiegend nach der Bruſtſtärke und Höhe, bei Schnittholz ſchätzte man, wie viele Bretter der Baum wohl liefern könne. Erſt Oettelt lehrte 1765 die Maſſe eines Nadelholzſtammes nach der Formel für den geradſeitigen Kegel zu ermitteln. Für ent— wipfelte Stämme wurde ſeit der Mitte des XVIII. Jahrhunderts meiſt die Formel des ge— d Tee glichenen Durchmeſſers — () h an⸗ gewendet, deren Ungenauigkeit man durch ver— ſchiedene Correcturen zu verbeſſern ſuchte, z. B. Hennert dadurch, dafs er die hienach erhaltene Maſſe noch um einen Kegel von dem Inhalt (I) h ehrt 4 5 3. ermehrte. In Krünitz „Okonomiſche Eneyklopädie“, 1781 (Art. „Holz“), wurde bereits die Maſſen— ermittlung nach der Formel Mittelfläche und Länge gelehrt, und 1787 erſchienen in Gießen Kubiktabellen, welche nach der gleichen Formel berechnet ſind. Der bayriſche Salinenforſtinſpector Huber hat dieſe unter anderem auch in der preußiſchen Revierförſterinſtruetion von 1847 enthaltene Formel weiter verbreitet, weshalb dieſelbe häufig nach ihm benannt wird. Die ſtereometriſche Inhaltsberechnung wurde durch Formeln von Smalian, Hoßfeld, Preßler und namentlich von dem Oberſtudien— rath von Riecke weitergebildet. Um die verſchiedenen zur Maſſenberechnung nothwendigen Dimenſionen zu ermitteln, be— diente man ſich neben dem gewöhnlichen Maß— ſtab zur Stärkemeſſung im XVIII. Jahrhundert ausſchließlich der Meſsſchnur, Draht oder der Baummeſskette, welche ſich auch während der erſten Hälfte des XVIII. Jahrhunderts noch in der Praxis behaupteten. In Cottas Forft- taxation, 1804, und in dem Hartig'ſchen Lehr— buch für Förſter, 1808, wird zuerſt die Kluppe erwähnt. Erſt ſeit 1840 traten indeſſen an die Stelle der meiſt roh und ungeſchickt gearbeiteten älteren Kluppen verbeſſerte Conſtructionen von: Smalian, Reißig, Friedrich, Püſchel, Stahl, C. Heyer, Ed. Heyer, G. Heyer u. a. m., welche die Umfangsmeſſung allmählich vollſtändig verdrängt haben. Der Baummeſszirkel war in den erſten Decennien des XIX. Jahrhunderts an ver— ſchiedenen Stellen im Gebrauch, ſo hat unter anderem der Hilfsförſter Kielemann zu Haſſenfelde bei Frankfurt a. O. 1840 einen ſolchen conjtruiert *), welcher dem Tharander ganz ähnlich war, um deſſen Verbeſſerung ſich be— ſonders Preßler bemüht hat. Da die Stämme früher meiſt ſtehend ver— kauft wurden, ſo ſuchte man nach Mitteln, um die Höhe des ſtehenden Baumes und wo mög— lich auch deſſen Zopfdurchmeſſer zu bejtimmen. Schon Döbel verwendete das rechtwinkelige Dreieck in verſchiedenen Formen zum Höhen— meſſen, Däzel und Jung conſtruierten eben— falls Baumhöhenmeſſer. Das vollkommenſte der— artige Inſtrument war während des XVIII. Jahr— hunderts der von Reinhold, Profeſſor der Mathematik, zu Osnabrück im Jahre 1780 er— fundene „Erdmikrometer“, welcher in ſeiner Conſtruction dem Klausner'ſchen Höhenſtärken— meſſer nahe ſteht. Der erſte, einfache und doch zugleich genaue Höhenmeſſer iſt von Hoßfeld angegeben, wäh— rend König das bereits längere Zeit gebräuch— liche, in Quadrate getheilte Brettchen mit Loth etwas vervollkommnet und in die Praxis ein— geführt hat. Weſentlich verbeſſerte Höhenmeſſer wurden in neuerer Zeit in großer Anzahl con— ſtruiert, von denen namentlich jene von Winkler, Fauſtmann, Weiſe, E. Heyer und Preßler zu erwähnen ſind. Seitdem der Verkauf des Holzes auf dem Stock weniger gebräuchlich geworden iſt, wird den ſog. Baumſtärkemeſſern nur mehr geringe Beachtung geſchenkt, die beſten derſelben ſind mit den Höhenmeſſern von Winkler und Klausner verbunden. Um den Feſtgehalt des in Raummaßen aufgeſchichteten Holzes kennen zu lernen, ſtellte ſchon Oettelt Unterſuchungen auf ſtereometriſchem Wege und Hennert im Jahre 1782 ſolche auf xylometriſchem Wege an; im XIX. Jahr— hundert wurde letzteres Verfahren durch Ein— führung verbeſſerter Apparate zu einem hohen Grade von Genauigkeit gebracht. Solche Appa— rate wurden conſtruiert von: Hoßfeld, Egger, Reißig, Klauprecht, C. Heyer, Th. u. R. Hartig. Die gegenwärtig übliche Conſtruction ſtellt eine Verbeſſerung der von Reißig und Klauprecht angegebenen Formen vor. Die erſte Idee zur Ermittlung der Form— zahlen und deren Anwendung zur Cubirung ſtehender Bäume verdanken wir Paulſen, welcher 1800 in einer als Manufeript in Nord— deutſchland verbreiteten Abhandlung in voll— wüchſigen Laubwäldern je nach der Kronen— länge drei Baumclaſſen mit den Reductions— zahlen 0•75, 066 und 0°50 unterſchied. Eine Formel für die Ermittlung der Formzahlen gab Paulſen noch nicht, dieſe lieferte erſt Hoß— feld 1812. Hundeshagen, König und Smalian haben die Lehre von den Formzahlen weſentlich gefördert, während aber von erſteren nur Bruſt— höhenformzahlen berechnet wurden, entwickelte Smalian 1837**) zuerſt die Idee der echten oder Normalformzahlen, indem er die Grund— ſtücke ſtets in /½% h maß; 1840 ſagte er, dajs *) Allg. Forſt⸗ und Jagdzeitung, 1841, p. 403. ** Smalian, Beitrag zur Holzmeſskunſt, 1837, p. 72. 9 164 Forſtwiſſenſchaft. man dieſelbe allgemein in „nh ermitteln müſſe. | meiften Anleitungen zur Forſteinrichtung bis Dieſer Gedanke fand damals wenig Anklang, wurde aber von Preſsler wieder aufgenommen und eifrig weiter verfolgt. Den Begriff der ab— ſoluten Formzahl ſtellte Rinicker 1873 zu— erſt auf“). Man war auch ſchon frühzeitig daran ge— gangen, ſtatt der Formzahlen direct Durch— ſchnittswerthe für die Maſſen der einzelnen Bäume, d. h. Maſſentafeln zu berechnen. Die erſten derſelben rühren von Cotta her, welche bereits in ſeiner „Syſtematiſchen Anleitung zur Forſttaxation“ 1804 Maſſentafeln für die Buchen des Zillbacherforſtes veröffentlichte; in ſeinem „Waldbau“ gab er 1817 ausführlichere ſog. „Normaltafeln“, bei welchen er jedoch nicht wie ſonſt üblich vom Cylinder, ſondern vom gerad— ſeitigen Kegel ausgieng. König verfolgte an— fangs die Idee Cotta's, die eigenthümlichen Baumformen der verſchiedenen Holzarten zur Maſſenermittlung zu benützen, weiter und gab 1813 Tafeln für die wichtigſten Waldbäume nach fünf Wachsthumsclaſſen. Späterhin ſetzte König an die Stelle der Maſſentafeln ſeine Richt— höhentafeln, die von ihm 1840 veröffentlichten „allgemeinen Waldſchätzungstafeln“ ſind keine Maſſentafeln in unſerem Sinn, ſondern eigent— lich Ertragstafeln. Ungleich höheren Werth als die König'ſchen Waldmaſſentafeln haben die bayriſchen Maſſentafeln, welche im Laufe der 1840er Jahre auf Grund der an 40.220 Stämmen durchgeführten Formzahlunterſuchun— gen aufgeſtellt wurden. Stahl rechnete ſie 1852 in preußiſches, Buſchek 1855 in öſterreichiſches Maß, Behm 1872 und Ganghofer 1875 für Metermaß um. Der erſte, welcher ſtatt der rohen Ocular— taxation eine ſpecielle Aufnahme der vor— handenen Holzmaſſe anwandte, war um die Mitte des XVIII. Jahrhunderts Joh. Gottl. Beckmann. Derſelbe umſpannte den betreffenden Dijtriet oder bei zu großer Ausdehnung des— ſelben ein Stück nach dem andern mit Bind— faden und ließ in jeden Baum einen Birken— nagel einſchlagen, deſſen Farbe je nach der Stärkeclaſſe, welcher der Baum angehörte, ver— ſchieden war. Da man die Zahl der zu Beginn der Arbeit vorhandenen Birkennägel jeder Farbe kannte, ſo konnte man leicht berechnen, wie viele Stämme in jeder Claſſe auf der Fläche vor— handen waren. Durch Multiplication der be— treffenden Anzahl mit dem erfahrungsmäßigen durchſchnittlichen Feſtgehalt der betreffenden Sor— timentsclaſſen ergab ſich der geſammte Vorrath. Da dieſe Methode höchſt ſchwerfällig war, ſo ſuchte man dieſelbe auf verſchiedene Weiſe zu vereinfachen. Zanthier ließ Holzhauer in gleichen Abſtänden durch den Wald gehen und die einzelnen Stämme nach Stärkeclaſſen no— tieren, Vierenklee verfuhr ähnlich wie Beck— mann, ließ aber noch Leute nachgehen, um die Birkennägel wieder herauszuziehen. Da die ſpecielle Aufnahme ganzer Beſtände zu zeitraubend erſchien, ſo wandte man ſchon vor Beckmann die Maſſenermittlung nach Probe— flächen an, eine Abkürzung, welche von den *) Rinicker, Über Baumform und Beſtandesmaſſe, 1877 in die neueſte Zeit herein vorgeſchrieben wurde. Wegen der Ungenauigkeit und Schwer— fälligkeit der anfangs üblichen Maſſenermitt⸗ lungsmethoden betrachtete schon Flemming (um 1726), jpäter auch andere Forſtwirthe des XVIII. Jahrhunderts, z. B. Hennert, den Kahl— abtrieb als das ſicherſte Mittel, die Holzmaſſe auf Probeflächen zu beſtimmen. Die im XVIII. Jahrhundert gebräuchlichen Verfahren der Beſtandesmaſſenermittlung waren jo ſchwerfällig und dabei doch jo ungenau, dass die Oculartaxation doch immer weitaus am meiſten Anwendung fand. Erſt Hoßfeld lehrte 1812*) die Maſſenaufnahme nach der Formel: GHf, wobei G gemeſſen und die Bäume nach Formclaſſen eingeſchätzt werden ſollten; 1823 nahm er für den ganzen Beſtand nur eine ge— meinſchaftliche mittlere Formzahl an. König lehrte 1835 ebenfalls als Methode der genauen Beſtandesaufnahme: Meſſung von 6 und b, Einſchätzung von k, daneben beſchäftigte er ſich aber noch eingehend mit den verſchiedenen Ver— fahren einer annähernden Maſſenſchätzung. Während Hoßfeld die mittlere Höhe in— direct aus dem Durchſchnitt der Claſſen erhielt und die mittlere Formzahl ſchätzte, lehrte Huber 1824 dieſe Größen am arithmetiſch-mitt⸗ leren Modellſtamm direct meſſen. Sein Verfahren hat ſich lange in der Praxis er— halten und iſt erſt ſeit 1857 durch die neueren und feineren Verfahren von Draudt und Urich verdrängt wurden. Preßler empfahl anfangs (1853) das Maſſenaufnahmeverfahren vermittels echter Form— zahlen und dann 1837 ſeine Grundſtärken- und Richthöhenmethode, ohne dass dieſe jedoch größere Verbreitung gefunden haben. Die erſte Anleitung zu Ertragsver— ſuchen und zur Aufſtellung einer Ertrags— tafel wurde im Jahre 1721 von Réaumur für die franzöſiſchen Niederwaldungen gegeben, wobei er das Kahlhiebsverfahren angewendet wiſſen wollten n). Auch Oettelt gab eine An— leitung zu dieſem Zweck, wobei er vorſchlug, den Holzgehalt der älteren Beſtände aus einem jüngeren durch Veranſchlagung des mittleren Cubikinhaltes eines Stammes und der Zahl der Durchforſtungsſtämme abzuleiten. Die erſten Ertragstafeln in unſerem Sinne hat Paulſen in ſeinem 1787 der Detmold'ſchen Kammer eingereichten „Entwurf zur wirthſchaftlichen Eintheilung des Holzvorrathes ſowohl in Eichen— als in Buchenforſten, ſo überhaupt als Baum und nicht als Schlagholz betrieben werden“ aufgeſtellt und ſolche 1795 für Buchen-, Eichen⸗, Fichten- und Kiefernhochwald uud für Buchen— niederwald veröffentlicht. Auch Hennert theilt Angaben der Haubarkeitserträge für Kiefern und für Niederwaldungen mit. Erhöhte Bedeutung gewann die Beſtimmung des künftigen Haubarkeitsertrages ſeit der Ent— wicklung des Maſſenfachwerkes. *) Hojsfeld, Niedere und höhere praktiſche Stereo— metrie, 1812, p. 189. ) M.d.Reaumur, reflexions sur l'état des bois du royaume, (Mem, de l’acad. royale des soiences, année 1721, Mm. 294.) Forſtwiſſenſchaft. G. L. Hartig veröffentlichte bereits 1793 Ertragstafeln, ebenſo auch Cotta 1817 in ſeinem Waldbau, letzterer nach 10 Bonitäten getrennt. Um das Jahr 1800 wurde auch bereits die Methode, durch Stammanalyſen den Zu— wachsgang der Beſtände zu ermitteln und dar— zuſtellen, in Anwendung gebracht. Seutter war der Erſte, welcher verſuchte auf dieſem Wege Ertragstafeln für die Buche zuſammen— zuſtellen; Späth conſtruierte 1797 die erſten Wachsthumskurven, von ihm „Logiſtik“ ge— nannt; Hoßfeld baute mit den Vorarbeiten von Seutter und Späth weiter, zeigte aber auch ſchon, wie man durch dauernde Beobachtung von Probebeſtänden Ertragstafeln erhalten und deren Ergebniſſe durch Curven darſtellen könne. Das erſte durchgebildete Weiſerverfahren gab Huber 1824 an. Hnndeshagen, deſſen Forſteinrichtungs— verfahren auf einer genauen Kenntnis des Nor— malvorrathes und Zuwachsganges beruhte, ver— öffentlichte ziemlich gleichzeitig mit Hoßfeld und Huber ebenfalls Ertragstafeln. r Seit 1830 iſt eine ganze Reihe ſolcher Tafeln erſchienen, ſo von Smalian, Karl, der badiſchen Forſtverwaltung, König, Preßler; ſie leiden aber alle an dem Mangel, daſs ihnen zu wenige und nicht genügend exacte Beobachtungen zu grunde liegen. Erſt ſeitdem durch Gründung der forſtlichen Verſuchsanſtalten Gelegenheit zur Sammlung des nöthigen Grund— lagematerials gegeben und Klarheit hinſichtlich der an dasſelbe zu ſtellenden Anforderungen er— zielt iſt, beſteht die Ausſicht, der Löſung dieſes Problems näher zu kommen. Neben der Beſtimmung des Zuwachs— ganges der Beſtände durch alle Altersſtufen bejajs ſtets auch die Unterſuchung über den Zuwachs der Einzelſtämme und auch der Beſtände für längere und kürzere Perioden hohe praktiſche Bedeutung. G. L. Hartig gab bereits 1793 und H. Cotta 1804 Anleitungen zur Ermittlung des Zuwachſes für die letzten 20 bezw. 10 Jahre, beide ſtellten auch Zuwachsprocenttafeln auf. Eine ſehr bedeutende Förderung erfuhr die Zuwachslehre durch König, welcher leider ſeine Ausführungen in wenig handgerechter und ge— meinfajslicher Form vortrug. Preßler hat die in der Hauptſache ganz richtigen Ideen Königs vielfach benützt, vervollſtändigt und in gebrauchs— gerechte Formen gebracht. Fr. W. Schneider gab A 1853 die einfache Zuwachsprocentformel = Bedeutende Fortſchritte machte die Zuwachs— lehre und die Methode der Zuwachsermittlung durch die Arbeiten von Karl Heyer, Eduard Heyer und Guſtav Heyer, vor allem aber durch Preß ler. Letzterer vervollkommnete nicht nur die Theorie des Zuwachſes und eröffnete der Zuwachslehre zahlreiche neue Geſichtspunkte, ſondern gab auch der Praxis durch ſeinen Zu— wachsbohrer, den Meſsknecht und zahlreiche Ta— bellen äußerſt ſchätzenswerte Hilfsmittel. Von den Lehrbüchern der Holzmeſskunde ſind beſonders hervorzuheben: Smalian, — ———— ͤ— —— ͤ —G—ñää — 165 Beitrag zur Holzmeſskunſt, 1837; Klauprecht, Holzmeſskunſt 1842 und 1846, Baur, Holz— meſskunſt 1. Aufl. 1860, 3. Aufl. 1882 und Kunze, Holzmeſskunſt 1873. e) Waldwertberechnung und Statik. Für die Ermittlung des Wertes eines Wal— des erſchien lange Zeit der augenblickliche Ver— brauchswert des haubaren Holzes als der beſte Maßſtab, das jüngere Holz und der Boden— wert wurden gar nicht gerechnet. Als man ſpäter einen nachhaltigen Ertrag der Waldun— gen zu ermitteln lernte, benützte man dieſen, nebſt dem Erlös aus Maſt und Weide, um durch Capitaliſirung des Geldwertes der jähr— lichen Nutzungen den Waldwert zu beſtimmen. Oettelt machte den Vorſchlag, die Größe der Waldfläche mit dem Ertrag der haubaren Flächeneinheit zu multiplicieren und das halbe Product als Waldwert zu betrachten; im Princip läuft dieſes Verfahren auf die Formel F — hinaus. In Oſterreich, wo infolge der Kloſterauf— hebung durch Kaiſer Joſef II. große Waldver— käufe vorkamen, wurde nach längerer Be— rathung im Jahre 1788 ein Hofkammer— decret für das hier in Anwendung zu kom— mende Wertberechnungs verfahren erlaſſen, welches die Grundlage für die ſpäterhin als öſterreichiſche Cameraltaxe bekannt gewordene Forſteinrichtungsmethode darſtellt *). Von jedem zu veräußernden Wald ſollte nach dieſem Decret der mögliche Ertrag und der zu demſelben gehörige Normalvorrath (fundus instructus) erhoben werden. Der erſtere gab nach Abzug der Steuern und Regiekoſten mit 5% capitaliſiert den normalen Waldwert, welcher um die Differenz zwiſchen dem kundus instructus und dem wirklichen Vorrath erhöht oder erniedrigt werden muſste. Die Geſchichte der moderuen Waldwerth— berechnung beginnt mit einem Schreiben der Feldjäger Bein und Eyber an den Oberforſt— meiſter von Burgsdorf aus dem Jahre 1799 (Diana II, p. 131), in welchem ſie darauf auf— merkſam machten, daß man von einem Forſt nicht den jetzigen durchſchnittlichen Ertrag als zu capitaliſirende Rente anſehen könne, wenn die Einnahmen aus demſelben ungleich eingiengen und ſein Etat ſteigend ſei. Dieſes Schreiben veranlaßte Nördlinger und Hoßfeld im III. Band der Diana (1805 ihre diesbezüglichen Anſichten auszuſprechen, wobei ſie die Methode des Erwartungswertes zuerſt gelehrt und den Grund zur heutigen Waldwertberechnung gelegt haben. Nördlinger berechnete den Waldwert als die Differenz der prolongirten Einnahmen und Ausgaben, hatte aber nur im jährlichen Betrieb bewirtſchaftete Waldungen im Auge. Hoßfeld ſtellte bereits den allgemeinen Grundſatz auf, daſs man alle künftigen Ein⸗ nahmen, die aus dem Wald zu ernten ſind, vorausbeſtimmen müſſe, um fie durch Discon⸗ tirung auf ihren gegenwärtigen Wert zu re— *) Das Hofkammerdeeret iſt abgedruckt im Tharander forſtlichen Jahrbuch, 1869, p. 7s ff. 166 Forſtwiſſenſ chaft. ducieren, ſo daſs die dafür zu zahlende Kauf— ſumme zu der Zeit, wo dieſe Nutzung eingeht, mit den zugeſchlagenen Zinſen eine gleich große Summe beträgt wie die zu erwartende Ein— nahme. Hoßfeld entwickelte gleichzeitig die nö— thigen Formeln der Zinſeszinsrechnung ganz richtig. Auch Cotta und Hartig beſchäftigten ſich mit den Problemen der Waldwertberechnung. Der erſtere lehrte (Anleitung zur Forſttaxation II. Band), daſs der Wert eines Waldes gleich ſei der Differenz des Bruttojahresertrages und der nothwendigen Unterhaltungskoſten, capita— liſiert mit 3%. Hartig wollte nach ſeiner 1812 veröffentlichten „Anleitung zur Berechnung des Geldwertes eines KForftes“ den Bodenwert und Beſtandeswert geſondert erhoben wiſſen, erſteren ſetzte er gleich dem capitaliſierten Netto— jahresertrage, letzteren berechnete er durch Addi— tion der einzelnen Erträge, welche mit einfachen Zinſen discontirt wurden. Hundeshagen lehrte dann, dafs ſich der Wert eines Waldes zuſammenſetze aus dem Betrage ſeines Boden- und Materialcapitales. Hoßfeld hielt auch in ſeiner „Wertsbe— ſtimmung“ von 1823 daran feſt, mit Hilfe der für den Bodenwert zutreffenden Formel Wald— werte zu berechnen. Große Waldungen ſollten in Theile (Reviere) von gleichen Standorts- und Wirthſchaftsverhältniſſen zuſammengefaſst und für jeden derſelben die vortheilhafteſte Bewirt— ſchaftungsart beſtimmt werden. In der nun folgenden Periode wurde der mathematiſche Theil der Waldwertberechnung mit großem Eifer gefördert. Zunächſt arbeitete König in dieſer Richtung weiter, welcher ſchon 1813 in ſeiner „Anleitung zur Holztaxation“ die erſte mit Unterſtellung des ausſetzenden Betriebes geführte und in allen ihren Theilen richtige Berechnung des Erwartungswertes eines nackten Waldbodens gegeben hatte; in der III. Auflage ſeiner „Forſtmathematik“ 1846 beſchäftigte ſich König auch mit dem Beſtandes— erwartungswert, ohne jedoch eine vollſtändige Löſung hiefür zu finden. Die Formel für den Bodenerwartungswert wurde 1849 von Fauſtmann auf Grund ſtreng wiſſenſchaftlicher Entwicklung aufgeſtellt, jene für den Beſtandeserwartungswert von Oetzel, nachdem Widemann ſchon 1828 eine voll ſtändig richtige Berechnung derſelben gegeben hatte, in welcher man nur die Bezeichnung der Ausgaben vermiſst. Dajs zu dieſen auch die Bodenwerte gehören, lehrte Pfeil 1816 und Riecke 1829. Breymann und Preßler bearbeiteten ebenfalls zunächſt mehr die Rechnungsmethoden, Burckhardt dagegen wandte ſich einer weſent— lich praktiſchen Richtung zu, Boſe leiſtete für die Theorie der Waldwertberechnung Er— ſprießliches, während der mathematiſche Theil derſelben ſeine vollſtändigſte Bearbeitung durch Guſtav Heyer in ſeiner „Anleitung zur Wald— wertberechnung“ (J. Aufl. 1865, III. Aufl. 1883) gefunden hat. Große Meinungsverſchiedenheit beſtand lange Zeit über die bei der Waldwertermitt— lung anzuwendende Art der Zinſenberech nung. Bein und Eyber waren bereits gegen vollſtändige Berechnung der Zinſeszinſen und für beſchränkte Zinſen, wähend Nördlinger und Hoßfeld, ebenſo auch Cotta 1804 für die Rech— nung mit Zinſeszinſen eintraten. Letzterer än— derte jedoch ſpäter ſeine Anſicht und wandte 1818 in ſeiner „Anweiſung zur Waldwert— berechnung“ arithmetiſch-mittlere Zinſen an. — G. L. Hartig rechnete ausſchließlich mit einfachen Zinſen, näherte ſich jedoch dem Re— jultate der Zinſeszinsrechnung dadurch, dass er einen ziemlich hohen Zinsfuß annahm und den— ſelben periodiſch nicht unbeträchtlich ſteigen ließ. Die ſpäteren Schriftſteller verließen alle die Rechnung mit einfachen Zinſen, dagegen tauchten verſchiedene andere Vorſchläge auf, die Rechnung mit Zinſeszinſen zu umgehen. Mos— heim empfahl 1829 die Rechnung mit geometriſch mittleren Zinſen, welche auch v. Gehren 1855 und Hierl 1852 adoptierten. Durch Burckhardt endlich wurde die Rechnung mit beſchränkten Zinſeszinſen wieder in die Literatur eingeführt. Hundeshagen, König, Pfeil ſowie die ſämmt— lichen neueren forſtlichen Autoren: Breymann, Preßler, G. Heyer, Albert u. A. erklärten ſich ausſchließlich für die Anwendung von Zinſes— zinſen. Wenn auch lange Zeit lediglich die Aus— bildung der Technik im Vordergrund ſtand, ſo tauchten doch ſchon frühzeitig auch Unterſuchungen über die Erzielung des höchſten wirt ſchaft— lichen Effectes beim forſtlichen Betrieb auf. Die erſten forſtſtatiſchen Unterſuchungen rühren von Zanthier her, welcher in ſeinem „kurzen ſyſtematiſchen Grundriß der praktiſchen Forſt— wiſſenſchaft“ bereits im Jahr 1764 in ſtreng wiſſenſchaftlicher Weiſe mit Anwendung einer Art beſchränkter Zinſeszinsrechnung eine Vergleichung der Rentabilität der vorherrſchenden Betriebs- arten anſtellte und dabei zu dem Reſultat kam, daſs überhaupt unter allen Betrieben der Fich— tenhochwald, beim Laubholz aber das Buſch— und Stangenholz den Vorzug verdienen. Hieran ſchloſſen ſich die Erörterungen über die vortheilhafteſte Umtriebszeit. Schon Seitter*) unterſchied 1789 eine phyſiſche und eine ökonomiſche Haubarkeit, Seutter bezeichnete 1799 den Moment der Culmination des Durchſchnittszuwachſes als das richtige Abtriebsalter. In ähnlicher Weiſe unter— ſchieden die Schriftſteller aus den erſten De— cennien des 19. Jahrhunderts verſchiedene Um— triebszeiten, je nachdem ein höheres Geldein— kommen oder die Erreichung eines beſtimmten techniſchen Zweckes erſtrebt wurde. Pfeil war der erſte, welcher 1820 nicht die Erlangung des höchſten jährlichen Brutto— ertrages, ſondern die entſprechende Verzinſung des Bodencapitales als die Aufgabe der Forſt— wirtſchaft bezeichnete; wenige Jahre ſpäter (1823 und 1824) lehrte er dann weiter, daſs die vor— theilhafteſte Umtriebszeit jene ſei, für welche ſich der größte Bodenwert berechne. Während er jedoch anfangs die gleichen Grundſätze für die Staatsforſtwirtſchaft wie für die Privatforſt— ) Jeitter, Syſtematiſches Handbuch der theoreti- ſchen und praktiſchen Forſtwirthſchaft, 1789, p. 46. Forſtwiſſenſchaft. wirtſchaft angewendet wiſſen wollte, verwarf er ſpäterhin für die Staatsforſte die Geldwirtſchaft. Hundeshagen hat am früheſten (2. Aufl. ſeiner Eneyklopädie) den Begriff des forſtlichen Productionsaufwandes klarer begrenzt, von ihm rührt auch die Anwendung des Wortes „Sta— tik“ her, als „Meſskunſt der forſtlichen Kräfte und Erfolge“. Hundeshagen berech nete den Effeet der Forſtwirtſchaft ſowohl aus der Differenz der Productionskoſten und Roh- erträge als auch nach der durchſchnittlich jähr— lichen Verzinſung des Productionsaufwandes. König hat an dem Ausbau der Methoden der forſtlichen Rentabilitätsberechnung eifrig weiter gearbeitet, allein in weitere Kreiſe drang dieſe Bewegung erſt mit dem Erſcheinen von Preßler's „Rationellem Waldwirt“ 1858 und deſſen energiſchem Auftreten. Wohl keine andere Erſcheinung der forſtlichen Literatur hat ein ähnliches Aufſehen erregt, als dieſes von einem Nichtfachmann verfaſste Werk mit ſeiner ſchonungsloſen und allerdings auch vielfach zu weit gehenden Kritik der beſtehenden Zuſtände, ſowie mit ſeinen Forderungen einer Umgeſtal— tung des forſtlichen Betriebes, für welche zu— nächſt noch die nöthigen Unterlagen fehlten. In der Literatur begann anfangs der 1860er Jahre ein äußerſt lebhaſter Kampf, in welchem Preß— ler lange Zeit faſt iſoliert ſtand, während die tüchtigſten Vertreter der Theorie und Praxis ihm gegenübertraten. Für den ganzen Charakter dieſes Streites war von weſentlichem Einfluſs, daſs Preßler in erſter Linie vorwiegend die mathematiſche Seite betonte, während viele der Gegner ſeinen Ent— wicklungen nicht folgen konnten oder wollten und einſeitig lediglich die Gefahren einer Ver- kürzung der Umtriebszeit hervorhoben. Durch die Arbeiten von G. Heyer, Lehr, Ju deich u. a. iſt die Frage erheblich geklärt und auf den richtigen Weg zurückgeführt wor— den, während die Discuſſion derſelben vom forſtlichen und allgemein wirtſchaftlichen Stand— punkt aus durch Burckhardt, Boſe, Dandel- mann, Fiſchbach u. a. äußerſt fruchtbringend für die Weiterentwicklung der forſtlichen Technik geworden iſt. 2. Ungleich langſamer als die Forſtmathe— matik entwickelte ſich die naturwiſſenſchaft— liche Richtung der Forſtwiſſenſchaft. Linie Botanik und dann Zoologie jene Ge— biete der Naturwiſſenſchaft, welche dem Forſt— manne am nächſten ſtanden und auch ihrem eigenen Entwicklungsgange nach verhältnis— mäßig ſchon frühzeitig weit vorgeſchritten waren. a) Forſtbotanik. Das im Jahre 1716 er- ſchienene Buch des Regensburger Arztes Georg Andreas Agricola „Neuerer und nie erhörter, doch in der Natur wohlbegründeter Verſuch der Univerſalvermehrung aller Bäume, Stauden und Blumengewächſe, das erſtemal theoretice und practice experimentiert“ behandelt zwar neben viel Aberglauben und Schwindel auch die be— kannten Veredlungsarten ziemlich gut und lehrt auch die Kunſt, die Blätter verſchiedener Pflanzen zur Vermehrung zu benützen, allein der beſſere Kern wird verhüllt von einer Unſumme Aber— 167 glauben und Schwindel. Fraas nennt deshalb Agricola mit Recht einen „garten- und forſt— wirtſchaftlichen Alchymiſten“. Wenn man von dieſem Buch, welches für die Forſtbotanik nur in ſehr untergeordnetem Maße in Betracht kommt, abſieht, ſo war es ein franzöſiſcher Gelehrter, Duhamel du Mon— ceau, welcher auf dem Gebiete der Forſtbotanik auch für Deutſchland bahnbrechend vorange— gegangen iſt. Bei umfaſſender Kenntnis der Botanik, ſeines Lieblingsfaches, machte derſelbe zahlreiche wertvolle Beobachtungen und Unter— ſuchungen, welche, wie alle ſeine Arbeiten, vor— wiegend die Anwendung der wiſſenſchaftlichen Lehren für die Praxis im Auge hatten. Be— ſonders berühmt ſind die Leiſtungen Duhamels auf dem Gebiete der Pflanzenanatomie, welche er namentlich in ſeinem Hauptwerke „Physique des arbres“ 1738 niedergelegt hat. Auch über waldbauliche Fragen hat Duhamel exacte Unter— ſuchungen angeſtellt, z. B. über die beſte Tiefe, in welche der Same gelegt werden müſſe. In ſeinem Buch: „Des semis et plantations des arbres et de leur culture“ 1760 lehrte er auch die Methode, öde Kalkberge durch Ringfurchen und Pflanzung in die hiebei aufgeworfene Erde zu cultivieren. Die forſtlichen und forſtbotaniſchen Werke Duhamels wurden vom Amtmann des Nürn— berger Sebaldiwaldes Oelhafen von Schöl— lenbach ſehr gut überſetzt und ſo dem forſt— lichen Publieum zugänglich gemacht. Aus ihnen haben nicht nur die Cameraliſten den beſten Theil ihres forſtlichen und namentlich ihres forſtbotaniſchen Wiſſens geſchöpft, ſondern auch verſchiedene „Holzgerechte“, z. B. L. F. G. Beck— mann, benützten dieſelben fleißig. Oelhafen von Schöllenbach ſchrieb auch ſelbſt ein bedeutendes forſtbotaniſches Werk: „Abbildung der wilden Bäume, Stauden und Buchgewächſe“, 3. Theil. 1767-1788. Namentlich auf Duhamel, jedoch auch unter Benützung der übrigen botaniſchen Literatur baute Joſef Friedrich Enderlin weiter, der erſte deutſche Forſtmann, welcher eine gute naturwiſſenſchaftliche Schulung beſaſs. Enderlin arbeitete mit Vorliebe über Anatomie und Phyſiologie der Pflanzen, unterließ es aber, die hier unumgänglich nöthigen Experimente zu machen, und lieferte daher in ſeinem 1768 er— Der Natur der Sache nach waren in erſter ſchienenen Buche: „Die Natur und Eigenſchaften des Holzes und ſeines Bodens nebſt ſeiner Nah— rung und Urſachen des Wachsthums“ wenig mehr als ſcharfſinnige Speculationen. Unter den deutſchen Forſtbotanikern des XVIII. Jahrhunderts war Dr. med. Johann Gottlieb Gleditſch der bedeutendſte. ſelbe ſchrieb eine „Syſtematiſche Einleitung in die neuere, aus ihren eigenthümlichen phyſikali— ſchen ökonomiſchen Gründen hergeleitete Forſt— wiſſenſchaft“ 2 Bde. 1775 als Handbuch für ſeine Vorleſungen an der Univerſität Berlin, deren größten und beſten Theil die Forſtbotanik, u. zw. der beſchreibende Theil derſelben, aus— macht. Vortreffliche Monographien über Eiche und Buche nach ihrem botaniſchen und forſtlichen Verhalten lieferte Friedrich Burgsdorf, der Der⸗ 168 Nachfolger Gleditſchs, als Director der Forſtſchule zu Berlin. In ähnlicher Weiſe wie dieſe beiden Holzarten ſollten auch alle übrigen forſtlich wichtigen behandelt werden, allein infolge ſeines veränderten Wirkungskreiſes ſetzte Burgsdorf dieſes groß angelegte Unternehmen nicht fort, ſondern brachte die Forſtbotanik ſpäter in dem ſeinerzeit hochgeſchätzten „Forſthandbuch“. (1. Th. 1788, 2. Th. 1796.) Eine für jene Zeit recht gute Darſtellung der Anatomie und Phyſiologie der Holzgewächſe ſowie eine kurze Forſtbotanik bot Däzel in dem 2. Theil ſeines „Lehrbuches für die pfalzbayri— ſchen Förſter“ 1788. Der Cameraliſt Walther hat ſich um die Förderung der beſchreibenden Richtung der Forſtbotanik und die Lehre von dem forſtlichen Verhalten der deutſchen Waldbäume große Ver— dienſte erworben. Hervorragendes auf dem Gebiete der be— ſchreibenden Forſtbotanik hat ferner Bockhauſen geleiſtet (Theoretiſch-praktiſches Handbuch der Forſtbotanik und Forſttechnologie 2. Bde. 1800, 1803), auf deſſen Arbeiten ſowohl Bechſtein (Forſtbotanik 1810 und 1821) als Reum weiterbauten. Letzterer gab in ſeiner „Forſtbotanik“ 1814 ein kurzes, aber trefflich gearbeitetes Handbuch, welches in Bezug auf den beſchreibenden Theil alle früheren Werke übertraf. In ähnlicher Richtung wie die letztgenannten bewegten ſich auch die Arbeiten von Behlen (Lehrbuch der beſchreibenden Forſtbotanik, 1832), Th. Hartig (Vollſtändige Naturgeſchichte der forſtlichen Culturpflanzen Deutſchlands, 1880), Döbner (Lehrbuch'der Botanik für Forſtmänner, 1833). Eine ganz hervorragende Leiſtung nicht nur auf dem Gebiete der Forſtbotanik, ſondern auch auf jenem der Pflanzenphyſiologie überhaupt, war die 1806 erſchienene Schrift H. Cottas: „Naturbeobachtungen über die Bewegung und Function des Saftes in den Gewächſen mit vorzüglicher Hinſicht auf die Holzpflanzen“. Gleichzeitig mit Cotta veröffentlichte ein anderer Forſtmann Johann Chriſtian Friedrich Ma yer einepflanzenphyſikaliſche Arbeit: „Syſtem einer auf Theorie und Crfahrung geſtützten Lehre über die Einwirkung der Naturkräfte auf die Erziehung und die Ernährung der Forſtge— wächſe,“ welchem er 1808 noch eine Reihe inter— eſſanter phyſiologiſcher Verſuche unter dem Titel „Darſtellung der Entwicklung und des Wachsthums der Pflanzen“ folgen ließ. Beides waren für jene Zeit ſehr tüchtige Arbeiten. Leider verfolgten Cotta und Mayer dieſe Rich— tung nicht weiter, ſondern arbeiteten ſpäter nur mehr auf rein forſtlichem Gebiet. Erſt durch Theodor Hartig (Anatomie und Phyſiologie der Holzpflanzen, 1878) wurde der Weg der exacten Unterſuchung wieder be— treten und von forſtlicher Seite ebenfalls der Phyſtologie größere Aufmerkſamkeit zugewendet, indeſſen ſind doch die für 'die Forſtwirtſchaft wichtigſten Forſchungen auf dieſem Gebiet durch Botaniker von Fach, wie Schleiden, Hanſtein, Schacht, Sachs u. a., gemacht worden. Die ſo ungemein wichtige Pathologie forſtlichen Schriften jener Zeit N a Forſtwiſſenſchaft. der Holzgewächſe hat erſt in neueſter Zeit Bearbeiter gefunden. Wenn auch von einzelnen Forſchern der Zuſammenhang zwiſchen paraſi— tiſchen Pilzen und verſchiedenen wichtigen Baum— krankheiten mehr geahnt als erkannt worden iſt, ſo muſs es doch als ein beſonderes Ver— dienſt von Willkomm betrachtet werden, dajs er zuerſt begonnen hat, hier Licht zu ſchaffen ). Robert Hartig hat den von Willkomm be— tretenen Weg weiter verfolgt und bereits höchſt wichtige Erfolge erzielt. b) Forſtzoologie. Noch langſamer als die Forſtbotanik entwickelte ſich die Forſt— zoologie. zwar in den jagdlichen und auch in vielen abgehandelt, allein unter ſteter Wiederholung der alten Fabeln. Weit tiefer ſtanden noch die Kenntniſſe über die ſchwieriger zu beobachtenden forſtſchäd— lichen Inſeeten. Die ausgedehnten Verheerungen, welche von letzteren gegen das Ende des vorigen Jahr— hunderts veranlasst wurden, gaben Veranlaſſung auch dieſem Gegenſtande näher zu treten. Die damals gerade beſonders zahlreichen Borken— käferbeſchädigungen wurden gewöhnlich als „Wurmtrocknis“ und der Borkenkäfer ſelbſt als der „kleine ſchwarze Wurm“ bezeichnet, welcher aus ſtockenden Baumſäften entſtehen und jeden— falls nur kranke Bäume befallen ſolle. Die erſte ordentliche Beſchreibung des Bostrichus typographus erfolgte durch Cramer in ſeiner oben erwähnten „Anleitung zum Forſt— weſen“, doch nahm auch er noch an, dass dieſer Borkenkäfer nur kranke Bäume angehe. Ein ganz vortreffliches Buch, welches die Biologie des Bostrichus typographus zum erſtenmal richtig darſtellt und auch viele Acten— ſtücke über die Inſectenbeſchädigungen am Harz bringt, iſt die Abhandlung Gmelins, Pro⸗ feſſors der Arzneiwiſſenſchaft in Göttingen „Über die Wurmtrocknis“, 1787. ; Die erſten correcten Anſchauungen über die Käfer ſtammen aus Röſels Juſectenbeluſti— gungen, von denen 1765 im VI. Band von Stahls Forſtmagazin, p. 202, ein Auszug mit⸗ getheilt iſt; in denſelben wird namentlich auch der Unterſchied zwiſchen den Würmern und In— ſectenlarven hervorgehoben. Syſtematiſch hat zuerſt Gleditſch in ſeiner „Syſtematiſchen Einleitung“ (ſ. o.) die Forſtinſecten behandelt, indem er bei Beſpre— chung der einzelnen Holzarten auch deren Feinde anführt und dann dieſe im 2. Theil, p. 632 ff, unter dem Abſchnitt „Forſtſchutz“ nochmals zu⸗ ſammenfaſst. Indeſſen ſind doch auch Gleditſch' Mittheilungen noch ziemlich ſchwach und nicht frei von Irrthümern. Auch Burgsdorf bringt im 2. Theil ſeines „Forſthandbuches“, 1796, auf 13 Seiten eine kurze Darſtellung der wich— tigſten Forſtinſecten Höher ſtehen die Arbeiten von Bork hauſen und Bechſtein; erſterer beſchrieb in ſeiner „Naturgeſchichte der europäiſchen Schmet— terlinge“ (V. Band, 1780—1794) die ſämmt⸗ Feinde des ) Willtomm, Die mikroſkopiſchen Waldes, 1866/67. Die Biologie der jagdbaren Thiere wurde | Co Forſtwiſſenſchaft. lichen ſchädlichen Lepidopteren, freilich ohne Aus— ſcheidung der für den Forſtmann beſonders wichtigen Arten; letzterer bearbeitete in um— faſſender Weiſe die ganze Forſtzoologie. 1804 und 1803 gab er mit Scharfenberg eine „Natur— geſchichte aller ſchädlichen Forſtinſecten“, 1818, als IV. Band ſeiner großen Eneyklopädie die „Forſtinſectologie“ und 1820 eine „Jagdzoo— logie“ heraus. Am beſten ſind Ornithologie und Entomologie bearbeitet, wobei allerdings die Gründlichkeit nicht ſelten unter der Vielſeitigkeit leidet. Auch im XIX. Jahrhundert blieb das In— tereſſe für Zoologie hauptſächlich auf die Forſt— entomologie concentriert, für welche, außer den Arbeiten von Theodor Hartig, namentlich Ratzeburgs epochemachendes Werk „Die Waldverderber und ihre Feinde“, 1. Auflage, 1841, ſowie unter den neueren die Arbeiten von Altum und Eichhoff („Die europäiſchen Borkenkäfer“, 1881) zu nennen ſind. Handbücher der Forſtzoologie erſchienen von: Döbner (Handbuch der Zoologie, 1852), Senft (Lehrbuch der forſtlichen Zoologie, 1859), Opel (Lehrbuch der forſtlichen Zoologie, 1869) und Altum (Forſtzoologie, 1872 — 1873). Außer in dieſen das ganze die Forſtwirt— ſchaft berührende Gebiet der Zoologie behan— delnden Werken iſt die Beſchreibung und Bio— logie der forſtlich beſonders wichtigen Thier— gruppen noch dargeſtellt bezüglich der jagdbaren Thiere in den Werken über Jagdkunde (ſ. d.); hinſichtlich der Forſtinſecten aber in den Werken über Forſtſchutz, unter denen hier außer den älteren Arbeiten von Laurop (Die Grundſätze des Forſtſchutzes, 1811), Bechſtein (Die Wald— beſchützungslehre, 1818), Pfeil (Forſtſchutz und Forſtpolizeilehre, 1831) und Kauſchinger (Die Lehre vom Waldſchutz und der Forſtpolizei, 1848), namentlich die neueren Werke von Heß (Forſtſchutz, 1578) und Nördlinger (Forſt— ſchutz, 1885) hervorzuheben find. e) Anorganiſche Naturwiſſenſchaften. Am ſpäteſten entwickelte ſich die chemiſche und bodenkundliche Seite der Forſtwiſſenſchaft, da die betreffenden Wiſſenszweige überhaupt erſt im XIX. Jahrhundert zur Blüte gelangten. Die älteren Encyklopädien von Burgsdorf, Walther, Späth, Egerer und Hartig enthielten zwar bereits Abſchnitte über Bodenkunde und Standortslehre, allein dieſelben waren ſehr dürftig und ungenügend; etwas beſſer war die Darſtellung von J. Chr. Meyer in ſeinem oben genannten Werk „Syſtem einer auf Theorie und Erfahrung geſtützten Lehre ꝛc.“) von 1806. Die erſten Vorträge über Gebirgs- und Bodenkunde wurden von Schreiber in Dreißig— acker 1803 und von Krutzſch in Tharand 1814 gehalten. Während der folgenden Decennien ent— ſtanden verſchiedene Lehrbücher über Boden— kunde, ſo jene von Krutzſch, 1827—1842, Behlen, 1826, Reuter, 1833 und Hundes— hagen, 1830, allein von einer wiſſenſchaftlichen und fruchtbringenden Verbindung von Chemie und Bodenkunde konnte erſt ſeit den bahn- brechenden Forſchungen Liebigs die Rede ſein. | 169 Die eben genannten älteren Werke ſowie auch die Behandlung dieſes Gegenſtandes in anderen forſtlichen Schriften lagen noch ganz im Bann der älteren Anſchauung, namentlich der Humustheorie, und erſcheinen uns jetzt voll— ſtändig ungenießbar. N Die neueren Arbeiten von Senft (Lehr— buch der Gebirgs- und Bodenkunde, 1847), Grebe (Gebirgskunde, Bodenkunde und Klima— lehre in ihrer Anwendung auf die Forſtwirt— ſchaft, 1856) und G. Heyer (Lehrbuch der forſt— lichen Bodenkunde und Klimatologie, 1856) entſprechen zwar dem jeweiligen Stande der Wiſſenſchaft, ſind aber doch in erſter Linie Lehr— bücher, welche vorwiegend das bereits Bekannte zuſammenfaſſen; eigentliche Forſchungen auf dieſem Gebiet ſind erſt in neueſter Zeit durch Ebermayer, Schröder, Weber u.a. be— gonnen worden Noch langſamer entwickelte ſich die Lehre von der klimatiſchen Bedeutung des Waldes. Klauprecht (Die Lehre vom Klima in land» und forſtwirtſchaftlicher Beziehung, 1840) ſowie Grebe und G. Heyer in ihren oben genannten Werken verſuchten bereits, die Klimatologie in ſpecieller Beziehung zur Forſt— wirtſchaft darzuſtellen, allein es fehlten ihnen die nöthigen exacten Beobachtungen in ſpeciell forſtwiſſenſchaftlichem Sinne. Erſt ſeit Einrich— tung der forſtlich metereologiſchen Stationen, welche im Laufe der 1860er Jahre erfolgte, iſt mit der Sammlung des nöthigen Materiales begonnen worden, ohne jedoch bis jetzt zu einem Abſchluſs gelangt zu fein. 3. Forſtpolitik. Die wiſſenſchaftliche Be— handlungsweiſe der Forſtpolitik iſt enge ver— knüpft mit der Entwicklung der Volkswirtſchafts— lehre ſelbſt. Das Mercantilſyſtem, welches über— haupt kein unmittelbares Ergebnis einer For— ſcherthätigkeit und philoſophiſchen Denkens, ſondern mehr oder weniger ein geiſtiges Abbild von ſolchen ökonomiſchen Zuſtänden, Einrich— tungen und Tendenzen war, die thatſächlich im Leben und in der Praxis exiſtierten, hat ſowohl aus dieſem Grund als wegen der Stellung, welche die Gewerbe der Urproduction in ihm einnehmen, der Forſtwirtſchaft nur eine unter— geordnete Beachtung geſchenkt. Auf dem Weg der polizeilichen Maßregeln ſollten die Waldungen erhalten, die Nachzucht des nöthigen Holzes geſichert und das Steigen der Holzpreiſe verhindert werden. Jene Schrift— ſteller des XVIII. Jahrhunderts, welche ſich überhaupt mit dem Verhältnis des Staates zur Forſtwirtſchaft beſchäftigen, nämlich die Cameraliſten, wie Moſer und Jung, gaben lediglich dieſe damals allgemein herrſchenden Anſichten wieder und trugen daher ſehr wenig dazu bei, um die Forſtwiſſenſchaft nach dieſer Richtung zu begründen und weiterzubilden. Erſt mit dem Aufſchwung, den die Volks— wirtſchaftslehre durch Adam Smith und ſeine Nachfolger nahm, wurde auch die Stellung der Forſtwiſſenſchaft im Staatshaushalt und der hiedurch begründete Einfluſs des Staates auf erſtere lebhafter discutiert. Das ſich hiebei vor— wiegend die Cameraliſten und nur in unterge— ordnetem Maße Forſtwirte betheiligten, erklärt 170 ſich durch den damaligen Bildungsgrad der letzteren. Zwei Fragen waren es vor allem, welche durch das actuelle Intereſſe, das ſie beſaßen, die Aufmerkſamkeit der Staatswirte ſowohl als auch des forſtlichen Publicums während der erſten Decennien unſeres Jahrhunderts ganz beſonders feſſelten, nämlich der Streit über die Beibehaltung oder Veräußerung der Staatswaldungen und dann das Maß des Staatseinfluſſes auf die Forſtwirtſchaft der Gemeinden und Privaten. Die Nationalökonomen, bei denen die Ideen von Adam Smith viel raſcher und allgemeiner Aufnahme fanden als bei den Forſtleuten, er— klärten meiſt den Staatswaldbeſitz entweder für bedenklich oder wollten von demſelben nur ſo viel beibehalten wiſſen, als für die Sicherung ° der Civilliſte nothwendig ſei. Die Forſtwirte vertraten dagegen faſt ausnahmslos die Beibe— haltung der Staatsforſte und wuſsten auch ihren Einfluſs in der Praxis hiefür geltend zu machen. Wedekind forderte ſogar, dajs der Staat die geſammten Waldungen auf abſolutem Holzboden, deren Erhaltung im allgemeinen Intereſſe geboten iſt, ankaufen müſſe. Nur Pfeil war der erſte und conſequenteſte Vertreter der Smith'ſchen Ideen unter den Forſtwirten und verlangte in ſeiner 1816 er— ſchienenen Schrift „Freimüthige Unterſuchungen über die Urſachen des ſchlechten Zuſtandes der Forſten und die allein möglichen Mittel ihn zu verbeſſern, mit beſonderer Rückſicht auf die preußiſchen Staaten“ das Aufhören des Staats— forſtgewerbes. Im Laufe der Zeit änderte er jedoch dieſe Anſichten weſentlich, betrachtete die früheren nur noch als Ideale und erklärte (Die Forſtpolizeigeſetze Deutſchlands und Frankreichs, 1834), daſs derjenige, welcher den Vorſchlag mache, die Staatsforſte mit einemmal zu ver— äußern, mindeſtens in das Irrenhaus gehöre. Ahnlich verhielten ſich die Anſchauungen bezüglich des Maßes der ſtaatlichen Einwirkung auf die Gemeinde- und Privatforſtwirtſchaft. Auch hier vertraten die ſtaatswirtſchaftlichen Schriftſteller meiſt den freihändleriſchen Stand— punkt und forderten mehr oder minder weit— gehende Freigabe der Gemeinde- und Privat— forſtwirtſchaft, während faſt ſämmtliche forſtliche Schriftſteller aus dem Anfang des XIX. Jahr- hunderts auf dem Boden abſoluter polizeilicher Bevormundung ſtanden; eine Ausnahme machten nur Pfeil und Cotta. Pfeil war hier ebenſo wie bezüglich des Staatswaldbeſitzes der erſte forſtliche Vertreter des Freihandelsprincips und hat ſich 1816 energiſch gegen jede Oberaufſicht und jeden Zwang des Staates auf die privatwirtſchaftliche Thätigkeit ausgeſprochen. Späterhin änderte er jedoch ſeine Anſichten in dieſer Richtung eben— falls und erklärte 1834 die Staatsoberaufſicht zwar für ein Übel, aber für ein nothwendiges. Cotta wünſchte ebenfalls vollſtändige Frei— gabe der Privatforſtwirtſchaft, forderte aber zu— gleich auch die Erwerbung ſo ausgedehnter Wal— dungen durch den Staat, daſs jedem gefähr— lichen Holzmangel vorgebeugt werde. Erſt gegen die Mitte des XIX. Jahrhun- Forſtzeichen. — Forſtzoologie. derts machte ſich auch in den forſtlichen Schriften ein liberalerer Zug hinſichtlich der Beaufſichtigung von Privat- und Gemeinde— waldungen bemerkbar. i Im allgemeinen hat die Freihandelslehre in forſtlichen Kreiſen wenig Anhänger gefunden, andererſeits wird auch die moderne Richtung der Nationalökonomie mit ihrer gerade für die Forſtpolitik ſo wichtigen Auffaſſung für die Stellung und Aufgaben des Staates in forſt— lichen Kreiſen noch zu wenig beachtet, obwohl ſie den hier faſt durchgehends vertretenen An— ſchauungen am meiſten entſpricht. Der ſyſtematiſche Ausbau der Lehre von der Forſtpolitik läſst viel zu wünſchen übrig. Die erſten Decennien des XIX. Jahrhunderts ſind noch verhältnismäßig reich an derartigen Schriften, allein nach dem Ausſterben der älteren, noch cameraliſtiſch gebildeten Gene— ration iſt auf dieſem Gebiet ziemlicher Still— ſtand eingetreten, erſt in der neueſten Zeit ent- faltet ſich friſches Leden. Die Lehre von der Forſtpolitik wurde bis in die neueſte Zeit herein gewöhnlich als „Staatsforſtwirtſchaftslehre“ bezeichnet und früher häufig mit der Lehre von der Or— ganiſation der Forſtverwaltung als „Forſt— directionslehre“ zuſammengefaſst. Von den Schriftſtellern, welche dieſes Gebiet ſyſtematiſch bearbeitet haben, ſind beſonders hervorzuheben: Seutter (Verſuch einer Darſtellung der all— gemeinen Grundſätze der Forſtwirtſchaft nach ihren Verhältniſſen zu der Staats-, Cameral⸗ Landwirtſchaft, 1804), G. L. Hartig (Grund⸗ ſätze der Forſtdirection, 1803), Meyer (Die Forſtdirectionslehre, 1820), Laurop (Staats- forſtwirtſchaftslehre, 1818), Pfeil (Grundſätze der Forſtwirtſchaft in Bezug auf die National- ökonomie und Staatsfinanzwiſſenſchaft 1822 bis 1824), Berg (Die Staatsforſtwirtſchafts— lehre, 1850) und Albert (Lehrbuch der Staats- forſtwiſſenſchaft, 1875.) Schw. Jorſtzeichen ſind entweder die Zeichen, welche mit einem Hammer an die zu fällenden oder bereits aufgearbeiteten oder gefrevelten Hölzer angeſchlagen werden, oder es ſind Zeichen, die die Orientierung im Walde, bezw. die Waldeintheilung unterſtützen ſollen. Im erſteren Falle dienen ſie der Controle. Die Forſtzeichen zur Orientierung werden vielfach an Wegen in Bäume eingeſchnitten. Man kann dazu auch die Tafeln ꝛc. rechnen, welche die Nummern der Abtheilungen und Schneiſen angeben. Nr. Forftzoofogie, gleichbedeutend mit „Na— turgeſchichte der Waldthiere“. Literatur): Döbner, Dr. E. P. Hand⸗ buch der Zoologie, mit beſonderer Berückſichti— gung derjenigen Thiere, welche in Bezug auf Forſt- und Landwirtſchaft ſowie hinſichtlich der Jagd vorzüglich wichtig ſind. I. Theil. Wirbel- thiere. Aſchaffenburg 1862. II. Theil. Wirbel⸗ loſe Thiere. Daſ. 1862. Brehm A. E. und Roßmäßler E. U. Die Thiere des Waldes. 2 Bde. Leipzig und Heidelberg 1863 und 1865; 2. Aufl. 1866 und 1867. *, Die veralteten, durch die neueren Arbeiten be⸗ reits überholten Werke blieben dabei unberückſichtigt. *** Fortbaumen. — Fortpflanzung der Holzarten. Vogt C. Vorleſungen über nützliche und ſchädliche, verkannte und verleumdete Thiere. Leipzig 1864. Ratzeburg, Dr. J. T. C. Die Waldver— derber und ihre Feinde oder Beſchreibung und Abbildung der ſchädlichſten Forſtinſecten und der übrigen ſchädlichen Waldthiere, nebſt An— weiſung zu ihrer Vertilgung und zur Schonung ihrer Feinde. 6. Aufl. Berlin 1869. (Die fünf früheren Auflagen: 1841, 1842, 1850, 185%, 1860.) 7. Aufl. herausgegeben von Dr. J. F. Judeich in Tharand. Berlin 1876. 8. Aufl., ſ. unter Judeich und Nietſche. Derſelbe. Die Waldverderbnis oder dauernder Schaden, welcher durch Inſectenfraß, Schälen, Schlagen und Verbeißen an lebenden Waldbäumen geſchieht. I. Bd. Einleitung. Kiefer und Fichte. Berlin 1866. II. Bd. Tanne, Lärche, Laubhölzer und entomologiſcher Anhang. Daſelbſt 1868. Altum, Dr. B. Säugethiere des Mün— ſterlandes. Münſter 1867. Derſelbe. Forſtzoologie. Berlin 1872. 2. Aufl. 1876. II. Vögel. 1873. 2. Aufl. 1880. III. Inſecten. 1. Allgemeines und Käfer. Daſ. 1874. 2. 1881. 2. Abth. Schmetterlinge, Haut-, Zwei, Gerad-, Netz- und Halbflügler. Daf. 1875; 2. Aufl. 1882. (Das Beſte, was wir auf dem Gebiet der berlpgie beſitzen.) Ludwig, Dr. H. Die Wirbelthiere Deutſch— lands in überſichtlicher Darſtellung. Hannover 1884. (Ein Auszug aus der von demſelben Verfaſſer neu bearbeiteten 3. Aufl. der Leunis— ſchen Synopſis der Zoologie [I. Bd. Hannover 1883.) Judeich, Dr. J. F. und Nitſche, Dr. H. Lehrbuch der Mitteleuropäiſchen Forſtinſecten— kunde ꝛc. Wien 1885. Vgl. Forſtinſecten (Lite- ratur). Hſchl. Jortbaumen, verb. intrans., von allem kletterfähigen Haarwilde, ſ. v. w. von einem Baum auf den anderen ſpringend fortbewegen; vgl. baumen, ab-, aufbaumen, fort-, ab-, auf- holzen. „. .. doch obſervieret man hierinn, daß das Baum- Marter, indem es in denen Wal— dungen, gleich dem Eichhorn, lieber in der Höhe fortbaumet, als es auf der Erde blei— bet...” Göchhauſen, Notabilia Venatoris, Nürn— berg u. Altdorf 1731, p. 49. — „Fortbau— men oder fortholzen wird geſagt, wenn die Marder, Katzen und Eichhörner von einem Baum zum andern ſpringen.“ Chr. W. v. Heppe, Wohlred. Jäger, p. 132. Winkell, Ed. I, 1805, III., p. 166. — Hartig, Anltg. z. Wmſpr., I. Säugethiere. Daſ. Abth. Aufl. 1809, p. 106; Lb f, Inger. Ed. J. 1812, 1, p. 38; Lexik., Ed. I, 1836, p. 189, Ed. II, p. 199. — Behlen, Wmſpr., 1829, p. 505 Real⸗ u. Verb.⸗Lexik. II., p. 649; VI., 233. — Diezel, Niederjagd, Ed. 1758 1886, v. E. v. d. Boſch, p. 475. — Grimm, D. Wb. III., p. 11. — Sanders, Wb. I., p. 101 a. E. v. D. SForfbringen, verb. trans., eine Fährte, vom Jäger und Hund, ſ. v. w. auf ihr nach— hängen; vgl. bringen I, II. „Fortbringen, wird geſagt, wenn ein Hund auf den nächtigen Schweiß eines angeſchoſſenen Thiers angelaſſen wird, und der Hund ſich alle Mühe giebt, das 17¹ Verwundete auszumachen, heißet es, der Hund bringt es gut fort; und ſo er das Stück gefunden und ſolches verbeilet, wird geſagt: der Hund hats gut fortgebracht.“ Chr. W. v. Heppe, Wohlred. Jäger, p. 132. — „Fort— bringen heißt ſo viel, als: die Fährte ver— folgen. Z. B. der Hund kann die Fährte nicht fortbringen.“ Hartig, Anltg. z. Wmſpr., 1809, p. 407; Lb. f. Jäger, Ed. I, 1812 L, p. 39; Lexik., Ed. I, 1836, p. 189; Ed. II, 1861, p. 199. — Behlen, Wmſpr., 1829, p. 39; Real- u. Verb.⸗Lexik. II., p. 649; VI., p. 217. — Die Hohe Jagd, Ulm 1846, 15 p. 359. — Fehlt bei Grimm u. Sanders. E. v. D. Jortholzen, verb. intrans., ſ. v. w. fort⸗ baumen, ſ. d. u. vgl. ab-, aufholzen. Chr. W. v. Heppe, Wohlred. Jäger, p. 132 (Beleg bei fortbaumen). — „Sehr oft wird es nun vor— kommen, dajs plötzlich die Spur nahe vom Stamme irgend eines Baumes ganz aufhört, in dieſem Falle hat das Raubthier aufgebaumt; ſteht der betreffende Baum ganz iſoliert und iſt ſomit ein Fortholzen ausgeſchloſſen ...“ Diezel, Niederjagd, Ed. VI, 1886, v. E. v. d. Boſch, p. 478. — Fehlt bei Grimm und Sanders. E. v. D. Fortpflanzung der Holzarten. Dieſelbe iſt in der Natur der Pflanzen wie in der der übrigen organiſchen Lebeweſen begründet. Bei den Holz— pflanzen, die bei geregelter Forſtwirthſchaft nach— gezogen werden ſollen, kommt es darauf an, unter Beachtung der Winke der Natur, den Wald in ſolchem Zuſtande zu erhalten, daſs die Fortpflanzung der Holzarten in demſelben mit Ausgleich wenigen Schwierigkeiten erfolgen kann. Die Lehren des Waldbaues und der Waldpflege geben hierzu die erforderliche Anleitung. Im Forſthaushalte werden die Holzpflanzen fortgepflanzt einmal durch Samen. Das Samen— tragen iſt bei ihnen im allgemeinen davon ab— hängig, daß fie ein gewiſſes Alter (ſ. b. Holz— alter) erreicht haben, der Standort (ſ. Holzart 3 und 4) ein geeigneter iſt, der Lichteinfall dem Bedürfnis der Holzart entſpricht (ſ. Holzart 5), dann kommt es aber auch insbeſondere darauf an, dajs die Witterung des einzelnen bezüglichen Jahres derart iſt, dafs Samenanſatz und Samenreife begünſtigt wird. Hievon hängt erſt der Eintritt des Samenjahres (ſ. d.) ab. Die Fähigkeit, eine größere oder geringere Menge Samen zu tragen, iſt aber vor allem noch begründet: in der Eigenthümlichkeit der Holzart ſelbſt. Einige Holzarten ſind ihrer Natur nach befähigt, oft und reichlich Samen zu tragen. Dazu gehören vor allem die Holzarten, welche kleine, leichte Samen tragen, während Holzarten mit ſchwerern Samen in der Regel ſeltener und in geringerer Menge als jene den Samen her— vorbringen. Jene leichten Samen fliegen oſt weit von ihrer Erzeugungsſtelle fort und ver— breiten die betreffende Holzart umſomehr, als ihre Anſprüche an den Standort gering ſind, was bei den Holzarten mit ſchwerfrüchtigen Samen weit weniger der Fall iſt, indem dieſe ihren Samen meiſt nur in die Nähe des Mutterbaums fallen laſſen, wo aber auch die Bedingungen des Keimens und Wachſens günſtig ſein müſſen, um die Fortpflanzung der Holzart ſicherzu— e ; N 172 Fortpflanzung der Inſecten. — Fortpflanzung im Pflanzenreich. ſtellen (ſ. b. Keimbett, Keimfähigkeit). Die deut— ſchen Holzarten hat K. Gayer ie 1882, S. 52) nach ihrer Fortpflanzungsfähigkeit durch Samentragen, wie folgt, zu ordnen verſucht: Birke, Aſpe, Weide, Kiefer, Fichte, Ulme, Weiß— buche, Ahorn, Tanne, Lärche, Linde, Eiche, Erle Eſche, Buche, ſo daſs in dieſer Anordnung die Birke mit ihren häufigen Samenjahren, mit ihrem kleinen flugfähigen Samen und mit deſſen Fähigkeit, faſt überall ſich anſiedeln zu können, die erſte Stelle einnimmt, während die ſchwer— früchtige Buche mit ihren ſeltenen Samenjahren und den großen Anſprüchen des Samens an ein geeignetes Keimbett zuletzt eingereiht iſt. Aber nicht durch den Samen allein pflanzen ſich die Holzarten fort, ſondern auch durch Ausſchläge, die die Wurzeln, außer dem Haupt— ſtamme, als Wurzelbrut oder Wurzelaus— ſchlag (j.d.) aus dem Boden hervortreiben, oder die der abgehauene Stock (j. Ausſchlags— fähigkeit, Niederwaldwirtſchaft) als Stockaus— ſchlag gewährt, endlich durch Bildung neuer Wurzeln an abgehauenen oder abgeſchnittenen, in die Erde gebrachten Zweigen (ſ. b. Freipflan— zung 2, Kopfholz, Ableger, Weidenerziehung). Dieſe Art der Fortpflanzung, die nur durch Theilung oder Spaltung des Einzelweſens, nicht durch geſchlechtliche Zeugung wie beim Samen erfolgt, nennt man auch Vermehrung oder individuelle Vermehrung (vergl. Borggreve Holz— zucht 1885, S. 22). Auf der Fortpflanzung durch Samen be— ruht, der Hauptſache nach, die Nachzucht unſerer Wälder, doch hat auch die ſoeben erwähnte Vermehrungsart ein weites Feld in allen Aus— ſchlagwirtſchaften (ſ. b. Betriebsarten). Gt. Fortpflanzung der Infecten, ſ. Inſecten. Fortpflanzungsorgane, ſ. Geſchlechtsorgane der Juſecten. Hſchl. Fortpflanzung im Pflanzenreid. Da alle Pflanzen früher oder ſpäter ſterben, ſo er— ſcheint zur Erhaltung der organiſchen Welt die Vermehrung derſelben nothwendig. Dieſelbe beruht entweder auf einfacher Theilung, der ſog. Regeneration oder vegetativen Vermehrung oder auf Erzeugung von Fortpflanzungszellen, der Fog. geſchlechtlichen Vermehrung. Die vegetative Vermehrung beruht auf Ablöſung kleinerer oder größerer Theile von der Mutterpflanze, welche direct ohne Ein— wirkung anderer Organismen weiterwachſen und alle Lebenserſcheinungen der Mutterpflanze wiederholen. Bei niederen Pflanzen ſind die Theile einfache Zellen oder auch kleinere Zelleomplexe, Brutzellen, Brutknoſpen oder Theile von Blatt, Stengel der Moospflanzen, bei höher entwickelten Pflanzen ſind es Knoſpen oder jrößere mit Knoſpen beſetzte Theile der Mutter— pflanzen, Stecklinge, Senker u. ſ. w. Da die vegetative Vermehrung alle Eigen— ſchaften der Mutterpflanze faſt völlig unver— ändert auf den Tochterorganismus überträgt, jo mufs eine fortgeſetzte Vermehrung auf dieſem Wege eine Stagnation in der Entwicklung der Organismen mit ſich führen, welche bei ver— änderten äußeren Verhältniſſen für dieſe ver— derblich ſein würde. Für den Pflanzenzüchter, insbeſondere den Gärtner bildet ſie dagegen das beſte und oft einzige Mittel, eine auf ſexuellem Wege neu entſtandene Pflanzenform zu ver— mehren ohne Anderung des Charakters. Die geſchlechtliche Vermehrung oder Fortpflanzung im engeren Sinne unterjcheidet ſich von der vorigen zunſchſt dadurch, dafs die dabei auftretenden Zellen ganz ausſchließlich nur der Fortpflanzung dienen und ſich mit ſeltenen Ausnahmen an dem Ernährungsgeſchäft der Pflanze gar nicht betheiligen. Mit Aus⸗ ſchluſs der niedrigſten Pflanzen treten nun im Pflanzenreiche an demſelben Individuum ab— wechſelnd nacheinander zweierlei Arten von Fortpflanzungszellen auf, einmal ſolche, die ohne Hinzutreten, d. h. ohne Mithilfe anderer Zellen imſtande ſind, neue Individuen zu erzeugen und Sporen genannt werden, und dann ſolche Fortpflanzungszellen, welche nur dann zu neuen. Individuen ſich entwickeln, wenn zuvor eine Vermiſchung ihres Inhaltes mit dem Gehalte andersartiger Fortpflanzungszellen ſtattgefunden hat. Sie werden Sexualzellen genannt. Als Serualact bezeichnet man den Vor— gang, daſs zwei verſchiedenartige Zellen, von denen eine jede für ſich allein einer weiteren Entwicklung unfähig iſt, durch das Zuſammen— wirken, d. h. durch Verſchmelzung ihres Inhaltes. zu einer entwicklungsfähigen Zelle zuſammen— treten. Der ganze Entwicklungsgang einer Pflanze theilt ſich durch das Auftreten der Se- rualzellen und der Sporen in zwei ſcharf ge— ſchiedene Abſchnitte. Aus der befruchteten Se— rualzelle entſteht eine Pflanzenform, welche nach einer gewiſſen Zeit Sporen bildet, und aus den Sporen entſteht eine in der Geſtalt von den vorigen völlig abweichende Pflanzenform, die mit der Erzeugung von Sexualzellen abſchließt. Dieſen Vorgang bezeichnet man als Gene— rationswechſel. Um dies durch ein Beiſpiel zu erläutern, ſei auf die Entwicklung der Farnpflanze hin— gewieſen. Aus einer befruchteten Sexualzelle entſteht die, oft gewaltige Dimenſionen errei— chende, Wedel an ihren Blättern Sporen erzeugt. Aus dieſen entſteht bei der Keimung ein flechtenförmiges Pflänzchen, das ſog. Prothallium, an dem Se— xualorgane und Sexualzelle ſich bilden. Der Nadelholzbaum entwickelt ſich aus einer be— fruchteten weiblichen Sexualzellen. Nach gewiſſem Alter erzeugt derſelbe Sporen, nämlich Pollen— körner und Embryoſäcke. Aus dem Inhalte dieſer Sporen entſtehen kleinere, nur mit Hilfe des Mikroſkopes erkennbare Pflänzchen, an denen wieder Sexnalzellen zur Ausbildung gelangen. Das Weſen der beiden Arten von Sexual- zellen beſteht darin, dajs jeder von ihnen etwas fehlt, was die andere Zelle beſitzt, jo daſs die Entwicklung zu einer Pflanze erſt möglich wird, nachdem eine gegenſeitige Ergänzung durch Ver⸗ ſchmelzung des Inhaltes eingetreten iſt. Dieſe Verſchiedenheit des Inhaltes und der Form wird als ſexuelle Differenz bezeichnet. Bei den niedrigſten Pflanzen äußerſt ſich die ſexuelle Differenz nur durch das Verhalten der Zellen bei dem Sexualacte, inſofern eine Zelle bei der Vereinigung ſich paſſiv verhält und den Juhalt tragende Pflanzenform, welche Fortpflanzung im Pflanzenreich. 173 der activ auftretenden anderen Zelle in ſich auf— nimmt. Erſtere wird allgemein als die weib— liche, letztere als die männliche Sexualzelle be— zeichnet. Bei den höher entwickelten Pflanzen iſt die männliche Sexualzelle meiſt viel kleiner, ſie wandert auf dem einen oder anderen Wege zur weiblichen Zelle hin, verliert ihre ſelbſtän— dige Exiſtenz, indem wenigſtens der wichtigſte Theil ihres lebenden Inhaltes in die andere Zelle übertritt. Die weibliche Zelle oder Eizelle verhält ſich bei der Vereinigung paſſiv, ſie iſt eine kuge— lige oder ellipſoidiſche, zellwandloſe, alſo nur aus Protoplasma mit Zellkern beſtehende Zelle, die erheblich größer iſt als die männliche Zelle, deren Inhalt ſich mit dem ihrigen vermiſcht. Nach dieſer Vereinigung erſt umgibt ſie ſich mit einer Zellmembran. Die männlichen Sexual— zellen bewegen ſich bei den kryptogamen Pflan— zen meiſtens durch Vermittlung von Wimper— organen zu den weiblichen Eizellen hin, bei den phanerogamen dagegen hört ihre freie Beweg— lichkeit auf, ſie werden durch den Wachsthums- proceſs der umſchließenden Mutterzelle, die in Geſtalt des Pollenſchlauches der weiblichen Ei⸗ zelle zuwächst, dieſer zugeführt. Dieſes Auf— finden der Eizelle durch die männliche Sexual— zelle iſt einer der wunderbarſten Vorgänge in der Natur und kann nur erklärt werden durch eine Fernwirkung der beiden Zellen aufein- ander. Die männliche Zelle muſs durch Kräfte, die von der weiblichen Zelle ausgehen, zu dieſer hingezogen werden. Betrachtet man die Eigenſchaften eines durch ſexuelle Befruchtung entſtandenen Individuums, jo erkennt man, dass im allgemeinen die Eigen— ſchaften des Vaters und der Mutter in ziemlich gleichem Maße darin zu tage treten, die väterliche und mütterliche Erbſchaft ziemlich gleichgroß iſt, obgleich der Vater zur befruchteten Eizelle bei den höheren Thieren nur den tauſendſten Theil beigetragen hat, da das Plasma der Eizelle tauſendmal den Inhalt des Spermatozoids übertrifft. Aus dieſer Thatſache folgt, daſs nur ein äußerſt kleiner Theil, etwa Yooo vom In— halt der Eizelle die vererblichen Eigenſchaften der Mutter in ſich trägt, und daſs dieſer kleine Theil, der von Naegeli Idioplasma genannt iſt, mit dem Idioplasma der männlichen Se— xualzelle ſich verbindet. Durch Vereinigung des Idioplasmas beider Sexualzellen kommt es, daſs die Nachkommen die Eigenſchaften beider Eltern in ſich vereinigen. Da bekanntlich der Eizelle durch das Hinzutreten des Inhaltes einer männlichen Sexualzelle die Eigenſchaften des Vaters in ſolchem Grade eingeprägt werden, daſs nicht nur in körperlicher, ſondern auch in geiſtiger Beziehung der Sohn dem Vater in auffallendſtem Maße ähnlich ſieht, ſo unterliegt es keinem Zweifel, daſs die befruchtete Eizelle in ihrer Subſtanz alle Eigenſchaften des fertigen Zuſtandes potentiell enthält, daſs in ihr die im fertigen Zuſtande ſo auffallenden Merkmale der Art, Varietät u. ſ. w. in irgend einer Form durch Anordnung, Geſtalt und chemiſchen Cha— rakter der kleinſten Moleküle ſchon fixiert ent— halten ſind. Das Idioplasma mufs eine Subſtanz ſein, welche ein ziemlich feſtes Gefüge beſitzt und nicht gelöst iſt, da nur ſo die Conſtanz der erblichen Eigenſchaften ſich erhalten kann. Die geiſtreiche Art und Weiſe, in welcher Naegeli ſich die Zu— ſammenſetzung, das Wachſen und Auftreten des Idioplasmas denkt, eingehender zu beſprechen, würde den hier vorgeſchriebenen Raum über— ſchreiten. Nur ſehr ſelten tritt im Pflanzeureich Parthenogeneſis, d.h. Jungfernzeugung, auf, bei Chara crinita. Man verſteht darunter die Erſcheinung— daſs Pflanzen, welche normal männliche und weibliche Befruchtungsorgane bilden und durch einen Serualact Embryonen erzeugen, zuweilen imſtande ſind, auch ohne Befruchtung aus ihren weiblichen Eizellen einen entwicklungsfähigen Embryo zu erzeugen. Apogamie oder Zeugungs verluſt iſt dagegen die Erſcheinung, daſs die normalen Geſchlechtsorgane verloren gehen oder doch functionsunfähig werden und nun an ihrer Stelle vegetative Vermehrung durch Knoſpen— bildung tritt, z. B. bei Allium fragrans. Auf den Erfolg der Befruchtung hat die Abſtammung der Sexualzellen einen tiefeingrei— fenden Einfluſs. Bezüglich der Abſtammung kann man verſchiedene Verwandtſchaftsgrade unterſcheiden, wobei offenbar die männlichen und weiblichen Sexualzellen, welche innerhalb einer und derſelben Zwitterblüte entſtanden ſind, den nächſten Verwandtſchaftsgrad repräſentieren. Entſtammen ſie verſchiedenen Blüten derſelben Pflanze oder ſelbſt verſchiedenen Individuen einer Pflanzenart, ſo ſind das weiter entſernte Verwandtſchaften. Gehören ſie verſchiedenen Varietäten einer Pflanzenart an, oder gar ver— ſchiedenen ſyſtematiſch ausgeſchiedenen Species, ſo ſind das die äußerſten Grenzen, innerhalb deren überhaupt noch eine Befruchtung der Sexualzellen untereinander möglich iſt. Es iſt nun für die Entwicklung der Pflan⸗ zenwelt weder eine allzu nahe, noch allzuferne Verwandtſchaft günſtig. Erſtere führt nach einer noch jetzt ziemlich allgemein herrſchenden, wenn auch nicht unbeſtrittenen Annahme zur Inzucht oder Degeneration, letztere erzeugt gar keine oder ſolche Individuen, deren Sexualorgane mehr oder weniger geſchwächt ſind. Es gibt eine große Anzahl von Einrichtungen im Pflanzenleben, welche offenbar darauf hindeuten, daſs eine Befruchtung der Eizellen durch die männlichen Sexualzellen derſelben Blüte nicht vor theilhaft für die Pflanzenart ſei. Dahin gehört die Erſcheinung des Monöeismus und Diö— cis mus, die in allen Claſſen und Ordnungen des Pflanzenreiches verbreitet iſt, und die ſich offenbar im Laufe der Zeit als eine für die Erhaltung der Art nützliche Einrichtung erwieſen hat. Auch bei den Zwitterblüten dürfte die Wechſelbefruchtung viel häufiger ſtattfinden, als die Selbſtbefruchtung. a Eines der gewöhnlichſten Mittel, die Be— fruchtung der Eizellen durch die Sexualzellen derſelben Blüte zu verhindern, iſt die Dicho⸗ gamie, d. h. die ungleichzeitige Entwicklung der beiden Geſchlechtsorgane innerhalb einer Zwitterblüte. Sind die weiblichen Serualappa- 174 Fortpflanzung rate früher reif als die männlichen, jo heißt man das protogyniſche Dichogamie, im ent— gegengeſetzten Falle protandriſche Dichogamie. Die Befruchtung durch fremde Pollen wird meiſt vermittelt durch Blumeninſecten, welche, dem Nectarienſafte der Blüten nachgehend, die Pollen einer Blüte auf die empfängnisfähige Narbe anderer Blüten abſtreifen. In Blüten mit gleich— zeitig zur Geſchlechtsreife gelangenden Sexual— zellen finden ſich die verſchiedenſten Einrich— tungen, beſonders bezüglich der Stellung der Organe, welche das Hingelangen der Pollen— körner auf die Narbe erſchweren Eine vielverbreitete Einrichtung iſt endlich die, daſs der Pollen überhaupt für die Eizellen derſelben Blüte unfruchtbar bleibt, wenn er auch auf die Narbe gelangen ſollte. Narbe und Pol— len einer Blüte ſind nur für die Organe fremder Blüten functionierend. Eine beſondere, ſehr intereſſante Erſchei— nung hiebei iſt die ſog. Heteroſtylie, d. h. die Einrichtung, daſs die Blüten einer Pflanzen— art verſchieden gebaut ſind, indem es Blüten mit langen Griffeln und kurzen Staubfäden, und andere Blüten mit kurzen Griffeln und langen Staubfäden gibt und eine Befruchtung nur dann ſtattfindet, wenn eine „legitime“ Ver— bindung erfolgt iſt, d. h. wenn die Pollen der langen Staubgefäße auf die Narbe des langen Griffels und umgekehrt, die Pollen der kurzen Staubgefäße auf die Narbe des kurzen Griffels gelangt iſt. In allen vorangeführten Fällen ſind es die Inſecten, welche die Übertragung des Pol— lens vermitteln, doch erfolgt die Befruchtung auch in vielen Fällen ohne die Inſecten, z. B. bei den Nadelhölzern, deren Pollen durch eigen— artige, mit Luft gefüllte Anhängſel, durch eine Art Flugapparat, ſpeeifiſch leicht gemacht iſt, jo daſs ſich derſelbe zur Blütezeit durch den leiſeſten Luftzug in den oberen Regionen ſchwe— bend erhält und die in der oberen Baumkrone befindlichen weiblichen Blüten erreichen kann. Die große Menge des Blütenſtaubes, die nach Gewitterregen oft weit entfernt vom Walde als „Schwefelregen“ die Oberfläche ſtehender Ge— wäſſer bedeckt, erſetzt hier die Thätigkeit der Inſecten. Die Befruchtung durch entfernter verwandte Sexualzellen hat den in die Augen fallenden Vortheil, daſs damit eine Stagnation in der Entwicklung der Pflanzenformen vermieden, vielmehr die Entſtehung neuer Formen geför— dert wird. Dies wird auch durch die Vereini— gung ſyſtematiſch verſchiedener Pflanzen, die ſog. Baſtardbefruchtung oder Hybridation erzielt. Man bezeichnet als ſolche ſchon die Wechſelbefruchtung verſchiedener Varietäten einer Art und die daraus hervorgehenden Pflanzen als Varietätenbaſtarde. Speciesbaſtarde ſind ſchon weit ſeltener und treten nur bei verſchiedenen Gattungen oder Familien ſehr allgemein auf, z. B. bei den Salicineen, bei Hieracium, bei Ericaceen, Pri— mulaceen, Solanaceen, Roſaceen ꝛc., während andere Gattungen oder Familien faſt nie Ba— ſtarde bilden, z. B. Papilionaceen. Gattungs- baſtarde, d. h. Baſtarde zwiſchen Arten ver— im Pflanzenreich— ſchiedener Gattungen, gehören zu den größten | Seltenheiten. Sie exiſtiren zwiſchen verſchiedenen Gattungen der Ericaceen, nämlich Rhododen— dron, Azalea, Rhodora, Kalmia, ferner zwiſchen Lychnis und Silene. Die größere oder geringere Geneigtheit zweier verſchiedener Pflanzen zu baſtardiren, wird als ſexuelle Affinität be— zeichnet. Sie iſt von großer Verſchiedenheit und der geringſte Grad der Einwirkung des Pollens auf eine andere Blüte, mit der doch eine ſexuelle Affinität beſteht, iſt der, daſfs nur an den Blütetheilen Veränderungen hervortreten, ohne daſs ein Embryo gebildet wird. Eiu höherer Grad beſteht darin, daſs ſich Embryonen bilden, die aber nicht vollſtändig entwickelt und kei— mungsfähig ſind, oder ferner nur eine Anzahl keimfähiger Embryonen ſich bildet. Wenn gleichzeitig verſchiedene Arten von Blütenſtaub auf ein und dieſelbe Narbe ge— langen, dann wirkt nur die Art, welche die größte ſexuelle Affinität beſitzt; kommen dagegen verſchiedene Pollen ungleichzeitig auf eine Narbe und iſt der ſpäter hinzukommende von größerer ſexueller Affinität, ſo kann er nur dann noch befruchtend wirken, wenn der zuerſt einge— drungene noch nicht befruchtend oder ſtörend gewirkt hat. N Der Baſtard hält meiſt in Bezug auf die ſyſtematiſchen Merkmale die Mitte zwiſchen den beiden verſchiedenen elterlichen Formen, ſeltener iſt er der einen Stammform ähnlicher. Neben den ererbten Eigenſchaften beſitzt der Baſtard noch neue Merkmale, insbeſondere zeigen die Baſtarde eine ſtarke Neigung zum Varitren, d. h. iſt die Sexualität bei den Species baſtarden meiſt geſchwächt. Die Baſtarde näher ver— wandter Formen ſind oft im Wuchſe beſonders kräftig, was ſich in Blatt, Stengel und Wurzel- entwicklung, üppigerer Blütenbildung und der Neigung, ſich durch Metamorphoſen in gefüllte Blumen zu veredeln, ausſpricht. Wird ein Baſtard mit einer neuen Stammform oder einem Baſtard anderer Abſtammung ſexuell vereinigt, ſo entſteht ein combinierter Baſtard. Wird ein Baſtard wiederholt mit einer ſeiner Stamm— formen ſexuell vereint, ſo nehmen die Abkömm— linge bald wieder die Geſtalt dieſer Stamm— form an. f Betrachten wir nun im Speciellen den ge— ſchlechtlichen Fortpflanzungsproceſs der Gymno— ſpermen, jo ſehen wir, daſs die männliche Blüte in ihren Pollenſäcken Sporen, Pollenkörner er— | zeugt, die in ihrem Innern die männlichen Sexualzellen nicht mehr wie bei den Krypto— gamen als bewegliche Zooſpermien, ſondern als zwei oder mehrere Zellkerne ausbilden. Im Hinblick auf das über den Generationg- wechſel Geſagte ſei hier nur bemerkt, dajs die Nadelholzpflanze in den Pollenſäcken, welche mit den Mikroſporangien der kryptogamen Pflanzen verglichen werden müſſen, durch Vier⸗ theilung von Zellen jene Pollenkörner, Mikro- ſporen, entwickelt, welche den Abſchluſs des einen Lebensabſchnittes im Generationswechſel, den man als den geſchlechtsloſen bezeichnet, bilden. Im Innern des Pollenkornes bildet ſich ein rudimentäres männliches Pflänzchen, ein Pro⸗ thallium, an dem ſich ein einzelliger männlicher * Fortpflanzung im Pflanzenreich. 175 Sexualapparat oder Antheridium, der künftig zum Pollenſchlauch auswächst, befindet. Die weibliche Blüte trägt in der Regel eine große Anzahl von Samenknoſpen, das ſind Makro— ſporangien, und in jeder Samenknoſpe bildet ſich eine Spore, Makroſpore, aus, die auch Embryoſack genannt wird. Wenn die Makro— ſpore ausgebildet iſt, ſo tritt die Beſtäubung ein, d. h. die Pollenkörner oder Mikroſporen ge— langen auf den Scheitelpunkt des Makroſpo— rangiums, und nun wächst das Antheridium in Form eines Pollenſchlauches aus dem Pollen— korn in das Gewebe der Samenknoſpe hinein, ohne jedoch vorerſt bis zur Makroſporen zu ge— langen. Es tritt nun vielmehr ein Stillſtand im Wachsthum des Pollenſchlauches ein, der bei der Gattung Pinus nahezu ein volles Jahr währt, bei anderen Nadelhölzern wenigſtens nach Monaten zählt. Inzwiſchen entwickelt ſich erſt im Innern der Makroſpore die geſchlecht— liche Generation der weiblichen Pflanze, d. h. ein kleines Pflänzchen, Prothallium genannt, an welchem eine Mehrzahl weiblicher Sexual— apparate zur Ausbildung kommt. Dieſe rudi— mentäre weibliche Pflanze wird auch Endoſperm— körper genannt. Die Sexualapparate oder Archegonien früher auch wohl corpuscula genannt, beſtehen aus den Eizellen und mehreren Halszellen, den Überreſten der noch bei den Farren und Sela— ginellen hoch ausgebildeten flaſchenförmigen Ar— chegonien. Die Archegonien ſtehen an dem Theile des Prothalliums, welcher dem Scheitel der Samenknoſpe zugewendet iſt, jo daſs die Spitze des Pollenſchlauches ſich unmittelbar an die Hals— zelle des Archegoniums anlegen kann. Eine Aus— ſtülpung des Pollenſchlauches dringt in den Canal zwiſchen die Halszellen bis nahe an die Eizelle vor, und nun tritt die Subſtanz der beiden männlichen Sexualzellen, die in der Spitze des Pollenſchlauches zu erkennen waren, ohne Auf— löſung in die Subſtanz der weiblichen Eizelle über und vereinigt ſich, wie es ſcheint, mit dem Zellkern dieſer Zelle. Nach der Befruchtung wird durch die Zellen des Prothalliums der Canal geſchloſſen, ſo daſs das befruchtete Ei völlig geſchützt iſt. Der Kern desſelben wandert ſodann in die Baſis der Eizelle, woſelbſt durch Zell— theilung ein mehrzelliger Körper, die Anlage des Vorkeimes, entſteht. Dieſelbe beſteht aus drei übereinanderliegenden Etagen von je vier Zellen. Die oberſte verändert ſich wenig und bleibt als Roſette im Archegonium zurück, die mittlere verlängert ſich zu den Embryonal— ſchläuchen und ſtößt die Zellen der unterſten Etage, die eigentliche Embryoanlage, in den erweichten Eiweißkörper hinein. Oft trennen ſich auch die vier Schläuche und jeder trägt an ſeiner Spitze eine Embryoanlage. Es können ſomit aus einer Eizelle entweder ein oder vier Embryonen entſtehen, und da jedes Prothallium eine größere Anzahl von Archego— nien beſitzt, z. B. bei den Abietineen 3—5, bei den Cupreſſineen 5—15, bei den Taxineen 5—8, ſo iſt die Möglichkeit zur Entſtehung einer großen Anzahl von Embryonen geboten, und bezeichnet man dieſe Einrichtung als Poly— embryonie. Faſt ausnahmslos kommt aber nur Embryoſackes befindliche Zellkern ein Embryo zur vollen Entwicklung. Derſelbe liegt in einer Höhlung des Endoſperms ſo ge— lagert, daſfs die Würzelchen dem Scheitel der Samenknoſpe und ſomit der Keimöffnung, der Kopf, d. h. das Knöſpchen und die Samenlap— pen, dem Grunde der Samenknoſpe zugewendet iſt. Wenn dann der Embryo keimt, ſo kann das Würzelchen mit Leichtigkeit aus der Keimöffnung hervorſtoßen. Recht oft tritt aber der Fall ein, daſs der Embryo beim Hineinwachſen in den erweichten Eiweißkörper eine umgekehrte Lage erhält, indem ſich der Embryonalſchlauch krümmt. Wenn dann die Keimung beginnt, tritt der Embryo mit ſeinen Samenlappen aus der Keim— öffnung hervor, das Würzelchen ſtößt gegen den undurchdringlichen Grund des Endoſperms, und der Embryo ſtirbt ab, da das Würzelchen nicht aus der Samenſchale hervorkommen kann. Sehr viele gute, keimfähige Samen gehen deshalb nach dem Beginn der Keimung wieder zugrunde. Die Befruchtungsvorgänge bei den Angio— ſpermen unterſcheiden ſich von denen bei den Gymnoſpermen dadurch, daſs die männlichen und weiblichen Sexualorgane noch mehr redu— ciert ſind, ſo daſßs man kaum noch Überreſte der Prothallien, an denen die Sexualorgane ſich ausbilden, nachzuweiſen vermag. Die Pollenkörner, welche als Mikroſporen den geſchlechtsloſen Abjchnitt im Entwicklungs- gange der Pflanze abſchließen, entwickeln in ihrem Innern keine Spur mehr von einem Prothallium, vielmehr iſt der Inhalt lediglich als ein Antheridium zu betrachten, in welchem meiſt zwei erkennbare Kerne die männlichen Sexualzellen repräſentieren. Das Antheridium wächst als Pollenſchlauch aus und führt die letzteren zu dem weiblichen Sexualapparat hin. Letzterer entſteht im Innern der Samen— knoſpe, welche als Makroſporangium aufzufaſſen iſt und nur eine Makroſpore, den Embryoſack, in ſich ſchließt. In dem Embryoſacke bildet ſich vor der Befruchtung der weibliche Sexualappa— rat in folgender Weiſe aus: Der Zellkern theilt ſich in zwei Tochterkerne, von denen der eine nach oben, der andere nach unten wandert. Der obere, dem Scheitelpunkt der Samenknoſpe und der Keimöffnung oder Mikropyle zunächſt ge— legene Zellkern theilt ſich wiederholt, jo dafs daraus vier Zellkerne entſtehen, von denen drei an Ort und Stelle bleiben, der vierte wieder der Zellmitte zuwandert. Von jenen drei Kernen geht nun die Bildung dreier Zellen aus. Zwei Zellen ſind der Spitze des Embryoſackes un— mittelbar anliegend, ſie werden Gehilfinnen ge— nannt, während die dritte, die Eizelle, etwas tiefer ſteht. Der am entgegengeſetzten Pole des theilt ſich ebenfalls in vier Kerne, von denen drei zu Zellen, den Antipoden oder Gegenfüßlern, ſich entwickeln, währeud der vierte Kern ebenfalls der Zellmitte zuwandert und mit dem von oben kommenden Kern zu einem verſchmilzt. Man betrachtet nun die Antipoden als das letzte Uberbleibſel des Prothalliums, d. h. der weib— lichen ſexuellen Pflanze, während die drei oberen Zellen das Überbleibſel des verkümmerten Arche- goniums repräſentieren. Wenn nun die Spitze 176 Fortſchießen. — Fouilloux. des Pollenſchlauches ſich dem Embryoſacke an— legt, ſo kann dieſelbe nur mit den Gehilfinnen in directe Berührung kommen. Der Inhalt dieſer Zellen verändert ſich ſofort nach der Aufnahme der Subſtanz der männlichen Sexualzelle und wird ſtark lichtbrechend. Der Inhalt dieſer Zel— len theilt ſich nun erſt der Eizelle mit, welche alſo den Befruchtungsſtoff indirect durch Ver— mittlung jener beiden Zellen erhält, die des— halb Gehilfinnen genannt ſind. Die Eizelle umgibt ſich mit einer Celluloſe— haut und iſt nun imſtande, wenn auch oft erſt nach einer längeren Ruhezeit, durch Proceſſe der Zelltheilung zu einem Embryo heranzuwachſen. Schon bevor dies geſchieht, oder auch gleich— zeitig mit der Entwicklung des Embryo findet ein lebhafter Proceſs der Zellkerntheilung im Embryoſacke ſtatt, und es entſteht der Ei⸗ weißkörper oder Endoſpermkörper in demſelben, der durch Zellvergrößerung und Zelltheilung oft das ganze Innere des Embryoſackes ausfüllt. Derſelbe dient dem ſich entwickelnden Embryo zur Ernährung und wird meiſt wieder ganz aufgezehrt, in dem Maße, als ſich der Embryo vergrößert, oder derſelbe entwickelt ſich mächtig und umgibt den dann relativ klein bleibenden Embryo, um ihm erſt während und nach der Keimung die Nährſtoffe zuzuführen, die in ihm von der Mutterpflanze abgelagert worden ſind. Mit wenigen Ausnahmen wird auch das Gewebe der Samenknoſpe während der Embryoentwicklung aufgelöst, ſo daſs der Embryo im Ruhezuſtande nur von den zu Samenſchalen umgewandelten beiden Integu— menten der Samenknoſpe umgeben iſt. Die Ent— wicklung des Embryo beginnt mit der Ent— ſtehung eines Vorkeimes. Aus der Eizelle ent— ſteht zunächſt ein algenartiger, fadenförmiger Embryoträger, an deſſen Spitze eine Zelle, die Kopfzelle, dann zu dem eigentlichen Embryo mit 1 Knoſpen und Samenlappen heran— wächst. Die Samenlappen vergrößern ſich gewaltig und werden zu Ablagerungsſtätten der von der Mutterpflanze der jungen Pflanze für die erſte Entwicklungsperiode mitgegebenen Reſerveſtoff— nahrung. Hg. Jortſchießen, verb. intrans. oder trans. mit laſſen, vom Leit- und Schweißhund auf der Fährte; vgl. ausſtreichen IV. Hund auf vorbeſchriebene Art gezeichnet hat, jo muſs man ihn wieder fortſchießen laſ— ſen .. .“ Mellin, Anwſg. z. Anlage v. Wild— bahnen, 1779, p. 202. Grimm, D. Wb. IV., p. 29. — Fehlt bei Sanders. E. v. D. Jortſtieben, verb. intrans., richtiger fort— ſtäuben, raſch fortfliegen, namentlich von Reb— hühnern; ſelten; vgl. ſtieben, abſtieben, auf— ſtieben I. „. . . daß die Hühner aufſtehen und fortſtieben.“ Döbel, Ed. I, 1746, I., fol. 30. — Grimm, D. Wb. IV., p. 35. — Fehlt bei Sanders. E. v. D. Fortſtreichen, verb. intrans. I. S. v. w. wegfliegen, abſtreichen; vgl. ſtreichen. II. Sehr ſelten in ähnlicher Bedeutung — flüchtig werden, auch vom Haarwild;_ vgl. aufſtreichen, ſtreichen II. „Sich durch den Zeug ſchlagen, heißet: „Wenn der | wenn ein Schwein. mit feinen Waffen eine ſolche Offnung oder Riß in ein Tuch machet, wodurch es auch ſobald durch— brechen und wieder ins Freye fortſtrag kann.“ C. v. Heppe, Aufr. Lehrprinz, p. 67. Fehlt in allen Wbn. E. v. D FJortziehen, verb. intrans. Von Zugvögeln, aus einer Gegend fortziehen — fie im Herbſte oder im Frühjahre verlaſſen; vgl. abziehen, ziehen. „Die Ring— taube .. . erſcheint meiſt Ende März oder An— fang April. und zieht im September oder October wieder fort.“ R. R. v. Dombrowski Lehr- u. Hb. f. Ber.⸗Jäger, p. 274. II. Von allem Wilde, ſ. v. w. auswechſeln; feen De Hohe Jagd, Ulm 1846, I., p. 359. S. v. w. weiterziehen, vom Hund und Wild; 11 55 „Fortziehen heißet auch: der Hund' gehet weiter; und alſo jagt man auch vom Wildpret.“ C. v. Heppe, Aufr. Lehrprinz, p. 495. — Bei Sanders, Wb. II., p. 1475 b, un⸗ vollſtändig. E. v. D. Förzel, das wahrſcheinlich beide aus Bürzel, vielleicht auch abgeleitet von dem ob— jeönen Farz oder Furz, der Schwanz des Roth— hirſches; ſeltener mundartlicher (bayriſcher) Aus- druck. Vgl. Bürzel, Wedel, Sturz, Federlein, Blume. „Bey dem Rothwildpret heißets Die Blume, an einigen Orten ſpricht man auch: der Sturz, ferner das Förzel, item: Federle.“ C. v. Debpt, Schreit p. 205. — Grimm, D. Wb. J E. v. D. Fotaktunge, die Allantois bei den Allan- toidica. Kur. Fötus heißt im allgemeinen der Embryo (ſ. d.), alſo jedes noch in den Embryohüllen, im Ei oder im Mutterleib befindliche, in der Ent— wicklung begriffene Thier; ſpeciell die noch nicht geborene Frucht der Säugethiere. Kur. Jouilloux, Jacques du, der berühmteſte ältere Jagdſchriftſteller Frankreichs, geboren um 1321 auf der Familiendomäne Fouilloux in Gaſtine, geſtorben am 5. Auguſt 1580. Über ſein Leben iſt auffallenderweiſe bisher gar nichts Näheres bekannt geworden; das wenige, was ſich aus ſeinen eigenen Worten entnehmen läſst, findet ſich bei E. Juillien, La Chasse, p. 172 ff, zuſammengeſtellt. Du Fouilloux' Werk La Venerie hat im ganzen folgende Ausgaben erlebt: I. La Venerie de Jacques Du Fouilloux, escuyer seignevr dydit liev pays de Gastine en Poiton, dedi6ee au Roy Tres chrestien Charles neufiesme de ce nom. Plusieurs re- ceptes et remedes pour guerir les chiens de diverses maladies. Plus l’Adolescence de l’Au- theur. Auec priuilege du Roy. A. Poitiers par les de Marnefz et Bouchetz freres. 1561. Kl.⸗Folio, IV. und 214 p. mit 57 Holzſchnitten. Wert 1000 — 3000 Franes. II. Ibid., 1 4, 600-1700 Franes. III. Ibid., s 4°, 400—500 Franes. IV. Ibid., 1568, 4°, 300400 Franes. V. La Venerie,..avec interpretation des mots vocables et dictions de Venerie. Plvs Fart de Chasser aux bötes priudes et sauuages, extrait du liure du Roy Phoebus. A. Paris. Pour Galiot du Pré, Libraire jure, rue 8. * Be | | Fouilloux. 177 0 Jaques, a l'enseigne de la Galere d'or. 1373. 4° und 136 Blatt. Prächtige Ausgabe. 400 bis 300 Franes. % VI. Engliſche anonyme Überſetzung: The noble Art of Venerie or Honting. London 1575. 4. i VII. Deutſche Überſetzung: Neuw Jag vnnd Weydwerck-Buch, d. i. grundtliche beſchreibung vom Anfang der Jagten auch vom Jäger jeinem Horn vnd ſtimm Hunden | Wie die zu allerley Wildpret abzurichten ꝛe. Item von der Hirſch Schweins | Haſen | wilden Küllen Füchs [Dachs | Beeren [Luchs | Steinbods Gemſen vnd Wolffs Jagt. Item vom Adelichen Weydwerck der Faldeney [Beyſſen vnd Feder— ſpil ꝛe. Deßgleichen vom Fiſch, Krebs, Otter vnd Biber Fang. Franckfurt am Mayn, in ver— legung Sigismund Feyerabents. 1582. Folio, IV und 103 Blatt, mit 116 Holzſchnitten von Soft Amman, ſ. d. Dieſe Überſetzung, welche faſt immer irrig als deutſches Originalwerk be— trachtet wird, enthält als Beigaben eine inter— eſſante Sammlung von Weidſprüchen ſowie mehrere Partien aus dem Werke Pietros de Crescenzi. 150 —200 Mark. VIII. La Venerie et Favconnerie de Jaques dv Fovillovx, Jean de Franchières et autres diners autheurs. Reveués, corrigees et aug- mentees des chasses non encore pa cy devant imprimees. Par. J. D. S. gentilhomne P. a Paris, pour Felix le Mangnier, ruö neufue Nostre Dame, a l'image St. Jean Baptiste *). MDLXXXV. 4°. 150—200 Francs. IX. Zweite deutſche Überſetzung: New Jägerbuch: Jacoben von Fouilloux einer für— nemen Adelsperſon in Franckreich auß Gaſtine in Poitou. Darinn gründtlich beſchriben vnd zu finden [Vom Jäger, der Jagten Anfang | des Jägers Horn vnnd Stimm, wie er ſich deren auff der Jagt | recht gebrauchen | vnd artige Hifft blaſen ſoll, vnd was zu jedem ſonſt beſonders mehr erfordert wirt. Auch von Laid Sag | He vnd allerley Hunden jhrer art vnd herkommen Welcher geſtalt vnd zeit | fie zu belegen | Welffen jollen | vor der wuot, Raud vnd anderen zufällen, zu retten vnn zu ber- waren | wie ſie auff allerhand Wiltpreth vnd zum Horn | anzubringen [zu arbeiten | mit hoher ferrer Naſen verfahen | die fährt ein- fallen | beharren | verfallen vnd auff der Jagt fürzulegen | zu Paſſen | zu pfnyſchen ꝛc. Item von der Hirſch Schweins Hafen Fuchs vnd Dachsjagt das iſt von allerley Hohem | Ni- derm Rotten vnnd Schwartzen Wiltpreth wie der Jäger mit dem Leydthund durch newe hochjrige vor vnd nachfahrt | gfährt, gemärk rucken, eylen, ſchrecken, plenden, bſchliſſen wagen | ragen | grunen fedemlin | Bürgſtall Aberelawen | Standt | wanbedt | läger | gefül | abjpringen | gewendt | Himmelſpur Erwinden | fegen jchlagen | abwerffen | abjondern | auff- jegen | auffjagen | geäß | gireß | gelöß | Lofirung für juchen für greiffen | hoch vnn nider ver— brechen im fürſchlag wider zu vnn abzug einkreiſen abbrechen beſtatten auffjagen Par- *) Es gibt auch Exemplare mit der Firma: A Paris Ches Abel L’Angelier au premier pillier de la grand salle du Palais. ; ; D. V. force fangen | zerwürden [vnd was ferners hierzu gehörig | den Jäger auff der jagt für- nemmen thun vnd leiſten ſoll. Erſt friſch von newem auß dem Frantzöſiſchen in gut Weyd— männiſch Teutſch allen Jägern vnd Weydmannen zu gutem verteuſcht vnd Vertirt. Mit Röm. Key. May. Freyheit auff zehen Jar. Getruckt zu Straßburg durch Bernhart Jobin. Anno 1590. Fol., 92 Blatt, jig. mit 52 ſchönen Holz⸗ ſchnitten (größtentheils der Ed. VIII entlehnt). Meiſtens iſt die Abhandlung Clamorgans: Wolffs— jagd von Johannſen von Clamorgans, Hern von Saane, Oberhauptmanns auff der Saar gegen Nidergang inn Franckreich angefügt; — v. Haugwitz u.a. behaupten, dieſe Ausgabe ſei nicht durch J. Wolff, wie mehrfach angegeben, ſondern durch Bernhart Jobin (Haugwitz ſchreibt ſogar Fobin) überſetzt worden, wozu wahr— ſcheinlich der Umſtand verleitet haben mag, daſs die Widmung an den Herzog von Württem— berg, wie bei den meiſten Werken jener Zeit, von Bernhard Jobin, dem Drucker, gezeichnet iſt. In dieſer heißt es jedoch: Solche beide Bücher ſein wie ich bericht auf gnädigs geheiß vnnd begeren | des Durchleuchtigen Hochgeboren Fürſten vnd Herrn Herrn Ludwigen Hertzogen zu Wirtemberg vnd Teck. .. meins auch gne— digen Fürſten vnd Herrn durch Johann Wolffen Pfaltz vnnd Marggrafiſchen Rhat vnnd Ampt⸗ mann zu Mindelsheim als der Frantzöſiſchen Sprach wolgeübten vnd ſo berhümter Jäger vnd Falckner gute kundtſchafft vnnd hilff ge— habt | vor wenig Zeit in die Teutſche Sprach Vertirt vnd mir durch ein vertrawten Freund mitgetheilt vnd communiciret worden. 130 bis 200 Mark. XXIII. La Venerie...Paris, chez Abel L’Angelier, 1601, 1604, 1605, 1606; alle in 4“ wie jene von 1585, mit denſelben Holz— ſchnitten. 1 XIV. Zweite engliſche Überſetzung, London 1611, 40. XV XVI. La Vénérie . . . Paris, veuve Abel L’Angelier, 1613, 1614. XVII. Italieniſche Überſetzung: La caceia di Giacomo di Foglioso, Scudiero e signore di esso luogo, paese di Gastina in Poitü. Con molte ricette, e rimedij per risanare i cani da diuerse malatie. Tradotta di lingua francese da Ces. Parona. Milano, Antonio Comi. 1613. 8e, mit Holzſchnitten. XVIII. La Venerie wie XV, 1618. XIIX-XN.. La Venerie...eu la boutique de L’Angelier, chez Claude Cramoisy, 1621, 1624, 1628. 4. XXH—XXII. La Venerie...a Paris chez Pierre Billaine, rue Saint-Jacques. à la Bonne- Foy, devant Saint-Yves, 1634, 1635. 4°. XXIV. La Venerie...& Paris, Pierre David, 1640. 4°. XXV. La Venerie...ä Rouen, Clement Malassis, 1650. 4°. XXVI. Dritte deutſche Ausgabe: Adeliche Wäyd Werke. das iſt Kurtze und eygentliche Beſchreibung Welcher Geſtalt allerhand Wäyd Werck an Zuſtellen, und wie man Wäyd Män⸗ niſch da von reden ſolle. Anitzo von Neuem zu— ſammen getragen und in Truck gegeben. Srand- Dombrowski. Eneyklopädie d. Forſt⸗ u. Jagdwiſſenſch. IV. Bd. 2 9 2 178 furt am Mayn. In Verlegung Joh. Wilh. Ammons vnd Wilh. Serlins. 1661. 4. 22 und 258 Seiten; ein nahezu unveränderter, auch dieſelben Holzſchnitte enthaltender Abdruck der Ed. VII. XXVWII-XXVIII. Vierte und fünfte deutſche Ausgabe: ibid., 1669 und Prag 1699, 4“, Reproductionen der vorigen. XXIX—XXX. Sechste und ſiebente deutſche Ausgabe: Neues Jagd- und Weidwerkbuch. . . Deſſau, Gedruckt in der hochfürſtl. Privileg. Hoff-Druckerey, 1720 und 1726, fol.; unveränderter Ab— druck der Ausgabe von 1590. XXXI. La Venerie de Jaqves du Fouilloux, gentilhomme, seigneur dudit lieu pays de Gastine en Poitou, dediee avx Roy tres chrestien Charles, neu- fiesme de ce nom. Avec plusieurs re- ceptes et remedes peur guerir les chiens de diuerses maladies. Puis l’Ado- lescence de l’Autheur, avec privilege du Roy, a Poitiers par les de Marnefz et Bonchetz freres, 1568. Reimprime & Bayreuth, par Frederic Elie Dietzel, imprimeur de la cour de la chancellerie et du college Chrestien Ernestin, 1754. 4°. II und 223 p. Brillante, ſehr jeltene Ausgabe. 350 —300 Mark. XXXII. La Venerie.. .precedee de quelques notes biographiques et d’une notice bibliographique. Angers, Ch. La- bosse, 1844. Gr.⸗8“. Vergriffen. 25—40 Franes. XXXIII. La Venerie... précédée de la Biographie de Jacques du Fouil- loux, par M. Pressac. Niort, Robin et L. Favre, 1864. Gr.-8“. Beſte neue Aus⸗ gabe 60—80 Francs. Der Einfluſs dieſes berühmten und in der That vorzüglichen Werkes machte ſich nament— lich im XVII., aber auch noch im XVIII. Jahr- hundert in der deutſchen Jagdliteratur ſehr fühlbar und, abgeſehen von der Überhäufung der deutſchen Weidmannsſprache mit Galli— cismen, nicht zu deren Nachtheil; vgl. hierüber meine Abhandlungen „Die Lehre von den Zeichen des Rothhirſches“, Blaſewitz-Dresden, Paul Wolff, 1886, und „Hie gut Deutſch Weidewerk allerwege“ im „Weidmann“, Bd. XVII. E. v. D. Fragaria L. (Familie Rosaceae), Erd- beere. Ausdauernde, fadenförmige, wurzelnde, entfernt⸗ und kleinblättrige Ausläufer treibende Kräuter, mit dreizählig zuſammengeſetzten Blät— tern, deren Blättchen ſtets aus keiligem Grunde verkehrt-eiförmig, grobgeſägt und unterſeits ſeidenhaarig ſind. Grundblätter langgeſtielt, Stengel oben gabeltheilig oder trugdoldig ver— zweigt, 1—2blättrig, Blüten weiß; Frucht eine durch Verdickung des Stempelträgers entſtehende fleiſchig ſaftige, die Früchtchen (kleine Körnchen) auf der Oberfläche tragende Scheinbeere. Wald— erdbeere, F. vesca L. (Fig. 363). Niedrig, Blatt— ſtiele wagrecht, Blütenſtiele angedrückt behaart, Blüten klein, Beere kugelig oder kegelförmig, regelmäßig, ſcharlachroth, ſehr aromatiſch, ſich leicht aus dem abſtehenden Kelch löſend. In Fragaria. — Frangen. ſchattigen Wäldern auf humoſem Boden, in der Ebene und in Gebirgen, wenn häufig auftretend, Zeichen eines guten nahrhaften Bodens. Blüht vom April bis Herbſt. — Große Erdbeere, F. elatior Ehrh. Blätter und Blütenſtiele wag- recht abſtehend dicht und lang behaart; Stengel Fig. 365. Walderdbeeren, Fragaria vesca L. robuſt, bis 30 em hoch, Blüten groß, Beere eiförmig, groß, oft unregelmäßig, grünlichroth, ſich ſchwer vom Kelch löſend. Stammart vieler Gartenerdbeerſorten. Mehr auf bebuſchten ſon— nigen Hügeln als in Wäldern. Blüht im Mai und Juni. — Hügelerdbeere, F. collina Ehrh., Vom Anſehen und der Größe der Walderd— beere, von dieſer verſchieden durch der Beere angedrückten Kelch. Auf ſonnigen, bebuſchten Hügeln, Waldſchlägen, in lichten Waldungen. Blüht im Mai und Juni. Wm. Francolinus Brisson, Gattung der Fa— milie Rauhfußhühner, Tetraonidae, ſ. d. u. Syſt. d. Ornithologie; in Europa eine Art: Francolinus vulgaris Stephens, Frankolin, ſ.d. E. v. D. Frangen, verb. intrans., ſ. v. w. ſcherzen oder ſpielen, vom Roth-, Dam- und Rehwild, namentlich von den Kälbern; ſelten. Etymologie unſicher, wahrſcheinlich von mhd. phrengen pfrengen = drängen, in die Enge treiben. „Frangen ſagt man, wenn das junge Roth⸗, Dam⸗ oder Rehwild während dem Spielen ſich mit den Vorderläuften ſchlägt.“ Behlen, Wmſpr., 1882, p. 59; Real- u. Verb.⸗Lexik. II., p. 65%; VI., p. 233. — „Wenn das junge Roth-, Dam⸗ oder Rehwild mit einander ſpielt und ſich im Scherze mit den Vorderläufen ſchlägt, ſo nennt man dies Frangen. Hartig. Lb. f. Jäger, Frangulin. — Frankolin. 179 Ed. I, 1812, I., p. 38 (eitiert nach Ed. XI, 1884, p. 52); Lexik., Ed. I, 1836, p. 189; Ed. II, 1861, p. 199. — Die Hohe Jagd, Ulm 1846, I., p. 359. — Fehlt bei Grimm und Sanders. E. v. D. Frangulin, C2 HzO to, iſt das in der Faulbaumrinde enthaltene Glyecoſid, welches durch Einwirkung von Emulſin in Zucker und Frangulinſäure (Dioxyanthrachinon), C. HSO, geſpalten wird. Gelbe, geruch- und geſchmackloſe Kryſtallmaſſe, lös lich in kochendem Alkohol, Ather und in Chloroform, in wäſſerigen Alka— lien mit Purpurfarbe, ſchmilzt bei 225°, ſubli— miert theilweiſe unzerſetzt, bildet mit Metall- hydroxyden ſchön gefärbte Lacke, wird mit concentrierter Schwefelſäure ſmaragdgrünn, dann purpurfarben und löst ſich mit duukelrother Farbe. v. Gn. Frankenberger Ahren find in Kupfer— glanz vererzte Zweigenden einer Conifere (Cupressites Ulmanni); finden ſich bei Franken— berg in Heſſen in einem grauen, kalkhaltigen, thonigen Letten, der als ein Aquivalent des Kupferſchiefers anzuſehen iſt und zur 5 formation gehört. Frankolin, der, Francolinus Gr Steph.; F. tristriatus, Asiae et Henrici, Bp.; Tetrao francolinus Linn.; Perdix francolinus (L.) Lath.; P. Gepburniae Gray; Attagen fran- colinus (L.), Keys. et Bl.; Chaetopus franco- linus (L.) Swains.; engl.: Frankolin; frz.: Franeolin vulgaire; türk.: Turatz; ital.: Fran- colino. een. Vogel: Gould, Birds of Europe, Pl. 259; Dreſſer, Birds of Europe, Pl. 473; Fritſch, Vögel Europas, T. 29, Fig. 8. — Eier: Bädecker, Eier europäiſcher Vögel, T. 21, Fig. 1. Kennzeichen: Schnabel ſchwarz; Beine röthlichgelb; Stoß ſchwarz, auf den zwei mitt— leren Federn gelblichweiß quergebändert; untere Flügeldecken auf dunkelbraunem Grunde roſt— gelblich quergebändert; untere Stoßdecken roſt— braun, weißlich geſäumt. Altes 5: Oberkopf, Hinternacken ſchwarz, mit fahlbraunen Federrändern, die ſich nach unten verbreiten, ſo daſs da die Grundfarbe weniger ſichtbar iſt als auf der Stirne; Seiten der hinteren Kopfplatte und der unteren Nacken— partien weiß gefleckt; ein breites um den Hals ſich ziehendes Band iſt lebhaft roſtbraun; Hin- terhals ſchwarz, weiß gefleckt, Rücken, Schulter und Flügeldecken ſchwarzbraun, mit breiten gelblichen Seitenſtreifen und ebenſolchem Außen- rande; Bürzel und obere Stoßdecken ſchwarz, fein weiß quergebändert; Stoß ſchwarz, weiß— lich gewellt und gebändert, mit Ausnahme des Endtheiles; Schwungfedern ſchwärzlichbraun, breit röthlichgelb gebändert; Kopfſeiten ſchwarz, mit einem langen weißen Fleck unter und hinter dem Auge; Kinn und Kehle, das rojtbraune Band ausgeſchloſſen, ferner Bruſt und Seiten tief ſchwarz, letztere oben mit weißlichen Flecken, die nach unten zu in Querbänder übergehen, verſehen; Bauch rothbraun, ſchmutzigweiß ge— rändert; untere Stoßdecken roſtbraun, weißlich geläumt: Schnabel ſchwarz; Augen braun, Beine röthlichgelb. Totallänge ungefähr 33 bis 34 em. Altes 2: Oberkopf, Nacken und die oberen Theile viel trüber; Hinterhals roſtbraun, ohne daſs ſelbe Färbung ein Halsband bilden würde; Bürzel und obere Stoßdecken dunkelbraun, unre— gelmäßig gewellt und marmoriert, lichtbraun und braunweiß gebändert; Stoß unregelmäßig ge— bändert und ſchwach braun marmoriert; Kopf— ſeiten weiß, ſchwarz gezeichnet; ein breiter Strich ober dem Auge trüb-, Kinn und Kehle im oberen Theile weiß; Unterkörper weißlich, röthlichgelb überflogen und breit ſchwärzlich gebändert und gefleckt; untere Stoßdecken roth⸗ braun, mit blaſsbräunlicher Zeichnung, gegen das Ende zu ſchwarz. Das Wohngebiet des Frankolins umfaſst die Inſel Cypern, Kleinaſien und erſtreckt ſich oſtwärts bis nach Indien; in Europa iſt es gegenwärtig als ganz ausgerottet zu betrachten. In früheren Zeiten in Spanien, bei Va— lencia, und in Italien, hauptſächlich auf Si— eilien, nicht ſelten, iſt er num dort wie auf Rhodus, wo er ehemals gleichfalls heimiſch ge— weſen ſein ſoll, als ausgerottet zu betrachten. Das letzte auf italieniſchem Boden 1869 bei Terranova (Sieilien) erbeutete Exemplar wurde bei einem dortigen Gaſtmahle verſpeist. Nicht ſelten iſt er in Kleinaſien, beſonders in den ſumpfigen Theilen der ſüdlichen Diſtricte. Der Umgebung Smyrnas fehlt er und tritt erſt bei Scala nova auf (Krüper). Auf Cypern kommt er zwar noch häufig vor, fehlt aber bereits an mehreren Ortlichkeiten, die vordem von ihm bewohnt waren. In Paläſtina fand Triſtram den Frankolin häufig am Genezaret und Kron— prinz Rudolf am oberen Jordan, einen Reiſe— tag vom See Tiberias entfernt. In den Tama— risken und Rohrdickichten Meſopotamiens (John) iſt er häufig, lebt in Transkaukaſien in den Fluſsthälern des Kur und Aras (Bogdanow), bewohnt in Perſien die feuchten Waldungen am Kaſpiſchen Meer und die Ebenen des ſüd— lichen Theiles (John); findet ſich in den beſſer bewaldeten Gebieten Beludſchiſtans, wo er bis zu einer Höhe von 2000’ emporſteigt, und an den Ufern des Shat-el-Arab (Blanford); in Sind fand ihn 170 überall, wo Waſſer und hohes Gras nicht fehlt, häufig; Jerdon zufolge iſt er durch den ganzen nördlichen Theil vom Himalaya bis zum Gangesthal verbreitet, oſt— wärts durch Dakka bis Aſſam, Sylnet und Tippera. Der Frankolin bewohnt hauptſächlich ſolche Ortlichkeiten, die in der Nähe von Gewäſſern gelegen oder doch ſumpfigen Untergrund haben und dicht mit Geſtrüpp, hohem Gras, Schilf ze. bewachſen ſind; er fehlt aber auch da und dort dem trockenen Boden nicht, wenn ſich auf ſelbem nur die ſonſtigen Bedingungen für eine paſſende Exiſtenz erfüllt finden. Das Frankolinhuhn führt im ganzen eine verſteckte Lebensweiſe und würde leicht über— ſehen werden, wenn nicht die eigene Stimme zum Verräther an ihm werden würde. Seinen Ruf, den man durch die Silben „Tſchuk, tſchuk, titilur“ zu verſinnlichen verſucht hat, hört man beſonders früh und abends und zur Fortpflan— 12 * 180 Franſenſchildkröten. — Franzöſiſche Rodemaſchine. zungszeit — wie Kronprinz Rudolf im oberen | p. 62. — S. Pathologie und Pathogeneſe des D * Jordanthal beobachtet hat —, mit Ausnahme | Wildes. E. v. D. der heißen Mittagsſtunden, den ganzen Tag Franzöſiſche Jagd, die, wird ſpeciell die über. Die Männchen, die dabei gerne auf klei- | Parforcejagd, als aus Frankreich ſtammend, nen Erhöhungen ſtehen, antworten einander | genannt, zum Unterſchiede von der Deutſchen aus allen Richtungen. Jagd, ſ. d. „Die franzöſiſchen oder Par— Sie leben paarweiſe, haben aber keine | forcejäger. Dieſe haben ihren Namen von großen Niſtbezirke, ſo daſs mehrere Paare in der in Frankreich und England faſt allein ge— geringer Entfernung von einander wohnen. wöhnlichen Jagd, das Wildpret mit Jagdhun— Die Brütezeit fällt zwiſchen den April und | den und reitenden Jägern jo lange zu ver— Juli. Das Neſt ſteht im hohen Graſe oder folgen, bis es todtſtürzet, oder nicht weiter fort unter einem dichten Buſche, iſt mit wenigen kann, ſich vor die Hunde ſtellt und abgefangen trockenen Grashalmen ausgelegt und enthält | wird. Ein Jäger, der dieſe franzöſiſche oder 10—13 Eier. Dieſe ſind lebhaft gelbbraun, weit [reitende Jagd gelernet hat, muj3 den Leit— dunkler als die des Rebhuhns und haben für | Hund eben wohl vollkommen arbeiten können dieſe Art charakteriſtiſche ſchmale weiße Schalen- | und die Fährten des Wildprets, das er jagen flecke. Ihre Länge beträgt 33—34 mm, ihre | will, gut kennen. Er mußs die Abrichtung, War— Breite 25— 26 mm. tung und Curen der Parforcehunde gründlich An der Führung der Jungen betheiligen | verjtehen und dreiſt reiten können, und alles, ſich beide Gatten, doch löſen ſich die Völker | was zu dieſer Jagd gehöret, wiſſen. Weil man weit früher als bei anderen Hühnern in kleine | aber auf dieſe Weiſe nicht nur alles Edelwild— Geſellſchaften von wenigen Individuen auf. pret, ſondern auch alle flüchtige Raubthiere Die Nahrung des Frankolins bilden aller- | jaget, jo mufs er die Eigenſchaften aller dieſer lei Inſeten, Gewürm, Sämereien, Beeren, Thiere und ihre Fährten vollkommen inne Knoſpen, Blätter 2c. ’ haben.“ Mellin, Anwſg. z. Anlage v. Wild- Ohne gerade eine beſondere Scheuheit zu | bahnen, 1779, p. 196. — Chr. W. v. Heppe, Wohlred. Jäger, p. 132. — Behlen, Wmſpr., 1829, p. 59. — Hartig Anltg. z. Wmſpr., 1809, E. v. D. entwickeln, wird die Jagd auf dieſes Huhn doch durch den Umſtand ſehr erſchwert, daſs es vor dem Jäger und dem Hunde ſo lange läuft, bis es durch zu große Annäherung eines derſelben zum Aufſtehen gezwun— gen iſt. Es ſpringt dann in die Höhe und erhebt ſich geräuſchvollen Fluges, in gerader Richtung langſam dahin— ſtreichend, ſo daſs ſeine Erbeutung ſelbſt einem ungeübten Schützen nicht ſchwer wird. Es fliegt höchſtens einige 100 Schritte weit, fällt dann wieder ein und ſetzt ſeine Flucht laufend fort, ohne je zu bäumen. Viele Forſcher haben die Beobachtung gemacht, daſs der Hahn ſtets zuerſt aufſteht und die Henne erſt auf den nach jenem abge— gebenen Schuſs zum Aufſtehen veran— laſst wird. Wo das Frankolinhuhn vorkommt, bildet es ein gejuchtes Jagdobject. Früher wurde es mit Falken gejagt, und war daher eine Verminderung nicht fühlbar, wie es heutzutage der Fall iſt, wo das moderne Schießgewehr in der Hand von Aasjägern in bedenk— licher Weiſe unter dieſem Wilde auf— räumt. Das Wildbret des Frankolins lie— fert einen vorzüglichen Braten, dem jedoch der ſtarke Wildgeſchmack fehlt. — S N m = — — ar 7 — N eh v. Tſch. 5 — —— dn N 8 DB Franfenfhildkröten = Chelys. — Kur. Fig. 266. Franzöſiſche Rodemaſchine. — a Gezahnte Hol 0 f ER * % ſtange mit eiſerner Spitze, b Holzſtange mit einem e Stirnrad und Franzofenkrankheit, die, 5 die Schwungrad mit Kurbel, e Pfähle zur Feſtigung der Maſchine. Leberfäule der Haſen. „Franzoſen— krankheit iſt eine Krankheit der Haaſen, wo— Franzöſiſche Nodemaſchine (Fig. 366). Sie bey ſie Geſchwüre an der Leber bekommen.“ beſteht aus zwei Holzſtücken a und b, von denen Hartig, Anltg. z. Wmſpr., 1809, p. 101, 2b. das eine mit Zähnen verſehen iſt, während das f. Jäger, Ed. I, 1812, I., p. 39; Lexik., Ed. I, | andere ein kleines gezahntes Stirnrad e und ein 1836, p. 189, Ed. II, 1861, p. 199. — Behlen, | größeres Triebrad d trägt. Durch die Be— Wmſpr., 1829, p. 59. — Grimm, D. Wb., IV., [wegung des Stirnrades wird das gezahnte Fräſen. 181 Holzſtück längs des anderen vorgeſchoben. Wird dieſe Maſchine mit dem oberen Ende des ge— zahnten Holzſtückes an den zu werfenden Stamm gehalten und das untere Ende des zweiten Holz— ſtückes in einem unverrückbaren Punkt am Boden geſtützt, ſo wird durch die angedeutete Verſchie— bung der zwei Hölzer ein Werfen des Stam— mes, an den die Maſchine angelegt wurde, er— möglicht. Fr. Fräſen, Fräsmaſchinen. (Hiezu eine Tafel.) Unter Fräſe verſteht man im Allge— meinen ein Werkzeug, gewöhnlich aus Stahl, ſelten aus Eiſen, deſſen Oberfläche eine Anzahl von Schneiden (Meißeln) trägt, welche gerade— oder krummlinig geſtaltet ſind und bei der Drehung des Werkzeuges um deſſen Achſe zur Action gelangen. Die Fräſe iſt in vielen Fällen im Stande, die Feile, den Grabſtichel, den Meißel, den Profilhobel u. ſ. w. zu erſetzen. Bei den Holzfräſen iſt die Anzahl der zur Wirkung gelangenden Schneiden meiſt geringer (2—6) als bei den Metallfräſen; auch ſind die Sch neidwinkel kleiner. Entweder werden die Holzfräſen aus einem Stücke hergeſtellt oder ſie beſtehen aus einem ſcheiben- oder cylinderartig geformten Kopfe, in welchen Meſſer eingeſetzt oder woran ſolche befeſtigt werden. Es iſt oft notwendig, die Schneiden der Fräſen jo auszubilden, daſs ſie nach beiden Drehrichtungen zur Wirkung gelangen können, damit bei krummen Holzflächen die Arbeits— bewegung mit dem Faſerlauf zuſammenfällt und ſo kein Ausreißen ſtattfindet. Soll dieſe Bedingung erfüllt werden, ſo ſind die Fräſen ſtählerne Rotationskörper von paſſender Länge und entſprechender Profilierung. Da die Stahlfräſen beim Härten leicht Riſſe und Brüche erhalten, ſo fertigt man die— ſelben auch aus Schmiedeiſen an und härtet ſie durch Einſetzen. Auch auf folgende Weiſe kann die Herſtellung der Fräſen erfolgen: Man nimmt runde Eiſenſcheiben und treibt ſie in Geſenken unter dem Fallwerk zu einem Rotationskörper von dem gewünſchten Profil aus. Sodann kerbt man ſie vom Rande her jo ein, daſs in der Mitte eine Kuppe ſtehen bleibt, die eine centriſche Bohrung, der Spindel entſprechend, erhält, und härtet die Fräſe dann durch Einſetzen. Bei großen Fräſen iſt es üblich, die pro— filierten Meſſer quer durch den Fräskopf zu ſtecken und durch Klemmſchrauben oder Keile zu befeſtigen oder auf einen prismatiſchen Körper von drei- oder viereckigem Querſchnitt zu ſchrauben. Da die Fräſen eine bedeutende Umfangs— geſchwindigkeit (15—20 m pro Secunde S 3000 bis 4000 Touren pro Minute bei 100 mm Fräs- durchmeſſer) verlangen, ſo iſt ihr Gebrauch mit Zuhilfenahme einfacher Geräthe, wie der Bruſt— leier, Bohrratſche u. ſ. w., durch die menſchliche Kraft unzweckmäßig, oft gar nicht ausführbar; es gehört zur Erreichung der notwendigen Ge— ſchwindigkeit eine maſchinelle Vorrichtung, die Fräsmaſchine. . Die Fräſen werden an Wellen befeſtigt, die horizontal oder vertical gelagert ſind und in raſche Umdrehung verſetzt werden. Das Arbeitsſtück wird entweder vom Ar— beiter oder durch die Maſchine ſelbſt geführt. Die Holzfräsmaſchinen haben durchgängig im Gegenſatz zu den Holzhobelmaſchinen einen kleinen, etwa 30—100 mm Durchmeſſer haltenden Schneidkof, der gewöhnlich auf einer aufrecht— ſtehenden Welle unmittelbar über einem Tiſche ſitzt und ſich mit dieſer, welche den Antrieb unter der Tiſchplatte hat, dreht, während das Holz auf dem Tiſche ſeitlich daran vorbeigeführt wird. Der Antrieb erfolgt direct oder indirect, entweder durch Reibungsräder, durch offene oder gekreuzte Riemen. Fräsmaſchinen mit unter dem Tiſch liegen— den Spindeln haben meiſt nur den Zweck, an den Kanten der platten- oder ſtaugenförmigen Hölzer zu arbeiten, während jene Fräsmaſchinen mit Spindeln über dem Tiſche häufig innerhalb der Flächen zu arbeiten beſtimmt ſind. Es können jedoch ſowol die einen, wie die anderen jo verändert werden, daſs ſie auch die zweite Arbeit vollbringen. Es ſollen nun kurz der Reihe nach einige typiſche Fräsmaſchinen beſprochen werden. Eine häufig verwendete franzöſiſche Fräsmaſchine iſt folgendermaßen eingerichtet: Die Spindel liegt in zwei miteinander ver— bundenen Lagern und kann vermittelſt derſelben an Führungen im kaſtenförmigen Geſtelle höher oder tiefer geſtellt werden, jo daſs die Meſſer oder Fräſen an ihrem Ende in die verlangte Stellung zum Arbeitsſtücke kommen. Eine ab— nehmbare Handkurbel bewegt die hiezu noth— wendige Schraubenſpindel, deren Viereck im Tiſche eingelaſſen iſt, ſo daſs die Arbeitsſtücke darüber hinweggleiten können. Die Umkehr der Bewegung erhält die Maſchine von ihren Vor— gelegen aus, und wechſelt dabei der halbge— ichränfte Riemen ſeine Stellung auf der langen Treibrolle der Fräſenſpindel. Eine kleine Maſchine von Gebr. Schmaltz in Offenbach beſitzt die Vorrichtung zum Umkehren der Bewegung in ſich ſelbſt. In dem durchbrochenen ſäulenförmigen Geſtelle ſind zwei kegelförmige Frictionsräder gelagert, deren Welle ſeitwärts durch einen Handhebel ſo verſchoben werden kann, daſs entweder das linke oder das rechte mit dem kleinen aus Leder zuſammengeſetzten Frictionsrade der Fräſenſpindel in Berührung kommt und dasſelbe in der betreffenden Richtung mitnimmt. Die Fräſenſpindel muß wegen des kegelförmigen Frictionsrades der Höhe nach feſtſtehen, es iſt deshalb der Tiſch ſelbſt durch ein Handrad, welches auf dem Gewinde des Ständerhalſes läuft, verſtellbar. In Amerika bedient man ſich häufig der Fräsmaſchinen mit zwei Spindeln. J. Fay & Co. in Cincinnati (Ohio) erzeugt eine ſolche, wo beide Spindeln gleichzeitig, aber in entgegen— geſetzter Richtung laufen; das Arbeitsſtück bringt man immer an jene, deren Drehführung dem Faſernlaufe am beſten entſpricht. Dazu iſt es erforderlich, daſs die Profile der Meſſer oder Fräſer einander genau gleich gemacht und gegen den Tiſch eingeſtellt ſind. 7 182 Fräſen. Eine Maſchine von A. Ran ſome & Comp. vereinigt horizontale und verticale Spindeln in ſich. Der weitausladende Arm, an dem die obere gelagert iſt, kann nach der Löſung ſeiner Fußſchrauben zur Seite gedreht, der Tiſch dadurch frei gemacht und zu allen Arbeiten der gewöhnlichen Fräſe verwendet werden. Die untere Spindel ihrerſeits läſst ſich jo tief herab— ſtellen, daſs ſie ganz unter dem Tiſche ver— ſchwindet, wenn die obere wieder an ihren Platz und in Thätigkeit gebracht werden ſoll. Eigenthümlich iſt an dieſer Maſchine die hin— und hergehende Bewegung der oberen Spindel längs einer Schlittenführung, welche durch eine Kurbelſcheibe mit ſtellbarem Zapfen und eine Leitſtange vermittelt wird. Der Spindelweg kann durch Verſtellung des Kurbelzapfens ge— ändert werden, die Leitſtange hat an demſelben einen langen Schlitz, durch welchen bei jedem Hubwechſel eine Unterbrechung der Längenbe— wegung erzielt wird. Die Geſchwindigkeit dieſes Mechanismus iſt klein und entſpricht der ge— wöhnlichen Vorſchubgeſchwindigkeit. Die obere Spindel wird durch einen langen, runden, von Leitrollen geführten Riemen angetrieben. Ein Beiſpiel, wie Fräſen zur Gehrung von Parkettrahmen verwendet werden, gibt u. A. die Maſchine von Perin, Panhard & Cie. in Paris. Der Tiſch iſt mit zwei Nuthen verſehen. Die Rahmenſtücke werden auf einer zwiſchen zwei Leiſten verſchiebbaren Platte gegen ein feſtes, unter 45 ° zur Bewegungsrichtung ſtehen— des Lineal angelegt und in dieſer Lage leicht niedergeſpannt, hierauf mit der ganzen Vor— richtung dem Meſſerkopfe entgegen und an ihm vorbeigeführt. Eine andere Vorrichtung geſtattet das Cannelieren von Säulen. Der Tiſch der Maſchine iſt dabei glatt und frei. Auf dem— ſelben kann eine guſseiſerne Platte nach allen Richtungen verſchoben werden; die Platte hat zwei Spindeldocken in paſſender Entfernung, welche das Arbeitsſtück ei Die rechtsſeitige Spindel iſt mit einem Theilrade verbunden, auf deſſen Umfang Einſchnitte in der Zahl der zu ziehenden Cannelierungen oder eines Viel— fachen derſelben angebracht ſind. Dieſe Spindel erfafst das Arbeitsſtück mit einem dreizackigen Kloben, jo daſs es ſich nicht verdrehen kann; die linksſeitige vertritt den Reitſtock der Dreh— bank, ihre glatte Spitze kann durch eine Schraube entſprechend vorgeſchoben, durch eine zweite aber an verticaler Führung auf- oder abge eſtellt werden. An der guſseiſernen Platte iſt ein Modell be— feſtigt, mit dem die ganze Vorrichtung an der Spindel oder einem Ringe auf derſelben geführt wird. Das Modell hat Vorſprünge, wo die Cannelierungen aufhören, oder wo Rundſtäbe umgangen werden ſollen. Wenn man nun die Vorrichtung ſammt eingeſpannter Säule längs der Fräſenſpindel hinſchiebt und dabei das Modell gleichmäßig anliegen läſst, ſo ſchneidet das Werkzeug, hier ein eingeſetztes Meſſer, eine glatte Rinne zwiſchen den durch das Modell vorgeſetzten Endpunkten ein. Worſſam in London benützt eine Fräs— maſchine zum gleichzeitigen Beſtoßen zweier Parketttafeln. Auf dem großen Tiſche laufen in Rollen zwei leichte Platten mit Ein— ſpannvorrichtungen, auf welchen die zuſammen— geſetzten Tafeln befeſtigt werden, damit eine von rechts, die andere von links an dem arbeitenden Meſſerkopf vorübergehen kann. Eine ſpecielle Verwendung der Fräsma⸗ ſchinen wird zur Erzeugung von Zinken ge— macht. Die Zinkenfräſe der Chemnitzer Werk— zeugmaſchinenfabrik arbeitet gleichzeitig mit 4 Fräſern, d. ſ. Stahlkörper mit mehreren ſchraubenförmig laufenden Schneiden, für deren Schärfung eigene Schleifapparate in Anwen— dung kommen. Für die Zinken von Schwalben- ſchwanzform find die Fräſer gegen den Grund verjüngt. Die vier Spindelſtöcke können in eine beliebige, aber ſtets gleiche Entfernung von einander gebracht werden, wodurch das Fräſen von Zinken verſchiedener Theilung er— möglicht wird. Der Support iſt normal auf die Spindelachſe verſchiebbar u. zw. auf einem Untertheil, das in einer vertiealen Führung des Ständers auf- und niedergeht. Auf einem Arm des Ständers läſst ſich der Tiſch verſchieben. Das auf ihn gelegte Brett wird durch Schrau— ben angepreßt. Der Bügel, durch welchen dieſe Schrauben gehen, iſt derartig eingerichtet, dass gleichzeitig noch ein vertical geſtelltes Brett eingeſpannt werden kann. Beim Fräſen ſteht dann das Holz ſtill. Der Spindeldockenſupport verſchiebt ſich in horizontaler, ſein Unterſatz in verticaler Richtung um das Maß, das die Zinkenform begehrt. Das Auf- und Niedergehen des Unterſatzes wird durch Kurbel und Schub— ſtange, die ſeitliche Verſchiebung durch eine Schablone bewirkt. Der Schubſtangenzapfen iſt in einem Schlitze der Kurbelſcheibe verſtellbar, alſo der Hub variabel zu machen. Die Ma— ſchine erzeugt für gewöhnlich offene Zinken mit ſcharfen Kanten, aber auch verdeckte, die einer— ſeits ſcharfkantig, andererſeits halbkreisförmig abgerundet ſind. Zinken und Schlitze der ver- deckten Zinken werden gleichzeitig gearbeitet. Die Spindeln machen 3000 Touren in der Minute. Die Maſchine liefert 9 verdeckte Zapfen und Schlitze oder 15 gewöhnliche Zinkenzapfen und 30 Schlitze. Bei einer Maſchine von Ganz & Co. in Budapeſt werden Zapfen und Schlitz gleichzeitig durch zwei Walzenmeſſer hergeſtellt. Die letzteren ſind Meſſerköpfe, welche an dem Umfange angeſchraubt werden. Die Walzen— meſſer ſind am Ende ſchwingender Arme ge— lagert und gegenſeitig ſo viel geneigt als die Schräge der ſchwalbenſchwanzförmigen Zinken fordert, welche ſie herſtellen ſollen. Das eine Brett, welches die Zinken bekommt, iſt hori— zontal vor den Scheiben eingeſpannt. Unter den Walzenmeſſern befindet ſich das zweite Brett, in welches dieſelben beim Nieder- gange je eine Seite der um zwei Ane zungen auseinanderſtehenden Schlitze ausfräſen Die Maſchine ſchiebt nach jeder Schwingung der Arme, wenn dieſelben am höchſten ſtehen, die Bretter um eine Theilung vor. Da die Meſſer ſchräg geſtellt ſind, ſo wird dadurch der Grund zwiſchen den Zinkenzapfen in einer gebrochenen Linie gebildet; ein feſtſtehendes Meſſer, oberhalb der Walzenmeſſer am Arm Zum Artikel „Fräſen“. oH eu aep el, du sap % IE »ssohh) yeu 184 angebracht, ſchafft den ebenen Grund. Die Maſchine arbeitet vollſtändig ſelbſtthätig. Man kann aber auf jeder Fräsmaſchine Zinken erzeugen; man bedarf hiezu nur eines einfachen Hilfsmittels. Der Hauptſache nach iſt es ein Winkel, welcher auch das Einſpannen zweier Bretter in der für das Zinkenſchneiden nothwendigen Anordnung möglich macht. An der Vorderſeite, dem Fräſer zugewendet, wird eine Schablone befeſtigt. Beim Zinkenfräſen wird die Vorrichtung durch die Hand auf der Tiſchplatte in der Weile verſchoben, daſs dieſe Vorrichtung an dem Halſe des Fräſers Führung findet. Für kleine Arbeiten paßt am beſten das einfache, in einem Schlitz der Spindel einge— ſetzte Meſſer (Fig. 1), deſſen Befeſtigung durch eine Druckſchraube wie in Fig. 2 erfolgt. Für größere wendet man zwei Meſſer an, die mit ſchwalbenſchwanzförmigen Kanten zwiſchen zwei Ringen gehalten ſind (Fig. 3, 4 und 5). Dieſe Meſſer arbeiten nur nach einer Rich— tung, ebenſo wie die Fräſe (Fig 8 und 9), welche einzeln für Nuthen, zu zweien für Federn angewandt wird. Dabei kann das Meſſer entweder gerade oder mit der geſtrichelt angedeuteten Einkerbung eingeſetzt werden (Fig. 2). Letztere hat dann Werth, wenn man derartige Meſſer auf der Drehbank her— ſtellt und hierauf nachfeilt. Waren ſie beim Drehen in einem Dorn mit derſelben Einker— bung eingeſpannt, ſo iſt das Rundlaufen, bezw. gleichmäßige Angreifen der gegenüberliegenden Kanten geſichert, während es bei geradem Meſſer mühſam geſucht werden mujs. Die ſchmalen Kanten derartiger Meſſer werden nach dem kleineren punktierten Kreiſe abgedreht und nach dem größeren oder auch ganz normal zur Seitenfläche nachgefeilt, wobei von den eigent— lichen Kanten nichts weggenommen wird. Der hiedurch entſtehende Zuſchärfungs— winkel iſt zu groß und der Anſtellwinkel zu klein, jo daſs derartige Meſſer ſchlecht arbeiten und nur dort zu rechtfertigen ſind, wo es ſich nicht lohnt, für ein vorübergehend gefordertes Profil ordentliche Fräſer zu machen. Fig. 6 ſtellt einen Fräſer für hartes Holz, Fig. 7 einen für weiches Holz im Aufriß und Grundriß dar. Dieſe aus einem Stücke geſchnittenen Fräſer haben verſchiedene Schneidewinkel. Der von Fig. 6 beträgt 90°, der von Fig. 7, je nach der Entfernung a—b der Schlifffläche, 40 bis 60°. Die letzteren arbeiten günſtiger, haben dabei immer noch einen großen Zuſchärfungs— winkel und einen genügenden Anſtellwinkel. Fig. 7 zeigt einen mittleren Schneidewinkel von 13°, einen Zuſchärfungswinkel von 31° und einen Anſtellwinkel von 12°, während Fig. 6 ſolche von 90°, 78° und 12° aufweist. Die Fräſer werden aus einem Stücke Stahl erzeugt, und nachdem ſie ausgeſchnitten und ihre inneren Theile bearbeitet ſind, aus zwei gleichweit vom Mittel entfernt liegenden Punkten nacheinander auf der Drehbank abgedreht, ſo daſs ihre Außenflächen hinter den Schneide— kreiſen zurückſtehen und ein Anſtellwinkel von etwa 12 reſultirt Die Profile werden in ge— eigneter Weiſe, je nach der Stellung der — —— —́ͤ—— —— . ñ—ꝛ ̃ ͤ6g—1ĩñ—4ꝝA—ͤ— — . ͤ —äGähh— ęF(k . —— lb—äB— .il—d—' ' — ä — — Fräſen. ſchneidenden Kanten, in ſolcher Projection auf— gezeichnet, daſfs bei der rotierenden Arbeits— bewegung die richtigen verlangten entſtehen, und mittelſt Schablonen beim Abdrehen nach— gemeſſen. Derartige Fräſer ſchneiden gleich gut nach beiden Richtungen und können auf den ebenen Flächen nachgeſchliffen werden, ohne das Profil zu ändern. Die aus einem Stücke ge— ſchnittenen Fräſen haben principiell verſchiedene Schneidewinkel, meiſt zwiſchen 40-60-90. Die erſteren arbeiten beſſer und haben dabei immer noch einen großen Zuſchärfungswinkel 10 130 und einen genügenden Anſtellwinkel ca. 12°). Die Schnittgeſchwindigkeit der Fräſer bleibt um ſo mehr hinter jener der Meſſerköpfe bei Hobelmaſchinen zurück, je kleiner ihr Schneide— kreis iſt, und man mujs deshalb trachten, den Spindeln möglichſt hohe Tourenzahlen zu geben. Solche Zahlen von 3500 —4000 per Minute gehören daher nicht zu den Seltenheiten. Je mehr die Geſchwindigkeit wächſt, deſto ſchwerer iſt ſie zu überwachen. Man kann ſie wohl durch Dimenſionierung der Riemenſcheiben einleiten, ſich aber nicht gut überzeugen, ob ſie von den Spindeln wirklich gemacht werden. Dagegen muſs immer der Verdacht rege bleiben, dass die Riemen auf den ſehr kleinen, wenig um: ſpannten Scheiben gleiten und ſpringen, die gerechnete Tourenzahl alſo nicht wirklich ge— macht wird. Es iſt daher zu empfehlen, Fräſer und Meſſerköpfe derartiger Maſchinen nicht ohne Noth zu klein zu machen. Die Holzfräsmaſchinen arbeiten mit Fräſen, deren Zähne oder Schneidkanten im allgemeinen beträchtlich weiter auseinander ſtehen, als jene zur Metallarbeit. Die Weichheit des Arbeits— materiales geſtattet das Abnehmen größerer Späne. Die Fräſen haben zumeiſt einen Schneid— kopf von geringen Dimenſionen, etwa 30 bis 100 mm im Durchmeſſer, wodurch ſich auch eine geringere Länge der Schneiden im Verhältnis zu den Hobelmeſſern ergibt. Ihre Hauptbenützung finden die Fräsmaſchi— nen zur Bildung von Hohlkehlen, Stäbchen, zu— ſammengeſetzten, geſimsartigen Kehlungen längs krummer (geſchweifter) Arbeitsſtücke, alſo Her— ſtellung von Profilierungen an Rahmen und Leiſten (welche Arbeit ausſchließlich nur durch Fräſer bewerkſtelligt werden kann), aber auch für profilierte Füllungsſtücke, zur Gehrung an Parkettrahmen, zur Erzeugung ebener Flächen, zum Cannelieren von Säulen, für Zinken u. ſ. w. An einer kleinen Holzfräsmaſchine mit verticaler Spindel fand Hartig folgende Daten: Durchmeſſer des Fräskopfes 94 mm, Höhe desſelben 31 mm, Zahl der Schneiden 6 (drei für Rechtsdrehung, drei für Linksdrehung); minutliche Umdrehungszahl des Fräskopfes 2061, Schnittgeſchwindigkeit 10˙1 m pro Secunde, Zuſchiebung (von Hand) 4—34 mm pro Se⸗ cunde, größte beobachtete Leiſtung pro Stunde V0 01% ms Erlenholz in feine Späne ver- wandelt bei 213 mm Zuſchiebung pro Se— cunde; hiebei Arbeitsverbrauch im Leergang N, = 1'32 HP, im Arbeitsgang N = 2˙03 Pferdeſtärken; Raumbedarf der Maſchine 178 X 0˙89 = 1˙38 m, Fraß. — Fraxinus. 185 Gewicht derſelben 300 kg; der Arbeitswert für 1 ms ſtündlich zerſpantes Erlenholz ergab ſich durchſchnittlich zu E = 66˙7 Pferdeſtärken, welcher Wert höher iſt, als für alle anderen mit ro— tierendem Werkzeuge arbeitenden Holzbearbei— tungsmaſchinen, eine Folge des zu großen Schneidewinkels (90 ) und des zu kleinen An— ſtellungswinkels (0°) der Schneiden und der hiedurch herbeigeführten rein ſchabenden Wir— kung derſelben. Er. Fraß. der. I. Die Nahrung der Hunde und Raubthiere im Gegenſatze zu jener des edlen Wildes, welche Aſung, Geäſe genannt wird; vgl. a. Gefräſs. Schnitt. „Derer Raub— thiere Nahrung wird auf gut weidmänniſch ein Fraß oder Raub genennet.“ Dödel, Ed. I, 1746, IV., fol. 25. — „Fraß, alſo wird be— nennt: 1. Das Freſſen, jo denen Hunden ge— geben wird. 2. Der Vorſchutt, der denen Sauen Winterszeit gemacht wird. 3. Wenn es viele Maſtung oder Gewürzel in einer Waldung hat, worinnen die Sauen brechen können, heißet es, es hat brav Fraß.“ Chr. W. v. Heppe, Wohlred. Jäger, p. 132. — „Fraaß, Fraß, wird nach der Jägerſprache die Speiſe oder Nahrung, und der Raub einiger Thiere genannt. So ſagt man von Bären, Wölfen, Füchſen u. a., daſs fie auf den Fraß ausgehen.“ Onomat. forest. I., p. 948. — „Fraß heißt das Futter, welches die wilden Sauen, Hunde und Raub— thiere genieſſen.“ Hartig, Anltg. z. Wmſpr., 1809, p. 107; Lb. f. Jäger, Ed. I, 1882, J., p- 39, Lexik., Ed. I, 1836, p. 889, Ed. II, 1861, p. 199. — Behlen, Wmſpr., 1829, p. 39.; Real⸗ u. Verb.⸗Lexik., II., p. 659, VI., p. 228. — Die Hohe Jagd, Ulm, 1846, I., p. 359. II. Die Freſsluſt der Hunde; ſelten „S ein Hunb ſtark friſst, wird geſagt, der Hund hat einen guten Fraß.“ Chr. W. v. Heppe, 1. c. — Behlen, I. c. — Grimm, D. Wb. IV., p. 65. — Sanders, Wb., I., p. 485 c. (beide nur in der erſteren Bedeutung). E. v. D. Fratereula Brisson = Mormon, II- liger. — F. aretica Leach, j. Larventaucher. E. v. D. Fratten, ſ. Abbrennen der Schläge. Wachs Fraueneis, ſ. Gyps. v. L Frauenſiſch( Leuciscus virgo Heckel), auch Nerfling, Donaunerfling, ein Fiſch der Gattung Weißfiſch OL ſ. d.) und der Familie der karpfenartigen Stiche (Cyprinoidei). Er wird 20—40 cm lang. Der Leib iſt ſeitlich zuſammengedrückt und geſtreckt, 4—5mal jo lang als hoch, mit kleinem, etwa 6—6½ mal in der Totallänge enthaltenem, aber breitem und ſtark gewölbtem Kopfe. Das kleine nur bis unter die Naſenlöcher geſpaltene Maul iſt unterſtändig und wird von der dicken und ſtumpf abgerun⸗ deten Schnauze überragt. Das Auge iſt klein. Die Schlundknochen des Frauenfiſches ſind auf— fallend dick und ſtark, und 5 nach vorne ge— richteter Fortſatz iſt ſehr kurz. Die Zähne ſtehen wie bei der Plötze links zu 6, rechts zu 5 in einer Reihe; die Kronen der vier hinteren Zähne ſind, wenn noch nicht durch Gebrauch abgeſchliffen, mit Einkerbungen verſehen. Die vor der Mitte der Körperlänge ſtehende Rückenfloſſe zählt 3 un⸗ getheilte und 9—10 getheilte Strahlen, die After— floſſe 3, bezw. 11—12, die unter dem Anfang der Rückenfloſſe ſitzenden Bauchfloſſen 1—2, bezw. 8—9, die Bauchfloſſen 1, bezw. 16—17 Strahlen. Die gegabelte Schwanzfloſſe enthält 19 Strahlen. Die derben Schuppen ſind größer als bei den übrigen Weißfiſchen; in der Seiten— linie ſtehen 46—50. Die Färbung iſt beſon— ders bemerkenswert, da ſie ſchöner und glän— zender iſt als bei allen anderen karpfenartigen Fiſchen unſerer Gewäſſer. Der Rücken iſt grün⸗ lich, Seiten und Bauch ſind farblos, aber die Schuppen ſtrahlen in herrlichem Metall- und Opalglanz und geben dem Fiſch bald eine apfel— grüne, bald eine himmelblaue Farbe. Bauch-, After- und Schwanzfloſſe ſind lebhaft orange— gelb, letztere ſchwarzgeſäumt; die Rückenfloſſe iſt ſchwarz, die Bruſtfloſſen ſind meiſtens ungefärbt oder gelblich. Zur Laichzeit, im April und Mai, ſind dieſe Farben noch prächtiger und mannigfal— tiger, namentlich bei den Männchen, welche zu— gleich auf Kopf, Rücken und Seiten einen Aus- ſchlag von großen ſpitzen Körnern erhalten, die anfangs milchweiß und weich ſind, ſpäter härter werden und eine wachsgelbe Farbe annehmen. Nach Beendigung des Laichens fallen dieſe dornartigen Auswüchſe ab. Das Vorkommen des Frauenfiſches ſcheint auf die obere Donau und deren größere Neben— flüſſe beſchränkt zu ſein. Da er nicht häufig iſt, ſo weiß man über ſeine Lebens- und Fort— pflanzungsweiſe nichts Genaueres. Eine ſehr nahe verwandte Art, wahrſchein— lich nur eine Abart des Frauenfiſches, dem ſie in der allgemeinen Körpergeſtalt, der Zahl der Floſſenſtrahlen und dem Bau der Schlund— knochen gleicht, lebt in den Flüſſen und Seen Norditaliens ſowie im Gebiete der Etſch und iſt als Leuciscus pigus de Filippi beſchrie— ben. Seine italieniſchen Volksnamen ſind pigo und orada. Er wird größer als der Frauenfiſch (bis 60 em), ſein Maul iſt mehr endſtändig, und die Schnauze ragt weniger vor. Die Farben ſind weniger lebhaft: Bauch- und Afterfloſſen faſt ſchwarz. Das Fleiſch beider Arten iſt trocken, grätenreich und wenig geſchätzt. Hcke. Srazin, C. Hs Olo, ein in der Rinde von Aesculus- und Fraxinus-Arten vorkommendes Glycoſid, das mit verdünnten Säuren gekocht Traubenzucker und Fraxetin, C.o Hs Os, liefert. v. Gn. Fraxinus L. Eſche. Eine ſchon den Alten unter dieſem Namen bekannte Gattung ſommer— grüner Bäume, welche von der Mehrzahl der Botaniker zu der Familie der Olbaumgewächſe (Oleaceae ſ. d.) gerechnet wird, während einige ſie als Hauptgattung einer beſonderen kleinen Familie (Fraxineae) betrachten, die ſie neben die Ahorngewächſe (Acerineae ſ. d.) ſtellen. In der That erinnern die Flügelfrüchte der Eſchen an eine Theilfrucht der gedoppelten Flügelfrucht der Ahorne und die unpaarig gefiederten Blätter der Eſchen an die gleichgeſtalteten der Eſchen— ahorne (Negundo), wie auch die getrenntblättrige Blumenkrone der Blumeneſchen (Ornus) mit der verwachſenblättrigen der echten Oleaceen nicht übereinſtimmt; andererſeits aber ſprechen der nach der Zweizahl conſtruierte Bau der Blüte und beſonders der des Fruchtknotens 186 ſowie die eiweißhaltigen Samen für die Ver- wandtſchaft mit den Oleaceen. Blätter kreuz— weis gegenſtändig, ohne Nebenblätter, lang— geſtielt, unpaarig gefiedert, mit am Grunde an- geſchwollenem Stiel und geſtielten oder ſitzenden, gewöhnlich geſägten Blättchen. Blüten bei der Mehrzahl der Arten lange vor dem Laubaus— bruch erſcheinend, bei der Minderzahl erſt nach völliger Entfaltung der Blätter ſich öffnend, in traubig, büſchelig oder riſpig angeordneten zuſammengeſetzten Trugdolden, welche mit kleinen zungenförmigen bald abfallenden Deckblättchen am Grunde der Aſtchen begabt ſind, ein- oder zweigeſchlechtig, bald ohne jegliche Hülle, bald mit einem kleinen glockigen vierzähnigen Kelche, bald außerdem mit einer vier-, ſeltener zwei— blättrigen Blumenkrone verſehen; Staubgefäße ſtets zwei, gleich den Blumenblättern hypogy— niſch, mit meiſt kurzem Filament und großem herzeiförmigem oder eiförmigem bis länglichem zweifächerigem Beutel; Stempel oberſtändig, mit zweifächerigem Fruchtknoten und kurzem dickem eine zweilappige Narbe tragendem Griffel; Fruchtknotenfächer je zwei aus der Spitze der medianen Scheidewand herabhängende Samen- knoſpen enthaltend. Frucht eine durch Fehlſchlagen meiſt einfächrige und einſamige, nach aufwärts in einen häutigen oder lederartigen zungen— förmigen Flügel verlängerte Schließfrucht; Samen mit großem, den Keim einſchließendem Eiweißkörper. Keimpflanze mit zungenförmigen Kotyledonen, welche hoch über den Boden em— porgehoben werden; erſte Blätter ſtets einfach, nächſte 2—3theilig, worauf dreizählige und unpaarig gefiederte folgen. Die Eſchen haben insgeſammt eine ſtarke, tiefgehende und weit ausſtreichende Bewurzelung, einen ſchlanken, walzenförmigen, lange Zeit bis zum Gipfel aushaltenden, aber zur Gabeltheilung geneigten Stamm, deſſen lange glatt bleibende Rinde (ein Periderm) niemals ſehr dick wird und ſich erſt in höherem Alter in eine längsriſſige, meiſt bleibende Borke verwandelt, und in der Jugend, ſelbſt bis zum Stangenholzalter, eine ſehr regel— mäßig gebildete, aus lauter kreuzweis gegen— ſtändigen Langzweigen zuſammengeſetzte, meiſt eiförmige, lockerbelaubte Krone. Ihre Knoſpen ſind von wenigen kreuzweis gegenſtändigen Schuppen umſchloſſen, deren äußerſte kurz, ſpitz und lederartig, die inneren dagegen länger, ſtumpf, blattartig und meiſt filzig zu ſein pflegen, die jeiten(achjel)jtändigen ſtets viel kleiner als die endſtändigen, häufig (beſonders an kräftigen Langtrieben und Stocklohden) von einander ge— rückt, ſchief gegenſtändig. Die Langtriebe und Stocklohden ſind bei kräftigem Wuchs in der Nähe der Knoſpenzone gewöhnlich zuſammen— gedrückt und haben einen weiten im Querſchnitt runden Markkörper; ihre Blattſtielnarben ſind groß, ſenkrecht (der Achſe angedrückt), mit huf— eiſenförmiger Gefäßbündelſpur. Nach Eintritt des Stangenholzalters entwickeln ſich aus den Seitenknoſpen der Langzweige zahlreiche all— jährlich ſich verlängernde, dann bogenförmig gekrümmte dicke Kurzzweige, deren Achſelknoſpen meiſt zu ſchlafenden Augen werden. Bei alten Bäumen pflegt der ganze laubtragende Theil der Krone, der ſich im Alter mehr und mehr Fraxinus. abwölbt, aus ſolchen Kurzzweigen zuſammen— geſetzt zu ſein und infolge von deren Überhand— nehmen die Belaubung immer lichter zu werden. Die im Sommer oder Herbſt reifenden Früchte bleiben oft den ganzen Winter hindurch bis zum nächſten Frühling, mitunter ſogar bis zum Sommer hängen. Im Herbſt geſät oder abge— fallen, keimen ſie oft ſchon im folgenden Früh— linge, während im Frühling geſäte oder dann oder im Sommer erſt abgefallene gewöhnlich bis zum nächſten Frühling überliegen. Die Eſchen ſind in der Jugend raſchwüchſige Holz— arten, welche nach dem Abhieb reichlichen und raſch wachſenden Stockausſchlag liefern, wes— halb ſie ſich auf für ſie geeignetem Boden zum Niederwald-ſowie zum Kopf- und Schneidel— holzbetrieb ausnehmend eignen. Sie ſind ſehr lichtbedürftig und gedeihen daher als Baum am beſten als Oberſtänder im Mittelwalde, wozu ſie ſich wegen ihres lichten Schirmes vor— züglich eignen, oder einzeln eingeſprengt in Laubholzhochwald ſowie an Flußufern und Beſtandesrändern. Im reinen Hochwaldbeſtand erzogen, ſtellen ſie ſich mit zunehmendem Alter ſehr licht und verbeſſern durch ihren geringen Laubabfall den Boden jo wenig, dass er, wenn er nicht von Natur feucht iſt, unter ihrem lichten Schirm leicht verangert. — Die Eſchen— arten, deren Zahl ſehr verſchieden angegeben, neuerdings aber durch Wenzig auf 22 re- duciert worden iſt, bewohnen die gemäßigte Zone der nördlichen Halbkugel, wo ſie wild vorzugsweiſe in Bergwäldern vorkommen; die meiſten ſind in Nordamerika und Mittel⸗ aſien heimiſch. Sie zerfallen in die beiden Untergattungen der echten Eſchen (Fraxinaster. DC.), welche vor dem Laubausbruch blühen, deren Blütenſtände ſich aus Seitenknoſpen ent— wickeln und deren Blüten niemals Blumen— blätter beſitzen, und der Blumeneſchen (Or— nus P.), welche nach der Blattentfaltung die mit Blumenblättern begabten, in endſtändige Sträuße geſtellten Blüten öffnen. J. Echte Eſchen. a) Blüten gänzlich hüllenlos. Flügelfrüchte glatt zuſammen— gedrückt mit lederartigem von hervorragenden Nerven durchzogenem, von der Spitze der eigentlichen Frucht beginnendem Flügel. Hieher gehört zunächſt als wichtigſte Art die gemeine Eſche, Fraxinus excelsior L. (Hartig, Forſt⸗ culturpfl. T. 61, Reichb., Ic. XVII, t. 31). Knoſpen eiförmig, ſpitz, ſchwarzbraun, wie ans gebrannt, innere Schuppen filzig. Blätter aus 9—13 ſitzenden, ſelten geſtielten, lanzettförmigen bis eilanzettlichen, zugeſpitzten,am Grunde ganz— randigen ſonſt geſägten, dünnen, meiſt kahlen Blättchen von 4— lem Länge und 2—3 cm Breite zuſammengeſetzt. Blüten aus Seiten— knoſpen vorjähriger Triebe hervorbrechend, männliche in kurzen dichten Büſcheln, weibliche und Zwitterblüten in lockeren riſpigen oder trau— bigen Trugdolden, welche ſich nach dem Blühen oft beträchtlich verlängern und aufrechte oder hängende Sträuße bilden. Staubbeutel und Narben dunkel purpurroth bis ſchwarzviolett, weshalb die Blütenſtände von fern ſchwarz er— ſcheinen. Frucht breit lineal-länglich, am Grunde abgerundet, an der Spitze ſchief abgeſtutzt, oft 187 Fraxinus. Zum Artikel „Fraxinus“. >> — weibliche Blüthen, männliche, 4. Blattknoſpen. 2. Keimpflanze, amen, 13. 2 S D ame, 1. Keimender S excelsior. 5—10. Details der Blüthe, 11—12. Fraxinus Gemeine Eſche, 188 Fraxinus. ausgerandet, 2'/,—4 em lang, 8—10 mm breit, kahl, reif ſcherbengelb; ſamenenthaltender Theil flach conver, mit vorragenden Nerven. — Die Eſche iſt ein bis 40 m Höhe erreichender Baum mit walzigem bis 1'7 m dick werdendem Stamm und eikegelförmiger, erſt im höheren Alter ſich abwölbender Krone, die Rinde der Zweige grün, die der Aſte grau, gelblich punktiert, die des Stammes bis zum 30. oder 40. Jahre hell grünlichgrau, körnig und feinriſſig, worauf ſie ſich allmälig in eine rauhe graubraune netzförmig zerreißende Borke umwandelt. Kern— lohden werden bei freiem Stande nicht leicht vor dem 25., im Schluſſe erſt mit dem 30. bis 40., Stocklohden oft ſchon vor dem 20. Jahre mannbar. Die Eſche blüht im April oder Mai, belaubt ſich Ende April bis anfangs Juni, entlaubt ſich im October oder November, wobei die Blätter (infolge eines Nachtfroſtes alle auf einmal) meiſt grün abfallen, und reift die Früchte vom Juli bis October. Die Samen behalten ihre Keimkraft über zwei Jahre. Der Höhenwuchs der Kernlohde iſt im erſten Jahre ſehr gering, am raſcheſten (% m durchſchnitt— lich) zwiſchen dem 20. und 40. Jahre, worauf er nachläſst, jedoch bis über das 100. Jahr aushält. Unter günſtigen Standesverhältniſſen vermag die Eſche über 200 Jahre Alter und rieſige Dimenſionen zu erreichen. Dergleichen Rieſenbäume gibt es noch jetzt in den ehe— maligen Miſchurwäldern der ſumpfigen Niede— rungen Liv- und Kurlands; ſehr alte und ſtarke Eſchen ſtehen noch auf Rügen und Alſen. Die Eſche variiert zwar bei uns an ihren natürlichen Standörtern wenig, innerhalb ihres geſammten Verbreitungsbezirkes aber ſehr be— deutend, und noch größer iſt die Zahl der in Gärten und Parken cultivierten Ab- und Spielarten. Wenzig unterſcheidet folgende natürlich vorkommende Varietäten, von denen mehrere bislang als eigene Arten betrachtet worden ſind: ) Nördliche Eſche (borealis), die gewöhnliche Form unſerer Wälder mit lanzettförmigen Blättchen; 8) Südliche Eſche, australis (F. australis Gay). Blättchen 9—43, lang und fein zugeſpitzt, grobgeſägt; Früchte verkehrt⸗eilanzettförmig, ſchief abgeſtutzt. In Rouſſillon. ) Einfachblättrige Eſche, monophylla (F. monophylla Desf., F. hetero- phylla Vahl, F. simplieifolia Willd.), Blätter einfach, eiförmig, bis ei-lanzettförmig, ganz oder eingeſchnitten geſägt bis ſtark fiederſpaltig. Wild in Südfrankreich, häufig in Parken. — 5) Kleinblättrige Eſche, parvifolia (F. par- vifolia Willd.). Blättchen 9—11, eiförmig, 38 bis 38 mm lang und 19—27 mm breit, am Grunde keilförmig, ſtachelſpitzig geſägt. Von unbekannter Herkunft, in Gärten. In letzterer kommen u. a. folgende Formen vor: 1. die Hängeeſche, pendula Ait., mit hängenden Langzweigen und Aſten. Entſteht zuweilen von ſelbſt aus Samen, wird aber gewöhnlich durch Pfropfung vervielfältigt. — 2. Die Goldeſche, aurea Willd. (F. aurea Pers.), mit gelben Blattſtielen und röthlichgelber Rinde an Aſten und Stamm. — 3. Die Warzeneſche, verru— cosa Pers., mit warzenbedeckten Zweigen und Aſten. — 4. Die Silbereſche, argentea Hort., mit grünlichweißen, und 5. die geſcheckte Eſche, variegata Hort., mit gelb- oder weiß— gefleckten Blättern. — 6. Die ſchmalblättrige Eſche, angustifolia Hort. (F. viridis Hort., nicht Michx.), Blättchen 5—11, deutlich geſtielt, bisweilen abwechſelnd, lang zugeſpitzt, gezähnt bis ganzrandig, lanzett- bis lineal-lanzettför— mig, bisweilen gelappt (F. laciniata oder asple- nifolia Hort.). Sehr zierlicher Baum. — 7. Die weidenblättrige Eſche, salieifolia Hort. Wie vorige, aber Blättchen ſitzend, ganzrandig oder undeutlich gezähnt. — 8. Die krausblätt— rige Ejche, crispa (F. crispa Bose,, F. coria- cea Hort., F. atrovirens Desf.), mit dicht ge— büſchelten Blättern und oberſeits dunkelgrünen gekräuſelten Blättchen. — 9. Die ſeegrüne Eſche, glauca Hort., mit länglichen ſeegrünen Blättchen. — 10. Die Zwergeſche, nana Willd. (F. polemoniifolia Duham.). Niedrig und kleinblättrig, mit oft geflügelter Blatt- ſpindel. — 11. Die Purpureſche, purpurascens Hort., mit purpurrother; 12. die Korkeſche, fungosa Hort., mit korkiger Stammrinde. — 13. Die quirlblättrige Eſche, verticillata Hort., mit wirtelförmig geſtellten Blättern. — 14. Die Horizontaleſche, horizontalis Desf., mit wagrecht abſtehenden Aſten. Die Eſche iſt eine vorzugsweiſe europäiſche Holzart, indem ſie faſt ganz Europa bewohnt, ſüdwärts nur wenig über deſſen Grenzen hin— ausgeht und auch in Aſien nur eine beſchränkte Verbreitung zeigt. Anders würde ſich das Ur— theil geſtalten, wenn die nordamerikaniſche F. alba Bosc. mit F. excelsior identiſch ſein ſollte, wie behauptet wird, in welchem Falle aber dieſe wohl nur ein von Europa nach Amerika gebrachter Culturbaum ſein dürfte. In Europa geht die Eſche nordwärts als Baum in Nor— wegen bis 65° 56’, als Strauch bis 69° 407 (bei Tromſö), in Schweden wild nur bis un— gefähr 61°, angepflanzt noch als Baum bis 65° 20“ (bei Biteä), in Finland angepflanzt bis 63°, in Ruſsland als Baum nur bis ca. 59°, als Strauch noch über St. Petersburg hinaus. Die Nordgrenze des Eſchenbezirkes ſenkt ſich nämlich von Finland und zieht ſich in vorherrſchend ſüdöſtlicher Richtung durch das mittlere Ruſsland bis Kaſan. Die hier begin— nende Oſtgrenze läuft gen SW durch Rufs— land bis Charkow und von da im weiten Bogen, der Steppe ausweichend, über Katha— rinoslaw nach der Krim. Jenſeits des Aſow— ſchen Meeres beginnt der kaukaſiſche Bezirk der Eſche, welcher ſich bis in die Provinz Talyſch erſtreckt und gen N und 0 von den Flüſſen Kuban und Terak und der Weſtküſte des Kaſpi— ſees begrenzt wird. Die Südgrenze erfſtreckt ſich von Talyſch durch Armenien, Kleinaſien, die Balkanhalbinſel, Italien, Südfrankreich, Oſt⸗ und Mittelſpanien nordweſtwärts bis Nordportugal, von wo aus die Nordweſtgrenze über Irland und Schottland nach Norwegen verlaufend gedacht werden muſs. Im kauka— ſiſchen und in der ſüdlichen Hälfte des euro— päiſchen Verbreitungsbezirkes tritt die Eſche als entſchiedener Gebirgsbaum auf, ohne jedoch ſehr hoch zu gehen (in den Schweizeralpen nach Chriſt nirgends über 1300 m, in Südtirol Fraxinus, 189 nur bis 1200 m, im bayriſchen Walde bis gegen 890 m, in den Vorbergen der Karpathen bis 812 m, ſelbſt in der Provinz Talyſch nur bis 1170 m); daſs ſie aber überhaupt als ein Gebirgsbaum, der aus den Gebirgen in die Ebene hinabgeſtiegen, zu betrachten ſei, wie Nördlinger meint, dem widerſpricht ent— ſchieden das maſſenhafte Vorkommen und herr— liche Gedeihen der Eſche in den Niederungen der nordöſtlichen Hälfte ihres Gebietes, die als die eigentliche Heimat dieſes Baumes anzuſehen ſein dürften. Nur dort gibt es ausgedehnte Eſchenhochwaldbeſtände (in Polen und Ruſs— land auf Bruchboden, im ungariſchen Tieflande und in Slavonien in den ſumpfigen Inunda— tionsgebieten längs der Flüſſe), nur dort er— reicht die Eſche Rieſendimenſionen, namentlich eingeſprengt in Laub- und Fichtenbruchwald (ſo in den Bruchwäldern Oſtpreußens, Lithauens und der baltiſchen Provinzen). In der ſüdweſt— lichen Hälfte ihres Bezirkes kommt die Eſche vorzugsweiſe in Wäldern einzeln und horſt— weiſe eingeſprengt vor, außerdem an Bächen der Ebene wie der Gebirge, an denen ſie dort hoch hinaufſteigt und trefflich gedeiht Dieſes Vorkommen der Eſche beweist, daſs fie einen feuchten bis naſſen und humoſen, tiefgründigen Boden liebt. In der That verkümmert ſie auf dürrem Boden wie auch auf bindigem Thon— boden. Bei genügender Feuchtigkeit und lockerer Beſchaffenheit gedeiht ſie auf allerhand Boden, ohne einen Unterſchied mit dem darunterliegen— den Geſtein zu machen; nur Torfboden ſagt ihr nicht zu. Dagegen verträgt die Eſche keine anhaltende ſehr niedrige Wintertemperatur (nach De Candolle nicht unter — 11—12 C. mitt⸗ lere Januartemperatur), wie ſie auch ſehr em— pfindlich gegen Spät- und Frühfröſte iſt, na— mentlich in der Jugend. Als lichtbedürftige Holzart verlangt ſie im Hochwald räumliche Stellung, doch ſcheint ſie in der Jugend bei zerſtreutem Licht (wie z. B. im Mittelwalde, in haubaren Buchen- und in Eſchenhochwäldern) beſſer zu gedeihen als im Vollgenuſſe des Lichtes. Mit der gemeinen Eſche nahe ver— wandt iſt die in unſeren Eärten und Parken noch in Mitteldeutſchland häufig angepflanzte ſpitzfrüchtige oder ſpitzblättrige Eſche, F. oxycarpa Willd. (Loud. Arbor. britan, Fig. 1052, 1053; F. oxyphylla M. Bieb.), welche ſich von der gemeinen Eſche durch grau— braune Knoſpen, kleinere, aus 5—9 lang zu— geſpitzten, entfernt und ſtachelſpitzig geſägten Blättchen zuſammengeſetzte Blätter und ſpitze oder zugeſpitze Früchte unterſcheidet. Ihre eigent— liche Heimat ſind die Krim, die Kaukaſusländer, Armenien und Kleinaſien; ſie findet ſich aber vereinzelt auch auf der Balkanhalbinſel, in Iſtrien (hier die Var. rostrata Guss, mit lang zugeſpitzten Früchten), Calabrien, Südfrankreich und Catalonien. Sie wird auch aus Südungarn (Veszprimer Comitat), Siebenbürgen (um Her— mannſtadt) und Galizien (bei Brody) angegeben, dürfte dort aber wohl nur angepflanzt ſein. Auch dieſe Art variiert außerordentlich; unter anderen iſt eine in unſeren Parken verbreitete Form die in den Gebirgen der Krim überall wachſende kleinblätterige Eſche (F. parvi- folia Lam., F. lentiscifolia Desf., F. tamariseci— folia Vahl), mit kleinen, länglich eiförmigen, kürzer zugeſpitzten Blättchen, von ähnlichen Formen der gemeinen Eſche durch die braunen Knoſpen unterſchieden. Blüht im April, reift die Früchte ſchon im Juli und Auguſt. Ver— wechſelt wird die kleinblätterige Form dieſer Art häufig mit der in Spanien, Portugal und Algerien heimiſchen, bei uns im Freien kaum aushaltenden ſchmalblätterigen Eiche (F. angustifolia Vahl), ein kleiner Baum mit brau— nen filzigen Knoſpen und lanzettförmigen, am Ende ſchief abgeſtutzten, am Grunde verſchmä— lerten Früchten. — Die Schwarzeſche oder holderblätterige Eſche, F. sambueifolia Lam, (F. nigra, Marsh). Knoſpen ſchwarzbraun, Blätter groß mit 7—9 ſitzenden großen, läng— lichen, breitgeſägten Blättchen, welche unterſeits am Mittelnerv behaart ſind und gerieben an Hollunder (Sambucus nigra) erinnern. Früchte lanzettförmig, an der Spitze ausgerandet. Zwei— häuſiger Baum von 10—20 m Höhe und riſſiger Rinde, die ſich im Alter in breiten Stücken ab— löst, mit ſchwarzem Kernholz. Aus Nordamerika, nicht häufig in Gärten. b) Blüten mit einem kleinen Kelch, meiſt zweihäuſig. Samenbehälter der Flügel— frucht convex hervortretend, Flügel lederartig, mit kaum ſichtbaren Nerven. Lauter nord— amerikaniſche Arten, die ſämmtlich bei uns im Freien ausdauern. Am häufigſten finden ſich angepflanzt: die amerikaniſche Eſche, F. americana L. (F. discolor, Mühlb., F. acuminata. Lam.), die „White Ash“ (weiße Eſche) der Amerikaner. Knoſpen braun, wie bei der fol— genden Art mit weißen Schüppchen beſtreut; Zweige rund, braun, gelblich punktiert, ſammt der runden Blattſpindel kahl; Blättchen 5—9, geſtielt, oval oder eilänglich, 61—88 mm lang und 25—44 mm breit, laug zugeſpitzt, ganz— randig oder geſägt (F. juglandifolia Lam., F viridis und epiptera Michx); Frucht mit ge— zähntem Kelch, lanzettlich oder lineal, am Ende ſchief abgeſtutzt oder faſt ausgerandet. Schöner, bis 25 m langer Baum mit grauer riſſiger Rinde. Gedeiht noch in Norddeutſchland vor— trefflich und iſt neuerdings, namentlich in Oſt— und Weſtpreußen, überall an Wegen und Strecken angepflanzt, in Sachſen, Hannover, Bayern und Baden auch als Waldbaum be— reits angebaut worden. Iſt raſchwüchſig, voll— kommen winterhart und verträgt anhaltende Näſſe, gleich der folgenden Art. — Flaum— haarige Eſche, F. pubescens Lamk. (F. to- mentosa Michx. F. nigra, Du Roi), die „Red Ash“ (Rotheſche) der Amerikaner. Knoſpen braun, Zweige aſchgrau, jung filzig; Blätter groß, im Herbſt ſich ſchön (gelbbraun) färbend, mit rinnigem Stiel, Blättchen 5—9, ſitzend oder etwas geſtielt, oval-länglich, ganzrandig oder geſägt, unterſeits in der Jugend oder auch bleibend ſtilzig oder flaumhaarig, bis 90 mm lang und bis 40 mm breit; Frucht lineal, mit gezähntem Kelch, am unteren ſamentragenden Theil mit 3—5 Furchen, ſtumpf bis ausge— randet, bis 37 mm lang. Schöner, an Höhe der F. excelsior gleichkommender, aber ſehr variabler 190 Fregilus. — Freibirſch. Baum aus den öſtlichen Vereinigten Staaten, von dem verſchiedene Formen unter den Namen F. Berlanderiana DC., F. expans. Willd., F. pennsylvanica Marsh., F. caroliniana und einerea Hort. als eigene Arten unterſchieden worden ſind und in Gärten cultiviert werden. Iſt ſeit mehr als 60 Jahren in den Elbeauen Anhalts als Waldbaum mit großem Erfolg angebaut worden, indem ſie nicht nur die ge— meine Eſche, ſondern alle einheimiſchen Laub— hölzer an Raſchwüchſigkeit übertrifft, vollkommen winterhart iſt und ſich wie keine heimiſche Laub— holzart zum Aubau im Inundationsgebiete der Ströme eignet. In den anhaltiſchen Forſtrevieren an der Elbe gibt es ganze 50—60 jährige Hoch— waldbeſtände, außerdem einzelne bis 100jährige Bäume. — Selten kommen in Gärten vor: die breitfrüchtige Eſche, F. platycarpa Michx., die „Water-Ash“ (Waſſereſche) der Amerikaner, leicht kenntlich an ihren bis 14 mm breiten, ſtumpfen, aber vom Grunde aus nach der Spitze verſchmälerten Früchten, ein bis 16 m hoher Baum mit braunen Knoſpen und runden, graubraunen Zweigen und aus 3 7 geſtielten oval— länglichen Blättchen zuſammengeſetzten Blättern; die vierkantige Eſche, F. quadrangulata Michx, von allen übrigen Eſchen durch vierkantige Zweige unterſchieden, und die Grüneſche, F. viridis A. Gray, ein bis 20 m hoher Baum mit ganz kahlen grünlichbrau— nen Zweigen und Blättern, welche aus 5—6 geſtielten, eilänglichen, beider— ſeits grünen, ganzrandigen oder ge— ſägten Blättchen beſtehen, und linealen, ſchief abgeſtutzten oder ausgerandeten, am Grunde 2—3 Furchen zeigenden Früchten. II. Blumeneſchen. Zwitter⸗ blüten mit Kelch und zwei- bis vier— blätteriger Blumenkrone. Von den bekannten Arten iſt nur eine in Europa hei— miſch; von den übrigen bewohnen 2 Mexiko und Californien, 5 Japan, China und Indien. Keine dieſer exotiſchen Arten hält bei uns im Freien aus. — Die gemeine Blumeneſche, (Fig. 367) F. Ornus L. (Ornus europaea Pers., Hartig a. a. O., T. XI). Knoſpen eiförmig, graubraun, filzig, Zweige gelblichbraun bis braun; Blätter mit geflügelt-rinniger Spindel, ſammt dem Stiele 12—20 em lang, kahl; Blätt⸗ chen 7—9, geſtielt, eiförmig bis länglich-lanzett— förmig, zugeſpitzt, fein gekerbt-geſägt; Blüten in großen pyramidalen, wiederholt dreitheiligen, zuletzt überhängenden Sträußen, mit 4 lineal— lanzettlichen welliggekräuſelten weißen Blumen— blättern, wohlriechend; Frucht lanzettförmig bis lineal, abgerundet, ſtachelſpitzig oder aus— gerandet, 25—35 mm lang. — Kleiner Baum (3—8 m hoch), mit hellaſchgrauer körnigrauher Rinde. Variiert in Gärten mit einfachen und gefiederten Blättern (var. diversifolia) und ſchmutzigrothen Blättchen (var. sanguinea). Wild in Bergwäldern des ſüdlichen Europa und Weſtaſiens, von Spanien bis Syrien und Cilicien, auch noch in der ſüdlichen Schweiz (Teſſin), den ſüdlichen und ſüdöſtlicheu Kron— ländern Oſterreichs (Südtirol, Steiermark, Krain, Iſtrien, Dalmatien, Kroatien, Banat, Siebenbürgen), wo ſie in ganzen Beſtänden auftritt. — Auf Corſica kommt eine Varietät mit unterſeits glänzend weißen Blättchen (F. argenten Lois.), in Calabrien und im Orient, auch in Dalmatien (am Karſt) und in Syrmien eine Varietät mit rundlichen Blättchen (F. rotundi- folia Lam., Ornus rotundifolia P.) vor. Die Blumeneſche ſteigt in Südtirol bis 790 m empor und liebt trockenen kalkhaltigen Boden und ſonnige Lage. Sie iſt neuerdings vorzugs- weiſe und mit Erfolg zur Wiederbewaldung des Karſtgebirges verwendet werden, als Zier— gehölz in Parken bis Mitteldeutſchland ver— \ [4 Fig. 367. Gemeine Blumeneſche, Fraxinus Ornus. breitet. Blüht im Mai, reift die Früchte ſchon im Juli. In Südeuropa (Unteritalien, Sieilien u. a. o.) ſcheidet die Blumeneſche von Mitte Juni bis Ende Juli aus von ſelbſt entſtehen— den Rindenriſſen einen zuckerreichen, ſich ſelbſt verdickenden Saft aus, der auch künſtlich durch Einſchnitte gewonnen werden kann und erſtarrt als „Eſchenmanna“ in den Handel kommt. Des— halb wird dieſe Eiche auch „Mannageſche“ ge— nannt. (Bgl. über die Eſchengattung: Wenzig, Die Eſchen, eine ſyſtematiſche Skizze, in der Berliner Gartenzeitung, Jahrg. 1883, p. 89 ff., über F. excelsior, Nördlinger, Forſtbot. II., p. 29 ff. und Willkomm, Forſtliche Flora, 2. Aufl. 1886.) Wm. Fregilus Cuvier = Pyrrhocorax Vieillot. — F. alpestris Chr. L. Brehm; ery- thropus Swainson; europaeus Lesson; gra- culus Cuvier; hymalayanus Gould, j. Alpen⸗ krähe. . f E. v. D Freiarbeiten, ſ. Holzarbeiten. Fr. Freiarchen, ſ. Wehrbauten. Fr Freibirſch, die, ein Revier, welches keinen eigentlichen Beſitzer hat, in welchem alſo jeder überhaupt Jagdberechtigte jagen darf; vgl. Frei⸗ Freie Treiben. — Freipflanzung. 191 jagd. „Freybürſche, Freybüſche, Frey— pürſche, lat. Liberae Venationes, find an einigen Orten ſolche Hölzer und Gegenden, darinnen die Landesherrſchaft einem jedweden zu jagen erlaubet. Dergleichen gibt es ſonher— lich auf den Thüringiſchen Grenzen, und werden diejelbe von dem Forſtbezirk durch gewieſſe Marken unterſchieden. Im Würtembergiſchen heißt Freybürſche ein ſolches Recht, kraft deſſen in gewieſſen Gegenden jedermann das Wild und Vögel zu jagen und zu fangen, be— fugt iſt, weil niemand eine beſondere Jagdge— rechtigkeit allda hat; dergleichen Gegenden es in Schwaben mehrere giebet.“ Onomat. forest., I., p. 950. — Behlen, Wmſpr., 1829, p. 60. — Hartig, Lexik., Ed. I, 1836, p. 89. — Keller, Die Gemſe, p. 496. — Grimm, D. Wb., IV., p. 101. — Sanders, Wb., I., p. 144 a. E. v. D. Freie Treiben nennt man Treibjagen ohne Zuhilfenahme von Zeugen; oder auch im Gegenſatze zu vollends eingeſtellten Jagen ſolche, bei welchen nur die Flügel verlappt oder verſtellt ſind. „Bei den freien Treiben wer— den blos die Flügel mit Tuch- und Federlappen beſtellt . . .“ R. R. v. Dombrowski, Das Edel— wild, p. 171. E. v. D. Freie Wildbahn, die, nennt man ein uneingefriedetes Revier im Gegenſatze zu einem eingefriedeten, welches Wildpark, Park, Wild— garten, Thiergarten oder je nach der darin be— ſonders gehegten Wildgattung Hirſch-, Sau-, Damwildpark ꝛc. genannt wird, oft auch ſtatt „in freier Wildbahn“ einfach „im Freien“. Das in freier Wildbahn befindliche Wild wird freies Wild genannt; namentlich gilt der Ausdruck auch von den Faſanen einer wilden Faſanerie, d. h. einer ſolchen, in welcher kein Aufzug beſteht. „. . . Denn jo auch ein Fürſt oder Herr ſeine Luſt haben wolte, ſolche freye Faſſanen zu ſchieſſen . . .“ Pürſon, Hirſchgerechter Jäger, 1734, fol. 95. — „Wenn man indeſſen zu einem ſolchen Rehſtand im Freyen gelangen will, ſo muſs man ſie in harten Wintern, eben jo, wie im Thiergarten füttern . . .“ Mellin, in Wildungens Neujahrsgeſchenk a. d. J. 1797, P. 24. E. v. D. Freies Ermeſſen der Verwaltungsbehörden, ſ. Verwaltungsgerichtshof. Mcht. Freies Geleit, ſ. Geleit. At. Freigedingen, ſ. Holzarbeiten. Fr. Freigelacke, ſ. Alpen. Mcht. Freihändiges Schießen, ſ. Schießkunſt. v. Ne. Freijagd, die. I. © v. w. Freibirſche. II. S. v. w. Wilddieberei; in beiden An— wendungen jelten. Sanders, Wb., I., p. 4880 und 827 b. E. v. D. Freijäger, der, ſ. v. w. Wilddieb, ſelten. Sanders, Wb. I., p. 830 a. E. v. D. Freikugel, die, Bezeichnung für eine unter beſonderen Umſtänden mit verſchiedenen myſteriöſen Zuthaten gegoſſene Kugel, die, dem Aberglauben nach, unbedingt jedes Ziel treffen muſste, an welches der Jäger eben dachte; ſ. Mythologie und vgl. Freiſchütz. — Fehlt bei Grimm und Sanders. E. v. D. Freilaut, adj., ſ. v. w. vorlaut, auch un⸗ beſonnen, vom Jäger und Hund; vgl. weid— laut, führtenlaut, laut. „Freylaut oder vorlaut kann von Jägern und Hunden gejagt werden. Wenn der Jäger allzu eilig im Anſprechen einer Ferte oder Angeben einer Sache iſt, die ſich hernach anderſt befindet, heißt es, der Jäger war zu frey- oder vorlaut, das iſt: er hat unbedachtſam geredet. Wenn die Hunde ein Stück Wild anbellen und ſelbiges nicht einmal ſehen, ſondern nur einen Wind haben, ſagt man auch: der Hund iſt vorlaut“. Chr. W. v. Heppe, Wohlred. Jäger, p. 134. — Behlen, Wmſpr, 1829, p. 39; Real- u. Verb.⸗Lexik. II., p. 661. — Grimm, D. Wb. IV., p. 116. — Sanders, Wb. II., p. 59a. E. v. D. Freipflanzung (ſ. a. Holzanbau, Freiſaat und bei „Erziehung“ der einzeluen Holzarten, alſo z. B. „Eichen-, Buchen- ꝛc. Erziehung”). Die Ausführung von Pflanzungen an den— jenigen Stellen im Walde, wo die Pflänzlinge verbleiben und den Beſtand bilden helfen ſollen, nennt man Freipflanzungen. Sie kommen zur Ausführung mit bewurzelten Pflänz— lingen und bilden ſo die eigentlichen Pflan— zungen, oder ſie werden mit unbewurzelten Pflänzlingen, welche friſche geſchnittene Reiſer oder gehauene Stangen, bezw. als Stecklinge oder Setzſtangen, hergeben, ausgeführt, um Weidenheger oder Kopf- und Schneidelholz— anlagen von Weiden und Pappeln (ausſchließ— lich Aſpen) zu bilden. 1. Holzpflanzung mit bewurzelten Pflänzlingen. Bewurzelte Pflänzlinge werden entweder als Wildlinge aus bereits vorhandenen na— türlichen Aufſchlägen oder Anflügen oder aus künſtlichen Freianlagen, beſonders Saaten, ent— nommen (ſ. d., auch Ausheben), oder es werden dieſelben in Kämpen, lediglich zum Zweck des Verpflanzens ins Freie erzogen und demnächſt als Kamppflanzen oder geſchülte Pflan— zen verwendet (ſ. Kamp, Pflanzenzucht). a) Bei der Pflanzung im Freien kommt es vor allem darauf an, dajs für die vorlie— gende Culturſtelle, nach allen dabei in Betracht zu ziehenden Verhältniſſen, die angemeſſenſte Holzart gewählt wird; dabei iſt die Frage zu beantworten, ob die Anlage nur mit einer oder mit mehreren Holzarten in Vermiſchung gemacht werden ſoll. Gerade dieſe Vermiſchung verſchiedener Holzarten, die für die Wuchsförde— rung der Anlage, ihren Schutz und ihre künftige Nutzbarkeit von großer Bedeutung ſein kann (ſiehe Beſtand), läſst ſich durch die Pflanzung am leichteſten herſtellen, indem man es bei ihr, noch mehr als bei der Saat in der Hand hat, das Auftreten der einzelnen Holzarten nach dem Ermeſſen des Wirtſchafters in regelmäßiger Vertheilung und zweckmäßiger Anzahl unter einander zu bewirken, auch gewiſſen Pflanzen einen Vorſprung vor den anderen, nach Be— dürfnis, von vornherein zu beſchaffen, beſonders wenn in den Kämpen Vorräthe von ver— ſchiedenen Holzarten und dieſe wieder in ver— ſchiedenen Altersabſtufungen zu Gebote ſtehen. Auch durch Einpflanzen in Saaten und natür- liche Verjüngungen läſst ſich dieſer Zweck oft noch erreichen. 192 b) Von Wichtigkeit iſt bei Anlage von Pflanzungen der Verband (ſ. d.). Die Pflanzen dürfen nicht zu gedrängt ſtehen, um ſich ge— hörig entwickeln zu können, aber auch nicht zu weit von einander, um den Boden bald gedeckt zu ſehen und den Pflanzen nicht die Vortheile des gegenſeitigen Treibens durch zu ſpät ein— tretenden Schluſs zu entziehen. Auch der Koſten— punkt iſt hier ſehr weſentlich, da zu enger Ver— band die Culturkoſten unnöthig ſteigern, ein zu weiter aber vielleicht inſofern noch vergrößern kann, als koſtſpielige, oft den Zweck nicht ganz erfüllende Nachbeſſerungen ſpäter zu Hilfe ge— nommen werden müſſen. Im allgemeinen iſt aber ein engerer Verband dem weiteren vorzu— ziehen, umſomehr je ungünſtiger die Standorts— verhältniſſe liegen. Durchaus empfehlenswert iſt es übrigens, ſoweit es die örtlichen Verhältniſſe geſtatten, den Verband geometriſch regelmäßig aus— zuführen und dabei die mechaniſchen Hilfsmittel der nach Maßgabe der Verbandsabmeſſung ein— getheilten Pflanzleine, auch, nach Umſtänden, des Maßſtocks und der Viſierſtäbe nicht bei Seite zu ſetzen. Es gilt dies nicht nur für die Großpflanzung, ſondern auch für die Klein— pflanzung. Die regelmäßige Pflanzform erfor— dert keineswegs einen unverhältnismäßigen Zeitaufwand, erhöht aber das gute Anſehen der Cultur o ſichert eine richtige Pflanzen⸗ vertheilung. , Übrigens iſt bezüglich der Wahl der Pflanzfoͤrm ſtets auf das Bedürfnis der Bemantelung (ſ. d.) der Beſtände Rückſicht zu nehmen, und empfehlen ſich daher an Außen— rändern, längs der Wege und Geſtelle, gegen den allgemeinen Verband, engere Pflanzungen, namentlich ſolche in Reihen. e) Die zur Verwendung kommenden Pflänzlinge haben entweder vom anhän— genden Boden entblößte Wurzeln und können dann entweder ſtärkere Pflanzen, Ganz— heiſter, Halbheiſter oder Lohden, aber auch ſchwache Pflänzlinge (ſchwache Lohden bis hinab zu zwei- bis einjährigen Sämlingen) ſein, oder es haben die Pflänzlinge einen die Wurzeln umhüllenden feſten Erdballen, als ſog. Ballenpflanzen (ſ. Ballenpflanzung). Dieſe können wieder Einzelpflanzen oder Büſchelpflanzen (ſ. d.) von jugendlichem Alter ſein (ſ. a. bei k unter „Pflanzmethoden“). d) Dafs nur gut erwachſene Pflänzlinge, d. h. namentlich ſolche mit guter Wurzel-, na- | mentlich Faſerwurzelbildung, ſolche von ſtuffi— gem Wuchſe mit großen geſunden Knoſpen, ge— ſunder Grünfärbung der Blattorgane und glatter Rinde ausgepflanzt werden, dabei in einem entſprechenden Alter ſich befinden, iſt zur Erziehung einer guten Pflanzeultur unerläjs- lich. Aber auch an ſich gute Pflänzlinge können unbrauchbar gemacht werden, wenn ſie beim Ausheben und Verwahren bis zum Wie— dereinpflanzen nicht angemeſſen behandelt wer— den, worüber die Artikel „Ausheben“, „Auf— bewahren“ belehren. e) Eine weitere Beachtung verdient das Beſchneiden (s. d.) der Pflänzlinge, ebenſo ‚ D eine Vorbereitung zum Einpflanzen, wie ſie bei 1—2jährigen Nadelholzpflänzlingen Freipflanzung. durch Benetzen der Wurzeln mit Lehmbrei oder feuchtem Sand vorkommt (ſ. Anſchlämmen, Buttlars Pflanzung). g) Das Einpflanzen ſelbſt muſs zu ge⸗ höriger Jahreszeit erfolgen, wozu im allge— meinen für Laubholz der Spätherbſt und das Frühjahr, für Nadelholz das Frühjahr, bei Lärche jedoch auch oft wegen ihres ſehr frühen Austreibens der Herbſt anzuſehen iſt. Im Hochgebirge ſtoßen die Frühjahrs— eulturen wegen Ungunſt der Witterung, der kurzen Culturzeit ꝛc. oft auch große Schwierig— keiten, beſonders wenn dieſelben auf großen Flächen ausgeführt werden ſollen. Man greift daher hier wohl zu Herbſtpflanzungen, doch kann man bei Fichten und Lärchen beſſer Som⸗ merpflanzungen vom Juni bis Auguſt, im Nothfalle auch bis anfangs October mit Aus— ſicht auf guten Erfolg ausführen, ſofern die Pflänzlinge ſofort, alſo ohne längeres Ein— ſchlagen, aus dem Kampe ins Freie gepflanzt werden können. Der Zuſtand des Bodens, in welchen gepflanzt werden ſoll, darf ſtets weder ge— froren noch nass, aber auch nicht zu trocken ſein. Über die bei Ausführung der Pflanzung gebräuchlichen Geräthe gibt der Artikel „Forſt— culturgeräthe“, über Pflanzkoſten der über „Forſteulturkoſten“ Auskunft. h) Pflanzmethoden ſind eine große Menge erdacht, von denen nur eine gewiſſe Zahl als praktiſch anzuſehen iſt. Vor allem ſind es die Löcherpflanzungen, welche im großen Anwendung finden, während Oben— aufpflanzungen ſeltener ausgeführt werden, noch öfter aber ebenfalls durch die meiſt einfache— ren Löcherpflanzungen erſetzt werden können. aa) Unter Löcherpflanzungen verſteht man im allgemeinen diejenigen Pflanzungen, bei denen die Pflänzlinge entweder als Einzel— pflanzen oder als Büſchelpflanzen in ein Pflanzloch eingeſetzt werden, welches in ver— ſchiedener Weiſe unmittelbar in den Boden ein— gearbeitet wurde. Ofter nennt man wohl nur das eine Löcherpflanzung, wo Pflänzlinge mit ent⸗ blößter Wurzel zur Verwendung kommen, während man die Ballenpflanzung von ihr trennt. Da die Ballenpflanzen jedoch eben⸗ falls in ähnliche Pflanzlöcher eingeſetzt werden wie jene, ſo iſt zu dieſer Abtrennung keine beſondere Veranlaſſung vorliegend, und kann man höchſtens bei einem ſolchen Scheiden, bezw. von einer eigentlichen Löcherpflanzung und einer Ballen-Löcherpflanzung ſprechen. Bezüglich der Bereitung der Pflanzlöcher, beſonders zur eigentlichen Löcherpflan⸗ zung bemerken wir Folgendes: Iſt der Boden bereits gelockert und handelt es ſich um das Einſetzen kleiner Pflan- zen, ſo iſt ein Pflanzloch für dieſe leicht vor⸗ geſtochen; ſoll dasſelbe aber auf feſtem Boden erſt mittelſt Spaten oder Hacke hergeſtellt wer⸗ den, jo erfordert dies ſelbſtredend eine Mehr- arbeit. Die hier nothwendig werdenden Pflanz⸗ löcher ſind nach der Größe der Pflänzlinge in verſchiedener Abmeſſung jo herzuſtellen, dass die letzteren mit ihren Wurzeln in natürlicher Freipflanzung. Stellung bequem in die Löcher hineinpaſſen. So wird man z. B. für ſtarke Heiſter Pflanz— löcher bis zu Im Weite und 0'32 m Tiefe her— zuſtellen haben, während man für Pflänzlinge von nur 15—30 em Höhe mit ſolchen aus— reicht, die 20—30 em breit und 10—16 em tief ſind. Der aus dem Loch geſchaffte Boden wird in humoſen und todten (mineraliſchen), nach dem äußeren Anſehen, neben dem Loche ſortiert und der ſenkrecht in das Loch gehaltene Pflänz— ling zunächſt an den Wurzeln gut mit jener humoſeren Erde umfüttert, während der übrige todtere Boden zum Füllen des Loches ver— wendet wird. Der Boden iſt um den Pflänz— ling gelinde anzutreten oder ſonſt durch Druck zu befeſtigen und in der Regel darauf zu ſehen, daſs letzterer nicht tiefer im Pflanzloch zu ſtehen kommt als an ſeinem früheren Stand— orte (ſ. Anſchlämmen, Baumpfahl, a. Eichen— erziehung unter 2b). Dieſe Art der Pflanzung in mittelſt Hacke oder Spaten unter einſtweiliger Beiſeitelegung des ausgearbeiteten Bodens hergeſtellte Pflanz— löcher kommt beſonders bei ſtarken Pflänz— lingen (Heiſtern, Halbheiſtern, ſtärkeren Lohden) vor und erſtreckt ſich ſeltener auf ſchwächere Pflanzen. Dieſe, namentlich 1— 2jährige Sämlinge der Nadelhölzer, pflanzt man, da ihre Wurzeln noch zart und wenig ſperrig ſind, leichter in Löcher, welche man mit Vor— ſtechern (ſ. Forſteulturgeräthe unter 6) unmittel- bar in den Boden, ohne vorherigen Erdaus— wurf ſtößt, demnächſt das Stechloch nur von der Seite her mittelſt des Vorſtechers zudrückt und ſo den Pflänzling durch Einklemmen in der Wurzel befeſtigt. Dieſe ſog. Klemmpflanzungen kommen in verſchiedener Form vor, und kann man als in größerer Praxis gebräuchliche bezeichnen: Die Pflanzung mittelſt Pflanzhol— zes in gelockertem Boden, wie ſie zuerſt (1833) G. L. Hartig, erheblich ſpäter auch Pfeil (ſ. Kiefererziehung sub 3b) für ein-, auch wohl zweijährige Kieferſämlinge empfahl (vgl. Gru— nerts Geſchichte der Kieferpflanzung in Heft 10 der „Forſtl. Blätter“ 1865); ferner die Pflanzung mittelſt Pflanzſpatens ſtatt des Pflanzholzes, wie ſie beſonders von Alemann bei zweijährigen Kieferwildlingen in mit dem Waldpfluge gezogenen Streifen, unter Verwendung des märkiſchen Gartenſpa— tens (ſ. „Forſteulturwerkzeuge“ unter 7a) in Anwendung brachte, oder wie ſie mittelſt des Keilſpatens (ſ. d.) in gelockertem Boden anderweit ſo vorgenommen wird, daſs man in die Ecken des vorgeſtochenen Spalts je eine Pflanze (meiſt einjährige Kiefern) ſtellt. Wegen des durch den Spaten im Boden hergeſtellten Spalts nennt man dieſe Art der Klemmpflan— zung auch wohl Spaltpflanzung. Eine weitere Art der Klemmpflanzung iſt die mit den Pflanzeiſen v. Buttlars oder Wartenbergs auszuführende Culturart, und kann als Klemmen auch die Biermanns'ſche Pflanzung (ſ. d.) in mittelſt Spiralbohrer aufgebohrte, gedüngte Pflanzlöcher bezeichnet werden. 193 Unter Umſtänden kommt bei Löcherpflan— zungen ganz zweckmäßig ein Decken des Bo— dens um den eingeſetzten Pflänzling herum vor; ſ. hierüber: Decken des Bodens, Fichten— erziehung sub 2, Kalködlandaufforſtung sub 1, Moorcultur sub 2 b). Eine Löcherpflanzung beſonderer Art ſtellt außerdem, wie eingangs bemerkt, die Ballen— pflanzung (ſ. d.) dar, bei welcher die Pflänzlinge nicht mit entblößter Wurzel, wie bei vorgenannten Arten, ſondern mit an— hängenden Erdballen in das geöffnete Pflanz— loch eingeſetzt werden. In der Regel kommen nur Einzelpflanzen mit den Ballen zur Verpflanzung, namentlich bei Kiefern, doch kann man zu den Ballen— pflanzungen als beſondere Art auch die Bü— ſchelpflanzung (ſ. d.) rechnen, da der Büſchel mit ſeinen verſchlungenen Wurzeln immer einen Theil Muttererde halten ſoll, dies aber ent— ſchieden der Fall iſt, wenn die Büſchel als ſog. Ballenbüſchel (bei Buchen und Fichten) unter Mitnahme des die Wurzeln umhüllenden Bodens geſtochen und ſo in das Pflanzloch ein— gepflanzt werden. bb) Unter den Obenaufpflanzungen, bei denen der Pflänzling nicht in ein in den Boden vorgearbeitetes Pflanzloch, ſondern mehr auf denſelben, in aufgejchütteten Boden oder in aufgeklappten Raſen gejeßt wi hat in der Literatur die meiſte Aufmerkſamken erregt: die Manteuffel'ſche Hügelpflanzung (ſ. Hügelpflanzung), wo die meiſt 2— 3jährige Pflanze in einen auf den Boden geſchütteten, demnächſt in der Regel mit Raſen gedeckten Hügel eingeſetzt wird; die Rabattenpflanzung (ſ. über Ra⸗ battencultur bei „Freiſaat“ sub 3, auch bei Erlenerziehung sub 3) ähnelt dieſer inſofern, als auf dem urſprünglichen Boden erhöhte Beete durch Erdauftragung gebildet werden, in welche man ebenſogut pflanzen als ſäen kann; die Spalthügelpflanzung (j. d.) benützt die aufgeklappte und geſpaltene, oben liegen— bleibende Raſenſpalte, deren 7—10 em breiter Spalt demnächſt mit Boden gefüllt wird, als Pflanzhügel, während die Klapppflanzung nach v. Alemanns Methode (ſ. Alemanns Klapppflanzung) den Pflänzling in den engen Spalt der wieder zu— rückgeklappten Raſenpalte ſetzt. Auf friſchem oder feuchtem, grasreichen Boden kommt öfter auch eine Hochpflanzung auf umgeklappter Raſenpalte ſo zuſtande, daſs man zunächſt den Verband (gewöhnlich 15m) vorzeichnet und dann in den Pflanz- punkten quadratiſch ausgeſtochene Palten mit etwa 40 em Seite umklappt, ſie überwintern läſst, daſs ſie ſich gut zuſammenſetzen und ver— wittern, und dann im nächſten Frühjahre be— pflanzt. Hiebei wird gewöhnlich mit dem Spiral— bohrer (ſ. Biermanns Culturverfahren) unter Verwendung von Füllerde gearbeitet. Etwas abweichend von dieſer Art der Hochpflanzung auf Palten iſt die, welche Kaiſer (Beiträge zur Bodenwirtſchaft, Berlin 1883) vorſchlägt, um eine beſſere Trockenlegung der Pflanzſtelle, als bei vorſtehender Methode ge— Dombrowski. Eneyklopädie d. Forſt⸗ u. Jagdwiſſenſch. IV. Bd. 13 194 wöhnliche, zu bewirken. Nach ihr werden zwiſchen je vier vorgezeichneten Pflanzpunkten die quadra— tiſchen Palten zum Auslegen auf dieſen Pflanz punkten an einer Stelle ausgeſtochen, und wird dieſe demnächſt durch Ausheben von Boden ver— N. Diefer Boden wird zuvörderſt neben den auf den Pflanzpunkten liegenden Palten vertheilt, und bleiben dieſe, nachdem ſie zuvor noch in ihrer Mitte durchſtochen wurden, ſammt jenem Boden über Winter liegen. Im nächſten Frühjahre erfolgt das Bepflanzen der Palten unter Er— weiterung des Mittelloches und unter Verwen- dung der beigeſchütteten Erde. Das Waſſer des Bodens wird hier in dem zum Paltenſtechen benützten Loche zuſammengezogen und ſo ein Trocknerlegen der Pflanzſtelle erreicht. 2. Holzpflanzungen mit unbewur— zelten Pflänzlingen. Im Artikel „Ablegen“ iſt auch der unbe— wurzelten Pflänzlinge, die in ſchwacher Geſtalt, als Ruthen, Stecklinge, in ſtarker, als Stan— gen, Setzſtangen heißen, gedacht, die beim Waldbau, vor Allem bei Pappeln, ausſchließlich Aſpe, und bei Weiden zur Verwendung kommen. Die Stecklinge werden beſonders zur Anlage von Weidenhegern benutzt und dazu 4- bis 3jährige Weidenlohden in der Stärke von 0-7—1'5 em Stärke verwendet. Man kann dieſe Lohden entweder auf Längen von 30—60 cm kürzen und ſie ohne Zopf und Zweige ein⸗ pflanzen, oder auch unverkürzt, als ſog. Buſch in den Boden einlegen. Jene Stecklinge (Stopfer, Sticken) werden gewöhnlich in Reihen ſo ein— gepflanzt, daß ſie gar nicht oder kaum aus dem Boden hervorragen, doch wird von dieſer Tief— pflanzung bei vorliegender Gefahr der Ver⸗ ſchlickung Abſtand genommen, ſowie auch wohl andere, beſondere, durch die Ortlichkeit bedingte Verhältniſſe dazu veranlaſſen können, den Steckling 8—16 em aus dem Boden hervor⸗ ragen zu laſſen. Das Einſetzen der Stecklinge erfolgt meiſt etwas ſchräg, auch wohl ſenkrecht, in den zuvor tief aufgegrabenen oder riolten Boden, doch haben ſich zweckmäßig die Stecklinge bei Anpflanzungen an Waſſerläufen der Strö⸗ mung dieſer zuzuneigen. Der Verband für die Reihenpflanzungen war früher ein ziemlich weiter. Reuter (f. Grunert's forſtl. Bl. Hit. 2, 1861) legte in den Elbhegern die Reihen in 0˙73—2 m Entfernung an und pflanzte in ihnen die Steck— linge für Korbruthenzucht 32— 60 em weit, freilich in der Abſicht zwiſchen den Reihen Fruchtbau zu treiben, doch auch anderwärts hielt man 50— 80.000 Stück Stecklinge pro Hektar für genügend, um reichliche und gute Lohden zu ziehen. Krahe, der Verfaſſer der „Korbweiden— cultur, Aachen 1886“, weist aber nach, dass engere Verbände reichlichere Ruthenerträge und beſſere Ruthen liefern und will pro Hektar 150 200.000 Stecklinge angepflanzt, aljo etwa einen Verband von 40:15 oder von 50:10 cm gewählt ſehen (ſ. bei Weidenerziehung sub 2). Außer der reihenweiſen Weidenſtecklings— pflanzung kam früher auch wohl die ſog. Neſterpflanzung vor, bei welcher man in 0•65— U m Verband runde, nach unten verengte, tieft, etwa wie dieſe Figur zeigt Freipflanzung. etwa 25 —60 em weite und ebenſo tiefe Löcher grub, in dieſe längs des Randes 6—8 Steck— linge ſtellte und das Loch nunmehr mit Erde füllte und dieſe gut antrat. Jetzt wird Neſter— pflanzung im großen, als wenig zweckmäßig, kaum angewendet. Wird ſtatt der Stecklinge Weidenbuſch zur Anlage von Hegern benützt, ſo wird auf der zu bepflanzenden Fläche eine Furche, mög- lichſt mit dem Pfluge gezogen, in dieſe der Buſch ſo eingelegt, daß ſeine Spitzen über die Furche hervorragen, und wird dann der in dieſer liegende Buſch mit dem rückkehrenden Pfluge, wenn dieſer verwendet wurde, ſonſt mit- telſt des Spatens mit Erde gedeckt und ſo fort, bis die Fläche mit Weiden bepflanzt iſt. Setzſtangen werden aus friſchen, 4—6jäh. rigen geraden Zweigen der Baumweiden und Pappeln auf etwa 3 m Länge ausgehauen, oben und unten mit glatter Hiebfläche verſehen und in die mittelſt eines ſchweren Pfahleiſens (ſ. Forſt— culturgeräthe) 60—70 em tief vorgeſtochenen Löcher feſt und ſo eingeſetzt, daſs die Setz— ſtange im Setzloche nicht an der Rinde be— ſchädigt und dort überall vom Boden dicht um- hüllt wird. Sit der Boden feſt, jo muj3 ein vollſtändiges Pflanzloch aufgegraben werden. Bei einer mit Setzſtangen zu bepflanzenden, im Frühjahre wegen Waſſers unzugänglichen Boden⸗ ſtelle pflanzt man während des Winters auf dem Eiſe. Hier durchbohrt man dasſelbe mit dem Pfahleiſen im vorgeſchriebenen Verbande und ſtößt die Setzſtange durch das Eisloch feſt in den Schlammboden der Pflanzſtelle. Um das Austrocknen der gepflanzten Stange an der Spitze zu vermeiden, bedeckt man dieſelbe wohl durch ein aufgeheftetes Raſenſtück, ſchneidet auch die obere trocken gewordene Spitze im folgenden Frühjahre nach der Pflanzung ſcharf nach und ſäubert die angewachſene Stange von hervor— brechenden Seitentrieben. Die Setzſtangenpflanzung für Kopf- und Schneideholzzucht wird gewöhnlich in 10 m weitem Verbande vorgenommen (j. auch bei „Pappelerziehung“). Die paſſendſte Pflanzzeit für Sted- linge und Setzſtangen iſt das Früh⸗ jahr, kurz vor dem Antreiben der Knoſpen, ob— ſchon auch, unter günſtigen Verhältniſſen, we— nigſtens die Stecklinge, auch zu anderen Zeiten noch anwachſen, wie denn Krahe ſeine Stecklings— anlagen möglichſt im Herbſte, und nur aus⸗ nahmsweiſe bei Winterausgang macht. g 3. Was Schutz und Pflege der Frei⸗ pflanzungen anbetrifft, jo gelten in dieſer Be- ziehung natürlich zuvörderſt die Regeln, welche der Forſtſchutz betreffs der Forſteulturen und Schonungen überhaupt vorſchreibt, und bemerken wir hier nur insbeſondere, daſs Pflanzungen im ganzen inſoferne weniger ſchutz- und pflege⸗ bedürftig ſind als Saaten, als der gut be— handelte, ältere Pflänzling ſich raſcher zu er— heben pflegt, als der ſchwache Sämling, und jener daher früher ſich ſelbſt zu ſchützen ver— mag. Deſſenungeachtet iſt auch hier Aufmerk⸗ ſamkeit geboten. Dies gilt namentlich da, wo mit Schutz- und Treibholz der Pflanzung ge⸗ holfen wurde. So günſtig dies ſein kann, ſo m A Freiſaat. 195 iſt hier doch beſonders darüber zu wachen, dajs in dieſer Beziehung nicht zu viel geſchieht und nicht etwa Druck und Verdämmung eintritt, daſs daher rechtzeitig die Aushiebe vorgenom— men werden. Dasſelbe gilt vom rechtzeitigen Beſeitigen von etwa zwiſchen den Pflänzlingen vorkommendem, ſich raſch und dämmend über ſie erhebendem, wildem Vorwuchſe. Auch der Unkräuterwuchs iſt zu überwachen. Werden Gräſer verdämmend, ſo läſst fich beſonders bei weiteren Verbänden, namentlich bei Reihen— pflanzungen, um ſo leichter helfen, je mehr das Gras als Futtermittel verwendbar iſt. Andere Unkräuter ſind, als werthlos oder doch höchſtens als Streu verwendbar, ſchwieriger zu beſeitigen. Dies gilt beſonders bei einem ſtarken Heidewuchſe. Sind die örtlichen Verhältniſſe der anzu— bauenden Holzart, namentlich in Bezug auf Froſtſchäden, wozu hier auch das Auffrieren des Bodens zu rechnen iſt, ungünſtig, ſo kann es, bei gebotener Gelegenheit, ſehr zweckmäßig ſein, die Cultur unter einem angemeſſenen Schirmſtande auszuführen. Zur Bildung eines ſolchen eignen ſich mittelſtarke Bäume mit nicht zu dichter, hochangeſetzter Krone beſonders (f. bei Schirmſchlag). Beſteht überdies die Pflanzung aus ſtärkeren Pflänzlingen, jo hat man auf rechtzeitige Beſeitigung von etwa hervor- ſprießenden Stock- und Stammlohden zu ſehen, und da, wo jene etwa gar durch Baumpfähle (ſ. d.) geſtützt wurde, iſt auf Erhaltung dieſer, bezw. Erneuerung der Bänder zu ſehen, ſo lange die Pflanzſtämme der Stütze bedürftig erſcheinen. Gt. Freiſaat (j. a. Holzanbau, Freipflanzung und bei „Erziehung! der einzelnen Holzarten, alſo z. B. „Eichen-, Buchen- ꝛc. Erziehung“). Die zum Anbau beſtimmten Holzpflanzen gleich an dem Orte, wo ſie künftig den Beſtand bilden helfen ſollen, durch Saat zu erzielen, hat ent— ſchieden gegen ihre Erziehung durch Pflanzung mancherlei Vorzüge, da ſie naturgemäßer und billiger als letztere iſt, viel Arbeitskraft erſpart und durch die frühzeitig bei ihr nothwendig eintretenden Läuterungen und Durchforſtungen wertvolle, früh eingehende Holzerträge zu ge— währen, ſpäter auch gerade und aſtfreie Nutz— hölzer zu liefern vermag. Wenn man daher auch auf beſonders ſchwierigen Standorten und unter Verhältniſſen, wo es darauf ankommt der Einzelpflanze von vorn herein einen größeren Wachsraum zu bereiten, oder wo der Same ſchwer zu beſchaffen iſt, Pflanzen aber zu erlan— gen ſind, der Pflanzung niemals wird entbehren können, ſo erſcheint es doch kaum gerechtfertigt, daſs man neuerdings die Saat immer mehr durch die Pflanzung zurückdrängen ſah. Bei Ausführung von Freiſaaten kommt es, nachdem ſelbſtverſtändlich die Frage, welche Holzart nach der vorliegenden Ortlichkeit an— zubauen il, ihre Erledigung gefunden hat (ſ. Beſtand, Beſtandsbegründung), darauf an, für dieſelben guten Samen zu erlangen (j. Einſammlung und Aufbewahrung des Holz- ſamens, Samenprobe), denſelben ein gutes Keimblatt (s. d.) zu bereiten, feine Aus- ſtreuung in dasſelbe zu rechter Zeit und in geeigneter Weiſe (j. Einſaat) zu bewirken. Als verſchiedene Methoden der Frei— ſaat kann man Vollſaaten und Stück— ſaaten unterſcheiden, je nachdem die Cultur— fläche in ihrer ganzen Ausdehnung zu beſäen iſt oder je nachdem nur gewiſſe, über ſie gleich— mäßig in kurzen Abſtänden von einander ver— theilte Stellen mit Saat zu verſehen ſind. 1. Vollſaaten kommen jetzt in der Regel nur da vor, wo man mit dem Holzanbau den Fruchtbau verbindet (j. d., Eichenerziehung) oder wo Heideländereien mit Ortſteinunterlage zur Aufforſtung aufgebrochen werden ſollen. In ſolchen Fällen erfolgt die Bodenbearbeitung wohl nur mit Pflügen. Ebenſo ſieht man hie und da Vollſaaten auf mit Heide und Moos bedecktem Waldboden, nach Abſchürfung des Bodenüberzugs, mit Kiefern oder mit einem Gemiſch von Kiefern, Fichten und Lärchen ausführen, bei denen demnächſt der Same in den ſchwach verwundeten Boden eingekratzt werden mujs. Kiefernzapfen werden ebenfalls auf beackert geweſenen, noch wunden, zur Aufforſtung beſtimmten Flächen hin und wieder voll ausgeſät. Dasſelbe geſchieht auch wohl mit Hainbuchenſamen, wenn er billig zu beſchaffen iſt, um in Mittelwaldorten durch ſolche Ein— ſaat Unterholz zu erzielen. Alle derartigen Voll— ſaaten aber, welche nicht mit Fruchtbau in Verbindung ſtehen, haben ihre großen Bedenken wegen des bedeutenden Samenverbrauches und des dabei doch zu befürchtenden Ausfalles an auflaufenden Pflanzen, wo dem Samen ein entſprechendes Keimbett oder eine angemeſſene Decke fehlte. 2. Stückſaaten find entweder Streifen- oder Plätzeſaaten. a) Bei den Streifenſaaten kommt es zunächſt auf die Richtung der Streifen, auf deren Breite, ihre Entfernung von einander und die Art ihrer Herſtellung nach Lockerung und vertiefter oder erhöhter Lage an. In Bezug auf Streifenrichtung em— pfiehlt ſich in der Ebene die Richtung von Oſt nach Weſt, bei welcher der Erdaufwurf mög— lichſt auf die Südſeite des Streifens zu liegen kommt, um hiedurch den zu erwartenden Holz— pflänzchen einigen Schutz gegen die Strahlen der Mittagsſonne zukommen zu laſſen. An Wegen, Geſtellen, Grenzen ꝛe. pflegt man jedoch zur Erzielung feſter Beſtandsränder, längs dieſer einige Parallelſtreifen zu ziehen, auf welche dann die übrigen Streifen meiſt unter mehr oder weniger ſteilem Winkel aufſetzen. An Bergen legt man die Streifen möglichſt wag— recht um oder an den Berg, um das Abſpülen des Samens, ebenſo wie das Entſtehen von Waſſerriſſen zu vermeiden. Dabei iſt jedoch auf bindigem Boden zu vermeiden, dajs in den Streifen das Waſſer ſtehen bleibt und den Boden verſäuert oder ſein Auffrieren begün— ſtigt. In ſolchem Falle muſs dafür gejorgt werden, daſs die Streifen ein mäßiges Gefäll erhalten oder, wo dies unthunlich, durch beſon— dere Anlagen, namentlich Grabenziehungen, vom Stauwaſſer befreit werden. 13 * 196 Freiſaaten. Die Entfernung der Streifen von ſog. Spatpflügen, vertieft werden, wo es einander muſs jo ſein, daſs der Zwiſchenraum von einem Streifenrand zum andern (der Balken) nicht zu groß iſt, um bald von den aufwachſenden Holzpflanzen beſchattet zu werden, jo dass dieſe auch nach dieſer Richtung hin, alſo nicht bloß in der Streife ſelbſt, früh in Schluss kommen. Wo daher nicht etwa auf den Balken ein dem Holzbau förderlicher oder wenigſtens nicht hinderlicher landwirtſchaftlicher Zwiſchen— bau getrieben werden ſoll, wird man deſſen Breite nicht über 1—1˙5 m zu bemeſſen haben. Die Streifenbreite richtet ſich vielfältig nach dem Bodenüberzuge, indem man ſchmale Streifen wählt, wo ein Überwuchern derſelben von der Balkenſeite her nicht zu befürchten iſt, während man im anderen Falle breitere Streifen vorzieht. So wechſelt denn die Streifen— breite von 20—60 em, iſt für Hackſtreifen aber meiſt 50 em. Hin und wieder werden aber auch die Streifen zu einen oder mehrere Meter breiten Bändern oder Gürteln. Dies kann z. B. da geſchehen, wo eine Holzart gegen eine andere, nur als Zwiſchenholz einzubauende und deshalb auf ſchmalere Zwiſchenſtreifen zu ver— weijende, beſonders begünſtigt werden ſoll, was übrigens auch bei gleich breiten Streifen ge— ſchehen kann, wenn mehrere nebeneinander liegende mit der Hauptholzart beſät, der ein— zuſprengenden dagegen nur etwa eine Saat— ſtreife dazwiſchen eingeräumt wird. Breitere Streifen als die oben bezeichneten, etwa 50 cm breiten, kommen ferner auch wohl bei Tief— cultur mittelſt Doppelpflügen (ſ. d.) vor, wo oft 7—8 Pflugfurchen nebeneinander den Saat— ſtreifen zwiſchen einem 1˙60 m breiten Balken bilden. Schmälere, höchſtens 15 em breite Streifen werden Rillen oder Riefen genannt, die ſelbſtändig auch wohl bei Freiſaaten vorkommen (ſ. z. B. bei Kalködlandanbau sub 1, Freiſaat sub 3), meiſt aber nur dazu dienen, um auf durchgearbeiteten Böden ſchmale Saatſtriche herzuſtellen und ſo Gegenſätze zur Breit- oder Vollſaat zu bilden. Die Herſtellung der Streifen kann mit Pflügen, mit Hacken und Spaten (ſ. Forſt— culturgeräthe sub 1, 5, 7) geſchehen und kann die Streife flacher oder tiefer ausgeformt, auch mehr oder weniger tief gelockert werden. Die Pflugſtreife ſtellt ſich ſtets als tiefere Furche her, wenn nicht ein flachgehender Waldpflug, wie z. B. der Alemann'ſche, verwendet wird. Die tiefere Furche kann unter Umſtänden er— wünſcht ſein, um Samen und Sämling einen friſcheren Boden zu ſichern. Die Lockerung der Furche iſt ſchon beim gewöhnlichen Pfluge ſtets eine größere, eine ſehr bedeutende aber bei verſchiedenen ſehr tiefgreifenden Pflügen, na— mentlich beim Dampfpfluge (ſ. d.), fo daſs die— ſelbe wenigſtens in der Oberfläche wieder zum Theil aufgehoben werden mujs, wenn es ſich um Einſaat feinerer Samen, z. B. die der ver— ſchiedenen Nadelhölzer handelt. Dies geſchieht durch Pflügen ſchon im Herbſte und Säen im nächſten Frühjahre. Flache Pflugfurchen können durch Doppelpflügen oder mittelſt des Spatens, darauf ankommt, wie z. B. bei Eichelſaaten. Hackſtreifen, die zunächſt mehr durch ein bloßes Abſchürfen der oberen Bodenſchichte entſtanden, werden durch eingreifenderes Nach— hacken, da wo es erforderlich erſcheint, mehr oder weniger im Boden gelockert. Das Setzen des ſtark gelockerten Bodens wird hier öfter erforderlich, ehe geſät werden kann, alſo ähnlich wie bei Pflugarbeit. Statt des Setzens des Bodens durch längeres Liegen, kann deſſen nothwendig werdende Befeſtigung auch durch künſtlichen Druck, leiſes Feſttreten, Druck mit der Schaufel u. dgl. herbeigeführt werden. Das Graben von Saatſtreifen mittelſt des Spatens gibt ein gutes Keimbett, iſt aber koſtſpielig herzuſtellen. Es kommt beſonders zur Boden- bearbeitung für Eichelſaat vor, wo man ſelbſt bis zum Riolen der Saatſtreifen ſchreitet, um den Eichenwuchs, beſonders auf ſchwächerem Boden, zu fördern. b) Plätze- oder Plattenſaaten ſtehen in ihrer Wirkung im Allgemeinen den Streifen— ſaaten nach, ſelbſt wenn engere Verbände ge— wählt werden, finden aber nicht ſelten Anwen- dung wegen ihrer meiſt größeren Billigkeit, oder wenn ſich der Ausführung des Streifen— ziehens Hinderniſſe durch viele im Boden liegende Steine, durch Stöcke u. dgl. entgegen- ſtellen. Je mehr ſich die platzweiſe Bearbeitung des Bodens der in Streifen nähert, deſto zweck— mäßiger erſcheint dieſelbe im Allgemeinen. Daher ſind die Plätze in Form der unter— brochenen Saatſtreifen denen in Form von Quadraten oder von bloßen Saat— löchern vorzuziehen. Die letzteren haben jedoch ihre Berechti— gung in Form der Einſtufungen, bei denen man in Schlägen mit lockerem Boden die zu beſäende Fläche (mit Eicheln, Bucheln) mit der Hacke (ſ. Forſteulturgeräthe 5, b, c) durchgehen und etwa in ſchrittweiſer Entfernung einen Hackenſchlag in den Boden führen und in dieſen das Saatgut einbringen und leicht decken lässt (ſ. Eichenerziehung 2. a) Andere Löcherſaaten, wie ſie wohl vorgeſchlagen wurden und wie ſie z. B. auch beim Biermanns'ſchen Culturverfahren (ſ. d.) vorkommen, ſind kaum zu empfehlen und an ihre Stelle beſſer eigentliche Plätzeſaaten zu ſetzen. Zu dieſen werden die Plätze in der Regel in quadratiſcher Form im Verbande in den Boden eingehackt, ſeltener gegraben. Die Plätze haben gewöhnlich als Seitenlänge etwa 030 m und, von den Rändern, gemeſſen 1 m Verband unter einander. Jedenfalls iſt es zweckmäßiger, kleinere Plätze in engerem Ver— bande anzulegen als nach umgekehrtem Ver— hältnis zu verfahren, ſofern nicht etwa auf letzterem Wege nur eine Einſprengung bewirkt werden ſoll. Unterbrochene Saatſtreifen werden etwa in 1—1˙25 m Länge, in der Breite der Ganzſtreifen aufgehackt, dann auf gleiche Länge unterbrochen, darauf wieder auf 1—1'25 m aufgehackt u. ſ. w. Die zweite und folgende Streife folgt in Entfernungen von der erſten, nach den Abmeſſungen für Ganzſtreifen, und Freiſchurf. — Freiſtehende Sachen. 197 ſtehen die Hackplätze zu einander in Verband, wie die Figur zeigt. Was übrigens die Regelmäßigkeit der Saat— ſtreifen und Plätze der Form nach aubetrifft, ebenſo die Rückſichtnahme auf Beſtandsbe— mantelung, ſo gilt hier dasſelbe, was bei „Freipflanzung“ unter 1b) angeführt wurde, weshalb wir hier nur darauf hinweiſen. 3. Sollen Streifen und Plätze, auch wohl voll umgebrochene Culturflächen nicht gleich— mäßig, voll überſät werden, ſo werden auf dem bearbeiteten Bodentheile beſondere Saatrillen (ſ. Einſaat sub 3) gezogen. Sie auf unbe— arbeitetem Boden zur Ausführung von Frei- ſaaten verwenden zu wollen, erſcheint in der Regel unangemeſſen, doch kommen ſie wohl bei Kalködland⸗Aufforſtungen (j. d.) vor, auch werden wohl unter Schirmbäumen, bei loſem Boden, hie und da Rillenſaaten ausgeführt, ſo daſs die Rille unmittelbar in den Boden ein— gehackt, auch wohl erſt eine ſtreifenweiſe flache Verwundung und Aufhäufung des gelockerten Bodens zu einem Erdkamm vorgenommen wird, der dann die Saatrille trägt, wie z. B. bei den Tannen „Kammſaaten“ oder „Hügelriefen“ (ſ. Weißtannenerziehung 3). Die Saatrillen werden für große Samen mittelſt der Hacke in einer Breite von 10 bis 15 em und in etwa gleicher Tiefe hergeſtellt, für feine Samen ſchmäler, und zwar von 3 em ab mittelſt eines Stocks, Harkenſtiels o. dgl. gezogen, auch wohl durch Eindrücken einer Saatlatte o. dgl. in den loſen Boden des Saat— beets hergeſtellt (ſ. Forſteulturgeräthe sub 8). 4. Den ſog. Punkt⸗ oder Stecklöcher— ſaaten liegt ebenfalls meiſt eine ſtreifen- oder platzweiſe Bodenverwundung zu grunde. Es werden dann auf ihr mit Vorſtechern verſchie— dener Art (ſ. Forſteulturgeräthe sub 6), auch mit Doppelhacken (ſ. d.) Stecklöcher bereitet und dieſe mit Eicheln, ſeltener mit Bucheln, zu 1, auch zu 2—3 Stück belegt und wieder ge— ſchloſſen, um ſo die Saatcultur auszuführen. 5. Eine beſondere Art der ſtückweiſen Bodenvorbereitung kommt auch in Form er— höhter Beete oder als ſog. Rabatten vor, die vielfach zur Ausführung von Saaten, doch auch wohl von Pflanzungen benutzt werden. Die Rabatten entſtehen, wenn man auf Bruchboden über die Culturſtelle Parallelgräben in ange— meſſenen Entfernungen (etwa 1:5—2'5 m) zieht und zwiſchen zwei Gräben die ausgeworfene Erde beetförmig aufhäuft und einebnet. Je breiter und tiefer die Gräben geſtochen werden, deſto höher wird ſelbſtredend das Beet und muſs daher nach Erfordern dieſer Höhe die Grabendimenſion bemeſſen werden. Damit den Beeten, nach Umſtänden, von unten her, die zur Pflanzenzucht erforderliche Feuchtigkeit zugeführt werden kann, werden in den Gräben geeignete kleine Stauvorrichtungen angebracht. Daſs man die Rabatten nicht nur als Langbeete, ſondern auch als quadratiſche oder kreisförmige Hoch- beete nach Maßgabe der Grabenziehung her— richten kann, iſt leicht erſichtlich. Derartige An— lagen gehen dann wohl unter dem Namen Rondells oder Klumps. Auf ſolchen künſtlich erhöhten Culturſtellen im Bruch werden be— ſonders Erlen (ſ. Erlenerziehung) erzogen, doch werden, nach der Bodenbeſchaffenheit, auch hie und da Eſchen, ſelbſt Eichen dort einen geeeig— neten Standort finden können Rabattenanlagen kommen aber nicht nur im Bruche vor, ſondern werden auch, z. B. im Han— növerſchen, auf verarmtem Boden mit Ortſtein— unterlage ꝛc. zur Ausführung von Kieferſaaten und Kieferpflanzungen gemacht. Die Rabatten werden dort 3˙35—4 m breit, zwiſchen Gräben von 1˙5 m Breite, 0˙6 m Tiefe angelegt und 16—18 em hoch mit Sand beſtreut. Die Kiefer- cultur erfolgt etwa zwei Jahre nach Bildung der Rabatte. Die Koſtſpieligkeit der Rabattencultur iſt ein weſentliches Hindernis ihrer Anwendung im Großen, doch iſt dieſelbe in Brüchern öfter die einzige Methode, dieſe in Beſtand zu bringen. 6. Was den Schutz und die Pflege der Saaten anbetrifft, ſo gilt meiſt das bei ihnen in gleichem, oft noch höherem Maße, was in dieſer Beziehung bei Freipflanzung sub 3 er— wähnt wurde, weshalb wir hier darauf, auch auf „Einſaat“ sub 8, ſowie auf „Schirmſchlag“ und „Lupinenbeiſaat“ hinweiſen wollen. Gt. Freiſchurf, j. Bergweſen. Mcht. Freiſchuſs, der. I. Veraltet ſ. v. w. ein Schuſs aus freier Hand, d. h. ohne daſs das Gewehr auf einer Gabel aufgelegt wurde. „Item drey frey ſchus zw aim Hirſchen gutan aus einem ſcherm vnd all drej getroffen . ..“ Maximilian, I., Geheimes Jagdbuch, Cod. ms. Vindob. no. 2837, p. 189 r. II. Schuss mit einer Freikugel. III. Schuſs am Scheibenſtande, drr um— ſonſt gewährt wird. Grimm, D. Wb., IV., p. 120. — Sanders, Wb. II., p. 1026 b (bei beiden fehlt die erſte Bedeutung). E. v. D. Freiſprechen, verb. trans. Der Lehrprinz (ſ. d.) ſpricht den Jägerburſchen frei und macht ihn wehrhaft, wenn derſelbe ſeine drei Be— hänge (ſ. d.) zurückgelegt hat. Chr. W. v. Heppe, Wohlred. Jäger, Ed. I, 1779, p. 165. — Behlen, Real- u. Verb.⸗Lexik. II., p. 661. — „Die drei Lehrjahre, welche der angehende Waidmann durchzumachen hatte und in denen er ſo viel erlernt haben muſste, dajs er als hirſch- und holzgerechter Jäger von dem Lehrprinzen frei— geſprochen und wehrhaft gemacht werden konnte, wurden ſeine drei Behänge genannt.“ R. R. v. Dombrowski, Edelwild, p. 302. — Fehlt in allen Wbn. E. v. D. Freiſpruch, der, das Freiſprechen. „Das ehrenvolle Recht, den Hirſchfänger zu tragen und ſich Jäger zu nennen, war ſeit Jahr— hunderten von dem altehrwürdigen feierlichen Brauch des Freiſpruches und der Wehr— haftmachung abhängig.“ R. R. v. Dombrowski, Lehr- u. Hb. f. Ber.⸗Jäger, p. 8. — Fehlt in allen Wbn. E. v. D. Freiſtehende Sachen ſind (nach SS 287, 382 und 383 a. b. G. B.) diejenigen, welche ſich Jedermann zueignen darf. Darunter gehören die von dem Eigenthümer aufgegebenen (dere— linquierten) Sachen (bewegliche und unbeweg— liche), ausgeworfene Meermuſcheln u. ſ. w. Man hat häufig die wilden (reißenden) Thiere, z. B. 198 Freiſtellung. — Freizügigkeit. Wölfe, Bären und das Schwarzwild außerhalb eines Thiergartens unter die freiſtehenden Sachen gezählt, mit Unrecht. Derartige Thiere dürfen nur von Jedermann erlegt werden; die Zueignung derſelben bleibt dem Jagdberech— tigten vorbehalten (E. des O. G. H. als Caſſ. H. v. 21/5. 1883, 3. 61, Zueignung eines aus⸗ gebrochenen Stückes Schwarzwild iſt Diebſtahl). Die Zueignung der in den Schongeſetzen be— zeichneten Thiergattungen ſteht ausſchließlich dem Jagdberechtigten zu, ebenſo des Fiſchotters in den Kronländern, in welchen hierüber keine Beſtimmung beſteht (ſ. Fiſcherei), und des Eich— hörnchens (ſ. d.); in Betreff der Bären, Wölfe, Luchſe, Füchſe (ausgenommen Galizien [vgl. Fuchs!) Wildkatzen, Marder, Wieſel, Iltis u. ſ. w. iſt dem Jagdberechtigten zwar das Eigen— thums- nicht aber das ausſchließliche Oceupa- tionsrecht vorbehalten. Bezüglich der anderen wild lebenden Thiere (Igel, Hamſter, Zieſel, Geier, Adler, Falken, Eulen, Raben, Krähen, Möven u. ſ. w.) beſtehen keine die Decupations- berechtigung ſelbſt betreffenden Vorſchriften (f. Vogelſchutz), ſo daſs dieſelben als freiſtehende Sachen angeſehen werden müſſen, deren Er— legung (mit Schuſswaffen nur dem Beſitzer eines Waffenpaſſes) und Zueignung auf eigenem Grund dem Grundeigenthümer, auf öffentlichem Grund Jedermann, auf fremdem Grund dem vom Eigen— thümer Ermächtigten, ſelbſtverſtändlich dem Jagdberechtigten in ſeinem Reviere und auf öffentlichem Grunde geſtattet iſt. Met. Freiſtellung. Man verſteht darunter die Zuführung von Luft, Wärme und Licht behufs Wuchsbeförderung zu jungen Anwüchſen inſon— derheit, oder auch zu Theilen der im Wuchſe begriffenen Holzbeſtände ſelbſt zu einzelnen In— dividuen derſelben, überhaupt durch Einſchlag von um- oder überſtehendem Holze, welches jene atmoſphäriſchen Einflüſſe den zu begünſtigenden Holzpflanzen mehr oder weniger entzieht. Die Freiſtellung ſpielt beſonders eine Rolle in den Verjüngungsſchlägen durch Auslichtung und Ab— trieb der Samen- und Schutzbäume, ſo wie durch Einſchlag von Oberholz im Mittelwalde zu gunſten des Unterholzes, dann bei allen Aus— läuterungen und Durchforſtungen zum Zweck pfleglicher Aufziehung eines Holzbeſtandes, bezw. zur Wuchsbeförderung einzelner, beſonders be— gehrenswerter eingemiſchter Holzarten, nament— lich der Eichen (ſ. a. Lichtſchlag, Abtriebs— ſchlag, Lichtwuchsbetrieb, Eichenerziehung sub 1, Mittelwaldwirtſchaft sub 2 a, Ausläuterung, Durchforſtung). Gt. Frei werden oder ins Freie kommen, ſagt man, wenn eingeſtelltes Wild die Zeuge annimmt und überfüllt oder ſich durch dieſelben durchſchlägt, durchſchneidet, auch wenn es die Treiberkette durchbricht und unbeſchoſſen den Trieb verläſst. „Frei oder ins Freie kom— men, wird geſagt, wenn ein Thier, welches eingeſtellt war, dem Zeuge entkommen iſt.“ Behlen, Wmſpr., 1829, p. 39. E. v. D. Freiwillige Gerichtsbarkeit, ſ. Gerichts— barkeit. At. Freizügigkeit (Deutſchland) iſt das Recht der freien Niederlaſſung. Dieſes Recht beſaßen ſelbſtverſtändlich die Leibeigenen (glebae adscripti) nicht, aber auch die Freien konnten nicht nach Belieben ihren Wohnort mit einem anderen vertauſchen, da ſie hiezu der behörd— lichen Genehmigung bedurften und unter ver— ſchiedener Benennung Ab- und Einzugsgelder zu zahlen hatten. Erſt nach Aufhebung der Leib— eigenſchaft war es möglich, dem durch die Frei— heitskriege geweckten Bewuſstſein der Zuſammen— gehörigkeit des deutſchen Volkes dadurch Rech- nung zu tragen, dass Art. 18 der Bundesacte vom 8. Juni 1815 das Recht des freien Weg- zuges aus einem deutſchen Gebiete in das andere bewilligte, und der Bundesrathsbeſchlufs vom 23. Juni 1817 die bei ſolchem Wegzuge übliche Nachſteuer aufhob. Allein es blieben noch mancherlei Beſchränkungen der Freizügigkeit, und es fehlte vor allem die weſentlichſte Vor— ausſetzung derſelben, die Gewerbefreiheit. Erſt das Geſetz vom 1. November 1867 brachte dem norddeutſchen Bunde die volle Freizügigkeit, welche infolge der Verſailler Verträge vom November 1870 auf den jetzigen Beſtand des Deutſchen Reiches ausgedehnt wurde. Nach Art. 3 der deutſchen Reichsverfaſſung vom 1. Januar 1871 beſteht für den ganzen Umfang des Bundesgebietes ein gemein— ſames Indigenat mit der Wirkung, dals der Angehörige (Unterthan, Staatsbürger) eines jeden Bundesſtaates in jedem anderen Bundes- ſtaate als Inländer zu behandeln und dem— gemäß zum feſten Wohnſitz, zum Gewerbe⸗ betriebe, zu öffentlichen Amtern, zur Erwerbung von Grundſtücken, zur Erlangung des Staats- bürgerrechtes und zum Genuſſe aller ſonſtigen bürgerlichen Rechte unter denſelben Voraus- ſetzungen wie der Einheimiſche zuzulaſſen, auch in Betreff der Rechtsverfolgung demſelben gleich zu behandeln iſt. In der Ausübung dieſer Befugnis darf der Bundesangehörige weder durch die Obrig— keit ſeiner Heimat, noch durch die Obrigkeit eines anderen Bundesſtaates beſchränkt werden. Diejenigen Beſtimmungen, welche die Armenverſorgung und die Aufnahme in den localen Gemeindeverband betreffen, werden jedoch durch Vorſtehendes nicht berührt. Man vgl. übrigens Heimatsweſen. Dem Auslande gegenüber haben alle Bun— desangehörigen gleichmäßig Anſpruch auf den Bundesſchutz. Das Recht des Reiches zur Geſetzgebung über Staatsbürgerrecht (Art. 4) erſtreckt ſich nur auf die Regelung der Bundes- und Staatsange— hörigkeit und die Durchführung des Grund— ſatzes der politiſchen Gleichberechtigung aller Confeſſionen, nicht aber auf die Frage, unter welchen Vorausſetzungen jemand zur Ausübung politiſcher Rechte in einem einzelnen Staate be— fugt ſei. Der Gothaer Vertrag vom 15. Juli 1851 wegen gegenſeitiger Übernahme der Ausge— wieſenen und Heimatsloſen und die jog. Eijen- acher Convention vom 11. Juni 1853 wegen Verpflegung erkrankter und Beerdigung ver— ſtorbener Unterthanen haben für das Verhältnis Bayerns zu dem übrigen Bundesgebiete fort- dauernd, für das Verhältnis der anderen Fremdbefruchtung. — Frett. 199 Bundesglieder unter ſich nur bis auf weiteres Geltung. Schon die Bundesacte des vormaligen deutſchen Bundes bewilligte das (durch die an— geborene Militärpflichtigkeit für den eigenen Staat beſchränkte) Recht, in Civil- und Militär— dienſte jedes deutſchen Staates zu treten, das Reichsmilitärgeſetz vom 2. Mai 1874 erweiterte aber die militäriſche Freizügigkeit dahin, daſs jeder Wehrpflichtige ſich bei jeder Erſatz— behörde zur Muſterung melden und in jedem Contingente des deutſchen Heeres ſeine Wehr— pflicht leiſten kann, ohne hiezu einer beſonderen Bewilligung zu bedürfen. At. Fremdbefruchtung heißt zum Unterſchiede von der Selbſtbefruchtung die Befruchtung durch ein anderes Individuum bei hermaphro— ditiſchen Thieren. Knr. Freſſen, verb. trans., Nahrung zu ſich nehmen, von allem Wilde, deſſen Nahrung Fraß (ſ. d.) genannt wird. „Freſſen jagt man vom Wolff, Bär, Fuchs u. dgl.“ Fleming, T. J., Ed. I, 1724, I, Anh., fol. 107. — „Der Lux friſst vom Raube.“ „Der Wolff friſst den Raub.“ „Der Fuchs friſst den Raub.“ Döbel, Ed. I, 1746, I., fol. 34, 35, 39. — „Freſſen oder Fraßannehmen wird geſagt: 1. Wenn die Raubthiere an das ihnen gelegte Luder oder Geſchleppe gehen und freſſen. 2. Wenn die Sauen auf den Schuttplätzen ein— treffen und den Vorſchutt annehmen, heißt es, die Sauen freſſen.“ Chr. W. v. Heppe, Wohlred. Jäger, p. 133. — „Freſſen nennt man es, wenn Sauen, Hunde und Raubthiere Nahrung zu ſich nehmen.“ Hartig, Anltg. z. Wmſpr., 1809, p. 107; Lehrb. f. Jäger, Ed. J, 1812, I., p. 39; Lexikon, Ed. 1, 1836, p. 190: Ed. II, 1861, p. 200. — Behlen, Wmſpr., 1829, p. 60; Real- u. Verb.⸗Lexik., II., p. 662, VI., p. 228. — Die Hohe Jagd, Ulm 1846, I., p. 359. — Sanders, Wb., II., p. 482 a. E. v. D. Freſswerkzeuge (der Inſecten), j. bei den betreffenden Inſectenordnungen. Hſchl. Freſszangen bei vollkommenen Inſecten mit kauenden Mundtheilen und bei Larven mit entwickelten Freßwerkzeugen: die beiden, je aus einem Stücke beſtehenden Oberkiefer, Mandi— beln (mandibulae). Hſchl. Frett, das, Foetorius furo Keys. et Blas. — Mustela viverra Gesner. — Mustela furo Linné. — Mustela silvestris Gesner, — Mustela rustica Nemnich. Der deutſche Name Frett, mundartlich in unzähligen Varianten, iſt wohl aus dem frz. furet, bezw. dem altfrz. furon gebildet, welches wieder auf das mittellateiniſche furetum, auch furo, furectus, furunculus, fornieulus (von fur = Dieb) zurückzuführen iſt. Die Etymologie der im Alterneuhochdeutſchen vorkommenden Namen Grutſch (eigentlich der Hamſter), Proſch und Griſelle iſt mir unklar. — „Forniculus haizzt ein tier in gemainer sprach ein grutsch.“ Conrad v. Megenberg, Buch der Natur, Cod. ms. Vindob., no. 2669, fol. 43 und no. 3071, fol. 38 (hier Grucz, Gruschs). — „Griselle oder Proſch iſt ein art oder geſchlecht der Marder.“ W. Ryff, Thierbuch, Frankfurt a. M., 1544. — „Frett iſt ein hüpſch thierle, wie ein wiſele, wirt ge— braucht die küneln ze ſahen.“ J. Maaler, Die teutſch ſprach, Tiguri 1561, fol. 140 d. — „Das Fröttel (welches die Lateiner Furonem nennen) wird . . . auch Mustela sylvestris geheiſſen.“ Hohberg, Georgica curiosa, Ed. I, Nürnberg 1682, II., fol. 104. „Freddl“. Id. op. Ed. III, Nürnberg 1716, I., fol. 64a. — „Das Fretgen.“ Döbel, Ed. I, 1746, II., fol. 123. — „Frette, Frettel, Fretgen, Fröttel.“ Onomat. forest., J., p. 949. — „Frettgen, Frätten, Fredel, auch Muſtell.“ Chr. W. v. Heppe, Wohlred. Jäger, p. 133. — „Die gewöhnliche Farbe des Fretchen iſt weiß gelblich, es giebt indeß auch welche, die ſchwärzlich, wie ein Iltiß ſind, und die daher Iltißfretchen (Furet-putois) genennet werden.“ Mellin, Anwſg. z. Anlage v. Wildbahnen, 1779, p. 324. — „Frett, Frettchen, Frettel, Frette, Furett, Fu— rettel, Fritt, Frätte, Fredel, Fröttel; Kaninchenwieſel, Frettmarder, Kanin— henjäger, wildes Wieſel, weißes Wie— ſel, Frettwieſel, Waldwieſel.“ Nemnich, Polyglott. — Lexikon d. Naturgeſch., 1793, II., p. 671. — „Das Frett, Frettchen, ſonſt auch Furett, Kaninchenwieſel, Kaninchen- mar der genannt.“ Inſter, Kleine Jagd, Ed. I, 1797, IV., p. 120. — „Das Frett oder Frett⸗ chen.“ Winkell, Ed. I, 1805, II., p. 104. — „Frettchen“. Behlen, Wmſpr., 1829, p. 60. — „Das Frett oder Frettchen“. R. R. v. Dombrowski, Lehr- u. Hb. f. Ber.⸗Jäger, p. 235. — Schmeller, Bayr. Wb. I., p. 1018. — Lexer, Mhd. Hwb. I., p. 1108. — Grimm, D. Wb. IV., p. 140. — Sanders, Wb. I., p. 493 b. — Diez, Etymol. Wb. d. roman. Sprn., p. 157. Fremdſprachliche Nomenclatur: Frz.: furet, furet-putois, furon, furette; ital.: fu- retto; ſpan.: huron; portug.: furäo; engl.: ferret; holl.: fret; dän.: fritt; ſchwed.: fret; barbar.: nimse. E. v. D. Irett oder Frettchen (Mustela furo Linn.). Das nach „Strabo“ zur Vertilgung der Kaninchen in Spanien von Afrika nach Europa verpflanzte Frettchen gehört zur Fa— milie der Marder (Mustelinae) und zur Ord— nung der Raubthiere (Carnivora), lebt in ſeiner urſprünglichen Heimat noch wild und wird dort „Nimſe“ genannt. Beſondere für das Frett gebräuchliche, jagdliche Ausdrücke gibt es nicht, alle für die Repräſentanten der Marderfamilie gebräuch— lichen wendet man auch beim Frettchen an. Naturgeſchichte. Das Männchen (auch wohl „Rammler! genannt), hat eine Körper— länge von 34—36 em, die Länge der Ruthe beträgt ca. 17 em, ſeine Höhe ca. 17—19 cm; die Weibchen ſind weſentlich kleiner. Der ſchmale Kopf des Fretts läuft in einer ſpitzen Schnauze und einem fleiſchfarbigen, fortwährend bewegten Näschen aus; die aufgerichteten und weit auseinander ſtehenden Lauſcher ſind kurz und abgerundet, die Seher ſind hellroth, die Zehen der niedrigen Läufe haben weiße Kral- len. Obgleich nahe verwandt mit dem Iltis — nach v. Rieſenthal ſoll es nichts weiter ſein, als ein Kakerlaken-Iltis — hat das Frett 200 15 Rippen, der Iltis dagegen, wie alle Marder, nur 14 derſelben. Die allgemeine Färbung erſcheint blajs- gelb oder ſemmelgelb, die Unterwolle iſt faſt ſo gelb, wie beim Iltis; das Oberhaar iſt etwas ſtachelig und an den Spitzen etwas weißer nach unten zu; nach „Buffon“ ſoll es auch ſchon braune Exemplare gegeben haben. Das Gebiß iſt genau ſo wie beim Iltis, es beſteht alſo aus 34 Zähnen, überhaupt ſind die allgemeinen Körperverhältniſſe wie die des Iltis, und nur im Skeletbau finden kleine, ganz unweſentliche Abweichungen ſtatt, ſo zeigt ſich beim Schädelbau des Frettchens eine größere abſolute Breite über dem Jochbogen; Iltis und Frettchen paaren ſich übrigens auch fruchtbar. Von den Sinnen des Fretts ſcheint der Ge— ruchsſinn der ſchärfſte zu ſein, da, wie geſagt, das Näschen unausgeſetzt in ſchnüffelnder Be— wegung iſt. Im Freien erſcheint das Frett faſt immer mit gekrümmtem Rücken, um ſo länger dagegen vermag es im Bau der Kaninchen den walzen— förmigen Leib zu dehnen und zu ſtrecken, ſo daſs es ſelbſt durch die allerengſten Röhren zu dringen vermag, auch iſt es im Kaninbau viel flinker und ſchneller als im Freien, wo ſeine Bewegungen durchaus nicht beſonders ſchnell ſind, ja es macht oft eher den Eindruck eines dummen und ſchläfrigen Geſchöpfes, das übri— gens auch in Wirklichkeit den größten Theil ſeiner Lebenszeit dem Schlafe widmet. In unſerem Klima halten die Frettchen im Freien nicht aus, im Winter müſſen ſie ſogar in einem geheizten oder doch recht warmen Raum aufbewahrt werden. Es geſchieht dies am beſten paarweiſe in einem mit einem Draht- gitter verſehenen Kaſten, der warm und weich mit Stroh, Heu und Werg ausgepolſtert ſein und ſtets äußerſt reinlich gehalten werden mujS. Blaſius ſagt über das Frettchen: „Wild kommt es in Europa nirgends vor, wenn man nicht die Anſicht feſthalten kann, daſs es eine Varietät des gemeinen Iltis ſei, mit dem es ſich auch fruchtbar paart. Man kann nicht behaupten, daſs es bis jetzt zoologiſch ſicher und durch— greifend vom Iltis als Art unterſchieden iſt. Seine Empfindlichkeit gegen die Kälte kann hier nicht allein von Entſcheidung ſein. An Größe ſteht es dem Steppeniltis, im ganzen aber kleinen Iltiſſen nahe ꝛc.“ Färbungsvarietäten der Frettchen kommen nicht ſehr ſelten vor, meiſtens aber bei den Mäunchen, und dieſe Abweichungen beſtehen größtentheils darin, daſs das Rückenhaar ka— ſtanienbraune Spitzen hat; auch braungeſcheckte Fretts gibt es. Über die Lebensweiſe ꝛc. des Frettchens iſt, als von einem bei uns nur in der Ge— fangenſchaft lebenden Thiere, ſchließlich nichts zu jagen, übrigens verſchläft es, wie ſchon ans gedeutet, einen großen Theil ſeines Lebens und ſpielt nur hin und wieder, ſeine natürliche Trägheit vergeſſend, mit ſeinem Käfiggenoſſen. Die Jagd auf Kaninchen mit dem Frett. Albertus M. ſagt vom Frettchen: „treibt die Canin oder Küniglein auß ihren holeren und gruben in die garn und ſtrick“, Frett. und dies iſt ja auch heutzutage noch der einzige Zweck des ſehr zweifelhaften Vergnügens, welches das Halten von Frettchen bereitet. Sollen die— ſelben nun ihrer Naturanlage und Beſtimmung zufolge zur Kaninjagd verwendet werden, jo iſt auf Vielerlei Rückſicht zu nehmen, wie z. B. auf Lage der Kaninbaue, Witterung, Jahres- und Tageszeit 2c. Die paſſendſte Zeit zum Frettieren iſt von der Mitte des Octobers bis anfangs März, u. zw. aus dem Grunde, weil es zu dieſer Zeit kaum noch junge Kaninchen gibt, das Frettchen ſich aber zu jeder anderen Jahreszeit mit dem Abwürgen der jungen Kaninchen lange be— ſchäftigen und den Jäger auf eine ſehr harte Geduldsprobe ſtellen würde. Es gibt nun zwar Mittel, den Fretts das Abwürgen junger Ka— ninchen unmöglich zu machen, wie z. B. kleine Maulkörbe, welche ihnen vorgebunden werden, oder durchs Mäulchen gezogene Knebel ꝛc., in— deſſen ſetzt man ſich durch derartige Mittel neuen und vielleicht noch größeren Unannehm— lichkeiten aus, wie ſpäter erläutert werden wird. Von Charakter tückiſch, raub- und mord⸗ ſüchtig, beißt es ſogar ſeinen Pfleger, wenn es gerade in übler Laune iſt. Selbſt ein junges, noch nicht erfahrenes Frett wird dem ihm vor— gehaltenen Kaninchen ſofort ins Genick fahren, wird ſich feſtbeißen und am Schweiße des— ſelben berauſchen, um dann viele Stunden hintereinander zu ſchlafen; es iſt dies gewiss ein Beweis einer dieſen Thieren angeborenen großen Mordluſt und eines Blutdurſtes à la Marder. Die den Frettchen eigene Bosheit und die Luſt, felbſt ihren Pfleger zu beißen, nimmt übrigens immer mehr zu, je häufiger man ihm rohes Fleiſch oder gar Schweiß gibt. Zwei Laute kennt man beim Frett, einen leiſe murrenden läſst es hören, wenn es ruhig iſt, einen laut und hell kreiſchenden dagegen, wenn es Schmerz empfindet. Bezüglich ihrer Geſundheit ſind die Frett— chen ziemlich empfindlich, und werden ſie nicht zu jeder Zeit angemeſſen gefüttert und ſehr ſorgſam gewartet und gepflegt, ſo gehen ſie leicht an einer Art Auszehrung und am Durch⸗ fall ein. Der erſteren Krankheit, die immer tödtlich iſt, erliegen ſie ſchon in 4 oder 5 Tagen, die letztere ſoll nach Bechſtein manchmal durch folgendes Mittel zu heben fein: Man nehme Bohnenmehl und Siegelerde oder einen Thee— löffel voll Magnesia alba, koche daraus einen Brei und gebe ſolchen dem Frett früh nüchtern zu freſſen. Hautausſchläge, welche in Folge von Unreinlichkeit ſich leicht einſtellen, ſind un⸗ ſchwer durch Schwefelſalbe oder Theerſeife zu heilen. Zweimal im Jahre ranzen die Frettchen; die erſte Ranzzeit fällt in den März und beide kündigen ſich vorher durch einen biſamartigen Geruch der Thiere an. Die Weibchen, welche übrigens den Männchen mehr den Hof zu machen ſcheinen, als umgekehrt, gehen 5 bis 6 Wochen tragend und bringen jedesmal 5, 8, auch wohl gar 10 Junge zur Welt, welche 2—3 Wochen blind bleiben und in der vierten Woche der Mutter, welche ſie ſäugt, genommen werden müſſen. um fie nun mit Milch und Frett. Weißbrod für ihren ſpäteren Beruf groß zu ziehen. Es iſt ſchon ein Fehler, den alten Fretts Fleiſch oder Blut zu reichen, gibt man ſolches aber gar den jungen, ſo werden ſie bald bis zur Unbrauchbarkeit tückiſch und boshaft und beißen, wo ſie nur können, allenfalls gebe man ihnen, wenn ſie ſchwächlich ſein ſollten, hin und wieder ein wenig gekochtes und ganz klein zer— hacktes Hühner- oder Taubenfleiſch, oder ein rohes Ei. Das Weibchen muſßs zwecks ihres Wochenbettes vom Männchen abgeſperrt werden, da der Vater die Jungen ſehr gern auffrijst, eine Untugend, die übrigens die Mütter auch nicht gerade ſelten zeigen. Auch die Jungen ſind bezüglich ihrer Geſundheit äußerſt em— pfindlich, ſo achte man z. B. ſehr genau darauf, daſs die mit Milch getränkte Semmel ihnen niemals ſauer gereicht wird, ſie gehen faſt immer daran ein. An naſſen und ſtürmiſchen Tagen pflegen nicht nur die Frettchen beſonders ſchläfrig zu ſein, ſondern es liegen auch die Kaninchen ſelbſt ſehr feſt und laſſen ſich leichter beſchleichen, es ſind dies daher ſehr wenig geeignete Tage zum Frettieren und man kann gewärtig ſein, Ddajs das Frett im Kaninchenbau fängt, einſchläft und Stunden lang auf ſeine Rückkehr warten läſst. Am günſtigſten ſind kalte und trübe, aber durchaus trockene Tage für dieſe Jagd; be— finden ſich jedoch die Kaninchenbaue nicht im Holze, ſondern im freien Felde, ſo ſind heitere und kalte Tage ſehr geeignet, weil an ſolchen die Frettchen beſonders munter ſind; liegen die Baue im Walde und will man an hellen und ſonnigen Tagen frettieren, ſo darf dies nicht eher geſchehen, ehe man nicht die bei ſolcher Witterung meiſtens im Freien be— findlichen Kanins durch Hunde und Menſchen hat zu Bau treiben laſſen. Was nun die Tageszeit betrifft, ſo wähle man lieber die Morgen- als die Mittags- oder gar Nach— mittagsſtunden, denn da es ſich gar oft er— eignet, dafs ein Frett im Bau einſchläft, jo hat man im erſteren Falle doch die faſt be— ſtimmte Ausſicht, daſfs es bis zum Abend wieder zum Vorſchein kommen wird, in den anderen Fällen aber kann man ſich dann wohl getroſt auf eine Nachtwache am Bau einrichten. In einem mit Moos und Werg warm ausgeſtatteten Transportkäſtchen nimmt man zwei oder drei Frettchen mit hinaus und rüſtet ſich ſelbſt mit mehreren Decknetzen, die reichlich 1½ m im Quadrat halten und an jeder Ecke mit einer Bleikugel beſchwert ſein müſſen, ferner mit zwei oder drei Kaninchengarnen und ſchließlich mit einem Spaten und einer Kreuz— hacke aus. Die Frettchen müſſen vor der Jagd zwar Futter bekommen, doch nur jo viel, dass ſie nicht gerade Hunger haben, denn gibt man ihnen nichts, ſo würden ſie würgen und ſich ſättigen, gibt man ihnen aber reichlich, ſo würden ſie faul und ſchlafſüchtig werden. Am Bau angekommen umſtellt man den- ſelben zunächſt recht buſenreich mit den fall— baren Kanin- oder Haſengarnen, verſtopft und verrammelt die am wenigſten bekrochenen Röhren recht ſicher, belegt die Hauptröhren mit den Decknetzen und läſst ſchließlich eins 201 der Frettchen einfahren, um nun auch dieſe letzte Einfahrtsröhre mit einem Decknetze zu verſichern. Bald wird nun ein lautes Poltern und Rumoren im Bau kund thun, daſs das Frett bei guter Laune und jagdluſtig iſt, und die ganze Kaninchengeſellſchaft wird nach län— gerem kopfloſem Hin- und Herjagen im Bau in der Flucht ſein Heil verſuchen wollen, eins nach dem andern aber wird, wild in das Deck— netz fahrend, ſich hierin verwickeln und als hilf— loſes Klümpchen noch einige Schritte davon— rollen, diejenigen aber, welche dem Decknetze nicht verfallen, laufen in die umſtellten Garne. Die Gefangenen löst man nun ſchnell aus, nickt ſie à la Haſe ab, bringt die Netze ſchnell wieder an ihren richtigen Platz, reſp. ſtellt fie wieder fängiſch und wartet nun ab, ob noch mehr Kaninchen erſcheinen. Iſt dies nicht der Fall, iſt alſo der Bau leer, ſo erſcheint ge— wöhnlich auch bald das Frettchen, wenn es ſich nicht etwa im Bau dem Vergnügen des Wür— gens hingegeben hatte und deshalb, vom Schweiße des Kanins ſatt und berauſcht, einem Stunden langen Schlafe überlässt, deshalb greife man auch ſofort zu ſowie es erſcheint, hebe es auf und ſtecke es in ſeinen Kaſten, denn iſt man in dieſem Augenblicke nicht ſehr achtſam und nimmt man das Frett nicht ſo— fort nach ſeinem Erſcheinen auf, ſo macht es gern kurz Kehrt, fährt wieder ein und ſchläft ſich im Bau gehörig aus. Will man einen zweiten und dritten Bau ausfrettieren, ſo nehme man ſtets ein friſches Frettchen oder doch wenigſtens ein genügend ausgeruhtes, weil das von der vorigen Arbeit müde gewordeue zwar einfahren, aber im Bau auch faſt immer einſchlafen würde. Wer die Gelegenheit des Frettierens be— nutzen will, um ſich im Schießen zu üben — und der Schuß auf Kanin iſt ein ſchwerer, be— ſonders aber der auf ein ſo plötzlich und wild aus dem Bau fahrendes — der laſſe die Kanin— garne weiter zurückſtellen, laſſe auch ein paar Röhren frei und ſtelle ſich auf dem Bau ſo an, daſs er die frei gebliebenen Röhren gut über— ſehen kann, überhaupt ein möglichſt freies Schuß— feld hat. Sit ein Frett im Bau eingeſchlafen, jo mujs man nicht nur geduldig ſeiner Rückkehr warten, jondern man muj3 auch alle Röhren durch Deck— netze verſichern, denn kommt es unerwartet oder ungeſehen aus dem Bau, ſo geht es wohl auch auf eigene Fauſt jagen und damit leicht ver— loren. Wie ſchon vorhin angedeutet, legt man den Fretts wohl Maulkörbchen vor oder einen kleinen Knebel ins Maul, um damit das Wür— gen und Ausſaugen des Schweißes und das hieraus wiederum entſtehende Einſchlafen im Bau unmöglich zu machen. Man erreicht dies zwar wohl mit den genannten Mitteln, indeſſen wird andererſeits dem Frett auch ſehr leicht die Luſt zum Jagen genommen und ſeine natürliche Trägheit eher noch dadurch geweckt. Beſſer iſt es daher noch immer dem Frett, ein Halsbändchen mit zwei oder drei recht hell klingenden Schellchen anzulegen, denn durch den Klang derſelben werden die Kaninchen ſchneller 202 Frettieren. — Fringilla. aufmerkſam und ſomit auch früher noch rege, die Jagdluſt des Fretts aber kann auch nicht erkalten, weil ſeine Kraft und Beweglichkeit bei dieſem Mittel durch nichts gehemmt wird. Einen Fehler haben aber alle dieſe Mittel und das ſonſt recht praktiſche Halsbändchen erſt recht, denn ſehr leicht bleibt das Frett mit dieſem oder mit dem Riemen des Maulkörbchens an irgend einer Wurzelſpitze hängen, erwürgt ſich leicht oder kommt nicht wieder los und muſs verhungern, Nachgrabungen aber werden nur ſelten von Erfolg ſein, da die Kaninbaue meiſtens viel au umfangreich und verzweigt ſind. Manche Jäger ſtumpfen auch durch Ab— und theilweiſes Ausbrechen den Fretts das Gebiß ab, um ſie dadurch vom Würgen abzu— halten, aber auch hiedurch dürfte wohl den Fretts, weil ſie ſich ihrer Hand theilweiſe beraubt fühlen, die natürliche Jagdluſt und der Muth ſtark genommen werden, es iſt daher wohl am meiſten rathſam alle derartigen Mittel gänzlich bei Seite zu laſſen. Manche Frettchen ſind von ihrem Pfleger daran gewöhnt dem Rufe oder Pfiff zu folgen, wenn ſie ihr Futter bekommen ſollen, ſolche ſind, wenn ſich der Hunger bei ihnen meldet, noch am leichteſten mittelſt Ruf oder Pfiff aus dem Bau zu locken. Schläft ein Frett in einer Röhre ein, jo dass man es ſieht, jo erreicht man auch wohl ſeinen Zweck es herauszuholen, wenn es mit einem an einen genügend langen Stock gebundenen todten Kaninchen angeſtoßen wird, es wacht dann auf und beißt ſofort derart feſt ein, dafs es jo aus der Röhre herausgezogen werden kann. Hat man nicht Zeit das Erwachen eines im Bau eingeſchlafenen Frettchens abzuwarten oder bricht die Nacht herein, ſo verſtopfe man alle Flucht- und Nebenröhren und mache an den Ausgängen aller Hauptröhren, jedoch noch innerhalb der— ſelben, ein recht weiches Lager von Moos oder Heu, am beſten aber von dem alten Lager— material des Fretts, worauf es ſchon gelegen hatte, und verſetze ſchließlich die Röhren recht ſicher mit den Netzen und mit Steinen oder womit dies ſonſt am beſten und ſicherſten zu bewerkſtelligen iſt. Läjst man nun von zwei zu zwei Stunden nachſchauen, ſo wird man gewöhnlich nach längerer oder kürzerer Zeit das Frett auf einem der Lager finden. Der- jenige, welcher von Zeit zu Zeit den Bau in— ſpiciert, darf aber nur der Pfleger des Fretts jein, denn nur von dieſem läſst es ſich greifen, aufnehmen und in das Transportkäſtchen ſtecken, jeden Anderen würde es in die Hand beißen und würde dann doch wieder in den Bau fahren. Die Kaninchengarne werden ebenſo ge— ſtrickt wie die Haſengarne, nur nehme man feineren Bindfaden und mache auch die Ma— ſchen etwas enger; bedient man ſich Kaninbau indeſſen der Haſengarne, ſo thut man wohl daran, ſie recht buſenreich zu ſtellen. Die vorhin erwähnten Bleikugeln an den vier Ecken der Decknetze dürfen nicht unmittelbar an das Netz ſelbſt befeſtigt werden, ſondern müſſen an einem reichlich handlangen Bindfaden hängen, damit ſie ſich, wenn das Kanin in das Netz beim Linné, ſ. fährt, beſſer, ſchneller und weiter um das Wild ſchlingen und ſo ein Befreien desſelben Ir oder unmöglich machen. v. d. B. Frettieren, verb. trans., meiſt mit Aus⸗ laſſung des Objectes, Kaninchen mit dem Frett jagen oder fangen. Döbel, Ed. I, 1746, II., p. 123. — „Die Kaninchen werden da, wo fie im Stande der Wildheit leben, theils gejchoffen, theils bedient man ſich zu der Kaninchenjagd der Frettchen, daher denn auch dieſe Art Jagd das Frettieren genannt wird.“ Inſter, Kleine Jagd, Ed. I, 1797, IV., p. 20. — Winkell, Ed. I, 1805, II., p. 104. — Hartig, Lehrb. f. Jäger, Ed. I, 1812, I., p. 39; Lexikon, Ed. I, 1836, p. 190; Ed. II, 1861, p. 200. — Behlen, Wmſpr., 1829, p. 60; Real⸗ u. Verb.- Lexikon I. p. 365 — R. R. v. Dombrowski, Lehr— u. Hb. f. Ber.⸗Jäger, p. 235. — Fehlt bei Grimm und Sanders. E. v. D. Fretum Halleri, am fötalen Herzen die die Ventrikel vom Bulbus arteriosus trennende ſeichte Einſchnürung. Knr. Frevelhammer. In manchen Forſtverwal— tungen wird nebſt dem Anweiſe- oder Revier— hammer noch ein meiſt kleinerer Markhammer verwendet, welchen die Forſtſchutzorgane zur Bezeichnung von Frevelhölzern und der Stöcke entwendeter Baumſtämme führen. Man be— zweckt damit einerſeits, dass ſolche Frevel— hölzer, welche nicht ſogleich von der Stelle ge— ſchafft werden können, ſofort als Eigenthum des Waldbeſitzers bezeichnet werden, andererſeits eine Controle der Forſtſchutzorgane bezüglich fleißiger Ausübung ihres Dienſtes. v. Gg. Fricke, ſ. Feldſperling. E. v. D. Friedſiſche nennt man im Gegenſatze zu den Raubfiſchen ſolche Fiſcharten, welche ſich vorzugsweiſe von kleineren wirbelloſen Thieren und Pflanzenſtoffen ernähren; fie leben meiſtens geſellig. Die wichtigſten Friedfiſche des ſüßen Waſſers ſind die karpfenartigen Fiſche (Cyprinoidei) und die Maränen oder Fel— chen (Coregonusarten). Hcke. Frigilus Swainson Fregilus Cuvier. E v. D. Fringilla Linné, typiſche Gattung der Familie Fringillidae, Finken, ſ. d. und Syſtem der Ornithologie; in Europa zwei Arten: Buchfink, Fringilla coelebs Linné und Berg— fink, F. montifringilla, idem. Synonymie: Fringilla alpestris Chr. L. Brehm, ſ. Buchfink; F. alpina Scopoli, ſ. Citronen— zeiſig; F. argentaratensis Gmelin, ſ. Blut- hänfling; F. bononiensis, idem, ſ. Steinſper⸗ ling; F. borealis Vieillot, ſ. Bluthänfling; F. brachyura Gmelin, ſ. Steinſperling; F. calcarata Pallas, ſ. Lerchenſpornammer; F. campestris Schrank, ſ. Feldſperling; F. candida Sparrman, f Hausſperling; F. cannabina Linné, j. nit hänfling; F. carduelis Linne, ſ. Stieglitz F Glen Meyer, ſ. Grünling; F. eisalpina Tem- mincki, ſ. Italieniſcher Hausſperling; F. cisal- pina Savigny, |. Weidenſperling; F. eitrinella Citronenzeiſig; F. coccothraustes Illiger, ſ. Kirſchkernbeißer; F. collaris Latham, j. Alpenbraunelle; F. eristata Brisson, ſ. Kar- mingimpel; F. cerocea Vieillot, j. Schwarz⸗ föpfiger Ammer; F. dalmatica Gmelin, ſiehe Fringillidae. — Friſchen. Fichtenammer; F. diadema Müller, ſ. Stein— ſperling; F. domestica Linné, ſ. Hausſperling; F. enucleator Meyer, ſ. Hakengimpel; F. ery- thrina, idem, ſ. Karmingimpel; F. fasciata Müller, j. Erlenzeiſig; F. flammea Linné, ſiehe Karmingimpel; F. flammea Beseke, ſ. Berg- fink; F. flavirostris Linné, ſ. Zwerghänfling; F. fusca Gmelin, j. Bluthänfling; F. hispa- niensis Chr. L. Brehm, ſ. Hausſperling; F. hispaniola Lesson, j. Weidenſperlig; F. hispa- niolensis Temmincki, w. v.; F. Holboelli Gray, ſ. Holbölls Leinfink; F. hortensis Chr. L. Brehm, ſ. Buchfink; F. incerta Risso, ſ. Karmingimpel; F. islandica Faber, ſ. Girlitz; F. Italiae Vieil- lot, ſ. Italieniſcher Hausſperling; F. lapponica Linné, ſ. Lerchenſpornammer; F. leucura Vieil- lot, ſ. Steinſperling; F. leucura Gmelin, w. v.; F. linaria Linné, ſ. Nordiſcher Leinfink; F. linota Gmelin, ſ. Bluthänfling; F. linotta Müller, w. v.; F. lulensis Linné, ſ. Bergfink; F. major Chr. L. Brehm, ſ. Buchfink; F. media Jaubert, ſ. Bergfink; F. montana Linné, ſiehe Feldſperling; F. montana Brisson, ſ. Lerchen ſpornammer; F. montium Gmelin, ſ. Berg- hänfling; F. nobilis Schrank, ſ. Buchfink; F. obscura Vieillot, ſ. Karmingimpel; F. ochracea Gmelin, ſ. Stieglitz; F. petronia Linné, ſiehe Steinſperling, F. pinetorum Lepechin, ſ. Wei— denammer; F. poier Müller, ſ. Grauammer; F. pyrrhula Temmincki, ſ. Gimpel, mittel- europäiſcher; F. rosea Pallas, ſ. Roſengimpel; F. rufescens Savi, ſ. ſüdlicher Leinfink; F. sali- eiola Vieillot, ſ. Weidenſperling; F. sardoa Savi, w. v.; F. saxatilis Koch, ſ. Schneefink; F. septentrionalis Chr. L. Brehm, ſ. Bergfink; F. serinus Linné, ſ. Girlitz; F. spinoides Tem- mincki, ſ. Erlenzeiſig; F. spinus Linné, w. v.; F. stulta Gmelin, ſ. Steinſperling; F. sylvestris Chr. L. Brehm, ſ. Buchfink; F. sylvia Scopoli, w. v.; F. vitis Müller, j. nordiſcher Leinfink. E. v D. Fringillidae, ſ. Finken. E. v. D. Friſch, adj., von einer Fährte, die erſt vor kurzer Zeit getreten wurde und daher noch genügend Witterung ausgiebt, um vom Hunde aufgegriffen und feſtgehalten werden zu können: vgl. alt, kalt, nächtig, unſichtbar, neu, gerecht, früh, ſpät, warm, hitzig, geſund, krank. „Wann einer eine Ferte von Hirſche ſiehet und will wiſſen ob ſolche gantz friſch oder etwas älter it...“ Täntzer, Ed. I, Kopenhagen 1682, I., fol. 77. — „Es iſt auch nicht genug, dafs der Hund nur etwan des Morgens ein Paar Sunden die friſchen Fehrten alleine zu ſuchen gear— beitet ſey.“ „Diß iſt gar leicht zu ſchlüſſen, daſs die Hunde lieber die friſchen als kalten Fährten ſuchen.“ Döbel, Ed. I, 1746, I., fol. 89. — „Hitziger oder auch friſcher Gang iſt derjenige, ſo noch alle Witterung und Geruch in ſich hat. Die Leithunde geben ſolche Gänge gleich zu erkennen, denn es fallen dieſe dem Leithund im Wind zu, auch ſuchet derſelbige hierauf hitzig und giebt gerne Laut, mujs alſo abgetragen und nicht fortgeſuchet werden, bis nach einer guten halben auch wohl drey Viertel Stunde.“ Chr. W. v. Heppe, Wohlred. Jäger, p. 139. — „Friſche Fährte wird jene Fährte genannt, die vor einer kurzen Zeit 203 gemacht wurde.“ Behlen, Wmſpr., 1829, p. 60; Real- u. Verb.⸗Lexikon, II., p. 668; VI., p. 194. — Die Hohe Jagd, Ulm 1846, I., p. 359. E. v. D. Friſche, die, waſſerreicher Ort im allge— meinen oder ein ſpecielles Gewäſſer, wohin das Wild regelmäßig zieht, um zu friſchen. „In großen Brüchen und Friſchen ...“ Döbel, Ed. I, 1746, I., fol. 46, 47. — „Früſchen nennen die Jäger waſſerreiche Orter.“ Onomat. forest., I., p. 955. — „Eine Friſche wird von den Jägern ein waſſerreicher Ort genannt.“ Behlen, Wmſpr., 1829, p. 60; Real- u. Verb.⸗ Lexikon, II., p. 668. — Die Hohe Jagd, Ulm 1846, I., p. 359. — Sanders, Wb. I., p. 501 a. E. v. D. Friſche That iſt nach römiſchem und deutſchem Recht eine ſtrafbare That, bei welcher der Thäter von anderen Perſonen betreten wird. Das Betreten auf friſcher That berechtigte zur Feſtnahme des Thäters, und es wurde dieſe Befugnis dritter Perſonen noch dahin er— weitert, daſs auch das Ergreifen eines Ver— dächtigen am Orte der That, auf der Flucht von demſelben, ſowie bei Betretung auf dem Wege von dem Thatorte mit daſelbſt geraubten oder geſtohlenen Gegenſtänden geſtattet wurde. Die Strafbarkeit der etwaigen Tödtung eines auf friſcher That Betretenen war eine be— ſchränkte. Wird jemand auf friſcher That betroffen oder verfolgt, jo iſt nach § 127 der deutſchen Reichsſtrafproceſsordnung vom 1. Februar 1877 jedermann befugt, denſelben, wenn er der Flucht verdächtig iſt, oder ſeine Perſönlichkeit nicht ſo— fort feſtgeſtellt werden kann, auch ohne richter— lichen Befehl vorläufig feſtzunehmen. Bezüglich der vorläufigen Feſtnahme der auf friſcher That betretenen Forſtfrevler ſiehe Forſtſtrafrecht. > At. Friſchen bezeichnet in der Handfeuer— waffentechnik die Operation des vollkommenen Glättens der Sohle der Züge nach dem Ziehen oder die Wiederherſtellung der verloren gegan— genen Glattheit dieſer Flächen bei gebrauchten Büchſen. Um die in der Zugſohle befindlichen Unebenheiten zu beſeitigen, wird ein entſprechend vorgerichteter und mit feilenartig wirkenden Schneiden verſehener hölzerner oder metallener ſog. Friſchkolben in den Zügen ſo lange hin⸗ und hergeſchoben, bis letztere gänzlich glatt erſcheinen und wieder concentriſch rund ſind. In gut eingerichteten mechaniſchen Werk— ſtätten werden die Züge neuerdings ſo her— geſtellt (Zugbalken fertig gebohrt und geſchmir— gelt ꝛc.), daſs ein Friſchen bei der Neuanfer— tigung nicht mehr, ſondern nur noch zur Ve— ſeitigung ſpäter beim Gebrauch entſtehender Unebenheiten nöthig iſt. Ahnliche Nacharbeit auf der oberen Fläche der Balken nennt man Abbohren oder Kol— ben, je nachdem dazu ein rotierendes oder ein in der Richtung der Seelenachſe bewegtes Werk— zeug benützt wird. Schrotrohre werden ebenfalls wie die Zugbalken abgebohrt oder nachgekolbt (3. B. auch zur Herſtellung des Falls), obſchon 204 man dieſe Arbeit hin und wieder auch mit Friſchen bezeichnet findet. Die Herſtellung gequetſcher Stellen des Schaftholzes durch Naſsmachen (Quellen), Trock— nen und Glätten wird Auffriſchen genannt. Im hüttenmänniſchen Betriebe bezeichnet Friſchen die Herſtellung von Schmiedeiſen aus Roheiſen durch Entziehung von Kohlenſtoff und anderen Beimengungen. Th. Friſchen, verb. trans., reflex. u. intrans. I. trans., meiſt mit Auslaſſung des Ob— jectes, ſ. v. w. Junge zur Welt bringen, vom Schwarzwild; das Wort iſt von Friſchling ab— geleitet, nicht umgekehrt. „So die Wildſchweine Junge bringen, heißt es friſchen oder ſetzen.“ Döbel, Ed. I, 1746, I., fol. 24. — „Friſchen heißet, wenn eine Sau oder Bache ſetzet.“ C. v. Heppe, Aufr. Lehrprinz, p. 282. — „Wenn die wilden Sauen ferkeln oder Junge bekommen, wird geſprochen die Sauen friſchen.“ Chr. W. v. Heppe, Wohlred. Jäger, p. 134. — Onomat. forest. I., p. 951. — Mellin, Anwſg. z. Anlage v. Wildbahnen, 1779, p. 175. — Hartig, Anltg. z. Wmſpr., 1809, p. 107; Lb. f. Jäger, Ed. J, 1812, I., p. 39; Lexik., Ed. I, 1836, p. 191; Ed. II, 1861, p. 200. — Behlen, Wmſpr., 1829, p. 60; Real- u. Verb.⸗Lexik. II., p. 668; VI., p. 229. — Die Hohe Jagd, Ulm 1846, I., p. 339. — R. R. v. Dombrowski, Lehr- u. Hb. f. Ber.⸗Jäger, p. 118. II. intrans., eigentlich reflex., j. v. w. trin- ken von Wild und Hunden; vgl. ſchöpfen. „Friſchen, man ſagt auch Friſchung neh— men, bedeutet: der Hund ſchlampet das Waſſer in ſich, um ſich zu erkühlen.“ C. v. Heppe J. c. — „So ein Hirſch oder Thier ſich am Waſſer tränket, nennen es einige friſchen oder der Hirſch friſchet.“ Chr. W. v. Heppe J. c. III. trans. einen Hund friſchen, ausfriſchen — ihm ein Purgiermittel eingeben, nur in— direct durch Friſchung bei C. v. Heppe beleg— bar. Grimm, D. Wb. IV, p. 212. — Sanders, Wb. I., p. 500 a. E. v. D. Friſchling, der, das junge Wildſchwein im erſten Jahre; im zweiten Lebensjahre wird es weidgerecht als jähriger, übergehender, übergangener, übergegangener, über— laufener, überjähriger Friſchling; im dritten Jahre als zweijähriger Friſchling oder häufiger ſchon als dreijähriger Keiler, bezw. dreijährige Bache angeſprochen; vgl. Überläufer, Keiler, Bache, Bacher, Eber, Bär, Hauptſchwein, Hoſenflicker und Wildſchwein. Urſprünglich bedeutet das ahd. friscine ein Opferthier, u. zw. vorzugsweiſe Schaf oder Schwein; im Mhd. bezeichnet das Wort jchon in der Regel nur das junge Schwein, ſeltener das junge Schaf; friseine — das Friſchgeborene. „Dem selben herren git man die recht, als hie nach geschriben stät, von ainem beren daz höpt und ain hant, vnd von ainem hö- wenden schwin ain durchschlagenden schult- tern mit zwen rippen, daz daz wiltbret für gang, vnd von ainer liennen daz höpt und von einem friszsling nütz.* „. . . item von einer lienen daz höpt; item von eim frisch- ling nichtz.“ Dornftetter Urkunden vom Jahre Friſchen. — Friſchling. 1400 und 1456 bei Grimm, Weisthümer I., p. 387, 384. — „Junge Sauw ein Friſch— ling.“ Noé Meurer, Ed. I, 1560, fol. 88 r. — „Zu dem ſo pflegt man auch nach den jungen wilden Säuen | welche man die Friſchling heyßt | zu den großen herrlichen Winters— pancketen vnd Gaſtereien vberauß fleiſſig nach— zutragen.“ Ch. Eſtienne, Deutſche Ausgabe, Straßburg 1580, fol. 591. — „Ein Fröſch⸗ ling heiſt ein jung wildt Schweingen im erſten Jahr desgleichen im andern Jährige Fröſch— linge.“ Täntzer, Der Dianen hohe und nie— dere Jagt-Geheimnüß, Ed. I, 1682, fol. 11. — „Friſchling heiſſet ein jung wild Schweingen im erſten Jahr, dergleichen im andern jäh— riger Friſchling.“ Fleming, T. J., Ed. I, 1724, I., fol. 98, 107. — „Die Jungen heißen Friſchlinge. Nach dem erſten Jahre werden ſie übergangene Friſchlinge genannt. Zum anderen ſind es zweyjährige Bachen und zwey⸗ jährige Keuler.“ Döbel, Ed. I, 1746, I., fol. 24. — „Das erſte Jahr heißet alles Friſchling ...“ Pärſon, Hirſchger. Jäger, Ed. I, 1734, fol. 80. — „Friſchling, alſo werden die jungen wil⸗ den Ferkeln benennt.“ Chr. W. v. Heppe, Wohl⸗ red. Jäger, p. 134. — „Friſchling, lat. Aper anniculus, franz. Marcassin, heißt ein junges wildes Schwein, welches noch nicht 2 Jahre alt iſt.“ Onomat. forest. I., p. 951. — „Die Jungen werden, bis ſie ein Jahr alt ſind, Friſchlinge genennet, dann heißen ſie über— jährige Friſchlinge; wenn ſie volle zwey Jahre haben, werden es nach ihrem Geſchlecht zweyjährige Bachen oder Keyler ...“ Mellin, Anwſg. z. Anlage v. Wildbahnen 1779, p. 174. — „Die Jungen männlichen und weiblichen Geſchlechts heißen Friſchlinge, u. zw. von dem Tage, an welchem ſie gefriſcht werden, bis zum Anfange des nächſtfolgenden Jahres heu— rige; dann aber bis zur nächſtfolgenden Brunftzeit jährige, übergangene, über— laufene. Von dieſer Zeit an wird der weib— liche übergangene Friſchling Bache, u. zw. ein ganzes Jahr hindurch zweijährige; im folgen⸗ den dreijährige genannt.“ Winkell, Ed. I, 1805, I., p. 450. — „Friſchlinge heißen die jungen wilden Schweine, bis ſie ein Jahr alt ſind. Von da bis zu Ende des zweyten Jahres nennt man ſie überlaufene Friſchlinge.“ Hartig, Anltg. z. Wmſpr., 1809, p. 107; Lb. f. Jäger, Ed. I, 1812, I., p. 39; Lexik., Ed. J, 1836, p. 191; Ed. II, 1861, p. 201. — Die Hohe Jagd, Ulm 1846, I., p. 359 (wie Hartig). — Behlen, Wmſpr., 1829, p. 60 (wie Hartig); Real- u. Verb.⸗Lexik. II., p. 668 (Friſchling bis zum Alter von 6 Monaten, dann bis zu 2 Jahren übergehender, übergegangener F.). — „Vom Tage, an welchem dieſelben (die Jungen) zur Welt kamen, bis zum Ablaufe desſelben Jahres werden ſie heurige und mit Beginn des folgenden Jahres bis zum Ein— tritt der Brunftzeit jährige, übergangene oder überlaufene Friſchlinge genannt.“ R. R. v. Dombrowski, Lehr- u. Hb. f. Berufs⸗ jäger, p. 119. — Benecke u. Müller, Mhd. Wb. III., p. 408 a. — Lexer, Mhd. Hwb. III., p. 521. — Grimm, D. Wb. IV., p. 215. — Sanders Wb. I., p. 500 b. E. v. D. Friſchplatz Friſchplatz, der, der Ort, wo eine Bache gefriſcht hat, und wo die Friſchlinge noch etwa 14 Tage nach dem Friſchen im Keſſel beiſammen bleiben. Behlen, Real- u. Verb.⸗ Lexikon, II., p. 668. — Die Hohe Jagd, Ulm 1846, I., p. 359. — Fehlt bei Grimm und Sanders. E. v. D. Friſchung, die. I. Das Auffriſchen der Salzlecken; jelten. „Vor die richtige Haltung der Hügezeit, Brunft— zeit, Schlag- und Friſchung der Salzen .. trägt er (der Jägermeiſter) alle gehörige Vor— ſorge.“ C. v. Heppe, Aufricht. Lehrprinz, p. 198. II. Das Waſſer, welches ein Hund zu ſich nimmt, vgl. friſchen II. „Friſchung heißet das Waſſer, ſo dem an der Kette ſtehenden Leithunde vorgeſetzet wird.“ Ibid., p. 282. III. Ein Purgiermittel für Hunde. „Sonſt heißet Friſchung eine Purgenz, womit der Jäger die Hunde ausfriſchet.“ Ibid. — Grimm, D. Wb. IV., p. 215. E. v. D. Frömbling Friedrich Wilhelm, geb. 1796 zu Hardenberg (Fürſtenth. Bayreuth), geſt. 11. Februar 1866 in Berlin, machte 1813 bis 1817 ſeine forſtliche Lehrzeit zu Selb durch, trat dann als Oberjäger beim preußiſchen Gardejägerbataillon ein, ſtudierte 1822— 1824 an der Forſtakademie Berlin unter Pfeil's Leitung, ſpäter war er Oberförſter in Oſtpreußen zu Rothebude und Neu-Sternberg, muſste jedoch wegen ſeiner Sonderbarkeiten und Unfügſamkeit den Staatsdienſt verlaſſen. Hat zahlreiche kleinere, oft perſönlich ver— letzende und mit den wunderbarſten Ideen an— gefüllte Schriften verfaſst, als beſonders ori— ginell ſind ſeine „Fragmente über Vertheilung des Grundeigenthumes zum Schutze des Vater— landes“ 1839 und „Die Waldfortification für Deutſchland ꝛc.“ 1844. Hier theilt er eine ſog. Bewaldungsſeala mit, d. h. eine Tafel der Normalbewaldung der einzelnen Länder, be— meſſen nach ihrer mittleren Jahrestemperatur. a Schw. Fromm, adj, ſ. v. w. nicht ſcheu, ver— traut, von allem, vorzugsweiſe aber vom hohen edlen Haarwilde. „Fromm nennt man das Wild, wenn es die Menſchen außergewöhn— lich nahe an ſich kommen läſst.“ Hartig, Lb. f. , 1812, E, p. 39; Lexik. Ed. I, 1836, I., p. 101; Ed. II, 1861, p. 201. — Behlen, Wmſpr., 1829, p. 60; Real- u. Berb.- Lexik. II., p. 668; VI., p. 236. — Die Hohe Jagd, Ulm 1846, I., p. 359. — Grimm, D. Wb. IV., p. 242. — Sanders, Wb. I., p. 502 c. E. v. D. Fröſche, echte, Rana L., Gattung der Ranina (ſ. d.). Körper bald ſchlanker und kan— tiger, bald plumper, rundlicher, der Rumpf nach rückwärts gegen die Hinterbeine zu ſtark eingezogen, bald flacher und abgeplatteter, meiſt aber ziemlich hoch. Kopfform je nach Alter, Geſchlecht, Varietät ſehr verſchieden. Augen groß und vorſtehend. Trommelfell immer deut— lich. Die große, längliche Zunge nach hinten etwas erweitert und durch eine tiefe Ausran— dung zweihörnig; ſie kann, da nur der vor— dere Theil am Boden der Mundhöhle feſtge— wachſen iſt, mit dem hinteren freien Ende her— . Fröſche. 205 ausgeſchlagen werden. Schallblaſen find vor— handen oder fehlen. Die Gaumenzähne ſtehen in zwei kurzen, nach hinten ſchwach conver— gierenden Reihen zwiſchen den inneren Naſen— löchern. An den Vorderfüßen vier freie Zehen, ohne Schwielen an den Handballen, an den ſtark verlängerten Hinterfüßen fünf, durch Schwimmhäute verbundene Zehen mit großer, ſtark vorſpringender Daumenſchwiele an den Sohlen; alle Zehen unterſeits an den Gelenken ſchwielig aufgetrieben. Haut meiſt ziemlich glatt, ſeltener mit Drüſen oder Warzen bedeckt. Die Weibchen haben längere und dünnere Vorderbeine. Die echten Fröſche ſind vorwiegend Waſſer— thiere und bewohnen die Ufer und Ränder von Sümpfen, Teichen, langſam fließenden Gewäſ— ſern. Ungeſtört ſitzen ſie am Ufer auf ihren Hinterbeinen; nähert man ſich ihnen, ſo ſtürzen ſie in weiten Sätzen kopfüber ins Waſſer und wühlen ſich in den Schlamm oder bergen ſich unter Steinen, Wurzeln. Sie nähren ſich von Würmern, Weichthieren, Inſecten, kleinen Fi— ſchen, Laich u. ſ. w. Ihre Eier geben ſie in Klumpen ab. Bei der Paarung hält das Männ— chen das Weibchen um die Achſel gefaſst. Die europäiſche Fauna zählt vier Arten: 1. Waſſerfroſch (Rana esculenta L.). Schnauze lang, rundlich. Schwimmhäute vollkommen. 8 bis 11 cm. Oben gelbgrün, reichlich dunkelgefleckt, mit hellen Linien gezeichnet, unten ungefleckt weiß. In faſt ganz Europa, Nordafrika, Mittel— aſien. (Alte Exemplare verlieren die lebhafte grüne Färbung immer mehr, und ſchließlich er— halten ſie eine faſt einfarbige Oberſeite. Aus Ungarn habe ich mächtig große, faſt tiefbraun— ſchwarze Exemplare ohne alle Zeichnung er— halten. Bei der Varietät Rana hispanica Michahelles ordnen ſich die Flecken des Oberkör— pers in deutlichen Längsreihen an.) Der Waſſer— froſch laicht im Mai. Er iſt ein ſehr räuberiſches Thier, das nicht nur von Würmern, Schnecken, Kerbthieren, Lurchen, Fiſchen ſich nährt, ſon— dern auch ganz junge Schwimmvögel aufällt und ſeine eigenen Verwandten nicht ſchont. Sein bekannter Ruf ſetzt ſich aus zwei raſch nacheinanderfolgeuden Lauten zuſammen, von denen der eine aus der Kehle kommt, der an— dere durch die hervorgetriebenen Schallblaſen er— zeugt wird. Den Winter verbringt er in den Schlamm tief eingewühlt. — 2. Thaufroſch, Feldfroſch (Rana temporaria L. = R. ar- valis Nilsson). Schnauze lang, ſpitz, 5°5 em. Schwimmhäute unvollkommen. Oben gelblich— braun, dunkelgefleckt, unten ungefleckt. Im nörd— lichen Europa. — 3. Brauner Froſch, Gras- froſch (Rana fusca Rösel = R. platyrrhina Steenstr.). Schnauze kurz, ſtumpf. Bedeutend größer (9˙3 cm). Oben rothbraun, dunkelgefleckt, unten grauweiß, wenig gefleckt. Laicht früher als der vorige (Mitte März). In faſt ganz Europa. — 4. Springfroſch (Rana agilis Thomas). Schnauze lang, rundlich-ſpitz. 5°5 bis 8 em. Während bei den drei vorſtehenden Arten das Männchen zwei Kehlſäcke hat, fehlen hier die Kehlſäcke. Rücken hellgelbgrau oder röth— lichgrau, ſpärlich dunkelgefleckt, Bauch weißlich, ungefleckt. Laicht im Mai. Südeuropa. Dieſe 206 drei letztgenannten Arten ſuchen das Waſſer nur während der Laichzeit auf, ſonſt bewohnen ſie feuchte Wälder; ſie nähren ſich vorherr— ſchend von Zweiflüglern und Würmern. Bei den Männchen zeigt ſich zur Brunſtzeit außer der Daumenſchwiele an den Hinterfüßen der Daumen der Vorderfüße mit einer rauhen, ſammtartig ſchwarzen Schwielenhaut überzogen. — Von den circa 80 Arten dieſer Gattung ſei noch des bis 21 em großen Ochſenfroſches (Rana mugiens Merr.) von Nordamerika Er— wähnung gethan, der einer ganz gewaltigen Brüllſtimme ſich erfreut. Er iſt oben oliven— farben oder röthlichbraun, mit großen ſchwarzen oder dunkelbraunen Flecken gezeichnet, unten gelblichweiß; über den Rücken zieht eine gelbe Mittellinie. Er nährt ſich von Würmern, In— jecten, Fröſchen, Fiſchen, kleinen Waſſervögeln und gleicht ſonſt in ſeinem Gebaren unſerem Teichfroſche. Kur. Srofhkröten, ſ. Alytidae. Kur. Froſchlurche, j. Anura, Batrachia. Kur. Froſtbohrer, der, ein Erdbohrer zum Bohren der für die Forkeln oder Stellſtangen nöthigen Löcher bei großer Dürre oder ſtarkem Froſt. Fleming, T. J., Ed. I, 1724, I., fol. 237. — Döbel, Ed. I, 1746, II., fol. 34. — Chr. W. v. Heppe, Wohlred. Jäger, p. 134. — Onomat. forest. I., p. 954. — Winkell, Ed. I, 1805, I., p. 572. — Hartig, Aultg. z. Wmſpr., 1809, p. 107; er, Ed. I, 1812, I, 5 Lexik, Ed. I, 1836, p. 191; Ed. II, 4861, p. 201. — Behlen, Real- u. Verb.⸗Lexik. II., p. 674; VI., p. 210. — Die Hohe Jagd, Ulm 1846, I., p. 359. E. v. D. Froſterſcheinungen an Pflanzen. Sinkt die Temperatur einer Pflanze unter diejenige Höhe, welche zur Erregung von Vegetations— erſcheinungen erforderlich iſt, ſo tritt Ruheſtand ein. Sinkt ſie erheblich unter den Nullpunkt, dann beginnt ein Theil des Waſſers, welches im Innern der Zellen oder in den Zellwänden ſich findet, zu gefrieren. Es iſt nun ein allgemein giltiges Geſetz, daſs feſte oder flüſſige orga— niſche Subſtanzen nicht als ſolche gefrieren, daſs vielmehr ein Theil ihres Waſſers als ſolches gleichſam aus der Subſtanz ausſcheidet und zu Eis gefriert, während die Subſtanz im nichtgefrornen Zuſtande verharrt. Je waſſer— ärmer eine Subſtanz iſt, umſo tiefer muſs die Temperatur ſinken, wenn aus derſelben noch Waſſertheile zu Eis ausgeſchieden werden ſollen, d. h. je concentrierter eine Löſung und je waſſer— ärmer eine feſte Subſtanz, um ſo tiefer liegt ihr Gefrierpunkt. Dies vorausgeſchickt, erklären ſich die Proceſſe des Gefrierens der Pflanzen leicht. Da der Holzkörper eines Baumes in ſeinen Gefäßen, Holzfaſern ꝛc. ſehr viel Waſſer mit ſehr geringen Spuren gelöster Subſtanzen enthält, ſo gefriert dasſelbe viel leichter als die Rinde, deren Zellen concentrierte Löſungen führen. Es gefriert alſo das Waſſer in den Elementen des Holzes, bei intenſiven Kälte— graden gefriert aber auch ein Theil des Wan— dungswaſſers, welches dabei aus der Wand in das Zellinnere ausgeſchieden wird. Die Wan— dung wird dadurch waſſerärmer, bleibt aber eingefroren. Mit jedem Waſſerverluſt der Wan— * Froſchkröten. — Froſterſcheinungen an Pflanzen. dungsſubſtanz iſt nun bekanntlich eine Volu— menverminderung verbunden; das Holz ſchwindet bei ſtarker Kälte ebenſo wie beim Trockenwerden. Tritt das Schwinden plötzlich infolge großer Kälte ein zu einer Zeit, in welcher der innere Baumtheil noch nicht oder nur ſchwach ge— froren iſt, jo bilden ſich die bekannten Froſt— riſſe oder Froſtſpalten, die ſich in der Regel auf der Nordoſtſeite der Bäume finden, weil jo heftige Kältegrade meiſt bei Nordoſt— winden eintreten. Sie beginnen über dem Erd— boden und verlaufen oft bis in die Krone der Bäume. Die Sprengung des Holzkörpers geht bald tiefer, bald weniger tief zur Markröhre in der Richtung der Markſtrahlen vor. Steigt die Temperatur wieder, ſo wird das aus den Wan— dungen ausgeſchiedene, im Innenraum der Holz— faſern u. ſ. w. zu Eis erſtarrte Waſſer von den Wandungen wieder aufgenommen, das urſprüng⸗ liche Volumen derſelben ſtellt ſich wieder ein und der Froſtſpalt ſchließt ſich. Im nächſten Sommer verwächst mit der Bildung des neuen Jahrringes der Spalt äußerlich, u. zw. wie bei allen Wunden fo, dajs die Neubildung über und in der Nähe des Spaltes etwas kräftiger wird, als im übrigen Theile des Holzmantels. Im nächſten Winter genügt ſchon eine geringe Kälte, um das Offnen des Froſtſpaltes herbei⸗ zuführen, da ja nur der letztjährige Holzring zu ſprengen iſt. Der Proceſs des Offnens und Überwallens wiederholt ſich oft viele Jahre, und bilden ſich infolge deſſen die ſog. Froſtleiſten. Die alljährlichen ÜUberwallungsbildungen treten oft in der Höhe einer Handbreite über die Ober— fläche des Baumes hervor. Einige milde Winter, in welchen die Sprengung des letztjährigen Holzmantels im Scheitel der Forſtleiſte nicht eingetreten war, können die Verſchlufſsſchicht jo kräftigen, dafs in der Folge ein Wiederauf— reißen überhaupt nicht eintritt. Bei alten Eichen findet man zuweilen den inneren Holzkörper durch radiale und periphe- riſch verlaufende Riſſe zerklüftet, und ſcheint es, als ob dieſe ebenfalls auf Schwindungserſchei— nungen infolge tiefer Kältegrade zurückzuführen ſind. Bei tiefen Kältegraden bemerkt man oft ein auffälliges Senken der Aſte mancher Bäume, insbeſondere der Linde, die an Promenade— wegen ihre Zweige jo tief herabhängen läſst daſs der Verkehr dadurch geſtört werden kann. Mit Eintritt wärmerer Witterung heben ſich die Zweige wieder in die Höhe. Dieſe Erſcheinung müſſen wir ebenfalls auf ein ungleiches Schwin— den des Holzkörpers der Ober- und Unterſeite der Aſte und Zweige zurückführen. Wenn parenchymatöſe Gewebe, alſo Rinde, Blatt u. ſ. w. gefrieren, ſo kann das Waſſer, welches hiebei aus Zellrand und flüſſigem Zell— inhalt ausſcheidet, nur in den Intercellular⸗ räumen zu Eis erſtarren, während die Zellen ſelbſt an Waſſer und an Turgor, d. h. Straff⸗ heit verlieren, gleichſam welken. Deshalb ſinken vom Spätfroſt betroffene ſaftreiche Pflanzen, z. B. Hyacinthe, Kaiſerkrone u. ſ. w. ein, ſtehen aber nach dem Aufthauen wieder auf. Je waſſerärmer ein lebendes Gewebe, d. h. je concentrierter der flüſſige Zellinhalt iſt, um ſo ſchwerer gefriert dasſelbe, wogegen bei ſehr Froſterſcheinungen an Pflanzen. waſſerreichen Geweben ſo bedeutende Eisbil— dungen in den Intercellularräumen eintreten, daſs ſelbſt Zerreißungen der Gewebe eintreten können, wobei nicht an ein Zerſprengen der Zellen zu denken iſt, da ja der Zellinhalt nicht gefriert, ſondern an eine Lostrennung der Zel— len von einander. Bei vielen Holzarten wird auf dieſe Weiſe der Blattabfall im Herbſte beſchleunigt. Thaut ein Gewebe im Ruheſtande wieder auf, ſo wird das ausgeſchiedene Waſſer vom Zellrand und Zellinhalt langſam wieder aufge— ſogen, ohne daſs für das Gewebe ein Schaden aus dem Gefrieren entſtanden iſt. g Der Froſttod oder das Erfrieren einer Pflanze oder eines Pflanzentheils iſt nur unter gewiſſen Umſtänden die Folge des Gefrierens. Wir müſſen hiebei zwei ganz verſchiedene Frojt- erſcheinungen ins Auge faſſen: den Winter- froſt oder das Erfrieren im Ruheſtande und die Erſcheinungen des Früh- und Spät⸗ n d. h. des Froſttodes vegetierender Ge— webe. Während der Vegetationsruhe ſind die bei uns einheimiſchen perennierenden Pflan— zen imſtande, ſelbſt die größte Kälte zu ertragen, die unſere Winter zeigen. Die aus wärmeren Zonen bei uns eingeführten Bäume und Sträu— cher dagegen können in ſtrengen Wintern zu grunde gehen. Die Veranlaſſung dieſes Froſttodes iſt eine ähnliche wie die, welche dem Tode durch Vertrocknen zu grunde liegt. Dem Protoplasma kann durch Gefrieren und beim Welken eine gewiſſe Waſſermenge entzogen werden, ohne daſs dies die moleculare Structur desſelben alteriert. Wenn aber die Kälte oder das Welken eine gewiſſe, nach Pflanzenart und ſelbſt in— dividuell verſchiedene Grenze überſteigt, dann erleidet das Protoplasma durch weiteren Waſſer— entzug eine Umänderung, etwa eine Um— lagerung der kleinſten Theilchen, welche durch ſpätere Wiederzufuhr von Waſſer nicht rück— gängig gemacht werden kann und den Tod der Zellen und Gewebe zur Folge hat. Nur ſelten erfrieren auch unſere einheimiſchen Holzarten bei ſtrengem Winter, doch handelt es ſich hie— bei wohl meiſt nicht um Winterfroſt im engeren Sinne. In ſchneefreien ſtrengen Wintern er— frieren junge Eichen und andere Holzarten in den Wurzeln, während die oberirdiſchen Theile der Pflanze vom Froſt verſchont bleiben. Es kann die Urſache dieſer größeren Empfindlichkeit in einer Eigenthümlichkeit der Wurzel ſelbſt begründet ſein, die auch weniger durch Kork⸗ ſchichten geſchützt und für gewöhnlich nicht ſo hohen Kältegraden ausgeſetzt find, als die ober- irdiſchen Pflanzentheile. Es kann aber auch der Umſtand, dass die Vegetationsproceſſe in den Wurzeln erſt ſpät zur Ruhe kommen und bei Beginn des Winters noch nicht abgeſchloſſen ſind, die Todesurſache ſein, in welchem Falle es ſich um Frühfroſtbeſchädigung handelt. Sind die letztjährigen Triebe, z. B. bei Johannistriebbildung, in einem naſskalten Jahre bis zu Anfang des Winters noch nicht völlig verholzt oder iſt ſelbſt der Jahresmantel der ganzen Pflanze noch nicht ausgereift, dann iſt 207 wiederum der Froſttod nicht eigentlicher Winter— froſt, ſondern Froſt im Vegetationszuſtande. Immergrüne Holzarten, ſowohl Nadel- als Laubhölzer, können in langen trockenen Wintern erfrieren, lediglich infolge eintretenden Waſſer— mangels. Da die Belaubung auch im Winter, u. zw. vorzugsweiſe reichlich bei directer In— ſolation transſpiriert, ſo kann bei ſtark ge— frorenem Boden, der eine Waſſerzufuhr durch die Wurzeln ausſchließt, oder dann, wenn die Holzkörper gefroren und die Waſſerzuleitung zu den belaubten Zweigen unmöglich geworden iſt, die Belaubung vertrocknen. Das iſt ganz beſonders häufig der Fall, wenn wiederholtes Aufthauen und Gefrieren eintritt. An Beſtandes— rändern ſind es in der Regel nur die der Sonne und dem Luftzuge ausgeſetzten Seiten der Bäume, deren Nadeln gebräunt werden. Die Folgen des Winterfroſtes im engeren Sinne äußern ſich bei den Bäumen in verſchiedener Weiſe. Es kann die ganze Pflanze in Holz und Rinde erfrieren, oder es ſtirbt nur der innere Holzkörper nahe der Markröhre ab, wogegen die Rinde, das Cambium und auch ein mehr oder weniger ſchmaler Splintring am Leben bleibt. Solche Bäume ſchlagen im kommenden Frühjahre wieder aus, erholen ſich auch wohl im Laufe einiger Jahre wieder, wenn keine allzutrockenen Jahrgänge folgen, jo dajs der ſchmale Splint- mantel nebſt den neuen Holzmänteln imſtande iſt, den Waſſerbedarf der Belaubung zu befrie— digen. Durch Verminderung der Aſte und Zweige kann man die Bäume bei dem Beſtreben, die nachtheiligen Wirkungen des Winterfroſtes zu überwinden, oft unterſtützen. Treten trockenheiße Sommer nach ſtrengem Winter ein, ſo gehen manche Bäume noch nach einem oder zwei Jahren zu grunde, weil die Bäume bei ſtarker Transſpiration nicht genug Waſſer durch den äußerſten, leitungsfähig gebliebenen Holzkörper erhalten. Man bezeichnet das als Nachwirkungen des Froſtes. Sind mehrere Jahre verſtrichen, dann genügen die neuen Holzbildungen auch für trockene Jahrgänge den Waſſerbedarf nach oben zu transportieren. Pflanzen und Pflanzentheile, die ſich im Zuſtande der Vegetationsthätigkeit befinden, er- frieren oft ſchon bei wenigen Graden unter dem Nullpunkte und iſt hiebei der Härtegrad einer Pflanze nicht mehr maßgebend. Die Todes— urſache ſcheint hiebei eine ganz andere zu ſein, und erſt während oder kurze Zeit nach dem Aufthauen der gefrorenen Gewebe einzutreten. Iſt nämlich ein lebensthätiges Gewebe gefroren und thaut dasſelbe ſchnell wieder auf, ſo wird das in den Intercellularräumen befindliche Eis— waſſer nicht ſo ſchnell von den Zellen aufge— nommen, um denjenigen Quellungs- und Im- bibitionszuſtand der Zelle wieder herzuſtellen, welche zur Fortführung der Lebensproceſſe bei rückkehrender Wärme erforderlich iſt. Das ſchnell aufgethaute Waſſer ergießt ſich zwiſchen die Zellen, verdrängt auch die Luft aus den Inter⸗ cellularräumen, jo daſs gefrorene Pflanzentheile gleich nach dem Aufthauen glaſig durchſcheinend werden. Die mit der rückkehrenden Wärme wieder beginnenden chemiſchen Proceſſe im Proto- plasma der Zelle finden dieſe im waſſerarmen 208 abnormen Zuſtande, es können deshalb keine normalen Lebensproceſſe, es müſſen vielmehr chemiſche Zerſetzungsproceſſe eintreten, welche den Tod zur Folge haben. Kann man die Erwärmung der Pflanzen im gefrorenen Zuſtande ſo regulieren, daſs zwar das Eis allmählich ſchmilzt, aber die Zellthätig— keit noch längere Zeit durch niedere Temperatur zurückgehalten wird, dann können zarte Gewebe in voller Vegetationsthätigkeit ohne Nachtheil gefrieren, da dann langſamer das Waſſer von der Zelle wieder aufgenommen wird, bevor die Lebensproceſſe in derſelben beginnen. Es iſt bekannt, daſs bei Spät- und Frühfröſten der Nachtheil oft ganz beſeitigt wird, wenn man das Aufthauen der Pflanzen möglichſt verlang— ſamt. Man ſchützt die gefrorenen Pflanzen gegen directe Inſolation, ſucht je nach Umſtänden deren Aufthauen möglichſt zu verlangſamen. Alle dieſe Maßregeln gehören in das Gebiet des Forſtſchutzes. Die Erſcheinungen der Re— production nach dem Erfrieren von Pflanzen— theilen ſind ſehr mannigfacher Art. Sie beruhen im Weſentlichen darauf, dass ſchlafende Knoſpen der letztjährigen oder auch älteren Triebe, zu— weilen aber auch ſchon die Blattachſelknoſpen der jüngſten, eben erfrorenen Maitriebe die Neubelaubung herzuſtellen ſuchen. Eine auf— fallende Beſchädigungsart iſt der Froſtkrebs. Krebsbildungen an Laub- und Nadelholzbäumen ſind faſt immer Folge von Pilzangriffen. Nur in ſtark ausgeprägten Froſtlagen bemerkt man Beſchädigungen, die dem Spätfroſt zuzuſchreiben ſind. Von getödteten Zweigen ausgehend, ſtirbt ein Theil der Rinde bis auf den Holzkörper und dieſer im Inneren der ganzen Pflanze ab. Die getödtete Stelle wird vom Rande aus in den nächſten Jahren überrollt, doch da die Neu— bildungen des Überrollungswulſtes durch Rinde am wenigſten geſchützt ſind, ſo unterliegen dieſe in jedem neuen Spätfroſtjahre, wodurch die Krebs— ſtelle ſich in concentriſchen Zonen vergrößert. Vom Pilzkrebs unterſcheidet ſich der Froſtkrebs dadurch, daſs erſterer nur in der Rinde ſeinen Sitz hat, während beim Froſtkrebs der Holz— körper des Baumes im Innern getödtet und gebräunt iſt (ſ. R. Hartig, Unterſuchungen aus d. forſtl. Inſt. I., 1880). Hg. Froſtſpanner, Cheimatobia brumata, ſ. d. Hſchl. Frucht, frühere Bezeichnung für Embryo oder Fötus (beſonders bei Säugethieren). Kur. Fruchtäther ſind zuſammengeſetzte Ather— arten (Eſter), beſonders Athyl- und Amyläther der Eſſigſäure, Butterſäure, Baldrianſäure, Benzoöfäure u. ſ. w., welche zur Nachahmung des Obſtgeruches und Obſtgeſchmackes Verwen— dung finden. v. Gn. Fruchtbau im Walde (j. Betriebsarten). Der Fruchtbau im Walde erſcheint als Hack— wald- oder Haubergsbetrieb, als Wald— feldbau oder Röderlandbetrieb und als Baumfeldwirtſchaft. Hackwaldbetrieb, beſonders des Odenwaldes im Siegen'ſchen „Haubergsbe— trieb“, im Trier'ſchen, beſonders früher, „Rott— hedenbetrieb“ genannt, wird beſonders im Der Froſtſpanner. — Fruchtbau im Walde. Eichenſchälwalde ſo gehandhabt, daſs nach dem jedesmaligen Abtriebe des Beſtandes der Bo— den gebrannt (ſ. Brennen) und dann 1 bis 2 Jahre lang zwiſchen den Stöcken Frucht gebaut wird, hat zwar in verſchiedenen Berg— gegenden des weſtlichen Deutſchland Freunde, kann aber im ganzen als vortheilhaft nicht an— erkannt werden. Sein Nachtheil für die Holz— zucht beruht darin, daſs eine volle Beſtockung der Schläge bei ihm nicht zu erlangen iſt, in— dem beim Getreidebau eine Beſchädigung der Stöcke unvermeidlich, eine Nachbeſſerung in der Regel mehr oder weniger wirkungslos iſt, endlich die Bodenverſchlechterung des meiſt im Hange belegenen Hackwaldes durch Abſpülen des zum Getreidebau gelockerten Bodens eine fortſchreitende iſt. Die Getreideerträge decken dabei dieſe Verminderung des Holz-, namentlich aber Rindenertrages keineswegs, da der zu ihrer Erlangung nothwendige Aufwand, bei richtiger Anrechnung desſelben, wenigſtens im großen Durchſchnitt keinen Reinertrag liefert (vgl. Neubrand, Die Gerbrinde. Frankfurt a. M. 1869, p. 87 ff, auch R. Tramnitz in Forſtl. Blätter, Heft 3, p. 104). Man hat wohl geglaubt, die Nachtheile der Verbindung beiderlei Nutzungsarten dadurch weſentlich zu mindern, daſs man den Eichen- anbau in regelmäßig gezogenen, weit abſtän— digen, raiolten Streifen bewirken und zwiſchen dieſen die landwirtſchaftlichen Nutzungen be— treiben wollte (vgl. Forſtl. Blätter, 1884, p. 142 ff.), doch iſt leicht zu erachten, daſs hie— durch die vorberegten Übelſtände einer ſolchen Verbindung vielleicht nach einer Richtung hin zu mildern, aber im ganzen nicht zu beſeitigen ſind. Die Hackwald- und Haubergswirtſchaft wird daher ſtets als eine alte, aus der Vor— zeit überkommene, von ganz anderen Wirt— ſchaftsverhältniſſen als die zur Zeit vorliegen- den herrührende anzuſehen und im allgemei— nen möglichſt zu beſeitigen ſein (f. a. „Hackwald— wirtſchaft“, „Eichenerziehung“ 1 e.). Der Röderwaldbetrieb, bei welchem der abgetriebene Hochwaldſchlag vor feiner Wiederverjüngung eine zeitlang zum Fruchtbau verwendet wird, iſt in Deutſchland und Sſter— reich ſeit alter Zeit im Gebrauch und hat da ſeine großen Übelſtände, wo er auf leichtem Boden betrieben wird, wo die Fruchtuutzung auf eine längere Reihe von Jahren, alſo über zwei bis drei hinaus, ſtattfindet und wo der forſtliche Wiederanbau der ſo vorgenutzten Flächen nicht in eingreifendſter Weiſe ausge— führt, ſelbſt wohl ihre natürliche Beſamung vom ſtehenden Orte aus erwartet wird. Es iſt aber auf der andern Seite keines— wegs in Abrede zu ſtellen, daſs unter Verhält— niſſen, wo man überhaupt auf natürliche Ver— jüngung der Forſtorte verzichtet, wo man es mit einem kräftigeren Boden zu thun hat, und wo ſich Gelegenheit findet, den Schlag trotz ſeiner ſtets mühſamen Zubereitung zum Frucht— bau auf kürzere, keinesfalls drei, am wenigſten vier Jahre überſchreitende, in der Regel aber nur zwei Jahre betragende Zeit jenem zuzu— wenden, der Röderwaldbetrieb eine Stelle finden kann. Seine Erträge an Frucht können nach * Früchte. — Fruchtwaſſer. 209 Maßgabe der örtlichen, namentlich der Boden— verhältniſſe ziemlich erhebliche und wohl im— ſtande ſein, trotz des immerhin hohen Arbeits— aufwandes einen Überſchuſs zu gewähren, wäh— rend dieſe Vornutzung keineswegs immer eine Verminderung des Holzertrages durch den gerin— gen Verluſt an Holzzuwachs und Verbrauch von Bodennährſtoffen in ſich zu ſchließen braucht. Die durch den Fruchtbau bewirkte gute Durch— arbeitung des Bodens kommt auch den anzu— bauenden Holzpflanzen vielfach zugut und ver- ringert in der Regel die Culturkoſten oft ſo, daſs die Forſtverwaltung nur den Samen und die Ausſaat zu ſtellen hat. Ganz beſonders können derartige Vortheile bei der Eichen— erziehung (s. d.) hervortreten, kommen aber auch wohl hie und da beim Kieferanbau (ſ. Kiefererziehung) in Betracht, obſchon gerade bei dieſem der Röderwaldbetrieb oder die Ackereultur (j. d.), wie er in dieſer Verbin— dung wohl genannt wurde, in beſonderen Ver— ruf gekommen iſt. Es beruht dies auf grobem Mißbrauch infolge langer Beackerung ſchwachen Bodens, während gerade auf Kieferſtandorten nach jener Richtung hin Vorſicht unerlässlich und eine landwirtſchaftliche Vornutzung hier doch nur ausnahmsweiſe am Platze ſein wird, ſelbſt wenn ſich ein Begehr nach einer ſolchen herausſtellen ſollte. Baumfeldwirtſchaft iſt als beſondere Betriebsart nicht anzuſehen, ſondern im weſent— lichen nur als ein Vorſchlag zu betrachten, der eine weitere praktiſche Folge nicht hatte (ſ. d.). Gt. Früchte, ſ. Fruchterwerb. At. Fruchterwerb iſt der Eigenthumserwerb an den Früchten einer Sache, welche man hier als Hauptſache bezeichnet. Die Früchte ſind nach römiſchem Recht natürliche (fructus natu- rales), d. i. organiſche Erzeugniſſe der Erde und der Thiere, und juriſtiſche oder bürger- liche (fructus civiles), welche in dem Gewinne (Zinſen, Zehnten und andere Präſtationen) aus dem rechtmäßig überlaſſenen oder entzogenen Gebrauche einer Sache beſtehen (quod non natura pervenit, sed jure percipitur). Die mit der Hauptſache noch verbundenen Früchte (z. B. das Holz auf dem Stocke, der von trächtigen Thieren zu erwartende Nachwuchs) bilden un— ſelbſtändige Sachtheile (fructus pendentes pars fundi videntur), welche erſt mit der Trennung von der Hauptſache ſelbſtändig werden. Die von der Hauptſache durch Menſchenhand getrennten Früchte nennt man fructus separati, und wenn ſie in den Gewahrſam einer Perſon überge— gangen ſind, fructus percepti. Das Recht auf den Bezug der Früchte iſt ein Ausfluſs des Eigenthumes (ſ. d.), und wenn das Fruchtrecht einem Nichteigenthümer der Hauptſache zuſteht, ſo iſt dasſelbe nur ein von dem Eigenthümer abgeleitetes, nach der Art und Weiſe der Übertragung jedoch verſchiedenes. So tritt bei dem Pacht die Berechtigung zum Fruchterwerbe erſt mit der Übergabe (traditio) der Sache ein, während Nießbräucher und Forit- ſervitutberechtigte ein dingliches Perceptions— recht beſitzen, und dem Emphyteuta (wie über— haupt jedem Untereigenthümer), gleich dem Eigenthümer, ein abſolutes Fruchtrecht zuſteht. Die nach Ablauf des Pachtes nicht geernteten Früchte gehören dem Grundeigenthümer, und auch Nießbraucher und Forſtſervitutberechtigte erlangen das Eigenthum an den Früchten nur durch Perception. Der redliche Beſitzer (bonae fidei possessor, ſ. Erſitzung) wird bezüglich des Fruchtrechtes dem Eigenthümer gleich geachtet. Der unredliche Beſitzer muſs für die während ſeines unredlichen Beſitzes bezogenen Früchte (fructus consumti) Vergütung leiſten. Dieſe Grundſätze des römiſchen Rechtes ſind in der Hauptſache auch in das gemeine Recht, das preußiſche allgemeine Landrecht und den franzöſiſchen Code civil übergegangen, und beſteht bei unbeweglichen Sachen und analog bei bürgerlichen Früchten nur inſofern eine Ausnahme, als hier die Früchte dann als er— worben gelten, wenn ſie verdient ſind, d. h. ſo— bald der zu ihrer Gewinnung nöthige Arbeits— und Koſtenaufwand gemacht wurde. Es erwirbt deshalb der Pächter ſchon durch die Beſtellung des Feldes das Eigenthum an den Früchten, und dem redlichen Beſitzer einer Sache gebührt für das letzte Wirtſchaftsjahr die Fruchtnießung pro rata temporis ſeines Beſitzes. Holzbeſtände gehören nach einem Erkennt— niſſe des Reichsgerichtes vom 5. Februar 1887 nur dann zu den Früchten eines Forſtgrund— ſtückes, wenn ſie nach dem Wirtſchaftsplane haubar ſind; außerdem aber ſind ſie nur als ein bewegliches Zubehör des Grundſtückes zu betrachten. Die äußeren Forſtbeamten erhalten häufig Dienſtländereien, und es iſt dann in der Regel durch Verordnung der Centralſtelle für den Fall eines Dienſtwechſels in der Zeit von der Be— ſtellung der Felder bis zur Ernte die Art und Weiſe des Ausgleiches der Fruchtnießung zwiſchen den beiden Beamten geregelt. Es erſcheint hier recht und billig, daſs der eintretende Beamte dem abtretenden nach dem Anſchlage des Jahres— ertrages der Dienſtländereien pro rata tem- poris Vergütung leiſtet und demſelben zugleich für die Beſtellungskoſten eine im umgekehrten Verhältnis zur Dauer der Nutznießung ſtehende Eutſchädigung gewährt. At. Fruchtgallen, ſ. bei den betreffenden Baum⸗ arten. Hſchl. Fruchtglied, das, ſeltener Ausdruck für das männliche Glied des Fuchſes (vielleicht nur Druckfehler für Feuchtglied?). Behlen, Real⸗ u. Verb.⸗Lexik. II., p. 701. — R. R. v. Dombrowski, Der Fuchs, p. 2. E. v. D. Fruchthälter, Gebärmutter, ſ. Uterus. Kur. Fruchthaut, j. Amnion. Kur. Fruchthof, Embryonalfleck, ſ. Area germi- nativa. Knr. Fruchtſchieſer find Glimmerſchiefer, die getreidekornähnliche Concretionen zerſetzter An⸗ daluſitaggregate (ſteinmarkähnliche Gebilde) ent⸗ halten; im ſächſiſchen Granulitgebirge vorkom⸗ mend. v. O. Fruchtwaſſer, Schafwaſſer, Amnionflüſſig⸗ keit, ſ. Amnion. Kur. Dombrowski. Eneyklopädie d. Forſt⸗ u. Jagdwiſſenſch. IV. Bd. 14 210 Frühanſtand. — Fuchs. Frühanſtand, der — Anſtand am Mor- gen; dgl. Anſtand, Morgen-, Abendanſtand. „Die beſte Gelegenheit, ſich hierüber zu unter— richten, findet man . . . durch recht häufigen Be— ſuch des Früh- und Abendanſtandes . . .“ Diezel, Niederjagd, Ed. VI, 1886, v. E. v. d. Boſch, p. 265. E. v. D. Frühfährte, die, eine früh morgens ge— tretene Fährte, zum Unterſchiede von der Nacht— fährte. „Wolte ihn (den Hund) ja die Sonne faſt zu ſtark drücken, ſo wird er lieber etwas unter einen ſchattigen Baum angebunden und wieder hin auf die Früh-Fährten und Brüche gebracht, dass er daſelbſt wieder anfalle.“ Döbel, Ed. I, 1746, I., fol. 89. E. v. D. Srühjahrsjagd, die, die Jagd im Früh— jahre; namentlich gilt das Wort von ſolchen Wildgattungen, die nur im Herbſte und Früh— jahre gejagt werden, z. B. der Waldſchnepfe; vgl. Herbſtjagd; dann Sommer-, Winterjagd. „Die Abſtellung der Frühjahrsjagd auf dieſe Wanderer (Waldſchnepfen und Becaſſinen) wird wohl auch unter den frommen Wünſchen bleiben . . .“ A. v. Schmeling-Düringshofen in Corvins Sporting-Almanach 1844, p. 33. E. v. D. Frühjahrsſaat, ſ. Einſaat 1. Gt. Frühlingsammer, ſ. Zaunammer. E. v. D. Frühlingsholz, ſ. Jahrringe. Hg Frühlingsſtelze, ſ. Gebirgsbachſtelze. E. v. D Frühlingsſticherting, ſ. Gebirgsbachſtelze. E. v. D. Frühlingsthätigkeit der Bäume. Die erſten Anzeichen neu erwachender Lebensthätig— keit bei den Bäumen und Sträuchern treten an den jüngſten Theilen derſelbeu, an den Zweig— ſpitzen und den Wurzelſpitzen hervor, einestheils weil hier die Wärme am leichteſten ihre Ein— wirkung auf die theilungs- und wachsthums— fähigen Zellgewebe auszuüben vermag, anderen— theils deshalb, weil hier am leichteſten der Übergang aus dem ruhenden Zuſtand der Bil— dungsſtoffe in den thätigen ſtattfindet. Bei den Knoſpen ſind es insbeſondere die Blütenknoſpen einiger Holzarten, z. B. der Haſel, Erle, Weide, welche ganz local begrenzte Lebensthätigkeit entfalten und zur Entwicklung der Blüte ſchreiten, während alle Laubknoſpen und überhaupt die ganze Pflanze im Winterzuſtande verharrt. Die Auflöſung der Reſerveſtoffe und deren Verwendu T zur Zellbildung erfolgt hier bei geringerer Temperatur als in den anderen Theilen der Pflanze. Bei ſolchen Bäumen und Sträuchern, deren Wurzeln mehr oberflächlich entwickelt ſind, die außerdem durch Korkbildung an der Aufnahme von Waſſer aus dem Boden in den vorjährigen und älteren Theilen nicht behindert ſind, wie z. B. bei Ahorn, Birke u. ſ. w., tritt frühzeitig eine geſteigerte Waſſeraufnahme auf endosmotiſchem Wege, durch den ſog. Wurzeldruck ſtatt, dieſelben füllen ſich mit Waſſer, und wenn nun an warmen Tagen, zumal bei directer Inſolation die oberirdiſchen Pflanzentheile erwärmt werden, dehnt ſich die Binnenluft aus und veranlaſst einen ſtarken Druck auf das Waſſer in den Gefäßen und Faſern. Es tritt das Bluten bei etwaigen Verletzungen oder das Thränen der Baumknoſpen ein. Bäume, deren Wurzeln während des Winters bis zur Spitze von einer Korkhaut bekleidet ſind, bluten nicht, weil die Waſſeraufnahme im Winter eine minimale iſt und erſt von der Zeit an reichlicher ſtattfindet, in der neue Wurzelſpitzen, die ſog. Kraulſproßen oder Saftwürzelchen, ſich gebildet haben, die im Nachſommer und Herbſt allmählich durch die Wurzelpilze (Mycorhiza) getödtet worden ſind. Je nach Holzart früher oder ſpäter beginnt die Entwicklung der neuen Laubtriebe, die auf Koſten der in der Pflanze abgelagerten Re— ſerveſtoffe wachſen, doch beginnt auch zuerſt in den jüngſten Zweigen, dann in den älteren Baumtheilen durch die Thätigkeit des Cambiums der neue Jahresring, u. zw. ebenfalls unter Verwendung der in der Rinde und in dem äußeren Jahresringe aufgeſpeicherten Reſerve— ſtoffe. Beginn und Fortſchreiten der Cambium— thätigkeit hängt weſentlich von der Temperatur ab, unter welcher der Cambiummantel ſteht, und deshalb verzögert ſich dieſer Proceſs in den unteren Stammtheilen bei ſtarker Borke und dann, wenn der Boden durch einen Nadel- holzunterwuchs gegen Inſolation geſchützt iſt, oft um mehr als vier Wochen gegenüber der Baumkrone oder frei ſtehenden Bäumen. Die Frühjahrsthätigkeit beſteht im Weſent— lichen in der Reactivirung der ruhenden plaſti— ſchen Stoffe, der ſog. Reſerveſtoffe, und in deren Verwendung zur Neubelaubung der Bäume, die dann durch ihre Aſſimilations— thätigkeit neue Bildungsſtoffe producieren, die im Sommer ſofort zur Vergrößerung der Pflanze, im Herbſte dagegen zur Aufſpeicherung für das nächſte Jahr verwendet werden. Hg. Fruſteln nennt Allman kleine, allmählich zu einer neuen Corymorpha auswachſende Kör— perchen bei Hydroiden, welcher in einer ſchlei— migen Röhre eingeſchloſſen ſind. Kur. Frutieicola Mac Gillivray = Pra- tincola Koch. — F. rubetra Mac Gillivray, j. braunfehliger, F. rubicola, idem, j. ſchwarz— kehliger Wieſenſchmätzer. E. v. D. Fuchs, der, Canis vulpes Linns. Der deutſche Name Fuchs, gothiſch fauho, ahd. fuhs, mhd. vuhs, aldnord. fux, angel- ſächſ. fox, altſächſ. vohs, vuhs, mud. vos, iſt wie Wolf auf das aus dem griechiſchen ns entſtandene lat. Vulpes zurückzuführen, welche gemeinſame Ableitung in der Thierſage ihren Grund hat, wo der Wolf als Vetter des Fuchſes auftritt. Schon im Spätmhd. iſt Fuchs die vor- herrſchende, nur im XVI. Jahrhundert manchmal durch Fuchß oder Fux vertretene, ſeit Beginn des XVII. Jahrhunderts die allgemeine Schreib- form. In der Thierſage heißt der Fuchs (ahd.) taginohart — der Rathſtarke, dann gekürzt Ragino, Regino, Raino, Reino, Raino- hart, Reinohart, Reinhart. Hieraus ent- ſtand im Mud. als gleichſam liebkoſendes Dimi- nutiv Reineke, welcher Name als Reinecke auch in das Hd. übergieng. Raginohart kommt mit allen Nebenformen im Ahd. häufig als Mannsname vor, ja noch heute begegnet man Fuchs. 211 dem Namen Reinhard, frz. Renard; auch Reinhold dürfte als aus Reinohold, bezw. Reginohold entſtanden zu betrachten ſein. — Vgl.: Graff, Ahd. Sprachſchatz III., p. 421. — Benecke und Müller, Mhd. Wb., III. p. 360 b. — Lexer, Mhd. Hwb. III., p. 558. — Grimm, D. Wb. IV., p. 330 — 336. — Sanders, Wb. I., p. 505 b. — Schmeller, Bayr. Wb. I., p. 508. — Id. Gloss. sax.-lat., p. 37 a. — Forſtemann, Altdeutſches Namenbuch I., p. 1018, 1010. Fremdſprachliche Nomenelatur: Im Altfrz.: Verpil, voupil, voupille, goupil, gou— pille; erſt durch durch die Thierſage nach dem ahd. reginohart renard, f. renarde, ad, renar- deau; Proveng.: fox, mandro; breton.: louarn, lern, f. louarnés; ital.: volpe, golpe; dimin. volpicella, volpetta, volpieina, volpicino; ſpan.: raposo, raposa, zorro, zorra; ad. zorillo, zor- rilla, zorruela; portug.: rapozo; ad. rapo- zinho; rumän.: vulpe; holl.: vos; dän.: raef; f. raevinde; isländ.: refur, fox, foks, töa, töva, lagfota, skolle, reinicke; f. grenlaegia; ſchwed.: räf; f, räthona; angermän.: rabbä; engl.: the fox, reinard, renard; ſchott.: fod; gäl.: sion- nach, maddadh ruadh; walliſ.: cadnaw, cad- now, canddo, gwyddgun, IIwynog; corniſh.: loftek, louuern; poln.: lis; f. liszka, lisika; ad. lisie, lisiatka; böhm.: liska; ad. liste, liSticka; ruſſ.: lisica; f. lisa; ad. norka; ſerb.: liska, lisica; krain.: lesica; epirot.: xelpene; ungar.: röka; ad. rökatska; lett.: lapsa; finn.: repo, rewon, kattu ketun; ejthn.: rabbane, räbbane; lappländ.: repe, rupsok, raude, zhiä- pok, vielgak; tatar.: tulka, tylke; buchar.: tulka, tylke, tülk, kuba; barab.: tulka, tylke; tſcherem.: tilu, ribik, rub-usch; baſchkir.: tin- len; tſchuw.: tilu; kalmück.: unegu; mordwin.: riwne; wotjaf.: dsirsi; oſtjak.: locha; wogul.: oschkar; tunguſ.: schulak; ſirjän.: rutsch; ar- men.: ahwel; kamtſchatk.: tschaschea, absinges; grönländ.: kakaka, pissukeitsiak, terrianiak; malab.: roubab; perſ.: tulki; türk.: tüllki; hebr.: schual; arab.: taleb, abulhösni; ägypt.: taaleb, doren, basor; thraf.: Busosapa; ſanskrit.: lömaca. Zuſammenſetzungen: Fuchsangel, die, die Angel zum Fuchs— fange, ſ. u. Winkell, Ed. II, 1821, III., p. 133. — R. R. v. Dombrowski, Der Fuchs. p. 160. — Grimm, D. Wb. IV., p. 340. Fuchsbalg, der, die Haut des Fuchſes, ſchon mhd. vuhsbalc. Conrad v. Haslau, Der jüngeline, 694. — Gesner, Thierbud) 1606, fol. 36 v. — Döbel, Ed. I, 1746, II, fol. 141. — Göchhauſen, Notabilia venatoris, 1731, p. 285. — Chr. W. v. Heppe, Wohlred. Jäger, p. 133. — Behlen, Wmſpr., 1829, p. 60. — Lexer, Mhd Hwb. III., p. 558. — Grimm, I. c., p. 341. — Sanders, Wb. I., p. 71a. Fuchsbau, der, der Bau des Fuchſes. Täntzer, Ed. I, Kopenhagen 1682, I., fol. 110 b. Göchhauſen 1. C., p. 52, 286. — Behlen 1. c. — Grimm J. c. — Sanders J. c., p. 92 a. Fuchsbaum, der = Schlagbaum, ſofern derſelbe ſpeciell für den Fuchs in Anwendung kommt. Täntzer, 1. c., II., fol. 114. Vgl. Fiſch⸗ otterbaum. Fuchsbehälter, der, eine Umzäunung, ein Haus oder ſonſt ein Behältnis, wo Füchſe zum Zwecke des Prellens oder der Hatz lebend gehalten werden; vgl. Fuchsgarten, Fuchszwin— ger. Fleming, T. J., Ed. I, 1724, J., fol. 120 4. Onomat. forest. I., p. 960. — Behlen J. e. — Grimm J. e. Fuchsblume, die, das äußerſte Ende des Fuchsſchwanzes, ſ. Blume. „Wunderſam iſt es, daſs, wann der Fuchs kranck iſt, er Tannenhartz oder Weyhrauch freſſen ſoll, ſo er aus denen Ameyßhaufen kratzet, wovon ihm hinten eine Querhand vom Creutz auf dem Schwantz in denen Haaren eine Materie wächſet, die Fuchsblume genannt, ſo ein klein Bläsgen iſt, von allerhand Haaren bewachſen, und wie eine blaue Viole riechet, an welcher er in ſeinem Lager, weil er rund zuſammen lieget, ſtets die Naſe hat, ſolche zu ſeinem Balſam brauchet und ſich damit curieret.“ Fleming, J. F., Ed. I, 1724, I., fol. 111b. — Onomat. forest. I., p. 962. — Behlen l. e. — Grimm J. e. Fuchsbrett, das, ſ. v. w. Balgſpanner, j. deſſen Abbildung Fig. 374. G. Heniſch, Teutſche Sprach und Weisheit, Augsburg 1616, fol. 1272, 60. — R. R. v. Dombrowski J. c. — Grimm J. c., p. 342. Fuchsbrocken, der, Brocken (j d.) zum Fuchsfange. Fuchseiſen, das, Eiſen (ſ. d.) zum Fuchs— fange. Fleming, 1. c., fol. 263. — Onomat. forest. I. ce. — Behlen J. e. — Grimm J. c. — Sanders J. c., p. 359 b. Füchſeln, verb. trans. u. intrans. a) intrans. „Füchſeln will ſagen, pur auf Füchſe eine Jagd anſtellen.“ Chr. W. v. Heppe, 1. e. — Selten. b) intrans. „Wenn zur Ranzzeit die Füchſe ſich geilen, gibt es einen üblen Geruch, da ſpricht man: es füchſelt.“ Ibid. Vgl. böckſern, wildeln. 5 c) „Füchſeln nennen die Jäger auch wenn ſie einen vexieren oder etwas vorſchwatzen, das in der That nicht jo, ſondern nur ein Spaſss iſt; kurz, wenn ſie einen dummen Menſchen vor einen Narren halten.“ Ibid. — Im allgemeinen Sprachgebrauche findet das Wort gleichfalls mehrfach Anwendung, z. B. beim Kartenſpielen wo füchſeln ſ. v. w. falſch ſpielen bedeutet. — Grimm J. c., p. 342, 343. — Sanders J. c., P. 507 a. Fuchſer, der, ſchweiz., ſ. v.! Fuchshund. Stalder, Schweiz. Idiotikon II., p. 516. Fuchsfalle, die, Falle zum Fuchsfange. Grimm, 1. c., p. 343. — Sanders I. c., p 402. Fuchsfang, der, das Fangen des Fuchſes oder im Sinne von Fang I. - Fuchsgarten. Döbel 1. c., fol. 141. Fuchsfänger, der, ein Jäger, welcher ſich ſpeciell mit dem Fuchsfange befajst. Döbel J. e. fol. 144. Fuchsfeuchte, die, die Räude des Fuchſes; ſelten. „Daſs die Füchs im Sommer die Fuchs— Feucht (das iſt) die Rauden bekommen ...“ J. N. Martin, Methodus, Ulm 1731, remar- que 12 Fuchsgabel, die = Dachsgabel, Dachs— zange, wenn fie für den Fuchs verwendet wird. 14 * 212 v. Corvin, Sporting Almanach, 1844, p. 100. — Grimm J. e. Fuchsgarten, der, eingefriedeter Raum, in welchem Füchſe lebend gefangen oder dahin angeludert und durch Schlagbäume oder ſonſtige Vorrichtungen getödtet werden. Döbel J. e., II., fol. 146. — Onomat. forest. I., p. 981. — Har- tig, Anltg. z. Wmſpr., 1809, p. 107. — Behlen l. e. — Grimm J. c., p. 346. Fuchsgraben, das, das Graben des Fuchſes aus dem Bau. Onomat. forest. I., p. 983. — v. Corvin J. c., p. 96. — R. R. v. Dombrowski J. c., p. 184. — Grimm J. c. Fuchsgrrbe, die, unweidmänniſch für Fuchsbau, dan ſpeciell für den Nothbau, doch auch für dieſen denig üblich. „Man findet auch öfters in freyen ebenen Kornfeldern Fuchs— gruben, die man aber, nach weydmänniſcher Redensart, einen Nothbau nennet.“ Onomat. forest. I., p. 958. — Grimm J. e. — Sanders I. c., II., p. 632 a. Fuchshaube, die. „Fuchs haube, ein viereckiges Deckgarn auf die Fuchsbauröhren.“ Hartig, Lb. f. Jäger, Ed. I, 1812, I., p. 39. — Behlen J. c., p. 77. — R. R. v. Dombrowski I. c., p. 184. — Grimm IJ. e. Fuchshatz, die. „Fuchshetzen iſt jene Jagd, wo die Füchſe, wenn ſie vor Anbruch des Tages in den Wald gehen wollen, mit Windhunden gefangen werden.“ Behlen J. e. R. R. v. Dombrowski J. c., p. 188. — Sanders I. E, B, peo e. Fuchshund, der, ein ſpeciell in England und neuerer Zeit auch in anderen Ländern zur Fuchshetz gebrauchter Hund; ſ. „Fuchshund“. Grimm 1. c., p. 347. — Sanders J. c., II., p. 803 6. Fuchshütte, die — Luderhütte, ſoferne der Anſitz in ihr dem Fuchſe gilt. Chr. W. v. Heppe J. e. — „Fuchshütte, eine auf einem Baume angebrachte oder in die Erde eingegra— bene Hütte, in die ſich der Jäger, nachdem er in einiger Entfernung Aas gebracht hat, ſetzt, um Füchſe zu ſchießen.“ Behlen l. e. — R. R. v. Dombrowsk l. e. — Grimm 1. c. Füchſin, die, der weibliche Fuchs; ge— rechter iſt Fähe, vgl. a. Bätze. Schon mhd. vühsinne. „Vulpecula. vyehsynne.“ Gloſſ. a. d. XIV. Jahrh., Cod. ms. Vindob., no. 4535, fol. 256r. — „vühsinne“ Diefenbach, Gloss. lat.-germ., p. 6320. — Täntzer 1. c., I., fol. 108 b. — Fleming J. c., II., fol. 120. — Döbel, Ed. I, 1746, I., fol. 40b. — Winkell I. c., p. 64. — Benecke 1. c., III., p. 361 a. — Lexer 1. c., III., p. 559. — Grimm J. c., IV., p. 347. — Sanders J. c., I., p. 307 b. Fuchsjagd, die. Döbel J. e., fol. 139. — Onomat. forest. I., p. 983. — Behlen J. e. — Grimm J. e. Fuchs jäger, der, ein Jäger, der ſich in erſter Reihe mit der Fuchsjagd befaſst, oder auch ein ſolcher, dem ſpeciell die Aufſicht über ein Revier obliegt, in welchem Füchſe gehegt werden. v. Corvin J. c., p. 107. — Grimm J. c., p. 347. Fuchskanzel, die, eine Kanzel (ſ. d.), die ſpeciell zum Anſitz auf den Fuchs beſtimmt iſt. SFR Fuchs. 62 v. Schmeling-Diringshofen in Corvins Alma— nach, 1844, p. 27. Fuchs kaſten, der, Kaſten zum Trans- port lebender Füchſe, vgl. Haſen-, Hirſchkaſten. Fleming 1. e., I., fol. 236. — Onomat. forest. I., p. 983. — Behlen J. e. — Grimm J. e. Fuchskirrung, die, eine ſpeciell für den Fuchs berechnete Kirrung (f. d.). Fuchsklemme, die, Fuchslunte, die, Fuchſes, vgl. Lunte. Fuchsklapper, die, beim Treiben auf Füchſe verwendete Klapper, vgl. Hajenklapper. Grimm J. c., p. 348. Fuchsloch, das, älteſte, aber heute nicht mehr gerechte Bezeichnung für den Fuchsbau. „Quartale vnter den vuslocheren.“ Urk. v. J. 1293, b. Baur, heſſ. Urk. II., 481, 486, 741, 837. — „Fuchsloch.“ P. de Crescenzi, Deutſche Ausgabe s. I., 1493, X., 34. — Waydwergk, Augsburg 1532, e. 34. — Lexer 1. c., p. 558. — Grimm J. c., p. 349. — Sanders J. c. II., p. 150. Fuchsnetz, das. Onomat, forest. I., p. 984. — Grimm 1. C., p. 350. Fuchsprellen, das, ein veraltetes Spiel, bei welchem ein lebender Fuchs vermittelſt eines von mehreren Perſonen gehandhabten Tuches durch plötzliches ſchraffes Anziehen des— ſelben ſo oft in die Höhe geſchleudert, geprellt wurde, bis er verendete; ſ. Fuchsjagd. Fleming I. c., II., fol. 120. — Chr. W. v. Heppe J. c. — Onomat. forest. I. c. — Behlen J. e. — R. R. v. Dombrowski J. e. f - Fuchsquäke, die — Haſenquäke, d. h. ein Inſtrument, worauf man den Klagelaut des Haſen nachmacht, um den Fuchs hiedurch anzureizen. Grimm J. c., p. 30. Fuchsreizen, das, das Anreizen des Fuchſes mittelſt der Haſenquäke. Fuchsräuchern, das, das Ausräuchern des Fuchſes aus dem Bau. Fuchsriegeln, das Riegeln (ſ. d.) auf den Fuchs. Fluchtröhre. San⸗ Fuchsröhre, die = ders I. c., II., p. 777 b. Fuchsruthe, die, der Schwanz des Fuchſes, vgl. Ruthe. Onomat. forest. I., p. 988. — Grimm J. c., p. 350. . Fuchsſchleppe, die, Schleppe (ſ. d.), die zum Anludern von Füchſen zu den Fangplätzen oder zu der Luderhütte hingeleitet wird. Grimm ep 331. Fuchsſchwanz, der. Der Fuchs iſt das einzige Haarwild, deſſen Schwanz weidgerecht auch jo genannt werden kann, obwohl die Aus- drücke Lunte, Standarte, local auch Stange, Ruthe, Wedel üblicher ſind. Chr. W. v. Heppe I. c., p. 133. — Onomat. forest. I., p. 987. — Lexer J. e., p. 559. — Grimm J. e., p. 351. Fuchs ſtandarte, die, der Schwanz des Fuchſes, ſ. Standarte. Onomat. forest. J. e. Fuchsſuche, die. Hiemit bezeichnet man bei der Fuchshatz die Stelle, wo die Hunde den Fuchs aufſtöbern, alſo auch allgemeiner einen Ort, wo ſich morgens, alſo zur Zeit des Beginnes der Hatz, gerne Füchſe aufhalten. „Der wilde Stechginſter bildet die beſte Fuchs— der Schwanz des Fuchs. ſuche; allein er wächst langſam und kommt nicht auf jedem Boden fort. Will man eine bequeme und zweckmäßige Fuchsſuche anlegen, ſo bepflanze man zwei bis drei Acker eines ſon— nigen trockenen Landſtriches mit Schwarzdorn, den man verſchlingt und niederbiegt, jo daſs er nicht mehr als etwa zwei Fuß über dem Boden hervorragt. In kurzer Zeit ſind die Dornen von Gras und anderen Pflanzen dicht überzogen und die Füchſe finden einen herr— lichen Zufluchtsort, wo ſie gerne ihre Baue anlegen.“ v. Corvin 1. c., p. 130. Fehlt in allen Wbn. Fuchsſucht, die, ſ. v. w. Fuchsfeuchte, Räude; ſelten. „Es haben auch die Füchſe im Sommer gemeiniglich Alopeciam die Fuchs— Sucht dajs ihnen die Haar außfallen | der- wegen ſie zur ſelben Zeit nicht wol zu fangen ſind.“ J. Colerus, Oeconomia ruralis, 1645, fol. 580 b. — „Es haben die Füchſe auch im Sommer gemeiniglich die Fuchs-Sucht, dajs ihnen die Haare ausfallen.“ Göchhauſen J. c., p. 285. — G. Heniſch, Teutſche Sprach und Weisheit, Augsburg 1616, fol. 1273, 23. — Grimm J. c., p. 357. Fuchswitterung, die, ſpeciell für den Fuchs berechnete Witterung, ſ. d. II. — Fle— ming, 1. c., II., fol. 121. — Grimm 1. c., p. 358. Fuchswurſt, die. „Fuchs-Würſte zu machen. Dieſes dienet nur zum Spaß, eine Kurtzweile damit anzurichten, und procediret man dabey folgender Geſtalt: Mann nimmt die Därme von einem Fuchſe, nebſt deſſen Hertz, Lunge und Leber und vermengtem Ge— würtze von Kümmel, Ingwer, Pfeffer, ingleichen vom zahmen Fleiſch, hackt dieſes alles unter einander, melirt es wohl zuſammen, läſst es kochen und füllt es in des Fuchſen ſein Ge— därme. Hat nun einer eine ſolche Fuchs-Wurſt verzehrt, ſo lachen ihn dann die anderen aus, die Jäger blaſen die Hörner und bellen dazu, wie die Hunde und Füchſe; ſo hat die Herr— ſchafft ein Kurtzweile und bekommt etwas zu lachen.“ Fleming, 1. c., II., fol. 170. — Onomat. forest., I., p. 987. — Grimm J. c. Fuchszange, die — Dachszange. „Die Fuchs⸗ und Dachszangen find lang 1½ Elle und umb den Hals weit 4 Zoll.“ Täntzer, 1. c., II, fol. 132, 133. Fuchs zeug, der, Sammelname für alle zum Fuchsfange nöthigen Requiſiten. Fuchszwinger, der — Fuchsbehälter. Onomat. forest., I., p. 960. — Behlen, 1. e. — Grimm, 1. c. E. v. D. Beſchreibung und Lebens weiſe. Der Fuchs zählt zur Ordnung der Raubthiere — Carnivora — zur Gruppe der Hunde und zur Familie der Zehengänger — Digitigrada. Der ausgewachſene Fuchs erreicht eine Höhe von 36—40 em und eine Länge von 1˙30 bis 140 em von der Naſe bis zur Blume ge— meſſen. Sein Gewicht beträgt 7—10 kg. Das ſtarke, ſcharfe Gebiſs weist 42 Zähne, deren Anordnung beifolgende Formel darlegt: fer: 2. 1. 3. 4. 6. 1. 3. 1. Fü — 9 Unterkiefer: 2. 1. 4. 1. 6. 1. 4. 1. 2. RS 213 Die Pupille der Seher — Augen — zeigt eine länglichrunde Form und iſt etwas ſchief geſtellt. Die grobgekerbte Naſenhaut iſt ſchwarz, kalt und feucht. Der nach Innen gekehrte, nackte Rand der Oberlippe iſt ſeicht gefaltet, der Unterlippenrand vom Fangzahn bis zum Mund— winkel grob gekerbt. Die Lauſcher haben eine nahezu dreieckige ſpitzige Form. Der ſcharfgeſchnittene, an den Lauſchern breite, gegen die Naſe ſpitz zulaufende Kopf, der ſcheele, ſtechende Blick der ſchräggeſtellten Seher, die lautloſen elaſtiſchen Bewegungen ſeines ſehnigen Körpers kennzei nen den Fuchs als gefährlichen Räuber. Di relativ kurzen Läufe find kräftig entwickelt 1 die vorderen Zehen haben ſtark entwickelte indehäute. Die Unterſeite der Zehen iſt in ſtarken, nackten Zehenballen entwickelt, und hinter denſelben quer über die Breite der Sohle iſt ein nach der Mitte erweiterter großer Ballen eingefügt, von welchem nach vorn drei behaarte Längs— ſtreifen zwiſchen den Zehen verlaufen. Die etwas ſchmäleren und längeren Hinterbranten zeigen die gleiche Structur. Die buſchige Standarte, welche beim Schleichen und Schnüren mit der Blume den Boden ſtreift, ſtreckt der Fuchs in der Flucht wagrecht und ſchnellt ſie im Affect nahezu ſenk— recht aufwärts. Der Fuchs erfreut ſich hochentwickelter Sinne, die er meiſterhaft ſeinen Zwecken und Abſichten dienſtbar zu machen verſteht. Er be— kundet Gedächtnis und Ortsſinn, iſt ſchlau, er- finderiſch, geduldig, entſchloſſen, biſſig, gelegent— lich auch luſtig, raub- und mordgierig — ein Gauner erſten Ranges der Thierwelt. Der Fuchs verliert auch in der ärgſten Bedrängnis die kühle Überlegung — den rich— tigen Vorläufer der kühnen, raſchen That — ſelbſt nicht für Augenblicke, und wird allerorts ein Hinterpförtchen finden, oder — ſich's ſchaffen. Dies Alles zugegeben, muſs ich jedoch — geſtützt auf perſönliche Beobachtungen und viel— jährige vergleichende Studien — jenem Cultus mit entſchiedener Negation entgegentreten, wel— cher den Fuchs hoch über andere Thiere ver— wandter Art des freien Naturhaushaltes ſtellt und ihm eine Fülle von Fähigkeiten andichtet, die er thatſächlich nicht beſitzt. Die Marder, der Luchs und Wolf — die Wildkatze, erfreuen ſich nicht minder hoch ent— wickelter Sinne, und es iſt in erſter Reihe die Befehdung durch den gewaltigſten der Feinde — des Menſchen — die ſie zur äußerßen Anſpannung zwingt und ihre vielſeitige Aus— bildung vermittelt. Mutter Natur, in gleich weiſem Maße ihren Geſchöpfen gegenüber ſorgſam, hat dem Fuchs eine Bekleidung gegeben, welche nur dem oberflächlichen nicht reflectierenden Blicke auf— fällig erſcheinen wird. Die Farbe desſelben iſt vielmehr dem Colorit ſeiner eigentlichen Heimat — dem Waldboden harmoniſch angepaßt und fügt ſich mit ihren mannigfachen Abſtufungen den telluriſch-klimatiſchen Eigenthümlichkeiten in einer Weiſe an, welche ſeinen naturgeſetzlichen Sa 214 Fuchs. Lebensgewohnheiten und Bedürfniſſen förder— lich iſt. In Mitteleuropa ſind zwei Varietäten des Canis Vulpes, u. zw. der Birk- oder Roth— fuchs und der Brand- oder Kohlfuchs hei— miſch, welche ein und dasſelbe Verbreitungs— gebiet bewohnen, ſich geſchlechtlich vermiſchen, die conſtante, charakteriſtiſche Färbung des Bal— ges aber trotzdem individuell immer wieder zur Geltung bringen. Die Verſchiedenheit der Färbung ſtellt ſich wie folgt dar: Beim Birkfuchs läuft ein ſchmaler weißlicher Rand an den Oberlippen hin, um die Mundwinkel herum und ſichelförmig auf— wärts längs den Backen, breitet ſich am Unter— kiefer über Kinn und Kehle aus und verläuft in einen zugeſpitzten Streif an den Vorder— läufen. Der Brandfuchs hat dieſelbe Zeichnung in grauer, ſchwärzlich überhauchter Farbe. Die Grundwolle zeigt beim Birkfuchs eine gelblichgraue, beim Brandfuchs eine rußgraue Färbung. Dicht an die Naſenhaut ſchließt ſich glatt anliegendes, kurzes, tief braunroth ge— färbtes Haar, welches ſich gegen den Scheitel und die Backen allmählich verlängert, beim Birkfuchs ſilberweis geſtichelt, beim Brandfuchs grau überflogen erſcheint. Die Lauſcher ſind an der Wurzel hellroth, gegen die Spitze ſchwarz, nach innen grau und wollig behaart. Beim Birkfuchs bleibt die gelbrothe Fär— bung am Oberhalſe, auf einem Theil des Rückens und an den Blättern die herrſchende, während ſie an dem oberen Theile der Flanken ins braungelbe, am unteren Theile ſich von hellgelb bis zur ſilberweißen Färbung abſtuft. Das übrige Rückenhaar iſt graubraun und zeigt über der Standarte einen rothbraunen, licht— gelblich geſäumten Streif. Der Brandfuchs zeigt dieſelbe Zeichnung in dunklerer, an den unteren Theilen der Flanken in aſchgrau verlaufender Färbung. Die Standarte iſt buſchig behaart, und es zeigt ſich an der oberen Seite von der Wurzel bis gegen die Blume ein etwa 3 em breiter braunrother, dunkelbraun geſtichelter Streif, welcher in einer einzigen ſchneckenförmigen Win— dung verlauft, während ſich an der unteren Seite ein gelber, grau gefärbter Streif in glei— cher Breite hinzieht und den Zwiſchenraum der ſchneckenförmigen Windung ausfüllt. Die Blume an der Standarte des Birkfuchſes iſt weiß, jene des Brandfuchſes grau gefärbt und ſchwarz ge— ſtichelt. Auf dem oberen Theile der Standarte un— gefähr Gem von der Wurzel zeigt ſich eine kleine, mit brandrothem borſtenartigem Haar bewachſene, mit einer zähen, nach Veilchen rie— chenden Flüſſigkeit gefüllte Drüſe, welche Viole genannt wird. Die Vorderläufe ſind beim Birkfuchs gelb— roth, beim Brandfuchs dunkelbraunroth; bei erſterem an der Innenſeite mit einem weiß— grauen, bei letzterem mit einem ſchwärzlich— grauen Streif geziert, und enden in ſchwarz gefärbte Branten. Ein gleichgefärbter Streif verläuft aufwärts gegen das Kniegelenk. Die Hinterläufe zeigen die gleiche Färbung, doch iſt der letzterwähnte Streif ſchmäler und kürzer, neben welchem ſich beim Birkfuchs ein ſilberweißer, beim Brandfuchs ein ſchwärzlicher Streif bis zu den Wammen hinaufzieht. Haarfarbe und Zeichnung ſind beiden Ge— ſchlechtern gleich. Farbenvarietäten kommen zu— weilen bei Birk- und Brandfuchs vor und ſind als Spielarten zu bezeichnen ). Der gewöhnliche Laut des Fuchſes hat einige Ahnlichkeit mit dem Bellen eines ſchwä— cheren Hundes. Der kläffende Laut wird in raſcher Folge fünf-, ſechsmal ausgeſtoßen und ſchließt zumeiſt mit einem winſelnden kreiſchenden Geheul ab. Im Winter verkündet das Bellen der Füchſe zur Nachtzeit den Eintritt ſtrenger Kälte oder ſtürmiſchen Wetters. Auch während der Rollzeit, und wenn die Füchſe das kümmernde Wild auf der überfrorenen Schneefläche ver— folgen, wird jener widrige Laut vernehmbar. Während der Rollzeit läſst der Fuchs im höchſten Affeet auch einen Laut vernehmen, welcher dem Schreien der Pfauen ähnelt. Mit einer ſanfteren Modulation des Bel— lens wecken die alten Füchſe ihre halbwüchſigen Jungen, und auch dieſe verrathen durch ähn— liche Laute im Bau die Mahnungen ihrer ſtets regen Freſsbegier. Wird der Fuchs angegriffen und hart be— drängt, dann begleitet er ſeine äußerſt tapfere Vertheidigung mit einem boshaften Köckern und Murren. Ein Klagelaut wird vom Fuchs äußerſt ſelten und nur dann vernommen, wenn ihm durch einen Schuſs ein Röhrenknochen zerſplit— tert wird. Gleichwie die meiſten Raubthiere erfreut ſich auch der Fuchs einer außerordentlich zähen Lebenskraft und geht oft mit einem tödtlichen Schuſs im Leibe vom Anſchuſſe, als ließe ſein Befinden nichts zu wünſchen übrig. Oft bricht er auch im Feuer zuſammen, ein leiſes Zucken der Glieder, ein letztes Zähnefletſchen deutet auf die bereits eingetretene Agonie, und nach einer Weile erhebt er ſich plötzlich wieder und ver— ſteht es meiſterhaft, ſich weiterer Behelligung mit Blitzesſchnelle zu entziehen. Der Fuchs bewohnt zeitweilig unterirdiſche Baue, in welchen auch die Füchſin wölft. Nur gezwungen und ungern unterzieht ſich der Fuchs der mühevollen Arbeit, welche das Graben eines Baues erforderlich macht, und benützt entweder Höhlungen im Felsgeklüfte, welche er zweckentſprechend adaptiert, oder er wählt verlaſſene Dachsbaue, uſurpiert ſie auch im Nothfalle. Erdbaue haben meiſt nur einen Keſſel, ſelten mehr als drei bis vier Rohren und vor erſterem befindet ſich meiſt eine rundliche Vertiefung, die als Vorrathskammer benützt wird. Im freien Felde wie auch im Holze gräbt ſich der Fuchs häufig auch Nothbaue, welche nur aus einer etwa 60—80 em tief in den Boden ſich einſenkenden Röhre beſtehen, welche, *) S. Der Fuchs, monograph. Beitrag zur Jagd⸗ zoologie des Verfaſſers. Wien, Verlag v. C. Gerold. — Ich ſelbſt ſchoſs einſt während der Rollzeit zwei abnorm gefärbte Füchſe mit einer Doublette. Der fahlgrauen Fähe folgte dicht anbei ein Rüd vou kapitaler Stärke, welcher licht hellgelb gefärbt und ſilberweiß geſtichelt war. D. V. Fuchs. auf der entgegengeſetzten Seite oder in ſtumpfem Winkel ausmündend, an der tiefſten Stelle eine den Keſſel repräſentierende Ausweitung hat. Überbrüſtungen, Durchläſſe u. dgl. benützt der Fuchs gleichfalls zu zeitweiligem Aufenthalt. Ebenſo dienen namentlich in ſumpfigem oder Inundationen ausgeſetztem Terrain alte Wurzel— ſtöcke und hohle Bäume als Baue. In Fuchsbauen findet ſich nicht jene Rein— lichkeit, welche die Behauſung des Dachſes aus— zeichnet, und der reichliche, zu Zeiten beſon— deren Überfluſſes in Verweſung übergehende Raub verbreitet einen in weitem Umkreiſe fühl— baren mephitiſchen Geruch, und die einzelnen Röhren ſind meiſt von zahlreichen Aasfliegen umſchwärmt. . Ungeziefer jeglicher Art bleibt als After— partei im Baue zurück, wenn die Fuchsfamilie im Sommer in dichte Schonungen, in Wein— berge oder ruhige ausgedehnte Feldfluren aus— wandert, wo dann die Fähe die letzte Feile an die Erziehung ihres Nachwuchſes legt. Der Fuchs vollendet ſein Wachsthum mit Ablauf des zweiten Lebensjahres, iſt jedoch ſchon nach Ablauf des erſten fortpflanzungsfähig. Im Hinblick auf mehrfache verbürgte Erfahrungen, welchen zufolge in Gefangenſchaft gehaltene Füchſe ein Alter von 14—16 Jahren erreicht haben, dürften dieſelben in der Freiheit ein relativ hohes Alter erreichen. Die Krankheiten, welchen der Fuchs ausgeſetzt iſt, und welche meiſt tödtlich verlaufen, ſind folgende: g 1. die Räude, welche in hohem Grade anſteckend, zumeiſt das weibliche Geſchlecht befällt; 2. die Auszehrung, welche ſich durch voll— ſtändige Abmagerung kenntlich macht, jedoch mehr endemiſch auftritt; 3. die Tollwuth. Dieſe dem Hundegeſchlecht eigene entſetzliche Krankheit befällt auch den Fuchs, und es wurden häufig ſolche Erkran— kungsfälle in den ſüdlichen Alpenländern beob— achtet. Die Begattung (Rollzeit) fällt in die zweite Hälfte des Winters — Ende Januar bis Ende Februar — und auch hier üben klima— tiſche Einflüſſe ihren beſchleunigenden oder ver— zögernden Einfluſs. Die Liebeswerbung des Fuchſes findet faſt ausnahmslos während der Nacht ſtatt. Sobald die Füchſin hitzig zu werden beginnt, die Scheide anſchwillt und ſich Schweiß aus derſelben abzu— ſondern beginnt, trabt ſie unruhig umher — ſie beginnt zu rennen und alsbald folgen die männlichen Füchſe ihrer Spur. Während der Bevorzugte ſich dicht zur Seite der Fähe hält, folgen die übrigen Be— werber ſcheinbar geduldig und zumeiſt einer hinter dem anderen genau in derſelben Spur. Dieſes Rennen und Traben währt die ganze Nacht, bis endlich das Paar nebſt einigen un- — Gäſten mit Tagesanbruch zu Baue ährt. Dafs ſich — wie die meiſten Jagdſchrift— ſteller behaupten — der Begattungsact nur im Baue vollziehe, muſs ich im Hinblick auf per— ſönliche Beobachtungen negieren. 215 Der Begattungsact vollzieht ſich wie bei den Hunden, und auch die Tragzeit (60 bis 64 Tage) iſt die gleiche. Die Füchſin wählt zumeiſt denſelben Bau zum Wochenbette, welchen ſie während der Roll— zeit bewohnte, und wird in der letzten Periode der Tragzeit, während welcher ſie den Bau nicht mehr verläjst, vom Rüd mit Raub ver- ſorgt. Die Füchſin wölft vier bis ſieben, ſelten mehr Junge, welche ziemlich plump geformt und graubraun bewollt zur Welt kommen und 14 Tage blind liegen. Nach etwa vier Wochen wird das wollige Kleid der jungen Füchſe von gelblichem Stichel— haar überwachſen, doch bleibt die Färbung bis zur Zeit des Verhärens im Herbſte dunkler als jene der alten Füchſe. Die Fähe iſt eine äußerſt ſorgſame Mutter und verläſst die ſäugenden Jungen in den erſten 14 Tagen wohl nur für kurze Augen— blicke, und wird auch während dieſer Zeit vom Gatten mit Raub verſorgt. Das Gebiſs der jungen Füchſe entwickelt ſich ungemein raſch, denn mit dem Tage, an welchem ſich ihre Seher öffnen, haben bereits alle Zähnchen das Zahnfleiſch durchbrochen. Nach Verlauf von 4—5 Wochen wagt ſich die junge Sippſchaft vor den Bau, um ſich zu ſonnen und — zu balgen. Die ſorgſame Fuchs— mutter mit ihren putzigen, poſſierlichen Jungen geduldig ſpielen zu ſehen, gewährt einen inter— eſſanten Einblick in das freie Thierleben, welcher indeß mit Vorſicht und Beharrlichkeit erkauft ſein will. Der kaum zu ſättigende Heißhunger der jungen Strolche zwingt die Füchſin zu geradezu erſtaunlichen Leiſtungen auf dem Gebiete des Raubens und Mordens, wobei ſie vom Rüd unterſtützt wird. Geſtützt auf perſönliche Beob— achtungen, welche mit jenen verlässlicher Jäger übereinſtimmen, mujs ich den Anſichten der meiſten Zoologen mit entſchiedener Negation entgegentreten, welche das Vaterthier diesfalls als durchaus unbekümmert bezeichnen. Wer den Bedarf einer ſolchen aus 6 bis 9 freſsluſtigen Individuen beſtehenden Kinder- ſchar kennt, wird auch begreifen, daſs es der ohnedies geſchwächten Mutter allein abſolut un— möglich wäre, den nöthigen Raub aus der Ferne herbeizuſchleppen, da der Fuchs bekanntlich das im Umkreiſe ſeiner Niederlaſſung ſtehende Wild nicht behelligt. Dr. Theodor Hartig berichtet — um dies— falls nur ein draſtiſches Beiſpiel anzuführen — daſs in einem in der Nähe von Braunſchweig gegrabenen Bau 23 Junghaſen, ein altes Haus⸗ huhn und ein Stück Rindfleiſch von beiläufig zwei Pfund Gewicht vorgefunden wurden! Da die Mutter der noch ſäugenden Milchfüchſe vor dem Baue erſchoſſen wurde, derſelbe aber erſt drei Tage ſpäter gegraben werden konnte, war es der Rüd, welcher dem Gejammer der hun⸗ gernden Kleinen abzuhelfen bemüht war, und die Zahlen ſprechen deutlich, wie ernſt derſelbe ſeine Vaterpflichten erfaſste. Es iſt überdies erwieſen, dajs junge Füchſe auch dann Ernährer fanden, wenn die beiden 216 Fuchs. alten Füchſe am Anſitz vor dem Bau erlegt worden waren. Trotz dieſer zärtlichen, aufopfernden Sorge hat jedoch die Sache auch ihre Kehrſeite, da man gewichtige Gründe hat, dem Rüd Kindes: mord, ja ſelbſt dem unmündigen Gelichter Ge— ſchwiſtermord zur Laſt legen! Es iſt eben ein drakoniſches und dennoch weiſes Naturgeſetz, dass ſchwächliche, kranke oder verwundete Individuen der freien Thierwelt von ihrer eigenen Sippſchaft befehdet werden. Wehe dem jungen Füchslein, welches, bei der obligaten Balgerei um den Löwenantheil des von der Mutter herbeigeſchleppten Raubes erheblich ge— biſſen, nachhaltig ſchweißt. Es wird ohne Er— barmen von den eigenen Geſchwiſtern ſofort an— gefallen und in Stücke geriſſen. Die Sorgſamkeit der Füchſin für ihre in der erſten Lebensperiode noch ziemlich ſorgloſen Jungen äußert ſich auch überdies durch das hohe Maß von Schlauheit und argwöhniſcher Vorſicht, welches ſie jederzeit walten läſst, wenn ſie ſich dem Baue nähert. Es geſchieht dies nie auf geradem Wege, ſondern ſtets erſt dann, wenn ſie eine genaue Recognoscierung des Um— kreiſes von der Gefahrloſigkeit überzeugt hat. Die geringſte Beunruhigung aber veranlaſst die Mutter zum ſofortigen Verlaſſen des Baues, und ſofern die Jungen noch zu ſchwach ſind, ihr in den ſorgſam gewählten Schlupfwinkel zu folgen, dann überträgt ſie dieſelben im Rachen dahin. Sobald die Füchſin den erſten Unterricht im Haſchen herbeigeſchleppter lebender Mäuſe und Fröſche beendet hat, wobei ſie jede Ungeſchick— lichkeit durch ſcharfe Biſſe ſtraft, dann unter⸗ nimmt ſie in der Abenddämmerung Ausflüge in die Umgegend des Baues und lehrt die jun— gen Strolche für eigene Rechnung arbeiten. Sobald auch dieſer Unterricht, bei welchem ſich die Schüler in erſtaunlichem Maße befähigt erweiſen, beendet iſt, verläjst die Füchſin den Bau, welcher, von Ungeziefer aller Art über- völkert, einen kaum mehr erträglichen Aufent- halt bietet, und überſiedelt mit ihrer Familie in ausgedehnte Getreidefluren, in Weingelände und Junghölzer, wo die raſch heranwachſenden jungen Füchſe ihre Maturitätsprüfung mit für die Niederjagd höchſt empfindlichem Erfolge ab— legen. Im Herbſte löſen ſich die Familienbande, und die jungen Füchſe liefern ausnahmslos und allerorts den Beweis, daſs ſie dem Kampfe ums Daſein vollkommen gewachſen find, Der Fuchs iſt ein grauſamer und nimmer— ſatter Mörder und entwickelt beim Rauben ein Maß von Liſt, welches in der Hochſchule unaus— geſetzter Anfeindung durch ſeinen gewaltigſten Gegner, den Menſchen, die Stufe der Über— legung erreicht und mit Urſachen und Wir⸗ kungen rechnet. Er iſt auch ein Feinſchmecker und verſteht es, ſeinen Nährbedarf durch die verſchiedenartigſten Gerichte zu befriedigen. Als Freund des Honigs gräbt er eifrig nach Weſpen und Horniſſen, er raubt vom Haar- und Flug- wild alles was er zu bewältigen vermag, frijst die kleinen Nager mit Vorliebe, desgleichen Kröten, Fiſche, Krebſe, Schlangen, Inſecten und Gewürme aller Art und in allen Entwicklungs— ſtadien, Stein-, Kern- und Beerenobſt und von Fall zu Fall auch — ſeinesgleichen! Die Feinde des Fuchſes, d. h. ſolche, welche ihm gefährlich werden, ſind in ſeiner mitteleuro— päiſchen Heimat nicht eben zahlreich. Neben ſeinem gewaltigſten Feinde, dem Menſchen, be— fehdet ihn vom Haarraubwilde der Wolf und Luchs, vom Flugraubwilde der Steinadler und der Uhu. Sein Nutzen und ſein Schaden gab und gibt reichlich Anlaſs zu völlig extremen An— ſchauungen, die ich, des engen Raumes wegen, hier nur mit einem draſtiſchen Beiſpiel illu— ſtrieren will. Ein Landmann begegnet dem Jäger am Acker und macht ihm Vorwürfe, dajs er die beſten Freunde des Ackerbauers — die Mäuſevertilger — die Füchſe, ſo ſchonungslos verfolge, und als der Geſcholtene am Heimwege an dem Gehöfte desſelben Landmannes vorbei— geht, dankt ihm die Gattin desſelben mit herz— lichen Worten, daſs er die ärgſten Feinde ihres Geflügels ſo ſehr vermindere! — Das Rechte liegt wohl im allgemeinen auch hier in der Mitte, doch wird der Mittelpunkt von Fall zu Fall und mit Rückſicht auf die localen Ver⸗ hältniſſe nach rechts oder links zu ver— legen ſein. Das Verbreitungsgebiet der vorbe— ſchriebenen zwei Arten des Canis Vulpes — u. zw. des Birk- und des Brandfuchſes — Canis Vulpes vulgaris L. und Canis Alopex L., umfaſst die gemäßigten Himmelsſtriche und reicht nördlich bis an die Grenze der Holzvege— tation. Die Anatomie des Fuchſes findet in dem Werke: Medic. Zoologie von Brandt und Ratzeburg eine eingehende Beſchreibung, und muſs ich mich im Hinblicke auf den knapp be— meſſenen Raum hier nur auf den Hinweis be- ſchränken. Der Bau des Schädels findet ſich auf Tafel „Fiſchotter und Fuchs“ dargeſtellt. Jagd und Fang. Die Jagd auf den Fuchs zerfällt in ver— ſchiedene Methoden und wird: J. a) am Bau durch den Anſitz da⸗ ſelbſt, b) durch das Ausſprengen aus demſelben und c) durch das Graben; 2. durch das Antreiben; 3. auf dem Anſtande am Wechſel oder in der Luderhütte und 4. durch das Anreizen betrieben. 5. Die Jagd zu Pferde a) mit Wind⸗ hunden, b) mit der Fuchs meute. ad 1 a. Im Frühjahr, ſobald die jungen Füchſe jo weit erſtarkt find, dafs fie zeitweilig den Bau verlaſſen, um ſich in unmittelbarer Nähe desſelben die Zeit mit Spielen und Balgen zu kürzen, empfiehlt ſich der Anſitz an ſolchen Bauen, wo das Graben unzuläſſig er- ſcheint. Die Nachſchau am Baue muſs mit großer Vorſicht ausgeführt werden, da die Füchſin, ſoferne ihr Anlaſs zum Argwohn geboten wird, den Bau mit ihrer Deſcendenz ſofort verläjst. Als Anſitz wird am zweckmäßigſten das untere Geäſte eines Baumes gewählt, von welchem l Fuchs. 217 aus man die Hauptröhren überſehen und be— ſchießen kann. Zumeiſt kurz nach Sonnenuntergang und in der Morgendämmerung werden die ihren Jungen Raub zubringenden alten Füchſe dem Baue und ſtets mit argwöhniſcher Vorſicht zu— wechſeln. Zumeiſt wittern die jungen Strolche bereits die erſehnte Mahlzeit, und der herbei— geſchleppte Raub wird ſofort vor dem Baue in Stücke geriſſen. Hiebei bietet ſich die Ge— legenheit zu erfolgreichem Schuſſe, und der weidgerechte Jäger wird nicht ſäumen, ſobald er die ernährende Mutter und eventuell einen Theil ihrer Deſcendenz erlegte, auch den Reſt der Sippe ſofort durch das Graben des Baues und, wo dies unzuläſſig erſcheint, durch an die Röhrenmündungen gelegte Eiſen zu erbeuten. ad 1 b und c. Das Vorgehen bei dieſen Jagdmethoden fand bereits in den Eſſays „Dachshund“ und „Dachs“ (ſ. d.) eine ein⸗ gehende Erörterung. Die wichtigſte Vorarbeit diesfalls iſt die ſorgſame Reviſion der im Re— viere vorhandenen Haupt- und Nothbaue. Zeigen ſich dieſelben friſch befahren, dann be— ſetzt man die Hauptröhren, nachdem die übrigen raſch verlegt wurden, mit verläſslichen Schützen — zwei genügen zumeiſt — und läſst dann den Dachshund einfahren. Die Schützen müſſen lautlos ihre Stände einnehmen und ſich daſelbſt auch dann völlig ruhig verhalten, wenn der Fuchs — was zu— meiſt geſchieht — bald nach dem Einfahren des Hundes flüchtig den Bau verläſst, da ſich in demſelben, insbeſondere während der Rollzeit, häufig zwei und mehr Füchſe befinden. Es iſt zunächſt von den Eigenſchaften des eingefahrenen Hundes abhängig, ob die Füchſe zum beſchleu— nigten Verlaſſen des Baues gezwungen werden. Der ferme Hund wird den Fuchs nur behelligen und nicht angreifen, wodurch dieſer zu raſcher Flucht aus dem Baue veranlaſst wird, während allzu ſcharf und aggreſſiv vorgehende Hunde den Fuchs zu energiſcher Gegenwehr zwingen und ihn hiedurch mehr hindern als veranlaſſen den Bau zu verlaſſen. Der Fuchs trachtet in ſolchem Falle eine im Rücken gedeckte Poſition einzu— nehmen, verläſst dieſelbe keineswegs, und es muj3 dann ein Einſchlag gemacht werden, um desſelben durch das Graben habhaft werden zu können. 2. Das Antreiben. Der Fuchs wird im Antreiben vom revier— und fachkundigen Jäger trotz ſeiner vielfach und zum Theil über Gebür gerühmten Schlau— heit weit ſicherer zu Schuß gebracht werden, als die meiſten übrigen Haarwildarten. Der Fuchs wird mit ſeinen äußerſt ſcharfen Sinnen ſofort die nahende Beunruhigung wahrnehmen und trachtet ſo raſch als thunlich das Treiben, in welchem er ſich geſteckt hat, auf den ihm vertrauten Wechſel zu verlaſſen und eben dieſe ſtets geübte Vorſicht führt ihn vor das Rohr des erfahrenen Jägers. Werden nun die Fuchs— wechſel, welche dem Jäger bekannt ſein müſſen, beſetzt, dann wird der Fuchs auch meiſt ſicher zu Schuß kommen. Da es ſich jedoch keines- wegs nur um das Beſchießen des heranſchlei— chenden oder flüchtigen, häufig auch blitzſchnell umſchlagenden Fuchſes, ſondern um das Erlegen desſelben handelt, muſs der Schütze neben ruhigem Verhalten auf dem Stande über ein ſchnelles und ſicheres Handhaben der Schuß— waffe verfügen. Das vorzeitige Anſchlagen, wenn der Fuchs, wie etwa in raumen alten Beſtänden oder ent— laubtem Gehölz, ſchon früh außer Schuſsweite ſichtbar wird, halte ich, trotzdem es vielfach empfohlen wird, für durchaus verwerflich. Der Arm erlahmt in dieſer Haltung ſchon nach wenigen Minuten, die zitternde unſtete Bewe— gung theilt ſich der Waffe mit und — ein Fehl— ſchuſs iſt dann in der Regel der ganze Effect. Weit beſſer iſt es ruhig und gelaſſen den Augen— blick abzuwarten, bis der Fuchs im Schuſßs— bereich iſt, dann raſch anzuſchlagen, ſcharf, der Bewegung des Wildes Rechnung tragend, ab— zukommen und Feuer zu geben. Langſame Ziel— ſchützen werden die Fuchslunte ſtets nur in flüchtigem Abſchiedsgruß, nicht aber mit jener die Agonie andeutenden letzten Bewegung, auf— wärts — abwärts, winken ſehen. Das Einholen des erlegten Fuchſes auf den Stand während des Treibens iſt dort rathſam, wo man das Terrain nicht überſehen kann. Irrig iſt die Meinung, daſs, wenn der Trieb ſeinem Ende naht, kein Fuchs mehr zu erwarten ſei. Wenn es auch in der Regel zu— trifft, daſs derſelbe unmittelbar nach Beginn des Treibens rege und flüchtig wird, zuweilen auch ſchon vor demſelben, ſo geſchieht es doch auch häufig, daſs ſich der Fuchs im Treiben nahe der Schützenſtände drückt und erſt dann flüchtig wird, wenn die Treiber dicht heran— kommen. Für unerfahrene und unaufmerkſame Schützen pflegt er dann — ſelbſt bei genügendem Ausſchuſs — meiſt „zu kurz“ zu ſein. Mit beſtem Erfolge werden beim Treib— jagen auf Füchſe Lappen angewendet, und ich darf, geſtützt auf comparative Proben, die von mir für Lappjagen jeglicher Art eingeführten „Wimpellappen“ beſtens empfehlen, deren An- fertigung billig und einfach iſt. Man wählt echtfärbige Baumwollſtoffe (Fahnen- und Flaggenſtoff) in zwei auffälligen Farben ſchwarz und gelb oder roth und reißt ihn fadengerade in etwa dreifingerbreite, 1½ bis 2m lange Streifen. Dieſe Streifen werden in Intervallen von je 40—50 em in leichte Rebſchnüre derart eingeknüpft, daſs je vier zweifärbige Wimpel frei herabhängen; es genügt auch die Wimpel derart zu theilen, daſs in den vorangeführten Zwiſchenräumen nur je zwei Wimpel eingeknüpft werden, indem man die farbigen Streifen in die Hälfte ſchneidet. Die Rebſchnüre für dieſe Zwecke läſst man in der Länge von 100 m anfertigen und werden die— ſelben nur einfach in halbmeterlangen Schleifen aufgenommen und mit dem Endſtücke geknüpft. Dieſe Lappen haben vor allen bis nun in Ge— brauch ſtehenden folgende Vorzüge: a) Sind dieſelben leicht transportabel, nehmen im Vergleiche mit Federlappen kaum den vierten Theil an Raum in Anſpruch und machen die unbequemen Haſpel vollkommen entbehrlich. 218 b) Genügen 2—3 Männer, um raſch und lautlos mehrere hundert Currentmeter zu ver— ſtellen, indem ein Mann die Lappen aus dem Bunde löſet und der zweite dieſelben im Holze, u. zw. auf der dem Treiben gegenüberſtehenden Anwand am Geäſte in Bruſthöhe aufhängt. Soferne kahle Stellen verlappt werden müſſen, genügen 2m hohe, leichte, am unteren Ende zugeſpitzte, am oberen eingekerbte oder gabelnde Stöcke, um auch ſolche Strecken raſch verlappen zu können. e) Die Wimpellappen find, gegen den leiſeſten Luftzug empfindlich, in ſteter Bewe— gung und werden von jeder Gattung Wildes reſpectiert. Mit Rückſicht auf den Wind, die bekannten Wechſel und die Zahl der verfügbaren Schützen wählt und beſetzt man die Stände, während die Lappen geſtellt werden. Zu beiden Seiten der Stände verſtellt man ſelbſtverſtändlich auf eine Entfernung von je 60 Schritten nicht, um den Fluchtverſuch des Fuchſes an dieſen Stellen zu begünſtigen. Wird das Beſtatten verläſslich, das Beſetzen der Stände und das Einlappen mit Vorſicht und Vermeidung jeglichen Lärmens ausgeführt, dann wird der eingelappte Fuchs auch ſicher zu Schuſs gebracht und nur in ſeltenen Fällen eine Fehljagd gemacht werden. In dicht verwachſenen unwegſamen Re— vierdiſtricten leiſten gut eingejagte, nicht weid— laute Dachs- und Wildbodenhunde vor— treffliche Dienſte bei der Fuchsjagd, welche ſich dann unter dem Geläute der auf der friſchen Spur ſcharf jagenden Hunde ungemein ſpan— nend geſtaltet. Indes iſt bei dieſer Jagdmethode im höchſten Maße ruhige Wachſamkeit und volle Schuſsfertigkeit vonnöthen, da der rege gemachte Fuchs meiſt nicht nur flüchtig, ſondern erfahrungsgemäß ſtets an der unbequemſten Stelle den Schuſsbereich paſſiert. ad 3. Der Anſtand auf dem Wechſel wird nur in jenen Revieren erfolgreich ſein, deren unwegſame Terrainverhältniſſe einerſeits und anderſeits die ungeſtörte Ruhe den An— ſtand nächſt jenen ſchmalen Päſſen begünſtigt, welche man gezwungene Wechſel nennt. Auch in den Waldrevieren der Ebene und des Mittelgebirges wird der aufmerkſame Jäger bald den Wechſel des Fuchſes auskundſchaften, welchen er beim Austreten auf die Ackerfluren zu benützen pflegt, um daſelbſt zu mauſen. Der Anſtand nächſt ſolcher Wechſel wird in Diſtricten, die keiner häufigen Beunruhigung unterliegen, namentlich an nebligen Herbſt— morgen gleichfalls erfolgreich ſein. Auch das Anreizen der Füchſe mittelſt der Haſenquäcke, ſoferne dieſe den Angſt- und Schmerzlaut täuſchend wiedergibt, begünſtigt ein erfolgreiches Bejagen des Fuchfes. Genaue Localkenntnis im Revier und ſorgſame Wahl des Standes, welcher die nöthige Deckung ſo— wohl wie thunlichſt weiten Ausblick gewährt, ſind nothwendige Vorbedingungen für dieſe im allgemeinen wenig gekannte und ſehr anregende Methode der Einzeljagd. Auch das Mäuſeln — die Nachahmung ihres quickenden Lautes — wird den umherſchleichenden Fuchs in den Schuſsbe— reich locken. ſteht darin, | Bujchwerf, l Fuchs. Der Anſtand in der Luderhütte. Gut, d. h. unauffällig gebaute Uhuhütten können, ſo⸗ ferne ſie entſprechend ſituiert ſind und man den Bau eigener Luderhütten vermeiden will, für dieſe Jagdmethode adaptiert werden. Ein Pferd oder Schaf, auch friſches Fall— wild ſind die beſten Köder. Vortheilhaft iſt es mit dem Geſcheide des ausgelegten Köders in weitem Umkreiſe um die Luderhütte ein Ge⸗ ſchleppe zu machen. Der vielfach in der Jagd— literatur vertretenen Anſicht, daſs es vortheil— haft ſei, den beim Luder erlegten Fuchs ſofort einzuholen, muſs ich, auf gegentheilige Erfah— rungen geſtützt, entgegentreten. Ein zweiter dem Luderplatze zuwechſelnder Fuchs wird keineswegs durch den erlegten Ge— noſſen, ſicher aber durch das Einholen desſelben vergrämt. ad 3 a. Die Jagd zu Pferde mit dem Windhunde wird nur in Revieren der Ebene, welche von bruchigen, mit Röhricht bewachſenen Stellen durchſchnitten ſind, mit Erfolg betrieben werden. Ein gut fundamentiertes, ausdauerndes Pferd, beherzte auf den Fuchs eingejagte Wind— hunde ſind nothwendige Vorbedingungen für die intereſſante und anregende Jagdmethode. Während der berittene Jäger mit ſeinen Hunden mit Rückſichtnahme auf die Terrainverhältniſſe ſeinen Stand wählt, wird das Röhricht durch einige verläſsliche Treiber oder auch unter Bei— hilfe von Dachshunden beunruhigt. Der heraus— wechſelnde Fuchs wird dann ſofort von den Windhunden aufgenommen, wobei der berittene Jäger beſtrebt fein muſs, demſelben den Rück— wechſel in den Schutz des Röhrichts zu ver— legen. ad 5 b. Die Jagd auf den Fuchs im Sattel mit Beihilfe der Meute gehört wohl nicht in den engeren Rahmen des Weidwerkes, ſoll aber dennoch mit Rückſicht auf Vollſtändigkeit in knappen Umriſſen behandelt werden. Die qualitativen Vorbedingungen des Fuchs— jägers vom Sattel ſind: 1. geſunde Nerven und Lungen, kräftige Glieder; 2. Umſicht und Beherztheit; 3. ein feſter Sitz im Sattel, eine ruhige Hand im Zügel; ferner 4. ein kräftiges, gut fundamentiertes, nicht bodenſcheues Pferd; und 5. eine gut eingejagte, correct geführte und botmäßige Meute. Ein theures Pferd, ein rother Frack oder knappes Reitkleid ſind wohl zu beſchaffen, was aber darauf und unerläſslich hinein gehört und in den vorangeführten Punkten 1—3 namhaft gemacht iſt, kann nicht gekauft werden, das muſs eben da ſein. Dieſe ſpecielle Art der Parforcejagd, welche ſich allmählich aus dem „Überland— Jagen“ des Mittelalters, ſpeciell in England zu einem Na- tionalſport und zugleich zu hoher wirtſchaft⸗ licher Bedeutung ausgebildet hat, wird auch am Continent, wo ſich diesbezüglich ein ge— eignetes Jagdterrain findet, ausgeübt. Sie be— daſs man mit Hilfe der Meute Feldgehölze oder Röhricht nach 525 Fuchs. 219 Füchſen abſucht, nachdem tagsvorher in weitem Umkreiſe die im Gehege vorhandenen Baue durch Dachshunde oder Fox-Terriers beun— ruhigt, deren etwaige Bewohner ausgeſprengt und nachher die Röhren verſchlagen wurden. Die Meute nimmt dann, wenn ſie die warme Spur anfällt, dieſe auf und verfolgt ſie. Nun gilt es, den Fuchs geſchickt zu lancieren und von der Deckung ab, ins freie Feld zu drängen, wo er dann meiſt nach kurzem ſcharfem Ritt (run) von der Meute erreicht, geſtellt und dann erbeutet wird. Es gilt indes auch hier der Weidſpruch, daſs wohl „alle Tage Jagd— tag, nicht aber Fangtag“ ſei. Der Chef und Leiter des ganzen Jagd— apparates iſt der „Maſter“, ein Gentleman, welcher als guter und gutberittener Sports— man Umſicht mit voller Terrain- und Sach— kenntnis verbindet. Dieſem zunächſt im Range ſteht der „Huntsman“. Er iſt Jagdbeamte, führt die Oberaufſicht über die Hundezwinger, muſs mit der Meute, dieſe mit ihm vertraut ſein, und beſorgt das Einjagen und die Führung der Meute. Dem Huntsman unterſtehen die „Whip— pers-in“ — wörtlich Einpeitſcher — denen beim Jagen die ſchwierige Obliegenheit zufällt, die ſtrategiſche Führung der Meute zu beſorgen und dieſe im Zaum und Zügel zu erhalten. Wird der Fuchs von der Meute erreicht und geſtellt, dann iſt es die Aufgabe des Hunts— mans raſch aus dem Sattel zu ſpringen und den Fuchs durch einen Schlag zu tödten, wäh— rend die Meute abgepeitſcht wird. Nachdem der Huntsman die Fuchslunte (Standarte) „brush“ abgeſchnitten und den erbeuteten Fuchs eine zeitlang in der Luft ge— ſchwenkt hat, ſchleudert er denſelben unter die Meute. Schuſszeichen: 1. Klagt der Fuchs, d. h. kreiſcht er im Schuſs vernehmbar, dann iſt ein Röhrenknochen zerſchmettert, und man wird gut thun, ſofort den zweiten Schuß abzugeben. 2. Stößt der Fuchs im Anſchuſs einen käckernden Zornlaut aus, und fährt er biſſig nach einer der Keulen, dann ſitzt der Schujs meiſt daſelbſt oder weidwund; man ſpare auch hier nicht den zweiten Schuſßs. 3. Verlangſamt der beſchoſſene Fuchs ſeine Flucht und hält er den Kopf geſenkt, dann iſt er tödtlich getroffen und geht nicht mehr weit. 4. Fährt der Fuchs mit dem Kopfe am Boden hin, dann zeichnet er einen tödtlichen Schuſs und wird nach einigen taumelnden Fluchtverſuchen zuſammenbrechen. 5. Bricht der Fuchs im Feuer zuſammen, wobei die Läufe gleichzeitig ihren Dienſt ver— ſagen, dann iſt die Function der Nervencentren gelähmt und er verendet ſofort. 6. Überſchlägt ſich derſelbe im Feuer, be— wegt aber die Läufe, dann kann er am Kopfe oder an der Rückenwirbelſäule nur gekrellt ſein; man ſpare deshalb den zweiten Schujs nicht. 7. Schwenkt er im Anſchuſßs mit einer ſchwer zu beſchreibenden Weiſe die Standarte, dann iſt er ſicher gefehlt. Den angeſchweißten oder im Eiſen gefangenen Fuchs tödtet ein derber Schlag auf die Naſe ſofort. Der Fang. 1. In Eiſen, u. zw.: a) im Schwanenhals, b) im Tellereiſen, e) in Klappfallen, d) mit der Angel, e) in Fallgruben. ad a. Der Fang mit dem Schwanenhals, dem ſog. Berliner Eiſen, iſt deshalb in erſter Reihe zu empfehlen, weil der Fuchs in der Regel am Halſe gefaſst wird. Der Schwanenhals wird in folgender Weiſe geſtellt: Nachdem man das Eiſen mit der Feder auf ein etwa 8 em hohes Holzſtück aufgelegt hat, kniet man vor dem Bügelwirbel nieder, faſst mit jeder Hand einen Bügel und drückt beide ſo weit aus einander als dies die Con— ſtruction zuläſst. Es iſt hiezu neben praktiſcher Übung ein ziemlicher Kraftaufwand erforderlich, und rathſam, ſobald die Bügelöffnung es zu— läſst, ſofort ein Knie einzuſchieben. Sobald nun die Bügel horizontal liegen, hält man ſie mit Beihilfe beider Knie in dieſer Lage feſt und legt zur Sicherung den Keil in die Feder. Hierauf ſchlägt man die hinter den Bügeln an der Stellung befindliche kleine Zunge oben hin— über und unter die große am Bügel befeſtigte, drückt letztere feſt auf die erſtere, legt hiernächſt die obere zwiſchen den Stellungshaken einge— ſchraubte Zunge, an welcher ein rundlicher Knopf befindlich iſt, an jene große am Bügel befeſtigte, drückt endlich das hinten an der Stellung herunterhängende Züngelchen hinauf— wärts, dann das vorne zunächſt an den Bügeln am unteren Theile des Schloſſes herunterhän— gende Häkchen feſt daran, und nun iſt das Eiſen fängiſch geſtellt. Fig. 368, 369 und 370 veranſchaulichen den Schwanenhals und ſeine Beſtandtheile. Das für den Fang taugliche, richtig con— ſtruierte Schwanenhalseiſen muſs, wie folgt, beſchaffen ſein: 1. Mujs die Feder jo ſtark ſein, dass die Bügel nicht nur ſchnell zuſammenſchlagen, ſon— dern auch das Eiſen beim Zuſchlagen in die Höhe ſchnellt; 2. müſſen die Bügel, wenn das Eiſen ge— ſchloſſen iſt, vollkommen dicht aufeinanderpaſſen und, ſobald es geſtellt wird, ein wenig unter der Horizontallinie ſtehen; 3. darf die Röhre, durch welche der Ab— zugfaden geht, bei geſtelltem Eiſen nicht ſteil aufwärts gerichtet ſein; 4. muſs der Abzug ſo empfindlich ſtellbar ſein, daſs der leiſeſte Ruck am Abzugsfaden das ſofortige Zuſchlagen zur Folge hat; 5. dürfen die Wirbel vorne an den Bügeln nicht vernietet, ſie müſſen durch Schrauben und Muttern verbunden werden, da im erſteren Falle die Wirbelgelenke nicht gehörig gereinigt werden können. Eine Hauptbedingung bei der Behandlung und dem Gebrauche der Eiſen iſt die ſorgſamſte Reinlichkeit. Die Eiſen müſſen gänzlich roſtfrei erhalten werden. Vor und nach dem Gebrauche ſind die— ſelben mit reinem Waſſer und feinem Sande ab— Zzureiben, dann mit heißem Waſſer abzuſpülen 220 und mit einem reinen Lappen, welcher von jedwe— dem Seifengeruch frei ſein ſoll, abzutrocknen. Der geeignetſte Zeitpunkt für die Verwen— dung des Schwanenhalſes beginnt im Novem— ber und endet mit Beginn der Rollzeit, da bei Eintritt derſelben der Fuchs kaum mehr Kirr— brocken annimmt. Winterſaat und Brachäcker, welche in un— mittelbarer Nähe von Holzungen liegen und welche der Fuchs vor dem Schneefall im Spät— herbſte gerne beſucht, um daſelbſt zu mauſen, ruhige und abſeit liegende kleine Waldwieſen, ferner Teichränder bieten die geeignetſten Fang— plätze; desgleichen Hutweiden, die mit Wach— Fuchs. den Waldrand. Nun macht man etwa 4 em vom Eiſen ab und rings um dasſelbe einen 810 cm tiefen Einſchnitt und in gleichem Ab— ſtande wie oben auch innerhalb der Bügel rings bis zum Abzugsrohr einen gleich tiefen Einschnitt. Der letztere muſs nun jo weit nach vor— wärts fortgeſetzt werden, daſs derſelbe etwa 2% cm vor dem Rohre zwickelförmig ausläuft. Nachdem man dann von einer Seite des Federſchnittes zur anderen dicht hinter der Stellung quer durchgeſchnitten hat, arbeitet man, nachdem das Eiſen beiſeite gelegt worden, die Erde aus dem Raume zwiſchen den Bügel— Fig 369. Detail der Stellvorrichtung bei ge— ſtelltem Eiſen. Fig. 368. Schwanenhals, abgeſtellt. holder und Geſtrüppe bewachſen ſind und an Waldbeſtände angrenzen. Die Fangplätze müſſen bei Zeiten herge— richtet werden, jo zwar, daſs, wenn ſich ein Fuchs gefangen hat, man dieſen Fangplatz einige Zeit frei laſſen und das Eiſen an einem anderen Orte legen könne. Nachdem man das Eiſen zu Hauſe fangbar geſtellt und den Sicherheitsſtift feſtgebunden hat, nimmt man dasſelbe auf einen ſchnitten mit Einſchluſs des Röhrenzwickels mit der Hacke rein heraus, ſo daſs die Vertiefung eine gleichmäßige vorangeführte Tiefe von 8 bis 10 em habe. In gleicher Tiefe wird dann die Erde auch zwiſchen den Federſchnitten, wo der rückwärtige Theil der Stellung einzubetten iſt, ausgehoben. etwa meterlangen Hakenſtock, doch jo, dass die Seite, nach welcher die Bügel zuſchlagen, auswärts gewendet iſt, auf die Schulter und begibt ſich zum Fangplatze. Zu entſprechender Herrich— tung des Fangplatzes ſind fol— gende Geräthe vonnöthen: a) ein ſcharfes Meſſer mit ſtarker Klinge; b) eine kurzſtielige breite Hacke, die über der Schneide etwas krumm gebogen iſt und am Kopfe in eine der Länge nach gerichtete Schneide ausgeht. Die— ſelbe iſt bei Froſtwetter unent— behrlich; c) ein Beſen aus Birken— reiſig; d) ein Henkelkorb aus Wei— dengeflecht; beide nur für dieſe Zwecke zu verwenden. Das Eiſen legt man nun auf dem Fang— platze derart nieder, daſs der vordere Theil der Bügel nach jener Seite gerichtet ſei, von welcher der Fuchs aller Wahrſcheinlichkeit zu— folge herankommt; ſomit in der Regel gegen Fig. 370. Fuchs im Schwanenhals. In berastem Boden ſchürft man die Gras— narbe zwiſchen dem Einſchnitt zur Feder etwa 2½ em ſtark in einem Stücke ſorgſam ab, legt es beiſeite und vertieft auch hier gleichfalls auf 8—10 cm. Fuchs. Auf Ackern, an ſchlammigen Uferrändern oder in loſem Sande nimmt man das Erd— reich auch zwiſchen dem Federeinſchnitt zur Gänze heraus. Sobald dies alles geſchehen iſt, wirft man die ausgegrabene Erde bis auf die letzten Krümchen in den Korb, legt das abgeſchürfte Raſenſtück wieder in den für die Feder be— ſtimmten Raum zurück und ſchüttelt den Inhalt des Korbes etwa 40 Schritte hinter dem Fang— platze aus. Eine Hauptregel iſt es, ſtets nur von jener Seite dem Fangplatze zu nahen, die jener, von welcher muthmaßlich der Fuchs kommt, gegenüberliegt. Das Umhertreten rings um den Fang— platz, das Tabakrauchen oder Ablegen des Rockes etwa daſelbſt iſt ſorgſam zu ver— meiden. Ich habe mir erlaubt, mit einiger Um- ſtändlichkeit dieſe Vorarbeiten zu beſchrei— ben, und rechtfertige dieſe Ausſchreitung mit der Bemerkung, daſs von der ſorgſa— men, ja pedantiſchen Ausführung derſelben der Erfolg abhängig iſt. Witterungen und Fangbrocken. Die Anſichten, ob Witterungen zum Fange nothwendig oder entbehrlich ſeien, ſind getheilt, und zwiſchen Extremen findet ſich das praktiſch Empfehlenswerte. Ich habe ſelbſt den Fang mit blankem unver- witterten Eiſen erprobt, anderſeits aber habe ich wie bei verſchiedenen Wildgattungen auch beim Fuchs die Beobachtung gemacht, dajs ihm gewiſſe Gerüche verlockend, andere dagegen gründlich abſtoßend erſcheinen. Daſs in letzterer Beziehung die Witterung des Menſchen den erſten Rang einnimmt, wird derjenige am zu— verläſſigſten glauben, welcher etwa die pedan— tiſche Sorgſamkeit, Sauberkeit und Vorſicht beim Legen der Eiſen für überflüſſig hält. Unter die erſtere Art der Witterungen iſt trockener Pferdedünger einzureihen, welcher beim Einbetten und Verdecken der Eiſen in erſprieß— licher Weiſe folgende Verwendung findet. Im Herbſte laſſe man an jene Orte, welche zu Fangplätzen beſtimmt ſind, je einen Schieb— karren Pferdedünger abführen und breiten, daſs derſelbe etwa 6em hoch den Fangplatz bedecke, und beködert denſelben, ohne das Eiſen zu ſtellen, mit Haſengeſcheide u. dgl. Eine acht— ſame Nachſchau wird dann auch den richtigen Zeitpunkt finden lehren, an welchem das Eiſen fängiſch zu ſtellen ſei. / Eine empfehlenswerte alterprobte Mirtur zum Verwittern der Fangeiſen, welche in jeder Jahreszeit ihre Schuldigkeit thut, iſt folgende: Man zerläſst 140 g friſches Schweinefett oder ungeſalzene Butter in einem neuen, reinen Tiegel und fügt 0˙3 g Bibergeil, 0˙2 g weißen Kampfer, etwa zwei Priſen Baldrianwurzel, 0,1˙g Zibeh, (NG Moſchus hinzu und läſst dieſes Gemenge ſchmoren, bis es ſich leicht bräunt. Dann wird es durchgeſeiht und an einem kühlen Orte aufbewahrt; es hält ſich ein halbes Jahr lang. Als Fangbrocken verwendet man am zweck— mäßigſten Katzenfleiſch, welches mit einer Zuthat 221 von geſtoßenem Foenum graecum (wie dies beim Schweinefleiſch geſchieht) eingepöckelt wird, wobei jedoch jedwede andere Zuthat entfällt. Das in etwa 25 mms haltende Würfel zertheilte Fleiſch wird dann unter Zuthat von etlichen Scheiben von weißer Zwiebel in Gänſefett oder ungeſalzener Butter gebraten. Die Brocken bleiben zwei Wochen lang brauchbar. In Gänſe— fett gebratener Häring, im Nothfalle gebratene Wildleber, können als Surrogate empfohlen werden. Das Stellen des Eiſens zum Fange darf ich wohl hier übergehen, da die Beſchreibung Fig. 371. Tellereiſen. des diesfälligen Verfahrens ſeitens der Er— zeuger den Beſtellungen beigegeben wird und der ſpeciellen Conſtruction und ihren mannig⸗ fachen Abänderungen angepaßt iſt. b) Der Fang mit dem Tellereiſen. Die Grundlage dieſes Fangapparates bildet ein ſtarker Eiſenkranz, an welchem das Ende einer Schlagfeder befeſtigt iſt, deren anderes Ende zur Aufnahme der Bügel mit einer viereckigen Lücke verſehen iſt (Fig. 371 und 372). Die Bügel ſind halbkreisförmig der Größe des Kranzes conform und durch Kurbeln ver— bunden, jo zwar dafs ſie ſich auf dem Kranze aus— einander legen oder auch über demſelben durch eine Viertelkreisdrehung nach oben ſchließen laſſen. Fig. 372. Fuchs im Tellereiſen. 222 An der Schlagfeder iſt eine Schrauben— zwinge angebracht, durch welche deren Spann— kraft reguliert werden kann. Die ſog. „Stellung“ beſteht aus zwei Theilen, dem „Teller“ und dem „Stellhaken“. Der erſtere iſt eine kreis— förmige Scheibe, die in einem ihrer Durch— meſſer durch eine aufgenietete ſchmale Eiſen— ſtange verſtärkt iſt, und welche an beiden Enden etwas über den Teller hinausragt. Der Stell— haken beſteht aus einem mit dem Kranze be— weglich verbundenen Eiſen, welches ſich vorne in der Stellzunge, oben und hinten aber in einem Haken fortſetzt. Durch dieſe Vorrichtungen werden, wenn der Stellhaken verhindert iſt nach Innen aus— zuweichen, einerſeits die Bügel niedergehalten, andererſeits aber auch die Schlagfeder in ihrer zuſammengedrückten Lage erhalten, da am Kranze, in einer den Bügelkurbeln rechtwin— kelig entgegengeſetzten Richtung gegenüberliegend zwei Stellhaken angebracht ſind, zwiſchen deren etwas abgeſtumpften Stellungen die ebenſo ab— geſtumpften hervorſtehenden Enden der Teller— ſtange eingeſetzt und dadurch feſtgehalten ſind, daſs die über die Bügel übergreifenden nach Außen gekrümmten Stellhaken unmittelbar durch die Bügel, mittelbar durch die zuſammenge— drückte Feder an die Enden der Tellerſtange gedrückt ſind. Sobald aber der Teller nur im geringſten berührt wird, fällt er, da die Ver— bindung zwiſchen Tellerſtange und Stellzunge des Stellhakens nur auf Druck beruht, nieder, die Stellhaken weichen nach innen aus und die Bügel werden durch das Emporſchnellen der nun frei gewordenen Feder heftig zuſammen— geſchlagen und durch die Kraft derſelben in ihrer geſchloſſenen Lage erhalten. Das Tellereiſen (ſ. Fig. 371 und 372) kann in derſelben Weiſe beködert und ver— wendet werden, wie der Schwanenhals. Mit Vortheil kann man dasſelbe in ſeichtem Waſſer ſorgſam bedeckt ſtellen, indem man darüber an einem Gabelaſt Haſengeſcheide oder Theile einer gebratenen Katze derart befeſtigt, daſs der Fuchs nicht zu dem Fraß gelangen kann, ohne den Teller zu berühren. Dieſe Methode iſt namenllich für geprellte Füchſe rathſam ). c) Der Fang in Klappfallen. In Klappfallen, wie ſolche im Artikel Faſan be— ſchrieben und dargeſtellt wurden, wird ſich der Fuchs meiſt nur dann fangen, wenn dieſe Klappfallen in die Umfriedung eines Geheges derart eingefügt werden, daſs die Einlaufſeite dicht und unmittelbar an die diesfällige Zaun— oder Mauerlücke anſchließt. d) Fang mit der Angel. Dieſes bar— bariſche Inſtrument (Fig. 373) wird nur mit Rückſicht auf die Vollſtändigkeit angeführt, und die Handhabung desſelben, weil nicht weidge— recht, unterlaſſen. e) Der Fang in Fallgruben. Die Fallgrube wird in Form eines abgeſtumpften Kegels, u. zw. derart hergeſtellt, dafs vom Bau— horizont bis auf 2˙50 m Tiefe ausgeſchachtet wird. *) Verläßlich gearbeitete gut conſtruierte Eiſen und Fallen liefern die Fabriken von Pieper in Moers a. Rh. und die Fallenfabriken zu Hainau in Schleſien. Fuchs. ö | Die ausgehobene Erde wird um die Offnung der Fallgrube gebreitet, ſo daſs ſie eine Umwallung bildet. Die Wände der Grube, deren Sohlendurch— meſſer 270 m, jener der Mündung 2˙30 m be- trägt, wird mit glattrindigen, ſchwachen oder geſpaltenen Rundhölzern ausgefüttert. Die Um— wallung, welche von der Mündung ab mäßig Fig. 373. Fuchsangel; a geſtellt, b losgeſchlagen. geböſcht wird, muſs an dieſer mit den zur Aus- fütterung verwendeten Hölzern horizontal ab— geglichen ſein, und beträgt dann die Tiefe der Grube volle 3 m. Im Kreismittelpunkte der Grubenſohle wird ein Pfahl von beiläuſig 12—24 cm im Durchmeſſer eingerammt, auf deſſen horizontaler Abſchnittsfläche ein aus Weidenflechtwerk her— geſtellter, etwa 30 em im Durchmeſſer haltender Teller mit niedrigem Bord befeſtigt iſt. Der Pfahl, welcher von der Grubenſohle gerechnet 3 m hoch iſt, gleicht ſich mit der Mün— dung der Grube horizontal ab, und es ragt lediglich der ca. 6—8 em hohe Entenſitz über das Niveau der Grubenmündung. In das Flechtwerk des Entenſitzes werden Weidenruthen eingeſchoben, deren entgegenge— ſetzte Enden im Erdreich des Grubenrandes befeſtigt werden. Die ſo gebildeten Rippen werden nun mit Gezweige derart überlegt, dass auf dieſelben eine loſe Schicht langſtrohigen Pferdemiſtes gebreitet werden kann. Die Böſchung rings um die Grubenmündung wird gleichfalls mit Pferdemiſt beſtreut, ſo daſs die ganze An— lage einem Düngerhaufen gleicht. Auf dem Teller wird eine Ente derart mit einer um Hals, Rücken und Steiß geſchlungenen Gurte befeſtigt, daſs dieſelbe wohl ſitzen und aufſtehen, ſich aber nicht weiter bewegen kann. Der in der Gegend umherſchwärmende Fuchs wird die Ente bald wittern oder ver— nehmen und dann vorſichtig beſchleichen. Um dies gedeckt thun zu können, wird derſelbe den Sprung nicht vor dem Wall, der die Gruben⸗ Fuchs. 223 mündung umgibt, ſondern von der Böſchung desſelben und ſomit derart machen, daſs er durch die leichte Überdachung in die Grube fällt. Das Ausräuchern des Fuchſes aus dem Bau. Sofern die Beſchaffenheit eines Fuchsbaues weder die Verwendung von Dachs— hunden rathſam, noch das Graben zuläſſig er— ſcheinen läſst, wird das Ausräuchern der Füchſe zweckdienlich ſein. Zu dieſem Behufe werden ſämmtliche Röhren mit Ausnahme einer verſchlagen, wäh— rend man in dieſe das aus Werg, Schwefel und Kienſpänen bereitete Räuchermateriale ein— ſchiebt und anzündet. Infolge des Aufachens zieht ſich der reichlich erzeugte Dampf in das Innere des Baues, und ſobald dies geſchehen iſt, wird auch dieſe Röhre dicht verſchlagen. Wenn dies ſogfältig ausgeführt und jenes Maß von Dämpfen erzeugt wird, welches der Ausdehnung des Baues entſpricht, wird man den verendeten oder betäubten Fuchs vor einer der Röhren finden. Das Fangen in Fuchshauben. Will man die in einem Bau beſtatteten Füchſe lebend fangen, dann wendet man zu dieſem Zwecke Fuchshauben, d. h. Decknetze an, welche aus feinen ſtark gedrehten Faden buſig geſtrickt werden. An den vier Ecken des Garns werden 8 em lange Schnüre befeſtigt, welche mit Blei— kugeln beſchwert ſind. Der herausfahrende Fuchs wird vom Decknetz an der Flucht gehindert und ohne Mühe gefangen. Hiebei ſollen nur ruhige nicht allzuſcharfe Dachshunde Verwendung finden. Das Streifen des Fuchſes. Der Balg wird geſtreift, indem man zunächſt die Haut an den Vorderläufen von den Ballen bis an die Blätter, an den Hinterläufen bis ans Weidloch aufſchärft und ringsum ſelbſt an den Zehen ablöst und hinaufſtreift. Hierauf hängt man den Fuchs an den beiden Zehen an einen feſten Haken, zieht die Schwanzrübe aus der Haut: ſcheide, ſchlägt hierauf den Balg oben an der Standarte um, ſtreift ihn bis zu den Blättern, und, nachdem man die Vorderläufe herausge— zogen, bis zum Kopfe ab. Nun löst man mit- telſt eines Meſſers die Lauſcher aus und ſchürft die Kopfhaut bis zur Naſe vorſichtig ab. Nun wird der abgeſtreifte Balg auf das Fuchsbrett (Fig. 374) mit der Haarſeite nach Fig. 374. Fuchsbrett. innen aufgezogen und die Hautfläche, nachdem man den anhaftenden Schweiß mit einem Tuche abgewiſcht hat, mit Aſche und Salz eingerieben und dann getrocknet. Zweckmäßiger als die gewöhnlichen Fuchs— bretter ſind Balgſpanner, welche auf folgende Weiſe hergeſtellt werden: Man läſst zwei 130 cm lange, 6—7 em breite Latten an einem Ende durch ein Char— nier zuſammenfügen und 48 em von unten eine 5 cm breite, 1 cm ſtarke und 62 cm lange Latte durch die beiden Schenkel des Balgſpanners derart anbringen, daſs die Querlatte an einem Schenkel befeſtigt wird, im anderen aber ſich bewegt. An dieſer Querlatte werden in mäßigen Abſtänden Löcher gebohrt, damit man vermit— telſt eines Pflöckchens die beiden Schenkel nach Bedarf von einander entfernt feſtſtellen kann. Dieſe Balgſpanner ſind deshalb den gewöhn— lichen Fuchsbrettern vorzuziehen, weil ſie den verſchiedenen Größenverhältniſſen angepasst wer— den können und das Einſchrumpfen des Balges hintanhalten. R. R. v. D. Fuchs (Legislatur in Oſterreich). Der Fuchs gehört (nach § 3 der Jagd- und Wild— ſchützenordnung vom 28.2. 1786 und nach Art. 3 der jagdpolizeilichen Vorſchriften vom 15./12. 1852, 3. 5681) zu jenen Thieren, welche (wie Bären, Wölfe, Schwarzwild außerhalb des Thiergartens u. ſ. w.) jederzeit erlegt werden dürfen, auf eigenem Grunde vom Grundeigen— thümer und den von dieſem Ermächtigten, auf öffentlichem Grunde von Jedermann (ſelbſtver— ſtändlich auch weidgerecht vom Jagdberechtigten), unter Beobachtung der waffen- und ſonſtigen polizeilichen Vorſchriften. Aus der Analogie mit dem Erk. des O. G. H. als Caſſationshof vom 21./3. 1883, 3. 61, daſs Schwarzwild außerhalb eines Thiergartens zwar erlegt wer— den darf, deſſen Zueignung aber dem Erleger nicht geſtattet iſt, vielmehr Diebſtahl bedeutet und ſonach das erlegte Wild dem Jagdberech— tigten gehört, kann mau, da Schwarzwild außer— halb eines Thiergartens den Wölfen, Füchſen u. ſ. w. gleichgeſtellt iſt, ſchließen, daſs auch den Fuchs Jedermann erlegen kann, daſs aber der erlegte Fuchs dem betreffenden Jagd— berechtigten, in deſſen Revier der Fuchs ver— endet, gehört, und derſelbe daher weder als ein dem Jagdberechtigten ausſchließlich zur Occu— pation und Zueignung vorbehaltenes Wild, noch als freiſtehende Sache (j. d.) aufzufaſſen iſt, ſon— dern als ein Wild, deſſen Occupation Jeder— mann, deſſen Zueignung aber nur dem Jagd— berechtigten zuſteht. Offenbar von der hier ver— tretenen Anſicht ausgehend, iſt die Entſch. des Min. d. Innern v. 29/10. 1869, 3. 14.643, durch welche der Jagdberechtigte von dem Wild— ſchadenerſatze, den ein Fuchs durch Enttragen von Haushühnern angerichtet hatte, u. a. des— halb, weil Jedermann Füchſe zu erlegen be— rechtigt, alſo den Schaden von ſich abzuhalten befugt iſt, befreit erklärt wurde. Das einzige Land, in welchem dieſe Inter— pretation nicht zutrifft, vielmehr der Fuchs jeden— falls ausſchließlich dem Jagdberechtigten vorbe— halten iſt, iſt Galizien, woſelbſt durch das Wild— ſchongeſetz v. 30./1. 1873, L. G. Bl. Nr. 16 (8 1) für den Fuchs eine Schonzeit vom 15. Februar bis 31. Auguſt gewährt iſt; „das Ausrotten der Füchſe iſt nur dem Jagdberechtigten dort ge— ſtattet, wo die Berechtigten ſolches Wild pflegen, welchem der Fuchs ſchädlich iſt“. Das Legen von Gift zur Vertilgung der Füchſe iſt nur mit beſonderer Bewilligung der politiſchen Bezirksbehörde geſtattet in Görz 224 und Gradisca (Geſetz v. 15./7. 1879, L. G. Bl. Nr. 18, § 2), Iſtrien (Geſetz v. 18/11. 1882, L. G. Bl. Nr. 28, § 2) und Trieſt (Geſetz v. 2./3. 1882, L. G. Bl. Nr. 10, Stadtmagiſtrat), in den übrigen Ländern frei und ſind nur die Vorſchriften in Bezug auf Erlegung, Bewah— rung und Verwendung von Gift (ſ. d.) zu be— obachten. Für Steiermark iſt am 15. Decem- ber 1872, Z. 14.267, ein Erlaſs der Statt⸗ halterei, betreffend das Vertilgen wüthender Füchſe erfloſſen. Hienach iſt die Vergiftung dann einzuleiten, wenn die anderen Mittel nicht hin— reichen. Es wird Strychnin (in Doſen à 3 g) empfohlen (am beſten und billigſten in der Che— mikalienfabrik Merk in Stuttgart im großen zu beziehen). Das Gift iſt an beſtimmten, Men— ſchen und Thieren ſchwer zugänglichen Plätzen in faules Fleiſch zu hinterlegen; in Fäulnis befindliche Fiſchköpfe werden beſonders empfoh— len. Die Manipulation iſt nur vollkommen ver— läſslichen, vertrauenswürdigen Perſonen zu über— laſſen und ſind dieſe für jeden Miſsbrauch ver— antwortlich. Die Gemeinden ſind von dieſer Maßregel in Kenntnis zu ſetzen und durch den Bezirkshauptmann über ihr Verhalten zu be— lehren. (In einem concreten Falle lin Murau! wurde genaue Bekanntmachung und Bezeichnung der Vergiftungsorte vorgeſchrieben, das Be— treten derſelben während der Vergiftungszeit — Januar — bei Strafe von z fl. verboten, das Wegnehmen oder Aneignen der vergifteten Fiſche ſtrenge unterſagt und angeordnet, daſs Hausthiere vom Umherſtreifen abzuhalten und Hunde an die Kette zu legen ſind.) In Ungarn beſtehen bezüglich der Füchſe die gleichen Vorſchriften wie in Betreff der Fiſchottern (ſ. Fiſcherei). Mcht. Fuchs (Schmetterling), deutſcher Name für Vanessa polychleros und Vanessa urticae (großer und kleiner Fuchs). S. Vanessa. Hſchl. Fuchsente, j. Brandente. E. v. D. Juchseule, ſ. Waldkauz. E. v. D. FJuchshund. In England, dem Lande der Hundezüchtung und der Fuchsjagden, werden die Fuchshunde als Racehunde ſorgſam ge— zogen, um ſie im entſprechenden Alter zu ge— wöhnen, in mehr oder minder ſtarkzähligen Meuten einen einzelnen Fuchs par force zu jagen. Die Fuchshunde ſind von mittlerer Größe, ihre Schulterhöhe beträgt höchſtens 65 em, fie ſind ſehr lebhaften Temperaments und von ſehr gefälligem Außeren. Von Grundfarbe durch⸗ gängig weiß, haben ſie faſt alle mehr oder minder große, braune oder ſchwarze, reſp. auch gelbe, ſelten aber graue Platten, die ſich mei— ſtens am Kopfe, beſonders aber in den Flanken und auf dem Rücken, oft als unregelmäßige Schabracke, befinden. Das Haar iſt etwas ſtärker und härter als das des Pointers und iſt eher dem des kurzhaarigen deutſchen Hühnerhundes ähnlich. Charakteriſtiſch für die Fuchshunde iſt das durchgängig gleichmäßige Tragen der Ruthe, die ſie nicht nach Art des Pointers faſt geradeaus geſtreckt, ſondern mehr aufgerichtet tragen; die Ruthe ſelbſt iſt meiſt weiß, an der Wurzel der— ſelben befindet ſich bei faſt allen Hunden dieſer Race eine den übrigen Platten gleichfarbige K — — — —.. —ñxꝝ́; — T.: e. Fuchs. — Fuchshund. kleinere Platte, welche halb auf dem Rücken, halb auf der Wurzel der Ruthe liegt. Von berittenen Jägern geführt und gefolgt, müſſen die Fuchshunde die Spur des Fuchſes ſicher halten und denſelben flüchtig ſo lange jagen, bis ſie ihn erreicht und gepackt haben. Sie werden durch den „Huntsman“ eingejagt und es kommt darauf an, die immer ungekop⸗ pelten Hunde in geſchloſſener Meute, ſtets des Rufes ihres Führers mit der Stimme, dem Jagdhorne, auch wohl der Signalpfeife, ja unter Umſtänden ſelbſt ſeines Schwenkens der Mütze gewärtig, auch dieſe Töne und Zeichen erkennend und ihnen ſofort folgend — zu halten. So müſſen ſie unter hellem „Geläute“ (d. h. mit lauter Stimme) jagen, aber auch im Jagen aufhören und anhalten, ſobald es gefordert wird, wozu nöthigenfalls die Hetzpeitſche des die jagende Meute ſchließenden „Huntsman“ und ihres Führers an der Spitze, des ſog. „Whipper-in“, den erforderlichen Nachdruck geben mußs. Die regelmäßige Ausbildung der engliſchen Fuchsjagden ſtammt aus dem letzten Theil des vorigen Jahrhunderts, und es gab zu dieſer Zeit und auch noch im Anfange dieſes Jahr— hunderts etwa nur 25 wirkliche und gute Meuten in England, in der neueſten Zeit aber iſt dieſe Zahl bis nahezu 100 angewachſen. Bereits im Auguſt beginnt man in Eng- land auf Füchſe zu jagen, doch ſind dies an— fänglich nur Ubungsjagden für die Hunde und es wird in dieſer Zeit auch nur auf junge Füchſe gejagt, was ſonſt als unweidmänniſch dort gilt; der regelmäßige Betrieb aber und die eigentlichen Jagden nehmen erſt im No— vember ihren Anfang und dauern bis in den März. Die meiſten Meuten in England ſind im Beſitze von Jagdgeſellſchaften, dieſe wählt einen Vorſteher, einen „master of the hounds“, wel⸗ chem die Sorge für die Unterhaltung der Meute und für alles, was ſonſt zu dieſer Jagd ge— hört, obliegt. Man hat in England ſo ausge— zeichnet tüchtige und ferm eingejagte Meuten, daſs fie in einer Woche ſechs Tage zu jagen vermögen, andere wieder nur fünf Tage; man hat aber auch ſelbſt in England wiederum ſo mangelhafte Meuten, die nur im Stande ſind, zweimal in der Woche zu jagen. In England wird mit Rückſicht auf dieſe Jagden die Schonung der Füchſe mit gleicher Sorgfalt betrieben, wie etwa bei uns das Schonen der Haſen, ein Umſtand, welchen wir deutſche Jäger mit unſerem jagdlichen Glau— bensbekenntnis abſolut nicht in Einklang zu bringen vermögen. Dabei aber beruhen die Maßregeln zur Schonung der Füchſe in Eng— land durchaus nicht auf Jagdgeſetzen, ſondern auf der durch die Vorliebe aller Claſſen der Geſellſchaft für die Fuchsjagd unterſtützten Sitte. In England gilt das Ausgraben junger Füchſe, das Fangen alter oder das Schießen von Füchſen bei irgend einem Jagdbetriebe nicht allein für unweidmänniſch, ſondern ſogar für unwürdig. Zur feſtgeſetzten Stunde der Jagd wird ein Fuchs in einem Korbe auf den Rendez⸗ Fuchſin. — Fuhrſchlitten. vous⸗Platz, von dem auch abgeritten wird, ge— tragen und nachdem die Reiter geordnet ſind, wird der Fuchs, und wenn dieſer ſchon einigen Vorſprung hat, werden die Hunde losgelaſſen. In heller Flucht jagen nun dieſe dem Fuchſe nach und ihre gute Naſe hält unausgeſetzt deſſen Spur und ſcharfe Witterung feſt. Wenn auch gewiß nicht geleugnet werden kann, daſs eine ſolche Jagd einen prächtigen Anblick gewährt und eine herrliche Reitübung im Terrainreiten iſt, ſo dürfte die Frage nach dem moraliſchen und ſonſtigen Werthe dieſer Jagden von uns deutſchen Jägern wohl nicht beſonders befürwortend beantwortet werden. Dem deutſchen Jäger hat es von jeher zur Zierde gereicht, daſs er es verſtanden hat, ſein Wild zu hegen, zu pflegen und auch gegen die Übergriffe eines blinden Materialismus zu ſchützen, und darum wollen wir unſere Wild— bahnen nicht auch noch durch das Geheul eng— liſcher Fuchshunde ſtören und ſomit entwerthen laſſen. v. d. B. Juchſin iſt ſalzſaures Roſanilin, En v. Gn. Jucuſol, C,H,O,, entſteht bei Deſtillation mehrerer Fucusarten, Torfmoos, Isländiſches Moos, Usnea u. ſ. w. mit verdünnter Schwefel— ſäure; es iſt der Aldehyd der 8-Brenzſchleim— ſäure und dem Furfurol iſomer. v. Gn. FJuder, das, eine Wagenladung Jagdzeug; das Wort, ſchon ahd. fuodir, iſt identisch mit dem unhd. die Fuhre, hat ſich jedoch in der Wwmſpr. bis heute in der alten Form erhalten. „Wann man ein Jagen mit 10. Fudern Zeuge verfertigen will, ſo gehören darzu 150. Mann zum wenigſten . . .“ „Wie hoch kommt dieſem nach ein gantzes Futter Zeug, wie ſolcher zum Jagen complet angeführet werden kan?“ Göchhauſen Notabilia Venatoris, 1734, p. 225, 227. — „sit ein Fuder Tücher abge- lauffen, jo ſoll das letzte Ende des abgelauffenen Wagens an das Ende des folgenden ange— knebelt ... werden.“ Pärſon, Hirſchgerechter Jäger, 1734, fol. 46. „Dies halte ich auch vor was recht ordentliches, wenn ein Fuder Zeug gemacht wird, daſs ſowohl die Tücher als der Wagen mit einerley Zeichen bezeichnet werden.“ Döbel, Ed. I, 1746, II., fol. 20. — „Ein Fuder Zeug heiſſet ein guter Zeugwagen mit einem Deckel gleich einem Rüſtwagen, welcher mit Zeug, zu einem Jagen einſtellen, wol beladen iſt.“ C. v. Heppe, Aufricht. Lehrprinz, p. 139. — „Fuder Zeug, verſtehet ſich ein Wagen voll Zeug.“ Chr. W. v. Heppe, Wohlred. Jäger, P. 136. — „Fuder⸗Zeug iſt ein Wagen voll Jagdzeug.“ Hartig, Anltg. z. Wmſpr., 1809, p. 108; Lb. f. Jäger, Ed. I, p. 39; Lexikon, Ed. II, 1864, p. 207. — „Ein völlig beladener Zeugwagen wird ein Fuder Zeug genannt.“ Winkell, Ed. I, 1805, I., p. 570. — Behlen, Wmſpr., 18 29, p. 61. — „Die Hohen Tücher, mit dem Gemäſch etwa 2m hoch, verſtellen zu einem Bund 160 Schritte; vier Tücher rechnet man für ein Fuder Zeug.“ R. R. v. Dom⸗ browski, Lehr- u. Hb. f. Ber.⸗Jäger, p. 77. — Grimm, D. Wb., IV., p. 364. — Sanders, Wb., I., p. 507 b. E. v. D. Fugen, synarthroses, heißen zum Unter— Dombrowski. Eneyklopädie d. Forſt- u. Jagdwiſſenſch. IV. Bd. 225 ſchiede von den Gelenken (diarthroses) alle be— ſtändigen Knochenverbindungen (Symphyſen und Nähte). Knr. Fühler, Fühlhörner, ſ. Antennen; vgl. die betreffenden Inſectenordnungen. Hſchl. Führen, verb. trans., einen Hund — ihn ausführen, beim Ausgehen mitnehmen; dann ihn an der Leine führen um ihn führig zu machen; auch im weiteren Sinne ihn abrichten und endlich ſ. v. w. ihn gebrauchen. Vom Beiz— vogel in letzterer Anwendung und in der Ver— bindung ‚auf der Fauſt führen‘ ſtatt tragen; ſ. abführen, anführen. „Wie mann den habich füren ſol. Man ſol den habich füren auff der handt die vor dem wynde iſt . . .“ Ein ſchons buchlin von dem beyſſen, Straßburg 1540, c. 18. — „Eym jungen adelichen man dem ſteht gar wol vnd höflich an, das er im waid-werck ſey erfarn, mit dem windſpiel, netzen vnd garn, im wald die lucken künd ver— ſtelln, die jeger-hörner laut erſchelln, die laid— hund vnd die rüden fürn (S abrichten oder weidgerecht gebrauchen) .. .“ Hans Sachs, Kurtze lehr eynem waydmann, A. s. 1555, v. 1—7. — „Ein ſolcher (wolausgearbeiteter) Hund wird dahero auch ein guter, item: ein fermer, auch ein wolgeführter Hund genennet.“ C. v. Heppe, Aufricht. Lehrprinz, p. 21. — Winkell, Ed. I, 1805, II., p. 248. — Behlen, Real- u. Verb.-Lexikon, II., 751. — Grimm, D. Wb., IV., p. 434. E. v. D. Führig, adj., nennt man jeden Hund, der ſich anſtandslos an der Leine führen läſst; dann ſpecieller einen Leit- oder Schweißhund, der ſchon ein Jahr gearbeitet, geführt wurde; vgl. führen, gängig, leinenführig, koppel-, ftrid- bändig. „Der Hund iſt führig, wird genennet, ſo der Hund ein Jahr alt, und zur Arbeit tüchtig wird.“ Döbel, Ed. I, 1746, I., fol. 84. — „Einen jungen Leithund gängig und führig machen, heißet: ihn gewöhnen, dass er die Halſe und das Hängeſeil gerne an ſich leide, und ſich daran ausführen laſſe, vor des Jägers rechten Fauſt gerade hingehen, rechts” und links ſich wenden, und des Zagers Zuſpruch wol an— nehmen lerne.“ C. v. Heppe, Aufricht. Lehr— prinz, p. 437. — „Führig, wird ein Leithund benennt, wenn er ein Jahr gearbeitet worden, und geſagt, der Hund iſt führig.“ Chr. W. v. Heppe, Wohlred. Jäger, p. 136. — „Führig heißt jeder Hund, der ſich an einer Leine führen läſst. — Auch nennt man diejenigen Leit- und Schweißhunde, welche ſchon ein Jahr gearbeitet worden ſind, führige Hunde.“ Hartig, Anltg. 3. Wmſpr., 1809; Lb. f. Jäger, Ed. I, 1812, J., p. 39; Lexikon, Ed. I, 1836, p. 197; Ed. II, 1861, p. 207. Winkell, Ed. I, 1805, J., p. 182. — Behlen, Wmſpr., 1829, p. 81; Real- u. Verb.⸗Lexikon, II, p. 751; VI., p. 203. — Die Hohe Jagd, Ulm 1846, I., p. 359. — „Ich war auf der Hühnerjagd in Weſtfalen und hatte einen noch jungen, kaum führigen, aber vor— trefflichen Hund bei mir . . .“ v. Corvin, Spor— ting⸗Almanach 1844, p. 102. — Grimm, D. Wb., IV., p. 467. — Sanders, Wb., I., p. 515. E. v. D. Juhrſchlitten. (Fig. 375.) Ein ſolcher, auch Spannſchlitten geheißen, beſteht aus 3— ä m langen Schlittenkufen mit zwei Paar 15 226 Fuhrtransport. — Führung. 30—60 em hohen Trägern, auf denen die mit 5—7 Querſproſſen verbundenen Spangen ruhen. Zwiſchen den Hörnern iſt eine ſtarke Gabel für die Aufnahme der Deichſel befeſtigt. Die Spur— weite iſt gewöhnlich 12 m. Der Lang holz—⸗ ſchlitten beſteht aus zwei kürzeren Geſtellen, Fig. 375. Anſicht eines Spann- oder Fuhrſchlittens. welche beim Verführen des Langholzes unter die Stämme geſchoben werden. Das Vorder— geſtell hat längere Kufenhörner, eine Bank mit 4 Trägern und einen Tragſchemel, auf welchem der Stamm mittelſt Ketten und Spannprügel befeſtigt wird. r FJußrtransport, ſ. Leiſtung der menſch— lichen und thieriſchen Kräfte. Fr. Führung des Geſchoſſes bezeichnet die Art und Weiſe, in welcher die Bewegung des Geſchoſſes im gezogenen Lauf und der Einfluſs der Züge auf dieſe Bewegung (Rotation), kurz der richtige Gang des Geſchoſſes im Rohr ſichergeſtellt wird. Bei glatten Rohren iſt von einer eigentlichen Geſchoſsführung nicht die Rede (vgl. indes Pfeil- und Turbinen⸗ geſchoſſe unter Kugelſchuſs aus glattem Lauf); hier kann man die infolge des Spielraums entſtehenden Unregelmäßigkeiten der Bewegung (ſ. Balliſtik II) nur in etwas durch ein Pflaſter zu mildern ſuchen. Gezogene Rohre verlangen zur guten Führung die mehr oder weniger vollkommene Wegſchaffung des Spielraums und beſtand hierin bei Vorderladern, welche den Spielraum zum Laden nothwendig hatten, eine nicht unerhebliche Schwierigkeit; bei Hinter— ladern entfällt dieſe letztere und iſt daher hier auch die Frage der Führung nicht mehr von gleicher Wichtigkeit. Die erſten gezogenen Handfeuerwaffen (Vorderlader) wurden noch mit Kugeln gleichen Durchmeſſers wie das Laufcaliber geladen, in— dem man die — hin und wieder noch mit einem Pflaſter umgebene — Kugel mittelſt Ladeſtocks (an deſſen Ende ein halbkugelförmiges Geſenke) und Hammer durch den Lauf trieb; die Nachtheile dieſer langſamen und mühevollen Operation, durch welche die Kugel meiſt nicht unerheblich deformiert wurde, ließen ſich nur zum Theil durch Verwendung einer Kugel kleineren Durch— meſſers vermeiden, da alsdann, um den Spiel— raum fortzuſchaffen, entweder ein gefettetes, bezw. auch naſsgemachtes Pflaſter oder ein Stauchen des mit Spielraum zu Boden ge— brachten Geſchoſſes auf der Pulverladung noth— wendig wurde; letztere wurde hiebei, nicht zum Vortheil der Verbrennung, ſtark zuſammen— gepreſst und die Körnerform deformiert. Obſchon die Anwendung gezogener Rohre bis in das XVI. Jahrhundert hinaufreicht, da— tieren die Verſuche, eine zweckmäßigere Ge— ſchoſsführung herzuſtellen, doch erſt aus dem zweiten Viertel des XIX. Jahrhunderts; hervor- gerufen wurden ſie durch das Beſtreben, auch der Maſſe der bisher mit glatten Gewehren (Musketen) bewaffneten Infanterie die Vortheile des Schuſſes der gezogenen Büchſe ohne die um— ſtändliche und ſchwierige Ladeweiſe zu verſchaffen, welche letztere bisher die Verwendung der gezoge— nen Waffe nur auf einzelne Specialtruppen (Jä— ger) beſchränkt hatte, denen hiezu vermöge ihrer beſonderen Kampfesweiſe (zerſtreute Ordnung), ähnlich dem Jäger auf der Jagd, Zeit und Raum genug gegönnt war. „Wie eine Muskete (d. h. alſo mit Spielraum) geladen werden, wie eine Büchſe ſchießen“ bezeichnete die Tendenz jener Verſuche ſehr zutreffend; letztere ſind, wenn auch durch Einführung der Hinterladung für den Soldaten ſowohl wie für den Jäger die ganze Frage ſehr bald an Wichtigkeit verlor, doch für die Entwicklung der Geſchoſsfrage in— ſofern ſehr bedeutungsvoll, als ſie den erſten Anſtoß zur Verwendung der Langgeſchoſſe gaben. Eine kurze Charakteriſtik des Verlaufes dieſer Beſtrebungen wird genügen (Zeichnungen ſ. bei Geſchoſs). In Deutſchland hatte der Verſuch des braunſchweigiſchen Majors Berner (1832), aus Rohren mit zwei ſtark abgerundeten Zügen oder ſelbſt mit ovaler Bohrung Kugeln mit flügel- oder ringförmigen Anſätzen zu ver— ſchießen, praktiſchen Erfolg nicht gefunden, weil die Geſchoſſe zu ſehr vom Luftwiderſtand zu leiden hatten und ihre Rotation nicht genügend geſichert war; dagegen ſollten die in Frankreich etwa zu derſelben Zeit auftauchenden Beſtre— bungen ſehr bald Geſchoſsformen entwickeln, welche für den Vorderlader die höchſte Stufe der Vollendung darſtellten. Der franzöſiſche Artilleriehauptmann Delvigne hatte 1828 ein Gewehr mit engerer Kammer conſtruiert, auf deren Abſatz das mit Spielraum geladene Ge— ſchoſs durch Ladeſtockſtöße ſo geſtaucht werden ſollte, daſs es ſich bei ſeiner demnächſtigen Vor— wärtsbewegung in die Züge einpreſſen mujste; ein Zerdrücken und Feſtſtampfen der Pulver- körner, wie dies beim Stauchen des Geſchoſſes bei den früheren Gewehren ſtattfinden mujste, war durch den Kammerrand ausgeſchloſſen. Die hiezu anfangs verwendete Kugel wurde durch das Stauchen auf dem Kammerrand ſehr deformiert, und ſuchte man daher dieſen Übel— ſtand dadurch zu vermeiden, daſs man das Geſchoſs in einen feſten cylindrifchen, oben halbkugelförmig ausgehöhlten Holzſpiegel legte, welcher ſich auf den Kammerrand aufſetzte; der Holzſpiegel war mit gefetteter thieriſcher Haut umgeben. Dieſe Anordnung führte zu der Idee cylindroſphäriſcher Geſchoſſe, an deren Stelle ſehr bald cylindrokoniſche Spitzgeſchoſſe traten. Inzwiſchen hatte der franzöſiſche Artillerieoberſt Thouvenin, um die Nachtheile der Delvigne— Führung. 227 ſchen eylindriſchen Kammer (Geſchoſsdeforma— tion, ſchlechtes Reinigen der engen Kammer) zu vermeiden, 1844 ein Gewehr conſtruiert, in deſſen Seelenachſe am Boden ein über die Pulverladung etwas vorragender Dorn ſaß, auf welchem das Spitzgeſchoſs mittelſt des Ladeſtockes geſtaucht werden konnte. Dieſe Dorngewehre waren bereits in all— gemeiner Einführuug (auch in Jaägerkreiſen) begriffen, als 1849 der franzöſiſche Infanterie— hauptmann Minié nachwies, daſs man die Ausdehnung des Geſchoſſes nach dem Laden ſehr wohl den Pulvergaſen ſelbſt übertragen könne, und daſs infolge deſſen alle beſonderen Einrichtungen des Gewehres überflüſſig würden und jede Schwierigkeit des Ladens entfalle. Minis verſah ſein Spitzgeſchoſfs am hinteren Ende mit einer Höhlung, in welche er ein eiſernes koniſch geſtaltetes Näpfchen, Culot ge— nannt, einſetzte; dieſes ſollte durch die Pulver— gaſe in das Geſchoſs getrieben werden und letzteres dadurch in ſeinem Durchmeſſer ſo ver— größern (expandiren), daſs die Führung ſicher— geſtellt wurde. Dieſes Expanſionsſyſtem *) hatte den großen Vorzug der Einfachheit, ſowie der Anwendbarkeit auf alle beſtehenden Gewehr— ſyſteme und Caliber; es gelangte daher ſehr raſch zur Einführung in allen Armeen und wurde auch in Jägerkreiſen mit Erfolg ver— wendet. Das Culot wurde mannigfach abge— ändert (maſſives Holz- oder Thonſcheibchen) und ſchließlich ganz weggelaſſen, da man erkannte, dass bei richtiger Geſchoſsconſtruction die Pul— vergaſe auch ohne Culot vollkommen genügend wirkten; die zur Aus dehnung durch die Pulver— gaſe beſtimmte Höhlung erhielt dabei die man— nigfaltigſten Formen, wie denn überhaupt dieſe Expanſionsgeſchoſſe auch äußerlich in der ver— ſchiedenſten Geſtalt auftraten. Da die Expanſionsgeſchoſſe zur ſicheren Wirkung ſchwache Wandungen an ihrem eylin— driſchen Ende verlangten, ſo war ein Zerreißen der Geſchoſſe (Trennen der maſſiven Spitze von dem gegen die Rohrwandung gepreſsten hinteren Theil) nicht immer zu vermeiden; dieſen Nach- theil ſuchte (1852) Wilkinſon in England da— durch zu umgehen, daſs er ein vollkommen maſſives, aber verhältnismäßig langes Gejchois conſtruierte, welches durch die Pulvergaſe com— * W. W. Greener (The Gun and its Development P. 109) glaubt, daſs Minis erſt durch die Lectüre eines von W. Greener (Vater) im Jahre 1841 publicierten und auch ins Franzöſiſche überſetzten Buches zu ſeiner Idee geführt wurde, da in dieſem Buch bereits ein auf Ex⸗ panſion durch die Pulvergaſe beruhendes, von W. Greener erfundenes Geſchoſsſyſtem beſchrieben wurde. Dies mag wohl unaufgetlärt bleiben, obſchon die engliſche Regie— rung, nachdem ſie die Erfindung Miniés für 20.000 L. St. angekauft hatte, in der That einen gewiſſen Anſpruch W. Greeners anerkannte und dieſem nach längeren Ver⸗ handlungen 1000 L. St. Entſchädigung auszahlen ließ; Greener hatte ſeinerzeit der Regierung ſeine Erfindung an⸗ geboten, letztere aber war als „unbrauchbar und chimä⸗ riſch“ zurückgewieſen worden. Das Geſchoſs Greeners war eine Kugel mit Abplattung auf einer Seite; hier führte in das Geſchoſs eine koniſche Höhlung, in welche ein eben=- ſolcher Stempel mit einer der Abplattung der Kugel ent- ſprechenden Schluſsſcheibe bis zur halben Tiefe eingeſetzt werden konnte; drückten die Pulvergaſe den Stempel vollends in die Kugel hinein, ſo wurde der Umfang der letzteren vergrößert und ihre richtige Form durch die Schluſsſcheibe vervollſtändigt. Die Idee iſt alſo in der That derjenigen Miniés ähnlich. primiert, d.h. geſtaucht (ſ. Deformation I) werden ſollte. Dieſe Abſicht wurde in der That erreicht, wenn das Geſchoſs lang genug und der (zum Laden erforderliche) Spielraum auf das geringſtmögliche Maß beſchränkt war. Die Länge des Geſchoſſes (2—3 Caliber ſtatt 1Y, bis 1½ bei Minis) beſchränkte dieſes Come preſſionsſyſtem, um allzu großes Geſchoſs— gewicht zu verhüten, auf kleine Kaliber, und er— rang ſich dasſelbe daher nur in der Schweiz (bei 10½ mm Caliber) dauernde Anerkennung, während man in anderen Staaten (Oſterreich, Bayern) dasſelbe wieder verließ, um zu dem bequemeren und einen größeren Spielraum er— laubenden Syſtem der Expanſion zurückzukehren. Die bei den Spitz- und Langgeſchoſſen dieſer verſchiedenen Syſteme vorkommenden Reife— lungen (ringförmige Einſchnitte am Geſchoſs— mantel) bezweckten theils eine Erleichterung der Stauchung, Expanſion oder Compreſſion, theils ſollten ſie einer beabſichtigten Schwerpunktsver— legung oder gar einer beſtimmten Einwirkung der Luft dienen; auf alle Fälle erwieſen ſie ſich zur Aufnahme einer Fettung vortheilhaft und verdanken ſie dieſem Umſtande auch die Anwen— dung bei manchen Geſchoſſen der Neuzeit, ob— ſchon man jene oben erwähnten Aufgaben der Reifelungen nunmehr zum Theil als überflüſſig, zum Theil als praktiſch ohne Wert erkannt hat (ſ. Luftwiderſtand). Die Hinterladung, welche bei Kriegsge— wehren nach dem deutſch-däniſchen (1864) und beſonders nach dem deutſch-öſterreichiſchen (1866) Feldzuge ſich durchgehends und raſch Bahn brach, während ſie bei Jagdgewehren ſchon längſt durch Lefaucheux vorbereitet, bezw. ein— geführt war (ſ. Jagdfeuerwaffen), beſeitigte mit einem Schlage alle vorerwähnten, mit der Ge— ſchoſsführung verbundenen Schwierigkeiten, da es nunmehr leicht war, das von hinten in den weiteren Ladungsraum eingeführte Geſchoſs in ſeinem Durchmeſſer jo zu geſtalten, dais die gute Führung im gezogenen engeren Theil der Seele ſichergeſtellt war. Iſt hiebei der Ge— ſchoſsdurchmeſſer größer als das Caliber, ſo daſs das Geſchoſs in die Züge hineingepreſst wird, jo nennt man dieſe Führung Preſſion; iſt der Geſchoſsdurchmeſſer ebenſo groß oder kleiner als das Caliber, ſo nennt man ſie Füh— rung durch Stauchung; zuweilen wird letztere noch durch eine kleine Expanſionshöhlung am Boden des Geſchoſſes unterſtützt. Spiegel— führung wurde beim preußiſchen Zündnadel— gewehr hauptſächlich deshalb angenommen, um für das beſondere Geſchoſs (Langblei) eine größere cylindriſche Führungsfläche zu erhalten und eine Deformation des Geſchoſſes durch die Züge zu verhindern; ſie erwies ſich zugleich deshalb vortheilhaft, um aus großcalibrigen Gewehren Geſchoſſe kleineren Calibers verſchießen zu können. Der Spiegel (aus Pappe) überträgt im Lauf ſeine Rotation auf das in ihm einge— bettete Geſchoſs und trennt ſich von demſelben vor dem Lauf. Die Rotation iſt nicht in allen Fällen eine genügend ſichere — zumal die Witterung durch Quellen, bezw. Eintrocknen großen Einflujs auf den Durchmeſſer des Spiegels hat — und jedenfalls muſs der 15 * 228 Führungsfläche. — Fuligula. Spiegel als ein für die unmittelbare Wirkung vollkommen unnützes todtes Gewicht betrachtet werden. Die neueren Hinterlader zeigen daher meiſt Führung durch Preſſion oder durch Stau— chung; welche derſelben für guten Schuſs vor— theilhafter iſt, hängt von den beſonderen Con— ſtructionsverhältniſſen des Gewehres und ganz beſonders von dem Material und der Länge des Geſchoſſes ab. Eine gute Führung mufßs nicht blos ſicher ſein, d. h. die Rotation in vollkommener Weiſe gewährleiſten, ſondern fie muſs auch ſanft ſein, d. h. keine größere Deformation vom Ge— ſchoſs verlangen als die Forderung der ſicheren Führung unbedingt nöthig macht; ſie mujs daher auf möglichſte Erleichterung der Vorwärts— bewegung des Geſchoſſes (Beſeitigung jeder unnützen Reibung) hinarbeiten. Beiden Forde— rungen ſind die erwähnten Verhältniſſe von Lauf und Geſchoſs zweckmäßig anzupaſſen. Da die Pulvergaſe beſtändig das Be— ſtreben haben, den hinteren Geſchoſstheil auf den vorderen aufzuſtauchen und ſomit den Ge— ſchoſsdurchmeſſer zu vergrößern, da ferner dies Beſtreben bei weichem Geſchoſsmaterial (Weich— blei) ſich wirkſamer erweiſen und während der ganzen Bewegung im Lauf auf eine ſtarke Stauchung und eine große Reibung des an die Seelenwände gepreſsten Geſchoſsmaterials hin— arbeiten muſs, ſo iſt zur möglichſten Vermin— derung dieſes Übelſtandes bei Weichblei die Führung durch Stauchung vorzuziehen, während härteres Geſchoſsmaterial (Hartblei) eher Preſ— ſion verlangt. Die Caliberunterſchiede zwiſchen Geſchoſs und Rohr find dabei je nach den Um— ſtänden (Lauf- und Geſchoſsconſtruction) ver— ſchieden zu bemeſſen; bei Weichblei und genü— gend (2½ Caliber) langen Geſchoſſen wird in— folge der gleich zu Anfang der Bewegung auf— tretenden Stauchung die Führung ſelbſt dann noch vollkommen ſichergeſtellt, wenn der Ge— ſchoſsdurchmeſſer erheblich (%, ja bis zu ) mm) kleiner war, als das Laufcaliber. Ein ſolcher Unterſchied erſcheint für die Trefffähigkeit des— halb nicht ungünſtig, weil er die erſte Vor— wärtsbewegung des Geſchoſſes erleichtert und ſo die Gasſtöße abſchwächt, welche das Gewehr erſchüttern und in ſeiner Richtung beeinträch— tigen (ſ. Vibration); bei einer derartigen Caliber— differenz zwiſchen Geſchoſs und Lauf iſt aller— dings hinter dem Geſchoſs ein gutes Dichtungs— mittel (Wachspfropfen) unerläſslich, um das Vorbeiſtrömen von Gaſen zu verhindern, bevor die Stauchung vollendet iſt. Um die bei Weichbleigeſchoſſen leicht ein— tretende Verbleiung des Rohrs zu verhüten, werden die Geſchoſſe in ihrem hinteren cylindri- ſchen Theile vielfach mit einer Umwicklung von dünnem feſten Papier (ſog. Poſtpapier) verſehen, und pflegt man dies auch wohl als Papier— führung im Gegenſatz zur reinen Blei— führung zu bezeichnen; das Papier löst ſich kurz vor dem Laufe ab und fällt zu Boden. Gleichen Zweck verfolgt die Fettung des vor— deren Geſchoſstheiles, welche zugleich auf Reini— gung des Rohrs und auf gute Dichtung zwi— ſchen Geſchoſßs und Seelenwand hinwirkt. Neuerdings hat man eine Verbleiung in noch höherem Maße dadurch auszuſchließen geſucht, daſs man den Mantel des Geſchoſſes aus einer dünnen Kupfer- oder Stahlhaut herſtellt, wo— durch zugleich eine ſanftere Führung erreicht werden kann. S. Mantel- und Verbundgeſchoſſe bei Geſchoßs. Th. Jührungsfläche iſt diejenige Fläche des Zugeinſchnittes in der Seele gezogener Rohre, gegen welche das Geſchoſs beim Eintritt in den gezogenen Theil durch die Pulvergaſe gepreſst wird, welche alſo durch ihre Windung das Ge— ſchoſs zur Drehung zwingt; beim unteren Zuge 3. B. iſt es bei rechtsläufigem Drall (von hinten geſehen) die rechte Fläche des Zugeinſchnittes oder — was dasſelbe heißt — die linke Fläche des Balkens; die andere Fläche, gegen welche ſich bei Vorderladern das Geſchoſs beim Laden anlehnte, und welche daher auch wohl Lade— fläche hieß, iſt für die Führung des Geſchoſſes ohne weſentliche Bedeutung und wird daher bei neueren Zugconſtructionen (ſ. d.) vielfach abge— flacht oder abgerundet. Führungskante iſt die obere Kante der Führungsfläche. Th. Fükerfgewehr — von dem Büchſenmacher Guſtav Fükert in Weipert (Böhmen) 1880 bis 1883 conſtruiert — zeigt als Eigenthümlichkeit das Spannen des Schloſſes durch den Abzug; der obere Arm des letzteren drückt zu Anfang ſeiner Bewegung eine Spiralfeder von hinten nach vorn zuſammen und löst bei weiterem Zurückziehen des Drückers durch einen vor— ſtehenden Bolzen die vordere Hemmung dieſer Feder aus, ſo daſs letztere den Schlagbolzen nach vorn ſchleudern kann. Der Abzug erfor— dert zwar keine außergewöhnliche Kraft, bedarf aber naturgemäß einer längeren Zeit und es iſt daher fraglich, ob der Vortheil (die Sicher- heit) eines ſtets entſpannten — nur im Mo- ment des Abdrückens ſich ſpannenden — Schloſſes durch dieſen Nachtheil nicht zu theuer erkauft iſt. S. Schloss. Th. Fulcrum, Schädel, heißen bei den Schmelz- ſchuppern (Ganoiden) die ſtachelartigen Schuppen am Vorderrande der Floſſen. Kur. Fulgorina, ſ. Cicadina. Hſchl. Fulica Linné, Gattung der Familie Waſſerhühner, Gallinulidae, ſ. d. u. Syſt. d. Ornithologie; in Europa zwei Arten; Fulica atra Linné, ſchwarzes Waſſerhuhn, und F. cristata Gmelin, gehäubtes Waſſer— huhn, ſ. d. Synonymie: Fulica aethiops Sparrman, ſ. ſchwarzes Waſſerhuhn; F. alai Verroaux, w. v.; F. albiventris Scopoli, ſ. grünfüßiges Teich— huhn; F. atrata Pallas, ſ. ſchwarzes Waſſer⸗ huhn; F. australis Gould, w. v.; F. chloropus Linné, ſ. grünfüßiges Teichhuhn; F. einerei- collis M’Clelland, ſ. ſchwarzes Waſſerhuhn; F. fistulans Gmelin, j. grünfüßiges Teichhuhn; F. flavipes Gmelin, w. v.; F. fusca Gmelin, w. v.; F. leucoryx Sparrman, j. ſchwarzes Waſſerhuhn; F. lugubris Müller, w. v.; F. ma- culata Gmelin, ſ. grünfüßiges Teichhuhn; F. mitrata Lichtenstein, ſ. gehäubtes Waſſerhuhn; F. platyurus Chr. L. Brehm, j. ſchwarzes Waſſerhuhn; F. pullata Pallas w. v. E. v. D. Fuligula Stephens, Gattung der Fa— milie Entenvögel, Anatidae, ſ. d. u. Syſt. d. Füllerde. — Fumarſäure. Ornithologie; in Europa fünf Arten: Fuligula rufina Pallas, Kolbenente; F. nyroca Gülden— stern, Moorente; F. ferina Linné, Tafel- ente; F. marila Linné, Bergente; F. eristata Leach, Reiherente. Synony mie: Fuligula americana Eyton, j. Tafelente; F. Barrowi Nuttall, ſ. Scheckente; F. clangula Bonaparte, ſ. Schellente; F. dispar Stephens, ſ. Königseiderente; F. fusca Bona— parte, ſ. Sammtente; F. Gesneri Jardine, ſiehe Bergente; F. glacialis Audubon, ſ. Eisente; F. histrionica Bonaparte, ſ. Kragenente; F. Homeyeri Baedecker, ſ. Tafelente; F. islandica Chr. L. 1 ſ. Bergente; F. islandica Schlegel, ſ. Scheckente; F. mollissima Bona- parte, j. Eiderente; F. nigra, idem, en: ente; F. patagiata Chr. 1 Brehm, ſ. Reiher⸗ ente; F. perspicillata Audubon, ſ. Brillenente; F. spectabilis Bonaparte, ſ. Königseiderente; F. Stelleri, idem, w. v.; F. viola Bett, ſiehe Stockente. E. v. D. Jüllerde, ſ. Düngung. Gt. Fufersearth, ſ. Walkerde. v. O. Füllholz. Es iſt nicht immer nothwendig, ſelbſt nicht immer räthlich, die Hauptholzart, die demnächſt den Abtriebsertrag liefern ſoll, von der Beſtandsbegründung an rein, natürlich oder künſtlich zu erziehen. Es kann mit ihr eine andere Holzart aufwachſen, die nur als Füllholz zwiſchen der Hauptholzart erſcheint, dem Nebenbeſtande angehört und als ſolcher im Laufe der Zeit beſeitigt wird, wenn ſie nicht etwa infolge ihrer Dauerhaftigkeit, bei etwaigem theilweiſen Zurückgehen der Hauptholzart hie und da den Hauptbeſtand mit bilden helfen muj3. Derartiges Füllholz kaun namentlich bei natürlichen Verjüngungen ſich ganz von ſelbſt ergeben, aber auch Gegenſtand künſtlichen An— baues ſein, wenn die Erlangung der Haupt— holzart in großer Ausdehnung auf Schwierig— keiten ſtoßen ſollte, oder, wie dies meiſt der Fall ſein wird, das Füllholz gleichzeitig Schutz- und Treibholz für die Hauptholzart ſein ſoll. Von Laubhölzern iſt es beſonders die Buche, welche die Rolle des Füllholzes zwiſchen Eiche, Weiß— tanne, Fichte, auch wohl Kiefer, bei deren natürlicher Verjüngung bilden kann, wenn ſie ſelbſt einen höheren Nutzwert nicht hat, dabei zwiſchen ihnen ohne Schwierigkeit erſcheint, ihren Beſtand füllt und gleichzeitig als Boden— ſchutzholz dient. Ahnliches gilt von der Weiß— buche, die zwar nicht lange aushält und in Horſten nicht zu dulden iſt, aber einzeln ein— gemiſcht ſehr wohl vorübergehend zum Füllen dienen kann, auch, auf die Wurzel geſetzt, mit 3 reichlichen Ausſchlägen bodenſchützend wirkt Auch die Birke kann im Einzelſtande als Füllholz zwiſchen Laub- und Nadelholz dienen und wertvolle Zwiſchenerträge liefern, leiſtet aber noch mehr als Schutzholz. Wo der Boden dazu angethan iſt, kann auch die Schwarz- und Weißerle als Lückenfüller in Eichen-, Buchen- und Fichtenbeſtänden dienen, ſelbſt die Ahe wird man im Einzelſtande als Lückenfüller beſonders da benutzen können, wo ſie als Zwiſchennutzung Wert hat. Von den 229 Nadelhölzern iſt als Füllholz, doch auch als Treibholz, die gemeine (Weiß-) Kiefer, auf gewiſſen Bodenpartien (Kalk) auch die Schwarz— kiefer beſonders wertvoll, wird aber leicht vor andern, den Hauptbeſtand bildenden Hölzern vorwüchſig, weshalb bei künſtlichem Anbau dieſem ein Vorſprung von mehreren Jahren vor der Kiefer gelaſſen, dieſe auch durch den Hieb rechtzeitig in Schranken gehalten werden muss, wie denn bei allem Wirtſchaften mit Füll-, Treib- und Schutzholz die Ausläuterung und Durchforſtung der Beſtandserziehung ſtets helfend zur Seite ſtehen muſßs. Auch im Eichenſchälwald iſt bei der erſten Anlage die Kiefer oft als Füllholz, noch mehr als Schutz- und Treibholz da von Wichtigkeit, wo der Boden verödet iſt und die Eichen daher dieſer Hilfe bedürfen. Sonſt iſt dauerndes Füllholz im Schälwald nicht erwünſcht und auf Reinanzucht desſelben möglichſt hinzu— wirken. Gt. Jüllzellen, ſ. Anatomie. Hg. Fulmarus each Precbllari Ling — F. glacialis Stephens, ſ. Eisſturmvogel; F. meridionalis Reichenbach, J. Teufelsſturm⸗ vogel; F. minor Bonaparte, ſ. Eisſturmvogel. E. v. D. Fulminurfäure, C;H,;N,O,, entſteht aus Knallqueckſilber beim Kochen mit Waſſer, mit Chlor- oder Jodalkalien oder mit alkoholiſchem Ammoniak bei 80°. Die Salze derſelben ſind in Waſſer löslich und meiſt gut kryſtalliſierbar. Gnu. Fumarin, bitterſchmeckendes Alkaloid aus dem Kraut von Fumaria officinalis. v. Gn. Jumarolen werden Gasquellen genannt, bei welchen Waſſerdämpfe das vorwaltende Material der Exhalationen bilden. Reine Waſſerdampffumarolen finden ſich z. B. bei Iſchia, wo ſie dem Trachyt des Monte Tabor entſtrömen. Auch die Waſſerdampfwolken, die aus den Kratern vieler ruhender Vulkane ent— ſtrömen, gehören hieher. Manche Fumarolen enthalten Schwefelwaſſerſtoff, andere Borſäure beigemengt; letztere finden ſich bei Saſſo, Larderello und auf Volcano, fie ſetzen die Bor— ſäure, die hier Saſſolin genannt wird, an den benachbarten Geſteinwänden ab. v. O. FJumarſäure (Flechtenſäure), CH, 04, findet ſich im Kraut von Fumaria officinalis, Corydalis bulbosa. Glaucium luteum, in ver— ſchiedenen Agaricus- und Boletus-Arten, in Cetraria islandica und bildet ſich beim Erhitzen von Apfelſäure bei 150°, welche dabei in Waſſer und Fumarſäure zerfällt. Die Fumar— ſäure iſt in kaltem Waſſer ſchwer löslich, leichter in heißem Waſſer, ſie kryſtalliſiert daraus beim Erkalten in klaren, zuſammen— gehäuften Prismen, von Alkohol und Ather wird fie in reichlicher Menge gelöst. Beim Er- hitzen über 200° verflüchtigt fie ſich ohne zu ſchmelzen. Theilweiſe unzerſetzt, der größte Theil wird in Waſſer und Maleinſäureanhydrid ge— ſpalten. Mit nascierendem Waſſerſtoff verbindet ſich die Fumarſäure leicht zu Bernſteinſäure. Die Metallſalze der Fumarſäure ſind, ausge— nommen die mit Alkalien, in Waſſer ſchwer löslich oder unlöslich. Der Athyläther iſt ein 230 in Waſſer unterſinkendes Obſtgeruch. Junctionszulagen ſind jene We welche den Angeſtellten gewährt werden, um dieſelben für Auslagen, die mit ihrer dienſt— lichen Stellung verbunden ſind, zu entſchädigen; ſie gehören daher nicht zu den perſönlichen (Beſoldungs-), ſondern zu den dienſtlichen Be— zügen. Insbeſondere werden Functionszulagen dort zu gewähren ſein, wo der Angeſtellte in Stellvertretung des Beſitzers zu repräſentieren, oder in deſſen Auftrage, bezw. im Intereſſe des Dienſtes eine weitgehende Gaſtfreundſchaft zu üben hat, wie dies bei den Forſtbedienſteten nicht ſelten der Fall iſt. Die Höhe der Func— tionszulagen iſt nach der vorausſichtlichen Größe des Aufwandes zu bemeſſen. v. Gg. S. a. Activitätszulage und Heu Macht Jundamentalformation (Grundforma— tion) nennt man in der Geologie diejenigen Geſteinſchichten, welche die geſammte Reihe der ſedimentären Formationen tragen. Sie iſt als die Erſtarrungskruſte der einſt glutflüſſigen Erde anzuſehen. Die Geologen ſind zweifelhaft, ob dieſe primitive Kruſte irgendwo an der Erdoberfläche der Beobachtung zugängig iſt. Manche ſind geneigt die unterſten ſchwach— flaſerigen und nur undeutlich geſchichteten Gneislagen, die für gewöhnlich zum unterſten Horizont der archäiſchen Formation gerechnet werden, als ſolche anzuſehen. Da übrigens ſämmtliche ſedimentären Formationen ihr Haupt— material der Verwitterung, Verſchlemmung und Wiederabſetzung der Beſtandtheile der Erſtar— rungskruſte verdanken, Kieſelſäure aber, theils als Quarz, theils verbunden mit Baſen als Silicat, den bei weitem vorwiegenden Beſtand— theil der Sedimentärformationen ausmacht, ſo iſt der Schluſs berechtigt, anzunehmen, dajs Silicate, u. zw. vornehmlich ſauere (kieſelſäure— reiche) Silicate das vorwaltende Material der der Zerſtörung anheimgefallenen Theile der Erd— kruſte geweſen ſind. v. O. Fundamentalorgane nannte v. Baer die Hautſchicht, die Fleiſchſchicht, die Gefäß- und Schleimſchicht, welche unmittelbar aus den Keimblättern hervorgehenden Gebilde alle ſpä— teren Organe des Körpers bilden. Kur. Funddiebſtahl, ſ. Finden. At. Fundierungen haben den Zweck dem Bau— objecte eine genügend feſte Baſis zu ſchaffen, welche jedem Drucke des daraufzuſtellenden Objectes zu widerſtehen hat, ohne in einer für dasſelbe irgend nachtheiligen Weiſe nachzugeben. Jeder Baugrund mujs daher genau unterſucht werden, ob er den an ihn zu ſtellenden Anfor— derungen entſpricht (ſ. Prüfung der Trag— feſtigkeit eines Baugrundes). Im Allge— meinen unterſcheidet man Fundirungen für den Landbau und Fundierungsanlagen für Objecte des Waſſerbaues. Bei dem letzteren iſt es nicht immer genügend, wenn der Baugrund eine entſprechende Feſtigkeit beſitzt, ſondern es wird für gewiſſe Objecte (Schwellwerke) auch eine ſolche Dichtigkeit des Untergrundes begehrt, welche ein Durchſickern des Waſſers nicht ge— ſtattet. Im anderen Falle müſſen mit der Fun— dierung Vorkehrungen getroffen werden, welche Ol von e | va AS 8 „ We Functionszulagen. — Fundierungen. den Untergrund waſſerundurchläſſig geſtalten. Wir unterſcheiden ferner Gründungsarbeiten, die durch 55 Waſſer nicht beeinfluſst werden, und Fundirungen unter Waſſer. Letztere ſollen in einer geſchloſſenen, durch Waſſerſchöpfen trocken gelegten Baugrube vorgenommen wer— den. Mitunter iſt eine Trockenlegung der Bau— grube unthunlich und unzweckmäßig. Die beim Land- und Waſſerbau zumeiſt vorkommenden Fundirungen laſſen ſich nach der Art ihrer techniſchen Ausführung unter- abtheilen in a) das Verdichten des Bodens mittelſt kurzer Pfähle; b) in die Herſtellung des liegenden Roſtes oder Gründungen auf gezimmertem Boden mit oder ohne Spundwand; c) in die Herſtellung des ſtehenden oder Pfahlroſtes mit oder ohne Spundwand; a d) in die Herſtellung des Steinkaſtenbaues; e) in Betongründungen in einfacher Bau— grube oder zwiſchen Spundwänden. Gründungen auf eiſernen Böden mit höl— zernen oder eiſernen Schraubenpfählen, eiſerne Röhrenfundamente ꝛc. werden nur bei bedeu— tenden Land- und Waſſerbauten verwendet. Der beſte Untergrund iſt ein feſter Felſen; in einem ſolchen Falle kann das Object uns mittelbar auf denſelben geſtellt werden. Immer⸗ hin iſt der Felſen, inſoweit als er als Funda— ment benützt werden ſoll, freizulegen und jo- dann horizontal oder in horizontalen Ab- ſtufungen abzuebnen, wobei in dem Falle, als es ſich um das Fundament eines Schwellwerkes handelt, alle etwa vorhandenen Höhlungen und Sprünge ſorgfältig unterſucht und mit Beton— ſchüttung geſchloſſen oder ausgefüllt werden müſſen. Desgleichen ſind auch die an der Felſen— oberfläche allenfalls vorhandenen verwitterten und ablösbaren Partien zu beſeitigen. Iſt der Fels aus weichem Geſtein, ſo muſs der Bau— grund mit einer Betonſchichte überdeckt werden. Iſt der Untergrund feſter, waſſerundurchläſſiger Boden, jo wird nur die obere Bodenſchichte abgehoben, wobei aber mit Rückſicht auf die Froſteinwirkung mindeſtens 60—90 em unter die Erdoberfläche gegangen werden muſs. Das Object wird dann ohneweiters darauf geſtellt. Iſt der feſte Boden ungleichmäßig dicht, ſo muſs das Object auf einen liegenden Bohlen— oder Balkenroſt geſtellt werden, wenn nicht etwa eine gleichmäßige Dichtung des Bodens durch eingeſchlagene kurze Grundpfähle zu er— reichen ſein ſollte. Eine gleichmäßige Dichtung des Materiales innerhalb der Baugrundfläche iſt unerläſslich nothwendig, weil ſonſt durch das ungleichmäßige Setzen des Grundes Ge— fahren für die Standfeſtigkeit des Objectes unbedingt eintreten würden. Wird zum Zwecke der Henan eines waſſerdichten Untergrundes (Klauſen) eine Spundwand geſchlagen, ſo darf dieſe mit dem Roſte nicht verbunden werden, weil ſonſt der Roſt am gleichmäßigen Setzen verhindert würde. In einem weichen Grunde, wo aber ſchon in mäßiger Tiefe ein feſter Baugrund. vor⸗ handen iſt, muſs das Object entweder bis auf die feſte Baugrundſchichte hinabgeführt werden Fundierungsaufwand. oder es wird eine Betonſchüttung zwiſchen Spundwänden oder im Steinkaſtenbau als Fundament ausgeführt. Bei einem Steinkaſten— fundament muſßs jedoch bei Schwellwerken vor die bis auf den feſten Grund hinabgeführte Krainerwand, u. zw. von der feſten Grund— ſchichte angefangen bis zu der Höhe der Grund— ſchwelle der Abfluſsöffnung eine genügend ſtarke Lehmſchichte geſchlagen werden. In einem Baugrunde, wo die nothwendige Tragfeſtigkeit erſt in einer anſehnlichen Tiefe zu erreichen iſt, wird der ſtehende Roſt mit oder ohne Spundwand als Fundierung ange— wendet werden. Die Grundpfähle oder Piloten des ſtehenden Roſtes können auch durch Stein— pfeiler erſetzt werden; jedoch entſprechen die erſteren beſſer, weil die zuläſſige Inanſpruch— nahme des Holzes auf ſeine rückwirkende Feſtigkeit das Zehnfache jener eines gewöhn— lichen Mauerwerkes beſitzt. Wird der Körper einer Klauſe auf einen Pfahlroſt geſtellt, und gewährt die Grund— ſchichte keine genügende Sicherheit gegen das Durchſickern des Waſſers, jo mujs ſowohl an der Waſſerwand als auch an der Rück— ſeite eine hinreichend tiefe Spundwand ge— ſchlagen werden. Iſt dagegen der Untergrund vom Niveau des Roſtes nach abwärts voll— ſtändig waſſerundurchläſſig, ſo kann die Spund— wand entfallen und wird zur Sicherheit die von der Erdoberfläche nach abwärts gelegte Tegel— ſchichte noch einen halben Meter unter die Kron— ſchwelle des Pfahlroſtes hinabgeführt. Behält der Baugrund bis zu einer bedeutenden Tiefe eine lockere, das Waſſer durchlaſſende Beſchaffen— heit, ſo iſt von der Erbauung eines Schwell— werkes an einer ſolchen Stelle ganz abzuſehen, weil einerſeits zu tief geführte Spundwände keinen ſicheren Erfolg gewähren, während andererſeits auch die Baukoſten eine unverhält— nismäßige Höhe erreichen würden. Die Funda⸗ mente ſind in ihrem oberen Flächenausmaße ſtets größer anzulegen als die Grundfläche des darauf zu ſtellenden Objectes. Fr. Jundierungsaufwand. 1. Aus Tannenz, Fichten- oder Föhrenrindholz Grundpfähle oder Piloten anarbeiten, zuſpitzen, beſchuhen, zur Einſchlagſtelle auf kurze Entfernung ſchaffen, aufziehen, aufſtellen, zum Einrammen vorrichten, mit einem eiſernen Ring verſehen, nach erfolgtem Einſchlagen abſchneiden und den Zapfen an— arbeiten erfordert per Meter an Arbeitsaufwand und Material bei einer Pilotenſtärke von 231 0. 10 m 0˙035 0:08, fm? Rundholz 043 „ 0050 0010 , ’ 015 „ 0:060 0020 „ 5 017 „ 00785 0020 „ 5 020 „ 0100 0030 „ x 025 „ 0'140 0,050 „ 1 0˙30 „ 0˙200 0.070 „ 4 0:35 „ 0250 0100 „ g 040 „ 0300 0160 „ 5 2. Aus weichem, vierkantig bearbeitetem Gehölz (Tannen, Fichten, Föhren) Grundpfähle oder Piloten wie unter 1 herſtellen, erfordert an Arbeitsmaterial per laufenden Meter bei einem Querſchnitte von Tag⸗ ſtarkes ſchicht Rundholz 7/7 oder 6/8 cm 0'030 0˙008 fm? 40 em 949 058/107 0:0%0 0010 , 13 10/10 „ 9/12 „ 0:050 0:00 „ 15 „ 12/12 „B 10/14 „ 0060 0.020 „ 17 „ 14/14 „ 12/16 „ 0.075 0·030 „ 20 „ 17%/7 „ 15/20 „ 0100 0050 „ 25 „ 21/21 „ 18/24 „ 0120 0˙070 „ 30 „ 24/4 „ U 21/28 „ 0160 0100 „ 35 „ 28/725 „ 2/2 „ 0200 0430 „ 0 „ 31/31 „ 27/36 „ 0250 0160 „ 458 „ 33/85 „ 30/0 „ 0'300 0200 „ 30 „ 3. Einen laufenden Meter weiches oder hartes Rundholz zu Grundpfählen vierkantig rein behauen erfordert an Zimmermannstag— tagſchichten bei einer Querſchwelle von 7/7 oder 6/8 0'065 hart 0030 weich , e ess, es S, ee ein 0˙085 „ , ya N En 0100 „ IRA, dee lee , E , „ 1% 0 223 „ ies 7, r ee 073 es ses „ 0970. 28/28 „ 24/32. 0440 „ 0300 „ 3% „ . 37/36. 90595 „ 0·˙410 „ i eee ee, e 4. Wenn die Grundpfähle aus Lärchen— oder Eichenholz herzuſtellen ſind, ſo iſt der unter 1 und 2 angeſetzte Arbeitsaufwand um 15%, bezw. um 30% höher zu ſtellen; dagegen kann derſelbe um 20% vermindert werden, wenn vom Beſchuhen der Piloten abgeſehen wird. 3. Der Arbeitsaufwand für das Einram— men und Abſchneiden kann folgendermaßen be— ziffert werden: für Piloten in der Stärke von Eine Pilote bei 3—7 m Länge und 10 13 20 23 30 35 40 75 em bis 2 m Einſchlagtiefe in den Taaſchi . Boden einrammen, im leichten b Sgalchich uh Boden per Metten 0.080 0'120 0.160 0˙200 0˙240 0˙280 0'320 0˙360 im mittleren Boden per Meter 0:100 0'150 0˙200 0'250 0300 0•˙350 0'400 0430 im feſten Boden per Meter ...... 0180 0270 0'360 0450 0'540 0630 0'720 0'810 bei einer Einſchlagtiefe über 2 m im leichten Boden per Meter... 0160 1240 0320 0400 0'480 0'560 0'640 0'720 im mittleren Boden per Meter.. 0'240 0'360 0480 0600 0720 0'840 0960 1•080 im fejten Boden per Meter ..... 8 320 0'480 0'640 0˙800 0˙960 1120 1˙280 1'440 bei 8— 10 m Pilotenlänge und bis 2 m Einſchlagtiefe, im leichten Poden per Meter! 0:080 0'120 0'160 0'200 0240 0˙280 0˙320 0'360 232 im mittleren Boden per Meter... 0110 im feſten Boden per Meter ...... 0150 bei einer Einſchlagtiefe über 2m im leichten Boden per Meter ... 0180 im mittleren Boden per Meter ... 0'270 im feſten Boden per Meter ...... 0˙360 eine Pilote abſchneiden über dem Waſſerſpiegel per Meter.... 0030 bis 05m unter dem Waſſerſpiegel 0'180 von 05—10 m unter dem Waſſer— pied nm 1a de 0'330 ° 6. Das Ausziehen einer am Lande oder im Waſſer ſtehenden mittleren Pilote kann an— nähernd mit einem Arbeitserforderniß veran— ſchlagt werden 3 e 38 88 58 wenn fie am Lande S8 58 ze ſteht, bei einer Ein— SE 8 2 5 ſchlagtiefe von Im 8 6 = F e I n ee 0˙25 1:50 20% wenn die Pilote im Waſſer ſteht, bei einer Einſchlagtiefe von f 05 07/3 18% von 2m auf 050 4730 22% Dir auf wenn die Pilote unter dem Waſſerſpiegel ſteht, bei einer Ein- ſchlagtiefe von Um F 950 9085 20% von 2m auf oe 7077 von 3m aut 200 500 25% 7. Das Einſchlagen einer Pilote mit der Handramme erfordert unter mittleren Boden— verhältniſſen für jeden Meter Einſchlagtiefe bei einer Pilotenſtärke oder einem Querſchnitt von 37 oder 29/29 mit 100 Tagſch. und 10% 0˙90 0⁰ 32 „ 24/28 „ 079 " „ 10 0 8 21ER, „ 10% 8 „ 18% 1 „% ei „ „ 10% J S 8 Nin 16% 6 „ 0 „ „ 10% =* %s , e e ONE P e 8. Mit dem Bogenſchlägel einen 10 —13 em ſtarken Pfahl 1—1˙5 m tief in den Boden ein- ſchlagen, erfordert unter mittleren Bodenver— hältniſſen einen Aufwand von 0.37—0'55 Tag⸗ ſchichten. 9 9. Mit dem Handſchlägel einen 10—13 em ſtarken Pfahl 10—20 em tief in den Boden ein— ſchlagen, erfordert einen Aufwand von 0•012 bis 0•024 Tagſchichten. 10. Die Herſtellung einer einfachen Kunſt— ramme, wie ſie bei den gewöhnlichen forſtlichen Waſſerbauten angewendet wird, erfordert 3˙3 fm? Bauholz, 10 Stück 23 em lange und 2 Stück & 85 em lange Schrauben ſammt Mut⸗ tern im Gewichte von 15 kg, 11 kg Eijenbe- ſtandtheile der Rammſcheibe, ein Eiſenlager 1˙5 kg ſchwer, 2 eiſerne Schuhe ſammt Federn und Schließen, dann 2 Ohren zum Befeſtigen or 1 Do = S co see =B — = A Fundierungsaufwand. 5 0220 0˙275 0˙330 0'385 0'440 0'495 5 0'300 0'375 0'450 0525 0'600 0°672 0 0'360 0'450 0540 0'630 0'720 0'810 5 0'540 0'675 0'810 0'945 1˙080 1'215 0 0720 0˙900 1:080 1'260 1'440 1'620 45 0'060 0'075 0090 0'105 0120 0135 195 0'210 0'225 0140 0'255 0'270 0'285 5 0'360 0'375 0'390 0'405 0'420 0'435 der beweglichen Streben an den Führungs- ſäulen mit 4 kg, den 600—800 kg ſchweren Rammbären, 25 kg ſchwere Eiſenbeſtandtheile zum Bären, 23 kg ſchwere Eiſenbeſtandtheile zur Winde und 80 kg für das Trieb- und Kammrad, ein 18 m langes und 15 kg ſchweres Schlagwerkſeil und einen Arbeitsaufwand von 53 Tagſchichten. 11. Betonſchüttung ohne Anwendung einer Mörtel- oder Betonmaſchine, einſchließlich des Klopfens der Steine, das Miſchen und Einführen der Maſſe in die Baugrube, endlich das Feſt— ſtampfen in 5—8 em dicken Schichten erfordert per Kubikmeter: a) bei dem Miſchungsverhältniſſe von 1 Theil Cementkalk, 2 Theilen Sand und 5 Thei— len Schlägelſchotter: 0˙25 Maurer- 3˙0 Handlangertagſchichten, 021 m? Cementkalk, 0˙42 m? Sand und 1:05 m? Schlägelſchotter; b) bei einer Miſchung von 1 Theil Cement- kalk, 2 Theilen Sand und 4 Theilen Schlögel- ſchotter: 0˙3 Maurer-, 3»0 Handlangertagſchichten, 025 ms Cementkalk, 050 m? Sand und 10 m? Schlägelſchotter. 12. Einen Längenmeter Grundſchwellen zu einem liegenden Balkenroſt anarbeiten und legen, erfordert 0˙2 Zimmermannstagſchichten. 13. Einen Quadratmeter Bohlenbelag zu einem Balkenroſt zuſchneiden, ſäumen, legen und mit hölzernen Nägeln auf die Schwellen befeſtigen, erheiſcht einſchließlich der Anferti— gung der erforderlichen Holznägel 0:33 Zim- mermannstagſchichten. 14. Einen Quadratmeter Roſt- oder Spund- pfähle wagrecht abſchneiden, erfordert einſchließ— lich des Zurichtens von Zapfen an die Köpfe der Pfähle, des Einſtemmens von Zapfenlöchern in die Holme und die letzteren feſtnageln 0˙4 Zimmermannstagſchichten. 15. Einen laufenden Meter Roſtholm durch Zangen verbinden und letztere dreimal auf- kämmen, erfordert einſchließlich des Zurichtens und Befeſtigens 0˙27 Zimmermannstagſchichten. 16. Einen laufenden Meter Nuth und Feder in einem Spundpfahle anarbeiten, denſelben ſpitzen und erforderlichenfalls beſchuhen, erfor— dert 0˙20 Zimmermannstagſchichten. 17. Einen Meter Spundwandholz aus: pfalzen, an die Pfähle die Zapfen anarbeiten, erfordert einſchließlich des Zurichtens und Auf— legens des Holzes 0˙55 Zimmermann stag— ſchichten. Fundus instructus. — Furfurol. 233 18. Der Aufwand für die Herſtellung eines Roſtes, bezw. für das Herrichten der Hähne, der Schwellen und des Belages, für das Ein— legen der Zangen in Entfernungen von 1˙25 bis bei 141 m Breite des Belages auf 2 Pfahlreihen U 14 " * " * * 3 * " 47 " nm * " 3 " " 20 77 7 123 n U 3 " " 2 3 " * L [23 5 4 " " 2 6 " * I I * 4 I 5 2˙ 9 1 7 nv n 7 4 [7 " 3 2 1 " 123 3 " " 3% 5 7 " " 77 7 5 [77 " 3 8 " 7 7 n U 5 n "” 41 * 5 " I 6 rn "” 44 " m n " n 6 n 1 A 7 n * n n n 6 " Fundus instructus ijt die Bezeichnung für den Normalvorrath bei der Cameraltaxe (Di): Nr. Fünfpflanzung oder Duincung iſt ein aus dem Quadratverband ſo hervorgehender neuer Verband, daſs man, wie die Figur . zeigt, in den Mittelpunkt des Quadrates noch eine fünfte Pflanze ſetzt. Es entſteht daraus eine weitere Bildung von Pflanzenquadraten, deren Seite b nur der halben Diagonale (etwa 0˙7 der Seiten- länge) der urſprünglichen größeren Quadrate mit der Seite a gleich iſt und daher der Ver— band beſſer ſogleich mit der geringeren Seiten— länge abgeſteckt werden könnte, wenn man einen, etwa die doppelte Pflanzenzahl erfordernden Verband haben wollte (j. a. Verband). Gt. FJungible (vertretdare, Quantitäts— oder Gattungs-) Sachen (res fungibiles) kommen im Verkehre nicht mit ihrer Individua— lität, ſondern nur mit ihrer Quantität (res, quae numero, pondere, mensura consistunt. constant, continentur, valent u. ſ. w.) in Be— tracht und können 5 durch Sachen derſelben Gattung, Güte und Quantität vertreten werden. Dieſelben gelten nur als Vertreter des genus (res, quae in genere suo functionem recipiunt per solutionem magis, quam specie), während die nicht vertretbaren Sachen als species oder corpus erſcheinen. Es zahlt z. B. beim Darlehen (ſ. Darlehensvertrag) der Schuldner dem Gläu— biger nicht die von demſelben erhaltenen Mün— zen, ſondern nur eine gleiche Summe in den bedungenen oder geſetzlichen Münzſorten zurück, während beim Commodat (f. d.) die geliehene Sache ſelbſt zurückgegeben werden mußs. Zu den fungiblen Sachen zählen vor allem das Geld, dann Getreide, Wein, Holz in für den Verkehr hergerichtetem Zuſtande und andere verbrauchbare Sachen, wie überhaupt die meiſten Handelsartikel, doch iſt die fragliche Unterſchei— dung eine rein conventionelle, indem z. B. bei der Verpfändung beſtimmter Münzen oder bei dem Ankaufe eines auf einem Speicher vorhan— denen Getreidevorrathes Geld und Getreide die Vertretbarkeit verlieren, während auf der ande— ren Seite durch das allgemeine Verſprechen des 1:50 m einſchließlich des vollſtändigen Anarbei— tens ſtellt ſich per Meter nach Maßgabe der Breite, u. zw.: Schwellroſt Pfahlroſt 0˙866 1˙466 Zimmermanns Tagſchicht 1˙333 2˙000 1 1466 2˙133 5 1633 2:300 5 2:000 2˙866 5 2133 3000 1 2:266 3'133 15 2633 3733 1 2.776 30866 1 2:916 4033 5 3˙283 4˙666 1 3433 4'800 7 3566 5'000 1 Fr. 1 einer gewiſſen Zahl Hectaren Acker— land ſelbſt Grundſtücke zu fungiblen Sachen 17550 können. Das Erlöſchen einer Obligation durch den Untergang der Sache ſetzt bei fungiblen Sachen den Untergang der Gattung voraus. Einzelne Particularrechte, wie z. B. das preußiſche allgemeine Landrecht und auch der franzöſiſche Code eivil, identificieren die ver— brauchbaren Sachen (res, quae usu consu— muntur, tolluntur vel minuuntur, quae in ab- sumtione sunt, quae in abusu consistunt) mit den vertretbaren, während doch verſchiedene Fabrikate vertretbar ſind, ohne durch den Ge— brauch ſofort zerſtört oder auch nur merklich verſchlechtert zu werden. Schließlich werden übrigens auch dieſe Sachen verbraucht. Die Bezeichnung der vertretbaren Sachen als fungible wurde zu Anfang des XVI. Jahr— 1 1 den berühmten Udalricus Zaſius (Zäſi) eingeführt. A Funiculus umbilicalis, Nabelſtrang. Kur. Funßenflug, ſ. Eiſenbahnen und Feuer— rayon. Mcht. Furdel, die, ſ. Forkel. E. v. D. Jurchenmolche, Menobranchida, Familie der Kiemenlurche (ſ. d.). Ziemlich breitföpfige langgeſtreckte Schwanzlurche mit vierzehigen Gliedmaßen, ſtummelförmigen Zehen, langer Zahnbogenreihe am Gaumen, großer Mund— ſpalte, dicken, fleiſchigen Lippen. Jederſeits bleiben vier Kiemenſpalten. Gattung: Meno- branchus Harlem mit der Art: Furchen— molch (M. lateralis Say). Jedenfalls die Larve eines noch nicht bekannten Schwanzlurches. Kur. Jurchenſchildkröten, Homopus Dum. Bibr., eine Untergattung von Testudo mit vier Krallen an Vorder- und Hinterfüßen. Kur. FJurchenzähner, Proteroglypha, Colubrina venenosa. Hieher die Familien: Elapida und Hydrida. Kur. FJurſurol (Brenzſchleimſäurealdehyd), Cs H. Oe, wird gewonnen durch Deſtillieren von Weizenkleie, Mehl, Sägeſpänen mit verdünnter Schwefelſäure oder mit concentrierter Löſung von Chlorzink, auch entſteht es bei trockener Deſtillation des Holzes, beſonders des Eichen— holzes, unter 200°, beim Erhitzen von Holz 234 mit Waſſer auf 198°, beim Kochen von Krapp mit Schwefelſäure. Die Stammſubſtanz des Furfurols findet ſich in den Hülſen der Ge— treidekörner, iſt löslich in Kalilauge und ſtark verdünnter Schwefelſäure, nicht in Waſſer. Das Furfurol it ein farbloſes, in Waſſer ziemlich lösliches Ol von angenehmem, an Bitter— mandelöl erinnerndem Geruch, wenig ſchwerer als Waſſer, ſiedet bei 162“ und deſtilliert un— verändert über. An der Luft färbt es ſich gelb, durch Erhitzen mit Silberoxyd und Waſſer wird es zu Brenzſchleimſäure oxydiert. Mit Phenol (Reſorein, Pyrogallol) und Salzſäure bildet es ſchöne chlorophyllähnliche Farbſtoffe, die ſich in Waſſer mit grüner Farbe löſen und durch Salzſäure in blauen Flocken gefällt Be v. Gn. Furina D. B., Giftſchlangengattung der Elapidae. Kar. Frurßel, die, ſ. Forkel. E. v. D. Furkie, die, nur mhd., abgel. v. furke = Gabel; das Aufſtecken des Geſcheides eines par force gejagten Hirſches (nach franzöſiſcher Sitte), ſ. Hirſchjagd. Gottfried v. Straßburg, Triſtan u. Iſolde, v. 2924. — Benecke u. Müller, Mhd. Wb. III., p. 447 a, b. — Lexer, Mhd. Hwb. III., p. 602. E. v. D. Furn, ſ. Plötze und Rothfeder. Hcke. Furniere, Furnierſchneidmaſchinen. Furnire, Furniere, Fournire, Four— niere, Furnüre u. ſ. w. find mehr oder weniger dicke Holztafeln (von ½ mm bis ca. 3 mm), oft in ziemlich großer Breite (von einigen Centimetern bis weit über einen Meter) und in einer Länge bis 100 m, 300 m und darüber — aus edleren, gefladerten, alſo ſchön gezeich— neten oder beſonders gefärbten Hölzern, z. B. Mahagoni, Jakaranda, Nuſsbaum, Kirſchbaum, Ahorn, Eſche, Wachholder u. ſ. w. 8 Die Furniere werden entweder mit der Säge geſchnitten, mit Hobelmaſchinen erzeugt oder durch eigene Furnierſchneidmaſchinen wie die Rinde vom Stamme losgeſchält. Die Fur— niere werden beſonders von den Tiſchlern zur Verſchönerung der Möbel, aber auch von Ga⸗ lanteriearbeitern benützt, um mindere Holzſorten mit beſſeren und ſchöneren Holzarten zu über— decken und zu überkleiden. Der Vorgang heißt Furnierung (Furnirung). Der Zweck einer ſolchen Arbeit iſt: J. die Gegenſtände billiger zu machen im Verhältniſſe zu jenen, welche ganz aus edlem Holze gefertigt werden; 2. ſie weniger ſchwer zu erhalten, weil der Haupttheil aus weichem Holze iſt; 3. durch Anwendung ausgeſucht ſchöner, kleiner Holzflächen dem Ganzen ein beſonders ſchönes Ausſehen zu geben, was bei ausge— dehnteren Holzſtücken nicht möglich wäre; 4. die Verarbeitung kleinerer Holkzſtücke, welche ſchön gezeichnet ſind, noch zu erreichen. Das Furnieren geſchieht in der Weiſe, daſs die aneinander gereihten Blätter eine ſymmetriſche Zeichnung geben, u. zw. in Bezug auf eine Mittellinie oder in Bezug auf einen Mittelpunkt. Das Grundholz, auf welchen die Fur— niere geleimt werden, ſoll ſich wenig verziehen, Furina. — Furniere. große Feſtigkeit beſitzen und den Leim gut auf— nehmen. Das vorzüglichſte Grundholz iſt aſtfreies, ſchlichtes Eichenholz; es werden aber auch Linden-, Pappel-, Tannenholz u. ſ. w. u. ſ. w. verwendet. g Die Furniere werden entweder gleichfärbig (von einer Sorte) verwendet, oder man ſtellt bunte Muſter zuſammen (ſ. a. Holzmoſaik). Das Furnieren ebener Flächen geſchieht durch Anpreſſen der aufgelegten Blätter auf das Blindholz, nachdem dieſelben zuvor mit dem Zahnhobel rauh gemacht und mit heißem, nicht zu dickflüſſigem Leim beſtrichen worden waren. Manchmal erhält der Genſtand zuerſt ein Eichenholzfurnier, und nach deſſen Austrocknung eines aus edlem Holze. Dem Riſſigwerden wird dadurch beſonders gut vorgebeugt. An ſchmale Flächen preſst man das Fur⸗ nier nicht durch Schraubenzwingen, ſondern mit dem Furnierhammer an. Das Furnieren der Kanten erfolgt mit Zuhilfenahme eines Papierbogens, auf dem das Furnier einerſeits befeſtigt iſt, während die andere Seite auf das Blindholz aufgeleimt wird. Das Vermeiden einer Fuge und das Aufſplittern des Furniers an der Kante wird durch einen keilförmigen Schnitt an der Innen⸗ ſeite des Furniers hintangehalten. Zum Belegen geſchweifter und krummer Flächen müſſen dünnere Furniere verwendet werden, die man durch Hobeln der gewöhn— lichen Furniere herſtellen kann. Die Dicke der Furniere pflegt man da— durch auszudrücken, daſs man angibt, wie viele derſelben aus einem beſtimmten Maße der Holz— dicke geſchnitten werden können. Man ſchneidet z. B. etwas ſtarke Furniere 8—10 Stück aus 25 mm; mit den beſten Sägemaſchinen 16—1S Stück. Das Furnierſägen unterliegt mancherlei Schwierigkeiten, da das Holz meiſt krumm⸗ faſerig und oft verwachſen iſt. Um Brüche, Löcher u. dgl. in den Furnieren zu vermeiden, muſs die Säge nicht zu grobe und nur ſehr wenig geſchränkte Zähne beſitzen, die bei ihrer Bewegung ſtetig in einer Ebene verbleiben. Beim Zerſägen wird die Bohle auf eine andere von gewöhnlichem Holze mit einer breiten Fläche feſtgeleimt, damit man ſie vollſtändig aufarbeiten kann und das Werfen verhindert wird. Für den kleinen Bedarf werden Furniere aus freier Hand durch zwei Arbeiter geſchnitten. Die Furnierſägemaſchinen enthalten nie mehr als ein einziges Sägeblatt, entweder ge— rade oder kreisförmig. Die geraden Furnierſägen bewegen ſich entweder vertical oder horizontal. Die erſtere Anordnung iſt jetzt beinahe vollſtändig ver— laſſen worden. Meiſtens werden die Furnier— ſägen durch eine Dampfmaſchine angetrieben, welche eine gleichförmigere Bewegung ertheilt als Pferde- oder Waſſerkraft. Das Sägegatter wird in Falzen durch die Zugſtange einer Kurbel auf ſeiner horizontalen Unterlage hin und her bewegt. Die Zuſchie⸗ Furoin. bung des Holzes erfolgt entweder beſtändig oder bloß während des Leerganges. Bei den ziemlich ſeltenen Furnierſägemaſchinen mit Kreisſägen haben dieſelben einen bedeutenden Durchmeſſer (1˙5—5˙5 m). — Die mit Kreis— ſägen geſchnittenen Furniere erkennt man ge— wöhnlich an den bogenförmigen feinen Quer— ſtrichen, welche ſie als Spuren der Sägezähne zeigen. Auch Kreisſägen werden benützt, welche vom Mittelpunkt gegen den Rand immer dünner werden und dort mit nicht geſchränkten Zähnen beſetzt ſind. Solche Sägen erzeugen wenig Spähne und liefern um 50-80% mehr Furniere. Bei der Furnierhobelmaſchine wird ent— weder das zu verarbeitende Material unter dem Hobel durchgezogen und letzterer ſinkt vor jedem neuen Schnitte um die Dicke des Furnieres herab; oder der Hobel bewegt ſich, während das Holz feſtliegt. Auch zwei Hobeleiſen können gleichzeitig oben und unten zur Wirkung ge— langen. Eine gut verwendbare Hobelmaſchine iſt folgende: Der Hobel bewegt ſich horizontal; das Auflager für das Holz hebt ſich nach jedem Schnitte um die Dicke des Furnieres. Das Doppelhobeleiſen ſchließt einen Winkel von 80° mit der Bewegungsrichtung ein und iſt unter 15° gegen die Holzoberfläche geneigt. Beim Schneiden der Furniere aus luft— trockenem Holze ergibt ſich im Mittel ein Ab— fall von 30%. Dieſer Übelſtand gab Veran— laſſung, die Furniere durch ein Meſſer vom Holzblocke zu trennen. Aber erſt durch das Dämpfen des Holzes erhielt dieſes eine Ge— ſchmeidigkeit, welche die Herſtellung eines brauchbaren Productes ermöglichte. Ehe noch das Holz vollſtändig trocken iſt, mußs dasſelbe verarbeitet werden. Allerdings verlieren manche Holzſorten durch das Dämpfen ihre ſchöne Farbe und werden brüchig. Man hat aber geeignete, jeder Holzart angepaſste Methoden gefunden, welche dieſen Übelſtand aufheben oder doch verringern. Ein Mittelding zwiſchen den Furnierſägen und Furnierſchneidmaſchinen bilden die Fur— nierhobelmaſchinen. Auch bei dieſen wird das Holz vor der Verarbeitung gedämpft. Die gehobelten Furniere und die Meſſer— ſchnittfurniere laſſen ſich viel dünner herſtellen als jene durch Sägen; ſie haben eine glattere Oberfläche und viel größere Längen- und Breitendimenſionen. Eine ſolche Maſchine kann bis zu 2˙3 m lange und 1˙3 m breite Flächen bearbeiten. Die durchſchnittliche Geſchwindigkeit des Hobels be— trägt 250 mm pro Secunde. Die Dicke der Furniere beträgt gewöhnlich 0°5 mm. Die Furnierſchneidmaſchinen laſſen ſich in zwei Gruppen theilen. Zu der erſten gehören Maſchinen, bei welchen von einem ro— tierenden Rundholz oder einem mit Holzſtücken be— legten Cylinder durch ein Meſſer, welches langſam radial vorſchreitet, das Blatt in Form einer Spirale abgelöst wird. In die zweite Gruppe fallen jene Maſchinen, bei denen entweder ein — Fürſt. 235 feſtes Meſſer die Furniere vom Blocke abtrennt oder umgekehrt das Holz feſtſteht und das Meſſer ſich bewegt. Ein Beiſpiel für die erſte Maſchine bildet jene von Garand, welche im Etabliſſement von L. Mougenot in Paris zuerſt zur Verwendung kam. Der Holzeylinder, z. B. zwei Halbeylinder aus Paliſander rotiert wie auf einer Drehbank zwiſchen vierkantigen Kör— nern, während ein fix liegendes Meſſer, deſſen Länge größer als die Länge des Klotzes iſt, den Schnitt hervorbringt. Daſs das Meſſer nach der Vollendung je eines Schnittes um die Dicke des nächſt wegzunehmenden Furnier— blattes vorgerückt werden mujs, ijt jelbitver- ſtändlich. Mougenot hatte ſchon auf der Pariſer Weltausſtellung 1878 ein Furnier von 400 m Länge ausgeſtellt. Zu den Maſchinen der zweiten Gruppe gehört die Furnierſchneidemaſchine von Arbey. Bei dieſer Maſchine ſteht die Schneide des Meſſers ſenkrecht auf die Bewegungsrichtung des Schlittens. Das Meſſer iſt ſtellbar. Der Tiſch, auf dem ſich das Arbeitsſtück befeſtigt befindet, wird ruckweiſe nach jedem Hube, ehe das Meſſer ein friſches Blatt zu ſchneiden be— ginnt, um die Blattdicke gehoben. Pfaff⸗Exner. Die Werkzeuge und Maſchinen zur Holzbearbeitung ausſchließlich der Sägen. Weimar 1883. Bernhard Friedrich Voigt. Karmarſch-Hartig. Handbuch der mechani— ſchen Technologie. 5. Auflage. J. Bd. Baum- gärtner's Buchhandlung. Leipzig 1875. Karmarſch und Heeren. Techniſches Wörter— buch. III. Bd. Prag 1878. Verlag der Bohemia. Er. Juroin, CHs 0, entſteht beim Kochen von Furfurol mit Waſſer, Alkalien und Cyan— kalium, löst ſich in Vitriolöl mit blaugrüner Farbe. v. Gn. FJurslach, eine im Mittelalter übliche Be— zeichnung für das „Jägerrecht“, als welches der Jäger bei einem Hirſch den Kopf mit Hals und Bruſt, d. h. was „von vorn herauf“ oder „vorn“ abgeſchlagen wird, beanſpruchen konnte. So heißt es im Weisthum des Spurken— berger Waldes (aus dem Anfang des XIII. Jahrhunderts): Postmodum idem forestarius cum eis ibit cum 2 canibus ad wartam; et si cervus venerit, illos canes dimittet et cum eis cervum sequetur; et si captus fuerit, ipse accipiet jus suum, quod dieitur furslach. Schw. Fürft Hermann, geb. 29. März 1837 in Ansbach, beſuchte von 1854—1856 die Forſt— lehranſtalt Aſchaffenburg, ſtudierte hierauf zwei Semeſter an der Univerſität Würzburg und trat ſodann in die forſtliche Praxis über. Nach einer infolge der damaligen Überfüllung mit Aſpiranten langjährigen Dienſtzeit als Forſt— gehilfe und Aſſiſtent wurde er am J. October 1871 zum Oberförſter in Berg (Oberpfalz) und am 1. Januar 1878 zum Kreisforſtmeiſter bei der Regierung zu Regensburg ernannt. Bereits am 1. September 1878 wurde ihm gelegentlich der Neuorganiſation des forſtlichen Unterrichts in Bayern die Direction der Forſt— lehranſtalt Aſchaffenburg übertragen, am 1. Fe— bruar 1885 erfolgte ſeine Beſörderung zum 236 Regierungs- und Forſtrath unter Belaſſung in ſeiner bisherigen Function. Fürſt hat neben zahlreichen Journalartikeln folgende ſelbſtändige Werke verfasst: Pflanzen— zucht im Wald, Berlin 1882, 2. Aufl. 1888, Neubearbeitung von Kauſchinger's Forſtſchutz, Berlin 1883, Die Waldungen in der Umge— bung von Aſchaffenburg, Aſchaffenburg 1884, Plänterwald oder ſchlagweiſer Hochwald? Berlin 1885. Schw. Fürftenruf, der, ein Jagdſignal, welches bei einer Parforcejagd, manchmal auch bei anderen Jagden, bei Ankunft des Fürſten, bezw. des Jagdherrn oder auch um ihn herbei— zurufen, geblaſen wird. „Iſt der Fürſt oder Herr nicht zugegen, ſo läſst man wohl die Hunde jagen, bis ſie den Hirſch ſtellen. Aber fangen darf ihn kein Jäger oder Cavalier, ſondern die Hunde werden nach erfordernden Umſtänden wol ſo lange abgenommen, der Fürſten-Ruff geblaſen, und der Fürſt er— wartet, dass er den Hirſch ſelber fängt“. Döbel, Ed. I, 1746, II., fol. 106. — „Fürſten ruf nennt man das Stückchen, welches bey der Parforce-Jagd geblaſen wird, um der Herr— ſchaft zu bezeichnen, wohin die Jagd geht.“ Hartig, Anltg z. Wmſpr., 1809, p. 108; Lb. f. Jäger, Ed. I, 1812, I., p. 39; Lexikon, Ed. I, 1836, p. 197. — Behlen, Wmſpr., 1829, p. 62. — „Fürſtenruf. Ein Hörnerſignal, welches gegeben wird, wenn bei Feſtinjagen der fürſt— liche Jagdherr ankommet.“ Id., Real- u. Verb.⸗ Lexikon, II., p. 732; VI., p. 217. — „Fürſten⸗ ruf. Bei der Parforcejagd die Fanfare, mit der man die Herrſchaft herbeiruft.“ Die Hohe Jagd, Ulm 1846, I., p. 359. — Hartig, Lexikon, Ed. II, 1861, p. 207. — Grimm, D. W., IV. p. 876. — Sanders, Wb., II., p. 803 b. E. v. D Fuſelöle nennt man die bei der alkoholi— ſchen Gährung neben Athylalkohol entſtehenden Alkohole und Eſter der Fettſäurereihe, beſonders Butyl-, Propyl- und Amylalkohol, ſowie die Ather der Caprin-, Capryl- und Pelargon— ſäure, außerdem finden ſich in dem Gemiſch Furfurol, Fermentöle u. ſ. w. Je nach dem Rohmaterial, welches der alkoholiſchen Gährung unterzogen wird, iſt das Gemiſch der Fuſelöle verſchieden. Kartoffelfuſelöl enthält als Hauptbeſtandtheil Amylalkohol, außerdem Pro— pylalkohol, Butylalkohol u. ſ. w., fette Säuren, Eſter und Fermentöle. Getreidefuſelöl ent— hält Alkohole der Fettſäurereihe, freie Fett— ſäuren und ein durchdringend riechendes Ol (Kornöl). Es iſt bei gewöhnlicher Temperatur ſchmierig, talgartig, grünlichbraun, ſchmilzt zu einer gelben Flüſſigkeit von betäubendem Ge— ruch und dient zur Darſtellung wohlriechender Ather. Weinfuſelöl (Druſenöl) wird gewonnen durch Deſtillation des Faßgelägers; das Rüben— fuſelöl riecht überaus unangenehm. v. Gn. Fusidium candidum, j. Nectria ditissima. U Hg. Fuß, pes, der Wirbelthiere heißt der der Hand homologe Endabſchnitt der hinteren Gliedmaßen; an ihm unterſcheidet man: 1. die Fußwurzel (tarsus), 2. den Mittelfuß (metatarsus) und 3. die Zehen (digiti pedis). Knr. K 1 — N 1 Fürſtenruf. — Fußböden. Fuß, der. J. In der allgemeinen Bedeutung wm. nur von den zur Hohen (und Mittel-) Jagd gehörigen Flugwilde; vgl. Stand, Ständer, Latſche, Ruder, Tritt. „Der Auerhahn hat Füße.“ „Der Kranich hat gar hohe Füße...“ Döbel, Ed. I, 1746, I., fol. 45 u. Regiſter. — „Das zur hohen und Mitteljagd gehörige Fe— derwild hat Füße.“ Winkell, Ed. I, 1803, I., p. 309. II. Local ſtatt Schalen, ſ. d. „Fuß Alſo werden die Schalen einiger Orten genannt. Anderer Orten hingegen darf ſich ein Jäger mit dem Fuß nicht groß hören laſſen, ſondern er muſs bey dem Wort Schalen bleiben; ſonſt meinte man, er habe ſich verbleffet.“ C. v. Heppe, Aufricht. Lehrprinz, p. 95. — „Fuß, einige ſagen auch Schaale oder Sohle, iſt des Hirſches, Thieres, Rehes und Schweines Klaue, worauf ſie gehen.“ Chr. W. v. Heppe, Wohlred. Jäger, p. 136. — „Fuß heißt in einigen Ländern der hornigte Theil oder die Klauen (Schalen) am Lauf des Roth-, Dam-, Reh- und Schwarz⸗ wildes.“ Hartig, Anltg. z. Wmſpr., 1809, p. 108: Lb. f. Jäger, I, p. 39. Behlen, Wmſpr., 1829, p. 62. — Die Hohe Jagd, Ulm 1846, I., p. 339. III. Im Sinne v. II. ſ. v. w. Tritt, Spur, Fährte. „Daz klage ich dir frou Minne, süeze frouwe, ob ich und daz Herze (Hund), nun geselle, noch einen fuoz beschouwen, der sich gerehticlichen schicken welle.“ Hadamar v. Laber, Din jagt, str. 536. — „Der lait hunt sucht bald, do ich jn wider haben müsz: do erspürt ich ainen füsz, dez wart ich so wol gemut...* Der Minne Jagd, v.30—33. — „. .. Darnach folg dem hirs- fuss nach, bis du jne versicherst.“ „Item wann der Hirsch jnn dass holtz geet, vnnd du kanst jnn vff der Enden vom fuss nit ebenn spuerenn...* Cuno v. Winnenburg, Abh. v. d. Zeichen d. Rothhirſches a. d. XVI. Ihdt. „Lieber Weidmann, ſag an: Wo laufen die Hund hindan?! Sie laufen heut des Morgens feucht elend, auß elend, Schweiß elend, Re in das Grieß jagen heut die Hund nach des edlen Hirſchen Füß.““ Jägerkunſt vnnd Weydgeſchrey, Nürnberg 1616, no. 52. — Lexer, Mhd. Hwb., III., p. 580. — Fehlt b. Grimm u. Sanders in den ſpeciellen Anwendungen. E. v. D. Fuß, tarsus, ſ. Beine der Inſecten. Füße, gleichbedeutend mit Afterfüße, Bauchfüße der Larven (pedes spurii), werden jene unechten Füße genannt, welche ſich am Larvenkörper mit Ausſchluß der drei (erſten) Bruſtringe und des 4. Ringes vorfinden können. Ihre höchſte Zahl iſt mit 16 erreicht ee l. Fußbaum, der Antritt, Antrittreis; ſelten. Vgl. Fußreis, Fußgragel. Behlen, Real⸗ u. Verb.⸗Lexikon, II., p. 762. E v. D. Fußböden werden in den Räumen eines Gebäudes entweder aus Holz, aus Stein (Pflaſterungen) oder aus einem anderen Material (Lehm-, Gyps⸗, Kalk-, Asphalt⸗ oder Cementſtrich) gelegt. Fußböden aus Brettern oder Dielen werden in der Weiſe hergeſtellt, Fußdecke. — Futterlaubberechtigung. 237 daſs in dem abzudielenden Raume zuerſt in Entfernungen von einem Meter /e em ſtarke Polſterhölzer, die mit beiden Enden auf den Mauervorſprüngen aufliegen, gelegt werden. Zwiſchen den Polſterhölzern kommt Mauerſchutt bis an deren Oberfläche und ſoll dieſe Schutt— ſchichte auch Zem unter die Polſterhölzer reichen; ſodann werden ſenkrecht auf die Polſter— hölzer die 3—4 em dicken Bretter derart ange— nagelt, daſßs das Fußbodenbrett auf jedem Polſterholze mit zwei Nägeln, deren Köpfe zu verſenken ſind, befeſtigt wird. In Wirtſchafts— räumen werden die Fußbodenbretter unmittelbar auf die Balken des Trambodens befeſtigt. In Wohnräumen müſſen die Fußbodenbretter durch Falzung verbunden werden, während in den untergeordneten Räumlichkeiten die Verbindung mit Feder und Nuth genügt. In dieſem Falle ſind 4—5 em dicke Bretter zu verwenden. Weitere Formen des Fußbodens ſind noch der Friesboden und der Parquetfuß— boden, welche ſtets auf einen rauhen, unge— hobelten, gewöhnlichen Fußboden (Blind— boden) gelegt werden. Ein Quadratmeter Fuß— boden aus 4 cm ſtarken Brettern ohne Polſter— hölzer herſtellen erfordert ſtarke Zimm.⸗ Bretter Tagſchicht geſäumt, rauh, ungenagelt 0˙3 m breite Bretter 35 m 0'08m geſäumt, rauh, genagelt .. 35 „ 010 „ gefügt, „ ee e „ gehobelt 5 en en, geſpündet, rauh, genagelt .. 375 , 0.18 „ ri gehobelt, genagelt 375 „ 025 „ und 10% Requijitenabnügung. Zur Nagelung ſind per Quadratmeter ſieben Stück 100 mm lange Nägel erforderlich. Bei gewöhnlicher Belaſtung genügen bei einer Balkenweite von 055 m Dielenſtärken von 2˙5 cm 11 * " " 40 " 133 * 7 " 45 " 1:65 n " " 5˙0 " 2:0 ” " " 6˙5 " 25 " " " 80 " Fr. Jußdecke, podotheka, die hornige Be— kleidung des Vogelfußes. Knr. Jußeiſen, das, ein Eiſen, welches das zu fangende Thier am Fuße faſst, alſo jedes Tritteiſen, ſ. d.; veraltet. „Pedica vuszysen vel clobe.* Schröers Vocab. v. J. 1420 no. 2021. — „Pediculus ein fuesz eysen.“ Diefenbach's Gloſſ. v. J. 1470, Sp. 205. — „Sie (die Füchſe) werden auch mit Fußeyſen gefangen.“ J. Colerus, Oeconomia ruralis, 1645, fol. 380 b. — „Erſtlich auf dem Riſſe p. 150 A. 1 iſt ein aufgeſtelltes Fuß⸗Eyſen oder wie ſonſt Schwanenhals oder Berliniſche Eyſen genennet werden.“ Döbel, Ed. I, 1746, II., fol. 155. — Grimm, D. Wb., IV., p. 1018. — Sanders, Wb., I., p. 339 b. E. v. D. S. a. Steigeiſen. Fr. FJußen, verb. intrans., ſ. v. w. ſich ſetzen, einfallen, v. Rebhühnern; ſehr ſelten, vgl. an- fußen, auffußen. Onomat. forest., IV., Nach— trag v. Stahl, p. 380. — Grimm, D. Wb., IV., p. 1020. — Sanders, Wb., I, p. 525 a. E. v. D. Fußgeftell, das, in der Beizſprache die Oberſchenkel der Beizvögel; veraltet. „Fuß— geſtelle nennen die Jäger an dem Habicht die Schenkel.“ Onomat. forest., I., p. 988. — Behlen, Wmſpr., 1829, p. 62, 69. — Grim m D. Wb., IV., p. 1027. — Sanders, Wb., II., p. 1204 a. E. v. D. Jußgragel, die, verdorben Fußkrackel — Antritt, Antrittreis, Fußreis, Fußbaum, ſelten. Behlen, Real- u. Verb.-Lexikon, II., p. 762. — S. Gragel. E. v. D. Jußkiemen. Die Gliedmaßen bei den Krebſen dienen nicht nur der Locomotion, ſondern auch der Reſpiration; ſie beſitzen nämlich büſchel— förmige oder kammförmige oder als fadige Anhängſel erſcheinende, zartere oder maſſivere Kiemenblättchen zum Athmen in Waſſer oder in feuchter Luft. Knr. Fußkradel, die, ſ. Fußgragel. E. v. D. FJußreis, das — Antritt, Antrittreis, Fußreis, Fußbaum, Fußgragel; ſelten. Behlen, Real- u. Verb.⸗Lexikon, II., p. 763. — San⸗ ders, Wb., II., p. 718 b. E. v. D. Fußſtummel heißen die verkümmerten Füße von Wirbel- und Gliederthieren, ſpeciell die ungegliederten Füße der Ringelwürmer. Kur. Fuß wurzel, tarsus, beſteht bei den Säuge— thieren, wenn ausgebildet, aus 7 Knochenſtücken: 1. Sprungbein (astragalus, talus); 2. Fer⸗ ſenbein (calcaneus, fibulare); 3. Kahnbein (naviculare, scaphoideum); 4. bis 6. 3 Keil⸗ beinen (os ecto-, meso- und entocuneiforme), und 7. dem Würfelbein (cuboideum). Kur. Juſulinenkalk wird ein Kalkſtein der Steinkohlenformation Ruſslands und Nord— amerikas genannt, in dem eine bis weizen— große Foraminifere (Fusulina cylindrica) in ungeheurer Anzahl der Individuen eingebettet liegt. v. O. Futter, das. J. Die dem Wilde im Winter, oder auch zu anderer Jahreszeit gebotene Aſung. Die Hohe Jagd, Ulm 1846, I., p. 359. — Behlen, Real- u. Verb.⸗Lexikon, VI., p. 186. II. S. v. w. Pflaſter, Kugelfutter. Chr. W. v. Heppe, Wohlred. Jäger, p. 136. — Hartig, Anltg. z. Wmſpr., 1809, p. 108; Lb. f. Jäger, Ed. I, 1812, I., p. 65; Lexikon, Ed. I, 1836, p. 197. — Behlen, Wmſpr., 1829, p. 62 und 18% H f. 76. E. v. D. Jutterlaubberechtigung (Deutſchland) iſt die Forſtſervitut (ſ. d.) zur Gewinnung des Baumlaubes zum Zwecke der Viehfütterung. Dieſelbe kommt nur in Niederwaldungen mit kurzem Umtriebe, ſowie in Kopf- und Schneidel— holzbeſtänden vor und erſtreckt ſich nicht auf jüngere Pflanzen und bei älteren Stangen nur auf die unteren Aſte. Das Laub wird entweder (gewöhnlich nach Johannis bis Mitte Septem- ber) abgeſtreift (Laubſtreifeln), oder es werden, was das Gewöhnlichere, die einjährigen Zweige mit dem Laube im Auguſt oder September ab— gehauen, getrocknet und in Wellen gebunden, um ſie als Winterfutter, namentlich für Schafe und Ziegen, zu verwenden. 238 Die Futterlaubberechtigung hindert die Umwandlung des Laubholzes in Nadelholz, die Erhöhung der Umtriebszeit des Nieder-, Kopf— und Schneidelholzwaldes und die Überführung dieſer Betriebsarten in den Hochwaldbetrieb. Wird die Futterlaubgewinnung an Durch— forſtungsholz in Niederwaldbeſtänden, die im nächſten Winter zum Abtriebe kommen, oder an Kopf- und Schneidelholzſtämmen gelegentlich der Holznutzung vorgenommen, ſo kann von einer Gefährdung des Waldbeſtandes keine Rede ſein, da die Menge des Laubes, welche auf dieſe Weiſe dem Boden entgeht, doch nur eine unbedeutende iſt. Ebenſo iſt die Benützung des Laubes der unteren unterdrückten Aſte von Stan— gen und Stämmen im Hochwalde unſchädlich, wenn ſie im Auguſt, wo die Fuuctionen der Blätter größtentheils erfüllt ſind, deren Futter— wert dann aber auch geringer iſt, zur Gewin— nung des . erfolgt. Beſteigen der Bäume und Abhauen der Aſte iſt unbedingt zu unterſagen. Das Futterlaub wird nur ausnahmsweiſe von dem Waldbeſitzer ſelbſt benützt werden können und demſelben die Ablöſung der be— treffenden Servitut daher nur dann vortheilhaft ſein, wenn dieſelbe ihn an dem Übergange zu einer rentableren Holz- und Betriebsart hindert. Die Futterlaubberechtigung gewährt ent— weder ſchon einen Beitrag zur Sommerernährung, oder doch dort, wo das Vieh im Sommer auf dem Weidegange oder durch Waldgräſerei er— nährt wird, und die örtlichen Verhältniſſe oder ein zu kleiner Grundbeſitz den Futterbau be— ſchränken, das nöthige Winterfutter für Schafe und Ziegen und ſelbſt für Rindvieh. Hierin liegt die volkswirtſchaftliche Bedeutung dieſer Be— rechtigung. Zur Zwangsablöſung der fraglichen, ohne— hin nur ſelten vorkommenden Servitut beſteht keine Veranlaſſung. At. Futterlaubgewinnung, ſ. Gras nutzung. Fr. Füttern, verb. trans. IJ. Das Wild = ihm Aſung vorlegen. „Füttern ſagt: Zur Winterszeit dem Wilde Heu geben, damit es nicht vor Kälte und Hunger umkomme.“ Chr. W. v. Heppe, Wohlred Jäger, p. 136. „Wenn man indeſſen zu einem ſolchen Rehſtand im Freyen gelangen will, muſs man ſie in harten Wintern, eben jo wie im Thiergarten, füttern...“ Mellin in Wildungens Neujahrsgeſchenk, 1797, p. Hartig, Anltg. z. Wmſpr., 1809, p. 108; Lb. f. Jäger, Ed. J, 1812, I., p. 40. — Behlen Wmſpr., 1829, p. 62 u. ſ. w. II. Eine Kugel = fie pflaſtern. „Eine Kugel mit einem Leder oder Barchent über halb einwickeln und alsdenn das Gewehr da— mit laden, dieſes heißet die Kugel füttern.“ Chr. W. v. Heppe, 1. c. Behlen, Real- u. Verb.⸗Lexikon, II., p. 752; VI., p. 228. E. v. D. Fütterung, die, das Füttern des Wildes oder local — Fütterungsplatz. „Zur Winter- fütterung müſſen ihnen (den Rehen) Eicheln und Buchekern oder geſtampfte Kartoffeln ge— reicht werden ...“ Fütterung.. „Dieſe eigene und koſtbare .“ Mellin in Wildungen's Neu: 2%. * [2 * > Futterlaubgewinnung. — Fyskali. jahrsgeſchenk, 1797, p. 24. — Hartig, Lexikon, Ed. I, 1836, p. 198; Ed. II, 1861, p. 210. — Behlen, Real- u. Verb.⸗Lexikon, II., p. 752. — Die Hohe Jagd, Ulm 1846, I., p. 359. „Sobald nun Schneefälle eintreten, muſßs ſofort mit der „Fütterung des Rehwildes begonnen werden.“ R. R. v. Dombrowski, 8 u. Hb. f. Ber.⸗Jäger, p. 96. E. v. D. Fiyskali, recte Fiscali Ferdinand, Ritter von, geb. 1. Juni 1827 in Wittingau (Böhmen), beſuchte zuerſt das Piariſtengym— naſium in Budweis und ſpäter das Gymnaſium zu Neuhaus, nach deſſen Abſolvierung er ſich dem juriſtiſchen Studium widmen ſollte. Mit vielen Schwierigkeiten erlangte er von ſeinem Vormund zunächſt das Zugeſtändnis, ſtatt der Jurisprudenz vorläufig in Prag Mathematik, Naturwiſſenſchaft und Landwirtſchaft ſtudieren zu dürfen, nach zwei Jahren aber endlich auch die Erlaubnis, ſeiner Neigung folgend, ſich dem Forſtfache zu widmen. Im Herbſt 1845 trat Fyskali auf dem Reviere Neumühl der gräflich Czernin'ſchen Herrſchaft Neuhaus in die Forſtlehre ein und ſtudierte alsdann vom October 1846 bis Ende 1849 an der Forſtlehranſtalt Mariabrunn. Nach vorzüglich beſtandenem Examen fand er als— bald Verwendung als Stellvertreter des zum Welden'ſchen Freiwilligencorps eingerückten Ad— juncten des Neumühler Reviers. Als dieſer zu— rückgekehrt war, wurde Fyskali dem Forſtamte Neuhaus als Forſtſchreiber zugetheilt und kurze Zeit darauf, am 1. Januar A851, zum Forſt⸗ ingenieur befördert. Der mähriſch-ſchleſiſche Forſtverein, welcher einen Lehrer der Naturwiſſenſchaften für die zu gründende Forſtſchule Auſſee ſuchte, bot im Mai 1852 Fyskali dieſe Stelle an, welcher ſich indeſſen erſt nach ſchwerem Kampf dazu ent⸗ ſchließen konnte, auf die praktiſche Wirkſamkeit zu verzichten, umſomehr da er in großer Be— ſcheidenheit anch zweifelte, ob er dieſer Auf— gabe gewachſen ſein würde. Dem Zureden ſeiner Freunde und früheren Lehrer gelang es, dieſe Bedenken zu überwinden, und nachdem ſich Fyskali in Tharand noch vier Monate vorbe— reitet hatte, begann er am 1. October 1852 ſeine Lehrthätigkeit. Als Weſſely 1855 die Direction der Forſt— ſchule in Auſſee niederlegte, um die Leitung des großen Güterweſens der Staatseiſenbahn— geſellſchaft im Banat zu übernehmen und, gleich- zeitig der zweite Lehrer der Forſtwiſſenſchaft daſelbſt, R. Micklitz, als Director an die Forſt— ſchule zu Weißwaſſer kam, bot ſich für Fyskali die erwünſchte Gelegenheit, einen Theil der forſt— lichen Productionsfächer, darunter auch den Waldbau, womit die Leitung des Lehrforſtes verbunden war, zu übernehmen. Seine Vorliebe für die Thätigkeit im Wald veranlaſste Fyskali am 1. November 1858 eine Ernennung von Seiten des Fürſten Colloredo— Mannsfeld zum Forſtmeiſter der 33.000 Joch Wald enthaltenden Domäne Dobkiſch anzu- nehmen, welche Stellung er bis 1865 beglei⸗ tete. Als ihm aber in dieſem Jahre nach Ju— deich's Weggang eine Berufung als Director an die Forſtſchule zu Weißwaſſer zugieng, Gabbro. — Gabelbock. wandte ſich Fyskali von neuem dem Lehr— fache zu. Graf Ernſt Waldſtein, gleichzeitig Präſi— dent des böhmiſchen Forſtſchulvereines, übergab im Jahre 1869 dem Director der Forſtſchule auch die Oberleitung der Forſtverwaltung auf ſeinen in Nordböhmen gelegenen, 21.000 ha Wald umfaſſenden Gütern, indem er Fyskali bei dieſer Gelegenheit zu ſeinem Forſtrathe und 1884 zum Oberforſtrath ernannte. Als Director und Lehrer der Forſtlehr— anſtalt Weißwaſſer ſowie als Leiter des großen Waldſtein'ſchen Forſtverwaltungsweſens iſt Fys— kali zur Zeit noch thätig. Neben dem rein fachlichen Wirkungskreis ſind Fyskali als einem Manne des öffentlichen Vertrauens ſeit langem noch zahlreiche andere Functionen übertragen worden. So gehörte er bereits dem erſten Landes— eulturrathe für Böhmen an und iſt ſeinerzeit als Delegierter des Landesausſchuſſes Mitglied des Landesculturausſchuſſes. Gelegentlich der 239 Wiener Weltausſtellung war Fyskali Mitglied der Weltausſtellungscentralcommiſſion in Wien, der böhmiſchen Ausſtellungscommiſſion ſowie des internationalen Congreſſes der Land- und Forſtwirte, das Herrenhaus entſandte ihn in die Centralcommiſſion behufs Durchführung der Grundſteuerregulierung. An den öſterrei— chiſchen Forſteongreſſen und den Verſuchsweſens— conferenzen hat Fyskali in vielfach anregender Weiſe theilgenommen und iſt auch vor kurzem in die Landesverſuchsſtelle für Böhmen berufen worden. In Fachkreiſen iſt Fyskali ſeit Heraus— gabe des 1856 erſchienenen Illuſtrationswerkes „Deutſchlands Forſteulturpflanzen“ allgemein bekannt. Seine Leiſtungen wurden von allerhöchſter Stelle durch Verleihung des Ritterkreuzes des Franz Joſef-Ordens ſowie des Ordens der eiſernen Krone III. Claſſe und die 1883 erfolgte Erhebung in den öſterreichiſchen Ritterſtand anerkannt. Schw. G. Gabbro iſt ein maſſig ausgebildetes Geſtein, welches weſentlich aus Plagioklas und Diallag beſteht. Als Plagioklas herrſcht Labrador vor, aber auch Anorthit iſt nicht ſelten; beide treten vorzugsweiſe in Form von Körnern auf, die durch concentrirte Salz- oder Schwefelſäure zerſetzt werden. Der Diallag, ein dem Augit naheſtehendes Mineral, iſt von grünlicher, grauer oder bräunlicher Farbe; auch er tritt meiſt in Körnern auf, ſeltener in allſeitig gut begrenzten Kryſtallen; die ausgeprägte Spaltbarkeit parallel dem Orthopinakoid iſt für den Diallag charak— teriſtiſch. Manche Gabbrovarietäten ſind durch Olivinführung ausgezeichnet. Der häufig auf— tretende Apatit erſcheint bald gekörnt, bald in ziemlich ſcharfen, kurzen, ſechſeitigen Säulen von mikroſkopiſcher Größe. Der Kaligehalt der Gabbros ſchwankt von 01—1'6%,. Bekannte Gabbrovorkommen ſind die des Radanthales (Harz), des Zobten, die von Volpersdorf, Neu- rode und Ebersdorf in Schleſien und die von Roſswein und Penig in Sachſen. Im Ganzen widerſteht das Geſtein der Verwitterung ziemlich ſtark. Oft findet man das Vorkommen desſelben auf der Oberfläche durch große Blöcke oder aufragende Felspartien angezeigt, eine gruſige Auflöſung dürfte ſeltener fein. Bei Rosswein in Sachſen findet man das Geſtein gänzlich zu Walkerde zerſetzt. Gabbro-Verwitterungsboden iſt fruchtbar. v. G. Gabel, die. I. Ein Geweih oder Gehörn, welches nur zwei Enden trägt, oder auch ein Hauptende eines mehrendigen Geweihes, welches ſich ga⸗ belt, d. h. in zwei kleinere Sproſſen theilt. „Gabeln nennt man: 1. Die Stangen von einem Gabelhirſchen, indem ſie nur aus zwei Enden beſtehen. 2. An allen Hirſchgehörnen, wenn nicht drei oder vier, auch mehr Ende beyſammſtehen, werden die zwei oberſten Ende die Gabeln geheiſſen.“ Chr. W. von Heppe, Wohlred. Jäger, p. 168. — „So er (der Hirſch) vollkommen ein Jahr alt iſt, ſetzet er Spieße, nach dem andern Gabeln oder wieder Spieße auf.“ Döbel, I., fol. 6a. — „Wenn der Hirſch erſtlich ſechs und acht, auch mehr Enden kriegt und oben an der Spitze nur zwei Enden neben einander hat, ſo wird ſolches auch eine Gabel geheißen, ſo lange, bis drei Enden oben an der Stange zu ſtehen kommen, alsdann wird es ſchon eine Krone genennt.“ Großkopff, Jagd- und Weidewerkslexikon, p. 127. — Onomat. forest., II., p. 989. — D. a. d. Win⸗ kell, I., p. 264. — Hartig, Lexikon, p. 136. — R. R. v. Dombrowski, Das Reh, p. 65. — Laube, Jagdbrevier, p. 275. II. S. v. w. Forkel, ſ. d. Döbel, II., p. 243 a. — Großkopff, 1. c., p. 127. — Chr. W. v. Heppe, 1. o. — Sanders Wb., I., p. 527 c. E. v. D. Gabelbock, der, oder Gabler. Ein Neh- bock, deſſen Stangen nur je zwei Enden tragen; ungerader Gabler, ein Bock, der eine Ga— bel⸗ und eine Spießerſtange aufhat. „Hat er (der Spießbock) die abgeworfen, ſo ſetzt er ein Gehörne von vier Enden auf, deſſen kleine Stangen oben zwei Gabeln bilden, wodurch er in einigen Gegenden den Namen eines Gabel— 240 Gabelgang. — Gaetke. bocks bekommt.“ Wildungen, Neujahrsgeſchenk 1797, p. 14. — Winkell, I, p. 413. — ee Real- u. Verb.⸗Lex., III., p. 1. — R. Dombrowski, Das Reh, p. 3. E. v. 15 Gabelgang, Gabelholzgang, Be gang, ſ. Brutgang. Sich Gabelgehörn, das, Gehörn eines Gablers. ÖOnomatologia, I., p. 988. — Behlen, 1 1822, p. 62. E. v Gabelgeweih, das, Geweih eines Gabel hirſches. Sylvan, 1822, p. 154. E. v. D. Gabelhirſch, der, oder Gabler, ein Edel— hirſch, deſſen Stangen nur je zwei Enden tragen. Mellin, Anweiſung z. Anlage v. Wild— bahnen, 1779, p. 140. — Onomatologia, I., p. 989. — Behlen, Wömſpr. 1822, p. 62. — Hartig, Lexikon, p. 211. E. v. D. Gabelhühner, die, nennt man die jungen Rebhühner, wenn ſie noch nicht alle, ſondern nur die äußeren Steuerfedern ausgeſchoben haben, jo daſs ihr Stoß gabelförmig ausſieht. R. R. v. Dombrowski, Lb. f. Wer p. 256. v. D. Gabelmaß, ſ. Kluppe. Lr. Gabeln, verb. intrans. oder reflex. und trans. I. intrans. und reflex. Die Stange eines Geweihes oder Gehörnes gabelt oder gabelt ſich, wenn ſie ſich in zwei Enden theilt; ebenſo ſagt man von einem Ende, von dem noch ein zweiter Spieß abzweigt. II. trans. ſ. v. w. Forkeln, ſelten. Chr. W. v. Heppe, Wohlred. Jäger, p. 282. — Behlen, Real- u. Verb.⸗Lexik., III.. p. 5. — Sanders Wb., I., p. 328 b. E. v. D. Gabelſchwanz, deutſcher Name für die zu den Notodontinen gehörige Schmetterlings— gattung Harpya (s. d.) Hſchl. Gabler, der, ein Rehbock oder Rothhirſch, deſſen Stangen je zwei Enden tragen, ſ. Ga— belbock, Gabelhirſch, Fleming, T. J., 1729, I., fol. 91, 107. — Döbel, IV., fol. 17. — Chr. W. v. Heppe, Wohlred. Jäger, p. 169. — Onomat. forest., I., p. 989. — Winkell, I., p. 149. — Hartig, Wmſpr. 1809, p. 109 und en e 199. — Behlen, Real- u. Verb.⸗ Lexik., ur, p. E. v. D. | 840er die, jene Stufe der Geweih— bildung, auf welcher der Rehbock oder Roth— hirſch normal je zwei Enden an jeder Stange verecken ſoll. R. R. v. Dombrowski, Edelwild, P. 50. E. v. D. Gacke, die, ſ. Dohle. E. 1 D. Gadelbuſch, der, ſ. Eisente. E. v. D. Gadidae, Schellfiſche; Fiſchfamilie, ſ. Syſtem der Ichthyologie. Hcke. Gadus lota, ſ. Aalquappe. Hcke. Gaetſtie (Heinrich Karl Ludwig) wurde am 19. Mai 1814 zu Pritzwalk in der Mark ge— boren. Von früher Jugend hatte derſelbe einen angeborenen Hang zur Malerei und zur Natur— wiſſenſchaft. Seine liebſten Geburtstags- und Weihnachtsgeſchenke waren ihm Gegenſtände der Malerei, doch als er ſpäter ein naturgeſchicht— liches Buch mit farbigen Abbildungen erhielt, war die Freude wohl noch größer, und manche Einzelnheiten ſind heute dem Meiſter noch in Erinnerung. Von ſeinem 14. bis 21. Jahre lebte Gaetke in Berlin. Seine Neigungen aus früher Jugend— zeit hatten einſtweilen zu ruhen, doch als der— ſelbe ſich mit dem 17. Jahre ganz der Malerei zuwendete, war es ſein feſter Entſchluſs, ein Maler zu werden. Gaetke malte einige Jahre heimatliche Landſchaften mit alten, knorrigen Eichen und Kornfeldern, ſah dann, gelegentlich einer Reiſe auf Rügen, die Oſtſee. Die Großartigkeit des unbewegten Meeres machte auf ihn einen ſo tiefen Eindruck, daſs er beſchloſs, ſich ganz die— ſem gewaltigen Elemente zu widmen. Von dem damaligen Kunſtvereine Berlins durch den An⸗ kauf eines größeren Bildes aufgemuntert, faſste Gaetke den Entſchluſs, auf 3—4 Jahre nach Norwegen zu gehen, um dort Seeſtudien zu machen. Durch einen Sturm wurde er veran— laſst, einſtweilen in Helgoland zu bleiben. Es war anfangs November 1837. Stürme und Schiffbrüche jedoch ließen dem 00 Seemaler dieſe Inſel jo hochintereſſant erſcheinen, dass er dieſelbe nicht ſo bald zu verlaſſen beſchloſs. Der Winter folgte mit gewaltigen Eismaſſen, jo daſs Gaetke ſeine Lieblingsidee — den Nordpol zu ſehen — verwirklicht glauben konnte und ent— zückt darüber war. Der Verlauf des ungewöhnlich harten und andauernden Winters brachte ungezählte Men— gen nordiſcher Waſſervögel, beſonders Tauch⸗ enten, zu Hunderttauſenden. Mit einer vor— züglichen Doppelflinte ausgerüſtet, lag Gaetke der Jagd zwiſchen den rieſigen Eisblöcken ob und mit großem Er folge. Zwiſchen allen dieſen dem jugendlichen Jäger ſo fremdartigen Ge— ſtalten erwachte die ſeit einiger Zeit ruhende Paſſion zum höchſten Schwunge. Die ſchönen Beobachtungen, welche im Winter gemacht waren, wurden zur Zugzeit fortgeſetzt. Um nun alle Helgoland auf der Wanderung berührenden Vögel ſicher kennen zu lernen und an dieſe Kenntnis zuverläſſige Studien zu knüpfen, war die Anlage einer Localſammlung unerläjslic. Bald war dieſelbe begonnen und mit dem Ta— lent eines gebornen Malers und Naturforſchers eine hübſche Zahl muſtergiltig gearbeiteter Vögel gene Der kleine Brehm war das erſte wiſſenſchaftliche Buch, doch bald genügte dies dem eifrigen Forſcher nicht mehr. Da fand ſich Gelegenheit, gegen ein Bild Naumanns großes Werk einzutauſchen Gaetke ſpricht ſich in einem Schreiben über die Glück— ſeligkeit aus, die er empfand, als dies herrliche Werk vor ihm als ſein Eigenthum ſtand. Naumanns Werk bildete einen Abſchnitt in den ornithologiſchen Studien von Gaetke. Mit dem Beſitze dieſes unſchätzbaren Werkes ſchienen ſich nordaſiatiſche, ja amerikaniſche Vögel auf Helgoland einzufinden. Die wiſſenſchaftliche Welt wurde in ſchneller Folge überraſcht durch die 1 der aſiatiſchen Arten, welche die Inſel auf ihren Wanderungen beſuchten, die unzweifelhaft einen großen Theil Deutſchlands bewohnen muſsten und dennoch theils nur als große Seltenheiten, theils gar nicht in anderen Theilen Deutſchlands beob- achtet waren, während viele dieſer Selten- | heiten als regelmäßige Beſucher Helgo— Gagat. — Galeobdolon luteum. lands von Gaetke alljährlich oder fait alljährlich geſehen wurden. Zwar bietet Helgoland vorzügliche Gelegen— heit zur Beobachtung der dort wohnenden Vögel, aber nur das ſcharfe Auge und das raſtloſe Bemühen Gaetkes vermochten eine ſolche Fülle überraſchender Entdeckungen zu machen. Gaetke ſchrieb darüber dem Verfaſſer dieſer Zeilen: „Alle dieſe Vögel ziehen auch bei Ihnen durch, aber Sie ſehen ſie nur nicht.“ Gaetke hat unzweifelhaft Recht und doch hat Verfaſſer mehr ſeltene Vögel in ſeiner Hei— mat aufgefunden, als viele andere. Es genügte jedoch Gaetke nicht, nach und nach eine große Zahl von Vögeln aus anderen Welttheilen aufzufinden, er drang tiefer in das Leben der Vogelwelt ein. Bald war es ihm auch klar, daſs die auf Helgoland beobachteten Vögel keine Irrlinge ſind, wie manche oberflächlichen Beobachter noch heute wähnen, ſondern regelmäßige Wanderer, von denen Hunderte und Tauſende durch Deutſchland ziehen. Heinrich Gaetke iſt nicht nur in Deutſchland, ſondern auch im Auslande allgemein bekannt, beliebt und geachtet. So ſteht derſelbe ſeit mehr als 25 Jahren mit dem berühmten engli- ſchen Ornithologen Profeſſor Alfred Newton im vertrauteſten Briefwechſel. Gaetke hat demſelben ſchon vor Jahren ſeine Wahrnehmung ausgeſprochen, dajs nicht allein ein Herbſtzug von Nordoſt zu Südweſt ſtattfinde, ſondern auch ein Zug von Oſt nach Weſt, daſs ferner alte Männchen, alte Weibchen und junge Vögel geſondert zögen. Derſelbe ſteht hier wie in vielen anderen Dingen in voller Übereinſtimmung mit dem Verfaſſer. Dieſe Mittheilungen wurden zuerſt mit großer Vorſicht aufgenommen, jedoch nach ſorgfältigen Unterſuchungen als richtig anerkannt. Gaetkes Sammlung — nur Helgolander Vögel enthaltend — iſt zwar weltberühmt, aber immer nicht genug gekannt. Dieſelbe enthält zur Zeit ſicher über 300 in Helgoland aufgefundene Arten. Die Glaskäſten, in welchen die Vögel ent— halten ſind, bilden ein jeder ein ſchönes Bild, prächtig für Jedermann, der Sinn für unſere Vögel hat, ohne eben Kenner zu ſein; für den Kenner ſind dieſe Bilder überraſchend natur— wahr. Gaetke hat in „Nature“, in „Procedings“ und im „Ibis“ Verſchiedentliches veröffentlicht. Lange aber hat die Welt auf ſein eigenſtes Werk gehofft. Wie nun dem Verfaſſer in ſichere Ausſicht geſtellt iſt, wird „Die Vogelwelt Helgolands“ in nächſter Zeit in Druck vollendet ſein. a E. F. v. Hmr. Gagat oder Jet, eine meſozoiſche Kohlen— art, ſteht ſowohl nach Alter wie nach phyſika— liſcher und chemiſcher Beſchaffenheit zwiſchen Stein⸗ und Braunkohle. Er bildet eine harte, ſpröde, polirbare, homogen erſcheinende Maſſe und findet ſich meiſt in Neſtern, die häufig von je einem Baumſtamme herrühren und dann auch, mikroſkopiſch betrachtet, die pflanzliche Textur deutlich erkennen. laſſen. v. O. Do m brow 8 ki. Eneyklopädie d. Forſt⸗ u. Jagdwiſſenſch. IV. Bd. — —— ͤ —ä ä äé————— — U 241 Gagel, Gagelſtrauch, ſ. Myrica. Wm. Gaggenau, Dorf an der Murg (Großher— zogthum Baden), bekannt durch ſeine Eiſen— werke, in welchen neben Flinten- und Jagdzu— behör u. A. auch die als Gaggenauer be— zeichneten Luftgewehre angefertigt werden (f. Salon- ꝛc. Gewehre). Th. Gäßrung iſt ein durch einen ſtickſtoffhal— tigen organiſchen entweder geformten (Ferment— organismus) oder ungeformten (Enzym) Körper hervorgerufener Zerſetzungsproceſs organiſcher Subſtanzen. Die Gährungsproceſſe kann man in hydrolytiſche und oxydative eintheilen; zu den erſteren gehören die diaſtatiſchen, inver— tierenden, glykoſideſpaltenden, peptoniſierenden, und verſeifenden Gährungen, zu den letzteren u. a. die alkoholiſche, eſſigſaure, milchſaure, butterſaure, nitrificierende, Fäulnis-, Gummi— u. ſ. w. Gährung (j. Fermente). v Gn. Gährungsgummi, ſ. Dextran. v. Gn. Gai find bewaldete Weideplätze für Pflug— thiere in Dalmatien (ſ. Bannlegung). Mcht. Gaidinſäure entſteht, wenn Hypogaeaſäure mit Salpeterſäure oder ſalpetriger Säure be— handelt wird. Schmelzpunkt 29°. v. Gn. Gainzen, ſ. Aborte. Fr. Gaisblatt, ſ. Lonicera. Wm. Gaisfuß, ſ. Werkzeuge. Fr. Gaisklee, ſ. Cytisus. Wm Salaktofe, Co Hie 036, wird durch Erhitzen von Milchzucker mit verdünnter Schwefelſäure erhalten und iſt ein gährungsfähiger Zucker, der ſich gegen Alkalien und Fehling'ſche Löſung ähnlich wie die Dextroſe verhält. Galaktoſe iſt rechtsdrehend, löst ſich in Waſſer, wenig in Alkohol und geht bei der Oxydation mit Sal- peterſäure in Schleimſäure über. v. Gn. Galbanum iſt der eingedickte Milchſaft von Ferulaarten, ein gelblich bis braunes Gummi— harz, das durchdringend riecht, bitter ſchmeckt, mit Waſſer eine gelbliche Emulſion gibt und als Arzneimittel zu Pflaſtern Verwendung 4 v. Gn. Galenit oder Bleiglanz (galena) beſteht aus Schwefelblei PbS; enthält wenig Schwefel- ſilber (ſelten über 1%, gewöhnlich weniger), kryſtalliſirt regulär, der Würfel iſt häufig, ebenſo Combinationen desſelben mit dem Octa— der; ſehr vollkommen ſpaltbar nach den Würfel- flächen. Härte = 2˙5; ſpecifiſches Gewicht - 7˙5. Farbe bleigrau; mild; Strich graulichſchwarz. Ungemein häufiges und oft in bedeutenden Maſſen vorkommendes Mineral auf Gängen und Lagern der verſchiedenſten Geſteine und For— mationen. Es iſt ſehr wichtig für die Gewinnung von Blei und Silber; das letztere kann noch bei einem Gehalt von % gewonnen werden. Bei weitem das meiſte in Frankreich und England gewonnene Silber ſtammt aus Bleiglanz, welches auch in Deutſchland beinahe doppelt ſo viel Silber liefert als die eigentlichen Silbererze. v. O. Galeobdolon luteum Hadr., Goldneſſel (Familie Labiatae). Perennierendes, rauhhaa— riges Kraut mit 15—30 em hohen Stengeln, gegenſtändigen geſtielten, herz-eiförmigen oder ei-lanzettförmigen geſägten Blättern und blatt⸗ winkelſtändigen ſechsblütigen Scheinquirlen, ſchön 16 242 Galeopsis. — Galerueini, goldgelben Lippenblumen. Der Wurzelſtock treibt lange, fadenförmige, wurzelnde, zweireihig be— blätterte Ausläufer. — Häufig in Laub- und Miſchwäldern der Ebenen und Hügelgelände auf humoſem, nahrhaftem Boden, unter Ge— büſch, auf Schlägen, am häufigſten in Auen— wäldern. Blüht im April und Mai. Wm. Galeopsis L., Hohlzahn (Familie Labia— tae). Behaarte einjährige Kräuter mit meiſt äſtigem, vierkantigem Stengel, kreuzweis gegen— ſtändigen geſtielten Blättern und blattwinkel— ſtändigen oder auch endſtändigen öblütigen Scheinquirlen, deren Blüten einen glockigen fünfſpaltigen Kelch und eine zweilippige Blu— menkrone beſitzen. Oberlippe helmartig gewölbt, Unterlippe am Grunde jederſeits mit einem ſpitzen hohlen Zahn verſehen. — In Wäldern mit humoſem Boden kommen auf Schlägen, Blößen, an Beſtandsrändern häufig vor: der gemeine Hohlzahn, G. Tetrahit L. Stengel ſteifborſtig, Blätter ei- oder ei⸗lanzettförmig, grob geſägt, Blume höchſtens 28 mm lang, gelb— lichweiß bis blaſsviolett, mit goldgelb und violett gefleckter Unterlippe. — Weichhaariger Hohlzahn, G. pubescens Bess. Blumen bis 25 mm lang, ſchön purpurroth, Blätter eiför— mig, zugeſpitzt, gekerbt, weichhaarig. Beſonders im ſüdlichen und öſtlichen Theil Mitteleuropas. — Großblumiger Hohlzahn, 6. speciosa Mill. (G. versicolor Curt.). Blumenkrone 25 bis 38 mm lang, mit ſtark aufgeblaſenem Schlunde, hellgelb, mit goldgelben Lippen und violettem Mittellappen der Unterlippe. Blätter eiförmig-länglich, geſägt. Gemein in Gebirgs— gegenden an Bächen und Rollſteinwänden, wie auch auf Schlägen, oft dichte Beſtände bildend. Alle drei Arten blühen im Hoch- und Spät— ſommer. Wm. Galerida Boie, Gattung der Familie Alaudidae, Lerchen, ſ. d. und Syſt. d. Ornithol. In Europa zwei Arten: G. cristata L., ge— meine Haubenlerche, und G. Theklae Chr. L. Brehm, ſpaniſche Haubenlerche, I. d. E. v. D. Galeruca Geoff., Gattung der Käferfami— lie Chrysomelidae (ſ. d.), Gruppe Galeruecini (. d.). Fühler 11gliedrig, fadenförmig, von halber Käferlänge. Halsſchild doppelt jo breit als lang, beiderſeits mit einer grubenförmigen Vertie— fung. Flügeldecken wenigſtens um die Hälfte länger als zuſammen breit, an der Spitze ge— meinſam abgerundet. Die Käfer dicht punktiert, fein ſeidenglänzend behaart. Drei Arten leben auf Holzgewächſen, deren Blätter ſowohl von den Käfern als Larven jfeletiert werden. Sie gehören zur Gruppe jener Arten, deren Naht- winkel nicht als ein ſcharfes Zähnchen vortritt, ſondern ſtumpf abgerundet iſt. 1. Flügeldecken deutlich punktiert; Stirn mit feiner Mittelrinne. a) Stirn oberhalb der Fühlerwurzel mit einer doppelten, glänzend ſchwarzen Erhaben— heit. Oberſeite blajsgelb oder gelbbraun, 1 Makel auf dem Scheitel, 3 auf dem Halsſchild, ein breiter Streif neben dem Seitenrande der Flügel— decken und ein kurzer Strich neben dem Schild— chen, ſowie die Unterſeite und eine Makel an der Spitze der Schenkel ſchwarz. Ränder der Bauchringe und die Beine gelbbraun; Länge 5:5—6'5 mm. Auf jungen Ulmen oft in großer Menge. b) Die glänzend ſchwarzen Erhabenheiten fehlen; Oberſeite gelbbraun, Halsſchild gelblich; eine längliche Makel in deſſen Scheibenmitte, ferner Scheitel, Schildchen, Schulterhöcker und Unterſeite ſchwarz. Spitze des Hinterleibes und die Beine gelbbraun. Länge 5˙0—5˙5 mm. Auf langblätterigen Weiden. 2. Oberſeite des Käfers äußert fein, leder- artig gerunzelt, mit kaum ſichtbaren Pünktchen und, wie die Unterſeite, braun mit gelblich- grauem, ſeidenglänzendem Haarüberzuge; Stirn- makel und Stirnfurche, die eckig erweiterten Seiten des Halsſchildes und die Schulterhöcker ſchwärzlich. Länge 5°5 mm. Auf Viburnum-Arten (Schneeball). Hſchl. Galerueini, Gruppe der Familie Chrysome- lidae (ſ. d), Ordnung Coleoptera (Abtheilung Tetramera). Die Fühler an der Wurzel ein— ander mehr oder weniger genähert, auf der Stirn entweder zwiſchen oder etwas vor den Augen eingefügt. Kopf nicht ſchildartig vom Halsſchild überdeckt, geneigt, mit ſchief nach vor- und rückwärts gerichteter oder ſenkrechter Stirn. Erſter Bauchring nicht auffallend ver- längert. Kopf in das Halsſchild eingezogen, mehr oder weniger ſenkrecht oder ſchief; nach rückwärts nicht halsförmig verengt. Hinterſchenkel nicht verdickt; Gelenksgruben der Vorderhüften geſchloſſen. Vorderbruſt ohne Leiſten zwiſchen den Vorderhüften. Larven 6beinig; Verpup⸗ pung im Boden im Cocon. Überwinterung häufig als imago. Acht Gattungen; darunter von mehr oder minder forſtlichem Intereſſe die Gattungen: Adimonia, Galeruca (einſchließlich Galerucella), Agelastica, Luperus. Charakteriſtik: 1. Jede Fußklaue in zwei ungleiche, fein zugeſpitzte Hälften geſpalten. Seitenrand der Flügeldecken umgeſchlagen, geht, ſich allmählich verſchmälernd, deutlich bis zur Spitze. a) Flügeldecken kaum oder nur wenig länger als breit, gegen die Spitze bauchig erweitert. Käfer ungeflügelt. Gattung Adimonia (f. d.). b) Flügeldecken wenigſtens um die Hälfte länger als zuſammen breit mit geraden Seiten— rändern. Käfer meiſt geflügelt. Gattung Gale: ruca (einfchließlich Galerucella [j. d. J). 2. Jede Fußklaue an der Wurzel in einen. breiten dreieckigen Zahn erweitert. Vorderhüften von einander abſtehend, ohne durch eine kiel— förmige Leiſte der Vorderbruſt getrennt zu ſein. Käfer geflügelt. a) Vorderrand des Halsſchildes gerade; die Ecken nicht vorragend. Flügeldecken faſt gleich breit, wenigſtens um die Hälfte länger als zuſammen breit; der umgeſchlagene Geiten- rand deutlich abgeſetzt, von zwei feinen, erha⸗ benen, ſich hinter der Mitte vereinigenden Linien begrenzt. Bauchringe bei beiden Geſchlechtern ohne beſondere Auszeichnung. Gattung Lupe- rus (ſ. d.). b) Vorderrand des Halsſchildes deutlich ausgerandet; Vorderecken vorſpringend; Hinter rand abgerundet. Flügeldecken breit, nach hinten etwas bauchig erweitert, kaum ein Viertel länger — Galium. — Gallertſchwämme. 243 als hinter der Mitte breit. Gattung Agelastica | (ſ. d.). Hſchl. Galium L., Labkraut (Familie Rubiaceae). Quirlblättrige Kräuter mit kleinen, meiſt in Trugdolden geſtellten Blüten, welche den Arten von Asperula (ſ. d.) ähneln, ſich aber davon durch die röhrenloſe, meiſt radförmige Blumen» krone unterſcheiden. Unter zahlreichen, an wal— digen Orten, in Wäldern und auf behuſchten Hügeln wachſenden Arten ſind am häufigſten: das kreuzblättrige Labkraut, 6. Cruciata Scop., mit zu 4 ſtehenden länglichen zurückge— ſchlagenen Blättern, welche ſammt dem Stengel zottig behaart ſind, und achſelſtändigen gelben Blüten; das rundblättrige Labkraut, 6. rotundifolium L., mit niederliegenden kahlen Stengeln, zu 4 ſtehenden elliptiſchen oder ovalen gewimperten oder behaarten Blättern und [oder- blütigen Trugdolden weißer Blümchen (beſon— ders in Nadelwäldern, im Juni und Juli blühend) und das Waldlabkraut, G. sil⸗ vaticum L. Kahl, bläulichgrün, mit bis 1˙25 m hohem, aufrechtem oder aufſteigendem, rundem, äſtigem Stengel und meiſt zu 8 ſtehenden läng— lich⸗lanzettförmigen, ſtachelſpitzigen Blättern. Blüten weiß, in vielfach zuſammengeſetzten, eine ausgebreitete Riſpe bildenden Trugdolden. Gemein in ſchattigen Wäldern auf humoſem Boden. Blüht im Juni und Juli. Wm. Galläpfelgerbſäure, ſ. Gerbiäuren. v. Gn. Galle iſt das Secret der Leberzellen und ſtellt eine gelbe, grünliche bis ſchwarze, faden— ziehende, eigenthümlich bitter ſchmeckende, zuwei— len moſchusartig riechende, neutral oder ſchwach alkaliſch reagirende Flüſſigkeit dar. Sie beſteht im allgemeinen aus Gallenſäuren, Gallenfarb— ſtoffen, Choleſterin und Mineralbeſtandtheilen. Der Waſſergehalt beträgt 91-92% Die Ochſen⸗ galle beſteht im weſentlichen aus glykocholſaurem und taurocholſaurem Natron, die Schweinegalle enthält vornehmlich hyoglykocholſaures und die Schafgalle taurocholſaures Natron. Die Galle löst die rothen Blutkörperchen, emulgiert un— verſeifte Fette und verzögert die Fäulnis; in dieſen Eigenſchaften beruht auch ihre phyſiolo— giſche Bedeutung für die Fettverdauung und Fett— reſorption, ſowie für das Hintanhalten fauliger Zerſetzungen der Exeremente im Darmcanal. In- folge ihres bedeutenden Gehaltes an Alkalien hebt die Galle die Wirkung des Magenſaftes, ſobald er ins Duodenum tritt, auf und verhindert jo, dass die Pankreasverdauung geſtört werde. v. Gn. Gallen, Cecidien (ſ. d.), inſoferne fie nicht zu den Milben: (j. Acaroceridien) oder zu den Pilzgallen (Mifoceciden) gehören, können zu Erzeugern haben: Hymenopteren (Cynipiden), Dipteren (Cecidomyden), Lepidopteren (Tortri— cinen), Rhynchoten (Aphiden) und Coleopteren (einige Rüſſelkäferarten). Über Gallenbildung vgl. Art Cynipidae. Im übrigen j. betreffende Holzart. Hſchl. Gallen, verb. intrans., ſ. v. w. feuchten oder näſſen, ſ. d., beſonders vom Haſen und Fuchs. Chr. W. v. Heppe, Wohlred. Jäger, p. 171. — Oncdmat. forest., IV., p. 382. — Behlen, Wmſpr. 1822, p. 62. — Die Hohe Jagd, I., p. 359. — R. R. v. Dombrowski, Der Fuchs, P. 184. — Sanders, Wb., I., p. 331. E. v. D. Gallenblaſe, Cholecystis, vesicula fellea, eine in der Regel birnförmige, ſackige Aus— ſtülpung des Leberausführungsganges; dient als Erſatzraum für die Galle, die während der Dauer der Verdauung abgeſchloſſen iſt. Kur. Ga lencapillaren. ſ. Leber. Kur. Gallendarm, Duodenum = Zwölffinger— darm. Kur. Gallenfarbſtoſſe ſcheinen Auswurfsſtoffe zu ſein und ſich aus dem Blutfarbſtoff zu bil— den. Der hauptſächlichſte Gallenfarbſtoff iſt das Bilirubin, aus dem durch Oxydation der grüne Biliverdin, blaue Bilicyanin, braune Bilifusein und ſchwarze Bilihumin hervor— gehen. v. Gn. Gallenfett, ſ. Choleſterin. v. Gn. Gallengangdrüſen, aus der Gallenblaſe und deren Ausführungsgang, desgleichen im Ductus choledochus und hepatieus ſich vor— findende Schleimdrüſen von Traubenform. Kur. Gallengänge, ſ. Leber. Kur. Gallenſäuren. Die bekannteſten Gallen- ſäuren ſind die Glykocholſäure, Ces N Os, und die Taurocholſäure, C,,H,;NSO,, welche in der Galle in Verbindung mit Alkalien, hauptſächlich mit Natrium vorkommen. Dieſe Alkaliſalze ſind leicht löslich in Waſſer und Alkohol, unlöslich in Ather. Man betrachtet die beiden Gallenſäuren als gepaarte Säuren, u. zw. aus Taurin, bezw. Glykochol, und Cho— lalſäure, welch letztere Säure aber weder in der friſchen Galle noch ſonſt im Organismus vor— kommt, wohl aber als Zerießungsproduct der Gallenſäuren ſich in den Exerementen findet. Die gallenſauren Alkalien löſen Blutzellen auf, verſeifen und emulgieren Fette und erleiden durch Einwirkung von Alkalien, Säuren und Fermenten mancherlei Zerſetzungen (Glycerin, Taurin, Cholalſäure, Choloidinſäure, Dys— lyſin u. ſ. w.). Daſs die Gallenſäuren in der Leber gebildet werden, iſt zweifellos, das „wie“ jedoch noch unaufgeklärt. v. Gn. Galleria, Gattung der Zünslergruppe Galleriae, deren Arten zwar kein forſtliches, aber ein umſo größeres Intereſſe für den Bienenzüchter haben, indem die 16füßigen Rau⸗ pen der Galleria grisella F. und mellonella L., der kleinen und großen Wachsmotte (Wachs— ſchabe) ſich in Bienenwaben entwickeln, dieſe nach allen Richtungen mit ihren mit Seidengeſpinſten ausgekleideten Röhren durchziehen, den Bau verunreinigen und das Bienenvolk endlich zum Verlaſſen des Stockes zwingen. Andere Galle— rinenraupen bewohnen die Weſpen- und Hum⸗ melnejter. Galleria grisella findet ſich vom Herbſt an den Winter hindurch bis ins Früh- jahr; Galleria mellonella erzeugt zwei Bruten, eine im Frühjahre, eine zweite im Spätſommer, die Larven leben vom Honig; die der zweiten Generation überwintern im Stock. Hſchl. Gallertcilien heißen nach R. Hertwig bei den Acanthometriden die Stellen, wo die Sta— cheln aus den Scheiden treten, in mehreren Kränzen umſtehenden Fädchen. Kur. Gallerthülle heißt die allen Radiolarien zukommende Umhüllung des extracapſulären Weichkörpers. Kur. Gallertſchwämme — Myxospongiae. Kur. 16 * 244 Gallinago. — Gang. Gallinago Leach, Gattung der Familie | Scolopaces, Schnepfenvögel, ſ. d. und Syſt. d. Ornithol.; in Europa drei Arten: G. scolopacina Bp., Becaſſine; G. major Bp., große; G. galli- nula Linné, kleine Sumpfſchnepfe, ſ. d. E. v. D. Gallinula Latham, Gattung der Familie Gallinulidae, Waſſerhühner, ſ. d. und Syſt. d. Ornithol. In Europa vier Arten: G. pygmaea Naum., Zwergſumpfhuhn; G. minuta Pall., kleines Sumpfhuhn; G. porzana Linné, ge⸗ tüpfeltes Sumpfhuhn; G. chloropus Linné, grünfüßiges Teichhuhn; ſ. d. E. v. D. Gallinulidae, Waſſerhühner, Familie der Ordnung Grallatores, reiherartige Vögel; in Europa durch neun Arten vertreten, welche folgenden Gattungen angehören: Rallus Linné; Crex Bechstein; Gallinula Latham; Fulica Linné; Porphyrio Brisson; ſ. d. und Syſt. d. Ornithol. E. v. D. Gallipot iſt das Harz aus der franzöſi— ſchen Strandkiefer (Pinus maritima). v. Gn. Galliſieren, ſ. Weinbereitung. v. Gn. Gallium, Ga — 69˙9 — das von Lecoqu de Boisbaudran entdeckte Metall findet ſich in Zinkblende und wird aus alkaliſcher Löſung durch Elektrolyſe abgeſchieden. Grau mit grün— lichblauem Reflex, geſchmolzen ſilberweiß, kry— ſtalliniſch, ſpröde ziemlich hart, jpec. Gew. 5°96, ſchmilzt bei 30°5°, bleibt leicht bei niedrigerer Temperatur flüſſig, bei Weißglut iſt es nicht flüchtig, oxydiert ſich bei ſtarkem Erhitzen an der Luft, verbindet ſich leicht mit Brom, Jod und Chlor, iſt löslich in Salzſäure und Sal— peterſäure, langſam auch in Kalilauge. Die Legierung von Aluminium und Gallium zer— ſetzt lebhaft das Waſſer, wobei ſich Gallium metalliſch ausſcheidet und nur Aluminium oxy— diert wird. Galliumhydroxyd wird durch die Carbonate und Bicarbonate der Alkalien gefällt. Es löst ſich merklich im Überſchuſs des Fäl— lungsmittels, leichter in Ammoniak und Ammo— niakcarbonat, ſehr leicht in Kalilauge; Wein— ſäure verhindert die Fällung. Die Galliumſalze werden durch Schwefelwaſſerſtoff nicht gefällt. Zink fällt die Löſungen, ſobald ſie neutral wer— den. Ferrocyankalium fällt die Salze weiß, be— ſonders in ſehr ſtark ſalzſaurer Löſung. v. Gn. Gallmilben, Milben, welche an den von ihnen bewohnten Pflanzentheilen zu Gallenbil— dungen Veranlaſſung geben. Vgl. Acarina (Phy- toptus). Hſchl. Gallmücken, deutſcher Name für die Arten der Familie Cecidomyidae (ſ. d.) Ordnung Dip- tera (ſ. d.). Hſchl. Gallusſäure, C,H,O, Dioxyſalicylſäure), findet ſich in den Galläpfeln neben Gerbſäure, im Thee, dem Sumach, Dividivi u. ſ. w. Man gewinnt ſie aus der Galläpfelgerbſäure durch Kochen mit verdünnten Säuren oder Alkalien; aus der alkaliſchen Löſung wird ſie durch An— ſäuern mit Eſſigſäure ausgeſchieden. Durch Um— kryſtalliſieren gereinigt, bildet ſie weiße, ſeiden— glänzende Nadeln von ſäuerlichem, zuſammen— ziehendem Geſchmack. Die Kryſtalle enthalten ein Molecül Waſſer, welches bei 100° fortgeht. In heißem Waſſer und Alkohol iſt ſie leicht löslich, von kaltem Waſſer bedarf ſie das 100 fache zur Löſung. Durch Eiſenchlorid werden ihre Löſungen blauſchwarz gefärbt, aus Silber— ſalzen ſcheidet Gallusſäure das Silber metalliſch ab, beim Erhitzen über 200° ſpaltet fie ſich in Kohlenſäure und Pyrogallusſäure. v. Gn. Gallweſpen, deutſcher Name für die Fa— milienangehörigen der Cynipiden (ſ. d.). Hſchl. Galmei ſ. Zinkſpat. v. O. Gamasus, eine Gattung der zoophagi— ſchen Milbenfamilie Gamasidae, Käfermilben, deren gemeinſte Art, Gamasus coleopterorum L., an Miſt- und Aaskäfern oft maſſenhaft vor⸗ kommt. Auch die von Hartig beſchriebene Uro— poda an Borkenkäfern (Uropoda ovalis Müller?) gehört zu dieſer Familie. Hſchl. Gammaeule, Ypſiloneule, deutſcher Name für Plusia gamma L., Gattung der Groß— ſchmetterlingfamilie Noctuidae, Eulen; forſtlich ohne Bedeutung, wohl aber für den Sch. l. Gammariden, Subfamilie der Granat- flohkrebſe. Hieher die Gattung: Gammarus (Bachflohkrebſe, Geigen) mit dem bekannten Gammarus pulex Febr. und dem oft mit ihm verwechſelten G. fluviatilis Poerd, erſtere Art in allen unſeren ſtehenden Gewäſſern. Sur. Gamogeneſis, gamogenetiſche Zeugung, gleichbedeutend mit Elternzeugung, durch vor— ausgegangene Verbindung der beiden Geſchlech— ter (& und 2) und dadurch erfolgte Befruch— tung des Weibchens. Hſchl. Gang, der. I. S. v. w. der Wechſel oder das Wech— ſeln. „Wann du wissest da ir gang sy.“ Abh. v. d. Zeichen des Rothhirſches, Cgv. no. 2952, c. 4. „Durch suochen wildes genge.“ „In disen gengen.“ Hadamar von Laber, Diu jagt, Nr 6, 157. — „Wo ja geng stan- den von einem Wald zu dem andern.“ Nos Meurer, Jag- vnd Forſtrecht, 1560, fol. 93. — „Gänge heißen fo viel als Wechſel des Wild- brets.“ C. v. Heppe, Aufr. Lehrprinz, p. 98. — „Gänge, ſagt man, wenn viele Stücke Wild— pret miteinander gezogen, oder auch hin und her gewechſelt haben... Früher Gang, iſt, welcher vor Tags zu Holz gehet, und alſo mit Thau befüllet it... Hitziger oder friſcher Gang, iſt derjenige, ſo noch alle Witterung und Geruch in ſich hat.. Kalter, oder näch⸗ tiger Gang, dieſer hat wenig Geruch mehr in ſich, und fällt der Hund ſolchen entweder gar nicht, oder kaltſinnig an. Alte Gänge, ſind diejenigen, welche man zwar ſehen kann, aber gar keine Witterung mehr in ſich haben. . . Neue, oder gerechte Gänge, find die— jenigen, die annoch ihre Witterung in ſich haben, und die der Hund gehörig anfällt, und fortſucht ... Sichtbarer Gang, iſt derjenige, den der Jäger ſehen, und die Ferte mit Fin— gern begreiffen kann. Unſichtbarer Gang, dieſen fällt der Hund an, der Jäger kann aber nichts ſehen: z. E. auf Laub, Tangel, Nadeln, auf Heyde- auf Stein oder ſonſt hartem Boden.“ Chr. W. v. Heppe, Wohlred. Jäger, p. 169 bis 170. — Hartig, 2b. f. Jäger, I., p. 40, Wmſpr. 1809, p. 190, Lexik., p. 200. — Behlen, Wmſpr., p. 98. — Laube, Jagdbrevier, p. 276. Dann in einer beſonderen Verbindung: in die Gänge kommen — auf die Brunft treten. „Man kann Gang. — Ganga. da ſein Wunder ſehen, was dieſe (die jungen Hirſche) den alten vor Gänge machen, denn ſie ſchleichen ſo verſtohlen um das Wildpret herum, umb bey ein Thier zu kommen.“ J. Täntzer, Jagdgeheimniſſe, 1682, fol. 244. — „Ehe ſie in die rechte Brunft treten, ſo kommen ſie in die Gänge.“ Pärſon, Hirſchgerechter Jäger, fol. 20 b. — „Was nun gute Hirſche ſind, die fangen ſchon um dieſe Zeit an, das Wild zu ſuchen (einige aber ſprechen: die Hirſche kommen in die Gänge, oder machen Gänge;) allein fie rühren ſich noch nicht . . .“ Chr. W. v. Heppe, I. c., p. 291. — Vgl. Aus-, Ein⸗, Kirche, Spät⸗, Wiedergang. II. Ahnlich vom Marder und Iltis: „Wie die Marder bey dem Schnee auszumachen und deren Gänge zu obſerviren . . . Zumalen er . . . öfters mannigfaltige Gänge über einander hermacht.“ Döbel, Ed. I, 1746, II., fol. 155. — „Der Marder und der ſtinkende Iltis ſind Meiſter im Gängemachen . . .“ Chr. W. v. Heppe, 1. c., p. 168. III. Schritt des Hundes. „Sonſt heiſſen auch Gänge, wenn ein Hund lauft; denn da ſagt man: der Hund thut Gänge.“ C. v. Heppe, 1. c. IV. Eine Reihe aufgeſtellter Klebgarne. „Eine Reihe aufgeſtellter Klebgarne heißt auch ein Gang.“ Chr. W. v. Heppe, 1. e., p. 171.— Sanders, Wb., I., p. 532. E. v. D. Gang, todter. Es werden häufig Schrau- ben zur feinen Bewegung von Inſtrumenten— theilen benützt. Eine derartige Einrichtung kann nur dann als gut bezeichnet werden, wenn jeder Drehung der Schraube das entſprechende Maß der Fortbewegung am Inſtrumente zu— kommt. An neue Einrichtungen wird dieſe Forde— rung auch jedesmal zu ſtellen ſein. Anders iſt dies bei alten, vielgebrauchten Inſtrumenten. Hier wird man häufig finden, dafs ſtellenweiſe einem beſtimmten Theil der Schraubenumdre— hung gar keine Fortbewegung des bewuſsten Theiles entſpricht. Dieſe vergebliche Drehung der Schraube heißt „der todte Gang“. Dieſe Erſcheinung findet ihre Erklärung in der Abnützung, welche mit der Zeit zwiſchen Spindel und Mutter der Schraube eintritt und ein Schlottern innerhalb dieſer beiden Beſtand— theile zur Folge hat. Begegnet wird dieſem Übelſtande durch eine Feder, welche die Schrau— benſpindel nach der Längsrichtung gegen die Schraubenmutter preſst und hiedurch ein nutz— loſes Drehen der Schraube verhütet. Ob bei einer vorliegenden Einrichtung der todte Gang der Schraube vorhanden, iſt bald eruiert; denn man braucht nur die in Frage ſtehende Schraube nach den beiden entgegen— geſetzten Richtungen zu drehen und dabei den zu bewegenden Inſtrumententheil ſorgfältig zu beobachten: entſpricht hiebei auch der kleinſten Drehung, namentlich beim Übergange von der einen Richtung in die entgegengeſetzte, auch eine Fortbewegung am Inſtrumente, ſo iſt kein todter Gang vorhanden; im anderen Falle iſt letzterer conſtatiert. Übrigens iſt durch ein mäßiges Rütteln an dem zu bewegenden Theile leicht zu be— 245 ſtimmen, ob die bewegende Schraube jchlottert oder ob eine präctje Verbindung zwiſchen Spin— del und Mutter vorhanden iſt. Lr. Ganga, Ringelflughuhn, das. Pterocles arenarius (Pall.) Temm.: Tetrao arenaria Pall.; Tetrao fasciatus Desf.: Perdix aragonica Lath.; Oenas arenaria (Pall.) Vieill.; engl.: Arago- nian part:idge, black-billed Sand-Grouse ; frz.: Ganga unibande; jpan.: Corteza, Ortega, Churra, Churra Manchega; portug.: Corticol, Barriga-negra; arab.: Koudhre; ruſſ.: Stepnoi Raebok; tatar.: Dsheräk. Bulduruk. Abbildungen. Vogel: Naumann, Vögel Deutſchl., T. 153; Gould, Birds of Eur., Pl. 257; Fritſch, Vögel Eur., T. 32, Fig. 9 und 13; Dreſſer, Birds of Eur., T. 466. Eier: Bädecker, Eier eur. Vögel, T. 67, Fig. 1. Kennzeichen: Schwanz nicht über die Flügel hinaus verlängert; Bauch und ein Querband ober der Bruſt ſchwarz. G. Oberkopf, Nacken und Hinterhals röth- lichgrau; Rücken, Schulterfedern und kleine Flügeldecken, Bürzel und obere Stoßdecken ſchiefergrau und roſtgelblich gefleckt, Bürzel dunkler; Schwingen aſch- und blaugrau mit ſchwarzen Schäften, wovon die erſte mit braun— grauer Außenfahne, die inneren mit weißer Spitze; Armſchwingen außen roſtgelb geſäumt, einige der inneren von der Färbung der Schul— terfedern; die größeren Schwingendecken faſt ganz roſtgelb; Stoß braungrau, gegen die Baſis zu ſchwärzlichbraun gebändert und am Ende breit weiß geſäumt; Kinn und Obertheil der Kehle ockergelb, an den Seiten in Orange übergehend und darunter ein größerer ſchwar— zer Fleck; Unterhals und Bruſt grau mit röth— lichem Anfluge; über die Oberbruſt zieht ſich bis zu den Flügeln ein ſchwarzes Band; Bauch ſchwarz, gegen die Bruſt zu ins Weißlichgraue übergehend; Unterſtoßdecken trüb gelblichweiß; untere Schwingendecken weiß; Beine braungelb befiedert; Zehen dunkelblaugrau; Schnabel dunkelhornbraun; Augen dunkelbraun; Total— länge ungefähr 35 cm. . Obere Theile blajs ſandgelb, dicht ſchwarzbraun gebändert, ausgenommen den Kopf, Nacken und Hinterhals, wo ſich die ſchwarze Zeichnung zu Längsſtreifen formiert; Handſchwingen dunkelgraubraun; die äußeren Armſchwingen am Ende ähnlich gefärbt, an der Baſis trüb iſabellfarben und ſchwärzlich marmoriert, die inneren und die Decken wie der Rücken, die größeren letzteren mit gelblich— weißen Enden; Stoß deutlicher als beim 7 ge— zeichnet; Kopfſeiten gelblich, ſchwarz geſtreift; Obertheil der Kehle weißlichgelb, von einem ziemlich breiten ſchwarzen Streifen umſäumt; unterer Kehltheil und Bruſt röthlichgelb mit tropfenförmigen ſchwarzen Flecken und an dem unteren Theile mit einem ſchwarzen Bande, unter welchem ein ſchmaler, ungefleckter Strei— fen; übriger Unterkörper ſchwarz; untere Stoß— decken trüb weiß. Das Ringelflughuhn heimatet im Süd— weſten Europas, dem Nordweſten Afrikas und dem weſtlichen Aſien. 19 46 Als Irrling wurde es in Griechenland, einmal auch in Deutſchland (1801 in Anhalt) und 1831 in Dänemark (Jütland) angetroffen. In den Ebenen Portugals iſt es nach Smith häufig; Rey bekam von Algarve ein Gelege; laut R. Brehm bewohnt es in Spa— nien Aragonien, Caſtilien, Mancha, Muricia und einen Theil Andaluſiens. Im Nordweſten Afrikas fand es Loche das ganze Jahr hin— durch in den ebenen Theilen der Sahara und in der Ebene von Chélif während der Brüte— zeit; Cambers-Hodgetts traf es in großer Menge in Tripolis, Lilford in bedeutenden Flügen im November und December auf den Ebenen um Tunis und Taczanowski in Alge— rien gemein in der Wüſte, minder zahlreich auf den benachbarten Anhöhen; nach Schousboe iſt es im Winter in Marokko häufig, haupt— ſächlich zwiſchen der gleichnamigen Stadt und dem Fuße des Atlas. Auf den Canaren kom— men die Gangas, Bolle zufolge, in den wüſten Ebenen Fuertaventuras vor, von wo ſie zu— weilen nach Gran-Canaria ſich verfliegen und gar nicht ſelten im Südoſten Canarias bei Juangrande und Sardinas auftreten. In Pa— läſtina wurde das Vorkommen unſeres Vogels durch Triſtram nordöſtlich des Hermons con— ſtatiert und nach v. Gonzenbach wird es in jedem Winter auf den Markt von Smyrna ge— bracht, wo es in den ſandigen Gegenden in der Nähe der Küſte auch brütet. Auf ruſſiſch— aſiatiſchem Gebiete findet es ſich nach Bogda— now im Steppengebiete des Kur und Aras, auf der armeniſchen Hochebene, im aralo— kaſpiſchen Gebiete, dem Thianſchan und der Dſungarei; Filippi erwähnt es aus Perſien; Dickſon und Roſs trafen es um Erzerum ſehr häufig, wo es anfangs April erſcheint, auf den benachbarten Hügeln niſtet und zu Ende September verſchwindet; Hume fand es im oberen Theile von Sindh, aber niemals ſo häufig wie im nordweſtlichen Pandſchab und Radſchputana; Jerdon nur in den nordweſt— lichen Provinzen Indiens, ſelten bis Allahabad herabgehend. In Indien fehlt es während des Sommers, wird aber vom September bis März angetroffen. Turkeſtan bewohnt es nach Se— wertzow häufig und brütet auch da bis zu einer Höhe von 4000 Fuß. Die Ganga iſt eine Bewohnerin der Wüſten und Steppen, überhaupt ausgedehnter, uncul— tivierter ebener Flächen, ohne Baum- und Strauchvegetation, erſcheint aber der Nahrung wegen zuweilen nach der Ernte auf benach— barten Stoppelfeldern, um hier Getreidekörner aufzuleſen. Je nach der Ortlichkeit iſt fie Stand-, Strich- und Zugvogel. Mit Ausnahme der Brütezeit, wo ſie paarweiſe leben, trifft man ſie ſtets in Ketten. In Spanien pflanzen ſie ſich im Mai fort. Eine ſeichte Grube im Boden, meiſt der Sonne ausgeſetzt, bildet das Neſt, das nicht immer an ſeinen Rändern mit dürrem Graſe ausgelegt iſt und 3, ſeltener 4 Eier ent— hält. Selbe ſind an beiden Polen ziemlich gleichmäßig abgerundet, haben als Grundfarbe ein reines oder ins Röthliche und Grünliche ziehendes Braungelb mit helleren und dunkel— violettgrauen Schalen- und gelb- und roth— Gangbar. — Gänge. braunen Zeichnungsflecken. Ihre Länge betragt bei 48, ihre Breite bei 332 mm. Das Brüte— geſchäft beſorgt das 5 allein; an der Führung betheiligen ſich aber beide Gatten. Die den Eiern entſchlüpften Jungen ſind durch einige Tage ziemlich hilfloſe Geſchöpfe und werden von der Mutter während dieſer Zeit nach Art der Tauben aus dem Kropfe gefüttert. Die Nahrung beſteht aus allerlei Grasſämereien und Körnern von Feldfrüchten. In den Mor- gen- und Abendſtunden erſcheinen ſie ſehr regel⸗ mäßig an der Tränke, ſtürzen ſich, in der Nähe angekommen, in ſchiefer Richtung zu Boden und legen den Weg bis zum Waſſer laufend zurück. Nachdem ſie hier in wenigen Minuten ihren Durſt geſtillt haben, erheben ſie ſich raſch und ziehen nach derſelben Richtung, aus der ſie gekommen waren. Gegen die Mittagszeit halten ſie Ruhe und liegen zerſtreut im Sande, in dem ſie ſich gerne paddeln. Ihr Gang iſt. eher hühner- als taubenartig, immerhin aber etwas trippelnd. Der Flug iſt rauſchend und ſtürmiſch, am meiſten an die Regenpfeifer ge— mahnend. Aufgejagt ſteigen ſie vorerſt bis zu einer gewiſſen Höhe gerade empor, ehe fie, ſtets dicht gedrängt neben einander, ohne im Fluge ihre Ordnung zu verändern, unter ununter— brochenem Geſchrei davonfliegen. Wo ſie durch Nachſtellungen gewitzigt wurden, ſind ſie außer— ordentlich ſchen und ſtehen ſchon auf große Entfernungen auf, während ſie in der Wüſte, mehr auf ihr ſchützendes Kleid ſich verlaſſend, ſich drücken. Die Jagd auf die Flughühner wird viel— fach eifrig betrieben. Dort, wo eine Annähe— rung von Seite des Schützen zu Fuß oder zu Pferd der Scheuheit wegen zu keinem Reſultat führt, bleibt der Anſitz an der Tränke in einem aus Steinen errichteten Hinterhalte die einzige Erfolg verſprechende Jagdweiſe. Des dichten und ſtarken Federkleides wegen muſs man ſich gröberer Schrote bedienen, da angeſchoſſene, wenn nicht geflügelt, noch ſehr weit ſtreichen und meiſt für den Jäger verloren ſind. Das Wildbret ſchildern einige als hart und taubenartig ſchmeckend, andere wieder als gut und bezüglich des Geſchmackes das der Rothhühner übertreffend. v. Tſch. Gangbar, adj., ſ. v. w. befahren, von Bauen; ſelten. „Gangbar nennt man die Röhren an einem Dachs- oder Fuchsbaue, vor welchen friſche Erde liegt, die vom Dachſe oder Fuchſe herausgeſchoben oder ausgefahren worden iſt.“ Hartig, Lexik., p. 212. — Behlen, Real- u. Verb.⸗Lexik., III., p. 26. — R. R. v. Dom⸗ browski, Der Fuchs, p. 185. — Sanders, Wb., 4 p. 538. E. v. D. Gänge, adj., ſ. v. w. gängig, j. d. €. v. D. Gänge heißen in der Geologie mehr oder weniger ſteil ſtehende, plattenförmige Geſteins— maſſen, die vom Innern der Erde her glutflüſſig in Klüfte und Spalten überlagernder Geſteine gedrungen ſind und dort erſtarrten. v. O. Gänge (Brut-, Familien-, Gabelholz-, Gabelſtern-, Holz-, Längs-, Larven⸗, Leiter-, Loth⸗, Mutter-, Quer⸗, Stern-, Wageg dige 1 : Brutgang. Hſchl. Gangform. — Gänſefang. 247 Gangſorm, gleichbedeutend mit Fraßgang— form (Brutgang oder Larvengang) rückſichtlich des Verlaufes, den dieſe Gänge nehmen. Vgl. Brutgang, Larvengang. Hſchl. Gängig, adj. I. Allgemein gut laufen können. „Die Dachſe . . . Sie find nicht ſehr gänge, und wenn ſie fett werden, wird ihnen das Laufen ſauer.“ Fleming T. J., Anh., fol. 107 a. — „Sie (die Wölfe) ſind ſehr geſchwind und gänge.“ Ibid. fol. 106 b. — „Gänge jagt man auch von den Hunden, wenn ſie flüchtig und hurtig im Wenden ſind: das iſt ein gänger Hund.“ J. Großkopff, Jagd- u. Weidewerkslexikon p. 128. — „Gängig bleiben heiſſet: wenn der Hund durch eine gute Bewegung auf ſeinen Läufen friſch und hurtig erhalten wird.“ C. v. Heppe, Aufr. Lehrprinz, p. 379. II. S. v. w. leinenführig oder gut am Hängſeil gehend, namentlich vom Leit- und Schweißhund. „Einen jungen Leithund gängig und führig machen, heiſſet: ihn gewöhnen, daſs er die Halſe und das Hängeſeil gerne an ſich leide und ſich daran ausführen laſſe, vor des Jägers rechten Fauſt gerade hingehen, rechts und links ſich wenden, und des Jägers Zuſpruch wol annehmen lerne.“ C. v. Heppe, 1. c., p. 437. — „Gängig nennt man den Leit- und Schweißhund, wenn er am Hängeſeil oder Hetz— riemen gut ſucht. Hartig, Lexik., p. 212. — Laube, Jagdbrevier, p. 276. — Sanders, Wb. , 536 a, 537a. E. v. D. Ganglien, Ganglion, Ganglienkette, ſ. Ner- venſyſtem (der Inſecten). Hſchl. Gangloff, Karl, geb. 11. April 1809 in Prag, geſt. 7. Februar 1879 in Rozmital (Böhmen), ſtudierte am Polytechnicum zu Prag, machte ſeine forſtliche Praxis auf der Domaine Reichenau durch und beſchäftigte ſich hierauf noch ein Jahr mit Forſtvermeſſungen und Betriebsregulierun— gen. Im Bereich der Forſtverwaltung des Prager Erzbisthums wurde Gangloff ſodann 1831 Forſt— ingenieur zu Rokmital, 1839 Oberförſter zu Rothketſchitz und 186“ Forſtmeiſter zu Rozmital. Gangloff war nicht nur ein höchſt intelli— genter und unermüdlich thätiger Forſtwirt, ſon— dern iſt auch bekannt durch ſeine zahlreichen originellen Erfindungen auf dem Gebiete der forſtlichen Vermeſſungskunde und Forſttech— nologie, von denen beſonders hervorzuheben ſind: Meßſtock, Berechnungsſtock, Waldtafel, Horizontalmeſſer, Stockrodemaſchine, Schindel— maſchine und Planimeter; die beiden letztge— nannten gelegentlich der Verſammlung deutſcher Land- und Forſtwirte zu Prag und Wien mit ſilbernen Medaillen prämiirt. Außer zahlreichen Aufſätzen in den Ver— handlungen des böhmiſchen und mähriſch-ſchleſi— ſchen Forſtvereines veröffentlichte Gangloff auch noch 1851 zwei Schriften über ſeine Erfindun— gen, nämlich: Beſchreibung und Anleitung zum Gebrauch eines Holzvermeſſungsſtockes, ſowie: Beſchreibung und Anleitung zum Ge— brauch eines Holzberechnungsſtockes. Schw. Gangloff'ſche Stockrodemaſchine. Dieſelbe beſteht aus einem zweibeinigen Bocke, einer gelochten Eiſenſtange, die am unteren Ende eine Eiſenzange trägt, und aus zwei Hebelſtangen. Die Maſchine wird über den umrodeten, von ſeinen Seitenwurzeln getrennten Stock geſtellt und die Zange an einen belaſſenen Wurzelſtumpf (als Anfaſſungswurzel) angelegt. Durch die wechſelſeitige Bewegung der Hebeſtange, wobei ein Bolzen in der Eiſenſtange als Stütze be— nützt wird, kann der Stock mit ſeinen Pfahl— wurzen aus dem Boden gezogen werden. Fr. Ganopteryx rhamni, der bekannte Citro— nenfalter, deſſen Raupe auf Rhamnus frangula friſst. Hſchl. Gänſeartige Vögel, Anseres, Ordnung der Vögel, mit nur einer Familie, Entenvögel, Anatidae; ſ. d. u. Syſt. d. Ornithol. E. v. D. Gänſefang. Das Fangen der Wildgänſe iſt im allgemeinen ſehr ſchwer und nur da der Mühe wert, wo ſie entweder brüten oder zu gewiſſen Jahreszeiten, wohl meiſtens im Winter, in großen Zügen längere Zeit verweilen. Die lohnendſten Fangmethoden ſind: 1. Der Fang mit Waſſer- oder Sad- garnen, die im Schilf und Röhricht an den Gewäſſern auf dazu eigens angelegten Stall— ſtiegen oder im Waſſer ſelbſt, wo es nicht gar zu tief iſt, geſtellt werden. Ein ſolches Gänſe— netz beſteht aus zwei ſog. Spiegelnetzen mit Maſchen, deren Knoten 30 em weit von einander ſind und ſenkrecht über einander ſtehende Qua— drate oder Spiegel bilden, woher der Ausdruck ſpiegelig ſtammt, von 80—90 m Länge und Um Höhe, aus ſtarkem Bindfaden und einem Ingarn aus dickem, feſtem Hanfzwirn mit 7 cm weiten Maſchen von 0˙66 m Höhe und 150m Länge, damit es recht buſenreich wird und eine hinein gerathene Gans weder von vorn ent— weichen oder nach rückwärts noch weniger her— auszukommen vermag. An der oberen Haupt- leine werden Ringe von Horn angebracht, mit— telſt deren Garn befeſtigt wird, an der unteren Hauptleine befinden ſich dagegen eiſerne Ringe oder ringartige Bleigewichte, durch welche das Netz ins Waſſer gezogen und dort gehalten wird. Iſt das Garn geſtellt, ſo werden die Gänſe vorſichtig gegen dasſelbe hingetrieben und krie— chen, namentlich wenn ſie noch jung und kaum flugbar ſind, und die alten ſich in der Mauſer befinden und alſo auch nicht gut fliegen können, leicht hinein. Je buſenreicher das Ingarn iſt, deſto mehr iſt auf guten Erfolg beim Fange zu rechnen. An größeren Gewäſſern, Teichflächen und Seen ſtellt man, wenn viele Gänſe dort liegen, auch wohl mehrere Netze auf einmal und treibt zu Kahn dieſelben hinein. 2. Der Fang mit Hals- und Tritt⸗ ſchleifen oder Schlingen, von denen nur die erſteren ſich erfahrungsmäßig als beſonders lohnend erweiſen. Die Halsſchlingen, welche namentlich auf den von den Gänſen angelegten Schwimmſteigen ſo im Schilf oder Rohr in Maſſe befeſtigt werden, daſs die paſſierenden Gänſe nicht anders durchkommen können, als mit dem Kopf hineinzugerathen. Die Schlingen beſtehen aus achtdrähtigem Pferdehaar oder ½% mm ſtarkem geglühten Meſſingdraht und müſſen im Durchmeſſer 10—12 em halten. Die Schleifen ſind genau ſo hoch über dem Waſſer "RE 248 Gänſejagd. \ zu ſtellen, daſs die ſchwimmende oder kriechende Gans ganz nahe mit dem Schnabel über dem unteren Rande derſelben bleibt und nicht den Kopf darunter durch, ſondern mitten durch die Schlinge ſteckt. 3. Der Fang mit dem Tellereiſen, welcher auf den Saatfeldern, wo die Gänſe zu liegen und zu äſen pflegen, namentlich bei Schnee in neueſter Zeit mehrfach mit glänzen— dem Erfolge angewandt wird. Die Tellereiſen müſſen aber an eingeſchlagenen Pfählen mit einer Kette befeſtigt oder angebunden, auch wohl mit ſchweren Gewichten am Boden feſtge— halten ſein. Ob aber jeder Jäger gerade dieſe Methode zum Fang von Wildgänſen wählen wird, bleibt doch ſehr fraglich, weil die Jagd und der Fang auf andere Weiſe auch mit beſtem Erfolg und ohne unverantwortliche, allerdings aber un— vermeidliche Thierquälerei betrieben werden kann. Der Schaden der Gänſe auf den Getreide— äckern iſt entweder nur ſehr gering oder gar nicht vorhanden. Der einſichtsvolle Bauer weiſs erfahrungsmäßig, daſs ſein Getreide da, wo die Gänſeſcharen im Winter gelegen haben, im Sommer ſehr gut und gewöhnlich am beſten ſteht und in vielen Gegenden ſehen daher die Landwirte gern, wenn die Wildgänſe ihre Ruhe— und Aſungsplätze auf ihre Winterkornäcker ver— legen Qu. Gänſejagd. Die Jagd auf Wildgänſe hat für den Jäger umſomehr Reiz, als alle in der gemäßigten Zone Europas vorkommenden Arten, von denen nur eine, nämlich die Graugans (Anser einereus), Stammmutter unſerer zahmen Gans, Brutvogel iſt, während die übrigen nur auf ihren Frühjahrs- und Herbſtzügen das Gebiet berühren und dort kürzere oder längere Zeit verweilen, an ſich ſehr ſcheu, vorſichtig und mit ſcharfen Sinnen begabt find. Außer- dem bietet ſie ihm Gelegenheit, ſich als tüchtiger Schütze und Birſchjäger zu zeigen. Die mit Erfolg anzuwendenden Jagdmethoden ſind die folgenden: 1. Der Anſtand, welcher ſowohl ſich auf die täglichen Strichzeiten am Morgen und Abend beſchränken kann, wie auf Touren bei Nacht und bei Tage. Die Wildgänſe pflegen beim Ziehen aus den Feldern ꝛc. zu den Gewäſſern oder auch zu anderen Feldern, Wieſenflächen u. ſ. w. ganz genau gewiſſe Zeiten einzuhalten. Es kommt alſo vorzugsweiſe darauf an, dieſe täglichen Zugzeiten zu ermitteln. Man ſtellt ſich entweder am Einfall oder auf dem Zuge an, den ſie regelmäßig in ein und derſelben Richtung nehmen. Sit kein hohler Baum oder Röhricht ꝛc. als Deckung vorhanden, ſo baut man ſich eine Hütte aus Schilf ꝛc., die wie ein Düngerhaufen ausſieht, und begibt ſich vielleicht / Stunde vor Eintritt des Zuges hinein oder gräbt ſich ein Loch, worin man Platz findet. Der gewöhn— liche Zug dauert in der Regel nur ½ bis % Stunden, beginnt Y, Stunde vor Aufgang oder Untergang der Sonne bis ½ Stunde nach dieſer Zeit. Je dunkler und nebeliger das Wetter iſt, deſto niedriger pflegen die Gänſe zu ſtreichen, und ſolche Tage müſſen vorzüglich in Acht ge— nommen werden. Wo die Gänſe in ſehr großer Anzahl zu gewiſſen Tageszeiten am Vormittag und Mittag oder Nachmittag oft ſtundenlang auf den Saatfeldern liegen, bewährt ſich fol— gendes Verfahren ganz beſonders. Man legt ſich ſchon lange vor dem Eintreffen der Gänſe während ihres Frühjahrs- und Herbſtzuges auf den Saatfeldern, welche fie beſuchen, in Schujs- weite von den Plätzen, wo ſie ſich gewöhnlich aufhalten und die natürlich bekannt ſein müſſen, zwei einander gegenüberliegende Hütten an, um immer unter Wind zu ſtehen, jedenfalls hat man immer wenigſtens halben Wind. Eine ſolche Hütte hat ganz genau das Anſehen einer in der Grundfläche vierſeitigen Pflagge oder Compoſtmiete, die aber inwendig einen Licht— raum hat, um darin ſtehen und ſich bewegen zu können; von hinten her wird ein Eingang gelaſſen und eine Decke aus Stangenholz oder Abfallbrettern geſchaffen, die mit Erde oder mit Heide, Schilf, Stroh beworfen wird. Um dieſe ſcheinbare Miete herum werden Dornenſträuche, Reiſigholzhaufen in der Weiſe aufgeworfen, daſs dadurch die angelegten Schießlöcher gegen das Feld hin ſo weit verblendet werden, daſs von außen her nicht zu ſehen iſt, wenn man ſich etwa bewegt. Eine halbe Stunde vor der Ein— fallszeit ſtellt man ſich in die Hütte und ladet, da die Gänſe in der Regel in großen Schaaren zuſammen liegen oder auch wohl noch wieder in kleinere Züge vertheilt find, entweder Kar— tätſchenpatronen Nr. 0 oder Nr. 1, oder auch wohl Kartätſchen, die mit Röller oder Poſten geladen ſind und hält beim Schießen zwiſchen die Köpfe der lagernden Gänſe, einen derſelben aus der Mitte zum Zielpunkt nehmend. Will man eine einzelne Gans ſchießen, ſo nimmt man, wenn die Entfernung für Schrot zu weit iſt, die Büchſe, man führt deshalb auch gern auf der Gänſejagd eine Büchsflinte, um für alle Fälle eingerichtet zu ſein. Sonſt empfehlen ſich Doppelflinten mit Caliber Nr. 12, die mit Schrot Nr. 0 oder Nr. 1 geladen werden. Das Pulver- und Bleigewicht wäre für Caliber Nr. 12 etwa folgendes: vom rheiniſchen Jagd- pulver = 6˙17 g, vom Blei = 4197 g, bei Ca⸗ liber Nr. 16 würden dagegen 4˙40 g Pulver und 3320 g Blei zu laden ſein. Ganz beſonders iſt beim Schießen zu be— achten, daſs die Gänſe namentlich auf der Bruſt ein ſehr ſtarkes, dem Eindringen des Bleies widerſtehendes Gefieder tragen, man ſollte daher nie von vorne auf eine Gans ſchießen, ſondern immer von hinten oder ſchräge von hinten nach vorn, der letztere Schuſs iſt ſtets der erfolg— reichſte, außerdem iſt auf fliegende Gänſe ge— hörig vorzuhalten; wenn der Schuſs unter den Flügeln in die Bruſt dringen ſoll, ſo behalte man beim Zielen vorne die Schnabelſpitze als Zielpunkt auf dem Korn oder im Viſier. 2. Treibjagden auf Gänſe werden am beſten bei trüben, windigen oder nebeligen Tagen, hauptſächlich aber bei Schneegeſtöber abgehalten. Die Treiber müſſen dabei auf den Saatfeldern, wo die Gänſe liegen, eine lange, möglichſt dicht beſetzte, halbkreisförmige Linie bilden, deren beide Flügel die Gäuſe gut um—⸗ Ganz machen ſchließen und ſo den vollſtändig gedeckten, unter keiner Bedingung im Winde ſtehen dürfenden Schützen zutreiben. Trotz aller Deckung mus der Schütze aber ſtehen wie eine Statue und erſt, wenn die Gänſe auf ſchuſsmäßige Diſtanz herangezogen ſind, das Gewehr anziehen, die Gänſe würden ſonſt jede Bewegung bemerken und ſofort ſich jo hoch erheben, daſs fie in Sicherheit find, wenn der Schujs fällt. Auch während der Boden mit Schnee bedeckt iſt, und bei Mondſchein werden oft nachts mit gutem Erfolge Treibjagden abgehalten. 3. Das Anfahren mit Wagen oder Schlitten iſt auch oft von ſehr gutem Erfolg, aber kann in der Regel nur einmal gemacht werden, weil ſchon zum zweitenmal die Gänſe meiſt ſehr miſstrauiſch werden würden, wenn ſie ein dem erſten ähnliches Fuhrwerk äugten. Zum Anfahren eignet ſich ein gewöhnlicher Ackerwagen, wie ihn die Bauern haben, am beſten, u. zw. noch umſomehr, wenn er nicht mit eleganten Pferden, ſondern recht ländlich ausſehenden Ackerpferden beſpannt iſt, weil dann die Gänſe am wenigſten miſstrauiſch ſind und oft recht gut aushalten. Man mujs indes immer vermeiden, ſich durch verſchiedentliches Umkreiſen den Gänſen zu nähern, wie es wohl ſonſt bei Trappen oder Kranichen im Gebrauch iſt und ſich als erfolgreich herausſtellt, ſondern man läſst den Wagen zur rechten Seite der Gänſe auf Schuſsweite vorbeifahren. Bei großer Kälte und hartgefrorenem Schnee laſſen ſich die Gänfe, weil ſie mehr leiden, da keine offene Stellen in den Gewäſſern vorhanden ſind und ſie ſich außerdem nicht imſtande befinden, auf den Saatfeldern den Schnee behufs Annahme der Aſung mit ihren Rudern, die nur zum Schwim— men eingerichtet ſind, fortzuſcharren. Sehr gern fallen ſie dann an warmen Quellen, die nie zu— frieren, in großen dicht gedrängten Zügen ein, und es iſt ihnen dann ſehr gut anzukommen, namentlich wenn angefahren wird. 4. Das Anbirſchen oder Beſchleichen kann nur ausgeführt werden an Flüſſen mit hohen Ufern, oder wenn ſehr gute ſonſtige Deckung vorhanden iſt. Am beſten iſt den Gänſen durch Anſchleichen anzukommen, wenn ſie auf dicht oder in Schuſsweite vom Ufer gelegenen, im Winter nicht zugefrorenen Stellen liegen. Man mußs indes ſehr genau beim Schleichen auf den Wind und darauf achten, daſs man ſich genau merkt, wo die Gänſe liegen, um nicht eher von denſelben eräugt zu werden, bis man in guter Schufsweite heran iſt, wobei ſich von ſelbſt verſteht, daß man immer ſchuſsbereit iſt, wenn ſie abſtreichen. Kommt der Jäger gut gedeckt an die Gänſe, welche oft in größerer Anzahl auf nur kleinen Waken oder Lachen liegen, ſo kann er oft mit einem Schuſs 3—4 Gänſe erlegen, und wenn ſie aufſtreichen, anch noch den zweiten Schufs gut anbringen. Zu bemerken bei allem Schießen auf Gänſe iſt aber noch, dass angeſchoſſene Gänſe in vielen Fällen noch weit und dabei raſch fortlaufen, es iſt daher anzurathen, einen ſichern Hund, der das Schleichen und Anbirſchen mit ſeinem Herrn kennt, bei ſich zu führen. — Ganzvͤögel. 249 An für den Hund gefährlichen Stellen iſt indes die Verfolgung einer angeſchoſſenen Gans lieber aufzugeben, als einen guten Hund aufs Spiel zu ſetzen. Qu. bei Ganz machen, im Ganzen ſtehen, ganz ein. Ein Jagen mit Jagdzeug, eventuell auch mit Schützen und Treibern vollends umſtellen; dann auch allgemein ein Treiben in Ordnung halten. Vgl. ganz ſein, ſchließen, zuſtellen. „Gantz machen heißet: das Treibervolk in der Reihe und Ordnung ſtellen.“ J. Täntzer, Jagdgeheimniſſe 1682, fol. 11b. — Fleming T. J., I., Anh., fol. 107. — Onomat. forest. II., p. 997. — „Alſo laſſe der Jäger durch das Schilf nach Gelegenheit des Teiches Richtwege durchſchneiden, wo er ſperren und die Leute allezeit im Trieb gantz machen will.“ Parſon, Hirſchgerechter Jäger, 1734, fol. 1124. — „Kommt man auf einen Weg oder Stell-Flügel, werden die Leute angehalten, daſs fie wieder gerade beyeinander kommen (heißt gantz ge— macht)“. „Wenn man die Hirſche erſt einmal im Zeug und im Ganzen hat.“ Döbel, Ed. I, 1746, II., fol. 40 b, III., 179 b. — „Er rappor⸗ tirte, ſein Jagen ſtehe ſchon im Ganzen, und iſt doch noch nicht einmal geſchloſſen.“ C. v. Heppe, Aufr. Lehrprinz, p. 186. — Großkopff, Weidewerkslexikon, p. 128. — „Ganz machen, und ganz ſeyn, will ſagen, ein Jagen mit Zeug, Lappen und Leuten umſtellen, dajs nichts heraus kann. Dieſes nennt man ganz machen; und ſo nun das Jagen geſchloſſen, heißt es: ganz ſeyn, das iſt, das Jagen iſt zu; auch, wenn ein Treiben durchgangen, und die Leute friſch angeſtellet werden ſollen, heißt es: gantz machen, das iſt, in Ordnung ſtellen; und wenn die Treiber und Jäger ſtehen, wird geſprochen: das Treiben iſt ganz, oder die Leute ſind ganz; auch es iſt ins Ganze.“ Chr. W. v. Heppe, Wohlred. Jäger, p. 170. — Winkell, Ed. II, 1820 J., p. 209. — Hartig, Lexikon, p. 200, 284. — Behlen, Real- und Verb. Lexik., III., p. 38; VI., p. 208, 217. — Sanders Wb., I., p. 538. E. v. D. Ganze Balken find ſolche, die in einem Stücke durch die ganze Balkenlänge reichen und mit beiden Enden auf den Umfangsmauern auf— liegen, ſ. Gebälk. Fr. Ganzvögel, die, nennt man die ſtärkeren Droſſelarten, von denen vier auf einen Spieß (ſ. d.) gehen; vgl. Halbvögel. In früherer Zeit waren unter dieſem Ausdrucke auch andere Vogelarten begriffen: „Man findet an theils Orten dieſen Unterſchied, dajs vom Krammets— Vogel an bis zum letzten und kleineſten, ſolche wieder in drei Claſſen eingetheilt werden, als in gantze, halbe, und kleine Vögel. Und rechnet man ſo nach den gantzen Vögeln nebſt den Waldſchnepfen, die Tauben und Mandel⸗Krähen, die Krammetsvögel, die Schild— amſel, oder Stockziemer, die Schnerre, den Schwartz- und Grünſpecht; zu denen halben Vögeln aber die Zipp- und Weindroſſeln, die Schwartz-Amſel, die Stein-Amſel, den Wey— rauch, Kern-Beiſſer, Seidenſchwantz, Gümpel, Ortolahn, Creutz-Vogel, Staaren, Roth-Specht, Tagesſchlafe und Guckguck; die übrigen Wald— 250 Garbenſchiefer. — Gartenammer. Vögel aber alle zum kleinen Vogel-Fange.“ Döbel, Ed. I, 1746, III., p. 167. — Winkell, Ed. I, 1805, II., pe 385. — Hartig, Sanfar, 1809, p. 109, Lb. f. Jäger, I., p. 201. E. v Garbeuſchiefer ſind dickſchiefrige, N den Schichtungsflächen wellig unebene Glimmer— ſchiefer, an deren Zuſammenſetzung ſich haupt— ſächlich ſilberweißer, perlmutterglänzender Kali— glimmer betheiligt, welcher zu ſchuppigen oder häutigen Aggregaten verwachſen iſt. Außer ihm finden ſich Blättchen von braunem Magneſia— glimmer, Quarzkörnchen und ⸗-linſen und endlich Coneretionen von dunkelſchwarzer Farbe, welche auf den Schichtungsflächen in büſchel- oder garbenförmigen Zeichnungen hervortreten und den Namen der Geſteinart veranlasst haben; im Gebiet des ſächſiſchen Granulitgebirges vor— kommend. v. O. Garn, Das, allgemeine ce für alle Jagdnetze, doch vorzugsweiſe nur ſolche, die zum Fange, nicht bloſs zum Einſtellen des Wildes dienen, ſ. Netz, Jagdzeug, Zeug. „Eyn waideman, der dem gejaid iſt hangen an. nach allem wild ... mit lauſchen, ſchrecken, garn und netzen, Zu jagen, paiſſen und zu hetzen.“ „Eym jungen, adelichen man, dem ſteht gar wol und höflich an, das er im waid⸗werck ſey erfarn mit dem windſpiel, netzen und garn ...“ Hanns Sachs, Aktäon, 47 und Kurtze lehr, 4. — Nos Meurer, Jag- vnd Forſtrecht, 1560, fol. 85. — M. Sebiz, 1580, fol. 663, 664. — „Garn, ſind die Netzen zum Hirſch⸗ Sauen- Rehe— Haſen- und Wolffs-Jagden.“ J. Täntzer, Jagd⸗ geheimniſſe, 1682, fol. 11b. — Fleming T. J., 1729, I., Anh., fol. 107. — „Garn, ſo heißen alle geſtricte Netze, groß und klein, die man bey der Jägerey brauchen mag.“ Großkopff, Weidewerkslexikon, p. 128. — „Garn, unter dieſem Wort verſteht ſich alles, was an Garnen zur Groß- und kleinen Jagd gebraucht wird, wiewohl zwar die zum hohen Jagen gehörige, lichte Zeuge, oder Netze heißen.“ Chr. W. v. Heppe, Wohlred. Jäger, p. 173. — „Der Verfaſſer enthält ſich . . . des ſonſt gewöhnlich ſynonymen Gebrauchs der Benennungen Netze und Garne für alle Arten des lichten Zeuges, weil ſeiner Anſicht nach der Unterſchied zwiſchen Netz und Garn darin beſteht, dass erſteres aus Leine und Bindfaden, letzteres aus Zwirn verfertigt wird. Alles Haarwild wird alſo in Netzen, der kleine Vogel in Garnen gefangen.“ Winkell, Ed. I, 1805, I., p. 417. — „Garn nennt man jedes Jagdnetz.“ Hartig, Lexik., p. 213. — Behlen, Real- und Verb. Lexik., III., p. 43; VI., p. 210. — Die Hohe Jagd, Ulm 1849, I., p. 359. — Sanders Wb., I., p. 514. E. v. D. Garnieren, (frz.: garnir — beſetzen, mit etwas verſehen), hat in der Handfeuerwaffen— technik eine beſondere Bedeutung angenommen und bezeichnet hier das behufs Herſtellung der äußeren Glattheit der Rohre und Erzielung einer ganz gleichmäßigen Wandſtärke vorzu— nehmende Feilen oder Hobeln der Gewehrläufe mit hobelartig geſtalteten Feilen verſchiedener Form und Feinheit. Bei doppel- oder mehr— läufigen Rohren wird das die gleichmäßige concentriſche Wandſtärke bewirkende, rauhere Vorgarnieren („Schrubben“) vor dem Verbinden der Rohre ausgeführt, ſo daſs nachher nur die feinere Arbeit des Schlichtens (mit feiner ge— hauenen Feilen) übrig bleibt (ſ. Jagdfeuerwaffen, DIT. Anfertigung). Garnitur, nennt man die Geſammtheit der zum Schutz, bezüglich zur Verbindung und Befeſtigung einzelner Gewehrtheile dienenden und im Gegenſatz zu dem loſen Zubehör am Gewehr feſeſiß nden Beſchläge, wie Kolbenkappe, Abzugsblech, Abzugsbügel, Riembügel, I Ringe, Schrauben ꝛc. Garnſack, der, ein ſackartig get oder ein gewöhnliches ſackartig geſtelltes Garn. „Garnſäcke, ſo werden diejenigen genannt, welche wie ein Sack geſtrickt ſind, dergleichen man zu dem Dachs- und Staaren-Fange braucht.“ Großkopff, Weidewerks-Lexik., p. 128. — Döbl, Ed. I, 1746, II, fol. 234. — Bech⸗ ſtein, Hb. d. Jagdwiſſ., Ii. „ p. 556. — 1 Wmſpr., p. 63. E. v Garrulus, auct., Gattung der Somit Corvidae, Raben, ſ. d. u. Syſt. d. Ornithol. In Europa zwei Arten: Eichelheher, G. glan- darius, L., und Unglücks heher, G. infaustus, 118 E. v. D. Gartenammer, Emberiza ür Linné. Emberiza hortulanus Briss, Orn. III, p. 269 (1760); Emberiza hortulana, Linn. Syst. Nat. I., p. 309 (1766); et auetorum plurimorum. — Gmelin, Latham. Temminck, Bonaparte, Salvadori, Degland et Gerbe, Dres- ser, Newton etc.; Emberiza maelbyensis, Sparrm. Mus. Carls. pl. 21 (1786); Emberiza badensis, Gm. Syst. Nat. I., p. 872 (1788); Emberiza chlorocephala, idem, ibidem, p. 887; Emberiza tunstalli, Lath. Ind. Orn, I., p. 418 (1790); Citrinella hortulana, Kaup, Nat. Syst. p. 142 (1829); Emberiza pinguescens, Brehm, Vögel Deutſchl., p. 295 (1831); Emberiza bu- chanani, Blyth, J. A. S. B. XIII. p. 957 (1844); Euspiza hortulana, Blyth, Cat. B. Mus. As. Soc. Beng., p. 129 (1849); Glyeispina hortu- lana, Cat. Mus. Hein. Th. I, p. 128 (1850); Hortulanus chlorocephalus, Bonap. Cat. Par- zud. Coll., p. 4 (1856). Abbildungen: 1. Vogel. Naumann, Vögel Deutſchl. IV., T. 103; Dreſſer, B. ot Europe. IV., pl. 211. — 2. Eier. Bädecker, Die Eier der europäiſchen Vögel, T. 3, Nr. 3; Thiene- mann, Abbildungen von Vogeleiern, AR} Nr. 7, a—d; Seebohm, A History of british birds. Ir, pl. 15. Ortolan, Ortulahn, Hortolan, Hortulan, Fettammer⸗ Ammerling, Goldammer, Feld— ammer, Sommerammer, Grünzling, Hecken— geln Kornfink, Troſ ſſel, Brachamſel, Jut— vogel, Windſche, Sommerortolan. Böhm.: Strnad zahradni; dän.: Hortu- lanen; engl.: Ortolan; franz.: Bruant ortolan ; holl.: de Ortolan; ital.: Ortolano, Ortolano giallo, Ortolan, Teraisola, Liabrü, Ortran, Ortranin, Ortlän, Ortolä, Tirabüs, Ortlaen, Urtulan, Ourtlän, Ortolanin, Urtlan, Ortolam, Viazum, Viasugu, Duradi, Verdolisa, Zippo, Notoän, Ortolaro, Ortulano, Ortuano, Ortu— lanu, Jardinaru, Ortulan; kroat.: Vrtna str- nadka; norw.: Hortulan; poln.: Pöswierka orfotan; portug.: Nil; ruſſ.: Dubrownik, Stre- De Gartenammer. 251 natka sadowaja, Sadowaja owsjanka; ſpan.: Hortelano, Verdaulla, Hortolä, Piula horte- lana, Cid groh, Groget, Hordie, Ave tonta; ſchwed.: Ortolansparf; ungar.: Kerti Sarmäny. Der Ortolan kommt in der paläarktiſchen Region vor von Spanien und Frankreich an öſt— lich bis nach Centralaſien bis zum Laufe des Irtyſchfluſſes, von den Quellen im Altaigebirge an nach Weſten durch Sibirien, Turkeſtan, Per— ſien bis Paläſtina, Kleinaſien und durch ganz Europa und Nordweſtafrika. In Europa er— reicht er ſeine Nordgrenze im Ural und deu ruſſiſchen Oſtſeeprovinzen im 37. Grad n. Br. und in Skandinavien im Polarkreiſe. In den meiſten Gebieten ſeines Verbreitungsbezirkes iſt er nur Sommerbrutvogel und zieht im Winter fort, in Paläſtina, Kleinaſien, Italien und Grie— chenland zieht er meiſtens nur durch und wan— dert ſüdlich bis Weſtafrika, Abeſſinien und Nord— weſtindien, einige brüten auch in Nordweſt— afrika. In Deutſchland kommt er nur hie und da brütend vor, ſo in Schleſien, der Lauſitz, Pommern, Mark, in den unteren Elbegegenden, Braunſchweig, Weſtfalen und den Rheinlan— den. In England ſcheint er nicht zu brüten, ſondern nur einzeln als verſprengter Gaſt vor— zukommen. Mit Vorliebe kommt er auch in Gebirgen vor, man hat ihn bis zu einer Höhe von 3000 m beobachtet. Im Frühjahre erſcheint er in Kleinaſien und Griechenland in der zweiten Aprilwoche, in Südweſtrußland Mitte April, in Mittel- deutſchland und Holland Ende April und An— fang Mai. Im September ziehen ſie in großen Schwärmen von Europa nach Afrika, in Menge den Vogelfängern zur Beute fallend. D 16˙0 cm gellängne 8˙4 „ Schwanzlänge. . oo 199 F 11 „ (Altes 5 im Frühjahrskleide aus Süd— frankreich. Mus. brunsv.). Der Schnabel iſt ſehr ſchlank, zugeſpitzt, mit ſtark eingezogenen Schneiden, ſchwächer als beim Goldammer. Die Flügel find kurz, abgeſtumpft, die 1., 2. und 3. Schwinge bilden die Flügelſpitze, die 2., 3. und 4. ſind auf der Außenfahne bogig 3 H >M>D. Die Flügel reichen nur bis über das obere Drittel der Schwanzfedern im ruhen— den Zuſtande. Der Schwanz iſt ſeicht ausge— ſchnitten. Die Füße ſind klein und ſchwächlich, die Krallen ſehr dünn und ſpitz. Altes Männchen im Frühjahre. Ober— ſeite: Kopf, Nacken und Hals grau mit deut— lichem, grünlichem Anfluge, Rücken roſtfarbig mit breiten ſchwarzen Schaftflecken, Bürzel gelblichbraun. Schwingen dunkelſchwarzbraun mit ſchmalen gelblichweißen Säumen, nur an den Hinterſchwingen breite, faſt die ganze Außen— fahne einnehmende röthlich-roſtgelbe Kanten. Deckfedern dunkelbraun mit röthlich-roſtgelben Säumen. Schwanzfedern dunkelſchwarzbraun mit hellbräunlichen Säumen, auf den beiden äußeren Schwanzfedern ein großer keilförmiger weißer Fleck auf der Innenfahne am unteren Ende. — Unterſeite: Kehle, Gurgel bis zur Mitte des Kropfes, kleiner Kreis um die Augen, ſchmaler Streifen vom Mundwinkel abwärts trübe ſchwefelgelb. Kopf- und Halsſeiten und Kropf grau mit deutlichem grünlichem Anfluge, übrige Unterſeite bis zu den unteren Schwanzdeckfedern hinab hell roſtbräunlich. Schwingen von unten ſchwarzgrau, nach der Innenfahne zu heller werdend, die unteren Flügeldeckfedern gelblich— weiß, am Buge etwas dunkelgrau gefleckt. (Nach einem Männchen aus Südfrankreich im Frühjahrskleide.) Jüngere Männchen zeichnen ſich durch eine mattere gelbliche Kehle, hellere Roſtfarbe der Unterſeite und ſtärkere ſchwärzliche Schaft— flecken auf dem Oberkopfe aus. Alte Weibchen im Frühjahre ähneln im allgemeinen den jüngeren Männchen, zeichnen ſich aber immer durch die viel mattere matt— ſtrohgelbe Kehle und die blaßbräunliche, faſt ockerfarbene Unterſeite aus, die Oberbruſt zeigt dunkelbraune ſchmale Schaftflecken auf den ein— zelnen Federn, die dem Männchen immer fehlen. Nach der Mauſer im Herbſte im Auguſt und September treten die grünlichen Ränder an den Federn mehr hervor und das Gelb an der Kehle iſt viel leuchtender. Die Jungen vor der erſten Mauſer ähneln den jungen Weibchen, ſind aber noch mehr ge— fleckt, namentlich an den Weichen und zeigen braune Schäfte an den unteren Schwanzdeck— federn, außerdem iſt die Unterſeite bleicher, ſchmutziger gefärbt. Männchen und Weibchen ſind vor der erſten Mauſer kaum nach dem Ge— fieder zu unterſcheiden. (Beſchreibungen genommen nach ſieben Exemplaren aus dem Mus. brunsv. aus Spa— nien, Südfrankreich, Italien, Kleinaſien und zwei Exemplaren aus meiner Sammlung aus Tiflis und Derbent. Sämmtliche Vögel zeigen in Form und Färbung keine localen Unterſchiede.) Der Schnabel iſt fleiſchfarbig, bei den jungen Vögeln an der Spitze und auf dem Oberrücken grau, die Iris iſt hellbraun, das Auge hat einen Durchmeſſer von 4—4½½ mm, die Füße ſind fleiſchfarben, die Spitze der Krallen bräunlichgrau. Der Ortolan brütet in der zweiten Hälfte Mai. Das Neſt ſteht ähnlich wie beim Gold— ammer immer auf dem Boden, meiſtens in einer kleinen Vertiefung, es beſteht aus trockenen Grashalmen, Würzelchen und iſt meiſt mit feinen Härchen ausgelegt. Das Gelege beſteht in der Regel aus 3, ſeltener aus 6 Eiern. Die— ſelben ſind von kurzer ſtumpfovaler Form, Längsdurchmeſſer durchſchnittlich 20˙8 mm, Quer— durchmeſſer 15˙8 mm, Dopphöhe 9˙6 mm, matt- glänzend, von feinem Korn und mit zahlreichen Poren verſehen, meiſtens von hell chocoladen— bräunlichweißer Grundfarbe mit ſehr ſpärlichen, tieferliegenden, mattbraunen verwaſchenen Flecken und namentlich am Doppende dichtſtehenden oberflächlichen dunkelbraunen bis braunſchwärz— lichen dickeren und feineren Punkten und Klexen, und zahlreichen feinen ebenſo gefärbten Schnör— kelchen. Bei manchen Eiern iſt die Grundfarbe lichtfleiſchfarben oder graubläulichweiß, bei dieſen 252 Gartengewehr. — Gartengrasmücke. erſcheinen die oberflächlichen Fleckungen und Strichelungen dann viel dunkler, faſt ſchwärzlich. Der Ortolan iſt ein etwas ungeſchickter, ſchwerfälliger, ſtiller, harmloſer Vogel, der am Boden ſeine Nahrung ſucht, im Gebüſche ſein Plätzchen hat, wo er oft, nicht ſcheu, lange ruhig an ein und demſelben Flecke ſitzt. Im Frühjahre wird er lebhafter, das Männchen läjst dann ſeinen eigenthümlich flötenden, ans genehmen Geſang ertönen, der einen etwas ſchwermüthigen Klang hat: Jif,jif-jif-tjör⸗tjör, aber ſonſt an den Geſang des Goldammers er— innert. Der Lockton klingt wie güh, gye,zoit— pieck-peck, zuweilen, namentlich im Frühjahr tüh⸗tü. An die Gefangenſchaft gewöhnt er ſich ſehr ſchnell, wird ſehr zahm, aber bald ſehr fett und träge, jo daſs er ziemlich langweilig ſein kann. Mit anderen Vögeln verträgt er ſich im Käfig ſehr gut. Er nährt ſich im Sommer meiſtens von Inſecten, ſpäter hauptſächlich von Sämereien, namentlich Gräſern und allerlei Unkraut, aber auch mit Vorliebe von Hafer und Hirſe. Da ſie gar nicht ſcheu ſind, werden ſie leicht geſchoſſen, namentlich aber ſehr viel auf Ortolan— heerden gefangen, früher auch in Deutſchland, jetzt namentlich in Südfrankreich und Italien. Wegen ſeines außerordentlich zarten, wohl— ſchmeckenden Fleiſches gilt er als ein außer— ordentlicher Leckerbiſſen, namentlich wenn er ſehr ſett iſt und noch beſonders vorher gemäſtet wird. Das Mäſten der Ortolanen kannten ſchon die alten Römer. Die Vögel werden in großer Schaar in eine dunkle Kammer geſperrt, und dieſe wird dann Tag und Nacht gleichmäßig mit kärglichem Lichte erleuchtet. Dadurch, daſs die Vögel Tag und Nacht nicht unterſcheiden können, freſſen ſie fortwährend die ihnen bei reichlichem Waſſervorrath vorgeſetzten Körner und werden in unglaublich kurzer Zeit fett, der einzelne Vogel kommt auf das Doppelte ſeines urſprünglichen Gewichtes (3 Loth), während die fetteſte Feldlerche bis 4 Loth nur ſchwer wird. Sie werden dann in zwei Hälften aus einander geſchnitten, mit Peterſilie und geriebenem Weiß— brot beſtreut und langſam am Roſt gebraten. Die in Südeuropa gefangenen werden ge— rupft, in Mehl und Hirſe verpackt und ver— ſchickt, oder, wie Naumann von den griechiſchen Juſeln erzählt, z. B. bei Stoppa auf Cypern, im heißen Waſſer kurze Zeit aufgewallt, dann ohne Kopf und Füße in Eſſig mit Gewürz ge— legt und in kleinen Fäſſern zu 200 —400 Stück verſchickt. Zuweilen ſollen gegen 400 ſolcher Fäſſer jährlich verſandt werden. Von Schaden kann bei dem Ortolan bei der geringen Menge Hafer oder Hirſe, die er im Freien frisst, keine Rede ſein, durch ſeinen Genuis als ſchönſter Leckerbiſſen für die Fein— ſchmecker iſt er aber als ſehr nützlich zu be— trachten und ſollte in der Brutzeit ſehr geſchützt werden. R. Bl. Gartengewehr, ſ. Salon- ꝛc. Gewehre. Th. Gartengrasmücke, Sylvia hortensis, auct. Ficedula curruca minor, Briss. Orn. III., p. 374. (1760): Motacilla salicaria Linn., Syst. Nat. I. p. 330 (1766); Sylvia simplex, Lath. Gen. Syn. Suppl. I., p. 287 (1787); Sylvia hor- tensis (Gmel.), var. 8, Lath. Ind. Orn. II., p. 507 (1790); Motacilla hortensis (Gmel.), Bechſtein, Naturg. Deutſchl. IV., p. 550, pl. XIII (1795); Sylvia hortensis (Gmel.), Bechſtein, Orn. Taſchenb., p. 169 (1802) et auctorum plurimorum: Wolf, Temminck, Naumann, Keyſerling, Blaſius, Nordmann, Gray, Sunde— vall, Lindermayer, Schlegel, Heuglin, Degland, Gerbe, Salvadori ꝛc. Curruca hortensis (Gm.) Koch, Bayer. Zool. I., p. 155 (1816); Epi- lais hortensis (Gmel.) Kaup, Natürl. Syſt., p. 145 (1829); Curruca brachyrrhynchos, Chr. L. Brehm, Vögel Deutſchl., p. 416 (1831); Cur- ruca grisea, idem, ibidem, p. 416 (1831); Adornis hortensis (Gmel.), G. R. Gray, List of gen. of Birds, p. 29 (1841); Sylvia salicaria L., Newton in Farrell, Brit. B. Ed. IV, I., p. 414 (1873); Sylvia salicaria L., Dresser, B. of Europe, II., p. 287 (1876). Abbildungen: 1. Vogel: Naumann, Vögel Deutſchl., T. 78, Fig. 3; Dreſſer, B. of Europe, II., T. 67. — 2. Eier: Bädecker, Die Eier der europäiſchen Vögel, T. 51, Nr. 11; Thienemann, Abbildungeu von Vogeleiern, T. 20, Fig. 2, a bis e; Seebohm, A History of british birds, I., pl. 10. Grasmücke, graue, weiße oder große weiße Grasmücke, italieniſche Grasmücke, große oder grüngraue Weißkehle, grauer Sänger, graue Nachtigall, Baumnachtigall, Dornreich, großer Dornreich, grauer Spottvogel, großer Haagſpatz, Fliegenſchnäpper, großer Fliegen— ſchnäpper, Weißkehle. Böhm.: Pénice slavikovä; dän.: Have- sanger, Havesmutte: engl.: Garden-warbler; finn.: Lehtokerttu; frz.: Fauvette des Jardins; holl.: Tuinfluiter; italien.: Beccafico ordi- nariv, Bigia, Bigione, Canavrola, Canavrota, Pittafigh, Buscarin, Beccafigh, Beccafigh grosso, Sardagna, Sardagnola, Becafik, Beca ficch, Surdön, Urtlan, Bianchett, Becafigo, Papefig, Fabbro. Slissöta, Bouscarla vera, Ciarlettua, Macchetta, Fucetola verace, Face- dua, Verdulina, Verduleddra, Beccaficu, Vran- culiddu, Janculiddu, Bianculiddu, Biccafigu, Beqquafig; froat.: Vrtna grmusa; normweg.: Havesanger; poln.: Pokrywka ogrodowa; ruſſ.: Smorodinka, Slawka sadowaja. Travnik ; ſpan.: Andahuertas, Pinzoleta, Russeta, Piula; ungar.: Kerti Zener. Die Gartengrasmücke kommt in Europa brütend vor nördlich bis zum 70. Grad in Norwegen, bis zum 65. Grad in Finnland und Nordweſtruſsland und bis zum 59. Grad im Ural. Oſtlich vom Ural wurde ſie in der Ge— gend von Omsk gefunden, außerdem im Kau— kaſus, Nordweſtperſien und Paläſtina. In den ſüdlichſten Theilen von Europa, in Italien und Griechenland und in Kleinaſien und Agypten iſt ſie nur Durchzugsvogel, während ihre Win— terquartiere in Weſtafrika, den Oaſen der Wüſte Sahara, dem Damaralande, Transvaal und den öſtlichen Theilen der Capcolonie liegen. In Deutſchland kommt ſie ziemlich allge— mein verbreitet vor, in einigen Gegenden häu— figer, in anderen ſeltener, ſpeciell bei Braun— Ber Gartenlaubvogel. — Gartenrothſchwänzchen. 253 ſchweig iſt ſie in den letzten Jahren ſehr viel ſeltener aufgetreten als früher. Sie iſt für ganz Europa ein Sommerbrut— vogel, der nirgends überwintert; ſie ziehen in der Nacht einzeln oder familienweiſe, treffen ziem⸗ lich ſpät aus dem Süden ein, bei uns in Mittel- deutſchland vom 20. April bis anfangs Mai, in England in der n Woche Mai. Anfangs Sep⸗ tember bis anfangs October ziehen ſie wieder ab. Tyotallänge 13˙9 cm, Fhigellänge 79 „ Schwanzlänge ... 6% „ F 8 % Schnabel 1 (Altes & von Riddaggshauſen. Mus. brunsw.) Der Schnabel iſt kurz und kräftig, an der Wurzel breit wie ein Droſſelſchnabel in ver⸗ kleinertem Maße, auf der Firſte abgerundet, mit der Spitze des Oberkiefers leicht abwärts gekrümmt. Die Flügel find zugeſpitzt abge⸗ rundet, verhältnismäßig lang, in der Ruhe über die Mitte des Schwanzes hinabreichend. Die 1., 2. und 3. Schwinge bilden die Flügelſpitze. 2.3>4>5>. „ Der Schwanz iſt abgerundet, die äußeren Federn am kürzeſten. Die Füße ſind kurz und ſtämmig, die Tar— ſen verhältnismäßig klein, die Krallen mittel— groß und krumm, unten zweiſchneidig. Altes Männchen im Frühjahre: Die ganze Oberſeite von der Stirn bis zu den Schwanzdeckfedern iſt olivenbraungrau, ebenſo die oberen Flügeldecken. Schwingen und Schwanz— federn ſind dunkelbraungrau, mit hellbräunlich— grauem, ſchmalem Saume. Ein lichtgrauer, hel— ler Streifen zieht vom Schnabel über das Auge hin. Die Unterſeite iſt trübgrauweiß, auf dem Kropf und den unteren Schwanzdeckfedern etwas bräunlichgrau angeflogen. Die unteren Flügeldeckfedern hellroſtgelblich. Altes Weibchen gleicht dem Männchen im Gefieder vollſtändig. Die Herbſtkleider nach der Mauſer ſind viel dunkler, oben grünlicher, unten gelblicher gefärbt. Junge Vögel vor der erſten Mauſer ſind noch dunkler, oben grünlicher, unten gelblicher als die Alten, zeigen übrigens denſelben Ge— ſammtcharakter im Kleide, wie die Alten. Der Schnabel iſt hornfarben, auf dem Rücken mattbraunſchwarz. Die Iris iſt dunkel— braun bei den Alten, graubraun bei den Jun— gen; das Auge hat einen Durchmeſſer von 4mm. Die Füße ſind ſchmutzig-bräunlich blei— farbig, die Krallen mit dunkelbraunen Spitzen. Die Gartengrasmücke brütet in der Regel nur einmal, hat Ende Mai volles Gelege, zu— weilen findet man Ende Juli oder anfangs Auguſt noch friſch ausgeflogene Junge, die wohl von ſolchen Paaren ſtammen, die bei der erſten Brut geſtört wurden. Das Neſt ſteht meiſtens in niedri— gem Geſträuch, in der Regel 2—3 Fuß von der Erde entfernt, gewöhnlich ſehr wenig verſteckt, ſo daſs man es ſehr leicht finden kann. Es iſt außerordentlich kunſtlos und, man möchte ſagen, leichtfertig gebaut, ein lockeres Geſpinſt von trockenen Grashalmen und Stengeln, verbunden mit etwas Spinngewebe und Raupengeſpinſt, im Innern mit feinen Hälmchen und ſelten einigen Pferdehaaren ausgelegt. Die Eltern ſind ſehr wankelmüthig in der Anlage ihres Neſtes, ſo daſs man meiſtens mehrere angefangene un— vollendete Neſter in der Nähe findet. Das Ge— lege beſteht in der Regel aus 3, ſelten aus 4, ſehr ſelten aus 6 Eiern. Dieſelben ſind von länglicher, ſeltener ſtumpfovaler Form, ſehr zarter, mehr oder weniger glänzender Schale, zeigen ſehr feines Korn und ſpärliche Poren. Dieſelben haben im Durchſchnitt einen Längs— durchmeſſer von 20 mm, Querdurchmeſſer von 14°6 mm und Dopphöhe von 8's min Auf weiß— lichem oder bräunlichweißem Grunde zeigen ſie tieferliegende ganz breit verwaſchene, aſchgraue und hellbräunliche Flecken, zu denen noch ober— flächlichere braune Pünktchen, Flecke und Stri— chelchen kommen, die bisweilen gleichmäßig über das ganze Ei vertheilt ſind, zuweilen aber am Doppende dichter ſtehen. Im allgemeinen ähneln ſie außerordentlich denen der Mönchsgrasmücke, doch habe ich niemals die bei den Mönchen ſo häufig vorkommende röthliche Grundfärbung bei der Gartengrasmücke gefunden. Ein Gelege habe ich in meiner Sammlung mit einem ganz weißen Ei. Die Weibchen brüten 13—14 Tage und werden unter Mittag von dem Männchen abgelöst, ſonſt von dieſem gefüttert. Die Gartengrasmücke lebt im Walde mit viel Unterholz und dichtem Gebüſch und in den Gärten in der Nähe der Ortſchaften und Städte. Sie lebt einſam und zutraulich zum Menſchen, leicht und gewandt von einem Aſte zum anderen ſchlüpfend, auf der Erde plump und ſchwer— fällig hüpfend. Kürzere Strecken werden jchufs- weiſe gerade überflogen, in andauerndem Wanderfluge wird eine Schlangenlinie be— ſchrieben. Der Geſang iſt ſehr lang und melodien— reich, im allgemeinen dem Mönche und der Sperbergrasmücke gleichend, von dem er ſich nur durch die durchgehends ganz reinen ſchönen Flötentöne unterſcheidet. Die Lockſtimme klingt wie „Täck, täck, täck!“; wenn ſie plötzlich er— ſchrecken, laſſen ſie ein ſchnarrendes „rrahr“ er ſchallen, bei beſonderem Wohlbefinden ein ganz leiſes „Biwäwäwü“. Die ausgeflogenen Jungen die nach den Eltern und Nahrung ſchreien, rufen: „ſchäeb, ſchäwäwäbü!“ An die Gefangenſchaft gewöhnen ſie ſich leicht und ſind fleißige Sänger. Die Nahrung beſteht aus kleinen Raupen, Larven, Käfern, kriechenden und ſitzenden In⸗ ſecten, jpäter lieben fie beſonders die ſüßen Kirſchen, Johannisbeeren in den Gärten und allerlei andere Beeren im Walde. Häufig haben ſie in ihrem Neſte einen jun— gen Kuckuck groß zu ziehen. Durch die Vertilgung ſchädlicher Blüten— raupen u. ſ. w. find fie außerordentlich nützlich, wenngleich nicht zu leugnen iſt, daſs ſie den Kirſchernten Schaden thun können. R. Bl. Gartenlaubvogel, ſ. Laubvögel. E. v. D. Gartenrothſchwänzchen, Ruticilla phoe- nicura. Linné. Ficedula ruticilla, Briss., Orn. III., p. 403 (1766); Motacilla phoeni- curus, Linn, Syst. Nat. I., p. 335 (1766); 254 Gartenrothſchwänzchen. Sylvia phoenicurus (L.). Latham, Ind. Orn. II. 511 (1790): Saxicola phoenicurus (L.), Koch, Baier. Zool. p. 188 (1816): Ficedula phoeni- curus (L.). Boie. Isis, 1822, p. 553: Ruticilla sylvestris, Chr. L. Brehm, Vögel Deutſchl., p. 363 (1831): Rutieilla arborea, idem, ibidem; Ruticilla hortensis, idem, ibidem, p. 364: Phoenicura muraria, Swains. Faun. bor. am. II., p. 240 (1836); Ficedula rutieilla, Eyton, Cat. Brit. B., p. 10 (1836); Ruticilla phoeni— cura (L.), Bonap. Comp. List, p. 15 (1838): Luseiola (Ruticilla) phoenicurus (L.), Keys. et Blas., Wirbelth. Europ., p. 58 (1840): Ru- ticilla pectoralis. Th. v. Heuglin, Journ. f. Orn. 1863, p. 165. Abbildungen: 1. Vogel. Naumann, Vögel Deutſchl., T. 79, Fig. 1 und 2; Dreſſer, B. of Europe, II, pl. 41. — 2. Eier. Bädecker, die Eier der europäiſchen Vögel, T. 27. Nr. 8; Thienemann, Abbildungen von Vageleiern, T. 22, Fig. 9, a—b; Seebohm, A History of brit. birds, I, pl. 9. Hausröthling, Hausröthlein, Baumröth— lein, Rothſchwanz, Rothſchwänzchen, gemeines Rothſchwänzchen, Garten-, Wald- und Haus— rothſchwänzchen, Haus-, Waldrothſchweifel, Rothſtärt, Rothſterz, Rothſterzchen, Rothzahl, Rothzagel, Rothzägel, Rothkehlchen mit ſchwar— zem Kinn, Rothbrüſtlein, Rothbäuchlein, Som— merröteln, Schwarzkehlchen, ſchwarzkehliger Sänger, ſchwarzkehliger Steinſchwätzer, Bienen— ſchnappe, Wuſtling, Wüſtling, Huting, Sau— locker, Fritzchen, grauer Rothſchwanz. Böhm.: Rehek zahradni; dän.: Blodfugl, Rödstjert, Blodstjert: engl.: Redstart, Red- tail, Firetail; finn: Leppälintu, Loukkisata- kielinen; franz.: Rouge-queue, Bec-fin des murailles; gäliſch: Ceanu dearg; holl.: Rood- startje; ital.: Codirosso ordinario, Bouciard, Uuarossa, Coarossa, Coua-roussa, Cova roussa, Codirouss, Morett, Moraet, Mornireu, Coros- sola, Corossoletta, Cüross, Carossi, Cua rossa, Cua roussa, Couva roussa, Carussla, Covröss, Cov-ross, Coross, Culrous, Corös, Squerossolo, Coarossol, Squarusola, Coda- rossol, Codaross, Scodaross, Colossora, Qua- rössol, Sconsolät, Corossolo, Codorosso, Coa— rossa picciola, Quaross, Queu rous verou, Cua russa montaguinha, Culrosso. Rossi— enolo di muraglia, Codirancio, Coderusso, Codirusso prevatariello, Caponera, Coda-ross, Cudirussa, Cuda-russa, Cacamarrugiu, Cuda- russa facci bianchi, Cuda di focu, Coarubia, Coa de ferru, Coa de fogu, Qudiross, Beg— quafig ta dembu; froat.: Sumska ervenrepka; norweg.: Rödstjert; poln.: Stowik pleszka; portug.: Rabeta, Rabiruiva; ſpan.: Culirrojo. Curbonero, Colirrojo, Culo rubio. Chivio, Jtuisenor de paredes, Cagarrope. Tintorero, Cua roig, Rossinyo)l de muralla; ſchwed.: ttödstjert; ruſſ.: Solowej gorechwostka, Gori- stowka, Lysuschwa, Sarnitchka, Gorichwostka; ungar.: füstfarkü Zener. Das Gartenrothſchwänzchen kommt in der paläarctiſchen Region durch Europa und in Aſien öſtlich bis zum Jeniſſeifluſſe vor, es brütet in Centraleuropa bis zum Polarkreiſe nördlich, während es in Südeuropa haupt— ren 1 * ſächlich nur auf dem Durchzuge vorkommt, für Europa liegen ſeine Winterquartiere in Nord— afrika, für Aſien in Perſien. In Deutſchland kommt das Gartenrothſchwänzchen überall ziem— lich häufig vor, nur als Sommerbrutvogel. Es zieht in der Nacht in kleinen Geſellſchaften von 1—6 Stück, kommt bei uns in Mitteldeutſch— land Ende März bis zweite Woche April an, in England meiſtens in der erſten Aprilwoche. die Männchen einige Tage vor dem Weibchen. Ende Auguſt bis Ende September zieht es nach dem Süden ab. Totallan ge 16˙0 cm Flügellängne san Schwanzlänge 6 Truss ER 216 „ Schnabel! 11 " (Altes & aus Goslar im Mus. brunsy.) Der mittelgroße Schnabel verſchmälert ſich gleichmäßig von der breiten Baſis ab bis zur ſtark abwärts gekrümmten Oberſchnabelſpitze, Firſte von der Naſenvertiefung an gleichmäßig abwärts gebogen. Ober- und Unterſchnabel an den Seiten abgerundet, von pfriemenförmiger Geſtalt in der vorderen Hälfte. Füße ſchlank, ziemlich groß, Krallen ſehr zart, ſtark ſeitlich comprimiert, ſchwach gebogen, ſehr ſpitzig. Der Flügel ſpitz zugerundet, ziemlich lang, ragt über die Mitte des Schwanzes hinab. Die 3., 4. und 5. Schwinge bilden die Flügel⸗ ſpitze und ſind auf der Außenfahne bogig einge— ſchnürt. 3.4 23 2 22 6 ae >H>1>D. Der Schwanz iſt in der Mitte ſeicht ausgeſchnitten, an den Seiten etwas ab— gerundet. Altes Männchen im Frühjahre. Vor⸗ derſtirn, Zügel, Augen, Wangen, Kehle, Vor— derhals bis zum Kropfe hinab tief ſchwarz, Stirn bis zur Mitte des Scheitels rein weiß, über den Augen hin ſich in einem weißen Streifen bis über das Ohr ziehend. Hinter- ſcheitel und-Kopf, Nacken, Rücken, Schulter⸗ und kleine obere Flügeldeckfedern bläulich-aſch⸗ grau. Bürzel- und obere Schwanzdeckfedern hochroſtroth. Bruſt roſtroth, nach den Weichen und unteren Flügeldeckfedern etwas blaſſer werdend. Bauch weiß mit roſtfarbigem Anfluge, untere Schwanzdeckfedern gelblichweiß, Schen⸗ kelfedern ſchmutzig hellroſtfarbig mit grauen Flecken. Schwungfedern und obere große Flü— geldeckfedern dunkelbraun mit helleren bräunlich grauen Säumen. Schwanzfedern roſtroth bis auf die beiden mittleren dunkelbraunen roſt⸗ farbig geſäumten. Altes Männchen im Herbſte unter⸗ ſcheidet ſich friſch nach der Mauſer durch die noch erhaltenen anders gefärbten Federſäume. An weißer Stirn und Augenſtreifen bräunlich⸗ aſchfarbige, an den ſchwarzen Ohrfedern bräun- liche, auf dem bläulich-aſchgrauen Rücken ſchmutzig braungraue, auf ſchwarzem Vorder⸗ hals und Kropf weiße, auf der roſtrothen Bruſt weißliche, an den dunkelbraunen Schwingen breite hellgelblich-braune Säume. Jüngere Männchen tragen noch im Frühjahre Überreſte dieſes Kleides bei ihrer Ankunft aus dem Süden. Gartenſchläfer. — Gartenſpötter. 255 Altes Weibchen im Frühlinge. Vor- derſter Stirnrand, Zügel und oberer Augen— rand grauroſtgelblich, Oberſeite bis zum Bürzel hinab graubraun mit etwas bläulichgrauem Schein im Nacken. Bürzel- und obere Schwanz— deckfedern roſtroth. Kehle und Gurgel ſchmutzig gelblich weiß an den Seiten mit bläulich— grauem Scheine. Kropf und Seiten der Ober— bruſt roſtbräunlich weißgewölkt, Mitte der Bruſt weißlich, roſtgelb gemiſcht, nach den Weichen zu ſtärker roſtgelb werdend. Schwingen mattdunkelbraun mit ſchmutzig roſtgelben Kan— ten, die großen Deckfedern mit roſtröthlichen Spitzen. Untere Flügeldeckfedern ſchmutzig roſt— gelb. Das Herbſtkleid der alten Weibchen gleicht dem Frühjahrskleide, iſt nur friſcher und lebhafter in den Farben. Nur alte Weibchen erhalten eine ſchwarz— graugewölkte Kehle und etwas roſtfarbige Bruſt und ſehen dann dem jungen Männchen ähnlich. Ein ſehr altes Weibchen aus Helgoland iſt mir vorgekommen, das einfarbige tiefſchwarze Kehle. hatte. Junge im Neſtkleide. Oberſeite braun⸗ grau mit olivenfarbigem Anſtriche, jede Feder mit ſchwarzem Endſaume und hellem ſchmutzig roſtgelbem Schaftflecke. Obere Schwanzdeck— und Bürzelfedern roſtroth, letztere mit ſchwar— zem Endſaume. Schwanzfedern etwas matter gefärbt als bei den Alten. Kehle und Gurgel graugelblichweiß mit ſchwärzlichgrauen Pünkt⸗ chen beſprengt, Bruſt roſtgelblich mit ſchwärz— lichen Säumen, Bauch gelblichweiß mit undeut— lichen bräunlichen Säumen. Untere Flügel— decken roſtgelblich, ebenſo wie die unteren Schwanzdecken. Schwingen und obere Flügel— deckfedern dunkelbraun mit breiten hellroſt— braunen Säumen. & und 2 im Neſtkleide ſind nicht zu unterſcheiden. Der Schnabel iſt bei den alten 6 ſchwarz, bei den p ebenſo, nur an der Wurzel und an den Schneiden bräunlich, bei den Jungen bräunlich, die Iris iſt ſchwarzbraun, das Auge hat einen Durchmeſſer von 4½ mm, die Füße und Krallen bei den Alten ſchwarz, bei den Jungen braun. Das Gartenrothſchwänzchen brütet zwei— mal, in natürlichen Höhlungen in Bäumen oder Mauerwerk, oder auch in künſtlichen Brut— käſten, das erſte Gelege (6, 7 Eier) findet man anfangs Mai. Das Neſt iſt je nach der Größe der Höhlung, die es auszufüllen hat, groß oder klein, außen zuſammengeſetzt aus Gras— halmen, Wurzeln, Blättern mit Federn und Haaren untermiſcht, innen ausgelegt mit feinen Haaren und Federchen. Die Eier ſind ſchlank eiförmig, ziemlich zugeſpitzt, mattglänzend, von ſehr feinem Korn und mit zahlreichen Poren verſehen, von ſchöner blaugrüner 5 Die⸗ ſelben haben im —̃ einen Längs— durchmeſſer von 19°6 mm, Querdurchmeſſer von 137 mm, Dopphöhe von 88 mm. Die Zeit der Bebrütung dauert 14 Tage. Das Garkemothſchrsöngchen lebt im Walde, aber auch mit beſonderer Vorliebe in den Gärten von Dörfern und Städten. In den Gebirgen geht es hoch hinauf und findet ſich häufig in Felspartien über der Waldregion. Überall fällt es uns ſofort auf durch ſeine ungemeine Lebhaftigkeit und Unruhe. Dabei iſt der Schwanz, der auf und ab gewippt wird, in ſteter Bewegung, was ihm ein ganz eigen— thümliches, höchſt charakteriſtiſches Ausſehen gibt. Der Flug iſt ſchnell und leicht in kurzen . Der Geſang beſteht aus drei Strophen, die in kurzen Zwiſchenräumen ſich folgen, die Töne ſind in zwei Strophen flötenartig, gleichen aber in der dritten Strophe dem Wiehern. Im Frühlinge freut man ſich außerordentlich über das ſchöne Gezwitſcher des Gartenrothſchwanzes, ſpäter treten beſſere Sänger mehr in den Vor— dergrund. — Die Lockſtimme klingt: „fuid, huid“ mit angehängtem ſchmatzendem „tick, tick“. In der Ruhe läſst der Vogel nur das „huid“ ertönen; wird er unruhig, ſo läſst er mehr den Ruf „tick, tick“ ertönen; fürchtet er ſich vor einem ſich nähernden Feinde, z. B. einer Katze, ſo wird das ſchnalzende „tick tick“ immer raſcher und raſcher wiederholt. Ihre Nahrung beſteht in allerlei kleinen zwei- und vierflügligen Inſecten, die ſie theils im Fluge, theils im Sitzen fangen, ebenſo nähren ſie ſich aber auch von Larven und Raupen. Im Herbſte freſſen ſie vielfach auch Beeren, namentlich Johannis-, Hollunder- und Faulbaumbeeren. Selten legt der Kuckuck ſein Ei in das Rothſchwänzchenneſt. Von Schaden kann bei unſeren niedlichen Vögelchen kaum die Rede ſein, in einzelnen Fällen ſcheinen ſie allerdings an den Bienen— ſtöcken das Bienenfangen zu betreiben, durch Wegfangen vieler Inſecten ſind ſie entſchieden nützlich. Häufig werden ſie in der a ER gehalten, namentlich auf dem Lande frei in der Stube und machen ſich hier durch Weg— fangen der Fliegen ſehr nützlich. Durch ihre größere Gewandtheit ſind ſie hierin dem Roth— kehlchen entſchieden überlegen. R. Bl. Gartenſchläfer, Myoxus quereinus L. (M. nitela Schreb.), ſ. Schlafmäuſe. Hſchl. Gartenſpötter, Hypolais salicaria, Bp. Motacilla hypolais, Linn., Syst. Nat. I. p. 330 (1766): Motacilla hippolais (L.), Bechst., Naturgeſch. Deutſchl. IV., p. 660 (1795): Syl- via hippolais (L.), idem, Orn. Taſchenb., p. 173 (1802); Muscipeta hippolais (L.), Koch, Bayr. Zool. I., p. 170 (1816); Sylvia ieterina, Vieill., Nouv. Dict. XI., p. 194 (1817): Hippolais al- ticeps, Chr. L. Brehm, Isis. 1828. p. 1283; Hippolais media, idem, ibidem: Hippolais planiceps, idem, ibidem; Hypolais (Motacilla hypolais, L.), Kaup, Entw.-Geſch., p. 96 (1829): Phyllopneuste icterina (Vieill.). Bp., Comp List, p. 13 (1838): Hippolais salicaria, Bp.. ibidem (1838, partim); Ficedula hypolais (L.). Keys. et Blas., Wirbelth. Europas, p. 36 (1840): Hypolais polyglotta, De Selys, Faune Belge. p. 99 (1842); Ficedula hypolais, Schle- gel, Rev. Crit., p. 26 (1844, partim); Hypolais icterina (Vieill.), Gerbe, Rev. Zool., 1844. p. 440: Ficedula ambigua (Schl.). Durazzo, Deser. di Genova I., pt. 2, p. 170, 177 (1846): 256 Gartenſpötter. Sylvia obscura, Smith, Zool. S. Afr., pl. 112, Fig. 1 (1849); Phyllopneuste hypolais (L.), Gurney, B. of Damaraland, p. 100 (1872); Salicaria italica, Salvadori, Atti R. Ac. Sc. Tor. III., p. 268 (1868); Hypolais jcterina, Dresser, B. of Eur. II., p. 348 (1874). Abbildungen: 1. Vogel. Naumann, Vögel Deutſchl., T. 80, Fig. 1; Dreſſer, Birds of Europe II., pl. 81. — 2. Eier. Bädecker, Die Eier der europäiſchen Vögel, T. 19, Nr. 1; Thienemann, Abbildungen von Vogeleiern, T. 19, Nr. 13 a— d; Seebohm, A History of brit. birds I., pl. 10. Großer Laubvogel, gelbbäuchiger Laub— vogel, gelbbäuchiger Sänger, gelbbäuchiger Rohrſänger, Gelbbruſt, gelbe oder grüngelbe Grasmücke, Baſtardnachtigall, Sänger, großer Geſangzeiſig, Spötterling, großer Spötterling, Spottvogel, gelber Spottvogel, Haagſpatz, Ti— deritchen, Schackrutchen. Böhm.: Sedmihläsek; dän.: Guulbuget Sanger, Bastard-Nattergal; engl.: LIeterine Warbler, Melodious Willow-Warbler; frz.: Bec-fin à poitrine jaune; holl.: Spotvogel, Geelborstje; ital.: Cannevarola, Becca-fico canapino, Canaparola, Massalau, Ciaucin, Ciauein d'la gola bianca, Canavrota dla canna, Buscarin verd, Tuinott, Ortolanin, Gozitina zalda, Ourtlanen, Canvaroeul, Can— varol, Zalèto, Boscara, Ciaccoleta, Uitt, Zalet, Baiarella zalda, Foim gross, Bouscarletta, Pe- touin, Ciarlettua nostra, Canapino maggiore, Giallino, Gialletto, Cacaciarri, Volanara, Fa- cedua gialletta, Virriduni, Virdidduni, Chic- chitedda, Beccafieu d’erva, Riidduni. Riiddu duppiu, Bufula; kroat.: Zelena vrtljarka; nor- weg.: Bastard-Nattergal; poln.: Gajöwka szeze- biotliwa; ruſſ.: Smorodinka, Slawka sadowaja, Penochka-sadowaja; ſchwed.: Gulbröstad San- gare, Bastard-Näktergal; ungar.: utänzo Lombzener. Die Baſtardnachtigall bewohnt als Som— merbrutvogel hauptſächlich Centraleuropa, ſie brütet in Frankreich, Belgien, Holland, Deutſch— land, Schweiz, Italien, Sicilien, Dänemark, ruſſiſchen Oſtſeeprovinzen, Südſkandinavien (in Norwegen bis zum 67. Grad, in Schweden bis zum 65. Grad n. Br.), in Ruſsland bis zum 65. Grad, im Ural bis zum 37. Grad. In Südfrankreich und Südruſsland iſt fie ſehr ſelten, fehlt in Spanien und dem Kaukaſus gänzlich und iſt nur ganz ſporadiſch (bis jetzt zweimal) in England vorgekommen. Sie über— wintert in Südafrika und wurde in Griechen— land, Kleinaſien und Nordafrika nur auf dem Durchzuge beobachtet; Winterexemplare ſind bekannt geworden aus den Ovampo-, Damara— und Betchuanaländern. Für uns iſt ſie einer der ſpäteſten Sommergäſte, Ende der erſten Maiwoche treffen ſie hier ein (in Braunſchweig meiſtens 3. Mai). Sie ziehen in der Nacht, einzeln und zu mehreren Individuen. Totallängge . 14˙5 cm Flügellänge. . .. 76 Schwanzlänge .. 58 „ Tarſus 3 DNA Schnabel 1:06 „ (Altes t aus Münſter i. W., Mus. brunsv.) Der Schnabel iſt groß und lang, von oben nach unten an der Baſis zuſammengedrückt, der Oberkiefer an der vorderen Hälfte abwärts gekrümmt, mit der Spitze den Unterkiefer über— ragend, vor der Spitze leicht ausgeſchnitten, der Unterkiefer gerade, ganz flach abgerundet. Die Flügel ſind lang und zugeſpitzt abge— rundet, in der Ruhe reichen ſie bis faſt zwei Drittel des Schwanzes hinab. Die 2., 3. und 4. Schwinge bilden die Flügelſpitze. Die 3. und 4. ſind auf der Außenfahne leicht ausgebuchtet, die 2. und 3. auf der Innenfahne leicht bogig eingeſchnürt. 23. aeter ne %>M>DESE Der Schwanz iſt lang und ziemlich gerade abgeſtutzt, in der Mitte ganz leicht ausge— ſchnitten. N Die Füße ſind ziemlich kräftig, die Krallen mäßig gekrümmt, ſehr ſtark zuſammengedrückt, unten zweiſchneidig, ſehr ſpitz. Altes Männchen im Frühjahr. Die ganze Oberſeite vom Scheitel bis zu den Schwanzdecken iſt bräunlich-olivengrün mit etwas durchſchimmerndem Grau, die Schwin— gen, großen und mittleren oberen Flügeldeck— federn ſind ſchwarzbraun mit hellern graugrün⸗ lichen Säumen, die Schwanzfedern etwas we— niger dunkelbraun, die äußerſte am hellſten mit ſchmalem grauweißlichem Außenſäumchen. Vom Naſenloch zieht ein hellſchwefelgelber Streifen über das Auge hin, Zügel und Ohrengegend grau, die ganze Unterſeite blaſsſchwefelgelb, an Kehle und unteren Schwanzdecken am hell- ſten. Schwingen und Schwanzfedern von unten licht grau mit weißlichen Säumen, untere Flü— geldeckfedern blaſsſchwefelgelb, am Buge mit feinen braungrauen Fleckchen geſprenkelt. Altes Weibchen im Frühjahre gleicht dem Männchen faſt vollſtändig, nur hat die Oberſeite einen etwas mehr grauen Färbungs⸗ ton und die Unterſeite iſt etwas weniger hell— gelb, der helle Augenſtreifen nicht ſo deutlich ſichtbar. Gegen den Herbſt hin werden die Kleider etwas verblichen und abgetragen. Die Jungen vor der erſten Mauſer (im Geſchlecht nicht in den Federn zu unterſcheiden) ſehen etwas ſchmutziger im Gefieder aus, oben etwas dunkler, unten etwas weniger gelb. Der Schnabel iſt graubraun, auf dem Rücken und an der Spitze etwas dunkler, an den Schneiden und der Wurzelhälfte des Unter— kiefers röthlichgelb. Die Iris iſt dunkelbraun, das Auge hat eine Größe von 4 mm. Die Füße ſind lichtbleifarben, die Nägel an den Spitzen dunkelbraun. (Nach 4 Exemplaren im Museum brunsv., aus der Gegend von Münſter i. W. und dem Gotthard in der Schweiz.) Der Gartenſpötter brütet einmal, Ende Mai volles Gelege von 5 Eiern. Das Neſt iſt außerordentlich kunſtvoll gebaut, in einer Aſt⸗ gabel frei im Gebüſch ſtehend, in Manns höhe oder etwas darüber hinausgehend, mehr als halbkugelig mit tiefem Napfe, beſteht es außen aus trockenen Halmen und Blätterriſpen, ber- filzt mit Spinngewebe, faſt immer mit etwas weißem Birkenbaſte verziert, innen ausgekleidet 2 Gartner'ſche Gänge. — Gasdrud. mit feinen Halmen, Härchen und zuweilen einigen Federn. Die Eier ſind von ſchlankeiförmi— ger, von ziemlich zugeſpitzter Form oder auch etwas kürzer und ſtumpfoval, ſie zeigen matten Glanz, ſehr feines Korn und zahlreiche Poren. Sie haben im Durchſchnitt einen Längsdurch— meſſer von 18˙2 mm, Querdurchmeſſer von 134mm, Dopphöhe von 8 mm. Auf mattroſen— rother, etwas grau angeflogener Grundfarbe ſieht man mit der Lupe in allen Porenver— tiefungen röthliche punktförmige Fleckchen, außer— dem ſind, mit bloßem Auge ſichtbar, am ſtärk— ſten und häufigſten am ſtumpfen Ende dunkel— rothbraune und rothſchwarze Punkte und ver— einzelte Strichelchen vorhanden. Die Zeit der Bebrütung dauert 13 Tage, das Männchen löst das Weibchen ab. Die Baſtardnachtigall gehört zu unſeren lebhafteſten, gewandteſten und ſchlaueſten Sing— vögeln. Schräg an den Zweigen ſitzend, trägt ſie die Bruſt hoch und ſträubt gerne die Federn auf dem Scheitel, namentlich wenn ein Neben— buhler in ihrem Revier ſich zeigt. Geht es zum Streit, ſo wird erſt tüchtig mit den Schnäbeln geklappert, dann packen ſich die beiden Kämpfer und fallen wie die verbiſſenen Sperlinge an die Erde. Ihr Lieblingsaufenthalt ſind Wälder mit hohen Bäumen und dichtem Unterholze in der Ebene und an dem Fuße der Gebirge und die Parkanlagen und Gärten der Ortſchaften. Immer hält ſie ſich im Gebüſch, ſelten an der Erde. Ihr Geſang iſt einer der abwechslungs— reichſten, den ich kenne. Die melodienreichſten Strophen werden durch unſchöne fremde Töne verbunden raſch ohne Pauſe hinter einander her geſungen, den Schwalben, Staaren, Rohr- ſängern und anderen Sängern nachahmend. Sie iſt ein jo eifriger Sänger, dajs fie, wenn man nach ihr mit Steinen wirft oder ſchießt und — fehlt, um ſo lauter und eifriger weiter ſingt, als ob ſie den ungeſchickten Schützen ver— ſpotten wollte. Dabei ſitzt ſie ſtets aufrecht, bläst die Kehle auf und hebt die Kopffedern zu einem hohen Helm in die Höhe. Der Lock— ton iſt ſchnalzend, doch etwas ſanfter als bei den Grasmücken. Er klingt „däck, däck, däck derühd⸗däckerühd⸗däckderuid“. Beißen ſie ſich, ſo erklingt ein heftiges „Hedededet“, ſind ſie in Angſt, ſo quäken ſie jämmerlich; ähnlich rufen die eben ausgeflogenen Jungen „häd-hädädät“. Ihre Nahrung beſteht in fliegenden In— ſecten, aber auch in kleinen Larven und Raupen. Später im Sommer lieben ſie beſonders Kir— ſchen, Johannis- und Hollunderbeeren. Diurch das Verzehren der Kirſchen können ſie dem Obſtliebhaber unbequem werden, nützen aber durch das Wegfangen der Inſecten ganz außerordentlich. In jeder Beziehung ſollte man unſeren unermüdlichen Sänger ſchützen, um ſich recht häufig bis ſpät in den Juni hinein des melodienreihen, abwechslungsvollen Geſanges zu erfreuen. R. Bl. Gartner'ſche Gänge oder Scheidencanäle, als Überbleibſel der Wolff'ſchen Gänge zu deutende enge Canäle, die in das hintere Scheidenende der Harnröhre oder ſeitlich von derſelben einmünden. Kur. Dombrowski Encyklopädie d. Forſt⸗ u. Jagdwiſſenſch. IV. Bd. 257 Gas. Über Entwicklung, Zuſammenſetzung und Eigenschaften der bei der Zerſetzung der Treib— mittel entſtehenden Gaſe, ſ. Verbrennung. Th. Gasdicht (engl.: gas-tight), nennt man Patronenhülſen (oder auch Verſchlüſſe), welche kein Gas durchlaſſen; gute, gasdichte Patronen— hülſen müſſen mehrmals gebraucht werden kön— nen, ohne dass Gaſe durchſchlagen. Th. Gasdruck (auch Gasſpannung, Expan— ſions-, Spann- oder Triebkraft genannt), iſt der durch die Pulvergaſe während der Explo— ſion der Ladung — bezüglich während das Ge— ſchoſs den Lauf durcheilt — auf die Seelen— wände ausgeübte Druck; ſeine Stärke wird meiſt in Atmoſphären (10333 kg per Duadrat- centimeter) oder auch wohl, beſonders in eng— liſchen und amerikaniſchen Tabellen ꝛc., in Pfunden per Quadratzoll angegeben: 1000 Pfund engl. per Quadratzoll engl. = 68 Atmoſphären. Das Beſtreben der Gaſe, ihr Volumen möglichſt zu vergrößern, übt auf eine etwa vorhandene Einſchließung, u. zw. auf jeden Theil derſelben, einen der Flächengröße dieſes Theiles entfprechenden Druck aus, welcher in ſeiner Geſammtheit um ſo größer iſt, je mehr Gaſe vorhanden ſind, je kleiner der Raum iſt, in welchen ſie gefajst find, und je höher ihre Temperatur iſt. Die Größe des Druckes wächſt im allgemeinen in einfachem Verhältnis mit der Maſſe der Gaſe und nimmt mit der Größe des Raumes in gleichem Verhältnis ab (ſog. Mariotte'ſches Geſetz); mit wachſender Tem— peratur ſteigt der Druck (unter ſonſt gleichen Verhältniſſen) im allgemeinen bei jedem Grad 1 des hunderttheiligen Thermometers um 273 des urſprünglich bei 0“ ſtattgefunden, erreicht alſo beifpielsweije bei 273° das Doppelte. Wenn auch dieſe Beziehung bisher nur für verhältniß— mäßig geringe Erwärmung ermittelt worden iſt, ſo wird ſie dennoch für größere Hitzegrade wenigſtens annähernd giltig ſein, und es mujs daher bei der hohen Verbrennungstemperatur des Pulvers (ca. 2200 C.) der Druck der ent— wickelten Gaſe als ein ganz außerordentlich hoher (ca. der achtfache des Druckes bei 0°) ange— nommen werden. In einem mit loſem Kornpulver vollkom- men angefüllten Raum, deſſen Wandungen ſo ſtark ſind, daſs ſie dem Druck nicht nachgeben, erreicht letzterer bei der Exploſion die Höhe von 5000 Atmoſphären; preſst man ſo viel Pulver hinein, daſs letzteres per Gramm nur ems einnimmt — im allgemeinen bedarf 1g loſen Kornpulvers etwa 1˙09 ems — ſo ſteigt der Druck ſogar bis über 6000 Atmoſphären; war der Raum nur zur Hälfte mit loſem Kornpulver gefüllt, jo beträgt der Druck etwa 1400 Atmo- ſphären; bei / Füllung etwa 550 Atmoſphären, bei Yo Füllung etwa 200 Atmoſphären. Die dem Mariotte'ſchen Geſetz nicht entſprechende Abnahme des Druckes bei der Verminderung der Ladung in unſeren Feuerwaffen iſt wahr- ſcheinlich auf die verhältnismäßig größere Ab- gabe von Wärme an die umſchließenden Wände zurückzuführen; die Anwendbarkeit des Ver— gleichs der Vorgänge in einem unveränderlich 17 258 geſchloſſenen Raum mit den Verhältniſſen in | unſeren Feuerwaffen iſt indeß überhaupt eine nur beſchränkte. Da in dem Rohr einer Feuerwaffe der Raum, welcher den Gaſen zur Verfügung ſteht, durch das Fortſchreiten des Geſchoſſes ſich ſtetig ändert und ebenſo die in der gleichen Zeit ent— wickelten Gasmengen — je nach dem zur Ver— fügung ſtehenden Pulverquantum und je nach der Verbrennungsgeſchwindigkeit der verwendeten Sorte — verſchieden ſind, ſo iſt hier der Gas— druck einer ſtetigen Anderung unterworfen, ſteigt im Anfang ſehr raſch bis zu bedeutender Höhe au und ſinkt dann allmählich bei wei— terem Fortſchreiten des Geſchoſſes wieder herab. Im weſentlichen richtet ſich ſowohl die abſolute Höhe des Maximalgasdruckes, als auch die Art und Weiſe ſeines Anwachſens und ſeiner Ab— nahme, die ſog. Spannungsreihe, ſowie der Ort desſelben im Lauf (ob weiter nach vorn, oder weiter rückwärts) einerſeits nach dem Ladungsverhältnis und der Verbrennungsge— ſchwindigkeit des Pulvers, andererſeits nach der Schnelligkeit, mit welcher das Geſchoß ſich vor— bewegt und dadurch den hinter ihm befindlichen Verbrennungsraum vergrößert; auf letzteres iſt außer der Pulverladung nicht nur die Schwere des Geſchoſſes an ſich, ſondern mehr noch ſeine Querſchnittsbelaſtung und die ſeiner Fortbewe— gung entgegenſtehenden Hinderniſſe (j. Balliſtik, p. 407) von Einfluss. Bei abſolut gleich großer Pulverladung und gleicher Querſchnittsbelaſtung des Geſchoſſes ſpannen ſich die Gaſe im größeren Kaliber leichter ab als im kleineren, weil — ein anfänglich gleich großes lineares Fortſchreiten des Geſchoſſes vorausgeſetzt — der Raum hinter dem Geſchoſs ſich im quadratiſchen Verhältnis zum Caliber vergrößern, alſo z. B. bei dem dop— pelt jo großen Caliber ſich vervierfachen müſste. Für Jagdwaffen ſind Gasdruckmeſſungen durch das ganze Rohr bisher nicht unter— nommen; einige Angaben für ein modernes In— 1: fanteriegewehr (Ladung =- 57 g von 1l mm 20 Caliber mögen daher ein Bild des Verlaufes des Gasdruckes in ſolchen und ähnlichen Waffen Büchſen) mit gleichen Verhältniſſen geben. Wenn das Geſchoſs eben feine Bewegung angefangen und ſich etwa 7—8 mm vorbewegt hat, iſt der Druck von 0 beginnend bereits auf 2400— 2300 Atmoſphären geſtiegen, er ſinkt dann ſehr raſch, ſo daſs etwa folgende Beziehungen ſtattfinden: Nach dem Beginn der Geſchoſsbewe— In dem hinter Li es 7 · Lineares Fort dem Geſchoſs frei ſchreiten des Ge— gung verfloſſene ſchoſſes (Boden! area (Ber: Beit vom Verſchluſs an 9 1 UROEN; 5 in Millionſtel Se⸗ gerechnet EB 1 51 45 cunden mm } er Druc in Atmoſphären 130 7—8 2400-2800 500 100 1200 800 200 700 1070 300 500 1330 400 380 1575 500 280 1810 600 200 2025 700 150 2270 800 100 ” Br Gaskalk. — Gaftraeaden. Da ein nicht unerheblicher Theil des Gas— druckes nicht zur directen Fortbegung des Ge— ſchoſſes, ſondern zu anderer Arbeit — mole— kulare Erſchütterung der Laufwandung (Wärme- erzeugung), Überwindung der Reibungswider— ſtände, Geſchoſsſtauchung ꝛe. — verwandt wird und ein Theil der bei der Verbrennung ent— wickelten Wärme an die Umgebung (Rohrwan— dung) abgegeben wird, dieſe Verhältniſſe aber in ihrer Größe und ihrem Einfluſs ſchwer be— ſtimmbar ſind, ſo hat man die Spannungsreihen in Feuerwaffen bisher noch nicht in genügende Übereinſtimmung mit den in feſten Räumen beobachteten Drucken zu bringen verſtanden; obige Angaben ſind daher nur als annähernd zutreffend und als ein Bild der Verhältniſſe anzuſehen. i Bei Schrotſchüſſen iſt, dem ſchwächeren La— dungsverhältnis, und ganz beſonders der leichter beweglichen Vorlage (Schrotladung) und den geringeren Widerſtänden im glatten Lauf ent— ſprechend, der Gasdruck bedeutend geringer und überſteigt ſelbſt im hinteren Rohrtheil, wenn die Schrotladung kaum angefangen hat, ſich vorzubewegen, unter gewöhnlichen Umſtänden nicht 400 Atmoſphären; meiſt werden ſogar nur 280—300 Atmoſphären als Maximaldruck ermittelt. Ahnlich genaue durch die ganze Lauf— länge ſich erſtreckende Meſſungen, wie für In— fanteriegewehre, liegen bei Schrotgewehren bis— her nicht vor; die angegebenen Druckunterſchiede (300—400 gegen 2400 — 2800 Atmoſphären) genügen indes zur Erkenntniß des Einfluſſes, welche die Beweglichkeit der Vorlage auf die Höhe des Gasdrucks ausübt. Lauf⸗, Geſchoſs- und Pulverconſtruction haben dahin zu ſtreben, den hohen Anfangs- druck im Intereſſe der Trefffähigkeit zu er— mäßigen und den niedrigen Enddruck im In- tereſſe großer Geſchoſsgeſchwindigkeit zu erhöhen (. auch Balliſtik I, Pulver und Verbrennung). Über die Unregelmäßigkeiten des Gasdruckes, die ſog. Gasſtöße, ſ. Vibration. Th. Gaskalk iſt ein Nebenproduct der Leucht- gasfabrication, u. zw. Atzkalk, welcher neben un⸗ verändertem Kalkhydrat Calciumſulfhydrat, Schwefelcalcium, Cyancalcium, Schwefelcyan— calcium, Calciumcarbonat, Calciumſulfit, Cal— ciumſulfat und Cacliumhypoſulfit enthält. Gas— kalk dient als Dünger (it vorher längere Zeit an der Luft liegen zu laſſen), zum Enthaaren der Felle in der Gerberei, auch kann er auf Berliner Blau verarbeitet werden. v. Gn. Gasterastamum fimbriatum, j. Patho⸗ geneſe und Pathologie der Fiſche. P. Mn. Gasterosteus, Fiſchgattung, ſ. 8 e Gasterotheca, Bauchfutteral, der gelenkige, aus Ringen zuſammengeſetzte Theil der Schmetterlingspuppe. Vgl. Chrysalis. Hſchl. Gastraea Haeckel, die hypothetiſche Stammform aller Metazoen; findet ſich heute noch als „Gastrula“ bei den auf niederer Stufe ſtehen gebliebenen Repräſentanten ſämmtlicher Thierſtämme. Kur. Gaſtraeaden. Von Haeckel 1872 zuerſt hypothetiſch für die Gattung Gastraea und deren nächſtverwandte Abkömmlinge aufgeſtellte Gaſtralblatt. — Gastropacha 259 Maſſe der Kalkſchwämme, 1876 durch die Ord— nung der heute lebenden Phyſemarden („Ga— ſtraeaden der Gegenwart“ verwirklicht. Kur. Gaſtralblatt — Entoderm oder Darm— drüſenblatt. Kur. Gaſtralgonaden Haeckel, die Geſchlechts— drüſen der Anthomeduſen und Marcomeduſen. Kur. Gaſtralhöhle — Gaſtrovascularraum. Knr. Gaſtraloſtien, die Mündungen der Ra— diärcanäle in den Magen. Kur. Gastremaria Haeckel. Ordnung der Ga- straeadae. Umfaſst die wohl längſt ausgeſtor— benen, mittelſt ihres ektodermalen Wimper— kleides frei umherſchwimmenden Metazoen um— faſſend (Gattungen: Gastraea, Gastrema). Kur. Gastrococli, Balumartengruppe. Kur. Gastropacha, O. Glucke, Gattung der Familie Bombycidae [Bombycoidea*)], Ab- theilung Bombyces, Spinner, Ordnung Lepi- doptera (ſ. d.). Familiencharakter: Fühler bei & und 2 gekämmt; Nebenaugen fehlend; Vorderflügel mit 12 Rippen, die Anhangzelle nicht vorhanden, Dorſalrippe nicht gegabelt. Hinterflügel breit, kurz gefranzt; Haftborſte fehlt; zwei Innenrandsrippen vorhanden; Rippe 1a in den Afterwinkel mündend. Spinner von mehr plumpem Körperbau, mit dichter, häufig wolliger Behaarung. Fühler % bis ½ Länge der Vorderflügel, zweireihig gekämmt; die Kammzähne beim 2 bisweilen ſehr kurz. Palpen wollig und kurz oder com— primiert, ſchnabelförmig vorſtehend. Beine kurz, ſtark, Hinterſchienen nur mit kurzen Endſporen. Hinterleib den Afterwinkel nicht, oder nur wenig überragend. Flügel ziem— lich breit; Saum der Vorder— flügel mehr oder weniger ge— bogen, ſo lang oder nur wenig kürzer als der Innenraum, die Spitze meiſt ziemlich ſcharf. Vorderrand der Hinterflügel er— weitert, bisweilen lappenför— mig, in der Ruhe meiſt unter den dachförmig getragenen Vor— derflügeln vorſtehend. — Die Familie enthält zwei Gattun- gen: Gastropacha und Lasio- campa, von denen nur die erſtere von forſtlicher Bedeu— tung iſt. Gastropacha iſt da⸗ durch charakteriſiert, daſs Rippe 5 auf allen Flügeln entweder unmittelbar aus oder dicht an der hinteren Ecke der Mittel- zelle entſpringt. (Bei Lasio- campa aus der vorderen Hälfte der getheilten Mittelzelle.) Bei Allen iſt die Mittelzelle ziem- lich kurz; aus der Nebenzelle gehen meiſt noch eine oder mehrere Rippen in den Vorderrand; die Augen ſind — wenigſtens doch auf der hinteren Hälfte — behaart. Die Gattung Gastropacha wurde in mehrere Sub— genera zerlegt. Die am häufigſten an unſeren *) Wird auch für eine Unterfamilie der Noctuiden gebraucht, dürfte. weshalb hier „Bombyeidae“ vorzuziehen fein | | Robufte | l Waldbäumen anzutreffenden, zum Theile ſogar ſehr ſchädlichen Arten ſind in nachſtehender Überſicht charakteriſiert: 1. Vorderflügel mit weißem oder hellgelbem Fleck auf der Querrippe im Mittelfelde. 2. Vorderrand der Hinterflügel auf der Unterſeite weiß, roſtroth oder veilgrau mit einem weißen etwas gezähnten, über die Hinterflügel ſich fortſetzenden 2 > Fig. 376. Gastropacha lanestris, Querſtreif; Mittelfleck dreieckig; ein weiterer weißer Fleck an der Wurzel der Vorderflügel. Franſen auf den Rip⸗ pen weißlich punktiert. After des ꝛ mit dichter Wolle bekleidet. Flügellänge 15 19 mm (Eriogaster). G. lanestris L Fig. 377. Gastropacha pini. 2. Vorderrand der Hinterflügel unterſeits nicht heller. Franſen einfärbig; Vorder- flügel weißgrau mit 3 dunklen Quer⸗ linien; hinter der Mitte bindenartig rothbraun. Sehr abändernd. Vorderer Querſtreif geſchwungen meiſt doppelt, den Mittelfleck einſchließend, mehr oder weniger rothbraun ausgefüllt; der hin— 17 * 260 — N Gastropacha. tere ziemlich gerade; Wellenlinie an Rippe 2 und 5 in ſtarke wurzelwärts gerichtete Zähne erweitert, bisweilen in dunkle Flecken aufgelöst. Raum zwiſchen Wellenlinie und Querſtreif rothbraun. Hinterflügel rothgrau. Flügellänge: 25 bis 35 mm. (Eutrichia.) G., pini D. Vorderflügel ohne hellen Mittelfleck. . Saum der Flügel gezähnt; Vorderflügel mit drei Reihen dunkler Monde. „Franſen mit den Flügeln gleichfärbig; Vorderflügel mit zwei ſchwarzen Zacken— linien auf der Saumhälfte. Kupferbraun mit violettem Schimmer und ſtark ge— zähntem Saume. Flügellänge: 25 bis 37 mm. G. quercifolia L. Franſen weiß, auf den Rippen braun, jo daſs fie geſcheckt erſcheinen. Roſtroth, vor dem Saume grau angeflogen. Flü— gellänge: 15—22 mm. G. betulifolia L. Saum der Flügel nicht gezähnt; Franſen verſchiedenfärbig. „Franſen regelmäßig gezeichnet, ziemlich lang, auf den Rippen gelb durchſchnitten. Schwärzlichgrau; die Vorderflügel mit zwei bleichgelben Querſtreifen. Hals— kragen und oft auch die Wurzel der Vorderflügel bis zum Querſtreif bleich— gelb; hinterer Querſtreif unregelmäßig gezackt. Hinterflügel heller grau, ein lichter Mittelſtreif verwaſchen. Flügel— länge 12—17 mm. (Trichiura; Poecilo- campa.) G. populi L. „Franſen unregelmäßig hell und dunkel geſcheckt; zwiſchen Rippe 2 und 4 und in Zelle 6 mehr oder weniger verdun— kelt. Beſchuppung der Vorderflügel dicht. Fig. 378. Gastropacha neustria, Blaſs ockergelb mit zwei rothbraunen Querſtreifen; oder braunroth, mit zwei hellgelben geraden und parallelen Quer— ſtreifen auf den Vorderflügeln. Flügel- länge: 13—18 mm. (Clisiocampa.) G. neustria L. 1. Gastropacha betulifolia F. Flugzeit: im April, Mai. Eier: partien— weiſe an die Zweige. Raupe vorzüglich an Pappel- und Weidenarten; röthlich- oder gelb— lichgrau, Bauch roſtfarben, mit einer Reihe brauner Flecken und Querſtriche. Kopf röth— lich- oder ſchwarzbraun; Ringeinſchnitt 2 und 3 orangegelb mit ſchwarzen und weißen Fleck— chen gezeichnet; ein Gürtel hinter dem 5. Ring ſchwärzlich; Rückenſeite mitunter mit mehr oder weniger deutlichen roſt- oder graubraunen Zeichnungen. Länge 40—46 mm. Verpuppung im Herbſte am Stamme, in einem gelblichen, mit röthlichem Puder ausgekleideten Ge— ſpinſt. Überwinterung als Puppe. Schmet- terling April, Mai. 2. Gastropacha lanestris L. Bir- kenneſtſpinner, Birkenaſtſpinner, Woll- after. Flugzeit: April. Eier an die Zweig— ſpitzen, bis 200 Stück, mit der grauen After— wolle des 5 eingehüllt, ſpiralig zu einem etwa 2 em breiten Ring formiert. Raupen vom Mai bis in den Juni geſellig in großem, meiſt in einer Aſtgabel hängendem, ſackförmigem Ge— ſpinſt; hauptſächlich Birke, aber auch auf verſchiedenen anderen Laubholzbäumen; Raupe in der Jugend ſchwarz, ſpäter blauſchwarz oder braunſchwarz, mit ſchütterer, langer, gel— ber Behaarung; Körper geſtreckt, gleichdick; Kopf klein, ſchwarzgrau; Bauchfüße braun; der 2. bis 11. Ring mit je einem Paar roth- brauner ſammthaariger Flecken und unterhalb dieſer meiſt drei weiße Punkte. Länge 46 mm. Verpuppung: Ende Juni am Boden in einem feſten, gelblichen oder bräunlichen, tönn— chenförmigen Geſpinſt. Uberwinterung als Puppe. Schmetterling: April. Vertilgung: leicht zu bewerkſtelligen durch Ausſchneiden der Raupenneſter oder Ausbrennen derſelben (vgl. diesbezüglich Cnethocampa processionea). 3. Gastropacha neustria L. Ringel- ſpinner. Flugzeit: Juli. Eier: unbedeckt, ſehr feſt angeklebt, ſpiralförmig um die jüngeren Zweige gelegt, einen breiten grauen Ring bil- dend. Überwinterung als Eierringe. Rau- pen: im April oder Mai; geſellig freſſend; in ihrem Verhalten überhaupt viele Ahnlichkeit mit der Prozeſſionsraupe zeigend; Räupchen (eben ausgekrochen) ſchwarz; ſpäter am Rücken rothbraun; Mittellinie weiß; eine Längslinie zu beiden Seiten derſelben ſchwarz, und ein zweiter mehr nach der Seite gerückter, außen— ſeits ſchwarz geſäumter Längsſtreifen blau; unter dieſem eine gelbliche, ſchwarz geſäumte Längslinie. Bauch grau; Kopf und ein Nacken⸗ fleck graublau; jener mit zwei kohlſchwarzen Flecken. 11. Ring rückenſeits mit dunkler feiner Fleiſchwarze; Luftlöcher gelblich. Länge 46 bis 33 mm. Die Häutungen erfolgen unter gemein- ſchaftlichem Geſpinſte; nach der letzten Häutung zur Zeit der Verpuppung zerſtreuen ſich die Raupen. Verpuppung im Juni; zerſtreut am Baume in einem weichen, weißlichen oder gelblichen, im Innern bepuderten Cocon. — Schmetterling im Juli. Bedeutung für den Forſt weit geringer als für die Obſtbaumcultur, und läſst ſich in letzterer Beziehung auch viel leichter gegen Gastropacha. 261 diefen Schädling ankämpfen, da dies gemeinſam | Fromen, unter der Moos- und Nadeldecke auf. mit anderen die Baumpflege betreffenden Ar— beiten geſchehen kann und das zu reinigende Gebiet ein beſchränktes iſt. In Obſtgärten geht man am beſten mit dem Ausbrechen der mit den Eierringeln behafteten Zweige vor; oder man beſpritzt die raupenfräßigen Baumpartien mit einer Löſung von ſchwarzer Schmierſeife. Im Walde, wo alles dies undurchführbar, wendet man das Zerquetſchen der tagsüber dicht zuſammengedrängten, ruhenden Raupen an. Man bedient ſich zu dem Zwecke einer ent— ſprechend langen, an dem oberen Ende mit Fetzen umwundenen Stange, oder, falls die Raupen auf einem Aſte ſich befinden ſollten, eines Hakens, mit welchem der Aſt umfaſst und die Raupen durch Hin- und Herreiben des Hakens zerquetſcht werden. Ratzeburg empfiehlt auch das Ausſchießen, indem man ein Gewehr mit etwa einem halben Schuſs Pulver ladet und einige Centimeter unter den Raupen ab— ſchießt. 4. Gastropacha (Eutrichia) pini L. Kiefernſpinner, Kienraupe. Ausſchließlich Kieferninſect, u. zw. das gefährlichſte. Flug— zeit: von Mitte Juli angefangen bis etwa Mitte Auguſt in den Abendſtunden. Flug nie— drig, unbeholfen. Tagsüber ruhend an den Stämmen in meiſt leicht erreichbarer Höhe, aber ſchwer bemerkbar. Eier: perlgraugrün, ſchwach— hanfkorngroß, 100 —200 Stück, auf mehrere Par— tien vertheilt; in Borkenriſſen oder unter Rindenſchuppen am unteren Stammtheile, etwa 1•5—2 m über dem Boden; in einzelnen Fällen wohl auch an vorhandenen Unterwüchſen. — Nach etwa 20—25 Tagen die 16füßige Raupe. Eben entſchlüpft, halten ſich die Räupchen noch einige Zeit am Orte ihrer Geburt auf und zer— ſtreuen ſich in die Baumkronen, nachdem ſie die Eierſchalen verzehrt haben. In dieſem erſten Lebensſtadium bis nach überſtandener erſter Häutung iſt die Raupe im allgemeinen ſchwarz und durch die außerordentlich lange Behaarung, beſonders der erſten drei gelblichen Leibes— ringe, ſowie durch braunſchwarze Färbung des 2. und 3. Ringeinſchnittes (oberſeits) aus— gezeichnet. Schon nach der erſten Häutung treten die für dieſe Spinnerraupe charakteriſti— ſchen, ſammtartig behaarten, rein ſtahlblauen Nackenſtreifen des 2. und 3. Halsringes her— vor. Erwachſen erreicht ſie eine Länge bis 80 mm, iſt in der Färbung ſehr veränderlich, dunkelbraun, aſch- bis ſilbergrau, bis röthlich; Rücken dunkler, mit zwei Reihen längere Haare tragender, ſchwarzer Kopfwärzchen, welche ſich auf dem vorletzten Ringe zuſammendrängen und ſtärker hervortreten. Am ſtärkſten entwickelt ſind die beiden ſeitlich und nach vorwärts ſtehenden des 1. Ringes. Alle Zeichnungen unbeſtimmt, geronnen. Behaarung ungleich; auf den über den Luftlöchern ſtehenden Warzen und auf der, eine Querreihe bildenden des 1. Ringes am längſten. — Fraßdauer: im erſten Sommer (Geburtsjahr) bis in den Spätherbſt hinein (Herbſtfraß). Erſt mit Eintritt anhaltend rauher Witterung baumt die bis dahin halb— wüchſig gewordene Raupe ab und ſucht ihr Winterquartier in dem Bereiche der Baum— Im nächſten Frühjahre, wenn die Temperatur der oberſten Bodenſchicht, in der die Raupen die Winterruhe verbringen, der ſog. Raupen— ſchicht, auf + 1 bis 2 R. geſtiegen iſt, erwachen ſie und verlaſſen nun einzeln ihre Winterquar— tiere. Mit der allmählich zunehmenden Boden— und Lufttemperatur wird das Baumen der Raupen ein immer regeres und bei etwa 6 R. Bodenwärme ein allgemeines. In den Baum— kronen angelangt, nimmt die zweite, weitaus empfindlichere Fraßperiode ihren Anfang, der Frühjahr⸗ oder Sommerfraß. Er dauert ununterbrochen, mit Ausnahme der Zeit der Häutung, von Mitte oder Ende März oder an— fangs April angefangen fort, bis Ende Juni oder anfangs Juli, um welche Zeit die Ver— puppung erfolgt. Als geeigneten Platz wählt die Raupe theils Nadelbüſcheln der Baum— kronen, oder ſchwächere Zweige; theils tiefere Borkenriſſe am Stamme. Die Puppe ruht in einem ſchmutzig-weißen, papierartigen, mitunter Partikelchen der ſtahlblauen Nackenhaare ent— haltenden, nach beiden Seiten ſpindelförmig verjüngten Cocon, deſſen Kopfende nur mit loſen Fäden verſchloſſen iſt. Die Puppe ſelbſt iſt ſchwarzbraun, mattglänzend, an den beiden Enden ſtumpf abgerundet, gedrungen, ſehr leb— haft. Nach ca. dreiwöchentlicher Puppenruhe, d. i. gegen Ende Juli bis anfangs Auguſt er— ſcheint der Schmetterling. Differenzen im Be— ginne der Flugzeit ſind auf den Witterungs- charakter während des Raupen-, wohl auch Puppenſtandes zurückzuführen — Forſtliche Bedeutung: Unſtreitig nimmt dieſer Spinner den erſten Rang unter den Kiefernſchädlingen ein. Am liebſten werden die angehend haubaren Be— ſtände im Alter von 60—80 Jahren befallen. Bei eintretendem Futtermangel friſst die Raupe wohl auch Fichten- und Lärchennadeln. Sind die Kronen des Hochbeſtandes kahl gefreſſen und dadurch die Raupen gezwungen, ihre Weide— plätze zu verlaſſen, und ſind Kiefernunterwüchſe vorhanden, dann bieten ihnen dieſe die erſte Hilfe. Im Hochgebirge nimmt die Raupe auch Legföhren an und findet ſich vereinzelt noch in der bedeutenden Höhenlage bis 1200 m. Die Größe der Gefahr für den vom Raupenfraß heimge— ſuchten Beſtand hängt bei ſonſt gleichen Stand— orts- und Beſtandsverhältniſſen insbeſondere von folgenden Momenten ab: 1. von der Größe des Nadelverluſtes überhaupt; 2. von der Form des Nadelfraßes und 3. von dem Umſtande, ob auch die Knoſpen und in welchem Umfange zerſtört wurden. Nach Ratzeburg benöthigt die einzelne Raupe bis zur erreichten vollen Ent— wicklung ungefähr 1000 Nadeln, was einer Fraßgeſchwindigkeit von 10 Minuten per 1 Nadelpaar gleichzuſtellen iſt. Bei ſo bedeu— tendem Futterbedarf würde nach von mir ge— wonnenen Durchſchnittszahlen eine Culturfläche von 1 ha und mit einer Beſtockung von 7500 fünf- jährigen Pflanzen (im Verbande 1m = 1˙5 m) von circa 20.000 — 21.000 Raupen total kahl gefreſſen und vernichtet werden können. Während die Raupen bei einer nicht allzu großen Ver— mehrung ſich lediglich auf das Verzehren der Nadeln beſchränken und — wenigſtens im Früh— 262 Gastropacha. jahre — vorjährigen und älteren den Vorzug geben, und Nadelſcheiden, die unteren Nadelreſte und Knoſpen verſchont bleiben, werden bei Kahl— fraß, wo die Raupen meiſt dicht gedrängt freſſen, auch die Nadelſcheiden bis auf den Grund mit verzehrt, die Knoſpen von der Spitze herein an— genagt und bei ſchon gänzlich eingetretenem Futtermangel ſogar die zartere Rinde der ſchwachen Zweige theilweiſe abgenagt. Beſtände, welche in ſo intenſiver Weiſe vom Raupenfraße zu leiden hatten, ſind unrettbar verloren; ſie gehen an Erſchöpfung zugrunde. Die gefähr— lichſte Fraßperiode iſt entſchieden die des Früh— jahrsfraßes bis Juni. Einerſeits iſt nun die die Raupe ſchon bei Beginn des Fraßes mehr als halbwüchſig, mithin ihr Futterbedarf ein bedeutend größerer als im vorausgegangenen Herbſte; und er ſteigert ſich noch beträchtlich in dem Verhältniſſe, als die Raupe an Größe zu— nimmt. Ein Maſſenfraß dauert in der Regel nicht länger als drei Jahre; er nimmt innerhalb dieſer Zeit alljährlich an Intenſität zu; und im dritten Jahre iſt der Höhepunkt erreicht. Schon im zweiten Fraßjahre machen ſich Unregel— mäßigkeiten, theilweiſe Verſchiebungen im Ent- wicklungsgange bemerkbar. Man findet ſchon häufiger theils kranke Raupen, theils trockene oder überlegene Puppen. Dieſe Erſcheinungen mehren ſich aber auffallend im dritten Fraß— jahre. Ein großer Procentſatz der Raupen zeigt ſich als krank; man findet ſie in den verſchie— denſten Größen neben einander; dazwiſchen Schmetterlinge, Puppen; das ganze Bild zeigt abnorme, krankhafte Zuſtände. Dazu geſellen ſich noch Schmarotzer (Ichneumoniden, Chaleidier, Tachinen u. a.) und Pilze, welche der weiteren Ausbreitung nun ein raſches Ende machen, ſo daſs mit dem dritten Fraßjahre die Fraßperiode in der Regel als beendet angeſehen werden kann. Im vierten Jahre zeigen ſich wohl noch manch— mal Raupen in größerer Anzahl, aber auch ſie ſind bereits krank und iſt ein ſolches „Nachjahr“ kaum mehr von Bedeutung. Ein natürliches Gegengewicht weiterer Ausbreitung des Spinners bilden die zahl— reichen Feinde, welche dieſer Schädling unter der Thierwelt hat, und welche ſich gewiſſer— maßen in das Waldſäuberungsgeſchäft theilen, je nach dem Entwicklungsſtadium des Kerfes. — Den Schmetterlingen ſtellen vor Allen die nächtlich und zur Dämmerzeit fliegenden Fledermäuſe, die kleineren Eulen und der Ziegenmelker nach; doch iſt der Abbruch, den der Spinner als Schmetterling erleidet, wohl der verhältnismäßig geringſte. Die aus— giebigſte Decimierung erfolgt im Ei- und Raupenzuſtande. — Die Eier werden insbe— ſondere von den in den Kiefernwäldern lebenden zahlreichen Meiſen (Tannen-, Schopf- und Blaumeiſe), von den Goldhähnchen und Baum— läufern eifrig aufgeſucht und verzehrt. Unter den Schlupfweſpen ſind zu nennen Chrysolam- pus solitarius, Teleas embryophagus und Teleas phalaenarum, welche die Eier anſtechen und mit Brut belegen. Gegen die Raupen kämpfen an, u. zw. während ſie am Boden ruhen: Igel, Marder, Wieſel, Spitzmäuſe, Krähen, Elſtern u. a.; während ihres Aufent— haltes in den Baumkronen, nebſt Krähen und Elſtern, der Kukuk, Pirol, Eichelheher, Wald— kauz; aber auch die kleinen Falken ſcheinen ſich daran zu betheiligen, wie ich mich aus dem Mageninhalte eines Thurmfalken überzeugen konnte. Unter den Inſecten führt Taſchenberg (Forſtwirtſchaftliche Inſectenkunde, 1874, p. 377) an: Cimex marginatus (eine Baumwanze), Formica rufa (und wohl noch andere im Walde lebende Ameiſen); vor Allen aber eine größere Anzahl von Schlupfweſpen, welche ihre Entwicklung in der Raupe, zum Theile auch in der Puppe finden: Cryptus Ratze- burgi, Ischnocerus marchicus, Hemiteles areator und fulvipes, Pimpla flavicans, in- stigator, Mussii, turionellae, Bernuthi, di- dyma; Anomalon biguttatum und circum- flexum; Ophion luteus und obscurus; Panis- cus testaceus; Microgaster nemorum Htg. und reconditus Ns. In den Puppen ſich ent- wickelnd: Perilitus unicolor Htg., Rogas Esenbecki, Entodon xanthopus Ns. — Unter den Genannten ſind namentlich die beiden Microgaster zu den häufigſten und gleichzeitig auffallendſten Erſcheinungen zu zählen, indem ſie mit ihren kleinen, glänzendweißen, ſeiden— artigen Cocons die Raupenkörper oft gänzlich einhüllen. — Aber auch die Fliegen ſtellen ihr, wenn auch kleines Contingent von Gaſtropacha— Feinden: Tachina bimaculata, Cyrtoneura stabulans und Musca quinquevittata. Die größten Verheerungen richten aber unſtreitig die Pilzinfectionen unter den Raupen an, wenn dieſelben, wie dies ſchon im 2, in noch viel höherem Grade aber im 3. Fraßjahre der Fall iſt, oft zu dichten Maſſen zuſammenge— drängt im Boden liegen. Hierher zu zählen iſt die Isaria farinosa, ein auf Weiden, Birken, Eiche, Weißdorn vorkommender, die Blätter mit einer rußſchwarzen Decke überziehender Ruß— thaupilz. Aber nicht nur die im Boden hiber— nierenden, auch die bereits aufgebaumten Raupen unterliegen dieſer Pilzſeuche. — Dieſelbe ſcheint allerdings von den erſteren auszugehen. Ein großer Theil der Raupen wird zwar ſchon im Winterlager getödtet, ein größerer oder ge— ringerer Theil aber gelangt immerhin noch zum Baumen und von dieſen geht die An— ſteckung der bis dahin noch geſunden Raupen während der Frühjahr- und Sommerperiode aus. Das Infectionsmittel iſt die Conidie der Iſaria; ſie wird durch Berührung einer ge— ſunden mit einer kranken Raupe, oder durch Wind, Regen u. dgl. übertragen. Die Keim⸗ ſchläuche der Conidien dringen durch die vor— handenen Stigmenöffnungen in das Innere des Raupenkörpers ein; entwickeln ſich zu reichlichen, üppig wuchernden, allmählich den ganzen Fettkörper der Raupe zerſetzenden Myeelien, welche ihrerſeits wiederum die Bil— dung zahlreicher Conidien im Innern des Raupenkörpers zur Folge haben. Mycelium und Conidien erfüllen ſchließlich die ganze Körperhöhle der todten Raupe; dieſe erſcheint mumificiert, bruchig, fühlt ſich kleiig an und haftet, wenn während der Fraßperiode vom Tode ereilt, gewöhnlich nur noch mit den zwei mittleren Bauchfußpaaren am Zweige Gastropacha. feſt. Der Kopf mit den 3 Bruſtringen und eben ſo der Hintertheil des Körpers ſind nach aufwärts gekrümmt, der Rücken ſattelförmig eingebogen. — Die am Myeelium ſich bil— denden Conidienträger durchbrechen die Rau— penhaut an zahlreichen Stellen, treten äußerlich hervor, ſchnüren zahlreiche Conidien ab, welche, wenn vom Wind oder Regen auf eine geſunde Raupe gebracht, keimen, an beliebiger Stelle durch die Haut eindringen und ſo zur neuer— lichen Infection führen. Bereits kranke Raupen zeigen mehrfach mißfarbene Flecken, beſonders an jenen Körperſtellen, wo die Conidie den Keimſchlauch eingeſenkt hat; ſolche Stellen ſind zumeiſt ſchwärzlich gefärbt. Iſt die Infection kurz vor der letzten Häutung erfolgt, dann ge— langt die Raupe zwar zur Verpuppung, aber über dieſes Stadium hinaus entwickelt ſich das Thier nicht mehr; die Puppe wird von den ſie durchſetzenden Myeelien getödtet. Als Vorbeugungsmaßregeln gegen eine bedrohliche Ausbreitung des Spinners gelten: 3 1. Allmähliche Überführung der reinen Kiefern- in gemiſchte Beſtände, wo nicht ge— gründete Bedenken anderer Art dagegen ſprechen. 2. Schonung und Pflege der oben nam— haft gemachten, beſonders der kleinen inſecten— freſſenden Vögel. 3. Beſtandesreviſionen in Waldrevieren, welche erfahrungsgemäß den Angriffen dieſes Schädlings in höherem Grade ausgeſetzt ſind. Dieſe Reviſionen beziehen ſich auf die am Bo— den im Bereiche der Baumkronen unter der Streudecke überwinternden Raupen und können ſo durchgeführt werden, daſs man Stichproben unter beliebig herausgegriffenen Stämmen ver— ſchiedenen Alters machen läſst, oder in der von Altum vorgeſchlagenen Weiſe durch Einlegung von Probebahnen (j. d.). Nach Ratzeburg's An— ſicht ſollte, wenn das Sammelergebnis 5—6 Raupen pro Stamm ausweist, mit dem An— theeren (ſ. d.) nicht länger mehr gezögert werden. Heute iſt man in Preußen davon abgekommen. Im Sinne eines diesbezüglichen Miniſterial— erlaſſes ſind ältere als 60jährige Beſtände, ſelbſt wenn das Probeſammeln 30—40 Raupen pro Stamm ergeben ſollte, vom Antheeren aus— geſchloſſen. Dasſelbe gilt bezüglich der Stangen— orte bei einem Sammelergebnis von nicht über 20 Raupen pro Stamm, vorausgeſetzt, dass der Beſtand gutwüchſig und der Boden ein kräftiger iſt. Dagegen wird getheert, wenn letzteres nicht der Fall, der Stangenort an und für ſich ſchlecht— wüchſig iſt. — Die Bekämpfung und Ver⸗ tilgung erſtreckt ſich auf alle Entwicklungs- ſtände des Spinners: a) Tödten der weib— lichen Schmetterlinge (Juni, Juli), inſo— ferne dieſelben, was meiſt der Fall zu ſein pflegt, tief am Stamme ſitzen und daher leicht erreicht werden können. Man kann ſich dazu einer Art Fliegenpatſche bedienen. — Die Schmetterlinge ſollen aber aufgeleſen und ge— ſammelt werden, da die Eier ſelbſt im letzten Todeszucken vom Weibchen noch abgegeben und auch ohne vorausgegangene Befruchtung ent— wicklungsfähig ſein können (vgl. Parthenogene- sis). b) Eiern (j.d.). e) Sammeln der Rau— 263 pen im Winterlager. Dieſes Mittel hat zwei Übelſtände gegen ſich: die Koſtſpieligkeit und die Möglichkeit ja Wahrſcheinlichkeit, daſs kaum mehr als die Hälfte der im Boden wirklich vorhandenen Raupen gefunden wird. Der Erfolg des Raupenſammelns iſt daher in einem ſolchen Falle nur einer halben Maßregel gleich— zuachten und das Antheeren (ſ. d.) weitaus vorzuziehen. — Auf kleinen Flächen aber iſt es immerhin durchführbar und von gutem Er— folg begleitet. d) Herabſtürzen der Rau— pen aus den Baumkronen durch Anprällen (ſ. d.) der Stämme. e) Sammeln der Pup⸗ pen, inſoferne ſich dieſelben in leicht erreich— barer Höhe am Stamme (mitunter auch an Unterwüchſen) vorfinden. k) Anwendung des Schweineeintriebes vom Spätherbſte an, zur Zeit wo die Ranpen unter der Bodendecke ruhen. g) Anwendung von Fanggräben (ſ. d.) bei ſtattgehabtem Kahlfraß, infolge deſſen die Raupen gezwungen werden, neue Weideplätze aufzuſuchen. Sollen Fanggräben ſich wirkſam erweiſen, dann muſs der etwa vorhandene Un— terwuchs herausgehauen und entfernt werden. h) Anwendung des Raupenleims (j. An— theeren, Anröthen) gegen die im Frühjahre aufbaumenden Raupen. Kräftige Durchforſtungen tragen in ſolchen Beſtänden weſentlich zur Verrin— gerung der Auslagen und Sicherung des Er— folges bei. i) Abbrennen raupenfräßiger Be— ſtände, inſoweit es ſich um kleine iſolierte Par— zellen handelt und dadurch der Gefahr weiterer Ausbreitung mit einemmale begegnet werden kann. 5. Gastropacha populi L. Raupe im Mai und Juni einzeln auf Alnus, Fraxinus, Prunus und anderen Laubhölzern; 40 bis 45 mm lang, mit feinen Haaren dünn beſetzt, heller oder dunkler grau, der Rücken braun bis ſchwärzlich überrieſelt und nicht ſelten unbe— ſtimmt abgegrenzte, verſchwommene Rauten— flecken zeigend; ein halbmondförmiger Fleck hinter dem graubraunen Kopfe und 4 Wärzchen auf jedem Ringe rothgelb; Bauch dunkelbraun gefleckt. Verpuppung: in einem feſten, aſch— grauen Geſpinſte. Puppe: kurz, walzig, ſchwarzbraun, Hinterleib braunroth, Afterſtück abgerundet mit zwei kleinen, eine Querbürſte feiner kurzer Häkchen tragenden Höckern. Schmetterling: September, October. 6. Gastropacha quercifolia L. Raupe: vom Auguſt an auf Prunus, Populus, Ulmus u. a.; überwintert und friſst im Früh— jahre (April, Mai) weiter; erreicht mit der Vollwüchſigkeit eine Länge von 90— 110 mm. Behaarung auf dem Rücken dünn, an den Seiten länger; 11. Ring mit zapfenförmiger Warze auf dem Rücken, über den Bauchfüßen langhaarige, warzenartige Hautwülſte. — Aſch— grau bis erdbraun, mit helleren und dunkleren Zeichnungen, welche öfters die Geſtalt nach vorn gerichteter Pfeilſpitzen annehmen; jeder Ring rückenſeits mit zwei braunen Knopf— warzen: zweiter und dritter Ringeinſchnitt dunkelblau filzig behaart; Bauch roſtbraun, ſchwarz gefleckt; Kopf graubraun mit braunen Strichen. Verpuppung: Ende Mai, Anfang Juni in einem dichten, ſchwarzgrauen Geſpinſt. 264 Puppe: ſchwarzbraun, mit weißlichem Puder bedeckt; Afterſtück mit vielen kurzen Börſtchen beſetzt. Schmetterling: im Juni, Juli. Hſchl. Gastrophilus Leach. (Gastrus Meigen.), Darmbremſen, Gattung der Familie Oestri— dae (ſ. d.), Bremſen, Bies- oder Daſſelfliegen, Ordnung Diptera, Abtheilung Brachycera. Die einzige europäiſche Gattung, denen die Spitzen— querader fehlt und deren 4. Längsader bis zum Hinterrande des Flügels verläuft. Hinterleib ungeſtielt; Fühlerborſte nackt; Schüppchen vor— handen aber klein und meiſt lang gewimpert, die Schwinger nicht deckend; Mundtheile ſehr klein; Taſter in der kleinen Mundgrube etwas vertieft liegend, klein, kugelig. Rüſſel mit der die Mundgrube deckenden Haut verwachſen, nicht vorſtreckbar. Die erwachſenen Larven (Enger— linge) zeichnen ſich vor allen durch das Vor— handenſein zweier Kieferpaare aus; zwei ge— krümmte Oberkiefer, ſog. Mundhaken, und zwei gerade, hornige Unterkiefer zwiſchen jenen. Sie ſind, wie alle Oſtridenlarven, fuß- und kopf— los, der Körper 12ringig, mit Dornkränzen be— ſetzt, am Hinterrande gerade abgeſtutzt, breiter als vorne; Stigmen am letzten Ringe in einer Höhle, die durch eine Querſpalte nach außen mündet, verborgen, in Form von drei Paar Längsſchlitzen auf den ſog. Arkaden n). Fühler mit einem ocellenartigen Punkt. Vorderſtigmen eingezogen, außen nicht ſichtbar *). Die aus— gewachſenen Larven gehen durch den After ab und bleiben in den Exerementen, wo dann auch die Verpuppung bereits nach 12—24 Stun- den erfolgt; oder ſie begeben ſich zu dem Zweck in den Boden. Die Puppe iſt eine Tonnen— puppe; die Tonnen, zuerſt gelb oder roth, ſpäter braun und zuletzt ſchwarz, nach Form bei den einzelnen Arten verſchieden, doch ſtets vorn flacher und der Rand dieſes Endes zugeſchärft, paraboliſch, hinten ſtumpf, zuweilen ſehr dick. Oberſeite von vorn nach hinten und in der Quere convex, die Unterſeite in der Längsrich— tung concav. Bedornung jener der Larve gleich. — Puppenruhe 30—40 Tage. Die weibliche Fliege legt die Eier einzeln an die Haare von Pferden, Eſeln, Maulthieren, niemals an die eines Wiederkäuers; die kleine Larve häkelt ſich mit Hilfe der Nagehaken und Dornkränze im Haare vor bis zur Mundöffnung des Wohnthieres, dringt durch dieſe, vielleicht auch durch die Nü— ſtern ein und gelangt in den Magen. Die meiſten Gastrophilus-Arten paſſieren denſelben bloß und nehmen ihren ſtändigen Aufenthalt im Darm— canal; andere aber, und von dieſen conſtant Gastrophilus equi, verbringen ihr Larvenleben im Magen des Wohnthieres. Aus Fr. Brauer's in ſeiner Monographie der Oeſtriden entwor— fener Überſichtstabelle der Arten dieſer Gat— tung ſeien nur folgende vier herausgegriffen: J. Hintere Querader ganz rudimentär oder fehlend; Flügel faſt ganz rauchbraun () oder mit rauchiger Mittelb inde und ſolchem Wiſch an der Spitze (8); 7 l Drei quergeſtreifte concentriſche Bögen, aus welchen jede der nierenförmigen Stigmenplatten äußerlich zuſam— mengeſetzt erſcheint. *) Friedrich Brauer, Monographie der Oeſtriden. Wien 1863. Gastrophilus. — Gaſtropoden. ſchwarz, am Rückenſchild und zweiten — oder zweiten und dritten — Segment meſ— ſinggelbhaarig; 6 gelbbraun, goldgelb behaart mit ſchwarzhaariger Binde hinter der Rückenſchildquernaht und ſchwarz— haariger Bruſt. Länge 13—16 mm. Flug- zeit: Juni bis September. (Rauch— braune Darmbremſe.) Gastrophilus pecorum Fabr. 1. Hintere Querader vollſtändig vorhanden. Weibchen mit dicker, ziemlich langer, ab— wärts geſchlagener Legeröhre. 2. Flügel glashell mit rauchgrauer Quer— binde in der Mitte und ebenſolchem Wiſch oder zwei Punkten an der Spitze. Hin— tere Querader ſtets unmittelbar hinter der kleinen ſtehend. Die Trochanter, be— ſonders deutlich die der Hinterbeine beim &, unten mit einem langen krummen Haken; beim ? mit einem Höcker, der in beiden Fällen einem geraden Ausſchnitte an der Unterſeite des Schenkels gegen— überſteht. Hinterleib gelbbraun, dunkel— ſcheckig, Länge 13—16 mm. Flugzeit: Juli bis October. (Große Magen— bremſe.) 19 Gastrophilus equi Fabr. 2. Flügel vollkommen glashell, ohne Flecke. 3. Die hintere Querader ziemlich weit nach außen von der kleinen gelegen. Beine dunkel, beſonders die Schenkel ſchwarz— braun. Schwarz, Hinterleib am Grunde weiß⸗, in der Mitte ſchwarz-, an der Spitze rothgelbhaarig. Rückenſchild vor der Quernaht mit mäuſegrauer, hinter derſelben mit ſchwarzer Querbinde. Länge 10—22 mm. Flugzeit: Juli, Auguſt. (Maſtdarmbremſe.) G. haemorrhoidalis Lin. 3. Die hintere Querader etwas nach innen und faſt hinter der kleinen gelegen. Rückenſchild fuchsroth, mäuſegrau oder faſt weißhaarig, mit oder ohne dunkle Querbinde hinter der Naht Hinterleib ſchwarz, am Grunde weiß, in der Mitte ſchwarz, an der Spitze rothhaarig oder auch die letzteres in der Mitte oder an der Spitze blaſsgelb behaart, gelb- oder ſchwarzhaarig. Länge 10—14 mm. Flug- zeit: Juli, Auguſt.(Dünndarmbremſe, Naſenbremſe.) Gastrophilus nasalis Lin. Weiteres über Lebensweiſe und patholo— logiſche Erſcheinungen an den von den Gaſtro— philenlarven bewohnten Thieren ſ. Pathogeneſe und Pathologie des Pferdes und ſeiner Ver— Hſchl. wandten. Gaſtropoden, Bauchfüßer, die arten- und gattungsreichſte Claſſe der Mollusken, mit unpaarem eigenem Fuß (mit Kriechfläche, Sohle) und vom Rumpfe mehr oder weniger deutlich abgeſetztem Kopfe, dieſer meiſt mit paarigen Augen, Fühlern und unpaarer Raub— platte). Verfallen in die drei Claſſen: Opistho- branchiata, Pulmonata und Prosobranchiata, ſ. Syſtem des Thierreiches. Kur. g 4 b Gaſtrovascularcanäle. — Gaultheriaöl. Gaſtrovascularcanäle heißen die bewim— perten kleinen Canäle, welche bei den Acalephen vom Radiärgefäß in die Randkörper ziehen. Kur. Gaſtrovascularraum, Gaſtralhöhle, heißt der Hohlraum des Coelenteratenleibes, weil in dieſem die Verdauung und die Circulation zu— gleich ſtattfindet. Kur. Gaſtrovasculartaſchen heißen bei den Anthozoen die zwiſchen den Meſenterialfalten befindlichen Räume der Gaſtralhöhle. Kur. Gastrula Haeckel, heißt die zweiſchichtige Darmlarve der Metazoen (ſ. d.). Kur. Gaſtrulation heißen ſpeciell die nach völlig abgeſchloſſener Eifurchung zunächſt auf— tretenden Erſcheinungen, dann überhaupt die zur Ausbildung der beiden primären Keim— blätter führenden Vorgänge. Kur. Gastrus, j. Gastrophilus. Hſchl. Gaswaſſer iſt das dra wan der Gasanſtalten, welches Ammoniumcarbonat, Cyan— verbindungen und Schwefelammonium enthält und auf Ammoniak verarbeitet wird. v. Gn. Gattenmutter (bei den Inſecten), weib— liche Individuen, welche, um zeugungsfähig zu ſein, auf die vorausgegangene Befruchtung der Eier durch männlichen Samen angewieſen ſind. Man bezeichnet dieſe Form der Fortpflanzung als Gamogenesis, gamogenetiſche oder Eltern— zeugung; ihr ſteht die parthenogenetiſche oder Jungferzeugung, Ammenzeugung (ſ. d.) gegen— über. Hſchl. a5 — Gatter, j. „Einfriedigung“. Gt. Gatterer, Chriſtoph, Wilhelm, Jakob, Dr. phil., geb. 2. December 1759 in Göttingen, geſt. 2. September 1838 in Heidelberg, wid— mete ſich an der Univerſität ſeiner Vaterſtadt den Cameralwiſſenſchaften, promovierte daſelbſt und ertheilte hierauf eine zeitlang naturwiſſen— ſchaftlichen Privatunterricht. 1787 wurde er als ordentlicher Profeſſor der Cameralwiſſenſchaften und Technologie an die Univerſität Heidelberg berufen, woſelbſt er u. A. auch Vorleſungen über Forſtwiſſenſchaft zu halten hatte. 1790 wirklicher Bergrath daſelbſt, 1797 auch noch Profeſſor der Diplomatik; 1805 wurde ihm der Titel „Oberforſtrath“ verliehen. Ein typiſcher Repräſentant des vielſeitigen und ſchreibſeligen Cameraliſtenthums aus der zweiten Hälfte des XVIII. Jahrhunderts, als Schriftſteller war er auf den verſchiedenſten Ge- bieten: Zoologie, Bergweſen, Forſtwirtſchaft, Handelswiſſenſchaft, Technologie ꝛc. thätig. Sein Hauptverdienſt beſteht in der Zuſammenſtellung und kritiſchen Beleuchtung der forſt- und jagd— wiſſenſchaftlichen Literatur des vorigen Jahr— hunderts, welche zuerſt im XVIII. und XIX. Bd. von Moſer's „Forſtarchiv“ erſchien und 1796 auch beſonders abgedruckt wurde. Das von Moſer be— gründete „Forſtarchiv“ hat er als „Neues Forſt— archiv (XVIII. bis XXX. Bd. der ganzen Folge) 1796-1807 fortgeſetzt, außerdem wurde noch der erſte Band der „Annalen der Forſt- und Jagdwiſſenſchaft“ 1811 von ihm gemeinſchaft— lich mit Laurop herausgegeben. Seine Schriften find: Abhandlung von Nutzen und Schaden der Thiere, die Fang— arten ꝛc., 1781-1783, 2 Th., Anleitung für 265 diejenigen, welche den Harz und audere Berg— werke mit Nutzen bereiſen wollen, 1785 - 1790, 5 Th. A. u. d. T.: Beſchreibung des Harzes, 2. Bd. 1792; Verzeichnis der vornehmſten Schriftſteller über die Theile des Bergweſens, 2 St. 1787 und 1787; Naturhiſtoriſches ABC- Buch, 2 Th., 1789; Abhandlung von dem Handelsrange der Ruſſen, 1789; Abhandlung von dem Handelsrange der osmaniſchen Türken, 1790-4792; Technologiſches Magazin, 3 Bd., 1790-1794; Abhandlung vom Pelzhandel, ins- beſondere der Briten, 1794; Forſtkalender, 1798; Allgemeines Repertorium der geſammten Berg— werks-, mineralog. und ſalzwerkswiſſenſchaft— lichen Literatur, 2 Bd. 1798-4799; Authen- tiſche Nachrichten von dem im Sommer 1800 im Schwarzwald ausgebrochenen Brande, 1801; Zuſätze zu v. Burgsdorfs Abhandlung vom Umwerfen und Ausroden der Waldbäume, 1801; Zuſätze zu v. Drais' Abhandlungen vom Lärchenbaum; Abhandlung über die Ver— minderung der Feldmäuſe, 1803; Verzeichnis derjenigen ausgeſtopften Thiere, welche in der Sammlung auf dem Heidelberger Schlojs ſich befinden, 1808; Literatur des Weinbaues aller Nationen von den älteſten bis zu den neueſten Zeiten, nebſt Kritiken und wichtigſten ende ſchen Nachweiſungen 1832. S Gatti, Aleſſandro, Verfaſſer eines Ge⸗ dichtes: La Caccia, poëma heroico, nel quale si tratta pienamente della natura, e de gli aftetti d'ogni sorte di fiere col' modo di cac- ciarle et prenderle. In Londra, appresso Gio Billio. 1619, 80. — Selten. E. o. D. Gauchet, Claude, bedeutender franzöſi— ſcher Jagdſchriftſteller, Verfaſſer des berühmten Werkes: Le plaisir des champs, divisé en quartre partiees, selon les quatre saisons de Lannée, par Claude Gauchet, dampmartinois, aumosnier du Roy, oü est traicté de la chasse et de tout autre exercice re&creatif, honneste et vertueux... A Paris, chez Ni- colas Chesneau, MDLXXXIII. 4., 314 p. Eine weitere Ausgabe folgte im Jahre 1640; ferner beſorgte P. Blanchemain eine neue Ausgabe, Paris, Franck, 1869 in 12°. Die beiden erſten ſind höchſt ſelten und werden mit 150 bis 400 Franes gezahlt. E. v. D. Gault wird eine Unterabtheilung der Kreide— formation genannt. Ihrem Alter nach folgt ſie der Neocomabtheilung und geht dem Cenoman oder Unterquader voran. Sie führt in Deutſch— land, England und Frankreich der Hauptſache nach plaſtiſche, dunkle, zum Theil glaukonitiſche Thone und magere Schieferthone und Mergel, welche local auch durch Kalkſteine und helle Sandſteine (wie z. B. bei Halberſtadt-Goslar) vertreten werden. Flammenmergel bilden in Deutſchland gewöhnlich ihren oberſten Horizont. Die Fauna des Gault iſt durch ihren großen Reichthum an Ammoniten und deren Neben- formen und an Belemniten Ban Gaultheriaöl (Wintergrünöl), iſt das äthe- riſche Ol von Gaultheria procumbens, welches der Hauptſache nach aus dem Methyläther der Salicylſäure beſteht. Durch Verſeifen mit Na— tronlauge gewinnt man daraus Methylalkohol 266 Gaumen und ſalicylſaures Natron, aus deſſen Löſung die Salicylſäure nach Neutraliſieren mit Salz— ſäure kryſtalliniſch niederfällt. Das Gaultheria— öl dient zu Fruchtäthern und als Heilmittel. v. Gu. Gaumen, j. Mundhöhle. Kur. Gaumenbein, ſ. Palatinum. Kur. Gaumenbögen, Arcus palatini, heißen die zwei die Mandeln (tonsillae) umſchließenden zwei Schleimhautfalten, welche von der Mittel- linie des Gaumenſegels zur ſeitlichen oder hin— teren Rachenwand (Kehlkopfpfeiler, Gaumen— rachenbogen, Arcus palato-pharyngei) und zur Zunge (Zungenpfeiler, Gaumenzungenbogen, Arcus palato-glossi, oder vordere, untere ge— nannt) herablaufen. Knr. Gaumendrüſen, glandulae palatinae, die die Schlüpfrigkeit der Mundhöhlenfläche veran— laſſenden, als Drüſenpolſter am weichen Gau— men maſſig entwickelten traubigen, gelblichen Schleimdrüſen. Kur. Gaumenſegel, weicher Gaumen, palatum pendulum, p. molle, velum palatinum, die die Mundhöhle von der Rachenhöhle trennende, bei einigen Säugethieren in kegelförmiges Zäpfchen (uvula) ausgezogene bewegliche Schleim— hautfalte, welche an der hinteren Grenze des knöchernen Gaumens herabhängt. Kur. Gavialidae. Familie der Crocodilina. sent. Gavialis Oppel (Ramphestoma Wagl., Ramphoquathus C. Vogt), Gattung der Ga- vialidae; von den Gattungen Alligator und Crocodilus dadurch unterſchieden, daſs der Zwiſchenkiefer ſtatt zweier tiefer Gruben zwei Ausſchnitte zur Aufnahme der beiden vorderſten Unterkieferzähne beſitzt. Ohne Bauchſchilder. Rückenpanzer continuierlich. Schnauze ſehr lang und ſchmal. Schwimmhäute vorhanden. Hieher u. a. G. gangeticus Geoffr. mit 28—29 Zähnen oben, 25—26 unten. Oſtindien. Kur. Gayer, Johann, Chriſtian, Karl, Dr. oec. publ. h. e., geb. zu Speyer am 15. October 1822, Sohn des dortigen Kreisarchivars, erhielt ſeine allgemeine Vorbildung auf dem Gymna— ſium und Lyceum zu Speyer und ſtudierte als— dann 1840—1842 an der polytechniſchen Schule zu München Mathematik und Naturwiſſenſchaft zwar ohne ausgeſprochene Abſicht zu einem beſtimmten Beruf, aber mit ſtets wachſender Vor— liebe für die Naturwiſſenſchaften. Das Vermögen, welches Gayer damals nach dem frühzeitig erfolgten Ableben ſeiner Eltern zur Verfügung ſtand, reichte jedoch nicht hin, um ſeine Studien in dieſer Weiſe fortzu— ſetzen, und zwangen ihn ſich einem Berufe zuzu— wenden, der ihm möglichſt bald die nöthigen Subſiſtenzmittel gewähren konnte. In jener Periode war Mangel an jungen Forſtleuten und viele der unterſten Dienſtesſtellen in der Pfalz unbeſetzt; Gayer entſchloſs ſich deshalb, den Wald als ſeinen Wirkungskreis zu wählen. Da zu jener Zeit Forſtſchulen in Bayern nicht beſtanden und ihm die Mittel zum Beſuch auswärtiger Lehranſtalten fehlten, ſo wurde Gayer, ohne forſtwiſſenſchaftlichen Unterricht ge— noſſen zu haben, als Aſpirant zum Forſtfach zugelaſſen und erhielt feine praktiſche Ausbil- . — Gayer. a — 伂Em.ʒ. èð᷑§X7“éõL — —ñĩ́ꝝt̃— dung zunächſt beim Forſtamt Speyer und dann beim Forſtamt Langenberg im Bienwald. Mit ganzer Kraft und raſtloſem Fleiß ſuchte Gayer hier durch das Studium der forſtlichen Literatur in allen ihren Zweigen ſich raſch das nöthige theoretiſche Wiſſen anzueignen, wobei ihm na— mentlich der Umſtand zu ſtatten kam, daſs er an dem Forſtmeiſter des in der Mitte eines großen Waldes gelegenen Langenberges einen unterrichteten, hocherfahrenen Führer und Be— rather hatte, ſowie daſs der hochintereſſante Bienwald (vorherrſchend Laubholz mit bedeu— tenden alten Eichenvorräthen) eine endloſe Fülle von Anregung und das Mittel bot, ſich raſcher und ſicherer über die Gegenſtände der Forſt— wiſſenſchaft aufzuklären, als es vielleicht außer— dem der Fall geweſen wäre. Schon damals fühlte Gayer den lebhaften Wunſch auch noch andere Waldungen zu ſehen und durchwanderte einige Theile der Pfälzer Gebirgswaldungen ſowie des Schwarzwaldes; bereits hier bildete ſich bei ihm die Überzeu⸗ gung von der unendlichen Mannigfaltigkeit der Waldnatur und von der Dürftigkeit der zu jener Zeit angewandten Bemühungen, dieſelbe wiſſenſchaftlich in ein knappes Syſtem zu brin- gen, ohne Zurückführung auf die naturwiſſen⸗ ſchaftlichen Grundlagen. Am 2. December 1843 erfolgte ſeine erſte Anſtellung als Forſtgehilfe, im Sommer 1844 unterzog ſich Gayer der Coneursprüfung für den Staatsforſtverwaltungsdienſt, welche er mit Auszeichnung beſtand und deshalb ſchon 1845 zum Forſtamtsactuar ernannt, ſowie mit der primitiven Forſteinrichtung des Bienwaldes be— traut wurde. Letzteres war eine ebenſo um⸗ faſſende wie lehrreiche Aufgabe, welche inner- halb dreier Jahre zur vollen Befriedigung der vorgeſetzten Behörden gelöst wurde. 1848 wurde Gayer in gleicher Dienjtes- eigenſchaft an das Regierungsforſtbureau zu Speyer verſetzt. Wenn auch ſeine Thätigkeit daſelbſt vorwiegend dem inneren Forſtdienſte galt, ſo war der Aufenthalt in Speyer doch ſehr anregend durch den Umgang mit den dorti— gen Beamten und Profeſſoren, namentlich dem berühmten Mathematiker und Phyſiker Magnus Schwerd, dem Gayer bis 'zu deſſen Tod in freund⸗ ſchaftlicher Dankbarkeit nahe ſtand. Mit der Ernennung zum Revierförſter auf das Revier Meiſenheim am Berg am 11. Juni 1851 begann ein neues Leben. Die Rückkehr zum Wald, die ſelbſtändige Thätigkeit und der glückliche Umſtand, daſs ih am Sitz des naturforſchenden Vereines der Pfalz Gelegenheit zum Verkehr mit zum Theil ſehr namhaften Männern der Botanik und Geognoſie fand, ge⸗ währten in praktiſcher und wiſſenſchaftlicher Be⸗ ziehung neue und vielſeitige Anregung. Soweit es die dienſtliche Aufgabe geſtattete, betheiligte ſich Gayer an dem wiſſenſchaftlichen Treiben, welches in der Pfalz ein ſehr reges war; mit beſonderem Eifer folgte er dem damals be- ſonders durch Schacht eingeleiteten Aufſchwung der Pflanzen-Anatomie und Phyſiologie und fand in dieſem Studium Erholung von vielen dienſtlichen Verſtimmungen, welche hauptſächlich eine Folge des ununterbrochenen Kampfes mit — Gayer. der Bevölkerung um die Waldſtreu waren. Dieſer nöthigte ihn ſchließlich, auch die Preſſe zu benützen und in den Tagesblättern den da— mals in der ganzen Vorderpfalz aufs höchſte geſtiegenen Angriff auf den Wald nach Kräften öffentlich abzuwehren. Sein Bemühen war von Erfolg begleitet, da ihm ſchließlich die Ver— waltungsbehörden und die Regierung ſtützend zur Seite ſtanden. Nachdem die Miſsbräuche abgeſtellt und eine beſſere Ordnung angebahnt worden war, an welche ſich auch die Bevölkerung allmählich gewöhnte, geſtalteten ſich die dienſt— lichen Verhältniſſe ſo befriedigend, daſs G. daran dachte, ſich an ſeinem Wohnſitz eine feſte Niederlaſſung zu ſchaffen. Allein 1855 wurde er als Vertreter eines erkrankten Kreisforſt— meiſters nach Speyer berufen und erhielt während ſeines dortigen Aufenthaltes vom da— maligen Chef der bayriſchen Forſtverwaltung, dem Miniſterialrath von Waldmann, den Antrag, eine Profeſſur an der Forſtlehranſtalt Aſchaffen— burg zu übernehmen. Obwohl Gayer mit ganzem Herzen für die praktiſche Thätigkeit im Walde lebte und deshalb bereits 1847 einen Vorſchlag Klauprechts, als Repetitor nach Karlsruhe zu gehen, abgelehnt hatte, ſo bot dieſe neue Gelegenheit, ſich dem Lehrberufe zu widmen, ſoviel Verlockendes in ſich, dajs Gayer mit dem Vorbehalt, nach einer Reihe von Jahren wieder in den Verwaltungs- dienſt zurücktreten zu dürfen, annahm und am 2. September 1855 als zweiter Profeſſor der Forſtwiſſenſchaft nach Aſchaffenburg ging. Mit voller Kraft arbeitete ſich Gayer in ſeine neue Aufgabe hinein, conſtruierte ſich ſein Lehrprogramm innerhalb der ihm zugewieſenen Diſciplinen nach eigenem Ermeſſen und fand große Befriedigung im Verkehre mit der ſtudie— renden Jugend. Von großem Werte war die ihm nun gebotene Gelegenheit, verſchiedene Waldungen zu ſehen und theilweiſe durch wieder— holte Beſuche zu ſtudieren. Außer den zahl- reichen in der Nähe und Ferne alljährlich aus— geführten Excurſionen mit den Candidaten be— nützte Gayer alle Herbſtferien zu weiteren Reiſen innerhalb und außerhalb der deutſchen Grenzen. Wenn ſich auch viele dieſer Waldbegänge natur- gemäß auf flüchtige Beſuche beſchränken muſsten, ſo wurde doch eine größere Anzahl öfter, manche ſelbſt ſehr häufig beſucht. Zu den letzteren ge— hörten vor allem der Schwarzwald, die mittel— rheiniſchen und fränkiſchen Waldgebiete, ſowie mehrere Bezieke der Central- und Kalkalpen. Hier vor allem im Schwarzwald fand Gayer das reichſte Material zu anregenden Studien. So angenehm ſich damals die Verhältniſſe für G. durch ein Befriedigung in ſeinem Beruf und die Exiſtenz in dem ſchönen Aſchaffenburger-Lande geſtellt hatten, ſo fehlten doch auch Schattenſeiten nicht, zu welchen vor allem die immer mehr hinter den fortwährend ſteigenden Anforderungen zurückblei— benden Zuſtände der Forſtlehranſtalt gehörten. Letztere beſtimmten Gayer zu dieſer Zeit ſeine Rückkehr in den praktiſchen Dienſt von neuem anzuſtreben. Obwohl ſeine Anſprüche als be— rechtigt anerkannt wurden, ſo ſuchte man ihn doch durch Vertröſtungen auf die demnächſtige glückliches Familienleben, 267 Reorganiſation des forſtlichen Unterrichtes in Aſchaffenburg zu halten. Gayer ließ ſich be— ſchwichtigen und lehnte ſogar 1868 einen Ruf an die Univerſität Gießen ab. Leider verzögerte ſich die Verwirklichung ſeiner Hoffnungen um zehn Jahre! Infolgedeſſen er— ſtrebte Gayer noch wiederholt den Übergang in den Verwaltungsdienſt; doch die Wogen, welche die forſtliche Unterrichtsfrage damals ſchlug, wuchſen mehr und mehr an, die Sache kam zu den bekannten Verhandlungen in den Forſtver— ſammlungen, in beſonders berufenen Commiſ— ſionen und ſchließlich in den Kammern. Während dieſer letzten Periode des Aſchaffen— burger Aufenthaltes, welcher ſich für die eine Verlegung des forſtlichen Unterrichtes an die Univerſitäten anſtrebenden Profeſſoren durch Schmähungen und Kränkungen vonſeiten der dortigen Bevölkerung ſehr unangenehm geſtaltete, ſchrieb Gayer in vollſtändigſter Zurückgezogenheit den erſten Theil ſeines „Waldbau“, eine Arbeit, welche ſeiner innerſten, allein aus dem Studium des Waldes hervorgegangenen Überzeugung offe— nen und unverhüllten Ausdruck geben ſollte. Da die Kammern im Jahre 1876 die Ge— nehmigung zur Verlegung des forſtlichen Unter— richtes an die Univerſität München verſagten und deshalb in Aſchaffenburg eine proviſoriſche Anderung der unhaltbar gewordenen Zuſtände vorgenommen werden muſste, wurde Gayer die Direction der erheblich vervollkommneten Forſt— lehranſtalt übertragen. Als endlich nach langen Kämpfen im Jahre 1878 das erſtrebte Ziel, der forſtliche Univerſitätsunterricht, erreicht war, er— folgte die Berufung Gayers als ordentlicher Pro— feſſor der Productionslehre an die Univerſität München. Im Juli des gleichen Jahres war ihm von der ſtaatswirthſchaftlichen Facultät da— ſelbſt der akademiſche Doctorgrad honoris causa verliehen worden. Die freundliche Aufnahme der neu berufenen Profeſſoren von Seiten der Univerſität, die Lehrthätigkeit auf einem ſchon längſt gewünſchten Gebiet, der große Zudrang von Hörern, der geiſtig ſo anregende Einfluſs einer großen Stadt und die Atmoſphäre einer hochbedeutenden Univerſität wirkten neubelebend auf Gayer ein, welcher unter den wenig erfreulichen Verhältniſſen der Aſchaffenburger Periode in ſpäterer Zeit geiſtig ſowie infolgedeſſen auch körperlich ſchwer “ gelitten hatte, und der Münchener Aufenthalt geſtaltete ſich nach allen Richtungen, beſonders aber auf die Berufsthätigkeit äußerſt angenehm und befriedigend. Nach ſeinem Bildungsgang iſt Gayer in ſeiner Berufs wiſſenſchaft eigentlich vollſtändig Auto— didakt, dieſem Umſtande iſt es wohl zuzuſchreiben, daſs er ſeine auf unmittelbares Studium des Waldes geſtützte Überzeugung gegenüber den jeweils herrſchenden Schulen und dem Autoriäts— glauben aufrecht erhielt; dabei hegte Gayer jedoch allzeit eine große Verehrung und Dankbarkeit für jene große Reihe von Autoritäten, welche für den Wald gelebt, geſchrieben und gekämpft haben. Epochemachend iſt Gayer vor allem durch ſeinen „Waldbau“ geworden, welcher im ſchroffſten Widerſpruch ſtand zu der bis in die Mitte der 268 70er Jahre allgemein in hohem Anſehen ſtehenden Holzhauer- und Gärtnerwirthſchaft. Trotz der namentlich anfangs ziemlich lebhaft hervor— getretenen Oppoſition hat dieſe neue Richtung doch allenthalben äußerſt anregend gewirkt und gewinnt fortwährend an Verbreitung. Neben zahlreichen Journalartikeln hat Gayer folgende ſelbſtändige Werke verfasst: „Forſt— benutzung“ (1. Aufl. 1863, 6. Aufl. 1883), „Wald— bau“ (1. Aufl. 1880, 2. Aufl. 1882), „Die neue Wirtſchaftsrichtung in den Staatswaldungen des Speſſarts“, 1884; „Der gemiſchte Wald“, 1886. Schw. Gazella Blainv., Subgenus von Anti- lope Wagner. Hieher die gemeine Gazelle (G. dorcas Lichtenst). Kur. Gazellenziege, Varietät der Zwergziege. Kur. Geäber, das, ſ. v. w. Kirrung, vgl. äbern, anäbern; ſelten. Hochberg, Georgica curiosa, 1684, II., fol. 725. E. v. D. Geäfter, das, ſ. v. w. Afterklauen, Ober— rücken, ſ. d. „Wenn er (der Hirſch) das Erd— reich mit dem Geäffter, ſonſt auch Oberrücken genannt, berühret ...“ Döbel, I, fol. 96. — Großkopf, Weidewerkslexicon, p. 129. — Chr. W. v. Heppe, Wohlred. Jäger, p. 7. — Wildun⸗ gen, Neujahrsgeſchenk, 1795, p. 34. — Bech— ſtein, Hb f. Jäger, I., p. 2. — Laube, Jagd- brevier, p. 256. — R. R. v. Dombrowski, Edel- wild, p. 228. — Sanders, Wb., I., p. 16 a. E. v. D. Geäſe, das. J. Die Aſung des Wildes. „So er (der hirz) von einem gacz gaht vnd ſich geweidnet hat.“ Abh. v. d. Zeichen des Rothhirſches a. d. 14. Jahrh. Cgv. 2952, 14. — „Geäß.“ J. du Fouilloux. Überſ. Straſsburg 1590, fol. 18, 20 v. — Jag- vnd Weidwerckbuch, Frankfurt 1582, fol. 482. — „Geäß heiſſet die Nahrung des Rothwildprets, auch des Rehes und Ha— ſens.“ Täntzer, Jagdgeheimniſſe, fol. 11b. — „Der Hirſch gehet geſchwind zu Feld und trollet gegen das Geäße.“ Döbel, Ed. I, 1746, I., fol. 11. — „Rebhühner . .. fie fallen auf die Weide oder Geäß.“ Ibid., fol. 50. — „Vom Geäſſe der wilden Thiere und Vögel.“ Ibid., III., fol. 124. — C. v. Heppe, Aufricht. Lehr— prinz, pp. 40, 104, 131, 184, 287. — Groß- kopff, Weidewerkslexikon 129. — Chr. W. v. „Heppe, Wohlred. Jäger, p. 173. — Bechſtein, Hb. f. Jäger, I, p. 4. — Hartig. Lexikon, p. 213. — R. R. v. Dombrowski, Edelwild, p. 106. II. Das Maul der Hirſcharten. „Geäſſe heiſſet auch das Manl bei dem Roth- und Rehewildpret.“ Großkopff, 1. c., p. 12. — Bech⸗ ſtein, l. e. — Hartig, I. e. — Dombrowski, I. c., p. 4. — Vgl. Graſer. — Sanders, Wb., I., p. 52. E. v. D. Gebahn, das, ſelten für Loſung, Gelöſe; vgl. bahnen. „Der Unrath beim Rothwild heißt Loſung (bei Einigen Löſung, Gelöß, Ge— bahn).“ Bechſtein, Hb. d. Jagdwiſſenſchaft, I., p. 101. — Sanders, I., p. 69. E. v. D. Gebälk iſt die gewöhnliche Bezeichnung für alle Hölzer eines Gebäudes, die keine ge— ſchloſſene Decke bilden, während im allgemeinen unter einem Balken jedes wagrecht liegende Holz N Gazella. — Gebälk. verſtanden wird, welches die Beſtimmung hat, mittelſt ſeiner relativen Feſtigkeit ſein eigenes Gewicht oder mit dieſem auch noch eine fremde Laſt zu tragen. 8 Mehrere in einer Ebene liegende Balken bilden dann eine Balkenlage oder ein Ge— bälk. Im Weiteren unterſcheidet man bei einem jeden größeren Gebäude zu Wohnzwecken Zwi— ſchengebälke, d. i. jene Balken, die zur Her- ſtellung der Zwiſchenböden und des Fußbodens dienen, Dachgebälke, welche das oberſte Ge— ſchoß abſchließen und das Dachgerüſte zu tragen haben, und Kehlgebälke, d. i. ſolche Balken, die über dem Dachgebälke und in der Höhe des Daches ſelbſt angebracht ſind. Mit Rückſicht auf die Stellung der einzelnen Balken und deren ſpeciellen Zweck unterſcheidet man: Ganze Balken, d. i. ſolche, welche in einem Stück durch die ganze Balkenlage reichen und mit den Enden auf den Umfaſſungsmauern aufruhen; Stichbalken, welche nur mit dem einen Ende auf der Mauer aufruhen, während das zweite in ein anderes Gehölz der Balkenlage verzapft iſt; Wechſel (Trumpf oder Schlüſſel⸗ balken), welche keine Auflage haben und mit beiden Enden in ein anderes Gehölz verzapft ſind, während wieder ein Wechſel zwiſchen zwei a kurzweg als Balkenſtück bezeichnet wird; Gratbalken, welche in ſchräger oder diagonaler Richtung auf die Umfaſſungswände treffen und einen anderen Balken als Gtidj- balken aufnehmen, oder ſie ſind ſelber Stich— balken und heißen dann Gratſtichbalken; Bundbalken, welche für eine darunter- liegende Wand eine Pfette und gleichzeitig für eine darüberſtehende eine Schwelle bilden; Streichbalken, welche unmittelbar oder zum Theil auf dem Abſatz einer Scheidemauer ruhen; Wandbalken, welche den Abſchlußs einer Scheidemauer bilden; Giebelbalken, welche die letzten oder äußerſten Hölzer einer Balkenlage ſind und bei hölzernen Giebeln einen Bundbalken bilden. Liegt der Giebelbalken unmittelbar an der Giebelmauer, ſo heißt er Ortbalken und ge— hört er dem Dachgebälke an, ſo wird er als ein Dachgiebelbalken bezeichnet; Dachbinderbalken oder Binderbalken, d. i. jene Balken des Dachgebälkes, auf denen die Querverbindungen angeordnet ſind, welche als Träger des Dachgerüſtes fungieren; Gratkehlbalken, Gratkehlſtichbalken, Kehlſtichbalken, Kehldachbinderbalken, welche die gleiche Bedeutung im Kehlgebälke haben; Mauerlatten, welche unmittelbar auf den Umfaſſungsmauern aufliegen und den Balken als Aufleger dienen; Unterzüge, welche zur Unterſtützung von Balken dienen und nur mit ihren Enden auf- ruhen oder auch noch in Zwiſchenpunkten geſtützt werden; Träger, welche gleichfalls einen Balken ſtützen, aber über denſelben geſtellt ſind, indem Gebarungsausweis. — Gebäude. 269 der letztere an den Träger angehängt iſt und mit Schraubenbolzen darauf gefeſtigt wird. Fr. Gebarungsausweis (im Rechnungsweſen) iſt die ſyſtematiſch geordnete Darſtellung des Wirtſchaftserfolges, bezw. der geſammten Geld— gebarung für einen beſtimmten Verrechnungs— zeitraum. In der Regel iſt es der Rechnungs— abſchluſs eines ganzen Wirtſchaftsjahres, wel— cher, geordnet nach den verſchiedenen Einnahms— und Ausgabsrubriken, nach Schluſs des Jahres verfajst und als Gebarungsausweis vorgelegt wird; doch werden ſolche Ausweiſe zuweilen auch während des Rechnungsjahres als ſog. Rechnungs- oder Caſſaextracte verfaſst, um den Stand der Gebarung (des bisherigen Wirtichaftserfolges) entweder im Ganzen oder für einzelne Verrechnungszweige beurtheilen zu können. Als Grundlage des Gebarungsaus— weiſes dient die ſyſtematiſche Verrechnung im Haupt⸗ oder Rubrikenbuche, und es ſind dabei die die Rechnung des Vorjahres betreffenden ſowie die zum Wirtſchaftserfolge nicht gehörigen Poſten von den eigentlich wirkſamen und den Wirtſchaftserfolg des Gegenſtandsjahres betref— fenden Rechnungspoſten zu trennen. v. Gg. Gebäude, das, ſ. v. w. Bau oder Burg, ſelten. „Fuchs-Gebäue.“ Pärſon, Hirſchgerechter Jäger, 1739, fol. 71. — „Die Fiſchotter . .. bauen unter dem Waſſer ihre Gebäue.“ Ibid., fol. 72. — „Gebäu oder Gebäude, auch Haus, wird des Bibers Wohnung oder Aufent— halt genannt.“ Chr. W. v. Heppe, Wohlred. Jä— ger, p. 173. — Sanders, I., p. 92. E. v. D. Gebäude. Man unterſcheidet Wohnge— bäude, landwirtſchaftliche Gebäude und rechnet zu den letzteren die Scheuern, Schütt— käſten, Stallungen und Nebenanlagen. Wohngebäude können als bequem und zweckmäßig bezeichnet werden, wenn alle Wohn— räume eine entſprechende Größe erhalten und unter einander in einer einfachen und den Be— dürfniſſen der Schicklichkeit Rechnung tragenden Verbindung ſtehen. Die gewöhnlichen Wohn— räume erhalten eine Höhe von 35—4m und können 3 m als zuläſſig kleinſte Höhe gelten. Die Tiefe ſchwankt je nach der Beſtimmung des Gebäudes zwiſchen 5—7 m. Erhalten Gebäude einen Doppeltract, jo werden die Räume an der Gaſſenſeite (Gaſſentract) tiefer als jene gegen die Hofſeite (Hoftract) angelegt. Wohn— räume, deren Grundfläche 15 m? nicht über- ſteigt, heißen Cabinete; bei einer Grundfläche von 15—90 heißen ſie Zimmer, und bei einer ſolchen über 90 m? Säle. Unheizbare kleine Räume werden als Kammern bezeichnet, wäh— rend unter Alkoven jene Räume verſtanden werden, die an ein Wohnzimmer ſtoßen und von dieſem aus beleuchtet werden. Endlich wer— den Räume, deren Länge bedeutend größer als deren Tiefe iſt, Gallerien geheißen, während ſchmale und lange Räume, welche ausſchließlich der Communication dienen, Gänge genannt werden; in Wohngebäuden erhalten dieſelben eine Breite von 1˙3—2 m. Die Verbindung und Communication zwiſchen den einzelnen Geſchoſſen erreicht man durch die Stiegen und bezeichnet den Raum, wo letztere untergebracht ſind, als Stiegenhaus. Die Beleuchtung wird durch die Fenſter und die Communication zwiſchen den einzelnen Räumen mittelſt Thüren er— reicht. Als weitere Beſtandtheile einer Wohnung gelten noch die Küchen, Speiſe- und Vor— rathskammern und die Kellerräume. Nach den Zwecken der Küchen unterſcheidet man Koch-, Back⸗ und Waſchküchen. Die Küchen ſind möglichſt feuerſicher anzulegen, mit Steinplatten oder Ziegeln abzupflaſtern und erhalten ent— weder einen offenen Herd (75 em hoch, 1 m breit und 1˙3—1˙5 m lang) oder einen ge— ſchloſſenen Feuerherd (Sparherd) 75 cm hoch, 0˙7— Jm breit und 1˙3—2 m lang. Über dem offenen Herd ift in einer Höhe von 1.7 m ein Rauchmantel aus einem 15 cm ſtarken Gewölbe hergeſtellt, welches auf einem Balken (Mantel— baum) ruht. In den Backküchen bildet der Backofen und in den Waſchküchen der Waſch— keſſel den weſentlichen Beſtandtheil (j. Back— ofen). In kleineren Wohnungen werden die— ſelben in den gewöhnlichen Küchenräumen unter— gebracht. Die Vorrathskammern ſind, wenn möglich, zu wölben und zu pflaſtern und an der Nord— ſeite des Gebäudes mit entſprechender Beleuch— tung und Ventilation anzulegen. Die gewölbten Kellerräume kommen unter den Horizont, und wenn ſie als Eiskeller (Eis— gruben) dienen ſollen, müſſen ſie auch mit ſchlechten Wärmeleitern umgeben, etwas tiefer als die übrigen Keller gelegt und innen mit Holz verkleidet werden. Das Eis ruht auf einem hölzernen Roſte, unter welchem das Schmelzwaſſer abgeleitet wird (j. Eiskeller). Größenverhältniſſe und allgemeine Regeln bei Herſtellung von Wohnge— bäuden nach den Angaben von Jung. Die Sohle des Kellers iſt mindeſtens 30 cm über dem Grundwaſſerſpiegel anzulegen, im anderen Falle müſſen die Kellermauern und das Kellerpflaſter in Cement gelegt werden. Funda— mente müſſen 0˙9—4·0 m tief unter der Erd— oberfläche geführt werden und ſollen nach jeder Kante um 8 em breiter ſein als die daraufzu— ſtellende Mauer. Gewöhnliche Kellermauern, deren Höhe 4m nicht überſchreitet, werden nach jeder Seite um 8 em oder nach einer Seite um 15cm breiter als die Parterremauern bemeſſen. Der Fußboden des Parterres iſt mindeſtens um 30 em höher als das Straßenniveau und im Überſchwemmungsrayon um 15cm höher als die Hochwaſſerlinie zu legen. Gewöhnliche Mauerſtärken bei eben— erdigen Gebäuden: Hauptmauern aus Backſteinen 45 cm, aus Bruchſteinen 60 cm. In mehrſtöckigen Ge— bäuden: Hauptmauer des oberſten Geſchoßes für eine Zimmertiefe unter 6˙3 m 45 cm, über 6˙3 m 60 em. Bei Tramdecken kann die Hauptmauer zweier auf einander folgender Geſchoße die gleiche Stärke erhalten, während eine gleiche Stärke durch alle Stockwerke zuläſſig iſt, wenn gewölbte Decken (Oberböden) auf eiſernen Trä— 3 3 Be 8 270 Gebäude. gern angeordnet werden, ſonſt iſt die Mauer per Geſchoß nach abwärts um 15cm ſtärker zu beantragen. Mittelmauern erhalten bei Dippelböden 60 em, bei anderen Deckenconſtructionen und zweiſtöckigen Gebäuden 45 em, bei Gebäuden mit mehr Geſchoßen 60 em, bei Tramdecken in höchſtens zwei Geſchoßen und wo keine Schorn— ſteine vorkommen, 34 em Stärke durch alle Stockwerke. Scheidemauern zwiſchen Woh— nungen ſind in ihrer Stärke mit 30 em und zwiſchen einzelnen Räumen einer Wohnung mit 15 cm zu bemeſſen. Stiegenräume werden durch alle Stockwerke 45 cm ſtark angelegt. Feuermauern erhalten eine Stärke von 30 em, bei freiſtehenden oder vierſtöckigen Ge— bäuden im Parterre 45 cm und am Dachboden 15 em. Dachräume haben ſtets einen Eſtrich oder eine Pflaſterung zu erhalten, und wenn ſie länger als 30 m ſind, ſo ſollen ſie durch eine 15 em ſtarke, 25 cm über die Dachreſche hervorragende Brandmauer getrennt werden. Die Höhe der einzelnen Geſchoße iſt nicht ge— ringer als mit 25m zu bemeſſen. Für Stie— gen können folgende Verhältniſſe angenommen werden: Stufenhöhe 15cm, Stufenbreite 26-30 em, Stiegenbreite 0˙95—1˙25 m. Die Geſammthöhe eines Wohnhauſes ſoll bis zum Dachſaume 25 m nicht überſteigen. Landwirtſchaftliche Gebäude. Scheuern erhalten gewöhnlich eine Tiefe von 10—12 m und eine Höhe bis zum Geſimſe von 37 47 m. Fünfzehn Garben bedürfen einen Raum von 1'8m?, und wird auf 28 m Scheuerlänge eine 45—5˙5 m breite Tenne ge— rechnet. Die Scheuern werden entweder aus maſſiv gemauerten Wänden erbaut oder von Fachwerkswänden umſchloſſen, in welche dann Off— nungen (Mauerſchlitze) in einer genügenden An— zahl anzubringen ſind, damit die Luft durch— ſtreichen kann. Die Mauerſchlitze ſind jedoch der Feuerſicherheit wegen in horizontaler Rich— tung zu brechen. Die Tenne, aus Lehmſtrich hergeſtellt, wird von dem übrigen Raume (Banſe) durch Am hohe Holzwände getrennt. Die Scheunenthore find gewöhnlich 3˙4—3˙7 m breit und 34—4˙4 m hoch. Schüttkaſten (Getreidemagazine, Spei— cher) dienen zur Aufbewahrung des Getreides. Das Getreide darf höchſtens 60 em hoch auf— geſchüttet werden. Man rechnet per Hektoliter ein Raumerfordernis, Stiegen und Gänge mit inbegriffen, von 0˙4 m?, Die Tiefe der Gebäude ſchwankt zwiſchen 95 und 12°5 und die Höhe eines Geſchoßes zwiſchen 2˙6 und 3˙0 m. Schütt⸗ käſten ſollen möglichſt viele Fenſter erhalten, die mit Jalouſien oder Eiſengittern und Fen— ſterläden zu ſchließen ſind. Pferdeſtallungen müſſen derart ange— legt ſein, dafs genügender Raum, Schutz vor dem Einfluſſe der Kälte und Hitze, Licht und eine entſprechende Ventilation vorhanden iſt. Der Raum oder Stand für ein Acker- oder Zugpferd iſt mit der Breite von 28 —3 m und für Wagen- oder Reitpferde 1˙5—2 m breit und 3—3˙7 m lang zu bemeſſen. Bei einer ein— fachen Reihe der Stände genügt eine Gang- breite von 13-18 m, bei doppelter Reihe von 2•5—3˙0 m, während die Stallhöhe mindeſtens 34—4m betragen ſoll. Die Stallungen find zu wölben und gut zu beleuchten, wobei die Fenſteröffnungen mit gut ſchließbaren Fenſtern, indes nicht derart anzubringen find, dafs fie den Köpfen der Pferde unmittelbar gegenüber- ſtehen. Zur Ventilation empfehlen ſich Duft ſchläuche, die bis über den Dachfirſt empor— zuführen ſind. Die Pferdeſtände werden gepflaſtert; zweck— mäßiger noch iſt eine Bohlendielung (Be— brückung) aus quergelegten gefalzten Bohlen mit Offnungen zum Durchlaſſen des Harnes, der unter der Dielung auf dem geneigten Pflaſter in den Canal (Beutrinne) abfließt. Die einzelnen Stände werden entweder durch in Ketten hängende Balken (Streit— bäume, Lattierbäume) oder durch feſte Holzwände abgetrennt In gewöhnlichen Stal— lungen befindet ſich Am über dem Boden ein aus Pfoſten hergeſtellter fortlaufender Futter— barren und 45 em darüber die Heuleiter. In beſſeren Stallungen ſind Futterſchalen und Futterkörbe in Anwendung. Kuhſtallungen. Der Standraum für ein Rind mittleren Schlages iſt 1˙2 m breit und 275m lang, die Mittelgänge find mit 1˙9 m und die Gänge hinter den Kühen mit 1m Breite zu bemeſſen. Auch die Kuhſtallungen ſind möglichſt zu wölben und 3˙4—4 m hoch anzulegen. Die Stände werden entweder beto— niert oder erhalten ein hochkantiges Ziegel— pflaſter auf Beton. Auch finden manchmal Asphalt- und Ce— menteſtriche Anwendung. Hinter den Kuhſtänden ſind die Jauchrinnen, die mit den Jauchcanälen in Verbindung ſtehen, angebracht; dieſelben ſind aus Stein oder aus in Cement gelegten Ziegeln hergeſtellt. Die Stallthüren erhalten eine Breite von 13—1˙5 m; die Fenſter werden in einer Höhe von 15m über dem Boden an— gebracht. Die Futterkrippen beſtehen aus Holz, Ziegeln, Stein oder Eiſen. Im erſteren Falle ſind ſie entweder aus Pfoſten zuſammenge— ſchlagen oder aus einem ganzen Stamme ge— hauen, 30— 40 em breit, 18 —20 cm tief und ſtehen mit der oberen Kante 60 em über dem Boden. Steinkrippen erhalten eine Untermauerung. Zu den Stallungen gehören noch die Futter— kammern, deren Raum derart zu bemeſſen iſt, daſs auf ein Rind 0˙6 m? entfallen, und die Nebenanlagen, als Schupfen, Remiſen, Räume lichkeiten zur Aufbewahrung von Vorräthen und Milchkeller. Größen verhältniſſe für Nebengebäude und landwirtſchaftlichen Anlagen nach Mittheilungen von Jung. Pferdeſtallungen. Standraum ohne Krippe für ein ge— wöhnliches Ackerpferd 22— 25 m lang, 1˙25 m breit; für ein ſtarkes Ackerpferd, Kutſchen- und Wagenpferd 2·5—2˙8 m lang, inclufive Streit⸗ baum 14—1˙5 m breit; für das gleiche Pferd in einem Kaſtenſtande 2˙5—2˙8 m lang, 1˙9 bis 2:2 m breit; für ein ſehr ſchweres Pferd 3˙1 m lang, 1˙75 m breit, für eine Mutterſtute 3˙8 m Gebäude. lang, 3˙8— 54 m breit und für ein Fohlen in eigenen Ställen 4 ms. Gangbreite: in gewöhnlichen Ställen 1˙25—3˙0 m. Stallhöhe: für eine geringe Anzahl von Pferden 3˙0—3˙5 m; für 10—30 Pferde 3:5—4'5 m. Thüren: einflügelige 11—1˙25 m breit, 22—25m hoch; zweiflügelige 1˙25 - 1˙6 m breit, 22—2'5 m hoch. Fenſter: 1˙25—1·6 m breit, 0˙8—41˙0 m hoch; Fenſterparapethöhe 2—2˙5 m. Streitbäume: 10 m über boden. Holzkrippen: Boden 6˙5—8 em ſtark, Seiten 5—6°5 em dick, obere Weite 0˙31 bis 0˙34 m, untere 026m; Tiefe 0˙25 — 0.3 m, während die Kanten mit em breiten und 3 mm dicken Eiſenſchienen zu beſchlagen ſind. Eiſenkrippen: Wandſtärke 9—13 mm, 0˙5 m lang, O m breit und 04—0'23 m tief. Gemauerte Krippen werden mit Cement verputzt und dann abgeſchliffen. Höhe der Ober— kante der Krippe vom Fußboden für kleine Pferde 0-95 —11m, für große 1˙2—1˙5 m; Raufen ſind 30—40 em über den Krippen anzubringen. den Fuß— Pferdeſtälle ſind mit ihrer Hauptfront gegen Norden oder Weſten zu ſtellen. Rindviehſtälle. Standraum ohne Krippe: für einen Ochſen 2˙2—2˙5 m lang, 1125 m breit; für eine große Kuh 2—2˙3 m lang und 125—1'4m breit; für eine kleine Kuh 2—22 m lang und 1˙0—1˙2 m breit; für ein Jungvieh 1˙9 lang und 0˙9—1˙0 m breit; für ein Kalb in eigenen Ställen 14 — 16 ms. Gangbreite: Gänge hinter dem Vieh 125—20 m; Futtergänge mit doppelten Krip— pen und Schwellen 1˙9—2˙2 m, mit einfacher Krippe und Schwelle 1˙25—1˙5 m. Stalltiefe: 7˙2—9˙0 m bei Langſtellung in Doppelreihe, mit mittlerem Futtergang und zwei Düngergängen 13—17 m bei Querſtellung für 12 Rinder. Stallhöhe: 3:0 m für wenige, 3˙5 m für 15—30 Stück. Krippen: 08 m hoch über dem Fußboden; Steinkrippen 0˙4—0˙5 m und Holzkrippen 0°45 bis 0˙5 m breit, 023—0'31 m tief. Fenſterparapethöhe 20m und auf 4 m? Stallgrundfläche find 0˙2 m? Fenſteröffnung zu rechnen. Für eine Kuh iſt der Futterbodenraum— bedarf mit 14 ms zu veranſchlagen und 0˙4 bis 0˙6 me als Futterkammergrundfläche. Die Hauptfront der Kuhſtälle iſt nach Norden oder Weſten zu ſtellen. Schweinſtälle: Raumbedarf per Stück Ferkel 0˙5—0˙6 ms, für kleine Faſelſchweine 0˙8 m', für große Faſelſchweine 1˙0 ms, für Maſtſchweine 12—2˙0 ms, für Zuchtſäue 3°5 4˙0 m', für Eber 30—55m?. Die Stallhöhe it 25m. Der Fußboden beſteht aus Klinkern, hochkantig geſtellt oder aus 8 em dicken Bohlen. Auf den Futterraum iſt die Hälfte des Stall— raumes zu rechnen. Schweineſtälle ſind nach Süden zu ftellen: 271 Wagenremiſen für eine Kutſche 1˙6 bis 19m breit, 2˙8 m hoch, ohne Deichſel 3˙0 bis 40 m lang, mit Deichſel 6˙3 m. Für einen Erntewagen 1˙6—2˙2 m breit, ohne Deichſel 35m, mit Deichſel 6—7˙7 m lang; für einen Ackerwagen 2˙5—3˙2 m breit, 65m lang; für einen Schlitten 1˙9—2˙5 m lang, 0˙95—1˙6 m breit, und für eine Egge 1˙25 bis 1˙9gm lang, 1˙25—4˙4 m breit. Dem Remiſen— thore wird eine Breite von 2˙5, für Fracht- und Ackerwägen von 24m und eine Höhe von 35m gegeben. Heuſchupfen erheiſchen per 100 kg Heu einen Lagerraum von 1˙5 ms. Getreideſcheuern: Die Scheuertiefe be— trägt 11—14 m, die Höhe 4˙5—7˙0 m, die Länge höchſtens 6˙3 m; die Tennenbreite bei einfacher Bahn 315 —3˙8 m, bei doppelter 4˙4 bis 5˙0 m; die Banſe zwiſchen zwei Tennen iſt 13—15 em breit, zwiſchen Tenne und Ab— ſchluſsmauern 9—11˙5 m, die Tennwände 171 bis 1˙6 m hoch, die Tennhöhe 40 em über dem natürlichen Boden. Lehrſchlagtennen erhalten 30 em, Holztennen 8 em Stärke. Der Raum für Getreideſcheuern und Schüttböden wird nach dem durchſchnittlichen landwirtſchaftlichen Ertrage berechnet. Wintergetreide (Weizen und Korn) per Hektar 8— 12 Schock Garben 59—88'8 ms Raumerfordernis; Sommergetreide, u. zw. Gerſte per Hektar 13% Schock, Raumbedarf 6˙5 m per Schock; Hafer per Hektar 6 Schock à 6˙5 m Raumerfordernis; Hülſenfrüchte per Hektar 50 ms Raum; Wieſenklee per Hektar 75 ms Raum. Ausſaat und Ertrag per Hektar: Weizen oder Roggen 2˙2 hl F 27 „(6 —8fache Ausſaat GS 2˙7 0 Erbſen oder Bohnen 2˙2 „ 810 Wicken oder Linſen. 1˙6 „ 1 n Buchweizen 44 „20 8 8 C 11 „24 5 n 03 „24 5 5 Keren 194 „12—15 „ 75 Strohertrag per Hektar: ieee 1950—5500 kg genngeIe. 02, 980—5800 „ i e 1180-3140 „ 551 % engen: 1080-4320 „ Gewichtsverhältniſſe per Hektoliter: Weizen 70˙7—80˙9 kg Roggen 685 —78˙8 „ o 61:8—695 „ He A 43·•0—53˙7 „ Hülſenfrüchte . .. 85 5 Kartoffeln.. 59 N Wien 46 7 Kleeſamen .. 82 ; Fr. Gebäude, Geſetze für deren Errichtung. Bauvorſchriften für Oſterreich und für die ein— zelnen Kronländer insbeſondere: a) für Böhmen und die Hauptſtadt Prag: Bauordnung vom 11. Mai 1864, L. G. B. Nr. 20; Statthaltereiverordnung vom 31. Jän⸗ 272 ner 1876 über die Umrechnung der in der vor— genannten Bauordnung enthaltenen Maß- und Gewichtsgrößen. b) Iſtrien: Bauordnung vom 18. März 1874, L. G. B. Nr. 6; Statthaltereiverorduung vom 30. Jänner 1876, L. G. B. Nr. 4, betref- fend die Umrechnung der alten Maße. c) Kärnten ohne die Landeshauptſtadt Klagenfurt: Bauordnung vom 13. März 1866, L. G. B. Nr. 12; Verordnung der Landes— regierung betreffend die Umrechnung des alten Maßes vom 7. März 1876. d) Krain: Bauordnung vom 1. December 1875, L. G. B. XI. Stück. e) Mähren mit der Landeshauptſtadt Brünn: Bauordnung vom 20. December 1869, L. G. B. Nr. 1 ex 1870: Statthaltereiverord— nung vom 26. Jänner 1876, betreffend die Umrechnung der alten Maße in der Bauord— nung. Niederöſterreich ohne die Haupt- und Reſidenzſtadt Wien: Bauordnung vom 28. März 1866, L. G. B. Nr. 14; Landesgeſetz vom 20. De⸗ cember 1869, L. G. B. Nr. 1 ex 1870, enthal- tend die Erleichterung der Bedingungen für die Erbauung von Wohnhäuſern außerhalb Wiens; Landes geſetz vom 20. December 1869, L. G. B. Nr. 2 ex 1870, betreffend die Vorſchriften über Induſtriebauten außerhalb Wiens; Statthalterei— verordnung vom 4. Februar 1876, L. G. B. Nr. 3, umfaſſend die Umrechnung der alten Maße in den vorgenannten Geſetzen. ) Oberöſterreich mit Ausſchluſs von Linz, Wels und Steyr: Bauordnung vom 13. März 1875, L. G. B. VIII. Stück. h) Schleſien: Bauordnung vom 20. März 1867, L. G. B. Nr. 16. j) Salzburg ohne die Landeshauptſtadt: 1 vom 4. Auguſt 1879, L. G. B. Nr. 15. k) Steiermark ohne die Landeshaupt— ſtadt Graz: Bauordnung vom 9. Februar 1837, L. G. B. Nr. 3; Landesgeſetz vom 31. Auguſt 1864, L. G. B. Nr. 2, enthaltend einzelne Ab— änderungen des vorſtehenden Geſetzes; Landes— geſetz vom 12. März 1866, L. G. B. Nr. 6, betreffend induſtrielle Bauten; Landesgeſetz vom 22. Jänner 1872, L. G. B. Nr. 6, enthaltend eine Abänderung des § 87 der Bauordnung vom 9. Februar 1837; Statthaltereiverordnung vom 26. Jänner 1876, betreffend die Umrech— nung in das Metermaß. ) Vorarlberg: Bauordnung vom 27. Fe- bruar 1874, L. G. B. Nr. 17. Geſetzliche Bauvorſchriften für Städte: Czernowitz: Bauordnung vom 7. De— cember 1869. Graz: Bauordnung vom 23. Februar 1867, L. G. B. Nr. 13; Statthaltereiverord— nung vom 26. Jänner 1876, betreffend die Umrechnung der alten Maß- und Gewichts— größen. Innsbruck: Bauordnung vom 17. No— vember 1864, L. G. B. Nr. 64. Klagenfurt: Bauordnung vom 9. Fe— bruar 1872, L. G. B. Nr. 6: Verordnung der Landesregierung vom 7. März 1876, betref- Gebäude- oder Hausſteuer. fend die Umrechnung der alten Gewichts- und Maßgrößen. 105% neyg: Bauordnung vom 10. Jänner II. Linz, Steyr und Wels: Bauordnungen vom 13. März 1875, L. G. B. VII. Stück. Salzburg: Bauordnung vom 28. Jänner 1873, L. G. B. Nr. 9. Trieſt und ſein Weichbild: Bauordnung vom 13. Juli 1834. Wien: Bauordnung vom 2. December 1868, L. G. B. Nr. 24; Landesgeſetz vom 20. December 1869, L. G. B. Nr. 1 ex 1870, enthaltend Erleichterungen von Bedingungen für die Erbauung von Wohnhäuſern in Wien; Landesgeſetz vom 20. December 1869, L. G. B. Nr. 3 ex 1870, mittelſt deſſen die SS 36, 40, 42 und 56 der Bauordnung vom 2. December 1868 abgeändert werden; Statthaltereiverord— nung vom 4. Februar 1876, L. G. B. Nr. 3, betreffend die Umrechnung der alten Maße in den vorbezeichneten Geſetzen. Baugeſetze im Deutſchen Reiche. Vorſchriften für die Aufſtellung von Flucht- linien und Bebauungsplänen vom 28. Mai 1876. Bahnordnung für deutſche Eiſenbahnen untergeordneter Bedeutung vom 12. Juni 1878. Preußiſche Polizeiverordnung über die Abwen⸗ dung der Feuersgefahr bei den in der Nähe von Eiſenbahnen befindlichen Gebäuden und lagernden Materialien vom 20. Februar 1875. Anweiſung für die Ausführung der techniſchen Vorarbeiten bei Landesmeliorationen vom 13. Auguſt 1872. Preußiſches Reglement für die öffentlich anzuſtellenden Feldmeſſer vom 2. März 1871. Normen für die einheitliche Lieferung und Prüfung von Portlandeement, aufgeſtellt von dem königlich preußiſchen Mi— niſterium für Handel und Gewerbe und öffent— liche Arbeiten mittelſt Erlaſfs vom 10. Novem- ber 1878. Allgemeine Bedingungen, betreffend die Ausführung von Arbeiten und Lieferungen bei den Hochbauten der Staatsverwaltung im Reſſort des preußiſchen Miniſteriums der öffentlichen Arbeiten vom 24. Juni 1880. Grundſätze für das Verfahren bei öffentlichen Concurrenzen, aufgeſtellt auf der XV. Ver— ſammlung des deutſchen Architekten- und In- genieurvereines in Hamburg 1878 mit den auf der VIII. Abgeordnetenverſammluug zu Heidel- berg 1879 beſchloſſenen Abänderungen. Nor- malien auf dem Gebiete der Verblend- und Formſteinfabrication. Beſchloſſen auf der Ge— neralverſammlung des dentſchen Vereines für Fabrikate von Ziegeln 1879. Fr. Gebäude- oder Hausſteuer (Deutſch— land) iſt die directe Staatsſteuer von dem Reinertrage der Gebäude. Dieſelbe iſt, da ſie auf das durch vorhandene Schulden häufig ge— minderte Einkommen des Gebäudeeigenthümers keine Rückſicht nimmt, eine Objeet- oder Er⸗ tragsſteuer, welche als Subjeet- oder Per- ſonalſteuer nur dann in Betracht kommt, wenn neben den Ertragsſteuern noch eine Einkom- menſteuer (ſ. d.) beſteht. In Sachſen erfolgt die Beſteuerung der Gebäude nur in der Form dieſer Einkommenſteuer. Gebäudeſervituten. Die Trennung der Gebäudeſteuer von der Grundſteuer gehört in Deutſchland erſt unſerem Jahrhundert an und iſt inſoferne noch keine vollſtändige, als in jenen Fällen, in welchen der Ertrag eines Gebäudes nicht zu ermitteln iſt, an die Stelle der Gebäudeſteuer die Grund— ſteuer des überbauten Grundſtückes (area) tritt. So werden z. B. in Preußen nach dem Ge— bäude- und Grundſteuergeſetze vom 21. Mai 1861 die landwirtſchaftlichen Betriebsgebäude nur mit der Grundſteuer belegt, während die übrigen Gebäude nach beſtimmten Stufenſätzen der Gebäudeſteuer unterliegen, u. zw. die ge— werblichen Betriebsgebäude bis zu 2%, die Wohngebäude bis zu 4% des Reinertrages. Auch in Bayern (Hausſteuergeſetz vom 15. Auguſt 1828 nebſt Nachtrag vom 10. Januar 1856 und 19. Mai 1881) tritt dort, wo der Ertrag der Gebäude nicht auf Grund von wirklichen Mietbeſtänden zu ermitteln iſt, an die Stelle der Gebäudeſteuer die Arealſteuer, d. h. die Grundſteuer für Bauplatz und Hofraum bei Einreihung derſelben in die 30. Bodenclaſſe. In Frankreich beſteuert man Ställe, Scheunen, Keller u. ſ. w. nur nach der area, während von den übrigen Gebäuden zugleich Grund- und Gebäudeſteuer erhoben wird, wobei man die Grundſteuer nach dem Ertrage des Bauplatzes als beſtes Ackerland, die Gebäudeſteuer aber nach dem Mietertrage bemiſst. Von dem jährlichen Mietertrage müſſen, um die reine Hausrente zu erhalten, in Abzug kommen die Feueraſſecuranzprämie, die Koſten der Reparatur und ein Betrag für die all- mähliche Wertminderung des Gebäudes. Dieſe Hausrente beſteht dann aus der Baurente (building rent) oder den Zinſen des auf den Bau verwendeten Capitals und aus der Grund— rente des Bauplatzes. Die Einreihung eines Gebäudes in die entſprechende Mietertragsclaſſe des Tarifes er— folgt auf Grund der Angaben des Eigen— thümers und der Mieter durch die Schätzungs— commiſſion. Statt der Mieterträge legt man auch, wie in Württemberg und Baden, der Claſſification die Kaufpreiſe der Gebäude zu grunde, welche ſich aber wieder auf die Miet— erträge ſtützen und durch dieſelben zu contro— lieren ſind. Neubauten werden zur Hebung der Bauluſt öfter einige (in Bayern z. B. früher fünf) Jahre ſteuerfrei belaſſen. Staatsgebäude zahlen keine Gebäudeſteuer. Das Verzeichnis der ſteuerpflichtigen Gebäude einer Steuerge— meinde nebſt Angabe aller auf die Steuerpflicht bezüglichen Thatſachen nennt man Gebäude— ſteuercataſter. Verſchieden von der Gebäudeſteuer iſt die Miet⸗ oder Wohnungsſteuer, welche nur als eine nach den Mietzinſen bemeſſene Ein— kommenſteuer der Hauseinwohner erſcheint. Dieſe Mietſteuer kommt in Deutſchland als Staatsſteuer (als ſtädtiſche Abgabe jedoch z. B. in Berlin und früher auch in München) nicht mehr vor, wohl aber in Frankreich, wo ſie nach dem Geſetze vom 24. November 1798 und 21. April 1832 als contribution des portes et fenétres erhoben wird, in England ſeit 1851 als Abgabe von der Miete (früher Fenſter— Dombrowski. Eneyklopädie d. Forſt⸗ u. Jagdwiſſenſch. IV. Bd. 273 ſteuer) und in Belgien und den Niederlanden als Miet-, Fenſter- und Kaminſteuer. At. Gebäudeſervituten (servitutes praediorum urbanorum oder servitutes urbanae) find die zur Befriedigung der Bedürfniſſe eines Ge— bäudes beſtellten Servituten (ſ. a. Grubenrecht), im Gegenſatze zu den Feldſervituten (f. d.), bei welchen das herrſchende Gut ein ländliches Grundſtück iſt. Zu den Gebäudeſervituten gehören das Recht, ſein Gebäude in den Raum über dem angrenzenden Grundſtücke hineinragen zu laſſen (servitus projiciendi, beim Dache protegendi); das Recht, ein Gebäude auf eine fremde Mauer u. ſ. w. zu ſtützen (servitus oneris ferendi); das Recht, Balken in eine fremde Mauer einzulaſſen (servitus tigni immittendi); das Recht, das Regenwaſſer in Tropfen (servitus stillieidii) oder in einem Strahle (servitus fluminis aver— tendi) auf das Nachbargrundſtück abzuleiten, das Recht, unreines Waſſer und Unrath durch Canäle über ein fremdes Grundſtück abzuführen (servitus cloacae immittendae), oder eine Senk— grube an einer fremden Mauer zu haben (ser— vitus latrinae), und das Recht, die Nachbarn in ſonſt ungewöhnlicher Weiſe durch Rauch, Dampf u. ſ. w. zu beläſtigen. Die Gebäudeſervituten beſtehen ferner dem Nachbargrundſtücke gegenüber in dem Verbote, über eine beſtimmte Höhe zu bauen (servitus altius non tollendi), oder durch einen Neubau dem berechtigten Gebäude Licht und Ausſicht zu entziehen (servitus ne luminibus, ne prospectui officiatur). Die Grundſätze des römiſchen Rechtes gelten im weſentlichen auch in Deutſchland, nur hat man particularrechtlich (zZ. B. auch nach dem preußiſchen allgemeinen Landrechte) angeordnet, daſs neue Fenſter und Offnungen nach dem angrenzenden Grundſtücke nur mit Zuſtimmung des Nachbarn oder nur in einer gewiſſen Höhe angebracht werden dürfen. Fi Die bei den Forſtſervituten angegebenen allgemeinen Rechtsgrundſätze finden auch auf Gebäudeſervituten Anwendung. Eine Ausnahme von dem Grundſatze des römiſchen Rechtes, dal Servituten nicht zum Thun verpflichten, macht die servitus oneris ferendi, indem der Belaſtete von dem Berechtigten zur Unterhaltung der be— treffenden Mauer u. ſ. w. angehalten werden kann. Das preußiſche allgemeine Landrecht ver— pflichtet übrigens bei einer durch Zufall ent— ſtandenen Beſchädigung der ſtützenden Mauer den Berechtigten zur Unterſtützung ſeines Ge— bäudes und läſst eine Verpflichtung des Be— laſteten nur bei einer vertragsmäßig in ent— geltlicher Weiſe beſtellten Servitut zu. Dieſe Vorausſetzung dürfte auch der betreffenden Be— ſtimmung des römiſchen Rechtes als Grundlage gedient haben. Zum Verluſte der Gebäudeſervituten durch Verjährung genügt nicht, wie bei den Feldſer— vituten, die bloße Nichtausübung, ſondern es gehört zu ſolchem die usucapio libertatis, welche darin beſteht, daſs während der Verjährungs— zeit das belaſtete Grundſtück ſich infolge menſch— lichen Zuthuns (3. B. bei der servitus tigni immittendi durch Vermauerung des Loches für 18 274 das Einlaſſen des Balkens) in einem Zuſtande befand, welcher die Servitutübung unmöglich machte. Übrigens kennen neuere Geſetzbücher, welche, wie z. B. das preußiſche allgemeine Landrecht, zwiſchen Gebäude- und Feldſervituten keinen Unterſchied machen, die usucapio liber— tatis nicht. At. Gebeize, das, das zu beizende Wild; ſel— ten. „Mann ſol daz gebaiſſe ſuchen.“ Ein ſchons Buchlin von dem paiſſen . . . Straßburg 1509. E. v. D. Gebhard, Karl, geb. 4. Mai 1800 in Stuttgart, geſt. 4. Juli 1874 in Kanſtatt, be⸗ ſuchte das Gymnaſium zu Tübingen, beſtand 1813—1817 die praktiſche Forſtlehre im Revier Böblingen und ſtudierte 1817—1820 an dem mit der württembergiſchen Feldjägerſchwadron verbundenen Forſtinſtitut in Stuttgart. Seine praktiſche Schule machte Gebhard während der folgenden zwei Jahre auf verſchiedenen Revieren, ſowie bei den Forſtämtern Tübingen und Rott— weil durch. 1822 erfolgt ſeine erſte Anſtellung als Aſſiſtent am Forſtamt Rottweil, eine Stel- lung, in welcher er faſt 10 Jahre verblieb, er verwaltete aber daneben auch verſchiedene Ge— meinde-, Stifts- und Privatforſten. 1831 wurde Gebhard als zweiter Lehrer der Forſtwiſſenſchaft an die Akademie Hohenheim berufen, um Forſt— ſchutz, Forſtbenützung, ſpecielle Forſtbotanik, Forſt— geſchäftspraxis und Planzeichnen vorzutragen. Die Neigung für den praktiſchen Dienſt ver- anlajste ihn jedoch bereits 1833, dem Lehr— berufe zu entſagen und eine Ernennung zum fürſtlich Fürſtenberg'ſchen Forſtinſpector mit dem Wohnſitz zu Hüfingen, ſpäter zu Donau— eſchingen anzunehmen. 1851 wurde Gebhard Oberforſtrath in Donaueſchingen und trat 1861 wegen körperlichen Leiden in Penſion. Außerſt verdient als Leiter des fürſtlich Fürſtenberg'ſchen Forſtweſens, Verfaſſer vor— züglicher Dienftesinftructtonen für das badiſche Forſtperſonal, langjähriger Präſident und Haupt— förderer des badiſchen Forſtvereines. Von 1838 bis 1843 gab Gebhard gemeinſchaftlich mit Arnſperger eine forſtliche Zeitſchrift für Baden heraus, außerdem hat er zahlreiche größere und kleinere Arbeiten für Fachblätter geſchrieben. chw. Gebirgsbachſtelze, Motacilla sulphu- rea Bechst. Motacilla flava, Scop., Ann. I. Hist. Nat., p. 153 (1769, nec Linn.); Motacilla melanope, Pall., Reiſ. Ruſſ. Reichs III., p. 696 „Davuria“ (1776); Motacilla tschutschensis, Gm., Syst. Nat. I., p. 962 (1788); Motacilla boarula, Gm., tom. cit., p. 997 (1788, nec Scop.); Motacilla sulphurea, Bechst., Gemeinn. Naturg. Vögel Deutſchl. II., p. 459 (1807); Pallenura (M. melanope), Pall., Zoogr. Rosso- As. I., p. 500 (1811): Motaeilla einerea, Leach., Syst. Cat. M. et B. Brit. Mus., p. 22 (1816); Colobates, Kaup (Motacilla sulphurea Bechst.), Natürl. Syſt., p. 33 (1829); Motacilla mon- tium, Chr. L. Brehm, Vögel Deutſchl., p. 345 (1831); Budytes boarula, Eyton, Cat. Brit. Birds, p. 15 (1836, nee Scop.); Pallenura sulphurea, Bp., Cons. Gen. Av. I., p. 250 (1850); Pallenura javensis, Bp., tom. cit., p. 250 „Java“ (1850): Gebeize. — Gebirgsbachſtelze. Chr. L. Brehm, Vogelfang, p. 143 (1855); Mota- cilla rivalis, Chr. L. Brehm, ut supra (1855). Schwefelgelbe, gelbe, gelbbrüſtige, graue Bachſtelze, gelbe Bachſtelze mit ſchwarzer Kehle, Winterbachſtelze, Frühlingsbachſtelze, gelbe Waſſerſtelze, Stelze, gelber Stuferling, Früh— lingsſtuferling, gelbes Ackermännchen, Irlin. Engl.: Grey Wagtail; frz.: Bergeronette jaune; portug.: Alveloa amarella; ital.: Bal- lerina gialla, Cutrettola; malt.: Zakakta- del; ſchwed.: Gräärla; ruſſ.: Seraya tresoguska; ungar.: Kénes Billegeny; böhm.: Konipas horni; poln.: Pliszka wolarka; froat.: Gorska pastirica. Naumann, T. 87; Dreſſer, T. 41, 42; Fritſch, V. E., T. 17, Fig. 13, 14. Kennzeichen der Art: Die drei äußer— ſten Schwanzfedern ſind größtentheils weiß; die Schwungfedern zweiter Ordnung an der Wurzel auf beiden Fahnen weiß; der Rücken aſchgraulich; der Bürzel gelbgrün. Wenn auch in der Färbung der Schaf— ſtelze ähnlich, iſt die Körperbildung und die Lebensart der Gebirgsbachſtelze doch den Bach— ſtelzen ſehr gleich. Die Flügelſpitze (85—9 em) iſt ein wenig länger als der Schwanz mit 8 bis 8˙5 em. Die Geſammtlänge beträgt 19— 20 cm. Die Oberſeite iſt aſchgraulich, gewöhnlich mit etwas Olivengrün angehaucht, der Bürzel gelbgrünlich, die Unterſeite bei alten Vögeln ſchwefelgelb, bei jüngeren gelblich und bei Herbſtvögeln auf der Bruſt gewöhnlich röthlich— braun überlaufen. Kinn und Kehle find weiß, bei alten Männ— chen im Frühjahre und bei einzelnen alten Weibchen ſchwarz. Sie haben wie alle Bachſtelzen eine Dop— pelmauſer. Die Art lebt von Portugal bis zum ja— paniſchen Meere an den Gebirgsflüſſen und geht mit dieſen auch öfter, beſonders zur Win— terszeit in die Ebenen. Trotz ihrer großen Verbreitung läſst ſich keinerlei klimatiſche Abänderung nachweijen. Hierin ſteht ſie im entſchiedenen Gegenſatze zu ihren ſo formenreichen Verwandten. Im Winter begibt ſie ſich auch an den Fuß der Berge, ja bis in die Ebenen. Ein⸗ zelne überwintern auch in Deutjchland. Sie niſtet in ähnlichen Verſtecken wie die weiße Bachſtelze, baut ein ziemlich derbes Neſt, worin ſich ſchon im April das Gelege zur erſten Brut befindet. Dasſelbe beſteht gewöhn— lich aus 5 Eiern, welche 17mm lang und IA mm breit und auf gelblichgrauweißem Grunde mit kleinen, ſehr dicht ſtehenden, mattröthlich— braunen Flecken bedeckt ſind. Dieſelben ſind ſehr ſpitz und ähneln manchen Eiern der kleinen Form der Citronenbachſtelze außerordentlich. E. F. v. Hmr. Gebirgsbildung. Nach Credner find die Gebirge entweder durch Eroſion oder durch die Thätigkeit der Vulcane, oder durch Bewegungen der Erdrinde ſelbſt entſtanden. Man unterſcheidet danach: 1. Eroſionsgebirge. Dieſe ſind aus einer Motacilla montana, urſprünglich plateauartigen Ebene durch die thal— Gebirgshirſch. — Gebogenes Holz. 275 einſchneidende Thätigkeit fließender herausmodelliert worden. 2. Vulcangebirge. Sie werden durch das Hervordringen glutflüſſigen Geſteinmateriales aus der Erdtiefe und Anhäufung desſelben über dem Eruptionscanal gebildet, der Erdoberfläche alſo gleichſam paraſitiſch aufgeſetzt. 3. Tectoniſche Gebirge. Die Entſtehung derſelben läſst ſich auf die Bewegungen der Erdrinde und auf die damit verbundenen Um— geſtaltungen der urſprünglichen Erdoberflächen— contouren zurückführen. Die Mehrzahl der Hoch— gebirge gehört dieſer Claſſe an. Je nachdem die ſie erzeugenden tectoniſchen Vorgänge als Einbrüche der Erdkruſte oder als Faltung derſelben anzuſehen ſind, unterſcheidet man Bruchgebirge und Faltengebirge. Die erſteren entjtehen durch die Zerſpaltung eines Tafellandes und das Niederſinken einiger Bruch— felder, während andere ihr urſprüngliches Niveau behalten und als „Gebirge“ erſcheinen. Die Faltengebirge beſtehen aus Falten der äußerſten Kruſtenſchichten, welche durch Horizontalſchub in der Erdrinde erzeugt worden ſind. Die Urſache dieſes ſeitlichen erdperipheriſchen Druckes, welcher die Geſteinſchichten zur Faltung und Runzelung zwang, liegt ebenſo wie das Niederſinken bei den Bruchgebirgen in der fortdauernden Abküh— lung und der damit ſich ergebenden Contraction der Erdkernmaſſe Ahnlich wie bei einem aus— trocknenden Apfel die Haut desſelben allmählich zu groß wird, ſich runzelt und dem ſchwindenden Fleiſch nachſinkt, wird die Erdrinde für ihren Kern zu groß und ſtrebt infolge ihrer Schwere nach unten zu ſinken. Da ſie ſich aber wie ein geſchloſſenes Gewölbe verhält, ſo ſetzt ſich das centripetal wirkende Gewicht in einen tangen— tialen Druck um und erzeugt infolge deſſen an irgend einer weniger widerſtandsfähigen Stelle eine Falte, der bei weiterer Abkühlung eine ganze Reihe folgen können, ſo daſs Falte um Falte ſich legt. Eine Folge hievon iſt die fort— dauernde Verkleinerung der Erdoberfläche. — Faltengebirge ſind z. B. Jura und Alpen. Denkt man ſich die Falten dieſer Gebirge wieder aus— geglättet, ſo erhält man beim Jura einen Streifen von etwa 5100 m und bei den Alpen von 120.000 m, um welchen die Erdoberfläche ſich bei ihrer Bildung verkleinert hat. v. O. Gebirgshirſch, der, die typiſche Form des im Gebirge vorkommenden Rothhirſches, im Gegenſatze zu dem Auen-, Tieflands-, Berg- hirſch u. ſ. w. „Die Gebürg-Hirſche haben ein ſtarkes, ſchwarzes, aufrechtſtehendes Gehörn.“ Fleming, T. J., 1729, I., fol. 257. — „Der Gebirgshirſch tritt meiſt ſtumpfere, breitere Fährten, als der Tieflandshirſch.“ R. R. v. Dom⸗ browski, Edelwild, p. 97. E. v. D. Gebirgskarte iſt eine Karte, welche den Verlauf der Gebirge darſtellt. Sie fällt im Weſentlichen mit der Terrainkarte (ſ. d.) zu⸗ ſammen. Es iſt zweckmäßig, die Hauptwind— Gewäſſer richtung auf die Karte einzuzeichnen. Nr. Gebirgswäſſer, ſ. Wildbachverbauung. Mcht. Gebiß, das, in der allgemeinen Bedeutung als Sammelname für die Zähne (ſ. d.) des Haarraubwildes. „Biß oder Gebiß heiſſet das Maul eines Wolfes, oder Fuchſes oder aller Raubthiere.“ Döbel, Ed. I, 1746, I., p. 40. — Großkopff, Weidewerkslexikon, I., p. 129. — Chr. W. v. Heppe, Wohlred. Jäger, p. 173. — Bechſtein, Hb. d. Jagdwiſſenſch., I., p. 179. — Winkell, Hb. f. Jäger, III., p. 1. — Hartig, Lexik., p. 113. — Laube, Jagdbrevier, p. 176. — R. R. v. Dombrowski, Der Fuchs, p. 185. — Sanders I, p. 145. E. v. D Gebogenes Holz. Unter „Biegen“ des Holzes verſteht man jenen Vorgang, durch welchen das ſtangenförmige Holz eine bleibende Geſtaltsveränderung ſeiner Längenaxe erleidet, ohne daſs dabei die Bruch- oder Feſtigkeits— grenze überſchritten würde. Die Eigenſchaft der Elaſticität iſt auch am gebogenen Holze vor— handen. Das Holz hat im trockenen Zuſtande eine ſehr geringe Biegſamkeit, aber eine hohe Elaſti— cität; Bruch- und Elaſticitätsgrenze liegen ſehr nahe beiſammen Die Größe der Biegſamkeit iſt ſelbſtverſtändlich auch je nach der Art des Holzes verſchieden. Eſche iſt z. B. biegſamer als Eiche. Eine geringe dauernde Krümmung verſtand man ſchon vor langer Zeit dem Holze zu geben. Ein Stab, eine Platte, die auf der einen Seite erwärmt wurde, krümmt ſich von ſelbſt; beför— dert wurde, die Biegung noch dadurch, daſs man die dem Feuer abgewendete Seite mit Waſſer benetzte. — Endlich konnte man durch mecha— niſche Nachhilfe die Einwirkung des Feuers, d. i. das Entziehen der Feuchtigkeit auf der einen Seite mit der Zufuhr von Feuchtigkeit und der Verminderung der Wärme auf der anderen Seite noch vergrößern. Dieſes uralte Verfahren Holz zu biegen wird auch jetzt noch häufig angewendet, um Stock- und Schirmgriffe, Faſsdauben u. dgl. zu biegen, Brücken- und Schiffbauholz zu krüm— men (ſ. Faſsdauben). 5 Aber die mit dieſem Verfahren erzielten Ergebniſſe konnten doch nicht recht befriedigen, insbeſondere bereiteten etwas größere Abmeſſun— gen des Holzes ſehr große, oft ganz unüber— windliche Schwierigkeiten. Es iſt daher nur natürlich, daſs man jchon lange bemüht war das Holz in jeder beliebigen Dimenſion ohne große Kraftanwendung und langwierige Proce— dur zu biegen. Am Anfange unſeres Jahrhunderts (1810?) wurden in Vorarlberg, u zw. in Bregenz, durch den dortigen Wagner Melchior Fink Rad— felgen aus einem Stück gebogen. Die Erfindung Fink's wurde nicht unmittelbar weiter verfolgt. Im Jahre 1826 wurde eine Methode (nach Iſaak Sargent) bekannt, welche der Haupt— ſache nach darin beſtand, daſs das Holz in heißem Waſſer oder Waſſerdampf erweicht und in gekrümmte Model eingepreſst wurde, um hierauf im Schatten zu trocknen. Mit dieſem Verfahren wurden vornehmlich Radfelgen aus einem oder höchſtens zwei Eſchenholzſtücken hergeſtellt. In den Jahren 1830 bis 1840 begann der Möbeltiſchler Michael Thonet in Boppard einzelne Möbelbeſtandtheile aus zuſammenge— leimten und gekrümmten Furnieren herzuſtellen. 18 * 276 Bald darauf verſuchte er auch ganze Möbel, namentlich Stühle in dieſer Weiſe zu erzeugen: Eine Anzahl gleich breiter, dünner Lamellen (Furniere) wurden in flüſſigen Leim eingelegt und darin gekocht. Mit einer einfachen Vorrich— tung wurde hierauf raſch das L:mellenbündel in die beabſichtigte Geſtalt gebracht und ver— blieb in dieſer aufgedrängten Form ſo lange, bis der Leim vollſtändig getrocknet war. Je dünner die Lamellen waren, deſto ſtärker konnten ſie gekrümmt werden, aber eine um ſo größere Anzahl benöthigte man für eine beſtimmte Dicke. Dieſe Methode geſtattete jedoch nur Krüm— mungen nach ebenen Kurven. Die nach dieſem Verfahren hergeſtellten Möbel hatten natur— gemäß etwas Steifes, Gezwungenes in der äußeren Erſcheinung. Nichtsdeſtoweniger machten ſie bedeutendes Aufſehen, da ihre Leichtigkeit und Feſtigkeit die weniger ſchöne Form ver— geſſen ließ. N Thonet verſuchte, um dieſen Übelſtänden abzuhelfen, das Lamellenbündel, nachdem es gebogen worden war, nochmals zu zerſchneiden, u. zw. ſenkrecht zur Breite derſelben, die ein— zelnen Theile mit heißem Leim zu beſtreichen und einer Biegung nach einer zweiten Richtung zu unterwerfen. Dieſer Verſuch gelang nun zwar nach manchem Bemühen, machte aber viel Umſtände. Man kehrte daher zu dem erſten Verfahren inſoferne zurück, als man nur eine einmalige Biegung vornahm, dafür aber anſtatt der La— mellen dünne Stäbchen verwendete. Auch dieſer Vorgang lieferte keine ganz befriedigenden Ergebniſſe. Das Studium über das Biegen von Holz wurde daher wieder mit Lamellen aufgenommen, denen man durch ſchraubenartige Windungen allerlei Formen von Kurven zu geben verſuchte, was vollſtändig gelang. Stühle nach dieſer Art gefertigt waren z. B. im Café Daum in Wien bis zu deſſen Auflaſſung Decennien hindurch in Gebrauch. Einen Übelſtand hatten jedoch dieſe Er— zeugniſſe. Die Einflüſſe der Witterung, ſelbſt den Transport zur See vertrugen dieſelben nicht. Der Wunſch, die Möbelbeſtandtheile mög— lichſt einfach herzuſtellen und ſie auch der Feuchtigkeit ausſetzen zu können, wies ſtets auf ein Verfahren hin, das Biegen mit maſſiven Holzſtücken vorzunehmen. Sobald aber die Schiene oder Stange eine gewiſſe Dicke hatte, trat beim Biegen der Bruch auf der Außenſeite (Convex-Seite) der Krüm⸗ mung ein. Selbſt Einweichen in kaltem oder Kochen in heißem Waſſer, auch Behandlung mit Dampf (dämpfen) führten nicht zu dem gewünſchten Ziele, obwohl die Biegſamkeit des Holzes er— ſichtlich vermehrt wurde. Endlich wendete Thonet noch folgendes Mittel an: Auf die zukünftige Außen-(Convex-) ſeite der Krümmung des noch ungebogenen Holzſtückes wurde ein Streifen aus ſtärkerem Eiſenblech an mehreren Stellen durch Schrauben— zwingen feſtgeklemmt. Erſt dann begann das Biegen. Die äußerſten Holzfaſern konnten ſich um nicht mehr verlängern als der mit ihnen Gebogenes Holz. 3 — — — . •—ä—ů 4 ů —— u1.“j ð — — — o — feſt verbundene Blechſtreifen geſtattet; ander— ſeits mußte, damit die Biegung möglich wurde, ſich der geſammte Holzkörper zuſammenpreſſen, ſtauen u. zw. jene Holzfaſern am meiſten, welche am weiteſten vom Bleche entfernt an der con— caven Seite der Krümmung lagen. Bei doppelt- gekrümmten Strecken wendete man anfänglich zwei Blechſtreifen an; in neuerer Zeit lernte man einen Blechſtreifen ſo zu legen und zu befeſtigen, daſs er bei allen Krümmungen die convexen Theile des Holzes feſſelte. Ein geradwüchſiger, aſtfreier Rothbuchen⸗ Stammabſchnitt iſt das geeignetſte Hartholz für das Biegen von Möbelbeſtandtheilen nach dem Thonet'ſchen Verfahren. Der Bloch wird auf der Hirnfläche in entſprechend große Quadrate getheilt und darnach quadratiſche Stäbe heraus- geſchnitten. Der Stab wird nun zweckmäßig abgedreht (eigene Schablonendrehbank), in den Dampfraum gebracht und je nach ſeinen Dimen— ſionen 6—24 Stunden der Einwirkung naſſen Waſſerdampfes ausgeſetzt. Kaum aus dieſem Raum herausgenommen, müſſen ſchon die Blech— ſchienen aufgeſchraubt, der Stab mit oder ohne Zuhilfenahme von Maſchinen gebogen und ſo— fort in eine gußeiſene Form eingelegt werden. Alle dieſe Arbeiten müſſen binnen wenigen Minuten geſchehen ſein. In dieſer Zwangslage verbleibt nun das gebogene Holz, bis es voll— ſtändig getrocknet iſt; hierauf kann es mit den übrigen Theilen zuſammengeſetzt ein Möbel werden, politirt u. ſ. w. Ein Stuhl benöthigt heute 40 cm? Klotzholz. Die Jahresproduction der Thonet'ſchen Fabriken betrug ſchon im Jahre 1879 700.000 Stück Möbel, d. i. nahezu 30.000 ems. Schon in dieſem Jahre ſchätzte man die Geſammterzeugniſſe an Möbeln aus gebogenem Rothbuchengolz in Oſterreich auf ca. eine Million Stück. Dieſe Induſtrie beſchäftigt heute ca. 18000 Menſchen. In dem Artikel über Fäſſer und Faſsdauben iſt auf eine Reihe von Biegemaſchinen hinge— wieſen worden. Alle haben dasſelbe Princip, durch langſam aber ſtetig anwachſende Druck— kräfte die Biegung hervorzubringen. 1843 wurde die Biegmaſchine von Richard, Lenoir und Pe- titjean bekannt, welche zum Biegen von Bau— und Schiffsholz beſtimmt war. Das durch Dämpfen vorbereitete Holz wird auf die früher ſtark erhitzte eiſerne, gekrümmte Form aufge- legt und in der Mitte durch eine Klammer feſtgehalten. Die convex werdende Seite wird mit einem Blechſtreifen belegt und dann mit Schrauben an die Form angepreßt. Das ge— bogene Holz bleibt ſo lange in der Biege— maſchine, bis das Holz völlig getrocknet iſt. Eine andere Maſchine von Davidſon arbeitet in folgender Weiſe: Der kürzere Arm eines Hebels iſt nach der zukünftigen Krümmung des Holzes geſtaltet. Das Holz wird unter dem Hebel auf einem Tiſche aufgelegt, mit dem Blechſtreifen verſehen und dem erwähnten Hebelarm feſtverbunden. Durch Drehung des langen Hebelarmes mittels Kurbel und Zahn: räder wird das Holz gezwungen, der Bewegung zu folgen und ſich dabei feſt an den krummen Theil anzuſchließen. Gebräch. — Gebür. 277 Eine andere Maſchine von Edwin Kilburn hat den Zweck, Holzſtücke in jede beliebige Form zu bringen, dadurch daſs man dieſelben durch ſtarke Hebel endweiſe in Formen einzutreten zwingt, welche die gewünſchte Geſtalt beſitzen und das Holz fait vollſtändig umgeben, jo dass ein Brechen und Aufſpalten während des Biegens hintangehalten wird. — Auch Thonet hat in neuerer Zeit eine gute Biegmaſchine eigener Conſtruction gebaut. Dr. W. F. Exner „Das Biegen des Holzes“ II. rev. Auflage, Weimar 1880. Bernhard Friedrich Voigt. Er. Gebräch, das, auch Gebrech. I. Der Rüſſel des Wildſchweines, auch Wurf (. d.). „Der Rüſſel wird Gebreche ge⸗ nannt.“ Winkell, Hb. f. Jäger, I., p. 304. — Laube, Jagobrevier, p. 276. — Chr. W. v. Heppe, Wohlred. Jäger, p. 174. Hartig, Lexik., p. 477. Bechſtein, Hb. d. Jagdwiſſenſchaft, I., p. 145. II. Die Stelle, an welcher Schwarzwild gebrochen hat, . brechen und vgl. Bruch, Wuhl. Winkell, I. o. — Laube, 1. c. — Hartig, Lexik., p. 213. — Kobell, Wildanger, p. 479. III. Loſung der Rebhühner, ſelten. „Ge— breche nennt man die Excremente, welche man gewöhnlich im Lager findet. Dieſer Ausdruck wird auch von einigen ſynonym mit Lager ge— braucht.“ Winkell, 1. c., II., pp. 193, 292. — Sanders, I., p. 202. E. v. D. Gebrauch (usus) iſt nach römischen Recht das dingliche Recht, eine fremde Sache für den perſönlichen Bedarf auf längſtens Lebensdauer benützen zu dürfen. Durch dieſe Beſchränkung der Nutzung auf den Hausbedarf des Berech— tigten (usuarius) e ſich der Gebrauch von dem Nießbrauche (ſ. d.), bei welchem dem Nutznießer der vollſtändige Gebrauch und Frucht— genuſs der Sache zuſteht. Der Gebrauch iſt un— theilbar und darf an andere nicht überlaſſen werden. Derſelbe kann, wie der Nießbrauch, in Verhältniſſen des Familien- und Erbrechtes (3. B. zu gunſten eines Miterben) ſowie auch des öffentlichen Rechtes (z. B. der Gebrauch des Pfarrers an dem Pfarrwalde, des Beamten an der Dienſtwohnung) vorkommen. Ebenſo gelten die Rechtsgrundſätze des Nießbrauches auch für den Gebrauch. Koſten und Laſten trägt der Uſuar nur ſo weit, als er Vortheil aus der Sache zieht. Der Gebrauch an einem Walde iſt eine perſönliche Servitut, auf deren Ausübung die für Forſtſervituten 0. d.) geltenden allgemeinen und beſonderen Grundſätze Anwendung finden. Der Uſuar darf alle zur Befriedigung ſeines Hausbedarfes nöthigen Nutzungen aus dem Walde beziehen. At. Gebrauchshund, der, neuere, von Herze— wald, Weidmann, XV., p. 17, eingeführte Be— zeichnung für den Hühnerhund, ſoferne derſelbe nicht nur in ſeiner ſpeciellen Eigenſchaft als Vorſtehhund, ſondern auch zum Apportieren zu Lande und aus dem Waſſer, zum Stöbern und zur Arbeit auf Schweiß verwendet wird. Gebrauchs ſuche nennt man eine Prüfungs— ſuche, bei welcher die Hunde in den angedeuteten Richtungen geprüft werden. E. v. D. Gebrauchswert iſt der Grad der Tauglich⸗ keit eines Gutes, ſeinem Beſitzer bei der eigenen Anwendung einen Vortheil zu gewähren. Der Gebrauchswert wird gewöhnlich als Verbrauchs— wert und Erzeugungswert unterſchieden. Nr. Gebrech, das, j. Gebräch. E. v. D. Gebür (Oſterreich), iſt eine Abgabe, welche von Einzelnen oder einer Gruppe von Einzeluen als ſpecielles Entgelt eines ihnen vom Staate (oder einem Selbſtverwaltungs— körper) geleiſteten Dienſtes oder einer durch ſie verurſachten Ausgabe bei Ausübung einer Ver— waltungsthätigkeit in einer durch den Verwal— tungskörper einſeitig beſtimmten Weiſe und nor— mierten Höhe erhoben wird. Das Gebürenprin— cip befolgt daher den Grundſatz von Leiſtung gegen Leiſtung; die Gebür richtet ſich in ihrer Höhe theils nach dem Werte, welchen die Lei— ſtung für den Einzelnen hat, theils im umge— kehrten Verhältniſſe zu der Häufigkeit, mit wel— cher die Verwaltungsinſtitutionen benützt wer— den, theils nach der Koſtſpieligkeit des benützten Verwaltungsapparates. Im Gegenſatz zum Ge— bürenprincip ſteht das Steuerprincip, bei wel— chem z. B. die Leiſtung des Staates für den Steuerträger und die Gegenleiſtung des letzteren (die Steuer) einander nicht unmittelbar gegen— übergeſtellt werden, ſondern nur ein allgemeiner Rückerſatz der Steuer durch die Verwaltungs- einrichtungen (generelle Entgeltlichkeit, Pro— ductivität der Staatsausgaben) verlangt wird. Principiell ſollen die Gebüren finanziell keinen Reinertrag liefern, d. h. im Maximum die Koſten der Verwaltungseinrichtungen decken und nicht über den Wert hinausgehen, welchen die frag— liche Leiſtung für den Gebürenpflichtigen hat, allerdings eine unberechenbare Größe. Geht der Ertrag der Gebür über die Koſten der Inſti— tution hinaus, ſo iſt das Plus eine Steuer, häufig eine Verkehrsſteuer. So ſind z. B. die Immobilienübertragungsgebüren *) in Oſter— reich ein Gemiſch von Gebür (für Grundbuchs- thätigkeit und Rechtsſicherheit überhaupt) und von Steuer; letzteres inſoweit der Ertrag der Gebür die Koſten überſteigt, was in Oſterreich leider in hohem Grade der Fall iſt, aber nicht ſein ſollte. Je mehr die Allgemeinheit an der Benützung der gebürenpflichtigen Inſtitution durch den Einzelnen intereſſiert iſt, deſto nie— driger muſs die Gebür ſein, deſto weniger darf die Gebür Reinertrag liefern; ſie ſoll ſogar oft unter den Koſten bleiben, alſo paſſiv ſein, z. B. Juſtiz- und Unterrichtsgebüren. Die Gebüren aufzuzählen iſt unmöglich. Es gibt ſolche für die Beglaubigung gewiſſer That— ſachen (Legaliſierung, für Staats- und Ge— meindeangehörigkeit), Privilegien (Adelsverlei— hung, Orden, Titel, Patent); Gebüren der Rechts— pflege, darunter für ſtreitige und nichtſtreitige Rechtspflege (letztere insbeſondere Regiſtergebüren aller Art); Unterrichtsgebüren, Verkehrsgebüren (Münzweſen, Poſt, Telegraphen, Mauthen); dann Aufſichtsgebüren zum Zwecke der Verhütung von Gefahren, welche allerdings je nach ihrer *) Dieſelben ſtufen ſich nach der Dauer des Vorbe— ſitzes ab: bis zwei Jahre Vorbeſitz 1%, je zwei Jahre Vorbeſitz länger // mehr bis zu 2¼ͤ ̃%ù vom Werte bei einem Vorbeſitze von mehr als 10 Jahren, plus 25% Zu- ſchlag. Bei unentgeltlichen Übertragungen */z°/. bei Vor⸗ beſitz bis zu vier Jahren, 159 bei Vorbeſitz bis zu acht Jahren, darüber hinaus 1½%. 278 Höhe reine Gebüren oder gemijcht mit Steuern ſind (für Staatsaufſicht über Bergwerke, Forſte, Waſſerweſen); Erlaubnisgebüren (Jagd- und Fiſchereikarten, Waffenpaſs, Vogelfanggebüren *). Das Gebürengeſetz in Weſtöſterreich datiert vom 9./ 2. 1850, R. G. Bl. Nr. 30, das Ver⸗ hältnis zwiſchen den beiden Reichshälften iſt ge— regelt durch die Vdg. des Finanzmin. v. 2/10. 1868, R. G. Bl. Nr. 135. Die Zahlung der Ge— bür erfolgt unmittelbar oder (bei Beträgen unter 20 fl. regelmäßig) mittelſt Stempelmarken. Bemerkt mufs aber werden, daſs die Stempel— form eine Zahlung durchaus nicht als Gebür charakteriſiert, ſondern daſs eine ſolche Zahlung auch eine (gewöhnlich Verkehrs-) Steuer ſein kann, wie auch die Bezeichnung einer Abgabe als Gebür, Taxe u. ſ. w. noch nicht den Ge— bührencharakter der Abgabe erweist; Erbgebür iſt faſt ausnahmslos Steuer, obwohl ſie Gebür heißt u. ſ. w. Hohe Gebüreneinnahmen ſind regel— näßig ein Zeichen mangelhafter Finanzgeſetz— gebung. Mcht. Gebür (Deutſchland) iſt eine Abgabe Einzelner für durch ſie veranlaſste beſondere Leiſtungen des Staates auf politiſchem Gebiete, zum Unterſchiede von Einnahmen aus der wirt— ſchaftlichen Thätigkeit des Staates (z. B. aus Staatswaldungen, Bergwerken, Eiſenbahnen, Gewerben) und von den Steuern, welche all— gemeine Abgaben für allgemeine Leiſtungen des Staates ſind. Dieſelben ſollen einen Erſatz der dem Staate verurſachten Koſten gewähren, oder auch ein Entgelt für erlangte Vortheile bilden. Gebüren fallen an in der Rechtspflege, in der Verwaltung und durch die Nutzbar— machung der Regalien (ſ. d.). Als Gebüren aus der Rechtspflege er— ſcheinen die von den Parteien zu tragenden Gerichtskoſten (ſ. d.). Die in den einzelnen Zweigen der Ver— waltung anfallenden Gebüren ſind mannig— faltig und in den deutſchen Staaten in der ver— ſchiedenſten Weiſe geregelt. Es gehören hieher z. B. die Schul- und Unterrichtsgelder, die Prü— fungs- und Zeugnisgebüren, die Eintrittsgelder bei öffentlichen Sammlungen, die Paſsgebüren, die Jagdkarten, die Coneeſſionsgebüren, die Weg- und Brückengelder, die Gebüren für amt— liche Beglaubigungen u. ſ. w. Bezüglich der Gebüren aus Regalien kommen in Betracht das Poſtregal (f. d.), die Telegraphenanſtalten (ſ. d.), das Münz- regal (ſ.d.), die Schifffahrts- und Flößerei— abgaben (j. Flüſſe) und die Nutzungen in öffentlichen Flüſſen (ſ. Eis). Die Eiſenbahnen (ſ. d.) zählen nicht zu den Regalien, obgleich ſie den Charakter derſelben annehmen, wenn in einem Lande nur Staatseiſenbahnen vor— kommen. At. Gebür im Rechnungsweſen. Die im Hauptbuche der cameraliſtiſchen Rechnungsform nach Anordnung des Wirtſchaftsleiters vorzu— ſchreibenden einzelnen Rechnungspoſten werden als „Gebühr“ (auch als „Soll“ oder „Schul— *) Der V. G. H. hat mit Erk. v. 9./7. 1880, 8. 1261 erklärt, daſs die Vogelfanggebüren des Tiroler Vogelſchutz⸗ geſetzes vom 30./4. 1870, L. G. Bl. Nr. 37, taxativ aufge⸗ zählt ſind und nicht herabgemindert werden können. SSyyShſhyySyaaTEyST&yyy%0o f ff!!! . . oa Gebür. — Gebürenäquivalent. digkeit“) bezeichnet, welchen gegenüber die wirk— lich erfolgte Durchführung der betreffenden Ausgabe oder Einnahme als „Abſtattung“, „Iſt“ oder „Hat“ bezeichnet wird. Vgl. Buch— führung. 5 v. Gg. Gebürenäquivalent (Oſterreich). Als, Erſatz für die Erbſteuer, ſowie für die Beſitz— wechſelgebüren unter Lebenden haben in Oſter— reich gewiſſe Perſonen ein Gebürenäquivalent zu bezahlen. Für jede Beſitzdauer von je 10 Jahren haben (nach Tar. P. 106 Be des Ge— ſetzes v. 13/12. 1862) folgende Abgaben zu entrichten: „A. Stiftungen, Beneficien, Kirchen, geiſtliche und weltliche Gemeinden (auch Bezirk und Land), Vereine, Anſtalten und andere Cor— porationen und Geſellſchaften, deren Mitgliedern ein Antheil an dem Vermögensſtamme der Ge— meinſchaft nicht zuſteht; a) von unbeweglichen Sachen 3% vom Werte, b) von beweglichen Sachen 1¼% vom Werte. Hiebei iſt es gleichgiltig, ob dieſe Sachen Rente tragen oder nicht. Bei un— beweglichen Sachen wird die Gebür vom Brutto- werte (ohne Abzug von Schulden) bemeſſen (nach dem Erl. d. Finanzmin. v. 3./ 3. 1830, R. G. Bl. Nr. 184; ſ. Erk. d. V. G. H. v. 14./ 12. 1880, 8. 2483, Budw. Nr. 953; bei beweglichen Sachen vom Nettowerte (nach Abzug der Paſſiva) nach Erl. des Finanzmin. vom 10./2. 1863, 3. 5628 und vom 3./9. 1864, 3. 22.253.“ — „B. Actienunternehmungen und andere Er— werbsgeſellſchaften, deren Theilhabern an dem Hauptſtamme des geſellſchaftlichen Vermögens ein Antheil zuſteht, vom Werte der unbeweg— lichen Sachen 1½/.“ Dieſe Geſellſchaften wer— den für je 15 Jahre von der Gebür getroffen. Zu dieſen Beſtimmungen exiſtiert die Vollzugs- vorſchrift des Finanzmin. vom 20/12. 1862, R. G. Bl. Nr. 102; über die Einbekennung der pflichtigen Immobilien der Erl. d. Finanzmin. v. 30./3. 1852, 3. 17071. Befreit von dem Gebürenäquivalent ſind ſolche Immobilien, deren Genuſs mit anderen Immobilien untrennbar verbunden iſt, dann jene, welche von der Grund- und Gebäudeſteuer (dauernd, aus dem Titel der Widmung) befreit ſind, die zum Gottesdienſte gewidmeten Mobi- lien und die der Stiftungen zu Unterrichts-, Wohlthätigkeits- und Humanitätsanſtalten, ſo— wie Inhaber von Beneficien unter 500 fl reinem Jahreseinkommen. Die Zahlung des Gebürenäquivalents hat (nach Geſetz v. 18./3. 1872, R. G. Bl. Nr. 33) in vierteljährigen Anticipativraten zu ge— ſchehen. Bei Bemeſſung des Gebürenäquivalentes kann die Frage auftauchen, welche Sachen un— beweglich und welche beweglich ſind; dies wird beſtimmt u. a. durch das a. b. G. B. ($ 293 ff) und durch politiſche Vorſchriften (ſ. Sache). Durch Erl. d. Finanzmin. v. 21/1. 1861, R. G. Bl. Nr. 16 wurde bekanntgegeben, dajs der Wert des den Gemeinden zuſtehenden Jagdrechtes dem Gebürenäquivalente unter— liege, und durch das Erk. d. V. G. H. v. 16/5. 1883, 3. 1112 (Budw. Nr. 1766) conſtatiert, daſs von dem Gemeindejagdrecht „jener Wert— antheil, der auf den Beſitzumfang der Ge— meindeinſaſſen fällt, als beweglich, der Wertan- Geding. — Gefälle. theil, der auf den Grundbeſitz der Gemeinde entfällt, als unbeweglich“ zu behandeln und demnach mit 1½, bezw. 3% zu belegen iſt. Von jenem Theile des Pachtſchillings, der auf nicht dem Gebürenäquivalente unterliegende Perſonen fällt, kann das Gebürenäquivalent nicht abgenommen werden (Erl. d. Finanzmin. v. 9./4. 1862, Z. 16.077). Nach Geſ. Art. XXVI vom Jahre 1881 (Geſetz v. 15./4. 1881) $ 22 ff. gelten in Ungarn folgende Normen: Bezüglich jener Beneficien und Stiftungen, deren Verleihung von Sr. Maje— ſtät oder der Regierung abhängt, ferner bei Senioraten vom Werte des unbeweglichen Ver— mögens 0˙5% und vom reinen Werte der zum Stammvermögen gehörigen beweglichen Güter 0•2% ; für alle übrigen juriſtiſchen Perſonen, deren Mitglieder am Stammvermögen keinen Eigenthumsantheil haben, vom Werte des un— beweglichen Vermögens 0˙4% und vom reinen Werte der zum Stammvermögen gehörigen Mo— bilien 02%; für jene Actien- und anderen Er— werbsgeſellſchaften, deren Mitglieder an dem gemeinſchaftlichen Stammvermögen einen An— theil haben, 02%, vom Werte des unbeweglichen Vermögens. Als Wert gilt (ohne Grundent— laſtungsbetrag) die 10fache Grundſteuer, bezw. die 60fache Hauszinsſteuer; ſind Regalbeneficien mit den Liegenſchaften verbunden, iſt noch der 20fache Betrag des für die Rentenſteuer als Grundlage genommenen Ertrages zuzurechnen. Der Wert der Hausclaſſenſteuerobjecte und des beweglichen Vermögens wird durch Einbekennt— niſſe der Partei oder amtliche Schätzung fixiert. Befreiungen der Hauptſache nach wie oben; bei Beneficien Minimaleinkommen von 400 fl., ferner Fabriksgebäude. Beſitzſtand und Ver— änderungen der pflichtigen Objecte ſind (nach t § 23 t) anzumelden. } Mcht. Geding. Die Verträge oder Übereinkommen, mittelſt welcher die nicht in Taglohn auszu— führenden Arbeiten der Holzgewinnung und Lieferung oder auch die weitere Bearbeitung des Holzes (Bezimmerung, Verkohlung 2c.) den Waldarbeitern übertragen und die Ein— heitslöhne hiefür feſtgeſtellt werden, führen beſonders in Oſterreich zumeiſt die Bezeichnung als „Gedinge“. Ein Geding iſt daher ein Lohnvertrag (Arbeitsaccord) und Arbeit „im Gedinge“ iſt die Arbeit gegen Stücklohn gegen— über jener im Taglohne. Vgl. Accord und Lohn. v. Gg. Gefährte, das, Sammelname für mehrere Fährten, ſ. d. Onomat. forest. I., p. 1006. E. v. D. Gefälle iſt der relative Höhenunterſchied zwiſchen zwei gegebenen Punkten. Man drückt denſelben entweder in Procenten der horizon— talen Entfernung beider Punkte oder durch einen Winkel aus, den die Verbindungslinie der Punkte mit der horizontalen einſchließt. Eine unter dem Winkel von 45° anſteigende Berg— lehne hat ſomit ein Gefälle von 100%. Bei Eiſenbahnen wird der ſenkrechte Fall einer Bahnſtrecke von Um in Millimetern angegeben und man ſpricht dann von einem Gefälle von 25, d. h. 1000 m Bahnſtrecke in der horizontalen Projection haben eine Anſteigung von 25 m 279 oder Um von 25 mm. Endlich kann das Gefälle auch durch Gegenüberſtellung jener Bahnlänge in der horizontalen Projection ausgedrückt werden, welche eine Anſteigung von 1 m enthält; man ſpricht dann von Gefällen 1: 50, 1: 400, 1: 200, d. h. auf eine Bahn- oder Wegſtrecke von 30, 100, 200 m ijt der relative Höhen— unterſchied Am (j. Abdachung). Gefälle in Erdgefährten. In glatten Rinnen mit einem Gefälle von mindeſtens 20% werden ohne beſondere Verbeſſerungen und Ver— bauungen der Gleitſtrecke lange, ſchwache Hölzer ſelbſtthätig gleiten; für Blochhölzer (Klötze) und kürzere Bauholzſtücke gehört ein Gefälle von 20—40%,, während eine Rinne mit 60% Ge— fälle ſchwache Brennholzſcheiter ſelbſt im trocke— nen Zuſtande weiter gleiten läſst. Ries wege. Die Grenzen, zwiſchen denen das Gefälle ſchwanken darf, können im Mini— mum mit 5, im Maximum mit 50% angenommen werden. Die Anfangs- oder Einkehrſtrecke muſs mindeſtens 15—20%, die Endſtrecke 0—5% Gefälle erhalten. Am vortheilhafteſten ſtellt ſich der Betrieb auf einem Rieswege bei einem Durchſchnittsgefälle von 15—20%. Nach den Erfahrungen im Schwarzwalde entſpricht für Rieswege mit Sommerbetrieb ein Durchſchnitts— gefälle von 15— 20%, für Winterbetrieb ein ſolches mit 10-15%, Rieswege, deren Durſchnittsgefälle bis 2%, herabſinkt, müſſen beeiſet ſein, wenn Stämme ſelbſtändig gleiten ſollen. Holzrieſen. Das beſte Gefälle für eine Haupt oder Eisrieſe ſind für die oberſten 4 —5 Fach 8— 12%, für die weiteren 20—25 und für das Endſtück unter der Vorausſetzung, dass die geſammte Rieſe nicht mehr als 100 —120 Fach hat, 2— 3% Hat jedoch die Rieſe mehr als 100—120 Fach, dann wird das zweite, eventuell dritte u. ſ. w. Theilſtück unter dem gleichen Ge— ſetze erbaut. Scheitholzrieſen ſind bei einem Gefälle von S— 27%, im beeisten, bei 15—40% im naſſen und bei 40—60% im trockenen Zu— ſtande zu benützen. Nach den Erfahrungen in Bayern (ſ. Dar— ſtellung der Holzbringungsmittel) iſt das zweck— mäßigſte Gefälle einer Holzrieſe für Langholz 20 23%, Hohlholz 30—35% und für Scheit— holz 40-50%. Waſſerrieſen. Das beſte Durchſchnittsge— fälle derſelben iſt 4— 6% (zuläſſig höchſtens 10%) und bei Zuleitungsrieſen auf Länd— plätzen 12%. Drahtrieſen ſollen nicht unter 30° und nicht über 60° Steigung oder Gefälle geführt werden. Drahtſeilrieſen müſſen eine Steigung oder ein Gefälle von mindeſtens 6° erhalten. Winterzug⸗ und Schlagwege. Schlitt— wege an ſonnſeitigen Berghänden erhalten 6 bis 12%, ſolche an ſchattſeitigen Hängen 815%, Karrenwege 6— 12%, Schlagwege bei gleich— zeitiger Verwendung als Rieswege 15— 20%, Schlagwege für Zugthiere und Sommerbetrieb 10—15% und Schlagwege für Schlagſchlitten 30-40%, In ſelbſtthätiges Gleiten kommt ein ge— ladener Handſchlitten auf einer glatten, unge— 280 ſchmierten Holzbahn bei einer Steigung von 21° oder 38%; werden die Kufen des Schlittens mit trockener Seife geſchmiert, jo iſt obiges ſchon bei einem Gefälle von 8° 41’ oder 15%, und wenn als Schmiere Talg angewendet wird, ſchon bei einer Steigung von 4° oder 7% der Fall. Auf einer guten Schnee- oder Eisbahn genügen Steigungen von 1—2° oder 2— 3%. Für Waldwege, auf denen Laſten nach bei— den Richtungen verkehren, ſind 20% das günſtigſte Gefälle, während 5, höchſtens 6% nur in Aus— nahmsfällen anzuwenden ſind. Werden Laſten nur nach einer Richtung befördert, jo ſind 15%, beim Winterbetrieb, 10% beim Sommerbetrieb als höchſtes Gefällsausmaß anzuſehen. Weg— krümmungen, Wenden oder Rampen erhalten ein Gefälle von 0˙5—- 3%. Straßen. Böckelberg empfiehlt für Wege im Flachlande 25— 3%, im Hügellande 3 bis 35%, in Berggegenden 3˙5—5%,q im Hoch— gebirge 5— 7%, Im Großherzogthume Baden iſt im Ver— ordnungswege das Maximalgefälle beſtimmt bei Hauptſtraßen mit großem Verkehre 5%, bei Seitenſtraßen 6%, bei Gebirgsſtraßen, die nicht zur Claſſe der Hauptſtraßen gehören, 8%, auf Wendeplatten (Kehren) 2%. Die Circularverfügung des preußiſchen Handelsminiſteriums vom 18. Mai 1871 be— ſtimmt als Maximalſteigungen in gebirgigen Gegenden 3%, im Hügellande 4%, im Flach— lande 25%. Nach Laiffle ſoll das Maximalgefälle bei Hauptſtraßen und der Ebene 5-6 /, im Ge— birge 7%, bei Vieinalſtraßen 6 —8% und bei Feld- und Waldwegen mit Thaltransport 10% nicht überſteigen. Waldbahnen ſollen ein Durchſchnittsge— fälle von 3—4% erhalten, das nur ausnahms— weiſe bis auf 5—6% erhöht werden darf. Das Rollbahnſyſtem Lo⸗-Preſti geſtattet Gefälle bis zu 8%. Das Drahtſeilbahnſyſtem Hodg⸗ ſon hat 20%, das Syſtem Müller 16 bis 17% und das Syſtem Siegel 25%, als äußerſte Gefällsmenge. Trift⸗ unb Floßſtraßen. Das beſte Ge— fälle einer Triftſtraße find / — 1 und einer Floßſtraße von 0˙2— 03%, Das Gefälle einer Floßſtraße ſoll 5% nicht überſchreiten (ſ. Floß— ſtraßen). Gefälle bekannter Flüſſe und Ströme nach Mittheilungen von Karl Sonklar Edler von Innſtädten: Flüſſe im Gebirge: Gefälle Reuß, Haſpenthal bis Flüelen .... 1: 36 Sill, Gries bis Innsbruck... 12 395 Otz, Zwieſelſtein bis Mündung .... 1: 465 EZ F N imrerinwii 14 86 Eiſack, Goſſenſaß bis Brixen. 1: 66 Ticino, Airolo bis Lago-Maggiore . 1: 69 Drau, Toblacherfeld bis Lienz ... . 1: 70 Rienz, Toblacherfeld bis Brixen... 1: 88 Adda, Bormio bis zum Comoſee . 1100 Rhein, Diſſentis bis zum Landquart . 1: 104 Save, Wurzen bis Krainburg 1130 Eiſack, Brixen bis Bozen 1:148 Rhone, Oberwald bis Genferſee ... 1:156 — A mmà—&7“!— 0— T— i——̃ ——L———¼ — —. ———— ̃ x.. ̃ — — — — Gefälle. — Gefangenhaltung. Gefälle Ziller, Mayrhofen bis Mündung . . . 1237 Inn, Finſtermünz bis Innsbruck. . . 1: 257 Salzach Wald bis St. Johann . . . . 1: 238 Inn, Sils bis Insbruck . ..... 1280 Inn, Sils bis Finſtermünz ... 1:301 Salzach, St. Johann bis Salzburg . 1: 367 Inn, Innsbruck bis Kufſtein ... 1:389 Rhein, Landquart bis Bodenjee ... 1:590 Etſch, Meran bis Trient ..... 12730 Flüſſe im ebenen Lande: Seine 1: 1.052 Inn, Kufſtein bis Paſſau ..... 15: 4.5 Po, Term bis Münduunng ... 1: 1.680 Elbe, Dresden bis Magdeburg . .. 1: 2.993 Elbe, Dresden bis zur Mündung .. 1: 4.776 Weichſel, Krakau bis zur Mündung. 1: 4.877 Donau, Wien bis Budapeſt .. .. 128730 Amazonas, Serpa bis Mündung .. 1: 1.722 Elbe, Magdeburg bis Mündung .. 1: 1.725 Theiß, Szolnok bis Szegedin .. 1: 9.060 Miſſiſſippi, St. Louis bis New— Orleans 144.000 Fr. Gefälle. Der durch ein Nivellement ge— fundene Höhenunterſchied zweier Punkte der Erdoberfläche heißt Gefälle (ſ. Nivellieren). Lr. Gefänge, das, das Gebiſs des Raubwildes, ſelten, vgl. Fang. „Der Luchs hat ein Gefäng und keine Zähne ebenſo vom Wolf, Fuchs und Dachs).“ Pärſon, Jäger, 1734, fol. 81, 82. — Bechſtein, Hb. d. Jagdwiſſenſchaft, 1. he Gefangenenbefreiung (Deutſchland) iſt nach dem Reichsſtrafgeſetze vom 15. Mai 1871 die vorſätzliche Befreiung oder die vorſätzliche Beihilfe zur Selbſtbefreiung eines Gefangenen aus der Gefangenanſtalt oder aus der Gewalt der bewaffneten Macht, des Beamten oder des— jenigen, unter deſſen Beaufſichtigung, Begleitung oder Bewachung er ſich befindet. Dieſelbe wird mit Gefängnis bis zu drei Jahren beſtraft. Der Verſuch iſt ſtrafbar. Das vorſätzliche Entweichenlaſſen oder die vorſätzliche Förderung der Befreiung eines zur Beaufſichtigung, Begleitung oder Bewachung anvertrauten Gefangenen wird bei einer Privat— perſon ($ 121) mit Gefängnis bis zu drei Jahren, bei einem Beamten ($ 347) mit Zucht⸗ haus bis zu fünf Jahren (bei mildernden Um— ſtänden mit Gefängnis nicht unter einem Monat) beſtraft. Die Förderung der Entweichung eines anvertrauten Gefangenen durch Fahrläſſigkeit iſt bei der Privatperſon mit Gefängnis bis zu drei Monaten oder mit Geldſtrafe bis zu 300 Mark, bei dem Beamten mit Gefängnis bis zu ſechs Monaten oder mit Geldſtrafe bis zu 600 Mark bedroht. Die Befreiung eines von einer Privat- perſon (3. B. dem Waldeigenthümer oder Jagd— berechtigten) auf friſcher That (s. d.) vor- läufig Feſtgenommenen iſt keine Gefangenenbe— freiung. Die Selbſtbefreiung eines Gefangenen iſt ſtraflos, ausgenommen den Fall einer Meu⸗ terei . d.). At. ended (Deutſchland) iſt die Freiheitsberaubung durch Einſperren in einem Gefängig. — Gegenruf. 281 hinlänglich umſchloſſenen Raum. Dieſelbe iſt eine berechtigte, wenn ſie in Ausübung eines Rechtes (z. B. Züchtigungsrecht, Nothwehr, vor— läufige Feſtnahme eines Verbrechers) oder einer Pflicht (3. B. Amtspflicht, Fürſorge für einen Geiſteskranken) erfolgt, eine widerrechtliche, wenn eine ſolche Veranlaſſung fehlt. Nach § 239 des Reichsſtrafgeſetzes vom 15. Mai 1871 wird derjenige, welcher vorſätz— lich und widerrechtlich einen Menſchen einſperrt oder auf andere Weiſe des Gebrauches der per— ſönlichen Freiheit beraubt, mit Gefängnis be— ſtraft. Wenn die Freiheitsentziehung über eine Woche gedauert hat, oder wenn eine ſchwere Körperverletzung des der Freiheit Beraubten durch die Freiheitsentziehung oder die ihm wäh— rend derſelben widerfahrene Behandlung ver— urſacht worden iſt, ſo iſt auf Zuchthaus bis zu zehn Jahren, bei mildernden Umſtänden auf Gefängnis nicht unter einem Monat zu er— kennen. Iſt in ſolcher Weiſe der Tod des der Freiheit Beraubten verurſacht worden, ſo tritt Zuchthaus nicht unter drei Jahren, bei mil— dernden Umſtänden Gefängnis nicht unter drei Monaten ein. Dieſe Beſtimmungen finden nach § 331 auch Anwendung auf Beamte, welche vorſätzlich, ohne hiezu berechtigt zu ſein, eine Verhaftung oder vorläufige Ergreifung und Feſtnahme oder Zwangsſtellung vornehmen oder vornehmen laſſen, oder die Dauer einer Frei— heitsentziehung verlängern. Es iſt hier jedoch mindeſtens auf Gefängnis von drei Monaten zu erkennen. Die Aberkennung der Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Amter auf die Dauer von 1—5 Jahren iſt zuläſſig. At. Gefängig, auch gefänge, adj. I. S. v. w. fängiſch, ſ. d., „Er muſs . die niedergeſchlagenen Maſchen und Schlingen wieder aufziehen, Alles wohl gefänge erhalten.“ C. v. Heppe, Aufr. Lehrprinz, p. 226. II. Vom Hunde — zum Fangen (. d.) aufgelegt. „Manchsmal, wenn die Hunde nicht wohl gefängig oder gar zu hoch ſind, ſtoßen ſie den Haſen, aber ergreifen ihn nicht.“ Fle— ming, T. J., 1729, fol. 308. III. S. v. w. biſſig. „Er (der Dachs) iſt ſonſten ein ſehr gefängiges Thier, daſs manchmal zwei Rüdenhunde mit einem Dachs viel zu thun haben.“ Pärſon J. c., fol. 69. E. v. D. Gefängnißſtrafe (Deutſchland) charak— teriſiert nach dem Reichsſtrafgeſetze vom 15. Mai 1871 die mit ihr bedrohten ſtrafbaren Hand— lungen als Vergehen. Der Mindeſtbetrag derſelben iſt ein Tag, der Höchſtbetrag fünf Jahre. In den der Landesgeſetzgebung über— laſſenen Strafſachen darf nur Gefängniß bis zu zwei Jahren angedroht werden. Die zur Gefängnißſtrafe Verurtheilten können in einer Gefangenanſtalt auf eine ihren Fähigkeiten und Verhältniſſen angemeſſene Weiſe beſchäftigt werden; auf ihr Verlangen ſind ſie in dieſer Weiſe zu beſchäftigen. Eine Beſchäftigung außerhalb der Anſtalt iſt nur mit ihrer Zuſtimmung zuläſſig. Die Gefäng— nißſtrafe kann ſowohl für die ganze Dauer, wie für einen Theil der erkannten Strafzeit in der Weiſe in Einzelhaft vollzogen werden, dajs der Gefangene unausgeſetzt von anderen Gefan— genen geſondert gehalten wird. Die Einzelhaft darf ohne Zuſtimmung des Gefangenen die Dauer von drei Jahren nicht überſteigen. Achtmonatliche Zuchthausſtrafe (ſ. d.) iſt einer einjährigen Gefängnißſtrafe, achtmonatliche Gefängnißſtrafe einer einjährigen Feſtungshaft (ſ. d.) gleich zu achten. At. Gefäß, das. J. Die Handhabe der blanken Waffen. „Auch jagt man . . . das Gefäß an einem Hirſch— fänger.“ Chr. W. v. Heppe, Wohlred. Jäger, p. 174. — Pärſon, Hirſchgerechter Jäger, 1734, fol. 75. II. S. v. w. Feſſel des Beizvogels, ſ. d. „Das lang gefeß.“ Eberhard Tapp, Weidwerk vnd Vederſpiel, 1540, I, I. — Nos Meurer Jag⸗- vnd Forſtrecht, Ed. I, 1560, fol. 91. E. v. D. Gefäßbarometer, ſ. Barometer. Lr. Gefäßſyſtem der Inſecten, ſ. Blutumlauf— ſyſtem. Hſchl. Geſege, das, der vom Gehörn oder Ge— weih abgefegte Baſt. „So er (der Hirſch) nicht geſtört wird, nimmt er das Gefege oder den rauhen Baſt wieder zu ſich und äßet es ab.“ Döbel, Ed. I, 1746, I., fol. 5. — Chr. W. v. Heppe, Wohlred. Jäger, p. 71. — Großkopff, Weidewerkslexikon, p. 41, 131. — Winkell, Hb. f. Jäger, I, p. 7. — Hartig, Lexik., p. 21. — Laube, Jagdbrevier, p. 276. — Sanders, I, p. 422. E. v. D. Gefeiſch, das, ſ. v. w. Schweiß, ſ. d. und iſch. Hohberg, Georgica curiosa, 1682, II, 1 E. v. D. Gefeißt, das, Nebenform von Feißt, ]. d. „ . . . Eines alten richtigen, jagdbaren Hirſches, der gut an Gefeiſte .. .“ Fleming, T. J., 1729. fol. 95. Sanders I., p. 429. E. v. D. Gefieder, das. x I. Sammelname für die Federn des Vogels. II. S. v. Federwild, ſelten. Aitinger, Jagd— und Weydbüchlein, 1651, p. 30, 62, 208. E. v. D. Geflügel, das, ſ. v. w. Federwild, auch in Zuſammenſetzungen, z. B. Auer-, Birkgeflügel u. ſ. w. Pärſon, Hirſchgerechter Jäger, 1734, fol. 114. — Bechſtein, Hb. d. Jagdwiſſenſchaft, II., p. 811. — Winkell, Hb. f. Jäger. I., p. 188. — Hartig, Lrxik. p. 47. E. v. D. Geflügelt, part., ſ. flügeln. E. v. D. Gefräß, das, ſ. v. w. Fraß. „Gefräß jagt man auch von dem Schwarzwildpret, wo es ſeine Nahrung genommen.“ Täntzer, Jagdge— heimniſſe, 1682, p. 11. — Fleming, T. J., 1729 Anh., fol. 107. — Chr. W. v. Heppe, Wohlred. Jäger, p. 100. — Laube, Jagdbrevier, p. 274. — Behlen, Real- und Verb.-Lexik., III., p. 107; VL, p. 228 und 224. — Sanders, I., p. 486. E. v. D. Aae fene die ſ. v. w. Contrafährte, Widerfährte; ſelten. Die Hohe Jagd, Ulm 1846, I., p. 353. E. v. D Gegennivellement, iſt dasſelbe wie Cou— trolnivellement (ſ. d.). ; Lr. Gegenreichniſſe, ſ. Forſtſervituten. At. Gegenruf, der, ſ. v. w. Contraruf. „Des Frühlings fängt er (der Haſelhahn) an zu 282 Gegenſchein. — Gehen. pfeifen, dadurch er mit Gegenruf von denen Jägern herbeygeruffen und geſchoſſen wird.“ v. Pärſon, Hirſchger. Jäger, 1734, fol. 86 b. — Sanders, Wb. II., p. 802 b. E. v. D. Gegenſchein. Zur Erleichterung der Con— trole wird bei Einzahlungen an die Wirtſchafts— caſſa in der Regel nicht immer von dieſer die richtig erfolgte Einzahlung durch einen Em— pfangsſchein beſtätigt, ſondern auch von Seite des Zahlenden eine Beſtätigung über die Höhe des eingezahlten Betrages ausgefertigt, welche Beſtätigung als Gegenſchein bezeichnet wird und der Caſſaſtelle als Beleg für die betref— ſende Empfangspoſt dient. v. Gg. Gegentrieb, der, Treiben zweier Fronten gegen einander oder Wiederholung eines Trie— bes in entgegengeſetzter Richtung. „Auf das gegebene Signal wird dann der Streiftrieb weiter fortgeſetzt, und entweder mit Prellnetzen oder mittelſt eines Gegentriebes abge— ſchloſſen . . .“ „Um das Ausbrechen des Wildes beim Gegentriebe möglichſt zu verhindern, können die Flügelwehren bei Ausführung des— ſelben durch die in der Front entbehrlich ge— wordenen Treiber verſtärkt werden.“ R. R. v. Dombrowski, Lehrb. f. Berufsjäger, p. 232. E. v. D. Gegenwind, der. „Gegenwind oder voller Wind wird vom Jäger genannt, wenn ihm auf ſeinen weidmänniſchen Verrichtungen der Wind ganz gerade entgegenkommt, welcher der beſte iſt und immer zu gewinnen geſucht werden muſs .. .“ Stephan Behlen, Real- und Verb.⸗Lexik. III., p. 235. E. v. D. Gehägel, das, ſ. v. w. Hagel, Schrot; ver— altet. Hohberg, Georgica curiosa, 1682, II., fol. 686 a. E. v. D. Gehalte der Forſtbedienſteten, ſ. Beſol— dung, v. Gg. Gehaltshöhe, ſ. Formhöhe. 8 Gehänge, das. S. v. w. Behang, ſelten. „Gehänge, auch Geläppe, nennen Einige die Ohren der Hunde.“ Chr. W. v. Heppe, Wohlred. Jäger, p. 175. II. „Auch wird das Jägerzeug, an welchem der Jäger das Hifthorn trägt, ein Gehänge genannt, und iſt demnach Eins, ob ich ſage: der Jäger hat ein koſtbares Jägergehänge oder er hat einen reichen Hornfeſſel und Kup— pel.“ Ibidem. — „Gehänge nennt man das Hornfeſſel und die Hirſchfängerkoppel.“ Hartig, Lexik., p. 214. — Laube, Jagdbrevier, p. 276. E. v. D. Geheck, das. I. Das Brüten, die Brut, das Neſt ver— ſchiedenen Federwildes, namentlich der Gänſe und Enten. „Andere (Vögel) kommen ... im Frühlinge bei uns an, bleiben den Sommer da, machen ihr Geheck. . .“ D. a. d. Winkell, Hb. f. Jäger I., p. CLXII. — „Sie (die wilden Gänſe) machen nur ein Geheck.“ Bechſtein, Hb. d. Jagdwiſſenſchaft I., 2., p. 154. — „Das Ge— hecke: die Geſammtzahl der in einem Neſt aus— gebrüteten Jungen.“ Wurm, Auerwild, p. 7. — „Geheck, Gehäck, Zug, auch Züget, alſo wird geſagt, wenn eine alte wilde Gans oder Ente viele Junge mit ſich führt.“ Chr. W. v. Heppe, Wohlred. Jäger, p. 175. — „Die von einer Mutter ausgebrachten Inngen werden, bis ſie ihre volle Flugbarkeit erreicht haben und dann den Ort, wo ſie unter der Obhut der alten Ente aufwuchſen, verlaſſen, unter dem Sammelnamen Geheck (Hecke) begriffen.“ D. a. d. Winkell, 1. c., II., p. 708. — Laube, Jagdbrevier, p. 277. — Sanders, Wb. I., p. 720 ; II. Ahnlich vom Raubwilde: „Geheck nennt man die jungen Raubthiere, die von einer Mutter zugleich geboren oder gewölft worden ſind, ſo z. B. ein Geheck Wölfe.“ Hartig, Lexikon, p. 214. — „Geheck nennt man die jungen Füchſe eines Wurfes.“ R. R. v. Dombrowski, Der Fuchs, p. 184. — Diezel, Niederjagd II., p. 136. — Sanders, J. c. E. v. D. Gehege, das. Allgemein ein gehegtes Re— vier und ſpecieller ein überdies noch eingefrie— detes (eingehegtes, ſ. Hag). „Gehege iſt ein Ort, da man dem Wild nichts thut und es da— ſelbſt heget.“ J. Täntzer, Jagdgeheimniſſe, 1682, fol. XIb. — Fleming. T. J., 1729, Anh., fol. 107. — „Haſen-Gehäge.“ „Sau-Gehäge.“ „Feld- oder Reb-Hühner-Gehäge.“ „Enten⸗ Gehäge.“ „Tauben-Gehäge.“ Döbel, Jägerprac⸗ tica, 1746, I., fol. 29, 129, 132; II., 231. — „Gehäge heißet ein ſcharf gehägtes Jagdrevier oder Jagdflur, darinnen .. . das Wildpret ... geſchont wird.“ C. v. Heppe, Aufr. Lehrprinz, p. 256, 132, 287. — Großkopf, Weidewercks⸗ lexicon, p. 131. — Chr. W. v. Heppe, Wohlred. Jäger, p. 174. — „Gehege nennt man Wal- dungen und Felder, worin alle, oder nur eine oder einige Wildarten ſorgſam geſchont und gepflegt werden und der Abſchuſs nach weid— männiſchen Regeln vorgenommen wird. Man ſagt daher Edelwildgehege, Rehgehege, Schwarz— wildgehege, Haſen- oder Rebhühnergehege u. ſ. w.“ Hartig, Lexik., p. 214. — Sanders, Wb. I., p. 728. E. v. D. Gehegebereiter, der, auch Hegemeiſter. „Häge- oder Gehägebereiter ſind Jagd— bediente, welche in einigen Landen auch Über— reiter genannt werden. Dieſe haben lediglich auf die Jagdgehäge zu ſehen, damit die Wild— bahn in gutem Stande bleibe.“ Chr. W. v. Heppe, Wohlred. Jäger, p. 191. — Hartig, Lexik., p. 215. — Behlen, Wmſpr., m a DD Gehen, verb. intrans., in der allgemeinen Bedeutung von verſchiedenen Wildarten, doch ſelten und beſſer durch ziehen, wechſeln, laufen, flüchten u. a. erſetzt. „Der Bär gehet von oder zu Holz oder ſeinem Lager und nicht: er trabt.“ Döbel, 1746, I., fol. 33 b. — Bechſtein, Hb. d. Jagdwiſſenſchaft, I., 1., p. 226. — Winkell, Hb. f. Jäger, I, p. 234. — „Der Biber gehet nach ſeiner Nahrung.“ Döbel, I. c., fol. 37a. — Bechſtein, I. e., p. 240. — Winkell, I. e., II., p. 102. — „Der Dachs gehet des Nachts aus nach ſeiner Nahrung.“ Döbel, 1. e., fol. 37a. — „Der Otter gehet über Land nach andere Fiſchweier.“ Döbel, I. c., fol. 41 b. — Bechſtein, I. e., I., 1., p. 19. — Winkell, J. c., III., p. 33. — „Der Haſe gehet ſchnell und lauffet nicht.“ Pärſon, Hirſch— Gehirn. 283 ger. Jäger, 1734, fol. 81b. — „Die Hafen, wenn fie ſchnell gehen (anderswo jagt man laufen)...” C. v. Heppe, Aufricht. Lehrprinz, p. 169. — „Der Hund geht auf den Schweiß, ſagen Einige, ſtatt er ſucht auf den Schweiß.“ Hartig, Lexik. 215. Bechſtein, I. e., p. 280, 283. — „Mit Tagesanbruch gehen die Sauen auf dem gewohnten Wechſel eilig zu Holze.“ Winkell, 1. e., I., p. 317. — „Der Wolf tra⸗ bet, geht nicht; geht flüchtig, läuft nicht.“ Bechſtein, 1. c., p. 170. — Dann in ſpeciellen Bedeutungen mit adverbialen Verbindungen: „Der Hirſch geht hoch, wenn er völlig ver— eckt hat und gut von Leibe iſt, und niedrig, wenn er abgeworfen hat. Bechſtein, 1. c., p. 102. — Chr. W. v. Heppe, Wohlred. Jäger, p. 175. — „Das Thier. . . geht hoch beſchla— gen.“ Bechſtein, J. o. Döbel, 1. e., I., fol. 4 b. E. v. D. Gehirn. Der wichtigſte Theil des nervöſen Centralorgans iſt das Gehirn; nahezu alle Vor— gänge im Körper, beſonders jene, welche infolge der Berührung desſelben mit der Außenwelt eintreten, ſind von Erregungen begleitet, die bis in die Großhirnrinde eindringen — wir ſagen dann, die Vorgänge kommen zum „Bewuſstſein“ — und daſelbſt mehr oder weniger lang als Erinnerungsbilder andauern. Das ganze große Heer der Sinnesnerven beſorgt die Überleitung dieſer Erregungen, die Meldung der Vorgänge an das Bewuſstſein. Aber nicht nur das von den Vorgängen im Körper genau unterrichtete Empfangscentrum iſt das Gehirn, es iſt auch die Centralſtation, von welcher aus der be— wuſste, intelligente Lenker des Thierkörpers, der Wille, die willkürlichen Erregungen, die Impulſe nach der Peripherie ſendet, durch welche alle willkürlichen Leiſtungen des Thierkörpers veranlaſst werden; das Heer der centrifugalen motoriſchen Nerven leitet dieſe Erregungen vom Großhirn zu den Leiſtungsapparaten Die Ana— logie der Anordnungen und Leiſtungen des im ganzen Körper verbreiteten Nervenſyſtems mit denjenigen des modernen Telegraphenſyſtems iſt eine ſehr weitgehende. Den Leitungsdrähten des Telegraphen ſind die Nervenfaſern im Thier— körper analog, ſie leiten die Erregungen nach beiden möglichen Richtungen gleich gut und die Bewegungsrichtung hängt nur von dem Ende ab, an welchem die Erregungsquelle, der Erreger, ſich befindet; an dem entgegengeſetzten Ende befindet ſich der Empfangsapparat, der Empfänger. Für die centripetalen, die ſenſiblen Nerven liegen die Erreger, die Sinnesapparate an der Peripherie des Körpers, die Empfänger ſind die nervöſen Centren; die letzteren ſind aber für die centrifugalen Nerven, alſo auch für die motoriſchen, die Erreger und die in der Peri— pherie liegenden Leiſtungsapparate die Empfänger; ſomit kann die Peripherie des Körpers ſowohl wie die nervöſen Centren Erregungen ausſenden und empfangen, geradeſo wie die Stationen des Telegraphen. Im Telegraphenſyſt eme gibt es verſchieden große Centralſtationen, welche die Erregungen von den kleinen an der Peri— pherie liegenden aufnehmen und an größere oder wieder zur Peripherie leiten; ebenſo haben wir im Thierkörper größere und kleinere ner— vöſe Centren, welche mehr oder weniger weit von der Peripherie entfernt ſind und die von dieſer kommenden Erregungen zu größeren, höher liegenden oder zur Peripherie leiten, reflectieren, wie die techniſche Bezeichnung lautet, oder in der Regel beides zugleich ausführen. Es ſind ſomit die Grundzüge der Einrichtungen bei beiden Syſtemen dieſelben, nur die Er— regungen ſelbſt ſind weſentlich von einander verſchieden und daher auch die Apparate, welche bei ihnen zur Verwendung kommen; für den Telegraphen iſt die elektriſche Erregung dienſt— bar gemacht worden, im Nervenſyſtem findet ſich eine ganz ſpecifiſche Erregung (ſ. Nerven), welche auf der nur den lebendigen Orga— nismen eigenthümlichen Erregbarkeit beruht; es iſt dieſe ſpeeifiſche Erregung der Nerven nicht zuſammenzuwerfen mit den an den Nerven beobachteten elektriſchen Erſcheinungen (ſ. Elek— tricität, thieriſche); geradeſo wie die elektriſche Erregung im Telegraphen von Wärmeerſchei— nungen begleitet iſt und man weiß, daß die Elektricität dieſelben Wirkungen auch dann her— vorbringen würde, wenn ſie von den Wärme— erſcheinungen nicht begleitet wäre, ſo iſt die organiſche Erregung von elektriſchen Erſchei— nungen begleitet, die bei dem Erſcheinen und den Leiſtungen jener keine Rolle ſpielen. Der Peripherie am nächſten liegen im allgemeinen die „ſympathiſchen“ Centren (ſ. Nerven); ſo liegen die Herzganglien im Herzen ſelbſt, die peripheren Centren für die Darmbewegung in der Darmwandung ſelbſt, die peripheren Gefäß— centren in der Nähe der von ihnen innervirten Gefäße ſelbſt u. ſ. w. Von der Peripherie weiter entfernt, „höher“ liegen die Ganglien des Grenz— ſtranges des Sympathicus, dann die Spinal— ganglien an den hinteren Rückenmarkswurzeln, die Ganglien an den verſchiedenen Kopfnerven. Die noch höher liegenden Centren befinden ſich ſchon in dem nervöſen Centralorgane ſelbſt; es ſind die Centren des Rückenmarkes, welchen die des verlängerten Markes und Kleinhirns folgen, dann die Ganglien des großen Gehirnes ſelbſt, und das oberſte Nervencentrum für den ganzen Thierkörper iſt die graue Rinde des Großhirns. Einzelne dieſer nervöſen Centren ſind auch ana— tomiſch individualiſiert, es find dann oft Ge— bilde, von welchen Nervenfäden nach verſchie— denen Richtungen auslaufen, und ſolche führen die Bezeichnung „Ganglien“. Die nervöſen Centralorgane enthalten außer den Nervenfaſern noch die für ſie charakte— riſtiſchen „Ganglienzellen“, welche mit den Nervenfaſern in directer Verbindung ſtehen, ferner Bindegewebe und Gefäße. Dieſe Beſtand— theile finden ſich in allen Nervencentren, jedoch iſt die Form, Anordnung und Zahl dieſer Elemente in den verſchiedenen Centren verſchieden und für dieſe charakteriſtiſch. Die Nervenzellen, die „Gan— glienzellen“ find in den einzelnen Abtheilungen des Centralnervenſyſtems verſchieden groß und verſchieden geformt; wir wollen hier nur die nach unſeren heutigen Vorſtellungen allen Gan— glienzellen zukommenden Eigenſchaften ſchematiſch angeben. Die Ganglienzelle beſitzt mehrere Fort— ſätze, die oft ſehr zahlreich ſind; Deiters zeigte, dafs man zweierlei Arten von Fort— 284 ſätzen an einer Zelle unterſcheiden muſs, einen einzigen Nervenfortſatz und einen oder mehrere „Protoplasmafortſätze“. In Fig. 379 (nach M. Schultze) iſt a der Nervenfortſatz (Achſen— cylinderfortſatz), der in eine markhaltige Nerven— faſer übergeht, b find die Protoplasmafortſätze, die ſich ſehr fein verzweigen; der Zellleib und N Gehirn. die Fortſätze beſitzen eine ſehr feinfaſerige, fibrilläre Structur. Man hat, da hie und da zwei durch Ausläufer von Protoplasmafort— ſätzen verbundene Zellen gefunden worden ſind, vorausgeſetzt, dafs überhaupt die Ausläufer der Protoplasmafortſätze benachbarter Zellen mit einander anaſtomoſieren, ſo daſs die Gan— glienzellen durch ein ſehr feinfaſeriges Netz mit einander verbunden ſind, durch welches alſo die Erregung einer Zelle auf eine andere über— tragen und ſo die phyſiologiſche Function der Ganglien durch ihre Zellen erklärt werden kann. In jüngſter Zeit jedoch zeigte Golgi mittelſt einer neuen Unterſuchungsmethode, dass die Protoplasmafortſätze blind enden und nicht mit denen der Nachbarzellen anaſtomoſieren; der Zuſammenhang zweier Zellen durch ſolche Fortſätze muſs als Theilungserſcheinung der Nervenzellen erklärt werden. Der Nervenfortſatz jedoch ſendet feine Aſte ab und dieſe ſind es, welche die in die Ganglien einſtrahlenden Nerven mit einander verbinden. Alſo auch nach dieſer neueſten Beobachtung iſt die anatomiſche Grundlage für das Verſtändnis der phyſio— logiſchen Vorgänge in den Nervencentren ge— geben in der Verknüpfung der Ganglienzellen unter einander durch die Verzweigungen der Nervenfortſätze. Außer dieſen eben beſchriebenen, allerorts in größter Menge vorkommenden Gan— glienzellen gibt es noch ſog. „bipolare“ Gan— glienzellen, welche in den Verlauf der Nerven— faſern eingeſchaltet ſind; zu dieſer Art von Nervenzellen gehören auch die im Aſſociations— ſyſtem Meynerts in der Hirnrinde in den Ver— lauf der Bogenfaſern eingefügten ſpindelför— migen „Schaltzellen“. Außer dieſen beſchriebenen Ganglienzellen und den mit ihnen verknüpften Nervenfaſern finden wir in den Centren noch die Bindeſubſtanz, welche eine ſehr feinfaſerige Form beſitzt und in den Interſtitien eine ſehr feinkörnige Grundſubſtanz enthält; es führt dieſes Bindegewebe die Bezeichnung „Neuroglia“. Die Gefäße der nervöſen Centralorgane ſind von den ſog. „privasculären“ Räumen direct um— geben; das Gefäßnetz ſelbſt iſt dort am dich— teſten, wo die Ganglienzellen liegen, alſo in der grauen Subſtanz. Im Gehirn und Rückenmark laſſen ſich nämlich zwei Subſtanzen unter— ſcheiden, die weiße und die graue. Die graue Subſtanz iſt von den Ganglienzellen bevölkert, ſie enthält die zu den Zellen tretenden Nerven und iſt gefäßreich; die weiße, die Markſubſtanz, enthält nur ſelten Ganglienzellen, ſondern faſt ausſchließlich Nervenfaſern, ſie iſt nicht gefäß— reich. Aus grauer Subſtanz beſteht die Rinde der Großhirnhemiſphären und des kleinen Ge— hirns, dann die verſchiedenen grauen Kerne der— ſelben und des verlängerten Markes, von wel— chen die größeren im Großhirn als deſſen Ganglien bezeichnet werden, endlich das „Höhlen— grau“ Meynerts, welches direct die Höhlungen des Centralnervenſyſtems vom Trichter ange— fangen bis zum conus medullaris des Rücken⸗ markscanales umgibt. Die aus grauer Subſtanz beſtehenden Gebilde ſind durch die Nervenfaſern des Markes mit einander verbunden. Es iſt ſomit zum Verſtändnis der Functionen dieſer Theile unerläſslich die Kenntnis dieſer Ver— Gehirn. 285 knüpfungen der einzelnen Centren unter ein— ander und mit der Peripherie. Fig. 380 iſt ein Schema, durch welches das Gewirr der Leitungen innerhalb des Gehirns und des verlängerten \| (a Marktes erläutert wird, ſoweit unſere Kenntnis un 1 des anatomiſchen Baues reicht; es ſind in dem— ſelben nur die wichtigſten und größten grauen e Kerne, die Ganglien, eingetragen, die kleineren g O2 find nicht berückſichtigt, da dieſes uns zu weit , in die Einzelnheiten führen und dadurch die N 20 Überſicht getrübt würde. Dieſes Schema iſt eine a > Erweiterung des von S. Exner in Hermanns 18 s Handbuch der Physiologie (I. Bd., 2. Theil, 6 —> p. 303) auf Grundlage der Darſtellung Mey— nerts in Strickers Handbuch der Lehre von den > Geweben gegebenen, in dem auch die Kleinhirn— e bahnen, Varolsbrücke und nach V. Monakows . Darſtellung der Hörnerv berückſichtigt worden IS find. Durch die beiden breiten Bögen RR iſt 333 die Großhirnrinde verſinnlicht; mit derſelben 232 ſind in ihrem vorderſten Theil die beiden Gan— BI: glien: Linſenkern (Li) und Streifenhügel (S) , durch die Stabkranzfaſern verbunden, welche == dicht aneinander liegen, in dem Schema aber == nur durch einzelne Bündeln angedeutet find. == Die aus dieſen beiden Ganglien heraustretenden Faſerzüge einigen ſich u 5 des Hirn- I ſchenkels; es iſt zu bemerken, dajs viel weniger Faſern im Fuße des Hirnſchenkels enthalten „„ ſind, als durch den Stabkranz in den Linſen— kern und den Streifenhügel eingeſtrahlt ſind, jo dass in dieſen Ganglien nicht nur eine Unter— brechung der Leitungen, ſondern auch eine be— deutende Reduction der Zahl der Faſern ftatt- * gefunden hat. Im Hirnſchenkelfuß verlaufen die Faſern bis zur Varolsbrücke (Br), in dieſer theilen ſie ſich in zwei Theile; der eine ver— bindet ſich mit den zahlreichen Ganglienzellen der Brücke und geht von dieſen durch die Brückenarme (Br. A) zur Rinde des Klein— hirnes, der zweite Theil verläſst die Brücke als Pyramidenſtrang (P) des verlängerten Markes, welcher eine bedeutend kleinere Faſerzahl beſitzt als der Fuß des Hirnſchenkels. Die Pyramiden— faſern treten nach der Anſicht der einen in der unteren (motoriſchen) Pyramidenkreuzung (u. P.) vollſtändig, nach der der anderen zum Theile in dieſer, zum Theile im weiteren Verlaufe im Rückenmark auf die andere Seite in deſſen Seitenſtränge und durch dieſe in die graue Subſtanz des Vorderhorns ein. Aus dieſer treten die motoriſchen Nerven in den vorderen, motoriſchen Wurzeln (y. W.) zur Körpermus— kulatur; da weniger Faſern durch das ver— längerte Mark in das Rückenmark eintreten, als durch die Wurzeln dasſelbe verlaſſen, ſo muſs in der grauen Subſtanz desſelben eine Vermehrung der Zahl der Faſern ſtattfinden. Die eben beſchriebene Leitungsbahn: Großhirn— rinde, Linſenkern und Streifenhügel, Hirn— ſchenkelfuß, Brücke, Pyramidenſtränge, Pyra— midenkreuzung, Seitenſtränge, Vorderhorn, vordere Wurzel des Rückenmarkes iſt die will— kürliche motoriſche Bahn, im Streifenhügel und Linſenkern findet eine Unterbrechung und Reduction der Nervenfaſern, im Vorderhorn des Rückenmarkes eine Unterbrechung und Ver— mehrung derſelben ſtatt. Ein Theil der im Hirn— 286 ſchenkelfuß verlaufenden Faſern verläſst dieſe Bahn in der Brücke und geht, nachdem ſie mit den daſelbſt befindlichen Ganglienzellen in Ver— bindung getreten ſind, in dem Brückenarme zur Rinde der gegenüberliegenden Kleinhirn— hemiſphäre. In ihrem rückwärtigen Theile iſt die Groß— hirnrinde mit den Ganglien Sehhügel (T) und Vierhügel (Y) durch Stabkranzfaſern verbunden. Die aus dieſen beiden Ganglien kommenden Faſern ſammeln ſich in der Haube (E) des Hirnſchenkels, durchſetzen die Brücke (Br.), be— theiligen ſich nicht an der Pyramidenkreuzung, treten aber wahrſcheinlich weiter unten im Rückenmarke auf die Gegenſeite, gehen in die graue Subſtanz des Rückenmarkes über und verlaſſen dasſelbe durch die vorderen Wurzeln. Dieſe Leitungsbahn der Haube des Hirnſchenkels ſtellt nach Meynert die Bahn für die unwill— kürlichen Bewegungen dar. Auch in dieſer Bahn findet im Sehhügel und Vierhügel Un— terbrechung und Reduction, in der grauen Sub— ſtanz des Rückenmarkes Unterbrechung und Ver— mehrung der Faſern ſtatt. Die eben beſchriebenen Bahnen, die will— kürliche motoriſche Bahn des Hirnſchenkelfußes und die unwillkürliche motoriſche Bahn der Hirn— ſchenkelhaube, ſind centrifugale motoriſche Bahnen, die ſchließlich durch die vorderen Rückenmarks— wurzeln zur Peripherie leiten; die durch die hinteren Wurzeln (h. W.) in das Grau des Hinterhornes des Rückenmarkes eintretenden ſenſiblen Bahnen zerfallen in zwei Arten, von welchen die eine zum Theile ſchon in den un— teren Theilen des Rückenmarkes, zum Theile aber in der oberen Pyramidenkreuzung (o. P.) des verlängerten Markes auf die andere Seite tritt, die Brücke durchſetzt und als äußerſter Theil des Hirnſchenkelfußes, ohne mit einem Ganglion des Großhirns in Verbindung zu treten, direct in die Rinde des Schläfe- und Hinterhauptlappens einſtrahlt; die andere Ab— theilung der Empfindungsbahnen verläuft auf derſelben Seite bis zum corpus trapezoides (Tr.), welches dicht hinter der Brücke liegt, tritt in dieſem auf die andere Seite und verläuft im ſtrickförmigen Körper (Str.) des Kleinhirnſchenkels direct zur Rinde des Kleinhirns. Sowie die Rückenmarksnerven verhalten ſich auch die ſog. Gehirnnerven; dieſe treten mit dem Höhlengrau des Großhirns und des verlängerten Markes ſo in Verbindung wie die Rückenmarksnerven mit dem Grau des Rückenmarkes. Die Faſern des Riechnervens (Ri) gehen nach ihrer theilweiſen Kreuzung (welche von manchen geleugnet wird) direct in die Rinde über. Die vom Auge (A) kommenden Sehnervenfaſern treten, nachdem ſie die Sehnervenkreuzung paſſirt haben, zum Theile in den Thalamus opticus (J), corpora geniculata und in den Vierhügel (Y), welche Hirnganglien direct mit der Rinde des Schläfe- und Hinter— hauptlappens verbunden ſind. Der Verlauf der Gehörnervenfaſern iſt nach V. Monakow: Nach— dem dieſelben durch den Nervus acusticus (N. ac.) zum Tuberculum acusticum des verlän- gerten Markes gelangt und mit deſſen Ganglien— zellen in Verbindung getreten ſind, gehen ſie aus dieſem auf die Gegenſeite aus dem verlängerten r Gehirn. Marke in die Schleife (L) über, und nachdem ſie den inneren knieförmigen Körper paſſirt haben, treten fie in den Vierhügel () ein, welcher mit dem Hinterhaupt- und Schläfelappen in Verbindung ſteht. a Durch die bis jetzt beſchriebenen Nerven— bahnen iſt das Gehirn mit der Peripherie ver— knüpft; es ſind aber auch die einzelnen Theile des Gehirnes untereinander verbunden. So ver— binden die Bogenfaſern (bb) die Rindengebiete untereinander, die rechte und die linke Hemi— ſphäre ſind durch die Commiſſurenfaſern (ec) und endlich die Großhirnrinde durch den Binde— arm (5) mit dem gezackten Kerne (T) des Kleinhirns verbunden, fo daſs Erregungen auch innerhalb des Centralorganes von einer Stelle auf die andere übertragen werden können. Um die Leiſtungen der einzelnen Theile des Gehirns, deren Stellungen und Verknüpfun— gen wir eben kennen gelernt haben, und da— mit alſo die des Geſammtgehirns ſelbſt zu ermitteln, ſtehen uns viele Mittel zur Verfü— gung, wir wollen nur die wichtigſten und am häufigſten angewendeten kennen lernen. Es ſei hier bemerkt, daſs unſere Kenntniſſe von den Hirnfunctionen kaum über die Anfänge hinaus ſind, trotzdem die Neuzeit ſehr wichtige poſitive Grundlagen für die fruchtbare experimentelle Forſchung auf dieſem Gebiete geliefert hat, je— denfalls aber werden dieſe Forſchungsmethoden in nächſter Zeit zahlreiche Früchte tragen und das Dunkel auf dieſem Gebiete erhellen. Die erſten Anhaltspunkte liefert die Anatomie, welche lehrt, mit welchen Organen die unterſuchten Theile in Verbindung ſtehen; hiebei leiſtet die vergleichende Anatomie ſehr wichtige Dienſte, da mit der ſtärkeren oder geringeren Ausbil- dung der einzelnen Organe bei den verſchie— denen Thiere auch gewiſſe, mit den Organen in Verbindung ſtehende Theile des Gehirns ſtärker oder ſchwächer entwickelt ſind u. ſ. w. Weitere Anhaltspunkte werden durch entſpre— chende Experimente gewonnen; bei günſtiger anatomiſcher Lage des unterſuchten Theiles unterbricht man allſeitig ſeine Verbindungen und beobachtet, welche Functionen des Körpers ausfallen oder geſtört ſind; oder man entfernt ihn ganz aus dem Körper durch Ausſchneiden oder bei der Gehirnrinde z. B. durch Ausſpülen mit einem Waſſerſtrom u. ſ. w.; oder endlich man zerſtört ihn durch Brennen, Atzen u. ſ. w., wenn aus gewiſſen Gründen eine Entfernung nicht möglich oder nicht angezeigt iſt. Durch ſolche Experimente ſuchen wir durch Ausfallen oder Störungen von Functionen dieſe zu er— kennen; durch andere jedoch ſuchen wir die Leiſtung ſelbſt herbeizuführen, indem wir den unterſuchten Theil künſtlich erregen, entweder durch elektriſche oder chemiſche Reize u. ſ. w. Allerdings iſt es heute noch eine offene Frage, ob wir durch elektriſche Erregung die Ganglien— zelle ſelbſt in Erregung verſetzen können, da man bei den entſprechenden Experimenten noch immer nicht mit vollſter Entſchiedenheit den Ge— danken zurückweiſen kann, dass nur die von den Ganglienzellen auslaufenden Nervenfaſern, die ja überall, wo Ganglienzellen ſind, neben dieſen in der grauen Subſtanz vorhanden ſind, erregt Gehirn. 287 werden und nicht die Ganglienzellen ſelbſt; glücklicher Weiſe iſt aber dieſe Frage bei Feſt— ſtellung der Function eines beſtimmten Theiles der grauen Subſtanz nicht von entſcheidender Kraft, da es nach unſerem heutigen Wiſſen gleichgiltig iſt, ob die von den Ganglienzellen ausgeſendeten Nervenfaſern künſtlich oder durch die Ganglienzelle ſelbſt erregt werden, ſie leiſten nach den Geſetzen der ſpecifiſchen Erregung der Nerven (ſ. Nerven) immer dieſelbe Function, und wir können daher aus den Reizerfolgen bei der grauen Subſtanz mit voller Berechti— gung Schlüſſe auf ihre Function machen. Der in dem nervöſen Centralorgan enthal— tenen und dasſelbe als ſolche charakteriſierenden grauen Subſtanz müſſen wir daher auch die Eigenſchaften zuſchreiben, welche den nervöſen Centren eigenthümlich ſind; ein nervöſes Cen— trum, ſomit die in ihm enthaltene graue Sub— ſtanz, empfängt durch die centripetallaufenden (ſenſiblen) Faſern Erregungen von der Peripherie und ſendet ſolche durch die centrifugallaufenden (motoriſchen, ſecretoriſchen) Faſern wieder gegen dieſelbe aus. In der grauen Subſtanz alſo treffen ſich centripetal- und eentrifugalleitende Faſern, ſie ſind durch ſie miteinander verknüpft; daſs dieſe Verknüpfung auch eine functionelle iſt, zeigt eine ganze Claſſe einfachſter nervöſer Vorgänge, die jog. reflectoriſchen Erſchei— nungen. Sie kommen ohne Zuthun des Willens zuſtande; es gibt Reflexkbewegung und Reflex— abſonderung, als Beiſpiele führen wir an: den auf Berührung der Bindehaut des Auges er— folgenden Lidſchluſs (Augenblinzeln) und die durch chemiſche Reizung der Mundſchleimhaut eintretende Speichelſeeretion. Werden die ſen— ſiblen Nervenenden der Bindehaut des Auges durch Berührung derſelben erregt, ſo leiten die ſenſiblen Faſern die Erregung zur grauen Sub— ſtanz (wahrſcheinlich des verlängerten Markes), in dieſer wird ſie auf die motoriſche Bahn der Muskeln, welche den Lidſchluß herbeiführen, übertragen (reflectirt), und es erfolgt daher un— willkürlich der Schluſs der Augenlider; ein ähnlicher Vorgang findet bei der reflectoriſchen Erregung der Speicheldrüſen ſtatt. Die Nefler- vorgänge werden beſonders leicht von den Nervenenden aus, welche ſich in der Haut und in den Schleimhäuten verzweigen, ferner durch die höheren Sinnesorgane hervorgerufen, ſchwerer gelingt es von den Nervenſtämmen aus; zur Erregung kann man die mechaniſche (wie beim Blinzeln), die chemiſche (wie bei der reflectori— ſchen Speichelſecretion), die thermiſche oder elektriſche Reizung benutzen; die minimalſte Reizgröße, welche eben einen reflectoriſchen Vor⸗ gang hervorruft, bezeichnet man als Reflex— ſchwelle. Wenn auch der Wille bei dem Zu— ſtandekommen des Reflexvorganges ſelbſt un— betheiligt iſt, ſo kann er aber den Reflexvorgang bis zu einem gewiſſen Grade hindern, ja voll— ſtändig hemmen; nicht allein durch den Willen, alſo vom Gehirn aus, ſondern auch von allen Theilen des Nervenſyſtems aus, auch von den peripheren, können ſolche Hemmungen von Reflexvorgängen herbeigeführt werden, ſo können z. B. ſenſible Erregungen von der Peripherie aus hemmend wirken; gewiſſe Theile des Ner— venſyſtems zeichnen ſich dadurch beſonders aus, daſs durch ihre Erregung gewiſſe Reflexvor— gänge gehemmt werden, man bezeichnet dieſe Theile als Hemmungsmechanismen, Hem— mungscentren. Zwiſchen dem Momente der Einwirkung des Reizes und der erfolgten Be— wegung oder Abſonderung liegt eine beſtimmte Zeit, die man durch exacte Unterſuchungen (Helmholtz führte die erſten aus) gemeſſen und gegen zwölfmal ſo groß gefunden hat als die, welche während der Leitung in den den Reflex— vorgang vermittelnden ſenſiblen und motoriſchen Nerven verſtreicht; dieſer Zeitüberſchuſs wird ſomit während der Übertragung der Erregung im Centrum verbraucht, man nennt daher dieſe Zeit, welche genau beſtimmt werden kann, ſchlechtweg Reflexzeit (auch reducierte Reflexzeit.) Die Reflexerregbarkeit wechſelt mit dem Zuſtande der Centralorgane; wir können in dieſer Richtung dieſe Zuſtände künſt— lich beeinfluſſen. Durch Erhöhung der Tempe— ratur wird die Reflexerregbarkeit erhöht, ſo daſs viel ſchwächere Reize ſchon Reflexe aus— löſen bei hoher als bei niederer Temperatur; durch in den Kreislauf eingeführte Gifte können wir ebenfalls die Reflexerregbarkeit erhöhen, 3. B. durch Strychnin, oder herabſetzen, z. B. durch Chloroform. Ein großer Theil der nervöſen Centralorgane dient der Vermittlung ſolcher Reflexvorgänge; da die Reflexvorgänge unwill— kürlich erfolgen, ſo ſind natürlich die Theile des Centralorganes, welche dem Willen dienen, alſo der größte Theil des Großhirns ausgeſchloſſen, die übrigen Theile jedoch können wahrſcheinlich alle Reflexvorgänge vermitteln, wir können es jedoch nicht von allen nachweiſen; das Rücken- mark und das verlängerte Mark ſind es vor allen, deren Rolle bei den Reflexvorgängen genau ſtudiert iſt. Beſtimmte Reflexe werden auch durch beſtimmte Theile des Centralorganes vermittelt und wir bezeichnen dieſe Theile als die entſprechenden Reflexcentren. Vei den reflectoriſchen Erſcheinungen iſt die Erregungsurſache in der Peripherie gelegen, das Reflexcentrum vermittelt nur die Ueber— tragung der Erregung; außer dieſen Reflex— centren hat man auch noch den Begriff der toniſchen, automatiſchen Centren aufge— ſtellt, welche die Erregung nicht von der Peri— pherie empfangen, ſondern ſelbſt in dauernder Erregung ſich befinden und dieſe auf die ihnen zugehörigen centrifugalen Nerven übertragen; als ſolche werden bezeichnet z. B. das die Herz— thätigkeit regulierende Centrum und das Athem— centrum im verlängerten Marke. Die Zahl dieſer automatiſchen Centren war früher größer als jetzt, indem mit dem Fortſchreiten unſeres Wiſſens auch die an der Peripherie liegenden Erregungsquellen für die nervöſen Centren ge— funden werden und dadurch die automatiſchen Centren verſchwinden. Nur das Athemcentrum wird auch heute noch als automatiſches be— zeichnet; aber auch für dieſes läſst ſich der urſprüngliche Begriff eines automatiſchen Centrums nicht mehr ſtreng aufrecht er— halten, indem man als Erregungsurſachen dieſes Centrums gewiſſe im Blute enthaltene Subſtanzen erkannt hat (die Gaſe des Blutes 288 Gehirn. und Subſtanzen, die bei der Muskelthätigkeit entſtehen). Es gibt alſo automatiſche Centren im eigentlichen Sinne dieſes Begriffes nicht, d. h. alle bisher erwähnten Centren erhalten ihre Erregung von außen, ſie befinden ſich nicht un— abhängig von der Außenwelt in continuier— licher Erregung oder erzeugen nicht eine vorüber— gehende Erregung ohne alle äußere Veranlaſſung. Die eben beſchriebenen Functionen umfaſſen alle unwillkürlichen nervöſen Leiſtungen; zu ihnen ſcheint auf den erſten Blick im directen Gegenſatz zu ſtehen die andere Gruppe der Leiſtungen der nervöſen Centralorgane, die der willkürlichen Functionen. Dieſe erfolgen ſcheinbar ganz ſpontan, ohne jede äußere Ver— anlaſſung, es iſt dieſes ja geradezu charakteriſtiſch für die willkürlichen Leiſtungen; und doch iſt dieſer Gegenſatz nur ein ſcheinbarer! Die will— kürlichen Leiſtungen kann man mit vollem Rechte auch „bewuſste“ Leiſtungen nennen, beide Be— zeichnungen decken ſich vollſtändig. Wille und Bewuſstſein ſind untrennbare Zwillingsbrüder, man kann ſich das eine ohne den anderen nicht denken; an demſelben Orte, in der Großhirn— rinde, gehen ſowohl die Erregungen vor ſich, welche wir Bewuſstſein nennen, als auch die, welche wir als Wille bezeichnen. Das Be— wuſstſein müſſen wir als eine Summe ſen— ſibler Erregungen bezeichnen, die theils ſolche ſind, die durch die eben ſtattfindende peri— phere Erregung eentripetalleitender (ſenſibler) Nerven hervorgerufen werden, theils ſolche, welche die Überreſte ſchon vor längerer Zeit von der Peripherie eingeſtrömter Erregungen ſind und die jetzt wieder ſo mächtig geworden ſind, daſs ſie „in das Bewuſstſein treten“, alſo gleichſam die Schwelle des Bewuſstſeins überſchreiten. Eine Vorrathskammer ſchwacher Erregungen ſteht dem Bewuſstſein zur Ver— fügung, aus welcher es beliebig ſchöpfen kann, indem es die eine oder andere Erregung wieder jo verſtärkt, daſs ſie in das Bewuſstſein tritt; dieſe ſchwachen Erregungen (die Erinnerungs— bilder) ſind die Reſte früher von der Peripherie eingeſtrömter Erregungen, und ihre Summe bildet das „Gedächtnis“. Das Bewuſcstſein ruft die Erinnerungsbilder wieder hervor wie der Pho— tograph durch die „Hervorrufungsflüſſigkeit“ das dem Auge noch unſichtbare, von dem Licht erzeugte Bild auf die photographiſche Platte zaubert. Sein Zwillingsbruder, der Wille, be— ſteht zunächſt aus einer Summe von Erregun— gen der an den Enden oder beſſer an den An— fängen der centrifugalen Bahnen befindlichen Centralgebilde und er kann dieſe Summe ver— größern durch Beſeitigung der Hinderniſſe, die dem Überſtrömen der Erregungen von der ſen— ſiblen Seite des Centralorgans (aus dem Be— wuſstſein) auf die motoriſche (in das Gebiet des Willens) entgegenſtehen. Er gleicht dem Klavierſpieler, der durch Niederdrücken der Taſte den im Inſtrumente vorgebildeten Ton hervorruft, oder dem Telegraphenbeamten. der durch Niederdrücken des Schlüſſels die Strö— mung der Elektricität ermöglicht und dadurch das Signal erzeugt. Auf die innige Verbindung des Bewufstſeins und des Willens macht H. Münſter⸗ berg aufmerkſam, es geht der durch den Willen beabſichtigten Bewegung ſtets die Vorſtellung dieſer Bewegung (alſo die entſprechende Er— regung im Bewuſstſein) voraus; warum iſt der Taubgeborene auch ſtumm? Ihm fehlt nicht die Fähigkeit zu ſprechen, der Taubſtumme kann bekanntlich ſprechen lernen, ſondern es fehlen die ſprachlichen Vorſtellungen im Be— wuſstſein, daher verfügt der Wille auch über keine entſprechenden Erregungen; beim ſpre— chenden Tauben ſind an die Stelle der Gehörs— vorſtellungen des normalen Menſchen Geſichts— und Gefühlsvorſtellungen getreten, die er aus der Beobachtung ſeines und fremder Sprach— organe gewonnen hat. Während ſomit bei der unwillkürlichen Thätigkeit der nervöſen Centren die auf der centripetalen Bahn (ſen⸗ ſiblen Nervenfaſer) im Centrum eintreffende Erregung unmittelbar, gleichſam mit phyſikali— ſcher Nothwendigkeit auf die centrifugale Bahn übertragen wird, jo fehlt bei der willkür⸗ lichen Function dieſe unmittelbare Übertra— gung, das Willkürliche liegt nicht in der ſchein— baren Spontaneität der Leiſtung, ſie erfolgt ja ſchließlich auch auf äußere Veranlaſſung, ſon— dern in der beliebigen Wahl des Zeitmomentes der Übertragung der Erregung von der eentri— petalen Seite auf die centrifugale. Der Wille greift aber auch auf das ſenſible Gebiet über, ruft Erinnerungsbilder in das Bewuſstſein und lenkt die Aufmerkſamkeit, auf welche wir ſpäter noch zurückkommen werden. Wir kennen alſo jetzt die Werkſtatt des Meiſters — die Groß— hirnrinde, ſein Handwerkzeug — die Ganglien— zellen und ihre Nervenfaſern, der Meiſter ſelbſt aber entzieht ſich bis jetzt noch vollſtändig un— ſeren Blicken. Über die phyſiologiſche Leiſtung der Groß— hirnrinde haben erſt die Beobachtungen und Experimente der letzten Jahrzehnte Licht ver— breitet; zuerſt wurde durch die Beobachtungen an Kranken feſtgeſtellt, dajs beſtimmte Theile der Rinde beſtimmte Functionen haben und nicht, wie früher allgemein angenommen worden iſt, in ihren Leiſtungen vollſtändig gleichwertig ſind. Meynert ſtellte die Anſchauung auf, dajs die vorderen Theile der Hirnrinde mehr mo— toriſche, die hinteren Theile mehr ſenſible Fune— tionen beſitzen; dieſe Anſchauung wurde durch die epochemachenden Entdeckungen beſtätigt, welche im Jahre 1870 Fritſch und Hitzig ver- öffentlichten; ſie beobachteten, daſs man von be⸗ ſtimmten Stellen der Rinde des Vorderhirns durch ganz ſchwache elektriſche Reizung Con— tractionen beſtimmter Muskelgruppen der ent— gegengeſetzten Seite erhalten kann. Wenn dieſe Rindenſtellen entfernt werden, ſo tritt in dem willkürlichen Gebrauche der Muskelgruppen, welche von dieſen Stellen aus erregt werden konnten, eine eigenthümliche Störung ein, die um jo größer iſt, je höher das Thier pfychiſch organiſiert iſt, jo daſs Ferrier beim Affen nach der Zerſtörung eines beſtimmten Theiles der Hirnrinde vollſtändige Hemiplegie der gegen— überliegenden Seite beobachtete. Ferner fand Hitzig bei Hunden nach Exſtirpation der Rinde im Bereiche des Hinterhauptlappens Blindheit des gegenüberliegenden Auges, eine Thatſache, * pr 3 r 6 Gehör. die Ferrier unabhängig von Hitzig geſehen hat. Munk fand, daſs, wenn er beim Hund einen größeren, beſtimmten Theil der Rinde des Hinterhauptlappens entfernte, das gegenüber— liegende Auge zunächſt ganz blind wurde und erſt nach Wochen das Thier mit demſelben ſo— viel ſehen konnte, um beim langſamen Gehen Hinderniſſen ausweichen zu können; wenn er aber einen kleineren, ebenfalls genau beſtimmten Theil dieſes Rindengebietes entfernte, ſo ſah das Thier gauz gut und wich Hinderniſſen aus, wie ein normales, aber es hatte die Erinnerung an frühere Geſichtseindrücke verloren, es fürchtete die Peitſche nicht mehr, aber nur ſo lange bis es dieſelbe wieder gefühlt hatte; es ſind ihm alſo die Erinnerungsbilder genommen worden und es mujste ſich dieſelben wieder erwerben. Munk bezeichnet den zuerſt beſchriebenen Zu— ſtand, in welchem das Thier dauernd keine Ge— ſichtsvorſtellungen mehr erhält, als Rinden— blindheit, den Zuſtand, in welchem es nur die Erinnerungsbilder verloren hat, als Seelen— blindheit. Sowie für den Geſichtsſinn hat man auch für den Gehörsſinn, Geruchs-, Ge— ſchmacks- und Taſtſinn des ganzen Körpers u. ſ. w. die entſprechenden Rindenorte ausgemittelt. Viele Experimentatoren haben die angeführten Thatſachen beſtätigt und viele neue hinzuge— fügt; die einzelnen Reſultate ſtimmen im motoriſchen Rindengebiete gut überein, nur im ſenſiblen Rindengebiete weichen die Re— ſultate erheblich von einander ab, da es viel ſchwieriger iſt die entſprechenden Erſcheinungen im ſenſiblen Gebiete feſtzuſtellen, als im mo— toriſchen. Es iſt zu erwähnen, daſs die Centren nicht ſcharf begrenzt find, ſondern daſs ſie übereinander greifen, ſich zum Theile decken, daſs ferner nach Verluſt einzelner Rindentheile andere die Function der verlorenen allmählich übernehmen können, welcher Vorgang um ſo ſchwieriger iſt, je größer der erlittene Rinden⸗ verluſt iſt. Je größer alſo der Defect iſt, um ſo mehr wird ſich eine bleibende Functions— ſtörung der Rinde zeigen; die zahlloſen Ex— perimente über die Folgen der Entfernung des Großhirns, beſonders aber die in der neueſten Zeit von Goltz bei Hunden durchgeführten Rindenexſtirpationen, bei welchen trotz ihrer Ausdehnung, z. B. auf die Rinde einer ganzen Hemiſphäre und die Hälfte der anderen, die Thiere monatelang, ja jahrelang am Leben er— halten und beobachtet worden ſind, zeigen die Erſcheinungen, welche bei der Exſtirpation der einzelnen Centren beobachtet worden ſind, in erhöhtem Maße, ſie zeigen, daſs die Rinde das Organ der geiſtigen Functionen iſt, je mehr von ihr verloren geht, umſo mehr verliert das Thier an Intelligenz, bis bei ausgedehnten Rinden— verluſten dieſelbe vollſtändig fehlt und Stumpf— ſinn mit dem Leben zurückgeblieben iſt. Durch das Experiment iſt beſtätigt worden, was aus den anatomiſchen Verhältniſſen geſchloſſen wor— den iſt, daſßs das Großhirn das Centralorgan für den ganzen Thierkörper iſt, da wir ja ge— ſehen haben, daſs dasſelbe mit allen Organen des Thierleibes durch Nervenfaſern in Verbin— dung ſteht, daſs es endlich der Sitz der In— telligenz iſt, da das Großhirn im allgemeinen 289 um ſo entwickelter iſt im Vergleiche zum gan— zen Körper, je intelligenter die Thierſpecies iſt. Jeder in die Großhirnrinde einſtrahlenden Nervenfaſer entſpricht eine von allen übrigen verſchiedene Erregung (Empfindung); die Em— pfindungen werden in ebenſoviele Hauptabthei— lungen eingereiht als wir Sinne unterſcheiden. Die motoriſchen Erregungen der Hirnrinde können wir nicht etwa in der anatomiſchen An— ordnung der Körpermuskulatur entſprechende Abtheilungen bringen, da durch einzelne be— ſtimmte dieſer Erregungen nicht einzelne be— ſtimmte Muskeln erregt werden, ſondern immer ganze Gruppen, jo daſs durch eine ſolche Er— regung nicht ein beſtimmter Muskel, ſondern eine einzelne beſtimmte Bewegung her— vorgerufen wird; im Rückenmark (ſ. Rücken— mark) iſt die für eine beſtimmte Bewegung nothwendige Muskelcombination vorbereitet und die einzelne Erregung von der Hirnrinde löst dieſe combinirte Bewegung aus. Genau jo wie man bei der Reflexbewegung die Zeit, welche während der Übertragung der Erregung im Centrum vorgeht, annähernd beſtimmt hat (3. B. beim reflectoriſchen Blinzeln fand Exner dieſelbe gleich 0:0471—0'055 Secunden), jo hat man auch die kleinſte Zeit, welche für die will— kürliche Übertragung der Erregungen in der Großhirnrinde des Menſchen verſtreicht, an— nähernd beſtimmt, indem der Experimentierende ſo raſch, als es ihm möglich war, den ſenſiblen Reiz mit einer willkürlichen Contraction beant— wortete; in einem von S. Exner berechneten Bei— ſpiele betrug ſie bei der Reaction von Hand zu Hand 9•0828 Sec., fie ift alſo etwas größer als die Übertragungszeit beim reflectoriſchen Vorgange. Der Wille beſitzt die Fähigkeit, unter den zahlloſen ſenſiblen Erregungen, welche im wachen Zuſtande in der Hirnrinde anlangen, nur einige in das Bewuſstſein treten zu laſſen, er lenkt auf dieſe die „Aufmerkſamkeit“, durch welches Wort dieſe Seite der Willensthätigkeit bezeichnet wird; der Wille iſt aber nur ſo lange Herr der Aufmerkſamkeit, ſo lange die ſenſiblen Erregun— gen nicht zu ſtark ſind, ſtarke Erregungen ziehen ſofort die Aufmerkſamkeit auf ſich, der Wille iſt dann ihnen dienſtbar. Sowie die Muskelzellen er- müden, ſo ermüden auch die Nervenzellen, alſo die Großhirnrinde; durch Ausruhen wird die Muskelmüdigkeit beſeitigt, durch die Ruhe der Gehirnrinde, den Schlaf, die Müdigkeit ihrer Nervenzellen; wie bei den Muskeln, ſo wird auch bei den Nervenzellen eine chemiſche Theorie der Erſcheinungen aufgeſtellt; es werden Stoffe, welche bei der Muskelthätigkeit, bezw. Nerven— thätigkeit entſtehen und die Müdigkeit erzeugen, beſeitigt und andere Stoffe, welche für die Thätigkeit nothwendig ſind, herbeigeſchafft und dadurch die Muskel- und Nervenzellen wieder gekräftigt. Damit dieſe Reſtitution in der Hirn⸗ rinde ungeſtört vor ſich gehen kann, iſt der Übergang zwiſchen der Hirnrinde einerſeits und den aus- und einſtrahlenden Nerven anderer— ſeits erſchwert, ſo daſs nur ſehr ſtarke Erre— gungen die Hinderniſſe überwinden können; da ſomit die ſenſiblen Erregungen von außen in die Hirnrinde nicht mehr eindringen, ſo wird Dombrowski. Eneyklopädie d. Forſt⸗ u. Jagdwiſſenſch. IV. Bd. 19 290 Gehirn. die Zahl der im Bewuſstſein vorhandenen Er— regungen (Vorſtellungen) immer kleiner, bis ſie endlich auf Null fällt und damit Bewuſstſein und Wille erloſchen und der Zuſtand einge— treten iſt, den wir als Schlaf bezeichnen; bei manchen Thieren iſt er nur ein träges Hin— brüten. Natürlich fehlen in der Rinde nicht alle Erregungen, die Erinnerungsbilder ſind ja blei— blende Erregungen, die im Schlafe ſogar ſehr lebhaft werden können, dafs fie im Traum er— ſcheinen; das Träumen kann bei Thieren, z. B. Hunden, ſehr gut beobachtet werden. Ein dem Schlafe ſehr naheſtehender Zuſtand iſt der hyp— notiſche Zuſtand. Dieſer iſt bei den meiſten Thieren erzeugt worden; ſo beſonders bei den Vögeln, bei Säugethieren, ſogar bei Fröſchen, Krebſen u. ſ. w., nur bei Hunden konnte man ihn bisher nicht hervorrufen. Wenn man z. B. einen Vogel mit der Hand gefangen hat, ſo wird er nach den vergeblichen Befreiungsver— ſuchen ruhig, man kann die Hand ſogar öffnen und ihn vorſichtig auf einen Tiſch z. B. legen und er verbleibt kurze Zeit in den unnatür— lichſten Stellungen liegen, von ſelbſt oder durch einen plötzlichen Sinnesreiz erwacht er und ent— flieht. Dieſelbe Erſcheinung liegt dem ſog. Ex- perimentum mirabile Kirchers zu grunde (Kir— cher, Ars magna lueis et umbrae. Romae 1646); ein an den Füßen gefeſſeltes Huhn wird ſo lange auf dem Boden gehalten, bis es ſich be— ruhigt, dann wird vor dem Schnabel ein Kreide— ſtrich gezogen und die Feſſeln werden entfernt; das Thier bleibt eine Weile ganz regungslos liegen, auch dann, wenn vorſichtig demſelben ganz unnatürliche Stellungen gegeben werden. Czermak nannte dieſen Zuſtand „hypnotiſchen Zuſtand“; er zeigte, daſs Feſſel und Kreideſtrich wegbleiben können, daſs jedoch der letztere die Hervorrufung erleichtere, wie überhaupt alle auffallenden nahe vor die Augen der Thiere ge— brachten Objecte. Im hypnotiſchen Zuſtande fehlt offenbar Bewuſstſein und Wille, aber die Com— munication zwiſchen Hirnrinde und Außenwelt iſt nicht ſo erſchwert wie im Schlaf. Die Thätigkeit der Hirnrinde iſt von Tem— peraturſchwankungen begleitet; ſobald Gemüths— bewegungen eintraten, konnte Tanzi bei Affen Temperaturſchwankungen in der Rinde nach- weiſen, wenn er z. B. einer Affin das Junge zeigte; er glaubt, daſs dieſe Schwankungen direct von der Thätigkeit der Hirnrinde ab— hängen und nicht von vaſomotoriſchen Schwan— kungen. Der Linſenkern hat motoriſche Functionen, da bei Zerſtörung einzelner Theile desſelben Nothnagel immer motoriſche Lähmungen ein— treten ſah; ebenſo beſitzt der Streifenhügel motoriſche Functionen. Die Sehhügel ſtehen in engſter Beziehung zum Geſichtsſinn, ihre Zerſtörung hat Blindheit zur Folge; ihren Ein— fluſs auf die Bewegung ſieht man am beiten nach Entfernung von Großhirnrinde, Streifen— hügel und Linſenkern; während ſolche Thiere mit unverletzten Sehhügeln keine willkürliche Bewegung mehr ausführen, bewegen ſie ſich aber auf äußere Reize ganz zweckmäßig, die Bewegungen find gut coordiniert, auch der Ge— ſichtsſiun beeinflujst noch dieſe Bewegungen. Sobald aber auch die Sehhügel zerſtört ſind, werden die Bewegungen auf Reize ganz un— regelmäßig und unzweckmäßig ausgeführt; ſo— lange das Großhirn unverletzt iſt, alſo functio— niert, merkt man nach der Zerſtörung der Seh— hügel nichts von dem geſchwundenen Einfluss derſelben auf die Bewegungen, wie Nothnagel angibt; nach Verletzungen der Sehhügel treten infolge des Reizes Zwangsbewegungen ein, z. B. Reitbahnbewegungen. Auch den Vier— hügeln müſſen nach den Experimenten Be— ziehungen zum Geſichtsſinn und zur Motilität zugeſprochen werden. Über die Leiſtungen des Kleinhirns iſt außerordentlich viel experi— mentiert worden, und doch iſt das Ergebnis der Experimente bis jetzt nur ein geringes, feſtge— ſtellt iſt nur die Beziehung des Kleinhirns zur Bewegung. Iſt das Kleinhirn entfernt oder durch Krankheitsproceſſe zerſtört worden, ſo iſt die Körperbewegung unſicher und ſchwankend; Verletzungen einzelner Theile des Kleinhirns erzeugen Zwangsbewegungen, endlich hat Ferrier durch elektriſche Reizung vom Kleinhirn aus Muskelbewegungen erzeugt. Einer der für das Leben des Thieres wichtig— ſten Theile des Centralnervenſyſtems iſt das ver— längerte Mark. Es iſt nicht nur wichtig als Durchzugsgebiet der Faſern, die von allen übrigen Theilen des Gehirns kommen, ſondern das Höhlengrau, welches in ihm liegt und den Boden des 4. Ventrikels bildet, hat für das Leben äußerſt wichtige Functionen. Dajs das verlängerte Mark zu den Bewegungsapparaten in Beziehung ſteht, zeigt das Experiment, indem man durch Verletzung und Reizung gewiſſer Theile desſelben auch nach Entfernung des ganzen Großhirns allgemeine Krämpfe hervor— rufen kann, ebenſo können durch Reizung und Verletzung desſelben Zwangsbewegungen und Zwangsſtellungen erzeugt werden. Die wichtigſte der vom verlängerten Marke abhängigen Muskel- funktionen iſt die der Athemmuskeln; das Ath- mungscentrum, welches ungefähr dem Vagus— kerne (ſ. Nerven) entſpricht, unterhält einzig und allein das Athmen, daher deſſen Zerſtörung un— mittelbar den Tod durch Erſtickung zur Folge hat; mit vollem Rechte nennt daher Flourens dieſe ſo ausgezeichnete Stelle des ganzen Nerven— ſyſtems noeud vital. Es wird in Thätigkeit er— halten durch die von der Peripherie kommenden Erregungen — Aufblähung der Lunge bedingt Exſpiration, Zuſammenfallen derſelben Inſpi— ration — ferner durch den Gasgehalt des Blu— tes. Auch die Herzthätigkeit wird durch das ver— längerte Mark reguliert, indem von demſelben ſowohl hemmende als beſchleunigende Erre— gungen zum Herzen abfließen können; jedoch iſt die Herzthätigkeit nicht ſo abhängig wie die Athmung, das Herz arbeitet auch dann noch fort, wenn die Verbindung mit dem verlängerten Marke vollſtändig unterbrochen iſt. Im vorderen Theile des verlängerten Markes befindet ſich ein ſehr wichtiges Gefäßnervencentrum, durch deſſen Thätigkeit die Gefäße eines den Blutdruck außerordentlich beeinfluſſenden (Unterleibs-) Ge⸗ bietes in Contraction gehalten werden; wird es zerſtört, fo ſinkt der Blutdruck infolge der Er— weiterung der zugehörigen Gefäße außerordent— Gehör. — Geier. 291 lich ab. Es kann dieſes Centrum durch Gifte, durch den Gasgehalt des Blutes, endlich durch von der Peripherie kommende nervöſe Erre— gungen ſowohl zur Erhöhung des Blutdruckes, als auch zur Erniedrigung desſelben veranlaſst werden. Auch die Centren für die Schluckbewe— gungen und noch mehrere andere liegen in die— ſem Theile des Centralnervenſyſtems; aber nicht nur Bewegungen, ſondern auch Seeretionen ſind von der Medulla oblongata abhängig, ſo z. B. die Speicheljecretion, wahrſcheinlich auch die Thränenſecretion. Ein großer Theil der Lei— ſtungen des verlängerten Markes kann von dem Willen beeinfluſst werden; fie verlaufen aber alle auch ohne Betheiligung der Willensthätig— keit. Schließlich ſei noch die merkwürdige That— ſache angeführt, daſs Verletzung, Reizung eines beſtimmten Theiles des verlängerten Markes oder die reflectoriſche Erregung desſelben durch Reizung des Vagusſtumpfes, des N. depressorius u. a. das Auftreten von Zucker im Harn ver— anlajst; man hat deshalb dieſen Theil als Dia— betescentrum bezeichnet. Wir wollen noch die unmittelbaren Folgen der Hirnverletzungen kurz zuſammenſtellen. So— bald das Gehirn verletzt iſt, bricht das Thier zuſammen u. ſ. w. indem, je nachdem die einen oder anderen Theile verletzt ſind, Lähmungen, Krämpfe, Zwangsbewegungen, Verluſt des Be— wuſstſeins u. ſ. w. eintreten; der Tod jedoch mujs nicht die unmittelbare Folge ſein. Der Tod tritt unmittelbar nach Gehirnverletzungen ein: direct, wenn das verlängerte Mark und damit das Athemcentrum zerſtört iſt, oder, wie wir gleich hinzufügen wollen, der obere Theil des Halsmarkes, jo weit es die vom Athemcen— trum zu den Reſpirationsmuskeln ziehenden Nervenfaſern enthält; ſchon im Alterthume war es bekannt, daſs die Gegend des Genickes eine für das Leben ſehr wichtige Region iſt; indirect auch nach Verletzungen der übrigen Gehirntheile u. zw.: J. wenn jo ausgedehnte Gefäßzerreißungen ſtattgefunden haben, dajs Anämie des verlängerten Markes und dadurch Störung in der Thätigkeit des Athemcentrums eintritt; 2. wenn durch die Verletzung das Vaguscentrum ſo ſtark erregt wird, dass länger dauernder Herzſtillſtand ein— tritt, oder endlich 3. wenn durch ausgedehntere Hirnverletzungen ſo ſtarke Depreſſion (Hem— mung) des Athemcentrums eintritt, daſs es ebenfalls in ſeiner Thätigkeit geſtört wird. Dieſe letztere Erſcheinung tritt auch ein, wenn andere größere Theile des Nervenſyſtems, auch des peripheren, plötzlich zerſtört oder ſehr ſtark er— regt werden, und ſie wird von den Chirurgen als Choc bezeichnet. Lbr. Gehör, das, Bezeichnung für die Ohren der meiſten Haarwildarten, doch oft beſſer durch Lauſcher erſetzt. „Gehör: Ohren des Hoch— wildes und der Raubthiere, bei letzteren auch Lauſcher.“ Laube, Jagdbrevier, p. 277. — „Gehör: das Ohr bei allem Hochwild und Sauen.“ Walderſee, Der Jäger, p. 111. — „Gehöre nennt man die Ohren des Schwarz— wildes und der Raubthiere.“ Hartig, Lexik., p. 215. — „Luſer oder Lauſcher oder Loſſer werden die Ohren des Edel-, Dam- und Reh— wildes genannt. Bei den Haſen heißen ſie Löffel, und bei den übrigen Thieren Gehöre.“ Ibid., p. 358. — „Das Edelwild hat... Ge— hör, keine Ohren.“ Winkell, Hb f. Jäger, I., p. 3. — „Die Ohren (des Schwarzwildes), von einigen Gehöre genannt.“ Bechſtein, Hb. d. Jagdwiſſenſchaft I., p. 146. — „Gehöre nennt man weidgerecht die Ohren der Raubthiere.“ R. R. v. Dombrowski, Der Fuchs, p. 185. — Sanders, Wb. I., p. 787. E. v. D. Gehörn, das, heute nur für den Rehbock, Steinbock und Muflon gerecht, in älterer Zeit auch ſtatt Geweih. „Geweyhe, Gehörne, ſind die Hörner vom Hirſch; die Hörner aber, ſo die Rehböcke tragen, heißen eines Rehbocks Gehörne und kein Geweyhe.“ J. Täntzer, Jagdgeheimniſſe, 1682, fol. 12. — Fleming, J., 1729, I., Anh., fol. 107 a. — „Beim Rehbock findet nur die Bezeichnung Gehörn ſtatt, nicht wie beim Hirſch Geweih oder Ge— wicht.“ Winkell, Hb. f. Jäger, p. 263. — „Ge— hörn nennt man die Hörner des Nehbods. Auch die Hörner des übrigen Wildes nennt man Gehörne oder Geweihe. Die des Rehbocks aber nennt man niemals Geweih.“ Hartig, Lexik., p. 215, 222, 134, 135, 145. E. v. D. Gehörsſinn, ſ. Hören. Lbr. Gehunde, das, Sammelname für mehrere Koppeln von Hunden, nur mhd. Nibelungen— lied, Str. 930, 958, 960. — Königsberger Jagdallegorie, v. 113, 134, 220. — Hadamar v. Laber, Diu jagt, str. 203. — Die Jagd der Minne, v. 74. E. v. D. Geier (brauner), Vultur fulvus, Briss., O. I., p. 462 (1760); Gyps vulgaris, Savigny, S. O. de I'Eg., p. 11 (1810); Vultur leuco- cephalus, Wolf, Taſchenb. I., p. 7 (1810); Vultur persicus, Pall. Z. R. A. I., p. 377 (1814); Vultur Kolbii, Temm., M. d'O. IV., p. 587 (1840, nec Daud.); Vultur fulvus oc- eidentalis, Schleg., R. C., p. XII (1844); Vultur aegyptius, Licht., Nomelator A., p. 1 (1854); Vultur fulvus orientalis, Schleg., M. P. B., Vult., p. 6 (1862): Gyps hispaniolensis, Sharpe, C. A. B. M., p. 6 (1874). Alpengeier, röthlicher, rothgelber und weißköpfiger Geier, ägyptiſcher Geier, Lämmer— geier, Mönchsadler, Bergſtorch. Engl.: Griffon Vulture; frz.: Vautour Griffon; ſpan.: Pajaraco; ital.: Grifone; arab.: Nishr; maur.: Enisher; dän.: Gul-Grieb; ungar.: facö Kesselyii; böhm.: Sup belohlavy; poln.: Sep plowy; kroat.: Bjeloglavi ljesinar. Naumann, T. 2, 338; Dreſſer, V., T. 319 ad, 320 juv.; Fritſch, T. I, Fig. 3. Der braune Geier iſt dem Mönchsgeier in der Geſtalt und Größe ähnlich, beſonders in der Körperlänge erreicht er oft nicht allein die Maße des grauen Geiers, ſondern übertrifft dieſelben bisweilen. Anders iſt es mit der Spannweite der Flügel, in der er faſt ſtets etwas geringere Maße hat. Die Durchſchnittsmaße älterer Vögel ſind: Länge 108, Breite 266, Fittig 74, Stoß 32, Schnabel 95, Mittelzehe 10˙5, Fußwurzel 10˙0 cm. Die Iris iſt umberbraun, die nackte Stelle am Kopf und Hals bleiblau, der Schnabel ſchwarzbraun, die Füße gelblichgrau, Kopf und 19 *. 292 Geier. Hals bis an die Halskrauſe ſind faſt nackt, nur mit wenigen wolligen kurzen Federn und einzel— nen Haaren bedeckt. Die Färbung des kleinen Gefieders weicht nicht unerheblich ab, je nach der Localität und dem Alter. Im allgemeinen ſind die Vögel des Weſtens, von Sardinien ab, mehr röthlichgelb— braun, während die des Oſtens graulichgelb— braun ſind. Jüngere Vögel haben mehr roſt— bräunliche Färbung. Die Schwung- und Schwanz⸗ federn ſind ſchwärzlich und die Unterſeite der Flügel zieht auch in dieſe Färbung, woher es kommt, dafs ein hoch über dem Beobachter ziehender brauner Geier außerordentliche Ahn— lichkeit mit dem Mönchsgeier hat und leicht damit zu verwechſeln iſt. Dieſe Art hat um die Wurzel des Hinter— halſes eine halbmondförmige Halskrauſe, welche bei den jüngeren und nicht ganz alten Vögeln aus langen, lanzettförmigen, zerſchliſſenen, bei den Alten aus wolligen Federn beſteht. Dieſer Geier iſt jedoch, wie wir uns in Ungarn über— zeugten, ſchon mit der erſterwähnten Halskrauſe brutfähig. Die Heimat dieſes Geiers iſt ähnlich wie bei dem grauen Geier, doch dehnt ſie ſich weiter ſüdlich und öſtlich aus, geht jedoch nicht ganz ſo weit nördlich. Es iſt eine eigene Erſcheinung und wohl nicht ein nur zufälliges Zuſammentreffen, dass die Geier weſentlich diejenigen Länder um das mittelländiſche Meer bewohnen, wo Muſelmän— ner noch heute wohnen oder in früheren Zeiten geherrſcht haben; zwei Urſachen treffen hier zuſammen, Schonung der Thiere und mangel— hafte Geſundheitspolizei. Im allgemeinen bewohnt die Art nackte Felſengebirge, übernachtet auch daſelbſt und zieht ſehr regelmäßig am Morgen in die Ebene, bisweilen in eine Entfernung von 10 deutſchen Meilen, um ihre Nahrung zu ſuchen, die faſt ausſchließlich in todten Thieren beſteht. Bei der gewaltigen Flugkraft auch dieſes Geiers iſt es ſehr erklärlich, daſßs er bei mangelnder Nahrung in ſeiner Heimat weite Strecken durch— mijst und zeitweiſe in Gegenden kommt, wo er eine ungewöhnliche Erſcheinung iſt. Bei ſol— chen Gelegenheiten hat man ihn in ganz Deutſch— land, am häufigſten in Schleſien geſehen. In Galizien kommt er jedes Jahr in mehr oder minder großen Trupps, ſoll auch in neuerer Zeit im ſüdweſtlichen Oſterreich zur Brutzeit vorgekommen ſein. Im Norden der ehemaligen Türkei iſt er jehr gemein. Für Ungarn wohl im Südoſten am häufigſten. In der Fruska⸗ Gora, wo der graue Geier ſehr gewöhnlich iſt, ſahen wir nur einzelne. Ich hatte jedoch das Glück, einen braunen Geier beim Horſte zu er— legen, welcher auf einer alten Eiche nahe des Kammes ſtand. Es iſt dies wohl das erſte ſicher conſtatierte Beiſpiel, dajs dieſe Art auf einem Baume horſtend gefunden wurde. In— deſſen ſoll nicht unerwähnt bleiben, dajs die Gebr. Sintenis bei Gelegenheit ihrer Reiſe in die Dobrudſcha einen ähnlichen Fall berichten, leider ohne nähere Daten. Der braune Geier horſtet auf nacktem Felsgebirge, gewöhnlich geſellſchaftlich und legt 1, höchſtens 2 Eier, welche auf bläulichweißem oder gelbbläulichweißem Grunde ohne oder mit wenigen ſehr matt lehmgelben Flecken gezeichnet ſind. In der Größe übertreffen ſie theilweiſe die des grauen Geiers, beſonders in der Quer— achſe, die durchſchnittlich 6°8—7'4 em iſt, wäh⸗ rend die Längsachſe I0—9'5 em beträgt. Jagd. Über die Jagd der Geier und der großen, auf Bäumen horſtenden Raubvögel möchte ich hier noch eine kurze Bemerkung anknüpfen. Geier werden am leichteſten aus der Luder— hütte geſchoſſen, ſowie auch die Edeladler nicht verſchmähen, auf gefallene Thiere zu kommen. Für dieſe großen Raubvögel darf die Entfer— nung beim Schrotgewehr nicht zu groß ſein, zumal wenn der Vogel dem Jäger die Bruſt zuwendet. Sicherer iſt ein Schuſs mit der Kugelbüchſe. Wohl alle Raubvögel, beſonders die Geier, kommen leichter an die Hütte auf freier Ebene als im Walde, gewöhnlich erſt, wenn Raben ſich zuvor niedergethan haben und ungeſtört geblieben ſind. Es iſt mir auch verſchiedentlich vorgekommen, daſs große ſcheue Vögel, wie Trappen und Auerhühner, nach einem Fehl— ſchuſſe mit der Kugel nicht aufflogen, wenn der Schütze ſich ganz ruhig verhielt. Erſtere bei der Hütte, letztere bei Treibjagden, wenn dieſelben zufällig in der Nähe des Schützen aufgebäumt hatten. Bei Trappen iſt mir mehr⸗ fach vorgekommen, bei Auerhähnen wird es ja oft beobachtet, wenn der Auerhahn im Augen- blick des Schuſſes balzt. Man hat hier ver- ſchiedene Erklärungen gegeben, welche nach mei— nen Beobachtungen nicht zutreffen. Der plötzliche Donner des Schuſſes macht auf das Wild in vielen Fällen eine ähnliche Wirkung wie der Donner beim Gewitter. Sowohl beim plöß- lichen Gewitter wie bei einem Schuſſe, wo der Trappe den Schützen nicht ſieht, ſpringt er ge— wöhnlich auf, ſichert nach allen Seiten und ſchreitet dann ſcheinbar ebenſo ruhig weiter wie zuvor. Wie bereits erwähnt, habe ich Ahn⸗ liches beim Auerhahn erfahren und ich möchte glauben, daſs ſich die großen Raubvögel unter Umſtänden ebenſo verhalten. Was die Jagd der auf Bäumen horſtenden Raubvögel anbelangt, ſo gibt es zwei Me⸗ thoden. Entweder den abfliegenden Vogel ſofort herabzuſchießen oder denſelben ohne Schuss ab» ſtreichen zu laſſen, ein Verſteck zu bauen und den zurückkommenden Vogel zu ſchießen. Erſte Methode habe ich in früherer Zeit ſtets ausgeführt und zu meiner vollen Befrie— digung, denn ſelbſt nach Fehlſchüſſen muſs man eilig eine Hütte bauen, indem der abgeflogene Vogel gewöhnlich ſehr bald zurückkommt. In den bei weitem meiſten Fällen wird indeſſen ein guter Schütze den abfliegenden Vo⸗ gel ſofort niederſtrecken. Es iſt dabei zu berück⸗ ſichtigen, daſs man ſicher darauf rechnen kann, daſs ein großer Vogel auf der dem Ankom⸗ menden entgegengeſetzten Seite abſtreicht, wenn nicht für denſelben nur die eine Seite des Baumes zum Abflug geeignet iſt. Daher iſt es rathſam, dajs der Schütze einen etwaigen Be— Geier. 293 gleiter vor dem Baume ſtehen läſst, ſich jelbit | aber unter den Baum jo weit begibt, dajs ein einigermaßen freier Schuſs möglich iſt. Uber das Feſtſitzen verſchiedener Arten findet man recht eigenthümliche Angaben, oft von Leuten, welche ihre Erſtlingserfahrung ſo— fort niederſchrieben und dieſelbe, wie dies ſo häufig iſt, ſofort als allgemeine Regel betrach— teten. Wer Gelegenheit hatte, viele Jahre ſolche Raubvögeljagden zu betreiben, der wird wiſſen, daſs nicht allein local, ſondern auch individuell große Unterſchiede ſtattfinden. Die Jagd auf der Krähenhütte wird beim Uhu erörtert werden. Es wird in neuerer Zeit die Frage erörtert, ob es nicht zweckmäßig ſei, alle wahren Geier zu einer Gruppe zu vereinigen, unter dem alten Gattungsnamen „Vultur“. Es hat eine ſolche Vereinfachung auch unzweifelhaft manche Vorzüge, beſonders bei Gattungen, welche nur wenig Arten enthalten, welche wenig ſcharf be— grenzt ſind. Wenn man andererſeits die Gat— tungen mit zahlreichen Arten trennt, ſo wird die Überſichtlichkeit gefördert. Es iſt wohl ſehr ſchwierig, hier überall das Richtige zu treffen, wenn es auch oft vermieden werden könnte, die Trennung jo weit zu führen, daſs faſt jede Art einen eigenen Gattungsnamen erhält. E. F. v. Hmr. Geier (Mönchs-), Vultur monachus, Linn., S. N. I., p. 122 (1766); Vultur cinereus Gm., S. N. I., p. 247 (1788); Vultur vulgaris, Daud., T. d’O. II., p. 16 (1800); Aegypius niger, Savigny. O. d' E., p. 74 (1809); Vultur niger, Licht., V. D., p. 62 (1823); Vultur im- perialis, Temm., Pl. C. 426 (1827); Gyps ci— nereus, Bp., C. L. B. E. a. N. A., p. 2 (1838); Polypteryx einereus, Blyth, A. N. H. XIII., p. 113 (1844). Großer, aſchgrauer, gemeiner, Geier; Kahlkopf, pyrenäiſcher Adler. Engl.: Cinereous Vulture; frz.: Vautour arrian; ſpan.: Buitre negro; portug.: Pica osso; ital.: Avvoltojo; dän.: Grogrib; ungar.: barna Kesselyii; böhm.: Sup hnedy; poln.: Sep kasztanowaty; kroat.: Siri ljesinar. Naumann, Vögel Deutſchl. I., T. 1; Dreſſer, V., T. 321; Fritſch, V. E., T. 1, Fig. 4. Der graue Geier iſt gewöhnlich etwas größer als der braune, beſonders zeigt ſich dies in den gewaltigen Flügeln, wenn dieſelben von einer Spitze zur anderen gemeſſen werden, weniger in dem Längenmaße. Fünf auf der Reiſe Sr. k. k. Hoheit Kron— prinz Erzherzog Rudolf 1878 in Ungarn er— beutete wurden auf der Stelle gemeſſen. Durch die gnädige Güte des hohen Herrn können hier dieſe Maße gegeben werden: Länge 104—111, Breite 265—287, Fittig 75—84, Stoß 38—48˙5 em. Schnabel 10˙5 bis 140, Mittelzehe 95—13°0, Fußwurzel 9˙0 bis 13°0 cm. Die Iris iſt beim alten Männchen röthlich umberbraun; die Tarſen und Zehen ſind grau— lich blauweiß. Bei dem alten Weibchen war die Iris dunkelbraun mit einem Stich ins Rothbraune; der Schnabel licht hornbraun, oben und in der Mitte dunkelbraun. ſchwarzer Die Wachshaut und die Augengegend iſt bleiblau mit röthlichem, nackte Halsſtellen ſind bleigrau mit grünlichem Schein. Die Oberhälfte des Halſes iſt faſt ganz nackt; der Oberkopf, die Kopfſeiten bis zum Auge und der obere Hinterkopf ſind mit kurzen dichten, ſehr weichen Federn bedeckt. Unter der Mitte des Halſes befindet ſich ein herz— förmiger Kragen von langen Federn; an jeder Schulter ein beweglicher Federbuſch. Hiedurch wird bei eingezogenem Halſe dem nackten Theile desſelben Schutz gegen rauhe Witterung ge— geben. Bei jüngeren Vögeln iſt das Gefieder mehr zugeſpitzt, bei älteren abgerundet. Die Tarſen ſind an den oberen zwei Dritteln befiedert; die Nägel ſind wie bei allen anderen Geiern 5 der Schnabel lang und hoch, ſchneide— arf. Das kleine Gefieder iſt ſchwarzbraun mit röthlichem Glanze, Schwung- und Schwanz— federn ſchwarz. Einer der mächtigſten Vögel Europas, der wie alle Geier ſich durch die gewaltigen Flügel auszeichnet und dadurch vermag, ohne eine ſichtbare Flügelbewegung große Strecken zu durchmeſſen, ja, auch in gerader Richtung, mit ſcheinbar unbeweglichen Flügeln ſich beliebig zu erheben. Es gewährt ein prächtiges Bild, wenn dieſe Geier, am Morgen vom Gebirge kom— mend, ihre Ausflüge in die Ebene machen. Der Mönchsgeier iſt ein harter Vogel und lebt daher auch nördlicher wie ſeine Verwandten. Nicht allein die Küſtenländer des mittelländi— ſchen Meeres, Weſtaſien, Griechenland, die Türkei und Südungarn ſind ſeine Heimat, auch in den Karpathen, in Südruſsland, im Kau— kaſus, ja bis zum Ural lebt er als Brutvogel. Es iſt wohl ſehr erklärlich, daſs ein ſo gewaltiger Flieger, wenn er ſich aus irgend einem Grunde veranlaſst findet, ſeine Heimat zu verlaſſen, nur ſehr kurze Zeit gebraucht, weite Strecken zurückzulegen. Man hat ihn mit dem braunen Geier vereint in großen Flügen in Schleſien geſehen, und er iſt auch einzeln faſt überall in Norddeutſchland vorgekommen. In Galizien wohl jedes Jahr. Es würde ein großer Irrthum ſein, wenn man — wie manche Schriftſteller meinen — dieſe Wanderer als verirrte Vögel betrachten wollte. Geſunde ver— irrte Vögel gibt es kaum. Ungewöhnliche Wan— derungen treten ein, wenn beſondere Veranlaſ— ſungen auf die Vögel einwirken. Gewöhnlich ſind die Gründe in den Nahrungsverhältniſſen zu ſuchen; bei manchen Arten von Vögeln und Säugethieren liegt der Grund auch in unge— wöhnlicher Vermehrung. Im allgemeinen iſt es wahrhaft bewunderungswert, wie ſcharf die Grenze einer Art innegehalten wird. So lange ſolche Wanderer kräftig ſind und auf der Wan— derung ausreichende Nahrung finden, werden ſie weniger bemerkt, aber bei allen Wanderun— gen bleibt auch „ein Kranker weit zurück“, und dieſe werden von gelehrten und ungelehrten Beobachtern oft als Irrlinge betrachtet, ge— wöhnlich als Irrgäſte bezeichnet, obgleich ſie weder Gäſte noch Irrlinge ſind. 294 Geil. — Geißel. B. Brehm machte auf unſerer Reiſe nach Ungarn eine ſchöne Beobachtung. Derſelbe fand an einem warmen Nachmittage auf der Fruska— Gora einen Trupp Geier unter dichtem Wald— gebüſch verſteckt, um ſich vor der Sonnenwärme zu ſchützen. Dieſelben muſsten eine ganze Strecke lau— fen, um auf eine freie Stelle zu kommen, von wo ſie auffliegen konnten. Wie ſchon bemerkt, iſt der Mönchsgeier ein ſehr harter Vogel. Die Gebrüder Sintenis ſahen dieſe Geier bei über 20° Kälte (Réau⸗ mur) jo hoch in der Luft kreiſen, daſs dieſelben nur als kleine Punkte erſchienen. Obgleich nun das Auge des Geiers klein iſt, ſo iſt es doch außerordentlich ſcharf, denn ſie erblicken aus ſolcher Höhe die Gegenſtände auf der Erde ganz genau. Wenn nun Einer einen Fraß erſpäht, ſo ſenkt er ſich in Kreiſen herab und alle ſeine Gefährten folgen ſeinem Beiſpiel. Es iſt daher in erſter Linie nicht der Geruch, ſondern das Auge, welches den Geier ſeine Beute finden läſst und oft in kurzer Zeit eine große Anzahl vereinigt. Für die warmen Länder, beſonders wenn die Geſundheitspolizei eine mangelhafte iſt, ſind die Geier nützlich. In Ungarn jrejjen fie auch die ſo ſehr ſchädlichen Zieſel. Der Mönchsgeier horſtet im eigenen Bau oder in einem alten Adlerhorſte auf Bäumen der Waldgebirge. Gewöhnlich befinden ſich darin zwei Eier, bisweilen aber auch nur eines. Sie ſind gewöhnlich an beiden Enden abgerundet, ziemlich gleichhälftig, doch mitunter auch an einem Ende zugeſpitzt. Der Längsdurchmeſſer beträgt 85—92 mm, der Querdurchmeſſer 6˙0 bis 7A mm. Dieſe Eier haben auf bläulich weißem oder gelblich weißem Grunde eine außerordent— lich ſchöne Zeichnung von kleineren oder größe— ren, gleichmäßig über das ganze Ei vertheilten oder nur an einem Ende befindlichen Flecken von lehmgelber, röthlichlehmgelber, röthlich— brauner, dunkelbrauner, ſchwar brauner Fär— bung, die manchmal mit röthlichaſchblauen Flecken untermiſcht ſind. Bisweilen iſt die Fär— bung überall faſt gleichmäßig lehmgelb, wie man dies gewöhnlich beim Geieradler findet. Meine Sammlung hat 25 Stück dieſer Eier vom 18. März bis zu Mitte April. E. F. v. Hmr. Geil, der, ſ. v. w. Bibergeil, |. d. „Die Hoden oder Geilen ſind das köſtlichſt am Biber . ..“ Stumpff, Schweiz. Chronica, fol. 611 a. — Kobell, Wildanger, p. 333. — Sanders, Wb., I., p. 566. E. v. D. Geile, die, ſ. v. w. Hoden, bei allem Wilde, vgl. Kurzwildpret, welches Wort gebräuchlicher. „Geylen heißen die Hoden von den Thieren.“ Täntzer, Jagdgeheimniſſe, 1682, fol. XlIa. — Fleming, T. J., 1789, I., Anh., fol. 107. — „Geulen, ſo heißen die Hoden oder Glöſſe bei den vierfüßigen Raubthieren; bei dem Roth— und Schwarzwild aber heißet es das kurze Wildpret.“ Großkopff. Weidewerkslexikon, p. 139. — „Gailen nennen einige die Teſtikeln des Bibers, Marders, Fuchſens, Haſens, wie auch das weibliche Glied dieſer Thiere.“ „Hoden, Gei— len oder Grenel, dann Kurzwildpret werden ſo— wohl die Teſtikeln des Hirſches, als auch anderer wilden Thiere genannt.“ Chr. W. Heppe, Wohl- red. Jäger, p. 171, 206. — „Gailen, auch Ge— ſchröt, nennt man die Teſtikel bei den Raub— thieren. Bei dem Elen-, Edel-, Dam-, Reh- und Schwarzwilde aber nennt man ſie Kurzwild— bret.“ Hartig, Lexik., p. 212. — „Gailen wer- den die Teſtikel des Fuchſes und auch des Hun— des genannt.“ Raoul R. v. Dombrowski, Der Fuchs, p. 184. — „Gailen: die Hoden des (Auer-) Hahnes.“ Wurm, Auerwild, p. 7. — Sanders, Wb., I., p. 566 b. E. v. D. Geilen, verb. intrans., ſ. v. w. feuchten, ſelten. Chr. W. v. Heppe, Wohlred. Jäger, p. 176. — Sanders, Wb., I., p. 566 e. E. v. D. Geinſäure gehört zu den Humusſäuren. S. Humus. v. Gn. Geiſtestrankheit (Deutſchland) des Thäters, welche deſſen freie Willensbeſtimmung aufhebt, ſchließt nach §S 51 des Reichsſtraf— geſetzes vom 15. Mai 1871 die Strafbarkeit der That aus. Nach der Strafproceſsordnung vom 1. Fe— bruar 1877 hat der Eintritt von Geiſteskrank— heit nach der That die vorläufige Einſtellung des Verfahrens, der Eintritt einer ſolchen nach der Verurtheilung den Aufſchub des Strafvoll- zuges zur Folge. Geiſteskrankheit macht rechtsunfähig, wenn ſie die Willensfähigkeit, d. h. die Fähigkeit, die rechtliche Bedeutung eines Geſchäftes zu er- faſſen und ſich demgemäß frei zu entſchließen, aufhebt. Von einem ſolchen Geiſteskranken ein- gegangene Rechtsgeſchäfte ſind ungiltig. Die Entmündigung einer geiſteskranken Perſon erfolgt nach der Civilproceſsordnung vom 30. Januar 1877 nur auf Antrag durch Beſchluſs des Amtsgerichtes. Außer dem Ehe— gatten, den Verwandten u. ſ. w. iſt in allen Fällen auch der Staatsanwalt des vorgeſetzten Landgerichtes zur Antragſtellung befugt. At. Geiß, die, das weibliche Thier beim Reh, der Gemſe, dem Steinbock und Muflon, ſeltener auch beim Damwilde; ſ. a. die Zuſammen— ſetzungen Rehgeiß, Gemsgeiß 2c. „Unter den Gemſen iſt an der Geſtalt kein Unterſchied: Bock und Geißen ſind gleich.“ Stumpff, Schweiz. Chronica, fol. 606. — „Geiß heißt das Weiblein eines Rehes.“ Täntzer, 1682, Jagdgeheimniſſe, p. 1b. — Fleming, T. J., 1729, I., Anh., fol. 107 a. — „Das Weiblein (beim Rehe) wird bei theils Jägereien eine Riecke oder Rehe, Hille oder Geiß... ge— nannt.“ Döbel, Jägerpraktika, 1746, I., fol. 29 b. — „Geiß oder Rücke wird das weibliche Ge— ſchlecht von denen Rehen genennet ...“ Groß— kopff, Weidewerkslexikon, p. 258. — Chr. W. v. Heppe, Wohlred. Jäger, p. 176. — „Geiß, Rehgeiß, Damgeiß, nennen einige die weib- lichen Thiere der Rehe und des Damwildes“ Hartig, Lexik., p. 216. — „Steinbock ... das Weibchen Steingeiß.“ Ibid., p. 498. — San⸗ ders, Wb., I., p. 570. E. v. D. Geißel, Fühlergeißel der Inſeeten, ſ. Ans tennen. — Geißel S Flagellum, ſ. Diptera. Hſchl. 4 Gejagt. — Gelauf. 295 Gejagt, das, auch Gejaid, Nebenform von Jagd, veraltet; beſonders häufig im Mhd:: gejeit. „Ich wän man lieg nyndt so viel sam da man sait von vederspil, von geiaid vnd von paiz... * Heinrich der Teichner, Von valch- neren, Cgr. fol. Cxlvj, v., col. a. v. 1-3. — „Er was ein wegemüder man worden von dem gejag d.“ „. . . und liez nie nint beliben, daz man zem jeid sol triben.“ Königsberger Alle— gorie, v. 15, 92. — „. . . ob min jejeit den wiltban boeser machet.“ Hadamar v. Laber, Diu jagt, str. 44. — „Wen mir ist wol an dem geyeyd . . .“ Peter Suchenwirt, Daz gejaid, v. 27. — „. . . eynen yeden waidman, der dem gejaid ist hangen an...“ „So er mit der zeit erkennet mit geferligkeit inn dem gejayd mit vil gebrechen. ..“ Hans Sachs, Uctäon, v. 42. 73. — „Das gejaegt der Hirsch.“ M. Sebitz, Feldbaw, 1580, fol. 663. „Du kunig, nim war der valken vnd der hir- schen und ergötz dich an den gejadten.“ Weißkunig, 438. — „Jagd wird auch Gejaigd oder Gijaid benannt.“ Chr. W. v. Heppe, Wohlred. Jäger, p. 224 a, 1764. — Sanders, Wb., I., 826 c, 834 a; Erg. Wb., p. 285. E. v. D. Gejackt, adj., ſ. v. w. gepanzert, ſ. d. „Der gejackte oder gepanzerte Hund ...“ Döbel, Jägerpraktika, Bd. II., p. 77b. — Groß» kopf, Weidewerkslexik., p. 137. — Behlen, Real— u. Verb.⸗Lexik., III., p. 133. E. v. D. Geſilaut, adj., Gegenſatz zu geſchalt, ſ. d. „In der Fährte thut das edle oder ge— ſchalte Wildpret ſeine Zeichen mit denen Scha— len, das unedle oder geklaute oder Raub— wildbret aber mit ſeinen Branten oder Klauen.“ C. v. Heppe, Aufr. Lehrprinz, p. 86. — „Spur (ſtatt Färthe) wird am meiſten von geklautem Wildpret als den Haſen, Luchs, Wolf, Fuchs, Dachs u. dgl. gejagt.“ Ibid. p. 113. — Sanders, I., p. 926. E. v. D. Gelach, das, ſ. v. w. Suhle, ſ. d. „Sudel, Sulach, . . . Gelach, Sohle, Prude, iſt alles Eines und zeiget eigentlich einen Moraſt oder Sumpf an, in welchem die Hirſche und die Sauen ſich des Sommers und zur Prunftzeit abkühlen.“ Chr. W. v. Heppe, Wohlred. Jäger, p. 359. — Sanders, Wb. II., p. 26. E. v. D. Gelacke, ſ. Dienſtbarkeiten und Alpen. Mcht. Geländer beſtehen (Fig. 381) aus den Geländerſäulen von Holz oder Stein, dem Geländerholm und den Riegelhölzern. Die Geländer ſind einfache Rundhölzer mit Fig. 381. Anſicht eines Straßengeländers. B aus behauenem Holz, C mit Steinſäulen. länderpfoſten, e Steinſäule, d Riegelhölzer. = 3 P A Aus . * 1 Geligder alten . e heit des Bodens, in Bezug auf das ſchief abgeſchnittenem Kopfe: mitunter werden ſie auch aus Pfoſten von hartem Holz herge— ſtellt und am Kopfe mit einem Zapfen ange— arbeitet, worauf der Geländerholm gelegt wird. Mitunter werden die Geländerholme nur durch einen Holznagel mit der Säule verbunden. Die Säulen werden in Entfernungen von m feſt in den Boden eingeſetzt, müſſen min— deſtens 0'9— om über dem Boden empor- ragen und erhalten der Länge nach Durchzüge oder Riegelhölzer, öfter auch Geländer— ſtreben. Auf wichtigen Straßenanlagen treten an Stelle der hölzernen Säulen und Riegeln Steinſäulen und Eiſenſtangen. Herſtellungsaufwand. Einen laufenden Meter Geländerbaum aus weichem Holz, 3 bis % em behauen, an der oberen Fläche abrin— den und hobeln erfordert einſchließlich des Ver— zapfens und Einlaſſens 018 Zimmermannstag— ſchichten, Um 12—25 em ſtarkes Rundholz 0˙01 0505 fm? rohes Holz. Einen laufenden Meter Geländerkopf- oder Mittelſäule 20/25 em behauen, am unteren Ende anbrennen (ankohlen) und verſetzen erfordert 025 Zimmermannstagſchichten, 0142 Hand— langertagſchichten, Um 30 em ſtarkes Holz ader 0:07 im? rohes Holz. Einen laufenden Meter Geländerbaum aus 15—20 cm ſtarken Rundholz herſtellen erfordert 0:05 Zimmermanstagſchichten und 00% bis 0˙03 fm? rohes Holz. Einen laufenden Meter Topf- oder Mittel- ſäule aus 15— 23 cm ſtarkem Rundholz her— ſtellen, ankohlen und verſetzen erfordert 010 Zim— mermannstagſchichten, 0.12 Handlangertagſchich— ten und 0˙02— 0:05 fm? rohes Holz, Fr. Geländerheber, j. Geländer. Fr Geländerpfoſten, ſ. Geländer. Fr. Geländerſtreben, ſ. Geländer. Fr. Geläppe, das, ſ. v. w. Behang, ſ. d. San⸗ ders, Wb. II., p. 27 a. E. v. D Gelauf, auch Geläufe, das. Bei Feder— wild ſ. v. w. Wechſel, Pass; ſeltener in der— jelben Bedeutung von niederem Haarwild. „Laufeln oder Gelaufen heißen die kleinen Pfädchen, ſo ein Volk Hühner auf dem grünen Samen, auch auf den Wieſen im Graſe machen . ..“ C. v. Heppe, Aufr. Lehrprinz, p. 288. — „Geläuf nennt man es, wo Feder— wild gelaufen hat.“ Hartig, Lexik., p. 216. — „Geläuf, wo Federwild gelaufen iſt.“ Laube, Jagdbrevier, p. 277. — „An ihrem (der Hün— din) leiſen und vorſichtigen Nachſchlei— chen auf dem Geläufe konnte ich wahrnehmen, daſs fie Hühner in der Naſe hatte.“ Diezel, Niederjagd, p. 130. — „Das Gelauf oder Geläufe: der Ort, wo Federwild an der Erde ge— laufen iſt, auch die Spur davon am Boden.“ Wurm, Auerwild, p. 7. — „Wo Iltiſſe ihr Gelieger und Geläufe haben ...“ C. v. Heppe 1. c., p. 18. — „Kann ein Haſe in einer Nacht ein jo ſtarkes Geläuf machen ...“ Ibid., . 327. — Seltener für die Beſchaffen⸗ Suchen der Hunde. „Die Hunde haben 296 gut Geläuf, wenn der Boden, auf welchem gehetzt werden ſoll, weder zu hart, noch zu weich iſt .. .“ D. a. d. Winkell, Hb. f. Jäger, II., p. 32. — Laube J. c. p. 277. — Sanders, Wb. II., p. 48 b. E. v. D. Gekauft, adj. ſ. v. w. mit Läufen ver⸗ ſehen, ſelten. „Begleitet von dem krumm ge— lauften Hund, eilt man zu dieſen Mörder— höhlen hin.“ Graf Walderſee, der Sägen, 8 v Gelaut, auch Geläute, das, das Bellen (Lautwerden) der Hunde. „Gelaut, nennen einige das Bellen der Hunde.“ Chr. W. v. Heppe, Wohlred. Jäger, p. 176. — „Das vielſtim— mige Bellen der Jagdhunde, wenn ſie ein Wild verfolgen oder verjagen, nennt man das Ge— läute.“ Hartig, Lexik., p. 217. — „Das helle Geläut der Meute war verſtummt.“ R. v. Dom⸗ browski, Edelwild, p. 358. — Sanders, II., p. 60. E. v. D. Geldempfangsanweiſung oder Gelder— hebungsurkunde iſt die bei Verkäufen von Holz oder ſonſtigen Forſtproducten durch den Forſt— verwalter von dieſem an die Forſtceaſſa ausge— ſtellte Anweiſung, welche den für die ver— kauften Forjtproducte in Empfang zu nehmenden Betrag (die Solleinnahme) nachweist. Vgl. Holzabgabe. v. Gg. Geldetat iſt der Geldbetrag, welcher für einen beſtimmten Zeitraum zur Vereinnahmung oder Verausgabung im Voraus feſtgeſetzt worden iſt. Bis wie weit ins Detail die Zerfällung des Etats erfolgen kann, hängt von der Feinheit der Wirtſchaft und der Möglichkeit, ziffermäßiges Anhalten zu bekommen, ab. Nr. Geldgebarung im Allgemeinen ſ. Caſſa— weſen. Die Geldgebarung der Forſtverwalter beſchränkt ſich bei der grundſätzlichen Trennung des Caſſaweſens von der Verwaltung zumeiſt auf die Auszahlung kleinerer Beträge (3. B. von Culturarbeiten und ſonſtigen Taglöhnen) aus zu dieſem Zwecke gewährten Vorſchüſſen, dann auf die Geldeinhebung bei Verkäufen von Holz oder Nebennutzungen aus freier Hand (nad) Tarifpreiſen) oder der Abgabe kleinerer Partien im Verſteigerungswege, von Pacht— beträgen oder Gegenleiſtungen von Servituts— berechtigten u. dgl. Bezüglich dieſer Geldgeba— rung fungiert der Forſtverwalter ſtets nur als Untereinnehmer der betreffenden Caſſaſtelle, von welcher er die Vorſchüſſe empfängt und an welche er die eingenommenen Beträge in kurzen Terminen abführt. Soweit dem Forſtverwalter eine ſolche Geldgebarung übertragen iſt, ob— liegt ihm auch die erſte Aufſchreibung hierüber, und hat derſelbe dann über die in Empfang genommenen Beträge ein Geldempfangs- oder Verſchleißregiſter, dann ein Vormerkbuch über die Ausgaben und eine Abrechnung der erhal— tenen Vorſchüſſe zu führen. Dieſe Ausgabs— oder Empfangsliſten ſind dann ſtets bei der Ablieferung der Geldbeträge oder der Schlujs- abrechnung von Vorſchüſſen in entſprechenden Ausweiſen der Caſſaſtelle, welche die eigentliche Geldrechnung führt, vorzulegen. v. Gg. Geldpräkiminare (Geldertragsvoranſchlag). Sowie durch die verſchiedenen Betriebsanträge (ſ. Anträge) die Wirtſchaft in techniſcher Bezie— e Gelauft. — Geldpräliminare. hung vorausbeſtimmt und geregelt wird, ſo geſchieht dies vom finanziellen Standpunkte aus durch die Aufſtellung des Präliminares, d. i. eines Voranſchlages der innerhalb des kommenden Wirtſchaftsjahres vorausſichtlich ſich vollziehenden Einnahmen und Ausgaben aus der betreffenden Wirtſchaft und des ſomit zu erwartenden Wirtſchaftserfolges. In den Staatsforſtverwaltungen iſt die Aufſtellung eines ſolchen Voranſchlages ſchon durch das Budgetbewilligungsrecht der Volks— vertretungen geboten; aber auch in allen grö— ßeren und wohlgeordneten Privatforſtwirtſchaften wurde dieſelbe als eine ſehr wichtige Verwal— tungsmaßregel anerkannt und eingeführt. Das Geldpräliminare läſst den vorausſichtlichen Gang der Wirtſchaft in allen einzelnen Zweigen im vorhinein überblicken, und ermöglicht da— durch einerſeits wünſchenswerthe Anderungen und Verbeſſerungen rechtzeitig anzuordnen, andererſeits die nöthigen Maßregeln für den ungeſtörten Wirtſchaftsbetrieb (Deckung größerer Vorauslagen, Arbeitenbeſchaffung u. dgl.) zu treffen; dasſelbe gibt aber auch den einzelnen Wirtſchaftern den feſten Rahmen für ihre Ge— barung, indem die präliminierten Ausgabs— ziffern als die unüberſchreitbare Grenze der in ihrem Wirkungskreiſe zuläſſigen Ausgabsan— weiſungen anzuſehen ſind. Die Feſtſtellung und Genehmigung der Geldvoranſchläge iſt demnach auch eine der weſentlichen Aufgaben der Wirt- ſchaftsleitung. Die Aufſtellung dieſes Voran— ſchlages erfolgt nach den in der Verrechnung der betreffenden Wirtſchaft überhaupt einge— führten einzelnen Rubriken der Einnahmen und Ausgaben, und es ſind bezüglich der Rück— mittelung oder Feſtſtellung der einzelnen in den Voranſchlag aufzunehmenden Anſätze drei Kategorien dieſer Rubriken zu unterſcheiden: die unveränderlichen und die veränderlichen Rubriken der ordentlichen Einnahmen und Aus— gaben und die Rubriken der außerordentlichen Einnahmen und Ausgaben. Für die unver— änderlichen Rubriken (Gehalte, Pachtbeträge u. dgl.) ſind die Beträge aus den betreffenden Gebürenſtandsausweiſen zu entnehmen; für die veränderlichen Rubriken ſtützt ſich der Voran⸗ ſchlag in der Regel auf das Durchſchnitts— ergebnis der letzten Jahre (wobei abnorme Jahre außer Betracht bleiben); für die außer- ordentlichen Einnahmen oder Ausgaben aber müſſen die Beträge jedesmal nach Beurtheilung des wahrſcheinlichen Ergebniſſes der beabſich— tigten, dieſe Rubriken betreffenden Vermögens⸗ oder Wirtſchaftsmaßnahmen angeſetzt werden. Die Aufnahme bedeutenderer Poſten für außer— ordentliche Ausgaben (Grundankauf, größere Bauten oder ſonſtige Inveſtituren) oder außer— ordentliche Einnahmen (Verkauf von Grund oder von Betriebsmitteln u. dgl.) in den Geld— voranſchlag ſoll auch nur dann erfolgen, wenn die betreffenden Beſitzveränderungen, Bauaus— führungen u ſ. w. bereits prineipiell genehmigt ſind. Das Geldpräliminare ſoll ſeinem Zwecke gemäß ſtets vor Beginn des betreffenden Wirt⸗ ſchaftsjahres feſtgeſtellt ſein. Am zuverläſſigſten wäre dasſelbe auf Grund der einzelnen Be— triebsanträge (Fällungs-, Culturantrag ꝛc.) für fl Pa Geldrechnung. — Geleiter. 297 dasſelbe Jahr aufzuſtellen; doch mujs, beſon— ders in der Staatsforſtverwaltung, wo dieſes Präliminare nur einen Theil des geſammten Staatsvoranſchlages bildet, letzteres häufig ſchon vor der Verfaſſung der erſteren feſtge— ſtellt werden, in welchem Falle dieſe ſich in dem durch das Geldpräliminare gegebenen Rahmen zu halten haben. v. Gg. Geldrechnung. Die Geldrechnung hat ſtets diejenige Stelle zu führen, welcher die Geld— gebarung (das Caſſageſchäft) übertragen iſt. Die Forſtverwalter haben daher in der Regel nur die Materialrechnung aber keine Geldrech— nung zu führen. Sie liefern jedoch inſoweit die Grundlagen für dieſelbe als von ihnen die An— weiſungen für Auszahlungen oder Geldem— pfänge ausgehen, und als ſie über die der Verwaltung ſelbſt übertragenen Auszahlungen und Geldeinhebungen die erſte Aufſchreibung führen (vgl. Geldgebarung). Über die Form der Geldrechnung ſ. Buchführung u Rech⸗ nungsweſen. v. Gg. Geldſtrafe (Deutſchland) war in den älteſten Zeiten Deutſchlands die weitaus über— wiegende Strafe und beſtand in Schadenerſatz oder Buße (bei der Tödtung Wergeld genannt) an den Verletzten, compositio, und in dem an das Gemeinweſen zu zahlenden Friedens— gelde für den durch das Gericht dem Ver— brecher wieder gewährten Frieden. Mit dem Untergange der allgemeinen Freiheit traten an die Stelle der Geldſtrafen Leibes- und Lebens— ſtrafen, welche ſeit dem Ende des vorigen Jahrhunderts wieder größtentheils durch Frei— heitsſtrafen verdrängt wurden. Nach dem Reichs- ſtrafgeſetze vom 15. Mai 1871 (SS 27—30 und 78) bildet die Geldſtrafe theils die Hauptſtrafe für Übertretungen und bei einem Betrage der— ſelben von mehr als 150 Mark auch für Ver— gehen, theils eine Nebenſtrafe zur Gefängniß— und Zuchthausſtrafe. Der Mindeſtbetrag der Geldſtrafe iſt bei Verbrechen und Vergehen drei, bei Übertretungen eine Mark. Ein Höchſt— betrag derſelben iſt nicht beſtimmt, da bei Con— currenz von Delicten (ſ. d.) für jedes derſelben die Geldſtrafe nach ihrem vollen Betrage aus— zuſprechen iſt. Eine uneinbringliche Geldſtrafe iſt bei Übertretungen in Haft, bei Vergehen und Ver— brechen in Gefängniß-, bezw. Zuchthausſtrafe umzuwandeln. Bei der Umwandlung ſind für Vergehen und Verbrechen 3—15, für Übertre⸗ tungen 1—15 Mark einer eintägigen Gefäng- niß⸗, bezw. Haftſtrafe gleich zu achten. Die an die Stelle einer ſo ermittelten Gefängnißſtrafe tretende Zuchthausſtrafe beträgt 08 derſelben. Der Mindeſtbetrag der an Stelle einer Geld— ſtrafe tretenden Freiheitsſtrafe iſt ein Tag, ihr Höchſtbetrag bei Haft ſechs Wochen, bei Gefängniß ein Jahr (bei Cumulation jedoch drei Monate, bezw. zwei Jahre). In den Nach— laſs kann eine Geldſtrafe nur dann vollſtreckt werden, wenn das Urtheil bei Lebzeiten des Verurtheilten rechtskräftig geworden war Ver— ſchieden von der Geldſtrafe iſt die Buße (ſ. d.). Geldſtrafen kommen außerdem vielfach nach Reichs⸗ und Landesgeſetzen zur Anwen— dung, wobei jedoch mitunter die Umwandlung derſelben in Freiheitsſtrafen (3. B. nach dem Reichswechſelſtempelſteuergeſetze) ausgeſchloſſen iſt. Geldſtrafen kommen auch als Ordnungs— ſtrafen beim Proceſsbetriebe, als Disciplinar- ſtrafen für Beamte, als Bußen bei ſtaatlich genehmigten Genoſſenſchaften u. ſ. w. vor. At. Gelechia Zell., Gattung der Familie Ge- lechidae, Abtheilung Tineae, Motten, Ordnung Lepidoptera, enthält zwar keinen Forſtſchäd— ling, wohl aber eine für die Landwirtſchaft wichtige Art: Gelechia (Sitotroga) cerealella, deren Räupchen die in der Entwicklung be— griffenen und ausreifenden Körner beſonders des Weizens ausfriſst und dadurch ſchon be— deutend ſchädlich geworden iſt. Hſchl. Gelege, das, Sammelname für die Eier eines weiblichen Vogels; für alles Federwild; vgl. Geſperre. „Nie fängt das Weibchen (des Rebhuhns) eher zu brüten an, bis das ganze diesjährige Gelege vollzählig iſt.“ D. a. d. Win⸗ kell, Hb. f. Jäger, II., p. 203. — „Das Gelege: die Summe der Eier in einem Neſte.“ Wurm, Auerwild, p. 7. — Sanders, Wb. II., p. 75 e. E. v. D Geleiſe, das, im Mhd. (— leise) für Fährte; ſelten. „Er hilt sich in den leisen, daz man ez für ein kelbel mac ansprechen.“ „Hie her in jener leise sich ist die vart ver— mezzen.“ Hadamar v. Laber, Diu jagt, str. 188, 939. E. v. D. Geleit, freies oder ſicheres (salvus conductus), war im Mittelalter das von dem Gerichte einem abweſenden Beſchuldigten gege— bene Verſprechen, ihn bei freiwilliger Stellung vor der Rache der Beſchuldigten zu ſchützen und ihm nach erfolgter Verurtheilung inner— halb der feſtgeſetzten Friſt die ungehinderte Rückkehr Zu ſeinem vorigen Aufenthalte zu ge— ſtatten. In dieſer Weiſe wird ein freies Geleit gegenwärtig nicht mehr ertheilt, da in einem Rechtsſtaate, in welchem ohnehin Selbſthilfe Jedermann verboten iſt, nicht auf die Voll— ſtreckung eines unter Beobachtung aller zum Rechtsſchutze dienlichen Vorſchriften gefällten Urtheils verzichtet werden kann, gegen welches überdies dem Verurtheilten die nöthigen Rechts— mittel zu Gebote ſtehen. Das ſichere Geleite ſchützte früher den Angeklagten gegen Verge— waltigung, während dasſelbe jetzt nur im In— tereſſe der Rechtspflege ertheilt wird, um einen ſchwer erreichbaren Beſchuldigten zur Siſtierung zu beſtimmen. Nach 8 337 der deutſchen Strafproceſs— ordnung vom 1. Februar 1877 kann das Ge— richt einem abweſenden Beſchuldigten ſicheres Geleit ertheilen und dieſe Ertheilung an Be— dingungen knüpfen Das ſichere Geleit gewährt Befreiung von der Unterſuchungshaft, jedoch nur in Anſehung derjenigen ſtrafbaren Hand— lung, für welche dasſelbe ertheilt iſt. Es er— liſcht, wenn ein auf Freiheitsſtrafe lautendes Urtheil ergeht, wenn der Beſchuldigte Anſtalten zur Flucht trifft, oder wenn er die Bedingungen nicht erfüllt, unter welchen ihm das ſichere Geleit ertheilt worden iſt. At. Geleiter, das, derjenige Theil eines Treib— zeuges, welcher in den Hainen führt, alſo gleichſam das eingelaufene Federwild in den— 298 Geleitsmann. ſelben leitet. „An den Seiten (des Hamens) wird ein Geleiter geſtricht ...“ Döbel, eee ee tika, 1747, II., fol. 184 a. — „Das Treib⸗ zeug - beſteht aus drei Theilen: a) dem Ha⸗ men, b) dem Himmel und e) dem Geleiter.“ D. a. d. Winkell, Hb. f. Jäger, II., p. 279. Hartig, Lexik., p. 550. — Sanders, Wb. m. p. 108a. E. v. D. Geleitsmann, der, Anſprache für den Leit— hund, ſelten, vgl. Geſelle, Geſellmann. „Ha, ha! mein Gleytsmann!“ M. Sebiz-Eſtienne XV. Bücher von dem Ackerbau, 1580, fol. 752. E. v. D. Gelenk, Gelenkgrube, Gelenkpfanne (bei den Inſecten), ſ. Bruſt der Inſecten. Hſchl. Gelieger, das, ſelten ſtatt Lager, ſ. d. „Lager, einiger O rten jagt man auch: das Ge- lieger. Es bedeutet eigentlich den Platz, wo ſich eine einzelne Sau niedergelaſſen hat.“ C. v. Heppe, Aufr. Lehrprinz, p. 106. — „Da hat ſich ein Voll Kütte oder Kette Hühner gelagert oder ſitzen und drücken ſich in ihrem Lager oder Gelieger beſammen.“ Ibid., p. 108. — AN Iltiſſe ihr Gelieger und Geläufe a Ibid., p. 18. v. D. Gelock, das, das Locken, die 8155 der Lockruf, ſ. d. „Die Hauptſache iſt, daſs der Vogelſteller ... beide (Kluttern), die von Birken— ſchale und von Meſſing gehörig brauchen, und den Geſang und das Gelocke der verſchie— denen Droſſelarten natürlich nachahmen kann.“ Bechſtein, Hb. f. Jagdwiſſenſchaft, II., p. 621. — Onomat. forest. II., p. 1007. — Behlen, Wmſpr., 1829, p. 66. — D. a. d. Winkell, Hb. f. Jäger, II., p. 354, 429. — Sanders, Wb. II., p. 152 a. E. v. D. Gelos, das, oder Gelöſe, auch Geläſſe, mit vielen ſonſtigen mundartlichen Neben— formen ſ. v. w. Loſung, ſ. d. „Nun wil ich dir sagen von dem gelösz, wie daz geschaffen ist: Des hirsz gläs ist grosz... vnd ist es dicker, so ist es ein hinden geläs.“ Abh. v. d. Zeichen d. Rothhirſches a. d. XIV. Ihdt., Cgr. no. 2952, fol. 104 v. — „Von des hviczen gelöse. Wissest och von dem g e— löse...“ Idem, Cgm. no., 558. — „Item des hirschen Gloss ist gross vnd leicht...“ No& Meurer, Jag- vnd Forstrecht, Ed. I, Pforzhein 1560, fol. 90. — Des hirtzen gloss. die glossen... Geloss eines Hirsch...“ M. Sebiz-Estienne, XV. Bücher von dem Ackerbau, 1580, fol. 682, 683. — „Loſung, auch Geloß, heiſſet alles, was von Hunden und dem haaricht und gefiederten Wildpret hinten ausgehet, ohne bei dem Raubgeflügel, da heißet es: das Geſchmeiß.“ C. v. Heppe, Aufricht. Lehrprinz. p. 277. — „Geſtüber, Geloß, auch Loſung, alſo heißet man den Koth, welchen die Feldhühner fallen laſſen.“ Chr. W. v. Heppe, Wohlred. Jäger, p. 181.— „Der Unrath (beim Rothwild): Looſung, bei Einigen Löſung, Gelöß, Gebahn.“ Pech— ſtein, H. f. Jäger, I., I., p. 101. — Sanders, Wb., II., p. 160. E. v. D. Gelſe, ſ. Culicidae; Diptera. Hſchl. Gelſemin, C. Has NO,, in der Wurzel von Gelsemium sempervirens, ſehr bitter, — Gemeinden. amorph, iſt ſtark giftig, löst ſich leicht in Ather und Chloroform, ſchwer in Waſſer. v. Gn. Gelt, adj., ſ. v. w. ane oder un⸗ fruchtbar; auch in Zuſammenſetzungen wie Geltthier, Geltreh, Geltgemſe, Gelthenne u. ſ. w. — „Gelte Thier, iſt ein Thier, das vorig Jahr ein Kalb getragen und dieſes Jahr gelte gehet. “ Täntzer, Jagdgeheimniſſe, Kopenhagen 1682, fol. XI b. — „Welche Gänſe gelte ge- blieben, die mauſſen dieſes Jahr nicht.“ Pär⸗ ſon, Hirſchgerechter Jäger, 1734, fol. 109. — „Bleibet aber die Bache gelde. . .“ Fleming, T. J., 1729, I., fol. 92. — „Ganz alte Thiere, dann auch die jungen Schmalthiere, nehmen nicht gerne den Beſchlag auf und an, daher ſie gall-, galt-, oder göllgehend benennt werden.“ Chr. W. v. Heppe, Wohlredender Jäger, p. 171. — „Iſt das Thier nach der Brunftzeit nicht hochbeſchlagen, jo nennt man es geltes Thier, oder Gelt-Thier.“ D. a. d. Winkell, Hb. f. Jäger, I., p. 5. — „Gelt oder gell nennt man alles weibliche Wild, wenn es ſich zur natürlich beſtimmten Zeit nicht fortpflanzt . . .“ Hartig, Lexikon, p. 216. — „Galt iſt beſſer als gelt: Galtthier, Galt— gans,“ Kobell, Wildanger, p. 479. — „Öelt: henne, Galthenne: eine wegen hohen Alters, Krankheit oder Mangel an Hähnen unbefruchtet gebliebene Henne.“ Wurm, Auerwild, p. 7. — Sanders, Wb., I., p. 375 b, e. E. v. D Gekünge, das: Herz, Lunge und Leber nennt man das Geräuſch oder das Gelünge oder auch die Lunge (beim Rothwild). Döbel, Jägerpraktika, 1746, I., fol. 18. Herz, Lunge und Leber: Geräuff, Geſchlinge, Ge— lünge. Lunge oder ae Bechſtein, 95. d. Jagdwiſſenſchaft I., 1... p. 102. — D. a. Winkell, Hb. f. 1 8 T p. 3. — 1 55 Jagdbrevier, p. 277. — Sanders, 15 . 181 c. E. b. D. Gemäſche, das, Sammelname 15 die Maſchen (ſ. d.) der Jagdnetze. „Auf dieſe Tücher kommt ein Gemäſche von anderthalb Maſchen hoch.“ Döbel, Jägerpraktika, 1746, II., fol. 21. — Chr. W. v. Heppe, Wohlred. Jäger, p. 103. — Bechſtein, Hb. d. Jagdwiſſenſchaft, I., 3., p. 524. — „Die Maſchen an den Jagdnetzen werden das Gemäſch genannt.“ Hartig, 2 p. 216. — Sanders, Wb., II., p. 246. E. v. D. Gemeinden (Deutſchland) find Corpo— rationen oder Verbindungen von Menſchen, welche mit Hilfe ihres Vermögens ihre Sonder— zwecke verfolgen und zugleich Glieder des ſtaat— lichen Verwaltungsorganismus bilden (ſ. Auto⸗ nomie des Waldeigenthümers und Geſellſchaft). Wegen der unmittelbaren Betheiligung an der Löſung ſtaatlicher Aufgaben bezeichnet man dieſe We pbrottenen auch als politiſche Ge⸗ meinden, zum Unterſchiede von anderen Ver⸗ bindungen, welche, wie z. B. Kirchen-, Schul⸗ und Armengemeinden, Weg- und Deichverbände u. ſ. w., neben der Verfolgung ihrer gemein⸗ ſamen Zwecke auch das Staatsintereſſe fördern. Die Gemeinden ſtehen als juriſtiſche Perſonen unter Staatsaufſicht; ihre Bildung und Auf— löſung iſt an die ſtaatliche Genehmigung ge— knüpft. Gemeinden. 299 In den älteſten Zeiten Deutſchlands bil— deten, wie jetzt noch in den Schweizer Kantonen Schwyz und Uri, die Markgenoſſenſchaften (ſ. Corporationswaldungen), welche in Sachen der Mark Autonomie und Gerichtsbarkeit be— ſaßen, die Grundlage der Staatsverfaſſung, indem ſich aus ihnen höhere Verbände (Gau, Nation) bildeten, welchen ſie nur bezüglich der allgemeinen Angelegenheiten untergeordnet waren. Als im Laufe der Zeit die Markge— noſſen Freiheit und Grundeigenthum verloren, hörte die Dorfgemeinde auf, ein öffentlich— rechtliches Organ zu ſein. Die Vertretung der— ſelben ging auf den Grundherrn über, welcher der Verwalter und Richter der Gemeinde war und die öffentlichen Laſten derſelben zu tragen hatte. Dieſen Landgemeinden gegenüber ent— wickelten ſich ſeit dem Mittelalter mehr oder weniger mit Privilegien ausgeſtattete Stadt— gemeinden, welche meiſt der Landeshoheit unter— worfen waren, zum Theil aber unter dem Schutze des Kaiſers oder des Landesherrn förmliche Republiken bildeten, welche jedoch mit der Auflöſung des Deutſchen Reiches bis auf vier ebenfalls der Landeshoheit unterſtellt wur— den. Mit der vollſtändigen Entwicklung der Staatsgewalt im XVIII. Jahrhundert verloren auch die der Landeshoheit unterſtellten Städte meiſt Autonomie, Gerichtsbarkeit und Polizei, ja man gieng in Preußen ſo weit, das Stadt— vermögen als Staatsgut zu erklären, deſſen Verwaltungsüberſchüſſe in die Staatscaſſe fließen ſollten. Mit der Aufhebung der Leibeigenſchaft und der Regulierung der Grundlaſten zu An- fang unſeres Jahrhunderts und mit der bald darauf folgenden Einführung von Repräſen— tativverfaſſungen wurden die Befugniſſe der Landgemeinden bezüglich der Verwaltung ihrer Angelegenheiten erweitert und denſelben ge— ſtattet, ſich den Staatsbehörden gegenüber ſelbſt zu vertreten, während dem Grundherrn noch Polizei und Gerichtsbarkeit verblieben. Erſt die vollſtändige Grundentlaſtung (ſ. d.) infolge der politiſchen Ereigniſſe des Jahres 1848, welche die Bauern zu Grundeigenthümern machte, hatte zur Folge, dass die Patrimonialgerichts— barkeit auf den Staat, die Ortspolizei auf die Gemeinde übergieng, welche wieder Autonomie erhielt und an Stelle des Grundherrn als äußerſtes Glied der Staatsverwaltung beſtellt wurde. Dem Grundherrn verblieben nur, wenn er die Verpflichtung zu Beiträgen für die Une terhaltung der Kirche behielt, die ſog. Patro— natsrechte, deren wichtigſtes in der Präſentation für die Pfarrſtelle beſteht. In dieſem Sinne hat nun in allen deutſchen Staaten ſeit 1848 eine Anderung der Gemeindegeſetzgebung ſtatt— gefunden, mit Ausnahme von Mecklenburg, welches keine Grundentlaſtung und ſomit auch keine Landgemeinden, ſondern nur Verbände zum Zwecke der Armenpflege beſitzt. Für die Städte begann mit der preußiſchen S'ädteord— nung vom 19. November 1808, dem Werke v. Stein's, eine neue Ara. Dieſelbe gab den Städten die Selbſtändigkeit wieder und bildete das Vorbild für die Geſetzgebung der anderen deutſchen Staaten. So iſt man denn in der Hauptſache auf den Ausgangspunkt zurückge— kehrt, indem die autonome Gemeinde jetzt wieder das Element bildet für die Verbände höherer Ordnung, den Bezirk, Kreis, die Pro— vinz und den Staat ſelbſt. Die antike Welt kannte keine Gemeinden im heutigen Sinne, da in den Zeiten der Frei— heit Gemeinde und Staat zuſammenfielen, und ſpäter die Allgewalt des Staates ein freies Gemeindeleben nicht geſtattete. Die römiſch— rechtliche Auffaſſung der Corporation (univer- sitas), nach welcher das fingierte Rechtsſubject als willens- und handlungsunfähig, unter ewiger Curatel ſtehend und als ein den Mit— gliedern der Corporation gänzlich fremdes und äußeres Drittes erſcheint, fand auch in Deutſch— land Eingang und bildete den Grund für die frühere Bevormundung der Gemeinden. Das dem Anfange unſeres Jahrhunderts (Geſetz vom 28. pluviose an VIII., 2 pluviose an IX. und 16. thermidor an X.) entſtammende franzöſiſche Municipalſyſtem betrachtet die Ge— meinden bloß als Staatsanſtalten und beſchränkt die Selbſtverwaltung derſelben auf ein Mini— mum. Die ſtrenge Centraliſation der franzöſiſchen Staatsverwaltung wurzelt in dieſer Unſelbſtän— digkeit der Gemeinden. Das franzöſiſche Syſtem beſteht noch in Elſaſs-Lothringen und beſtand früher auch in den übrigen Theilen Deutſch— lands, in welchen franzöſiſches Recht gilt (ſiehe allgemeines bürgerliches Geſetzbuch). Obgleich nun hier die franzöſiſchen Geſetze durch die neueren Gemeindeordnungen theils aufge— hoben, theils gemildert wurden, ſo beſteht doch meiſt noch immer eine minder freie Stellung der Gemeinden, als in den übrigen Theilen Deutſchlands (3. B. in der Rheinpfalz gegen— über dem rechtsrheiniſchen Bayern). Die Gemeinde hat, wie jede Corporation, eine Organiſation (Statut) und Vollzugsorgane nöthig. Jene Corporationen, welche nicht Re— gierungsorgane ſind, ordnen dieſe Verhältniſſe mit Genehmigung der Staatsbehörden ſelbſt, während für Gemeinden die Regelung derſelben im Intereſſe der Einheit der Staatsverwaltung allgemein durch die Geſetzgebung erfolgt. Die Ordnung des Gemeindeweſens iſt ausſchließlich Sache der Landesgeſetzgebung, da das durch die Reichsgeſetzgebung geſchaffene gemeinſame Indigenat der Bundesangehörigen (ſ. Freizügigkeit) deren Aufnahme in den localen Gemeindeverband nicht berührt. Das Gemeinderecht gehört dem öffentlichen Recht, u. zw. dem Verfaſſungsrechte an. Wir finden deshalb auch in der Verfaſſung ver— ſchiedener deutſcher Staaten (z. B. Preußen und Bayern) die principielle Regelung des Ge— meindeweſens (auch ſchon in den SS 183 und 184 der nicht ins Leben getretenen deutſchen Reichsverfaſſung vom 28. März 1849), während die ſpeciellen Vorſchriften einem beſonderen Ge— ſetze, der ſog. Gemeindeordnung, vorbe— halten ſind. Dieſe Gemeindeordnungen ſind in Norddeutſchland für die Städte und Landge— meinden getrennt und in Preußen (für die ſechs öſtlichen Provinzen die Städteordnung vom 30. Mai 1833 und die Landgemeindeord— nung vom 14. April 1856, für Weſtphalen 300 Gemeinden. Städte- und Landgemeindeordnung vom 19. März 1856, für die Rheinprovinz die Städteordnung vom 15. Mai 1856 und die Gemeindeordnung vom 23. Juli 1845 mit Ergänzungsgeſetz vom 15. Mai 1856, für die hohenzollern'ſchen Lande in Sigmaringen die Gemeindeordnung vom 6. Juni 1840 und in Hechingen die Stadt— ordnung vom 15. Januar 1833 und die Land— gemeindeordnung vom 19. October 1833, für Schleswig-Holſtein die Städte- und Flecken— ordnung vom 14. April 1869 und die durch Geſetz vom 22. September 1867 revidierte alte Landgemeindeordnung, für Hannover die Städte— ordnung vom 24. Juni 1838 und die Land— gemeindeordnung vom 28. April 1859, für den Regierungsbezirk Kaſſel die Kurheſſiſche Ge— meindeordnung vom 23. October 1834, für Naſſau die Gemeindeordnung vom 26. Juli 1854, für die Stadt Frankfurt a. M. das Ge— meindegeſetz vom 25. März 1867 und für deren ehemaliges Landgebiet die Gemeindeordnung vom 12. Auguſt 1824) und Bayern (Rhein- pfalz und rechtsrheiniſche Provinzen, beide Ge— meindeordnungen vom 29. April 1869) in den einzelnen Landestheilen verſchieden. Weitere Gemeindeordnungen ſind in Württemberg die revidierte Gemeindeordnung vom 1. März 1822 nebſt Ergänzungsgeſetzen vom 4. December 1833 und 6. Juli 1849, in Sachſen die Städteordnung vom 2. Februar 1832 und die Landgemeindeordnung vom 7. November 1838, in Baden die Gemeindeordnung vom 5. No— vember 1858 mit Abänderungen von 1870, in Heſſen die Gemeindeordnung vom 30. Juni 1821 mit Ergänzungsgeſetz von 1852, in Ol— denburg die Kirchſpielsordnung vom 29. April 1831, die Städteordnung vom 12. Auguſt 1833 und das Geſetz vom 13. April 1873, in Sachſen-Weimar die Gemeindeordnung vom 18. Januar 1854, in Anhalt die Gemeinde-, Stadt- und Dorfordnung vom 1. März 1852, in Braunſchweig eine Städte- und Land— gemeindeordnung, beide vom 19. März 1850, in Sachſen-Altenburg Verfaſſung vom 29. April 1831 und Dorfgemeindeordnung vom 16. September 1851, in Sachſen-Gotha das Gemeindegeſetz vom 14. Juni 1858, in Sach— ſen-Meiningen die Landgemeindeordnung vom 15. Auguſt 1840, in Schwarzburg— Sondershauſen das Grundgeſetz von 1857, in Waldeck die Gemeindeordnung vom 27. April 1850, Reuß jüngere Linie die Gemeinde— ordnung vom 27. Februar 1830 u. ſ. w. Die Gemeinde bildet nicht nur die Grund— lage und ein Organ des Staates, ſie iſt auch ein Analogon desſelben. Sie hat Gemeinde— angehörige und Gemeindebürger, eine Verfaſ— ſung und übt die ihr zuſtehende Verwaltung und Geſetzgebung mit beſonderen Organen aus, letztere insbeſondere unter Mitwirkung einer der Landesvertretung entſprechenden Ge— meindevertretung. Die Gemeinde hat, wie der Staat, zur Befriedigung ihrer Bedürfniſſe einen Haushalt nöthig, und die Budgets unſerer Großſtädte find höher als jene der kleineren deutſchen Bundesſtaaten. Die Einnahmen der Gemeinde fließen ebenfalls aus Renten von beweglichem und unbeweglichem Vermögen, aus dem Betriebe von Gewerben, aus Gebüren für die Benützung von Gemeindeanſtalten, ſowie aus directen (Gemeindeumlagen) und indirecten Steuern, und außerordentliche Bedürfniſſe wer— den auch, wie beim Staate, durch Anlehen ge— deckt. Den Gemeinden ſteht die Ortspolizei zu und ſie nehmen an allen Aufgaben der inneren und ſelbſt der Finanzverwaltung des Staates entweder ſelbſtändig theil, oder ſie haben doch den Staatsbehörden Aſſiſtenz zu leiſten. Das deutſche Gerichtsverfaſſungsgeſetz vom 27. Ja— nuar 1877 läſst für bürgerliche Rechtsſtreitig— keiten von geringem Wertbetrage und vorbe— haltlich des Recurſes an die Staatsgerichte Gemeindegerichte zu, und die Straſproceſsord— nung vom 1. Februar 1877 geſtattet die vor— läufige Strafverfügung durch die Ortspolizei— behörden. Die Gemeindebehörden üben, wie z. B. in Bayern, bei Rechtsſtreitigkeiten der Gemeindeglieder das Vermittlungsamt, und es ſteht ihnen meiſt auch die Beurkundung gerin— gerer Verträge zu. Als Standesbeamte fun— gieren in der Regel Gemeindebeamte. Neben dieſem übertragenen erſcheint als eigener Wirkungskreis der Gemeinden vor Allem die Sorge für Kirche, Schule und Arme, dann die Herſtellung und Unterhaltung der nöthigen Ge— meindegebäude, öffentlichen Uhren und Begräb— nißplätze, Ortsſtraßen, Gemeindewege, öffent— lichen Brunnen, Waſſerleitungen, Abzugscanäle, Flur- und Markungsgrenzen, Brücken, Stege, Fähren, Sicherheitsvorrichtungen, Wegweiſer u. ſ. w., ſowie die Beſtellung des erforderlichen Ortspolizei- und Feldſchutzperſonales. Die Gemeindeordnungen machen, mit weni— gen Ausnahmen (3. B. bayeriſche Rheinpfalz), einen Unterſchied zwiſchen Landgemeinden und Städten und bei dieſen wieder einen ſolchen nach der Bevölkerungszahl. Dieſe Unterſcheidung begründet auch eine Verſchiedenheit der Orga— niſation der Gemeindebehörden und der Unter— ordnung derſelben unter die Staatsbehörden, ſowie der Zuſtändigkeit bei der Verwaltung der eigenen Angelegenheiten und der Betheiligung an der Löſung politiſcher Aufgaben. Die Spitze der Gemeindebehörden bildet der Vorſtand der Gemeinde (Bürgermeiſter, in den Landgemeinden auch Vorſteher, Schulze, Vogt, Dorfrichter u. ſ. w. genannt), welchem ein Verwaltungsausſchuſs (Gemeinderath, in den Städten auch Magiſtrat oder Stadtrath, in den Landgemeinden Schöffen, Beigeordnete, Bei— räthe genannt) zur Berathung und Beſchluſs— faſſung über Gemeindeangelegenheiten zur Seite ſteht, während die Erledigung politiſcher An— gelegenheiten meiſt nur unter eigener Verant— wortung durch den Gemeindevorſtand erfolgt. In gewiſſen, geſetzlich beſtimmten Fällen, welche ſich in der Regel auf Anderungen des Statuts, den Erwerb und Verluſt von Vermögensrechten und in den Städten meiſt auch auf die Feſt— ſtellung des Etats beziehen, bedürfen die Be— ſchlüſſe der Gemeindeverwaltungsbehörde noch der Genehmigung in den Städten (mit Aus- nahme des Geltungsbereiches des franzöſiſchen Rechts) eines periodiſch gewählten Repräſenta— tivausſchuſſes (Stadtverordnete, Gemeindebevoll— mächtigte), in den Landgemeinden (in einzelnen nn Gemeinden. Fällen auch in den Städten der bayeriſchen Rheinpfalz) der Gemeindeverſammlung, welche aus den ſtimmberechtigten Gemeindebürgern be— ſteht. Die Mitglieder der Gemeindeverwaltung und der Gemeindevertretung werden durch directe oder indirecte Wahl beſtimmt, welche unter Auf— ſicht der Staatsbehörden erfolgt und theilweiſe auch (wie z. B. jene der Bürgermeiſter) der Be— ſtätigung derſelben bedarf. In Elſaſs-Lothringen hat die Regierung nach dem Geſetze vom 22. Juli 1872 das Recht, die Bürgermeiſter commiſſariſch zu ernennen. Die verſchiedenen Aufgaben der Gemeinde machen meiſt die Be— ſtellung beſonderer Gemeindeämter nöthig, welche entweder Mitgliedern der Gemeindeverwaltung oder auch beſonderen Beamten (3. B. für Bau— und Forſtſachen), deren Verhältniſſe ebenfalls durch die Gemeindeordnung geregelt ſind, über— tragen werden. Gemeindebezirk (Gemeindemarkung) iſt jener Theil des Staatsgebietes, auf welchen ſich die Wirkſamkeit der Gemeinde erſtreckt. Größere Waldcomplexe und auch (wie z. B. in Preußen) ſelbſtändige Gutsbezirke bilden öfter beſondere Gemeinden. Mehrere Gemeinden können, ohne dadurch ihre Selbſtändigkeit zu verlieren, ſich zur leichteren Löſung gemeinſchaftlicher Auf— gaben zu Gemeindeverbänden vereinigen. Die Mitglieder einer Gemeinde laſſen ſich in active (Gemeindebürger) und paſſive (Ge— meindeangehörige) unterſcheiden, je nachdem den— ſelben die Theilnahme an der Entſcheidung der Gemeindeangelegenheiten zuſteht oder nicht. Die Gemeindeangehörigen (Einwohner, Ein— ſaſſen, Beiſitzer, Heimatsberechtigte u. ſ. w.) be— ſtehen aus den Einwohnern des Gemeindebezirkes mit Ausnahme der vorübergehend anweſenden Fremden und der dem Gemeindeverbande nicht angehörigen Beamten und Militärperſonen. Die— ſelben ſind zur Mitbenützung der Gemeindean— ſtalten berechtigt und haben Anſpruch auf Armenunterſtützung (j. Heimatsweſen), ſind dagegen aber auch zur Tragung der Gemeinde— laſten verpflichtet. Der Erwerb der Gemeinde— angehörigkeit erfolgt theils durch die Geburt, theils durch Verleihung von Seite der Ge— meinde, theils von rechtswegen (Preußen) bei Vorhandenſein der geſetzlichen Vorausſetzungen. Das Gemeindebürgerrecht, welches neben den Vortheilen und Pflichten der Gemeindean— gehörigkeit die active und paſſive Wahlfähig— feit und das Stimmrecht in Gemeindeangelegen— heiten gewährt und die Verpflichtung zur An— nahme und Verwaltung von Gemeindeämtern auferlegt, wird entweder durch Verleihung von Seite der Gemeinde, wie z. B. im rechtsrhei⸗ niſchen Bayern, Sachſen, Heſſen und einigen thü— ringiſchen Staaten, oder kraft des Geſetzes, wie in Preußen, Baden und der bayeriſchen Rhein— pfalz, erworben. Volljährigkeit, Unbeſcholten— heit, geſicherter Nahrungsſtand, ein Aufenthalt von beſtimmter Dauer in der Gemeinde und die Zahlung von directen Steuern bilden im allgemeinen die Vorbedingungen für Erlangung des Bürgerrechtes, zu deſſen Erwerb ſogar öfter, wie z. B. in Bayern, in beſtimmten Fällen eine Verpflichtung beſteht. Es ſind für Verleihung des Bürgerrechtes in der Regel Gebüren zu 301 entrichten und meist auch der Bürgereid zu leiten. Ehrenbürger befißen weder Rechte noch Pflichten eines Gemeindebürgers. Den Gemeindehaushalt führt die Ge— meindeverwaltungsbehörde unter Controle der Gemeindevertretung und unter der Auſſicht des Staates, welche ſich in der Regel auf die Ge— nehmigung der Etats und der Rechnungsnach— weiſungen erſtreckt. Die Gemeindeumlagen be— ſtehen in der Regel in Zuſchlägen zu den directen Steuern, deren Maximalbetrag (in Preußen z. B. 50%) öfter geſetzlich beſtimmt iſt. Das Recht der Gemeinden zur Erhebung von Gebüren (3. B. Weg-, Brücken- und Pflaſter⸗ zöllen) und Verbrauchsſteuern (meiſt in der Form von Thoracciſen auf Fleiſch, Mehl, Bier, Wein u. ſ. w.) iſt geſetzlich geregelt und die Einfüh— rung und Erhöhung dieſer Abgaben wohl überall an die Zuſtimmung der Gemeindever— tretung und der Staatsbehörden geknüpft. Die Gemeinden können die Gemeindemitglieder meiſt auch zu Gemeindedienſten (Hand- und Ge⸗ ſpannarbeit) herbeiziehen, wobei jedoch in der Regel Stellvertretung geſtattet iſt. Gemeinde— ſchulden können meiſt nur mit Genehmigung der Staatsregierung gemacht werden, es ſei denn, daſs, wie in Bayern, die Aufnahme von Anlehen bis zu einem nach der Größe der Ge— meinde verſchiedenen Betrage freigegeben ijt. Mit der Aufnahme eines Anlehens, welche meiſt nur zur Beſtreitung unvermeidlicher oder zum dauernden Vortheile der Gemeinde gereichender Ausgaben ſtattfinden darf, iſt immer die Feſt⸗ ſtellung eines Tilgungsplanes für dasſelbe zu verbinden. Die möglichſte Erhaltung des Gemeinde— vermögens iſt Grundſatz aller Gemeindeord— nungen, und wird die Veräußerung oder Ver⸗ theilung (ſ. Gemeinheitstheilung) des un⸗ beweglichen Vermögens von der Regierung nur ausnahmsweiſe und nur dann geſtattet, wenn das Jutereſſe der Gemeinde hiebei entſprechend gewahrt wird. Man unterſcheidet übrigens den Theil des Gemeindevermögens, welcher zur Be— ſtreitung der Laſten und Ausgaben der Ge— meinde beſtimmt iſt (Käm mereivermögen), von jenem, deſſen Nutzungen den einzelnen Ge— meindemitgliedern vermöge dieſer ihrer Eigen— ſchaft zukommen (Bürgervermögen). Decken ſich die Nutzungsberechtigten nicht vollſtändig mit den Gemeindemitgliedern, ſo bilden die— ſelben eine beſondere Corporation. Die Betheiligung der Gemeinden an der Ausübung der Polizei wird mehrfach, wie z. B. in Preußen, nur als ein Auftrag von Seite des Staates betrachtet, welcher nach Belieben be— ſchränkt oder ganz zurückgezogen werden kann, während anderwärts (3. B. in Bayern, Würt⸗ temberg, Baden, Braunſchweig) die Ortspolizei den Gemeinden als ein eigenes, unentziehbares Recht verliehen iſt, was jedoch in Bayern z. B. nicht hindert, auf Grund der Gemeindeordnung für die Hauptſtadt München die den übrigen unmit- telbaren Städten zuſtehende Polizeiverwaltung unter die k. Polizeidirection, den Stadtmagiſtrat und die Localbaucommiſſion zu vertheilen. Im allgemeinen werden die Gemeinden in neuerer Zeit mehr und mehr zu den Staats- 302 Gemeinden. geſchäften herangezogen, und es tritt an den Staat die Verpflichtung heran, den Gemeinden zur Beſtreitung der ihnen hiedurch erwachſen— den Koſten Geldzuſchüſſe zu gewähren, wie dies z. B. in Bayern bei den den Kreisregierungen unmittelbar unterſtellten Städten geſchieht, welchen die Polizeiverwaltung in gleicher Weiſe wie den k. Bezirksämtern zuſteht. Arme Gemeinden erhalten wohl überall auch für die Beſorgung ihrer eigenen Angelegen— heiten (z. B. für Kirche und Schule) Geldunter— ſtützung vom Staate. At. Gemeinden (Oſterreich). Allgemeines. (Weſtöſterreich.) Eine allgemeine für das ganze Reich geltende geſetz— liche Norm ſtellt das Reichsgemeindegeſetz vom 5./3. 1862, R. G. Bl. Nr. 18 dar. Nachdem aber durch das Staats.-Gr. G. v. 21/42. 1867 die Gemeindegeſetzgebung den Landtagen über— wieſen wurde, ſo gilt das obeitierte Reichs— geſetz nur inſoweit als die Landesgemeinde— geſetze keine abweichenden Beſtimmungen ent— halten; reichsgeſetzlich geordnet iſt auch heute noch das Heimatsrecht. Die Landesgemeinde— geſetze ſind in den Jahren 1863—1866 er— floſſen; dazu viele Nachträge bis in die neueſte Zeit, deren Aufzählung uns zu weit führen würde. Dieſer Sachlage zufolge iſt es uns nur möglich, übereinſtimmende Hauptpunkte der be— ſtehenden Gemeindeordnungen hier zu ſkiz— zieren, ohne die verſchiedenartig normierten Details anzuführen. Unter „Gemeinde“ verſteht man die Orts— gemeinde und nicht die Cataſtralgemeinde (ſ. d.). Innerhalb einer Gemeinde können ſog. „Ortſchaften“ beſtehen, d. h. ein Complex von Anſiedlungen, welchen häufig ſelbſtändiges Ver— mögen oder ſelbſtändige Nutzungsrechte zuſtehen (ſpecielle Beſtimmungen exiſtieren in Böhmen, Krain, Oberöſterreich, im Küſtenlande und in Dalmatien). Im großen Durchſchnitte entfallen auf eine Gemeinde 10˙93 km? und zwei Ort— ſchaften mit 145 bewohnten Häuſern und 807 Einwohnern (Ende 1880). Dieſe letztere Ziffer wird aber durch das Beſtehen der „Gutsge— biete“ modificiert. Eigenthümliche Gemeinden ſind die „Städte mit eigenem Statute“, deren es 30 gibt. Das hauptſächlichſte Charakteriſticum derſelben iſt, daſs ſie neben den Aufgaben der Gemeinden regelmäßig (im übertragenen Wirkungskreiſe) die Aufgaben der politiſchen Bezirksbehörden (Bezirkshauptmannſchaften) zu erfüllen haben, jo daſs diesbezügliche Appellationen direct an die politiſche Landesſtelle (Statthalterei) ge— richtet werden müſſen. Die Gemeindemitglieder werden (zu— meiſt) unterſchieden in Gemeindeangehörige (d. h. die in der Gemeinde Heimatberechtigten) und in Gemeindegenoſſen, d. h. ſolche Perſonen, welche in der Gemeinde nicht heimatberechtigt ſind, aber in derſelben entweder Haus- oder Grundbeſitz haben, oder von einem in der Ge— meinde betriebenen Gewerbe oder Erwerbe directe Steuer entrichten, oder in der Gemeinde wohnen und daſelbſt ein ſonſtiges Einkommen verſteuern; die übrigen Perſonen heißen Aus— wärtige. Außerdem kommen Bürger und Ehren— bürger vor. Jedermann hat den Anſpruch auf Schutz der Perſon und ſeines Eigenthumes, ſowie auf Benützung der Gemeindeanſtalten nach Maßgabe der beſtehenden Vorſchriften; die Gemeindemitglieder haben neben den ihnen zuſtehenden Rechten und Pflichten (Wahlrecht, Beiträge zum Gemeindehaushalte) auch das Recht auf ungeſtörten Aufenthalt in der Ge— meinde; die Heimatberechtigten überdies An— ſpruch auf Armenverſorgung (f. Heimatrecht). Den Bürgern bleibt der Anſpruch auf die für ſie beſtehenden Stiftungen und Anſtalten; die Ehrenbürger haben alle Rechte der Gemeinde— angehörigen ohne deren Pflichten. Auch Aus— wärtige, welche ein Heimatrecht nachweiſen oder ein ſolches anſtreben, dürfen nicht ausgewieſen werden, wenn ſie unbeſcholtenen Lebenswandel führen und nicht der öffentlichen Mildthätigkeit zur Laſt fallen. Die Aufſicht über die Gemeinde führt zunächſt der Landesausſchuſs (j. Behörden), u. zw. beſonders in der Richtung, dass das Stammvermögen der Gemeinde ungeſchmälert erhalten bleibe; ökonomiſch bedeutſamere Be— ſchlüſſe der Gemeindevertretung ſind der Ge— nehmigung des Landesausſchuſſes unterworfen. Berufungen in Angelegenheiten, deren Beſor— gung der Gemeinde nicht vom Staate über— tragen iſt, gehen (binnen 14 Tagen nach Kundmachung des Beſchluſſes) an den Landes— ausſchuſs, wenn nicht in einem Lande eine Be— zirksvertretung (Böhmen, Galizien, Steiermark, Tirol) beſteht. Die Staatsverwaltung übt das Aufſichts— recht über die Gemeinde dahin aus, daſs die— ſelben ihren Wirkungskreis nicht überſchreiten und nicht gegen die beſtehenden Geſetze vor— gehen, u. zw. zunächſt durch die politiſche Be— zirksbehörde, in letzter Inſtanz durch das Mi— niſterium des Innern (Erk. d. V. G. H. v. 6./11. 1884, 3. 2198, Budw. 2278). Das Staatsaufſichtsrecht in Angelegenheiten des ſelbſtändigen Wirkungskreiſes (ſ. unten) iſt in der Literatur und in der Handhabung durch die Staatsbehörden noch ſtreitig, durch das Reichsgericht (ſ. d.) jedoch in der Richtung ent⸗ ſchieden worden, daſs die Staatsverwaltung das Recht der Siſtierung, die Selbſtverwal— tungsorgane (Landes- oder Bezirksausſchuſßs) jenes der meritoriſchen Erledigung beſitzen (Erk. d. Reichsger. herausgeg. v. Hye-Glunek Nr 174 ex 1878 und Nr. 216 ex 1880). Die Gemeindevertretung kann durch die Statt— halterei aufgelöst werden; Recurs (ohne auf— ſchiebende Wirkung) an das Miniſterinm des Innern; binnen ſechs Wochen Ausſchreibung der Neuwahlen, in der Zwiſchenzeit hat die Statthalterei im Einvernehmen mit dem Lan— desausſchuſſe die erforderlichen Maßregeln zu treffen. Der Wirkungskreis der Gemeinde iſt ein ſelbſtändiger und ein übertragener. Inner— halb des erſteren verfügt die Gemeinde „nach freier Selbſtbeſtimmung“ unter Beobachtung der beſtehenden Geſetze. Derſelbe umfasst die Verwaltung des Gemeindevermögens und der auf den Gemeindeverband bezüglichen Ange— legenheiten: ferner Sicherheit der Perſon und Gemeinden. 303 des Vermögens, Communicationsweſen; Flur— polizei (nicht aber Forſt- und Jagdpolizei, ſ. Forſtſchutz und Jagdſchutz), Markt- und Ge— ſundheitspolizei, Sittlichkeits-, Geſinde- und Arbeiterpolizei und Handhabung der Dienſt— botenordnung (ſ. Dienſtboten); Bau- und Feuer— polizei, Armenweſen, Gemeinde-Mittelſchulen, Volksſchulen (Errichtung, Erhaltung und Do- tierung derſelben), Vornahme freiwilliger Feil— bietungen (j. d.). Der übertragene Wirkungskreis iſt nicht feſt begrenzt, ſondern kann ſich von Zeit zu Zeit ändern, weil er die Verpflichtung der Gemeinde umfajst, an der Realiſierung der Staatszwecke mitzuarbeiten. Das neueſte ungariſche Gemeindegeſetz v 27./6. 1886, Geſ. Art. XXII unterſcheidet Städte mit geregeltem Magiſtrate, Großge— meinden, welche ihre Agenden aus eigener Kraft beſorgen können, und Kleingemeinden, welche ſich mit anderen Gemeinden verbinden müſſen. Die Gemeinde erledigt „ihre inneren Angelegenheiten ſelbſtſtändig“, ferner die ihr geſetzlich übertragenen Staats- und Municipal⸗ aufgaben. Zu den erſtgenannten Aufgaben ge— hört die Verwaltung des Gemeindevermögens, Repartierung der Gemeindeſteuer, Verkehrs— weſen innerhalb der Gemeinde, Gemeinde— ſchulen, Armenweſen, Feld-, Feuer- und Si— cherheitspolizei; gewiſſe wichtigere (auch finan— zielle) Beſchlüſſe bedürfen der Genehmigung des Municipiums; dieſes interveniert über— haupt wenn es entweder von der Gemeinde— repräſentanz aufgerufen wird oder wenn dies „die Intereſſen der Verwaltung oder der öffentlichen Sicherheit erheiſchen“. Gutsgebiete ſind eine in der Buko— wina und in Galizien vorkommende Spe— cialart von Gemeinden (Geſ. v. 14/11. 1863, L. G. Bl. Nr. 10 und v. 24./12. 1868, L. G. Bl. Nr. 23 für Bukowina und Geſ. v. 12./8. 1866, L. G. Bl. Nr. 20 für Galizien). Ein vormals herrſchaftlicher (Dominical-) Beſitz, welcher bei Erlaſſung der citierten Geſetze nicht zum Ge— meindeverbande gehörte, bleibt auch fernerhin aus demſelben als Gutsgebiet ausgeſchieden. Die Gutsgebiete haben alle Rechte und Pflichten einer Gemeinde, doch geht von dem Vorſteher desſelben das dem Gemeindevorſtande zuſtehende Strafrecht auf die politiſche Bezirksbehörde über, und kann auf einem Gutsgebiete ein ſelb— ſtändiges Heimatsrecht nicht erworben werden. Der Eigenthümer eines Gutsgebietes, welcher im Großgrundbeſitze nicht wahlberechtigt ſein ſollte, wählt in der Gruppe der Landgemeinde als Wahlmann (j. Abgeordnetenhaus). Nach der Entſch. des Ackerbauminiſteriums v. 22./2. 1879, 3. 12.623 ex 1878 hat der Ge⸗ ſchäftsführer eines Gutsgebietes, damit er na— mens des Gutsgebietes einen giltigen Jag d— pachtvertrag abſchließen könne, bei der Lici— tation mit einer giltigen Vollmacht zu er— ſcheinen. Ende 1880 exiſtierten in Galizien 4724 Gutsgebiete mit 28.275 bewohnten Häuſern und 240.340 Einwohnern; in der Bukowina 186 Gutsgebiete mit 3456 Häuſern und 21.495 Einwohnern; in Galizien 43% aller Gemeinden, 3% der Häuſer und 4% der Einwohner; in der Bukowina 26% der Gemeinden, 3% der Häuſer und 4% der Einwohner. In Galizien entfallen auf ein Gutsgebiet im Durchſchnitte 6 Häuſer mit 51 Einwohnern; in der Buko— wina 21 Häuſer mit 116 Einwohneru. Die Gemeinde wird regelmäßig (abgeſehen von den Städten mit eigenem Statute) durch einen Gemeindeausſchuſs als das beſchließende und den Gemeindevorſtand als das durch— führende Organ vertreten. Die Mitgliederzahl des Ausſchuſſes variiert ſowohl nach den ein— zelnen Provinzen als nach der Seelenzahl der Gemeinde; der Gemeindevorſtand beſteht ge— wöhnlich aus dem Gemeindevorſteher (Bürger— meiſter) und zwei Gemeinderäthen. Der Vor— ſtand wird aus der Mitte des Ausſchuſſes ge— wählt. — Außer den gewählten Ausſchuſsmit— gliedern haben jene wählbaren Gemeindemit— glieder, welche von den geſammten in der Ge— meinde vorgeſchriebenen directen Steuern einen beſtimmten Theil (½ - oder auch 100 bis 200 fl. je nach den Provinzen) bezahlen, als Höchſtbeſteuerte das Recht, in den Ausſchuſs einzutreten, ohne gewählt zu ſein. — Über Beſchwerden gegen Verfügungen des Ge— meindevorſtehers hat der Ausſchuſs oder die politiſche Behörde, nicht aber der Landesaus— ſchuſs zu entſcheiden (Erk. d. V. G. H. v. 14/3. 1881, 3. 354, Budw. Bd. V Nr. 1042, Vorarl- berg). Für Veruntreuungen des Gemeindevor— ſtandes im übertragenen Wirkungskreiſe iſt die Gemeinde mithaftend (Entſch. d. M. d. J. v. 4.7. 1874, 3. 9505). Das Strafrecht in Handhabung der Orts— polizei wird durch den Gemeindevorſteher mit zwei Gemeinderäthen im übertragenen Wirkungs— kreiſe ausgeübt und umfaſst die Verurtheilung zu Geldſtrafen bis 10 fl., im Falle der Unein- bringlichkeit bis 48ſtündigem Arreſt. Dasſelbe bezieht ſich nicht auf Handhabung der Forſt— und Jagdpolizei, wohl aber auf Vogel- und Feldſchutz, Fiſcherei, Waſſerweſen, Bienen u. ſ. w. Im Falle der Befangenheit des Gemeindevor— ſtandes kann nur die politiſche Bezirksbehörde dieſes Strafrichteramt ausüben (ſ. z. B. Entſch. d. M. d. J. v. 26./5. 1872, 3. 4302, v. 8./5. 1877, Z. 849) und gehen Berufungen gegen Straf— erkenntniſſe des Gemeindevorſtandes an die po— litiſche Bezirksbehörde, in letzter Inſtanz immer an das M. d. J. In Ungarn beſteht die Gemeindevertretung zur Hälfte aus den die meiſte directe Staats- ſteuer zahlenden Gemeindeinſaſſen oder groß— jährigen Grundbeſitzern, zur anderen Hälfte aus den Gewählten und Viriliſten. Der beſchließende Repräſentantenkörper hat in Klein- und Groß— gemeinden den Richter (in Städten mit ge— regeltem Magiſtrate den Bürgermeiſter) an der Spitze. Der Gemeindeforſtbeamte beſitzt in der Generalverſammlung Stimmrecht. Die Gemeinde— vorſtehung iſt das vollziehende Organ. Gemeindehaushalt. Allgemeines. Die Gemeinden beziehen die ihnen nothwen— digen materiellen Mittel aus ihrem Vermögen, dann durch Umlagen oder Zuſchläge, durch Aus— ſchreibung von Dienſten für Gemeindeerforder— 304. Gemeinden. niſſe und durch ſelbſtändige Auflagen (Com— munalſteuern). Das Gemeindevermögen iſt genau zu in— ventariſieren und in Evidenz zu halten; das— ſelbe iſt ungeſchmälert zu erhalten und kann unter die Gemeindemitglieder nur nach Erlaſſung eines Landesgeſetzes aufgetheilt werden. Aus demſelben iſt die größte nachhaltige Rente zu erzielen. Auslagen, welche bloß im Intereſſe einzelner Ortſchaften oder Claſſen gemacht werden müſſen (Wege, Brücken u. ſ. w.), ſind von den Betheiligten zu tragen. Das Gemeindebudget iſt ſorgfältig aufzuſtellen und in öffentlicher Ausſchuſsſitzung zu berathen. Die Zuſchläge werden auf die directen Steuern (Grund-, Haus-, Erwerbs- und Ein- kommenſteuer) gelegt; für Einrichtungen, welche einem Orte ſpeciell nützen, auf die Steuern dieſes Ortes. Befreit von dieſen Zuſchlägen ſind die öffentlichen Beamten, Diener und Militär— perſonen, ſowie deren Witwen und Waiſen be— züglich ihrer aus dem Dienſtverhältniſſe be— ſtehenden Bezüge, ebenſo Perſonen, welche nicht in der Gemeinde wohnen, bezüglich ihres weder aus einem Realbeſitze noch aus einer Gewerbs— unternehmung fließenden Einkommens; die ge— jegliche Congrua der Seelſorger und öffentlichen Schullehrer darf durch Umlagen nicht geſchmälert werden. Ferner können Zuſchläge zur Verzeh— rungsſteuer auferlegt werden, doch darf bloß der Verbrauch im Gemeindegebiete und nicht die Production und der Handelsverkehr getroffen werden. Zuſchläge, welche eine gewiſſe (in den einzelnen Provinzen verſchiedene) Höhe über— ſteigen, ſind an die Genehmigung des Landes— (Bezirks-) Ausſchuſſes oder des Landtages ge— bunden. — Nur auf wirklich bezahlte Steuern können Umlagen gelegt werden (ſ. z. B. E. d. M. d. J. v. 12./4. 1874, Z. 2734). Ein Steuernach⸗ laſs z. B. wegen Hagelſchaden, welcher die Steuervorſchreibung nicht ändert, gibt keinen Anſpruch auf Minderung der Umlagen (E. d. M. d. J. v. 20./1. 1872, 3. 327). Die von einer vorgeſchrieben geweſenen Staatsſteuer bezahlten Umlagen können nicht zurückgefordert werden, wenn die Staatsſteuer nachträglich ganz oder theilweiſe nachgelaſſen wird (Erk. d. V. G. H. v. 20./10. 1881, 3. 1310, Budw. Nr. 1186, und v. 23./2. 1884, 3. 2436, Budw. Nr. 2032). — Die Zuſchläge ſind über Verlangen der Gemeinde durch die gleichen Organe und Mittel, wie die Steuern ſelbſt, einzuheben, ſonſt werden ſie vom Vorſteher durch ſeine Organe, eventuell durch Mobiliarexecution eingehoben; ein geſetzliches Vorrecht vor den eingetragenen Pfandgläubigern genießen ſie nicht (E. d. O. G. H. v. 15./6. 1859, Nr. 6283, G. U. W. Nr. 811). Dienſte (Hand- und Zugdienſte) für Ge— meindeerforderniſſe können durch Gemeindebe— ſchluſs gefordert werden für Erhaltung der Ge— meindeſtraßen und Wege, Schneeſchaufelung und Hilfe bei Unglücksfällen (Waldbränden, Wafjer- noth u. ſ. w.). Die Dienſte werden abgeſchätzt und nach Maßgabe der directen Steuern auf— erlegt; dieſelben können nach Wahl der Ver— pflichteten entweder perſönlich oder durch taug— liche Stellvertreter, oder durch Zahlung des Schätzungsbetrages geleiſtet werden; auch hiefür iſt die Grenze der Zuſchläge einzuhalten, ſonſt Bewilligung nothwendig. (Für Steiermark, Ober— öſterreich, Krain, Galizien und Trieſt beſteht eine Begrenzung für Dienſte nicht. Erk. d. V. G. H. v. 4./9. 1878, 3. 1386, Budw. Nr. 310). In Nothfällen, wenn ſchleuniges gemeinſchaft— liches Zuſammenwirken Aller erforderlich iſt, ſind alle tauglichen Perſonen zur unentgeltlichen Leiſtung von Dienſten verpflichtet. Das neue ungariſche Gemeindegeſetz geht von ähnlichen Geſichtspunkten aus, be— ſtimmt aber, daſs die Zuſchläge für die Alle intereſſierenden Verwaltungsausgaben auf die direeten Steuern (Grund-, Haus-, Erwerb-, Montan-, Capitalzinſen- und Rentenſteuer und die Steuer der zu öffentlicher Rechnungslegung verpflichteten Unternehmungen) auferlegt werde; für Ausgaben im Intereſſe des Grundbeſitzes Zuſchläge bloß zur Grundſteuer der Inter— eſſenten; für die innere Polizei und öffentliche Sicherheit Zuſchläge zu den obigen Steuern mit Ausnahme der Grund- und Montanſteuer. Bei den nach ſyſtematiſchem Wirtſchaftsplane (ſ. d.) bewirtſchafteten Waldcompleren wird nur die halbe Steuer als Baſis der Zuſchläge ange— nommen; zu den Koſten der Wirtſchaft und Feldaufſicht haben die Grundbeſitzer, welche keinen Nutzen davon haben und in dieſer Be— ziehung für ſich ſelbſt ſorgen, nicht beizutragen. Die Beſitzer der ſyſtematiſch bewirtſchafteten Waldungen können auf je ſechs Jahre ſich zu einer Pauſchalſumme an die Gemeinde ver— pflichten, anſtatt der Zuſchläge und ſonſtigen Leiſtungen. Bei allgemeinen Gefahren (Schnee— verwehung, Überſchwemmung, Feuersbrunſt) können die geſammten Fuhr- und Handarbeits— kräfte der Gemeinde in Anſpruch genommen werden. Das Communalſteuerweſen iſt mit wenigen Ausnahmen, (Hundeſteuer, Mietzins zuſchläge u. ſ. w.) in Oſterreich-Ungarn ſehr wenig aus— gebildet. Gemeindegut und Gemeindever— mögen. Inſoweit ein Gemeindeeigenthum von Jedermann benützt werden kann (Brunnen, Wege u. ſ. w.) oder von den Gemeindeange— hörigen oder gewiſſen Claſſen derſelben (Vieh— weide, Preſshäuſer, Wälder) oder auch nur einzelnen Perſonen (ſ. jpeciell hierüber Erk. d. V. G. H. v. 16./3. 1881, 3. 417, Budw. Nr. 1045) ſpricht man von Gemeindegut; fließen hingegen die Nutzungen eines ſolchen Eigenthumes in die Gemeindecaſſe, von Gemeindevermögen. Dem— zufolge kann dieſelbe Sache (Wald) bald als Gemeindegut, bald als Gemeindevermögen ver— wendet werden, je nachdem die Berechtigten ſelbſt z. B. die Forſtproducte beziehen oder die⸗ ſelben zugunſten der Gemeindecaſſe veräußert werden. Die Nutzung eines Gemeindegutes be— ruht im allgemeinen auf dem öffentlichen Rechte, d. h. ſie fließt für den Einzelnen nicht aus privatrechtlichen Abmachungen (etwa Verträgen), ſondern aus deſſen Gemeindeangehörigkeit. Des— halb bedarf es zum Zwecke des Genuſſes der Nutzungen, z. B. aus einem Gemeindewalde, keines Privatrechtstitels, ſondern nur des Nach— weiſes, daſs die beanſpruchte Nutzung zur Zeit, als das betreffende Gemeindegeſetz erſchien, eine | Bir = 18 umm n Su Gemeinden. 305 unangefochtene Übung geweſen; kann kein beſtimmter Umfang des Nutzungsanſpruches erwieſen werden, jo entſcheidet der noth— wendige Haus- oder Gutsbedarf der Ge— meindeangehörigen. Der nach Befriedigung des Haus- oder Gutsbedarf der Angehörigen noch erübrigende Ertragsreſt des Gemeinde— gutes fließt in die Gemeindecaſſe (j. hierüber 3. B. Erk. d. V. G. H. v. 18./ 10. 1877, 3. 1066, Budw., Nr. 137 (Böhmen); v. 24/10. 1878, 3. 1674, Budw. Nr. 342 (Böhmen); v. 23./10. 1879, 3. 2070, Budw. Nr. 596 (Vorarlberg): 15./6. 1883, 3. 1455, Budw. Nr. 1801 (Krain); v. 10./7. 1884, 3. 1592, Budw. Nr. 2206 (Böh⸗ men); v. 1/10. 1886, 3.2507, Budw. Nr. 3188; v. 6/5. 1887, 3.1283, Budw. Nr. 3520). Die Feſtſtellung der unangefochtenen Übung und der Nutzungsrechte am Gemeindeeigenthume über— haupt erfolgt, wenn nöthig, durch Zeugen und Gedenkmänner (Erk. d. V. G. H. v. 11/2. 1886, 3.290, Budw. Bd. X, Nr. 2912), doch mujs hierin mit der nöthigen Vorſicht vorgegangen werden und darf aus Thatſachen, welche lange vor dem Inslebentreten der Gemeindeordnung vorgefallen ſind, nicht ſofort auf eine bisher giltige Übung in Bezug auf Recht und Maß der Theilnahme an den Nutzungen geſchloſſen werden (Erk. d. V. G. H. v. 11./3. 1886, Z. 414, Budw. Nr. 2959). Dabei iſt zu beachten, dass die Nutzungsrechte am Gemeindegut nur be— züglich des Rechtes und des Maßes, nicht aber bezüglich der Art und Weiſe der Ausübung aufrecht erhalten find (Erk. d. V. G. H. v. 30./9. 1885, 3. 2476, Budw., Nr. 2697, Böhmen). Überhaupt muj3 die Benützung des Gemeinde— gebietes durch die Angehörigen einſchränkend interpretiert werden und ſind die beſtehenden Nutzungsrechte unübertragbar. (Erk. d. V. G.H. v. 9./1. 1885, 3. 72, Budw. Nr. 2359, Böhmen; v. 1./3. 1878, 3. 293, Budw. Nr. 222; v. 23.2. 1882, 3. 292, Budw. Bd. VI, Nr. 1314, Böh⸗ men). Die Beſitzer von Stücken, welche von einem berechtigten Grundſtücke abgetrennt wurden, haben nur dann Nutzungsanſpruch, z. B. an einem Gemeindewalde, wenn eine ſolche unangefochtene Übung ſchon vor Erlaſs der Ge— meindeordnung beſtanden hat, bei ſpäter er— folgten Trennungen nicht, und kann ihnen eine ſolche auch nicht durch Gemeinderathsbeſchluſs eingeräumt werden. (Erk. d. V. G. G. v. 9./1. 1885, 3.58, Budw. Nr. 2358; v. 27./3. 1885, Z. 864, Budw. Nr. 2479, Böhmen; v. 10./6. 1885, Z. 1392, Budw. Nr. 2603; 6/11. 1884, 3. 2414, Budw. Nr. 2279). Die neue Einräumung von Nutzungen am Gemeindegut iſt nur für ſolche Dienſte zuläſſig, welche innerhalb des Wirkungskreiſes der Ge- meinde liegen und der Gemeinde ſelbſt zu gute kommen (Erk. d. V. G. H. v. 17./2. 1882, 3. 386, Budw. Nr. 1306). So wurde (durch Erk. d. V. G. H. v. 1./3. 1878, 3. 293, Budw. Nr. 222) Häuslern, welchen das Streu- ſammeln im Gemeindewalde geſtattet wurde gegen Hilfeleiſtung bei den Culturarbeiten in die- ſem Walde, dieſe Berechtigung aberkannt, weil es ſich hier um ein Entgelt für Dienſte handelt, welche nicht innerhalb des Wirkungskreiſes der Gemeinde liegen, nicht in der Gemeindemit— gliedſchaft wurzeln und nach Erlaſſung der Ge— meindeordnung entſtanden ſind; ſolche Begün— ſtigungen bilden daher keinen Anſpruch auf die dauernde Nutzung des Gemeindegutes. Zu viel bezogenes Holz aus einem Gemeindewalde hat der Berechtigte nicht als ein Geſchenk zu be— trachten, ſondern muss dasſelbe zurückſtellen, bezw. ſich bei neuerlichem Bezuge entſprechen— den Abzug gefallen laſſen (Erk. d. V. G. H. v. 26./6. 1878, 3. 1001, Budw. Nr. 292). Heimatberechtigte und Auswärtige ſind bezüglich der Nutzungen (3. B. eines Gemeinde— waldes behufs Bauholzbezug bei Brandfällen) gleich zu behandeln (Erk. d. V. G. H. v. 13./2. 1884, Z. 329, Budw. Nr. 2016 und v. 4/12. 1880, 3. 2248, Budw. Nr. 940), wenn das auch früher unangefochtene Ubung war. Von einem Gutsbedarfe kann aber nur die Rede ſein bei ſelbſtbewirtſchafteten, nicht aber zu gunſten von verpachteten Grundſtücken (Erk. d. V. G. H. vom 10/7. 1884, Z. 1591, Budw. Nr. 2205). Unter Hausbedarf hat man den Bedarf des Hausweſens überhaupt, ohne Unter— ſchied, ob der Bezugsberechtigte Hauseigen— thümer war oder nicht, zu verſtehen (Erk. d. V. G. H. v. 7./10. 1885, 3. 2360, Budwinski Nr. 2708, Böhmen. — Nutzungen des Ge— meindegutes, welche gegen ein Geſetz, ſpeciell gegen das Forſtgeſetz verſtoßen, ſind un⸗ zuläſſig, weil eine ſelbſt beſtandene der— artige Übung durch die Gemeindeordnung nicht aufrechterhalten worden ſein kann (3. B. Erk. d. V. G. H. v. 16/2. 1882, Z. 265, Budw. Nr. 1304, Tirol; vom 30./5. 1883, 3. 1275, Budw. Nr. 1781; v. 30./9. 1885, 3. 2476 Budw. Nr. 2697, Böhmen). So wurde (durch Erk. d. V. G. H. v. 27./2. 1885, Z. 424, Budw. Nr. 2428) erklärt, daſs in einem zur Aufforſtung beſtimmten Waldtheile die Weiter— ausübung der Waldweide ſelbſt dann unterſagt werden mufs, wenn bezüglich dieſes Waldtheiles Nutzungsrechte von Gemeindeinſaſſen aufrecht beſtünden, was ein Zurückſtehen der Gemeinde— gutnutzung gegen die Vorſchriften des F. G. beweist. Der Gemeindeausſchuſßs iſt innerhalb der gegebenen Grenzen befugt, Verfügungen zu erlaſſen, welche die Sicherung und eine nach— haltige Bewirtſchaftung des Gemeindegutes be— zwecken (Erk. d. V. G. H. v. 25./1. 1879, 3. 102, Budw. Nr. 408) und u. a. auch für die Benützung des Gemeindegutes eine Gebür ver— langen oder erhöhen, welche aber vom Landes— ausſchuſſe nach freiem Ermeſſen herabgeſetzt werden kann (Erk. d. V. G. H. v. 9./6. 1882, Z. 1198, Budw. Nr. 1436, für eine Ge⸗ meindeweide, Galizien). Auch kann, aber nur mit Zuſtimmung der autonomen, für Gemeinde— wälder der politiſchen Organe ein Theil des Gemeindegutes in das Eigenthum der Nutzungs- berechtigten übergehen, wenn dieſe ihre Nutzung auf den anderen Theil aufgeben (Erk. d. V. G. H. v. 30./10. 1884, 3. 2362, Budw. Nr. 2270). Zur Entſcheidung über das ge— ſetzmäßige Beſtehen von Nutzungen an Ge⸗ meindegut find die autonomen Behörden be⸗ rufen, weil dieſe Nutzungen öffentlich-rechtlicher Natur find (Erk. d. V. G. H. v. 11./12, 1876, 3. 419, Budw. Nr. 13 und v. 11./11. Dombrowski. Eneyklopädie d. Forſt⸗ u. Jagdwiſſenſch. IV. Bd. 20 306 Gemeinden. 1881, 3. 1665, Budw. Nr. 1206), deshalb entſcheiden auch dieſe Organe über die Berech— tigung zur Benützung des Gemeindegutes und Gemeindevermögens (Entſch. d. O. G. H. v. 11/2. 1880, 3. 13.383), ſowie auch über die Art und Weiſe der Benützung des Gemeinde— gutes (Entſch. d. O. G. H. v. 5./8. 1873, 3. 7848, G. U. W. Nr. 5053), doch find ſie zur Entſcheidung von Rechtsverhältniſſen an dem Gemeindever— mögen, welche auf Vertrag beruhen, nicht competent (Erk. d. V. G. H. v. 13./ 2. 1880, 3. 93, Budw. Nr. 698). Die autonomen Organe können vermöge ihres Überwachungs— rechtes gegenüber der Gebarung der Gemeinden die geſetzlichen Anordnungen auch über die Be— nützung des Gemeindegutes treffen (Erk. d. V. G. H. v. 9./1. 1885, 3. 58, Budw. Nr. 2358). In Tirol iſt nach der Statth. Vdg. v. 1./5. 1885, Z. 7428, L. G. Bl. Nr. 14 den Wald⸗ beſitzern der Bezug von Forſtproducten aus ihren Waldungen, ſoweit dieſelben nicht Schutz— oder Bannwaldungen ſind, zur Deckung ihres eigenen Haus- und Gutsbedarfes ohne Anmel— dung und forſtliche Auszeigung geſtattet. Der Bezug von Forſtproducten aus den unvertheilten Gemeinde- und Localſtiftungswäldern ift bei den Forſttagſatzungen (ſ.d.) zu verhandeln und von dem politiſchen Forſttechniker auszuzeigen. Nach der Statth. Vog. v. 25./6. 1885, Z. 12.079, L. G. Bl. Nr. 26 ſind die Geſuche der Gemeinde— inſaſſen um Betheilung mit Holz zu ihrem Haus- oder Gutsbedarfe aus Gemeindewal— dungen ſtempelfrei. Dabei ſind ſelbſtverſtänd— lich die Vorſchriften des F. G. und der Wald— ordnung vom Jahre 1839 zu beobachten und kann eine entgegengeſetzte Übung nicht als ent— ſcheidend angeſehen werden. Maßgebend iſt auch hier, wenn kein ſpecieller Titel beſteht, der Haus- und Gutsbedarf, jo weit er nicht aus Privatwaldungen befriedigt iſt; Perſonen, welche zwar kein Haus, aber Grundſtücke in der Ge- meinde beſitzen, können von der Gemeindewald— nutzung nach Maßgabe ihres Gutsbedarfes nicht ausgeſchloſſen werden, wenn dieſelben zur Zeit des Erlaſſes der Tiroler Gem.-O. (1866) nicht ausgeſchloſſen waren (Erk. d. V. G. H. v. 16. 2. 1882, 3. 265, Budw. Nr. 1304) ſ. a. Dienſt⸗ barkeiten. Ein zum Gemeindegut gehöriger Grund— complex, welcher zur Eigenjagd berechtigen würde, darf nicht aus der Gemeindejagd ausgeſchieden und ſelbſtändig verpachtet wer— den (Erl. d. M. d. J. v. 22/11. 1868, 3. 13.705), ſ. Gemeinſchaft des Eigenthums u. ſ. w. Bezüglich Gemeindewälder beſteht ein rechtliches Theilungs verbot; nach 8 21 F. G. dürfen „ſie in der Regel nicht vertheilt wer— den. Sollte in beſonderen Fällen deren Auf— theilung dringendes Bedürfnis ſein oder Vor— theile darbieten, die mit der allgemeinen Vor— ſorge für die Walderhaltung nicht im Wider— ſpruche ſtehen, ſo kann in jedem derlei Falle die Bewilligung hiezu durch die Landesſtelle ertheilt werden“. Den Gemeindewäldern gleichgehalten ſind die anlässlich der Servitutenablöſung abge— tretenen Waldtheile, welche (nach $ 31 des Pat. v. 5./7. 1853 [j. Dienſtbarkeiten]) „ortſchafts— N oder gemeindeweiſe, oder an die Geſammtheit der Berechtigten“ abzutreten find. Thunlichſte Hintanhaltung der Theilung, bezw. Rodung der Gemeinde- und Servitutsäquivalentswaldungen wurde durch den an alle Landesſtellen gerichteten Erl. d. UM. v. 2/8. 1872, Z. 7281 einge⸗ ſchärft und durch $ 9 der zur Durchführung und Handhabung des F. G. beſtimmten Vdg. d. AM. v. 3/7. 1873, Z. 6953 den politiſchen Be⸗ hörden die ſtrenge Anwendung des F. G. auf die Gemeindewälder und waldculturfreundliche Ge— meindeausſchuſsbeſchlüſſe zu erwirken, angeordnet, in welcher Richtung auch der Forſtinſpector thätig zu ſein hat. Nach § 7 der Bdg. d. A.-M. v. 27./7. 1883, R. G. Bl. Nr. 137, durch welche das forſttechniſche Perſonal der politiſchen Ver— waltung organiſiert wurde, können die bei den politiſchen Behörden fungierenden Forſttechniker „mit der Wirtſchaftsleitung in Gemeinde-,Gemein— ſchafts- und anderen Wäldern betraut werden, wenn die Übertragung der Wirtſchaftsleitung auf andere Perſonen überhaupt geſetzlich begründet iſt“. Der Erlaſs der galiziſchen Statth. v. 26./ 12. 1867, 3. 81.271, fordert die politiſchen Bezirks- behörden ſpeciell auf, die Gemeinde- und Ser- vitutsäquivalentwaldungen gut im Auge zu behalten und vor allem ſich genaue Kenntnis von den beſtehenden Waldungen dieſer Kategorie zu verſchaffen. Durch Erl. d. A.⸗M. v. 15./8. 1873, Z. 4364 wurde erklärt, daſs die Entſcheidung über Theilung der Gemeindewälder, wenn auch nur zu Verpachtungs- oder Nutzungszwecken, die politiſche Landesſtelle und nicht die Bezirksbe— hörde zu fällen habe. Auch nur bedingungs— weiſe Theilung eines Gemeindewaldes ohne be— hördliche Bewilligung iſt ſtrafbar. Theilung von Gemeindewäldern vor Geltung des F. G. fällt (nach Entſch. d. A.-M. v. 1/11. 1877, 3. 11.850) nicht unter $ 21 des F. G. Die Gemeinde hat bezüglich der Gemeinde- und Servitutsäquiva⸗ lentwaldungen das Recht, Nutzungsvorſchriften für die Berechtigten zu erlaſſen, ſowie die Waldnutzungsbezüge überhaupt zu regeln und unter gemeindepolizeiliche Strafſanetion zu ſtellen, alſo z. B. zu verfügen, wie viel jeder Gemeindeangehörige aus dem Walde beziehen kann, und Straf- und Schadenerſatznormen für Übertretungen dieſer Vorſchriften zu normieren (Entſch. d. M. d. J. v. 15./9. 1872, 3. 12.773). Veräußerung von Gemeindewäldern kann nicht ohne Genehmigung des Landesausſchuſſes geſchehen; bezüglich der Ertheilung oder Verſa— gung der Zuſtimmung geht der Landesausſchuſs nach eigenem Ermeſſen vor, fo daſs eine Beſchwerde an den V. G. H. wegen Verweigerung einer er— betenen Genehmigung zu ſolcher Veräußerung unzuläſſig it (ſ. Verwaltungsgerichtshof; Bes ſchluſs des V. G. H. v. 3/11. 1884, 3. 2249). Bei Gemeindewaldungen iſt nach § 9 der Vdg. d. A.⸗M. v. 3./7. 1873, 3. 6953 auf die etwa fehlende Sicherung derſelben durch Grenzzeichen hinzuwirken. Durch Erl. d. Statth. für Oberöſtereich v. 16./6. 1861, 3. 2927, präs. L. G. Bl. Nr. 10 wurde auf Grundlage des Erl. d. Staats-Min. v. 27./5. 1861, 3. 3329 (zufolge eines Land⸗ tagsbeſchluſſes v. 11/4. 1861) die Forſtaufſicht Gemeindenetz. — Gemeindewaldungen. und der Forſtſchutz in Gemeinde- und kleineren Privatwaldungen den betreffenden Beſitzern zur eigenen Beſorgung überlaſſen und damit die Beförſterung durch amtlich aufgeſtelltes Forſt— wirtſchafts- und Aufſichtsperſonale beſeitigt. Während die bisher mitgetheilten Vor— ſchriften die Auftheilung der Gemeindewälder zu verhindern ſtreben, dagegen auf die Be— wirtſchaftung derſelben directen Einfluſs nicht ausüben, iſt letzteres in mehreren Ländern Weſt— öſterreichs der Fall. Zunächſt in Tirol und Vor— arlberg. Nach dem II. Theile der Tiroler Wald— ordnung vom Jahre 1839 ($ 7 ff) obliegt „die Lei— tung des Wirtſchaftsbetriebes“ in den Gemeinde— und Stiftungswaldungen den politiſchen Behör— den. Dieſe Waldungen dürfen ohne behördliche Bewilligung von jenen Gutscomplexen, für deren Bedarfsdeckung ſie beſtimmt ſind, nicht abge— trennt, und dürfen daraus bezogene Forſtpro— ducte erſt dann verkauft werden, wenn der frag— liche Gutsbedarf gedeckt iſt; die Bewilligung er— theilt die politiſche Landesſtelle. Der leitende Be— triebsgrundſatz iſt die Erzielung des höchſtmög— lichen nachhaltigen Ertrages. Zu dieſem Zwecke haben ſich die Behörden genaue Kenntnis der Wäl— der zu verſchaffen und Bewirtſchaftungspläne als unabweichbare Norm“ aufzuſtellen; zu Holzfäl— lungen in ſolchen Waldungen, für welche ein derartiger Plan noch nicht beſtehen ſollte, be— darf es fallweiſer Bewilligung durch die politi— ſche Behörde. Zu Abweichungen von dem Wirt— ſchaftsplane bedarf es der Genehmigung durch die Statthalterei. Die Schläge müſſen in ſchma— len Streifen, ohne dem herrſchenden Winde Einfall zu geſtatten, eingelegt werden. Stock— roden iſt nur nach behördlicher Bewilligung ge— ſtattet; Nachwuchs iſt thunlichſt zu ſchonen und die Gruben ſind „beſtens einzuräumen“. Ge— ſchlagenes Holz und Windwurf müſſen ſpäteſtens binnen zwei Jahren, Streu binnen einem Jahre aus dem Walde geführt werden (j. Aufforſtung, Abhänge, Baumfäfte, Aſtſtreu, Bodenſtreu, Weide, Ziegen). Jedes Gemeindemitglied hat den Forſtproductenbedarf, welchen es nicht aus Privateigenthums- ſondern aus Gemeinde- (und Staats) Waldungen beanſprucht, vorläufig der Gemeindevorſtehung anzuzeigen, welch letztere hierüber der politiſchen Behörde ein Gutachten vorlegt. Die Verhandlung hierüber erfolgt bei den Forſttagſatzungen (ſ. d. u. Verwüſtung, Dienſtbarkeiten, Gemeindegut, Fällung, Caution). Für die Durchführung dieſer Organiſation waren ſog. Forſtadjuncten aufgeſtellt, welche dermalen (nach der Vdg. v. 27/7. 1883, R. G. Bl. Nr. 137) mit dem politiſchen Forſtperſonale ver— einigt ſind. Ihre Aufgabe beſteht in der Be— wirtſchaftung der unaufgetheilten Gemeinde— wälder, zu welchem Zwecke zunächſt Wirtſchafts— pläne auszuarbeiten ſind. Die Gemeindewal— dungen ſind möglichſt oft zu begehen, Ge— meindevorſteher und Waldhüter zuzuziehen, Holzanweiſung u. ſ. w. vorzunehmen, Weide— ſchonflächen einzulegen, Bringung und Auffor— ſtung zu überwachen, und haben die Forſt— organe ſowohl bei den Forſttagſatzungen zu intervenieren als auch außerhalb derſelben Be— ſprechungen zu veranſtalten und forſtliche Be— lehrung zu ertheilen. 307 Durch das Geſetz v. 19./2. 1873, L. G. Bl. Nr. 20 ex 1873, wurde in den Gemeindewäl— dern Dalmatiens das Ausgraben oder Aus— reißen von Wurzeln und Wurzelſtöcken der Forſtgewächſe ſowie das Ausgraben oder Aus— reißen ſtehender Bäume mit Ausnahme der Nadelhölzer (ohne Rodungsbewilligung, ſ. Ro— dung), ferner die Entrindung von Föhren— bäumen ohne von der politiſchen Bezirksbehörde vidierte Bewilligung des Gemeindevorſtandes verboten. Übertretungen, wenn fie nicht unter das Strafgeſetz fallen, ſind als Forſtfrevel (ſ. d.) mit Arreſt bis 14 Tage oder Geld bis 50 fl. zu beſtrafen (ſ. Certificat, Ziegen, Fällung und Forſtſchutz). In Ungarn wurde ſchon durch das Ge— meindegeſetz vom Jahre 1871 (Geſ. Art. XVIII § 109) der Gemeinde die Verpflichtung aufer— legt, „für einen die Erhaltung der Gemeinde— wälder ſichernden Verwaltungsmodus zu ſor— gen.“ Das F. G. vom Jahre 1879 (Geſ. Art. XXXI S 17) normiert, daſs die Gemeinde— wälder „nach einem regelmäßigen wirtſchaft— lichen Betriebsplane zu verwalten ſind“, durch welchen „die Inſtandhaltung und die Dauer- haftigkeit der Nutzbarkeit geſichert wird“ (ſiehe Wirtſchaftsplan). Auf dieſe Weiſe iſt die Be— wirtſchaftung der Gemeindewaldungen in Un— garn unter directer öffentlicher Verwaltung ſtehend, was, wie bemerkt, in Weſtöſterreich im Allgemeinen nicht der Fall iſt. (Wegen Über— tretungen ſ. Diebſtahl.) Die Gemeindewaldungen in Weſtöſterreich umfaſſen 1.29 7.23821 ha, d. h. 141%, der geſammten Waldfläche; in Dalmatien und Tirol umfaſſen dieſelben mehr als die Hälfte der provinziellen Waldfläche, im Küſtenland über 28% ,q in der Bukowina 13% und in Böhmen 12%; in den übrigen Provinzen umfaſſen die Gemeindewaldungen zwiſchen 0˙9% (Kärnthen) und 91%, (Krain) der Waldfläche. In Ungarn incluſive Croatien, Slavonien und die ganze Militärgrenze bedecken die eigentlichen Ge— meindewälder 2,123.739 ha (die Wälder kirch— licher Corporationen 326.409 ha). Über die Auftheilung culturfähiger Ge— meindegründe, worunter auch Wald- und auf⸗ zuforſtende Grundſtücke gehören, und die Thei— lung gemeinſchaftlicher Grundſtücke überhaupt ſ. Gemeinſchaft des Eigenthumes. — Ein prak— tiſch brauchbares Werk über öſterreichiſches Ge— meindeweſen iſt: Hämmerle, Handbuch für die Gemeinden 3. Aufl. 1884. N Mcht. Gemeindenetz, ſ. Triangulierung. Lr. Gemeindewaldungen (Deutſchland) ſind Waldungen im Eigenthume von Gemeinden (ſ. d.). Dieſelben bilden, wie die Corpo— rationswaldungen (ſ. d.), zum großen Theil Reſte der ehemaligen Markwaldungen, indem ſich die ſpätere politiſche Gemeinde mit der früheren Markgenoſſenſchaft deckte. Die deutſchen Gemeindewaldungen ent— halten 2,109.913 ha oder 15.2 (in Preußen 12˙0, Bayern 12˙3, Württemberg 291, Sachſen 46, Baden 451, Heſſen 36˙2, Oldenburg 11˙, Sachſen⸗Weimar 16˙3, Mecklenburg-Schwerin an Stadtwaldungen 94, Braunſchweig 4˙2, An⸗ halt 1˙8, Sachſen-Altenburg 21, Meiningen 20 * 308 227, Coburg-Gotha 10°9, Schwarzburg-Rudol- ftadt 10°4, Sondershauſen 97, Waldeck 22˙4,5 Reuß ältere Linie 0˙9, jüngere Linie 1˙9 und Lippe-Detmold 8°7)%, der Geſammtwaldfläche— Dieſelben fehlen in Mecklenburg-Strelitz und Schaumburg-Lippe und ſind ohne Be— deutung in den Gebieten der freien Städte. Die Gemeindewaldungen bilden einen Be— ſtandtheil des Gemeindevermögens und müſſen deshalb, wie dieſes überhaupt, erhalten und nachhaltig bewirtſchaftet werden. Dieſer Grund— ſatz bezüglich der Verwaltung des Gemeinde— vermögens findet ſich in allen deutſchen Ge— meindeordnungen, und auf die hiedurch gewährte allgemeine Staatsaufſicht beſchränkt man ſich in Sachſen, Mecklenburg-Schwerin, Sach— ſen-Weimar, Anhalt, Sachſen-Alten— burg, Sachſen-Gotha,, Reuß ältere und jüngere Linie, ſowie in einem Theile von Preußen (Schleswig-Holſtein, Herzog— thum Lauenburg, ein Theil der Provinz Hannover und der Stadtkreis von Frank— furt a. M.) und in dem zu Oldenburg ge— hörigen Fürſtenthume Lübeck, während in den übrigen Theilen Deutſchlands die ſtaatliche Aufſicht über die Gemeinde- und auch die Cor- porations- und Stiftungswaldungen durch be— ſondere geſetzliche Vorſchriften geregelt iſt. In Preußen beſtehen bezüglich der Be— aufſichtigung der Waldungen der Gemeinden und öffentlichen Anſtalten: 1. für die Provinzen Preußen, Branden- burg, Pommern, Poſen, Schleſien und Sachſen das Geſetz vom 14. Auguſt 1876; 2. für die Provinzen Weſtfalen und Rhein die Verordnung vom 24. December 1816 (durch Verordnung vom 20. September 1867 auch für das ehemalige heſſen-homburg'ſche Oberamt Meiſenheim eingeführt) nebſt den Vollzugsvor— ſchriften für die Regierungsbezirke Koblenz und Trier vom 31. Auguſt 1839 und für die Re— gierungsbezirke Arnsberg und Minden vom 19. Mai 1857, ſowie die Haubergsordnungen (ſ. Gemeinſchaftliches Waldeigenthum); 3. in den Hohenzollern'ſchen Landen die Verodnung vom 1. Mai 1822, 5. Juli 1827 und 3. Auguſt 1848 für Sigmaringen und vom 25. September 1848 für Hechingen; 4. in der Provinz Hannover die Verord— nung vom 21. October 1815 für das Fürſten— thum Hildesheim, das Geſetz vom 10. Juli 1859 für die Fürſtenthümer Kalenberg, Göttin— gen und die mit denſelben verbundenen Terri— torien, durch das Geſetz vom 30. October 1860 auch auf die Grafſchaft Hohnſtein ausgedehnt; 5. in der Provinz Heſſen-Naſſau für das ehemalige Kurfürſtenthum Heſſen das Organi— jationsdecret vom 29. Juni 1821 nebſt den Vollzugsverordnungen vom 5. März 1840 und 21. Januar 1858, für das Herzogthum Naſſau das Edict über die Organiſation der Forſtver— waltung vom 9. November 1816 und die Voll— zugsvorſchiften zum Gemeindegeſetze vom 26. Juli 1854, für das früher heſſen-homburg'ſche Ober- amt Homburg die Forſtorganiſationsverordnung vom 6. Februar 1835 und für die ehemals bayeriſchen und großherzoglich heſſiſchen Gebiets— theile die früheren Landesgeſetze (ſ. unten); Gemeindewaldungen. 6. für das ganze Landesgebiet das Geſetz vom 14. März 188 über gemeinſchaftliche Hol— zungen, welches dieſelben, ſofern ſie nicht durch ein beſonderes privatrechtliches Verhältnis ent— ſtanden ſind, den in dem betreffenden Landes— theile für die Gemeindewaldungen geltenden Beſchränkungen unterwirft (ſ. Bildung eines gemeinſchaftlichen Waldeigenthums). Specielle Vorſchriften über die Behandlung der Waldungen der juriſtiſchen Perſonen ent— halten ferner in Bayern für die rechtsrheiniſchen Lan— destheile das Forſtgeſetz vom 28. März 1852, für die Rheinpfalz die Verordnung des Gou— verneurs des Mittelrheins vom 26. Mai 1814 und die allerhöchſte Verordnung vom 4. Juli 1840; g in Württemberg das Geſetz vom 16. Au- guſt 1875 über die Bewirtſchaftung der Wal- dungen der Gemeinden, Stiftungen und ſon— ſtigen öffentlichen Körperſchaften nebſt Vollzugs— inftruction vom 21. Juli 1876; in Baden das Forſtgeſetz vom 15. No- vember 1833 und die Vollzugsverordnungen vom 20. März 1855 und 24. April 1868; in Heſſen die Organiſationsverordnung vom 16. Januar 1811 und 29. December 1823, durch die Inſtruction vom 29. März 1837 auf Rheinheſſen ausgedehnt; in Oldenburg für das Herzogthum Oldenburg die im Jahre 1861 aufgehobene, aber durch das Geſetz vom 15. Auguſt 1882 über den Forſtdiebſtahl und die Forſt- und Feldpolizei wieder in Kraft geſetzte Forſtord— nung vom 28. September 1840 und für das Fürſtenthum Birkenfeld das Geſetz vom 19. Fe⸗ bruar 1867 nebſt Vollzugsvorſchriften vom 22. Februar 1868; in Sachſen-Weimar die Verordnung vom 1. Juni 1859 über die Bewirtſchaftung der den Staatsforſtbeamten unterſtellten Kirchen— und Pfarrwaldungen; in Braunſchweig das Geſetz vom 30. April 1861, die Ausübung der Forſthoheit und Forſtaufſicht über Privatforſten betreffend; in Sachſen-Coburg das Geſetz vom 20. Februar 1860, die Gemeinde, Körperſchafts— und Privatwaldungen betreffend, nebſt Voll— zugsvorſchriften vom 25. Februar 1860; in Sachſen-Meiningen die Forſtord— nung vom 20. Mai 1856, ergänzt durch Mi⸗ niſterialausſchreiben vom 11. Juli 1869; in Schwarzburg-Rudolſtadt das Re- gulativ vom 18. März 1840; in Schwarzenburg-Sondershauſen die Verordnung über die Bewirthſchaftung der Gemeindewaldungen vom 3. Juni 1838, welche im Vollzuge der Städte- und Landgemeinde- ordnung erlaſſen wurde; in Waldeck die Forſtordnung vom 21. No⸗ vember 1853; in Lippe-Detmold die Verordnung vom 25. Mai 1819 über die Bewirtſchaftung der Privat- und Gemeindeholzungen; iR in Elſaſs-Lothringen der franzöſiſche Code forestier vom 31. Juli 1827 (Tit. VI) und das Decret vom 25. März 1852 über die Anſtellung der Forſtſchutzbeamten. Gemeindewaldungen. 309 Nach der angeführten Forſtgeſetzgebung iſt für die Waldungen der juriſtiſchen Perſonen eine dem Intereſſe der Gegenwart entſprechende und zugleich jenes der Zukunft wahrende nach— haltige Wirtſchaft erſter Grundſatz, von welchem nur, wie z. B. in den öſtlichen preußiſchen Pro— vinzen, Bayern, Württemberg, Sachſen-Coburg, Sachſen-Meiningen, eine Ausnahme für kleine, einer regelmäßigen Bewirtſchaftung nicht fähige Waldungen gemacht wird, welche jedoch in jedem Falle pfleglich zu behandeln ſind. Nur in Elſaſs— Lothringen ſind ſolche geringfügigen Waldungen der Aufſicht der Staatsforſtbehörden nicht unter— ſtellt. Die Controle über die nachhaltige Bewirt— ſchaftung der fraglichen Waldungen erfolgt durch Sachverſtändige auf Grund von Wirt— ſchaftsplänen. Der Wirtſchaftsplan muſs nach dem Ge— ſagten die pflegliche und nachhaltige Benutzung des Waldes zur Grundlage haben, gleichzeitig aber durch das Betriebsſyſtem das Intereſſe des Waldbeſitzers möglichſt zu wahren ſuchen. Es ſind daher überall die Waldbeſitzer bei Feſt— ſtellung der Wirtſchaftsgrundſätze über ihre Ab— ſichten zu vernehmen und dieſe möglichſt zu berückſichtigen, wobei insbeſondere im Auge be— halten werden muj3, dafs wohl bei den Staats— waldungen das volkswirtſchaftliche Moment die Wirtſchaft beherrſcht, bei den übrigen Wal— dungen aber naturgemäß das financielle In— tereſſe überwiegt. Es iſt deshalb nicht zu billigen, wenn, wie in Baden und Schwarzburg-Son- dershauſen, durch das Forſtgeſetz allgemeine wirtſchaftliche Vorſchriften, insbeſondere über die Umtriebszeiten, für die Gemeinde-, Corpo- rations⸗ und Stiftungswaldungen gegeben wer— den. Die Wirtſchaftspläne ſowie die Abände— rungen und periodiſchen Erneuerungen derſelben bedürfen der ſtaatlichen Genehmigung. Die Ausführung des Wirtſchaftsplanes er— folgt durch einen Forſttechniker, welcher nach Einvernehmen der Waldbeſitzer die jährlichen Betriebsvorſchläge zu fertigen und der Auf— ſichtsbehörde vorzulegen hat, was ſeinerzeit auch mit den Betriebsnachweiſen geſchehen mujs. Den Gemeinde-, Corporations- und Stiftungs- verwaltungen ſollte, wie in Württemberg, Baden, Braunſchweig und im Fürſtenthume Birkenfeld, freiſtehen, ſich bei den von dem Forſttechniker vorgenommenen Holzanweiſungen und Auf— nahmen, Culturen, Vermeſſungen u. f. w. durch einen Abgeordneten vertreten zu laſſen. Die unbefugte Einmiſchung dieſer Verwaltungen in die Geſchäfte des Forſttechnikers iſt dagegen in Sachſen⸗Meiningen mit Geldſtrafen bis zu 43 Mark oder verhältnismäßigem Gefängnis bedroht. Die Thätigkeit des Forſttechnikers bei der jährlichen Gewinnung der Forſtproducte iſt überall mit der Überweiſung des fertig ge— ſtellten Materiales an den Waldbeſitzer beendigt, mit Ausnahme von Eljajs-Lothringen, wo die Schlagverſteigerungen durch den beten in Gegenwart eines Mitgliedes der Verwal— tungsbehörde abgehalten werden. Was die Qualification eines Forſttechnikers für Herſtellung eines Wirtſchaftsplanes und für die Betriebsleitung anbelangt, ſo wird dieſelbe allgemein als vorhanden betrachtet, wenn der Betreffende die Vorbedingungen für den Staats— forſtverwaltungsdienſt erfüllt hat. Man begnügt ſich jedoch auch entweder überhaupt, wie nach dem preußiſchen Geſetze vom 14. Auguſt 1876, oder, wie in Bayern und Württemberg, für die Übergangszeit mit der in anderer Weiſe nach— gewieſenen theoretiſchen und praktiſchen Be— fähigung des Technikers. Die Wahl der Forſttechniker für die Her— ſtellung des Wirtſchaftsplanes und die Betriebs— leitung ſteht entweder mit dem Vorbehalte der ſtaatlichen Genehmigung den Gemeinden, Corpo— rationen und Stiftungen frei, oder es ſind die Waldungen derſelben aus der Zeit übermäßiger Bevormundung der juriſtiſchen Perſonen der Adminiſtration der Staatsforſtbeamten (Be— förſterung) unterſtellt, wie in einem Theile von Preußen (Fürſtenthümer Hildesheim, Calenberg, Göttingen und Grubenhagen und die Grafſchaft Hohnſtein der Provinz Hannover, die Provinz Heſſen-Naſſau, mit Ausnahme des Stadtkreiſes Frankfurt a. M., und Hohenzollern), Bayern (Regierungsbezirke Pfalz und Unterfranken), O l- denburg (Fürſtenthum Birkenfeld) und Sach— jen-Weimar (Kirchen- und Pfarrwaldungen) ſowie in Baden (ausnahmsweiſe auch Wahl der Forſtbeamten geſtattet), Heſſen, Braun- ſchweig, Waldeck und Elſaſs-Lothringen. Es iſt auch, wie z. B. in Bayern, Württemberg, Sachſen-Meiningen und Schwarzburg-Son— dershauſen, den juriſtiſchen Perſonen geſtattet, wegen Übernahme der techniſchen Betriebsleitung in ihren Waldungen mit der Staatsforſtver— waltung Verträge abzuſchließen. Für kleine, einer regelmäßigen Bewirtſchaftung nicht fähige Waldungen können, wie in Bayern, Betriebs- leitung und Forſtſchutz in einer Perſon ver— einigt werden, oder es kann ein benachbarter Forſtbeamter als Betriebsleiter beſtellt werden. Es können ſich auch mehrere Gemeinden, Cor— porationen und Stiftungen zur Anſtellung eines gemeinſchaftlichen Forſttechnikers vereinigen, und in den preußiſchen Regierungsbezirken Coblenz, Trier, Arnsberg und Minden kann ſogar die zwangsweiſe Bildung von Communalober— förſtereien durch das Miniſterium angeordnet werden. Für den Fall der Nichtbeſtellung von Forſttechnikern erfolgt in Bayern die Ernennung derſelben durch die Kreisregierung und in Würt— temberg die Beförſterung des betreffenden Wal— des (in der Regel auf mindeſtens zehn Jahre), welche im Herzogthume Oldenburg auch bei ſchlechter Bewirtſchaftung der Gemeindewal— dungen eintritt. Die Koſten für Herſtellung der Wirtſchafts— pläne, Betriebsleitung und Forſtſchutz ſind von den Waldbeſitzern zu tragen. Für die Beförſterung ſowohl als auch für die vertragsmäßige Übernahme der Betriebs— leitung durch die Staatsforſtverwaltung ſind überall an dieſe Beſoldungsbeiträge (in Ba— den auch Diäten an die Forſtbeamten) zu ent— richten, welche 0˙12—1·00 Mark (3. B. in Kur⸗ heſſen 012, Naſſau 0˙30, Heſſen 0°57, Württem⸗ berg 0˙80, Waldeck 100, Elſaſs-Lothringen 5%, des Hauptnutzungsertrages, jedoch nicht über 310 Gemeines Recht 080 Mark) pro Hektar betragen. Dieſe Bei— träge bleiben nicht unbedeutend hinter dem Be— ſoldungsaufwande für die Staatswaldungen zurück, und es liegt daher das fragliche Ver— hältnis im finaneiellen Intereſſe der juriſtiſchen Perſonen. Die Wahl der Forſtſchutzbedienſteten, welche neben der allgemeinen geſetzlichen Qualification auch die zur Unterſtützung des Betriebsleiters nöthige techniſche Befähigung beſitzen ſollten, iſt den Waldbeſitzern überlaſſen, und nur in den preußiſchen Provinzen Weſtfalen und Rhein wur— den von der Regierung reine Gemeindeſchutz— bezirke und in dem Regierungsbezirke Wies— baden (gegen jährliche Beiträge von 0°57 bis 0˙80 Mark pro Hektar) Staats- und Gemeinde— ſchutzbezirke gebildet, welche ſich nicht an die Waldeigenthumsgrenzen halten. In Württem— berg können die juriſtiſchen Perſonen den Forſt— ſchutz in ihren Waldungen gegen eine jährliche Entſchädigung (durchſchnittlich 202 Mark pro Hektar) der Staatsforſtverwaltung übertragen. In Elſaſs-Lothringen ſtehen die Förſter der Gemeinden und öffentlichen Anſtalten, gleich den Förſtern des Staates, unter der Botmäßigkeit und Disciplinargewalt der Staatsforſtbeamten. Die Gemeinden haben in Preußen und Eljajs- Lothringen die Verpflichtung, die Forſtſchutz— beamtenſtellen mit mindeſtens 750 Mark Dienſt— einkommen mit zur Anſtellung im Forſtdienſte berechtigten Anwärtern des Jägercorps zu beſetzen. Die Veräußerung von Waldungen der ju— riſtiſchen Perſonen, welche überall von der ſtaat— lichen Genehmigung abhängig iſt, erſcheint bei kleineren iſolierten Parcellen namentlich dann vortheilhaft, wenn der Boden zur Agricultur geeignet iſt, und der Erlös zur Vermehrung und Arrondierung des Waldbejiges verwendet wird. Bezüglich der Vertheilung der Gemeinde— und Corporationswaldungen ſ. Gemeinheits— theilung. Die Behörden der inneren Verwaltung, welchen die juriſtiſchen Perſonen unterſtehen, führen auch die Aufſicht über die Bewirtſchaf— tung der Waldungen derſelben, jedoch bei Löſung techniſcher Fragen unter Zuhilfenahme der Be— hörden der Staatsforſtverwaltung, da die in Sachſen nach der Verordnung vom 24. Mai 1856 beſtehende Zutheilung eines Oberforſtbeamten zu den Kreisdirectionen behufs Überwachung der Gemeinde- und Stiftungswaldungen eine Ausnahme bildet (ſ. Organiſation der forſt— lichen Thätigkeit des Staates). Die Com- petenz der an der Staatsauſſicht betheiligten Behörden iſt natürlich nach der Größe der ge— übten Überwachung ſowie nach dem Verwal— tungsorganismus ſehr verſchieden, doch ſteht im allgemeinen der höheren Inſtanz die Beſtätigung des Technikers und des Wirtſchaftsplanes, der Unterbehörde die Aufſtellung des Schutzper— ſonales und die Genehmigung der jährlichen Betriebsanträge und Nachweiſungen zu, welch letztere, ſo lange ſich die Wirtſchaft innerhalb des Wirthſchaftsplanes bewegt und die Wald— beſitzer mit ihr einverſtanden ſind, zweckmäßig, wie z. B. in Bayern, Württemberg, Baden und Heſſen, der äußeren Staatsforſtbehörde über— . — Gemeingefühl. laſſen wird. Die oberſte Aufſicht und Entſchei— dung ſteht überall dem Miniſterium des Innern zu, mit Ausnahme der öſtlichen Provinzen Preußens, in welchen Klagen gegen Entjchei- dungen des Oberpräſidenten vor das Oberver— waltungsgericht gehören. Die Staatsaufſicht er— folgt unentgeltlich. Die Waldungen der einzelnen juriſtiſchen Perſonen ſind im allgemeinen nicht von beträcht— licher Flächengröße, und die Verwaltung der— ſelben iſt meiſt eine einfache. Die Verwaltungs— behörde iſt überall zugleich Centralſtelle und Direction, und nur in einzelnen Fällen, wie z. B. bei den Stadtwaldungen von Görlitz, wurde die Bildung mehrerer Reviere unter einer Forſtinſpection für nöthig erachtet (J. Albert, Lehrbuch der Forſtverwaltung. Mün— chen 1883). Die von der Regierung behufs der Beförſterung der fraglichen Waldungen gebil— deten reinen Communalreviere, welche z. B. in Bayern 2040, Baden 3190, Heſſen 2200 und Elſaſs-Lothringen 5605 ha durchſchnittlich ent- halten, ſind meiſt größer als die Staatsreviere, da die Revierverwalter in der Regel mit der Forſtproductenverwertung nichts zu thun haben und auch an der Forſtfrevelthätigung und der Forſtpolizei wenig oder gar nicht betheiligt ſind. Die Waldungen der juriſtiſchen Perſonen ſind im allgemeinen weniger intenſiv und ins— beſondere in niedrigerem Umtriebe bewirt— ſchaftet, als jene des Staates. So betrug z. B. im Jahre 1876 in Baden, wo Beförſterung beſteht, für die Gemeinde- und Körperſchafts⸗ waldungen, bei welchen der Mittelwaldbetrieb überwiegt, pro Hektare der Normalvorrath 169 und der jährliche Holzertrag 4˙22 Feſtmeter, für die Staatswaldungen dagegen 210, bezw. 4.43 Feſtmeter. Von den deutſchen Gemeinde-, Corpora— tions- und Stiftungswaldungen, welche zu— ſammen 2,640.657 ha oder 19˙0 (in Preußen 16°0, Bayern 15°8, Württemberg 33˙5, Sachſen 71, Baden 47˙8, Heſſen 37˙4, Oldenburg 15˙0, Elſaſs-Lothringen 44˙9 u. ſ. w.) Procent der Geſammtwaldfläche enthalten, werden 43% auf Grund geſetzlicher Beſtimmung von den Staats- forſtbeamten verwaltet, 56%, auf Grund von Wirtſchaftsplänen durch von den Waldbeſitzern gewählte Forſttechniker unter Aufſicht der Re— gierung bewirtſchaftet und 1% unterſteht nur einer allgemeinen Beaufſichtigung von Seite des Staates. Es erleichtert dies in vielen Theilen Deutſchlands die forſtpolizeiliche Auf— gabe der Regierung weſentlich, obgleich ſelbſt— verſtändlich die fragliche Staatsaufſicht keine forſtpolizeiliche, ſondern nur eine in der öffent— lich-rechtlichen Stellung der juriſtiſchen Perſonen begründete iſt. Man vgl. übrigens auch J. Albert, Lehr- buch der Staatsforſtwiſſenſchaft. Wien . At. Gemeines Aecht, j. allgemeines bür⸗ gerliches Geſetzbuch. 3 Gemeine Winden, ſ. Winden. Fr. Gemeingefühl. Die verſchiedenen Gefühle werden durch ein negatives Merkmal zu einer Gruppe vereinigt, nämlich alle Empfindungen, welche nicht Geſichts-, Gehörs-, Geruchs- oder ru E { X Gemeinheitstheilung. 311 Geſchmacksempfindungen ſind, werden als Ge— fühlsempfindungen bezeichnet. Nach E. H. Weber werden die Gefühlsempfindungen in zwei ſcharf getrennte Claſſen getheilt, in echte Sinnesempfin— dungen und Gemeingefühle. Als echte Sin— nesempfindungen find zu bezeichnen, welche ob— jeetiviert, d. h. vom Organismus auf Dinge der Außenwelt bezogen werden; wir ſagen ein Körper iſt kalt, wenn ſeine Berührung uns eine Kälteempfindung verurſacht, wir beziehen alſo die Kälteempfindung auf den Körper und nicht auf die Stelle der Haut, wo ſie entſteht. Dagegen werden die Gemeingefühle ſtets auf den Orga— nismus ſelbſt bezogen; wenn wir z. B. eine Flocke feſter Kohlenſäure zwiſchen den Fingern zerdrücken, ſo haben wir ſofort ein in den Fin⸗ gern localiſiertes Schmerzgefühl, wir jagen die Finger brennen und beziehen daher dieſe Em— pfindung nicht auf die kalte Kohlenſäureflocke. Als echte Sinnesempfindungen können nur die Gefühle bezeichnet werden, welche der Taſtſinn, Temperaturſinn (ſ. Taſtſinn) und der Muskelſinn erzeugen; als Gemeingefühle müſſen wir bezeichnen: die Hunger-, Durſt-, Schmerzs, Kitzel, Schauder- und Wolluſtempfin— dungen; eine in dem Weſen derſelben liegende Definition kanu nicht gegeben werden, da wir kein Merkmal der Empfindung ſelbſt angeben können; wir können z. B. kein Merkmal der Empfindung angeben, welche grünes Licht im Auge hervorruft. Da wir den Hunger und den Durſt im Artikel Verdauung beſprechen, ſo blei— ben uns nur die übrigen Gemeingefühle zur Erörterung an dieſer Stelle übrig. Indem ein großer Theil dieſer Empfindungen an derſelben Stelle, z. B. an der Haut, erzeugt werden kann, jo hat man früher angenommen, daſs nur einer— lei Nerven, die ſenſiblen, dieſe Empfindungen vermitteln; in jüngſter Zeit mehren ſich jedoch die Beobachtungen, welche uns zur Annahme nöthigen, daſs für jede Empfindungsart eine beſondere Nervenart u. ſ. w. exiſtiert. Die Anal- gie (Lotze) tritt bei gewiſſen pathologiſchen Proceſſen und in einem beſtimmten Stadium der Ather- und Chloroformnarkoſe ein; in die— ſem Zuſtande wird jede Berührung der Haut deutlich wahrgenommen, doch entſteht ſelbſt bei den ſtärkſten Eingriffen keine Schmerzempfindung; wenn Schiff bei Thieren das ganze Lendenmark bis auf die Hinterſtränge durchſchnitt, ſo nah— men die Thiere jede Berührung der Hinter— extremität wahr, ſie waren aber vollſtändig un— empfindlich gegen ſchmerzhafte Eingriffe; das Entgegengeſetzte tritt ein, wenn nur graue Sub— ſtanz erhalten bleibt. Dieſe Thatſachen ſprechen da— für, daſs Taſt- und Schmerzempfindungen von ver— ſchiedenen Nerven vermittelt werden. Schmerz— gefühle können von der ganzen Haut und den Schleimhäuten an den Körperöffnungen und allen Organen aus erzeugt werden, ſie werden genau localiſiert und zwar in den Endausbreitungen der erregten Nerven; ſie ſind umſo größer, je größer die gereizte Hautſtelle und je zarter die Epidermis derſelben iſt. Dieſelben werden her— vorgerufen durch Hitze (über + 50° C.), Kälte (unter — 11° C.), Druck, Elektricität (durch ſtärkere conſtante Ströme, beſonders aber durch Inductionsſtröme), chemiſche Agentien (durch Atzung). Schmerz kann auch im Muskel ent— ſtehen, es iſt das Ermüdungsgefühl, das ſich bei heftiger Muskelarbeit (Wadenkrämpfe z. B.) zu ſtarker Schmerzempfindung ſteigern kann. Kitzel und Schauder entſtehen durch leiſe Be— rührung gewiſſer Hautſtellen, das Wolluſtge— fühl bei Erregung ſenſibler Nerven der Geni— talorgane; Ausführliches über den erzeugenden nervöſen Apparat iſt nicht bekannt. Lbr. Gemeinheitstheilung (Deutſchland) iſt im allgemeinen die Vertheilung eines Ge— ſammteigenthumes an Grundſtücken unter die Intereſſenten, welche die ſie nach Verhältnis ihrer Berechtigung treffenden Antheile als Ein— zeleigenthum erhalten. Dieſelbe iſt entweder eine freiwillige, oder eine nach geſetzlicher Vorſchrift erzwungene, d. i. eine Entwehrung (ſ. d.) der Geſammtheit zu gunſten der Ein— zelnen, bei welcher die Entſchädigung für die Rechte an dem Geſammteigenthume in der Theilung ſelbſt liegt. Dieſe im Intereſſe der Landescultur und der einzelnen Theilhaber er— zwungene Theilung eines Geſammteigenthumes gilt im engeren Sinne als Gemeinheits- theilung. Das zu vertheilende Geſammteigen— thum gehört entweder juriſtiſchen Perſonen, Gemeinden (ſ. d.) und Corporationen im engeren Sinne (. Corporationswaldungen), oder es iſt ein privatrechtliches (ſ. Gemeinſchaft— liches Waldeigenthum). Die Gemeinheits— theilung iſt eine General- oder eine Special— theilung, je nachdem dieſelbe zwiſchen ganzen Gemeinden oder nur zwiſchen den einzelnen Intereſſenten einer Gemeinde erfolgt. Aus der urſprünglichen gemeinſchaftlichen Benützung von Wald und Weide (Mark oder Allmend) durch die Markgenoſſen entſtanden die Markwaldungen (jetzt zum Theil noch Gemeinde-, Corporations- und Genoſſenſchafts— waldungen), die Feldgemeinſchaften (. d.), die Gemeinweiden und insbeſondere die Gemeindeweiden. Da die gemeinſchaftliche Bodenbenützung aber eine ſtete Quelle von Streitigkeiten und bei Agriculturgelände auch ein Hindernis der Entwicklung der Landwirt— ſchaft bildet, ſo fanden ſchon ſeit dem Mittel— alter vielfach freiwillige Gemeinheitstheilungen ſtatt, während die Zwangstheilungen, veran— laſst durch die Erfolge der freiwilligen Thei— lung der Gemeindeweiden in England, erſt in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts begannen. Dies geſchah bei dem damals herr— ſchenden Abſolutismus einfach dadurch, daſs die Regierungen die Gemeinheitstheilungen an— ordneten und auch gegen den Willen der Ge— meinden durchführten. Solche zwangsweiſe Theilungen der Gemeindegründe wurden an— geordnet in Preußen durch Reſeript vom 29. Juli 1763, in Bayern durch das Culturedict von 1762, in Baden durch Verordnung vom 10. De= tober 1770 und 13. Auguſt 1774, in Braun⸗ ſchweig durch Verordnung vom 22. November 1768 u. ſ. w. Erſt unſerem Jahrhunderte blieb es vorbehalten, die Initiative bezüglich der Ge— meinheitstheilung und die Entſcheidung über die Zuläſſigkeit derſelben zunächſt den Bethei— ligten zu überlaſſen, und die erſte Gemein— heitstheilungsordnung auf dieſer Grundlage iſt 312 Gemeinheitstheilung. jene für das Fürſtenthum Lüneburg vom 15. Juni 1802, deren Grundſätze durch die Geſetze vom 30. April 1824 und 26. Juli 1825 für die übrigen Provinzen des ehemaligen Königreiches Hannover zur Geltung gebracht wurden. Derſelben folgten die Gemeinheits— theilungsordnungen für Preußen vom 7. Juli 1821 mit Ergänzungsgeſetz vom 2. März 1850 (in der Hauptſache auch in den im Jahre 1866 erworbenen Provinzen eingeführt), Sachſen vom 27. März 1832, Heſſen vom 7. September 1814, Braunſchweig vom 20. December 1834, Sachſen-Gotha vom 2. Januar 1832, Schwarz— burg-Rudolſtadt vom 7. Januar 1856, Schwarz- burg-Sondershauſen vom 2. April 1854 u. ſ. w. In anderen deutſchen Staaten, wie z. B. in Bayern und Baden, enthält die Gemeindeord— nung die nöthigen Beſtimmungen über die Vertheilung der Gemeindeländereien. Der Grundſatz des römiſchen Rechtes, dass jeder Theilhaber eines Geſammteigenthumes (condominium) die Aufhebung der Rechtsge— meinſchaft durch Theilung des gemeinſchaftlichen Gutes verlangen und mit der actio communi dividundo vor dem Richter geltend machen kann, iſt auch in das franzöſiſche (Art. 815 des Code civil) und deutſche Privatrecht überge— gangen, und die preußiſche Gemeinheitsthei— lungsordnung vom 7. Juni 1821 befindet ſich in voller Übereinſtimmung mit dem preußiſchen allgemeinen Landrechte vom 5. Februar 1794, wenn ſie das Recht zur Beantragung einer Gemeinheitsauseinanderſetzung einem oder meh— reren Theilhabern unter der Vorausſetzung zu— geſteht, daſs dieſelbe im Intereſſe der Landes— cultur liegt, was jedoch, vorbehaltlich des Ge— genbeweiſes, ohneweiters angenommen wird. Das Provocationsrecht wurde übrigens für den Fall, daſs mit der Gemeinheitstheilung auch eine Feldbereinigung (ſ. d.) zu verbinden it, durch Verordnung vom 28. Juli 1838 dahin beſchränkt, daſs die Beſitzer des vierten Theiles der Ackerländereien mit der Separation einver— ſtanden ſein müſſen. Anderwärts, wie z. B. in Sachſen und Hannover, geſtattet man wohl dem Einzelnen, unter beſtimmten Vorausſetzungen die Ausſcheidung ſeines Antheiles zu verlangen, macht aber die vollſtändige Auftheilung von einem Mehrheitsbeſchluſſe der Theilhaber ab— hängig. Wieder andere Geimeinheitstheilungs— ordnungen kennen keine Einzelabfindung und verlangen für jede Theilung entweder, wie in Heſſen, die einfache, oder eine größere Majorität, insbeſondere eine Dreiviertelmajorität, wie 3. B. in Bayern (außerdem müſſen die Zu— ſtimmenden die Hälfte der Grundſteuer ent— richten), Baden und Sachſen-Gotha. Die Mehr- heit wird entweder, wie in Bayern, Baden uud Heſſen, nach Köpfen, oder, wie in Hannover, nach Nutzungsrechten, oder der Größe des Grund— beſitzes beſtimmt. Die Durchführung des Thei— lungsbeſchluſſes bedarf auch bei privatrechtlichen Gemeinſchaften meiſt der Genehmigung der Staatsbehörde. Als Intereſſenten bei der Gemeinheits— theilung erſcheinen neben den Theilhabern an dem Geſammteigenthume Diejenigen, welche an dieſem privatrechtliche Nutzungsbefugniſſe (3. B. Weiderechte) beſitzen. Dieſe Nutzungs- berechtigten müſſen vorerſt durch Geld oder durch Zuweiſung von Land entſchädigt werden. Die Miteigenthümer erhalten dann von der nach Abzug der nöthigen Wege verbleibenden Fläche nach Verhältnis des Wertes ihrer Be— rechtigung einen Theil als freies Eigenthum zugewieſen, wobei kleinere Wertdifferenzen durch Geldzahlung (Capital oder Rente) ausgeglichen werden. Die Wertberechnung der einzelnen Anz theile muſs auf gleicher Grundlage erfolgen, und für Gemeindeweiden iſt der Theilungs— maßſtab ſchon in der Gemeinheitstheilungs— ordnung beſtimmt. So theilt man, ſofern die Nutzungsrechte nicht nach ideellen Quoten oder in anderer Weiſe (3. B. nach der Stückzahl des weideberechtigten Viehes) beſtimmt ſind, in Sachſen, Baden und Heſſen nach Köpfen, während anderwärts die Vertheilung entweder, wie in Preußen und Hannover, nach dem bis— herigen (3. B. nach dem Durchſchnitte der letzten zehn Jahre) Viehſtande, oder ſubſidiär (auch nach dem preußiſchen Landrecht) nach der Zahl des mit eigenem Futter durchwinterten Viehes, oder, wie in Hannover, nach der Größe des jetzigen Grundbeſitzes, oder endlich, wie vormals in Schleswig-Holſtein, nach Verhältnis der Beiträge zu den Gemeindelaſten erfolgt. Da keiner dieſer Theilungsmaßſtäbe ohne Mängel und allgemein durchführbar iſt, ſo hat man mehrere derſelben (3. B. in Preußen 2, Han- nover 4) zugelaſſen, welche je nach Umſtänden in Anwendung zu kommen haben. Die Thei- lung von Waldungen iſt nach den Gemeinheits— theilungsordnungen an die Bedingung ge— knüpft, daſs die einzelnen Antheile entweder zur forſtmäßigen Cultur geeignet bleiben oder vortheilhaft als Acker oder Wieſen benützt werden können. Die Durchführung der Gemeinheitsthei— lungen iſt entweder, wie z. B. in Preußen, Sachſen und Anhalt, beſonderen, zugleich mit der Grundentlaſtung, Feldbereinigung und Servitutenablöſung betrauten Behörden, welche auch über die vorkommenden Rechtsſtreitigkeiten entſcheiden, übertragen, oder man überläſst ſie den gewöhnlichen Verwaltungsbehörden, bezw. den Civilgerichten für die Entſcheidung von Rechtsſtreitigkeiten. Die Koſten der Gemeinheitstheilung, welche übrigens überall tax- und ſtempelfrei erfolgt, ſind von den Intereſſenten zu tragen. Die Landgemeinden ſind durch die Grund— entlaſtung (ſ. d.) wieder öffentlich-rechtliche Organe geworden, welchen zur Löſung der eigenen und der ihnen vom Staate übertragenen Aufgaben das vorhandene Gemeindevermögen unentbehr— lich iſt. Es wurden deshalb ſchon durch ein— zelne Gemeinheitsheilungsordnungen (3. B. für Sachſen und Schwarzburg-Rudolſtadt) und in Preußen durch die Declaration vom 26. Juli 1847 die Gemeindeländereien von der Theilung aus— geſchloſſen, und auch in den übrigen deutſchen Staaten laſſen die Gemeindeordnungen nur ausnahmsweiſe mit ſtaatlicher Genehmigung eine Vertheilung von Gemeindegründen dann zu, wenn die Landescultur dadurch gefördert und die Gemeinde bezüglich ihrer Einnahmen Gemeinschaft. ſchadlos gehalten wird. Letzteres geſchieht durch Auflegen eines (in Bayern z. B. mit dem 25fachen Betrage) ablösbaren Grundzinſes zum Beſten der Gemeindecaſſe und durch Ausſchei— den eines beſonderen Antheiles für die Volks— ſchule. Auch die Theilung des Grundeigenthums von Corporationen im engeren Sinne darf nur bei Sicherung der Sonderintereſſen derſelben erfolgen. Dagegen iſt die Theilung eines meh— reren Gemeinden gehörigen Geſammteigenthums (auch Waldungen) unter der Vorausſetzung zu— läſſig, daſs die ausgeſchiedenen Antheile als Gemeindeeigenthum betrachtet werden (General— theilung). Die Theilung von Gemeindewaldnngen iſt entweder, wie z. B. in Preußen, Baden und Heſſen, unbedingt ausgeſchloſſen, oder man läſst dieſelbe, wie z. B. in Bayern, nur behufs der Rodung bei kleinen, zur Agricultur geeigneten Parcellen, ſowie bei Waldüberfluſs und Mangel an landwirtſchaftlichen Grundſtücken unter der Bedingung zu, dafs der Erlös aus dem an— fallenden Holze in die Gemeindecaſſe fließt, und die einzelnen Antheile zum Beſten derſelben mit einem Grundzinſe belegt werden. Die Natural— theilung eines Gemeindewaldes, d. i. die Thei— lung desſelben zum Zwecke der Fortbenützung der einzelnen Antheile als Wald (ſ. Theilung eines gemeinſchaftlichen Waldes), welche faſt immer zur Walddevaſtation führte, iſt überall geſetzlich unterſagt. Die Theilung von Corpo— rationswaldungen (f. d.) iſt nur zuläſſig, wenn die geſetzlichen Vorausſetzungen der Auflöſung der Corporation gegeben ſind. Nach dem Geſagten iſt die Gemeinheits— theilung faſt nur noch bei dem gemeinſchaft— lichen Privateigenthume geſtattet, welches ohne— hin ſchon nach dem Privatrechte getheilt werden kann. Es ſind übrigens im ganzen wohl nur noch wenig ungetheilte Privat- und Gemeinde— ländereien vorhanden, und es dürfte deshalb die Aufgabe der Gemeinheitstheilungsordnungen in der Hauptſache beendigt ſein. Man vgl. übrigens auch J. Albert, Lehr— buch der Staatsforſtwiſſenſchaft, Wien 1875. At. Gemeinſchaft des Eigenthums und anderer dinglichen Rechte (SS 825—858 a. b. G. B.) Oſterreich. Eine Gemeinſchaft iſt dann vorhanden, wenn mehreren Perſonen das Eigenthums- oder ein anderes dingliches Recht an der nämlichen Sache dergeſtalt zuſteht, dass jedem ein intellectueller (ideeller) Theil an der Sache gebürt. Das Recht der Theilnehmer, z. B. beim Miteigenthume, iſt ein der Beſchaffen— heit, wenn auch nicht dem Umfange nach lein Miteigenthümer kann z. B. die Hälfte, die beiden anderen je ein Viertheil der Sache haben) gleiches Recht über alle Theile der gemeinſamen Sache. Weil ſonach jeder Genoſſe z. B. an jedem Quadratmeter eines gemeinſamen Grundſtückes ideeller Eigenthümer iſt, erblickt die Finanz— verwaltung in der Theilung eines ſolchen ge— meinſamen Grundbeſitzes eine Vermögensüber— tragung und bemißt danach die Gebür (ſ. d.); dieſe Auffaſſung wurde als die richtige aner— kannt durch Erk. d. V. G. H. v. 30./1. 1886, 3.31, Budw. Nr. 2894. „Erdfurchen, Zäune, Hecken, Planken, Mauern, Privatbäche, Canäle, Plätze —— nm 313 und andere dergleichen Scheidewände, die ſich zwiſchen benachbarten Grundſtücken befinden, werden für ein gemeinſchaftliches Eigenthum angeſehen, wenn nicht Wappen, Auf- oder In- ſchriften oder andere Kennzeichen und Behelfe das Gegentheil beweiſen“ ($ 854 a. b. G. B.), d. h. es wird eine Gemeinſchaft vermuthet. Jeder Mitgenoſſe kann eine ſolche gemeinſame Mauer auf ſeiner Seite bis zur Hälfte der Dicke benützen und trägt verhältnismäßig zur Erhaltung ſolcher Scheidewände bei. Wenn aber Ziegel, Latten oder Steine nur auf einer Seite vorhängen oder ein Pfeiler, Säulen u. ſ. w. auf einer Seite eingegraben ſind, ſo wird im Zweifel das Alleineigenthum für denjenigen angenommen, auf deſſen Seite die Ziegel ablaufen u. ſ. w. Wenn eine Planke u. dgl. verfallen iſt, ſo muſs ſie der Eigen— thümer nur dann in Stand erhalten, wenn ſonſt für den Grenznachbar Schaden zu be— fürchten wäre, doch dürfte hier (nach dem Wort— laute des § 858 a. b. G. B.) nur von Grund— ſtücken die Rede ſein, welche gegen Zutritt der Menſchen geſichert zu werden pflegen, z. B. Gärten, Höfe, Hausgrundſtücke, nicht aber offenes Feld, Wieſen, Weingärten, Wälder. In mehreren Provinzen beſtehen von altersher agrariſche Gemeinſchaften an Grund und Boden, welche theils gemeinſamen Beſitz, theils gemeinſame Benützungsrechte gewähren. Die Regelung der hier beſtehenden, oft ſehr unklaren Rechtsverhältniſſe wird dermalen in Angriff genommen; competent zur Ausein- anderſetzung derſelben ſind jene gemiſchten Or— gane, welche die Zuſammenlegung von Grund und Boden (ſ. d.) durchzuführen haben werden. Solche Geſetze beſtehen in Mähren (v. 13/2. 1884, L. G. Bl. Nr. 31), Kärnthen (v. 5./7. 1883, L. G. Bl. Nr. 23), Krain (v. 26./10. 1877, L. G. Bl. Nr. 2 ex 1888) und in Nieder⸗ öſterreich (v. 3./6. 1886, L. G. Bl. Nr. 39). Dieſelben regeln die Theilung von gemeinſamen Grundſtücken ſowie die gemeinſchaftlichen Be— nützungs- und Verwaltungsrechte an ungetheilt verbliebenen Grundſtücken, bezüglich welcher a) entweder zwiſchen geweſenen Obrigkeiten und Gemeinden oder ehemaligen Unterthanen ſowie zwiſchen zwei oder mehreren Gemeinden ge— meinſchaftliche Beſitz- und Benützungsrechte be— ſtehen oder b) welche von allen oder von ge— wiſſen Mitgliedern einer Gemeinde, einer oder mehreren Gemeindeabtheilungen, Nachbarſchaf— ten oder ähnlichen agrariſchen Gemeinſchaften (Claſſen der Bauern, Beſtifteten, Singulariſten u. dgl.) kraft ihrer perſönlichen oder mit einem Beſitze verbundenen Mitgliedſchaft oder von den Mitberechtigten an Wechſel- oder Wandel- gründen gemeinſchaftlich oder wechſelweiſe be— nützt werden; Gemeinde vermögen (ſ. Gemeinde) iſt davon ausgeſchloſſen. Die Auseinanderſetzung erfolgt nur über Provocation der Betheiligten, doch darf die Theilung von gemeinſchaftlichen Waldungen nur ſoweit erfolgen, als hiedurch die pflegliche Behandlung und zweckmäßige Bewirtſchaftung der einzelnen Theile nicht ge— fährdet wird; von amtswegen erfolgt die Re— gulierung der gemeinſchaftlichen Benützungs— und Verwaltungsrechte u. a. bei Waldungen, 314 wenn aus forſtwirtſchaftlichen oder forſtpolizei— lichen Rückſichten die politiſche Landesbehörde dieſelbe für nöthig erachtet. Die Theilung oder Regulierung kann auch in Verbindung mit einer Zuſammenlegung gebracht werden, und iſt jedenfalls auf eine etwa zukünftig nothwendig werdende Zuſammenlegung Rückſicht zu nehmen. Zunächſt ſind hiebei beſtehende Rechte zu be— achten und ein gütliches Übereinkommen zu er— ſtreben; in Ermanglung ſolcher Anhaltspunkte oder eines Ausgleiches iſt der Durchſchnitt der letzten zehn Jahre zu erheben, wobei aber Über— ſchreitungen des nothwendigen Bedarfes hint— anzuhalten ſind. Hinſichtlich des Holzbedarfes iſt die Erhaltung des Wohnhauſes und der Wirtſchaftsgebäude bei ortsüblicher Bauart, für Brennholz der ortsübliche Bedarf eines Fa— milienhaushaltes zur Grundlage zu nehmen; hinſichtlich der Weide- und Streunutzung die für den eigenen Familienhaushalt des Theil— genoſſen nöthige Viehzahl (im Zweifel eine Kuh), eventuell ſoviel Vieh als auf dem eigenen Grundbeſitze des Theilgenoſſen durchgewintert werden kann, wenn die Sommerfütterung ſonſt— wie nicht zu beſchaffen iſt. Bei Regulierungen an Waldgründen, deren pflegliche Behandlung aus öffentlichen Rückſichten beſonders wünſchens— wert erſcheint, iſt zugleich ein Wirtſchaftsplan aufzuſtellen oder ein etwa beſtehender zu über— prüfen; derſelbe hat dem Grundſatze der Nach— haltigkeit zu entſprechen und die Nebennutzungen entſprechend einzuſchränken. Bei geringem Um— fange der Waldfläche oder ſehr einfachen Be— triebsverhältniſſen iſt für zehn Jahre ein ſum— mariſches techniſches Programm aufzuſtellen, welches vor Ablauf dieſer Periode rechtzeitig der politiſchen Behörde neuerlich vorzulegen iſt. Außerdem ſind Vorſchriften bezüglich entſpre— chender Schonflächen zu erlaſſen ſowie über die Ausbringung der Forſtproducte und Hintan— haltung von Inſectengefahr. Eingaben, Proto— kolle u. ſ. w. ſind gebürenfrei; die Koſten der Durchführungsorgane (ſ. Zuſammenlegung) wer— den aus dem Staatsſchatze beſtritten. Das Servitutenablöſungs- und Regulierungspatent (ſ. Dienſtbarkeiten) tritt bezüglich der oben an— geführten Theilungen und Regulierungen in jenen Ländern, in welchen ſolche Specialgeſetze beſtehen, außer Kraft. Zu erwähnen tft ſchließlich die Entſch. des Ackerbauminiſteriums v. 8./5. 1874, Z. 5218, betreffend den rechtlichen Charakter einer „Nach— barſchaft“ (Kärnthen). Eine Nachbarſchaft war von jeher im Beſitze einer Alpe (von 232 ha). Dieſelbe bat bei der politiſchen Bezirksbehörde um Ausſcheidung ihres Gebietes aus dem Ge— meindejagdgebiete uud Geſtattung der ſelb— ſtändigen Jagdausübung. Dieſem Anſuchen wurde durch das Ackerbauminiſterium (im Ge— genſatze zu den beiden Unterbehörden) Folge gegeben, weil eine „Nachbarſchaft“ keine Ge— meinde oder Gemeindefraction, ſondern eine nach dem Privatrechte zu beurtheilende Gemein— ſchaft ſei, deren Mitglieder den fraglichen Grundcomplex zur ungetheilten Hand beſitzen, und daher die Jagd unter denſelben Voraus— ſetzungen wie jeder private Grundeigenthümer ausüben können und mit ihrem Grundbeſitze Gemeinſchaftliches Waldeigenthum. gegen ihren Willen nicht in das Gemeindejagd— gebiet einbezogen werden können. Mcht. Gemeinſchaftliches Waldeigenthum Deutſch⸗ land) iſt nach römiſchem Recht ein Mehreren zu ideellen Theilen (partes pro indiviso, in- certae) zuſtehendes, an deſſen Nutzungen und Laſten die Mitberechtigten (Miteigenthümer) nach Verhältnis ihrer Berechtigung theilhaben. Die Gemeinſchaft des Eigenthumes (condomi— nium) iſt eine Art der Rechtsgemeinſchaft (com- munio), deren Unterſchied von der Corporation bereits (ſ. Autonomie des Waldeigenthümers) erörtert wurde. Die Einheit und Ausſchließlichkeit des rö— miſchen Eigenthumsbegriffes, welche ein do— minium plurium in solidum nicht zulässt, ver- langt, daſs über das gemeinſchaftliche Eigen— thum der gemeinſame Wille aller entſcheidet, und daſs der Einzelne nur über ſeinen ideellen Antheil verfügen darf. Jeder Theilhaber iſt zur Erhaltung der gemeinſamen Sache befugt und hat einen verhältnismäßigen Anſpruch auf Er- ſatz der zu dieſem Zwecke, ſowie überhaupt aller im Intereſſe der Gemeinſchaft gemachten Verwendungen. Es findet alſo hier bezüglich der Leiſtungen der Theilhaber für das gemein- ſchaftliche Eigenthum und der Antheile derſelben an deſſen Erträgen der privatwirtſchaftliche Grundſatz der ſpeciellen Entgeltlichkeit volle Anwendung, während bei den Gemein— wirtſchaften juriſtiſcher Perſonen infolge der ge— meinſamen Beſchaffung der wirtſchaftlichen Güter und des Verbrauches derſelben für den gemein— ſamen Zweck an die Stelle der ſpeciellen Ent— geltlichkeit die generelle tritt (J. Albert, Lehrbuch der Forſtverwaltung, München 1883). Wenn daher z. B. bei einem gemeinſchaftlichen Privatwalde die Ausgaben von den einzelnen Miteigenthümern nach Verhältnis ihrer ideellen Antheile zu tragen find, erſcheinen dieſelben bei einem Gemeindewalde als Gemeindelaſt. Da die Übereinſtimmung ſämmtlicher Mit— eigenthümer bezüglich der Behandlung des Ge— ſammteigenthumes häufig nur ſchwer zu er— halten iſt, ſo kann jeder Theilhaber die Auf— hebung der Rechtsgemeinſchaft durch Theilung des gemeinſchaftlichen Gutes verlangen und mit der actio communi dividundo vor dem Richter geltend machen. Dieſer Grundſatz des römiſchen Rechts iſt auch in den franzöſiſchen Code civil (Art. 815) und in das deutſche Privatrecht, ind» beſondere das preußiſche allgemeine Landrecht, ſowie ſelbſt in die ſog. Gemeinheitstheilungs— ordnungen (j. Gemeinheitstheilung) über- gegangen. Die Theilung erfolgt durch Vertrag oder richterliches Urtheil und bei Waldungen entweder nach reellen Theilen, oder durch Ver— kauf des Waldes und Theilung des Erlöſes. Gemeinſchaftliche Waldungen im Sinne des condominium ſind in Deutſchland weder aus älterer Zeit vorhanden, noch in unſeren Tagen durch Vertrag (ſ. Bildung eines gemein⸗ ſchaftlichen Waldeigenthums) entſtanden; fie können aber durch Schenkung, Erbrecht, Grenz— verwirrung u. ſ. w. auch jetzt noch vorkommen (communio incidens), und für dieſen Fall gelten in der Hauptache auch die betreffenden Grund— ſätze des römiſchen Rechts. Gemerk. — Gemiſchter Beſtand. 315 Das deutſch- rechtliche Geſammtwald— eigenthum, ſofern es nicht einer juriſtiſchen Perſon zuſteht, oder Folge einer Lebensgemein— ſchaft (z. B. bei Ehegatten, Eltern und Kindern) iſt, erſcheint als ein Eigenthume Mehrerer mit ideellen (Quoten-) Antheilen der Einzelnen, über welches bezüglich der Bewirtſchaftung und Theilung die Mehrheit der Miteigenthümer, bezw. der Theilhaberrechte bei ungleichen An— theilen entſcheidet. Über ſeinen Antheil kann der Einzelne verfügen und nimmt derſelbe, wie beim condominium, nach Verhältnis ſeiner Berech— tigung an den Erträgen und Laſten theil. Es beſteht übrigens bei den noch vorhandenen Reſten der früheren Markgenoſſenſchaſten keine vollſtändige Übereinſtimmung bezüglich der Rechtsverhältniſſe. So unterſcheidet man z. B. die Agrargenoſſenſchaften in Real- und Nutzungs— gemeinden, je nachdem die Antheile an dem Gemeinlande (auch Wald) mit einem Hofbeſitze untrennbar verbunden ſind, oder ſelbſtändige, für ſich veräußerliche Rechte bilden. Ob ein Mehreren gemeinſchaftlich gehöriger Wald als ein Privat- oder Corporationswald zu betrachten iſt, kann nur danach entſchieden werden, ob der betreffenden Geſammtheit mit ausdrücklicher oder ſtillſchweigender Anerkennung nich Staates Corporationsrechte zuſtehen, oder nicht. Durch das preußiſche Geſetz vom 14. März 1881 über gemeinſchaftliche Holzungen wurden alle gemeinſchaftlichen (Genoſſenſchafts-) Wal- dungen, ſofern die Gemeinſchaft nicht durch ein beſonderes privatrechtliches Verhältnis entſtan— den iſt, gleich den Gemeindewaldungen unter ſtaatliche Aufſicht geſtellt. Von dieſem Geſetze wurden 2352 Waldungen von Real- und Nutzungsgemeinden, Markgenoſſenſchaften, Ge— höferſchaften, Erbgenoſſenſchaften u. ſ. w. mit 103.591 ha, hievon unter 50 ha Flächengröße 872 Waldungen mit 2756 ha und 60 mit 31.564 ha von einer Größe über 60 ha, betroffen. Unter ſtaatlicher Aufſicht in weſentlich gleicher Weiſe ſtehen auch die Haubergsgenoſſenſchaften in dem Kreiſe Siegen in Weſtfalen (Haubergs— ordnung vom 17. März 1879), in den Amtern Freusberg und Friedewald im Kreiſe Alten— kirchen (Polizeiverordnung vom 21. November 1836), im ehemaligen Amte Olpe des Kreiſes Olpe (Geſetz vom 6. Januar 1810), in dem ehe— maligen Herzogthum Naſſau (Haubergsordnung für das frühere Fürſtenthum Siegen vom 5. Sep- tember 1805 und Verordnung vom 9. Novem- ber 1816) und in dem Kreiſe Wittgenſtein (Waldeulturgeſetz vom 1. Juni 1854). Da auch in den übrigen Bundesſtaaten aus den früheren Markwaldungen in der Regel Corporations- (ſ. d.) oder auch Gemeindewal— dungen (ſ. d.) wurden, jo iſt die Zahl und Fläche der im Privateigenthume befindlichen, gemeinſchaftlichen Waldungen jetzt wohl nur noch eine verſchwindend kleine. Die Bildung von Actiengeſellſchaften zum Eigenthumserwerbe von Waldungen iſt in Deutſchland unbekannt. Die in ſolcher Weiſe er— worbenen Waldungen würden übrigens ſelbſt nach dem preußiſchen Geſetze vom 14. März 1881 Privatwaldungen bleiben. At. Gemerk, das, ſ. v. w. Schweiß, jelten. „Der Hirſch ſchweißt oder gibt ferten oder ge— merk.“ Nos Meurer Jag- vnd Forſtrecht, 1560, fol 86. — Otto, Pürſchbeſchreibung, fol. 47. — „Sie (die Sauen) ſchweißen, faſchen oder geben Gemerke.“ C. v. Heppe, Aufricht. Lehrprinz, p. 112, 270. „Schweiß, Faiſch, Färt, Gemerk. . . Anſtatt: das Wild ſchweißet: es gibt Färt oder Gemerk.“ Chr. W. v. Heppe, Wohlred. Jäger, p. 330. — Bech—⸗ ſtein, Hb. d. Jagdwiſſenſchaft, I. 1., 102,103. — Sanders, Wb., II., p. 294. E. v. D. Gemiſchter Beſtand (ſ. Beſtandfreie Be— ſtände.) Da wo der Standort durch rauhe Lage oder durch Ungunſt des Bodens ſich auszeichnet, werden ſich immer nur einzelne Holzarten finden, die jene Ungunſt der Verhältniſſe er— tragen, und werden dann mehr oder weniger rein auftreten und auch in dieſer Form gar häufig ein Segen für jene, mehr oder weniger unwirtlichen, oft weite Strecken einnehmenden Gegenden ſein. Wo ſich aber die Standorte für das Erſcheinen der Holzarten günſtiger geſtalten, werden dieſe öfter ſchon von Natur auf gleichen Flächen mannigfaltiger erſcheinen, oder man wird wenigſtens durch die Wirtſchaft einer der— artigen Mannigfaltigkeit Vorſchub leiſten können, wenn hiefür ein Bedürfnis vorliegen ſollte. Man wird dann die vorhandenen gemiſchten Be— ſtände zu erhalten, die reinen nach Bedürfnis in ſolche umzuwandeln ſuchen. Die Nachzucht gemiſchter Beſtände ſtößt, bei den ſehr ver— ſchiedenen Anſprüchen der einzelnen Holzarten an den Standort und ihren oft ſo abweichenden Wuchsverhältniſſen, nicht ſelten auf nicht ge— ringe Schwierigkeiten. Dieſelben ſind leichter zu überwinden, wenn die Miſchung nur eine vor— übergehende ſein ſoll, ſteigern ſich aber, wenn man die Miſchung bis zur Haubarkeit der Holz— arten beizubehalten beabſichtigt. Es mußs ja, um zweckmäßig gemiſchte Beſtände zu erziehen, ſchon bei der natürlichen Begründung derſelben, oft unter Zuhilfenahme umfaſſender künſtlicher Nachhilfen, auf die einzuſprengende Holzart ſorgſam geachtet, dieſelbe aber auch bei den ſpätern Ausläuterungen und Durchforſtungen ſtets dahin überwacht werden, daſs fie wüchſig erhalten, aber auch ausgenützt wird, ſobald ſie ihren Zweck erfüllt, ihre Nutzbarkeit erreicht hat oder zu große Ausdehnung gegen die Haupt— holzart gewinnt. Sind daher aus der Miſchung nicht entſchiedene und ziemlich naheliegende Vor— theile zu erwarten und iſt nicht mit Sicherheit zu überſehen, daſs die Schwierigkeiten ohne unverhältnismäßige Opfer überwunden werden können, ſo iſt es wohl gerathen, nicht einer Theorie zuliebe, der Natur durch die Wirt— ſchaftsführung einen Zwang anzulegen, dagegen aber auch vor einer mühſameren Holzerziehung nicht zurückzuſchrecken, wo gegentheilige Verhält— niſſe ſtattfinden. Die Hauptvortheile, welche von ge— miſchten Beſtänden zu erwarten ſind, liegen, abgeſehen von einer Anzahl ihnen nachge— rühmter, ziemlich weit hergeholter, darin, dass 1. eine zweckmäßige Beſtandsmiſchung un⸗ zweifelhaft eine größere und wertvollere Maſſen— 316 Gemiſchter Beſtand. erzeugung im Gefolge hat, einmal durch die dadurch zu gewinnende vollere Beſtockung, wie ſie bei ſich im Laufe der Zeit natürlich licht— ſtellenden Holzarten, die mit ſchattenertragen— den gemiſcht werden, augenfällig wird, dann durch Wuchsförderung, die ſich beſonders bei Laubholz durch die Dungkraft der beigemengten bodenſchützenden bei den Buchen und durch die Treibkraft des beigemengten Nadelholzes kund— gibt, während wieder die Nadelhölzer durch eingemiſchte Laubhölzer, auch wohl durch Mi— ſchung unter einander an Wuchs gewinnen; 2. daſs die gemiſchten Beſtände einen Schutz gegen Gefahren durch Sturm, Schnee und Duftanhang, Feuer, Inſecten, ſelbſt gegen Wildbeſchädigungen zu gewähren vermögen, wie es bei Nadelhölzern in die Augen ſpringt; 3. dass ſie in den verſchiedenen Holzarten eine größere Mannigfaltigkeit in Bezug auf Nutzholzerzeugung darbieten und da— durch imſtande ſind, ſehr verſchiedene Bedürf— niſſe der auf ſie hingewieſenen Bevölkerung zu befriedigen, was beſonders dei Eicheneinſpren— gungen in die übrigen Laubhölzer ſowie in Nadelhölzer deutlich wird, doch auch bei Bau— holz liefernden Nadelhölzern, welche Laub— hölzer, namentlich Buchen durchſtellen, erprobt werden kann. Was die Erziehung der gemiſchten Beſtände anbetrifft, ſo wird über ſie ſchon in den Artikeln, welche die Erziehnng der einzelnen Holzarten behandeln, hingewieſen; hier wollen wir im allgemeinen in dieſer Beziehung nur Folgendes, unter beſonderem Hinblick auf die Hochwaldwirtſchaft, als hiebei beſonders in Be— tracht kommend, anführen: 1. Schattenertragende dunkelkro— nige Hölzer ſind am leichteſten unter ein— ander zu miſchen, ihre Miſchung iſt auch da zu empfehlen, wo es ſich um Erziehung man— nigfaltiger Nutzhölzer handelt, ſeltener, wo man den Schutz der einen Holzart durch die andere erreichen will. Beiſpiele ſolcher Miſchungen bieten die von Fichte und Tanne, von Buche mit Tanne oder mit Fichte, auch wohl von Roth- und Weißbuche, 2. Dieſe dunkelkronigen Hölzer mit lichtkronigen zu miſchen, kann unter Um- ſtänden vortheilhaft ſein, hat aber meiſt ſo zu geſchehen, dass letztere mehr einzelſtändig unter jenen erſcheinen, um nicht die erſteren in ihrer Entwicklung weſentlich zurückzuhalten oder eine Forſtwirtſchaft herbeizuführen, bei welcher wohl Beſtände in Beſtänden, aber keine Miſchbeſtände entſtehen. So laſſen ſich Kiefern, Lärchen, Eiche, Birken in derartige Orte einſprengen, mehr oder weniger lange nach Maßgabe ihrer Dauer in dieſen erhalten und aus ihnen wertvolle Nutzhölzer entnehmen. 3. Sollen Beſtände lichtkroniger Hölzer mit dunkelkronigen, ſchattenertragenden gemiſcht werden, ſo geſchieht dies in der Regel aus bodenpfleglichen Rückſichten. Hier kommt es darauf an, den letzteren ſo viel Licht zu ge— währen, dafs fie ſich erhalten, den Boden decken, auch wohl im Laufe der Zeit entſtehende Be— ſtandslücken durch Zwiſchenwachſen füllen können. Derartige Miſchungen kommen wohl zu gunſten | der Eiche mit Roth- und Weißbuchen, mit Tannen, ſeltener mit Fichten, auch zu gunſten der Kiefer mit der Fichte, ſeltener mit der Buche, Hainbuche und Tanne vor, ſoweit Boden— verhältniſſe eine derartige Miſchung geſtatten ſollten, was in der That ſeltener iſt als im allgemeinen angenommen wird. 4. Lichtkronige Hölzer mit eben⸗ ſolchen anderer Arten zu miſchen, kann für Erhaltung der Bodenkraft und Beſtandesfülle meiſt keinen oder doch nur einen vorübergehenden Wert haben, ſehr wohl aber den Zweck ver— folgen, die Nutzbarkeit der Beſtände zu erhöhen, was nicht ſelten ſchon bei vorübergehenden Mi- ſchungen der Fall ſein kann. Hier iſt wieder be— ſonders darauf zu achten, daſs die eingemiſchten kurzlebigen Hölzer nicht horſtweiſe, ſondern nur einzeln, wenn auch in ſtärkerer Beimengung auftreten. So können ſie nach Erlangung ihrer Nutzbarkeit ausgezogen werden, ohne den Be— ſtand lückenhaft zu machen, ein Verfahren, wie es z. B. bei der Einmiſchung der Birke in ver- ſchiedene ausdauernde Holzarten, namentlich auch in Kiefern vorkommt. Einige neuere wirtſchaftspolitiſche Forſt⸗ ſchriftſteller haben wohl die Anſicht ausge- ſprochen, daſs unſere gegenwärtige Forſtwirt— ſchaft in ihrer ganzen Weſenheit deshalb um— geſtaltet werden müſſe, weil der Wald nicht mehr, oder wenigſtens bei weitem nicht mehr in dem Umfange wie früher der Brennholz— erzeugung diene, ſondern Nutzholz zu liefern habe, u zw. auch dieſes ſowie ſeine übrigen Erzeugniſſe der Hauptnutzung nicht mehr wie ſonſt in langen Zeiträumen, ſondern bei weſentlich zu beſchleunigendem Wachsthums⸗ gange binnen kürzeren Friſten. Als eines der Mittel, jene angeblich nothwendige Umge— ſtaltung unſerer Wirtſchaft zur Erreichung des angegebenen Zweckes zu vollziehen, wird dann wohl vorgeſchlagen, den Wald in größter Aus— dehnung als „Miſchwald“, d. h. als einen ſolchen mit gemiſchtem Holzbeſtande zu erziehen. In ihm ſollen nach jener Anſicht bei kräftigem Wachsthumsgange Holzarten vom mannig— fachſten Gebrauchswerte erzogen und in dieſen der kommenden Zeit das an Holzmaterial an— geboten werden, was ſie an ſolchem etwa ge— brauchen möchte. Um aber Miſchwald in ge— wünſchter Ausdehnung zu erziehen, wird ſchließ— lich als ein beſonderes paſſendes Verfahren die „Horſt- und Gruppenwirtſchaft“ (K. Geyer, „Der gemiſchte Wald“, Berlin 1886), auch wohl die Wirtſchaft auf „kleinſter Fläche“ (Ney, „Die Lehre vom Waldbau“, Berlin 1885, deſſen Aufſatz: „Die Schablonenwirtſchaft im Walde“ im 2. Heft des Wiener Centralblattes 1886) in Vorſchlag gebracht. Wir bemerken hiezu, daſs, nachdem wohl allgemein anerkannt iſt, daſs das forſtliche Ge- werbe nicht denſelben Geſetzen unterliegt, welche für die übrigen ſtofferzeugenden Gewerbe gelten, bei Feſthalten an dieſer Annahme, die Sache mit unſerer gegenwärtigen Forſtwirtſchaft doch im großen Ganzen nicht jo liegt, daſs ihre Um- geſtaltung von Grund aus in der That geboten erſchiene. Die Walderträge unſerer Wirtſchaft decken zur Zeit das Bedürfnis an ſolchen und e Gemischtes uud Verkleidungsmauerwerk. — Gemſe. 317 ſind im allgemeinen verhältnismäßig als gute zu bezeichnen, dann iſt aber ſchon bei ihr der Wert einer Miſchung der Beſtände mit vorausſichtlich dauernd nutzbaren Hölzern an— erkannt und nach Möglichkeit angeſtrebt (vgl. z. B. die bezw. in den preußiſchen Staatsforſten befolgten Vorſchriften in V. Hagens „Die forſt— lichen Verhältniſſe Preußens“, Berlin 1867 und 1883, bezw. auf p. 124 und 149). Eine weitere Ausdehnung der Beſtandesmiſchung erzwingen zu wollen, iſt in der Regel ungerechtfertigt, und erſcheinen mehr oder weniger reine Beſtände in großer Ausdehnung oft genug durch die Ver— hältniſſe geboten, überdies die in Vorſchlag gebrachte Wirtſchaftsmaßregel zur Erlangung von Miſchbeſtänden vielfach weder aus phy— ſiſchen noch adminiſtrativen Gründen empfehlens— wert. Schließlich iſt aber auch wohl kaum zu verkennen, daſs die ganze Idee der Zukunft, durch Anerbieten einer großen Auswahl von Holzarten im Miſchwalde ein zur Zeit unbe— kanntes, in jener Zeit etwa vorliegendes Be— dürfnis befriedigen zu wollen, eine an ſich un— haltbare iſt. Es unterliegt daher keinem Bedenken, die Forſtwirtſchaft in ſeither erprobter Weiſe fort— zuführen, wozu, wie erwähnt, ſelbſtredend die Erziehung angemeſſen gemiſchter Be— ſtände überall da gehört, wo es die Verhältniſſe geſtatten oder gar gebieten, ohne jedoch von ihrer, als zwingendes Princip hingeſtellten, weſentlich erweiterten Einführung das Wohl und Wehe der ganzen neueren Forſtwirtſchaft ab— hängig machen zu wollen. Gt. Gemiſchtes und Verkleidungsmauer- werk. Ein eigentliches Miſchen oder das ab— wechſelnde Verwenden mehrerer Arten von Baumaterialien bei der Herſtellung einer Maue— rung findet nur ſelten ſtatt und noch am häu— figſten bei Grundmauerungen, die man mit— unter aus / und ¾ Bruchſteinen herſtellt, angewendet. Dagegen werden häufiger Mauern aus einem anderen Materiale an ihrer Außen— ſeite mit beſſerem Materiale verkleidet. Gewöhn— lich wird Bruchſtein- oder Ziegelmauerwerk mit Quadern oder Bruchſteinmauerwerk verkleidet. Wird ein Ziegelmauerwerk nur in den Ecken mit Quadern verkleidet, ſo bezeichnet man das als eine Armierung. Bei der Herſtellung der Verkleidungsmauern wird zuerſt eine Schichte Quadern aufgeſtellt und dann mit Bruchſteinen oder Ziegeln hintermauert, wobei im letzteren Falle die Quaderhöhe ein Vielfaches der Ziegel— höhe ſein muſs. Die Hintermauerung iſt ſorg— fältig herzuſtellen, weil ſonſt infolge des un⸗ gleichen Setzens eine Abtrennung der Verklei— dung zu befürchten ſteht. Das Verkleiden einer Bruchſteinmauer mit Ziegekn wird nur aus Sparſamkeitsrückſichten angewendet und tritt dann vorwiegend als Verkleidung der inneren Wohnräume in Frage. Wird eine Verkleidung einer Bruchſteinmauer mit Ziegeln geplant, ſo muſs man von Meter zu Meter Mauerhöhe mehrere Scharen von Ziegeln (Ketten) durch die ganze Mauerdicke hindurchführen. Häufiger ſteht im Gebrauche die Sockelver— kleidung bei Wohngebäuden, bezw. eine Ver— kleidung der über dem Erdboden emporgeführten Grundmauer zum Schutze gegen Näſſe, u. zw. in einer Höhe von 0˙6—1˙0 mit 8—10 cm dicken Steinplatten (Sockelplatten). Die letz— teren erhalten nur an der Außenſeite eine Be— arbeitung, während die der Mauer zugekehrte Seite rauh belaſſen wird, und werden mittelſt Klammern, die in die Mauer reichen, mit dieſer verbunden. In den Ecken mufs ftatt der Platten jedoch ein ganzer Quader (Sockelſtück) ange— bracht werden. Mauern für Waſſerreſervoirs werden mit 15 em dicken Platten verkleidet, die unter einander mittelſt eines Falzes verbunden und noch überdies verkittet werden. Fr. Gemſe, Antilope rupicapra, Capella rupi- capra, Capra rupicapra. Frz.: chamois, cha- mois mäle; ital.: il camoscio; ſpan.: Isard; faufaf.: Utschi. Gams, Gambs, Felsziege, Gratthier, Krikelwild. „Koa' luſtigers Leben meinoad Als Jaagern in' Berg umanand, Is der Weg nacha ſchmal oder broat, Geht a Grab'n her oder a Wand, Dees is mir aa Ding, Und bal's no' grad Gamſein gnua geit Acht i Alles, Alles gar g'ring!“ So ſang vor Jahren mein unvergeſslicher, nun ſchon in die jenſeitigen Jagdgründe hin— übergewechſelter Freund Franz v. Kobell, der leidenſchaftliche Verehrer der erhabenen Alpen, der bis an ſein Ende unverbrüchlich treue An— hänger der Göttin Diana, welcher er ſo man— ches Opfer in den duftigen Matten, dem rau— ſchenden Walde und auf den grauen Zinnen der Hochalpen gebracht. Vor allem aber war es die Gemſe, die er mit glühender Leidenſchaft jagte, und die er in ſeinen reizendſten Liedern beſang. Und das mit Recht. Ein herrliches Vergnügen iſt es, im ſchlum— merſtillen Frühlingswalde den balzenden Auer— hahn, im Hochberge den rodelnden Birkhahn zu berücken, den liebeglühenden Rehbock mit dem Blatte vor's Rohr zu locken, im flüſternden Bergwalde den hochbeweihten Hirſch zu fällen, über alles aber geht die auſtrengende, an auf- regenden Scenen ſo unendlich reiche, die ganze phyſiſche und geiſtige Manneskraft herausfor⸗ dernde Jagd der königlichen Gemſe. Sie ver- bindet all' die unnennbaren Hochgenüſſe, die der Jäger wie der Naturfreund dem hehren Alpengebäude abzutrotzen vermag. a Grünende Hochwieſen ſchlingen ſich wie ein mit leuchtenden Blumen und glitzernden Thau— perlen durchwirktes Band um der aufſtrebenden Alpen Rieſenleib, deſſen Fuß des Thales Flüſſe kühlen, deſſen Haupt des ewigen Eiſes kalter Firn bedeckt. Graugeſtein, tauſendfach durch⸗ furcht, zerriſſen, baut ſich zu himmelhohen Wänden auf, hier ſich mit Thürmchen, Zacken, Hörnern, Zinnen krönend, dort in wilden, rillen- artig gefurchten Kämmen von ſchwindelnder Höhe zur Tiefe ſich windend, bis des Wild⸗ bachs ungezähmte Kraft mit wildem Brauſen, donnerartigem Toſen an ſeinen Fundamenten nagt. Hoch droben, majeſtätiſch thronend winken der Gletſcher gewaltige Stirnen, hoch ſich röthend in der Sonne Flammenkuſſe, einem Welten— brande gleich in den azurnen Ather lohend, bald in dunkelm Blau ſich färbend, bald in reinſtem Weiße ſtrahlend. Tief hinab die jähen 318 Hänge flattert im wilden Faltenwurfe um den Koloſs der Rieſenmantel, gewoben aus Mil- liarden zarter Eiskryſtalle, umſäumt von den milchweiß hervorſprudelnden Schmelzwaſſern, die zu hüpfenden Bächlein ſich einen, in jugend— lichem Ungeſtüme zwiſchen den Steintrümmern dahinſtürmen oder über hohe Felſen ſtürzen, im weiten Falle die Tröpflein zu Atomen zer— ſtäuben und in dem lichten Sonnenglanze zauberhafte Farbenbogen an die rauhe Fall— wand malen. Weit hinaus ſchweift das Auge bis dahin, wo die weiten Thäler ziehen, Dörflein in der Wieſen Grün ſich ſchmiegen und der See die Lichtreflexe Feuergarben gleich verſprüht. Fernab liegt es das bunte Treiben, mit dem die Menſchheit gegenſeitig ſich um! des Goldes Klang dämonenartig jagt; kein Laut davon ent— weiht den hohen Göttertempel. Höchſtens, dass die Windsbraut ihre ewigen Regiſter zieht, weniger durch Tonfülle und Abwechslung, als vielmehr durch das Titanenhafte, Erdrückende dem Menſchen imponiert, ſogar die Alpenthiere einſchüchtert, wenn ſie furienartig um die Spitzen und durch der Berge Schluchten heult. Sonſt ertönt noch ſchneidend des Adlers ſchriller Pfiff, der Alpendohlen blinder Lärm, wohl auch des Raben heiſerer Schrei. Losgelöste Steine ſauſen ſeltſam klingend tiefern Lagern zu, daſelbſt den Alpenhaſen aus ſeinem Lager ſcheuchend. Droben, wo kaum mehr ab und zu ein grünes Hälmlein ſprießt, eine Legföhre verzweifelt in der Felſen— ritze klammert, des Felſens Schärfe überall zu Tage tritt, dort ſteht kühn, ſtolz und frei die königliche Gemſe, einer dunklen Silhouette gleich ſich zeigend oder ſcharf markiert von dem Ge— ſtein ſich hebend. Hier iſt ihre Heimat, ihr Ge— biet, ſeitdem ſie des Menſchen ſchnöde Habſucht aus dem ſchlummerhaft, träumeriſch liſpelnden Bergwalde vertrieben. Hier trotzt ſie Sturm und Ungewittern, achtet nicht der Winde tolles Ra— ſen, nicht die dunkeln, feuchten Wolkenwälle, die Aolus zerſtäubt und in zerfransten Fetzen um die Zinnen jagt. Unſagbar reizend ſteht das Gemſenrudel mitten in dieſem Bilde voll rauher, unſanft waltender Naturkraft, für den Natur- freund wie für den Jäger ein Stück verkör— perter Poeſie, die unſere ewig ſchönen Alpen mit einem eigenartig feſſelnden, magiſchen Nim— bus umzieht. Wer die Gemſe aufſucht in dieſem ihrem tauſendfach wechſelnden Gebiete, der genießt in vollen Zügen des Himmels reine Luft, ſchwelgt im Anblicke von Schönheiten, die des Künſtlers Pinſel, und wäre er noch ſo gewandt, nie und nimmer an unſere langweiligen Zimmerwände zu zaubern vermag. Spricht dann noch die Büchſe, zeichnet ein capitaler Bock in hoher Bogenflucht, prangt vom dunkeln Schweiß ge— röthet ein ſpärlich Reislein als grüner Bruch am Hute, dann eint ungetrübter Naturgenujs ſich mit des Weidmanns höchſter Luſt, und der Jauchzer, der aus tiefſter Bruſt entſteigt, ſich an den hohen Wänden im mannigfachen Echo bricht, iſt des Weidmanns Dankgebet für den Ewigen, der ſo hoch da droben unſere Alpen aufgebaut. Ob vom Standpunkte des g Naturfreundes, des Forſchers oder des Jägers die Gemſe be— Gemſe. trachtet wird, immer wird ſie in hohem Grade das Intereſſe zu feſſeln vermögen; ihr Anblick wird nie ermüden, wird uns nie gleichgiltig laſſen, wie und wo ſie ſich uns auch zeigen mag. Sie liebt es gar verſchiedenartig aufzu⸗ treten, uns ihr Bild mit mannigfaltigen Ab⸗ weichungen zu präſentieren. Wenn die Gemſe im Vollgefühle der Sicherheit ſich wiegt, ſich ganz zwanglos gehen läſst, oder wenn ſie, eine Gefahr ahnend, den Kopf hoch aufwirft, den Windfang nach allen Richtungen dreht, wenn ſie endlich, von einer Gefahr vergewiſſert, im ſauſenden Galoppe die wilden Felſen hinan— ſtürmt, ſo bietet ſie ſo grundverſchiedene Bilder, daſs man in ihr kaum ein und dasſelbe Wild vermuthen möchte. Die Gemſe repräſentiert in unſeren Breiten die einzige Sippe der Antilopen. An Größe kommt ſie nahezu der Bergziege gleich, wird 70—80 em hoch, iſt jedoch am Kreuze überſtellt und um 4 —6 em höher als am Widerriſt. Die Durchſchnittslänge ſchwankt zwiſchen 93 und 110 em. Stücke mit einer Länge von 120 cm kommen wohl vor, ſind jedoch ziemlich ſelten und finden ſich nur in Lagen, in denen die Aſungsverhältniſſe ausnehmend günſtige ſind. Der ſtärkſte Bock, den ich je zu Geſicht bekam, hatte bei einer Höhe von 86 em eine Länge von 134 em. Als Durchſchnittsgewicht für den Gems— bock kann man 30—35 kg annehmen. Stücke mit 40 kg find ſchon Capitalböcke erſten Ranges. Mein ſtärkſter Bock aus dem Bregenzerwalde wog 46˙8 kg, wurde aber auch von den Jägern für mindeſtens zwanzigjährig gehalten. Die Gemsgais bleibt im Gewichte 8— 10 % hinter dem Bocke zurück; nur vereinzelte Geltgaiſen weiſen ein nahezu gleiches Gewicht auf. Kitze werden kaum ſchwerer als 8— 10 kg. Ob ein oder zwei Kitze bei einer Gais ſtehen, gibt ſelbſtverſtändlich in Bezug auf das Gewicht einen bedeutenden Ausſchlag. Im Kleide der Gemſe herrſcht im allge— meinen die braune Farbe mit lichteren oder dunkleren Abſtufungen vor. Die Behaarung iſt dicht, grob und derb, erreicht eine Länge von höchſtens 3 em; nur einzelne Körperſtellen weiſen etwas längere Nadeln auf. Das Haar iſt an der Wurzel dunkelgrau, gegen die Spitze zu mehr braun oder roſtfarben. Im Frühlinge iſt die Gemſe gewöhnlich braungelb, wird aber gegen den Sommer hin völlig rehfarbig, an der Unterſeite hell rothgelb. Längs des Rückens zieht ſich ein ſchön ſchwarzer Streif, der Aal⸗ ſtreif, der ſich am Oberhalſe allmählich etwas abtönt, ſich verbreitert und dann über die Loſer hin, über die Lichter abwärts bis zum Wind- fang als dunkler, von der übrigen fahlen Kopf⸗ färbung ſich ſcharf abhebender Längsſtreifen verläuft. Naſenrücken, Unterkiefer und Kehle ſind fahlgelb: gegen die Bruſt hin und an der Außenſeite der Keulen wird die Färbung wieder dunkler, an den Innenſeiten und am Unter⸗ bauche heller. Auf der Hinterſeite verläuft eine weißgelbe Schattierung. Die oben ſchwarze, unten fahlbraune Blume iſt etwa 8 em lang. Hellere, faſt roſtgelbe Flecken ſtehen noch über den Winkeln der Lichter, am Windfang und der Oberlippe. * Gemſe. 319 Das Winterkleid iſt von dem eben ge— ſchilderten bedeutend verſchieden. In ſeinem Totaleindrucke präſentiert es ſich dunkelbraun, glänzend braunſchwarz oder auch kohlſchwarz— Die Unterſeite iſt heller, faſt ſchmutzig weiß. Die Längsbinden vom Windfang über die Lichter ſind nahezu fett ſchwarzbraun. Die Ver— färbung geht bei der Gemſe nur langſam von ſtatten. Das ausgeſprochenſte Sommer- wie Winterkleid trägt ſie nur kurze Zeit. Schon in wenig Wochen nimmt es je nach der Jahres— zeit den helleren oder dunkleren Ton an. Junge Gemſen ſind in der Regel lichter als die alten gefärbt. Das Winterhaar iſt nahezu dreimal jo lang als die Sommerhaare. Die größte Länge erreicht der Streifen längs des Rückgrates, bildet eine förmliche Mähne von 20—24 cm Länge, den bekannten, allbeliebten „Gamsbart“. Derſelbe iſt dunkel glänzend, an den Spitzen licht „angereimelt“ oder „bereift“. Je länger der Gemsbart, je lichter und breiter der „Reif“ iſt, umſo höher wird er als Hutſchmuück geſchätzt. Recht ſchöne Bärte werden mit 10— 20 fl. und noch höher bezahlt. Reibt man einen Gemsbart zwiſchen den Fingern oder zwiſchen einem Tuche, ſo wird er elektriſch, was das raſche Auseinanderfahren der Haare beweist. Von der Wurzel gegen die Spitze zu geſtrichen, zeigt ſich poſitive, von der Spitze gegen die Wurzel negative Elektricität— Dieſe merkwürdige Eigenſchaft behält er, wenn er in einem Buche aufbewahrt wird, jahrelang, verliert ſie aber bald, wenn er am Hute den klimatiſchen und telluriſchen Einflüſſen ausge— ſetzt iſt. Als Farbenvarietäten findet man beim Gemswilde weißgelbe, gefleckte oder auch ganz weiße Exemplare. Von dieſen unterſcheidet man die ſog. Albinos ſehr leicht, weil bei dieſen die ſonſt dunkeln, ausdrucksvoll glänzenden Lichter mehr oder weniger tief intenſiv roth glänzen. Solche Varietäten ſind ſelten. Ob eine Ver— erbung der abnormalen Färbung ſtattfindet, iſt noch eine offene Frage. Die Seltenheit des Auf— tretens ſcheint nicht dafür zu ſprechen, ebenjo wenig der Umſtand, daſs noch vor wenig Jahren in den Tauern eine vollkommen weiße Gems— gais beobachtet wurde, die zwei ganz normal gefärbte Kitzchen führte. In den letzten zwei Jahren wurden in den Banngebieten der Schweiz öfters weiße Gemſen geſehen, und hat der eidgenöſſiſche Bundesrath ſtrenge Strafe auf deren Fällung gelegt. Eine intereſſante Farbenvarietät zeigte ein Gemsbock, der 1883 im „Ebbſer Kaiſer“ in Tirol erlegt wurde. Derſelbe hatte rein weiße Hinterläufe und eben ſolche Schalen, während er ſonſt normal gefärbt war. Weiße Gemſen wurden erlegt in Tegernſee 1846, in Hohenſchwangau 1857 und in Saal- felden 1878. Ein weißer Gemsbock wurde 1884 in dem Graf Lamberg'ſchen Reviere Seekar— Sinhub beobachtet, iſt aber plötzlich aufs Nim— merwiederſehen verſchwunden. In der Graf Arco'ſchen hoch intereſſanten Sammlung befindet ſich ein weißer Gemsbock, deſſen Krikeln auf der Rückſeite völlig gelblich- weiß, auf der Vorderſeite normal gefärbt ſind. In der Umgegend von Chur wurde im Jahre 1884 ebenfalls eine weiße Gemſe erlegt. Ein auffallend licht gefärbtes Stück wurde auch in den Revieren Sr. kaiſ. Hoheit des Kronprinzen Erzherzog Rudolf erbeutet im Jahre 1885. Eine der weißen entgegengeſetzte Abart iſt die ſchwarze, die jog. Kohlgemſe. Dieſelbe iſt dunkelſchwarzgrau oder auch ganz ſchwarz bis auf einen einzigen lichten Streif, der von den Krikeln bis zum Windfang zieht. Dieſe Ab— art iſt bis jetzt vorwiegend in den Gaſteiner Revieren und in der Gegend des Groß-Arl beobachtet worden. Der Kopf der Gemſe zeigt einen ganz eigenartigen Bau. Er iſt kurz, mit ſteil her— vortretender Stirn, gegen den Windfang zu ſich raſch verſchmälernd. Der Zwiſchenraum zwiſchen den Flügeln des Windfanges iſt ſehr klein und läſst die gefurchte Oberlippe ftarl hervortreten. Der Stirnknochen iſt an ſeiner ſteilen Stelle auffallend ſchwach. In den Lich— tern iſt die Kryſtalllinſe auf der inneren Seite in drei Kammern getheilt, welche radial gegen die Peripherie verlaufen und ſich bei dem grellen Reflexe der ſonnenbeſchienenen Schnee— felder etwas zu verengen vermögen und ſo wahrſcheinlich dazu beitragen, die grellen Licht— reflexe zu mildern. Die Schneeblindheit ver— mögen ſie indes nicht immer zu verhindern. Die mit dem Kopfe zunächſt in Verbindung ſtehenden Halswirbel geſtatten eine ſolche Dre— hung, daſs die Gemſe ohne ſonderliche An— ſtrengung direct über den Rückgrat zurückäugen kann. Überhaupt ſind alle Wirbel des mäßig ſtark entwickelten Halſes jo beſchaffen, daſs ſie nicht nur eine leichte, raſche Kopfdrehung er— möglichen, ſondern auch beim Sichern eine ganz bedeutende Verlängerung zulaſſen. Die Kiefern der Gemſe tragen verhältnis— mäßig ſtark entwickelte Zähne. Die: ſehr ſcharfen Schneidezähne verbreitern ſich aus einer ſchmalen Baſis und biegen ſich von der Kiefermitte rechts und links aus. Das vierte Zahnpaar iſt ſehr ſchwach entwickelt und namentlich bei jüngeren Stücken nahezu hinter dem dritten Paare ver— ſteckt. Die Mahlzähne des Oberkiefers erſchei— nen ſtärker als jene des Unterkiefers und tragen tiefe, ſchräg verlaufende Einkerbungen, welche mit den entgegengeſetzten Erhöhungen correſpondieren. Bei älteren Gemſen verflachen ſich ſowohl die Einkerbungen als die ſpitzen Höcker. Der ganze Zahnbau iſt vorzüglich ge— eignet, ſelbſt die lederhaften Flechten und ver— dorrten, zähen Gräſer gründlich zu zerkleinern; die löffelartige Auslage der Schneidezähne hin— gegen befähigt dieſelben, auch die kürzeſten Gräschen flach vom Erdboden wegzuäſen. Der Zahnwechſel tritt mit dem zweiten Jahre ein und iſt in der Regel mit dem fünften Jahre als beendet zu betrachten. Im höheren Alter nehmen die Zähne eine tief goldgelbe, glänzende, an einzelnen Punkten ins Bräunliche ſchlagende Farbe an. Um nach dem Gebiſſe eine Gemſe wenig— ſtens annäherungsweiſe auf ihr Alter anſpre— chen zu können, hat in neuerer Zeit Herr Pro— feſſor Dr. H. Nitſche eingehende Unterſuchungen 320 angeſtellt und das Reſultat derſelben in der „Deutſchen Jägerzeitung“, IX. Band, Nr. 37 niedergelegt. Herr Dr. Nitſche ſagt daſelbſt: „Zur Zeit der Herbſtjagden gibt es als jüngſte Stufe die „Kitze“, d. h. die im ſelben Jahre, gewöhnlich im Mai, geſetzten Jungen. Dieſe Altersſtufe findet man natürlich nicht auf der Strecke, da ſie auf das ſorgfältigſte geſchont werden, dagegen wurden auf beſonderen Befehl des Grafen Wilezek zwei Stück für meine be— ſonderen Zwecke auf der Birſch abgeſchoſſen, und es kommen noch die Köpfe von drei eingegan— genen Stücken hinzu. Alle zeigen genau die— ſelbe Zahnbildung, es ſind im Unterkiefer jeder— ſeits vier Milchſchneidezähne und im Ober- wie im Unterkiefer je 3 Milchbackzähne und ein Dauerbackzahn vorhanden. Der dritte Milchback— zahn im Unterkiefer iſt wie bei den Hirſchen und überhaupt allen Wiederkäuern dreitheilig mit drei Wurzeln. Der Dauerbackzahn IV iſt noch ſehr wenig abgenutzt. Bricht man die Kiefer auf, ſo erkennt man, daſs ſämmtliche Milchbackzähne ihre völlig in— tacten Wurzeln haben und unter ihnen noch keine Spur von den Keimen der Erſatzzähne wahrnehmbar iſt. Dagegen iſt im Kiefer, alſo äußerlich auch am macerierten Schädel völlig unſichtbar, der Dauerbackzahn angelegt Das Gebiſs beſteht alſo im ganzen aus 20 fer— tigen Zähnen, 16 Milchzähnen und 4 Dauer- backzähnen. Die zweite Altersclaſſe kommt nun ſchon mitunter zur Strecke. Dieſelbe iſt im Gebiſs ſcharf charakteriſiert dadurch, daſs bereits das mittelſte Paar Milchſchneidezähne den Erſatz— ſchneidezähnen hat weichen müſſen. Im Ober— und Unterkiefer ſind noch die drei Milchback— zähne vorhanden, zeigen aber eine bedeutende Abnutzung, und es iſt der zweite Dauerback— zahn bereits oben wie unter durchgebrochen. Das ſichtbare Gebiſs beſteht alſo aus 24 Zähnen, 2 Erſatzſchneidezähnen, 6 Milchſchneidezähnen, 12 Milchbackzähnen und 8 Dauerbackzähnen. Offnet man die Kiefer, ſo ſind außerdem vorhanden die Keime der Erſatzſchneidezähne II, ſowie der ſämmtlichen Erſatzbackzähne und des Dauerbackzahns VI, aber in jo rudimentärem Zuſtande, daſs noch ein langer Zeitraum ver- gehen mujs, bis dieſe durchbrechen können. Von dieſem Stadium liegen mir 5 Schädel vor, die alle völlig den gleichen Typus tragen. Die dritte Altersclaſſe, die ſchon häufig zur Strecke kommt, hat die Zähne, welche in der vorigen Altersclaſſe nur im Innern des Kiefers angelegt waren, gut ausgebildet. Es ſind alſo die Erſatzſchneidezähne 1 und II vorhanden, während die Milchſchneidezähne 3 und 4 noch beſtehen. Von den Backzähnen haben die drei Milchbackzähne in jeder Kieferhälfte meiſt ſchon den Erſatzbackzähnen I, II, III weichen müſſen, und der letzte Dauerbackzahn VI ijt durchge— brochen. Die Erſatzſchneidezähne II und die Backzähne I, III und VI ſind aber noch gar nicht abgeputzt. Es beweist dieſer Umſtand, dass der Wechſel der Milchzähne gegen die in dieſem Stadium auftretenden Erſatzzähne im November ſoeben erſt erfolgt iſt, und da nun beim Gems— Gemſe. wilde ebenſo wie bei den Hirſcharten und übrigen Jagdthieren die Setzzeit in verein— zelten Fällen um einige Monate ſchwanken kann. ſo erklärt dieſer Umſtand auch die Thatſache, daſs bei einzelnen Stücken noch einer oder der andere der Milchbackzähne in dieſem Stadium geblieben iſt. Aber auch in dieſem Falle ge— ſtattet das Vorhandenſein des Dauerback— zahns VI in Verbindung damit, daſs nur noch die Milchſchneidezähne 3 und 4 vorhanden ſind, das Stück als der dritten Alterseclaſſe zuge— hörig anzuſprechen. In ihr erreicht alſo das Gemswild die volle Zahl der Zähne, aber die beiden äußeren Paare Schneidezähne ſind noch Milchzähne, und das Gebiſs iſt alſo noch nicht vollſtändig fertig. Von dieſem Entwicklungs— zuſtand beſitzt unſere Sammlung vier Schädel. Auch in der vierten Altersclaſſe, von der ich nur ein im Winter eingegangenes Stück beſitze, iſt das Gebiſs noch nicht vollendet, da das äußerſte Schneidezahnpaar noch nicht ge— wechſelt iſt. Der Dauerbackzahn VI, der im vorigen Stadium eben erſt durchgebrochen war, | ſowie die Erſatzbackzähne I, II und III, die alſo ſchon ein Jahr im Gebrauche waren, ſind aber ſchon einigermaßen abgenutzt. | Bei allen älteren Stücken, zunächſt alfo in der fünften Altersclaſſe, ſind alle Milchzähne gewechſelt und die Backzähne bereits ſtark ab— genutzt. Die Erkennung, daſs ein Stück der fünften Altersclaſſe angehört, iſt nun am Gebiſs nur noch dann möglich, wenn man die Ab— nutzung des äußerſten Schneidezahnpaares IV | betrachtet; iſt dieſer ſchon ſtark abgejchliffen, jo iſt das Stück älter als fünfjährig, während das fünfjährige an dieſem Zahnpaare noch faſt gar keine Abnutzung zeigt.“ Zur beſſeren Überſicht ſtellt Herr Dr. Nitſche über das Gebiſs der Gemſe noch das weiter unten folgende Schema zuſammen. Die Krikeln ſtehen nahezu ſenkrecht auf dem ſteil anſteigenden Stirnknochen, ſind ſchwarz, von der Baſis bis gegen die Mitte zu mit wulſtigen Ringwucherungen bedeckt, welche der Spitze zu den ſenkrecht verlaufenden Riefen Platz machen. Die Krümmung verläuft hafen- förmig nach rückwärts, kehrt die Spitzen ent— weder parallel gegen die Baſis oder mehr nach auswärts, nur in ſeltenen Fällen ſtark nach einwärts. Das hohle Krikel umfaſst ſcheide— förmig den verhältnismäßig langen Stirnzapfen bis auf die ossa frontis herab. Beide Ge— ſchlechter tragen Krikeln und werfen dieſelben nicht ab, bauen ſich auch unter ganz anderen Modalitäten auf, als dies z. B. bei den Cer— vinen der Fall iſt. Kaum iſt das Gemskitz drei Monate alt | geworden, machen ſich auf dem Stirnknochen zwei Höcker bemerkbar, die raſch anwachſen und in kurzer Zeit das feine Krikelpaar durch die Decke hindurch vorſchieben. Im erſten Jahre wachſen dieſe Spießchen 5—6 em hoch, mit einer ſchwachen Neigung nach rückwärts, aber ohne die hafenförmige Krümmung. Je mehr ſich der Stirnzapfen verlängert, umſo mehr reihen ſich an der Baſis wulſtige Zuwachsringe an. Gleich⸗ zeitig legen ſich die Krikeln mehr aus, formieren f die Krümmung, die ſich im zweiten Jahre als 3 Gemſe. 321 ſtumpfer Haken zeigt und erſt im dritten | Höhe, die mehr oder weniger ſtarke Auslage vollends ausbildet. In dieſem Jahre iſt die | der Krikeln ſowie der Abſtand der Spitzen find charakteriſtiſche Figur des Krikels fertig. Die nicht allgemeine Typen, ſondern nur Local— folgenden Veränderungen beſchränken ſich auf formen. Im allgemeinen kann man annehmen, eine Zunahme in Höhe und Umfang und auf dafs die Krikeln umſo höher und ſtärker find, jene Erweiterung der Bugauslage, die ſchon je günſtiger die Exiſtenzbedingungen ſich dar— vorher durch die Direction der Stirnzapfen be- | jtellen, unter denen der Träger erwächst. In dingt iſt. Die Krikeln wachſen wahrſcheinlich ausgedehnten Kalkformationen, in denen reich— bis ins hohe Alter langſam fort, ſetzen kaum liche Aſung mit zahlreichen Stellen vorhanden wahrnehmbare Zuwachsringe an, jedoch nicht iſt, deren Salzausſchwitzungen den Gemſen jo regelmäßig, daſs man von der Anzahl der zugute kommen, findet man gewöhnlich ſchönere Zuwachsringe beſtimmt auf das Alter ſchließen | Krifeln als in anderen Formationen. Auf— könnte, wie dies beiſpielsweiſe von den Türken fallend tritt dieſer Unterſchied zwiſchen Süd— in Bosnien und der Herzegowina fälſchlich ge- und Nordtirol hervor. Die Aufnahme des ſchieht. Salzes ſcheint für die Krikelbildung bis zu Die Krikeln der Böcke erkennt man leicht | einem gewiſſen Punkte maßgebend zu ſein. an dem ſtärkeren Bau, dem größeren Umfang Statt eine beſtimmte Durchſchnittsziffer für und dem raſcheren, ſchärferen Bug. Das ganze | Länge, Höhe und Stärke der Krikeln aufzu⸗ Krikel iſt mehr ſtark und voll, verräth Saft-⸗ ſtellen, laſſe ich hier Maße verſchiedener Stücke und Kraftfülle, während ſich jene der Gaiſen aus den einzelnen Ländern folgen. Hiebei ſei ſelbſt bei gleicher Höhe ſchmächtiger und feiner bemerkt, dass unter „ Höhe“ jener Abſtand ver- darſtellen. Vielfach iſt behauptet worden, daſs | jtanden iſt, welcher ſich aus der Meſſung von ſich die Krikeln des Bockes auch durch größere | der Schale bis zum höchſten Punkte des Krikel— Auslage am Buge und weiteren Abſtand der | buges ergibt, während unter „Länge“ jenes Spitzen auszeichnen. Dieſer Unterſchied mag Maß gemeint iſt, welches man erhält, wenn für locale Standortsformen ſeine Richtigkeit man von der Baſis über die Biegung dem haben, trifft aber im allgemeinen nicht zu, da ſchwarzen Gehörn folgend bis zur Spitze mijst. man in manchen Gebirgslagen Gaiſen findet, Niederöſterreich. Bock, erlegt an der ſteier— deren Krikeln jene der Böcke in Bezug auf märkiſchen Grenze: Länge 29˙6 cm, Höhe 20 cm, Auslage und Spitzenabſtand ganz bedeutend | Umfang an der Baſis 10˙à em, Spitzenabſtand übertreffen. 15°3 em. — Gais aus dem nämlichen Reviere: In der Regel herrſcht bei den Gemſen Länge 274 em, Höhe 18˙6 em, Umfang an der eines und desſelben größeren Alpenzuges eine [Baſis 9 em, Spitzenabſtand 15 cm. gewiſſe Übereinſtimmung in der Krikelbildung. Oberöſterreich. Bock aus der Dachſtein— Oft treten locale Merkmale jo markant hervor, gruppe: Länge 30 em, Höhe 19˙8 em, Umfang daſs man fie unter hunderten heraus zweifellos | 10 cm, Spitzenabſtand 13cm. — Gais aus auf ihren Standort anſprechen kann. Ein Ge- | demjelben Reviere: Länge 25˙2 em, Höhe birgszug weist mit wenig Ausnahmen nur 174 em, Umfang 8'em, Spitzenabſtand 16 em. weite Auslagen, ein anderer nur enge auf; bei Steiermark. Bock, erlegt in der Nähe von dem einen zeigen die Böcke einen großen Spi- Wildalpen: Länge 30˙2 em, Höhe 20˙2 em, Um⸗ tzenabſtand, während dies Charakteriſtikon in | fang 10˙5 em, Spitzenabſtand 17 em. — Gais einem andern wieder faſt ausſchließlich den | aus demſelben Reviere: Länge 29 em, Höhe Gaiſen zukömmt. Wo ſich die Gemſen zweier [196 em, Umfang Sem, Spitzenabſtand 13 cm. Gebirgszüge zur Brunftzeit zuſammenfinden, Kärnthen. Bock aus meinem Reviere in erkennt man locale Formen nicht mehr. Die | den carniſchen Alpen: Länge 30˙8 em, Höhe Gebiſs der Gemſe im Spätherbſt. Kalenderjahr Schneidezähne Eckzähne Backzähne Bezeichnung F 7 BE: SR NR REN Sährling F 2jähr. Bock od. Geis FFP I. r N VI | ei ſpät geſetzten Stücken giähriger? 5c f mein 1572 3 IN V VI 1 7 » 7 VI | (D ID) ID | I I III IF Y I Jähriger Bock | IV 1 II II F F NN oder Geis V reer VI 3jähriger Bock und ſpäter [ I U mV ONE oder Geis Dombrowski. Eneyklopädie d. Forſt⸗ u. Jagdwiſſenſch. IV. Bd. 2 322 Gemſe. 199g em, Umfang 10˙8 em, Spitzenabſtand 122% em. — Gais aus demſelben Reviere: Länge 25˙4 cm, Höhe 17˙4 em, Umfang 8˙6 em, Spitzenabſtand 25 em. Salzburg. Bock aus der Umgebung des Groß-Arl: Länge 29˙2 em, Höhe 211 cm, Um⸗ fang 91 cm, Spitzenabſtand 20 cm. — Gais aus dem nämlichen Reviere: Länge 271 em, Höhe 19°7 cm, Umfang 8˙44 cm, Spitzenabſtand 16 em. Tirol (Nordtirol). Bock aus Achenthal: Länge 293 em, Höhe 21 cm, Umfang 8˙9 cm, Abſtand der Spitzen wurde an dieſem als das ſtärkſte Exemplar bezeichneten Stücke nicht ge— meſſen. — Gais aus demſelben Gebiete: Länge 25 em, Höhe 12 em, Umfang 7˙4 em, Spitzen⸗ abſtand 12 cm. (Südtirol). Bock aus den cadorijchen Alpen: Länge 29˙8 em, Höhe 21° cm, Umfang 10:5 em, Spitzenabſtand 18 em. — Gais aus demſelben Gebirgszuge: Länge 27˙2 em, Höhe 19:3 cm, Umfang 9˙4 em, Spitzenabſtand 19 cm. Vorarlberg. Bock, erlegt im innern Bre— genzerwalde: Länge 30 em, Höhe 20 cm, Um— fang 101 em, Spitzenabſtand 11 em. — Gais aus demſelben Reviere: Länge 26˙4 em, Höhe 17˙3 em, Umfang 85cm, Spitzenabſtand 9 cm. Krain. Bock, erlegt bei Jauerburg in Ober— krain: Länge 29˙2 cm, Höhe 21 em, Umfang gem, Spitzenabſtand 10 em. Dieſes Krikel gilt, nebenbei geſagt, als das größte, das in Krain bekannt iſt. — Gais, ebenfalls aus Oberkrain: Länge 24 em, Höhe 18˙9 em, Umfang 8 em, Spitzenabſtand 16 cm. 1 Ungarn. Bock, erlegt in den Karpathen: Länge 30˙2 em, Höhe 211 em, Umfang 10˙8 cm, Spitzenabſtand 18 em. Der Träger dieſes Kri— kels wog aufgebrochen 42˙4 Kg. — Gais, erlegt im gleichen Gebirge: Länge 27 em, Höhe 18 em, Umfang 8-4 em, Spitzenabſtand 16 em. Dieſe Gais wog aufgebrochen 31 kg. Bukowina. Bock aus der weſtlichen Buko— wina: Länge 28 em, Höhe 19˙6 em, Umfang 9·6 em, Spitzenabſtand 12cm. — Gais aus dem nämlichen Gebiete: Länge 25 cm, Höhe 17˙5 em, Umfang 7 em, Spitzenabſtand 19 em. Siebenbürgen. Bock: Länge 26 em, Höhe 19'1 cm, Umfang 94 em, Spitzenabſtand 124 em. Dieſer Bock wurde als achtjährig angeſprochen und wog aufgebrochen 32 kg. — Gais: Länge 23 em, Höhe 16˙3 em, Umfang 7˙4 em, Spitzen- abſtand 16 em. Die Trägerin, eine Geltgais, wog aufgebrochen 26°5 kg. Rumänien. Bock aus den transſylvaniſchen Alpen: Länge 26˙3 cm, Höhe 18˙7 em, Umfang 85cm, Spitzenabſtand 13 em. Dieſer Bock wog aufgebrochen 317 kg. — Gais aus demſelben Reviere: Länge 23°6 em, Höhe 16˙8 cm, Um— fang 7˙9 em, Spitzenabſtand 14 cm. Ohne Auf— bruch wog die Gais 23˙4 kg. Bosnien. Bock: Länge 26˙9 em, Höhe 171 cm, Umfang 81 em, Spitzenabſtand 15 cm, Gewicht 29 kg. — Gais: Länge 24 em, Höhe 166 cm, Umfang 7˙3 em, Spitzenabſtand 15 em, Gewicht 25 kg. Herzegowina (Grabowitzathal). Bock: Länge 282 em, Höhe 17 em, Umfang 6 em, Spitzen— abſtand 8˙2 em, Gewicht 45 kg. — Gais: Länge 23 cm, Höhe 16 em, Umfang 71 cm, Spitzen- abſtand 16 cm. Dalmatien. Bock: Länge 26 cm, Höhe 16 em, Umfang 7˙8 em, Spitzenabſtand 44 cm — Gais: Länge 23˙8 em, Höhe 16 em, Umfang 7em, Spitzenabſtand 14˙3 cm. 5 Oberbayern. Bock: Länge 30 em, Höhe 19:7 cm, Umfang 10 em, Spitzenabſtand 13 cm. — Gais: Länge 25°8 em, Höhe 17˙8 cm, Um⸗ fang 7˙9 em, Spitzenabſtand 15 em. Schweiz. Bock: Länge 28 em, Umfang 941 cm, Spitzenabſtand 127 cm. — Gais: Länge 254 em, Höhe 17cm, Umfang 8˙2 cm, Spitzenabſtand 10 cm. Italien. Bock aus den Apenninen: Länge 20°8 em, Höhe 15°4 cm, Umfang 7˙5 em, Spitzen⸗ abſtand 12 em. — Gais aus dem nämlichen Gebirge: Länge 18 em, Höhe 15 em, Spitzen— abſtand 9 em. Spanien. Bock aus der Sierra-Nevada: Länge 20 em, Höhe 13 em, Umfang 7 em, Spitzenabſtand 10 em. — Gais aus demſelben Gebirgsſtocke: Länge 16 cm, Höhe 10 cm Um⸗ fang, 5˙2 cm, Spitzenabſtand 9 cm. So verſchieden die Maße von Krikeln ſich darſtellen, ſo ſind doch eigentliche abnorme Krikelbildungen bei der Gemſe ſehr ſelten. Die meiſten ſog. Abnormitäten entſtehen durch Stein⸗ ſchläge, Kugelriſſe oder Abſtürze, wobei die Stirnzapfen geſchädigt werden. Geſchieht ſo etwas an dem jungen Gehörn, wachſen die ver— letzten Krikeln in ganz widerſinniger Weiſe weiter. Gemſen, bei denen ein Krikel direct vor— wärtsgebogen ſtand, wurden in Hinterriſs in Tirol und im Jagdgebiete der Gemeinde Dorn— birn erlegt. Aus dem Bregenzerwalde iſt mir ein Stück bekannt, deſſen eines Krikel ſo hinter die Loſer zurückwuchs, daſs die Spitze die Decke berührte. Im kärnthneriſchen Leſachthale wurde eine Gais beobachtet, deren linkes Krikel jo gegen den Windfang zu wuchs, daſs die Trägerin an recht ſteilen Stellen bei Aufnahme der Aſung verhindert war. In Audorf, Oberöſterreich, ſoll ſich ein Krikel befinden, das ſtatt der gewöhn— lichen Ringe Knorpeln wie die Perlen eines Rehgehörnes tragen ſoll. Über ein paar weitere abnorme Krikel— paare aus der Schweiz hatte Herr Cantons— forſtinſpector Ch. Manni in Chur die beſondere Freundlichkeit, mir Nachſtehendes mitzutheilen: „Von früheſter Jugend an war es mein Beſtreben, in gleicher Weiſe wie deutſche Förſter und Jäger ihre Wohnräume mit Reh- und Hirſchabnormitäten ſchmückten, zu denen ich an— dächtig und reſpectvoll hinaufſchaute, Abnormi— täten von den heimatlichen Gratthieren, den muntern Gemſen, zu ſammeln. Dieſem Sammelſinn, der ſich ſpäter auch anläſslich geologiſcher Studien auf Petrefacten übertrug, verdankt meine gegenwärtig auf eirca 40 Gemshornabnormitäten angewachſene Samm- lung ihr Entſtehen. Ich habe bereits ſchon im Jahre 1881 im II. Bande des „Waidmann“ eine kurze Abhand⸗ lung über einzelne Exemplare dieſer Samm- lung veröffentlicht und der rühmlichſt bekannte Naturforſcher Dr. Friedrich v. Tſchudy erwähnt derſelben ſowohl in ſeinem Prachtwerke „Das Gemſe. 323 Thierleben der Alpenwelt“, als auch in einer ſpeciellen Abhandlung über dieſen Gegenſtand in Nr. 3 des „Zool. Garten“, Märzheft, Jahr— gang 1868. Ebenſo behandelt der leider nur zu früh verſtorbene, in weiterem Kreiſe bekannte Orni- thologe Dr. C. Stölker in St. Gallen in Nr. 16 der „Illuſtrierten Jagdzeitung“ Jahrgang 1877 den gleichen Stoff und kommt dabei ebenfalls auf die einzelnen Exemplare meiner Sammlung zu ſprechen. Es iſt männiglich bekannt, daſs — abgeſehen von wenigen raren Stumpen des einen Krikels — wirklich naturwüchſig miſsgeformte Gems— krikel zu den größten Seltenheiten ge— hören. Eine ſolche iſt ein Gemskrikelpaar mit zwei geraden nach oben zugeſpitzten Krikeln. Dieſe zeigen bei dem rechten, oben etwas leicht rückwärtsgebogenen Krikel in einer Höhe von 4 em ob dem Wurzelſtocke die Spuren einer nun verwulſteten Verletzung, von welcher an auch das Krikel ungewöhnlich raſch ſich zuſpitzt. Noch auffallender findet ſich letzteres Verhält— nis bei dem nach vorn ſich neigenden linken Krikel. Eine zweite Gemshornabnormität zeigt ebenfalls ganz merkwürdig geſtaltete Miſsfor— men. Das rechte Krikel windet ſich rechts aus— wärts gekrümmt in einer Länge von 18 em ab— wärts der Naſe zu, und das linke Krikel gleicher Länge biegt ſich ebenfalls nach unten in einer leichten Krümmung an der Spitze wieder auf— wärts. Das dritte Paar zeichnet ſich nicht ſowohl durch die Abform des einen Krikels aus, als vielmehr durch ſeine ungewöhnliche Höhe von 21 em bis zur Krümmung und von 28 cm über die Krümmung bis zur Spitze gemeſſen. Doch iſt dieſes Paar nicht das ſtärkſte meiner Sammlung, indem neben zwei Paaren ähnlicher Dimenſionen ein weiteres größtes Paar von einem Capitalbock 23 em bis zur Krümmung und über dieſelbe bis zur Spitze 31 em miſst. Die Stärke dieſes ſtärkſten Krikels meiner Sammlung beträgt am Wurzelſtock 3 em. Die letzte Abnormität wird von Tſchudi als die intereſſanteſte bezeichnet und äußert er ſich über dieſelbe folgendermaßen: „Die Gehörne (Krikel) ſind ſehr ſtark nach vorn gebogen. Beide Theile laufen von ihrem Urſprunge an 1 em weit in einem flachen Bogen parallel abwärts bis ungefähr auf die die Höhe der Pupillenmitte. Die Hornſcheide rechts zeigt bis hieher keine beſonderen Merk— male, außer einer leichten Einſchnürung, die linke dagegen iſt auf der äußeren und inneren Seite beinahe ihrer ganzen Länge nach ſtark und unregelmäßig gekerbt, auf der inneren ſo— gar wie eingeriſſen, vielleicht ein Zeichen von Verwundung in der Jugend. Nun iſt aber offenbar eine zweite, heftigere eingetreten. Bei der bezeichneten Stelle hört der Parallelismus auf; das rechte Hörnchen zeigt hier einen unge— färbten und halbdurchſichtigen, knopfartigen Wulſt und ſetzt ſich in einem 5°5 cm langen, faſt gerade einwärts auf die Mitte des Najen- beines laufenden Zapfen fort, deſſen ſtumpfes Ende nur 08 em von der Haut entfernt iſt und noch im Haar der Naſenhaut ſteckt. Das linke Hörnchen dagegen, im Bogen gemeſſen, von der Bruchſtelle 21 em lang und wie der Zapfen rechts etwas ſeitlich zuſammengedrückt, läuft ſchief ab und einwärts, gegen die Naſenſpitze zu, ſo daſs es die Naſenhaut beinahe ſtreift, und biegt ſich dann in einem kleinen Haken wieder aus- und aufwärts. Dieſer Theil für ſich gleicht dem Hörnchen einer dreijährigen Gemſe, nur daſs er gerade umgekehrt zum Schädel ſteht. Überdies iſt unterhalb des Wulſtes die Horn— ſcheide ringsum gebrochen und vorn ein Stück weit abgeriſſen; an der entblößten Stelle hat ſich aber eine neue tiefer ſtehende gebildet.“ Es iſt übrigens ungemein ſchwer, die näch— ſten Urſachen dieſer Miſsgeſtalten bei Gems— krikeln zu beſtimmen. Während die Miſsbildung aller Art bei den Rehgehörnen und den Hirſchgeweihen eine häufige Erſcheinung iſt und bei beiden Thier— gattungen gewöhnlich Folge von Verletzungen am Kurzwildpret ſind, verhält es ſich bei den Miſsbildungen der Gemſen ganz anders. Bei den Gemſen äußert ſich in ſolchen Fällen nicht der geringſte Einfluſs auf das Ge— hörn, welches nie abgeworfen wird, und alle Unregelmäßigkeiten an denſelben ſind äußeren Urſachen, wie Sturz, Fall, Schuſs ꝛc. zuzu— ſchreiben.“ Ein weiteres ſehr beachtenswertes Stück hat Herr Otto Graſhey im „Deutſchen Jäger“ Nr. 10, 1888 abgebildet und demſelben folgende Beſchreibung beigegeben: „Die rechte Kruckenſtange iſt ganz normal entwickelt und geſtellt, die linke dagegen, wie Figura zeigt, ungefähr in der Mitte abge— brochen, von da nach abwärts ſo geſtellt, dajs ſie unmittelbar in der Schädelmulde vor dem linken Lichte auf dem Knochen aufſitzt und wahrſcheinlich die Schwarte durchgedrückt hat, weil ein Raum für Weichtheile dazwiſchen nicht mehr möglich erſcheint. Der untere hohle Theil dieſer Stange, in welchem ſich der Zapfen befindet, iſt nicht mehr gerade oder etwas nach rückwärts neigend ge— ſtellt, ſondern in leichter Krümmung nach vor— wärts gebogen. So leicht eine gut ausgetrock— nete Gemskrucke das Abheben der Hornſchale vom Stirnzapfen geſtattet, ſo hartnäckig wider— ſteht ſie hier allen Verſuchen, was darauf hin— deutet, daſs durch die gewaltſame Krümmung vorwärts auch vielleicht ein innerliches Ver— wachſen möglich war. Wenn wir nun den Bruch betrachten, ſo iſt an der Hauptbruchſtelle die äußere geriffelte Textur der Krucke mehrfach geſprungen, ge— brochen und ſteht in einzelnen Schiefern von der inneren Hornmaſſe ſpanartig ab. Die innere Hornmaſſe zeigt — und das iſt die hauptſäch— lich fragliche Stelle — eine vollſtändige Drehung um ſich ſelbſt in der weicheren Hornſchichte, un— gefähr wie man eine weichgemachte Wachskerze um ſich ſelbſt drehen und dann abwärts biegen würde. Die Wirkung eines Steinſchlages auf eine Krucke iſt unberechenbar, aber gibt dem Forſcher 1 324 immerhin zu denken; man könnte glauben, dass ein raſcher Schlag eben nur brechen ſollte — wie iſt da die eben beſchriebene Drehung mög— lich? Unwillkürlich kommt man auf den Ge— danken, daßs der Träger unſerer abgebildeten Krücke, ein ungefähr 4- oder zjähriger Bock, im Kampfe mit einem ſtärkeren Rivalen ſich in deſſen Krucke verhängt, durch Drehung der beiden Grinde und die damit verbundene Ge— walt die fragliche Stange geſprengt, gedreht und abgebogen wurde, wodurch die Loslöſung der beiden Krucken von einander erfolgt ſei. Die verletzte Hornmaſſe hat ſich ſozuſagen wieder zuſammengeſchweißt, und ſo ſteht der abwärts gebogene Theil der linken Stange ganz mauerfeſt auf der Schale des Bockes und an der Bruchſtelle feſt.“ Eine beſondere Beachtung ihrer Seltenheit wegen verdienen jene Rudimentärbildungen, welche aus der Epidermis hervorwachſen, ohne einen eigentlichen Stirnzapfen zu beſitzen, d. h. der Zapfen iſt mit dem Stirnbeine nicht ver— wachſen, ſondern ſitzt nur ganz loſe auf dem— ſelben auf. Dieſe Bildungen ſind meiſt nur kleine Knöpfchen. Bei einem Stück ſah ich das rechte Krikel normal in einer Länge von 234 cm entwickelt, während das linke, 2 em lang, beweg— lich auf dem Stirnbeine ſaß. Nicht minder intereſſant ſind die ſog. Haut— hörner. Dieſelben bilden ſich in der Epidermis durch Anhäufung plattenförmiger, verhornter Zellen, welche in dichten Schichten ſich auf— lagern und ſo verſchiedenartig geformte Gebilde erzeugen, bald einem Knopfe, bald einer Kugel oder einem Horne ähnlich ſehen. Solche Epi— dermialgebilde findet man ſowohl bei den Haus— thieren als bei dem anderen Gehörn tragenden Wilde. Der intereſſanteſte diesbezügliche Fall iſt im Jahre 1875 bekannt geworden. R. Cor— neli (j. Jagd und ihre Wandlungen) erhielt nämlich aus Oberammergau einen Gemsbock eingeſendet, der außer den normalen Krikeln noch ein drittes von 8˙5 em Länge trug. Das— ſelbe war von der nämlichen Maſſe und Farbe, aber anders geformt, mit vier deutlichen Ab— ſätzen und hieng hinter den Loſern herab, ohne Knochen und ohne Knochenzapfen. Der „Waid— mann“ bildete (Nr. 2, 1875) eine Gemſe ab, welche ein drittes Krikel am Anfange des Naſenbeines trug. Der „Deutſche Jäger“ brachte 1880, Nr. 8, die Abbildung eines Gemsbockes, der auf dem Vorderrücken (Bug) einen 3°7 em langen krikelartigen Auswuchs hatte. Graf H. Thun berichtet 1883 im „Waidmannsheil“ aus Blühnbach von einem Gemsbocke, der „in der Weiche vor der Kugel des rechten Hinter— laufes einen beulenförmigen Auswuchs von der Größe einer doppelten Mannesfauſt trug. Dieſe abnorme Bildung war nicht weich, ſondern hart, hornig, nahezu von der gleichen Conſiſtenz wie die Hornmaſſe der Krikeln“. Jene „Abnormitäten“, die vier und mehr Krikeln auf einer Schale zeigen, ſind ein ein— facher Betrug. Bei Bergoma findet man ab und zu Schafe, welche vier Stirnzapfen auf— weiſen; auf dieſe werden Gemskrikeln aufgeſetzt und die „Abnormität“ iſt fertig. Auch jene Stücke mit 30 und mehr Centimeter weitem 27 1 Gemſe. Spitzenabſtande ſind nicht ſo gewachſen, ſondern „angefertigt“ worden. Hinter den Krikeln bemerkt man eine muſchelartige Vertiefung, in der ſich eine ſchwammige Drüſe befindet. Dieſe ſchwillt zur Brunftzeit zu einer förmlichen Haube an, die den ganzen Hinterkopf bedeckt. Aus den ſchmierig— feucht ſich anfühlenden Offnungen dringt ein pene— tranter Geruch hervor. Ich habe dieſe Drüſen— einbettung, weil bis jetzt ein allgemein giltiger Ausdruck mangelt, in meiner „Monographie der Gemſe“ als Brunftdrüſe bezeichnet. Die Schädelwandungen des Gemskopfes ſind auffallend dünn, jedoch durch ihre zähe Elaſticität und die dicke Decke vor den üblen Folgen eines Anpralles etwas geſchützt. Das in der Schädelhöhle liegende Gehirn iſt bei jungen Thieren weich, erhält erſt mit dem zwei— ten und dritten Jahre eine feſtere Conſiſtenz und weist nach den Unterſuchungen von Bibra einen Phosphorgehalt von 375%, während das Gehirn des Menſchen nur mit 1˙73% aus⸗ geſtattet iſt. Die Läufe der Gemſe ſind ein Meiſterſtück der Schöpfung. Sie vereinen praktiſche Ver— wendbarkeit, Ausdauer und Feſtigkeit in hohem Maße. Die Muskeln ſind feſt und zähe, die Sehnen elaſtiſch und doch ſtahlhart, das durch— gebogene Feſſelgelenk begünſtigt den kräftigen Abſprung, mildert den Aufſprung, der ſteile Bau vermindert die Erſchütterung und die zwi— ſchen den Schalen gefaltete Verbindungshaut vermag ſich bei ſtarker Anſtrengung nad) rüd- wärts aufzuſchlagen, ſo zu verdoppeln und die Feſtigkeit in hohem Maße zu erhöhen. Die Schalen ſind ſchwarz, ſtahlhart, mehrfach gerieft, an den Rändern ſo ſcharf, dafs fie ſich mit meiſelartiger Feſtigkeit im Geſtein einſetzen kön— nen. Das Geäfter iſt ſchwach entwickelt und ſchmiegt ſich bei normaler Stellung dem Laufe an. Die Gais hat gleich den anderen Antilopen- arten vier Zitzen am Geſäuge. Ihre Deſcendenz duldet die Gemsgais am Geſäuge, bis die Vorahnung der kommenden Liebesfreuden bemerkbar wird. Ab und zu ſtehlen ſich auch noch die einjährigen Stücke heran, um ein wenig zu naſchen, was ſich die Gais nicht ſelten ruhig gefallen läſst. Die Gemſen beiderlei Geſchlechtes werden mit dem dritten Jahre fortpflanzungsfähig, obwohl um dieſe Zeit ihr Wachsthum noch nicht beendet iſt. Die Gais ſetzt das erſtemal in der Regel nur ein Kitz, ſpäter mitunter auch deren zwei. Drei Kitze ſind eine große Selten— heit. Häufiger kommt es vor, dafs Gaiſen mit nur einem Kitz ein zweites verwaistes erbar— mungsvoll aufnehmen. Die Gemſe ſoll ein Alter von 20—25 Jahren erreichen, eine Zeit, die ihr indes in wenig Fällen gegönnt ſein wird, die meiſten erliegen früher den mannigfachen Gefahren. Ich ſelbſt kenne einen Bock, der nachweisbar ſchon 17 Jahre allen Bemühungen der Jäger ſpottet. Es iſt ein abgefeimter, capitaler, ſchon faſt ganz grauer Burſche. Da hiemit die Beſchreibung der Gemſe beendet iſt, ſei es mir vergönnt, das Bild ihrer r ee Se — Be cn 9 en nt 2 Zen Gemſe. Lebensweiſe in flüchtigen Zügen zu zeichnen, da der knappe Raum ein weites Ausholen leider nicht geſtattet. Die Gemſe iſt von Haus aus eine Be— wohnerin der oberen Waldregion, breitet ſich aber gegenwärtig über die ganze hochalpine Region aus. Die Unruhe in den hochgelegenen Wäldern, die Abholzung derſelben, die immer intenſivere Weidenutzung, das Ausroden der Latſchendickungen, der Auftrieb der Schafherden und die maßloſe Verfolgung von Seite des Menſchen haben ihr den Aufenthalt im zauber— ſchönen Walde verleidet, haben ſie hinauf— getrieben in die ſchauerlichen Felswildniſſe, hinein in die unzugänglichſten Felslabyrinthe, hinauf zu den höchſten Spitzen und Graten. Nur gezwungen iſt ſie aus einem Waldthiere zum Alpenthiere geworden. Noch gegenwärtig nimmt ſie ihren Aufenthalt in dem oberen Waldgebiete, wenn ſie daſelbſt ſicher vor Beun— ruhigungen und Nachſtellungen iſt. In meinem ausgedehnten Reviere in den carniſchen Alpen werden noch heute mehr Gemſen in der Wald— zone als ober derſelben gefällt. In Tirol, Schweiz ꝛc. wird man dagegen vergebens eine Gemſe im Waldgebiete ſuchen. Dort haben ſie des Jägers Feuerrohr, der Ziegenhirte und die leidigen Schafherden ſchon längſt den kalten Firnen zugetrieben. Nach der Localität des Aufenthaltes pflegt der Alpenjäger Wald- und Keesgemſen zu unterſcheiden. Erſtere ſind entſchieden ſtärker, weil ihnen reichlichere und beſſere Aſung ge— boten iſt. Beſonders ſchwache Keesgemſen be— zeichnet man auch vielorts als Gratthiere. Je felſiger das Wohngebiet der Gemſe, je weiter fie auf Aſung ziehen muſßs, deſto mehr bleibt ſie an Stärke gegen die Waldgemſe zurück. Die im Walde geſetzte Gemſe wird dem niederen Stande immer den Vorzug geben, eilt nur ge— zwungen zu den höchſten Graten empor, kehrt wieder zurück, ſobald die Ruhe definitiv einge— treten iſt, jene Gemſe dagegen, deren Wiege nahe dem ungeheuren Firnmeere geſtanden, wird gewohnheitsgemäß der Felswildnis den Vorzug geben, jedoch mit zunehmendem Alter, bereichert durch die Summe der Erfahrungen, allmählich mehr mit den tieferen Lagen ſich be— freunden, bis auch ſie dortſelbſt zur Stand— gemſe wird. Ich kenne ein Jagdgebiet, das noch vor 15 Jahren einen reichen Beſtand an aus⸗ geſprochenen Waldgemſen beherbergte. Leider fiel dasſelbe in die Hände eines enragierten Jagdſchinders, welcher es zuſtande brachte, dass ſich der den Aasjägern noch glücklich entwiſchte kleine Beſtand im Verlaufe von fünf Jahren zu den reinſten Keesgemſen entwickelte. Unter dem nun folgenden Jagdherrn erfuhren die Gemſen durch zwei Jahre hindurch nicht die mindeſte Beunruhigung, das Revier wurde mit Salzlecken verſehen, und jo kam es dahin, dajs gegenwärtig keine ausgeſprochene Keesgemſe, wohl aber ein reicher Beſtand von Waldgemſen angetroffen wird. Die Keesgemſen ſuchen Erſatz für den ihnen verlorenen Wald in den zuoberſt liegenden, wenn auch niederen und ſtruppigen Latſchendickungen, wo ſie ſich dem Anblick ihrer Feinde entziehen können. Sind fie auch jo ſcheu 325 geworden, daſs fie ſich den Tag über dem kalten Firn oder den rauhen Steinrücken zum Lager wählen, ſo kehren ſie doch mit Einbruch der Dämmerung wieder in die Latſchen zurück. Ganz beſonders gilt dies von den Böcken. Die Gemſe iſt ein entſchiedenes Tagthier. Bei Tage unternimmt ſie ihre Wanderungen und ruht bei der Nacht. In der thauigen Morgenfriſche ziehen ſie auf Aſung, wechſeln die bekannten Rahmen und Runſen entlang zu den Aſungsplätzen, wo ſie die zarten Kräuter abſpitzeln, ſich muthwillig nebenbei necken, nie aber ihre Vorſicht bei Seite ſetzen. Bei voll— ſtändiger Sicherheit weilen ſie bis neun Uhr, thun ſich dann auf einem hervorragenden, meiſt dem Thale zu ſteil abfallenden Punkte eine Zeit lang nieder, ziehen dann ſpielend und äſend entweder dem Walde oder den Firnen zu. Ohne jede Vorbereitung thun ſie ſich nieder und ruhen auf den eingebogenen Läufen. Dieſe Lage ermöglicht es ihnen, bei einer allfälligen Störung blitzſchnell aufzuſchnellen und das Weite zu ſuchen. Ob jetzt das Lager ein weicher Moospolſter, ein grüner Raſen oder der nackte Stein bildet, das iſt der Gemſe ſo ziemlich einerlei. Abends um vier oder fünf Uhr ver— laſſen ſie wieder ihre Ruheplätze, winden ſorg— fältig nach allen Seiten und ziehen dann auf die Abendäſung, meiſt auf den Platz, den ſie in der Frühe ausgewählt haben. Der alte Bock läſst immer die Gaiſen zuerſt austreten und kommt erſt dann zum Vorſchein, wenn er alles ruhig und ſicher weiß. Bis zum Einbruch der Nacht nehmen ſie Aſung auf und thun ſich dann zur Nachtruhe nieder, wo es ihnen gerade gefällt. Der Schlafplatz wird nicht regelmäßig eingehalten, ſondern oft gewechſelt. In klaren, ruhigen Mondnächten laſſen ſie ſich oft verleiten, bis 10 oder 11 Uhr munter zu bleiben. Es iſt ſchon oft behauptet worden, dajs die Gemſe nicht trinke, ſondern ſich lediglich mit dem aufgenommenen Thau begnüge. Das iſt nicht unbedingt richtig. Sie tritt zwar nicht ſo regelmäßig zur Tränke, wie manche andere Wildgattung, aber von Zeit zu Zeit iſt ihr die Waſſeraufnahme doch nöthig. Zum Trinken ſucht ſie ſich gerne eine ruhige Ausbuchtung im Bergbächlein aus und trinkt dann ganz nach Art der Ziegen, jedoch in mehreren Abſätzen. Im Herbſte trinkt ſie beſonders des Morgens. In waſſerarmen Lagen iſt um dieſe Zeit von den herrſchenden Südwinden jeder Niederſchlag entführt, die Aſung ſelbſt iſt trockener geworden und da kann ſie die nöthige Feuchtigkeit nicht finden. Zu den Zeiten des herrſchenden Süd— windes kann man ſie z. B. unter den wilden Wänden des Polinig (carniſche Alpen) regel— mäßig jeden Morgen zum Valentinbache zur Tränke niederwechſeln ſehen, da ſie ſonſt nir— gends Waſſer finden. Mit der Aſung nehmen die Gemſen oft Haare, Wolle von Pflanzen, unverdauliche Wurzeln ꝛc. auf. Dieſe Stoffe bleiben unver— daut im Weidſacke liegen und werden in Form von Kugeln feſt zuſammengeballt. Es ſind dies die ſog. Bezoarſteine (alga gropile). Dieſe Gemskugeln erreichen die Größe einer Wall— 326 Gemſe. nuſs bis zu der eines Hühnereies. Das größte mir bekannte Stück hatte einen Längendurch— meſſer von 19°5 cm bei einem kürzeren Durch— meſſer von 16˙9 em im friſchen Zuſtande. Sie war ſchön braun und förmlich poliert. Vergan— genen Herbſt entnahm ich einem Bode ſogar zwei ſolcher Gebilde. Dieſe waren jedoch nicht rund, ſondern pyramidenförmig mit ſtumpfen Spitzen, die eine 7, die andere 5 em hoch. Dieſen Gemskugeln wurden früher geradezu überirdiſche Kräfte zugeſchrieben. Noch Adam Lebwald in ſeiner „Damographia“ (1693) nennt die „Kraft und Tugendvollen Gemskugeln“ einen zuſammengeſammelten Schatz in „des Gemſen Magen-Kammerl“, rühmt ſich, mit 60 Gemskugeln einen vom Schlage gerührten Prälaten curiert zu haben, und erblickt darin ein ſicheres Mittel gegen eine ganze Legion wirklicher und eingebildeter Krankheiten, eine Überlieferung, die ſich bis auf heute bei Waſen— meiſtern und Uringuckern erhalten hat. Nach dieſem alten „Autor“ ſoll man eine Gemſe, welche eine Kugel trägt, an folgenden Merkmalen erkennen: 1. Sollen ſie viel ſchöner, friſcher und hurtiger ſein; 2. ſollen ſie doppelt pfeifen; 3. haben ſie weißes Haar auf den Seiten; 4. ſollen ſie „geflachte“, an den Spitzen weiße Krikeln haben. Wenn wir ferner noch vernehmen, dajs eine ſolche Gemſe durch ihren „fürtrefflichen Geruch“ ein ganzes Rudel derart ergötzen könne, daſs dasſelbe mehrere Tage jede Aſung entbehrlich finde, verzeihen wir unſerer Mit— welt gerne ihr Stücklein—Jägerlatein. Sehr oft kann man ein Stück Gemswild auf den Umſtand ziemlich ſicher anſprechen, ob es eine Gemskugel trage oder nicht. Stücke mit einer großen Kugel ſind gewöhnlich lichter ge— färbt, noch im Herbſte ſchlecht bei Leibe, nehmen oft Aſung auf, wenn die anderen ruhen, und treiben ſich gerne abſeits vom Rudel herum. Bei dem Umſtande, daſs die Kugel einen be— deutenden Raum beanſprucht, kann die Gemſe weniger Aſung auf einmal aufnehmen, ſucht ſich dafür zwar durch öftere kleine Rationen zu entſchädigen, womit ſie jedoch ihren Zweck nur unvollſtändig zu erreichen ſcheint. Solche Stücke treten ſchlecht in den Winterſtand, über— dauern daher die böſe Zeit nur ſchwer oder auch gar nicht. Schon öfter habe ich gerade in den letzten Frühjahren bei Fallwild noch das Vorhandenſein großer Kugeln conſtatieren können. Seitdem ſuche ich Stücke mit den vor— genannten Merkmalen im Herbſte auf der Pürſche abzuſchießen. Die Gemſe in ihrer Sorgloſigkeit bietet kein ſchönes Bild. Sie macht einen unförmlichen Buckel, hält den Kopf nahezu blöde wie ein Schaf vorwärts, ſtellt die Läufe ſchief oder krumm, wirft beim Übertreten den Hinterkörper hin und her ſo faul und läſſig, wie ein voll— kommen ſtupides Geſchöpf. Treten wir ihr aber in den Wind, dann ändert ſich das Bild in einer Secunde. Mit blitzſchnellem Rucke wirft ſie den Windfang in die Höhe, die vorher plump überſetzten Läufe ſtrecken ihre Stahlſehnen, der Kopf fliegt wie geworfen auf dem elafti- ſchen Halſe, der Windfang arbeitet mit ver— zweifelten Bewegungen, ſtoßweiſe und ſcharf gellt der Pfiff, und in der nächſten Secunde ſaust ſie dahin gleich dem entfeſſelten Sturm— winde, kein Hindernis, keine Abſturzgefahr ken— nend. Auf der Flucht gibt es kaum ein ſchö— neres Thier als die Gemſe, „die Königin der Alpen“. Wenn ſie dahinrast, dajs ihre Läufe kaum den Boden ſtreifen, ſturmſchnelle Fluchten ſie wie beſtändig in der Luft erſcheinen laſſen, dann kann man ihr die vollſte Bewunderung nicht verjagen, Hat fie nach ſolch einer Flucht den ſicheren Einſtand erreicht, wirft ſie ſich mit einem Nude herum, die Loſer ſpitzen ſich, der Windfang ſucht Witterung und lange ſteht ſie hochaufgerichtet. Es dauert lange, bis ſie ſich wieder vollſtändig beruhigt. Am furchtſamſten iſt die Gemſe, wenn ſie Wind vom Menſchen aufgenommen hat, ohne denſelben eräugen zu können. Tritt aber der Menſch in das Sehfeld, dann weiß ſie den Jäger vor dem Hirten, Wurzelgräber oder dgl. Gelichter ſcharf zu unterſcheiden. Oft genügt die Witterung allein, um den Jäger oder den Alpenhirten zu er— kennen, was ich hundertemale zu beobachten Gelegenheit hatte, mich übrigens auch aus naheliegenden Gründen nicht ſonderlich darüber verwunderte. Im Augenblicke der Gefahr zeigt unſere Alpenantilope ihre vollendeten Kletterkünſte und ihre immenſe Springfähigkeit. Bietet ein Fels auch nur einen kleinen Neigungswinkel, da und dort eine kleine Unebenheit, ſo wird ſie daran hinaufeilen. Die ſtahlharten Schalen mit den ſcharfen Rändern wiſſen an der kleinſten Er— hebung oder Vertiefung ſicheren Stand zu faſſen. Geht's geradeaus nicht, ſo verſucht ſie es im Zickzack oder in Serpentinen. Sie berechnet, erwägt, prüft, falls ihr Zeit geboten, ſonſt ſtürmt ſie wild drein, aber auch dann noch weiß ſie mit bewunderungswürdiger Geiſtesgegenwart, mit geübtem Scharfblicke die kleinſte Erhebung für ſich auszunützen und einen Ausweg zu finden. Ehe man ſichs verſieht, hat ſie eine unerſteigbare Felswand gewonnen, wechſelt dort ein ſchmales Felsband entlang, der ſchauerlichen Abgründe nicht achtend, jo daſs man kaum weiß, was man mehr bewundern ſoll, ihre Geſchicklichkeit oder ihre Ausdauer und verwegene Kühnheit. Auf einer Fläche von einem Quadratdecimeter ſteht ſie die Läufe zuſammen⸗ gedrängt mit derſelben Sicherheit, wie auf einer großen Fläche. So klettert ſie hinauf, von Ter— raſſe zu Terraſſe, und bald ſagen uns nur noch die losgelösten Steintrümmer, dajs ſich ein Lebeweſen da ſeinen Weg geſucht habe. Viel lieber klettert die Gemſe im harten Geſtein als in bröckelnden Formationen. Beſondere Auf- merkſamkeit ſchenkt ſie auch den Raſenſtücken, die vereinzelt oder zu Bändern vereint einzelne Felspartien bedecken. Dieſe betritt ſie ſehr be— hutſam, bis fie ſich von der Feſtigkeit überzeugt hat. Im Momente der Gefahr ſcheint die Gemſe ordentlich von Zauberkraft beſeelt zu ſein. Mit dem Muthe der Verzweiflung ſaust ſie wie der Sturmwind dahin, ohne auch nur einen Fehl— tritt zu machen. Einmal hatte ich eine Gemſe Gemſe. 327 in ein Gewirre von Felswänden gedrängt, aus dem es meiner Anſicht nach abſolut kein Ent— kommen mehr gab, ich mithin ruhig ein wildes Zurückbrechen erwarten zu können glaubte. Die niedrigſte Wand war 15 m hoch und nur äußerſt ſchwach geneigt. Auf ca. 2m Entfernung ſetzte fie zum raſenden Sprunge an, daj3 das am Fels— fuße liegende loſe Geſtein auseinanderſtob. Sie ſprang ſehr hoch, ſtürzte jedoch zurück, verſuchte aber noch den zweiten Satz. Da auch dieſer miſslang, ſtieß ſie einen Ton der höchſten Angſt aus, flog nochmals wie ein elaſtiſcher Ball den Felſen an, fand endlich einen kaum wallnuſs— großen Stützpunkt, zwei Sätze noch und das geängſtigte Thier hatte das mir unmöglich ſcheinende Kunſtſtück vollführt. Da das Geſtein nicht ſehr feſt war, konnte ich überall die Spuren der Schalenränder verfolgen. Faſt Unglaubliches leiſtet die Gemſe auch im Ueberſetzen von Felsſpalten und Schluchten. Die Vorderläufe einen Augenblick im Fluge an— ziehend, ſchnellt ſie mit den Hinterläufen einer plötzlich aus der Spannung geſtellten Bogen— ſehne gleich vorwärts, 2, 3 ja im in einem Fluge nehmend. Wird ſie nicht verfolgt, erwägt ſie vorſichtig den Sprung, ſchnellt erſt wie zur Probe empor und führt dann mit Sicherheit das Kunſtſtück aus. So überwindet ſie Klüfte, die mehrmal ihre eigene Körperlänge übertreffen. Brehm erwähnt in ſeinem „Thierleben“ einen von Wolten gemeſſenen Sprung von 7 m Länge. Ich hatte ſelbſt Gelegenheit, Abſprünge von 4 m, von 5°60 und 5˙90 m zu meſſen. Wie manche ſolcher Sprünge mag eine Gemſe ausführen! Angeſichts der höchſten Gefahr kann es zu— weilen vorkommen, dajs eine Gemſe ihre Kraft überſchätzt. Brehm berichtet einen Fall, in welchem ein Gemsbock über einen Felſen von nahezu 100 m niederſprang. Vom Dobratſch in Kärnten iſt ein Fall bekannt, daſs eine Gemſe durch einen zu kühnen Sprung über 40 m hoch ſtürzte, ohne ſich dabei erheblich zu verletzen. Ein Fall iſt mir bekannt, in dem ein ſchwer angeſchoſſener Gemsbock noch den Sprung über eine 6m breite Schlucht gewagt und auch glück— lich ausgeführt hatte. Solche Beiſpiele beweiſen einerſeits die immenſe Sprungkraft, andererſeits zeigen ſie wieder, dass eine Gemſe nicht jo leicht Schaden nimmt, wenn ſie auch einmal durch einen ver— fehlten Sprung in die Tiefe ſtürzt. Der Grund hievon liegt darin, daſs ſie ſich im Sturze ſo zu halten ſucht, daſs ſie unten auf die weit geſpreizten Läufe kommt und ſo ſelbſt ein ſtarker Stoß gemildert wird. Daſs die Gemſen beim Erklettern von Felskaminen mit lockerem Geſtein beſondere Vorſicht anwenden, erſt ein Stück den Kamin erklimmt, bevor das andere folgt, hat ſchon v. Tſchudi beobachtet, und ich kann es aus mehr- maligen Beobachtungen beſtätigen. In ſolchen gefährlichen Paſſagen bethätigt die Gemſe ihre praktiſche Erfahrung, ihr zielbewußtes Denken und wohlberechnete Überlegung in unleugbarer Weiſe. Intereſſant iſt es auch, zu ſehen, wie die Gemsgais ihre Deſcendenz von Jugend an im Klettern unterrichtet. Gewöhnlich ſucht ſie ſich zu ihrem Wochen— bette die entlegenſten, ruhigſten Alpenpartien aus. Hier ſetzt ſie ihr Kitzchen, leckt es ſorfältig trocken und ſchiebt es dann ans Geſäuge. Nach wenig Stunden ſchon macht es Gehverſuche, was jedoch erſt nach zahlloſen mißglückten Proben halbwegs gelingt. Aber ſchon am zweiten Tage weiß es ſich ſo ſicher auf den Läufen zu halten, daſs es einem Menſchen ohne die übli— chen Schreckmittel ſchwer gelingen würde, es im Freien zu fangen. Erſt führt es die Gais auf Wieſen und Raſenplätze, tanzt vor ihm in när— riſchen Sprüngen und kindiſchem Spiele einher, es ſo zur Nachahmung ermunternd. Wie das Kitzchen mehr erſtarkt, legt ſie erſt im Spiele eine kurze Strecke zurück, greift dann plötzlich weit aus, ſo einem Hügel zuraſend. Das Kitz bemerkt kaum den immer ſich vergrößernden Abſtand, ſo ſtrengt es ſich eine kleine Weile an, bleibt dann aber meckernd ſtehen. Die Gais ſtößt ebenfalls einen meckernden Lockton aus, aber dann thut ſich der kleine Knirps erſt recht vollends nieder, ſchreit aus vollem Halſe, bis es die ſorgliche Mutter wieder mit allerhand Künſten beſänftigt hat. Wenig Tage ſpäter folgen ſchon Übungen im Erklettern von Stein— blöcken, wobei die Mutter es ſo lange vormacht, his es auch dem Kitz gelingt. Dieſe Lection geht indes auch nicht ohne kleine Scenen von Ungezogenheit ab. Weit und weiter dehnt ſich das Übungsfeld, leichtere Felspartien kommen an die Reihe und ſchon nach einem Monate hat das Kitz eine bewunderungswürdige Fertig— keit im Springen und Klettern ſich angeeignet. Meiſtens führt die Gais noch die De— ſcendenz der letzten zwei Jahre und dieſe muss auch bei der Erziehung des jungen Alpenbür— gers dadurch mithelfen, dass ihre noch rege Luft zum Spiele eine ſtete Aneiferung für den jungen Novizen bildet. Es iſt ein wirklich reizendes Bild, eine ſolche Gemsfamilie beiſammen zu ſehen, zu beobachten, wie ſie Kämpfe maskiren, plötzlich abbrechen, um in tollen Fluchten einer Dickung entgegenzueilen, wie verſteckend von Steinblock zu Steinblock zu wechſeln und alle erdenklichen Allotria zu treiben. Die Gais be— trachtet ſelbſtgefällig ihre flotte Nachkommenſchaft, wacht aber über ſie mit ängſtlicher, beſtändig angeſtrengter Vorſicht, beobachtet ſogar gewiſſe Rufe beſtimmter Vogelarten. Wenn eine Amſel die jedem Jäger wohlbekannten Rufe ausſtößt, der Heher ſeinen Schreiruf oder das Alpen— Schneehuhn ſeine gurgelnden Lachtöne hören läſst, der Jochrabe ſeine Anweſenheit verkündet, dann iſt mit einem Schlage das friedlich reizende Bildchen in ein fluchtbereites verwandelt. Das Kitz flüchtet ſich ängſtlich unter die Gais, höch— ſtens wagt es, zwiſchen den Vorderläufen der— ſelben hervorzuäugen. Mit der zunehmenden Stärke und Agilität der Deſeendenz erwacht wieder mehr der alte Geſellſchaftstrieb. Mehr und mehr ziehen ſie ſich zu Rudeln zuſammen, nur die Böcke ſpielen noch die unabhängigen Herren und treiben ſich allein oder zu zweien im Reviere herum. Recht ver- droſſene alte Burſche meiden indes jede Ge— ſellſchaft, beziehen, wenn es halbwegs angeht, die Holzregion, um da ein beſchauliches Ein— 328 Gemſe. ſiedlerleben zu führen. Solche Böcke ſind unter dem Namen Einſiedler, Laub-, Lauber-, Latſchen⸗, Wald- oder Stoßböcke in der Jägerwelt be— kannt. Dieſe Böcke ſind meiſt ſtark, gut bei Leibe, dulden aber in ihrem Gebiete einen ſchwächeren Bock nicht. Sie ſind äußerſt ab— gefeimt, kennen alles im Reviere, ſind nicht ſcheu wie die Keesgemſe, ſondern nur vorſichtig. Unübertroffen hat Freund v. Kobell dieſe Ein— ſiedler geſchildert: „Ein alter Gemsbock, ein alter Hirſch Die ſpielen den Einſiedler gern, Sie weilen beſchaulich am ſtillen Ort Und bleiben dem Rudel fern. Wird aber am Wald des Herbſtes Pracht Vielfarbig aufgerollt, Und kommt für die Hochzeitsfeier der Tag Und ſchimmern die Lärchen in Gold, Dann laſſen ſie eiligſt die Einſiedelei Und ſind wieder ſchneidig und jung, Und ſind die erſten voran im Tanz; Sah e 's oft mit Verwunderung. Wenn ſich die Gemſen zu Anfang des Herbſtes rudeln, vertreiben ſie ſich oft die Zeit mit allerlei Spielen. Sie ſtoßen gegen einander, fingiren Angriffe, um dann plötzlich in faſt rechten Winkeln abzuſpritzen, fliehen, kehren plötzlich um, treiben ſich gegenſeitig um die Steinblöcke herum, auf einen Pfiff eilen ſie alle die nächſte Höhe empor. So geht es einen großen Theil des Tages. Wittern ſie aber eine Gefahr, dann iſt es für dieſen Tag aus mit Spiel und Luſt. Das ergötzlichſte Spiel iſt, wenn ſie auf den Schneelawinen ſich auf die Hinterläufe ſetzen, die vorderen auseinanderſpreizen und ſo im raſchen Tempo das Schneefeld herniederſchnurren. Brehm erwähnt dieſes Spiel und ich hatte einigemale Gelegenheit, es durch längere Zeit ſelbſt zu beobachten. Dieſe Rutſchpartien möchte ich faſt als eine ernſte Übung für ſolche Mo— mente betrachten, in denen es der Gemſe ab— ſolut nothwendig iſt, über ſteile Flächen rutſchend ihr Heil in der Flucht ſuchen zu müſſen. Ob— wohl ſie bergauf unbedingt am leichteſten flüchtet, iſt ſie doch bergab nicht ungewandt, weiß ſogar ſchwierige Stellen, ſteile Felslehnen ꝛc. mit vielem Geſchick zu nehmen. Mit eingebogenen Hinterläufen, die vorderen breit ausgeſpreizt, ſchnurren ſie in Wendungen und Serpentinen die ſteilſten Stellen hinab, dabei jede rauhe Stelle benügend, um etwas Halt zu gewinnen und die Schnelligkeit zu vermindern. Im Noth— falle laſſen ſie ſich ſogar auf den Bauch nieder und rudern ſich mit den Vorderläufen der ge— wünſchten Richtung zu. Kommt ein ſenkrechter Abfall inzwiſchen, ſo beſinnen ſie ſich nicht lange, einen Abſprung von 10—15 m Höhe zu machen. Trotz der oft unüberwindlich ſcheinenden Schwie— rigkeit des Terrains iſt es bis jetzt noch nicht beobachtet worden, dajs ſich eine Gemſe verſtellt hätte, wie dies bei Ziegen und Hunden nicht ſelten vorkommt. Bevor ſie auf einem Platze verbleibt, verſucht ſie das Unmögliche, zieht es vor, in ihrer Tollkühnheit in den Tod zu ſtür— men, ſtatt wie die verſtellten Ziegen an einem Platze erbärmlich zu verhungern. In älteren und auch noch jüngeren Natur— geſchichten findet man den Satz: „Wenn die Gemſen in Ruhe ſind, ſtellen ſie Schildwachen aus.“ Es dürfte endlich an der Zeit ſein, dieſen den directen Beobachtungen wiederſprechenden Satz über Bord zu werfen. Das Gemsrudel thut ſich meiſt an expo— nirten Punkten nieder, wo es die Gegend voll— ſtändig beherrſcht. Ein hoher Grad von Neu— gierde hilft dazu, daſs nicht das mindeſte Un— bekannte der Beobachtung entgeht. Eine abſolute allgemeine Ruhe in einem Rudel gibt es über— haupt nicht. Hier wechſelt eine Gemſe ihre Lage, dort rutſcht eine andere vor- oder rückwärts, eine dritte ſchüttelt den Kopf, um die zudring— lichen Fliegen zu verſcheuchen, der Schatten eines vorbeihuſchenden Vogels erregt die Auf— merkſamkeit, bald gelüſtet es die Eine ihre Nachbarin zu necken, bald winkt in der Nähe ein Bergkräutlein, das zum Abzupfen reizt und hundert ſolcher Zufälligkeiten mehr. Da iſt dann durchaus kein Wunder, wenn der nahende Menſch von der einen oder anderen Gemſe eräugt wird. Der Trieb der Selbſterhaltung veranlajst fie, den warnenden Pfiff auszuſtoßen und ſo das ganze Rudel zu alarmieren. R. v. Dombrowski ſagt: „Geſtützt auf eigene Erfahrungen und Be— obachtungen wie auch auf die erfahrener und verläſslicher Hochgebirgsjäger muſs ich die Schilderungen über die Wachgemſe in das Ge— biet der Fabel, in jene des Jägerlateins ver— weiſen.“ Dem ſtimme ich vollkommen bei. Ein Aufſtellen einer eigenen Wache, welche die Sorge um die Sicherheit übernimmt, damit ſich die anderen der ſorgloſen Ruhe hingeben können, gibt es nicht und hat es nie gegeben. Ein bemerkenswerter Unterſchied bezüglich der Sorge um die eigene Sicherheit exiſtirt zwi— ſchen Wald- und Keesgemſen. Die Waldgemſe hat weit öfter Gelegenheit, den Menſchen wahrzu— nehmen, vernimmt die verſchiedenartigſten Ge— räuſche, gewöhnt ſich daran, dieſelben auf ihren wahren Wert zu taxiren. Sie wird kein unge— wohntes Geräuſch unbeachtet laſſen, aber auch nicht bei jedem Schalle die Flucht ergreifen. Die Keesgemſe dagegen wird durch jeden un— gewohnten Ton in fieberhafte Unruhe verſetzt, ſie ergreift ohne Überlegung die Flucht. Der lärmende Touriſt, den ſie vielleicht ſchon wieder— holt eräugt oder vernommen hat, wird ſie auch zum hundertſtenmale zur wildeſten Flucht ver— anlaſſen. Man kann ſagen: „Die Waldgemſe iſt vorſichtig; die Keesgemſe iſt ſcheu.“ Hervorragend entwickelt iſt bei allen Gemſen der Ortsſinn und die Orientierungsgabe. Einen Wechſel werden ſie ſtets, ſelbſt bei Sturm, Schneegeſtöber oder dichtem Nebel, immer be— ſtimmt auffinden. Die Stelle, an welcher eine Gemſe verendet liegen blieb, bis Adler, Geier und Raben das Skelett blank genagt, wird für lange Zeit gemieden, ein zufällig entdeckter, ſicherer Einſtand wird im Momente der Gefahr jahrelang aufgeſucht und gefunden, ſei er auch noch jo fern, deſſen Erreichung noch jo ſchwierig. In den Schründen des Reißkofels gewann eine in die Enge getriebene Gemsgais unter den verzweifeltſten Anſtrengungen einen Einſtand, der früher nie angenommen wurde, ja ſelbſt den Gemſen durchaus unbekannt war. Da der kühne Sprung die Gais rettete, ſuchte ſie dieſen Ein— ſtand jedesmal ſofort auf, ſobald ſie einen Gemſe. Jäger oder Treiber in den Wänden des Kofels bemerkte. In kritiſchen Momenten ſcheut die Gemſe auch vor dem Waſſer nicht zurück, ſchwimmt zwar ſchwerfällig, aber trotzdem mit großer Ausdauer. Auf dem Bodenſee wurden 1884 zwei Gemſen in einer ſehr bedeutenden Entfer— nung vom Lande lebend aufgefiſcht. Von meh— reren Schweizerſeen ſind ſolche Beiſpiele be— kannt. Am Col de Diavolo beobachtete ich, wie ein Rudel ohne die mindeſte Scheu den am Fuße liegenden Bergſee annahm und in einer Länge von 400 m durchſchwamm. Wieder am Ufer angekommen, ſchüttelten ſie ſich nach Art durchnäſster Ziegen und wechſelten hurtig weiter. Der Capitän des kleinen Dampfers am St. Wolfgangſee verſichert ebenfalls, bei ſeiner Fahrt zwiſchen Strobel und St. Gilgen öfter ſchwimmende Gemſen beobachtet zu haben. Eigenthümlich iſt der Umstand, daſs oft Gemſen ohne zwingende Veranlaſſung die Ge— birge verlaſſen und im Thale erſcheinen. Be— ſonders häufig wurden ſolche Fälle im Jahre 1885 in verſchiedenen Gegenden der Schweiz conſtatiert. In Steiermark, Salzburg und Kärnthen ſind ebenfalls mehrere Fälle zu ver— zeichnen, daſfs Gemſen in den Thälern geſehen oder erlegt wurden. Aus Nordtirol wurde ſogar berichtet, daſs eine Gemſe während des Gottes— dienſtes in der Kirche erſchienen ſei und dieſelbe unbehelligt wieder verlaſſen habe. Der Sommer mit ſeiner Blütenfülle iſt jedenfalls die ſchönſte Zeit im Daſein der Gemſe. Ganz anders geſtaltet ſich ihr Leben im Herbſte und im Winter. Schon der Herbſt mit ſeinen Pürſchgängen und Treibjagden iſt für ſie eine böſe, unruhige Zeit. Da ſchwebt ſie faſt in beſtändiger Aufregung und Furcht. Hat ſie heute durch eine tolle Flucht, durch eine halsbrecheriſche Partie ſich ihr Leben erkauft, begegnet ihr morgen die Gefahr ſchon wieder auf einer anderen Seite. Längs der Wände und Schluchten rollt der ſcharfe Knall der Kugel— büchſe, ertönt der Lärm der Treiber oder klängen die Steine, losgelöst von einem uns vorſichtig pürſchenden Jäger. Da ziehen ſich die Gemſen hinauf in die höchſten Regionen, wo nur ſparſam noch vereinzelte Bergkräutlein aus den Steinritzen ſprießen oder zähe Flechten Boden und Geſtein überziehen. Die duftigen Alpenmatten tragen ein fahles, melancholiſches Colorit, die meiſten Vogelarten haben ſich dem Süden zugewendet, der Hirte mit ſeiner Herde iſt ebenfalls verſchwunden und von den Fels— zacken tönt der heiſere Lärm der Schneedohlen oder das unheimliche Krächzen des Jochraben. Die dick einherwallenden Wolkenmaſſen hängen bleiſchwer an den Kämmen und Hörnern, den Eintritt des Winters verkündend. Die Gemſe hat ihre dicke Winterdecke erhalten, iſt ſomit gegen Kälte geſchützt, aber die immer dichter niedertanzenden Schneeflocken decken die noch vorhandenen wenigen dürren Hälmchen zu. Nur mühſam kann die ſpärliche Aſung unter dem Schnee herausgeſchlagen werden. Zu An— fang des Winters helfen die Freuden der Brunft über manche Unannehmlichkeit hinweg, aber dieſe rächen ſich bitter. Verlottert und 329 herabgekommen wechſeln die Böcke über die öden Schneefelder, mühevoll einzelne Gras— büſchel oder Flechten unter dem Schnee hervor— ſchlagend. Meter um Meter häuft ſich die Schneelage, ſo die Gemſen zwingend, die tie— feren Lagen, die Hochgebirgswälder aufzuſuchen, um daſelbſt die Brombeerblätter und halb— erfrorenen Stengel des Traubenhollunders auf— zunehmen oder die von den Aſten in langen Strängen niederhängenden Bartflechten (Usnea barbata) zu äfen Ab und zu winken noch bei einem Bergwäſſerlein das grüne Kraut der Alpenkreſſe, aber im Verlaufe des Winters wird auch das eingeweht oder eingeeist. Im dichten Flockentanze, im pfeifenden Nordſturme ruht das Rudel, oft einer Anzahl von Schnee— hügelchen ähnlich. Viele Wechſel ſind durch die Eisgallen ungangbar, manches Gebiet dadurch gar nicht mehr zugänglich. Ein vergeſſener Heuſchober iſt in ſolchen Zeiten eine wahre Wohlthat und wird gerne angenommen, wenn ſonſt überall nur der blaſſe Hunger winkt. Bei den einzeln ſtehenden, weitäſtigen Bergfichten, um die herum der Schnee meterhohe Wälle ge— bildet hat, nehmen ſie gerne Aufenthalt und verlaſſen den Keſſel tagelang nicht, beſonders wenn ſie Flechten am Baume erlangen. Bis hoch hinauf äſen ſie, auf die Hinterläufe ſich ſtellend, die Fäden der Usnea barbata herab. Dabei wird hie und da ein Aſt loſe gerüttelt, entledigt ſich ſeiner Schueelaſt und ſchnellt empor. Wenn er ſich in den Krikeln verfängt, wird die arme Gemſe mitgeriſſen, kann ſich nicht mehr ablöſen und mufs jo elend ver— enden. Im Frühjahre findet vielleicht ein Alpen— hirte das Skelett oder einzelne Theile hoch droben in der Fichte hängend. Solche Fälle ſind keine beſondere Seltenheit. Ein altes Dogma ſagt, daßs ſich die Gemſen ihre Winterſtände nur an Stellen nehmen, welche vor den Lawinengängen ſicher ſeien. Schade, daſs die Wirklichkeit dieſer ſchönen Sage unbarmherzig entgegentritt! Ich ſelbſt habe mit meinen Jägern einmal unter einer Lawine 20 Gemſen herausgegraben. In den Hochlagen iſt ſelten ein Frühjahr, in dem man nicht da oder dort bei dem Schmelzen der Lawinenmaſſen einige Gemſen findet. Wenn die Gemſen auch oft ſichere Einſtände wählen, ſo iſt dies doch nicht immer der Fall. Oft werden ſie auch, auf Aſung ziehend, von einer plötzlich abgeriſſenen Lawine erfaſst oder von dem vor derſelben hergehenden ungeheueren Luftdrucke mitgeriſſen. Nicht ſelten werden die Lawinen gerade von den Gemſen ſelbſt abgetreten. Sie kennen nur zu gut die Gefahr, die in den niederdonnernden Schneemaſſen liegt. Wenn ſie den Donner der Lawine hören, ſtrecken ſie Köpfe hoch empor, drängen ſich dicht aneinander, bis das furchtbare Brauſen verſtummt. Bemerken ſie, daſs die Lawine direct auf ſie zukommt, ſpritzen ſie in heller Verzweiflung auseinander, ſuchen aus dem Lawinenbereiche zu gelangen, was ihnen leider nicht immer gelingt. Einmal beobachtete ich ein Rudel, das ſich bei dem Niederbrüllen eines ſolchen Rieſenballes noch mit knapper Noth unter eine überhängende Felswand rettete. Als die Lawine darüber weg— 330 Gemſe. geſaust war, lagen ſie an dem Felſen, als ob der Anprall ſie hingeſchleudert hätte, und lange konnte ich mit dem Glaſe nicht unterſcheiden, ob noch Leben in ihnen jei. Erſt nach längerer Zeit erhob ſich eine nach der andern. Noch gegen Ende März 1888 war ich wieder Augenzeuge einer ergreifenden Kata— ſtrophe. Ich befand mich auf einem Ausſichts— puntte, von wo aus ich durch das Glas das Wild der gegenüber liegenden ſteilen Berglehne beobachten konnte. In einer ziemlich tiefen Lage tummelte ſich ein Rudel von zehn Gemſen. Gegen Mittag, als ſich das Wild ſorglos in den tiefen Schnee niedergethan hatte, brach oben am Kamme eine Lawine. Kaum hatten die Gemſen das Toſen vernommen, ſchnellten ſie wie vom Blitze geſchleudert in die Höhe, ver— ſuchten in rieſigen Sätzen nach den Seiten zu flüchten, wurden aber, ehe ihnen dies gelang, von dem vorauseilenden Luftdrucke über eine nicht ſehr hohe Wand hinabgeſchleudert. In einer Secunde waren ſie dort allerdings wieder auf den Läufen, ſchnellten ſich mit unglaublicher Kraft empor, aber die nächſte Secunde waren ſie unter der ungeheuren Lawine begraben. Bei einem Felsabſatze wurde eine Gemſe nochmals weit in die Luft hinabgeſchleudert, verſchwand aber ſofort wieder in dem hölliſchen Chaos von Schneemaſſen, Steintrümmern und mitgeriſſenen Baumſtämmen. Als die Lawine unten an den Fuß des gegenüber aufſteigenden Berges, auf dem ich ſtand, anſchlug, erzitterte derſelbe wie von einem heftigen Erdbeben. Obwohl die Luft— linie über einen Kilometer weit entfernt war, warf mich der Luftdruck zu Boden, dajs die Ständer in der Luft baumelten. Mitunter hat die Gemſe auch an Schnee— blindheit zu leiden, obwohl ihre Lichter durch die Zuſammenziehbarkeit der Centralkammern dieſem Übel weniger ausgeſetzt iſt als unſer empfindliches Sehorgan. Die allzuſtarke Ein— wirkung der Reflexſtrahlen, die ſehr intenſiv wirken können, irritiert auch in einzelnen Fällen die Lichter. Schneeblinde Gemſen ſtehen ent— weder mit hochgehobenem Kopfe, oder tappen planlos herum, ſtoßen an Steine u. dgl. an und vermögen nur langſam dem Rudel mit dem Winde zu folgen. Entfernt ſich dieſer zu weit, thut ſich das Stück nieder. Obwohl ſich in der Regel dieſe Blindheit in der kom— menden Nacht hebt, gibt es doch auch Fälle, daſs dieſelbe mehrere Tage anhält. In einem ſolchen Falle iſt rund um die Gemſe herum der Schnee weggeſchlagen und der Raſen bis auf die harte Erde abgeäst. Im Herbſte 1885 wurde in Oberkärnten eine Gemſe erlegt, die total blind war. Dieſe kam im Treiben hinter dem Rudel her, hielt ängſtlich den Wechſel ein, ging aber doch ſehr flüchtig. Erſt auf der Strecke bemerkte man, daſs ein weißgraues Häutchen die beiden Lichter vollſtändig überzogen hatte, u. zw. ſo dicht, daſs ein Durchdringen des Lichtſtrahles unmög— lich mehr angenommen werden konnte. Wahr— ſcheinlich hatte ſie ſich bei ſucceſſiver Erblin— dung mit dem Winde beim Rudel erhalten, ſich an beſtimmte Wechſel gewöhnt und ſo ihr elendes Daſein fortgefriſtet. Der Eintritt der Brunftzeit hängt ſehr von localen, klimatiſchen und telluriſchen Verhält⸗ niſſen ab. An einzelnen Orten beginnt ſie ſchon um den 20. October herum, an anderen beginnt ſie im November, dauert ausnahmsweiſe auch bis in den December hinein. Schon lange vor dem eigentlichen Beginne bemerkt man an den Böcken eine auffallende Unruhe. Auch den griesgrämigen Einſiedlern behagt ihre Einſamkeit nicht mehr; ſie wechſeln den Hochlagen zu. Erſt iſt es ein ſchwacher, aber doch ganz beſtimmter Trieb, der die Böcke zu den Rudeln bringt. Mit einer ungewiſſen Scheu ſtöbern ſie anfangs in der Nähe der Rudel umher, werden aber bald keck und machen ſich heimiſch. Die Brunftfeigen beginnen raſch anzuſchwellen, und die Böcke beginnen immer entſchiedener als Liebhaber aufzutreten. Sie trippeln neben den Gaiſen her, richten ſtolz und ſelbſtgefällig ihre Figur vor ihnen auf, ſchnup⸗ pern neckiſch nach den Grasbüſcheln, welche die Gaiſen abzuäſen im Begriffe ſind, und ver⸗ folgen ſie beſtändig mit ihren etwas unge— ſchlachten Galanterien. Steht ein ſtarker Bock mit mehreren ſchwächeren beim Rudel, ſo ſucht er dieſelben abzudrängen, beſchränkt ſich jedoch im Anfange meiſtens darauf, ihnen mit nicht miſszuverſtehender Miene die Krikeln zu weiſen. Aufmerkſam meſſen ſich die Böcke gegenſeitig, als wollten ſie ein Urtheil über das Verhalten bilden, falls es zu ernſten Differenzen kommen ſollte. Je näher die eigentliche Brunft anrückt, umſo mehr ſondert die Brunftdruſe eine ſeröſe, äußerſt übelriechende Flüſſigkeit ab, welche die Haare zuſammenballt und dem ganzen Bocke ein durchaus übles Odeur verleiht. Da die Gemſen in der Feiſtzeit ſtehen, ihre Figur durch das dichte, längere Winterhaar noch bedeutend gehoben wird, ſind namentlich die Böcke recht ſtattliche Geſtalten, und der leiſeſte Luftzug ver⸗ ſetzt den Gamsbart in beſtändige Wallung, was ſich recht hübſch ausnimmt. Iſt dann die Brunft vollſtändig zur Geltung gekommen, ſo be— mächtigt ſich der Böcke eine wahrhaft fieber- hafte Unruhe. Wie toll wechſeln ſie im Reviere herum, auf und ab, bald zu dieſem, bald zu jenem Rudel, dabei oft unglaubliche Weiten in einem Tage zurücklegend. Sobald ſie zu einem Rudel treten, das ſchon ein Bock beherrſcht, gibt es Kämpfe, worauf ſie ihr Glück bei einem anderen Rudel verſuchen. Durch einen dumpf blöckend-grunzenden Ton, den man nur zur Brunftzeit vernimmt, ſcheinen ſie die Gunſt ihrer Schönen erflehen zu wollen. So plump die Liebesäußerungen bei dem Bocke ſind, ſo erregen ſie doch das ſichtliche Wohlgefallen der Gaiſen. Erſt geben fie ſich freilich gar zimpfer- lich, zieren ſich und coquettieren, ſchlagen bald dieſem bald jenem ein Schnippchen, wenn er ſich an dem Ziele ſeiner Wünſche glaubt. Starke Böcke pflegen ſolche Extravaganzen bald zu be— enden; ſie ſtürmen wild auf den Nebenbuhler ein, ſchlagen wohl auch unter zornigem Grunzen gegen die leichtfertigen Schönen. So ein ſtarker Bock iſt über die Maßen eiferſüchtig, treibt oft mehrere kleine Rudel zuſammen, die er ſich weit herholt, ſie in raſender Eile ſeinem Brunft⸗ platze zuſprengend, damit ihm nicht etwa ein Gemſe. 331 ungebetener Gaſt daſelbſt inzwiſchen etwas anrichte. Die Gemſe wählt gewöhnlich ruhige, in der Krummholzregion gelegene Alpentriften mit freier Ausſicht zum Brunftplane und hält den— ſelben, wenn ſie keine Beunruhigung erfährt, jahrelang ein. Es iſt dies ein deutlicher Wink für den hegenden Jäger, ſolche Plätze durchaus unbeſchoſſen zu laſſen, ſie nach Möglichkeit vor jeder Störung zu ſchützen. Sobald ein Bock die vollſtändige Herrſchaft auf ſeinem Plane erkeunt, dann legt er die frühere Galanterie vollſtändig ab, ſtößt, ſchlägt und miſshandelt ſeine Gaiſen in der rückſichts— loſeſten Weiſe, was ſich dieſelben ziemlich ruhig gefallen laſſen, falls er nur tapfer ſeinen Mann ſtellt. Dafür iſt er aber auch im Beſchlage un— erſättlich. Meiſt ſucht er ſich zuerſt die Schmal— gaiſen aus, die fliehen, ſich drehen und winden, dadurch aber den Bock erſt recht in Raſerei bringen. In wüthenden Sätzen ſprengt er die— ſelben ſo lange, bis er ſein Ziel erreicht; die anderen Gaiſen ſtehen inzwiſchen gewöhnlich in den nächſten Latſchendickungen und äugen ruhig dem Treiben zu, falls ſich nicht etwa von rück— wärts ein Böcklein herzugeſtohlen hat, das etwaige Kränkungen wegen Zurückſetzung ſofort ausgleicht, mitunter auch mit einer lüſternen Gais „durchbrennt“, um weit genug entfernt, allein zu zweien die traulichen Flitterwochen zu verleben. Solche vereinzelte Paare findet man in der Umgebung eines großen Brunftplanes faſt immer. Bemerkt der Platzbock eine ſolche Entführung, folgt er der Treuloſen wohl eine kurze Strecke, kehrt dann aber reſigniert zurück, um größeres Übel zu verhüten. Er baut ſehr wenig auf die Treue ſeiner Erkorenen, hat auch dazu allen Grund, denn hat eine Gais einmal den ungeſtümen Werbungen Gehör geſchenkt, ſo iſt ſie ebenſo liebestoll als der Bock und benützt jede ihr dargebotene Gelegenheit zu einem „kleinen Ausreißer“. Jüngere Böcke ſtehen immer in den Latſchen verſteckt und leiſten bei günſtiger Gelegenheit das denkbar Möglichſte, ſtieben aber blitzartig auseinander, ſobald ſie den wilden Brunftlaut des Platzbockes näher vernehmen. Stolz umkreist dieſer ſeinen Plan, ſucht ſich bald wieder eine Gais zum Beſchlage aus, die es ihrerſeits nicht ſelten an directen Mahnungen nicht fehlen läſst, wohl auch un— mittelbar von einem Beſchlage wegeilt, um ſich einem verſteckt harrenden jüngeren Bocke aber— mals hinzugeben. Einmal beobachtete ich, dass eine Gais den Beſchlag von drei ſchwachen Böcken duldete, ohne merklich den Platz zu wechſeln. Ein wild brunftender Bock iſt das Bild der höchſten Geilheit. Beſtändig näſst er gegen die Vorderläufe hin, dass ſich die Haare ganz roth abfärben. Wenig erbaulich ſieht auch der Brunft— plan aus; er iſt von hunderten von Fährten gekreuzt und gequert, ſpielt in allen Farben, roth, bräunlich und gelb auf der Schneelage und eine penetrante Witterung entſtrömt dem— ſelben. Ein intereſſantes Schauſpiel iſt es dagegen, wenn zwei ebenbürtige Rivalen am Brunftplane aufeinandertreffen. Sobald der Platzbock das Herannahen eines Rivalen bemerkt, ſtößt er in kurzen Abſätzen ſein blöckend-knurrendes Grun— zen aus, wirft den Windfang in die Höhe, ſtampft erbittert mit den Vorderläufen den Boden. Der Rivale beantwortet den Kampfruf, ſtampft ebenfalls wild nieder, wie herausfor— dernd die Krikeln weiſend. Einige Secunden ſtehen ſie ſich wie unentſchloſſen gegenüber, fahren dann aber plötzlich mit einem murrenden Plärrton auf einander los, daſs das Zuſam— menſchlagen der Krikeln weithin vernehmbar iſt. Der Zuſammenſtoß erfolgt mit tief geſenktem Windfang, der ſich jedoch raſch wieder hebt, um zu einem neuen Stoße auszuholen. Wird durch dieſes Anrennen eine Entſcheidung nicht herbei— geführt, ſo fahren ſie ſeitwärts zuſammen, ſuchen ſich mit den Krikeln zu verhäkeln und ſich gegenſeitig niederzuziehen. Oft reißen ſie mehrere Minuten lang ſo hin und her, bis ſie wieder los werden. Wüthend heben ſie ſich dann auf die Hinterläufe, biegen den Kopf ſeitwärts, ſo wieder zuſammenfahrend, um die Krikeln in den Hals oder Nacken des Gegners einzuhauen. Gelingt dies, dann ſetzt es böſe Wunden ab. Alte, erfahrene, kampfgeübte Burſche parieren ohne große Anſtrengung die hageldicht nieder— fallenden Stöße, verſetzen den Gegner in die raſendſte Wuth; erhebt er ſich dann auf die Hinterläufe, ſo wird er mit Blitzesſchnelle unterfahren, die Krikeln ſchlagen tief ein, ein unbarmherziger Ruck durchreißt die ſchwachen Dünnungen und das Geſcheide mit einem Strome von Schweiß quillt hervor. In dieſem Falle nimmt der Kampf einen raſchen tödlichen Ausgang. In der Nähe eines ſtark frequentierten Brunftplanes fand ich im Herbſte 1887 einen ſtarken fünfjährigen Bock verendet vor, zu wel— chem mir eine ſtarke Rothfährte den Weg zeigte. Anfangs dachte ich daran, dajs doch möglicher— weiſe trotz der ſtrengen Überwachung ein Wil— derer ſich eingeſchlichen haben könnte, wurde aber bei einer näheren Unterſuchung des ver— endeten Bockes eines Beſſeren belehrt. Zahl— reiche Riſſe in der Decke bezeugten, daſs er einen harten Strauß um der Minne heißbe— gehrten Sold durchgefochten hatte. Die ſchlimm— ſten Wunden hatte der arme Kerl am Halſe. Ein Schmiß von 19 em Länge und 6 em Tiefe hatte die Hauptarterien des Halſes durchriſſen und ſo das frühe Ende des tapferen Minne— ritters herbeigeführt. Etwas abweichend von meinen Beobach— tungen ſchildert Herr Oberjäger Dorn, ein ebenſo ſchneidiger wie praktiſcher Gemſenjäger, dieſe Kämpfe (ſ. „Der deutſche Jäger,“ Nr. 13, 1888), wenn er ſagt: „Der ſtreitbare Gemsbock verſteht ſeinem Gegner gegenüber ſeine Waffe ſehr vortheilhaft zu gebrauchen und den Feind zu verletzen. Gegen einander kämpfend wie Hirſche und Reh— böcke, habe ich Gemsböcke niemals beobachtet; meiſt beſteht der Kampf in einem gegenſeitigen Verfolgen und werden im Sprunge die Stöße von unten auf geführt, um den Gegner durch einen ſcharfen Riſs am Laufe oder den Weichen zu verletzen. Gemsdecken, welche Narben ſolcher Riſſe aufweiſen, waren früher die geſuchteſten 332 für Lederhoſen, weil man annahm, daſs ein Bock mit vielen Riſſen ein alter Recke ſei, und dieſer Decke gab man den Vorzug. In den Decken der Geiſen kommen nur wenige oder gar keine Riſſe vor. Der Kampf der Böcke wird meiſt auf folgende Weiſe geführt: Wenn zwei Böcke einander verfolgen, geht's zuerſt etwas langſam, den Grind aufrecht oder gerade aus— gereckt, wenn nicht abwärts gehalten, gegen einander, bis der weniger Beherzte die Flucht ergreift; in dieſem Augenblicke verſucht der ſtärkere Bock in größter Wuth durch einige Sprünge den anderen zu erreichen und durch einen raſchen Stoß und Riſs von unten nach aufwärts zu verletzen; dieſe Bewegung wird blitzſchnell ausgeführt.“ Nicht allein in den Wunden, die ſie am Halſe und an den Dünnungen beibringen, liegt eine ernste Gefahr für die Gemſe, ſondern auch in dem ſenkrechten Anpralle. Trifft der Krikel— bug ſenkrecht den dünnſten Theil der Hirnſchale, ſo wird dieſelbe nicht ſelten zerſchmettert, und der Bock ſinkt mit einem dumpfen Prää — ä zu Boden, um ſich nicht wieder zu erheben. Verkämpfen ſich zwei Gegner an einer ge— fährlichen Stelle, ſo reißt der eine ſeinen Rivalen mit in die Tiefe. Mitunter kommt es auch vor, daſs fie ſich mit den Krikeln jo verknüpfen, dajs ein Loslöſen unmöglich iſt und beide ihrem traurigen Schickſale verfallen ſind. Bei den Zweikämpfen gibt nicht allein die phyſiſche Kraft, ſonſt meiſt das reſervierte Zurückhalten zur rechten Zeit, die kluge Berechnung und die zweckmäßige Ausnützung der Terrainverhältniſſe den Ausſchlag. Ein noch wenig gewitzigter Platzbock ver— folgt einen abgekämpften Gegner große Strecken weit; ein bereits erfahrener dagegen läſst ſich das nicht mehr einfallen, tritt vielmehr nach Beendigung des Kampfes ſofort wieder zum Rudel. Ein recht widriges Bild am Brunftplane ſind die alten Geltgaiſen. Dieſe quälen den Bock mit geradezu impertinenter Unverſchämtheit, laſſen ihm weder Ruhe noch Raſt, ſuchen ihn am Beſchlage anderer Gaiſen zu hindern, laſſen ſich ſogar nicht abſchrecken, weun ſie von dem erzürnten Bocke empfindlich miſshandelt werden. Seit ich mich von dem wüſten Treiben dieſer er— grauten Sünderinnen überzeugt, muj3 jede auf der Pürſche fallen, ſobald ich ſie ſicher als Gelt— gais anſprechen kann. Der Brunfttrieb iſt ſowohl bei Böcken als bei den Gaiſen ein jo mächtiger, dafs fie ſelbſt bedeutende Schuſs- oder andere Wunden nicht hindern, an den Hochzeitsfreuden theilzu— nehmen. Nach den Behauptungen alter Jäger ſoll eine nicht fruchtbar gewordene Gais nach un— gefähr drei Wochen nach der eigentlichen Zeit abermals brunften und beſchlagen werden können. Thatſache iſt, daſs ſich bei einem Miſs— verhältnis der Geſchlechter die Brunft auffal— lend hinauszieht. Auch findet man im Früh— jahre ab und zu Kitze, welche gegen drei Wochen ſpäter als die anderen geſetzt worden ſind. Da dieſe Frage nur in der Gefangenſchaft an Gem— Gemſe. ſen gelöst werden kann, möge ſie hier eine offene bleiben. Nach 21 Wochen ſetzt die Gais ein oder zwei, in den ſeltenſten Fällen vielleicht auch drei Kitze. Obwohl der Act des Setzens für gewöhn— lich leicht vor ſich geht, kommen doch Fälle vor, in denen Querlagen das Setzen unmöglich 15 wobei die Gais erbärmlich eingehen mußs. Aus denk Umſtande, dafs ſich Steinböcke mit den Hausziegen fruchtbar vermiſchen, hat man den Schluss gezogen, daſs dies auch bei den Gemſen der Fall ſein könne. Dieſe Ver— muthung erhielt noch eine Stütze, als man be— obachtet hatte, daſs Gemsböcke brünftige Ziegen im Spätherbſte beſchlagen. In vielen Gegenden, wo die Gemſen mit den Hausziegen bis in den Spätherbſt hinein zuſammen kommen, klagen die Beſitzer über „Gamskitze“, welche ſchlechte Milchziegen abgeben ſollen und daher ſofort entfernt werden. Daſs Baſtardierungen zwiſchen Gemsbock und Hausziege vorkommen, ſteht außer Zweifel. Brehm reproduciert über dieſen Gegenſtand in feinem „Thierleben' einen Artikel, welcher der „Schweizeriſchen Jagdzeitung“ unterm 27. Mai 1867 aus Chur zugieng und folgendermaßen lautet: „Seit einigen Tagen befinden ſich hier ein paar Baſtardgemſen, Bock und Gais, welche die Theilnahme der Jäger in hohem Grade er— regen. Bekanntlich gelaug es öfters, Hausziegen mit Gemsböcken zu paaren, und die Jungen hatten dann von der Mutter blos die Farbe und die Hörnerform, vom Vater aber den aus— gezeichneten Gliederbau. Schon Bechſtein erzählt von einer Baſtardgemſe, welche im Gliederbau, beſonders in der hohen Stirne der Gemſe, in der Färbung dagegen der Ziege geglichen habe. Auch ſind nach Tſchudis Erfahrungen, welche ich beſtätigen kann, zuverläſſige Beiſpiele von fruchtbarer Kreuzung unſerer einheimiſchen Ziege mit der Gemſe im Freien bekannt. Der Ziegen- hirt von Koffna, woher obenerwähnte Gems— baſtarde kommen, erzählte, dafs er während des Sommers zu verſchiedenenmalen auf der Koff- ner Alpe Naſcharignas einen mächtigen () Gems⸗ bock geſehen habe, welcher von der Höhe des nahen Steinhorns an den ſteilen und felſigen Abhängen zu der unten weidenden Ziegenherde herabgekommen und auf der grünen blumigen Weide unter den Ziegen ſo lange hochzeitlich verweilt habe, bis er den Hirten ſich nahen ge— ſehen habe, und dann mit einigen kühnen Sprün— gen die Felſen hinaufkletternd, gegen die Spitzen der Berge verſchwunden wäre. Im März 1866 warf eine Ziege des Jacob Spinas in Koffna ein weibliches und im April 1866 eine Ziege des Johann Baptiſt Durlandt ein männliches Zicklein, welche beide als Baſtarde von Gemſe und Ziege erkannt wurden. Sie waren nackt und die Leute ſchrieben dieſe Erſcheinung dem Umſtande zu, daſs die Gemſen eine längere Tragzeit haben, als die Ziegen. Solche Baſtard— thiere bleiben auch ſpäter arm an Haaren und ſind gegen die Kälte empfindlich, darum auch hinfällig. Sehr ſelten bleiben ſie am Leben. Dieſe beiden aber ſind unter ſorgfältiger Pflege = a ö Gemſe. 333 des Jacob Pool aus Schwüringen, welcher | oder weniger entwickelten Brunfttriebe eine in— ſie kaufte, nun ſchon mehr als ein Jahr alt ge— worden und geſund und munter geblieben. Beide ſind ſehr eigenthümliche Thiere, namentlich der Bock iſt beachtenswert. Sein Stammbaum iſt unverkennbar, ganz beſonders am ſchwarzen faſt unbehaarten Kopfe mit dem lebhaften, dunklen Augenpaare. Die Hörner ſind ziegenartig, groß und dunkel. In allem übrigen verräth der Kopf auf den erſten Blick die ſtolze Gemsnatur. Die Baſtardgais unterſcheidet ſich wenig von der Ziege, iſt unten am Bauch faſt nackt und ſonſt im allgemeinen ſchlecht behaart. Der Bock zeigt ſich auch ſehr klug und macht ſeinem Pflege— herrn manchen Spaſs. Des Morgens kommt er aus dem Stalle an das Hausthor, klopft mit dem Gehörn an und wenn ihm nicht gleich auf— gemacht wird, ſtößt er zur Abwechslung das Thor ein, wiederholt dann dasſelbe Verfahren an der Stubenthür, ſpringt im Zimmer auf das Kanapee, zieht mit den Zähnen die Schublade des Tiſches hervor und läſst ſich das Brot ſchmecken. Für einen Thiergarten dürfte dieſes Pärchen, welches trotz häufiger Beſchläge des Bockes unfruchtbar geblieben, einen nicht gerin— gen Wert haben. Nach Bechſtein ſoll Graf Erbach-Erbach in ſeinem Thiergarten Baſtarde zwiſchen Gemsbock und der Hausziege erhalten haben. Im Jahre 1870 ſchoſs ich ein von einer verwilderten Hausziege geführtes Kitz, welches ſowohl in Bezug auf ſein Alter als auf die Bildung ſeines Kopfes und ſeiner Läufe als eine Baſtardform angeſprochen werden muſste. In der Gefangenſchaft paarte ich einen Gemsbock mit einer Ziege, und ſetzte diejelbe’ genau zehn Tage nach der normalen Tragzeit ein Kitz, das durch ſeine ſteile Stirn, die ſtarken Läufe und die auffallend bemerkbare Über— ſtellung die Verwandtſchaft mit der Gemſe verrieth. In ſeiner ſpäteren Entwicklung trat die Gemsnatur ausgeſprochen hervor. Das Kitz war weiblichen Geſchlechtes; am Geſäuge waren neben den zwei Zitzen noch die Rudimente zweier weiterer deutlich bemerkbar. Im Winter blieb dasſelbe nicht im Stalle, ſondern ſaß meiſt draußen auf einem nahen Hügel, wo es ſich ganz wohl zu fühlen ſchien, wenn es die Flocken in wilden Wirbeln umtanzten. Ob ſolche Blendlinge wieder fortpflanzungs— fähig ſeien, iſt bis jetzt noch nicht nachgewieſen worden. Nach der zurückgebliebenen Entwicklung der Sexualorgane bei den von mir unterſuchten Stücken möchte ich faſt an das Gegentheil glauben. Bei den in der Gefangenſchaft gehaltenen Böcken gelangt aus bis jetzt noch unbekannten Urſachen der Brunfttrieb nicht alljährlich und auch nicht jedesmal gleich ſtark zum Durchbruche, trotzdem ſie unter ziemlich gleichen Verhältniſſen leben, gleiche Aeſung erhalten und ſich der näm— lichen Bewegung erfreuen. Mehrmals machte ich vergebliche Verſuche, einen zahmen Bock mit einer Hausziege zu paaren; mehrmal gelang dies ganz ohne jede Mühe, ja einer zeigte ſich über die ihm beigegebene Geſponſin in hohem Maße erfreut. Es ſcheint hier nebſt dem mehr dividuelle Caprice zu Grunde zu liegen. Die Paarungsverſuche einer Gemsgais mit dem Ziegenbocke ſind mir dagegen ſtets miſs— lungen. Regelmäßig wieſen ſie die Anträge des Bockes ſpröde zurück. Selbſt vollſtändig in die Enge getrieben, wujsten fie einen Beſchlag noch zu vereiteln. Eine Gemsgais forkelte den Ziegen— bock derart, daſs ich ihn entfernen muſste. Sie war auf ihn ſchon jo wüthend, daſs fie ihn umgebracht haben würde. Im kommenden Jahre gab ich der Gais einen Gemsbock bei, mit welchem fie ohne viele Umſtände ſich den Hoch- zeitsfreuden hingab. Genau 152 Tage nach dem erſten Beſchlage ſetzte ſie ein munteres, ge— ſundes Kitz. Bezüglich der Baſtardierungsfrage bleibt noch immer ein weites Feld der Beobachtung offen. Als das Verbreitungsgebiet der Gemſe kann man ſo ziemlich das Hochgebirge von ganz Europa annehmen. Nach der Schießprügel— herrlichkeit des Jahres 1848 wurde ſie in vielen Gegenden zwar ausgerottet, aber der ſeitdem faſt allgemein wieder zur Geltung gekommene weidmänniſche Jagdbetrieb hat ſie vielorts wieder eingebürgert, oder die ſchwachen, vor— handenen Beſtände gehoben. Im allgemeinen kann man mit Freuden conſtatieren, daſßs das prophezeite Ausſterben noch lange nicht zu befürchten ſteht. Die hervorragendſten Gemsreviere des ganzen Staates beſitzt unſer allerdurchlauchtigſter Kaiſer Franz Joſef I., dem auch mit Recht das Verdienſt zugeſchrieben wird, die Hochgebirgs— jagd aus ihrem Verfalle herausgeriſſen und eine eminente Beſſerung hervorgerufen zu haben. In Niederöſterreich findeu wir reiche Gemſe— beſtände, ſo weit dies die territorialen Verhält— niſſe ermöglichen. Oberöſterreich beſitzt in ſeiuem Salzkammergute ein Gemſeneldorado, würdig, von gekrönten Häuptern bejagt zu werden. Auch im übrigen Hochgebirge weist ſie eine erfreu— liche Verbreitung auf. In Salzburg ſind es beſonders die von einer adeligen Geſellſchaft ge— pachteten Reviere von Blühnbach, Groß-Arl ꝛc., die den Culminationspunkt weidmänniſcher Hege bilden. In Tirol iſt es beſonders der Norden, in dem unter den Händen echter Weidmänner die Gemsjagd wieder zu friſcher Blüte gelangte. Auch im Süden befinden ſich ſeit neuerer Zeit einzelne Reviere in guten Händen. In den ſelbſtgepachteten Gemeindejagden dagegen ſteht es faſt überall gleich ſchlimm. In Vorarlberg hat die behördlich verfügte Bannlegung des Bregenzerwaldes ſchöne Erfolge gezeitigt. Die Gemeindejagd in Dornbirn, die Walſerthäler und Montavon bergen dieſes edle Wild in reicher Zahl. In Kärnten ſtehen die Reviere einer adeligen Geſellſchaft im Mallnitzthale obenan. Ihnen folgen die carniſchen und die Gailthaler-Alpen. Im ganzen Tauerngebiete findet ſich ebenfalls eine nicht unerhebliche Zahl. Die grüne Steiermark brillirt mit den Revieren Sr. Majeſtät des Kaiſers in Wildalpen, Mürz— ſteg, Naſskör ꝛc., an die ſich jene des Grafen von Meran, des Fürſten Lichnowsky und an— derer Cavaliere würdig anreihen. Mit wenig 334 Gemſe. Ausnahmen blüht die Gemsjagd in den ge— ſammten ſteiriſchen Hochgebirgen in der erfreu— lichſten Weiſe. Krain hat die Gemſen in den Be— zirken Radmannsdorf und Krainburg aufzu— weiſen, in größter Zahl am Mangert und dem ſagenumblühten Triglav. Im Küſtenlande hat nur jener Strich einzelne Gemſen zu verzeich— nen, welcher im Norden mit den Kraineriſchen Gemsrevieren zuſammenhängt. Im Bereiche der Stephanskrone und der nächſten Nachbarſchaft hat die Gemſe in den wald— reichen Karpathengebirgen mit ihren noch wenig beunruhigten Höhenzügen eine prachtvolle Heimat gefunden. Zahlreiche Weidmänner blicken mit Stolz auf reiche Gemsreviere. In den nach Galizien und der Bukowina abzweigenden Wider— lagern trifft man die Gemſe noch ſporadiſch an, obwohl dieſe beiden Länder nicht einmal eine Schonzeit für das herrliche Wild normirt haben. Siebenbürgen dagegen zeigt uns herrliche Re— viere und zahlreiche Beſtände, beſonders in dem Retjezatgebirge. Auch in dem benachbarten Ru— mänien iſt ſie in den höchſten Gebirgen anzu— treffen. Bosnien und die Herzegowina haben die Gemſe trotz ihrer früheren Jagdfreiheit nicht auszurotten vermocht. In Dalmatien iſt dieſes Wild ſchlecht vertreten. In Deutſchland beherbergen dieſes könig— liche Wild die bayeriſchen Alpen und hat das— ſelbe in dem letzten Jahrzehnte an territorialer Verbreitung wie an der Zahl der Beſtände einen erfreulichen Aufſchwung zu verzeichnen. In der Schweiz kommt die Gemſe allge— mein vor, wo die Gebirgsformation überhaupt ihr Fortkommen noch möglich macht. Bei der allgemein verbreiteten Jagdluſt des freien Schweizervölkchens wurde ihr jedoch ſo arg zu— geſetzt, daſs vielſeitig befürchtet wurde, ſie könnte in nicht ferner Zeit das Los des Steinbockes theilen. Um dieſer Eventualität vorzubeugen, hat die eidgenöſſiſche Regierung energiſche Maß— regeln ergriffen und in einigen beſonders geeig— neten Gebieten die ſog. Banngebiete geſchaffen, in denen bei hoher Strafe keine Gemſe erlegt werden durfte. Eine hinreichende Anzahl von Wildwächtern hatte dafür zu ſorgen, daſs dieſe Maßregel durch Wilddiebereien nicht illuſoriſch gemacht werde. Die Bannbezirke haben denn auch in wenig Jahren ſchon ihre Wirkſamkeit und ihre Exiſtenzberechtigung zur Genüge dar— gethan. Der Gemſenbeſtand in den Bannbezirken hat ſich weſentlich gehoben und auch ſchon die Nachbargebiete wieder theilweiſe bevölkert, ſo daſs die Schweiz im Jahre 1885 wieder einen Abſchuß von 1300 Gemſen zu verzeichnen hatte. Möge die eidgenöſſiſche Regierung im Intereſſe für Wild und Jagd auch fürderhin ihre ſegens— volle Wirkſamkeit entfalten! In Italien findet ſich die Gemſe in den grayiſchen und ſavoiſchen Alpen, ſehr ſpärlich auch in dem wildeſten Theile der Abruzzen. In den Hochgebirgen von Spanien iſt die Gemſe keine ſeltene Erſcheinung. Da ſie daſelbſt ſchmächtiger gebaut, in einzelnen Gebirgszügen auch etwas lichtere Färbungsnuancen zeigt, jo haben ſie einzelne Forſcher unter dem Namen Iberiſche Gemſe abgetrennt. Da ſie nach meinen Beobachtungen ſich in der Lebensweiſe von unſerer Gemſe nicht unterſcheidet, die äußeren Ver— ſchiedenheiten nur ſehr geringe, den eigentlichen Bau nicht beſtimmende oder verändernde ſind, möchte ich fie nur für eine Localform anſpre— chend. In dem ſüdlichen Theile von Frankreich, ſoweit die Gemſe in den mächtigen Widerlagern der Pyrenäen noch vorkommt, kann man beob— achten, daſs die eine Form wieder ſucceſſive in die andere übergeht. Vielfach wird auch die im Kaukaſus le— bende Gemſe als Antilope caucasica abgetrennt, wozu wegen der namhafteren Verſchiedenheiten allerdings mehr Gründe als bei der Iberiſchen vorliegen. Ob dieſelben und inwiefern ſie ſtich— hältig ſeien, zu unterſuchen, iſt hier nicht der Raum und der Ort dazu. Wie jedes Geſchöpf auf dem weiten Erden— rund, ſo hat auch die Gemſe ihre Feinde. Die ſchlimmſten in der Reihe ſind entſchieden die Wilddiebe und die Aasjäger. Nach langjährigen Erfahrungen konnte ich zwiſchen beiden nur den einen Unterſchied herausfinden, daſs der eine wenigſtens in einem kleinen Reviere jagdberech— tigt iſt, der andere aber eine ſolche Berechtigung nirgends beſitzt. In Bezug auf Ausübung der Jagd unterſcheiden ſie ſich um kein Jota von einander. Beide ſind geſchworene Wildfeinde, daher möge es mir nicht verargt werden, wenn ich beide hier der Kürze halber miteinander einer Beſprechung unterziehe. Vor allem fällt der Punkt ins Gewicht, daſs dieſe beiden keine Schonzeit rejpectieren, keine Gais verſchonen und auch kein Kitz ver— ſchmähen, falls ſie deſſen habhaft werden können. Auf alles wird losgeknallt, ſelbſt auf die un— glaublichſten Diſtanzen, unbekümmert darum, daſs beinahe die Hälfte der angeſchoſſenen Gemſen nicht mehr aufgefunden werden kann, ſomit nur dem Raubgezücht der Alpen der Tiſch gedeckt wird. Hauptſächlich aus dieſem Grunde kommen dieſe Menſchen nach längerer Praxis auf die Idee, daſs das Gewehr zur Ausübung der Gemsjagd als unzureichend betrachtet und nach anderen Mitteln geſucht werden müſſe— Dieſes wird zunächſt gefunden in der abſcheu— lichen Schlingenſtellerei. Starke Drahtſchlingen werden zu Dutzenden in den Latſchendickungen oder im Geſtrüpp der Alpenerlen fängiſch ge— ſtellt, wohl auch Zwangswechſel damit unſicher gemacht. Auf dieſe Weiſe enden weit mehr Gemſen, als man gewöhnlich anzunehmen ge— neigt iſt. Als weiteres Mittel dienen ſehr ſtarke Eiſen, welche gut verankert auf den Haupt- und Zwangswechſeln geſtellt werden. Dieſe Eiſen ſind eigens mit ſehr hohen Bogen conſtruiert, jo dass der Lauf der eintretenden Gemſe hoch oben er— faſst und ſo hinreichend feſtgehalten wird. Wenn man bedenkt, dass dieſe Leute oft 3—4 Tage nicht nach ihren Eiſen ſehen, ſo kann man ſich einen ſchwachen Begriff davon machen, was für Körper- und Seelenqual ſo ein armes Wild auszuſtehen hat, bis endlich, vor Mordluſt grin— ſend, ſo ein Scheuſal naht und die gefangene Gemſe — mit einem Prügel todtſchlägt. Faſt unglaublich, aber buchſtäblich wahr! Ein anderes, kaum weniger beſtialiſches Mittel ſind die ſog. Steinſchläge. Auf einem ſtark betretenen Wechſel oder am Zwangs wechſel Gemſe. wird ein Punkt ausgeſucht, wo ſich einerſeits der Fels aufthürmt, andererſeits ein Abgrund gähnt. Da wird auf einer Art Sprenghölzer ein ſchwerer Stein aufgeſtellt. Von den Spreng— hölzern aus geht eine Schnur über den Wechſel oder es ſtehen berindete, wie zufällig hinge— kommene Aſtſtücke jo weit vor, dafs eine paſſie— rende Gemſe daran anſtreifen muſs. In dem— ſelben Augenblicke knicken aber auch die Stell— hölzer ein und der Stein rollt dem Abgrunde zu, in den allermeiſten Fällen die Gemſe mit ſich in die Tiefe ſchleudernd. Wie ſicher dieſe Vorrichtung wirkt, zeigt vielleicht am beſten der Umſtand, dajs fie im Wildererjargon das „Sonntagsgeld“ genannt wird. Damit jedoch iſt leider die Zahl der Fang— vorrichtungen nicht erſchöpft. Faſt ſträubt ſich die Feder, die letzte zu beſchreiben. Im Früh— jahre und Vorſommer, ſo lange Fichten und Tannen derart im Safte ſtehen, daſs das Ab— ſchälen großer Rindenſtücke möglich iſt, werden ſolche Rindenloden aus den tieferen Berglagen in die höheren Regionen hinaufgetragen. Dort werden ſie neben Abgründen glatt ſo aufge— ſpannt, daſs die vom Safte ſchlüpferig gemachte Innenſeite nach oben zu liegen kommt. Iſt dieſe Arbeit vollendet, dann wird das ſchon vorher genau ausgekundſchaftete Gemswild rege ge— macht und nach jenem Wechſel gedrängt. An der verhängnisvollen Stelle angekommen, ſtutzt freilich die Gemſe, aber die Unmenſchen haben ſich ſchweigend ſo jchnell als möglich nachge— macht, zeigen ſich plötzlich dem Wilde und ſtimmen ein indianerartiges Geheul an. Ein Zurückbrechen iſt in den meiſten Fällen nicht möglich, und in der höchſten Verzweiflung wagt die Gemſe den verhängnisvollen Sprung. Auf der naſſen Rinde vermögen ſelbſt die wie Stahl ſich ſonſt einſetzenden Schalen keinen Halt zu faſſen, alle gleiten auf einmal aus und das arme Wild ſchnurrt in die gähnende Tiefe, wo dieſe Menſchen ſchon wieder einen Pfad aus— findig gemacht haben, um die mit zerbrochenen Gliedern unten angelangte Gemſe auszuliefern. Daſs bei ſolch einem erbärmlichen Vorgehen viele Stücke ſich jo verfallen, daſs jede Nutzung von vornherein ausgeſchloſſen iſt, braucht kaum erwähnt zu werden. In Revieren, wo noch Bären, Wölfe und Luchſe haufen, wird manches Stück geriſſen, be— ſonders iſt es unter dieſen dreien der Luchs, der dem Gemswilde am allermeiſten gefährlich wird. Auch die Wildkatze macht ſich in ſtrengen Wintern gern über vereinzelt ſtehende, ſchwä— chere, ermattete Stücke her, deren Bewältigung ihr nicht ſonderlich ſchwer wird. Der Fuchs wagt ſich an eine geſunde Gemſe nicht heran, ſchnürt aber dafür umſo lieber angeſchweißten Stücken auf der Rothfährte nach und reißt ſie im Weidbette. Noch ganz jungen Kitzen, wenn dieſelben auf Momente von der Gais verlaſſen find, ſtellt er ebenfalls ſehr eifrig und mit Er— folg nach. Unter dem Flugraubwilde iſt es beſonders der Steinadler (Aquila fulva), welcher gerne auf vereinzelt ſtehende Stücke ſtößt und geringe Gemſen überwältigt. Bei einem Rudel dagegen vermag er nichts auszurichten, da ſich die 335 Gemſen gegen ihn trefflich zu vertheidigen wiſſen. Im Herbſte 1887 beobachtete ich einen Steinadler, welcher regelmäßig in den Vormit— tagsſtunden in der Nähe eines größeren Felſen— bandes erſchien, auf welchem die Gemſen auf Aſung zogen. Das erſte- und zweitemal erſchien er, hoch in den Lüften kreiſend, verſuchte auch in der bekannten Weiſe auf ein Stück zu ſtoßen, erreichte aber damit ſein Ziel nicht, weil ſich das Rudel ſofort bei ſeinem Erſcheinen dicht zuſam— mengruppierte und die Stöße mit raſchen Krikel— hieben beantwortete. Dieſen Tag ſchoſs ich ab— ſichtlich nicht auf Gemſen, machte mich auch nicht bemerkbar. Als ich am folgenden Tage gegen 9 Uhr wieder in meinen Schlupfwinkel kroch, ſauste der Steinadler einher und blockte auf einem Felsvorſprunge. Scharf äugend be— obachtete er die langſam einherwechſelnden Gemſen, rührte ſich auch nicht, bis ſich dieſelben unter der Felswand vertheilt hatten und ver— traut ästen. Plötzlich ſtieß er dann wie ein Pfeil auf ein ſchwaches Kitz, warf es über eine niedrige Felsrahme, wo es jedoch unter einem Vorſprung jo ſchnelle Deckung fand, dajs es der Räuber momentan nicht faſſen konnte. Nun freilich begannen die anderen Gemſen zu pfeifen, mit den Vorderläufen zu ſtampfen und zu ſchlagen, daſs der Adler einen zweiten Angriff nicht mehr für räthlich hielt. Er wirbelte wieder zu ſeiner Felſenzinne empor, wo er in ſchein— bar apathiſcher Ruhe verharrte. Über eine halbe Stunde verging, bis ſich die Gemſen wieder beruhigten. Dann zerſtreuten ſie ſich abermals. Plötzlich ſtieß er wieder auf ein ſchwächeres Stück, welches ſich mehr unter dem Felſen her— ausgewagt hatte, erfajste es am Rücken, mit den Schwingen gewaltige Schläge austheilend. Mit einem eigenthümlich murkend plärren— dem Tone überſchlug ſich das Stück, beutelte den frechen Räuber ab, war aber kaum auf den Läufen, als es auch ſchon wieder neuerdings von ihm erfaſst wurde. Ich hatte mich inzwiſchen aus meinem Verſteck herausgemacht und mit einem glücklichen Schuſſe den frechen Räuber in den Schnee geworfen. Die befreite Gemſe flüchtete dem wie der Sturmwind dahinſauſenden Rudel nach. Eine Menge Nadeln und dichtes Woll— haar lag im Schnee zerſtreut und auch einige Tropfen Schweiß zeigten, daſs der Adler ſein Gewaff mit voller Gewalt eingehauen hatte. Allem Anſcheine nach hatte das Stück keine be— denkliche Verletzung erlitten, wäre aber un— zweifelhaft dem ſehr ſtarken Steinadler zur Beute geworden, wenn nicht meine Büchſe recht— zeitig ein entſcheidendes Wort mitgeſprochen und den Räuber für immer unſchädlich gemacht hätte. Meine Freude hierüber war größer, als wenn mir „Diana“ einen prächtigen Gamsbart beſchert hätte. Der Bartgeier (Gypastus barbatus) ver— mag trotz ſeiner immenſen Stärke einer aus— gewachſenen Gemſe im freien Terrain kaum etwas anzuhaben. Kitze vermag er noch zu ſchlagen; Angriffe auf ſtärkere Stücke haben meiſt nur dann Erfolg, wenn ſie auf ſchmalen Wechſeln überfallen, von den mächtigen Schwin— genſchlägen halb betäubt und ſo über den Felſen 336 Gemſe. geworfen werden können. Für Gemskitze im erſten Lebensalter können auch der Uhu (Stryx bubo) und der Kolkrabe (Corvus corax) gefähr— lich werden. Im Horſte des letzteren habe ich ſchon Köpfe von Gemskitzen gefunden, was un— bedingt für ſeine Gefährlichkeit ſpricht. Die in ſchweren Wintern ſehr häufig ab— gehenden Staublawinen und die im Frühjahre mit fürchterlichem Getöſe niederdonnernden Grundlawinen reißen ebenfalls manches Stück, mitunter ſogar ganze Rudel mit ſich, ſo nicht ſelten die ſchönſten Beſtände empfindlich deei— mierend. Wie die Gemſe unter einer anſehnlichen Zahl von theilweiſe ſehr gefährlichen Feinden zu leiden hat, ſo iſt ſie zu allem Überfluſſe noch einer Anzahl von Krankheiten unterworfen, die der hegende Jäger ſorgfältig beachten mujs, weil es in einzelnen Fällen doch in ſeiner Macht liegt, die üblen Folgen wenigſtens theilweiſe zu paralyſieren. Nicht ſelten bringen die Hausziegen einen bösartigen Ausſchlag, die ſog. Räude, in die Alpen mit. Da ſie gewöhnlich bis in die höchſten Gemsreviere hinaufgetrieben werden, tragen ſie den Anſteckungsſtoff unter die Gemſen, welche für denſelben leider ſehr empfänglich ſind. Ganze Rudel können davon angeſteckt, ja ſogar ganze Gebirgszüge verſeucht werden. Obwohl die Gemſen an der Räude nicht immer unmittelbar eingehen, ſo iſt dieſelbe in ihren ſchädigenden Wirkungen doch nicht zu unterſchätzen. Beſonders jene Stücke, welche im Spätſommer noch be— fallen werden, treten durch die damit ſtets ver— bundene ſtarke Abmagerung äußerſt ſchwach in den Winterſtand, tragen bei der eintretenden Brunftzeit die Krankheit auch wieder auf viele geſunde Stücke über, und die derart herabge— kommenen Gemſen vermögen dann einen ſchweren Hochgebirgswinter nicht zu überdauern, gehen infolge der eintretenden Entkräftung elendiglich zugrunde. Für den Jäger iſt es daher von beſonderer Weſenheit, den Ziegen auf den Hochalpen eine ganz beſondere Aufmerkſamkeit zu ſchenken. Die Entfernung von räudigen Ziegen kann zwar in geſetzlichem Wege angeſtrebt und durchgeführt werden, was aber leider in den meiſten Fällen eine lange Zeit in Anſpruch nimmt, mithin die Gefahr der Anſteckung verlängert. Wo es ſich nur um einzelne Fälle handelt, wird daher der Jäger im Intereſſe des Wildes nicht ſchlechter thun, wenn er dafür Sorge trägt, dafs ſich ſolch räudige Ziegen in einem abgelegenen Terrain einfach ſelbſt „verfallen“. Hat die Räude jchon einzelne Gemſen er— griffen, was man an den Wechſeln, wo ſie an Felſen oder Gebüſchpartien vorüberwechſeln, an den abgeſtreiften Nadeln erkennen kann, dann iſt fleißige Pürſche, ob Schonzeit oder nicht, dringend geboten. Die kranken Gemſen ſtehen gerne mit hängendem Kopfe, muth- und kraftlos abſeits von den andern und können unſchwer herausgefunden und abgeſchoſſen werden, bevor das Übel weiter ſeine verhängnisvollen Kreiſe zieht. — Wo ſich der Jäger ſelbſt und ſtill zu helfen weiß, da iſt immer am beiten ge- holfen. . N x FR 1 2 Vereinzelte Gemſen werden auch von der Drehkrankheit befallen. Dieſe verlaſſen meiſtens ihre Hochreviere, wechſeln in tiefere Lagen, oft ſogar bis in die bewohnten Ortſchaften herab und ziehen da durch ihr eigenthümliches Be— nehmen die Aufmerkſamkeit auf ſich. Stunden— lang ſtehen ſie an einem Platze, ſchütteln und drehen mit dem Kopfe, bewegen ſich dann wie— der kreisförmig herum, ſtoßen wohl auch an Bäume und ähnliche Hinderniſſe, legen ſogar bei hochgradigem Auftreten der Krankheit ihre Scheu vor dem Menſchen jo weit ab, dajs fie ihn nahe herankommen laſſen, ohne die Flucht zu ergreifen. Da ſolche Stücke früher oder ſpäter immer eingehen, iſt es geboten, ihnen zu jeder Zeit den Gnadenſchußss zu geben. Die Unterſuchung ſolcher Gemſen zeigt im Gehirne eine oder auch mehrere erbſen- bis haſelnuſsgroße graue oder lichte Blaſen, die mit einer getrübten Flüſſigkeit angefüllt ſind. Noch gefährlicher als der Blaſenwurm iſt die Leberegelkrankheit. Die davon befallenen Stücke ſtehen meiſt mit eingezogenem Körper buckelig und muthlos, hängen den Kopf, wech— ſeln dem Rudel nur langſam und in großen Zwiſchenräumen nach oder bleiben auch allein in einem Terrain ſtehen, ſich um ihre Um— gebung kaum mehr kümmernd. In die Hoch— lagen hinauf ſteigen ſie nicht mehr, ziehen ſich vielmehr den tieferen Lagen zu. Hier iſt eben⸗ falls eine Kugel die Pflicht der Menſchlichkeit. Bei ſolchen Stücken iſt die Leber mit einer Unzahl von erbſengroßen, grauen und gelblichen Geſchwüren bedeckt. In vereinzelten Fällen be— merkt man auch, daſs ſogar Lunge und Herz von ähnlichen Geſchwüren angefreſſen find. Ob⸗ wohl der epidemiſche Charakter bis jetzt mit Gewissheit noch nicht nachgewieſen iſt, jo iſt Aufmerkſamkeit doch dringend geboten. Bei vereinzelt eingegangenen Stücken wurde auch eine Art Lungenfäule conſtatiert. Da dieſe Fälle noch ſehr ſelten näher beobachtet wurden, iſt man über Urſache und Verlauf der Krankheit noch nicht hinreichend ins Klare gekommen. Viel beſtritten, belacht und doch wieder zweifellos conſtatiert iſt die Klauenſeuche unter den Gemſen. Erſt im vorigen Jahre noch war der als fleißiger Alpenforſcher bekannte Dr. H. v. Klenze in der Lage, einen Fall von Klauen— ſeuche bei einer Gemſe conſtatieren zu können. Seinen Bericht hierüber hat derſelbe in der Jagdzeitung „Weidmanns-Heil“ veröffentlicht. Ich ſelbſt hatte mehrmals Gelegenheit, dieſe Seuche beim Gemswilde in ihrem Verlaufe und ihren Wirkungen zu beobachten. Bekanntlich tritt die Klauenſeuche in den Alpen unter den Rindern und Ziegen nicht gerade ſelten und ſehr bösartig auf, jo dass man die Thiere in ihrem elenden Zuſtande auf den Alpenweiden herumliegen ſehen kann, da in den wenigſten Fällen die vorhandenen Stal- lungen für die erkrankten Thiere ausreichen. Die Ziegen tragen den Seuchenſtoff bis in die höchſten Gebirgslagen. Treten die Gemſen auf ſolchen Matten, wo ſeuchenkranke Ziegen lager— ten, auf Aſung, ſo werden auch ſie von der Seuche befallen, u. zw. in ſehr bösartiger Weiſe. Sobald die Klauenſeuche in den Alpen unter den Hausthieren auftritt, mus ſich der Jäger vor allem über die Ausdehnung des Seuchengebietes Gewissheit verſchaffen und das Gemswild durch ſtete Beunruhigung in die höch— ſten Lagen drängen. Am beſten wird er ſeinen Zweck mit ein paar Dachſeln erreichen. Dieſe folgen dem Wilde unter hellem Hals, verfolgen es doch nicht bis in die höchſten Berge, laſſen dieſelben mithin beruhigt. Führen nur einzelne Wechſel in das verſeuchte Gebiet, ſo kann man den zurückgedrängten Gemſen das Zurückwech— ſeln auf einige Zeit damit gründlich verleiden, daſs man Schafmiſt auf die Wechſel ſtreut, wenn ſolcher aus einem ſeuchenfreien Gebiete beſchafft werden kann Die Gemſe iſt eine geſchworene Feindin des Schafes, weil ſie deſſen ſcharfe Witterung nicht zu ertragen vermag. Wo in den Alpen Schafe aufgetrieben werden, da weicht die Gemſe zurück und beſucht den Platz lange nicht mehr. Die gleiche Abneigung oder in noch höherem Grade empfindet ſie gegen die Witte— rung des Schafmiſtes. Wo ſolcher hingeſtreut wird, da weicht die Gemſe lange aus, bis derſelbe voll— ſtändig verwittert iſt. Werden nun auf dieſe Weiſe die einmündenden Wechſel vergrämt, ſo iſt man auf längere Zeit ſicher, daſs ſich keine Gemſe in dem Seuchengebiet zeigen wird. In jedem Reviere läſst ſich das leider wegen der Ter— rainbeſchaffenheit nicht ausführen und der hegende Jäger iſt dann auf die Beunruhigung in den Tieflagen der Weidegänge beſchränkt. Wo man Schafmiſt ſchwer oder nicht er— halten kann, da leiſtet auch verdünnte Carbol— ſäure dieſelben Dienſte, ja ſie wird wegen der leichteren Handhabung oft ſogar vorzuziehen ſein, weil man damit mit nur geringen Koſten die weiteſten Strecken gegen das Zurückwechſeln auf einige Tage gründlich vergrämen kann. Trotz all dem wird aber eine beſtändige aufmerkſame Beobachtung des Gems wildes ge— boten ſein. Sollte ſich die Seuche ſchon in dieſe Reihen verirrt haben, ſo findet man da und dort Plätze, wo in einem Kreiſe alles Gras bis auf die nackte Erde abgeäst iſt. Hier hatte ſich eine bereits kranke Gemſe niedergethan und alles rund um ſich herum bis auf die kleinſten Würzelchen blank geäst, weil ſie ſich nur im äußerſten Nothfalle dazu entſchließen konnte, auf die ſchmerzenden Schalen zu treten. Einer ſol— chen Gemſe muſßs unbedingt nachgepürſcht wer— den. Seuchenkranke Gemſen wechſeln unter nor— malen Verhältniſſen nicht mehr bergauf, man wird ſie daher tiefer zu ſuchen haben. Sie ver— meiden auch ängſtlich das harte grobe Geſtein, ſuchen ſich beraste Flächen und nehmen gerne im weichſten Graſe ihr Krankenbett, weil es ſie dort am wenigſten ſchmerzt und weil ſie noch Aſung aufnehmen können, ohne ſich erheben zu müſſen. Wer das beachtet, der wird das kranke Stück bald gefunden haben. Die Pürſche mujs jedoch mit gleicher Sorgfalt wie beim geſunden Wilde betrieben werden, denn ſobald die Kranke vom Jäger Wind bekommt, eilt ſie noch in den raſendſten Fluchten dahin, ſelbſt dann noch, wenn Eiter und trüber Schweiß jeden einzelnen Schalenabdruck deutlich kennzeichnen. Obwohl die Gemſen infolge der Seuche nicht häufig ein— Gemſe. 887 gehen, jo ift der Abſchuſs einzelner kranker Stücke doch rathſam, um eine weitere Verbrei— tung möglichſt zu verhindern und auch darum, um im bäuerlichen Publicum die Anweſenheit des ſchlimmen Gaſtes nicht bekannt werden zu laſſen. Die Gründe für letztere Vorſicht liegen jo nahe, dafs ich fie hier nicht anzuführen brauche. Durch Fleiß, Unverdroſſenheit und zielbe— wuſstes Handeln wird es in den allermeiſten Fällen gelingen, das Gros des Wildbeſtandes vor der verderblichen Seuche zu retten. Von jagdfeindlicher Seite iſt ſogar jchon in den öffentlichen Blättern darauf hingewieſen worden, dass in ſtarken Gemſenbeſtänden die Klauenſeuche ausbreche und von dieſen auf die Hausthiere übertragen werde, weshalb es ge— boten erſcheine, die Hege ſtarker Beſtände mög— lichſt zu verhindern und dort, wo ſich Erkran— kungsfälle conſtatieren laſſen, ex offo allgemeine Jagden auf die Gemſen dieſer und der benach— barten Reviere anzuſtellen. Dieſer aus einer nur zu bekannten Quelle entſprungenen Forderung wage ich Folgendes entgegenzuhalten: Die Stärke der Gemswildbeſtände invol— viert keinen Grund zur Bildung eines Seuchen— herdes; bis jetzt iſt noch nie conftatiert worden, dass in einem freien Rudel die Klauenſeuche zum Aus— bruch gelangte; wo die Seuche unter dem Gemswilde bis jetzt beobachtet wurde, iſt es bis zur Evidenz nachgewieſen, daſs dieſelbe durch Rinder oder Ziegen in die Reviere eingeſchleppt wurde; im Verſeuchungsfalle iſt es nicht nothwen— dig, daſs ex offo allgemeine Schlächtereien unter dem Gemswilde in Scene geſetzt werden, da man mit Vorbeuge- und Vorſichtsmaßregeln vollkommen ausreicht. ö Nach den „Mittheilungen des ſteiermärki⸗ ſchen Jagdſchutzvereines“ ſollen bei Gemſen überdies noch Fälle von Lungenentzündung con— ſtatiert worden ſein. Die genannten Mitthei— lungen ſchreiben darüber Folgendes: „Es wurden einige Gemſen eingegangen auf ganz guten Aſungsplätzen, ſozuſagen einge— ſchlafen gefunden. Die Unterſuchung ergab: 4. Object vom 20. December 1885. Gems⸗ bock, ſtark gebaut, mäßig genährt, ohne Wunde. Das Gehirn ſtark mit Blut imbibiert, an den Hirnhäuten nichts abnormes. Die rechte Lunge im Hinterlappen etwas angewachſen, im Mittel- lappen und Vorderlappen frei. Der Hinterlap— pen in feiner größten Ausdehnung knotig an— zufühlen, auf Einſchnitten in dieſe Kuoten die Schnittfläche grau verfärbt, die Partien nicht lufthältig, d. h. ſie ſinken im Waſſer unter. Am Mittel⸗ und Vorderlappen einzelne Stellen dunkel, faſt ſchwarz gefärbt, nicht knotig und ſind dieſe Partien auch nicht lufthältig. Die linke Lunge nicht angewachſen, im Hinterlappen knotig, jedoch weniger als im rechten. Die Schnittflächen grau, wie rechts, mit Eiter auf denſelben. Der linke Vorderlappen an einzelnen Stellen dunkelfärbig bis ſchwarz, und ſind dieſe Partien nicht lufthältig. Das Herz groß, mit Gerinnſeln dunkleren Blutes erfüllt, die Klap— Dombrowski. Enehyklopädie d. Forſt⸗ u. Jagdwiſſenſch. IV. Bd. 22 338 pen frei und zart. Die Leber groß, dunkel— ſchwarz gefärbt, die Subſtanz brüchig und auf der Schnittfläche erſcheint dunkelſchwarzes Blut. Die Gallenblaſe faſt leer, die Milz klein, ganz dünn, flach wie ein Häutchen. 2. Object vom 28. Januar 1886. Gems— bock, ſtark, ſchlecht genährt, im Gehirn nichts abnormes. Beide Lungen frei, d. h. nicht an— gewachſen, die rechte Lunge im Hinterlappen derb, auf der Schnittfläche kein Eiter, die Schnitt— fläche dunkelgrau, dieſe Partien luftleer. Der Mittel- und Vorderlappen lufthältig. Die linke Lunge im Hinterlappen derb, die Schnittfläche bräunlichgrau, nicht lufthältig. Der Vorder— lappen zeigt einige dunklere Stellen, nicht derb aber nicht lufthältig; das Herz normal, die Klappen frei; die Leber nicht vergrößert, grün— lich ſcheinend, die Subſtanz nicht brüchig, auf der Schnittfläche dunkles Blut; die Milz klein wie beim erſten Object. Der Panſen vollge— ſtopft mit Nahrung, an den Gedärmen nichts abnormes. Beiden gemeinſam ſind noch an den Decken, Backenknochen und Hinterſchenkeln dunkel gefärbte Stellen von unterlaufenem Blut, wahr— ſcheinlich vom Anſtoßen an Felskanten her— rührend. Der Befund deutet in beiden Fällen auf eine Erkrankung der Lunge, u. zw. auf einen ähnlichen Proceſs, wie eine Lungenentzün— dung beim Menſchen hin. Beim erſten Ob— jecte iſt ſchon ein längeres Krankſein vorhanden geweſen und hat ſich die Entzündung, anſtatt gänzlich rückgängig zu werden, in beginnenden Lungenbrand umgewandelt. Das zweite Object zeigt den Zuſtand einer Lungenentzündung in der Dauer von 8—14 Tagen.“ Wenn nach langen und ſtrengen Wintern das Frühjahr plötzlich eintritt, an den ſchnee— freien Halden und Hängen die Vegetation ſich raſch entwickelt, die durch den ſtrengen Winter und den theilweiſen Aſungsmangel geſchwächten und arg herabgekommenen Gemſen dieſe friſche Aſung gierig aufnehmen, ſtellt ſich bei ihnen ein bedenklicher Durchfall ein, der ſolche Dimen— ſionen annehmen kann, dass er das Eingehen des befallenen Wildſtückes zur Folge hat. Auf dieſe Weiſe gehen in manchem Frühjahre eine große Anzahl von Gemſen ein. Bei weitem nicht alle im Vorſommer aufgefundenen verdorbenen Gemſen ſind dem Winter zum Opfer gefallen; auch der erſte Frühling hat ſein gutes Theil dabei. Zahlreiche Unterſuchungen ſtellen das außer Zweifel. Um dieſe ſchädliche Wirkung des weichen Junggraſes wenigſtens theilweiſe zu paraly— ſieren, iſt die beſtändige Inſtandhaltung der Salzlecken dringend anzurathen. Es wird ſich ſogar verlohnen, wenn in ſolchen Lagen, wo die Gemſen erfahrungsgemäß immer ihre erſte grüne Aſung aufnehmen, noch im Spätherbſte ſeparate, wenn auch kleine Salzlecken geſchlagen werden. Die Koſten ſind gering im Verhältniſſe zu dem großen Nutzen, den man im erſten Frühjahre damit ſtiftet. Wenn dieſe Salzlecken in ſpäterer Zeit auch von Rindern und Ziegen vollends ausgeleert werden, ſo macht es ja nichts, die Lecken haben in der gefährlichen Über— Gemſe. — — ——— —— —— nn — — —— — — gangszeit ihre Schuldigkeit gethan und damit können wir uns zufrieden geben. In vereinzelten Fällen findet man im Weidſacke und in den Eingeweiden der Gemſen eine Art Würmer, ſogar den Bandwurm hat man ſchon beobachtet. Stücke, welche mit dem Bandwurm behaftet ſind, bleiben ſtets gering am Leibe und verfärben im Herbſte beſonders ſpät, unregelmäßig und ſchlecht. Die gering in den Winterſtand eintretenden Gemſen vermögen faſt ohne Ausnahme den harten Winter der Alpen nicht zu überdauern, weshalb es ſich der ſorgende Jäger ſtets zur Aufgabe machen wird, ſolche Stücke, die auffallend gering und ſchlecht verfärbt ſind, vor dem Eintritte des Winters auf der Pürſche abzuſchießen. Ein eigenthümlicher Fall, den ich des hohen Intereſſes wegen hier nicht unbemerkt laſſen kann, wurde im Herbſte des Jahres 1886 in Steiermark beobachtet. Die „Sportzeitung“ be— richtete damals Folgendes: „Eine ergreifende Epiſode aus der Gemſen— welt wird uns im Nachſtehenden mitgetheilt: In den letzten Octobertagen d. J. (1886) mach⸗ ten zwei herzoglich coburgiſche Jäger ihre Runde und befanden ſich eben in der Herz— mayer-Alm, ungefähr zwei Wegſtunden über der Sohle des Schladminger Unterthales, bei den in dieſer Jahreszeit bereits verlaſſenen Hütten, als ſie nicht weit davon zwei Gemſen erblickten, eine Gais und das ſehr ſtark ent- wickelte Kitz, welches ſtand, während die Gais lag, den Kopf tief zur Erde geſenkt. Bald fieng das Kitz an, unruhig zu werden; es mochte die Jäger in den Wind bekommen haben, gieng um die Mutter herum, ſtieß ſie wiederholt mit dem Kopfe an und bewog ſie endlich aufzu— ſtehen, worauf beide langſam davongiengen. Bald aber legte ſich die Gais wieder nieder und nun erneuerte das Kitz ſeine Mahnung einer nahenden Gefahr, geberdete ſich wie be— ſeſſen um die Mutter herum, ſtieß ſie von allen Seiten, ſprang rittlings auf ſie, um ſie weiter und zur Flucht zu bewegen, und erſt als die Jäger ſich näherten, wurde es flüchtig, kehrte aber, als dieſe ſich ruhig hielten, noch einmal zurück, um ſeine Rettungsverſuche zu erneuern, doch vergebens! Die Gais blieb mit geſenktem Kopfe ohne Bewegung liegen. Die Jäger, welche dieſem ganzen Vorgange verwundert zugeſehen hatten und erkannten, dajs die Gais ſehr be— deutend kümmern müſſe, nahmen ihr Perſpectiv zur Hand und entdeckten nun auf deren Kopf anſtatt des einen Krickels eine enorme Ge— ſchwulſt. Einer der Jäger machte ſich ſchuſs— fertig, ſchlich ſich heran und erlegte das Thier, das, gut getroffen, augenblicklich todt liegen blieb. Beim Annähern des Jägers wurde das Kitz, und diesmal in mächtigen Sätzen, flüchtig. Die Jäger ſahen nun, daſs der Kopf der Gais durch eine nach unten ausgebreitete, nach oben zugeſpitzte Geſchwulſt ganz verunſtaltet und das eine Krickel von dieſer ganz ausgetrieben ſei, ſo daſs die Geſchwulſt ſelbſt von der zerſprengten Schale umgeben und das Auge von dieſer Laſt aus ſeiner Höhle getrieben war. Ein gräulicher, jammervoller Anblick! Milch hatte die vier— jährige Gais nicht mehr und war auch voll— ſtändig abgemagert. Die Jäger jchnitten den Kopf ab und brachten ihn mit der Decke, nach— dem ſie das Fleiſch verſcharrt hatten, auf das Waldmeiſteramt in Schladming. Nachdem dieſer merkwürdige Kopf photographiſch aufgenommen war, wurde er nach Graz geſchickt, wo Herr Dr. Eppinger, Profeſſor der pathologiſchen Anatomie, nach Secierung desſelben dieſe Neu— bildung als ein „Seleroſarcoma“ und deſſen Vorkommen an einer Gemſe als ein wahr— ſcheinliches Unicum erklärte. Das Original bleibt im Muſeum des pathologiſch-anatomiſchen Inſti— tutes in Graz aufbewahrt.“ Gegen Verwundungen, welche nicht direct edlere Theile berühren, zeigt ſich die Gemſe nicht ſehr empfindlich; ſelbſt ſchwere äußerliche Verletzungen heilen verhältnismäßig ſchnell. Es iſt keine Seltenheit, im Körper einer Gemſe ver— heilte Kugeln, Pfoſten ꝛc. aufzufinden, welche ſich vollſtändig verkapſelten und nach außen verheilten, jo dafs dieſelben erſt beim Zerwirken aufgefunden werden. Lädirungen durch Steinſchläge, Klem— mungen und ähnliche Verwundungen an den Läufen verheilen ſich, leider aber bleibt in ſchweren Fällen der betreffende Lauf öfter un— brauchbar. Zwei intereſſante Fälle ſolcher Verheilungen hat erſt neulich „Der deutſche Jäger (Nr. 20 und 21, Jahrgang 1888) zur Kenntnis ge— bracht. Über den erſten Fall berichtet Herr L. Baron Lazarini Folgendes: „Bei einer im Spätherbſte 1887 im Revier Thauer bei Innsbruck abgehaltenen Gemstreib— jagd wurde eine Geltgais geſchoſſen, deren rechter Hinterlauf die glückliche Verheilung mehrfacher Verletzungen aufwies. Der Lauf war nämlich ca. 4 em oberhalb des Sprunggelenkes doppelt gebrochen. Bei der Heilung verband ſich der zwiſchen den beiden Bruchſtellen ge— legene Knochenſplitter mit dem Gelenke ſo feſt, daſs derſelbe nach vorne und außen im Winkel abſteht, und das Gelenk dabei die Beweglich— keit verlor. Der obere Bruch iſt ein vollſtän— diger; der lange Röhrenknochen ſitzt mit einer Gabel rechtwinkelig auf dem äußeren Ende des abſtehenden unteren Bruchſtückes auf, bildet mit dieſem ein falſches Gelenk und hat an ſeinem oberen Theile mehrere ſtarke Muskelanſätze. Außerlich war dieſe bewegliche Bruchſtelle mit ſchwieliger Haut ballenartig umgeben und infolge wenigſtens zeitweiſer Benützung haarlos. An der einer Berührung nicht ausgeſetzten Innen- und Rückſeite bildete die Epidermis eine feſte, hornartige Wucherung von 33 mm Länge und 18 mm Breite. Der untere Lauf, deſſen ſonſt normal nach vorne ſtehende Seite infolge des Bruches nach ſeitwärts und außen gewendet wurde, iſt nur gegen die einwärts gerichtete Rückſeite behaart; auswärts ſind die Haare abgerieben. Dieſer Theil endet mit den Anſätzen zu den Oberrücken (Afterklauen) in einem Umfange von 85 mm, iſt ſehr vertrocknet und die Ober— rücken ſelbſt ſind abgeſchliffen. Die Feſſeln und Schalen fehlen gänzlich. Bei Benützung des Laufſtumpfes ſcheint dieſer bewegliche Theil am Gemſe. 339 übrigens ſchlecht bei Wildpret und im Haar; ſie trug, obwohl über fünfjährig, ein geringes Gehörn und wog ausgeweidet wenig über 14 kg. Beim Anlauf wurden unregelmäßige Bewegungen nicht bemerkt, wohl aber nach dem Schuſſe, einem Blattſchuſs, ein auffälliges und räthſelhaftes Schlagen mit dem rechten Hinter— lauf wahrgenommen. Die beigegebene Illuſtra— tion zeigt die ballige falſche Gelenkſtelle und die hornartige Wucherung des Laufes. Der abnorme Lauf ſelbſt befindet ſich vor— läufig in meinem Beſitz.“ Den zweiten Fall beſchreibt H. Hueter in Bregenz mit folgenden Worten: „Die Verbildung des Hinterlaufs einer Gemsgais erinnert mich an eine ähnliche Ab— normität, welche bei einem Gemsbock gefunden wurde, welcher im Spätſommer 1886 im Ge— meinderevier Riezlern des kleinen Walſerthales (Vorarlberg) erlegt wurde und dem die Kugel wirklich Erlöſung war. Der untere Theil des Laufes, etwa 2 cm unter dem Sprunggelenke beginnend, iſt nach links einwärts gekrümmt, das Feſſelgelenk ſteif, die Schalen wieder mehr links gebogen, jo dajs beim Gehen nur die äußere Kante den Boden berührte. Haut und Sehnen des Unterlaufes ſind abgeſtreift und hängen als vertrocknete, runzelige Maſſe an dem Knochen herum, der ganz ſchwarz und mumificiert iſt und den Ein— druck macht, als ob er lange Zeit geräuchert worden wäre. Einzelne Haarbüſchel ſind nur am Beginn dieſer ſonderbaren Bildung, ſowie unmittelbar ober den Schalen noch ſichtbar. Der Bock war ſonſt normal gebaut und gut genährt. Da weder eine Schuſswunde noch ein Beinbruch conſtatiert werden konnte, ſo iſt nur anzunehmen, daſs der arme Krüppel ſchon in ſeiner Jugend mit dem Laufe in eine Felsſpalte oder Baumwurzel gerieth, ſich bei den energi— ſchen Befreiungsverſuchen Haut und Fleiſch herunterriß, auch wohl die Sehnen verſtreckte und durch die Folge des durch Schmerz er— zwungenen ſchiefen Auftretens ſich endlich auch der Knochen krümmte, Fleiſch, Haut und Sehnen aber in Klumpen vertrockneten. Jedenfalls hat er viel ausgeſtanden, ſich aber auch auf ſeinen drei Läufen uoch manches Jahr zu ſalvieren gewuſst.“ Zur Vervollſtändigung des naturgeſchicht— lichen Theiles über die Gemſe erübrigt mir noch, einige Worte über ihr Leben in der Ge— fangenſchaft zu jagen. Die meiſten Gemſen, welche in die Gefangenſchaft gerathen, kommen als ganz junge Kitze in dieſelbe und in den allermeiſten Fällen iſt der Weg kein legaler, der ihnen das Unglück bringt. In den aller— wenigſten Fällen iſt es der geſetzlich berechtigte Jäger, der die junge Alpenbewohnerin ihrem luftigen Heim entzieht und ſie in unſere jtaub- ſchwangere Atmoſphäre niederbringt. In den weitaus meiſten Fällen iſt es ein verwegener Wilderer, der irgendwo „weit über der Grenze den köſtlichen Fund“ gemacht haben will. Dajs er im Reviere herumgaunerte, eine Gemsgais von dem wenig Stunden alten Kitzchen weg— Boden geſchleift worden zu ſein. Die Gais war jagte, ja vielleicht ſeinem mörderiſchen Blei 225 rn opferte und wartete, bis das Kitz rathlos und klagend zu ſeiner verendeten Ernährerin zurück— kehrte und es dann fieng, ſo alle beide ſeinen Gelüſten opfernd, das verſchweigt er freilich, wie er überhaupt auch den Fang verſchwiegen haben würde, wenn es ihm die Verhältniſſe ohne die Gefahr der Entdeckung möglich gemacht hätten. Manches Gemskitz wird gefangen, irgendwo in einer abgelegenen Sennhütte unter— gebracht und verendet dort unter einer ver— kehrten Behandlung, ohne daſs ein Wort davon zu den Ohren des Jägers kommt. Es iſt ver— ſchollen und vergeſſen; ſein letzter Klagelaut iſt ungehört verhallt. Die allein im Reviere ſtehende Gais läſst höchſtens den Jäger ahnen, dajs ihre Deſeendenz verunglückt ſei. Wenn dieſe Schelme wenigſtens noch ſo viele Erbarmung im Leibe hätten, ein gefangenes Kitz unter den üblichen Ausreden dem Jagdherrn abzuliefern, ſo könnte noch manches vor dem ſonſt ſicheren Verenden geſchützt werden. Gelingt es dem Thierfreunde, ein ganz junges Kitz zu erhalten, ſo hat er ſich zuerſt um eine Amme umzuſehen. Dieſe findet ſich am leichteſten und beſten in einer Hausziege. Dieſe wird das Kitz in den meiſten Fällen ohne viel Widerſtreben annehmen und ſchon nach wenig Tagen bildet ſich zwiſchen dem Gemskitz und ſeiner Amme ein jo intimes Verhältnis, dass man ſich nicht mehr zu ſorgen braucht, die Ziege könnte etwa ihrem Pfleglinge ein Leid zufügen. Man geſtatte den beiden unbedenklich den Aufenthalt im Freien in einem umfriedeten Raum, der ſie vor den Feinden ſchützen kann. Gut iſt es, wenn gleichzeitig eine trockene, reinliche und offene Hütte vorhanden, daſs ſie nach Be— lieben aus- und eingehen und ſich vor zu großer Näſſe ſchützen können. Nie laſſe man es ſich beifallen, ein Gemskitz in einen dumpfen, feuch— ten Stall zu ſperren, denn das würde unbe— dingt ſein Tod ſein. Luft und Licht ſind ihm faſt ſo nothwendig als die nährende Milch. Sobald das Gemskitz neben der Milch auch Gras aufzunehmen beginnt, ſo ſorge man dafür, daſs es trocken gewachſene, mehr magere Gräſer vorfinde. Die üppigen, von Saft ſtrotzenden Kräuter mit ihrem großen Waſſergehalt haben immer bösartige Darmkatarrhe und Durchfall zur Folge, u. zw. jo ſtark, daſßs manche daran eingehen. Der Aufenthaltsplatz im Freien darf alſo keine gedüngte, üppige Wieſe, ſondern ſoll ein trockener, magerer Boden ſein. Verderblich würde es auch ſein, wenn man das Gemskitz anhalten wollte, ſeine Aſung im geſchloſſenen Raume, im Stalle ꝛc. einzunehmen. Das ſo vorgelegte Gras iſt bald welk, geht in ſeinem feuchten Zuſtande bald in Bähung über und wirkt in dieſem Zuſtande unbedingt ſchädlich. Schon früh kann man es dagegen gewöhnen, etwas Salz aufzunehmen. Iſt es bis vier Wochen alt, ſo werden ihm kleine Brotſtückchen, jedoch unbedingt ſchimmelfrei und nicht ſauer, recht wohl bekommen. Auch wenige Maiskörner können ihm ohne Schaden gereicht werden, je— doch hüte man ſich, daſs es von einer Lieb— lingsnäſcherei zu viel erhalte. Bezüglich des ſtets offenen Stalles oder Hüttchens ſorge man dafür, daſs der Boden recht trocken und hart ſei, letzteres beſonders darum, um das läſtige Auswachſen der Schalen zu verhüten. Trockenheit und freie Luft iſt da— rum nothwendig, weil die feuchten, mockigen Dünſte ſehr gerne Lungenkatarrh erzeugen, der in vielen Fällen ſogar in Lungentuberculoſe übergeht und die Gemſe unrettbar hinwegrafft. Ein großer Theil der in Gefangenſchaft gehal— tenen und naturwidrig verpflegten Gemſen geht an dieſer Krankheit zu grunde. Bei freilebenden Gemſen habe ich die Lungentuberculoſe zweimal beobachtet. In dieſen beiden Fällen hatte ich nach den genaueſten Unterſuchungen allen Grund zu der Annahme, dajs der Krankheitsſtoff von Hausziegen auf ſie übertragen worden ſei. Wenn man bedenkt, wie unendlich klein ſolche Tuberkelkeime oft ſind und doch noch eine Anſteckung hervorzurufen vermögen, ſo darf man ſich gar nicht wundern, daſs Gemſen, wenn ſie in die Nähe ſolcher Stellen kommen, an denen Tuberkelauswürfe von Thieren haften, dieſelben unvermerkt aufnehmen können. Über die Kleinheit der Tuberkelkeime geben uns am beſten die Verſuche des Herrn Breyer im Rudolfs— Spitale zu Wien Aufſchluſs. Dieſer Herr ließ Tuberkelauswürfe in ſein neuerfundenes Mikro— membranfilter und konnte dabei conſtatiren, daſs Tuberkelkeime mit einem Durchmeſſer von 00005-00006 mm durch das Filter zu dringen und trotz dieſer unendlichen Kleinheit noch bei den Meerſchweinchen einen geringen Grad von Tuberculoſe zu erzeugen vormochten. Ferner wurde noch vor kurzer Zeit von medieiniſchen Capacitäten in Wien feſtgeſtellt, daſs ein an Lungentuberculoſe erkrankter Wäch— ter einen Hühnerhof angeſteckt hatte. Angeſichts ſolcher Thatſachen zweifle ich keinen Augenblick, dafs auch die Gemſe von Hausthieren angeſteckt werden kann. Es iſt dies für den Alpenjäger ein Wink mehr, den oft auf den Hochalpen krank herumſiechenden Haus— thieren die vollſte Aufmerkſamkeit zu ſchenken und im Nothfalle ſchützend einzugreifen, u. zw. im denkbar kürzeſten Wege. Dringt die Kunde von einer Krankheit unter den Gemſen ins Volk, ſo muſs immer das arme Wild die Hausthiere angeſteckt haben, ſelbſt dann noch, wenn es bis zur Evidenz nachgewieſen wird, daſs das gerade Gegentheil der Fall war. Nicht unerwähnt möge ferner bleiben, dajs auch andere Alpenbewohner im Freileben dieſer zehrenden Krankheit unterworfen ſind, dajs ſo— gar der Rieſe der alpinen Avifauna, der Bart⸗ geier, Gypaötus barbatus, davon nicht ver⸗ ſchont bleibt. So z. B. berichtet mir der eifrige Forſcher Dr. A. Girtanner aus St. Gallen, dass er aus Tirol einen friſch gefangenen Bart- geier erhalten habe, der ſchon wenige Tage ſpäter verendete. Die im Verein mit Dr. Nölken vor— genommene genaue Unterſuchung ergab als un- zweifelhafte Todesurſache ebenfalls Lungentuber— culoſe. Dieſe Krankheit bei den Alpenthieren iſt jedenfalls nicht neu, aber bis jetzt iſt ſie zu wenig beobachtet worden, weil die eingegangenen Stücke ſelten aufgefunden werden, und bei den wenigen Stücken, die aufgefunden wurden, ſind in den meiſten Fällen genauere Unterſuchungen nicht gepflogen worden. Es iſt in allen Fällen drin— gend geboten, daſs jedes eingegangen aufgefun— dene Stück einer wiſſenſchaftlichen Unterſuchung zugeführt werde. Seltener kommt es vor, dajs Gemſen in ausgewachſenem Zuſtande in Gefangen— ſchaft gerathen. Nur vereinzelte Jäger befaſſen ſich damit, die Gemſen mit Netzen einzufangen, um ſie an Thiergärten und Liebhaber um theuren Preis abgeben zu können. Mag mancher hier— über denken wie er will, ich finde es immer ver— werflich, u. zw. ſchon aus dem Grunde, weil mindeſtens 60% dieſer eingefangenen Gemſen ſchon in den erſten Wochen eingehen oder min- deſtens ein ſehr kurzes Leben miſerabel durch— vegetieren. Bedenkt man dazu noch, von welch tauſendfältigen Angſten und Seelenqualen ſolch ein armes Wild gefoltert und zerfleiſcht wird, jo muſs man zu dem Schluſſe kommen, dajs das Vergnügen, das der Anblick einer ſolchen Gemſe dem ſchauluſtigen Publicum bietet, mit einem Verbrechen an der Natur, mithin allzu— theuer erkauft worden ſei. Will und muſs man einmal ſchon irgendwo eine Gemſe haben, ſo trachte man ſie wenigſtens ſo jung zu erhalten, daſs ſie von der goldenen Freiheit der Berge nichts weiß, daſs ſie nicht mit ihrer Furcht und Freiheitsliebe den Stachel des Todes mit aus ihren Höhen bringt. b und zu kommt es auch vor, daſs Gem— ſen in einen See gerathen, wohl auch abſicht— lich in einen ſolchen gedrängt und dann in er— mattetem Zuſtande aufgefangen werden. Auch dieſen Armen ergeht es nicht beſſer als den anderen Gefangenen. Sobald ſich die Ermattung hebt, die Gemſe wieder ihre Kräfte fühlt, dann iſt ſie auch wieder ſcheu, wild und ſehnt ſich nach ihrer luftigen Heimat. Oft kommt es vor, daſs ſich ſolche Gemſen in kurzer Zeit in ihrem Stalle zu Tode rennen oder an den Dachſparren mit den Krikeln ſich verhäkeln und ſo ſich ſelbſt erhängen. Wenn man ſchon ohne Barmherzigkeit einen ſolchen Wildfang haben will, ſo gebe man ihm doch einen möglichſt luftigen Aufenthalt, einen Raum, der es ihm unmöglich macht, ſich den Kopf einzurennen, und halte müßige Zu— ſchauer doch ſo lange ferne, bis ſich die Gemſe an ihren Pfleger gewöhnt hat. Sehr anzu— rathen iſt es, den Aufenthaltsort ſo einzurichten, daſs in demſelben nur ein Halbdunkel herrſcht und ſie vor allem nicht nach ihren heißgeliebten Bergen äugen kann. Hat ſie dieſelben beſtändig in ihrem Horizonte, jo muſs das mächtige Heimweh in ihr wie eine beſtändige Folter, wie eine markzerfreſſende Qual wirken. Auch das Thier hat ſeine Pſyche, die ihre Wirkungen geltend macht, die ſogar imſtande iſt, den Lebens— funken langſam zu verzehren. Könnten wir in die Seele ſo mancher Gemſe blicken, in der— ſelben die Wirkungen der Seelenqual entziffern, ich glaube ganz beſtimmt, daſs wir bei man— cher Gemſe conſtatieren könnten, wie ihr der beſtändig freſſende Wurm „Heimweh“ langſam den Lebensfaden entzweigeriſſen. Das mag viel— leicht etwas paradox klingen, aber ſicher wird ſich mehr als ein wirklich ſcharfer Beobachter finden, der zu ähnlichen Gedanken gelangt iſt. Daſs dieſe Anſicht bis jetzt noch wenig offen Gemſe. 341 ausgeſprochen worden iſt, hindert mich nicht, ſie hier öffentlich darzulegen. Bei allen Gemſen ohne Unterſchied iſt es nothwendig, dass ſie nur trockene feſte Aſung erhalten. Als Winterfutter ſind ſorgfältig ge— trocknete Blätter der Ebereſche und Miſteln (Viscum album) ſammt Blättern und Beeren zu empfehlen. Letztere namentlich ſind eine wahre Arznei zur Zeit eines Durchfalles oder eines Darmkatarrhs. Das Heu von gedüngten Wieſen iſt immer verwerflich. In den meiſten Lagen iſt es gegenwärtig leicht, gutes Wild- oder Alpenheu zu mäßigen Preiſen zu erlangen; dies iſt und bleibt noch immer das natürlichſte und beſte Winterfutter. In kleinen Rationen gereicht, kann es auch noch mit etwas trocke— nem, reinem Hafer vermiſcht werden, weil derſelbe ſehr viel zur Kräftigung des Körpers beiträgt. An Waſſer darf es den gefangenen Gem— ſen nicht fehlen, wenn ſie auch in der Regel gerade kein großes Bedürfnis an den Tag legen, den gänzlichen Mangel aber würden ſie doch ſehr ſchwer empfinden. Dabei jedoch mujs beachtet werden, daßs das Waſſer ſtets rein ſei und täglich mindeſtens zweimal erneut werde, falls nicht ein kleines Baſſin mit continuierlichem Zufluſſe angebracht werden kann. Das Waſſer, das den Mooren und Torfflächen entſpringt, iſt wegen der mitführenden feinen Modertheile, der winzigen Algen ꝛc. unbedingt nicht anzu— rathen. Es erzeugt Darm- und Lungenkatarrh und im weiteren Verlauf Tuberculoſe, in ein— zelnen Fällen Anſchwellungen am Halſe, die in tödtliche Absceſſe übergehen. Eigenthümlich iſt dagegen wieder, daſs die Gemſen kleine Doſen Schnupftabak und wegge— worfene Cigarrenſtummel gierig und ohne die mindeſten nachtheiligen Folgen aufnehmen. Daraus möge jedoch nicht gefolgert werden, daſs es angezeigt wäre, dieſes Experiment häufig zu wiederholen. Über die Art und Weiſe, wie ein Gems— park eingerichtet ſein ſollte, um den Gemſen die Gefangenſchaft halbwegs erträglich zu geſtalten, gibt Dr. A. Girtanner Rathſchäge, die mit meinen Erfahrungen ganz übereinſtimmen. Diejer verdienſtvolle ſchweizeriſche Forſcher und uner? müdliche Pfleger alpiner Fauna und Ornis ſchreibt hierüber: „Anlehnend an das Frei— leben der Gemſe würde ich ein Gemsgehälter ungefähr ſo einrichten: ein je nach dem einzu— ſtellenden Beſtand kleineres oder größeres, trockenliegendes oder ſonniges, womöglich von Natur aus hügeliges und mit wildwachſenden Arten unſerer Bergbäume (Laub- und Nadel— holz) an einzelnen Stellen (dort aber ziemlich dicht) bepflanztes Stück Land wäre entweder mit einem 2½ —3 m hohen Zaun aus ſtehenden Latten oder Paliſſaden, oder mit einer eben ſo hohen Mauer einzufrieden und an einer trocke— nen, hellen, aber der Sonnenhitze nicht ausge— ſetzten Stelle mit einem Blockhäuschen nach Art unſerer Alpſtälle, die offene, ſchmale Seite ſüd— öſtlich gekehrt, vom Erdboden durch eine er— höhte, etwas abfallende Bohlenlage (und dem Boden nicht direct aufliegend) getrennt, behufs Erreichung möglichſter Trockenheit zu verſehen. Wa * . 342 Gemſe. Die Hütte muſßs transportabel ſein, damit fie, ſo bald ſich der Boden unter derſelben von dem durchlaufenden Urin u. ſ. w. durchtränkt zeigt, an eine andere Stelle verſetzt werden kann. Der Boden der Hütte iſt mit Laub als Streu zu belegen und dieſes fleißig zu erneuern. Eine Thüre würde ich einſetzen, um nöthigenfalls durch eine Fangeinrichtung die Gemſe fangen zu können, aber nicht um ſie zum Schutze der Gemſe zu ſchließen, da ſie, wenn ſonſt trocken ſtehend, dieſer Hilfe nicht bedürfen. Sollte der Platz mit Gras beſtanden ſein, ſo würde ich dieſes vorſichtshalber vertilgen, auch ſchon des— halb, weil die Gemſe keine wieſenanbetende Kuh, ſondern ein Geſchöpf der Region zwerg— haften Sträucherwuchſes und trockenen Wald— bodens iſt und ihm darum die meterlangen, grünen, waſſerſchweren Grasraketen richtig auch ſchlecht genug bekommen, und würde nur ein— zelne Stellen ſo belaſſen. Im übrigen wäre der Boden mit Strauchwerk zu beſetzen, die Haupt— fläche aber mit grobem, das atmoſphäriſche Waſſer ſchnell durchlaſſendem und ſelbſt ſchnell wieder trocknendem Geröll, ſtellenweiſe mit Sand zu bejchottern, aus Felsblöcken etwas Natur hineinzupflanzen und in der Ermangelung ſol— cher aus alten Steinplatten und Steinwerk er— höhte Punkte für die ſpringluſtigen Thiere zu bilden und einzelne abgeſägte Baumſtrünke in den Boden einzurammeu. Würde dann noch ein geſchützter Futterplatz und ein ſteinerner Trog für die Salzmiſchung und ein eben ſolcher als Waſſerbehälter gewählt, ſo hätte ich für meine Gemſen, ſofern dieſelben einander ſelbſt nicht ſchädigen, das beſte Zutrauen zu dieſer neuen Heimat. Kann ein felſiges abfallendes Terrain anſtatt ebenen Culturlandes dazu benützt wer— den, ſo iſt dies natürlich weit vorzuziehen, iſt im allgemeinen aber dort, wo Gemſen gefangen gehalten werden, nicht vorhanden und auch bei im übrigen nach Möglichkeit das Freileben be— rückſichtigender Einrichtung nicht nothwendig; umſo weniger, als ja auch die Gemſe nach dem Ausmarſch aus dem Paradieſe ein Bewohner nur des Hügellandes, nicht des Gebirges ge— weſen ſein ſoll, doch fehlen hiefür alle glaub— würdigen Urkunden. Trockenes Futter nach obiger Vorſchrift mit etwas Salz, trockener Stand im Freien und ein Schutzraum wie beſchrieben, Umzäu— nung mit verticalen Stangen, deren untere Querverbindung ſehr tief und deren obere ſo hoch liegt, daſs ſich die Gemſe, auch wenn ihr trotz alledem das Leben gänzlich verleidet wäre, nicht aufzuhängen vermöchte, wie dies im Draht— gitter ſo gerne geſchieht; Vermeidung aller Be— unruhigung durch rohe Menſchen und Thiere bei freundlicher, ruhiger Behandlung durch den Pfleger und ein der Natur möglichſt ähnlicher Aufenthaltsort, wenn auch gar nicht ſehr aus— gedehnt, dieſe Bedingungen erfüllt, werden für die dauerhafte Haltung der Gemſe ſicher ge— nügen.“ Bei manchen ſtarken Böcken beobachtet man in der Gefangenſchaft, wenn ſie allein gehalten werden, zur Zeit der herannahenden Brunft eine fieberhafte Unruhe. Sie nehmen wenig Aſung auf, trollen den ganzen lieben Tag auf und nieder, verſuchen die Umzäunungen zu über— fallen und kommen dabei nahezu ebenſo her— unter wie droben im Gebirge zur Zeit der eigentlichen Brunft. In ſolchen Fällen erſcheint es angezeigt, dem Bocke in Ermangelung einer Gemsgais eine Hausziege als Gefährtin bei— zugeſellen. Er wird ſich bei derſelben ſodann ganz leicht über die freien Liebesfreuden hin— wegtäuſchen. Die Ziege ſollte ihm jedoch ſchon beigegeben werden, ſobald man die Unruhe der Brunft verſpürt, weil bei einer hochgradig vor— geſchrittenen Brunfthitze der Bock, wenn ſie ihm da plötzlich gegeben wird, in ſeinem nicht zu bändigenden Ungeſtüm nicht ſelten die arme Hausziege umbringt. Geſchieht die Einſetzung der Ziege frühe genug, ſo iſt dies nur in den allerſeltenſten Fällen zu befürchten. Im In— tereſſe der Geſundheit eines recht brunftigen Bockes iſt dieſe Vorſichtsmaßregel entſchieden geboten. Wieder andere Böcke äußern in der Ge— fangenſchaft nahezu gar keinen Brunfttrieb, nehmen auch dann eine ſolche Genoſſin nicht an. Bei ſolchen Böcken kann das Einlaſſen einer Hausziege ſelbſtverſtändlich ganz unterbleiben, da es ihn nur nutzlos beunruhigen würde. Wohl nirgends ſo ſehr als in der Ge— fangenſchaft äußert ſich die grundverſchiedene pſychiſche Veranlagung der Gemſe. Sie gibt uns ſo manche Gelegenheit, einen erſtaunten Blick in die Regungen der Thierſeele zu werfen. Pſychiſch genommen iſt eine jede Gemſe ein ſelbſtändiges Individuum für ſich, äußert Re— gungen und Empfindungen, die wieder von denen einer zweiten und dritten Gemſe ganz durchaus grundverſchieden ſind. Von einer ein— zelnen Gemſe in der Gefangenſchaft auf das Leben aller anderen ſchließen zu wollen, würde ein unbedingt verfehltes Unternehmen ſein und müſste ein durchaus falſches Geſammtbild zur Folge haben. Es ſind nur wenige feſte, durch das phyſiſche Wohlſein bedingte geiſtige Grund— züge, in denen ſich alle Gemſen nahe kommen, im übrigen beanſprucht die Individualität einen ſehr weiten Spielraum. Die eine Gemſe er— trägt die Gefangenſchaft mit einer gewiſſen Stupidität, lebt mehr mechaniſch als geiſtig noch fort, eine andere zeigt ſich durchaus in ungebeugter Wildheit, weist jede Annäherung des Menſchen conſequent und energiſch zurück, nur darauf bedacht, die Freiheit zu erlangen, ſobald ſich die Thüre ein wenig öffnet, gleich— viel, ob die kühne Flucht über den Kopf ihres Pflegers hinwegführe. Wieder andere Gemſen toben und raſen ſo lange in ihrem Behälter herum, bis ſie ſich an irgend einem Vorſprunge die Hirnſchale einrennen; dagegen findet man wieder ſolche, welche ſich ins Unvermeidliche zu fügen wiſſen und durch Anbequemung an die gegebenen Umſtände möglichſt ihren eigenen Vortheil herauszuſchlagen wiſſen. Das ſind ge— wiſs ſo tief einſchneidende Gegenſätze, die nicht auf einem bloßen Zufalle beruhen können, ſon— dern gewiſs nur in der ſeeliſchen Veranlagung des einzelnen Individuums ihre Wurzel und ihren Urſprung haben müſſen. Aus dieſen Eigenthümlichkeiten geht her— vor, daſs zur Pflege einer gefangenen Gemſe Gemſe. eine ſchematiſche Behandlung allein keineswegs ausreicht. Die Thierſeele in ihrer individuellen Außerung verlangt auch ihre Berückſichtigung. Das möge Jeder bedenken, der eine gefangene Gemſe halten will. Nun aber von der Naturgeſchichte weg und hinaus in das hehre, ewig herrliche Gebiet der Alpen, hinaus zum friſchen, freien, fröhlichen Jagen! Zum Glüde iſt die Jagd auf die Gemſe noch eine ſolche, welche den Jäger allſeitig in Anſpruch nimmt, bei welcher noch Manneskraft und friſcher Muth vielfach zur Geltung ge— langen. Sie iſt eine des ganzen Mannes wür— dige Jagd. Zwar gilt es nicht, einem Wilde gegenüberzuſtehen, welches durch reißende Wild— heit und überlegene Stärke dem Manne Gefahr bringen kann, aber es gilt in hundert Fällen, der flüchtigen Gemſe in Gebiete zu folgen, welche die höchſte Aus dauer erfordern, ein muth— volles Vorwärtsſchreiten zur erſten Bedingung machen. Es gibt der gefährlichen Paſſagen ſo viele, wo unmittelbar vor oder neben der Schuh— ſpitze der gähnende Abgrund dräuend ſich öffnet, wo ein einziger Fehltritt den ſicheren Tod be— deutet; dieſe Stellen müſſen überſchritten wer— den, ohne mit einer Wimper zu zucken, ohne die mindeſte Anwandlung von einem Schwindel zu fühlen. Hiezu gehört gewiſs ebenſo viel kör— perliche Gewandtheit, friſche Kraft und unent— wegter Muth, als wenn es ſich darum handelt, einem reißenden Wilde ſeinen Mann zu ſtellen. Unter den verſchiedenen Methoden der Gemsjagd ſteht die Pürſche unbedingt oben an. Sie erfordert einen ganzen Mann, einen ganzen Jäger. Wer es mit ihr leicht nimmt, den wird ſicher kein grüner Bruch lohnen. Ein Haupt⸗ augenmerk hat der pürſchende Jäger auch auf ſeine äußere Ausrüſtung zu richten. Die per- ſönliche Sicherheit erfordert es, daſs er vor allem mit einem tadelloſen, gut genagelten Schuhwerk verſehen ſei. Er muſßs damit auf kleinen Vorſprüngen, vorſtehenden Zacken oder in den unregelmäßigen Rillen ſichern, guten Stand faſſen können. Der Schuh ſoll möglichſt nach dem Principe der Schalenbildung des Gemslaufes gearbeitet ſein. Die übrige Kleidung iſt fürs Hochgebirge der Loden. Er vermag allen klimatiſchen Einflüſſen Trotz zu bieten, hält den Körper warm und ſchützt vor Ver— kühlungen. Die Farbe ſoll wenig auffallend ſein, beſonders auf größere Entfernungen den Jäger ſozuſagen verſchwinden laſſen. Ein mehr oder weniger dunkles Steingrau entſpricht am beſten, denn damit kann man oft in einem Gewirre von Felſen und Steintrümmern ſtehen, ohne von den Gemſen eräugt zu werden. Ich ziehe auch eine ſolch graue Hoſe, bis auf die halbe Wade reichend, den ſo beliebten „Gamsledernen“ unbedingt vor, denn ſie ſchützt vor dem fürch— terlichen Gelenkrheumatismus, den ſich Jeder zuzieht, der viel im Gebirge ſich aufhält, ganz beſonders aber dann, wenn er der Mode mit den nackten Knien huldigt. Dieſe unbegreifliche Eitelkeit muſs man im Hochgebirge meiſt theuer bezahlen. Auch der Hut ſoll mit der übrigen Ge— wandung im Einklange ſtehen. Ein ſtolzer Spielhahnſtoß auf demſelben iſt zwar eine recht 343 nette, aber äußerſt unpraktiſche Zierde, die leicht den Erfolg in Frage ſtellen kann. Ein einfärbiger Ruckſack, ein ebenſolcher Mantel und ein gut beſchlagener Alpenſtock, jedoch ohne das an vielen Orten obligate Gems— krikel als Haken, ſind nicht außer Acht zu laſſen. Nun noch ein ſcharfes Glas und die liebe, treue Büchſe. Von ihr beſonders hängt der Er— folg der oft tagelangen Kletterpartien ab; ſie ſpricht das entſcheidende Wort, verhilft dem ſicheren Schützen zu dem grünen Bruche, wohl auch zum wallenden Gemsbarte, oder ver— urtheilt den Nachläſſigen, den Unfertigen zu dem nicht ſehr beliebten Nachſehen. Als Haupterfor— dernis der Büchſe ſteht obenan eine möglichſt raſante Flugbahn und ein ſolides Langblei, letzteres beſonders darum, weil die Länge des Führungsringes weſentlich zu einem guten Schuſſe beiträgt. Hält die Büchſe genau Schuſs, erlaubt ſie auf eine entſprechende Entfernung die Kugel auf den bezielten Fleck zu ſenden, ſchießt fie hinreichend ſcharf und möglichſt ra- ſant, dann fällt das Syſtem wenig ins Gewicht. Ich habe noch bei jedem Syſtem gute Pürſch— büchſen gefunden. Am meiſten jedoch dürfte ein ſolid gebauter Lancaſter den Anforderungen fürs Hochgebirge entſprechen. Hat eine Büchſe die vorerwähnten Eigenſchaften, dann haben wir auch keine Veranlaſſung, nach den mör— deriſchen Exploſions- und Expanſivgeſchoſſen zu greifen, welche das Wild in ſo arger Weiſe zerreißen und wegen dem vielfach vorkommenden Ricochettieren der einzelnen Kugeltheile in recht böſen Terrains nicht einmal ohne Gefahr für den Jäger ſind. Zum mindeſten aber habe ich nie gefunden, daſs dieſe Geſchoſſe in einem großen Durchſchnitte ſich vortheilhafter als ein ſolides Langblei erwieſen hätten. Einzelne bril— lante Fälle allein geben kein Kriterium, es müſſen eine große Anzahl von Fällen und die damit erzielten Durchſchnittsreſultate als Norm genommen werden. Mehr als das Syſtem noch wiegt die un— bedingte Vertrautheit des Jägers mit der Waffe. Sie iſt es, welche in hunderten von Fällen einen vorhandenen relativen Nachtheil vollkommen auszugleichen vermag. Der Wilderer ſchießt oft mit dem erbärmlichſten Eiſen beſſer als mancher andere mit jeinem neuen, vorzüglichen Express- rifle. Er iſt mit ſeiner Waffe gleichſam ver— wachſen, kennt ſie durch und durch, ſetzt ſein unbedingtes Vertrauen in ſie, und darum kann er in Bezug auf Treffſicherheit einem beſſeren Gewehre in vielen Fällen faſt nahe kommen. Aus dieſem Grunde iſt ein beſtändiger Gewehr— und Syſtemwechſel auf keiner Jagd gut, auf der Hochgebirgsjagd aber unbedingt am ſchlech— teſten. Das Gewehr macht nicht immer den Jäger, er macht oft auch das Gewehr, voraus— geſetzt natürlich, daſßs es den Hauptanforde— rungen, die man an eine ſichere Büchſe unbe— dingt ſtellen mujs, entſpreche. Für das weitere eine auf alle Fälle be— zughabende Pürſchlehre zu ſchreiben, wäre wohl ein nutzloſer Verſuch, weil es einfach eine Un— möglichkeit iſt, all die tauſend Eventualitäten im Vorhinein in Rechnung zu ziehen. Der 344 Genie. Pürſchgang muſs und kann unbedingt nur im Reviere ſelbſt erlernt, muſs dort mit dem Auf— gebote der ganzen geiſtigen Kraft ſtudiert und prakticiert werden. Was man darüber ſchreiben kann, das ſind nur einige Grundzüge, einige Cardinalregeln, deren Urſachen weniger in einem beſtimmten Terrain als vielmehr in den Charaktereigenthümlichkeiten des Gemswildes wurzeln. Der Pürſchgang erfordert vor allem eine genaue Kenntnis des Reviers bis in die kleinſten Details, weil hiedurch die Gewohnheiten des Gemswildes oft modificiert werden. Mit dem Terrain zugleich mußs auch gleichſam die Pſyche dieſes Wildes klar erfaſst werden, wenn man ſich über das Warum, Wie und Wo ſoll Rechen— ſchaft ablegen können. Ein Pürſchgang iſt nicht bloß anſtrengend für die phyſiſchen Kräfte, er iſt auch ein großes Stück geiſtiger Arbeit, die nur der zu bewältigen vermag, der mit klarem Geiſte und ſcharfer Combinationsgabe ausge— rüſtet die ſchwierigen Terrains betritt. Schauen, Denken, Sinnen iſt auch hier die allein giltige Trias. Schon der Aufſtieg ins Revier mußs ſtets jo gewählt werden, daj3 man ſich ſtets in gutem Winde befindet. Die verſchiedenen Luftſtrö— mungen, wie ſolche in den verſchiedenen Zeiten des Tages ſich bemerkbar machen, ſind wichtig genug, um ſchon im vorhinein genau in Rech— nung gezogen zu werden. Sobald die Gemſe einmal von dem Jäger Witterung aufnimmt, dann kann er nicht mehr leicht an einen Erfolg denken. Ein ſchriller Pfiff iſt ſofort das Signal zur allgemeinen wilden Flucht. Die Gemſe nimmt oft auf unglaubliche Entfernungen Wind, erfordert daher doppelte Vorſicht. Kennt man nicht erſt das ganze Revier und die Stände des Wildes in den verſchiedenen Tageszeiten aufs genaueſte, ſo iſt es kaum denkbar, dem Wilde nahe zu kommen, ohne daſs dasſelbe früher Wind erhält. Ein weiteres Erfordernis iſt unbedingte Stille und Ruhe. Schon bevor man das eigent— liche Gemsrevier betritt, empfiehlt es ſich, den Bergſtock beim Gebrauche verkehrt zu nehmen, um das Anſchlagen der Eiſenſpitze an dem Ge— ſtein zu verhüten, da dies ſehr weit hörbar iſt und die Gemſe in hohem Grade beunruhigt. Bezüglich des Tabakrauchens glauben Viele, daſs es nicht ſchade; nach meinen Erfahrungen jedoch iſt es unbedingt beſſer, wenn dasſelbe unterbleibt. Wenn es anders möglich iſt, ſoll man ſich auch aus etwaigen Begquemlichkeitsrückſichten nicht verleiten laſſen, einen ſtark betretenen Wechſel zu überſchreiten, weil in dieſem Falle die Gemſen, welche ſpäter dieſen Wechſel an— nehmen, ſofort Witterung bekommen und in kurzer Zeit das ganze Revier in Unruhe ver— ſetzen. Das Ausſpähen hinter Felſen, Steintrüm— mern oder Kämmen erfordert die höchſte Vor— ſicht. Der Kopf darf nur ſehr langſam, und falls die Hutfarbe zum Terrain nicht genau paſst, beſſer unbedeckt gehoben werden. Das Vorſchieben der Büchſe erfordert die gleiche Vorſicht. Eine blanke Büchſe iſt durchaus nicht angezeigt, weil der Reflex des blanken Laufes jo leicht zum Verräther wird. Ein einziges Auf— blitzen des Laufes kann die Mühen eines ganzen Tages erfolglos machen. Hat man ſich endlich in weidgerechte Ent— fernung an das Wild herangepürſcht, bleibt ſehr zu berückſichtigen, ob das Wild höher oder tiefer als der Schütze ſtehe, weil das für ein ſicheres Abkommen von weſentlicher Bedeutung iſt. Hat man dann einmal das Gewehr im An- ſchlage, dann gilt die ſicher wirkende Zauber— formel: Ruhe, Geiſtesgegenwart, Schnelligkeit. Wenn eines von dieſen Dreien fehlt, dann iſt es um den Schützen nicht ſonderlich gut beſtellt. In dem Augenblicke, in welchem der Blick den richtigen Fleck ſcharf erfafst, ſoll auch die Büchſe ſprechen. Langes Zielen iſt für einen guten Schußs nicht vortheilhaft. Freilich iſt dabei vorausgeſetzt, daſs die Entfernung nur eine ſolche ſei, dafs das Blatt mit dem Blicke noch feſt erfafst werden kann. Dies dürfte auf weitere Diſtanzen als 200—240 Schritte mit der nöthigen Klarheit kaum mehr möglich ſein. Selbſt das ſchärfſte Auge wird z. B. auf 300 Schritte das Blatt nicht mehr mit der nöthigen Schärfe erfaſſen können. Man zählt allerdings viel gelungene Weitſchüſſe, aber der Fehlſchüſſe doch unendlich viel mehr. Sagt dem Schützen das Zeichen der Gemſe, oder auf kürzere Diſtanzen der Kugelſchlag, daſs das Geſchoſs gut ſitze, oder überzeugt er ſich, daſs er einen Fehler zu verzeichnen habe, gleichviel, er ſoll ſeine Ruhe bewahren und ebenſo gedeckt wie vor dem Schuſſe auf ſeinem Platze verharren, bis ſich die aufgeſchreckten Gemſen nach irgend einer Richtung hin ver— zogen haben. Der Knall wird ſie zwar beun— ruhigen, aber bei weitem nicht in jenem Maße, wie wenn ſofort nach dem Schuſſe auch zugleich der Kopf oder die ganze Figur des Schützen ſichtbar wird. Nach dem alleinigen Knalle wer— den ſie ſich bald beruhigen, nach dem Eräugen des Schützen aber ſehr lange nicht. Auch das angeſchoſſene Stück, falls es nicht unterm Feuer geblieben, wird ſich viel früher niederthun, wenn es den Schützen nicht eräugt hat, und gerade dieſer Punkt iſt im Hochgebirge von großer Bedeutung. Gleich gefehlt iſt das baldige Nach— treten hitziger Schützen, die es nicht erwarten zu können meinen, die Gemſe ſicher im Ruck— ſacke zu haben. Läſst man der ſchwer ange— ſchoſſenen Gemſe hinreichend Zeit, krank zu werden, ſo wird man ſie in den meiſten Fällen im Weidbette auffinden können. Wird ſie jedoch zu frühe wieder rege gemacht, ſo wird ſie mit dem Kraftaufgebote der Verzweiflung noch die ſchwierigſten Felspartien annehmen und für den Jäger ſicher verloren ſein. Nur das unbe— ſonnene, frühe Nachtreten hat in dieſem Falle den Raubvögeln den Tiſch gedeckt. Eine erlegte Gemſe darf nicht ſofort an dem Platze, wo ſie erlegt wurde, aufgebrochen werden. Dies ſoll erſt ferne an einem Orte vorgenommen werden, der von den Gemſen vorausſichtlich nicht beſucht wird. Ich kenne kein gründlicher und nachhaltigerer wirkendes Mittel, ein größeres Terrain zu vergrämen, als wenn eine Gemſe nahe bei einem Wechſel er oder an einem Aſungsplatze aufgebrochen wird. Da wird man lange Zeit hindurch keine Gemſe mehr ſuchen dürfen. I Oft wird mit dem Pürſchgange eine zweite Jagdmethode, nämlich der Anſtand, verbunden. Iſt die Pürſche reſultatlos verlaufen, ſo trachtet der Jäger auf Umwegen dem Rudel einen Vor— ſprung abzugewinnen und ſie auf einem ſicheren Wechſel zu erwarten. Iſt dies wegen Terrain— ſchwierigkeiten oder aus anderen Urſachen nicht möglich, ſo wartet er bis zum Abend, beſetzt dann den Wechſel, auf dem ſie täglich zur Abendäſung ziehen, und verſucht da nochmal ſein Glück. Bei der Ausübung der Jagd am Anſtande muj3 nebſt genauer Berückſichtigung der Wind— richtung auch darauf Rückſicht genommen wer— den, daſs der Schütze feine Stellung jo gut als möglich gedeckt einnehme, damit er von den einherziehenden und verhoffenden Gemſen nicht eräugt werden kann. Dabei iſt unbedingte Ruhe am Sitze erforderlich. Hat ein Rudel den vor— ſichtig verſtellten Wechſel angenommen, dann ſoll ſich der Schütze nicht von dem leidigen Schießeifer hinreißen laſſen und gleich auf das erſte Stück losknallen. Die Leitgemſe iſt ſtets eine alte, erfahrene Gais; ihr vertrauen und folgen die übrigen. Die Böcke ſind meiſtens zuletzt. Da heißt es alſo, die Leitgemſe und die übrigen Gaiſe unbehindert ziehen laſſen, wenn man einen Bock erlegen will. Dieſe kleine Selbſt— beherrſchung wird in den meiſten Fällen von einem capitalen Krikelpaare, eventuell auch von einem wallenden Gemsbarte belohnt werden. Auch hier ſoll ſich der Jäger nach dem Schuſſe unbedingt ruhig verhalten und ſich dem flüch— tenden Rudel nicht zeigen. Wird ein Gemsbock in der ſpäten Herbſt— zeit erlegt, dann iſt es für den glücklichen Schützen das erſte, daſs er ſich des Gemsbartes bemächtigt. Zu dieſem Zwecke erfaſst man ein kleines Büſchel der langen Haare, wickelt die— ſelben zwei- bis dreimal um den Finger und reißt ſie ſo mit einem raſchen Rucke aus. Hat man ſich des ganzen Bartes bemächtigt, ſo wird derſelbe wohl verwahrt und dann zu Hauſe ge— ordnet. Zu dieſem Behufe wird der Bart in ein enges Glas geſteckt und darin ſo lange ſachte gerüttelt, bis die einzelnen Haare in die rich— tige Stellung gelangt ſind, dann wird er unter- halb feſtgebunden, und der heißbegehrte Hut— ſchmuck iſt fertig. Eine ebenſo amüſante als lohnende Jagd— methode iſt das Riegeln. Dieſe verlangt wenig aber wechſelkundige Schützen und zwei bis drei Treiber, welche jedoch mit den Eigenthümlich— keiten des Gemswildes und der Terraincon— figuration aufs innigſte vertraut ſein müſſen. Man könnte das Riegeln faſt ein etwas zu laut durchgeführtes Pürſchen nennen. Auch beim Riegeln müſſen alle Umſtände beobachtet werden, welche bei der Pürſche in Betracht zu ziehen ſind. Die Treiber müſſen mit dem ganzen Jagdplane genau vertraut ſein und die Stände kennen, welche beſetzt werden. Haben dann die Schützen ihre Stände eingenommen, und iſt für die Treiber die feſtgeſetzte Zeit verfloſſen, ſo beginnen die letzteren nach einem wohlerwo— Gemſe. 345 genen Plane das Gemswild zu beunruhigen und durch geſchickte Combination in der Aus— nützung der Terrainverhältniſſe nach den be— ſetzten Ständen zu dirigieren. Alles geht ſtill und ruhig ab, höchſtens daſs, wenn es unbe— dingt nothwendig iſt, ein Treiber auf der Blöße erſcheint, ſich da den Gemſen zeigt, ſich ein paarmal räuſpert und dann wieder ver— ſchwindet, um an einem andern Punkte wieder aufzutauchen, wo ein allfälliges Ausbrechen zu befürchten ſteht. Auf dieſe Wieſe richten die Gemſen ihre Aufmerkſamkeit immer dahin, wo ſie den ſie beunruhigenden Treiber vermuthen, vergeſſen nach vorwärts bereits jede Vorſicht und wechſeln ſo ruhig und ſchön den Schützen an, ſo daſs oft Einer mehrere wohlgezielte Schüſſe anbringen kann. Das Riegeln iſt eine Jagdart, die es voll— auf verdient, mehr und allgemeiner ausgeübt zu werden, ſowohl zum Vergnügen des Jägers als im Intereſſe des Wildes. Alle drei bis jetzt beſprocheuen Jagdarten haben den eminenten Vortheil, daſs ſie nur einen ganz kleinen Theil des Revieres beunruhigen, die übrigen Complexe dagegen nicht im min⸗ deſten in Aufregung verſetzen. Im Intereſſe des Wildes iſt das ein Vortheil, den man nie hoch genug anſchlagen kann. So läſst ſich perſön— liches Jagdvergnügen ausüben, ohne dass das ganze Revier, oder wenigſtens ein großer Theil desſelben, unter den ſonſt damit verbundenen Nachtheilen zu leiden hätte. Bei dem Umſtande ferner, daſs man das Wild meiſt vertraut vor dem Rohre hat, erwächst noch der weitere Vor— theil, daſs jeder Schuſs mit der nöthigen Ruhe und Sicherheit abgegeben werden kann, mithin weit weniger Wild zu Holze oder Fels ge— ſchoſſen wird, als dies bei den allgemeinen Treibiagden der Fall iſt. Zieht man dabei noch den Koſtenpunkt in Betracht, ſo ſpricht auch dieſer nicht unweſentlich zu gunſten dieſer Jagd— arten. Bei den Treibjagden in ausgedehnten Re— vieren iſt man bemüſſigt, eine große Anzahl von Treibern und eine größere Schützenzahl zu verwenden. Jeder Treiber hat ſeinen be— ſtimmten Poſten, von dem aus er in ſteter Be— rückſichtigung ſeiner Nachbarn vorzugehen hat. Sind die Schützen auf ihren Ständen ange— langt, ſo gibt der Jagdleiter mittelſt des ſog. Hebſchuſſes das Zeichen zum allgemeinen Vor⸗ rücken der Treiber. Da ſolche Treiben meiſt mit Klopfen, Pfeifen und Schreien verbunden ſind, kommt das Wild meiſt ſehr flüchtig auf die Stände, was das Schießen ſowie die Auswahl der Stücke ſehr erſchwert. Da iſt es doppelt wichtig, daſs kein Schuſs auf zu große Diſtanzen abgegeben werde, daſs ein Schuſs, wenn mög— lich, nur in dem Augenblicke abgegeben werde, in welchem die Gemſe verhofft, mithin einen ruhigen Zielpunkt bietet und auch das Anjprechen auf ihr Geſchlecht leichter ermöglicht, was gewiſs auch zu berückſichtigen iſt, da es gewöhnlich doch dem Jagdherrn lieber iſt, wenn mehr Böcke als Gaiſen auf die Strecke gelangen. Iſt man gezwungen, den Schuſs auf das Wild in der Flucht abzugeben, ſo bemühe man ſich, mit ſcharfem Blicke das Blatt zu erfaſſen, fahre 346 Gemſe. einen kurzen Augenblick nach und laſſe gleich— zeitig den Schujs brechen, oa: mit Nachziehen einzuhalten. Mit dem jog. Vorhalten, falls man das Nachfahren nicht zuſammenbringt, erreicht man zwar auch a ſeinen Zweck, manch— mal bleibt man aber auch hübſch — ſitzen. Je raſcher und beſonnener der Schuſs, umſo ſicherer und beſſer wird er ſitzen. Langes Zielen taugt wenig und hat ſehr oft das ärgerliche Ver⸗ paſſen oder einen Fehlſchuſs, oder was noch ſchlimmer iſt, einen Weidewundſchuſs zur Folge. Wo die großen Treibjagden ſtatthaben, ſollten dieſelben doch wenigſtens nur einmal im Jahre in dem nämlichen Reviere vorge— nommen werden. Bei zu häufiger Beunruhigung wechſeln die Gemſen nicht ſelten in die ent— fernten Nachbarreviere, nehmen dann wohl auch in denſelben ihren ſtändigen Aufenthalt. Ein gewiſſes noli me tangere bildet im Hochgebirge die Gemsjagd mit Hunden. Be— ſonders in der Schweiz wird dieſe Jagd, wo ſie nicht ſpeciell durch die cantonale Geſetz— gebung ſtrenge verboten iſt, vorwiegend execu— tiert, und beſitzen die Schweizer Jäger meiſt derſelben entſprechende Hunde, die ſog. Lauf— hunde. Der Schweizer iſt für dieſe Jagd ſo eingenommen, daſs er gerne die daraus reſul— tierenden, oft recht empfindlichen Nachtheile über— ſieht. Auch in Vorarlberg, Tirol und Kärnten gibt es noch einzelne Reviere, in denen die Gemsjagd mit Hunden noch immer betrieben wird. Ich mujs offen geſtehen, dafs ich mich aus mannigfachen Gründen für die Gemsjagd mit Hunden nie begeiſtern konnte. Es mag einzelne Reviere geben, wo ſie den Treibern gegenüber einigen Vortheil zu bieten ſcheinen, aber im allgemeinen ſollte man Hunde eben nur dort anwenden, wo man wegen Terrainſchwierig— keiten mit den Treibern ein Auslangen nicht findet. Alte, gewitzigte Gemſen wiſſen ſich in den meiſten Fällen vor dem Hunde ebenſo gut in einen ſicheren Einſtand abzuſtehlen als ſie es vor den Treibern ausführen. Da die ſtarken Hunde eine bedeutende Ausdauer entwickeln, beun— ruhigen ſie in ſehr nachtheiliger Weiſe das Revier weit über den Rayon des beabſichtigten Treibens hinaus und werden nicht ſelten ſogar den Jagdnachbarn läſtig, wenn man ſchon die gelindeſte Bezeichnung acceptieren will. Der Nutzen, den die Gemsjagd mit Hunden erzielt, wiegt in einem ſorgſam gehegten Re— viere nie die Nachtheile auf, die ſie unvermeid— lich im Gefolge hat. Es erübrigt nun noch ein Wort über die Hege des Gemswildes zu jagen. Da ſie un- gleich ſchwieriger iſt als die eines jeden anderen Wildes, ſo hat man die Sache vielſeitig einfach der lieben, ſorgenden Mutter Natur überlaſſen. Wer jedoch dieſem Grundſatze huldigt, der wird kaum ſeinen Gemswildſtand aufblühen ſehen. Die Hege des Gemswildes umfaſst die Paralyſierung der Gefahren, einen möglichſt geregelten Abſchuſs und einige Nachhilfe in der Zuführung ſalzhaltiger Stoffe in den Mittel- und Hochlagen. Die erſte Bedingung zur Hebung des Wild— ſtandes iſt die Ausrottung der Wilderer und des gefährlichen Raubzeuges. Wo dieſe gedeihen, da geht es unbedingt mit dem Wildſtande den Krebsgang, iſt alle ſonſt verſchwendete Mühe faſt jo gut wie vergebens. Den Wilddieben muſs mit allen Mitteln ihr verruchtes Handwerk ge— legt und das Revier nach ihnen, ſowie nach Schlingen, Eiſen und Stein- oder Wildſchlägen vom Sommer bis in den Spätherbſt hinein immer fleißig abgepürſcht werden. Bei ſolchen Gängen wird es auch häufig gelingen, anderes ſchädliches Haar- und Federraubwild vor den Schuſs zu bringen. Für Adler und Geier kann man mit Erfolg die Schlageiſen an ſolchen Plätzen ſtellen, wo man ſicher iſt, daſfs Gems— wild nicht hinkomme. Der Schutz und die Be⸗ ſeitigung alles Schädlichen iſt im allgemeinen gleich wie in anderen Revieren, weshalb ich füglich eine ſpecielle Abhandlung unterlaſſen kann. Der Abſchuſs im Herbſte ſoll ſtets in einem geregelten Verhältnis zu den faetiſch vorhandenen Gemsbeſtänden ſtehen, und darf es ſich keineswegs darum handeln, den Abſchuſs nach der Höhe der Pachtſumme oder nach jener der Koſten einzurichten. Der Abſchuſs der Gemskitze iſt glücklicher— weiſe ſchon durch das Geſetz verboten. Damit aber wird ſich der hegende Jäger und der Weidmann nicht zufrieden geben, er wird ſtets auch jedes Stück ſchonen, das er als Gais an— ſprechen zu können in der Lage iſt. Eine Aus» nahme hievon machen unbedingt nur die Gelt— gaiſen. So lange die Gais ihr Kitz führt, ſo lange iſt in der Regel die Unterſcheidung nicht ſchwer. Ein ſcharf beobachtender Jäger wird aber auch in ſpäterer Zeit, wenn die enge Ver— bindung mit der Deſcendenz ſchon etwas ge— lockert iſt, doch in der Mehrzahl von Fällen die Gais von dem Bocke unterſcheiden können und erſterer Schonung angedeihen laſſen. Desgleichen wird er beſonders auf dem Pürſchgange und beim Riegeln dahin trachten, möglichſt dem ſtärkſten Bocke die Kugel aufs Blatt zu ſenden. Recht alte Böcke ſchaden dem Aufblühen der Beſtände, weil ſie nach Kräften zur Zeit der Brunft die jüngeren Böcke am Beſchlage ver— hindern und bei dem ſchon zum Theil vor— handenen Unvermögen ſelbſt nicht mehr eine hinreichende Anzahl fruchtbarer Beſchläge aus— zuführen imſtande ſind. Die Folge von der Alleinherrſchaft ſolch alter Herren ſind gelte Gaiſen und dem muſs vorgebeugt werden. Am beſten werden dieſe im erſten Herbſte noch als Einſiedler lebenden Böcke weggepürſcht, bevor ſie zu den Rudeln treten. Da ſolch alte Ein— ſiedler immer ſehr gewitzigte Burſchen ſind, wird es ſich in einzelnen Fällen für den Jäger empfehlen, ſeine gewohnte Kleidung für den Pürſchgang mit jener eines Holzknechtes oder eines Alpenhirten zu vertauſchen. Weil die vor— ſichtigen Böcke dieſe ſtereotypen Figuren im Wald und Gebirge meiſt als unſchädlich kennen gelernt haben, ſo zeigen ſie auch keine ſonder— liche Furcht, können mithin umſo leichter mit Erfolg angepürſcht werden. Wer in der Lage iſt, in ſeinem Reviere den Auftrieb von Schafen zu verhindern, der 3 Gemſe. wird im Intereſſe ſeines Wildes handeln, wenn er den Auftrieb hintanhält. Die Gemſen können die Witterung der Schafe für die Dauer abſolut nicht vertragen, wechſeln daher aus Revieren, die durch Schafe beweidet werden, vollſtändig aus. Sie verlaſſen ſogar ihre ausgeſprochenſten Lieblingsplätze und kehren erſt dann wieder zurück, wenn die Schafe abgezogen und die hinterlaſſene Loſung vollſtändig verwittert iſt. Bis das geſchehen, iſt meiſt die beſte Jagd— zeit vorüber und damit jede Ausſicht auf einen grünen Bruch. Nach Kräften wird jeder Jäger dahin trach— ten, ſeinem Gemswilde die beliebten ſalzhaltigen Stoffe in hinreichender Menge zukommen zu laſſen. Wohl findet man in vielen Felſen oder in deren abgebröckeltem Grus ſalpetrige Efflo— reſcenzen, die von den Gemſen mit vielem Be— hagen aufgenommen werden, aber dieſe „Selbſt— lecken“ reichen für ein wohlbeſtelltes Revier nicht aus. Man mujs für die Anlage von wei— teren Salzlecken Sorge tragen. Dieſe werden ganz gleich hergerichtet, wie man ſie für das Rothwild zu ſchlagen pflegt, höchſtens daſs der Kaſten etwas kleiner angefertigt wird, um den Transport desſelben zu erleichtern. Zur An— lage einer Salzlecke wähle man ein Terrain, welches weder dem grellen Lichtreflexe kahler Felswände, noch den raſendſten Nordſtürmen ganz frei ausgeſetzt iſt. Wenn man vor der Anlage einer Salzlecke das Gemswild genau beobachtet, ſich ihre Lieblingsaufenthalte merkt, ſo wird man unſchwer den richtigen Punkt fin— den. Solche Salzlecken, welche für den Sommer und Herbſt beſtimmt ſind, ſollen, wenn möglich, für die Ziegen nicht zugänglich ſein, ſonſt wer— den dieſelben von dem laſciven Völkchen aus— geleert, ehe etwas davon den Gemſen zu gute kommt. Bei Lecken, welche für die erſte Früh— jahrszeit beſtimmt find, läſst fi) das Aus— leeren zwar nicht vermeiden, aber daran liegt am Ende nicht mehr viel, weil dieſe bis zum Auftriebe der Ziegen bereits ihre Schuldigkeit gethan haben. In felſigen Hochlagen laſſen ſich oft ordentliche Salzlecken nicht anbringen, weil man in das harte Geſtein den Kaſten nicht ein— graben kann. Da ſucht man dafür eine etwas überhängende Felswand und klemmt dort zwi— ſchen das Geſtein größere Stücke von Steinſalz feſt ein. Dieſe werden ebenſo gerne wie die eigentlichen Salzlecken angenommen, es wird ſo— mit mit den Steinſalzſtücken der nämliche Zweck erreicht. Hat ſich der Jäger den Mühen zur Her— richtung geeigneter Salzlecken unterzogen, muss er es andererſeits unterlaſſen, an der Lecke eine Gemſe zu ſtrecken oder ſie zu beunruhigen. Die Gemſen ſollen ſich an ſolchen Stellen „zu Hauſe“ fühlen, ſollen wiſſen, daj3 ſie da nichts zu fürchten haben, dann erfüllen die Lecken einen doppelten Zweck und ſchaffen unbezahl— baren Nutzen. Ungleich ſchwerer iſt es, für das Gems— wild im Winter zu ſorgen, da es nicht wie das Rothwild die Wildraufen annimmt. Da mit ähnlichen Vorrichtungen ſchon oft vergebliche Verſuche angeſtellt worden ſind, ſo hat man den Gedanken einer Winterfütterung zumeiſt gänz— rm y : y v y 347 lich aufgegeben und behauptet, die Gemſen nehmen eine Winterfütterung überhaupt gar nicht an. Wer ſich die Mühe genommen hat, im erſten Frühjahr die über den Winter ſtehen ge— bliebenen Heuſchober in den höchſten Gebieten aufmerkſam zu beſehen, der wird ſich auch über— zeugt haben, daſs ein großer Theil davon auf— geäst wurde, und die große Anzahl von Fähr— ten in der Nähe wird es ihm unzweifelhaft geſagt haben, daſs es die Gemſen waren, welche hier im Winter zu Gafie geweſen. Daraus läſst ſich der ſichere Schluſs ziehen, daſs an richtigen Stellen hingelegtes Alpenheu zum mindeſten nicht gemieden wird. Das iſt übri— gens durchaus keine neue Entdeckung. Schon der rhätiſche Jägerfürſt Gian Marchet Colani, der wie ein echter und rechter Jäger in ſeinen Bergen waltete (nicht wie ein Mörder und eigennütziger Alleinherſcher, wie man ſeinerzeit geleſen), ließ in abgelegenen Gebieten kleine Heuſchober für die Gemſen herrichten, ſchleppte mit unſäglicher Mühe das Alpenheu in die ſchwer zugänglichen, im Winter von den Gem— ſen gerne beſuchten Reviertheile und hatte da— für die Freude zu ſehen, wie ſich in ſeinem Lieblingsgebiete das Gemswild auffallend ver— mehrte, ja dajs ſich dasſelbe ſogar aus ent— fernteren Gegenden mit Vorliebe ſeinem Ge— biete zuzog. Gian Marchet Colani, der Viel— verleumdete, hatte während ſeines Jägerlebens nahezu 3000 Gemſen erlegt, auf einem verhält— nismäßig nicht ſehr großen Gebiete und doch war dasſelbe, als er am 14. Auguſt 1837 in die jenſeitigen Jagdgründe hinüberwechſelte, noch längere Zeit hindurch am reichſten an Gemswild in der ganzen weiten Umgebung. Colani hatte, wie nicht ſobald ein Zweiter, das Gemswild bis ins kleinſte Detail ſtudiert und hatte darnach ſein Handeln eingerichtet. Macht man im Sommer in trockenen Hoch— lagen gutes Alpenheu, bringt dasſelbe vollkom— men trocken unter ſolche „Wettertannen“, die im Winter von den Gemſen als ſchützender Unterſtand aufgeſucht werden, ſo wird man in den allermeiſten Fällen im Frühjahre finden, daſs es in den harten Zeiten von den Gemſen angenommen worden iſt. Das nämliche iſt der Fall, wenn das Heu ſo unter überhängenden Felſen angebracht iſt, dafs es vor Näſſe und Schimmel geſchützt iſt. Selbſtverſtändlich muss das Heu an ſolchen Stellen untergebracht wer— den, von denen man weiß, dajs ſie im ſchwe— ren Winter beſucht werden. Noch lieber als das Alpenheu werden die ausgelegten Miſteln (Vis- cum album) angenommen. Dieſe werden ganz gewiſs nicht liegen gelaſſen. Wo es möglich tft, ſich Viscum album in entſprechenden Quanti— täten zu ſammeln, dieſelben dann an den rich— tigen Stellen und vor dem Verſchneien geſchützt auszulegen, dort wird ſich die Mühe brillant loh— nen. Selbſt in verhältnismäßig leichten Wintern werden ſie dem Gemswilde hochwillkommen ſein, während es das Heu nur in ſtrengen Win— tern anzunehmen pflegt. Hat man die Miſtel in genügender Menge zur Verfügung und be— ſteckt man damit von außen die Heupuppen, ſo wird nicht bloß die Miſtel herausgezogen, 348 Gemſe. — Generalregeln. ſondern auch das Alpenheu ſelbſt viel lieber angenommen und dauernd während der Zeit der Noth in kürzeren oder längeren Zwiſchen— räumen beſucht. Das Auslegen von Miſteln hat nicht blos den Zweck, dem Wilde eine will— kommene Aſung zu bieten, ſondern es vereint ſich damit noch der eminente Vortheil, dafs das Wild ſolche Plätze gerne zu ſeinem Stand— quartier wählt, mithin vor dem allzu weiten Umherirren und der damit verbundenen La— winengefahr mehr geſchützt iſt. Ein Freund von mir kam auf den Ge— danken, aus gewöhnlichen Kleien und Salz große Kugeln zu formen und dieſelben unter Felſen an trockenen Stellen auszulegen. Nach ſeiner Verſicherung ſollen dieſelben alljährlich regelmäßig angenommen werden. Da dieſe Kugeln ſelbſtverſtändlich hart gefrieren, auch nicht ausgelegt werden, bevor eine fühlbare Herbſt— kälte eintritt, können die Gemſen dieſelben nicht auf einmal aufäſen, ſondern können faſt den ganzen Winter hindurch daran etwas zum Lecken finden. Ich habe Proben damit ſelbſt noch nicht abgeführt, da mir mein Freund vor nicht langer Zeit die Mittheilung machte, aber nach den brillanten Gemswildbeſtänden, die ſein Revier aufweist, zu ſchließen, dürfte es in ent— ſprechenden Lagen immerhin eines Verſuches wert ſein. Jeder echte Weidmann wird gerne für ſeine Reviere kleinere oder größere Opfer brin— gen. Auch der Jäger im Hochgebirge darf es daran nicht fehlen laſſen, wenn er Erfolge auf— weiſen und ein wahrhaftes und edles Ver— gnügen daſelbſt erzielen will. Auch für den Hochgebirgsjäger gilt der alte Weidſpruch: „Das iſt des Jägers Ehrenſchild, Der treu beſchützt und hegt ſein Wild, Weidmänniſch jagt, wie ſich's gehört, Den Schöpfer im Geſchöpfe ehrt.“ Literatur über die Gemſe: Stephan vnd Johanne Liebhalto, „Die Gemſſen vnd Gemß— thierjagt“ 1580; Adam Lebwald: „Damogra— phia oder Gemſenbeſchreibung“ 1693; Dr. A. Girtanner, „Zur Pflege der Gemſen in der Ge— fangenſchaft“, „Zoolog. Garten“ 1880; L. Purt— ſcheller, „Die Gemſe“, „Zeitſchrift des deutſchen und öſterreichiſchen Alpenvereines,“ 1883, Heft I; F. C. Keller, „Die Gemſe.“ Ein monographi- ſcher Beitrag zur Jagdzoologie. 12 Lieferungen a 3 Bogen, Verlag von Joh. Leon sen. in Klagenfurt 1885. Kr. Gemſe. Jagd und Einfangen der Gemſe (und des Murmelthieres) in den Tatragebirgen it nach Geſ. v. 19./7. 1859, L. G. Bl. Nr. 26 (Galizien) ebenſowie der Verkauf dieſer Thiere verboten, bei Geldſtrafe von 5—100 fl. oder Arreſt von 1— 20 Tagen bei Zahlungsunfähig— keit. Die betretenen Thiere ſind (lebend oder todt) abzunehmen, die lebenden in Freiheit zu ſetzen. Erhebung und Beſtrafung dieſer Über— tretung ſteht der Bezirkshauptmannſchaft zu, in zweiter und letzter Inſtanz der Statthalterei. Die Geldſtrafen fließen in den Landescultur— fond. Gemeindevorſtände, Gendarmerie, Forſt— und Jagdſchutzorgane ſowie alle öffentlichen Wachorgane überhaupt haben über dieſes Ver— bot zu wachen. S. Schonzeit. Mcht. Genagelte Aieſen, ſ Holzrieſen. Fr. Generalſorſtamt. Am Harz fanden ſchon ſeit ſehr früher Zeit, nachweisbar bereits in der erſten Hälfte des XVI. Jahrhunderts, periodiſche Verſammlungen der dort eine einheitliche Ver— waltung bildenden Berg- und Forſtbeamten zum Zweck des Verkehrs mit der Bevölkerung, ſowie zur Berathung der zwiſchen Bergbau und Forſtwirtſchaſtgemeinſchafflichen Ang ann ſtatt, welche Forſtämter hießen. Man unter⸗ ſchied zwei Arten derſelben, nämlich das alle vier Wochen zu Goslar abgehaltene „Ordinari— forſtamt“ und dann die „Generalforſtämter“, von denen jährlich je eines für die oberharziſchen und unterharziſchen Communionforſten zu Zeller— feld, bezw. zu Goslar abgehalten wurde. Schw. Generalhypotheſt, ſ. Hypothek. Mt. Generalnivellement oder auch Recogno— ſcierungsnivellement wird zur Erhebung des Höhenunterſchiedes zweier oder mehrerer Punkte der Erdoberfläche dann ausgeführt, wenn es ſich darum handelt, zu conſtatieren, ob ein be— ſtimmtes Project (Straße, Eiſenbahn ꝛc.) im gegebenen Terrain ausführbar iſt. Man wird deshalb bei dieſem Nivellement von vielen Zwiſchenpunkten abſehen und wird daher Inſtrumente und Methoden wählen, welche lange Stationen (1000 m und darüber) zulaſſen. Dieſe Stationspunkte werden gut vermerkt, um mittelſt derſelben das darauf folgende De⸗ tailnivellement controlieren zu können. Lr. Generalregeln. Der Übergang von der rohen Empirie zu einer geordneten Forſtwirt⸗ ſchaft im modernen Sinn iſt dadurch vermittelt worden, daſs die Erfahrungen, welche etwa bis zum Ende des XVIII. Jahrhunderts an ein— zelnen Stellen geſammelt worden waren, zu⸗ ſammengetragen und in einfache, N verjtänd- liche Sätze, welche man nach G. L. Hartig's Vorgang „Generalregeln“ nannte, gefafst wurden. Dieſelben waren Wirtſchaftsregeln, welche mit praktiſcher Brauchbarkeit und Wahrheit wiſſen— ſchaftliche Schärfe und klare Ausformung des ihnen zu grunde liegenden Gedankens ver— e Sie muſsten für alle diejenigen zu einem Dogma werden, welche in der Wirtſchaft thätig waren, ohne ſelbſt zur Wiſſenſchaft durch— zudringen. Erſt dann, als durch die ſtrenge Zucht der Schulregel eine ſolide Baſis geſchaffen und ein gewiſſes Minimum von techniſchen Kenntniſſen für alle wirtſchaftenden Beamten erreicht war, wurde der Fortſchritt von der Generalregel zur Berückſichtigung der maßgebenden örtlichen Ver— hältniſſe und der Herbeiführung jener leben— digen Wechſelwirkung zwiſchen Wirtſchaft und Wiſſenſchaft möglich, welche allein geeignet iſt, beiden dauernde Lebenskraft und friſche Fort— entwicklung zu verleihen. Als typiſcher Repräſentant dieſer Über— gangsperiode iſt Georg Ludwig Hartig zu be⸗ trachten, welcher in der erſten Auflage ſeines „Lehrbuches für Förſter“ 1808 (II. Bd., p. 9) eigentlich die geſammte Lehre der Behandlung eines Waldes von ſeiner Begründung bis zu ſeiner Wiederverjüngung ohne Rückſicht auf die Generation Holzart in acht Sätzen, welche gewöhnlich als „Generalregeln“ im ſtrengſten Sinn betrachtet werden, zuſammengefaſst. Dieſelben lauten fol— gendermaßen: J. Jeder Wald oder Baum, von dem man erwarten will, daſs er ſich durch na— türliche Beſamung ſoll fortpflanzen können, muss jo alt ſein, dajs er tauglichen Samen tragen kann. 2. Jeder Walddiſtrict, der durch natür— liche Beſamung einen durchaus vollkommen neuen Holzbeſtand erhalten ſoll, muſs in eine ſolche Stellung gebracht werden, daſs der Boden allenthalben eine hinlängliche Beſamung erhält. 3. Jeder Schlag mufs ſo geſtellt werden, dass er vor erfolgter Beſamung nicht ſtark mit Gras und Forſtunkraut bewachſen kann. 4. Bei Holz— arten, deren Samen durch Froſt zum Auf— keimen untüchtig wird, wie dies bei Eicheln und Bucheln der Fall iſt, müſſen die Schläge ſo ge— ſtellt werden, dajs das Laub, welches nach dem Abfallen des Samens denſelben bedeckt und ſchützt, vom Wind nicht weggetrieben werden kann. 5. Alle Schläge müſſen ſo geſtellt werden, dajs die darin aufgekeimten Pflanzen, jo lange ſie noch zärtlich ſind, hinlänglichen Schutz gegen die ſtarke Sonnenhitze und die zu heftige Kälte von ihren Mutterbäumen haben. 6. Sobald die jungen, durch natürliche Beſamung erzogenen Holzbeſtände den mütterlichen Schutz nicht mehr nöthig haben, müſſen ſie nach und nach, durch vorſichtige Wegnahme der Mutterbäume, an die Witterung gewöhnt und endlich ganz ins Freie gebracht werden. 7. Alle durch natürliche oder tünftlihe Beſamung erzogenen jungen Waldun— gen müſſen von den mitaufgewachjenen, weniger nützlichen Holzarten und von Forſtunkraut be— freit werden, wenn dieſe die edleren Holzarten aller angewendeten Vorſicht ungeachtet zu ver— derben drohen. 8. Aus jedem jungen Wald muſs von Zeit zu Zeit und bis er völlig verwachſen iſt, das unterdrückte Holz genommen werden, damit die Stämme, welche den Vorſprung haben oder dominieren, deſto beſſer wachſen können, der obere Schluſs des Waldes darf aber ſo lange nicht unterbrochen werden, bis man wieder die Abſicht hat, an der Stelle des alten Waldes einen neuen zu erziehen. Schw. Generatio aequivoca, ſ. Zeugung. Lbr. Generation. Bei den Inſecten jene Zeit— dauer, welche erforderlich iſt, um die Verwand— lungen vom Ei bis zum fertigen, geſchlechts— reifen Thiere zu durchlaufen, d. h. vom Ei bis zur erfolgten Eierablage. Dieſer Zeitraum umfajst in den meiſten Fällen 12 Monate, fällt daher in zwei Kalenderjahre und wird als einfache oder jährige Generation be— zeichnet. Im gleichen Sinne ſpricht man von einer 2⸗, 3=, Ajührigen Generation, wenn zur Vollendung des einfachen Entwicklungscyelus 24, 36, 48 Monate erfordert werden. Der längſte bis nun bekannt gewordene Entwick— lungszeitraum umfajst 17 Jahre (Cicada sep- temdecim Linné, eine nordamerikaniſche Art). — Eine nicht geringe Anzahl von Inſecten bringt innerhalb 12 Monaten zwei, drei oder mehr Bruten hervor, durchlauft mithin in— nerhalb dieſes Zeitraumes den Entwicklungs- eyelus mehr als einmal. In dieſem Falle ſpricht man von einer doppelten, drei— . — Genista. f —T—T— —àʒx—ä. —ꝛ—— —— . — — 349 fachen ꝛc. Generation. Abweichungen von dieſen normalen Entwicklungsgängen können vorkom— men und ſind entweder zufällige oder durch Witterungseinflüſſe veranlajste, wie z. B. Ver— zögerung oder Beſchleunigung eines oder des anderen Entwicklungszuſtandes (Ei, Larve, Puppe). Solche Unregelmäßigkeiten können aber gleichwohl den Charakter der Beſtändigkeit an— nehmen, beiſpielsweiſe das Überliegen eines Theiles der Larven und Puppen um 1, 2, ja ſogar um 5 Jahre. So ein Beiſpiel bietet uns der Ringelſpinner (Gastropacha neustria). Solche und ähnliche Erſcheinungen werden als Überjährigkeit bezeichnet. Jedes Inſect mit einfacher Genergtion iſt der einmaligen Hiber— nierung oder Überwinterung, ſei es als Ei, Larve, Puppe oder als Imago unterworfen Dadurch werden natürlich die Sommerſtän de weſentlich beeinflujst. Bei Inſecten mit doppelter Generation muß immer Eine Generation aus der Über— winterung hervorgegangen ſein; die zweite Brut kann niemals hibernieren. Es kann nämlich wohl die Sommergeneration vollkom— men abgeſchloſſen werden, die aus ihr hervor— gehende Brut muß aber, ſei es als Larve, Puppe oder als Ei überwintern. Der einfache Entwicklungsgang eines Kerf iſt: Ei, Larve, Puppe, Imago; und dieſe Form der Eifort- pflanzung zeigt bei keiner der ſich folgenden Generationen eine Abweichung. Dem einfachen ſteht der zuſammengeſetzte Entwidlungs- gang gegenüber. Bei einer großen Anzahl von Inſecten wechſeln nämlich gamogenetiſche Bruten (ſ. Gamogeneſis) mit parthenogenetiſchen (j. Bar- thenogeneſis) ab, wie z. B. bei Biorhiza aptera (ſ. d.). Man nennt dieſe Erſcheinung Hetero— gonie; es entwickelt ſich aus der geſchlechtlichen Generation eine ungeſchlechtliche, und dieſe kehrt nach beſtimmten Geſetzen wieder zur ge⸗ ſchlechtlichen Form zurück. Beſonders intereſſant und compliciert geſtaltet ſich dieſer Entwick— lungsgang bei manchen Pflanzenläuſen, indem ſich zwiſchen zwei gamogenetiſchen mehrere auf— einanderfolgende parthenogenetiſche Bruten ein— ſchieben. Es ſei in dieſer Beziehung nur hin— gewieſen auf den äußerſt complicierten und hochintereſſanten Entwicklungscyklus, welchen die Reblaus durchläuft, den zu beſprechen aber hier nicht der Platz iſt. Hſchl. Generationswechſel, ſ. Generation (Hete— rogenie). Hſchl. Genista L., Ginſter. Artenreiche Gattung von Sträuchern und Halbſträuchern aus der Familie der Schmetterlingsblütler (Papiliona- ceae), deren Arten ſich von den nahe ver— wandten Goldkleen (Cytisus, ſ. d.) durch ein— fache Blätter unterſcheiden und ſämmtlich gelbe Blumen haben. Die große Mehrheit der euro— päiſchen Arten iſt in Spanien und Portugal heimiſch. In Deutſchland und Oſterreich-Ungarn kommen, u. zw. im Bereich des Waldes und auf Waldboden folgende Arten vor: I. Kelch tief dreitheilig, ſeine bei— den oberen Zipfel ganz und gleichge— formt, der untere breiter und länger und dreiſpaltig: Behaarter Ginſter, G. 350 pilosa L. (Reichenb., Ie. Fl. German. XXII., t. 42, Fig. 2), auch „Sandginſter, Haideginſter“ genannt. Niederliegender Kleinſtrauch mit ſehr aſtigen knotigen Stämmchen. Blätter klein (6—15 mm lang), verkehrt-eiförmig oder läng— lich, jung ſeidenhaarig, weißlich, an den vor— jährigen Zweigen gebüſchelt, an den diesjäh— rigen einzeln. Blüten klein, kurz geſtielt, zu 1—3 ſeitenſtändig. Hülſe lineal-länglich, 1'% bis Lem lang, ſeidig behaart. Auf trockenem Sand-, Kalk- und Heideboden an Waldrändern, namentlich in Kiefernheiden (fehlt in Böhmen). Blüht im April und Mai, im Hochſommer oft zum zweitenmal. — Seidenhaariger Gin— ſter, G. sericea Wulf. (Reichenb. a. a. O., t. 36, I-II). Kleinſtrauch mit aufſteigenden äſtigen, runden grünen, angedrückt behaarten Stämm— chen, bloß 8—13 cm hoch. Blätter wechſelſtän— dig, oberſeits kahl grün, unterſeits angedrückt— ſeidenhaarig, faſt ſitzend, lineal bis ſchmal— elliptiſch, 1½—2½ em lang. Blüten zu 2—4 in endſtändigen Träubchen, Hülſe lineal-länglich, behaart, 1½ em lang. An bewaldeten Berg— abhängen und in Felsſpalten auf Kalk im öſterreichiſchen Litorale, in Dalmatien, Kroatien und Südtirol ſtellenweiſe. Blüht im Mai und Juni. — Dreikantiger Ginſter, G. trian- gularis Willd. Aufrechter Halbſtrauch von 16 bis 32 cm Höhe, mit grünen dreikantigen, an den Kanten ſchmal geflügelten Aſten. Blätter länglich-lanzettförmig, beiderſeits kahl, 2—3 cm lang; Blüten zu 2—5 in endſtändigen Trauben; Hülſen breit lineal, geſchnäbelt, bis 2½ em lang. Auf ſonnigen bebuſchten Kalkhügeln in Südſteiermark, Krain, Iſtrien, Dalmatien, Kroatien, im Banat, im Bihariagebirge und in Siebenbürgen (Hunyader Comitat). Blüht im Mai und Juni. — Pfeilginſter, G. sagit- talis L. (Reichb. a. a. O., T. 30). Niederliegender Halbſtrauch mit aufſteigenden, kantigen, doppelt breitgeflügelten, gegliederten Aſten, deren häu— tige grüne Flügel am Urſprung der Blätter zujammengezogen find. Dieſe entfernt, ſitzend, länglich bis ei- oder verkehrt-eiförmig, zottig gewimpert. Blüten in gedrungenen endſtändigen Trauben; Hülſen länglich, geſchnäbelt, ange— drückt behaart, bis 1½ em lang. In Nadel— wäldern und auf ſandigen oder kalkigen be— buſchten Hügeln der Ebenen und Hügelgelände, von der Uckermark ſüdwärts bis Italien, oſt— wärts bis auf die Balkanhalbinſel, doch ſehr zerſtreut und in manchen Ländern (3. B. Böh— men, Galizien) fehlend. Blüht im Mai und Juni. — Färbeginſter, G. tinctoria L. (Reichb. a. a. O., T. 37, I-III). Aufrechter, buſchiger, kahler, bis 17 m hoher Halbſtrauch mit meiſt ruthenförmigen Zweigen. Blätter kurz geſtielt, lanzettförmig, bis 3 em lang (Var. 4 genuina), oder länglich- bis elliptiſch-lan— zettförmig (Var. 8 elatior Koch), oder lineal, ſtarr, ſpitz, höchſtens 1¼ cm lang (Var. 7 lep- tophylla Pok.), am Rande und an den Nerven anliegend behaart, beiderſeits grün. Blüten ſchön goldgelb, in endſtändigen einfachen oder riſpigen dichten Trauben; Hülſen lineal ſpitz, bis 2½ em lang, reif braun. Vielgeſtaltige, durch faſt ganz Europa verbreitete, auf ſan— digen Triſten, an felſigen ſonnigen Abhängen, Genista. auf bebuſchten Hügeln, an Waldrändern und in lichten Laub-, Miſch- und Nadelwäldern häufig wachſende Pflanze. Steigt in Südtirol bis 1422 m empor, liebt ſonſt das Hügelgelände. Zu Var. B gehören die als G. elatior Koch, G. virgata Willd., G. frutescens Schloss. Vuk., zu 7 die als G. leptophylla Spach, G. trian- gularis Baumg., G. lydia Gris, G. triquetra und transsilvanica Schur. beſchriebenen Formen. Blüht im Juni und Juli. — Eiblättriger Ginſter, G. ovata Waldst. Kit. Von vorher⸗ gehender Art, von der ſie vielleicht ebenfalls nur eine Varietät iſt, durch größere ei-lanzett— förmige oder eiförmig-längliche (bis 5 em lange und 28 mm breite) Blätter und durch zottig und abſtehend behaarte Zweige und Hülſen unter— ſchieden. An ähnlichen Orten in den ſüdlichen und öſtlichen Kronländern Oſterreich-Ungarns und in der ſüdlichen Schweiz. Blüht zur ſelben Zeit. — Deutſcher Ginſter, G. germanica L. (Reichb. a. a. O., T. 35. I, II). Aufrechter Halb- ſtrauch von höchſtens 0˙3 m Höhe mit ruthen⸗ förmigen, oben riſpig verzweigten Stengeln, welche unten mit drei- oder fiedertheiligen grünen Dornen bewaffnet find. Blätter lanzett— oder ei⸗lanzettförmig, weich und zottig behaart. Blüten klein, goldgelb, in kurzen endſtändigen Trauben; Hülſen länglich-rautenförmig, kurz geſchnäbelt, zuſammengedrückt, behaart, reif braun. In lichten Wäldern, auf Holzſchlägen, Räumden, bebuſchten Hügeln der Ebenen, Hü— gelgelände und Vorberge, liebt trockenen Boden. Blüht im Mai und Juni. — Engliſcher Ginſter, G. anglica L. (Reichb. a. a. O., T. 35, III- V. Von voriger Art unterſchieden durch kleinere (4—8 mm lang), gedrängt, oft büſchelig ſtehende, längliche bis lineal-lanzettliche, kahle Blätter, kürzere mit breiten Deckblättern ver— ſehene Blütentrauben und kahle Hülſen. Auf feuchten, torfigen Triften, Heiden und Hoch— mooren der norddeutſchen Ebene, der nördlichen Rheinlande, der Lauſitz und Schleſiens. Blüht im Mai und Juni. — Wilder Ginſter, G. silvestris Wulf. (Reichb. a. a. O., T. 33, J, II). Niedriger, ſehr variierender Kleinſtrauch, bald ſchlank und lebhaft grün, mit ſchwachen biegſamen Dornen und dicht anliegender Be— haarung (die gewöhnliche Form), bald mit ſtarren, vierkantigen Dornen und anliegender ſeidiger Behaarung (G. arcuata Koch), bald mit kurzen derben vierkantigen Dornen und abſtehender zottiger Behaarung (8. dalmatiea Bartl.). Blätter zweigeſtaltig, die unteren ſten— gelſtändigen lineal-lanzettlich bis länglich, ſei— denhaarig oder abſtehend-zottig, die der Dornen viel ſchmäler, kahl. Blüten klein, hellgelb, in lockeren, deckblättrigen, endſtändigen Trauben; Hülſen ſehr kurz, länglich, geſchnäbelt, kahl— Auf trockenem Boden in ſonniger Lage an be— buſchten Bergabhängen und Waldrändern der ſüdlichen Kronländer Oſterreich-Ungarns. Blüht im Mai und Juni. II. Kelch kurzglockig, zweilippig, mit zweizähniger Ober- und dreizäh- niger Unterlippe. Niederliegender Gin⸗ ſter, G. procumbens Waldst. Kit. Wehrloſer Halbſtrauch mit niederliegenden, kreisförmig ausgebreiteten Stengeln. Blätter lanzettlich Genicken. — Gentiana. oder länglich verkehrt-eiförmig, 3—6 mm lang. Blüten zu 1—2 ſeitenſtändig am Ende ſehr verkürzter büſchlig beblätterter Triebe; Hülſe breit lineal-länglich. Auf trockenem Boden an ſonnigen bebuſchten Bergabhängen, in lichten Wäldern, auf buſchigen Hügeln in den ſüd— lichen Kronländern Oſterreichs, in Ungarn, Siebenbürgen, Mähren (Pohlauer Berge), um Wien, in der weſtlichen Schweiz. Blüht im Mai und Juni. Wm. Genicken, verb. trans. u. reflex, vgl. a b⸗ genicken, knicken und nicken. 1. trans. Einen Haſen durch einen Schlag ins Genick tödten, oder ein Stück Wild mit dem Genickfänger (j. d.) abfangen. „Der Haſe wird genickt, ſo man ihm mit flacher Hand über den Hals herunter das Genick abſchlägt.“ Döbel, Jägerpraktika, I., fol. 61b. — Groß— kopff, Weidewerckslexikon, p. 134. — Chr. W. v. Heppe, Wohlred. Jäger, p. 177. — Bechſtein, Hb. d. Jagdwiſſenſchaft, I., 1, p. 156. — „Der Jagdbare Hirſch wird . .. mit dem Hirſch— fänger abgefangen, . . . der ſchwächere, das Thier und das Kalb genickt, indem man den Kopf vorwärts biegt und den Nickfänger da, wo der Hirnſchädel mit dem Halsknochen ver— bunden iſt, bis in das Gehirn hineindrückt.“ D. a. d. Winkell, Hb. f. Jäger, 2. Aufl., I., p. 8. — Hartig, Lexik., p. 218. — Laube, Jagd— brevier, p. 277. — Sanders, Wb. II, p. 437. 2. reflex., ſ. v. w. ſich abgenicken, ſ. d. E. v. D. Genickfang, der, das Abfangen mit dem Genickfänger, Abgenicken. „Genickfang iſt ein Stich im Genick, welchen man mit einem ſpitzigen Stahl thut.“ Täntzer, Jagdgeheimniſſe, 1682, fol. XIa. — Fleming, T. J., 1729, Anh., fol. 106. — C. v. Heppe, Aufr. Lehrprinz, p. 272. — Großkopff, Jag- u. Weidewercks-Lexicon, p. 133. — Chr. W. v. Heppe, Wohlred. Jäger, p. 142. — Wurm, Auerwild, p. 98. — Sanders, Wb. I., p. 408. E. v. D. Genickfänger, der, das kleine, zum Ab— genicken beſtimmte Jagdmeſſer. „Genick-Fän⸗ ger iſt ein von puren Stahl gemachtes ſpitziges Meſſer, welches ganz ſchmal und auf beiden Seiten ſcharf iſt.“ Großkopff, Weidewercks— Lexikon, p. 133. — Chr. W. v. Heppe, Wohlred. Jäger, p. 177. — C. v. Heppe, Aufr. Lehrprinz, p. 75, 272. — v. Wildungen, Neujahrsgeſchenk, 1796, p. 14. — Bechſtein, Hb. d. Jagdwiſſen— ſchaft, I, 3, p. 696. — Hartig, Lexik., p. 218. — Laube, Jagdbrevier, p. 277. — Sanders, Wb. I., p. 410. E. v. D. Genieß, der, ſ. Genußs. E. v. D. Genießen, verb. trans. 1. S. v. w. wittern, vom Hund. „Alſo kann ſie (die Witterung der Fährte) weder ein Jäger, noch ſonſt jemand riechen, der Hund dagegen weiß ſie bald zu geniejjen.“ C. v. Heppe, Aufr. Lehrprinz, p. 39. 2. Den Hund vom Schweiß eines erlegten Stückes genießen laſſen oder ihn damit ge— noſſen machen, ſchon mhd.: „Ich hän der hunde rät von einen brocken, der sö ge- nozzen hat, daz er die verte erkenne der tiere durch den tan.“ Nibelungen, Str. 875. — „Er mac noch wol geniezen, nimt er 351 Gelückes warte, wil in &t niht verdriezen ze jagen...“ „Wie möhten dine hunde also geniezen!“ „Swinrüden, wol genozzen ...“ „Ein rüde üf einem aze sol geniezen.“ „Sin bracke hat des wunden alze niht genozzen.“ Hadamar von Laber, Diu jagt, str. 114, 418, 461, 539, 544. — „Geuieſſen oder genoſſen machen.“ Großkopff, Weidewercks-Lexicon, p. 134. — Chr. W. v. Heppe, Wohlred. Jäger, p. 177. — C. v. Heppe, Aufr. Lehrprinz, p. 39, 311. — Bechſtein, Hb. d. Jadwiſſ., I., 1, p. 279. — Wildungen, Taſchenbuch, 1796, p. 63. — Dia. d. Winkell, Hb. f. Jäger, I., p. 50. — Hartig, Lexik., p. 218. — Laube, Jagdbrevier, p. 277. — „Das Genoſſenmachen der Wildboden— hunde . . .“ R. R. v. Dombrowski, Lehr- u. Hb f. Berufsjäger, p. 513. — Sanders, Wb. II., P. 440. E. v. D. Genitalanhänge, ſ. Geſchlechtsorgane, Hſchl. Genitalien, ſ. Geſchlechtsorgane. Hſchl— Genoſſenſchaft, ſ. Geſellſchaft. At. Genoſſenſchaftswaldungen, ſ. © It t. At. Gentiana L., Enzian. Artenreiche Haupt— gattung der nach ihr benannten dikotylen Familie der Gentianaceae. Die europäiſchen Arten ſind kahle Kräuter mit einfachen ganzen und ganzrandigen gegenſtändigen Blättern und regelmäßigen Blüten, welche einen 5, ſelten Aſpaltigen Kelch, eine röhrige, trichter- oder glockenförmige Blumenkrone mit 5, ſelten klappigem Saume, 5 Staubgefäße und einen oberſtändigen Fruchtknoten mit meiſt 2 Narben beſitzen, aus dem ſich eine vielſamige Kapſel entwickelt. Die meiſten Enzianarten ſind Alpen— kräuter mit blauen Blumen. In Wäldern Mitteleuropas wachſen: Gewimperter En— zian, G. ciliata L. Stengel S—30 em hoch, meiſt einfach; Blätter lanzett- oder lineal— lanzettförmig; Blumen röhrig, bis 5 em lang, mit 4 an den Rändern zierlich gefransten Lappen, azurblau. Auf Kalkboden in Wäldern und Gebüſchen der Ebene und des Hügellandes; zerſtreut. Ausdauernd. — Kreuzblättriger Enzian, G. cruciata L. Ausdauerndes Kraut mit 15—45 cm hohem Stengel, kreuzweiſe gegenſtändigen, länglichen, lanzettförmigen, am Grunde ſcheidenartig verbundenen Blättern und quirlig in den Blattwickeln und am Ende zu— ſammengedrängten Blüten mit 18 mm langer grünlich -blauer Blume. Auf Kalkboden zwi— ſchen Gebüſch, auf Waldwieſen gebirgiger Ge— genden; zerſtreut. —— Schwalbenwurzarti⸗ ger Enzian, G. asclepiadea L. Anſehnliche Staude mit bis 60 em hohen reichbeblätterten Stengeln. Blätter ei-lanzettförmig, lang zuge— ſpitzt, 3—öznervig. Blüten gegenſtändig, geſtielt, eine lange beblätterte Traube bildend, mit 3 bis 5em langer azurblauer (ſelten weißer) trichterförmiger Blume. In Waldſchluchten an Bächen, auf Waldwieſen und an Waldrändern der Alpen, Vogeſen, des Iſer- und Rieſen— gebirges, der Sudeten und Karpathen. — Deutſcher Enzian, G. germanica L. Ein⸗ bis zweijähriges Kraut mit bis 15 cm langem, pyramidaläſtigem Stengel und pyramidaler Blütenriſpe. Grundſtändige Blätter verkehrt— 352 Genuſs. — Geoffroy. e N eiförmig-länglich, in Roſetten, bald verwelkend, ſtengelſtändige ei-lanzett- bis lanzettförmig, lang zugeſpitzt. Blumenkrone weitröhrig, fünf— ſpaltig, bis 38 mm lang, lila. Auf Waldwieſen, Triften, bebuſchte Hügeln, beſonders auf Kalk— boden, zerſtreut (gemein im Böhmerwalde und in Oberbayern). Alle dieſe Arten blühen im Spätſommer. — In den Alpen und anderen Hochgebirgen wächst an kräuterreichen Orten und auf Wieſen, aber nicht im Walde der gelbe Enzian, G. lutea L., eine höchſt ftatt- liche Staude mit bis über Im hohem Stengel, breiten 5—7 nervigen Blättern und langer Quirltraube achſelſtändiger Blüten mit tief ötheiliger gelber Blume, welche im Hochſom— mer blüht. Ihr Wurzelſtock gilt für überaus heilkräftig. Wm. Genuss, der, ſ. v. w. das Genießen oder das zu genießende. „So fällt der Schweiß durch das Schloß heraus, den ſollen die Hunde jeder— zeit zum Genuß bekommen.“ Pärſon, Hirſch— gerechter Jäger, fol. 51. — „Wenn der Jäger dem Leithund und anderen Jagdhunden von dem erlegten Wildbret ihren Genieß oder Ge— nuß gibt . . .“ C. v. Heppe, Aufr. Lehrprinz, p. 39, 311. — Großkopff, Weidewercks-Lexicon, p. 135. — Chr. W. v. Heppe, Wohlred. Jäger, p. 178. — Bechſtein, Hb. d. Jagdwiſſenſchaft, I., 4, p. 281. — Sanders, Wb. II., p. 434. E. v. D. Genufsjagen, das, das erſte in der Feiſt— zeit auf Rothhirſche abgehaltene (Parforce— Jagen. „Genußjagen iſt das erſte Feiſtjagen, welches gehalten wird.“ Chr. W. v. Heppe, Wohlred. Jäger, p. 178. — Großkopff, Weide— wercks⸗Lexikon, p. 135. — Sanders, Wb. I, p. 827. E. v. D. Gentiſin, C405, der gelbe Farbſtoff der Enzianwurzel, zerfällt beim Schmelzen mit Kali in Phloroglucin, Eſſigſäure und Gentiſin— ſäure (Oxyſalicylſäure), ſcheint ohne Wirkung auf den Organismus zu ſein. v. Gn. Geodäfie. Die Wiſſenſchaft, welche ſich mit der Darſtellung der Geſtalt und Größe der ganzen Erdoberfläche oder begrenzter Theile der— ſelben und mit der Ausmittlung der gegenſei— tigen Lage einzelner Punkte der Erdoberfläche beſchäftigt, heißt Geodäſie, Meſskunſt oder auch praktiſche Geometrie. Je nachdem bei dieſen Ausmittelungen, der Größe (Ausdehnung) des Objectes wegen, die Krümmung der Erdoberfläche in Rückſicht gezogen werden muſs, oder hievon Abſtand genommen werden kann, und man in dieſen zwei verſchiedenen Fällen die Aufnahme nicht in gleicher Weiſe bewerkſtelligen darf, ſo zer— fällt der ganze Gegenſtand in: a) höhere Geodäſie, und b) Geodäſie. Die höhere Geodäſie umfaſst wieder: ) die Gradmeſſung, aus welcher die Form und Größe der Erde reſultiert; 8) die Landesvermeſſung, welche die Auf— nahme der ganzen Erdoberfläche oder großer begrenzter Theile derſelben, wie z. B. einzelner Reiche oder Continente lehrt; ) die Landkartentheorie (Chorographie), welche zeigt, wie die ganze Erdoberfläche oder niedere große Theile derſelben bildlich dargeſtellt werden önnen. Die niedere Geodäſie zerfällt in: % die Feldmeſskunſt, beſſer Flächenmeſs— kunſt, deren Objecte einzelne Großgrundbeſitze, Gemeinden oder auch einzelne Feld- oder Wald— parcellen oder Complexe ſolcher ſein können; 3) die Höhenmeſskunſt und das Nivellieren, durch welche die Beſtimmung des Höhenunter— ſchiedes zweier Punkte der Erdoberfläche ge— lehrt wird. Zu den erſten Erdmeſſungen gehört die von Eratoſthenes (220 v. Chr.), obwohl anzu⸗ nehmen iſt, daſs derartige Meſſungen ſchon vor ihm ausgeführt wurden. Schon Thales (Milet 639—? v. Chr.), einer der ſieben Weiſen des alten Griechen— land, erfajste die Erde als freiſchwebende Kugel. Es würde hier zu weit führen, auch nur in Skizzenform die Geſchichte der Geodäſie und ihre Literatur zu behandeln, umſomehr als die Fortſchritte dieſer Wiſſenſchaft mit der Ent— wicklung der reinen Mathematik, der Aſtronomie und Phyſik aufs innigſte zuſammenhängen. Überdies findet in dem vorliegenden Werke nur ein Zweig der Geodäſie, nämlich die niedere Geodäſie Berückſichtigung und dürfte daher die Anführung der einſchlägigen wichtigſten Bücher vollſtändig genügen. Wir würden empfehlen: n Dr. Carl Max v. Bauernfeind, Elemente der Vermeſſungskunde, ſechste Auflage, Stutt— gart 1879. Friedr. Hartner, Handbuch der niederen Geodäſie, in V. und VI. Auflage bearbeitet und vermehrt von Joſef Waſtler, Wien 1885. Dr. G. Chr. K. Hunäus, Die geometriſchen Inſtrumente der geſammten praktiſchen Geo— metrie ꝛc. Hannover 1864. Dr. W. Jordan, Handbuch der Vermeſ— ſungskunde, Stuttgart 1877. Dr. C. Bohn, Die Landmeſſung, Berlin 1886. G. Kraft, Die Anfangsgründe der Theo— dolitmeſſung, Hannover 1878. F. Wilski, Einführung in die trigono— metriſchen, bezw. Ausgleichungsrechnungen 2c., Liegnitz 1883 (im Selbſtverlage). Dr. W. Jordan, Zeitſchrift für Vermej- ſungsweſen, Stuttgart (jährl. 24 Hefte). Lr. Geodromica (Geocores), Landwanzen, eine Gruppe der Abtheilung Frontirostria (Wanzen), Ordnung Rhynchota, Hauptabthei⸗ lung Hemiptera. Die Gruppe enthält 11 Fa- milien: 4. Pentatomiden, Baumwanzen; 2. Co⸗ reiden, Lederwanzen; 3. Berytiden, Stelzen— wanzen; 4. Pyrrhoceriden, Feuerwanzen; 3. Ly— gaeiden, Langwanzen; 6. Tingididen, Buckel⸗ wanzen; 7. Aradiden, Rindenwanzen; 8. Ca- pſiden, Dickwanzen; 9. Anthocoriden, Platt- wanzen; 10. Reduviiden, Schnabelwanzen; 11. Saldiden, Uferwanzen. Hſchl. Geoffroy Saint-Hilaire (Etienne Louis), geb. zu Paris 1723, daſelbſt geſt. 1810; hatte Mediein abſolviert und gehörte zu den geſuch— teſten Arzten. Während der Revolutionsperiode Ende des vorigen Jahrhunderts floh Geoffroy Geographiſche Vorbegriffe. Br Geometra. 353 aus Paris und wandte ſich nach Chartreuſe bei Soiſſons. Neben ſeinem praktiſchen Berufe als Arzt befaßte ſich Geoffroy eingehend mit Natur— wiſſenſchaften, insbeſondere mit Entomologie. Seine „Histoire abrégée des Insectes qui se trouvent aux environs de Paris“ in kl.-4“. Paris 1764, mit Tafeln gut ausgeführter Ab— bildungen gehört zu den beſten Werken. Hſchl. Geographiſche Vorbegriſſe, ſ. Erde, Breite, geographiſche, Länge, geographiſche. Lr. Geologie iſt nach Credner die Lehre von dem Erdkörper in ſeiner gegenwärtigen Erſchei— nungsweiſe und Zuſammenſetzung ſowie von ſeiner allmählichen Entwicklung. Von beſonderer Wichtigkeit für die Bodenkunde iſt die petro— graphiſche Geologie (Lithologie), die das Ma— terial kennen lehrt, aus dem der uns zugängige Theil der Erde beſteht, und die hiſtoriſche Geo— logie, die die Frage nach der Entwicklungsge— ſchichte der Erde und ihrer Bewohner zu löſen ſucht; ſie wird auch Stratigraphie genannt, weil ſie die Beſchreibung aller Schichten und Formationen umfasst. — Vgl. E. Kalkowski, Elemente der Lithologie, Heidelberg 1886. — F. v. Hauer, Die Geologie und ihre Anwen— dung auf die Bodenbeſchaffenheit der öſterrei— chiſch-ungariſchen Monarchie, 2. Aufl., Wien 1877. — Credner, Elemente der Geologie, 6. Aufl., Leipzig 1887. — Von den zahlreichen geologiſchen Karten heben wir hervor: Geolo— giſche Überſichtskarte der öſterreichiſchen Mo— narchie von F. v. Hauer. 1: 570.000. Wien, ſeit 1867 im Erſcheinen begriffen. — Carte geologique de la Suisse de B. Studer et A. Escher v. d. Linth. Ed. 2, Winterthur 1867. 1: 380.000. — Geologiſche Specialkarte des Königreiches Sachſen, ſeit 1877 im Erſcheinen begriffen. — Geologiſche Karte von Preußen und den Thüring. Staaten. Mit erläuterndem Texte 1: 25.000, ſeit 1877. Einzelne Blätter dieſer Karte, wie z. B. die der Umgegend von Berlin, haben für den Forſtmann beſonderen Wert, weil ſie gleichzeitig neben den geologiſchen Verhältniſſen auch die agronomiſchen berück— ſichtigen. v. O. Geometra, Linné'ſcher Name für alle zur großen Abtheilung Geometrae, Spanner, ge— hörigen Gattungen und Arten. Noch heute iſt der Name Geometra bei den Forſtwirten vielfach in Gebrauch, ohne weitere Rückſicht auf Subfamilien und Genera. Dieſes Vorgehen hat ſeine Berechtigung, denn Synonyme kommen nur ſehr ſelten vor, und die Speciesnamen wiederholen ſich daher auch nur ſelten in zwei verſchiedenen Genera. Für den Forſtwirt ſind die folgenden Arten von mehr oder minderem Intereſſe: Geometra aurantiaria Esp., j. Hiber nia. — G. boreata, j. Cheimatobia. — G. brumata, ſ. Cheim a- tobia. — G. defoliaria, ſ. Hibernia. — G. liturata, ſ. Macaria. — 6. piniaria, |. Fi- donia. — G. progemmaria, ſ. Hibernia. Oſchl. Geometrae, Geometridae, Geome- trina, Spanner, eine von den fünf Haupt- abtheilungen der ſog. Großſchmetterlinge, ſie iſt zugleich identiſch mit der Familie Geometrina. Fühlerſchaft“) borſtenförmig, mit verdicktem Wurzelgliede; Hinterſchienen höchſtens doppelt ſo lang wie die Schenkel (niemals länger); Nebenaugen nicht vorhanden; Vorderflügel breit, dreieckig, mit einer Innenrandsrippe; Hinterflü— gel breit, ungetheilt, kurz gefranſt, mit Haftborſte; nicht mehr als zwei Innenrandsrippen und außer— dem mit noch 6 oder 7 Rippen; Coſtalrippe aus der vorderen Mittelrippe oder aus der Wurzel, in dieſem Falle aber Rippe 5 ſchwächer oder ganz fehlend, oder die Schenkel anliegend be— ſchuppt. Faſt ausnahmslos zeigen die Spanner ſehr ſchlanken Körper- und Beinbau; die Flügel ſind in der Regel ſehr zart, groß, breit, an jene der Tagſchmetterlinge erinnernd, in der Ruhe flach ausgebreitet, aufliegend. Die Farben ſind monoton, meiſt grau; die Flügelzeichnungen erſtrecken ſich auch über die Hinterflügel; ſie beſtehen der Hauptſache nach in zarten Quer— linien, Bändern oder Fleckenzeichnungen. Bei manchen Weibchen fehlen die Flügel oder ſie ſind nur rudimentär vorhanden (Cheimatobia u a.). Kopf und Augen ſind klein; die Palpen nur wenig vorſtehend; Nebenpalpen fehlend. Die Flugzeit fällt in die Dämmerung. Ihr Flug iſt beſchränkt, nie auf weitere Strecken ausgedehnt, unſicher, taumelnd. Tagsüber ſitzen die Schmetterlinge möglichſt geſchützt gegen das Tageslicht an der Unterſeite der Blätter, unter vorſpringenden Geſimſen, Brettern, Zäunen 2c. Werden ſie da aufgeſcheucht, ſo nehmen ſie nur eine kurze Strecke im Fluge, und das nächſte ſich bietende Verſteck wird zum Anfluge benützt. Windige Lagen werden möglichſt gemieden; im Walde ſind es daher vorzugsweiſe die geſchloſ— ſenen, undurchforſteten Beſtände. Die Familie der Spanner enthält die ſpätfliegendſten Arten; jo z. B. fliegt Ch. brumata bis in den Decem- ber hinein. — Die Raupen haben nur 10, in ſeltenen Fällen 12 Füße; ihre Bewegungen ſind daher eirkelſpannend. ; Das Außere paſst ſich ihrer Umgebung nicht jelten jo vollkommen an, daſs ſelbſt das geübte Auge die Raupe nicht ſofort zu erkennen vermag. Manche Raupen ſtrecken nämlich ihren Körper von dem Zweige, an dem ſie ſitzen und an dem ſie ſich mit den beiden am letzten und drittletzten Leibesringe befindlichen Bauchfüßen anklammern, derart ſteif hinaus, daſs fie einem dürren Zweigſtummel oder einem Kurztriebe täuſchend ähnlich ſehen (3. B. Amphidasis be- tularia, Birkenſpanner u. a.). Dazu trägt die äußere Bekleidung, Warzen, Höcker, Farbe we— ſentlich bei. — Die meiſten Spannerraupen find auf Holzgewächſe angewieſen; unter dieſen nehmen wohl die Eichen die oberſte Stelle ein. Da die Eier ſtets einzeln und verſtreut zur Ab— lage gelangen, ſo findet der Raupenfraß nie— mals familienweiſe oder in gemeinſamen Ge— ſpinſten ſtatt; auch dann nicht, wenn, was ausnahmsweiſe vorkommt, die Eier in größerer Anzahl und auf engerem Raume zuſammen— *) Die Fühler der Weibchen find ausnahmslos bor⸗ ſtenförmig; nur die Fühler der Männchen ſind bei einer größeren Anzahl von Arten gekämmt. Linns hat für dieſe letzteren die Ausgangsſilbe „aria“ (z. B. defoliaria), für jene, deren Männchen borſtenförmige Fühler tragen, die Ausgangsſilbe „ata“ (3. B. brumata) gewählt. Dombrowski. Eneyklopädie d. Forſt⸗ u. Jagdwiſſenſch. IV. Bd. 23 354 gelegt werden. Die weitaus größte Anzahl lebt auf Laubgehölze; die Nadelhölzer hingegen weiſen nur eine verſchwindend kleine Menge von Arten auf, und unter dieſen iſt wohl auch nur die Fidonia piniaria von mehr oder minder forſtlicher Bedeutung. Die meiſten haben ein— fache, nur wenige Arten doppelte Generation. Das Überwinterungsſtadium iſt gewöhn— lich der Puppen-, minder häufig der Raupen- ſtand und nur ſehr wenige überwintern als Ei. Die Verpuppung erfolgt entweder in den Boden, frei ohne Geſpinſt oder Cocon, oder an der Fraßpflanze ſelbſt und in dieſem Falle in einem aus loſen Fäden beſtehenden Blatt— geſpinſte. Die Puppen ſind geſtreckt, nach hinten ſtark zugeſpitzt, glänzend, vorherrſchend braun. Forſtliche Bedeutung im allgemeinen ge— ring. Nachfolgende Tabelle enthält die Charak— teriſtik der für den Forſtwirt in Betracht kom— menden vier Gattungen: 1. Flügel vollſtändig; Schmetterlinge flug— fähig.“) 2. Vorderrandsrippe der Hinterflügel aus der Wurzel entſpringend; Rippe 5 ſchwächer als die übrigen oder fehlend; Saum auf Rippe 4 nicht geeckt; Spitze der Vorderflügel vollkommen gerundet; Schenkel anliegend beſchuppt. . Saum der Vorderflügel vom Innen— winkel bis Rippe 5 gerade oder nur ſchwach geſchwungen; die Spitze ſtark gerundet; Flügel breit, ſehr zart gerippt. Gattung Hibernia. . Saum der Vorderflügel vom Innen— winkel bis zur Spitze gleichmäßig ge— rundet. Stirn nicht aufgetrieben. Flügel nicht weiß **) und die Zeichnungen be— ſtehen nicht aus ſchwarzen runden Flecken *), ſondern find anders geſtaltet. Vorderflügel mit 14 Rippen; ihre Spitze gerundet, der Saum weder gewellt noch gezackt. Hinterflügel ohne Grube; ihr Vorderrand den Innenwinkel der Vor— derflügel nicht überragend. Zunge klein ſchwach. Gattung Fidonia, . Vorderrandsrippe der Hinterflügel aus der vorderen Mittelrippe entſpringend; Vorderſchienen kaum kürzer als der halbe Schenkel; dieſer anliegend beſchuppt. Vorderflügel mit den gewöhnlichen Quer— linien. Mittelzelle der Hinterflügel we— nigſtens am Innenrande merklich länger als der halbe Flügel. Nur eine Innen- randsrippe. Gattung Cheimatobia. Flügel verkümmert; Flugvermögen feh— lend; Zunge ſchwach; Beine glänzend beſchuppt. Weibchen der Gattungen Hibernia: Cheimatobia. Hſchl. Geometrie, praſitiſche, ſ. Geodäſie. Lr. >) Wenn das Flugvermögen infolge e erung oder mangels der Flügel fehlt, ſo ſind es Weibchen (Cheimatobia, Hibernia). — S. am Schluſs der Tabelle (J.). ** Dadurch von der Gattung Abraxas, mit dem be= kannten Harlekin oder Stachelbeerſpanner, 4. grossulariata, unterſchieden. Geometrie. —— —— . — ð1ꝰ. — — Gerade. Georg Wilhelm, am 4. Mai 1817 zu Neu⸗ haus im Sollinge (Harz) geboren, ſtarb am 16. Januar 1869 als Forſtmeiſter zu Lamps⸗ ringe. Seine forſtwiſſenſchaftliche Ausbildung erlangte er zu Clausthal. Ein vorzüglicher Forſt— wirt und ſcharfer Beobachter beſonders auf entomologiſchem Gebiete, wie die vielen Citate Ratzeburgs in deſſen „Forſtinſecten“, „Wald⸗ verderber“ und „Waldverderbnis“ darthun. Hſchl. Georgel, das, das Orgeln (f. d.) der Brunfthirſche. Behlen, Real- u. Verb.⸗Lexik. III., p. 262. — Sanders, Wb. II., p. 483. — S. a. Gerehre— E. v. D. Geotrupes Latreille, die allbekannten, durch leuchtend blaue oder grünblaue oder ganz ſchwarze Färbung ausgezeichneten Roſs⸗ oder Miſtkäfer. Sie bilden eine Gattung der Familie Scarabaeidae der Gruppe Geotrupini. In dieſe Gruppe — und ſich anſchließend an die Gattung Geotrupes — gehört der durch Abbeißen der jungen Ranken an den Wein⸗ ſtöcken als ie bekannte, tagsüber in Erd- löchern ſich aufhaltende, durch ſeine halbkugelige Geſtalt und außerordentlich ſtark entwickelte Man⸗ dibeln charakteriſierte ſchwarze Lethrus cepha- lotes Fabr. Hſchl. Gepaart, adj. part., paarweiſe zuſammen⸗ gethan oder auch begattet, vom Flugwilde, ſ. Paar. „Zuſammenliegende, unzweifelhaft ge— paarte Eulenköpfe.“ Jul. Hoffmann, Wald⸗ ſchnepfe, p. 12. — „Zwei Schnepfen, welche als gepaartes Paar anzuſehen waren.“ Ibidl., p. 25. — Sanders, Wb. II., p. 489. E. v. D. Gepanzert, adj. part. . S. v. w. gejackt, ſ. d. „Die gejackten oder gepanzerten Hunde.“ Döbel, Jägerpraktika II., fol. 77b. — Großkopf, Weidewerckslexicon, p. 135. — Sylwan, 1815, p. 46. — Hartig, Lexik., p. 219. II. v. Schwarzwild. „So ſetzt ſich ihnen (den Sauen, welche ſich an Nadelholz reiben), Harz auf die Blätter. Schweine, woran man dies 1 werden er genannt.“ Har⸗ tig, Lexik., p. 481. — S. Panzer, Harniſch. Sanders, Wb. II., p. 496. E. v. D. Geperlt, adj. 15 von Geweih— ns Ge- hörnſtangen, ſtark mit Perlen (ſ. d.) beſetzt. „Der Träger dieſes bis an die Spitzen reich geperlten Geweihes . . .“ R. R. v. Dombrowski, Edelwild, p. 60. — Derſelbe, Das Reh, p. 63, 64, 66. — Sanders, Wb. II., p. 515. E. v. D. Gepfneiſch, das, ſ. v. w. der Genuſs, ſiehe pfneiſchen. Onomat. forest. IV., p. 392. Sanders, Wb. II., p. 540. E. v. D. Gepiſte, das, das Piſten der Haſelhühner oder die Nachahmung desſelben. „Haſelhühner, gelche auf Gepiſt gehen. } Behlen, Real- und Verb. richt III., p. 262. — Sanders, Wb. II., p. 52: E. v. D. Gerade, adj., nennt man die Endenzahl eines Geweih- oder Gehörnträgers, bezw. deſſen Geweih ſelbſt, wenn beide Stangen gleichviel Enden tragen; vgl. ungerade. „Überhaupt wird die Zahl der Enden allemal nach der Stange, auf welcher die meiſten gültigen ſichtbar ſind, verdoppelt angeſprochen, nur daſs der Zuſatz gerade die gleiche Zahl auf beiden Stangen, Si Gerade. — Gerberei und Gerbſtoffe. 355 ungerade aber die ungleiche beſtimmt.“ D. a. d. Winkell, Hb. f. Jäger I., p. 6. — „Trägt der Zehnender an der einen Stange 4, an der an— deren 5 Enden, dann wird derſelbe als unge— rader, trägt er an beiden Stangen je fünf Enden, als gerader Zehner angeſprochen.“ R. R. v. Dombrowski, Edelwild, p. 53. — Id Reh, p. 65. — Sanders, Wb. I., p. 615. E. v. D. Gerade. Darunter verſteht man in der Geodäſie jene Linie, durch welche eine Vertical— ebene gelegt gedacht werden kann. Da die Ver— ticalebene durch zwei Punkte vollkommen be— ſtimmt iſt, ſo iſt dies auch die geodätiſche Gerade. Jede geodätiſche Gerade hat zur hori— zontalen Projection eine Gerade in rein mathe— matiſchem Sinne und wird letztere die auf den Horizont reducierte Gerade genannt (f. „Figur, = reducierte“. 915 Gerade Züge, ſ. Züge. Th. Geradflügler, ſ. Orthoptera, Hſchl. Geradhakſer, ſ. Borkenkäfer. Hſchl. Geraide, vgl. Haingeraide. Schw. Geraniol, C,.H;s0, iſomer mit Leinöl, findet ſich im indiſchen Geraniumöl von Andro— pogoa Iwarancusa und im deutſchen und fran— zöſiſchen Geraniumöl von Pelargonium Radula. Farbloſe, roſenartig riechende Flüſſigkeit. v. Gn. Geranium L., Storchſchnabel. Artenreiche Gattung, welche der dicotylen Familie der Ge— raniaceen ihren Namen gegeben. Blüten regel— mäßig, mit 5 Kelch- und Blumenblättern, 10 am Grunde verwachſenen Staubgefäßen und 5 um eine Mittelſaule geſtellten Kernzellen, deren 5 unten verwachſene Griffel nach dem Blühen in einen langen Schnabel auswachſen und welche ſich zur Zeit der Samenreife von der Mittelſäule loslöſen, wobei der verlängerte Griffel ſich uhrfederartig zuſammenrollt. Be— haarte, ſelten kahle Kräuter mit äſtigem Sten— gel, trockenhäutigen Nebenblättern, handförmig getheilten Blättern, deren obere wechſelſtändig und oft ſitzend, die übrigen gegenſtändig und immer geſtielt ſind, und achſelſtändigen, zwei— blütigen Stielen, welche oft eine ſchlaffe Traube oder Riſpe bilden. Häufigſte, in Wäldern und auf Waldboden vorkommende Arten: Waldſtorchſchnabel, G. silvaticum L. Stengel 30—60 em hoch, nach oben drüſig-flaumhaarig. Blätter 5—Ttheilig, mit fiederſpaltigen oder eingeſchnitten-geſägten Theilſtücken. Blüten ſtets aufrecht; Blume groß, violett oder purpurblau. In Gebirgswäldern an Bächen, auf ſumpfigen Wieſen. Ausdauernd. Blüht im Hochſommer. — Blutrother Storchſchnabel, G. sanguineum L. Aus⸗ dauernde Staude mit holzig-knolligem Wurzel— ſtock, vielſtengelig, bis /m hohe Büſche bil- dend. Stengel ſehr äſtig, ſammt den nach dem Verblühen abwärts geneigten Blütenſtielen abſtehend behaart. Blätter tief 7theilig, mit drei- bis vierſpaltigen linealen Zipfeln; Blumen blutroth. Auf ſonnigen, ſteinigen, bebuſchten Hügeln, Waldſchlägen, Schonungen, Wald— wieſen, nur auf kalkhaltigem Boden. Blüht vom Mai bis Juli. — Siinfender Storch— ſchnabel, G. Robertianum L. Einjährige, wi— derlich ſtark aromatiſch riechende Pflanze mit wiederholt gabeltheiligem, abſtehend behaartem, meiſt blutrothem Stengel, 3—5zählig zerſchnit— tenen Blättern und kleinen hellrothen Blüten. An ſteinigen Plätzen unter Gebüſch, an Wald— rändern, lichten Waldſtellen, Rollſteinwänden, bis in die Alpenregion. Blüht vom Juni bis September. Wm. Geräthe, ſ. Werkzeuge. Fr. Geräumte, das, ſ. v. w. Stellweg. ſ. d. u. Flügel; ſelten. „Stellflügel, Stellwege, item Abjagunsflügel, auch Geräumte.“ C. v. Heppe, Aufr. Lehrprinz, p. 249. — Chr. W. v. Heppe, Wohlred. Jäger, p. 746. — Großkopff, Weide— werckslexikon, p. 136. — Sanders, Wb. II., p. 663. E. v. D. Geräuſch, das. „Gereuſch heißet Herz, Lung und Leber von wilden Thieren.“ J. Täntzer, Jagdgeheimniſſe, 1682, p. 15. — Döbel, Jägerpraktika, Ed. I. 1746, I., fol. 18. — Chr. W. v. Heppe, Wohlred. Jäger, p. 178. — Großkopff, Weidewerckslexikon, p. 135. — Bechſtein, Hb. d. Jagdwiſſenſchaft I., 1., p. 102. — D. a. d. Winkell, Hb. f. Jäger I., p. 3. — Hartig, Lexikon, p. 219. — Laube. Jagd- brevier, p. 277. — Dombrowski, Edelwild, p. 19; Reh, p. 18. — Kobell, Wildanger, p. 479. — Wurm, Auerwild, p. 1. — San⸗ ders, Wb. II., p. 664. E. v. D. Geräuſche, ſ. Hören. hr. Gerberei und Gerbftoffe. Gerberei iſt jener Induſtriezweig, welcher aus Thierhäuten Leder bereitet. Während die rohe thieriſche Haut im getrockneten Zuſtande hart und brüchig iſt, im feuchten Zuſtande leicht fault und mit Waſſer gekocht ſich unter Umwandlung in Leim darinnen löst, iſt das durch das Gerben daraus gewonnene Leder eine genügend feſte, ſehr bieg— ſame und geſchmeidige Subſtanz, die in der Näſſe der Fäulniß vorzüglich widerſteht und ſich beim Kochen mit Waſſer nicht oder ſehr ſchwierig in Leim verwandelt. Nach Fr. Knapp's Definition iſt Leder im weiteſten Sinne irgend eine Thierhaut, deren Faſern durch Anwendung eines beliebigen Mittels verhindert wurden beim Trocknen zuſammenzukleben. Wie Fig. 382 zeigt, welche einen Schnitt durch die thieriſche Haut darſtellt, beſteht die— ſelbe aus ſehr verſchiedenen Elementen. Die oberſte Schichte O0, die Oberhaut oder Epider— mis, beſteht aus zahlreichen platt übereinander liegenden Hornplättchen. Sie beſitzt weder Nerven noch Blutgefäße, wird an der Körper— oberfläche beſtändig abgenützt und erneuert ſich fortwährend. Unter derſelben liegt das aus runden Zellen beſtehende Malpighi'ſche Schleim— netz S; dieſe Zellen enthalten bei Thieren mit gefärbter Haut die färbenden Pigmentkörperchen. Die nächſtfolgende Schichte L iſt die dickſte von allen, es iſt die Lederhaut (corium oder derma), und ſie beſteht aus elaſtiſchen Binde— gewebsfaſern, die ein filziges, ſehr zähes, von Blutgefäßen durchzogenes Flechtwerk bilden. Unter der Lederhaut endlich liegt das Unter— hautbindegewebe oder die Fetthaut (pannieulus adiposus) und bildet die Aas- oder Fleiſch— ſeite der Häute. Die übrigen Buchſtaben in der Figur haben nachfolgende Bedeutung: H iſt ein Haar, 2 ſeine Haarzwiebel, M ein Mus- 23 356 Gerberei und Gerbſtoffe. kelbündel, t Talgdrüſen, D Schweißdrüſen, sp deren Ausgang, N ſenſitive Nervenfaſern, T ein Taſtkörperchen und F Fettzellen. Nicht die ganze Haut, ſondern allein die Lederhaut (das Corium) iſt das Subſtrat der Gerberei. Es müſſen daher die friſchen Häute entſprechend vorbereitet, d. h. durch Anwendung chemiſcher oder mechaniſcher Mittel die übrigen Gewebsſchichten möglichſt entfernt werden, wo— durch man die gereinigte Haut oder die Blöße erhält. Die rohen, unbearbeiteten Thierhäute heißen im Handel Häute (franz. peaux brutes oder 3 eingeſtreut, in Bündel gefaltet und verſchnürt. Sie erhalten ſich ſo am beſten und ſind beſon— ders für Sohlleder gut geeignet. Die Rauchwaaren oder Pelzfelle wer: den auf der Fleiſchſeite zunächſt durch Schaben gereinigt und dann mit Alaun, Salz, Fett, Butter, Ol ꝛc. eingerieben. An der Blöße unterſcheidet man die Fleiſchſeite (ſ. oben) als die innere, und die Narbenſeite als die äußere Seite der Haut. Je nach den angewendeten Gerbſtoffen wird die Gerberei eingetheilt in 1. Loh- oder Rothgerberei. Mit Gerb- ſäure. Das Product heißt loh- oder rothgares Leder; 2. Alaun⸗ oder Weiß⸗ gerberei. Mit Alaun und Kochſalz. Das Product heißt alaun- oder weißgares Leder; 8 3. Sämiſch oder Ol⸗ gerberei. Mit Fett. Das Product heißt Sämiſch-, Ol- oder Waſch⸗- Leder; 4. Metallſalzgerbe— rei. Ein neuer Induſtrie⸗ zweig, der raſch an Verbrei— tung gewinnt. Das Wichtigſte über die verſchiedenen Gerbmethoden iſt in der nachfolgenden Ta— belle auf p. 358 bis 361 zu⸗ ſammengeſtellt. Juchten- oder Juften⸗ leder iſt unter Anwendung von Weidenrinde hergeſtell— tes lohgares Leder, das mit Birkentheeröl eingelaſſen iſt. Saffian oder Maro— quin (echtes aus Ziegen-, unechtes aus Schaffell) iſt mit Sumach, Corduan mit Rhus cotinus, däni— ſches Leder mit Weiden— rinde gegerbt. Von den in der Ger⸗ euirs en poil, engl. hides), und fie werden ! berei angewendeten Gerbſtoffen ſollen hier nach der Thierart, von welcher ſie ſtammen, näher bezeichnet. Strenge genommen, bezeichnet man nur die Häute der größeren Hausthiere und einiger großen wilden Thiere (3. B. Ele— fant, Nashorn) als Haut, wie Rindshaut, Roß— haut, Eſelshaut, während die übrigen als Felle oder Rauchwaaren bezeichnet werden. Die überſeeiſchen Häute, Wildhäute ge— nannt, kommen in drei Arten in den Handel: 1. Trocken. An der Luft getrocknet. Wer— den bei langem Transport, beſonders in den Tropen, durch den Wurmfraß gefährdet. 2. Trocken geſalzen. Die friſchen Häute werden auf der Fleiſchſeite mit einem Kochſalz— oder Salpeteranſtrich verſehen und dann an der Luft getrocknet. Sie erhalten ſich ſehr gut. 3. Grüngeſalzen, naſsgeſalzen oder in Kiſten geſalzen. Die Häute werden ab— wechſelnd mit Salz geſchichtet, einige Tage liegen gelaſſen, bis Blut und Waſſer abge- laufen iſt, dann auf beiden Seiten mit Salz diejenigen der Lohgerberei beſprochen werden, da die übrigen (in nachſtehender Gerberei-Ta⸗ belle aufgeführt) theils an anderen Orten be— ſprochen werden, theils aber auch für Forſt— männer und Jäger ohne Bedeutung ſind. Die wirkſamen Beſtandtheile der vegeta— biliſchen Gerbſtoffe find die Gerbſäuren (. d.), wie die Digallusſäure, das Tannin oder die reine Gerbſäure (C. Ho Oo), die Eichen- gerbſäure, die Chinagerbſäure, die Kino⸗ gerbſäure, die Catechugerbſäure, die Mo⸗ ringagerbſäure (im Gelbholz), die Kaffee— gerbſäure, die Hopfengerbſäure. Sie ſind im Pflanzenreich ſehr verbreitet. Die wichtigſten gerbſtoffhältigen Droguen ſind folgende: a) Rinden: 1. Eichenrinde (Borke) von Quercus robur und Quercus pedunculata. Sie enthält nach E. v. Wolff folgende Gerbſtoffmengen: Gerberei und Gerbſtoffe. 337 Alter der $ 2 * eee Stämme in I Jahren rauhe Rinde mit Borke .. 1086 41—53 Baſtſchicht der alten Rinde 1443 41—53 „ 13˙23 41—53 rauhe Rinde u. Glanzrinde 11:69 41—53 Baſtſchicht *. 7 13˙92 41—53 r 13˙95 14—15 1. 15˙83 2— 7 Sie iſt das häufigſt verwendete Gerb— materiale. 2. Stamm⸗ und Wurzelrinde von Quercus coccifera L. mit bis 12% Gerb— ſtoffen, wird in Südeuropa und Nordafrika verwendet. 3. Quercus suber L. und Quercus oceci- dentalis Gay mit 13% Gerbſäure. 4. Quercus Prinus L. (in Amerika unter dem Namen White Chestnutoak bekannt) mit bis 18% Gerbſäure. 5. Fichtenrinde (in Europa von Abies excelsa, in Nordamerika von Abies alba), im nördlichen und öſtlichen Deutſchland ſehr be— liebt, mit 7—13 % (nach J. Feſer 5—15%) Gerbſtoff. 6. Tannenrinde von Abies pectinata (in Oſterreich und Steiermark angewendet) mit 4—8 % Gerbſtoff. 7. Die Rinde der Schierlings- oder Helmlocktanne (Abies eanadensis Mehx.), in Amerika ſehr beliebt. In dem daraus ver— fertigten und nach Europa importierten Helm— lockextract, auch Millers Tannin genannt, fand Neßler 143% Gerbſäure. 8. Die Snoubarinde, von der Aleppo— kiefer, Pinus halepensis, welche in Dalmatien Wälder bildet, mit 13—23 % Gerbſtoff. 9. Scorza rossa, die Borke des vorigen Baumes. 10. Phyllocladusrinden, von Phyllo- cladus asplenifolia und trichomaneides, aus der Gruppe der Taxineen (Coniferen) mit 23% Tannin, in Neuſeeland und Tasmanien heimiſch. 11. Birkenrinden, von Betula alba (in Europa) oder Betula lenta (in Amerika) mit nur 3% Gerbſtoff. 12. Die Erlenrinden (hauptſächlich in Ungarn und der Militärgrenze), von Alnus glutinosa L. und Alnus incana W., ſie ent— halten nach Davy 16%, nach Wagner 3 bis 3% Gerbſtoff. 13. Ulmenrinden, von pestris, mit 3—4%, Gerbſtoff. 14. Buchenrinden, von Fagus silvatica, mit nur 2% Gerbſtoff. 15. Rinde, Holz, Fruchtkapſeln und junge Reiſer der Roßkaſtanie, Aesculus hippocasta- num, hin und wieder in Südeuropa verwendet, mit nur 2% Gerbſtoff. 16. Weidenrinden mit 2—12, nach an⸗ deren mit 3—3 % Gerbſtoffen. Zur Bereitung des Juchten dient in Ruſsland die Rinde der Salweide. N 17. Rinden einiger Lorbeerarten (Weſt— küſte Südamerikas); ſo dient die Rinde von Persea lingue zur Erzeugung des Valdivia— Ulmus cam- Leders und kommt auch in den europäiſchen Handel; fie enthält 1718 % Gerbſtoff. 18. Protaceenrinden, von Protea co- nocarpum R. Br., mit 11% Gerbſtoff (in Capland). 19. Quebranchorinde und Holz, von Aspidosperma Quebrancho, mit 2—4 % (Eit- ner, Paſchkis ꝛc.) oder gegen 19% Tannin (Donath), ſoll in Südamerika ſehr beliebt fein. 20. Die Moneſirarinde, von Chryso- phyllum glyeiphlocum, mit 32% Tannin, in Braſilien als Gerbſtoff verwendet, findet auch als Cortex Monesiae medieiniſche Verwendung. 21. Weinmanniarinde, von Weinman— nia macrostachys DC., auf Réunion mit 13%, Tannin. 22. Kirihinanrinde aus Neuſeeland, von Elaescarpus dentatus Vahl (einer Tiliacee) mit 21— 22% Gerbjäure. 23. Nanciterinde (weſtindiſche Inſeln und Centralamerika), von Malpighia punicae- folia L., mit 21% Tannin. 24. Chucorinde (Chile), von Fuchsia macrostemma oder von Oxalis gigantea, mit 20—26 % Gerbſtoff. 25. Manglerinde, von Rhizophora Mangle L. Centralamerika) mit 22—33% Tan nin, kommt auch in den europäiſchen Handel. 26. Whawhakorinde, von Eugenia Maire in Neuſeeland, mit 16—17%, Tannin. 27. Eukalyptusrinde, von Eucalyptus rostrata und Eucalyptus longifolia mit 18% Tannin, und von Eugenia Smithii mit 17% Tannin. Beide aus Auſtralien ſtammend, dienen zur Darſtellung des ſog. Eucalyptus kino. 28. Granatapfelbaumrinde, gegen— wärtig nur mehr in den Mittelmeerländern in Verwendung, mit 22% Gerbſäure (nach Wackenrode). 29. Nacasculorinde, von Caesalpinia echinata (von welcher auch das Fernambuk— holz ſtammt). 30. Mimoſenrinden, im Handel Wattle genannt, nach J. Wiesner von verſchiedenen Akazien Neuſüdwales und Tasmaniens ſtam— mend, wie Acacia dealbata, A. melanoxylon, A.lasiophylla und A. decurrens. Letztere liefert die beſte Wattlerinde mit 20--24% Tannin. 31. Curlidorinde, von einer Sopatacee ſtammend, ſie kommt häufig als falſche China— rinde in den Handel und enthält 24% Tannin. 32. Californiſche Gerberinde, unbe— kannter Abſtammung, enthält 26% Tannin. 33. Bogotarinde, unbekannter Herkunft, aus Neugranada kommend, mit 25—30 % Gerb— ſtoff. 34. Türkiſche Gerberinde, von einer Terebinthacee ſtammend, mit 18% Tannin. 35. Garouille, die Wurzelrinde der Ker— meseiche, aus Algier ſtammend, mit 11—15%, Tannin. 36. Lärchenrinde, von Larix europaea, in England und Irland gebräuchlich. 37. Wallnuſsrinde, von Juglans regia, für ſehr weiches Leder. 38. Italieniſche Pappelrinde, von Populus dilatata, gibt hellbraunes, etwas nach Juften riechendes Leder. 358 Gerberei und Gerbſtoffe. Loh⸗ oder Rothgerberei Verwendete Häute. Hauptſächlich: Rinds-, Pferd- und Eſelhäute. Schwache Häute, Ham: mel-, Ziegen-, Schaffelle ze. Art und Ver- wendung der fertigen Ware. Sohlleder für Schuhſohlen; Schmal⸗ oder Fahlleder für Schuhmacher- und Sattlerarbei— ten; Blankleder für Sattlerarbeiten ꝛc. Beſondere Arten des lohgaren Leders ſind: Juchten oder Juften; Saffian, Maroquin oder türkiſches Leder; Corduan; Lackleder; däniſches Leder (lohgares Handſchuhleder aus Fellen von jungen Ziegen, Lämmern, Elenthier— häuten ꝛc., durch Gerben mit Weidenrinde er— halten) 2c. 1. Ein weichen der Haut in Waſſer, wo— durch an derſelben haftendes Blut, getrocknete Erde, Fleiſchſtücke, Salz ꝛc. entfernt 8 die Haut gänzlich mit Waſſer durchtränkt wird. Dauer bis 10 Tage. 2. Reinigen der Fleiſchſeite. Die Häute werden auf den Schabebaum mit der Haar— ſeite nach unten gelegt und mit dem Schabeeiſen (einer etwas gekrümmten Klinge mit ſtumpfer Schneide und 2 Handgriffen) „ausgeſtrichen“. Nun werden ſie wieder 24 Stunden in Waſſer gelegt, nochmals ausgeſtrichen, wieder einige Stunden ins Waſſer gelegt und zum dritten Male ausgeſtrichen. 3. Reinigen der Narbenſeite zur Ent— fernung der Oberhaut und der Haare. Dies er— folgt nach einer der folgenden drei Methoden: a) Durch Schwitzen (bei Sohlleder), d. i. durch Selbſtgährung in Schwitzkammern oder Schwitzkaſten, welche, um ſie bei einer con— ſtanten Temperatur von 30— 350 C. zu erhalten, in Pferdemiſt oder Lohe eingebettet werden. Um Fäulniſs zu vermeiden, wird die Fleiſchſeite mit Kochſalz oder Holzeſſig eingerieben. b) Mit Kalk (für leichtere Lederſorten) Die Häute werden in Bottiche mit Kalkmilch (Acer) eingelegt, doch wird durch den Kalk die Inter— cellularſubſtanz angegriffen, das ſo behandelte Leder alſo etwas ſpröde. e) Mit Rusma (durch Einwirkung von Kalk auf Schwefelarſen erhalten) oder mit Gaskalk, wodurch das Leder weniger angegriffen wird (für kleine Thierhäute). 4. Schwellen der gereinigten Haut (Blöße), bezweckt ihre Auflockerung, um ſie durch— dringlicher für die Gerbbrühe zu machen. Es er— folgt nach nachſtehenden drei Methoden: a) Mit verdünnter Schwefelſäure (1:1000 bis 1:1500). In 24 Stunden iſt die Haut ſchon Et ihr doppeltes Volumen aufgequollen; allein das Leder wird ſchlecht. (Hauptſächlich in Eng— land üblich.) A) Rein⸗ machen der Haut. b) Mit weißer Schwellbeize. Mit Waſſer Weißleder zu ordinä⸗ rem Schuhfutter ꝛc. Alaun- oder N gewöhnliche g 1. Einweichen der Felle wie bei der Lohgerberei. 2. Aus ſtreichen wie bei der Lohgerberei, aber auf beiden Seiten. 3. Enthaaren: a) Bei geſchorenen Häuten wie bei der Loh— gerberei, nur mit einem Holz⸗ ſtab ſtatt des Schabmeſſers. b) Bei mit Wolle ver- ſehenen Fehlen durch An— ſchwöden. Man legt die Felle mit der Fleiſchſeite nach oben auf die Erde und be— ſtreicht ſie mit einem Brei aus Kalk, geſiebter Holzaſche und Waſſer, und legt ſie ſo zuſammen, dass die Wolle von dem Kalkbrei nicht be— ſchmutzt wird. Nach 8—10 Tagen werden die Felle rein gewaſchen und die Wolle ab— gepflückt oder am Streich— baum abgeſtoßen. Nun kom- men ſie in den faulen Aſcher, ein Kalkäſcher, wo— durch ſie theilweiſe entfettet werden, und von dort auf den Schabebaum zum Ab- ſchneiden der unbrauchbaren Zipfel (vergleichen). Nun werden ſie eine Nacht in Waſſer geweicht, auf beiden en ³¹ n ¼àn , —ͤ—uBüg. àꝛ : ² A G“ ] m Üͤ1 2 Ä — nn war 1 Gerberei und Gerbſtoffe. Methoden der Gerberei. Weißgerberei Sämiſch⸗ Metallſalz— i franzöſiſche oder oder Olgerberei erberei ungariſche Erlanger 9 9 Starke Häute: Ochſen-, Felle von jungen Zie-Felle von Hirſchen, Elen— Verſchiedene. Büffel⸗, Kuh⸗, Roſs- gen, Kälbern, Lämmern, thieren, Rehen, Ham— häute ꝛc. Gemsfelle ꝛe. meln, Schafen ꝛc., manch— mal auch Kalbfelle und Ochſenhäute. Leder für Sattler- und Glacsleder für Galan-[Sämiſch-, Ol- oder Riemerwaren. terie- und Handſchuh-JWaſchleder, haupt- waaren. ſächlich für Bekleidungs- gegenſtände: Beinklei— der, Beutel, Hoſenträ— ger, Gamaſchen, Weſten, Handſchuhe, Bänder und Bandagen ꝛc. 1. Einweichen wie l. Einwe ichen, wie früher. bei der gewöhnlichen Weißgerberei. — 2. Ausſtreichen, wie bei der gewöhnlichen Weißgerberei. 2. Enthaaren durch Abſcheeren mit einem ſcharfen Putzmeſſer. 3. Enthaaren, wie bei der gewöhnlichen Weiß- gerberei, doch werden die Haare mit dem Abſtoß— meſſer auf dem Streich— baume mit ſammt der Narbe abgeſtoßen. Wie bei der gewöhnlichen Weißgerberei. Beliebig nach einer der früher erwähnten Methoden. 360 B) Gerben der Blößen. Gerberei und Gerbſtoffe. Loh- oder Rothgerberei Alaun⸗ oder gewöhnliche —— —— — — — — angerührtes Gerſtenſchrot oder Weizenkleie wird Seiten ausgeſtrichen und ge- durch Zuſatz von heißem Waſſer auf 24— 28 C. ſſchabt, mit einer hölzernen erwärmt, Sauerteig eingerührt und die Häute hineingelegt. Durch Nachſehen überzeugt man ſich vom Fortgange der Schwellung. Die Beize kann mehrmals verwendet werden; ihre wirkſamen Stoffe ſind Milchſäure, Eſſigſäure, Butterſäure und Propionſäure. c) Mit rother Schwellbeize; d. i. ſauer gewordener Lohbrühe. Das Verfahren gleicht dem vorigen, es liefert das beſte Leder und iſt in Deutſchland allgemein angewendet. Die Lohgerberei erfolgt: a) Durch Einſetzen in Gruben („Ver— ſetzen“). Die Blößen werden abwechſelnd mit dem Gerbſtoffe in ausgemauerte Gruben oder Holzkäſten eingeſchichtet und dieſe dann mit Waſſer]2 gefüllt. Das Gerben nach dieſem Verfahren dauert 2 Monate bis 2 Jahre. b) In der Lohbrühe. Man ſtellt die Gerb— ſtofflöſung zuerſt her und bringt ſie fertig mit den Blößen zuſammen. Die Lohbrühe wird durch Extraction der Gerbmaterialien mit kaltem Waſſer bereitet, und je weiter der Gerbproceſs fort— ſchreitet, deſto concentriertere Lohbrühe wird ver— wendet. Dauer des Proceſſes 7—13 Wochen. NB. Eine Abart des Gerbens in der Lohbrühe iſt die Schnellgerberei, deren wichtigſte Unter— arten folgend zuſammengeſtellt ſind: 1. Einlegen der Häute in die Lohbrühe, gewöhnliche Gerberei in der Lohbrühe. 2. Gerbverfahren von Ogereau, von Ster— lingue und von Turnbull: die Lohbrühe cir⸗ culiert in einer Reihe von Gerbbottichen. 3. Gerben durch Dialyſe (nach Turnbull). Die zu Säcken zuſammengenähten Häute werden mit Lohe und Waſſer gefüllt und in eine mit Melaſſe verſetzte Catechulöſung gehängt. 4. Bewegen der Häute in der Gerbbrühe. Verfahren von Brown, Squire, C. Knoderer ac. 5. Gerben unter Anwendung von mecha— niſchem Druck. Noſſiter, Jones, Cox und Herapath entfernen von Zeit zu Zeit die ver— nützte Gerbbrühe aus den Häuten durch mechani— ſchen Druck (Preſſen oder Walzen). 6. Gerben unter hydroſtatiſchem Druck. W. Drake ſo wie Chaplin nähten je zwei Häute mit der Narbenſeite nach innen zu Säcken zuſammen und füllten dieſe mit der Lohbrühe, welche durch die Häute ſickert und ſo dieſe gerbt. Sautelet ſpannt ſie als Seitenwände in einen Holzkaſten aus. Die Gerbbrühe tritt durch ein langes Rohr aus einem Reſervoir in dieſe und wird durch die Häute gepreßt. 7. Durch Punctation. Snyder will die Häute durch Nadelſtiche für die Gerbbrühe durch— dringlicher machen, doch iſt dies nach Knapp ganz überflüſſig. 8. Gerben im luftverdünnten Raume. Eigentlich das umgekehrte Verfahren 6. — Hier— her gehören die Verfahren von Knowley und Knesbury ſowie von Knoderer. Keule in Waſſer gewalkt und nochmals ausgeſtrichen. 4. Das Schwellen er⸗ folgt durch 2— 3 tägiges Ein- legen in die Kleienbeize. Auf einen Decher (10 Häute) bereitet man die Alaunbrühe aus 0 75 kg Alaun, 0˙3 kg Kochſalz und 251 heißem Waſſer. 11 dieſer Brühe wird in einem Troge auf Handwärme ab— kühlen gelaſſen, die geſchwell— ten, mit Waſſer geſpülten und ausgerungenen Felle ein⸗ oder zweimal durchgezogen, ohne Ausringen aufeinander geſchichtet, 2—3 Tage liegen gelaſſen, ausgerungen und langſam getrocknet. Weißgerberei ungariſche Die Alaunbrühe beſteht für eine Haut von etwa 25 kg Gewicht aus 3 kg Alaun, 3 kg Kochſalz und 20 1 Waſſer. Die geſchorenen Häute kom— men in die lauwarme Brühe, werden mit den Füßen einigemale durch— getreten, 8 Tage darin liegen gelaſſen, nochmals durchgetreten und zum Trocknen auf Stangen aufgehängt. Gerberei und Gerbſtoffe. 361 franzöſiſche oder Erlanger Wie bei der gewöhn⸗ lichen Weißgerberei. Der angewendete Gerb— brei (die Nahrung) beſteht aus Weizenmehl, Eierdotter, Alaun und Kochſalz mit Waſſer zu einem dünnen Brei an— gerührt. Die Felle wer— den in den Gerbbrei gebracht, einige Zeit ge— treten und gewalkt. Ein Zuſatz von 2—3 % Car⸗ bolſäure verhindert das zu ſtarke Erhitzen der Felle beim Lagern. Sämiſch— oder Olgerberei gewöhnlichen Weißgerberei. Metallſalz— gerberei Beliebig nach einer der früher erwähnten Methoden. Die ausgewundenen Felle werden mit der Narbenſeite nach unten auf einem Tiſche aus— gebreitet, mit Thran oder Ol beſtrichen, zu— ſammengewickelt und unter der Stampfwalke 2— 3 Stunden gewalkt. Von Zeit zu Zeit wer— den ſie aus der Walke genommen, etwas an der Luft liegen gelaſſen, bis ihre Oberfläche tro— cken erſcheint, neuer— dings gefettet uud dann wieder gewalkt. Die Gare erkennt man an dem Auftreten eines meerrettigartigen, ſchar— fen Geruches. — Nun werden die Felle am Boden der Wärmekam⸗ mer auf einem Lein⸗ tuche in Haufen zuſam— mengeworfen, zugedeckt und unter zeitweiligem Lüften ſich ſelbſt über— laſſen, wobei Gährung und Erwärmung ein— tritt. Die Operation, das Färben in der Braut genannt, iſt beendet, wenn die Felle eine ge— nügend dunkle Färbung angenommen haben. Hiezu dienen haupt— ſächlich Thonerdes, Chrom- und Eiſen⸗ ſalze. Die Häute wer— den 4 Tage lang in eine Löſung von 1 Theil Kaliumchromat und 2 Theilen Alaun in 18 Theilen Waſſer, dann 12 Stunden in eine ſolche von 1 Theil Ei— ſenvitriol in 10 Theilen Waſſer eingelegt. Hein— zerling bringt die ge— ſchwellten Häute in eine Löſung von Kalium-, Natrium- oder Ma: gneſiumbichromat und Alaun oder ſchwefel— ſaurer Thonerde, der nach einigen Tagen et— was Ferro- oder Ferri— cyankalium zugeſetzt wird und fixirt die Ger— bung durch Einweichen in Chlorbaryum, Blei— acetat oder Seife. — Knapp gerbt in einer Löſung von Eiſenvitriol, der ſo viel Soda zu— geſetzt iſt, daſs kein Niederſchlag entſteht, und fixirt in einer Sei— fenlöſung. 362 Gerberei und Gerbſtoffe. C) Zurichten Häute. zeigt: Loh- oder Rothgerberei Das Zurichten iſt bei den verſchiedenen Leder- der ganzen ſſorten verſchieden, wie folgende Zuſammenſtellung Sohlleder. Die gegerbten und durch Ab— kehren von anhängender Lohe gereinigten Häute Alaun⸗ oder gewöhnliche — — — — — — — — — — 02ſé. — Die benetzten Felle wer: den über die ſtumpfe Schneide einer bogenförmigen Eiſen— klinge, der Stolle, der Breite nach gezogen (ge— werden, nachdem ſie im Schatten genügend ge— trocknet ſind, auf einen flachen Stein gebreitet und mit eiſernen oder hölzernen Hämmern ge— ſchlagen. Schmalleder oder Fahlleder. Das Leder wird mit der Narbenſeite nach unten auf den Falzblock gelegt (feine Sorten auf einer Marmor: platte ausgeſpannt) und mit dem Falz- oder Dollirmeſſer auf gleiche Dicke zugeſchabt (das Falzen, Ausſchlichten oder Dolliren). Den- ſelben Zweck erreicht man auch mit dem Schlich— ten, wozu das getrocknete Leder am Schlicht— rahmen aufgehängt, mit einer Zange ausgeſpannt und mit dem Schlichtmonde, einer ſcheiben— förmigen Klinge, auf der Fleiſchſeite zugeſchnitten wird. Nun folgt das Kriſpeln, eine Art Walzen oder Kneten des Leders mittelſt des eigenthüm— lich geſtalteten Kriſpelholzes. Soll das Leder noch größeren Glanz erhalten, ſo wird es pantoffelt, d. h. auf einer Tiſch— platte mit dem Pantoffelholze, das mit einer Korkplatte belegt iſt, abgerieben. Nun folgt (bei Blankleder) noch das Platt- und Blankſtoßen, ein Abreiben mit einer Eiſenplatte, die in erſte— rem Falle gekerbt, in letzterem glatt iſt. Künſtliche Narben erzielt man mit Walzen, | deren Oberflächen ſtumpfe Erhöhungen haben (das Preſſen). | Endlich wird das Leder befeuchtet und auf einer Tafel mit einer ſtumpfen Streichklinge aus— geſtrichen (das Ausſetzen) und mit Fiſchthran, Fiſchthran und Talg oder mit Degras (Gerber— ſtollt) und auf dem Streich⸗ rahmen oder ſchragen „geſtrichen.“ fett) eingefettet. b) Blätter, Blüten ꝛe. 39. Sum ach oder Schmak, d. i. die zer— kleinerten Blätter, Blütenſtiele und Zweige von Rhus coriaria, R. cotinus, R. glabrum, K. canadense, R. typhinum, R. pentaphyllum, Arbutus uva ursi, Coriaria mystifolia. Nach Wagner (Dingl. polyt. Jour., Bd. 205, p. 140) kommen folgende Sorten in Handel: a) Sicilianiſcher Sumach, von Rhus coriaria die beſte Sorte, grünlich gelbes Pulver mit Theegeruch. (Alcanno- und Carini-Sumach.) 8) Italieniſcher Sumach, von Rhus eoriaria, hauptſächlich aus Toskana, ſchmutzig— grünes Pulver von Ledergeruch. Wird mit Sondroblättern verfälſcht. ) Spaniſcher Sumach, von verſchiede— nen Rhusarten ſtammend. a) Malaga- oder Priego-Sumach, feines Pulver, heller als der ſicilianiſche ge— färbt, mit ſtarkem Geruch. b) Valadolid-Sumach, heller als der vorige. c) Malina-Sumach. 3) Portugieſiſcher oder Porto-Su— mach, ähnlich dem Malaga-Sumach, aber ein gröberes, grünlichgelbes Pulver. ) Tiroler Sumach, aus den Blättern und Blattſtielen von Rhus cotinus beſtehend, aus Südtirol, Iſtrien, Dalmatien und der Um— gebung von Wien. Er beſteht aus zerbrochenen, nicht gepulverten Blättern und riecht wie Eichen— rinde. ) Franzöſiſcher Sumach, von Coria- ria mystifolia, u. zw.: a) Fauvis (Umgebung von Brignolles, Departement du Bar) ähnlich, aber heller als ſicilianiſcher Sumach, ſchmeckt gewürz— haft, ſchwierig zu conſervieren. b) Donzere (Ufer der Rhöne), grobes, körniges, dunkelgrünes Pulver mit Leder- geruch. c) Redoul oder Redon (Ufer des Lot, des Tarn und der Garonne), feines, trockenes, graugrünes Pulver mit Heugeruch. a * Gerberei und Gerbſtoffe. Weißgerberei u franzöſiſche oder ungarische Erlanger Die trockenen Häute Das Leder wird durch werden gereckt, über Ausziehen gereckt, an Kohlenfeuer angewärmt, der Luft möglichſt ſchnell auf einem Tiſche aus- getrocknet, je 12 Stück gebreitet und auf beiden zwiſchen Leinwand ge— Seiten mit geſchmol⸗- legt, getreten und ein— zenem Talg eingerie- zeln der Länge und der ben. Dann werden ſie Quere nach auf der etwa eine Minute lang Fleiſchſeite geſtollt, über Kohlenfeuer hin- getrocknet und nochmals und hergezogen und geſtollt. ſchließlich in freier Luft mit der Fleiſchſeite nach innen aufgehängt. d) Pudis (Südfrankreich), feines, hell— gelblich grünes Pulver. n) Tezera-Sumach, von Rhus penta- phyllum, wird von den Arabern zum Maro— quingerben verwendet. 9) Amerikaniſcher Sumach, von Rhus glabrum, R. canadense und R. typhinum. Vereinigte Staaten von Nordamerika. ) Schwediſcher Sumach wird in' Dale— karlien aus den Blättern der Bärentraube, Arbutus uvae ursi, dargeſtellt. 40. Haidekrautblätter, Erica vulgaris, früher verwendet, heute kaum mehr in Au— wendung. 41. Kreuzdornblätter, Prunus spinosa, wurden früher in London mit Gerſtenſchleim gekocht zum Gerben von Kalbfellen verwendet. c) Früchte: 42. Artiſchoken, Cynara scolymus, wur- den im vorigen Jahrhundert zum Gerben von Kalb⸗ und Ziegenfellen verwendet. 363 Sämiſch— oder Olgerberei Metallſalz— gerberei Die in der Braut ge— färbten Häute werden in einer lauwarmen Potaſchelöſung entfet— tet, ausgerungen, ge— trocknet und geſtollt. — Aus der zum Entfetten gebrauchten Potaſchelö— ſung ſcheidet ſich beim Stehen eine Fettmaſſe (Degras oder Ger— berfett) ab, das bei der Lohgerberei Ver— wendung findet. Verſchieden. 43. Ackerdoppen, Valonea, d. i. Kelche der Ziegenbarteiche, Quercus Aegilops (griechi— ſche Inſeln), gibt hartes, waſſerdichtes Leder. 44. Myrobalanen, birnförmige, in In- dien heimiſche Früchte der Gattung Terminalia. Haupthandelsplatz Calcutta. Beſonders die Schalen ſind ſehr gerbſtoffreich. 45. Dividivi, Schoten von Caesalpinia coronaria (Südamerika). Der Gerbſtoff iſt haupt— ſächlich in der äußeren Schale enthalten. Ihre Abkochung giebt ſehr weiches, ſchwammiges, braunes bis braunrothes Leder. Auch Dividivi— Extract iſt im Handel. 46. Bablah, Früchte von Acacia Bam— bolah, Roxb., gerbſtoffreich, kommt aus Indien. d) Pfanzenſäfte und Extracte: 47. Kinog um mi, der eingetrocknete Saft von Pterocarpus erinaceus und Pterocarpus marsupium, ſehr gerbjtoffreich. 48. Buteagummi, eingetrockneter Saft von Butea frondosa, Roxb., nur im nordweſt— lichen Indien angewendet. 364 Gerberei und Gerbſtoffe. triandra (Peru). Ihr Extract findet in der Gerberei Anwendung. 54. Nelkenwurzel, von Geum urbanum. g) Künſtliche Gerbſtoffe: Hieher ge— hören außer den ſchon früher erwähnten Ex⸗ tracten und verſchiedenen Salzen: 49. Catechu, wäſſeriger Extract von Aca- | cia Catechu, ſehr gerbſtoffreich, liefert jedoch kein ſchönes Leder. 50. Gambir oder Gamber, Extract der Blätter von Uncaria Gambir, kommt haupt- ſächlich von Singapore. Von den Chineſen ſoll nach M'Culloch viel Catechu als Gambir ver— 55. Pilrinfänre (ſ. d.). kauft werden. 56. Jenning's Gerbſtoff, erhalten durch e) Galläpfel und Knoppern: Übergießen von dichtem, ſchwarzem gepulverten 51. Galläpfel, durch den Stich von Gall- [ Torf mit 10—20%, Salpeterſäure, umrühren, weſpen veranlaßte krankhafte Auswüchſe an den | und nachdem die Entwicklung rother Dämpfe Blättern und Zweigen von Quercus infectoria, [nachgelaſſen, verdünnen mit 60—200 Theilen dei gerbſtoffreichſten Gerbmaterialien. Die chine- | Waſſer. Nun wird umgerührt, 4 Stunden kochen ſiſchen Galläpfel entſtehen durch Blattläuſe | gelaffen, zur Entfärbung Zinnſalz zugeſetzt auf Rhusjavanica und Khus semialata. Außer- | und nochmals kochen gelaſſen. Die Flüſſigkeit dem exiſtieren noch Morea-, apuliſche-, liefert ein helles Leder (Dingl. polyt. Jour. Abruzzo-⸗, ungariſche, iſtrianiſche, alep- | 150, p. 319). piſche und japaniſche Galläpfel. 97 Skey erhält einen ähnlichen künſtlichen Sie enthalten: Gerbſtoff durch Einwirkung von Salpeterſäure aleppiſche Galläpfel . 55 bis 63% Gerbſtoff, [auf Stein- oder Braunkohlen. iſtriſche 1 W 26 6 h) Sonſtige Gerbmaterialien: (Hier⸗ chineſiſche ri bau. Ya € her zählen Talg, Thran, Baumöl, Butter, japaniſche 1 60 10, Schmalz, Klauen- und Pferdefett, Eigelb, Bir- 52. Knoppern, durch Gallweſpenſtiche kentheeröl 2c., über welche unter den betreffen- hervorgerufene Auswüchſe an jungen Eicheln, [den Schlagworten nachgeleſen werden kann. mit 28—30 % Gerbſtoff. Über den Gerbſtoffgehalt verſchiedener Gerb⸗ f) Wurzeln: materialien geben außer dem oben bereits Mit- 53. Ratanhia wurzel, von Krameria | getheilten noch folgende Daten Aufſchluſs. Autor Gerbmateriale 1 0 Aprikoſe Bablah Bombay⸗Catechu Bengal-Catechu Butea⸗Gummi Birkenrinde Birkenrinde, Bet. pubesc. Buchenrinde Betelnuſs (Binroji) i J. Ishikawa Cornelkirſche ; Gaſſincourt Catechu, braunes e Haudtke Dividivi 0 5 Fleck Müller Eichenrinde, beſte 2 Fehling 7 l ) " " junge 5° Davy „ Frühjahrernte . 22° Davy & Geiger Eichenaſtlohe, alte, von ſchwachen Aſten im zweiten Saft . . Fraas " „ „ „ „ een „ 3 en > mittleren 15 anzweiten „ Eichenrinde, 60-80 jährig Eiche, Feld-, 40—60 jährig im erſten Saft Eichenglanzrinde im zweiten Saft, geſchloſſener Beſtand ... Eichenſchnitzlohrinde im erſten Saft, 30jährig, Kernwuchsſtand Eichenglanzrinde, geklopft, im zweiten Saft, 20jährig A „ eriten „ 20 „ Kernmwuchsit. Eichenſpiegelrinde i im erſten Saft, 24jährig, geklopft, Stockloden Eichenſpiegelrinde Eichenſpiegelborke Eichenſpiegelrinde Eichenrinde, 100 jährig " von Eſchweyer Eichen .. BD Gerberei und Gerbſtoffe. 365 En Gerbmatertale ar Autor 0 / ͤé⁰˙ut ccc / ĩ (.. 3˙3 Davy ie aD 36˙0 Gaſſincourt Eſpenrinde vom Herbſte, 12 jährizmzʒꝛwꝑ:ett . 2˙6 Fraas VVV 67 Fehling a vom zweiten Saft, 15 —20 jährig 10˙8 Fraas 1 h 8˙⁰ * 7 0— —A ͤ 9.0 778 Pr m %%% ĩ ccc 10˙7 Fr 5 /// ² ů A. HRU SER 82 1 1 / ˙ ˙ ĩ˙•· 12˙6 Müller 10 geſchloſſener Beſtand, 18 jähr., ſandiger Lehmboden 5˙0 Feſer " 7 * 25 " * * 12˙2 " " „ 7 35 " 7 7 13:0 7 " n * 35 " " " 1 5 0 " " " " 35 ”" " 77 9˙6 " " " 7 35 7 7 77 7˙0 7 m „ m 55 77 " " 88 " 7 7 77 55 * " " 50 2 57 freier 2 55 nm U 75 1 1 0 5 7 unterdr. 99 1735 1 8:0 7 1 br RO, Kalkbaoem..s... 2% 12˙2 5 /// a he werkam ana 70:0 Fehling 15 e , EN rer 240 Roder 5 CCC11111i1iii! T ta e 58˙7 Fleck 15 CC 11:3 Müller 9 e,, lu Se 69:0 Blaj 5 „„ „„ ER ER RR 63˙5 Müller A e , ee OS ern 65°0 Guibourt 17 CCC 60-66 Fehling 7 M e, a RR 43˙6 Handtke /// ̃⅛⁰⅛˙o Üô ‚—UUT— ĩ ͤ v ale aan fe 40°0 Eſenbeck %%% A ĩͤ»c m SET 32˙0 Gaſſincourt CCTV 3˙0 Davy a ER ĩ y ee 2˙3 5 Herbſtpolygonum aus dem Mhnnmmn.iu 20˙0 Fraas - 8 * ; ett 5˙0 5 8 ige ao u a de 40 = %%% ᷣ V ᷣ K 75˙0 Vauquelin J ͤ . ͤ 50˙5 Müller JJC RT, ne 33—35 Fehling / 8:0 Gaſſincourt 5 ,, ee 6˙0 5 1 REED te a ee 40 Fontenelle 5 EN EEE ᷣĩͤ Et 05 Davy 7 VVV 2˙0 Fontenelle %%% “nnn ee 24˙0 Gaſſincourt JJ%J%V᷑wIU E 1:6 Davy pogenannne 31˙2 Müller ee DB c / A000 41˙0 Trommsdorff %//%y%//%CC / ͤ i 3:5 Fontenelle r EN EAT e 51 Fraas 10 7 : 21-4 * " 5 aus dem botaniſchen Garten 17˙0 E + 5 Blätter nom Ferbſtt! 42 " 2 Wurz elan 16°0 1 i 42˙6 Peſchier C a 38˙3 Gmelin e a a A Bea she Bea he et 19:3 Müller 0 ARTICLE ĩ ͤ ß ¶ ᷣͤ ³ - 10˙0 Gaſſincourt 1 e ,, nen e 5.0 5 75 e TE TI LG GER 10˙4 Frank 17 Dahn EE IR ARSER 12 2 RE HE 16˙4 Davy 4 C AT 16˙2 6 366 Gerbmateriale Sumach (Veroneſer) Saſſafraswurzelrinde Sanguisorba officinalis Sommerpolygonum aus dem Moor Solonia Tormentillwurzel trockene vom Herbſt 5 (Tormentilla erecta) . 1 ) vom Ulmenrinde Weidenrinde (Reicejter) innere mittlere Zweig— Japaniſche Gerbſtoffe 1 | (nach J. Ishikawa) 0% 20 I. Kibushi (Galläpfel) o 71:38 ra, ae 64˙85 Minabe in Kü (2 Jahre alt) . 58˙82 re,, A 63˙26 FCC Aa ERRE DR 60'44 BEFORE 3 EN EN 69°30 CCC 6770 II. NYasha=bushi (Früchte von Alnus firma) CCC 27˙53 CCC 25˙32 Schließlich mögen noch die Angaben von Anthon über die zum Gerben von 1 kg Haut er⸗ forderlichen Materialmengen mitgetheilt werden: Eichenrinde, je nach Qualität .. 4-10 kg Eichenblätter vom Mai.... 18 5 Kerr IE DE 1 Buchen ine 0.9.83 8 r ana ke 10 „ Esbeneunde Er F bleneinde =. 2... A, 38 8 3 L eee 10 rr er TTT Are: Haſelnuſsrindde 185 Pnderdde 18 Vogelbeerbaumrindeee .. Br: Kirſchbaumrinde . 8 Lärchenbaumrinde . Bern Maulbeerbaumrinde . 13 „ Nuſsbaumri nde 3 Weiten SPEINN 4; 8—10 „ Galfäpfe! , „ Kloß penn 8 Bu Summe AT Be Büärenttau den 1 Beſenginſter 18 Gerbſtoffe. MEERE — — — —— — ͤ AwA¹N̊—e . Gerbſtoff | Autor 178 Handtke 58˙0 Reinſch 3˙9 Fraas 26˙4 + 32˙4 1 31˙3 Müller 20°0 Fraas 20:5 f 43˙2 f 46˙0 Gaſſincourt 2˙9 Davy 6˙8 16˙8 30 " 1˙4 Biggers 16˙0 Gaſſincourt 5 ˙0 Japaniſche Gerbitoffe of (uach J. Ishikawa) 0% III. Shibuki (Rinde von Myrica rubra) Heibara in Toto mmm 14˙66 Toſ i 2 ee 10˙55 Looch oo 14˙96 IV. Zakuro (Rinde von P'unica gra- natum) KR. ee 20˙36 V. Binroji (Betelnuſf ) 18:03 VI. Kashiwa Kawa (Rinde von Quer- eus dentata) Innere Rinde 7˙40 Aeußere Rinde 2:64 Heidelbeerftraud) u... az 20 kg Preiſelbeerſtrauc h 187 v. Ir. Serbftoffe. Hieher gehört zunächſt die Rinde der Eiche, Fichte, Lärche und Birke (ſ. Rindengewinnung). In Südungarn werden als Gerbmaterialien Knoppern, Galläpfel und Schnack gewonnen und in Handel ge— bracht. Knoppern ſind höckerige Auswüchſe auf der Frucht der Stieleiche, welche durch den Stich und die Ablagerung der Eier von einigen Gallweſpenarten hervorgerufen werden. In einem hiefür günſtigen Jahre kann der Ertrag an Knoppern per Hektar 195 kg erreichen. Die Sammelkoſten betragen gewöhnlich 25—50%, des Erlöſes. — Galläpfel ſind runde und glatte Auswüchſe auf den Zweigen und Blattſtielen mehrerer Eichenarten. Schnack ſind die getrockneten und zu Lohe vermahlenen Blätter und jüngeren Zweige und auch Rinde des Perrückenſtrauches, Rhus cotinus. Die im Handel vorkömmlichen Gerbemittel aus überſeeiſchen Ländern ſind: das Catechu, das Dividivi (Hülſen von Ceesalpina coriaria), Bahla (Schoten einer Mimoſa-Art), die Balonea (Frucht⸗ becher der Quercus Valonea). Fr. FF Gerbſäuren. — Gerichtliche Forſtwiſſenſchaft. Gerbſäuren finden ſich im Pflanzenreiche weit verbreitet, gehören zu den Glykoſiden und charakteriſieren ſich durch ihren adſtringierenden Geſchmack. Sie reagieren ſauer, fällen die meiſten Metallſalze und geben mit Eiſenoxydſalzen ge- färbte Niederſchläge; ſie fällen auch viele orga— niſche Subſtanzen, ſo die Alkaloide, Stärkemehl, Eiweiß, Leim und verbinden ſich mit der thieri- ſchen Haut, dieſelbe in Leder verwandelnd (Ger— berei), ſie reducieren verſchiedene Metalloxyde. Nach ihrem Vorkommen unterſcheidet man Gall— äpfelgerbſäure (Tannin), Catechugerbſäure, Chi- na⸗, Kino⸗, Kaffee-, Hopfengerbſäure u. ſ. w. Bei der Schwierigkeit, die Gerbſäuren rein darzu— ſtellen, iſt ihre Zuſammenſetzung und Conſtitu— tion meiſt noch ſehr ungenügend feſtgeſtellt. v. Gn. Gerecht, ad). I. ſ. v. w. weidmänniſch oder präeiſer mit allen zur Jagd nöthigen Eigenſchaften ausge— rüſtet; vorzugsweiſe vom Jäger, aber auch von Hunden, Beizvögeln und Jagdwaffen; vgl. weid-, fährten⸗, hirſch⸗, hund⸗, holz⸗, forſtgerecht u. ſ. w. „Swer jagt gerehticlichen...“ „Ir (der hunde) gerehticlichez jagen.“ „Gerehtez kobern (der hunde).“ Hadamar von Laber, Diu jagt, str. 81, 150, 216, 536, 51, 323, 466. — „Gerehtigliches baissen.“ „Sein (des falken) gerechtiglichs fliegen.“ „Er (der jäger) hat gerechtiglichen gehenget und gehetzet.“ Der Minne valkner. str. 105, 171, 172. — „Wenn beede, er und ſein Hund, richtig und gerecht ſind. Richtig und gerecht heißet hier: Der Jäger iſt ferm und ſein Hund auch.“ C. v. Heppe, Aufr. Lehrprinz, p. 82. — „Daſs er den Leithund aus dem Grunde ar— beiten und gut machen könne, auch zu allen Verſuchen auf Hirſch, Sau und Wolf ... ge- recht ſeie.“ Ibid., 231. — „Gerecht zeigt ſo viel an, als gut und in einer Sache bewährt ſein, oder dieſelbe wohl verſtehen . ..“ Chr. W. v. Heppe, Wohlred. Jäger, p. 178. — Laube, Jagdbrevier, p. 278. II. ſ. v. w. paſſend, geeignet, angenehm u. ſ. w.; namentlich auch von Fährten, Zeichen und Spuren ſ. v. w. ſicher, deutlich, beſtimmt ausgeprägt, ſicher auf das Wild, ſeine Stärke u. ſ. w ſchließen laſſend. „Gerecht heiſſet alles dasjenige, was dem Hund und Wildpret, item dem Jäger, gut und anſtändig iſt.“ C. v. Heppe, Aufr. Lehrprinz, p. 46. — „Ob die Fährte dem Hunde gerecht oder ungerecht ſeie, heißt ſo viel: ob ſie ihm anſtändig oder angenehm ſeie oder nicht. Iſt ſie ihm nun gerecht, ſo ver— folgt er die angenommene Fährte Ibid., p. 109. — „Dieſes Zeichen iſt ſehr ge— recht, es heißet die Stämpf.“ Döbel, Jäger— praktika, Ed. I, 1746, I., fol. 9. — D. a. d. Winkell, Hb. f. Jäger I., p. 36. — Bechſtein, Hb. d. Jagdwiſſenſchaft, I., 1., p. 278. — Laube, Jagdbrevier, p. 278. — Sanders, Wb. II., p. 674. s Gerege, das, das Geſtell, auf welchem der Lockvogel des Vogelherdes ſitzt und womit er unter Zuhilfenahme einer Leine angeregt, angerührt wird; ſ. d. u. vgl. Rege, Rühr⸗ vogel, Rühr, Rührrohr, Rudel. „Gerege oder Rudel ſind Stangen an dem Vogelherde.“ Chr. hitzig.“ 1 367 W. v. Heppe, Wohlred. Jäger, p. 178. — Bech— ſtein, Hb. d. Jagdwiſſenſchaft II., p. 619. — Sanders, Wb. II., p. 693. E. v. D. Gereichen, verb. trans.; den Beizvogel gereichen laſſen = ihn ausſtreichen laſſen; ſelten und veraltet. „So der Weidmann jhn nach fliegen läſst, heißt es gereicht.“ M. Sebiz, 1579, fol. 715. — Onomat. forest. I., p. 1036. — Behlen, Wmſpr., 1828, p. 67. E. v. D. Gerichtliche Jorſtwiſſenſchaſl iſt, analog der gerichtlichen Mediein, der gerichtlichen Che— mie u. ſ. w., die Lehre von den forſtlichen Gut— achten in gerichtlichen Fällen, oder, mit anderen Worten, die Anwendung der Forſtwiſſenſchaft auf die Rechtspflege, während das Forſtrecht (ſ. d.) als die Anwendung der Rechts wiſſen— ſchaft auf das Forſtweſen erſcheint. Wie die gerichtliche Mediein eine für Medieiner und Juriſten gemeinſchaftliche Diſeiplin bildet, ſo iſt auch die Kenntnis der Grundſätze der gericht— lichen Forſtwiſſenſchaft für den Juriſten und den Forſtmann gleich nothwendig. Es wird ins— beſondere der Richter, wenn ihm die erforder— lichen forſtlichen Kenntniſſe fehlen, in vielen Fällen weder ſeine Fragen an die Sachverſtän— digen genau formulieren, noch ſich über die ab- weichenden Gutachten derſelben ein ſelbſtändiges Urtheil zu bilden vermögen, und der forſtliche Experte ebenſowenig imſtande ſein, ſeine Auf— gabe entſprechend zu löſen, wenn ihm die recht— liche Seite derſelben nicht klar iſt, wenn er den in dem Rechtsverhältniſſe liegenden Schwerpunkt der Frage nicht kennt. Die Thätigkeit der forſtlichen Sachverſtän— digen, welche ſich auf die geſammte Forſtwiſſen— ſchaft, vorzugsweiſe aber auf die Taxationslehre ſtützt, wird in Anſpruch genommen von J. den Civilgerichten und II. den Strafgerichten. I. Die Aufgabe der forſtlichen Experten in Civilrechtsfällen umfaſst: J. die Beurtheilung der Entſchädi— gungsklagen wegen Walddevaſtation, 2. die Wertberechnung eines der ge— richtlichen Außerbeſitzſetzung unter— ſtehen den Waldes oder eines Nutzungs— rechtes an einem ſolchen und 3. die Wertbeſtimmung von Waldun— gen behufs der Beſtellung einer Hypo— thek oder 4. zum Zwecke der Feſtſtellung der ſtaatlichen Gebüren bei Beſitzänderun— gen und im Civilproceſſe. 1. Unter Walddevaſtation verſteht man die Herbeiführung eines Waldzuſtandes, der mit demjenigen Zuſtande, welchen der Wald— beſitzer aus irgend einem Grunde zu erhalten verpflichtet iſt, im Widerſpruche ſteht. Es han— delt ſich hier nur um privatrechtliche Verpflich— tungen des Waldbeſitzers, und die Außeracht— laſſung derſelben bedeutet an und für ſich noch nicht eine Verſchlechterung des Waldes. So kann z. B. ein Waldbeſitzer durch ſchnelle Um— wandlung größerer Flächen älterer Krüppelbe— ſtände in frohwüchſige Culturen den Waldzu— ſtand ſehr heben, allein nichtsdeſtoweniger wird ihn der Nachfolger in der Nutznießung wegen der Gefährdung der Nachhaltigkeit des Ertrages 368 durch Minderung des Materialcapitals, der Weideberechtigte aber wegen unbefugter Erwei— terung der Schonungsfläche mit einem Proceſs bedrohen können. Solche Devaſtationsklagen können gegen den Waldbeſitzer erhoben werden von dem Ober— eigenthümer bei Erblehen- (ſ. d.) und Lehen— waldungen (j. d.), von den Agnaten bei Fidei— commiſswaldungen (j. d.), von einem Hypothek— gläubiger (ſ. Hypothek) und von den Servitut— berechtigten (ſ. Forſtſervituten). Ebenſo ſteht dem Waldeigenthümer gegen den Nutznießer (ſ. Nieß— brauch) oder den Pächter ſeines Waldes, einem Nachfolger in der Nutznießung (3. B. bei Pfarr— und Schulwaldungen) gegen ſeinen Vorgänger die Entſchädigungsklage wegen Walddevaſtation zu. Ein Miteigenthümer eines gemeinſchaftlichen Waldes kann gegen die Übergriffe der anderen Miteigenthümer bei den Civilgerichten Schutz ſuchen, während bei den Gemeindewaldungen derartige Klagen einzelner Gemeindeglieder vor die Staatsaufſichtsbehörden gehören. Der Mit— eigenthümer eines gemeinſchaftlichen Waldes iſt bei einer in demſelben von ihm verübten Forſt— polizeiübertretung den übrigen Miteigenthümern für den hiedurch verurſachten Schaden haftbar (ſ. Forſtſtrafrecht). Die forſtliche Expertiſe hat hier zur Auf— abe: ; a) die Feſtſtellung des objectiven und b) des ſubjectiven Thatbeſtandes der Walddevaſtation, c) die Ermittlung der von dem Wald beſitzer an den Kläger zu leijten- den Entſchädigung und d) die Angabe der Mittel für die Zurückführung des dermaligen Wald— zuſtandes auf den von dem Berechtigten beanſpruchten. Ad a) Die Feſtſtellung des objectiven Thatbeſtandes einer Walddevaſtation beſteht in dem Nachweiſe, ob und inwieweit der gegen— wärtige Waldzuſtand von demjenigen abweicht, welchen der Waldbeſitzer nach den ihm oblie— genden Verpflichtungen zu erhalten hat. Dieſe Feſtſtellung iſt natürlich nach dem beſtehenden Rechtsverhältniſſe ſehr verſchieden, hier jedoch nur im allgemeinen zu beſprechen. In der Hauptſache haben jedoch die Devaſtationsklagen entweder die unzulängliche Befriedigung der Nutzungsanſprüche des Klägers (z. B. eines Servitutberechtigten) zum Gegenſtande, oder ſie machen (wie z. B. bei Erblehen- und Lehenwal— dungen) dem Waldbeſitzer den allgemeinen Vor— wurf der Verſchlechterung des Waldes. Die Feſtſtellung der Rechte des Klägers mit Rückſicht auf die etwaige Beſchränkung der— ſelben durch forſtpolizeiliche Anordnungen bildet die Vorausſetzung der Entſcheidung der Frage, ob das nach den Regeln der Forſteinrichtung feſtzuſtellende jetzige Ertragsvermögen des Wal— des den fraglichen Nutzungsanſprüchen zu ge— nügen vermag. Der Nachweis einer Verſchlechterung des Waldes iſt verhältnismäßig einfach, wenn ein Wirtſchaftsplan für denſelben beſteht, indem man nur den dermaligen Zuſtand des Waldes nach ſeinem Altersclaſſenverhältniſſe, der Art Gerichtliche Forſtwiſſenſchaft. und Weile der Beſtockung, den Wachsthums— verhältniſſen und der Ausdehnung, welche den Nebennutzungen gegeben wurde, feſtzuſtellen und mit dem nach dem Wirtſchaftsplane vorhanden ſein ſollenden Waldzuſtande zu vergleichen braucht, um die Bedeutung des an dem Wald— ſtande angerichteten Schadens beurtheilen zu können. Sollte z. B. bei einem Lehenwalde nach dem Wirtſchaftsplane und den Waldſtandsver⸗ hältniſſen zur Zeit des Antrittes des Vaſallen gegenwärtig ein nahezu normales Altersclaſſen— verhältnis, ſowie eine aus beſſeren Laubholz— arten beſtehende Beſtockung von gutem Schluffe und Wuchſe vorhanden jein, und hätte die Streu- und Weidenutzung nach den vorliegen— den Plänen immer in den Schranken der Un—⸗ ſchädlichkeit gehalten werden müſſen, ſo würde dann eine Walddevaſtation gegeben ſein, wenn vielleicht mehr als die Hälfte der Fläche der Jungholzelaſſe angehören würde, wenn die Be— ſtockung durchaus eine ſehr unvollkommene wäre und infolge des übermäßigen Wildſtandes und der zu großen Weide- und Streunutzung nur aus verkrüppelten Individuen der beſſeren Holz— arten oder ſelbſt aus minder wertvollen Holz— arten beſtände, ja wenn vielleicht ſogar bei der ungeheuren Vermagerung des Bodens die Wiederverjüngung der älteren Beſtände in Frage geſtellt wäre. Käme dazu noch, dass der Vaſall zu verſchiedenen Grenzſtreitigkeiten, jo- wie zur Erweiterung beſtehender oder zur Be— gründung neuer Servituten Veranlaſſung ge— geben hätte, ſo würde der Lehensherr mit ſeiner Klage auf Heimfall des Lehens wohl im Recht ſein, vorausgeſetzt, daſs dieſer Waldzuſtand durch die Schuld des Vaſallen herbeigeführt wurde. Schwieriger geſtaltet ſich dagegen die Begründung einer Devaſtationsklage, wenn Wirtſchaftspläne nicht vorliegen, indem dann der normale Wald- zuſtand erſt aus den Standortsverhältniſſen und der Beſchaffenheit und Betriebsweiſe der um— liegenden Waldungen eruiert werden mufs. Es wird in dieſem Falle die in der Gegend herr— ſchende und den Standortsverhältniſſen entſpre— chende Holz- und Betriebsart umſomehr als Grundlage der Beurtheilung des Waldzuſtandes anzunehmen ſein, als ſich hier ja immer nach— weiſen laſſen wird, daſs ſolche, auch wenn ſie gegenwärtig nicht mehr beſtehen ſollte, früher in dem fraglichen Walde in mehr oder minder großer Ausdehnung ebenfalls beſtanden hat. Ob der Waldbeſitzer zu Anderungen der Holz— und Betriebsart und der Umtriebszeit, ſowie zu Waldrodungen befugt war, iſt nach dem beſtehenden Rechtsverhältniſſe zu beurtheilen. Eine ſolche Befugnis ſteht dem Untereigen— thümer bei Erblehen- und Lehenwaldungen innerhalb gewiſſer Grenzen meiſt zu, dem Fidei— commijsinhaber und Nutznießer aber in der Regel nicht. Für die Beurtheilung der Aus- dehnung, welche den Nebennutzungen zu geben iſt, find, im Anhalte an die beſtehenden forſt— polizeilichen Vorſchriften, die eigenthümlichen Verhältniſſe des Waldes und ſeines Beſitzers, ſowie die gegendübliche Nutzungsweiſe maß- gebend, wobei jedoch der Grundſatz feſtzuhalten iſt, daſs unter allen Verhältniſſen die Neben⸗ nutzungen derart beſchränkt werden müſſen, dass Ad Gerichtliche Forſtwiſſenſchaft. die Erhaltung des Waldes im pfleglichen Zu— ſtande durch dieſelben nicht gefährdet wird. Ad b) Die Größe der Schuld des Wald— beſitzers an dem dermaligen Waldzuſtande bildet den jubjectiven Thatbeſtand der Wald- devaſtation. Eine Schuld des Waldbeſitzers iſt jedoch ausgeſchloſſen, wenn die Walddevaſtation die Folge natürlicher Ereigniſſe (3. B. Sturm, Feuer, Schnee- und Eisbruch, Inſecten u. |. w.) iſt, vorausgeſetzt, daſs die geſetzlichen Vor— ſchriften über die Fernhaltung oder Beſeitigung ſolcher Übelſtände nicht außer Acht gelaſſen wurden. Die Schuld des Waldbeſitzers wird umſo größer ſein und umſo leichter nachgewieſen werden können, je genauer demſelben bei ſeinem Antritte der Wald überwieſen wurde, je ſpecieller die Vorſchriften waren, welche ihm bezüglich der künftigen Waldbewirtſchaftung ertheilt wur— den. War der Waldbeſitzer an die Einhaltung von Wirtſchaftsplänen gebunden, ſo kommt die Abweichung der gegenwärtigen Beſchaffenheit des Waldes von der bei der Forſteinrichtung beabſichtigten ganz auf deſſen Rechnung, wäh— rend in jenen Fällen, in welchen nur im allge— meinen eine pflegliche und nachhaltige Waldbe— handlung verlangt iſt, die Verſchlechterung des Waldes ſchon eine bedeutende und in die Augen fallende ſein muſs, um den Waldbeſitzer einer ſträflichen Devaſtation überführen zu können. Es iſt dem Waldbeſitzer aus den Rechnungen, durch Zeugen u. ſ. w. nachzuweiſen, was er bis— her jährlich und im ganzen aus dem Walde bezogen hat, und was von ihm dagegen auf Culturen, Wegbauten und ſonſtige Forſtver— beſſerungen verwendet wurde. Durch Verglei— chung der ſo gefundenen Beträge mit jenen, welche ſich entweder nach dem vorliegenden Wirtſchaftsplane, oder wenn ein ſolcher nicht beſteht, unter Vorausſetzung eines vollkommenen Waldzuſtandes ergeben, wird man in den Stand geſetzt, die Art und Weiſe der Erfüllung der Verpflichtungen des Waldbeſitzers in jeder Be— ziehung genau zu würdigen. Die Annahme des normalen Waldzuſtandes als Vergleichsmaßſtab beim Fehlen eines Wirtſchaftsplanes gereicht dem Waldbeſitzer dadurch zum Vortheile, dass beim Normalzuſtande der Etat verhältnismäßig am höchſten, die Ausgaben aber am niedrig— ſten ſind. Der Waldbeſitzer iſt für die durch Unge— ſchicklichkeit, Nachläſſigkeit oder Untreue ſeiner Forſtbeamten herbeigeführte Walddevaſtation haftbar, kann dagegen aber gegen die ſchuldigen Beamten auf Entſchädigung klagen (ſ. Culpoſe se eines Vermögensverwal— ters Ad c) Sit feſtgeſtellt, wie groß bei entſpre— chender Beſchaffenheit des Waldes die jährliche Nutzung ſein müſste, und ſteht dann in gleicher Weiſe die Größe der den Berechtigten nach dem dermaligen Waldzuſtande wirklich treffend en Nutzung feſt, jo läſst ſich, wenn zugleich die Dauer des Nutzungsausfalles ermittelt iſt, der Geſammtverluſt des Berechtigten mit Hilfe der Waldwertberechnung (J. Albert, Lehrbuch der Waldwertberechnung. Wien, 1862) finden. Die Ausführung 1 Culturen 369 . ſ. w. mujs mit ihrem wahrſcheinlichen Koſten— 55 in Rechnung kommen. Im Verhältnis der Größe der Schuld des Beklagten an dem herabgekommenen Zuſtande des Waldes hat dann der Kläger für den be— rechneten Geſammtverluſt eine Entſchädigung zu bekommen. Bei Unglücksfällen, welche eine bedeutende Mehrfällung zur Folge haben, muſs der Wald— beſitzer einen verhältnismäßigen Theil des Mehr⸗ einſchlages entweder in Holz oder in Geld dem Mitberechtigten als Entſchädigung für den ihn hiedurch treffenden Verluſt zukommen laſſen. Wäre dies in einem ſolchen Falle verſäumt worden, ſo müſste dem Bezugsberechtigten der ihn treffende Antheil an der früheren Mehr— einnahme mit Zinſen nachträglich vergütet werden. Ob überhaupt von dem Walbdbeſitzer an den Kläger eine Entſchädigung zu leiſten iſt, hängt von dem beſtehenden Rechts verhältniſſe ab. So kann z. B. bei einer Walddevaſtation der Lehensherr nur auf Heimfall des Lehens klagen, während dem Nachfolger in der Nutz— nießung in einem ſolchen Falle gegen ſeinen Vorgänger eine Entſchädigungsklage zuſteht. Ad d) Sit bei einer Walddevaſtationsklage die Schuld des Beklagten feſtgeſtellt und die von demſelben zu leiſtende Entſchädigung be— ſtimmt, ſo erſcheint es meiſt als eine weitere Aufgabe der zu Rathe gezogenen Sachverſtän— digen, die Mittel anzugeben, durch welche der beſtehende Waldzuſtand auf den von dem Be— rechtigten beanſpruchten zurückgeführt und die Wiederholung einer Devaſtation unmöglich ge— macht wird. Dieſe Aufgabe kann natürlich nur dadurch entſprechend gelöst werden, daſs man auf Grund der geſammten Wald- und Berech— tigungsverhältniſſe ſpecielle Wirtſchaftsvorſchrif— ten für die Folge gibt, wozu die Durchführung einer Forſteinrichtung nach der Fachwerksmethode (J. Albert, Lehrbuch der forſtlichen Betriebs— regulierung, Wien 1861) das beſte Mittel bil— det, da der hiebei hergeſtellte generelle Wirt— ſchaftsplan das Bild des künftigen Wald— zuſtandes vorzeichnet, und die periodiſchen Waldſtandsreviſionen in Verbindung mit der Erneuerung des Etats und der ſpeciellen Wirt— ſchaftspläne die genaue Controle des Betriebes ermöglichen. 2. Die gerichtlichen Werttaxen haben zur Aufgabe die Wertberechnung a) eines ganzen Waldes, oder b) einzelner Nutzungsrechte an einem ſolchen. In allen dieſen Fällen handelt es ſich um die zwangsweiſe Außerbeſitzſetzung durch die Gerichte oder andere Staatsbehörden. Ad a) Die gerichtliche Außerbeſitzſetzung erfolgt hier entweder im alleinigen Inter— eſſe der Parteien oder im gleichzeitigen Intereſſe der Parteien und des öffent⸗— lichen Wohles, oder im alleinigen In— tereſſe des öffentlichen Wohles. Nur im Intereſſe der Parteien erfolgt der öffentliche Verkauf eines Waldes durch das Gericht (z. B. auf Anrufen eines Gläubigers) und die gerichtliche Vermögenstheilung (3. B. Dombrowski. Eneyklopädie d. Forſt⸗ u. Jagdwiſſenſch. IV. Bd. 24 370 einer Erbſchaft), bei welcher einem der Suterej= | Gerichtliche Forſtwiſſenſchaft. Bei der Enteignung, welche in den ſenten ein Wald mit der Verpflichtung zuer- meiſten Fällen auch bei voller Entſchädigung kannt wird, die übrigen Betheiligten mit Geld zu entſchädigen. Der Zwangsverkauf eines Waldes erfolgt durch öffentliche Verſteigerung, bei welcher der ermittelte Waldwert als Aufwurfspreis gilt. Die Werttaxe ſoll daher dem wahren Werte des Waldes möglichſt entſprechen, damit das Gericht mit ziemlicher Sicherheit darauf rechnen kann, den Wald auch um den Aufwurfspreis anzubringen, und Verkäufer und Käufer, welch letzterer insbeſondere in dem Verkaufe durch das Gericht einigermaßen eine Garantie für die Richtigkeit der Wertbeſtimmung erblickt, gleichmäßig vor Schaden bewahrt bleiben. Die Wertberechnung iſt natürlich verſchieden, je nach— dem der Wald nachhaltig, bedingt nachhaltig oder willkürlich zu benützen iſt. Bei einer Vermögenstheilung iſt es Auf— gabe des Gerichtes, allen Betheiligten gerecht zu werden, jo dajs ſowohl derjenige, welchem der Wald zufällt, den ihn von dem gemein— ſchaftlichen Eigenthume treffenden Antheil er— hält, als auch die übrigen Intereſſenten durch die gewährte Geldentſchädigung mit ihren recht— lichen Anſprüchen befriedigt werden. Es iſt auch hier, wie im vorigen Falle, die Wertberechnung nach den beſtehenden Verhältniſſen verſchieden, aber dieſelbe muſs ſich in jedem Falle auf die dermalige Beſchaffenheit des Waldes gründen und darf ſich gewagten Conjecturen bezüglich künftiger Erträge um ſo weniger hingeben, je mehr die Umwandlung der bisherigen Betriebs- weiſe das Vorſchießen von Capitalien bedingt, welches der Natur der Sache nach dem künf— tigen Waldbeſitzer von den übrigen Betheiligten nicht zugemuthet werden kaun. Insbeſondere aber muſs man ſich hüten, die möglichen Er— tragserhöhungen inſolge von Urbarmachung des Bodens voll in Rechnung zu bringen, da die künftige höhere Rente hier zum größten Theil aus der höheren Arbeitsrente und den Zinſen des auf die Rodung verwendeten Ca— pitales beſteht, auf welche natürlich derjenige, welcher die Cultivierung bethätigte, nur allein Anſpruch zu machen hat. Als Außerbeſitzſetzung im gleichzei— tigen Intereſſe der Parteien und des öffentlichen Wohles erſcheint die Bildung eines gemeinſchaftlichen Waldeigen— thumes (s. d), die Theilung eines gemein- ſchaftlichen Waldes (f. d.) und die Wald⸗ arrondierung (f. d.). Die Herſtellung der Pläne für die Durchführung dieſer Culturmaß— regeln iſt Sache der forſtlichen Sachverſtändi— gen, deren Aufgabe dadurch erleichtert wird, daſs die zu ermittelnden Werte der conferierten oder zu bildenden Waldtheile nicht abſolut (d. i. den localen Preiſen entſprechend), ſondern nur relativ richtig zu ſein brauchen, indem es hier genügt, wenn der zur Ausgleichung feſtgeſetzte Maßſtab für alle betreffenden Objecte gleich— mäßig zur Anwendung gebracht wird. Durch die Enteignung (ſ. d.) und die Anwendung des Staatsnothrechtes (j. d.) erfolgt eine Außerbeſitzſetzung im alleinigen Intereſſe des öffentlichen Wohles. dem Waldbeſitzer unangenehm iſt, muſs man der Wertberechnung des abzutretenden Waldes nicht nur die dem Waldbeſitzer unter den be— ſtehenden Verhältniſſen möglichſt günſtige Be— nützungsweiſe, die höchſt möglichen Preiſe und die geringſten Ausgaben zu grunde legen, ſon— dern auch die indirecten Nachtheile einer ſolchen Expropriation entſprechend in Anſchlag bringen. Das Staatsnothrecht kommt zur An⸗ wendung, wenn zur Beſeitigung der Gefahr der Weiterverbreitung von Feuer und Inſecten das Niederhauen von Holzbeſtänden polizeilich angeordnet wird. Eine Entſchädigung iſt hier für den Minderwert des zu früh gefällten Holzes zu leiſten. Dieſelbe gebürt dem Wald- beſitzer auch, wenn er zu fraglichem Zwecke die Fällung freiwillig vorgenommen hat (ſ. Forſt⸗ polizei). Mußs infolge geſetzlicher Anordnung der Waldbeſitzer zum Schutze der angrenzenden Waldungen einen Windmantel erhalten, ſo kann derſelbe, wenn dadurch ein Beſtand die finan- cielle Haubarkeit überſchreitet, eine Entſchädi— gung für dieſen Ertragsverluſt verlangen, welche in der Differenz der Jetztwerte des Ertrages beim financiellen und jenes beim conereten Ab- triebsalter beſteht. Hieher gehören ferner die Entſchädigungen für Requiſitionen von Forſt⸗ producten und Waldbeſchädigungen infolge be— hördlicher Anordnung bei Feuer-, Waſſer⸗, Kriegsgefahr u. ſ. w. Ad b) Die Wertberechnung einzelner Nutzungsrechte an einem Walde kommt bei der Ablöſung der Forſtſervituten (ſ. d.) vor und iſt bei der Zwangsablöſung Auf- gabe der von den Ablöſungsbehörden beſtellten Sachverſtändigen. Die Art und Weiſe dieſer Wertbeſtimmung wurde bereits (j. Forſtſer— vitutenablöſungs verfahren) erörtert. Findet bei der Regulierung von Forſt⸗ ſervituten (ſ. d.) eine Reduction der bisheri- gen Nutzung des Berechtigten ſtatt, ſo hat dieſer natürlich keinen Anſpruch auf Entſchädi⸗ gung, wenn die bisherige übermäßige Ausdeh— nung der Servitut die Urſache des herabgekom— menen Waldzuſtandes bildet, da ja nur er es war, der mehr bezogen hat, als ihm nach Recht gebürte. Iſt dagegen die fragliche Reduction die nothwendige Folge der unpfleglichen Wald- behandlung von Seite des Walobefigers, jo kann gegen dieſen von dem Berechtigten die unter 1. erörterte Walddevaſtationsklage er- hoben werden. Die Nothwendigkeit der Reduction einer Servitut wird, wie bei Begründung einer De— vaſtationsklage, dadurch nachgewieſen, daſs man den Waldzuſtand, welcher bei einer der beſte— henden Holz- und Betriebsart ſowie den Stand— orts-, Abſatz- u. ſ. w. Verhältniſſen entſprechen⸗ den Bewirtſchaftung vorhanden ſein müßste, feſtſtellt und mit dem vorhandenen, ſich wie der normale durch Altersclaſſenverhältnis, Schluss und Wuchs der Beſtände, Bodenbeſchaffenheit u. ſ. w. charakteriſierenden Zuſtande des Waldes vergleicht, wodurch ſich ergibt, inwieweit die bisherige Behandlung des Waldes den Anfor- derungen einer rationellen Wirtſchaft entſpricht Gerichtliche Forſtwiſſenſchaft. und wohin dieſelbe im Falle ihrer Fortſetzung führen wird. Iſt dann die abnorme Waldbe— ſchaffenheit weder Folge natürlicher Ereigniſſe, noch einer unpfleglichen Behandlung von Seite des Waldbeſitzers, jo trägt an ſolcher lediglich die übermäßige Ausdehnung der Servitut die Schuld. Der Beweis für die Übergriffe des Berechtigten läſst ſich auch direct dadurch füh— ren, daſs man die Ausdehnung und die Art und Weiſe der bisherigen Nutzung mit jener vergleicht, welche mit Rückſicht auf die Erhal— tung des normalen Waldzuſtandes zuläſſig ge— weſen wäre. Hätte man z. B. gefunden, dajs bei einer Streuberechtigung die bisherige jähr— liche Nutzungsfläche das Doppelte der bei ge— höriger Schonung der Beſtände möglichen be— trug, und dass, ſtatt nur die oberen, unver— westen Laubſchichten mit hölzernen Rechen weg— zunehmen, immer allen Grundſätzen des Forſt— ſchutzes zum Hohne die geſammte- Laub- und Humusſchichte mittelſt eiſerner Rechen oder gar der Hacke entfernt wurde, ſo wäre es zweifel— los, daſs eine ſolche Ausübung der Servitut mit der Erhaltung des Waldes in pfleglichem Zuſtande unverträglich iſt. Die Geldentſchädigung für die Minderung der Nutzung eines Berechtigten durch eine durch die Standortsverhältniſſe gebotene Umwand— lung der Holz- und Betriebsart oder Umtriebs— zeit beſteht in der Differenz der Capitalwerte der Nutzung bei dem gegenwärtigen Waldzu— ſtande und bei jenem nach vollzogener Betriebs— umwandlung. Für die Beſchränkung der Forſtſervituten auf den Grad der Unſchädlichkeit bietet übri— gens das unter Forſtpolizei und bei den ein— zelnen Servituten Erörterte den nöthigen Anhalt. 3. Der Wald beſteht aus zwei Theilen, dem Holzbeſtande und dem Grund und Boden, von welchen der erſtere von dem Waldbeſitzer willkürlich weggenommen und veräußert werden kann, der letztere dagegen wohl an ſeiner Pro— ductionsfähigkeit, nicht aber an ſeiner Quan— tität eine weſentliche Verringerung zu erleiden vermag. Es erſcheint deshalb auf den erſten Blick räthlich, die zur Beſtellung einer Hypothek nöthige Wertberechnung eines Wal— des nur auf den Wert des Grund und Bodens zu gründen, allein bei näherer Betrachtung ergibt ſich jedoch, daßs dieſes Verfahren in vielen Fällen zur Anwendung nicht geeignet iſt. Es wird bei Waldungen, die klein ſind und deren Boden ſich zur Agricultur eignet, die Veräußerung des Grund und Bodens nach dem Schätzungswerte in der Regel keine Schwierig— keiten bieten; anders iſt dies aber dann, wenn die Waldfläche groß iſt, und der Boden durch den rückſichtsloſen Abtrieb der Beſtände mög— licherweiſe jo verſchlechtert werden kann, dafs der Hypothekgläubiger vielleicht dann, wenn er in das Eigenthum des ihm verpfändeten Wal— des tritt, ſtatt ſein Capital zu erhalten, ein neues zur Wiederaufforſtung des devaſtierten Waldes aufwenden mujs. In letzterem Falle wird deshalb ein Capitaliſt ſich nur dann zu einem Darlehen entſchließen, wenn ihm die Per⸗ ſönlichkeit des Waldbeſitzers, oder die von dem | | 371 Civilgerichte oder der Forſtpolizeibehörde ge— übte Aufſicht hinlängliche Bürgſchaft für das Nichteintreten der erwähnten Nachtheile bietet. Der Waldwert muſßs hier jo bemeſſen werden, daſs bei einer etwaigen Zwangsver— äußerung mit Wahrſcheinlichkeit auf einen gleich hohen Erlös gerechnet werden kann. Es iſt deshalb der Wertberechnung des Waldes ein ſtrenger Nachhaltbetrieb zu grunde zu legen, wobei jedoch etwa vorhandene Materialüber— ſchüſſe zweckmäßig außer Rechnung gelaſſen, d. h. dem Waldbeſitzer zur freien Verfügung ge— ſtellt werden. Der Umtrieb muſs hiebei mög— lichſt niedrig angenommen werden, weil der niedrigere Umtrieb ein geringeres Material— capital zum Nachhaltbetriebe verlangt. Dieſe nur im Intereſſe des Gläubigers gemachte Unterſtellung eines niedrigeren Umtriebes bei der Wertberechnung kann ſelbſtverſtändlich den Waldbeſitzer nicht hindern, durch Annahme eines höheren Umtriebes eine Erhöhung der Mate— rialvorräthe herbeizuführen. 4. Die Wertbeſtimmung eines Waldes be— hufs der Feſtſtellung der ſtaatlichen Ge— büren bei Beſitzänd erungen (Erbſchafts— taxe, Erbſchaftsſtempel, Umſchreibgebüren u. ſ. w.) und im Civilproeeſſe, in welchem ſich die Gerichtskoſten und Anwaltsgebüren nach dem Werte des Streitobjectes richten, erfordert na— türlich ein möglichſt einfaches Verfahren, damit die Koſten desſelben die betreffenden Gebüren nicht überſteigen. Beſteht für den fraglichen Wald ein Wirt— ſchaftsplan, ſo wird der nach demſelben ſich er— gebende jährliche Geldreinertrag der Capitali— ſierung zu grunde gelegt, außerdem aber be— ſtimmt man zu dieſem Behufe am zweckmäßig— ſten den Etat nach dem Durchſchnittszuwachſe. Die Wertberechnung des Waldes beim Nach- haltbetriebe iſt ſchon wegen ihrer Einfachheit, mehr aber noch deswegen vorzuziehen, weil der Capitalwert ſich hier am niedrigſten ſtellt, und man, wenn auch der Wald einer beſſeren Be— nützung fähig ſein ſollte, die Pflichtigen doch nicht wegen dieſer Möglichkeit allein höher be— ſteuern kann, da es ja immer in der Willkür derſelben liegt, ſich dieſer oft ſehr zweifelhaften Vortheile theilhaftig zu machen, oder nicht. Nur dann, wenn es ſich um einzelne Beſtände han— delt, welche einer nachhaltigen Benutzung nicht fähig ſind, kann ſich die Wertberechnung auf die financielle Haubarkeit derſelben gründen. II. Die Thätigkeit forſtlicher Sachverſtän— digen wird von den Strafgerichten in An- ſpruch genommen bei Aburtheilung 1. von Forſtpolizeiübertretungen und 2. von Forſtfreveln (j. Forſtſtraf— recht). Die Beſtrafung forſtpolizeiwidriger Handlungen, welche nur in Störung der Ordnung oder Gefährdung der Rechtsſicherheit beſtehen, gibt zu einer forſtlichen Expertiſe keine Veranlaſſung. 1. Forſtpolizeiübertretungen ſind Verletzungen der im öffentlichen Intereſſe den Waldbeſitzern bezüglich der Bewirtſchaftung ihrer Waldungen auferlegten Pflichten (f. Forſtpolizei). Bei denſelben handelt es ſich 24 * 15 372 Gerichtliche Jagdwiſſenſchaft. — Gerichtsbarkeit. nie um einen Wert- oder Schadenerſatz an den Staat, ſondern nur um eine Strafe. Die Auf— gabe der Sachverſtändigen beſchränkt ſich daher auf die Feſtſtellung des Thatbeſtandes der Über— tretung und auf die Ermittlung des Wertes des vorſchriftswidrig behandelten Holzes, wenn ſich nach demſelben die Höhe der Geldſtrafe be— miſst. Es gehören hieher die Zuwiderhandlungen gegen die Verbote der Waldrodung, des kahlen Abtriebes, des Entſtehenlaſſens von Blößen, der Waldabſchwendung und der walddevaſtierlichen Ausdehnung der Forſtnebennutzungen. Die Feſtſtellung des Thatbeſtandes einer Waldrodung und eines kahlen Abtriebes bietet ſelbſtverſtändlich keine Schwierigkeiten. Bei den Übertretungen des Verbotes des Entſtehenlaſſens von Blößen und des Gebotes der Wiederaufforſtung derſelben bildet öfter die Einrede des Waldbeſitzers, daſs ſeine Bemühungen zur Wiederaufforſtung durch unabwendbare natürliche Ereigniſſe (Witterung, Inſecten u. ſ. w.) vereitelt worden ſeien, den Gegenſtand der Expertiſe. Die Fälle der Waldabſchwendung und devaſtierlichen Ausdehnung der Forſt— nebennutzungen ſind natürlich ſehr verſchie— den und, im Anhalte an die geſetzlichen Vor— ſchriften und die Waldſtandsverhältniſſe, nach den Grundſätzen der forſtlichen Productions— lehre zu beurtheilen. Der Wert des verbotswidrig abgetriebenen Holzes kann bei Waldrodung und kahlem Ab— trieb, wenn er nicht direct durch den Erlös beim Verkaufe desſelben nachzuweiſen iſt, nur nach jenem gleicher, noch ſtehender Beſtände beur— theilt werden. Die Wertermittlung des noch ſtehenden Holzes in Fällen der Waldabſchwen— dung erfolgt nach den Regeln der Taxations— lehre in einem einfachen Verfahren zur mög— lichſten Erſparung von Koſten. 2. Forſtfrevel ſind unberechtigte Ein— griffe Dritter in das Waldeigenthum durch Ent— wendung von Forſtproducten (Forſtdiebſtahl) und durch Waldbeſchädigung. In beiden Fällen gebürt dem Waldbeſitzer eine Entſchädi— gung nicht bloß für den gegenwärtigen Schaden (damnum emergens), ſondern auch für einen künftig entgehenden Gewinn (luexum cessans). Die Feſtſtellung diefer Entſchädigung erfolgt auf Grund der forſtlichen Taxationslehre. Bei den Forſtfreveln durch Entwendung iſt für den Wert der entwendeten Forſtproducte und in vielen Fällen auch noch für den ver— urſachten Schaden Erſatz zu leiſten. Der Wert des Entwendeten, nach welchem ſich vielfach auch die Strafe bemiſst, wird in der Regel auf Grund von den Localpreiſen ent— ſprechenden Werttarifen und nur ausnahms— weiſe ſpeciell ermittelt (ſ. Forſtſtrafproceſs). Erkennen die Forſtſtrafgerichte über den Schadenerſatz, ſo bildet derſelbe einen aliquoten Theil des Wertes des Frevelobjectes, während bei einer vor dem Civilgerichte angebrachten Entſchädigungsklage immer der durch den Frevel verurſachte künftige Ertragsausfall auf ſeinen Jetztwert zu beſtimmen ſein wird. Ebenſo wird bei den Freveln durch Be— ſchädigung einzelner Bäume oder eines Be— ſtandes zu verfahren ſein, wenn ſich die Ent— ſchädigung nicht auf den Wert der beſchädigten Objecte gründet. Bei Beſchädigung von Wald— anlagen und Bauten, z. B. Grenz- und Hege— zeichen, Holzbringungsanſtalten, Entwäſſerungs— gräben u. ſ. w. müſſen nicht nur die Koſten der Herſtellung des früheren Zuſtandes erſetzt wer— den, es iſt dem Waldbeſitzer auch für die wei— teren Nachtheile, wie z. B. für ſolche aus einer verzögerten Holzbringung, Entſchädigung zu leiſten. Wir verweiſen übrigens auf J. Albert, Lehrbuch der gerichtlichen Forſtwiſſenſchaft. Wien 1864. At. Gerichtliche Jagdwiſſenſchaft wäre nach Analogie der gerichtlichen Forſtwiſſen— ſchaft (ſ. d.) die Lehre von dem Gutachten der Jagdverſtändigen in gerichtlichen Fällen. At. Gerichtsbarkeit oder Rechtspflege (Deutſchland) iſt die Sicherung des durch die Geſetzgebung (j. d.) geſchaffenen Rechtszu⸗ ſtandes und die Wiederherſtellung desſelben bei Rechtsſtörungen. Dieſelbe ſteht, als ein Ausfluss der Staatsgewalt, dem Träger derſelben, dem Landesherrn, zu und iſt überall geſetzlich ge—⸗ regelt. Sie erſtreckt ſich auf das ganze Rechts- gebiet, alſo auch auf Rechtsverletzungen in Sachen der Polizei und der Verwaltung, iſt aber hier nur bezüglich der eigentlichen Juſtiz zu beſprechen. Die Gerichtsbarkeit verhütet entweder, als fürſorglich regelnde, Rechtsſtörungen, oder be— ſeitigt, als wiederherſtellende, dieſelben. Es gründet ſich hierauf die Unterſcheidung in frei— willige, Civil- und Strafge richts bar— keit. Die freiwillige Gerichtsbarkeit (juris, dietio voluntaria) beſteht in der Mitwirkung des Gerichtes bei der von den Parteien beab— ſichtigten Entſtehung, Veränderung oder Auf— hebung von Rechtsverhältniſſen. Es gehören hieher die gerichtliche Aufnahme von Verträgen und die Beglaubigung von Privatſchriften (No- tariat), das Hypotheken- und Vormundſchafts⸗ weſen, ſowie die Regelung von Verlaſſen— ſchaften. f Die Civil- oder ſtreitige Gerichtsbar— keit (jurisdietio contentiosa) hat die Stö— rungen des Privatrechtes durch formellen Streit zum Gegenſtande, und die Wiederher— ſtellung des formellen Rechtes erfolgt hier auf Antrag der Parteien durch Entſcheidung des Streites. Die Straf- oder Criminalgerichts⸗ barkeit (jurisdictio eriminalis) bezieht ſich auf Rechtsſtörungen, die durch eine unmittel- bar auf Verletzung ſelbſt gerichtete und daher für die ganze Rechtsordnung gemeingefährliche Geſinnung und Abſicht entſtanden ſind, und bei welchen daher die Wiederherſtellung der Rechts ordnung nach allen Seiten und Theilen der Störung oder Verletzung geboten iſt. Die freiwillige Gerichtsbarkeit ſteht den einzelnen deutſchen Bundesſtaaten unbe— ſchränkt zu, während die Civil- und Straf⸗ gerichtsbarkeit derſelben durch den Art. 4 Gerichtsferien. 373 der Reichsverfaſſung begrenzt iſt, welcher der Bundesgeſetzgebung die Regelung des gericht— lichen Verfahrens zuweist. Es wurden dem— gemäß als Reichsgeſetze erlaſſen die Civilpro— ceſsordnung vom 30. Januar 1877, die Con— cursordnung vom 10. Februar 1877 und die Strafproceſsordnung vom 1. Februar 1877. Das Geſetz über die Gerichtsverfaſſung (f. d.) vom 27. Januar 1877 gibt die Normen für die Organiſation der ordentlichen Gerichte, deren oberſtes, das Reichsgericht, die Einheit der Rechtſprechung und der Vollſtreckung der Ur— theile in Sachen des Reichsrechtes zu erhalten hat. Die Militärgerichtsbarkeit, welcher die Militärperſonen nicht nur bezüglich der mili— täriſchen Delicte, ſondern auch in Sachen des gemeinen Strafrechtes, ſofern es ſich nicht aus— ſchließlich um eine Geldſtrafe handelt, unter— ſtehen, bedarf noch der einheitlichen Regelung. Die Reichsgerichtsbarkeit erſtreckt ſich deshalb nur ſoweit, wie die Zuſtändigkeit des Reichs— gerichtes. Den Einzelſtaaten ſteht innerhalb ihres Gebietes die Bildung der Gerichtsbezirke, die Beſetzung der Gerichte und die Aufſicht über dieſelben zu. Der Landesherr, in deſſen Namen die Rechtſprechung erfolgt, übt das Begnadi— gungsrecht aus, mit Ausnahme jener Sachen, in denen das Reichsgericht als erſte Inſtanz erkannt hat, und in welchen daher dem Kaiſer das Begnadigungsrecht zuſteht. Die Beſetzung der Richterſtellen am Reichs— gerichte erfolgt auf Vorſchlag des Bundesrathes durch den Kaiſer, wobei jedoch auf Vertretung der Einzelſtaaten nach Verhältnis ihrer Bevöl— kerungszahl möglichſt Rückſicht genommen wird. Die Aufſicht über das Reichsgericht führt zu— nächſt das dem Reichskanzleramt unterſtellte Reichsjuſtizamt. Wenn in einem Bundesſtaate der Fall einer Juſtizverweigerung eintritt, und auf geſetzlichen Wegen ausreichende Hilfe nicht erlangt werden kann, ſo liegt nach Art. 77 der Reichsverfaſſung dem Bundesrathe ob, erwieſene, nach der Ver— faſſung und den beſtehenden Geſetzen des be— treffenden Bundesſtaates zu beurtheilende Be— ſchwerden über verweigerte oder gehemmte Rechtspflege anzunehmen und darauf die gericht— liche Hilfe bei der Bundesregierung, die zu der Beſchwerde Anlaſs gegeben hat, zu bewirken. Streitigkeiten zwiſchen verſchiedenen Bun— desſtaaten, ſofern dieſelben nicht privatrechtlicher Natur und daher von den competenten Gerichts— behörden zu entſcheiden ſind, werden auf An— rufen des einen Theils von dem Bundesrathe erledigt. Verſchiedene Bundesſtaaten, z. B. die thü— ringiſchen Staaten und die Hanſaſtädte, haben Gerichtsconventionen abgeſchloſſen, nach welchen ſie ihre Gerichtsbarkeit durch gemeinſchaftlich errichtete und beſetzte Gerichte ausüben laſſen. Im Reichslande Elſaſs-Lothringen, wo das Reich die Landesgeſetzgebung hat, ſteht demſelben auch die Gerichtsbarkeit zu. Ausſchließlich Sache des Reiches iſt die Conſulargerichtsbarkeit, die Marine— ſtrafgerichtsbarkeit und die Gerichts bar— keit in den Colonien (Reichsgeſetz vom 17. Mai 1886 über die Rechtsverhältniſſe der deutſchen Schutzgebiete). Die Gerichtsbarkeit darf in Deutſchland nur durch geprüfte, auf Lebenszeit angeſtellte unabhängige Richter ausgeübt werden, und iſt jede Beeinfluſſung derſelben durch den Landes— herrn (Cabinetsjuſtiz) ausgeſchloſſen. Niemand darf ſeinem ordentlichen Richter entzogen wer— den. Ausnahmsgerichte (mit Ausnahme der Kriegs- und Standgerichte) ſind unſtatthaft. Die Patrimonial- (ſ. d.) und geiſtliche Gerichts— barkeit iſt aufgehoben. Die Verwaltung iſt von der Juſtiz vollſtändig getrennt, die Entſchei— dung der Competenzconflicte zwiſchen Gerichten und Verwaltungsbehörden oder Verwaltungs— gerichten durch unabhängige Gerichtshöfe geſetz— lich vorgeſchrieben. Urtheile und Beſchlüſſe eines Gerichtes haben für das ganze Reich Wirkſam— keit. Die Gerichte haben ſich durch das ganze Reich in jeder Beziehung Rechtshilfe zu leiſten. Die Sicherheitsbeamten eines Bundesſtaates ſind ermächtigt, die Verfolgung eines Flüchtigen auf das Gebiet eines anderen Bundesſtaates fortzuſetzen und den Flüchtigen zu ergreifen, welcher jedoch unverzüglich an das nächſte Ge— richt oder die nächſte Polizeibehörde des Bun— desſtaates, in welchem er ergriffen wurde, ab— zuführen iſt. Das Gerichts verfahren beruht auf Offentlichkeit und Mündlichkeit. Die inländiſche Gerichtsbarkeit erſtreckt ſich nicht auf die (Exterritorialität genießenden) frem— den Geſandtſchaften bei dem Deutſchen Reiche oder einem Bundesſtaate. Ebenſo ſind die be— glaubigten Miſſionen eines deutſchen Bundes— ſtaates bei einem anderen der Gerichtsbarkeit des letzteren nicht unterworfen. Dies gilt auch für die Bundesrathsmitglieder. Die Vorſchriften über den ausſchließlichen dinglichen Gerichts— ſtand (ſ. d.) in bürgerlichen Rechtsſtreitigkeiten werden jedoch hiedurch nicht berührt. At. Gerichtsſerien (Deutſchland), die jähr- liche Ruhezeit der Gerichte, beſtanden ſchon als Ernteferien (dies feriati qui gratia vindemia- rum vel messium ob necessitates hominum indulgentur) in Rom und wurden durch das kanoniſche Recht auch in Deutſchland einge— führt. Das deutſche Gerichtsverfaſſungsgeſetz vom 27. Januar 1877 beſtimmt ſolche Ferien vom 15. Juli bis 15. September für die Land- und Oberlandesgerichte und für das Reichsgericht, nicht aber für die Amtsgerichte. Während der Ferien werden nur in Ferienſachen Termine abgehalten und Entſcheidungen erlaſſen. Ferien— ſachen ſind Strafſachen, Arreſtſachen, Meſs- und Marktſachen, Streitigkeiten zwiſchen Vermietern und Mietern von Wohnungs- und anderen Räumen, Wechſelſachen und Bauſachen, wenn über Fortſetzung eines angefangenen Baues ge— ſtritten wird. Es können übrigens vom Gerichte auf Antrag auch andere Sachen, ſoweit ſie be— ſonderer Beſchleunigung bedürfen, als Ferien— ſachen bezeichnet werden. Zur Erledigung der Ferienſachen können bei den Landgerichten Ferienkammern, bei den Oberlandesgerichten und dem Reichsgerichte Ferienſenate gebildet werden. 374 Im Civilproceſſe wird der Ablauf einer Friſt bei Nichtferienſachen durch die Gerichts— ferien gehemmt. Dies gilt jedoch nicht für Noth— friſten (ſ. Rechtsmittel). Als Ferialtage gelten auch die Sonn- und allgemeinen Feiertage, an welchen nur mit rich— terlicher Erlaubnis Ladungen zugeſtellt und nur in Nothfällen Termine abgehalten werden dürfen. At. Gerichtsgebrauch, ſ. Gewohnheitsr 91991 At Gerichtskoſten (Deutſchland) beſtehen theils in den vom Gerichte beſtrittenen Aus— lagen (z. B. Schreib-, Zeugen- und Sachver— ſtändigengebüren, Porti, Haftkoſten u. ſ. w.), theils in den Beiträgen der Parteien zu den Koſten der Juſtizverwaltung, den Gerichts— gebüren. Die Gerichtskoſten ſind ſo zu be— meſſen, daſs ſie die Parteien wohl von frivolen Proceſſen, nicht aber überhaupt abhalten, bei Streitobjeeten von geringerem Werte Recht zu ſuchen. Gerichtsgebüren (sportulae), welche ſchon in der ſpäteren römiſchen Kaiſerzeit an das niedere Gerichtsperſonale bezahlt wurden, kamen mit der Einführung des römiſchen Rechtes auch in Deutſchland in Gebrauch und zwar anfäng— lich als Beſoldungsbeiträge der Gerichtsbeamten, ſpäter als ein Theil des Staatseinkommens. Die Gerichtsgebüren werden theils als Stempelgebüren für das bei den Verhandlun— gen verwendete Papier, theils direct erhoben, u. zw. entweder nach einem für die einzelnen Proceſshandlungen feſtgeſtellten Tarife, oder nach einem Pauſchalſatze für die einzelnen Ab— ſchnitte des Proceſſes oder für den ganzen Proceſs, in beiden Fällen auf Grund des Wertes des Streitobjectes, bezw. der Höhe der Strafe. In dem Urtheile des Gerichtes iſt im— mer zu beſtimmen, von wem die Gerichtskoſten zu tragen ſind. In Deutſchland ſind die fraglichen Ver— hältniſſe durch die Civil- und Strafproceſs— ordnung, die Concursordnung ſowie durch das Gerichtskoſtengeſetz vom 18. Juni 1878 und die Novelle vom 29. Juni 1881 bezüglich der durch die Reichsjuſtizgeſetze den ordentlichen Gerichten (ſ. Gerichtsverfaſſung) zugewieſenen Sachen einheitlich geregelt, während für Sachen der Landesjuſtizgeſetzgebung auch dieſer die Feſt— ſtellung der Gebüren (in Bayern z. B. durch das Geſetz über das Gebürenweſen v. 18. Auguſt 1879) obliegt. Die Gerichtskoſten (Barauslagen und Ge— richtsgebüren) trägt im Civilproceſſe die unter— liegende Partei, in einem Concurſe die Con⸗ cursmaſſe und im Strafproceſſe der Verur— theilte. Im Civilproceſſe kommt die jog. volle Gebür, welche ſich (unter Bildung von Wert— claſſen) nach dem Werthe des Streitobjectes (3. B. für 10 Mark = 1 M., für 10.000 M. —= 90 M.) bemiſst, je in Aufrechnung 1. für die contradictoriſche mündliche Verhandlung (Ver— handlungsgebür), 2. für die Anordnung einer Beweisaufnahme (Beweisgebür) und 3. für eine andere Entſcheidung (Entſcheidungsgebür). In einzelnen Fällen findet eine Minderung der Gerichtsgebrauch. — Gerichtskoſten. vollen Gebür auf 2—6 Zehntel ſtatt. Für jede Inſtanz wird Vorſchuſs der Gerichtsgebüren ſowie der Barauslagen für jede beantragte Handlung vom Antragſteller verlangt. Im Concursverfahren wird die volle Gebür unter Zugrundlegung der Wertclaſſen und Gebürenſätze im Civilproceſſe nach der Größe der Activ-, bezw. der Schuldenmaſſe be— meſſen, wenn dieſe kleiner als erſtere iſt. Er— mäßigungen der vollen Gebür finden in ein- zelnen Fällen auch hier ſtatt. Vorſchuſs der Gerichtskoſten durch den Antragſteller kann vor Eröffnung des Concurſes verlangt werden. Übrigens iſt das Gericht befugt, den Antrag auf Eröffnung des Concurſes zurückzuweiſen oder das Concursverfahren einzuſtellen, wenn die Activmaſſe die Koſten nicht deckt. Im Strafproceſſe bemiſst ſich der Ge— ſammtbetrag der Gerichtsgebüren nach der Höhe der rechtskräftig erkannten Strafe (3. B. für eine Freiheitsſtrafe von 10 Tagen 5 Mark, von 10 Jahren 300 Mark). Ermäßigung des Ge— ſammtbetrages iſt in einzelnen Fällen zuläſſig. Der Privatkläger (ſ. Privatklage) hat in jeder Inſtanz, der Nebenkläger (ſ. Nebenklage) nur bei Einlegung von Rechtsmitteln Koſtenvor— ſchuſs zu leiſten. At. Gerichtsſchreiber (Deutſchland), actua- rius, iſt der Gerichtsbeamte für die Beurkuu⸗ dung der gerichtlichen Vorgänge und die Be— wahrung der Gerichtsacten. Wohl infolge der Beſtimmungen des kano— niſchen Rechtes wurden ſeit dem XIII. Jahr- hundert in Deutſchland den Strafgerichten (mit Ausnahme der Patrimonialgerichte) Gerichts- ſchreiber (persona publica oder duo viri idonei, qui fideliter universa judicii acta eonscribant) zugetheilt und als ſolche, weil allein ſchreib⸗ und rechtskundig, Geiſtliche (daher das franz. clere und das engl. elerk) beſtellt. Später 5 an die Stelle der Geiſtlichen rechtskun— dige Laien, und erſt mit dem Aufhören der Offentlichkeit und Mündlichkeit im Strafver— fahren wurde von der Anſtellung rechtskundiger Gerichtsſchreiber Umgang genommen, da dem Gerichtsſchreiber Rechtskenntniſſe entbehrlich ſind, wenn ihm der Richter das Protokoll die— tiert. Im Civilproceſſe, der jeit der Einführung des römiſchen Rechtes geheim und ſchriftlich war, bedurfte man ohnehin keines rechtskun⸗ digen Gerichtsſchreibers. Erſt mit der Wieder- einführung der Offentlichkeit und Mündlichkeit im Civil- und Strafproceſſe, zu welcher die franzöſiſche Geſetzgebung zu Anfang unſeres Jahrhunderts die Anregung gab, wurde wieder die Anſtellung rechtskundiger Gerichtsſchreiber nöthig. Es werden deshalb gegenwärtig zur Protokollführung in den öffentlichen Sitzungen der Collegialgerichte nur rechtskundige, bei den Amtsgerichten aber auch ſolche Gerichtsſchreiber verwendet, welche durch längere Praxis und beſtandene Prüfung ihre Befähigung nachge- wieſen haben. Der franzöſiſche Gerichtsſchreiber (greffier) iſt nicht rechtskundig. Die Parteien, bezw. der Angeklagte können den Gerichts- ſchreiber ebenſo ablehnen wie einen Richter. Es liegen dem Gerichtsſchreiber neben der Beurkundung der gerichtlichen Vorgänge noch A 1 * 5 N m 8 * Gerichtsſtand. 375 das Kanzlei-, Gebüren- und Rechnungsweſen ſowie die Betheiligung bei dem Proceſsbetriebe und der Urtheilsvollſtreckung (3. B. die Ausfer— tigung der Vollſtreckungsclauſel) ob. Dieſe Ge— ſchäfte erfordern keine Rechtskenntniſſe und man überträgt dieſelben deshalb auch bei höheren Gerichten meiſt nicht rechtskundigen Gerichts— ſchreibern. Nach dem Gerichtsverfaſſungsgeſetze vom 27. Januar 1877 wird die Geſchäftseinrichtung der Gerichtsſchreiberei bei dem Reichsgerichte durch den Reichskanzler, bei den Landesge— richten burch die Landesjuſtizverwaltung be— ſtimmt. At. Gerichtsſtand (Deutſchland), forum, iſt das in einer Rechtsſache zuſtändige Gericht. Derſelbe wird auch als örtliche Zuſtändigkeit (Competenz) des Gerichtes bezeichnet, indem von den beſtehenden ſachlich gleich zuſtändigen Gerichten durch das Geſetz jenes beſtimmt wird, welches zu der Perſon des Beklagten oder zu der Sache in einer räumlichen Beziehung ſteht, für welche die Gerichtsbezirkseintheilung die Grundlage bildet. Wenn daher in einem Lande nur ein Gericht von einer beſtimmten ſachlichen Competenz (z. B. ein Landgericht) vorhanden iſt, ſo iſt dasſelbe auch für das ganze Land örtlich zuſtändig. Der Gerichtsſtand verpflichtet das Gericht zur Verhandlung der Sache, die Parteien zur Vernehmlaſſung vor dem Ge— richte. Der Gerichtsſtand iſt nach dem Geſagten ein perſönlicher oder ein ſachlicher und in beiden Fällen wieder ein allgemeiner und ein beſonderer, je nachdem er für alle Per— ſonen, bezw. Sachen oder nur für beſtimmte Claſſen derſelben gilt. Man ſpricht auch unrichtigerweiſe von or— dentlichen und außerordentlichen (fora privilegiata personarum et causarum) Ge— richtsſtänden, je nachdem es ſich um die Zuſtändigkeit der ordentlichen oder außerordent— lichen Gerichte (ſ. Gerichts verfaſſung) han— delt, während dieſe Zuſtändigkeit doch nur eine ſachliche und keine örtliche iſt. Wie die ſachliche Zuſtändigkeit der ordent— lichen Gerichte durch das Gerichtsverfaſſungs— geſetz vom 27. Januar 1877, ſo iſt auch die örtliche Zuſtändigkeit derſelben für Deutſchland in folgender Weiſe einheitlich geregelt durch die Civilproceſsordnung vom 30. Januar 1877, die Coneursordnung vom 10. Februar 1877 und die Strafproceſsordnung vom 1. Februar 1877. Im Civilproceſſe iſt der Gerichtsſtand entweder ein durch das Geſetz beſtimmter (forum legale), oder ein durch die Parteien vereinbarter, ſog. gewillkürter (forum proro- gatum), welcher jedoch bloß bei vermögens— rechtlichen Klagen und nur dann zuläſſig iſt, wenn kein ausſchließlicher Gerichtsſtand be— gründet iſt. Der Wohnſitz einer Perſon beſtimmt den Gerichtsſtand (forum domicilii), indem bei dem Gerichte, in deſſen Bezirk der Wohnſitz gelegen iſt, alle Klagen gegen dieſe Perſon geſtellt werden können, weshalb dieſer Gerichtsſtand auch als allgemeiner oder forum generale be- frei gewählter (domieilium voluntarium), oder ein durch die Staatsgewalt zugewieſener (do- micilium necessarium), wie z. B. bei Gefan— genen, Militärperſonen, Staatsdienern, Han— delsgeſellſchaften u. ſ. w. Vagabunden haben keinen Wohnſitz und Exterritoriale, z. B. fremde Geſandten, einen ſolchen nicht in dem Staate, in welchem ſie ſich aufhalten. Frau und Kinder haben den Wohnſitz des Mannes. Es kommt jedoch immer nur der Gerichtsſtand des Be— klagten in Betracht, da der Kläger als ſolcher keinem Gerichte unterworfen iſt (actor sequitur forum rei). In einzelnen ſpeciellen Sachen kann der Kläger ſeine Klage ſtatt beim forum domieilii auch bei einem anderen Gerichte anbringen, welches dem forum generale gegenüber als forum speciale erjcheint. Als ſolche beſonderen Gerichtsſtände ſind zugelaſſen: 1. der Gerichtsſtand der gelegenen Sache (forum rei sitae), der ausſchließliche bei Gel— tendmachung dinglicher Rechte (z. B. Eigen— thums- und Servitutenklagen); 2. das forum contractus und das forum solutionis, d. h. das Gericht, in deſſen Sprengel ein Rechtsgeſchäft abgeſchloſſen wurde, bezw. die durch das Geſchäft bedungene Leiſtung zu erfolgen hat; 3 das forum delicti commissi oder das Gericht des Ortes einer unerlaubten Handlung für Entſchädigungsklagen aus ſolcher; 4. der Gerichtsſtand der Conncxität (forum connexitatis materialis) bei dem Zuſammen— hange einer Rechtsſache mit einer bei einem anderen Gerichte anhängigen; 5. das forum gestae administrationis oder die Zuſtändigkeit desjenigen Gerichtes, in deſſen Bezirk eine Verwaltung geführt wurde, für alle aus dieſer Verwaltung von dem Geſchäfts— herrn gegen den Verwalter, oder von dieſem gegen den Geſchäftsherrn erhobenen Klagen; 6. der Gerichtsſtand der Widerklage (forum reconventionis) bei dem Gerichte der Klage; 7. das forum arresti oder die Zuſtändig— keit des Gerichtes, welches zur Sicherung des Gläubigers an Sachen des Schuldners oder an dieſen ſelbſt, z. B. einen Vagabunden (ubi te reperio ibi te judico), Arreſt gelegt hat. Unter mehreren zuſtändigen Gerichten hat der Kläger die Wahl. Wenn mehrere Streitgenoſſen, welche bei verſchiedenen Gerichten ihren allgemeinen Ge— richtsſtand haben, verklagt werden, oder wenn die Klage in dem dinglichen Gerichtsſtande er— hoben werden ſoll, und die Sache in verſchie— denen Gerichts bezirken gelegen iſt, beſtimmt das nächſt höhere Gericht das zuſtändige Gericht (forum continentiae causarum ex identitate personali vel reali). Streitigkeiten über den Gerichtsſtand werden durch das Obergericht entſchieden. Der Gerichtsſtand beſtimmt ſich nach den thatſächlichen Verhältniſſen zur Zeit der Klag— ſtellung, und ſpätere Anderungen derſelben, z. B. Wechſel des Wohnſitzes von Seite des Beklagten., ſind ohne Wirkung (ubi est coeptum semel zeichnet wird. Der Wohnſitz iſt entweder ein j judicium, ibi et finem accipere debet). 376 Ein an ſich unzuſtändiges Gericht erſter Inſtanz wird durch ausdrückliche oder ſtill— ſchweigende Vereinbarung der Parteien zuſtän— dig, ſofern es ſich nur um vermögensrechtliche Anſprüche handelt, und für die Klage kein aus— ſchließlicher Gerichtsſtand begründet iſt. Still— ſchweigende Vereinbarung iſt anzunehmen, wenn der Beklagte, ohne die Unzuſtändigkeit geltend zu machen, zur Hauptſache mündlich verhan— delt hat. Die Verhandlungen und das Urtheil eines unzuſtändigen Gerichtes ſind nichtig (sententia a non suo judice lata obtinet nullam firmi- tatem). Nach dem deutſchen Strafproceſſe iſt der Gerichtsſtand bei demjenigen Gerichte be— gründet, in deſſen Bezirke die ſtrafbare Hand— lung begangen iſt (forum delicti commissi). Neben dieſem allgemeinen Gerichtsſtande beſteht noch wahlweiſe der Gerichtsſtand des Wohn— ortes des Beſchuldigten zur Zeit der Erhebung der Klage (forum domicilii) und ſubſidiär bei Ausländern der Gerichtsſtand der Ergreifung oder Betretung des Angeklagten (forum depre- hensionis). Endlich gibt es auch hier einen Gerichtsſtand der Connexität durch den Zuſam— menhang einer Strafſache mit anderen, welche einzeln bei verſchiedenen Gerichten entweder örtlich oder ſachlich (j. CToncurrenz von De— licten) zuſtändig ſind, indem insbeſondere in dem letzteren Falle das Gericht für das ſchwe— rere Delict auch über die vor ein niedrigeres Gericht gehörige minder ſtrafbare Handlung (das Schwurgericht z. B. auch über eine Über- tretung) urtheilt (plus continet minus). Unter mehreren zuſtändigen Gerichten ge— bürt der Vorzug demjenigen, welches die Unter— ſuchung zuerſt eröffnet hat. Für im Auslande begangene ſtrafbare Handlungen beſtimmt, wenn eine Ergreifung des Thäters nicht ſtattgefunden hat, das Reichsgericht das zuſtändige Gericht. Streitigkeiten der Gerichte über die Zuſtändig— keit entſcheidet das gemeinſchaftliche obere Ge— richt. Bei Gefahr auf dem Verzuge hat ſich auch ein unzuſtändiges Gericht innerhalb ſeines Be— zirkes den nöthigen Unterſuchungshandlungen zu unterziehen. Die einzelnen Unterſuchungs handlungen eines unzuſtändigen Gerichtes ſind nicht ſchon dieſer Unzuſtändigkeit wegen ungiltig; das Ur— theil eines unzuſtändigen Gerichtes iſt dagegen immer nichtig. Die Vernichtung eines Urtheils durch das höchſte Gericht und die Verweiſung der Sache zur wiederholten Verhandlung vor ein anderes Gericht begründet einen außerordentlichen (forum extraordinarium) Gerichtsſtand (das franzöſiſche tribunal de renvoi). Ein außerordentlicher Gerichtsſtand wird ferner im Civil- und Strafproceſſe dadurch be— gründet, daſs bei rechtlicher oder thatſäch— licher Verhinderung eines Gerichtes durch das Obergericht für dasſelbe ein gleichſtehendes Ge— richt ſubſtituiert wird. At. Gerichtsverfaſſung oder Gerichtsorga— niſation (Deutſchland) iſt die geſetzliche Regelung der Verhältniſſe der Organe der Ge— richtsbarkeit (ſ. d.). Nach dem deutſchen Gerichts- Gerichtsverfaſſung. verfaſſungsgeſetze vom 27. Januar 1877 gelten als von einander unabhängige Organe der Ge— richtsbarkeit das Gericht, die Staatsan— waltſchaft (ſ. d.) und der Gerichtsvoll— zieher (j. d.), welche ſich in die Aufgaben des Civil⸗ und Strafproceſſes, die Procejsleitung, die Fällung des Urtheils und die Vollſtreckung desſelben, theilen, während nach dem früheren gemeinen deutſchen Proceſſe alle dieſe Fune— tionen dem Gerichte zuſtanden. Die deutſche Ge— ſetzgebung nähert ſich hier der franzöſiſchen, welche dem Gerichte nur die Urtheilsfällung überläjst. Es iſt im deutſchen Civilproceſſe der Proceſsbetrieb zum Theil Sache der Parteien und die Vollſtreckung des Urtheils theilweiſe Aufgabe des Gerichtsvollziehers. Im Straf— proceſſe liefert der Staatsanwalt, bezw. in ſchwereren Fällen der Unterſuchungsrichter das Beweismaterial, und die Strafvollſtreckung ſteht, mit Ausnahme der Amtsgerichte, dem Staats— anwalte zu. In jedem Falle aber hat das Ge— richt das ausſchließliche Recht der Urtheilsfäl⸗ lung, d. i. der Anwendung des Geſetzes auf den gegebenen Fall. Die durch die Gerichtsverfaſſung beſtellten Gerichte bezeichnet man als ordent— liche (fora communia), an ſich für alle Ber- ſonen und alle Sachen beſtimmte, im Gegenſatze zu den außerordentlichen oder Sonder- gerichten (fora particularia), welche auf Grund ſpecieller Geſetze für gewiſſe Claſſen von Per— ſonen oder für gewiſſe Arten von Rechtsſtreitig— keiten zugelaſſen ſind. Die Gerichtsverfaſſung beſtimmt vorzugsweiſe die Art und Weiſe der Beſetzung, die Competenz und das gegenſeitige Verhältnis der Gerichte (Inſtanzenzug). Ordentliche Gerichte ſind nach dem Gerichtsverfaſſungsgeſetze die Amts-, Land- und Oberlandesgerichte, ſowie das Reichsgericht. Dieſelben beſtehen aus einem oder mehreren Richtern und dem Gerichtsſchreiber (ſ. d.). Ein⸗ zelne Gerichte entſcheiden unter Mitwirkung von nicht rechtskundigen Mitgliedern (Schöffen, Ge: ſchworne und Handelsrichter). Vor die ordentlichen Gerichte gehören alle bürgerlichen Rechtsſtreitigkeiten und Strafſachen, für welche nicht entweder die Zuſtändigkeit von Verwaltungsbehörden oder Verwaltungsgerichten begründet iſt, oder reichsgeſetzlich beſondere Ge— richte beſtellt oder zugelaſſen ſind. Übrigens können die Landesgeſetze auch Civil⸗ und Strafrechtsſachen, für welche beſon— dere Gerichte zugelaſſen ſind, den ordentlichen Gerichten übertragen, und dürfen in dieſem Falle Abweichungen von dem gewöhnlichen Pro— ceſsverfahren ſtattfinden. Auf der anderen Seite iſt es der Landesgeſetzgebung auch geſtattet, geringere Strafſachen den Polizeibehörden zur Strafverfügung auf Grund des Strafgeſetzes und der Strafproceſsordnung zu überweiſen (j. Forſtſtrafproceſs). Den Amtsgerichten ſtehen Einzeln— richter vor. Denſelben iſt das Bagatell- (ſ. d.), Mahn-, Concurs- und Zwangsvollſtreckungs⸗ verfahren zugewieſen. Die aus dem Amtsrichter als Vorſitzendem und zwei Schöffen beſtehenden Schöffengerichte entſcheiden über Übertretungen und leichtere Vergehen. Gerichtsverfaſſung. Die Landgerichte werden mit einem Präſidenten und der erforderlichen Anzahl von Directoren und Mitgliedern beſetzt. Bei den— ſelben werden Civil- und Strafkammern und nach Bedarf auch Handelskammern gebildet. Vor die Civilkammern, einſchließlich der Handelskammern, gehören alle bürgerlichen Rechtsſtreitigkeiten, welche nicht den Amtsge— richten zugewieſen ſind. Die Civilkammern ſind die Berufungs— und Beſchwerdegerichte in den vor den Amts— gerichten verhandelten bürgerlichen Rechtsſtreitig— keiten. Die Strafkammern ſind zuſtändig bei allen Vergehen und Verbrechen, welche nicht vor die Schöffen⸗ und Schwurgerichte gehören, ſowie bei Zuwiderhandlungen gegen das Reichsgeſetz vom 25. October 1867 über die Nationalität der Kauffarteiſchiffe, vom 11. Juni 1870 über Com- mandit⸗ und Actiengeſellſchaften, vom 8. Juni 1871 über Inhaberpapiere, vom 6. Februar 1875, die Beurkundung des Perſonenſtandes be— treffend, und gegen das Bankgeſetz vom 14. März 1875. Bei den Landgerichten ſind Unterſuchungs— richter nach Bedürfnis zu beſtellen. Die Strafkammern ſind als erkennende Ge— richte ferner zuſtändig für die Verhandlung und Entſcheidung über das Rechtsmittel der Beru— fung gegen die Urtheile der Schöffengerichte. Die Kammern des Landgerichtes entſchei— den in der Beſetzung von drei Mitgliedern (ein— ſchließlich des Vorſitzenden), bezw. von fünf Mitgliedern bei der Hauptverhandlung der Strafkammer. Die periodiſch bei den Landgerichten zu— ſammentretenden Schwurgerichte ſind zuſtändig für die Verbrechen (in Bayern auch für Preſs— vergehen), welche nicht zur Zuſtändigkeit der Strafkammern oder des Reichsgerichtes gehören. Dieſelben beſtehen aus drei richterlichen Mit— gliedern und zwölf zur Entſcheidung der Schuld— frage berufenen Geſchwornen. Die Kammern für Handelsſachen (ſ. Han— delsgerichte) entſcheiden in der Beſetzung mit einem Mitgliede des Landgerichtes als Vor— ſitzenden und zwei Handelsrichtern (Kaufleuten oder Schifffahrtskundigen an Seeplätzen). Die Oberlandes gerichte beſtehen aus einem Präſidenten und der erforderlichen An— zahl von Senatspräſidenten und Räthen. Bei denſelben werden Civil- und Strafſenate ge— bildet, welche in der Beſetzung von fünf Mit- gliedern mit Einſchluſs des Vorſitzenden ent— ſcheiden. Die Civilſenate entſcheiden in bürgerlichen Rechtsſtreitigkeiten über die Rechtsmittel (f. d.) der Berufung gegen Endurtheile und der Be— ſchwerde gegen Entſcheidungen der Land— gerichte. Die Strafſenate ſind zuſtändig für die Ver— handlung und Entſcheidung über das Rechts— mittel der Reviſion gegen Urtheile der Straf— kammern in der Berufungsinſtanz und der Revi— ſion gegen Urtheile der Strafkammern in erſter Inſtanz, ſofern die Reviſion ausſchließlich auf die Verletzung einer in den Landesgeſetzen ent— haltenen Rechtsnorm geſtützt wird, dann über 377 das Rechtsmittel der Beſchwerde gegen ſtraf— richterliche Entſcheidungen erſter Inſtanz, ſo weit nicht die Zuſtändigkeit der Strafkammer begründet iſt, und gegen Entſcheidungen der Strafkammern in der Beſchwerdeinſtanz und Berufungsinſtanz. Das Reichsgericht iſt mit einem Prä— ſidenten und der erforderlichen Anzahl von Senatspräſidenten und Räthen beſetzt. Die Civil— und Strafſenate desſelben, deren Zahl der Reichskanzler beſtimmt, entſcheiden in der Be— ſetzung mit ſieben Mitgliedern. In bürgerlichen Rechtsſtreitigkeiten iſt das Reichsgericht zuſtändig für die Verhandlung und Entſcheidung über die Rechtsmittel der Re— viſion gegen die Endurtheile und der Beſchwerde gegen Entſcheidungen der Oberlandesgerichte. In Strafſachen iſt das Reichsgericht zu— ſtändig: 1. für die Unterſuchung und Entſcheidung in erſter und letzter Inſtanz in den Fällen des Hochverrathes und des Landesverrathes, inſo— fern dieſe Verbrechen gegen den Kaiſer oder das Reich gerichtet ſind; 2. für die Verhandlung und Entſcheidung über die Rechtsmittel der Reviſion gegen Urtheile der Strafkammern in erſter Inſtanz, inſoweit nicht die Zuſtändigkeit der Oberlandesgerichte begründet iſt, und gegen Urtheile der Schwur— gerichte. Als beſondere (außerordentliche) Gerichte ſind nach dem Gerichtsverfaſſungs— geſetze zugelaſſen: die auf Staatsverträgen beruhenden Rheinſchifffahrts- und Elbezollgerichte; 2. Gerichte, welchen die Entſcheidung von bürgerlichen Rechtsſtreitigkeiten bei der Ab— löſung von Gerechtigkeiten oder Reallaſten, bei Separationen, Conſolidationen, Verkoppelungen, gutsherrlich-bäuerlichen Auseinanderſetzungen u. dgl. obliegt; - 3. Gemeindegerichte, welche bis zu dem Maximalbetrage von 60 Mark, vorbehaltlich der Berufung auf den ordentlichen Rechtsweg, über vermögensrechtliche Anſprüche zu entſcheiden haben (Württemberg); 4. Gewerbegerichte. In Anſehung der Landesherren und der Mitglieder der landesherrlichen Familien, ſowie der Mitglieder der fürſtlichen Familie Hohen— zollern finden die Beſtimmungen des Gerichts— verfaſſungsgeſetzes nur inſoweit Anwendung, als nicht beſondere Vorſchriften der Haus verfaſſungen oder der Landesgeſetze abweichende Beſtimmungen enthalten. Die Militärgerichtsbarkeit, ſowie das lan— desgeſetzlich den Standesherren gewährte Recht auf Austräge (Austrägalinſtanz) werden durch das Gerichtsverfaſſungsgeſetz nicht berührt. Die Organiſation der freiwilligen Ge— richtsbarkeit iſt ausſchließlich der Landes— geſetzgebung überlaſſen, mit Ausnahme der Be— urfundung des Familienſtandes (ſ. d.), welche früher in dem Gebiete des franzöſiſchen Rechts den Perſonenſtandsbeamten, in den übrigen Theilen Deutſchlands den Pfarrämtern über— tragen war, jetzt aber von den Standesbeamten beſorgt wird. 378 Das Vormundſchafts- und Verlaſſenſchafts— weſen iſt überall Aufgabe der Gerichte. Bezüglich der übrigen Geſchäfte der frei— willigen Gerichtsbarkeit ſ. Notariat und Hy— pothek. At. Gerichtsvollzieher 1 huissier) iſt der jelbftändige Gerichtsbeamte für die Zuſtellungen, Ladungen und Vollſtreckungen. Die Beſtellung eines ſolchen Beamten war eine Conſequenz des Grundſatzes des franzöſiſchen Procejjes, dass ſich die richterliche Thätigkeit auf die Urtheils— fällung beſchränken müſſe. Das Gerichtsvoll— zieherinſtitut beſteht deshalb ſchon lange in jenen Theilen Deutſchlands, in welchen franzö— ſiſches Recht gilt (ſ. Allgemeines bürger— liches Geſetzbuch), wurde durch das Gerichts- organiſationsgeſetz vom 10. November 1861 in Bayern eingeführt und durch das Gerichtsver— faſſungsgeſetz vom 27. Januar 1877 auf das ganze Reich ausgedehnt. Die Gerichtsvollzieher ſind unbeſoldet und auf Gebüren angewieſen, welche durch die Ge— bürenordnung vom 18. Juni 1878 und die Novelle vom 29. Juni 1881 geregelt ſind. Für Ladungen und Zuſtellungen beſtehen feſte Sätze, während die Gebüren für Pfändungen und Ver— ſteigerungen durch den Werth der Objecte be— ſtimmt werden. Im 8 156 des Gerichtsverfaſſungsgeſetzes ſind die Fälle beſtimmt, in welchen der Gerichts— vollzieher aus perſönlichen Gründen von der Ausübung ſeines Amtes ausgeſchloſſen iſt. Ge— richtsvollzieher können nicht zu dem Amte eines Geſchwornen oder Schöffen berufen werden. Die Dienſt- und Geſchäftsverhältniſſe der Gerichtsvollzieher werden bei dem Reichsgerichte durch den Reichskanzler, bei den übrigen Ge— richten durch die Landesjuſtizverwaltung be— ſtimmt. At. Gering, adj., wm. ſ. v. w. en 1 klein, für alle Wildgattungen; 5. ſchwach, ſchlecht u. vgl. brav, ſtark u. ſ. w. „Der Hirſch und Thier ſind ſchlecht und gering am Leib, und nicht mager.“ v. Pärſon, Hirſchgerechter Jäger, 1734, p. 80. — „Was junge Hirſche ſein, werden geringe Hirſche geheißen.“ Ibid., fol, 81. — „Geringes oder ſchlechtes Roth— wildpret heißet alles das, was noch unjagdbar, item: ſchmal und geringe am Wildpret oder am Leibe iſt, auch was klein und krappig ge— blieben.“ C. v. Heppe, Aufr. Lehrprinz, p. 29, 70. — „Schlechte oder geringe Sauen heißen alles noch unjagdbare Schwarzwildpret.“ Ibid., p. 71. — „Geringe wird geſagt, wenn ein Hirſch von ſchlechtem Anſehen: das iſt ein ge— ringer Hirſch. Item von allen Thieren, wenn ſie nicht viel auf dem Leibe haben: das Wild— pret iſt ſehr geringe, aber nicht etwan mager.“ Großkopff, Weidewerckslexikon, p. 136. — Chr. W. v. Heppe, Wohlred. Jäger, p. 179. — „Ge— ring jagdbar nennt man Hirſche, die nur S Enden haben.“ Hartig, Lexik., p. 219. „Gering iſt die weidgerechte Bezeichnung für klein, ſchwächlich, unausgewachſen.“ R. R. v. Dombrowski, Der Fuchs, p. 185. — Bechſtein, Hb. d. Jagdwiſſenſchaft I., 1., p. 103. — Laube, Jagdbrevier, p. 278. — Kobell, Wildanger, p. 479. — Sanders, Wb. II., p. 761. E. v. D. Gerichtsvollzieher. — Geruchsſinn. Gerinnung des Blutes, ſ. Blut. Lbr. Gerinnung des Chylus und der Spgrpbe; ſ. Chylus, bezw. Lymphe. Gerinnung des Muskels, ſ. wu r. Gerinnung des Mervenmarkes, ſ. Ner⸗ ven. Lbr. Germanium, Ge — 72˙32 — ein neu⸗ entdecktes Element, das ſich in dem Silbererz Argyrodit (6—7%,) findet. Es iſt grauweiß, ſchmilzt bei etwa 900° und verdampft bei wenig höherer Temperatur; jpec. Gew. 5˙469, unlös⸗ lich in Salzſäure und Kalilauge, löslich in Königswaſſer, gibt mit Salpeterſäure weißes Oxyd, mit concentrierter Schwefelſäure Sulfat. v. Gn. Germar Eruſt Friedrich, geboren am 3. November 1786 zu Glauchau in Sachſen, geſtorben 1853 zu Halle, bezog 1804 die Berg— akademie zu Freiberg, wo er unter Werner vor allem anderen dem Studium der Minera— logie, Petrographie und Geologie mit Eifer ob— lag. Nach Abſolvierung des bergakademiſchen Studiums wandte ſich Germar der Univerſität Leipzig zu und ſtudierte Rechtswiſſenſchaft, wid— mete ſich aber gleichzeitig auch dem Studium der Entomologie, welche nun auch ſein Lieb— lingsſtudium verblieb. An der Univerfität Halle erlangte er 1810 den Dr. philosophia, habilitierte ſich 1812 und erhielt nach dem Ab— gange Steffens die Direction des mineralogi— ſchen Cabinets. 1824 wurde er der Nachfolger C. v. Raumers. Als Examinator für Bergeleven wurde ihm der Titel Oberbergrat, und bei der 1834 erfolgten Einweihungsfeier der des Dr. medieinae verliehen. Die entomologiſchen Ar— beiten Germars (80 Druckſchriften) haben noch heute hervorragende Bedeutung. Unſer bedeu— tender Entomologe Schaum iſt der würdige Pflegeſohn Germars, in deſſen Hauſe er ſeine Erziehung erhalten hat. Hſchl. Gertenholz iſt eine Stärkeſtufe des Be⸗ ſtandes, welche auf die der Dickung folgt, bei der ſich die Einzelſtämme als ſchwache Stangen oder Gerten darſtellen, welche allmählich zu jtär- keren Stangen, die aber in Bruſthöhe Spann⸗ ſtärke nicht überſchreiten, aufwachſen (j. Stan- genholz). Gt. Geruchsſinn. Wie beim Geſichts- und Ge— hörsſinn, jo müſſen wir auch den Apparat des Geruchſinnes in einen nervöſen und einen phyſi⸗ kaliſchen Theil ſondern; wie beim Geſichtsſinn der den optijchen Geſetzen entſprechend gebaute Apparat die Lichtbewegung zu dem peripheren nervöſen Endapparat des Sehnerven, wie beim Gehörsſinn der den akuſtiſchen Geſetzen ent— ſprechend gebaute Apparat die Schallbewegung zu dem peripheren nervöſen Endapparate des Gehörsnerven, ſo leitet der den mechaniſchen Geſetzen entſprechend gebaute Apparat des Ge— ruchsſinnes den die riechbaren Subſtanzen ent— haltenden Luftſtrom zu den peripheren ner- vöſen Endapparaten des Geruchsnerven. Es werden die bei der Athmung erzeugten Luft- ſtröme benützt, um die riechbaren Subſtanzen dem Geruchsapparate zuzuführen. Damit die Enden der Geruchsnerven erregt wer- den, muß ein Luftſtrom die riechbaren Geruchsſinn. Subſtanzen denſelben zuführen, in ruhender Luft werden ſie nicht wahr— genommen, wenn ſie auch in der Naſenhöhle zugegen ſind; man kann ſich hievon leicht über— zeugen: hält man eine Subſtanz, welche außer den Geruchsnerven auch noch die Gefühlsnerven der Naſe erregt, unter die letztere, ſo fühlt man ein Stechen, Prickeln oder es tritt Thränen— ſeeretion ein, zum Beweiſe, daſs die Subftanz in die Naſe eindringt, die Geruchsempfindung tritt aber dann erſt deutlich hervor, wenn wir tief inſpirieren oder mehrere kurze, tiefe Athem— züge ausführen. Wird die Naſenhöhle quer durchſchnitten, ſo bemerkt man zwei von einan— der abgegrenzte Räume; der obere Raum iſt ſehr eng, ſpaltförmig und iſt außen von den Siebbeinszellen und innen von der Naſenſcheide— wand begrenzt, er wird Geruchsſpalt, Fis- sura olfactoria genannt, der untere Raum iſt bedeutend geräumiger als der obere, er wird nur ganz wenig von der in ihn hineinragen— den unteren Muſchel beengt, er heißt Luft— gang, Ductus aöriferus. Beide Räume com— municieren durch einen engen Spalt, welcher von dem unteren horizontalen Rande der mittleren Naſenmuſchel und von der Naſen— ſcheidewand begrenzt wird. In den Geruchs— ſpalt kommt beim Einathmen ein kleiner Theil des Luftſtromes, indem durch die Naſenlöcher der Einathmungsſtrom gegen die Decke der Naſenhöhle, alſo gegen den Geruchsſpalt ge— richtet wird, der größte Theil des Stromes biegt gegen die Choanen um und ſtreicht durch den geräumigen Luftgang; bei der Ausathmung gelangt ein noch viel kleinerer Bruchtheil des Ausathmungsſtromes in den Geruchsſpalt, da der Keilbeinkörper den Geruchsſpalt wie ein Schirm ſchützt. Es wird daher die Geruchs— wahrnehmung während der Einathmung ſtatt— finden, während der Ausathmung wird nur eine ſehr ſchwache Geruchsempfindung hervor— gerufen, da nur wenig Ausathmungsluft in den Geruchsſpalt eindringen kann; es iſt vor allem die durch den vorderen Theil der Naſenlöcher einſtrömende Luft, welche die Geruchsempfin— dungen hervorruft, und nicht die durch die hin— tere Abtheilung ſtrömende Luft, wie Fick ge— zeigt hat. Wie wichtig für das Zuſtandekommen der Geruchsempfindungen die mechaniſchen Ein— richtungen der Naſe ſind, zeigt die beim Men— ſchen gemachte Erfahrung, daſs in der Regel mit dem Verluſt der Naſe auch der der Ge— ruchsempfindungen verbunden iſt; ſie entſtehen aber wieder, wenn man Röhrchen in die Naſengruben einführt oder wenn eine künſtliche Naſe erzeugt wird. Von den Nebenhöhlen der Naſe aus werden keine Geruchsempfindungen hervorgerufen. Die den oberen Theil der Naſenhöhle, alſo den Geruchsſpalt auskleidende Schleimhaut unterſcheidet ſich von der übrigen Naſenſchleimhaut durch ihre braungelbe Farbe und dadurch, dajs ſich das erſte Gehirnnerven— paar, die Nervi olfactorii, in ihr verbreitet; die von dieſer Riechſchleimhaut ausgeklei— dete Naſengegend wird als Regio olfactoria bezeichnet, während der übrige von der gewöhn— lichen, als Schneider'ſche Haut bezeichneten Schleimhaut ausgekleidete Theil Regio respi- 379 ratoria bezeichnet wird. Die Riechſchleimhaut hat ein Epithel, deſſen Zellen einen ſehr feinen Flimmerbeſatz haben, der bei Vögeln, Amphi— bien und Reptilien ſtärker entwickelt iſt; man hat in dem Epithel der Riechſchleimhaut zweierlei Zellen gefunden, ſtärkere und zwiſchen dieſen ſolche mit feineren, nach der Oberfläche ge— richteten Ausläufern; während nahezu alle Forſcher nur die letzteren als Riechzellen be— zeichnen und ſie als in directer Verbindung mit den Endfaſern des Riechnervens ſtehend betrachten, nimmt S. Exner an, dajs die ſog— Riechzellen Übergänge zu den Epithelzellen dar— ſtellen und daſs beide Zellenarten mit einem unter ihnen befindlichen, vom Riechnerven ge— bildeten nervöſen Netz im Zuſammenhange ſtehen. Feſtgeſtellt iſt ſomit, daſs ſich die Riech— ſchleimhaut durch ein anderes Epithel und durch den directen Zuſammenhang von Zellen des— ſelben mit dem Riechnerven vor der übrigen Naſenſchleimhaut auszeichnet. Es iſt heute als durch das Experiment feſtgeſtellt zu betrachten, daſs das erſte Gehirnnervenpaar die Geruchs— empfindungen vermittelt, ihre Durchſchneidung bedingt den Verluſt der Geruchsempfindungen; merkwürdigerweiſe kommt nach dieſer Durch— ſchneidung bei Fröſchen und Kaninchen eine Degeneration des Riechepithels zuſtande. Um die Geruchsnerven künſtlich zu erregen, hat man die verſchiedenen Erregungsmethoden, welche bei anderen Nerven wirkſam ſind, angewendet, aber bisher mit wenig Glück; ſelbſt durch die elektriſche Erregung hat man noch keine eigent— liche Geruchsempfindung Direct hervorrufen können, trotzdem es vielfach verſucht worden iſt; nur die eigentlichen Geruchsſtoffe rufen von der Riechſchleimhaut aus die Geruchsempfindungen hervor. Welche phyſikaliſche und chemiſche Eigen— ſchaften die riechbaren Subſtanzen als ſolche charakteriſieren, können wir bis heute nicht an— geben; wir wiſſen nur, daſs ſie gas- oder dampfförmig ſein müſſen, jedoch erzeugen nicht alle Dämpfe und Gaſe Geruchsempfindungen; in flüſſiger Form, alſo z. B. in Löſungen wirken ſie nicht, wie Tourtual, E. H. Weber gezeigt haben. Tyndall beobachtete, daſs das Wärme— abſorptionsvermögen einer mit riechbaren Sub— ſtanzen geſchwängerten Luft bedeutend größer iſt als das der reinen, trockenen atmoſphäri— ſchen Luft; ferner beobachtete Prévoſt, Dajs riechbare Subſtanzen, z. B. Kampfer, ſich auf der Oberfläche des Waſſers bewegen. Endlich will ich hier eine mündliche Mittheilung er— wähnen, welche ich von dem Phyſiologen Funke vor ungefähr 10 Jahren erhalten habe; er fand in der Literatur die Beobachtung angegeben, daſs der ſehr feine Körnchen enthaltende Riech— ſchleim der Bienen bei der Beobachtung unter dem Mikroſkope eine außerordentlich lebhafte Bewegung ſeiner Körnchen zeigt, wenn eine riechbare Subſtanz näher gebracht wird; leider kenne ich nicht den Namen des Entdeckers dieſer Thatſache, noch habe ich Gelegenheit gehabt, die Beobachtung zu controlieren. Man unter— ſcheidet die Geruchsfeinheit, d. i. das Ver— mögen geringe Geruchsunterſchiede wahrzuneh— men, von der Geruchsſchärfe, d. i. ſehr ge— ringe Mengen des Riechſtoffes wahrzunehmen. 380 Wir können mit dem Geruchsſinne viel gerin- gere Quantitäten riechbarer Subſtanzen nach— weiſen, als wir mit Hilfe der empfindlichſten chemiſchen Reactionen und phyſikaliſchen In— ſtrumente durch andere Sinne nachweiſen können. So fand Valentin und Clemens bei der An— nahme, daſs 50 ems Luft die Naſe paſſieren, bis eine Geruchsempfindung zuſtande kommt, dajs SEHR mg Schwefelwaſſerſtoff Geruchs— empfindung erzeugen könne. Fiſcher und Pen— zoldt fanden unter derſelben Annahme, daſs eine r mg für ei i 460,000. 000 "8 Mercapton für eine deutliche Geruchsempfindung ausreicht; nach Kirchhoff und Bunſen wird durch den Spectralapparat noch J 400.000 Durch Gifte kann die Erregbarkeit des Riech— nervens ſehr geändert werden, wie Fröhlich ge— zeigt hat; ſo ſchwächt Morphin die Empfind— lichkeit, Strychnin erhöht ſowohl bei localer als allgemeiner Anwendung außerordentlich die Geruchsſchärfe, durch andauernde Einwirkung desſelben Geruches wird das Riechorgan gegen denſelben weniger empfindlich. Die riechbaren Subſtanzen müſſen, wie wir ſchon erwähnt haben, in bewegter Luft ſich befinden; die Thiere machen, um Geruchsempfindungen zu erhalten, wiederholt kleine Inſpirationen, wir bezeichnen dieſe Art ſich Geruchsempfindungen zu ver— ſchaffen als Spüren, Schnüffeln, Schno— bern, während man als Wittern das Ein- ziehen vom Winde getriebener Luft bezeichnet. Die Geruchsempfindungen bezeichnen wir als ſolche nicht, ſondern nur nach den Stoffen, durch welche ſie hervorgerufen werden; es fällt daher die Eintheilung der Geruchsempfindungen mit der der Riechſubſtanzen ſelbſt zuſammen; eine ſolche Eintheilung in ſechs Claſſen hat Fröh— lich getroffen, wir wollen jedoch die einzelnen Claſſen nicht aufführen, da dieſes uns zu ſehr in die Einzelheiten führen würde. Lbr. Gerüſte ſind erforderlich, wenn Maurer— arbeiten in einer Höhe von mehr als 13 m auszuführen ſind. Gerüſte werden umſo feſter und bequemer angelegt werden müſſen, wenn Mauerungen mehrere Stockwerke hoch empor— reichen, da ſie nicht allein der Arbeitsmannſchaft genügend Raum bieten müſſen, ſondern auch den nöthigen Platz für vorübergehende Bevor— räthigungen und Lagerung der unterſchiedlichen Baumaterialien enthalten ſollen. Man unter— ſcheidet Haupt- oder Lantennengerüſte, ſchwebende und hängende Gerüſte. Die Hauptgerüſte werden aufgeſtellt, wenn die Maurerarbeiten ca. Um hoch aus dem Boden emporgeführt ſind. In Entfernungen von 2—3 m von der Außenſeite des Gebäudes wer— den in Zwiſchenräumen von 3—3˙5 m Balken (Lantennen) möglichſt feſt vertical in den Boden eingegraben. Die Lantennen erhalten mindeſtens die gleiche Höhe wie das Gebäude, wo dies nicht möglich fein ſollte, bei beiſpiels— weiſe ſehr hohen Bauten treten an die Stelle der ſtehenden Hauptgerüſte die ſchwebenden Gerüſte. Von der Höhe des ebenerdigen Ge— mg Natrium wahrgenommen. Gerüſte. ſchoßes werden unmittelbar neben den Lan— tennen verticale Balken oder Ständer aufge— ſtellt und mit den erſteren durch Klammern feſt verbunden. Auf die Ständer legt man die Trag— balken, die mit dem anderen Ende im Mauer— werke ruhen, ſodann ſenkrecht auf dieſe die Polſterhölzer der aufruhenden Bretterbe— dielung. In gleicher Weiſe werden die Ge— rüſtungen für die weiteren Stockwerke herge— ſtellt. Bei den ſchwebenden Gerüſten ent- fallen die Lantennen und Ständer, und werden die Tragbalken nur an dem einen Ende unter- ſtützt, müſſen aber in dieſem Falle durch die Mauer reichen. Im Innern werden dann die Tragbalken mittelſt durchlaufender Balken in der Art befeſtigt, daſs die Träger auf die Balken aufgekämmt oder durch Klammern mit ihnen feſt verbunden werden. Zur weiteren Ver— ſteifung können die Tragbalken noch durch ſchiefgeſtellte Streben geſtützt werden. Die Hängegerüſte eignen ſich zu Ver— putzungen und Reparaturen hoher Gebäude und beſtehen aus Käſten, die aus Brettern und Balken hergeſtellt ſind und mittelſt ſtarker Seile und Flaſchenzüge nach Erfordernis höher oder tiefer gehängt werden können. Die Flaſchenzüge ſind an vorſpringende Balken befeſtigt, welche mit dem Dachgerüſte in entſprechende Verbin- dung gebracht werden. Bei Verfaſſung der Vor— anſchläge werden nur beſondere Gerüſtungen ſpeciell veranſchlagt, während für die gewöhn— liche Rüſtung 5 % der Koſten der Maurer- arbeiten und des Materialbedarfes berechnet werden. Auch bei Dachdeckungen werden bei gewöhnlichen Dachneigungen keine Gerüſtkoſten berechnet und ſind letztere in dem für Aufſicht und Requiſiten erſetzten Zuſchlag mitinbegriffen. Um das nöthige Material für die Maurer auf die Gerüſtung zu bekommen, werden Leitern an die Rüſtung angeſetzt, auf denen ſodann die Materialbeförderung durch die Handlanger erfolgt. Iſt hinlänglicher Raum vorhanden, ſo wird zum Zwecke der Materialbeförderung eine Lauf— brücke in der Art hergeſtellt, daſs man 2 bis 3 Gerüſtbalken ſchräg an das Gerüſt anlegt und Bretter daraufnagelt, welche wieder aufgenagelte Querlatten erhalten, wenn die Laufbrücke aus Raummangel ſehr ſteil angelegt werden müſste. Auch für jene Gerüſte, die durch mehrere Stock— werke emporführen, köunen behufs der Material- beförderung, u. zw. von Geſchoß zu Geſchoß Laufbrücken hergeſtellt werden, wenn hiefür der erforderliche Raum vorhanden ſein ſollte. Iſt dies nicht der Fall, ſo muſs auf jedem Gerüſte ein gewöhnlicher Aufzugshaſpel oder ein ſog. Beißzug errichtet werden, mittelſt deſſen das Material durch eine zu belaſſende Offnung emporgezogen wird. Zweckmäßiger iſt es, wenn bei hohen Ge— bäuden der Materialtransport über die Stiegen geleitet wird, zu welchem Behufe über die Balkenlagen in den einzelnen Geſchoßen Bretter zu legen und Fenſter in der Größe der Thüren auszuhalten find, die dann nachträglich ver⸗ mauert werden. Für keinen Fall ſollen unnöthig große Materialsbevorräthigungen auf den Ge— * Gerüſtkoſten. — Geſchäftsführung. 381 rüſten geſtattet ſein (ſ[Gewölbrüſtung, Stein— brücken). Fr. Gerüſtſtoſten, ſ. Gerüſte. Fr. Gervillia, wichtige Muſchelgattung der meſozoiſchen Formationen. Sie beſitzt ſchief ver— längerte, ungleichſeitige und wenig ungleich— klappige Schalen; der gerade Schloſsrand hat vorne einen ſehr ſchwachen, hinten einen etwas ſtärker ausgeprägten, längeren, flügelförmigen Fortſatz, iſt dick und zeigt mehrere ziemlich— breite und entfernte Bandgruben. Am unteren Theile desſelben ſind zwei oder mehr ſchräge, nach hinten verlaufende Zähne angebracht, denen auf der anderen Schale Furchen ent— ſprechen. Der Wirbel liegt terminal. Gervillien— bänke finden ſich im Gebiet des deutſchen Muſchelkalks weit verbreitet. v. O. Gerwig, Friedrich Julius, geboren 11. October 1812 in Sulzburg (Baden), ge— ſtorben 9. April 1875 in Gernsbach; beſuchte zuerſt die Volksſchule ſeines Geburtsortes und ſodann das Gymnaſium zu Freiburg. Die forſt— liche Lehre beſtand er beim Oberförſter Hub— bauer in Baden, dann ſtudierte G. 1833 bis 1834 Forſtwiſſenſchaft auf dem Polytechnikum zu Karlsruhe und immatrikulierte ſich nach der Staatsprüfung 1835 im Winterſemeſter 1835/36 bei der Univerſität Heidelberg, um noch einige cameraliſtiſche Vorleſungen zu hören. Nach kurzer praktiſcher Verwendung bei mehreren Bezirksforſteien und beim Forſtamte Bruchſal ward er längere Zeit unter Arnsperger bei der Forſteinrichtung beſchäftigt. 1841 erhielt Gerwig als erſte definitive Anſtellung die Verwaltung der Bezirksforſtei Oberried mit dem Wohnſitz zu Kirchzarten, 1848 wurde er Bezirksförſter zu Ottenhöfen, 1859 Forſtinſpeetor von Säckingen mit Wohnſitz in Waldshut; 1861 wurde er in gleicher Eigenſchaft nach Freiburg verſetzt. Als im Jahre 1868 bei der Neuorganiſation der Forſtverwaltung die Forſtinſpectionen aufge— hoben wurden, übernahm Gerwig aus Liebe zum Wald wieder eine Bezirksforſtei, u. zw. Gernsbach, wo er bis zu ſeinem Tod wirkte. Gerwig iſt vor allem bekannt als tüchtiger Weißtannenzüchter, über deren Bewirtſchaftung er die bekannte vortreffliche Monographie „Die Weißtanne (Abies pectinata D. C.) im Schwarz— walde. Ein Beitrag zur Kenntnis ihrer Ver— breitung, ihres forſtlichen Verhaltens und Wertes, ihrer Behandlung und Erziehung“, 1868 verfajste; auf dem Gebiete des Wald— wegebaues hat er durch ausgedehnte Straßen- anlagen (z. B. Steppweg zwiſchen dem Drei— jam- und oberen Wieſenthal) ebenfalls Hervor— ragendes geleiſtet und auch vielfach anregend auf die Privatwaldwirtſchaft gewirkt. Schw. Geſackt, adj. „Geſackt ſagen einige Jäger, wenn der Hirſch einen ſtarken Unterleib hat: Der Hirſch iſt gut geſackt.“ Chr. W. v. Heppe, Wohlred. Jäger, p. 179. — Sanders, Wb. II., p. 833. E. v. D. Geſammtfjagd, die. I. Jagdrechtlicher Begriff, eine mehreren Theilhabern zuſammen gehörige Jagd, unter- ſchieden von der Mit- und Doppeljagd. Stiſſer, Jagdgeſchichte, p. 317, 323, 326. — Behlen, Wmſpr., 1828, p. 68. II. Die Geſammtheit der verſchiedenen zu einem Jagen gehörigen Triebe. Wildungen, Feierabende, p. 22. — Sanders, Wb. J., p. 827. E. v. D. Geſammtalters-Durchſchnittszuwachs iſt der Quotient aus dem gegenwärtigen Alter in den während desſelben erfolgten Totalzuwachs. Kommt dabei das Haubarkeits- oder Abtriebs— alter in Betracht, ſo wird der Ausdruck „Hau— barkeitsdurchſchnittszuwachs“ angewendet. Nr. Geſammtalterszuwachs oder ſummariſcher oder Totalzuwachs iſt der Zuwachs in der Zeit von der Entſtehung des Beſtandes bis zu ſeinem gegenwärtigen Alter. Nr. Geſammtmaſſe iſt die ſummariſche Pro— duction eines Baumes, Beſtandes, Waldes. Sie wird am beſten in Feſtmetern angegeben. Unter— ſcheidet man den Hauptbeſtand vom Zwiſchen— beſtand, ſo bezieht ſich die Geſammtmaſſe auf die totale Production beider. Es iſt gebräuch— lich, die Geſammtmaſſe als die Summe des Derbholzes und Reiſigs (Grenze zwiſchen beiden bei 7em Stärke) zu betrachten. Bei der Ta— xation der Beſtände wird vielfach nur die Ge— ſammtmaſſe angeſprochen und dann auf Grund von Erfahrungszahlen eine Zerfällung derſelben nach Derbholz und Reiſig vorgenommen. Dieſe Zerfällung wird natürlich dort von beſonderer Wichtigkeit, wo der Derbholzetat bindend iſt. Nr. Geſammtwaldeigenthum, ſ. gemein⸗ ſchaftliches Waldeigenthum. At. Geſammtzuwachs, j. Geſammtalterszu— wachs. Nr Geſäuge, Das, die Zitzen des zur hohen Jagd zählenden (oder des ſämmtlichen) Haar— wildes und der Hündin. „Geſäuge heißen die Dütten oder Zitzen einer Hündin, Luchſin oder Fäſin und dergleichen Raubwildpret. Bei dem Rehe, Gems-Geiſe, Roth- und Tannwildpret heißet es das Geſäuge, einiger Orten ſagt man auch: das Eiter.“ C. v. Heppe, Aufr. Lehrprinz. p. 344. — „Geſäuge iſt das Milch⸗ eyter eines Thieres.“ Chr. W. v. Heppe, Wohlred. Jäger, p. 179. — Großkopff, Weidewerckslexikon, p. 137. — Bechſtein, Hb. d. Jagdwiſſenſchaft, J, 1., p. 276. — D. a. d. Winkell, Hb. f. Jäger I., p. 5. — Laube, Jagdbrevier, p. 278. — Kobell, Wildanger, p. 479. — R. R. v. Dom: browski, Edelwild, p. 9. — Sanders, Wb. II., p. 868. E. v. D. Geſchäftsführung, negotiorum gestio, iſt nach römiſchem Recht die Beſorgung der Ge— ſchäfte eines anderen ohne Auftrag, jedoch mit der Wirkung eines Mandates (ſ. Bevollmäch— tigungsvertrag). Dieſelbe ſoll keine unbe— rufene Einmiſchung in fremde Angelegenheiten ſein; ſie hat vielmehr nur Berechtigung als Ausfluſs der allgemeinen Bürgerpflicht, das Intereſſe ſeines Mitmenſchen zu wahren, wenn dieſer es nicht ſelbſt vermag. Der Geſchäftsführer (negotiorum gestor) ſoll das Geſchäft nur bei Verhinderung des Geſchäftsherrn (dominus negotiorum) zur Ab⸗ wendung eines drohenden Schadens übernehmen und es dann jo führen, als ob er damit be— auftragt worden wäre. Die Geſchäftsführung ſoll eine nützliche (utilis) geweſen fein, wenn 382 Geſchäftsjournal. — Geſchildet. vielleicht auch der Erfolg durch Unglücksfälle mehr oder minder vereitelt wurde. Unter dieſen Vorausſetzungen gehen die durch den Geſchäfts— führer erworbenen Rechte und übernommenen Verbindlichkeiten auf den Geſchäftsherrn über, welcher den Geſchäftsführer für die gemachten Aufwendungen ſchadlos zu halten hat. Dem Geſchäftsführer, welcher übrigens, gleich einem Mandatar, für ein etwaiges Verſchulden haftet, ſteht hier gegen den Geſchäftsherrn die actio negotiorum gestorum contraria zu. Nach— trägliche Genehmigung (Ratihabition) der Ge— ſchäſtsführung durch den Geſchäftsherrn macht dieſen zum Mandanten. Der franzöſiſche Code civil und die deut— ſchen Particularrechte ſtimmen im allgemeinen bezüglich der Geſchäftsführung mit dem römi— ſchen Recht überein, und nur das preußiſche allgemeine Landrecht gewährt, um unbefugte Einmiſchungen in fremde Geſchäfte möglichſt fern zu halten, dem Geſchäftsführer ein Recht auf Schadloshaltung blos inſoweit, als eine Be— reicherung des Geſchäftsherrn ſtattfand. At. Geſchäftsjournal. Jede Dienſtſtelle, welche mit anderen Amtern oder Dienſtſtellen in ſchrift— lichem Verkehre ſteht, hat über dieſe geſammte Dienſtcorreſpondenz ein Vormerk- und Evidenz— buch, das Geſchäftsjournal oder Einlaufspro— tokoll zu führen, in welches alle einlaufenden oder ausgefertigten Geſchäftsſtücke mit fort— laufenden Nummern und unter Beiſatz jener Daten eingetragen werden, die nothwendig ſind, um aus dieſem Buche jederzeit den Stand des ſchriftlichen Geſchäftsganges entnehmen und die einzelnen Geſchäftsſtücke hinſichtlich ihres Ver— bleibes oder ihrer Aufbewahrung ausfindig machen zu können. Das Geſchäftsjournal wird ſtets für ein Kalenderjahr geführt, alſo mit 1. Jänner jeden Jahres begonnen und am 31. December abgeſchloſſen; dasſelbe enthält in der Regel in entſprechend vorgezeichneten Spalten die folgenden Einträge: Nummer des Geſchäfts— ſtückes (Exhibitennummer), Tag des Einlangens (Präſentatum), Datum und Nummer des Ein— laufs, Gegenſtand desſelben (in kurzer Andeu— tung) und die abſendende Stelle; Datum und Art der Erledigung; Bezeichnung früherer auf den gleichen Gegenſtand Bezug habenden Ge— ſchäftsſtücke (Voracten); Angabe über den Ort der Aufbewahrung (Zeichen oder Nummer der Regiſtratur). v. Gg. Geſchall, das, ſ. v. w. Gebell, nur mhd. „Der selben hunt geschelle...“ „... wild mit geschelle möhten wohl vertriben ...“ „Si swigent än geschelle.“ Hadaman von Laben, Diu jagt, str. 29, 266, 215. — „Do börde ich soisser hünde gheschall klingen off dem wald.“ Nd. Jagdallegorie, v. 46. — Sanders, Wb. II, p. 887. E v. D. Geſchalt, adj., nennt man alles mit Schalen (ſ. d.) verſehene Wild im Gegenſatze zu dem geklauten. „In der Fährte thut das edle oder geſchalte Wildpret ſeine Zeichen mit denen Schalen, das unedle oder geklaute oder Raubwildpret aber mit ſeinen Branten oder Klauen.“ C. v. Heppe, Aufr. Lehrprinz, p. 86. Ahnlich auch allgemeiner: „Ein Berg— hirſch . . ., der ſeinen Wechſel .. in hohem, klippichten Gebirge hält, davon derſelbe hernach kurz und ſtumpf geſchalet iſt . . .“ Ibid., p. 190. — Sanders, Wb. II., p. 886. E. v. D. Geſcheide, das. J. Die Eingeweide des Haarwildes, vor— zugsweiſe jedoch nur bei den zur hohen Jagd gehörigen; dann bei dem zur hohen Jagd ge— hörigen Federwilde. „Geſcheide nennet man die Därme von einem wilden Thier.“ Tantzer, Jagdgeheimniſſe, p. 12. — Fleming, T. J., 1729, I., And. fol. 107. — „Der Hirſch hat ein Ge— ſcheid, d. i. Magen und Gedärm.“ Pärſon, Hirſchgerechter Jäger, 1734, fol. 51b. — Döbel, Jägerpraktika, Ed. I, 1746, I., fol. 18, 25. „Der Auerhahn hat ein Geräuſch und Ge— ſcheide, iſt das Inwendige im Leibe.“ Ibid., fol. 45. — Großkopff, Weidewerckslexikon, p. 137. — Chr. W. v. Heppe, Wohlred. Jäger, p. 179. — Wildungen, Neujahrsgeſchenk, 1798, p. 20. — Bechſtein, Hb. d. Jagdwiſſenſchaft, I., 1., p. 102, 281; II., p. 3. — D. a. d. Winkell, Hb. f. Jäger, I., p. 3, 96. — Hartig, Lexik., p. 225. — Laube, Jagdbrevier, p. 278. — Kobell, Wildanger, p. 479. — R. R. v. Dombrowski, Edel- wild, p. 8, 9, 19. — Wurm, Auerwild, p. 1, 31. — Sanders, Wb, II., p. 901. II. Ma. veraltet für die Enden eines Ge— weihes: „Es ſoll für einen jagdbaren Hirſch gehalten werden, der an dem Gewicht 8 Ge— ſcheiden hat.“ Gejaids-Ordnung v. J. 1616, c. 3. — Schmeller, Bayer, Wb. III., p. 323. E. v. D. Geſchiebe oder erratiſche Blöcke ſind häufig nur wenig abgerundete, fauſt- bis hausgroße Fragmente der verſchiedenartigſten Geſteine und durch Gletſcher von ihrem Urſprungsort in ihre jetzige Lage gebracht worden. v. O. Geſchiebezüge werden die langgedehnten Reihen von kuppen- oder rückenartigen Hügeln auf der preußiſch-pommeriſch-mecklenburgiſchen Seenplatte genannt, welche aus Geſchiebeſand, mit Blöcken angefülltem Geſchieblehm oder aus einer dichten Steinparkung beſtehen und anzu— ſehen find als End- oder Stirnmoränen der im Rückzuge begriffenen und während der Eis— zeit ganz Norddeutſchland zeitweilig überdecken— den, von Scandinavien ausgehenden Inlands— gletſcher. i v. O. Geſchiedenes Jagen, das: „Geſchieden Jagen iſt ein Jagen, welches rein iſt, daſs nämlich Hirſch, Thier und Sauen nicht unter ein- ander, ſondern jedes beſonders ſein.“ Chr. W. v. Heppe, Wohlred. Jäger, p. 179. — Sanders, Wb. II., p. 991. E. v. D. Geſchildet, adj. part. J. Geſchildet nennt man Federwild, wel— ches, wie z. B. der Rebhahn, ein Schild (s. d.) auf der Bruſt trägt. „Wenn die Haſelhühner ſowohl als die Feldhühner völlig flicke ſind, ſo kriegen die erſten ſchwarze, die andern aber ziemlich große braune Federn auf der Bruſt, und zwar der Hahn allemal mehr und größer als das Huhn. Solches heißen Schilder und alſo, wenn ſie völlig flicke, heißt es: geſchil— dert.“ Großkopff, Weidewerckslexikon, p. 137. — „Geſchildert nennt man das Auer, Birk⸗, Trapp- und Feldgeflüge, wenn es ſtark fiedrig und glänzend und fiedrig auf der Bruſt iſt.“ Br Geſchläge. — Geſchlechtsorgane. Chr. W. v. Heppe, Wohlred. Jäger, p. 180. — „Geſchildet neunt man die Rebhühner, wenn die Hahnen ſchon den braunen Fleck auf der Bruſt haben, den man Schild nennt.“ Hartig, Lexik., p. 220. — Wurm, Auerwild, p. 7. II. Die Ständer jener Federwildarten, welche mit größeren Platten (Schuppen) be— deckt ſind. „Die geſchilderten Füße (der Ringtaube) ſind fleiſchroth.“ Bechſtein, Hb. f. Jäger, III., p. 280. III. V. Schwarzwild, ſ. v. w. gepanzert. „Geſchildert nennt man eine Sau, wenn ſie um die vordere Hauer ſehr pechig iſt.“ Chr. W. v. Heppe, J. o., p. 179. „Weun eine Sau an dem Blatt ſtark von Haaren und dieſe mit Pech, Koth und Steinen wohl zuſammenge— backen, wird Solches auch Schild oder ge— ſchildert benennt.“ Ibid., p. 319. — Hartig, Lexik., p. 220. — Laube, Jagdbrevier, p. 278. — Sanders, Wb., II., p. 925. E. v. D. Geſchläge, das, der abgefegte Baſt oder die abgeriebene Stelle eines Baumes oder Strauches, wo ein Geweihträger ſein Geweih verſchlagen, ſ. d. u. vgl. Gefege. „Am ge— ſchlag einen Hirtzen zuerkennen.“ M. Sebiz, 1579, fol. 678. — Notabilia venatoris, 1724, p. 277. — „Wie der Hirſch am jungen glatten Stamm Geſchläge ſich von ſeinen Stangen reibt.“ Graf Walderſen, der Jäger, p. 56. — „Geſchläge: die haarige Haut, die zuerſt das Horn der Geweihe bedeckt und welche der Hirſch, da es ihm ein Jucken verurſacht, loszureiben ſtrebt.“ Ibid., p. 3. E. v. D. Geſchlechtsleben, ſ Zeugung. Lbr. Geſchlechtsorgane, die (Fig. 383), ſind bei den Inſecten, ſowie bei den höher organiſierten Thieren nach Individuen (männliche und weib— liche) getrennt. Die erſteren haben der Produc— tion von Eizellen, die letzteren der Erzeugung von Samenzellen zu dienen. Die Fortpflanzungs— organe lagern im Abdomen des Kerfs und theilen mit dieſem den bilateral-ſymmetriſchen Charakter, welcher, wie bekannt, den ganzen — Inſectenkörper auszeichnet. Der Geſchlechtsapparat beſteht aus folgen— den Hauptabſchnitten: aus den ſtets paarig vorhandenen Keimdrüſen (a und a’); aus den mehr oder minder zahlreich vorhandenen drüſigen Anhängen (F und F“) und den in ihrem erſten Verlaufe paarig vorhandenen Ausführungscanälen (b und b), welche ſich aber in ihrem weiteren Verlaufe zu einem ein— zigen Hauptcanal vereinigen. Dieſe Organiſation iſt der Grundtypus ſowohl der weiblichen als der männlichen Fortpflanzungsapparate; der Bau iſt ein einheitlicher, nur mit Rückſicht auf die verſchiedenen Zwecke mehr oder minder ab— weichender. Bei den weiblichen Geſchlechtsorganen (Fig. 1 und Fig. 3) bilden die Geſchlechts— drüſen (a) Eierſtöcke, Ovarien (ovaria). Sie ſind ſtets in größerer oder geringerer Anzahl vorhanden und dienen der Production von Ei— zellen. Von der Spitze gegen die Baſis, d. h. nach der Ausmündungsſtelle in den Eileiter (oviductus, b) nehmen ſie an Umfang allmählich zu und bilden eine an der Spitze in einen Faden auslaufende Keule oder Pfrieme, welche ent— 383 ſprechend der Menge der beherbergten Eier mehr oder minder zahlreiche Einſchnürungen zeigt. Mittelſt des oberwähnten Fadens ſind die Ovarien an der Hinterleibsbaſis befeſtigt Fig. 383. — Fig. 1. Weibliche Geſchlechtsorgane eines Scoly- tus (Splintkäfer) nach Prof. Lindeman. — Fig. 2. Männ⸗ liche Geſchlechtsorgane des achtzähnigen Borkenkäfers, Tomieus Typographus. — Fig 3. Weibliche Geſchlechts⸗ organe des Kiefernſpinners, Gastropacha pini, mit ge⸗ trennt unter einander ausmündender Begattungstaſche (d) und Scheide (e) — Fig. 4. Männliche Geſchlechtsor⸗ gane eines Maikäfers nach Gegenbaur. Fig. 5. Männ⸗ liche Geſchlechtsorgane des braunen Rüſſelkäfers, Hylobius abietis nach Judeich-Nitſche — Fig. 6. Hoden eines Schwimmkäfers nach Burmeiſter. In allen Figuren wurden mit a oder a“ die Geſchlechtsdrüſen (Eierſtöcke und Hoden) — mit b oder b‘ die Eier⸗, reſp. Samenleiter, — mit e oder e“ die Ausführungsgänge bezeichnet. Ferner bezeichnet: b* Nebenhoden; — d Begattungstaſche (bursa copulatrix); — e Samentaſche (receptaculum seminis); f Kittdrüſen, f“ drüſige Anhänge bei den männlichen Geſchlechtsorganen. In Fig 3. * Verbindungscanal zwiſchen Scheide (e) und Begattungstaſche (d). Erſtere läßt die Eier austreten, die letztere dient zur Aufnahme des männlichen Gliedes. 384 Geſchlechtsorgane. und ſo bezüglich ihrer Lagerung fixiert. Die Entwicklung der Eier erfolgt in ihnen reihen— weiſe und hinter einander, ſo daſs das be— fruchtungsreife Ei unmittelbar vor der Ein— mündung des Eileiters lagert, während die jüngeren bis jüngſten noch in der Entwicklung begriffenen nach Verhältnis des Reifegrades allmählich weiter gegen die Spitze der Eiröhren zurücktreten. Zahl und Länge der den Eierſtock zuſammenſetzenden Eiröhren, die Art und Weiſe, wie dieſe letzteren zu den Eileitern in Verbin— dung treten, und endlich die Größe der Eier— production beeinfluſſen und bedingen die Form der Eierſtöcke. Wohl die auffallendſte Abwei— chung vom normalen Baue tritt uns beim ſog. Eikelch entgegen, indem die einzelnen Eiröhren durch Inſerierung mit dem Eileiter entweder zur Gänze von demſelben aufgenommen und zu einem einzigen Stücke mit demſelben ver— ſchmolzen ſind, wie z. B. bei Melos, dem be— kannten Maiwurm oder Olkäfer; oder aber ſeit— lich der Länge nach mit ihren Baſen dem Ei— leiter inſeriert ſind, wie dies bei den Arten der Gattung Dytiscus, den Schwimmkäfern, der Fall iſt. Einzeln oder paarweiſe, oder in Gruppen zuſammengedrängt, münden die Eiröhren in die paarig vorhandenen Eileiter (b und b) und bilden ſo zwei gleichwertige Ovarienſtämme (a a). Dieſe vereinigen ſich zu einem gemein— ſchaftlichen Ausführungsgang ce, einem un— paaren Eileiter; er mündet am Hinterleibs— ende in eine Scheide (vagina), welche auch taſchenförmig erweitert ſein kann und in dieſem Falle eine Begattungstaſche, Bursa copu— latrix, bildet (Fig. 3d). Gewöhnlich aber fehlt ſie und es iſt nur die Scheide vorhanden, welche dann ſowohl der Begattung (Aufnahme des männlichen Gliedes) als auch dem Eierdurchgang dient. Bei den Lepidopteren iſt die Begattungs— taſche regelmäßig vorhanden. Bei ihnen findet daher der Austritt des Eies durch die Scheide ſtatt, während die Begattung durch die eigens zu dem Zweck vorhandene, unterhalb der Scheide ausmündende und mit dem Ausführungsgange durch einen Canal (*) in Verbindung ſtehende Begattungstaſche (d) erfolgt. Von großer Bedeutung iſt die Samentaſche (receptaculum seminis) e; ſie ſteht ebenfalls durch einen engen Gang mit dem Ausführungsgange, dem un— paaren Eileiter, in Verbindung, kann in der Ein⸗ oder Mehrzahl vorhanden ſein und fehlt nur wenigen Inſecten gänzlich. Die Samen— taſche ſtellt ſich in den meiſten Fällen als eine ſackförmige, ungetheilte Erweiterung ihres Ver— bindungscanales dar; ſeltener iſt ſie getheilt oder es treten Drüſenanhänge hinzu. Sie dient als Behälter für den männlichen Samen. Endlich finden ſich bei den weiblichen Geſchlechtsorganen noch die ſog. Kittdrüſen F (glaudulae seba- ceae), welche nach Zahl, Größe und Form zwar ſehr verſchieden ſein können, aber ſtets nur dem einen Zweck zu dienen haben: der Be— feſtigung und dem Schutze der Eier bei und nach ihrem Austritte aus der Scheide. Die männlichen Geſchlechtsorgane weiſen eine ganz ähnliche Gliederung wie die eben beſprochenen weiblichen auf. Geſchlechts— drüſen bilden Hoden (a“), welche aus einer größeren oder geringeren Anzahl von an Stelle der Eiröhren tretenden Samenſchläuchen beſtehen und nach Form und Größe nicht minder ab— weichen wie die Ovarien. Sie dienen der Pro— duction des männlichen Samens, ſind mindeſtens zu Zweien, häufig ſogar in Mehrzahl vorhan— den (Fig. 2, 4, Ba“ und ſtellen ebenfalls zwei Hauptſtämme, die Samenleiter, b', dar. Beide Samenleiter erweitern ſich kurz vor ihrer Ver— einigung zum Hauptausführungsgang oder unpaaren Samenleiter (e“) zu einer Samen— blaſe b“ oder knäueln ſich wohl auch vorher noch zum Nebenhoden auf (Fig. 6). Außer⸗ dem finden ſich bei den männlichen Geſchlechts⸗ organen noch Schleimdrüſen (x), deren Be— deutung nicht mit Sicherheit erkannt und deren Zahl und Form ſehr veränderlich iſt. Die Fortpflanzung der Inſecten geſchieht ausſchließlich durch Eier, welche — von den ver— hältnismäßig nur wenigen Ausnahmsfällen ab⸗ geſehen — auf Befruchtung durch männlichen Samen angewieſen ſind, wenn fie ſich zum Em- bryo ſollen entwickeln können. Es mufs eine Verbindung der beiden Geſchlechter, Copula, vorausgehen. Dies iſt die gewöhnlichſte Form der Fortpflanzung und wird als gamogenetiſche oder kurzweg als Gamogeneſis (f. d.) bezeichnet. Ihr gegenüber ſteht jene minder häufige Form der Parthenogeneſis (ſ. d.) oder Jung ffern⸗ zeugung, wobei das Ei einer Anregung von außen, einer Befruchtung durch männlichen Samen nicht bedarf, um ſich zum Thierindivi— duum entwickeln zu können. Von einer nam⸗ haften Anzahl von Inſecten ſind die männ— lichen Individuen gar nicht bekaunt; bei dieſen geſchieht mithin die Fortpflanzung, wie es ſcheint, auf parthenogenetiſchem Wege (Chermes, Cynips). Der in den Hoden gebildete, als Samen— fäden (Spermatozoen) austretende männliche Same wird faſt ausſchließlich in Form von Spermatophoren (Samenpatronen), d. h. in einer feſten Umhüllung, welche durch Seerete der Anhangdrüſen gebildet werden, auf das weib— liche Individuum übertragen. Die Befruchtung erfolgt demnach in der Regel nicht durch directe Übertragung des männlichen Samens auf die Eizelle, ſondern durch die Copula wer- den lediglich nur die Samentaſchen des Weibchens mit Samen vorrath verjorgt. Un⸗ mittelbar nach erfolgter Begattung ſchreitet das Weibchen zur Eierablage und erſt beim Vor— übergleiten des Eies am Ausmündungsgange der Samentaſche wird dasſelbe mit dem aus— tretenden männlichen Samen verſorgt und be— fruchtet. Erfolgt die Entwicklung des Embryo inner— halb des Mutterkörpers, wird mithin das In— ject nicht als Ei, ſondern in einem vorgeſchrit— teneren Entwicklungsſtadium, z. B. als Larve geboren, ſo bezeichnet man dieſe Form als Larviparität. Sie kommt bei mehreren Juſee— ten vor, z. B. bei den Lausfliegen, Blatt- läuſen u. a. Bei Parthenogeneſis bedarf die Eizelle, um ſich zum Embryo entwickeln zu können, einer Befruchtung überhaupt nicht und bildet ent- weder, ſo weit bekannt, die ausſchließliche . ˙—ʒũ᷑ę . w. —?;V7L» Geſchlechtsvormundſchaft. — Geſchleife. Form der Fortpflanzung oder tritt in Verbin— dung mit Gamogeneſis auf: in dieſem Falle geſtaltet ſich der Entwicklungseyklus nicht ſelten ſehr compliciert. Eine beſondere Form der Parthenogeneſis iſt jene der Pädogeneſis. Sie iſt dadurch charakteriſiert, daſs das betreffende Mutterthier Fortpflanzungsfähigkeit bereits be— ſitzt, noch bevor es zur vollſtändigen Imago geworden iſt. Solche Fälle kommen beiſpielsweiſe bei einigen Fliegenlarven vor. Wo Parthenogeneſis abwechſelnd mit ge— ſchlechtlicher Fortpflanzung auftritt, liegt ein zwingender Grund für die erſtere umſoweniger vor, als Gamogeneſis die beiden Geſchlechter mit normal entwickelten Geſchlechtsorganen zur Vorausſetzung hat, der Befruchtung des Eies daher ein Hindernis nicht im Wege ſteht. Die Ver⸗ bindung parthenogenetiſcher und geſchlechtlicher Fortpflanzung kann eine nur ausnahmsweiſe jein oder ſie tritt regelmäßig auf. Der erſtere Fall kommt z. B bei einer Anzahl von Groß⸗ ſchmetterlingen, Schwärmern, Spinnern (Sphin- ges, Bombyces) u. a. vor, indem aus Puppen gezogene weibliche Thiere ohne vorausgegangene Begattung nicht ſelten entwicklungsfähige Eier abſetzen, aus denen vollkommen normal ausge⸗ bildete Schmetterlinge gezüchtet werden können. Für den zweiten Fall, wo Parthenogeneſis regelmäßig mit Gamogeneſis verbunden iſt, bieten die geſellig lebenden Hymenopteren, Cyni- piden, einige Pſychiden und Tineen intereſſante Beiſpiele; ſie führt entweder zur Arrenotokie (Männergeburten) oder zur Thelytokie (Gebur- ten ausſchließlich weiblicher Individuen). So 3. B. ergeben bei der Honigbiene befruchtete Eier ausnahmslos weibliche Thiere (Königinnen und Arbeiterinnen), die unbefruchteten (partheno- genetiſchen) ebenſo ausſchließlich männliche Ge- ſchlechter, Drohnen. Wenn daher die Königin eines Stockes ihre Eier durch den Eierleiter aus— treten läſst, ohne ſie während des Durchganges mit Samen zu verſehen, ſo tritt Drohnen— brütigkeit ein, d. h. es fehlen die dem Stocke unentbehrlichen Arbeiterinnen; der Stock iſt wertlos. Bei manchen Inſecten tritt der um⸗ gekehrte Fall ein, indem die parthenogenetiſche Form lauter weibliche Geburten zur Folge hat (Thelytokie). Bei den Blattläuſen ſchiebt ſich, wie ſchon oben erwähnt, zwiſchen die geſchlechtliche parthenogenetiſche Zeugung ein, welche dadurch ausgezeichnet iſt, daſs dieſen Mutterthieren das Receptaculum seminis fehlt, jo dass Eibefruch— tung ausgeſchloſſen iſt. Die Nachkommenſchaft wird nicht als Ei geboren, ſondern es kommen lebende Junge zur Welt, indem die Entwick— lung des Embryo ſchon in den Eierröhren vor ſich geht. Solche Blattlausmütter nennt man Ammen oder Ammenmütter. Schiebt ſich Par— thenogeneſis in beſtimmter, geſetzmäßiger Reihen— folge in den Entwicklungsgang ein, dann be— zeichnet man denſelben als einen zuſammen⸗ geſetzten oder Heterogonie. Die den nor— malen Entwicklungsgang charakteriſierenden Er— ſcheinungen (Gamogeneſis mit Ei, Larve, Puppe, Imago) wiederholen ſich nicht in einer jeden der aufeinander folgenden Bruten, es treten vielmehr mit dieſen normalen auch ſolche Ent- wicklungsformen, u. zw. in rhythmiſcher Ab— Dombrowski. Enchflopädie d. Forſt⸗ u. Jagdwiſſenſch. IV. Bd. 385 wechslung auf, welche einen von dem normalen weſentlich abweichenden Charakter an ſich tragen. Als einfachſte Formen der Heterogonie können jene gelten, bei denen Gamogeneſis mit Parthenogeneſis wechſelt. Solche Fälle kommen bei einer Anzahl von Gallweſpen, z. B. bei Biorrhiza terminalis (ſ. d.), Pediaspis aceris (. d.) vor. Schon complicierter geſtaltet ſich der Entwicklungsgang bei den Blattläuſen, wo ſich oft eine ganze Reihe parthenogenetiſcher Bru— ten zwiſchen zwei gamogenetiſchen einſchiebt (Pädogeneſis), und als Beiſpiel hochentwickelter Heterogonie möge auf den Entwicklungsgang der Phylloxera vastatrix, Reblaus, hingewieſen werden: Gamogeneſis erzeugt das Winterei (Herbſt); aus dieſem entwickelt ſich im Früh— jahre ein ungeflügeltes, parthenogenetiſches Weib— chen, die Stammmutter der Wurzelbrut; ſie hat eine Reihe parthenogenetiſcher Geburten im Gefolge, aus denen theilweiſe wiederum Geſchlechtsthiere hervorgehen, indem ſich aus den von ihnen abgeſetzten Eiern ſowohl männ— liche als weibliche Individuen entwickeln. Hſchl. Geſchlechtsvormundſchaft (cura sexus) iſt die Vormundſchaft über großjährige unver— heiratete Frauensperſonen. Dieſelbe iſt dem römiſchen Recht fremd, während nach deutſchem Recht die Frauen wegen ihrer Schwäche und Unerfahrenheit unter ſteter Vormundſchaft (mun— dium) des Vaters, des Ehemannes, bezw. des Vormundes, ſtanden. Die Geſchlechtsvor— mundſchaft iſt nicht, wie die Vormundſchaft über Minderjährige, eine Vermögensverwaltung, ſondern nur ein Rechtsbeiſtand bei Handlungen der Frauen in Sachen der freiwilligen und ſtreitigen Gerichtsbarkeit. Solche Handlungen ſind bei Unterlaſſung der Zuziehung des Vor— mundes nichtig. Man unterſcheidet die cura sexus generalis und specialis, je nachdem die— ſelbe eine dauernde, oder nur für einen beſon— deren Act beſtellte iſt. Die Wahl des Vormundes, welche der gerichtlichen Beſtätigung bedarf, ſteht der Frau frei, ebenſo die Entlaſſung des- ſelben. Eine Verpflichtung zur Übernahme einer Geſchlechtsvormundſchaft beſteht nicht. Die Geſchlechtsvormundſchaft, welche nach der Erwähnung derſelben in der Civilproceſs— ordnung noch nach einzelnen Particularrechten zu beſtehen ſcheint, iſt beim Gewerbe- und Handelsbetriebe ſowie im Civilproceſſe durch die Reichsgeſetzgebung ausgeſchloſſen. At. Geſchleife, das. J. S. v. w. Röhre bei einem Bau, auch ſyn. m. Bau. „Ein paar Dachshunde, die gut ſchleiffen und vor dem Dachs im Geſchleif wohl liegen bleiben.“ Pärſon, Hirſchger. Jäger, 1734, fol. 70. „Der Dachs, der hat ſein Lager im Keſſel im Bau, man ſagt auch Geſchleife.“ Chr. W. v. Heppe, Aufr. Lehrprinz, p. 107. — „Röhren oder Gſchleiffe heißen die Eingänge oder Löcher in einem Dachs- oder Fuchsbau.“ Chr. W. v. Heppe, p. 302. — Winkell, Hb. f. Jäger, III., p. 1, 831. II. S. v. w. Geſchleppe, ſ. d. „In größeren Entfernung vom Luderplatze in verſchiedenen Richtungen auf die Hauptwechſeln der Füchſe ein Geſchleife zu veranſtalten . . .“ Diezel, 25 386 Geſchleppe. — Geſchmacksſinn. Niederjagd, II. Abth., p. 139, 140. — R. R. v. Dombrowski, Edelwild, p. 187. — Sanders, I., p. 952. E. v. D. Geſchleppe, das. I. S. v. w. Geſchleife II: „Geſchleppe iſt dieſes: es wird ein Luder oder ſonſt etwas, ſo einen Geruch von ſich gibt, an eine Scheune gebunden und vor dem Holz hergeſchleppt. Trifft nun ein Raubthier auf das Geſchleppe, und iſt ihm dieſes nach Appetit geſchickt, ſo ſuchet es auf dem Geſchleppe nach und kommt zur Grube, Falle, Eiſen oder zum Schußs, nach— dem das Geſchleppe gemacht. worden.“ Chr. W. v. Heppe, Wohlred. Jäger, p. 180. — Hartig, Lexik., p. 220. — Behlen, Real- und Verb.⸗Lexik., V., p. 497; U., p. 217. — Dom⸗ browski, Fuchs, p. 185. II. Eine Fährte oder Spur im Schnee, bei der man das Nach ſchleppen des Laufes, w. beim Fuchs jenes der Lunte ſieht; ſelten. „Im Schnee und tiefen Sande macht der Hirſch ein breiteres und tieferes Geſchleppe denn das Thier.“ Döbel, Jägerpraktika, Ed. I, 1746, I., fol. 11b. — Sanders, Wb., p. 955. E. v. D. Geſchlinge, das, ſ. v. w. Geräuſch, ſ. d., ſelten. Fleming, T. J., 1729, fol. 109. — Bechſtein, Hb. d. Jagdwiſſenſchaft, I., 1., p. 102. — Schmeller, Bayr. W., III., p. 454. — Sanders, Wb., II., p. 961. E. v. D. Geſchloſſen, adj. part. J. vom Rothwild: geſchloſſen gehen (auch beſchloſſen: „Wenn der Hirſch langſam gehet, läſſet er die Schalen nicht auseinander, und dieſes nennt man: der Hirſch geht geſchloſ— ſen.“ Chr. W. v. Heppe, Wohlred. Jäger, p. 180. — Großkopff, Weidewerckslexikon, p. 137. — Hartig, Lexik., p. 220. II. Von den Treibern: „Geſchloſſen gehen ſagt, daſs die Treiber zuſammenhalten müſſen und keine Lücke machen.“ Chr. W. v. Heppe, 1. e. III. „Geſchloſſene Jagd iſt eine ſolche, die mit Zeug umſtellet iſt.“ Chr. W. v. Heppe, 1. e. IV. „Eine offene Revier, worin aber ſonſt niemand als der, deme die Jagd zugehört, jagen darf, heißt auch eine geſchloſſene Jagd.“ Chr. W. v. Heppe, I. e. — Sanders, Wb., II., p. 937. S. a. ſchließen. E. v. D. Geſchmacksſinn. Er dient mit dem Ge— ruchsſinn und den ſenſiblen Erregungen der Mundſchleimhaut den Thieren zunächſt als Führer bei der Auswahl des Futters, ferner dienen die durch den Geſchmacksſinn vermit— telten Empfindungen, ſoweit ſie angenehmer Natur ſind, als Antriebe zur Futteraufnahme, endlich wird ſowohl durch die Geſchmacksnerven reflectoriſch als auch durch die Geſchmacksem— pfindungen die Secretion von Verdauungsſäften (Speichel) veranlaſst. Das Geſchmacksvermögen iſt nur der Schleimhaut des Anfangstheiles des Verdauungstractes, u. zw. beſtimmten Theilen der Mund- und Rachenſchleimhaut eigen: die ſchmeckbaren Subſtanzen müſſen, damit eine Geſchmacksempfindung entſtehe, in flüſſiger oder gelöster Form direct mit der entſprechenden Schleimhaut in Berührung kommen, unlösliche Subſtanzen ſind vollſtändig geſchmacklos. Um die Theile der Mundſchleimhaut, welche mit Geſchmacksvermögen ausgeſtattet ſind, zu be— ſtimmen, hat man an Thieren und vor allem aber bei Menſchen ſorgfältige Experimente an— geſtellt; als Hauptſitz des Geſchmackſinnes iſt die Gegend der Papillae circumvallatae (Zun⸗ gengrund) und die der Papilla foliata (hinterer Theil des Zungenrandes) anzuſehen, ferner ſind bei den meiſten Individuen geſchmacks— fähig die Zungenſpitze, die Zungenränder, die vordere Fläche des Gaumenſegels und die vor— deren Gaumenbögen, die übrigen Theile der Zunge und des Rachens ſind nicht bei jedem Individuum mit Geſchmacksvermögen verſehen. Die angeführten geſchmacksfähigen Theile der Mund- und Rachenſchleimhaut ſind anatomiſch durch das Vorkommen der ſog. „Schmeck— becher“ ausgezeichnet. In großer Menge be— ſitzen dieſe die Papillae circumvallatae, in geringer Menge die Papillae fungiformes, die Papilla foliata, ferner ſind dieſelben auch in der Schleimhaut des hinterſten Abſchnittes, des Zungenrückens, des Kehldeckels und des weichen Gaumens gefunden worden; ſie ſitzen innerhalb des Epithels, haben die Form von Kolben mit kurzen Hälſen, der Körper derſelben ſtößt an das Bindegewebe und iſt ſo wie der Hals von Epithelzellen umgeben; der letztere iſt von einem Canal, dem Porus, durchbohrt, deſſen Durch— meſſer 00064 — 00198 mm beträgt. Zweierlei Zellen bilden dieſe Schmeckbecher, welche auch als „Geſchmacksknoſpen“ bezeichnet werden; die der einen Art, die Geſchmackszellen, liegen im Innern und ſind dünn und lang, ſtark licht— brechend, ſie beſitzen einen haarförmigen peri- pheren Fortſatz, welcher im Porus liegt, und einen veräſtelten centralen Fortſatz, der Kern erfüllt die Zelle beinahe ganz; die der zweiten Art, die Deckzellen, liegen außen und ums geben die inneren wie die Deckblätter einer Knoſpe den Inhalt, ſie ſind ſpindelförmig und gebogen, das äußere Ende iſt zugeſpitzt, das innere manchmal veräſtelt, ſie habeu einen deut— lichen Kern. Zwiſchen den Epithelzellen führt zu dem Porus ein kleiner Canal. Das um— gebende Gewebe iſt ungemein nervenreich, in dem Nervengeflecht kommen zahlreiche Ganglien— zellen vor; zu den Geſchmacksbechern ſelbſt je— doch zieht nur der geringſte Theil dieſer Nerven, jo dajs man bezüglich der Function der übrigen größeren Nervenmaſſe durchaus nicht im Klaren iſt. Man hat den Zuſammenhang von Nerven- faſern mit den Schmeckbechern, ja mit den Ge— ſchmackszellen ſelbſt beobachtet. Um zu er— mitteln, von welchen Nerven die Geſchmacks— faſern ſtammen, hat man ſehr ſorgfältige und zahlreiche Experimente an Thieren und Beob- achtungen am Krankenbett ausgeführt. Bei den Unterſuchungen der Schleimhautſtellen auf Ge— ſchmacksfähigkeit iſt große Vorſicht nothwendig, da die unterſuchten Subſtanzen häufig nicht allein den Geſchmacksſinn, ſondern auch den Geruchs- und Gefühlsſinn erregen; man nimmt daher zur Unterſuchung ſolche Subſtanzen, welche geruchlos ſind, keine beſonderen Gefühls— empfindungen hervorrufen, und bei Thieren außerdem ſolche, welche keine auffallende Farbe haben; ob ſie den Gefühlsſinn erregen, prüft Geſchmeiß. man nach Chevreul dadurch, daſs man unter— ſucht, ob Schleimhauttheile der Mundhöhle, welche keine Geſchmacksempfindung hervorrufen, durch die Subſtanzen erregt werden. Dieſen Anforderungen entſprechen am beſten die bit— teren Subſtanzen, beſonders das Chinin, ſelten werden ſauere benützt. Man durchſchneidet die— jenigen Nerven, welche die mit Geſchmacks— fähigkeit ausgeſtatteten Schleimhauttheile ver— ſorgen, und prüft ſorgfältig erſt einige Zeit nach der Operation dieſe letzteren auf das Vor— handenſein von Geſchmacksvermögen, oder man unterſucht die peripheren Aſte, ob degenerierte Faſern in denſelben enthalten ſind, ferner ob die Schmeckbecher infolge der Durchſchneidung eine Veränderung erlitten haben. Trotzdem bis in die neueſte Zeit immer wieder Beobachtun— gen veröffentlicht werden, nach welchen der Nervus trigeminus auch Geſchmacksſaſern ent⸗ halten ſoll, iſt dennoch durch eine Reihe überein— ſtimmender Experimente und Beobachtungen feſt— geſtellt, daſßs der Nervus glosso-pharyngeus der alleinige Geruchsnerv iſt, nach deſſen Durch— ſchneidung die Geſchmacksempfindungen voll— ſtändig verſchwinden, ſo daſs z. B. Katzen mit dem ſo bitteren Chinin verſetzte Milch auf— nehmen, die ſie vor der Durchſchneidung voll— ſtändig verſchmähen. Zur Erregung der Geſchmacksnerven und ihrer peripheren Endapparate hat man alle gebräuchlichen Erregungsmittel verſucht; man hat bei der elektriſchen Reizung nicht wie ge— wöhnlich die Inductionsſtröme, ſondern con— ſtante Ströme angewendet, weshalb die erhal— tenen Reſultate nicht vollſtändig klar zu deuten ſind. Bei den entſprechenden Verſuchen wurde die Anode oder die Kathode auf die geſchmack— empfindende Stelle (beſtimmte Theile der Zunge) gebracht, der Strom hindurchgeſendet und die auftretende Geſchmacksempfindung beobachtet; lag die Anode auf, ſo wurde nahezu ſtets ein ſäuerlicher Geſchmack empfunden, dagegen er— zeugte die Kathode in der Regel metalliſchen Geſchmack; Ritter gibt ferner an, daſs nach der Offnung des Stromes eine Umkehrung des Geſchmackes ſtattfinde, v. Vintſchgau beſtätigt dieſe Beobachtung. Bei Anwendung des con— ſtanten Stromes bei feuchten Leitern iſt her— vorzuheben, dajs die durch ihn hervorgerufene Elektrolyſe nicht überſehen werden darf; nur die Offnung und Schließung ſo ſchwacher conſtanter Ströme wirkt, wie wir wiſſen, erregend für die Nerven, und da bei den beſprochenen Verſuchen nur von dauernden Ge— ſchmacksempfindungen berichtet wird, ſo können dieſe nur der Elektrolyſe zugeſchrieben werden; jedoch die bei der Offnung des Stromes von Ritter und v. Vintſchgau angegebene Geſchmacks— veränderung muß einer directen Erregung der Geſchmacksnerven zugeſchrieben werden. Exacte Reſultate konnten alſo bei der elektriſchen Rei— zung ebenſowenig erhalten werden wie bei der mechaniſchen und thermiſchen Reizung. Nur durch die geſchmackerregenden, die ſchmeckbaren Subſtanzen können wir ſämmtliche Geſchmacks— empfindungen hervorrufen; welchen phyſikali— ſchen oder chemiſchen Eigenſchaften dieſe Sub— ſtanzen ihre Schmeckbarkeit verdanken, wiſſen vögel. „Loſung, auch Gelos .. 387 wir nicht, wir kennen nur einige Bedingungen, welche erfüllt ſein müſſen, damit die Subſtanzen geſchmeckt werden können. Sie müſſen in flüſſi— ger Form einwirken, indem ſie entweder ſelbſt flüſſig, oder in einer Flüſſigkeit gelöst ſind, ab— ſolut unlösliche Subſtanzen können keine Ge— ſchmacksempfindungen hervorrufen. Die Ein— theilung der ſchmeckbaren Subſtanzen fällt mit jener der Geſchmacksempfindungen ſelbſt zuſam— men; es ſind früher ſehr verſchiedene Arten derſelben angenommen worden, heutzutage ſind vier Hauptgeſchmäcke aufgeſtellt, der ſüß e, der bittere, der ſalzige und der ſaure; die beiden erſteren werden von allen als reine Ge— ſchmacksempfindungen angeſehen, während von den beiden letzteren viele annehmen, daſs fie auch bei ſchwacher Concentration Gefühlsnerven mit erregen. Wie auf dem übrigen Gebiete der Sinne, ſo macht ſich auch beim Geſchmacksſinn die Anſicht geltend, daſs die verſchiedenen Arten von Geſchmacksempfindungen auch von verſchie— denen Geſchmacksfaſern hervorgerufen werden, wobei es denkbar iſt, daſs eine Subſtanz mehrere Faſern, jedoch verſchieden ſtark erregen kann. Dieſe Annahme läſst die Beobachtung verſtehen, dass mehrere Subſtanzen an der Zungenſpitze einen anderen Geſchmack erzeugen als am Zungen— grund, da wahrſcheinlich die Vertheilung der Geſchmacksfaſern nicht an allen Orten die gleiche iſt und ſomit an verſchiedenen Orten der Zahl nach verſchiedene Faſern überwiegen und daher auch die von ihnen erzeugten Em— pfindungen. Je größer die von den ſchmeckbaren Subſtanzen erregte Fläche iſt, um jo intenſiver iſt die erzeugte Geſchmacksempfindung; unter— ſtützt wird die Erregung durch die Bewegung der ſchmeckbaren Subſtanzen in der Mundhöhle und durch Anpreſſen der von der Subſtanz be— deckten geſchmackempfindenden Theile gegenein— ander; auch die Erregbarkeit der. Geſchmacks— nerven iſt veränderlich, ſo ſetzt Kälte dieſelbe herab. Es iſt ſehr ſchwer, die geringſte Menge einer ſchmeckbaren Subſtanz zu beſtimmen, welche noch eine deutliche, für ſie charakteriſti— ſche Geſchmacksempfindung hervorruft, man kann ſie nur annähernd ſchätzen; ſo fand z. B. Ea— merer, daſs noch 0˙029 mg Chinin eine bittere Empfindung erzeugen konnten. Man hat auch die „Reactionszeit“ einer Geſchmacksempfindung beſtimmt, d. h. die Zeit, welche vom Momente der Anwendung des Reizes bis zum Auftreten der entſprechenden Empfindung verfließt; für die durch den elektriſchen Strom erzeugte Ge— ſchmacksempfindung fand v. Wittich und Grün— hagen die Reactionszeit gleich 0167 Secunden, v. Vintſchgau und Hönigſchmid für Chinin am Zungengrund 0°502 Secunden. Wenn die Ge— ſchmacksnerven durch einen beſtimmten Ge— ſchmack erregt worden ſind, ſo werden ſie für andere Geſchmäcke oft mehr, oft weniger em— pfindlich, ſo erhöht z. B. nach J. Müller der Geſchmack des Käſes jenen des Weines u. ſ. w., ferner können verſchiedene Geſchmacksempfin— dungen einander compenſieren, ſo kann der ſaure Geſchmack durch Zucker . wer⸗ den u. ſ. w. Lbr. Geſchmeiß, das, die Löſung der Raub— Bei dem Raub⸗ 25 * 388 geflügel da heißet es das Geſchmeiſſe.“ C. v. Heppe, Aufr. Lehrprinz, p. 277. — Groß— kopff, Weidewerckslexikon, p. 138. — Chr. W. v. Heppe, Wohlred. Jäger, p. 181. — Onomat. forest. III. p. 1038. — Hartig, Lexik., p. 220. — Laube, Jagdbrevier, p. 278. — Sanders, Wb., II., p. 974, E. v. D. Geſchneide, das: „Geſchneide, Ge— ſchnaide, Gericht, auch Schneiſen benannt, iſt, wo man mit Bögeln, Dohnen oder Laufeln den Vögeln richtet.“ Chr. W. v. Heppe, Wohlred. Jäger, p. 181. — C. v. Heppe, Aufr. Lehr- prinz. p. 266. — Sanders, Wb., II., p. 985. E. v. D. Geſchoſs (auch Projectil genannt) iſt allgemein jeder mit dem Zweck der Vernichtung oder Beſchädigung eines mehr oder weniger entfernt ſtehenden Zieles fortgeſchleuderte Kör— per. Die älteren Geſchoſſe, wie Steine, Kugeln, Wurfſpieße, Wurfbeile, Wurfkeulen, Pfeile, Bolzen ze. — mögen fie nun mit der Hand oder mit beſonderen Vorrichtungen (Schleuder, Bogen, Blasrohr, Armbruſt ꝛc.) verſchoſſen werden — können hier unberückſichtigt bleiben, da uns weſentlich nur die aus Handfeuerwaffen geſchleuderten neueren Geſchoſſe intereſſieren. Bei dieſen Waffen bürgerte ſich neben der zu Anfang auch wohl noch verwendeten Stein— kugel ſehr bald die auch bei der Schleuder und der Armbruſt bereits gebrauchte Bleikugel als allgemein übliches Geſchoſs ein, da dasſelbe infolge ſeiner regelmäßigen Geſtalt und ſeines bedeutenden Eigengewichtes die meiſten Vor— theile für Regelmäßigkeit und Raſanz der Bahn darbot. Der Jahrhunderte lange Gebrauch dieſer Kugel als alleinige oder wenigſtens Hauptgeſchoſsform läſst es erklärlich erſcheinen, dass ſelbſt nach der Verdrängung derſelben durch das Langgeſchoſs (die geſchichtliche Entwicklung des letzteren ſ. Führung) der Name Kugel — wenn auch nicht ganz zutreffend — als gleich— bedeutend mit Geſchoſs gebraucht wird. Für den Jagdbetrieb ſind die Geſchoſſe in die aus Büchſen (ſeltener Flinten) zu ver— feuernden Einzelgeſchoſſe (Rundkugeln und Langgeſchoſſe) und in die aus Schrotgewehren zu verfeuernden Streugeſchoſſe (Schrote) zu unterſcheiden; letztere haben aus den oben an— geführten Gründen ſtets die Kugelform. Das Material der Geſchoſſe iſt durchgehends Blei, weil dasſelbe von den überhaupt in Be— tracht kommenden billigeren Stoffen das größte ſpecifiſche Gewicht beſitzt (daher große Quer— ſchnittsbelaſtung), ſich leicht bearbeiten (gießen, preſſen) läſst und durch ſeine Schmiegſamkeit beſondere Vortheile für gute Führung im Lauf und für gute (Stauch-) Wirkung im Wildkörper bietet; die für den beſonderen Zweck oft allzu große Weichheit kann durch Legierung mit Zinn, Antimon u. dgl. leicht beſeitigt werden, ohne dajs dadurch das ſpeeifiſche Gewicht in für die Wirkung praktiſch fühlbarer Weiſe herabgienge (ſ. Hartblei und Hartſchrot). Die Anfertigung der Einzelgeſchoſſe geſchieht ent— weder — wie beſonders für den Einzelverbrauch — durch Gießen (ſ. d.) in Guſsformen oder beſſer fabrikmäßig durch Preſſen in beſonderen Maſchinen aus entſprechend vorbereitetem Blei— Geſchneide. — Geſchoſs. draht; das Preſſen vermeidet die Bildung aller beim Gießen leicht entſtehenden inneren und äußeren Höhlungen und Unregelmäßigkeiten und iſt daher für die Regelmäßigkeit des Schuſſes vortheilhaft. Das Gewicht der Rundkugeln aus Blei (ſpec. Gew. — 114) beträgt für Caliber 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 30 41 37 33 30 28 25 23 22 20 18 47 Gramm; je nach der Anfertigung und dem verwendeten Blei, jowie dem Spielraum etwas mehr oder weniger. Über die Anfertigung der Schrote ſ. d. Das moderne Langgeſchoſs für gezogene Gewehre beſteht aus dem hinteren eylindriſchen Führungstheil und der Spitze; die hintere Fläche des Geſchoſſes heißt Boden, die eylin— driſche Fläche Mantel, die in der Flugrichtung liegende Mittellinie Längsachſe. Die Spitze iſt entweder halbkugelförmig oder in verſchiedener Anordnung ſpitzbogenartig (ogival; vom franz. ogive = der gothiſche Gewölbebogen), früher auch wohl koniſch. Im allgemeinen iſt der Unterſchied zwiſchen den einzelnen Formen der Spitze nicht von ſo großer Bedeutung für die Flugbahn, wie man gemeinhin annimmt; der Einfluſs des Luftwiderſtandes (ſ. d.) auf ſehr raſch fliegende Geſchoſſe ſcheint derart zu ſein, daſs man durch geringe Abänderung der Spitzenform eine beſondere Wirkung nicht zu erzielen imſtande iſt; jedenfalls ſind Geſetze, nach welchen man auf Grund der Wirkung des Luftwiderſtandes die zweckmäßigſte Spitze con— ſtruieren könnte, bisher nicht mit hinreichender Sicherheit ermittelt und bleibt daher kein an— derer Weg übrig als der einer praktiſchen Er— probung. Letztere hat im Verlauf der Zeit zu der ziemlich allgemeinen Annahme der mehr oder weniger ſpitz zulaufenden Bogen- (auch Eichel-) Form geführt, deren vorderſtes Ende zuweilen und neuerdings wie in früherer Zeit (Minis) wieder häufiger platt abgeſchnitten wird. Auch für das Eindringen in feſte Gegenſtände iſt das Verhältnis ähnlich wie für den Luftwider— ſtand und iſt auch hier die zweckmäßigſte Form der Spitze nur auf praktiſchem Wege zu er— mitteln. Der vorn platt abgeſchnittenen Spitze dürfte für die beim Jagdgebrauch meiſt ange— wendeten ſchwächeren Ladungen wohl der Vor— theil des weniger leichten Abgleitens von ſchrä— gen Flächen (Baumſtämme und Aſte) ſowie der beſſeren Innehaltung der Richtung im Wild— körper zugeſprochen werden, obſchon genaue Verſuche hierüber im Vergleich mit ſpitzeren Geſchoſſen nicht vorliegen. Jedenfalls hilft die ſtumpfe Fläche die Stauchung des Geſchoſſes im Wildkörper vergrößern und trägt ſomit neben der Weichheit des Materials und der Länge der Geſchoſſe ſowie der Auftreffgeſchwin— digkeit zur Erzielung ſtark ſchweißender Wun⸗ den bei, ſo daſs das Caliber kleiner gewählt werden kann. Der durch das Abſchneiden der Spitze vermehrte Luftwiderſtand hat auf die Raſanz der Flugbahn erſt auf größeren bei der Jagd nicht in Betracht kommenden Entfernuns Zum Artikel „Geſchoſs“. 389 77 GGG Führung nad) Führung mittelſt Delvigne. Führung nach Pappſpiegel (preuß. ahn 9 nn Stauchung auf Thouvenin. Dorn⸗ Zündnadelgewehr Führung nach Berner. 1 und 2 Ring⸗ 8 s Fan x N . kugeln, 3 Flügeltugel, 4 Ovalgewehr. dem Kammerrand. gewehr. Zangblei). 1 2 3 4 5 Führung mittelit Expanſion. 1 und 2 mit Culot (Minie), 3, 4 und 5 ohne Culot, 6 nach Greener. — — III ee . Il] onsgeſchoſſe. am Fa — III Verſchiedene Formen moderner Jagdgeſchoſſe. 390 Geſchoſs. . gen weſentlichen Einfluſs und ſchadet auf den Jagdentfernungen nur unmerklich. Der eylindriſche Führungstheil iſt neuer— dings meiſt vollkommen glatt und von durch— weg gleichem Durchmeſſer, enthält indes zu— weilen eine oder mehrere Reifelungen zur Auf— nahme der Fettung und zum feſteren Sitz des Geſchoſſes in der metallenen Patronenhülſe; über anderweite dieſen Reifelungen zuerkannte Aufgaben ſ. Führung. Der Boden des Geſchoſſes iſt meiſt glatt abgeſchnitten, enthält jedoch zuweilen eine kleine Höhlung für die Expanſion oder auch nur zur Auf— nahme der Würgung der Papierumwickelung. Eine Verjüngung des Geſchoſſes nach hinten, wie man ſie, von der Annahme eines leichteren Luftabfluſſes ausgehend, deshalb für vortheil— haft hielt (ſ. Tafel „Geſchoſs“, preuß. Langblei), weil man die als günſtig erkannten Verhältniſſe eines Schiffsrumpfes ohne weiters auf das mit weit größerer Geſchwindigkeit in einem ganz anderen Mittel ſich bewegende Geſchoſs übertragen zu können glaubte, hat ſich nicht be— währt: die Bahn iſt im Gegentheil wegen ge— ringerer Querſchnittsbelaſtung weniger raſant. Durch Höhlungen im Gejchojs, durch Reife— lungen o. dgl. eine Verlegung des Geſchoßs— ſchwerpunktes bewirken zu wollen, iſt — ſo lange man an dem jetzigen Princip der rotie— renden Langgeſchoſſe feſthält — bei den großen Geſchwindigkeiten unſerer Geſchoſſe und der Natur des durch ſie hervorgerufenen Luftwider— ſtandes (j. d.) ohne praktiſchen Erfolg. Über die für den Jagdgebrauch zweck— mäßigſte Länge der modernen Geſchoſſe und das hiemit in Wechſelwirkung ſtehende Caliber gehen die Anſichten vielfach auseinander. Für die Militärgewehre hat die Entwicklung der Technik zu der Möglichkeit geführt, im Intereſſe raſanterer Flugbahn immer längere Geſchoſſe zu verwenden und dabei das Caliber im In— tereſſe leichterer Munition und geringeren Rück— ſtoßes zu reducieren; 28—32 mm lange Geſchoſſe von 8—10 mm Durchmeſſer bezeichnen etwa die jetzt erreichte Grenze. Jagdwaffen, deren Ge— ſchoſſe zu raſcheſter Tödtung, bezw. energiſchem Verbluten einen gewiſſen Durchmeſſer der Wunde herbeiführen ſollen, werden jenem Entwicklungs— gange der Militärgewehre wohl nicht bis zur äußerſten Grenze folgen können, wenn auch bei längeren und mit genügender Geſchwindigkeit auftreffenden Weichbleigeſchoſſen die im Wild— körper eintretende Stauchung einen bedeutend größeren Wunddurchmeſſer als das Caliber mit Sicherheit wenigſtens beim Ausſchuſs (ſ. d. und Einſchuſfs) und im Innern des Körpers der ſeitliche Druck gewaltige Zerſtörungen hervor— zurufen geeignet iſt, ſo daſs ſelbſt kleincalibrige Geſchoſſe genügend ſtarke Verwundungen her— beiführen (ſ. Brand und Büchſenſchuſs). Von der Rundkugel an, welche auch jetzt noch — nicht nur als Nothbehelf (ſ. Kugelſchuſs) — von manchen Jägern mit Vorliebe geführt wird, finden wir daher für den Büchſenſchuſs die mannigfachſten Abſtufungen in Caliber und Länge der Geſchoſſe im Gebrauch, jo zwar, dajs in der Regel mit wachſender Länge (bis zu 2 bis 2½ Caliber), der Durchmeſſer (bis zu 9 bis 10 mm) abnimmt und bei ſtärkerem Durchmeſſer (14—19 mm) die Länge (bis zu 1½, ja bis zu 1 Caliber) geringer iſt. Die kleincalibrigen Ge— ſchoſſe bedürfen, um ihre Stauchwirkung ſicher— zuſtellen und dadurch vergrößerte Wunden zu erzielen, jedenfalls einer gewiſſen abſoluten Länge, welche man wohl zu mindeſtens 22 mm annehmen kaun. Das Gewicht der Langgeſchoſſe ſchwankt demzufolge meiſt zwiſchen 20— 23 g, ſinkt indes auch bis zur Hälfte herab und ſteigt bis über das Doppelte (j. die Tabelle bei La— dungsverhältnis). Zuweilen ſucht man — beſonders bei Ver— wendung von Hartblei — die Stauchung im Wildkörper durch Expanſions- oder Hohl- geſchoſſe (ſ. d.) oder durch Geſchoſſe mit einem vorderen Kreuzſchnitt ſicherzuſtellen, oder endlich die Wirkung durch Exploſionsgeſchoſſe (ſ. d.) zu erhöhen; beides erſcheint für euro— päiſche Verhältniſſe weder nöthig noch auch weidmänniſch angemeſſen (j. Brand und Defor— mation); es genügt hier das einfache Lang— geſchoſs, deſſen Stauchwirkung, falls der Jäger dieſelbe nicht bereits durch Material, Länge und Auftreffgeſchwindigkeit in genügendem Maße der Widerſtandsfähigkeit des Ziels angepasst zu haben glaubt, auf ſehr einfache Weiſe noch durch Abſchneiden der Geſchoſsſpitze erhöht werden kann. f Da reine Weichbleigeſchoſſe im Lauf durch den Druck der Gaſe zu ſehr geſtaucht und damit gegen die Seelenwände gepreſst werden, jo dass ſchädliche Reibung entſteht und die Trefffähig— keit leidet (ſ. Führung), und da auch bei Haut- bleigeſchoffen dieſer Übelſtand nicht ganz zu vermeiden iſt, wenn dabei die Führung eine geſicherte bleiben ſoll, ſo ſuchte mun die zur ſicheren Führung im Lauf nöthige Weichheit des Materials (Stauchungsfähigkeit) mit der zur Verminderung der Reibung und Beſeitigung allzu ſtarker Stauchung nöthigen Härte der Oberfläche in einem Geſchoſs dadurch zu ver— einigen, dafs man das Innere aus Weichblei, die Oberfläche aber, den ſog. Mantel, aus Kupfer-, Nickel-, Stahl- ꝛc. Blech herſtellte. Dieſe zuerſt von dem preußiſchen Artillerie- Major Bode vorgeſchlagenen Mantelgeſchoſſe ergeben nur dann vollkommen befriedigende Re— ſultate, wenn der Mantel mit dem inneren Bleikörper feſt verbunden (verlöthet) iſt, da ſonſt der Mantel im Lauf der Waffe oder während des Fluges ſich leicht ablöſen kann; die Her— ſtellung ſolcher (verlötheten) Compound- oder Verbundgeſchoſſe (Patent von Lorenz in Karlsruhe) geſchieht derartig, daſs der Mantel, ähnlich wie die Metallpatronenhülſen, aus einem Kupfer-, Nickel- oder Stahlblechſtück in ver— ſchiedenen Fertigungsſtufen allmählich in die richtige Geſchoſsform gepreſst, demnächſt in: wendig verzinkt und ſchließlich mit Blei aus— gegoſſen wird; nach dem Gießen noch Preſſen der Füllung und Abſchneiden des Bodens. Dieſe Verbundgeſchoſſe zeigen einen vollkommen glatten cylindriſchen Führungstheil, eine bogen— förmige Spitze, deren vorderſtes Ende hin und wieder glatt abgeſchnitten iſt, und haben zu— weilen am Boden eine kleine Expanſionshöh— lung, um die Führung zu ſichern und das Vor- Geſchoſsbahn. — Geſchuhe. 391 beiſchlagen von Gaſen zu verhüten. Stahlver— bundgeſchoſſe ergeben eine Deformation beim Auftreffen erſt gegen ganz harte Ziele (härteſte Knochen, Stahlplatten); ſie ſind für die ſanfte Führung im Rohr nicht nur wegen der Glatt— heit und Härte ihrer Oberfläche und der Be— ſeitigung der ſchädlichen Stauchung, ſondern auch deshalb vortheilhaft, weil die Führung lediglich ans hintere Geſchoſsende verlegt werden kann, indem man dieſes allein im Durchmeſſer jo ſtark macht, dass die Felder einſchneiden, während der vordere Geſchoſstheil nur den Durchmeſſer von Feld zu Feld beſitzt, alſo nur im Lauf centrirt erhalten wird. Um das Lo— renz'ſche Patent (Verlöthung) zu umgehen, werden neuerdings ähnliche Geſchoſſe dadurch hergeſtellt, daſßs der Bleikern einfach in die (Stahl- ꝛc.) Hülle hineingepreſst und letztere am Boden umgebörtelt wird. Für den Jagd— gebrauch, bei welchem gewöhnlich eine gewiſſe Stauchung im Wildkörper erwünſcht iſt, ſind Mantelgeſchoſſe und ganz beſonders Stahlver— bundgeſchoſſe vortheilhafterweiſe nicht ohne— weiters verwendbar. Über Pfeil- und Turbinengeſchoſſe, ſ. Kugelſchuſs. Th. Geſchoſsbahn — Flugbahn, ſ. d. Th. Geſchoſseinſetzer oder Kugelſetzer (auch wohl Lademaſchinchen genannt) iſt ein kleines, für den Handgebrauch beſtimmtes Werkzeug zum geraden und genauen Einſetzen der Lang— geſchoſſe in Metallpatronenhülſen, damit weder Hülſen noch Geſchoſſe beim Laden deformiert werden; beſteht aus einer dem Caliber ent— ſprechenden ſtarken Hülſe mit zugehörigem Stengel; wird aus Meſſing oder hartem (Buchs— baum) Holz hergeſtellt, ſ. Laden. T Geſchoſseintritt nennt man bei gezogenen Läufen den meiſt koniſch geſtalteten Übergang aus dem weiteren Ladungs-, bezw. Geſchoſs— raum in die engere eigentliche Bohrung des Laufs; dieſer Übergangsconus, in welchen die Züge verlaufen, darf nicht zu ſteil angeordnet werden, damit die erſte Bewegung des Geſchoſſes möglichſt erleichtert und hiedurch die Gasſtöße abgeſchwächt werden, welche das Gewehr er— ſchüttern und die Trefffähigkeit beeinträchtigen (ſ. Vibration); ein zu ſteiler Übergangsconus iſt außerdem den Rückſtoß fühlbarer zu ge— ſtalten geeignet. 3 Über die Form dieſes Übergangsconus bei Schrotgewehren, ſ. Patronenlager. h. Geſchoſsform — Guſsform, ſ. d. Th. Geſchoſs führung, ſ. Führung. Th. Geſchoſsgarbe, ſ. Balliſtik II. Th. HGeſchoſswirkung beruht bei Handfeuer— waffen — wenn man von der Verwendung der Exploſionsgeſchoſſe abſieht — im weſentlichen auf der Durchſchlagskraft (ſ. d.) der Ge— ſchoſſe; außer dieſer kann als Nebenwirkung noch eine als Stauchwirkung zu bezeichnende, direct auf Zerreißung der Gewebe im Innern des Wildkörpers hinarbeitende Kraft, ſowie ein auf die Nervenverzweigungen ausgeübter Druck als auf Tödtung hinwirkend hinzutreten; über die Umſtände, unter welchen dieſe Nebenwirkungen auftreten, ſ. Brand. Th. Geſchränk, das und geſchränkt, adj. part., Zeichen des Rothhirſches, ſ. Schrank und ſchränken, ſeltener auch von anderem Wilde gültig. „Daz tut der hirsz mit wan der gat all wegen geschrenkt vnd daz czaichen ist ain gut czaichen vnd ist schrenk.“ Abh. v. d. Z. d. Hirſches, Cgv. no. 2952 a. d. XIV. Ihdt., fol., 104v. — „Er (der Hirsch) gehet allwegenn geschranckt, diss zeichenn nennen die jeger geschrenck vnnd ist am hirsch gewiss.“ Id., Stuttgart. Hs. a. d. XV. Ihdt., 20. — „Er (der Hirsch) schrit vil witer den ein hind vnd gat alweg ge- schrenket glich als ob ju sigint zwen.“ Id., Cgm. no. 558 v. J. 1462. — „Das czai- chen haisst das geschrenckt vnd ist ain gowyss vnd gut czaichen.“ Id., Cgm. no. 289 v. J. 1442. — „Das zeichen heisst Ge- schrenckt und ist gewiss.“ Noé Meurer, Ed. I, Pforzheim, 1560, fol. 95. — „Schren— ken ſagt man von den Hirſchen, wenn er trabt oder ſacht gehet, daſs die Fährte weit auf die rechte oder linke Hand gehet, nämlich: der Hirſch hat weit geſchränkt.“ J. Täntzer, Jagd— geheimniſſe, 1682, fol. XIb. — Fleming, T. J., 1729, I., Anh., fol. 110. — Pärſon, Hirſch— gerechter Jäger, 1734, fol. 14, 15, 23. — Döbel, Jägerpraktika, Ed. I, p. 1746, I., fol. 8 b. — Großkopff, Weidewerckslexikon, p. 138. — Chr. W. v. Heppe, Wohlred. Jäger, p. 331. — Bechſtein, Hb. d. Jagdwiſſenſchaft, I., 1., p. 97. — Winkell, Hb. f. Jäger, I., p. 30. — Hartig, Lexik., p. 450. — Laube, Jagdbrevier, p. 308. — Kobell, Wildanger, p. 488. — R. R. v. Dombrowski, Edelwild, p. 95. — Sanders, Wb. II., p. 1004. E. v. D. Geſchränkt, adj. part., von ſchränken, ſ. d., II., beim Stellen des Jagdzeuges: Ge— ſchränkt heißt es auch in einem anderen Ver— ſtande, nämlich, wenn mit dem hohen Zeuge geſtellet wird, ſo werden oftmals in Wechſel, wo es nicht gerade gehet, die beiden Oberleinen kreuzweiſe übereinander geſchlagen, damit ein Tuch das andere deſto beſſer halten und eine gerade Linie bringen hilft.“ Großkopff, Weide— werckslexikon, p. 138. — Döbel, Ed. I, 1746, II., fol. 37. — Chr. W. v. Heppe, Wohlred. Jäger, p. 332. — D. a. d. Winkell, Hb. f. Jäger, I., p. 42. — Hartig, Lexik., p. 450. — Laube, Jagdbrevier, p. 309. — S. a. ſchränken III. E. v. D. Geſchreijagd, die, ſelten für Treibjagd: „Geſchreijagd: ein Treibjagen, wobei das Wild durch Geſchrei und Rufe der Treiber aufgeſcheucht wird.“ St. Behlen, Real- u. Verb.⸗Lexik., VII., p. 241. — Sanders, Wb. II., p. 1008 b. E. v. D. Geſchröte, das, ſ. v. w. Kurzwildbret, ſelten. „Der Hirſch hat ein Geſchröt, und keine äußere Nkeren.“ Pärſon, Hirſchgerechter Jäger, 1734, fol. 18. — „Einige nennen die Teſtikel der Hunde und Raubthiere: Geſchröt“ Hartig, Lexik., p. 220, 255. — Bechſtein, Hb. d. Jagdwiſſenſchaft, I., I., p. 101. — Sanders, Wb., II., p. 1016. E. v. D. Geſchuhe, das, die Feſſeln des Beize— vogels. „Do solt och wissen, wenn du eynen wilden valken treist, so saltn das geschuhe so kurcz vnd so nohen vmb die vinger wyn- den, wen her sich swinge, das ym der 392 Geſchütte. — Geſchwindigkeit. czagil vber die hant icht gereichen moge.“ Abh. v. d. Beizjad a. d. XV. Ihdt., Cgv. no. 2977, fol. 172 r. — „Man söll machen des habiches geschuch vonn zweyen ur— wamschenn riemen, die eyes vingers lang seynd ...“ Ein schons buchlin von dem baissen. Straßburg, 1509, fol. 6. — Eberhard Tapp, Weydwerck vnnd Vederſpil, 1344, c. 1. — Nos Meurer, Ed. I, Pforzheim 1560, fol. 90. — ÖOnomat. forest., I., p. 1038. — Winkell, Hb. f. Jäger, II., p. 553. — Hartig, Lexik., p. 22. — Laube, Jagdbrevier, p. 278. — Sanders, Wb. II., p. 1018. E. v. D. Geſchütte, das, das geſchüttete Futter, ſ. ſchütten. „Die Winterfütterung von Erbſen heißt die Kürrung oder das Geſchütte.“ Bech— ſtein, Hb. d. Jagdwiſſenſchaft, I., 1., p. 146. — „Geſchütte nennt man die Fütterung der Sauen im Winter.“ Hartig, Lexik., p. 221. — Sanders, Wb., II., p. 2027. E. v. D. Geſchütze, das, ſ. v. w. Geſchühe, ſ. d., ſelten. „Geſchütze: Geſchühe der Falken.“ Onomat. forest., I., p. 1038. E. v. D. Geſchwindigkleit. Allgemeines über die Bewegung der Körper. Bei einer jeden Bewegung kommt in Betracht: das Bewegliche, die bewegende Kraft; der Weg des Beweglichen, die Richtung der Bewegung, die Dauer derſelben und deren Art und Geſchwindigkeit. Unter Ge— ſchwindigkeit wird ſtets jene Weglänge verſtan— den, die ein ſich fortbewegender Körper in einer Secunde zurücklegt. Nach dem Maße der Ge— ſchwindigkeit oder dem zurückgelegten Wege kann die Geſchwindigkeit eine gleichförmige oder eine un gleichförmige, letztere wieder eine beſchleunigte oder verzögerte ſein. Nimmt die Geſchwindigkeit im gleichmäßigen oder un— gleichmäßigen Verhältniſſe zu, ſo wird ſie als eine gleichförmig beſchleunigte oder un— gleichförmig beſchleunigte bezeichnet. Bei der veränderlichen Bewegung unterſcheiden wir noch eine Anfangs- und Endgeſchwindig— keit und es wird die am Ende der erſten Se— cunde erlangte Geſchwindigkeit, wenn die Be— wegung durch eine gleich große, conſtant wir— kende Kraft hervorgerufen wurde, die Accele— ration genannt. Nachdem die Schwerkraft mit Rückſicht auf die Größe des Erdhalbmeſſers als eine gleichbleibende Kraft angenommen werden kann, ſo iſt die Acceleration der Schwere die Endgeſchwindigkeit, die ein freifallender Körper in der erſten Secunde erlangt, und letztere mit 9:81 m berechnet worden. Auf einem Rieswege mit einem Durch— ſchnittsgefälle von 20—30%, gleiten Stämme oder längere Stammſtücke mit einer Geſchwindig— keit von 42—5'5 per Secunde. Auf Holzrieſen gleiten Scheiter bei einem Gefälle der Rieſe von 40% mit einer Ge— ſchwindigkeit von 10—12 m per Secunde, Dreh— linge mit einer ſolchen von 9—12 m und Klötze oder Stämme mit 3—5 m per Secunde. Die Endgeſchwindigkeit » der gleitenden Hölzer auf einer Weg- oder Holzrieſe iſt bei gegebenem Neibungscoäfficienten f, der Länge e, der Acceleration g und dem Neigungswinkel « * „e (sin & — f cos q) e. Auf Drahtrieſen gleiten Scheitholzbün— deln mit einer Geſchwindigkeit von 28—30 m per Secunde. Für Drahtſeilrieſen ſoll die Geſchwin— digkeit 4—6 m per Seeunde nicht überſchreiten und ſind dementſprechend die Bremsvorrich— tungen zu handhaben. Auf einer guten Schnee— bahn und bei einem Weggefälle von 7—45 % ſchwankt die Fahrgeſchwindigkeit der beladenen Handſchlitten zwiſchen 07—2'5 per Secunde. Das Aufwärtsziehen oder Tragen der leeren Schlitten erfolgt nach Maßgabe des Durchſchnittsgefälles mit: 0˙64—0˙83 m bei dem Gefälle von 5— 8%, 050 0% % % („„ „ „ß 0:33—0"46 " 2 7 „ „ 13—16 Y Dr 0% %% „ „ 1 per Secunde. 8 Die mittlere Geſchwindigkeit des Menſchen beträgt auf horizontaler Bahn 15m per Se— cunde, wenn derſelbe unbelaſtet iſt, und 0˙8 m, wenn derſelbe eine Laſt von 40 kg zu tragen hat. Erreicht die Belaſtung 60 kg, die ein Mann in wiederholten Gängen auf den Rücken trägt, um leer zurückzugehen, dann kann bei einer Ar- beitsdauer von 8 Stunden die mittlere Ge— ſchwindigkeit mit 0˙5 m, bei einer Arbeitsdauer von 10 Stunden mit 0˙35 m per Secunde be— meſſen werden. Unter der Vorausſetzung, dafs ein Mann eine gewiſſe Strecke nur beladen hin und ohne Laſt zurückgeht, vermag derſelbe auf horizon— talem Wege in 10 Arbeitsſtunden auf einem zweiräderigen Karren eine Laſt von 125 kg mit der mittleren Geſchwindigkeit von 0˙5 m, auf einer Rollbahn bei achtſtündiger Arbeitsdauer einen Rollwagen (Hund) mit 150 kg mit 0˙6 m und auf einem großen Hund 400 kg mit 0'3 m Geſchwindigkeit per Secunde fortzuſtoßen. Bei einer Arbeitsdauer von 8 Stunden vermag ſich ein unbelaſteter Mann auf einer ſanft anſteigenden Rampe oder Stiege mit der Geſchwindigkeit von 0˙16 m, bei der Belaſtung von 50 kg aufwärts, während er leer zurückkehrt, mit 0˙04 m, beim Fortbewegen eines mit 60 kg belaſteten Schiebekarrens auf einer Rampe unter der Neigung von ½e mit 0˙02 m Geſchwindig— keit per Secunde fortzubewegen, während das Heben einer Laſt von 20 kg mit den Händen mit einer Geſchwindigkeit von 017 m per Se— cunde zu veranſchlagen iſt. Mittelſt einer Schaufel vermag ein Arbeiter 3 kg Erde mit einer Ge— ſchwindigkeit von 0'4 m zu werfen. Die mittlere Geſchwindigkeit eines Mannes kann am Hebel mit hm, an der Kurbel mit 0˙8 m, am Göppel mit 0˙6 m, am Tretrade mit 0˙7 m und am Steigrade mit 0˙2 m per Secunde angenommen werden. Mittlere Geſchwindigkeit der thieriſchen Kräfte: Pferd ohne Maſchine mit 1˙3 m per Gecunde „ am Göppel „ O9 %% " Ochs ohne Maſchine 7 8 „ „M am Göppel " 06 n " " Mauleſel ohne Maſchine „ AL, „ " 70 am Göppel " 0˙9 " 7 " Eſel ohne Maſchine „ O " „ am Göppel „ 0˙8 „ " Geſchwindigkeit. — Geſell. 393 Ein Pferd kann auf horizontaler Bahn innerhalb einer zehnſtündigen Arbeitsdauer eine Laſt von 135 kg auf dem Rücken mit der Ge— ſchwindigkeit von 0˙5 m, und 90 kg bei einer ſiebenſtündigen Arbeitsdauer mit der Geſchwin— digkeit von 22 m per Secunde fortbewegen, während 700 kg bei achtſtündiger Arbeitsdauer in einem Karren mit der Geſchwindigkeit von 1˙05 m per Secunde fortzuſchaffen ſind. Die mittlere Geſchwindigkeit eines Pferdes kann bei einem langſamen Schritt mit 0°6 m, bei einem mittleren Schritt mit 10 —1'2 m, beim Schnellſchritt mit 2˙0 m, beim kurzen Trab mit 3—ä m, beim geſtreckten Trab mit 4—6 m und beim Rennpferde mit 12—16 m per Secunde angenommen werden. Bei den gewöhnlichen Rollbahnen erreicht die mittlere Fahrgeſchwindigkeit 4—6 m per Secunde. Bezeichnen wir mit »die Geſchwindig— keit, die der Wagen an einem beſtimmten Punkte der Bahn erlangt, mit s den zurückgelegten Weg, mit a den Steigungswinkel, mit g die Acceleration und mit k den Reibungscoöfficienten, ſo iſt, nachdem von der Beſchleunigung der Schwere nur ein Theil g' zur Wirkung kommt, g g (in a f cos q) und 2g s (sin a — f cos ). Der Reibungscoöfficient iſt 175 r = D fi 2 57 worin d und D die Durchmeſſer des Zapfen— rades, f, und fe den Reibungscoöfficienten der Zapfenreibung und rollenden Reibung bedeutet. Bei Waldbahnen mit Pferdebetrieb und einem Reibungswiderſtand von ½0 kann die Ge— ſchwindigkeit des Zugthieres bei Thalfahrten und 529 — dem Gefälle von 1% mit 2˙0 m " 2 0 I 1:6 57 9 1˙2 " 4 LEE 0 [2 8 bei Bergfahrten und dem Gefälle von 025% mit 1˙6 m " 050% „ 15 75 " 100% [2 135 7 " 150% m 1:20 " 2.00%, „ 100, bemeſſen werden. „Die Maximalgeſchwindigkeit auf der Draht— ſeilbahn, Syſtem Hodyſon, ſchwankt zwiſchen 2—25 m, Syſtem Siegel erreicht 1˙34 m per Secunde. Als Geſchwindigkeitsgrenzen für ein Waſſer⸗ gerinne, die nicht überſchritten werden dürfen, wenn nicht eine Beſchädigung der Sohle und der ſeitlichen Hänge eintreten ſoll, können an— genommen werden: an der Geſchwindigkeit am Schlammige Erde Oberfläche im Mittel Boden oder Töpferthon 015 014 0:08 Fetter Thon. 030 0˙23 0˙46 Feſter Fluſsſand. 060 0˙46 0˙31 Kieſiger Boden . 122 0:96 0:70 GrobſteinigerBoden 152 1˙23 0˙94 Conglomerate von Schieferſtücken . 2˙22 1:86 1:49 Lagerhafte Gebirgs- te 4 2.20 2:75 227 1:82 Harte Felsarten . #27 3:69 314 Die Endgeſchwindigkeit einer Oberlawine (abgeſtürzt 1879 vom Dobratſch in Kärnten) wurde mit 145 m per Secunde berechnet, wäh— rend die ſtärkſten Orkane in den Tropen nur eine Geſchwindigkeit von 74 m, ein Schrotſchuſs von 94 m per Secunde erreichen. Die Geſchwindigkeit der Luftſtrömung be— trägt bei lebhaftem Winde 6°9 m, beim Sturm ca. 25 m und bei Orcanen ca. 40 m per Se— cunde. Durch den Sturm des Windes werden die Bedachungen der Gebäude belaſtet. Die Be— laſtung läſst ſich, wenn der Dachneigungs— winkel und » die Geſchwindigkeit des Windes wäre, aus der Formel sin (4 4- 101°) F048 cos 4 berechnen. Fr. Geſchwindigkeit, ſ. Bewegung. Die Ge— ſchoſsgeſchwindigkeit auf die verſchiedenen Ent— fernungen (0, 10, 25, 30 m ꝛc.), von der Mün- dung des Gewehrs gemeſſen, wird in der Regel durch V (— velocitas) mit dem bezügl. Index der Meterzahl bezeichnet; Vs = 430 m/sec. be- zeichnet z. B., daſs ein Geſchoſs auf 25 m von der Mündung eine Geſchwindigkeit von 430 m in der Secunde beſitzt. Th. Geſell, Geſellmann u. gekürzt Söll— mann, Anſprache für den Leithund, feltener auch für den Schweißhund und andere Hunde. „Schona, geselle lieber, bite!“ „Hüet alwec din, geselle!“ „Se hin geselle!“ „Her an die stat, geselle!* „Hin hin, geselle!“ „Ach barre min, geselle!“ Hadamar von Laber, Din jagt, str. 8, 59, 77, 78, 79, 81, 82. 83. 557. — „Ich zoch zu der selben will mit meinem lait hunt gesellen ...“ Die Jagd der Minne, v. 400. — „Geſell, Geſell, Was heut Gott wöll, Hin, traut guter Geſell— mann. hin!“ Nos Meurer, Ed. I, 1560, no. 3. — „Geſell, lieber Geſellmann, Wo wöllen wir morgen früh nan?“ Jägerkunſt vnd Wayd— geſchrey, 1616, V., 4. — „Nur fornahin, ge- sell!“ Weimarer Hs., hrsg. v. Köhler. p. 479. — „Im Führen muſßs der Jäger ... ihm... oft zuſprechen: Hin Hin! Geſellmann, hin hin, vor hin! So es eine Hündin iſt, ſo nennt man ſie, anſtatt Geſellmann: Hela.“ Pärſon, Hirſchgerechter Jäger, 1734, p. 29. — „Im Ausziehen ſpreche ich dem Hunde ... zu . .. vorhin! Süllmann, Geſellmann, oder Mann! zu den Hündinnen aber: Haila! oder Heele! Das ſind eigentlich die von Alters her gebräuchlichen Worte der Hundenamen.“ Döbel, Jägerpraktika, 1746, I., fol. 90. — „Ge— ſellmann, oder aber Sellmann, ſo wird mehrentheils der Leithund männlichen Ge— ſchlechts geheißen, die Debe oder Hündin heißt gemeiniglich Hela.“ Großkopff, Weidewercks— lexikon, p. 138. — „Geſell-, Sell- auch Waldmann: alſo benennet man den Leithund, und iſt faſt überall üblich.“ Chr. W. v. Heppe, Wohlred. Jäger, p. 181. — „In der Regel wird der männliche Jagdhund Geſellmann, Sullmann, Geſelle, Mann, und der weib— liche Häle, Hele, Hela genannt.“ Bechſtein, Hb. d. Jagdwiſſenſchaft, I., 1., p. 277. — Sanders, Wb., II., p. 1075. E. v. D. 394 Geſellſchaft. Geſellſchaft (Deutſchland) iſt im wei— teren Sinne jede Verbindung von Menſchen zu Leiſtungen für einen gemeinſamen Zweck Solche Verbindungen fördern entweder nur das Intereſſe ihrer Mitglieder, oder ſie haben auch die Betheiligung an der Löſung ſtaatlicher Auf— gaben zum Zwecke und erhalten dadurch einen öffentlich-rechtlichen Charakter. Das römiſche Recht kennt als Formen der Aſſociation nur die Geſellſchaft oder Societät (societas) und die Corporation (univer- sitas). Bei beiden Verbindungen iſt das Rechts— ſubjeet die Geſammtheit der Mitglieder, aber dieſe bleibt bei der Geſellſchaft mit ihrem In⸗ tereſſe rechtlich ganz in den Einzelnen latent, ſo daſs die für den Geſammtzweck beſtimmten Rechte und die daraus hervorgehenden Pflichten und Schulden nur die einzelnen als ſolche treffen (Geſellſchaftsprincip), welche des— halb auch nur als phyſiſche Nechtsjubjeete in Betracht kommen, während bei der Corporation die Geſammtheit als ſolche mit ihren In— tereſſen rechtlich von den Einzelnen als ſolchen getrennt und ſelbſtändig geſetzt wird, jo daſs die für ihren Zweck beſtimmten Rechte und die dadurch hervorgerufenen Schulden direct nicht mehr als Rechte und Schulden der Einzelnen erſcheinen, ſondern ſelbſtändig nur der Ge— ſammtheit als ſolcher zuſtehen und obliegen, die Geſammtheit als ſolche alſo rechtlich als ein beſonderes ideelles corpus oder Rechtsſubject (juriſtiſche Perſon) behandelt wird (Corpora— ttonsprincip). Die societas entſteht durch Vertrag (Ge— ſellſchaftsvertrag), in welchem ſich die Mit— glieder zu gegenſeitigen Leiſtungen von Sachen oder Handlungen für einen gemeinſamen Zweck verpflichten. Die Zahl der Geſellſchaftsmit— mitglieder kann eine beliebig große ſein, und größere Geſellſchaften können des gemein— ſamen Zweckes wegen aus ihrer Mitte eine Vertretung wählen, welche die Beziehungen der Einzelnen zu einander vermittelt. Da die Ge— ſammtheit hier kein ſelbſtändiges, von der Summe der Mitglieder verſchiedenes Rechts- ſubjeet bildet, jo gibt es nur Rechte und Pflichten der Einzelnen, welche deshalb auch nur klagen und verklagt werden können. Ein Rechtsverhältnis zwiſchen der Geſellſchaft und einem Dritten kann nur dadurch entſtehen, dass die ſämmtlichen Mitglieder mit dieſem entweder einzeln, oder durch einen Bevollmächtigten aus ihrer Mitte verhandeln. Die Befugnis des Ein— zelnen zur Vertretung der Geſammtheit wird nur bei der Handelsgeſellſchaft vermuthet. Für die Verpflichtungen der Geſellſchaft haften, ſo— weit das gemeinſame Vermögen nicht aus— reicht, die Einzelnen, u. zw., wenn alle gemein— ſchaftlich contrahirt haben, nur für ihren Ge— ſellſchaftstheil, bei ſtattgehabter Vertretung aber als Correalſchuldner, weil jeder den Auftrag ganz ertheilt hat. In letzterem Falle haben nach römiſchem und gemeinem Recht die Mitglieder das beneficium divisionis, d. i. der Theilung der Schuld unter die zahlungsfähigen Mit— ſchuldner, während nach dem preußiſchen all— gemeinen Landrecht dem Einzelnen nur der Regreß gegen die übrigen Mitglieder zuſteht. Die Auflöſung der Geſellſchaft erfolgt, abge— ſehen von den allgemeinen und im Vertrage ſelbſt (z. B. Eintritt des dies ad quem) lie— genden Gründen, durch den Tod oder den ein— ſeitigen Rücktritt eines Mitgliedes, welches je— doch in letzterem Falle Schadenerſatz zu leiſten hat, durch den Verluſt des Vermögens eines Genoſſen ſowie durch die Erledigung des Ge— ſellſchaftszweckes. Bleibt die Gefellſchaft nach dem Austritte eines Mitgliedes beſtehen, ſo gilt ſie als eine neue. Eine beſtimmte Form des Geſellſchaftsvertrages iſt nicht vorgeſchrieben, und es kann ein ſolcher auch ſtillſchweigend zu— ſtande kommen. Vortheile und Laſten der Ein- zelnen werden, ſoferne im Vertrage nicht anders beſtimmt iſt, als gleich (partes aequae) ange- nommen. Der Zweck einer Geſellſchaft, welcher kein unerlaubter ſein darf und auch auf Vergnügen, Belehrung, Wohlthätigkeit, gemeinen Nutzen u. ſ. w. gerichtet ſein kann, begründet, da er auf Leiſtungen der Mitglieder beruht, immer eine Vermögensgemeinſchaft, welche aber dann den Endzweck einer Geſellſchaft bildet, wenn ein Vermögen gemeinſam beſeſſen und benützt werden ſoll, oder mit Hilfe eines ſolchen Werte erzeugt und gewonnen werden ſollen. Das gemeinſame Haben und Gebrauchen eines Vermögens kommt vor bei Erbſchaften, unter Ehegatten und durch Vereinigung verſchiedener Perſonen, um z. B. ein Haus zur gemeinſamen Benützung und zum ſpäteren gewinnbringenden Wiederverkaufe zu erwerben. Die Verwendung eines gemeinſamen Vermögens zur Erzielung von Gewinn erfolgt durch den Betrieb eines Gewerbes oder Handelsgeſchäftes. Die Beſtimmungen des römiſchen Rechtes find mit unweſentlichen Modificationen (zZ. B. ſchriftlicher Geſellſchaftsvertrag nach dem preußi— ſchen allgemeinen Landrecht) auch in die deut— ſchen Particularrechte übergegangen. Es kann deshalb auch heute noch eine Geſellſchaft ein Gewerbe ausüben, und die offene Handels— geſellſchaft des deutſchen Handelsgeſetzes iſt nur eine römiſch-rechtliche societas. Als eine ſolche erſcheint auch die ſtille Geſellſchaft oder die Betheiligung an dem Handelsgewerbe eines anderen mit einer Vermögenseinlage gegen Antheil an Gewinn und Verluſt und die Vereinigung zu einzelnen Handels⸗ geſchäften für gemeinſchaftliche Rech— nung (Gelegenheitsgeſellſchaft). Die universitas oder Corporation, bei welcher die Geſammtheit als Einheit genommen wird, bedarf zur Vertretung der Geſammtheit nach außen beſonderer Organe (Vorſtand und Verwaltungsausſchuſs) und infolge deſſen einer Organiſation (Statut). Die Bildung einer Cor- poration iſt an die Genehmigung des Staates geknüpft, welche nur ſolchen Verbindungen zus theil wird, deren Zweck von beſonderer Bedeu— tung für das allgemeine Wohl iſt. Die Cor— porationen ſind öffentlich-rechtliche Perſonen und ſtehen als ſolche unter der Aufſicht des Staates, welcher dieſelben nicht nur in der Verwaltung ihres Vermögens mit Rückſicht auf die Erreichung der Corporationszwecke be— ſchränkt, ſondern auch die Anhäufung eines zu Pe 2 | großen Vermögens bei ihnen verhindert (j. Amortiſatiousgeſetze). Übrigens iſt man in der neueren Zeit von der römiſch-rechtlichen Auffaſſung der Corpora— tion, nach welcher das fingierte Nechtsjubject als willens- und handlungsfähig, unter ewiger Curatel ſtehend und als ein den Mitgliedern der Corporation gänzlich fremdes und äußeres Drittes erſcheint, zurückgekommen, indem man, im Anſchluſſe an die Beſtimmungen des nie ganz verdrängten deutſchen Genoſſenſchafts— rechtes, die Mitglieder der Corporation über ihre Angelegenheiten durch Mehrheitsbeſchlüſſe entſcheiden läjst und dem Staate wohl eine Aufſicht über die Corporationen, nicht aber eine Vormundſchaft, gleich der über Geiſteskranke, geſtattet. Zu den Corporationen zählen die Ge— meinden (f. d.) und die Corporationen im engeren Sinne (. Corporationswals- dungen) und zu letzteren auch die als Fort— ſetzung der früheren Markgenoſſenſchaften zu betrachtenden (ſ.gemeinſchaftliches Wald- eigenthum) und die erſt in neuerer Zeit ent— ſtandenen (ſ. Bildung eines gemeinſchaft— lichen Waldeigenthums) Waldgenoſſen— ſchaften, ſofern dieſelben bezüglich der Be— wirtſchaftung ihrer Waldungen gleich den Ge— meinden unter ſtaatliche Aufſicht geſtellt ſind (ſ. g. öffentliche Waldgenoſſenſchaften, im Gegenſatze zu den freien oder privaten). Die aus alter Zeit überkommenen Deichge— noſſenſchaften (ſ. d.), die neueren mit Zwangs— rechten verſehenen Genoſſenſchaften für land— wirtſchaftliche Meliorationen (3. B. Be- und Entwäſſerung) ſowie die nach der Reichsge— werbeordnung zugelaſſenen Innungen und die Berufsgenoſſenſchaften für Kranken- und Un— fallverſicherung haben ebenfalls einen öffent— lich⸗rechtlichen Charakter. Für unſerere jetzigen Verkehrs- und Wirth— ſchaftsverhältniſſe genügen jedoch die Rechts— formen der römiſchen societas nicht mehr, und es wurden deshalb durch das Reichshandels— geſetz vom 22. April 1871 (in Elſaſs-Lothrin— gen durch Geſetz vom 19. Juli 1875 eingeführt), verſchärft durch das Geſetz vom 18. Juli 1884 über Commanditgeſellſchaften auf Actien und Actiengeſellſchaften, auf dem Gebiete des Han— dels, und durch das unterm 23. Juni 1873 als Reichsgeſetz erklärte Geſetz des norddeutſchen Bundes vom 4. Juli 1868 über die privat— rechtliche Stellung der Erwerbs- und Wirth— ſchaftsgenoſſenſchaften auf dem Erwerbs- und wirtſchaftlichen Gebiete Aſſociationen zuge— laſſen, welche zwiſchen societas und universi- tas vermitteln, ſich bald mehr der einen oder anderen nähern und wegen ihrer Mannigfaltig— keit nicht leicht zu claſſificieren ſind. Dieſe Ge— ſellſchaften, welche man auch als Privatcorpo— rationen bezeichnen könnte, unterſcheiden ſich von der societas durch die Rechtsfähigkeit der Geſammtheit, welche eine Organiſation (Statut) der Geſellſchaft und die Beſtellung einer Ver— tretung derſelben nach Außen bedingt, von der universitas dadurch, daſs Laſten und Vortheile die Einzelnen treffen, die Geſellſchaft zur Grün— dung und Auflöſung keiner ſtaatlichen Genehmi— Geſellſchaft. 395 gung bedarf und auch bezüglich der Vermögens— verwaltung nicht den Staatsbehörden unteriteht. Es genügt hier, dajs die Geſellſchaft unter Vor— lage der Statuten dem einſchlägigen Gerichte ihre Gründung anzeigt, worauf dasſelbe bei Erfüllung der geſetzlichen Vorſchriften durch die Geſellſchaft deren Eintrag in das Handels-, bezw. Genoſſenſchaftsregiſter und die öffentliche Be— kanntmachung dieſes Vorganges veranlaist. Das Gericht überwacht zwar die Geſchäfts— führung dieſer Geſellſchaften, aber nicht um die Vermögensverwaltung behufs der Erreichung der Geſellſchaftszwecke zu beeinfluſſen, ſondern nur, um Schädigungen Dritter durch die Ge— ſellſchaft und der Mitglieder der Geſellſchaft durch die Organe derſelben zu verhüten. Die Geſellſchaften ſelbſt unterſcheiden ſich vorzüglich durch die Art und Weiſe der Haftung der Mit— glieder für die Rechtsverbindlichkeiten der Ge— ſellſchaft. Über ihre Angelegenheiten entſcheidet die Geſellſchaft durch Mehrheitsbeſchlüſſe der Mitglieder in den Generalverſammlungen. Die Commanditgeſellſchaft des Reichs— handelsgeſetzes iſt eine offene (ſ. o.) Handels— geſellſchaft, bei der ſich auch ein oder mehrere Geſellſchaftsmitglieder (Commanditiſten) nur mit Vermögenseinlagen betheiligen, ohne an der per— ſönlichen Haftung der offenen Geſellſchaft theil— zuhaben. Die Antheile der Commanditiſten können auch in Actien (nicht unter 600 Mark) zerlegt werden, welche jedoch nicht auf Inhaber lauten dürfen. Eine ſolche Geſellſchaft (Com— manditgeſellſchaft auf Actien) iſt dann eine Verbindung der offenen und der Actiengeſell— ſchaft, bei welcher die offenen Mitglieder (Ge— ranten) den Vorſtand bilden und bis zur Er— ſchöpfung ihres ganzen Vermögens haften. Bei der Actiengeſellſchaft ſind die Mitglieder nur mit Einlagen betheiligt, ohne perſönlich für die Rechtsverbindlichkeiten der Geſellſchaft zu haften. Die Metien ſind untheilbar und können auch auf den Inhaber lauten. Über die Errichtung und den Inhalt des Geſellſchaftsver— trages (Statutes) muſs (auch bei der Com— manditgeſellſchaft auf Actien) eine gerichtliche oder notarielle Urkunde aufgenommen werden. Nach dem Reichsgeſetze vom 23. Juni 1873 können Geſellſchaften von nicht geſchloſſener Mit— gliederzahl, welche die Förderung des Credits, des Erwerbs oder der Wirthſchaft ihrer Mit— glieder mittelſt gemeinſchaftlichen Geſchäfts— betriebes bezwecken, insbeſondere aber die Vor— ſchuſs- und Credit-, Rohſtoff- und Magazin-, Productiv-, Conjum: und Wohnungsvereine, unter der Vorausſetzung der ſolidariſchen Haft der Mitglieder und der Erfüllung der übrigen geſetzlichen Vorſchriften durch den Ein— trag in ein gerichtliches Regiſter die Rechte einer eingetragenen Genoſſenſchaft und damit juriſtiſche Perſönlicheit erlangen. Der Genoſſenſchaftsvertrag bedarf der gerichtlichen oder notariellen Beurkundung. Alle nicht zu den Handelsgeſellſchaften und eingetragenen Genoſſenſchaften zählenden Vereine zu Privat- und gemeinnützigen Zwecken erhalten, wenn ſie ſich organiſieren und ihre Statuten der einſchlägigen Verwaltungs- behörde vorliegen, bei Erfüllung der geſetzlichen 396 Vorbedingungen ebenfalls Rechtsfähigkeit der Geſammtheit (3. B. die „eingeſchriebenen Hilfs— caſſen“ nach dem Reichsgeſetze vom 7. April 1876, „die anerkannten Vereine“ nach dem bayeriſchen Geſetze vom 29. April 1869), ohne den Mitgliedern außer den Einlagen und Jahresbeiträgen eine weitere Haftung für die Rechtsverbindlichkeiten des Vereines aufzu— erlegen. Die politiſchen Vereine, welche über— haupt erſt ſeit dem Jahre 1848 zugelaſſen ſind, müſſen ihre Statuten nebſt Mitgliederverzeich— nis der Polizeibehörde zur Genehmigung vor— legen. Dieſelben dürfen nicht mit anderen Vereinen derſelben Art zu gemeinſamen Zwecken in Verbindung treten. Die Verſammlungen dieſer Vereine unterſtehen der Genehmigung und Überwachung der Polizeibehörde, und Frauen und Minderjährige ſind von denſelben, wie überhaupt von den Vereinen ſelbſt, ausge— ſchloſſen. Das Vereinsweſen unterliegt nach Art. 4 der Reichsverfaſſung der Bundesgeſetzgebung. Eine ſolche Regelung des Vereinsweſens er— folgte jedoch, mit Ausnahme des Reichsgeſetzes vom 21. October 1878 gegen die gemeingefähr— lichen Beſtrebungen der Socialdemokratie mit Nachtragsgeſetzen vom 31. Mai 1880 und 28. Mai 1884, bis jetzt nicht, und es beſtehen demnach noch die Landesgeſetze (für die politi— ſchen Vereine, z. B. in Preußen das Geſetz vom 11. März 1850, Bayern Geſetz vom 26. Fe— bruar 1850, Sachſen Verordnung vom 3. Juni 1850) in Kraft. Nach Art. 68 der Reichsverfaſſung kann der Bundesfeldherr (mit Ausnahme von Bayern) bei Bedrohung der öffentlichen Sicherheit in dem betreffenden Gebiete den Kriegszuſtand und damit die Suspenſion des Vereins- und Ver— ſammlungsrechtes verfügen. In Bayern beſtehen geſetzliche Vorſchriften über den Kriegszuſtand nicht, da ein im Jahre 1851 dem Landtage vor— gelegter, hierauf bezüglicher Geſetzentwurf eine Annahme nicht fand. At. Geſellſchaft, ſ. v. w. Rudel, ſ. d., ſelten. „(Vom Schwarzwild) Eine Geſellſchaft: Rudel, Schar, Rotte, Häufel. Wenn die Glieder der Geſellſchaft ſtärker als Friſchlinge find...” Bechſtein, Hb. d. Jagdwiſſenſchaft, I., 1., p. 146. E. v. D. Geſellſchaftsvertrag, ſ. Geſellſchaft. At. Geſetzgebung (Deutſchland) iſt der Er- laſs von die Perſon und das Eigenthum be— ſchränkenden Rechtsnormen oder Geſetzen, im Gegenſatz zu Verordnungen der Re— gierung, welche entweder den Vollzug von Geſetzen bezwecken oder innerhalb der geſetz— lichen Schranken auf die Sicherheit und Förde— rung der Einzelnen und des Ganzen gerichtet ſind. Das Recht der Geſetzgebung iſt ein Aus— fluſs der Hoheit des Staates, bezw. des Landes— herrn und in den deutſchen Bundesſtaaten durch die Beſtimmungen der Landesverfaſſung, welche überall zu jedem Geſetze die Zuſtimmung der Landesvertretung verlangt, ſowie durch das Geſetzgebungsrecht des Reiches beſchränkt. Die Bundesgeſetzgebung, welche durch die deutſche Reichsverfaſſung vom 1. Jänner 1871 Geſellſchaft. — Geſetzgebung. geregelt iſt, wird ausgeübt durch den Bundes- rath (Vertreter der Landesſtaatsgewalt in den Einzelſtaaten) und den Reichstag (freigewählte Vertreter des geſammten deutſchen Volkes). Die Übereinſtimmung der Mehrheitsbeſchlüſſe beider Verſammlungen iſt zu einem Bundes— geſetze erforderlich und ausreichend. Nur bei Geſetzesvorſchlägen über das Militärweſen, die Kriegsmarine und die im Art. 35 der Ver- faſſung bezeichneten Abgaben (Zölle, Salz, Branntwein, Bier, Tabak und Zucker) gibt, wenn im Bundesrathe eine Meinungsverſchiedenheit ſtattfindet, die Stimme des Präſidiums (Preu⸗ ßen, deſſen König daher den Titel Deutſcher Kaiſer führt) den Ausſchlag, wenn ſie ſich für die Aufrechterhaltung der beſtehenden Einrich— tungen ausſpricht. Dem Präſidium des Bundes ſteht die Ausfertigung und Verkündigung der Bundesgeſetze und die Überwachung der Aus— führung derſelben zu. Die Anordnungen und Verfügungen des Präſidiums werden im Namen des Bundes erlaſſen und bedürfen zu ihrer Giltigkeit der Gegenzeichnung des Bundes— kanzlers, welcher dadurch die Verantwortlichkeit übernimmt. Der Bundesrath beſchließt die zur Aus— führung der Bundesgeſetze erforderlichen allge— meinen Verwaltungsvorſchriften und Einrichtun- gen, ſofern nicht durch Bundesgeſetz etwas An- deres beſtimmt iſt. Der Vollzug der Bundesgeſetze iſt, ſoweit nicht in einem ſolchen Geſetze ſelbſt ausdrücklich anders beſtimmt iſt, Sache der Einzelſtaaten, welche zu denſelben wieder Einführungsgeſetze (ſ. d.) und Vollzugsvorſchriften erlaſſen können. Jedes Bundesmitglied iſt befugt, Geſetzes— vorſchläge zu machen und in Vortrag zu bringen, und das Präſidium iſt verpflichtet, dieſelben der Berathung des Bundesrathes zu übergeben. Das Geſetzgebungsrecht des Bundes iſt theilweiſe beſchränkt durch die Reſervatrechte der ſüddeutſchen Staaten, namentlich Bayerns, welche denſelben bei der Erweiterung des nord— deutſchen Bundes zum „Deutſchen Reiche“ durch die Verſailler Verträge vom November 1870 gewährt wurden. In dem Reichslande Elſaſs-Lothringen ſteht dem Reiche auch die Landesgeſetzgebung zu. Was nun die Juſtizgeſetzgebung, bezüglich welcher Reſervatrechte der Einzelſtaaten nicht beſtehen, insbeſondere betrifft, jo iſt der Ent— wurf eines allgemeinen bürgerlichen Geſetzbuches (ſ. d.) von der Commiſſion in erſter Leſung feſtgeſtellt, und einzelne Theile des Privat- rechtes ſind bereits durch beſondere Reichsgeſetze (3. B. Handelsgeſetz) einheitlich geordnet. Ein gemeinſchaftliches Strafrecht wurde durch das Reichsſtrafgeſetz vom 15. Mai 1871 geſchaffen, neben welchem jedoch noch zahlreiche Reichs- und Landesgeſetze ſtrafrechtliche Be— ſtimmungen enthalten. Übrigens beeinflujst das Reichsſtrafgeſetz auch jene Strafſachen, welche der Landesgeſetzgebung vorbehalten ſind (. Forſtſtrafgeſetzu). Die militäriſchen Delicte unterliegen dem Militärſtrafgeſetze für das Deutſche Reich vom 20. Juni 1872. Geſicht. — Geſpinſtballen. 397 Bezüglich der geſetzlichen Regelung der Rechtspflege ſ. Gerichtsbarkeit. At. Geſicht, das. J. Der Sinn des Sehens. Das Geſicht (beim Elch) iſt etwas beſſer, das Gehör aber vorteefflich.“ Bechſtein, Hb. d. Jagdwiſſenſchaft, I., 1., p. 113, 183. — D. a. d. Winkell, Hb. f. Jäger, I., p. 11, 151. — Behlen, Wmſpr., 1829, p. 69. II. Bera'tet: „Viſir und Korn, oder Ge— ſichte, alſo wird das hinterſte Abſehen auf einer Büchſe genannt.“ Chr. W. v. Heppe, Wohlred. Jäger, p. 384. — Geſichte: jo wird das Kimgen auf denen Kugelbüchſen genennet, wo der Schütz nach dem Ziel und Korn durch— ſiehet, wenn er ſchießen will.“ Großkopff, Weide— werckslexikon, p. 137.— Sanders Wb., II., p. 1091. E. v. D. Geſichtsſeld, ſ. Fernrohr. Er. Geſichtsſinn, ſ. Sehen. Abr. Geſichtswinkel, ſ. Fernrohr. Lr. Geſimsmauerwerk. Geſimſe ſind Mauer— theile, die in Form eines Streifens aus einer Mauerfläche hervorragen (Ausladung) und aus mehreren Theilen oder Geſimsgliedern beſtehen. Die Geſimſe ſchützen einerſeits die Gebäudeflächen vor der Dachtraufe, anderer— ſeits trennen ſie dieſelben und dienen auch zur architektoniſchen Verzierung von Baubeſtand— theilen. Die Hauptgeſimſe ſchließen und be— grenzen das Gebäude, ſchützen letzteres gleich— zeitig vor dem abtropfenden Dachwaſſer und erhalten eine dem Charakter und der Höhe des Gebäudes entſprechende Ausladung. Gurt— oder Cordongeſimſe mit geringerer Aus— ladung bezeichnen die Geſchoß- oder Stockwerks— abtheilungen, während der unterſte Theil des Gebäudes durch das Fuß- oder Sockelge— ſimſe begrenzt wird. Bruſt⸗ oder Parapetgeſimſe ſind in der Bruſthöhe, Geſimseinfaſſungen (Cham- branles) werden an den Seiten der Thüren und Fenſter, und Verdachungsgeſimſe oberhalb der zwei letztgenannten angebracht. Die richtige Formung oder Profilierung der Geſimſe trägt weſentlich zur Hebung des Ge— bäudes bei, wenn dieſes vom äſthetiſchen Standpunkte aus beurtheilt wird. Die bedeu— tenderen Geſimſe beſtehen (Fig. 384) aus dem Fig. 384. 4. Anſicht eines Hauptgeſimſes. ſchützender, b krönender, e unterſtützender Theil. a Hängplatte, ſchützenden Theile a (Hängplatte), aus dem krönenden Theile b und aus dem unter— ſtützenden Theile c. Bei den gewöhnlichen Wohngebäuden er— halten die Hauptgeſimſe eine Ausladung von 45—60 em und eine Höhe von 75—90 em oder 43 — 16 der geſammten Gebäudehöhe. Die Geſimſe werden entweder aus Qua— dern, die der Steinmetz nach einer in natür— licher Größe gezeichneten Schablone rein aus— arbeitet, oder aus Ziegeln hergeſtellt. Kleinere Steingeſimſe werden aus Einem, höhere da— gegen aus mehreren der Höhe nach gefertigten Theilen zuſammengeſetzt, wobei nur darauf zu ſehen iſt, daſs der Schwerpunkt eines jeden Stückes genügend unterſtützt ſei. Bei den häufig vorkommenden Ziegelgeſimſen werden nur ſelten geformte Ziegel (Formziegel) verwendet, ſondern man benützt hiezu die gewöhnlichen Ziegel, die vom Arbeiter entſprechend zuge— hauen werden. Wenn das Geſimſe eine ſtarke Ausladung bekommen ſoll, ſo iſt die Verwen— dung einer ſteinernen Hängplatte ſehr zu em— pfehlen. Die Ziegelgeſimſe erhalten einen An— wurf und werden dann mit der aus einem Brett geſchnittenen und mit Blech beſchla— genen Schablone ausgezogen, wobei dieſe mit einer Latte (Schlitten) und einer ſchiefen Strebe als Handhabe verſehen wird. Der An— wurf wird aus beſtem Cementmörtel und in der Regel aus drei Lagen hergeſtellt. Fr. Geſimsziegel, ſ. Ziegel. Fr. Geſindevertrag, ſ. Dienſtmiete. At. Geſpenſt, das. „Ein geſchoſſenes und nicht ſogleich weggebrachtes Wild, durch daraufge— legte Brüche, angehängte, mit Pulver gefärbte Stückchen Papier vor Raubthieren und auch Sauen ſchützen, heißt ein Geſpenſt machen. Auch nennt man es jo, wenn man einen Mar— der auf einem freiſtehenden Baum feſt hat und unten an dieſen Baum ein Kleidungsſtück, die Jagdbuſche ꝛc. hängt, um dadurch zu verhindern, daſs der Marder den Baum verläßt, bis man ſich die nöthigen Gehilfen herbeigeholt hat.“ St. Behlen, Real- u. Verb.⸗Lexik., U., p. 218. — Laube, Jagdbrevier, p. 278. — Bare, wi v Geſperbert, adj. nennt man das Gefieder jenen Federwildes, welches ähnlich wie jenes des Sperbers auf der Bruſt gefärbt iſt. Döbel, Jägerpraktika, Ed. I, 1746, I., p. 77. — Mellin, Anweiſung zur Anlage von Wild— bahnen, 1777, p. 346. — Bechſtein, Hb. d. Jagdwiſſenſchaft, I., 2., p. 506. — Sanders, Wb., II., p. 1133. E. v. D. Geſperr — Sicherung, ſ. d. Th. Geſperre, das, ſ. v. w. Geheck, beſonders beim Faſan. „Noch will ih... erwähnen, daß das von einer Faſanenhenne im Freien aus— gebrachte Geheck Geſperre genannt wird.“ D. a. d. Winkell, Hb. f. Jäger, I., p. 503. — Hartig Lexik., p. 221. — Laube, Jagdbrevier, p. 278. — Sanders, Wb., II., p. 1134. E. v. D. Geſpiegelt, adj. „Geſpiegelt nennt man die jungen Enten, ſobald die Spiegel— flecke auf den Flügeln erkennbar werden. Hartig, Lexik., p. 221. — Sanders, Wb., II, p. 1136. — Vgl. Spiegel. E. v. D. Geſpinſtballen, gewöhnlich auf Eichen- und Pinienproceſſionsſpinner (ſ. Cnetocampa processionea und pityocampa) bezogen, werden die von den Raupen gemeinſchaftlich angefer— tigten, dieſelben tagsüber beherbergenden, beim 398 Eichenproceſſionsſpinner durch Koth, Raupen— bälge u. dgl. verunreinigten, bei dem Pinien⸗ proceſſionsſpinner aber durchſichtigen, gazeför— migen Raupenneſter genannt. Da die Verpup⸗ pung beim Eichenproceſſionsſpinner in eigens für dieſen Zweck gefertigten Ballen geſchieht, ſo unterſcheidet man bei dieſer Art auch noch ſog. Verpuppungsballen. Hſchl. Geſpinſtblattweſpen, deutſcher Name für die der Gattung Lyda angehörigen Arten, ſ. Lyda. Sicht. Selpinftmotten,deutjcher Name für die der Gattung Hyponomeuta angehörigen Arten. Man nennt ſie auch vermöge ihrer charakteriſtiſchen Zeichnungen (ſchwarze Punkte auf atlasweißem Grunde der Vorderflügel) Schwarzpunktmotten (.. Hyponomenta). Geſpur, das, jeltene Nebenform von Spur; veraltet. Meurer, Ed. I, Pforzheim 1360, fol. 87. — M. Sebiz, 1379, fol. 668. E. v. D. Geſtände, das. I. Die Füße der Raub-, der Beizvögel. „Geſtände, Geſtelle, Fänge, Griffe oder Gewäffe: alſo benennt man die Füße des Raubgeflügels.“ Chr. W. v. Heppe, Wohlred. Jäger, p. 181. Vgl. Ständer. II. Horſt von Raubvögeln, namentlich von Reihern, vgl. Stand. Eberhard Tapp, Weydwerk vnnd Federſpil, 1544, I, 1. Nos Meurer, en vnd Forſtrecht, Pforzheim 1560, fol. 91 (Druckf. „geſteud“). — „Geſtände wird das Neſt der Reiher genannt.“ Hartig, Lexik., p. 221 insbeſondere jene „Geſtände, Falkenneſt.“ Laube, Jagdbrevier, p. 279. — Behlen, Real- u. Verb.⸗Lexik. Mr p. 350. E. v. D. Geſtändert, adj. part., U. ſtändern. E. v. D. Geſtänge, das — die Stangen, Sammel— name ſtatt Gehörn, nur ausnahmsweiſe auch ſtatt Geweih. „Gewicht, Geweih, Geſtänge: auf dieſe verſchiedene Art werden des Hirſchens Hörner benennt.“ Chr. W. v. Heppe, Wohlred. Jäger, p. 175. — Bechſtein, Hb. der Jagdwiſſen— ſchaft, I., p. 160. — Sanders, Wb. II., p. 1178. E. v. D. Geſteine, Felsarten oder Gebirgsarten werden ſolche einfache Mineralien oder beſtimmte Gemenge mehrerer Mineralien genannt, welche einen weſentlichen Antheil an der Zuſammen— ſetzung unſerer Erdkruſte ausmachen. Diejenigen Mineralien, welche den Begriff eines Geſteins bedingen, indem ſie zu ſeiner Conſtituierung nothwendig ſind, heißen weſentliche Beſtand— theile; ſolche Mineralien, welche bald vollſtändig fehlen, bald jedoch in einer der Regelmäßigkeit ſich nähernden Häufigkeit in dem Geſtein einge— ſprengt ſich finden und dadurch zum Theil ſogar zur Charakteriſierung desſelben dienen, werden zufällige oder acceſſoriſche Beſtandtheile genannt. Je nachdem die Geſteine nur aus einer Mineralart oder aus einem Gemenge mehrerer Mineralſpecies oder endlich zum großen Theile aus loſen oder verkitteten Trümmern und erdigen oder ſandigen Reſten anderer Geſteine beſtehen, unterſcheidet man: 1. einfache Geſteine, wie Marmor; 2. gemengte Geſteine, wie Granit und Gneis; Steinſalz und Geſpinſtblattweſpen. — Geſtörflößerei. 3. klaſtiſche Geſteine, wie Lehm und Sand— ſtein. v. O. Geſtell, das, in Norddeutſchland ſ. v. w. Schneiſe, Stellflügel, Flügel. „Im nördlichen Deutſchland nennt man die Schneißen Ge— ſtelle oder Stellwege.“ Hartig, Lexik., p. 448. — R. R. v. Dombrowski, Der Fuchs, p. 223. — Sanders Wb., II., p. 1204. E. v. D. Geſtörflößerei (Langholzflößerei). Die zum Abflößen beſtimmten Langhölzer ſind auf den Einbindplätzen, wenn möglich nach Stärkeclaſſen parallel zum Ufer derart abzu- lagern, daſs der dünne Ort ſtromabwärts zu liegen kommt. Sobald die Stämme für das Einbinden herzurichten ſind, erhalten ſie am ſtarken und dünnen Ende ca. 30—40 em vom Ort entfernt mittelſt des Lochbeiles oben und ſeitlich einen Einhieb in der Form eines dreiſeitigen Prisma, welcher Einhieb bei ſtarken Stämmen 8 itenlä 14 cm Tiefe, bei mittelſtarken Stämmen 13 bis 16 em Seitenlänge und 6—8 em Tiefe und bei ſchwachen Stämmen 8—13 em Seitenlänge und 4—7 em Tiefe erhält. Die zwei correſpondierenden Einhiebe (Fig. 385) werden ſodann mittelſt eines Win⸗ denbohrers von entſprechender Stärke durch— Fig. 385. S von Floßholz mittelſt Wieden. a hölzer, b Bindwieden. bohrt. Gleichzeitig wird auch eine Abkantung der Stammenden vorgenommen, damit ſie ſich nicht an kleinen Hinderniſſen der Triftſtraße ſpießen können. Das Lochen, Bohren und Abkanten der Stämme geſchieht auf Holzunterlagen (Streid)- rippen), die bis in das Waſſer der Floß— ſtraßen hineinreichen, worauf die zugerichteten Stämme abgerollt werden, um ſodaun im Waſſer zu Geſtören zuſammengeſtellt und ge— bunden zu werden. Beim Zuſammenſtellen der Geſtöre ſollen ash möglichſt von gleicher Stärke und Länge in Ein Geſtöre gebunden werden und müſſen beim Zuſammenfügen der Geſtöre zu einem Floße ſtets die Stammſtärken gegen den Kopf des Floßes hin abnehmen. Endlich dürfen in ein Geſtör nur ſo viel Stämme gebunden werden, als dies mit Rückſicht auf die Breiten- verhältniſſe der Triftſtraße zuläſſig iſt. Unter einander werden die Geſtöre mit etwas ſtär— keren und längeren Wieden (Gurtwieden) verbunden, während man die Stämme mit etwas ſchwächeren Wieden (Reywieden) an⸗ einander binden kann. Jedes Floß beſteht aus einem Vorfloß, einem Mittel- und einem Hinter- oder Nachfloß und werden die Stämme des letzten Geſtöres, der „Floß⸗ ſchwanz“, nur im Kopfe untereinander ge⸗ bunden, während ſich die Enden fächerförmig * „ frei bewegen können (Wedel), wodurch eine theilweiſe Hemmung oder Verzögerung der Fortbewegung des Floßes erreicht wird. Die Länge der Flöße richtet ſich nach der allgemeinen Beſchaffenheit der Floßſtraße, und können bei größerer Waſſergeſchwindigkeit län— gere Flöße zuſammengeſtellt werden. Nachdem ſich bekanntermaßen das Floß ſchneller als das Waſſer fortbewegt, ſo müſſen, wenn mit Schwellwerken die Straße gewäſſert werden ſoll, die Schwellwäſſer einen Vorſprung (Vor— wäſſern) von einer halben bis einer ganzen Stunde erhalten. Desgleichen dürfen auch die ſich ungleichmäßig fortbewegenden Flöße nicht in zu kurzen Zeitintervallen hintereinander abgelaſſen werden; namentlich darf einem kurzen Floße, das ſich langſamer als ein langes fort— bewegt, eines von der letzteren Beſchaffenheit nur in einem Zwiſchenraum von 10—12 Mi— nuten folgen. Die Bemannung eines Floßes hängt von der Länge und Beſchaffenheit der Floßſtraße ab und können annähernd zum Abwäſſern (Führung des Floßes) eines 400 m langen Floßes 6—7 Mann angenommen werden. Ge— nügt das zu einem Wedel aufgelöste letzte Geſtöre nicht, um die Fortbewegung des Floßes zu regeln, ſo werden je nach der Floßlänge noch weitere 2—4 Sperrvorkehrungen herge— ſtellt. Im ruhigen Waſſer kommt die Sperre, in dieſem Falle After- oder Glasſperre genannt, auf ein beliebiges Geſtöre des Nach— floßes zu ſtehen, während im reißenden Waſſer eigene Sperrgeſtöre angefertigt werden. In der Mitte des Sperrgeſtöres wird (Fig. 386) ein kürzeres Stammſtück einge— bunden, jo daſs eine Offnung von ca. 6m 0 GE: 7 Fig. 386. Anſicht einer Sperre in einem Langholzfloße. a Sperr- balken (Sperrbaum), Sperrſtummel, b Riegelhölzer, e Eiſenklam— mern, d Wieden, e Floßhölzer. entſteht. Durch letztere gelangt das 3˙3—4 3 lange und 26—32 em dicke Sperrholz (Sperrſtummel), welches an den quer über das Floß gelegten Einbindhölzern anliegt, auf die Sohle der Floßſtraße. Die Einbindhölzer ſind mit Wieden und Klammern an die Floß— hölzer befeſtigt. Um weiter ein Spießen des Floßes zu verhüten, werden die Floßhölzer des erſten Geſtöres keilförmig zugerichtet und mit einer Vorſchaufel, einem nach vorne empor— ragenden kurzen Bohlenſtücke verſehen, ſiehe Flößerei, Einbindplätze, Eigenſchaften einer Floßſtraße, Wieden. Fr. Geſtreckte Structur beſitzen ſolche Ge— ſteine, deren Mineralindividuen alle oder einzeln Geſtreckte Struetur. — Gewahr. 399 nach einer beſtimmten Richtung geordnet, ge— richtet oder in die Länge geſtreckt ſind. Zu beob— achten iſt dieſelbe z. B. bei gewiſſen Trachyten, deren ſäuleuförmige Sanidinkryſtalle parallel angeordnet ſich finden. v. O. Geſtrichen Korn, ſ. Viſiervorrichtung und Schießkunſt. Th. Geſtüber, das: „Geſtüber, Gelos: alſo heißt man den Koth, welchen die Feldhühner fallen laſſen.“ Chr. W. v. Heppe, Wohlred. Jäger, p. 181. — „Geſtüber nennt man die Excre— mente des eßbaren zur niederen Jagd gehörigen Federwildes.“ Hartig, Lexik., p. 221. — Laube, Jagdbrevier, p. 279. — Sanders, Wb. II., p. 1183. E. v. D. Geſund, adj., im Gegenſatze zu krank oder angeſchweißt, heißt ein Stück Wild, wel— ches von einem auf dasſelbe abgegebenen Schuſſe unverletzt blieb. „Zu merken iſt hiebei, daſs man (den Schweißhund) auf geſundes Wild nicht viel arbeite.“ Döbel, Jägerpraktika, 1746, I., fol. 107. — „Der geſund abſtreichende Hahn. ..“ Wurm, Auerwild, p. 96. — „Iſt der Hund feſt auf kalten, gefunden Fährten .. .“ Burghardt, A. D. Walde, II., p. 169. — Sanders, Wb. IL, P 1271 E. v. D. Getheiltes Eigenthum, ſ. Eigenthum. At. Getreidelauftäfer, deutſcher Name für Zabrus gibbus (ſ. d.) Hſchl. Geum rivale L., Bachnelkenwurz (Familie rosaceae). Ausdauerndes Kraut mit 15 bis 45 em hohem, meiſt einfachem, wenigblättrigem, an der Spitze eine armblütige Trugdolde tra— gendem, ſammt den Blättern abſtehend behaar— tem Stengel. Untere Blätter leierförmig-fieder— ſchnittig, obere 3zählig zerſchnitten. Blüten ge— ſtielt, nickend, mit 5 zuſammengeneigten, drüſig zottigen, purpurbraunen Kelchblät— tern, welche lang zugeſpitzt und länger ſind als die aufrechten, gelblich-roſenrothen, purpurn geaderten Blumenblätter. Staub— gefäße und Griffel zahlreich, eingeſchloſſen. Auf ſumpfigen Moorwieſen, Torfmooren, an Waldbächen, ſumpfigen Waldſtellen na— mentlich der Ebenen und Hügelgelände, doch bis in die Alpen. Blüht vom Mai bis Juli. Wm. Geviertpflanzung, ſ. v. w. Quadrat- pflanzung; ſ. Verband. Gt. Gewäff, das, auch Gewaff, Gewaffe, die Waffen des Schwarzwildes, dann auch die Fangzähne und Klauen des ſtärkeren Raubwildes. „Gewäffe, Gewerft, Gewehr, Waffen, dann Schneid, nennt man die untern langen Zähne einer Sau, mit welchen ſie um ſich ſchlägt. Gewäff und Schneid ſagt man aber auch von den Zähnen der Raubthiere.“ Chr. W. v. Heppe, Wohlred. Jäger, p. 182. — „Fänge oder Gewäjf: die Krallen der Luchſen und Raubvögel.“ Ibid., p. 142. — Sanders, Wb. II., p. 1448. E. v. D. Gewahr, adj., in der Verbindung gewahr werden, vom Wild und Hund, dann auch vom Jäger; vgl. äugen, wahrnehmen. „Der Hirſch wird gewahr und ſiehet nicht.“ Pärſon, Hirſch— gerechter Jäger, 1734, fol. 79. — „Gewahr— nehmen und wahrnehmen oder vermerken ſind 400 allgemeine, aber adoptirte Jagdworte und wollen jo viel jagen als aufmerken oder ſich ge— ſichern ...“ Chr. W. v. Heppe, Wohlred. Jäger, p. 182. — „Gewahr werden iſt die häufig angewendete, weidgerechte Bezeichnung für ſehen, erſchauen.“ R. R. v. Dombrowski, Der Fuchs, p. 186. — Wurm, Auerwild, p. 52. — Sanders, Wb. II., p. 1459. E. v. D. Gewährleiſtung (Deutſchland) iſt im allgemeinen die Haftung des Verkäufers für jede dem Käufer gemachte Zuſicherung, ins— beſondere aber die Haftung für die rechtlichen und factiſchen Mängel der verkauften Sache. Die Haftung für die rechtlichen Mängel der verkauften Sache oder für das Behalten— dürfen (habere licere) derſelben wurde bereits unter Entwehrung erörtert. Die Haftung für die factiſchen Mängel der Sache, welche nach allgemeinen Grundſätzen dem Verkäufer bei Zuſicherung der Abweſenheit oder argliſtigem Verſchweigen derſelben obliegt und den Käufer zur Forderung von Erſatz oder Vertragsauflöſung (actio emti) berechtigt, wurde ſpäter im römiſchen Rechte dahin erweitert, daſs der Verkäufer auch ohne Verſicherung und ohne Argliſt für alle Fehler einzuſtehen hat, welche nicht jchon bei gewöhnlicher Aufmerkſam— keit von dem Käufer wahrgenommen werden konnten. War ein ſolcher Fehler bei dem Ver— kaufe vorhanden, ſo kann der Käufer nach freier Wahl entweder mit der Wandlungs— klage (actio redhibitoria) die Auflöſung des Geſchäftes oder mit der Minderungsklage (actio quanti minoris) eine verhältnismäßige Herab— ſetzung des Kaufpreiſes verlangen. Beide Klagen ſtehen auch dem Käufer zu, wenn der Verkäufer die Abweſenheit eines Mangels oder das Da— ſein eines Vorzuges zugeſichert hat. Der Beweis, dajs ein Mangel ſchon beim Kaufsabſchluſſe vorhanden war, iſt in jedem Falle zur Begrün- dung der Klage unerlässlich. Bei Auflöſung des Kaufes hat der Verkäufer den Kaufpreis nebſt Zinſen zurückzuzahlen und dem Käufer etwaigen Schaden und die gehabten Auslagen, ſofern ſie nicht, wie die Futterkoſten, durch den Gebrauch der Sache compenſiert werden, zu vergüten. Der Käufer dagegen muſs die Sache mit Früchten und Acceſſionen zurückgeben und für die durch ſeine Schuld verurſachte Verſchlech— terung derſelben Erſatz leiſten. Die Herabſetzung des Kaufpreiſes entſpricht dem Minderwerte der Sache infolge des entdeckten Mangels. Auf beide Klagen, welche ohnehin bei fiscaliſchen Veräußerungen ausgeſchloſſen ſind, kann ver— tragsmäßig verzichtet werden. Die Wandlungs— klage verjährt in ſechs Monaten, die Minde— rungsklage in einem Jahre vom Vertragsab— ſchluſſe an. Dieſe Beſtimmungen des römiſchen Rechts gelten in der Hauptſache auch im deutſchen Privatrechte und wurden im gemeinen Rechte auf den Tauſch und in den neueren Codifica— tionen, wie im preußiſchen allgemeinen Land— rechte und dem ſächſiſchen Civilgeſetze, auf alle läſtigen Verträge übertragen. Die Verjährungs— friſt iſt für die Wandlungs- und Minderungs- klage nach dem preußiſchen Landrecht bei Land— gütern drei Jahre, bei Stadtgütern ein Jahr, Gewährleiſtung. — Gewalt. bei Mobilien ſechs Monate, nach dem ſächſiſchen Geſetzbuche bei Immobilien ein Jahr, bei Mo— bilien ſechs Monate nach dem Empfang der Sache. ; Bezüglich der Gewährleiſtung bei Vieh— verkäufen weicht das deutſche Recht von dem römiſchen ab, indem meiſt landesgeſetzlich (3. B. in Preußen durch das allgemeine Landrecht, in Bayern durch das Geſetz vom 26. März 1859 über die Gewährleiſtung bei Wiehver- äußerungen, in Sachſen durch das Civilgeſetz) die Minderungsklage ausgeſchloſſen iſt, und die Wandlungsklage nur bei gewiſſen Hauptmängeln zugelaſſen wird, wenn dieſelben in kurzer Zeit nach der Übergabe (3. B. in Preußen 24 Stun⸗ den bis vier Wochen, in Bayern 8—40 Tage) hervortreten und geltend gemacht werden. Es wird hier dann bis zum Beweiſe des Gegen— theils angenommen, daſs die Mängel ſchon zur Zeit des Vertragsabſchluſſes vorhanden waren. Nach den Art. 346— 330 des Reichs handels- geſetzes muſs der Käufer bei dem Platzgeſchäfte die Ware ſofort in Empfang nehmen, wenn ſie vertragsmäßig beſchaffen iſt oder in Erman— gelung beſonderer Verabredung den geſetzlichen Erforderniſſen entſpricht, während bei dem Diſtanzgeſchäfte (Überſendung der Ware von einem anderen Orte) der Käufer die Ware nach der Ablieferung ohne Verzug zu unterſuchen und über die Mängel derſelben dem Verkäufer ſofort Anzeige zu erſtatten hat. Ebenſo mufs dem Verkäufer von der ſpäteren Entdeckung von Mängeln unverzüglich Mittheilung gemacht werden Die Klagen gegen den Verkäufer wegen Mängel verjähren in ſechs Monaten nach der Ablieferung an den Käufer, ebenſo die Einreden, wenn die Anzeige über die entdeckten Mängel nicht in der gleichen Friſt an den Verkäufer er- ſtattet wurde. Die deutſchen Staatsforſtverwaltungenüber— nehmen nach ihren Verkaufsbedingungen keine Gewährleiſtung, bieten aber den Käufern Ge— legenheit zur Beſichtigung der Forjtproducte vor oder bei dem Kaufsabſchluſſe. At. Gewalt (vis) iſt ein auf den Willen eines anderen geübter Zwang durch körperliche Ein— wirkung (phyſiſche Gewalt, vis absoluta) oder durch Bedrohung mit Übeln (pſychiſche Gewalt, vis compulsiva). Die Gewalt iſt entweder eine berechtigte (vis justa), wie z. B. die väterliche Gewalt und die Nothwehr, oder eine unberech— tigte (vis injusta), wenn ſie in rechtswidriger Abſicht erfolgt oder die Grenzen ihrer Berech— tigung überſchreitet. Im Privatrechte kommt nur die Be⸗ drohung mit einem Übel (nicht die phyſiſche Nöthigung) in Betracht, da bei dieſer die Hand⸗ lungen des Gezwungenen noch als eigene, wenn auch unfreie erſcheinen (coactus voluit, tamen voluit). Ein in ſolcher Weiſe zuſtande gekom- menes Rechtsgeſchäft wird entweder als nichtig, oder nur als anfechtbar betrachtet. Im römi⸗ ſchen und gemeinen Recht hat bei Rechtsge— ſchäften unter Lebenden der Gezwungene die actio quod metus causa und eine Einrede, wäh— rend für erzwungene letztwillige Verfügungen von verſchiedenen Seiten die Nichtigkeit verlangt wird. Der franzöſiſche Code civil erklärt alle a ee Gewalt, höhere. — Gewäſſer. erzwungenen Rechtsgeſchäfte für nichtig, wäh— rend nach dem preußiſchen allgemeinen Land— recht nur jene letztwilligen Verfügungen nichtig ſind, bei welchen der mit der Aufnahme der— ſelben betraute Richter durch Mitwiſſenſchaft an dem geübten Zwange betheiligt iſt. Nach dem ſächſiſchen Civilgeſetze ſind erzwungene Rechtsgeſchäfte unter Lebenden anfechtbar, durch Zwang entſtandene Verfügungen für den Todes— ſall nichtig. Im Strafrechte iſt Gewalt, wie Trug, ein charakteriſtiſches Merkmal einer Reihe von Delicten, indem fie bald ein zufälliges (3. B. bei Tödtung und Körperverletzung), bald ein weſentliches (3. B. Raub, Nothzucht, Aufruhr) Mittel zur Erreichung des Zweckes bildet Ein Verbrechen der Gewalt (erimen vis), bei welchem dieſe, wie bei den römiſch-rechtlichen erimen vis publicae und privatae, nicht als Mittel, ſondern als Zweck erſcheint, wird gegenwärtig nicht mehr angenommen, indem man ſich darauf beſchränkt, aus den vielen Fällen der Gewaltthätigkeit jene als Specialdelicte hervorzuheben, bei welchen die Anwendung von Gewalt das Hauptmoment bildet. Das deutſche Reichsſtrafgeſetz vom 15. Mai 1871 hat als ſolche mit Gefängnis— oder Geldſtrafe bedrohte Sondervergehen die Nöthigung (§ 240) eines anderen zu einer Handlung, Duldung oder Unterlaſſung durch widerrechtliche Anwendung von Gewalt oder durch Bedrohung mit einem Verbrechen oder Vergehen, den Landzwang (§ 126) oder die Störung des öffentlichen Friedens durch An— drohung eines gemeingefährlichen Verbrechens und den Widerſtand (§ 113) gegen einen in der Ausübung ſeines Amtes begriffenen Beam— ten durch Gewalt oder Bedrohung mit ſolcher. Nach § 32 des Reichsſtrafgeſetzes iſt eine ſtrafbare Handlung nicht vorhanden, wenn der Thäter durch unwiderſtehliche Gewalt oder durch eine Drohung, welche mit einer gegenwärtigen, auf andere Weiſe nicht abwendbaren Gefahr für Leib oder Leben ſeiner ſelbſt oder eines Angehörigen verbunden war, zu der Handlung genöthigt worden iſt. At. Gewalt, höhere (vis major, force ma. jeure), iſt ein unvorhergeſehenes natürliches oder durch Menſchen herbeigeführtes Ereignis, welches von dem durch dasſelbe Betroffenen auch durch beſondere Sorgfalt nicht abzuwenden war Die— ſelbe iſt privatrechtlich dadurch von Bedeutung, dajs an ihr die Haftung für Beſchädigung oder Verluſt anvertrauter Sachen (bezw. auch Per— ſonen) ihre Grenze findet. Dies gilt für die aus dem römiſchen in das gemeine Recht über— gegangene Haftung des Gaſthoßfbeſitzers für die von den bei ihm wohnenden Reiſenden zur Aufbewahrung erhaltenen Sachen, für die Haf— tung bei dem Frachtgeſchäfte nach dem deutſchen Reichshandelsgeſetze und für die Haftpflicht nach dem Reichsgeſetze vom 7. Juni 1871, die Ver— bindlichkeit zum Schadenerſatze für die bei dem Betriebe von Eiſenbahnen, Bergwerken u. ſ. w. herbeigeführten Tödtungen und Körperverletzun— gen betreffend. At. Gewanne, ſ. v. w. Felder; ſ. Kamp sub 9. Gt. Dombrowski. Encyklopädie d. Forſt⸗ u. Jagdwiſſenſch. IV. Bd. 404 Gewäſſer. Man unterſcheidet fließende und ſtehende Gewäſſer und zählt zu den erſteren alle Abfluſsrinnen (Gräben, Bäche, Flüſſe, Ströme), zu den letzteren Teiche, Seen, Sümpfe u. ſ. w. Alle Niederſchläge, mögen ſie in Form von Regen, Nebel, Schnee u. ſ. w. zu Boden ge— langen, dringen in dieſen ſo tief ein, als ſie nicht an undurchläſſigen Schichten Widerſtand finden, und bilden mehr oder minder umfangreiche Waſſer— anſammlungen, deren Spiegel mit den zunächſt gelegenen offenen Gewäſſern in eine ziemlich gleiche Höhe fällt. Dieſe Waſſeranſammlung bezeichnet man als das horizontale oder Grun dwaſſer. Hat die undurchläſſige Schichte eine muldenförmige Lage und iſt nicht zu tief gebettet, jo daſs der Grundwaſſerſpiegel bis an die Nähe der Oberfläche hervorreicht, ſo ent— ſtehen Sümpfe, die, wenn die mittlere Tempe— ratur zwiſchen 4— 12 R. ſchwankt, in Moor übergehen, wenn eine vollſtändige Zerſetzung der Pflanzenreſte durch den Einfluß des Waſſers und der Temperatur nicht platzgreifen kann. Tritt das in den Boden eingedrungene Waſſer an einer Stelle zu tage, ſo entſteht eine Quelle und man nennt den Raum zunächſt der Aus— trittsſtelle den Quellkeſſel und den Weg, den das abfließende Waſſer nimmt, eine Rinne oder ein Rinnſal. Durch die Vereinigung mehrerer Rinnſale entſtehen Bäche, die dann Flüſſe bilden, welche wieder von jener Stelle an, wo ſie ſchiffbar werden, den Namen Ströme führen. Ein jeder Waſſerlauf empfängt ſeine Waſſer— maſſen ans einem beſtimmten Gebiete. Dieſe Gebiete ſind unter einander durch Waſſer— ſcheiden getrennt. Man gebraucht daher die Bezeichnungen Quellengebiet, Bachgebiet, Fluſsgebiet, Stromgebiet. Mit Rückſicht auf das Querprofil unterſcheidet man bei einem Waſſerlaufe ſein Bett oder den Raum, welcher das Waſſer einſchließt, deſſen Sohle und die Uferwände oder Uferränder, oder die Borde, das Uberſchwemmungsgebiet und die mehr oder minder ſcharf ausgeſprochenen Hochgeſtade. Die Sohle iſt im Längenprofile eine ge— neigte, im Querprofile eine concave Fläche, und ſoll der tiefſte Punkt — Stromrinne oder Thalweg — unter normalen Verhältniſſen in die Sohlenmitte fallen. Dieſer Fall iſt aber bei den ſich ſelbſt überlaſſenen Abfluſsrinnen ſelten anzutreffen; häufig findet man mehrere tiefe Rinnen, zwiſchen denen mehr oder minder beträchtliche Erhöhungen oder Ablagerungen vorkommen. Liegen letztere über dem Mittel— waſſerſtand, ſo heißen ſie Inſeln, wäh— rend man ſie als Gründe oder Bänke be— zeichnet, wenn ſie zwiſchen den Mittel- und Niederwaſſerſtand fallen. Dadurch entjtehen Theilungen des Fluſslaufes (Fluſsarme), die man Altwaſſer nennt, wenn ſie in den obe— ren Partien verlandet ſind, und Gießen, wenn ſie erſt beim Mittelwaſſerſtande waſſer— führend werden. Die Grenzen der Uferwände nennt man Uferborde; häufig ſind ſie durch einen gut kenntlichen Terrainbruch markiert, während jenes Gebiet, welches bei dem höchſten Waſſerſtande unter Waſſer geſetzt wird, als Überſchwem— 26 402 mungsgebiet (Niederung) eines Baches gilt. Sit der Bach- oder Fluſslauf durch Parallelwerke (Dämme) in ein beſtimmtes Profil geſchloſſen, ſo findet das Überſchwemmungsgebiet durch die obigen Bauten eine feſtgeſetzte Grenze; man be— zeichnet dann den Raum zwiſchen dem Waſſer— lauf und dem Fuß der Dämme als das Vor— land. Die Grenzen des höchſten Waſſerſtandes, gewöhnlich hohe alte Uferwände, ſind mitunter ziemlich kennbar und heißen dann Hochgeſtade. Mit Rückſicht auf den Waſſerſtand unterſcheidet man einen niederſten, mittleren und den höchſten oder den Hochwaſſerſtand. Der Mittelwaſſerſtand bildet gewöhnlich die Grenze der Vegetation von Baumgewächſen und iſt öfter deutlich kennbar. Wenn es ſich um die Correction eines Fluſs- oder Bachlaufes han— delt, ſo iſt die Kenntnis der verſchiedenen Waſſerſtände wichtig und müſſen an geſchützten Orten Meſsſtangen oder Meſslatten (Pegel) aufgeſtellt werden, auf denen der jeweilige Waſſerſtand abgeleſen werden kann. Hochwäſſer treten am häufigſten im Früh—⸗ jahre ein und können, wenn ſie in die Zeit des Eisganges fallen, bedeutende Dimenſionen an— nehmen (ſ. Überſchwemmungen). Fauür Oſterreich und Weſtdeutſchland, d. i. für gut cultivierte und bewaldete Gegenden, kann man erfahrungsgemäß die Abfluſsmaſſen bei einem Hochwaſſer per Quadratkilometer und Stunde mit 350—500 m? in ebenen Ländern, 700--900 m? in hügeligem Terrain, 1450 bis 1800 m? in mittelmäßig gebirgigen Gegenden und 2000-3000 ms in völlig gebirgigen Gegen— den annehmen, während in den Gebirgsbächen der Südſchweiz, Kärnthens, Tirols, Salzburgs u. ſ. w. die Abfluſsmaſſen ſchon bei einem niederen Waſſerſtande per Quadratkilometer und Stunde 360 —720 ms betragen können; in ungünſtigen Verhältniſſen können ſich dieſe Maſſen auf das 600—800fache erhöhen. In gut cultivierten ebenen Ländern erreichen die Hoch— wäſſer gewöhnlich das 50 —70fache der Abfluſs— maſſe des Niederwaſſers und in gut bewaldeten, hügeligen bis gebirgigen Gebieten das 100 bis 200fache. die Bäche führen gewöhnlich Geſchiebe mit ſich, die ſie dann in ungünſtig geſtalteten Profil⸗ ſtrecken ablagern; dadurch verurſachen ſie man— cherlei Störungen. Nach Mittheilungen von Dubuat bedarf das Waſſer einer Geſchwindig— feit per Secunde von 0˙08 m um Thon, 016 m um feinen Sand, 020 m um groben Sand, 030 m um eigroßen Schotter, 060 m um fauft- großen Schotter, 220 m um kopfgroße Trüm— mer und 504 m um 1½ —2 m große Trümmer fortzubewegen (j. Triftbacheorrection). Bäche, die keinerlei Ablagerung verurſachen, deren Bett ſomit den Abflufsverhältniſſen entſpringt, haben eine Normalbreite oder ein Normalbett, welches bei geplanten Correctionsanlagen durch Berechnung gefunden wird (j. Durchfluſsprofile). Die Abfluſsgeſchwindigkeit iſt verſchieden und in einem Punkie des Querprofiles am größten; denkt man ſich alle die Punkte im Längenprofile durch eine Linie verbunden, ſo be— zeichnet man dieſe Linie als Stromſtrich. Fr. Gewebeſpannung. Die Erſcheinungen der Gewebeſpannung. Gewebeſpannung ſind nur zu erklären, nachdem wir zuvor einen Blick auf die osmotiſchen Eigen— ſchaften der lebenden Zelle geworfen haben. Eine lebende, protoplasmahaltige Zelle kann man ſich als eine mit doppelter Wandung geſchloſſene Blaſe vorſtellen, deren Außenwand durch die Zellhaut, deren Innenwand durch den der Außen— wand eng angeſchmiegten Protoplasmaſchlauch repräſentiert wird, wogegen der Innenraum durch den Zellſaft, d. h. eine Löſung ſehr ver— ſchiedenartiger Stoffe, erfüllt iſt. Liegt eine ſolche Zelle im Waſſer, in welchem Stoffe ver— ſchiedener Art, wie ſie die Zelle zu ihrer Ernäh— rung bedarf, gelöst ſind, ſo kann ein Verkehr dieſer Stoffe von innen nach außen und umge- kehrt ſtattfinden, denn die Wand iſt gleichſam ein Sieb, in dem die Micelle durch mit Waſſer und löslichen Stoffen erfüllte Micellarinterftitien von einander getrennt find. Die Micellarinter- ſtitien laſſen alles Mögliche paſſieren, aber mit Auswahl. Vermöge der ihnen innewohnenden anziehenden und abſtoßenden Kräfte beſtimmen die Micelle, welche Stoffe und mit welcher Ge— ſchwindigkeit dieſelben die Wandung paſſieren. Der Zellſaft enthält nun im normalen Zu⸗ ſtande die Löſungen organiſcher und anorga— niſcher Stoffe in einem Concentrationsgrade, in welchem ſie überaus begierig auf Waſſerbeſitz ſind, während ſie ſelbſt das Protoplasma nicht paſſieren können. Da nun Waſſer ſehr leicht alle Schichten einer Zelle paſſiert, ſo wird es leicht in den Zellraum gezogen, bis es dieſen erfüllt. Da die Anziehungskräfte auch dann noch fortwirken, jo fährt die Waſſerzufuhr fort und übt nun einen Druck von innen auf die Zell- einhüllung aus. Da die Zellhaut elaſtiſch iſt, ſo gibt ſie dem Druck nach, bis die Cohäſion der kleinſten Theile der Wand Widerſtand leiſtet. Die Zelle befindet ſich im Zuſtande der Tur— geſcenz. Die elaſtiſch geſpannte Zellwand ver— ſucht ſich zuſammenzuziehen und übt dadurch einen Druck auf die innere Flüſſigkeit aus. Es wirken hier alſo zwei Kräfte einander entgegen; die Anziehungskraft der gelösten Salze zu dem Außenwaſſer und der Gegendruck der Zellwand, hervorgerufen durch Cohäſion und Elaſtieität der Zellwand. Hiedurch würde aber noch kein Turgor entſtehen, denn die expandierte Zell— wand iſt ſehr filtrationsfähig, wenigſtens im dünnen Zuſtande, und ihr Druck auf den Zell- inhalt würde die Zellflüſſigkeit leicht hinaus⸗ preſſen. Die Protoplasmahaut iſt es, welche zwar den Eintritt in den Saftraum geſtattet, aber gegen Filtrationsdruck im hohen Grade reſiſtent iſt, ſo daſs ſie den Austritt des Waſſers ſehr erſchwert. Sie ergänzt alſo die nöthigen Eigenſchaften der Zellwand. Eine Reihe von Lebenserſcheinungen beruht auf der Eigenſchaft der Pflanzenzellen, zu turgeſeieren; dahin ge— hört zunächſt der ſtraffe Zuſtand vieler Pflanzen⸗ theile, die ſofort welken, wenn die Turgeſcenz durch Waſſerverlauf aufgehoben wird. Ein ähn⸗ licher Zuſtand wie zwiſchen Zellhaut und Zell- inhalt beſteht vielfach zwiſchen der Haut eines Gewebstheiles und dem von ihr eingeſchloſſenen Grundgewebe. Die Steifheit und Biegungs⸗ feſtigkeit ſaftiger Stengel und Blattſtiele wird weſentlich dadurch bedingt, daſs das Hautgewebe 4 im Zuſtande der paſſiven Ausdehnung, das ein— geſchloſſene Gewebe im paſſiv zuſammenge— drückten Zuſtande ſich befindet. Man mußs hie— bei nur nicht an eine Compreſſion des Waſſers denken, vielmehr an eine Veränderung der Zell— form, die in ihrer Ausdehnung nach der einen oder anderen Richtung verhindert iſt. Dieſen Zuſtand bezeichnet man als Gewebeſpan— nung. Für ihu iſt charakteriſtiſch, daſs der Pflanzentheil im friſchen Zuſtande ſtarr und ſteif iſt, während beide Theile, Haut und Ge— webe, für ſich ſchlaff ſind. Hg. Gewebsarten. Unter Zellgewebe verſteht man einen Complex zuſammenhängender Zellen, die in ihrem Wachsthum, in ihrer Geſtalt und in ihrem phyſiologiſchen Verhalten eine gewiſſe Übereinſtimmung darbieten und ſich da— durch von anderen benachbarten Gewebsarten unterſcheiden. Wenn mehrere Gewebsarten zu einem Ganzen von beſtimmtem phyſiologiſchen Charakter vereinigt ſind, ſo nennt man das ein Gewebeſyſtem. Ein Zellgewebe entſteht bei den höher ent— wickelten Pflanzen durch Zelltheilung, d. h. durch Bildung neuer Scheidewände im Innern be— reits vorhandener Zellen, die dabei an Größe zunehmen. Solange ein Gewebe noch die Fähig— keit lebhafter Zelltheilung beſitzt, nennt man es Theilungsgewebe im Gegenſatz zum Dauer— gewebe, in welchem die Zellen ihre definitive Geſtalt erlangt und ihre Theilungsfähigkeit ganz oder faſt ganz eingebüßt haben. Das Theilungsgewebe oder Meriſtem findet ſich einmal in der Spitze der Knoſpen und Triebe ſowie der Wurzeln und wird dann als Urmeriſtem bezeichnet, oder wir finden es als Cambium im Innern älterer Gefäßbün— del auf der Grenze zwiſchen Holz und Baſt— theil derſelben. Im Urmeriſtem der Vege- tationsſpitzen hat man die jüngſten Zellen, welche der künftigen Epidermis als Urſprung dienen, Dermatogen genannt, während die am Scheitelpunkt unter dem Dermatogen ge— legenen Zellen, welche gleichſam die jüngſten Zellen der Außenrinde ſind, als Periblem und die jüngſten Zellen der künftigen Gefäß— bündel und des Markkörpers als Plerom be— zeichnet werden. Alle Gewebsarten, deren Zellen mehr iſo— diametriſche Durchmeſſer beſitzen und mit ziem— lich geraden Endflächen aufeinanderſtoßen, wer— den als Parenchym, dagegen die Gewebe, deren Zellen langgeſtreckt ſind und mit ſchrägen Endflächen ineinandergreifen, als Proſenchym bezeichnet. Alle Gewebsarten werden mit Rück— ſicht auf die hauptſächlichſten Aufgaben der Pflanze in drei Hauptſyſteme eingetheilt. Das Hautgewebeſyſtem, welches den Schutz der Pflanze nach außen vermittelt, zugleich aber auch die Correſpondenz zwiſchen Pflanzeninne— rem und Außenwelt ermöglichen und regulieren mujs, beſteht in Epidermis, Hypoderma, Korkhaut oder Periderm und endlich für ältere Baumtheile in der Borke. Das Strang— ſyſtem dient der Pflanze zur Säfteleitung und zugleich zur Feſtigung des Pflanzenkörpers, wodurch dieſe zum Aufbau größerer Maſſen geeignet gemacht wird. Dasſelbe beſteht aus Gewebsarten. — Gewehre. 403 einfachen Faſerſträngen oder aus zuſammen— geſetzten Strängen, den Gefäßbün deln, Fibrovaſalſtränge, die meiſt Blattſpur— ſtränge ſind. Alle Gewebsarten, die nicht zum Hautſyſtem und nicht zum Strangſyſtem ge— hören, hat man mit dem gemeinſamen Namen Grundgewebe belegt. Es gehören dahin alſo der Markkörper, die Außenrinde und im be— ſchränkten Sinne die primären Markſtrahlen, ferner das chlorophyllhaltige Zellgewebe der Blätter, Meſophyll genannt, das Fleiſch der Früchte u. ſ. w. Als Selerenchym gewebe bezeichnet man alle ſolchen Zellgewebe, deren Wandungen ſehr dick und hart ſind, ſo z. B. den Hartbaſt, die Organe des Holzkörpers; dagegen wird als Colleuchym, Leimgewebe, eine Art des Hypo— derma bezeichnet, deſſen Zellwandung in Waſſer unter Zuſatz von Kali leimartig aufquillt, aber auch ſchon in der Natur durch eigenthümliche Lichtbrechung und Verdickungsart ſich aus— zeichnet. Filzgewebe wird das aus unter ein⸗ ander verflochtenen Pilzfäden beſtehende Gewebe der größeren Pilzfruchtkörper, aber auch man— cher größerer Myeelkörper bezeichnet. Scheinparenchym oder Pjeudoparen- chym iſt ein aus untereinander verwachſenen Pilzfäden beſtehendes Gewebe, welches im Quer— ſchnitt denſelben Eindruck hervorruft, als be⸗ ſtände es aus Zellen, die durch Zelltheilung aus einander hervorgegangen ſeien, während doch thatſächlich die urſprünglich getrennten Zellen erſt nachträglich durch Verſchmelzung der Wandungen verwachſen ſind. Hg. Gewehr, das. I. Während früher allgemein und in der Waffenkunde auch heute noch alle Waffen Ge⸗ wehre genannt und ſpeciell in Feuer⸗ und Seitengewehre getheilt werden, kennt die Weidmannsſprache das Wort gegenwärtig nur für erſteres als allgemeine Bezeichnung; vgl. Füchſe, Flinte, Rohr. II. Syn. mit Waffen, Gewäff und par⸗ tiell mit Gewerf, Haderer, ſ. d. „Gewehr nennt man der Sauen und anderer Thiere, ſo beißend find, ihre Fangzähne.“ Täntzer, Jagd— geheimniſſe, 1682, fol. XII. — „Die großen Zähne, ſo ſie (die Sauen) auf beiden Seiten haben, heißen das Gewehr oder Gewerfft, nicht Zähne.“ Döbel, Jägerpraktika, 1746, L, fol. 25. — „Lange krumme Zähne, mufßs heißen Gewerft, Gewehr.“ C. v. Heppe, Aufr. Lehr⸗ prinz, 1751, p. XXIV. — „Der Rüſſel heißt Gebrech oder Wurf, die oberen Eckzähne Ge— werft, Gewehr, die unteren Hauer, Haderer, oder jenes: Obergewehr, und dies: Unter⸗ gewehr.“ Bechſtein, Hb. d. Jagdwiſſenſchaft, I., 1, p. 45. — D. a. d. Winkell, Hb. f. Jäger, 1820, I., p. 304, 305. — Hartig, Lexikon, p. 222. — Laube, Jagdbrevier, p. 279. — Sanders, Wb. II., p. 152. E. v. D. Gewehre. Nach SS 373 und 374 des öſter⸗ reichiſchen Strafgeſetzes iſt Jedermann, der zu Hauſe ein geladenes Gewehr hat, verpflichtet, dasſelbe vor Kindern und anderen unvorſich— tigen und unerfahrenen Perſonen zu verwahren. Wird dieſe Sorgfalt vernachläſſigt und kommt 26* Ze 9 404 Gewehrgerecht. — Gewehrſteuer. dadurch Jemand zu Schaden, ſo wird dieſe Übertretung mit Arreſt von einer Woche bis zu einem Monate beſtraft, eventuell mit Ver— ſchärfung; bei ſchwerer Beſchädigung Arreſt von einem bis zu ſechs Monaten, bei Tödtung (Vergehen) ſtrenger Arreſt von ſechs Monaten bis zu einem Jahre. Die gleiche Strafe trifft Jeden für eine Handlung, deren Gefährlichkeit derſelbe nach ihren natürlichen Folgen oder vermöge ſeiner ſpeciellen Kenntnis erkennen muſste, wenn daraus ſchwere körperliche Be— ſchädigung oder der Tod eines Menſchen er— folgte (5 335 Str. G.). In derſelben Weiſe iſt je nach den Folgen das unvorſichtig (ohne Ab— ficht) erfolgte Abdrücken eines Gewehres zu be— ſtrafen, wenn ſich der Thäter vorher nicht ver— ſichert hat, dajs das Gewehr nicht geladen iſt. In einem fremden Jagdreviere darf ſich niemand, außer auf der Straße oder dem Fuß— ſteige bei der Durchreiſe, mit einem Gewehre (oder einem Fang- oder Hetzhund, ſ. d.) betreten laſſen. Jagdpatent v. 28./2. 1786, § 18, jagd- polizeiliche dg. d. M. d. J. v. 15/12. 1852, 3. 3681, an alle Landeschefs, ſpeciell kundge— macht in Niederöſterreich am 27/12. 1852, L. G. Bl. Nr. 473, Oberöſterreich am 28./12. 1852, L. G. Bl. Nr. 1, Abtheilung II ex 53, Salzburg v. 25./12. 1852, L. G. Bl. Nr. 447, Steiermark v. 28./ 1. 1853, L. G. Bl. Nr. 28, II., Kärnthen v. 3./ J. 1853, L. G. Bl. Nr. 3, II.; Zuwider⸗ handelnde ſind in Nieder- und Oberöſterreich einzuziehen und durch die politiſche Behörde zu beſtrafen, letzteres iſt in Salzburg angedroht, in Steiermark Abnahme des Gewehres, in Kärnthen unerwähnt, alſo Beſtrafung durch die politiſche Behörde. Geld von 1 bis 100 fl. oder Arreſt von 6 Stunden bis 14 Tagen; ſ. E. d. M. d. J. v. 1/7. 1876, Z. 8750. Nach dem eroatijchen Jagdgeſetze vom Jahre 1870 Strafe 3 200 fl. zu gunſten des Ortsarmenfondes. Über Diebſtahl mit Gewehr j. Diebſtahl. Ver— kauf von Schießgewehren auf Märkten durch den Büchſenmacher iſt geſtattet (E. d. M. d. J. v. 27./ 2. 1877, Z. 1697). Geladene Gewehre (Schießpulver, leicht entzündliche Präparate u. ſ. w.) dürfen nach dem Betriebsreglement für Eiſenbahnen (Vg. des H. M. v. 10./6. 1874, R. G. Bl. Nr. 75) nicht in die Perſonenwägen mitgenommen werden. Der Lauf eines mitgenommenen Gewehres muss nach oben gehalten werden; Jäger und im öffentlichen Dienſte ſtehende Perſonen dürfen ihre Handmunition mitführen. Das Eiſenbahn— perſonal darf ſich über die Beſchaffenheit des Reiſehandgepäcks Überzeugung verſchaffen. Zu⸗ widerhandelnde haften für allen Schaden an fremdem Gepäck und ſonſtigen Schaden und werden außerdem nach dem Bahnreglement be— ſtraft (ſ. a. Munition). Mcht. Gewehrgerecht, adj., heißt ein Jäger, der mit den Jagdfeuerwaffen weidgerecht umzu— gehen verſteht. C. v. Heppe, Aufr. Lehrprinz, 1751, p. 3. — Hartig, Lexikon, p. 222. E. v. D. Gewehrſteuer. In Ungarn iſt (nach Geſ. Art. XXIII vom Jahre 1883, ſanct. am 8.4. 1883) jedermann verpflichtet, für die in ſeinem Beſitze befindlichen Jagdſchuſswaffen und die ſeinen Familiengliedern, ſeinem Forſt- und Jagd- und ſonſtigen Wachperſonale gehörigen Waffen eine Gewehrſteuer zu bezahlen. Befreit ſind die Mitglieder des a. h. Herrſcherhauſes, ferner die in öffentlichen Sammlungen, Anſtalten und bei Behörden aufbewahrten Gewehre, Fa— milien-Andenken und-Reliquien, private Waffen- ſammlungen, in welchen ſchon außer Gebrauch befindliche Gewehre alter Conſtruction aufbe— wahrt werden, Scheibengewehre, Gewehre der Gendarmen und Polizeiorgane, der beeideten Forſtbeamten und die für den Dienſtgebrauch des Perſonales des königl. Forſtinſpectorates beſtimmten Gewehre, die Gewehre der beeideten Waldaufſeher, in den letzten drei Fällen nur für den Amtsbezirk der Forſtorgane, die zur Jagd nicht verwendeten Gewehre der Offieiere und der Militärmannſchaft und die zum Ver— kaufe beſtimmten Gewehre der Büchſenmacher und Waffenhändler. Der jährliche Betrag der Gewehrſteuer be— läuft ſich auf einen Gulden für jeden Gewehr— lauf; das Steuerjahr beginnt am 1. Auguſt und endet am 31. Juli jeden Jahres, doch mufs die Gewehrſteuer auch dann voll entrichtet werden, wenn der Steuerpflichtige während des Steuer— jahres in den Beſitz eines der Gewehrſteuer unterliegenden Gewehres gelangt. Die Steuer wird von den Gemeindeorganen (Gemeinde— notären, ſtädtiſchen Steuerämtern) auf Grund des Einbekenntniſſes des Pflichtigen bemeſſen und eingehoben. Die Anmeldung hat ſpäteſtens im Monate Juni (auch mündlich) bei der Ge— meinde des ſtändigen Wohnſitzes zu geſchehen, während der Steuerperiode binnen acht Tagen nach der Beſitznahme desſelben. Steuerfreie Ge— wehre ſind als ſolche anzumelden und zu er— weiſen. Die Steuerbemeſſungsliſten werden acht Tage öffentlich aufgelegt, Reelamationen gehen an den königl. Stenerinjpector und werden vom Verwaltungsausſchuſſe erledigt. Die vorgeſchrie— bene Gewehrſteuer iſt binnen 15 Tagen von der Zuſtellung der Bemeſſung bei Execution an die Gemeinde (ſtädtiſches Steueramt) abzuführen, wofür ein Gewehrſteuercertificat ausgeſtellt wird. Die Gemeinden haben Evidenzliſten über die Steuerpflicht und -Freiheiten zu führen und da— für zu ſorgen, daſs niemand ohne Bezahlung der Gewehrſteuer ein Jagdgewehr halte, und haben eventuelle Übertretungen dem Steuer— inſpector anzuzeigen. Bei Vernachläſſigung dieſer Pflicht kann der Stuhlrichter Bußen von 5 bis 25 fl. auferlegen. Wer ein ſteuerpflichtiges Gewehr der Be— ſteuerung entzieht oder ein als ſteuerfrei er— klärtes Schießgewehr zur Jagd benützt, wird für jedes verheimlichte oder der Steuer ent— zogene Gewehr mit einer Buße von 10 — 20 fl. belegt. Der Anzeigende hat zunächſt den Ge— meindevorſtand, dieſer den königl. Steuerin— ſpector zu verſtändigen; letzterer führt die Amts⸗ handlung. Verjährung binnen ſechs Monaten nach begangener That. Gegen die Entſcheidung des königl. Steuerinſpectors binnen 15 Tagen nach der Zuſtellung derſelben Appellation an den Verwaltungsausſchuſs, in Croatien-Sla⸗ vonien an die königl. Finanzdirection; in letzter Inſtanz der Finanzminiſter, nach Creirung eines Finanzverwaltungsgerichtes dieſes. Bei Nicht⸗ 7 - Ir einbringlichkeit der Geldſtrafe Arreſt (10 fl. = 1 Tag Arreſt). Ein Drittheil der Geldbuße er— hält der Anzeiger, ein Drittheil der Staat und ein Drittheil die Gemeinde, in deren Gebiet der Steuerpflichtige ſtändig wohnt; dieſes Drittheil kann in Croatien-Slavonien auch zu Landes— zwecken verwendet werden. — Das Geſetz gilt ſeit 1. Juli 1883 (ſ. ferner Jagdkarte und Jagdſteuer). Mcht. Geweih, das, heute nur für den Haupt- ſchmuck der Hirſcharten außer jenem des Reh— bockes, früher auch für dieſen, während umge— kehrt Gehörn ehemals allgemeine Anwendung hatte, wogegen es heute bloß für den Rehbock gebraucht werden darf; vgl. Gehörn, Geſtänge, Gewicht, Stangen, Kricken. „Die Rehböcke haben Stangen oder Geweyhe und keine Hörner.“ Pärſon, Hirſchgerechter Jäger, 1734, fol. 81. — „Geweyhe, Gehörne ſind die Hörner vom Hirſch; die Hörner aber, ſo die Rehböcke tragen, heißen eines Rehbocks Gehörne und keine Ge— weyhe.“ Täntzer, Jagdgeheimniſſe, 1682, fol. XII. — „Der Hirſch hat auf dem Kopfe ein Gehörn, heißt auch ein Geweyhe oder ein Gewicht.“ Döbel, Jägerpraktika, 1746, I., fol. 17. — „Hörner, muſs heißen: Gehörn, Geweyhe oder Gewichte.“ C. v. Heppe, Aufr. Lehrprinz, 1751, p. XXIV. — „Die (Gehörne) des Reh— bocks nennt man niemals Geweih.“ Hartig, Lexikon, p. 215. — Laube, Jagdbrevier, p. 114. — R. R. v. Dombrowski, Edelwild, p. 36. — Sanders, Wb. II, p. 1531. E. v. D. Geweihbildung. Der Aufbau- und Ab- wurfproceſs des annuellen Hauptſchmuckes der Cervinen bietet dem Zoologen und insbeſondere dem Phyſiologen und Anatomen in allen ſeinen Phaſen eine reiche Fülle eigenartiger und ſchwieriger Forſchungsprobleme. Die Literatur hat über dieſes hochintereſ— ſante Thema neben Abenteuerlichem theilweiſe wohl auch Hochſchätzbares, im ganzen jedoch nur Lückenhaftes geboten, und es ſcheint dies im Hinblick auf die hohe Entwicklung ver— wandter Wiſſenſchaftszweige befremdlich, ſoferne man dieſer Thatſache nicht mit voller Ob— jeetivität gegenübertritt. Dieſelbe findet ihre Erklärung in dem Umſtande, dajs Fachgelehrte in den ſeltenſten Fällen zugleich Weidmänner ſind, dafs andererſeits den letzteren zumeiſt jenes Maß ſpecialwiſſenſchaftlicher Vorbildung man— gelt, welches ſie diesfalls zu ſelbſtändiger For— ſchung befähigen würde, und endlich darin, dass das freie ſcheue Wild eine ununterbrochene, alle Phaſen der Geweihbildung umfaſſende Be— obachtung und Unterſuchung äußerſt ſchwierig, zumeiſt kaum durchführbar geſtaltet. Hiezu tritt auch der einer exacten Forſchung abträg— liche Umſtand hinzu, daſs domeſticiertes, in enger Gefangenſchaft gehaltenes Wild ein ab- ſolut unverläſsliches Beobachtungsmaterial, ins- beſondere in Bezug auf die Geweih- und Ge— hörnbildung repräſentiert. Durch beſondere Verhältniſſe und den Beſitz wildreicher Reviere begünſtigt, war ich in der Lage, die Geweihbildung in allen ihren Stadien genau zu beobachten und zu Zwecken der Unterſuchung das Wild jederzeit zu ſtrecken, ſobald ich dies für nöthig erachtete. Geweih. — Geweihbildung. 405 Das Ergebnis dieſer mühevollen viel— jährigen Beobachtungen “) faſſe ich in Theſen zuſammen und werde deren Begründung un— mittelbar in knapp redigierten Sätzen folgen laſſen. Es ſind folgende: 1. Die Stirnbeine — Ossa frontis — und die im erſten Lebensjahre aus denſelben empor— wachſenden Stangenträger — die Roſenſtöcke — erleiden periodiſch eine auffällige Verände— rung ihrer Structur, welche ſich in alljährlicher Wiederholung aus einem lockeren, von Er— nährungsſäften ſtrotzenden Zellengewebe in eine dichte, harte Knochenmaſſe verwandelt. Das auf denſelben vereckte annuelle Gebilde — das Geweih oder Gehörn — erleidet dieſelben Wandelungen. 2. Die Geweih- oder Gehörnſtangen wer— den nicht nur durch die Gefäßnetze des Peri— oſteums, u. zw. peripheriſch, ſondern zugleich durch Exſudation aus den die Roſenſtöcke durch— ziehenden Säftecanälchen unter dem Schutze des Baſtes in gipfelnder Auflagerung erbaut — vereckt. 3. Die nach dem Verecken vom Baſte ge— fegten Stangen haben in dieſem Stadium noch keineswegs ihren vollen Reifegrad erreicht. 4. Nachdem das annuelle Gebilde völlig ausgereift iſt, beginnt ſofort die Vorbereitung zum Abwurfe desſelben am Roſenſtocke dicht unterhalb der Roſe. 3. Die Beziehungen des Geweihes zu den Zeugungstheilen ſind nicht nur functionelle, ſondern phyſiologiſche. 6. Miſsbildungen, bezw. Verkümmerungen an den Geweihſtangen als Conſequenz von Verletzungen der Genitalien oder anderen ſchwerer Verwundungen, äußern ſich ſtets in diagonaler und niemals, wie dies bis nun gelehrt wurde, in gerader Richtung. 7. Ein Syſtem des geſetzmäßigen progreſ— ſiven Aufbaues der Geweihe läſst ſich nur für eine beſchränkte Zahl von Bildungsſtufen und Perioden allgemeingiltig feſtſtellen. 8. Das Mutterthier vererbt in erſter Reihe die mehr oder minder günſtigen Vorbedin— gungen für den künftigen Aufbau des annuellen Hauptſchmuckes ihrer männlichen Nachkommen— ſchaft, während das Vaterthier neben dieſen zunächſt die typiſche Geſtaltung vererbt. Dieſe wird indes durch die Individualpotenz des Deſcendenten und die telluriſch-klimatiſchen Ein— flüſſe ſeines Standortes weſentlich modificiert. Erläuterungen: Der Zeitpunkt, in wel— chem ſich bei dem männlichen Kalbe der Hirfch— arteu die erſten Anzeichen der künftigen Ge— weihbildung bemerkbar machen, iſt ein artlich, örtlich und ſelbſt individuell verſchiedener. Im allgemeinen läſst ſich beim männlichen Rehkalbe der fünfte, beim Damhirſchkalbe der ſechste, beim Edelhirſchkalbe der achte, beim Elchhirſchkalbe der vierzehnte Lebensmonat als jener Zeitpunkt bezeichnen, in welchem ſich die Stirnbeine — Ossa frontis — zu wölben und die Roſenſtöcke auszuladen beginnen. Die Ver— änderung in den Contouren des Hauptes wird * Siehe „Geweihbildung der europäiſchen Hirſcharten“ mit 40 Tafeln und Originalzeichnungen des Verfaſſers. — Wien, K. Gerold's Sohn. 406 nun auch bald äußerlich wahrnehmbar, indem ſich zunächſt am oberen Theile der Stirne zwi— ſchen den Lauſchern zwei deutlich bemerkbare Haarwirbel bilden. Unterzieht man den Schädel in den vor— angeführten Perioden einer genauen Unterſu— chung, ſo erweiſet ſich die Structur der Stirn— beine als ein lockeres, von dichtgereihten Säfte— canälchen durchzogenes Gewebe und ein Säge— ſchnitt belehrt uns, daſs dieſelben gleich ihrer Hülle mit Ernährungsſäften infiltriert ſind (T. J ad Geweihbildung Fig. 3). Alsbald beginnt nun der Aufbau jener in mehr oder weniger ſtumpfem Winkel abzwei— genden Knochenfortſätze, welche als Baſis der künftigen Stangen zu dienen haben und Roſen— ſtöcke — Geweihſtühle — genannt werden. Die Roſenſtöcke der erſten Stufe zeigen durchſchnittlich folgende Dimenſionen: Millimeter Millimeter Höhe Durchmeſſer Rehbock Schmalſpiſſer 30—36 710 Damhirſch 15 40—50 13—77 Edelhirſch 1 30—70 13-23 Elch 15 35—55 22—30 Ren 1 48—53 18—24 Die Säftecanälchen der Ossa frontis zwei— gen ſich in dichter Anordnung in den empor— wachſenden Roſenſtöcken fort. Sobald letztere unter dem Schutze der Schädeldecke (Haut), welche mit emporwachſend eine den übrigen Theilen der Stirne conforme Behaarung zeigt, ihre normale vorangeführte Höhe erreicht haben, wird auch am Gipfel derſelben eine merkliche Veränderung wahrnehmbar. Es zeigt ſich an den beiden Gipfelpunkten der Roſenſtöcke zu— nächſt eine ſchorfartige Auflagerung (Exſudat), welche dann allmählich emporwachſend als Erſt— lingsgehörn vereckt und mit einem von der Be— haarung der Roſenſtöcke ſehr deutlich unter— ſchiedenen bläulichgrauen, weichbehaarten Häut— chen — dem Baſt — bedeckt erſcheint. Unter dem Schutze des Baſtes wächſt nun das Erſtlingsgeweih raſch empor, und ein hori— zontal und vertical ausgeführter Sägeſchnitt an der Geweihſtange erweiſet eine von dicht gereihten infiltrierten Säftecanälchen durch— zogene weiche Maſſe. Dieſelbe beginnt während des Wachsthums peripheriſch von der Baſis nach aufwärts ſich allmählich zu verdichten, während der innere Theil der Stange in ſeiner Structur noch keine weſentliche Veränderung erleidet. Der Zellenbau der Säftecanälchen iſt jenem der Pflanze ähnlich, und die ſorgfältig abgelöste Baſthaut läſst eine dichtverzweigte Anordnung von Säftecanälchen wahrnehmen, welche, mit beim Aufbau der Stangen thätig, dieſelben in dichter Verzweigung umſchließen. Nimmt man man nun dieſelbe Procedur in jenem Zeitpunkte vor, in welchem der Aufbau der Stangen voll— zogen iſt und der Gipfel derſelben den ſchützenden Baſt zu durchbrechen beginnt, dann zeigt ſich die Function des Baſtes und Perioſteums er— loſchen. Die früher ſtrotzenden Säftecanälchen ſind im Stadium des Eintrocknens, welche ſich allmählich von der Baſis gegen den Gipfel Geweihbildung. vollzieht. T. 1 ad Geweihbildung, Fig. 1 und 2 ). Der Aufbau der Geweihſtange wird nicht nur peripheriſch durch die Netzgefäße des Pe— rioſteums, ſondern zugleich auch durch Exſu— dation und gipfelnde Auflagerung des aus den die Roſenſtöcke und Stangen ſenkrecht durch— ziehenden Säftecanälchen empordrängenden pla— ſtiſchen Serums vollzogen. Sobald nun die Geweihſtangen ihre, aus der individuellen Potenz reſultierende, bezw. der Altersſtufe entſprechende Höhe erreicht haben, verdichtet ſich und erhärtet der Gipfel derſelben an ſeiner Peripherie, nachdem ſich derſelbe Pro— ceſs vorher allmählich von der Roſe nach auf— wärts vollzogen hat. Demgemäß kann eine Fort- ſetzung der vorangeführten gipfelnden Auflage— rung nicht weiter erfolgen und es tritt nun— mehr eine Stauung im Zufluss der bildenden Materie und eine allmähliche Verdickung (Ver— kalkung) derſelben innerhalb der Stange ein. Periodiſch, in allen Stadien des Aufbaues des annuellen Hauptſchmuckes von mir vorge— nommene Unterſuchungen haben mich belehrt, daſs ſich der Reifeproceſs in zweifacher und durchaus entgegengeſetzter Richtung vollziehe, und weiter den Beweis geliefert, daſs das Ge— weih — entgegen der bis dahin geltenden Lehre — noch keineswegs ſeinen Reifegrad erreicht habe, ſobald ſein Träger den Baſt von dem— ſelben abfegt. Ich habe — wie bereits angedeutet — ge— funden, daſs die Peripherie der unter dem Schutze des Baſtes emporwachſenden Stange ſtufenweiſe von der Roſe nach aufwärts erhärte, während ſich der Reifeproceſs im Inneren der Stangen erſt nach dem Fegen, u. zw. in um⸗ gekehrter Richtung, vom Gipfel nach abwärts vollziehe. Die Stauung und allmähliche Ver⸗ kalkung des plaſtiſchen Serums innerhalb der Canälchen beginnt — wie vorerwähnt — im Gipfel der Stange und ſetzt ſich dann bis zu den Roſenſtöcken herab fort. Inzwiſchen ver⸗ dichten ſich auch die Stirnbeine und Roſenſtöcke. Unterſuchungen, welche ich bald nach dem Fegen der Stangen an vor mir erlegtem Wilde vor— nahm, ergaben folgenden Befund: Stirnbeine und Roſenſtöcke fand ich verdichtet bis zu jenen Stellen, an welchen ſich ſpäter vor dem Ab— werfen der Reſorptionsſinus bemerkbar macht; die Gipfel der Stangen, desgleichen jene der Sproſſen, mit bereits verkalkten Zellen, während die unteren Theile der Stange noch theilweiſe von zähflüſſigem plaſtiſchem Serum infiltriert waren. Das Stadium der vollen Reife der Stangen fällt in die Zeit vor der Brunft. In dieſer Periode haben die Stangen und ihre Baſis jene eherne Feſtigkeit erreicht, welche ſie naturgejeß- lich zur Schutz- und Trutzwaffe im Kampfe um das Gattenrecht und ums Daſein geſtaltet. Eine comparative Wägung von Stangen gleicher Stärke, u. zw. aus der Periode nach vollzogenem *) Eine genaue bildliche Darſtellung des Aufbau⸗ proceſſes findet ſich in dem Specialwerke des Verfaſſers: Geweihbildung der europäiſchen Hirſcharten, mit 40 Tafeln nn Driginal-Beichnungen desſelben. Gerold's Verlag, Be Fegen und aus jener der Brunft, wird eine Gewichtsdifferenz bis nahezu 40% zu gunſten der letzteren erweiſen. Dieſe Thatſache bietet ein ſchlagendes Argument für die Stichhältigkeit meiner Negation, dajs das vom Baſte gefegte Geweih unmittelbar nachher ſeinen Reifegrad erreicht habe. Nachdem das Baſt von den Stangen ge— fegt iſt, erſcheinen dieſelben matt weiß-grau gefärbt und porös, in den tieferen Rillen an der Innen- und Rückſeite der Stangen, in welchen die Hauptſtränge des miternährenden Zellengewebes eingebettet waren — zum Theil vom Schweiß roth gefärbt. Nach wenigen Tagen bereits verdichtet ſich die Peripherie der Stangen vollends und nimmt eine allmählich nachdunkelnde braune Färbung an. Die Gipfel der Stangen und die Spitzen der Sproſſen von Individuen, welche ihre Vollkraft erreicht haben, erſcheinen infolge fortgeſetzten Fegens elfenbeinfarbig, ſcharf und glänzend poliert, während jene vom I. bis 3. Kopfe, gleich wie ſolche, welche im Stadium des Zurückſetzens in das Greiſenalter eintreten, die Gipfel der Stangen und Sproſſen ſowohl in ihrer Structur als auch in der matt— grauen Färbung nur nothreif erſcheinen. Die Erläuterungen zu den sub 1, 2 bis 3 aufgeſtellten Theſen glaube ich in den voran— geſtellten, aus perſönlichen Beobachtungen re— ſultierenden Sätzen geliefert zu haben. Un— mittelbar nachdem der Aufbau der Geweih— ſtangen vollzogen iſt, dieſe ihren vollen Reife— grad erreicht haben und ſomit der weitere Zu— flufſs von bildenden und ernährenden Säften verſiegt, beginnt die Vorbereitung zum Abwurf— proceſſe, welcher ſich in ſeinen Phaſen, wie folgt, bemerkbar macht. Ungefähr ſechs Wochen vor Eintritt jener Periode, in welcher der Geweih- oder Gehörn— träger ſeinen annuellen Hauptſchmuck abwirft (ſ. die monographiſchen Eſſays Edelwild, Reh u. ſ. w.) wird am Roſenſtocke dicht unterhalb der Roſe das erſte Zeichen des beginnenden cariöſen Abwurfproceſſes durch eine ſeichte peri— pheriſche Rille — die phyſiologiſche Demar— cationslinie — äußerlich wahrnehmbar (j. T. II, Fig. 1). : Dieſe Demarcationslinie — Reſorptions— ſinus — findet ſich an jener vorbezeichneten Stelle des Roſenſtockes, an welcher ſich die all— mähliche Abſtoßung, bezw. Abtrennung der Stange vollzieht, und die comparative Unter— ſuchung der Schädeltheile in den Perioden zu Beginn und gegen das Ende des Abwurfpro— ceſſes erweiſet folgenden Befund: In der erſten Phaſe iſt lediglich die etwa 05 mm tiefe peripheriſche Rille am Roſen— ſtocke bemerkbar, während verticale und hori— zontale Sägeſchnitte noch eine völlig verdichtete Knochenſubſtanz der Schädelpartien gleichwie zur Zeit der vollen Reife (innerhalb der Brunft— periode) erweiſen. Dieſelbe Procedur in jenem Zeitabſchnitte vorgenommen, welche dem Abſchluſs des ca— riöſen Abwurfproceſſes vorangeht, zeigt ein weſentlich geändertes Bild. Die Structur der Stangenbaſis oberhalb des Reſorptionsſinus iſt unverändert, während die peripheriſch begin— Geweihbildung. 407 nende Abtrennung desſelben vom Roſenſtocke weit nach innen vorgeſchritten iſt. Die Schädel— beine und Roſenſtöcke erweiſen eine weſentliche Veränderung durch die ſtetig zunehmende Auf— lockerung und Infiltration ihres Zellgewebes, welch letztere ſich dicht unterhalb der Demarca— tionslinie ſtaut und die Abſtoßung des an— nuellen Hauptſchmuückes fördert. Dieſe Stauung unterhalb des Reſorptions— ſinus hat eine Auftreibung, bezw. Erweiterung der Peripherie des Roſenſtockes zur Folge, welche ſich bereits in der dem Abwurfe un— mittelbar vorangehenden Zeitperiode deutlich bemerkbar macht (ſ. T. II, Fig. 1). Das Ren macht diesbezüglich eine Aus— nahme, indem ſich der cariöſe Proceſs in um— gekehrter Ordnung, d. h. von innen nach außen vollzieht. Demgemäß zeigt ſich am Roſenſtocke desſelben keine ringförmige Anſchwellung, auch entbehren die Stangen jenes dichtgereihten Perlenkranzes, welcher die Stangenbaſis bei den anderen Hirſcharten ziert und Roſe ge— nannt wird. Sobald die Verbindung der Stange mit ihrer Baſis gelöst iſt, erfolgt der Abwurf der— ſelben, doch keineswegs gleichzeitig, und ich habe allenthalben beobachtet, dass ſich bei Trä— gern ſtarker Geweihe der Abwurf beiderſeits innerhalb weniger Stunden oder infolge hin— zutretender Zufälle in faſt unmittelbarer Auf— einanderfolge vollziehe, während hiezu bei den erſten Altersſtufen oſt ein Zeitraum von meh— reren Tagen erforderlich iſt. An der rauhen Abwurffläche des Roſen— ſtockes wird unmittelbar nach dem Abfall der Stange ein aus den Säftecanälchen hervor— ſickerndes Exſudat bemerkbar, welches ſich bald mit einem feinen weichbehaarten Häutchen — dem Baſt — überkleidet, während gleichzeitig die ringförmige Anſchwellung am Rande der Abwurffläche raſch zunimmt, dieſen überwallt und ſich die an der Peripherie des Roſenſtockes im Netzgewebe des Perioſteums emporſteigenden Säfte mit jenen, welche, aus den Canälchen des Roſenſtockes ſelbſt emporſteigend, gipfelnd aufgelagert werden, vereinigen und die neuen Stangen bilden (ſ. T. II, Fig. 2). Der annuelle Hauptſchmuck der Cervinen ſteht mit den Genitalien im engſten Rapport, und die Thatſache, daſs der phyſiſche Zuſtand der letzteren auf die Bildung der Stangen einen unmittelbaren in draſtiſcher Weiſe domi— nierenden, bezw. geſtaltenden Einfluſs ausübt, liefert den Beweis, daſs die Beziehungen beider nicht nur functionelle, ſondern auch phyſiolo— giſche ſind. Die Bildung, Entwicklung und Ausgeſtal— tung der Gehörne und Geweihe reflectiert über— dies auch mittelbar jedweden in günſtigem oder entgegengeſetztem Sinne wirkenden Einfluſs auf den Geſammtorganismus des Individuums. Dieſe begünſtigenden oder beeinträchtigenden Einflüſſe gründen ſich auf Urſachen, die aus zwei Hauptmomenten reſultieren, u. zw.: a) aus ſolchen, welche ihrer ſtationären Natur gemäß einen typiſchen Einfluſs auf die Geſtaltung des annuellen Hauptſchmuckes aus— 408 Geweihbildung. üben, indem ſie die Vorbedingungen desſelben weſentlich dominieren, und b) aus jenen, welche nur vorübergehend bloß auf eine Periode der Geweihbildung oder doch nur eine beſchränkte Reihe derſelben ein— wirken. Dauernde Rückwirkungen üben diesfalls: 1. Die telluriſch-klimatiſchen Verhältniſſe des Standortes, welche ebenſowohl die phy— ſiſche Entwicklung des Geſammtorganismus der Individuen beherrſchen, wie auch durch ihren ſtationären Charakter die conſtante Vererbung beſonderer Merkmale, die Bildung von Race— typen zur Folge haben. 2. Einen deutlich ausgeprägten Einfluſs übt neben den vorangeführten Momenten die Individualpotenz der Elternthiere. Es fällt hier der Umſtand gewichtig in die Wagſchale, ob einerſeits das Vaterthier auf der erſten oder letzten Stufe der Zeugungsfähigkeit oder voll— kräftig zwiſchen dieſen beiden Extremen, ob anderſeits die empfangende Mutter im Zenith oder am Schluſſe ihrer naturgeſetzlichen Miſſion ſteht und ihre Dejcendenz im Leibe kräftig oder kümmerlich entwickelt, ob ſie derſelben endlich ein ſtrotzendes oder verſiegendes Geſäuge zu bieten imſtande iſt. 3. Gewichtig im abträglichen Sinne auf die körperliche Entwicklung im allgemeinen ſo— wohl als auch auf jene des annuellen Haupt— ſchmuckes im beſonderen wirkt die Verwandt— ſchaftszucht, welche durch locale Verhältniſſe geſchaffen und nicht immer durch weidgerechte zielbewuſste Maßnahmen des hegenden Weid— mannes paralyſiert wird. Das drakoniſche, zu— gleich aber auch höchſtweiſe Naturgeſetz, welches nur dem kraftvollen Sieger die Ausübung der Gattenrechte zuſpricht, erweist ſich diesfalls nicht zureichend. Ein ſtetig zunehmender Rückgang in der Körperſtärke, eine ſchwächliche, äußeren Ein— flüſſen wenig widerſtandsfähige Organiſation neben zunehmender Rückbildung des annuellen Hauptſchmuckes in Bezug auf Endenzahl, Stärke und Gewicht — alles dies ſind die deutlichen und unausbleiblichen Merkmale der mangelnden Blutauffriſchung, welche endlich auch eine un— genügende Fortpflanzung zur Folge hat. Die vorangeführten Sätze deuten wohl mit zur Genüge die Principien einer zielbewuſsten Wildhege an, welchen der Weidmann in Bezug auf den qualitativen Abſchuſsetat und auf die Standeserhaltung zu folgen hat. 4. Verletzungen an den Genitalien, welche deren geſchlechtliche Function beheben, üben auf die Geweihbildung einen draſtiſch-dominierenden Einfluſs. Während bei den Arten der Cavicornia z. B. die vollzogene Caſtration einen mehr be— günſtigenden als beeinträchtigenden Einfluſs auf die Gehörnbildung äußert, hat dieſelbe bei den Hirſcharten folgende Wirkungen: a) Ein männliches Kalb, welches vor Be— ginn der Roſenſtockbildung der Hoden beraubt wird, unterläjst den Aufbau derſelben und demgemäß auch jenen des annuellen Haupt ſchmuckes gänzlich. dem Aufbau der Roſenſtöcke vollzogen, dann unterbleibt das Verecken des annuellen Haupt— ſchmuckes. c) Erfolgt dieſelbe während dem Bildungs- proceſſe der Stangen, dann entwickelt ſich eine krankhafte Wucherung derſelben, welche vom Baſt bedeckt bleibt und niemals den Grad vollen Ausreifens erreicht. Es läſst ſich ledig- lich ein Stadium der Nothreife an der Roſe und an einem Theil des übrigen Gebildes conſtatieren, während die wuchernden Neubil- dungen in Eiterung und Fäulnis übergehen, der Träger dieſes krankhaften „Perücken“- Gebildes zunehmend kümmert und endlich ein— geht. d) Iſt die Caſtration in jener Periode voll— zogen, in welcher die Stangen, völlig vereckt, eben vom Baſte gefegt, jedoch noch nicht völlig ausgereift ſind, dann wirft das Wild in der Regel nie mehr ab. Soferne die Stangen jedoch völlig ausgereift find, geſchieht es zumeiſt, dass ſelbe bald nach der Verſtümmelung abgeworfen und durch neue und bleibende Bildungen in vor— ſtehend geſchilderter Weiſe erſetzt werden. 5. Ein Bruch oder eine partielle Verletzung der Roſenſtöcke bedingt eine dauernd wider— ſinnige Stangenbildung, und findet dieſe ihre Erklärung in der geſtörten und ungleichmäßigen Auflagerung des plaſtiſchen Serums. Dieſe Thatſache liefert auch den Beweis für die Rich— tigkeit meiner Theſis, welcher zufolge die Stan— gen nicht vom Perioſteum allein aufgebaut wer— den ſ. T. III, Fig. 2. In die Reihe der vorbenannten dauernden Miſsbildungen gehört auch das — wiewohl ſeltene — Vorkommen geweihloſer und ſolcher Individuen, welche nur eine Stange verecken, trotzdem aber zeugungsfähig ſind. Bei erſteren zeigt ſich auf den Stirnbeinen meiſt nur eine rudimentäre Bildung beider Roſenſtöcke, wäh⸗ rend die letzteren dieſelbe nur einſeitig auf— weiſen. Bei Rehböcken habe ich in zwei ſolchen Fällen den rechten Hoden lich erlegte den ſtarken Bock während der Brunft in dem Augenblicke, als er einen geringeren Sechſerbock verjagte) auffällig verkümmert, während die linke Stange gänzlich fehlte und ſich beim Abſtreifen der Schädelhaut lediglich eine kaum merkliche Er— hebung an Stelle des Roſenſtockes vorfand. Über die Urſachen geweihloſer, jedoch zeu— gungsfähiger Individuen herrſchen bis nun allenthalben vage Vermuthungen und haltloſe Hypotheſen, und ich will es — geſtützt auf meine diesfälligen Erfahrungen — verſuchen, die Grundurſache dieſer bis nun unaufgeklärten Er- ſcheinung mit Rückſicht auf pathologiſche, patho— geniſche und pſychiologiſche Momente zu präci— ſieren ). Man kann in der Begattungsperiode die Beobachtung machen, daſs die brunftigen Mutter— thiere, insbeſondere des Edelwildes, auch auf dem Brunftplan von ihren Kälbern nicht ver— laſſen werden. Ich habe mich dabei häufig über- zeugt, daſs der Brunfthirſch das Kalb, wenn es der von ihm „getriebenen“ und „geſpreng ten“ *) Siehe „Die Geweihbildung der europäiſchen Hirſch⸗ arten“ des Verfaſſers (mit 40 Tafeln und Originalzeich⸗ b) Wird die Caſtration unmittelbar nach | mungen). Verlag Karl Gerolds Sohn, Wien. 4 Anm Artikel „Geweihbildung“. T . 7 2 u; aN Lith. Anst.v. Th. Bannwarth, Wien. 7 Raoul v Dombrowski del. Eneyklopädie der Forst u. Jagdwissenschaf ten. ge vor dem Fegen. . 1 7 = Eike E Fig. 1. -Verticalsegment einer Edelspiesserstan C - 6 1 rn 3 IHE UN J ntalsegment einer A stange unmittelbar nach dem ] ee E ns eines Edelhirs ches Ver g BER sert. Verlag \ von MORITZ PERLE S, Wien uud Leipzig. Zum Artikel „Geweihbildung I. e e der Forst u. Jagdwissen 51881 1710 7 . Anst.v. Th. Bann "U. issenschaften. r Warth. Wien. > 8 5 - f 7 N nstanas u 2 7 * irsches an A} ST = 1 L LE NS N 1 l ADWI BL. E UI 51685 verlag von MORITZ PERLE 5, Wien aud Leipzis „ 5 IR „ nt | * * „enn de et RB; gn I Nanhriurele: el Raoul J. Jöombronslu del. 51g. 1 WIG n Dee or ın 10408 vi ın Foige Ve A „MEZ Pr. W N A y. R Zum Artikel „Geweihbildung“, III. Encrklopädie der Forst u. Jagd wissenschaften. ersinniae Bildung der Stan er erletzung N des erletzung des Rosen 5 ia 1 Grösse 5 Ve stockes. 3. u. K. Mons 8 Rehbockes. = Widersinnige Bi nge in Folge örtlicher Verletzung wa e eines R re 1 Verlag von MORITZ PERLE S, Wien und Leipzigs. Warth, Mien. Zum Artikel „Geweihbildung“, IV. Raoul v Dombrowski del. Lith. Aust.v. Th Bannwarth, Wier Enevklopädie der Forst u. Jagdwissenschaften. Fig. Lund 2. Mehrstangige Bildungen am Gehörne des Rehbockes, Yenatürl Grösse. 3 Doppelrosenbildung einer Edelhirschstange 2% naturl. Grösse. k Doppelgeweihbi dung des Damhirsches, 3.Ansic! der Abwürffläche, / natürl. Grösse. Verlag von MORITZ PERLES, Wien und Leipzis. Mutter dicht zur Seite blieb, mit einem Schlage feiner Stangen verjagte. Nun kann es da mitunter leicht geichehen, daſs der Brunfthirſch das männliche Hirſchkalb am Kurzwildpret forkelt oder contuſioniert. Der heftige Entzündungsproceſs, welchen eine der— artige Verletzung zur Folge hat, kann nun ent— weder mit einer dauernden ein- oder beider— ſeitigen Verkümmerung der Hoden, oder aber mit einer völligen Ausheilung abſchließen, welche dann eine normale Entwicklung derſelben zur Zeugungsfähigkeit immerhin ermöglicht. Es iſt ſelbſtverſtändlich, daſs der Heilungs— proceſs ſo edler Organe ein bedeutendes Maß von Reproductionsſäften in Anſpruch nimmt, und anzunehmen, daſs in einem ſolchen Falle, welcher überdies in die Entwicklungsperiode der erſten Geweihbildung fällt, jener Säftezufluſs, welcher dem Aufbau der Stangenbaſis zugeführt werden ſollte, mit in Anſpruch genommen wird. Es iſt wohl auch folgerichtig, anzunehmen, daſs der Rapport zwiſchen den Zeugungstheilen und der gleichſam im Stadium des Keimens be— findlichen Geweihbildung überhaupt und der Stangenbaſis insbeſondere nicht nur vorüber— gehend, ſondern durch eine hochgradige locale Entzündung und deren Heilungsproceſs in ein— zelnen Fällen für die Lebensdauer unterbrochen werden könne. In letzterem Falle iſoliert die Natur jene functionellen Organe, welche eine dauernde Verkümmerung in ihren erſten Bil— dungsſtadien erlitten haben. Demzufolge bleibt die Structur der ossa frontis und ſpeciell jene der emporwachſenden Roſenſtöcke, deren Aufbau ſich aus den bis zum Momente der Verletzung in normalem Zufluſſe befindlichen Säften noth— dürftig — rudimentär — vollzieht, von den periodiſch (annuell) wiederkehrenden, den Aufbau und Abwurfproceſs vermittelnden Wandlungen gänzlich unberührt. Es ſcheint in ſolchen Fällen eine vollſtändige und bleibende Iſolierung in functioneller, wie auch in phyſiologiſcher Rich— tung einzutreten, während der Geſammtorga— nismus den Schädelknochen nur noch jenes Pro— cent von Ernährungsſubſtanzen zuführt, welches zur normalen Fortbildung, bezw. Erhaltung des Knochengerüſtes im allgemeinen erforder— lich iſt. Vorübergehende Rückwirkungen auf die Entwicklung der Geweihe und Gehörne äußern folgende Urſachen: 1. Klimatijch- telluriſche Einflüſſe des Stand- ortes in günſtiger oder abträglicher Conſtella— tion in ihrer Rückwirkung auf den phyſiſchen Zuſtand des Individuums. Dieſer Einfluss äußert ſich durch das „Vorſetzen“, bezw. das Überſpringen einer und ſelbſt mehrerer Geweih— ſtufen oder, entgegengeſetzt, im Zurückbleiben, „Zurückſetzen“. Unter den vorangeführten Einflüſſen und nicht minder unter jenen der qualitativen Zu— ſammenſetzung der Nährſtoffe und ihrer Aſſimi— lierbarkeit entwickelt ſich ebenſowohl eine der geſetzmäßigen Stufen in ihrem Formenreichthum geradezu ſpottende Überproduction oder das Gegentheil (ſ. T. III, Fig. 3 und 4) * ) Siehe „Geweihbildung der europäiſchen Hirſch⸗ arten“ des Verfaſſers. Wien, Gerolds Sohn. Geweih bildung. 409 2. Krankhafte Störungen im Organismus, ſoferne ſie in die Periode des Abwurf- und Aufbauproeeſſes fallen, beeinfluſſen den Verlauf desſelben ſehr weſentlich und führen oft Ver— kümmerungen oder Verzögerungen herbei. 3. Verletzungen leichteren Grades am Kurz— wildpret haben eine vorübergehende Perücken— bildung zur Folge, wenn dieſelben in die Zeit der Gehörnbildung ſallen. Später erreichen dieſe Stangen einen Grad der Nothreife und werden theilweiſe wohl auch gefegt. Dieſe Beobachtung läſst ſich auch jpeciell bei Rehböcken im erſten Lebensjahre machen, ſofern ſie phyſiſch zurück— geblieben, unter dem Einfluſſe ungünſtiger Standortsverhältniſſe ſtehen. Partielle, d. h. einſeitige Verletzungen des Kurzwildprets äußern ihre kraukhafte Rückwirkung auf die Stangenbildung naturgeſetzlich ſtets nur in diagonaler Richtung. Verletzungen des linken Hodens z. B. haben ſtets die 5 der rechten Stange zur Folge. Körperverletzun gen ſchweren Grades, insbeſondere Knochen— ſplitterungen äußern gleiche Conſequenzen und gleichfalls ſtets nur in diagonaler Richtung. 4. Ortliche Verletzungen der Stangen wäh— rend ihres Emporwachſens haben ſtets Miſs— bildungen, bezw. krankhafte Wucherungen zur Folge, und widerſinnige Bildungen 5 Art kommen relativ am häufigſten vor (ſ. T. III, Fig. 1, 2 und 5). Unter den europäiſchen Hirſcharten iſt es der Rehbock in erſter Reihe, welcher jedweden Einfluſs ungemein draſtiſch in ſeiner Gehörn— bildung reflectiert, und weist dieſelbe überwie— gend monſtröſe und rudimentär entwickelte Stangengebilde auf, welche jedweder ſtufen— weiſen Geſetzmäßigkeit ſpotten. Bei den anderen Hirſcharten kommt ſolche Abnormität viel ſel— tener vor. Eine merkwürdige durchaus eigenartige Er— ſcheinung ſind doppel- und dreifache Bildungen der Stangen bei Damhirſchen. Dem großherzoglich heſſiſchen Forſtinſpector C. A. Joſef gebührt das Verdienſt, dieſe in— tereſſanten — wohl aus pathogeniſchen Momenten reſultierenden Ausgeſtaltungen zuerſt beſchrieben zu haben. Dieſe doppelten, in vereinzelten Fällen dreifachen Gebilde erſtehen dadurch, daſs ſich der cariöſe Proceſs des Abwurfes beim Dam— ſpiſſer und dann auch beim Hirſche vom zweiten und dritten Kopf wohl vorbereitet, indem ſich der Reſorptionsſinus deutlich bemerkbar macht. Dieſes Stadium überſchreitet jedoch der Hirſch in der laufenden Periode nicht mehr. Auf welche Urſachen dieſes zeitweilige Unvermögen, bezw. der Stillſtand im Abwurfproceſſe zurück— zuführen ſei, ob hiefür eine zeitweilige oder bleibende Indispoſition des Individuums, ob die Vererbung im allgemeinen oder aber Fol— gen der Verwandtſchaftszucht als dominierendes Moment zu betrachten ſeien, konnte bis nun noch nicht endgiltig feſtgeſtellt werden. Dieſe eigenartige Geweihbildung wird da- durch geſtaltet, daſs ſich der neue Bildungs⸗ ſtoff, da ihm durch Abſterben der Säftecanäl— chen oberhalb der Demarcationslinie der nor— ı male Weg zu gipfelnder Auflagerung verlegt 410 iſt, unterhalb derſelben als Exſudat anſetzt, welches, eine Roſe bildend, je nach der indivi— duellen Dispoſition ſich auch noch in Stangen vereckt. Solche Doppelbildungen werden bis nun nur in vereinzelten Fäcken beim Rehbock, höchſt ſelten beim Edelhirſch beobachtet (ſ. T. IV, Fig. 3, 4 und 5). Über die Urſachen dieſer merkwürdigen Abnormität können bis nun eben nur Hypo— theſen angeführt werden; meines Erachtens wäre der Vorgang folgender: Nachdem eine völlige Stagnation in dem cariöſen Proceſſe des Abwurfes eingetreten iſt und ſich die Abſtoßung, bezw. Abtrennung der Zellen an der Demarcationsliuie nur an der Peripherie vollzogen hat, ſich aber nicht weiter nach innen fortſetzt, treten die bildenden Säfte eben nur an jener Stelle — an der Peripherie der Demarcationslinie — als Exſudate aus, an welcher die Abtrennung des vorjährigen Stangengebildes wie vorerwähnt vollzogen iſt, und bilden ſo dicht unterhalb der Stange eine zweite Roſe (ſ. Geweihbildung, T. IV, Fig. 4 und 5). Die zweite zuläſſige Annahme wäre, dass ſich das plaſtiſche Serum auf dem Wege der Diffuſion durch die gelockerten Wandungen der Canäle nach der Manteloberfläche ſeinen Weg bahnt *). Auch dieſe, bis nun rückſichtlich ihrer Ur— ſachen, merkwürdige Abnormität im Aufbau des annuellen Hauptſchmuckes liefert einen Be— weis für die Richtigkeit meiner Theſis, daſss ſich dieſelbe nicht nur durch das Perioſteum peripheriſch, ſondern auch durch gipfelnde Auf— lagerung des aus den Canälchen der Roſenſtöcke emuporſteigenden plaſtiſchen Serums vollziehe. Schließlich ſind noch drei ſeltene Erſchei— nungen auf dem Gebiete der Gehörn- und Ge— weihbildung hervorzuheben, welche in die vor— angeſtellte Syſtemiſierung nicht unmittelbar eingereiht werden können; es ſind folgende: a) Die Überproduction an normal ba— ſierten Gehörn- und Geweihſtangen (ſ. T. IV, Fig. 1 und 2). 5 Der Beginn dieſer intereſſanten Bildung, welche zunächſt aus einer überkräftigen Indivi— dualpotenz reſultiert, äußert ſich ſelbſtverſtänd— lich bereits im Beginne der erſten Stufe durch die Ausladung von drei, höchſt ſelten vier Roſenſtöcken, auf welchen dann Stangen mit meiſt ungleicher Endenzahl vereckt werden **). b) Rudimentäre, loſe in der Stirnhaut eingebettete Geweih- und Gehörnbildungen (Epi— dermoidalgebilde?) Es iſt eines der charakteriſtiſchen Merk— male geſunder Organismen, daſs ſie Einge— büßtes durch Afterbildungen zu erſetzen trachten. Bereits in der diesbezüglich vorangeſtellten Theſis habe ich darauf hingewieſen, daſs das Perioſteum mit ſeinem aus der Arteria tem- poralis abzweigenden Zellengewebe allein nicht imſtande ſei, den Aufbau des annuellen Haupt— ) Diefe a priori von Herrn Forſtinſpector vertretene Anſicht ſcheint wohl zutreffend. D. ) Siehe die Monographien „Edelwild“, Verlag K. Gerold, Wien, und „Das Reh“, Verlag der Wallishauifer- ſchen Hofbuchhandlung, Wien, des Verfaſſers. Joſefß B. fol. 99 v. — „Des ersten wenn der hirss jn Geweihbildung. ſchmuckes zu vermitteln. Die widerſinnigen Gebilde, von welchen hier die Rede iſt, bieten ein weiteres Argument. Das Perioſteum iſt ohne Mitwirkung der Stirnbeine und deren Fortſätze, der Roſenſtöcke, lediglich imſtande, ru— dimentäre, loſe, unter der Epidermis einge— bettete Aftergebilde zu producieren. Während bei den Cavicornia's rudimentäre „Hauthörner“ — Epidermoidalgebilde — ziemlich häufig vor— kommen, zählen ſolche Gebilde bei den Cervinen zu den Seltenheiten, und werden nur dann auf— treten, wenn entweder . die Bildung eines der Roſenſtöcke in— folge einer Störung im Organismus während der erſten Lebensmonate gänzlich unterblieb, oder 2. derſelbe durch äußere Verletzungen dauernd außer Stand geſetzt wird, ſeine natur— geſetzliche Miſſion zu erfüllen. In einem, wie im anderen Falle wird der kräftige Organismus unter Umſtänden das fehlende annuelle Gebilde durch ein rudimen— täres Gebilde zu ſurrogieren, oder bleibend nur alljährlich eine Stange zu verecken ſuchen. Die Löſung der Frage, ob die Ernährung dieſer rudimentären Gebilde lediglich durch die aus der Carotis externa abzweigende Arteria temporalis mit ihren Veräſtungen, oder unter Mitwirkung der Epidermis mit ihrer Horn— ſchicht erfolge, iſt dermal noch eingehender exacter Forſchung vorbehalten. c) Die Gehörnbildung bei weib— lichen Thieren. Dieſelbe iſt bis nun mehrfach beim Reh, ſehr ſelten beim Edelwilde, beim Dam- und Elchwilde meines Wiſſens noch nie conſtatiert worden. Solche monſtröſe Gehörne ſind ausnahmslos Perückenbildungen — zumeiſt ſtumpfe Kolben — welche niemals ausreifen und ſomit auch nicht gefegt werden. Die Annahme, daſs ſolcher Hauptſchmuck ſtets die Conſequenz der Zwitter- oder Miſs— bildung der Geſchlechtsorgane ſei, iſt nicht zutref— fend, nachdem mehrfach Rehe mit Perückenge— hörnen beobachtet wurden, welche Kitze ſäugten und wiederholt, irrig als Böcke angeſprochen — zur Strecke kamen. Auch eine Analogie der Bartbildung bei Frauen und der Hahnfedrig— keit beim Geflügel iſt durch die vorangeführten Thatſachen als unhaltbar zu bezeichnen. Das ſeltene Vorkommen dieſer Monſtroſität hat bis nun eracte Unterſuchungen des Geſammtorga— nismus unthunlich gemacht, doch dürften die Urſachen jedenfalls auf die Beſchaffenheit der Geſchlechtstheile zurückzuführen ſein, obwohl dieſe Abnormität die Fruchtbarkeit des Indivi— duums nicht ausſchließt. R. R. v. D Gewende, das, ein (bezw. das) Himmels⸗ zeichen (ſ. d.) des Rothhirſches, vgl. Wenden. | „Des ersten so ain hirsz gen holez gat, das er denn dacz holez rurtt mit dem gehürn. Daz ezaichen haist daz gebend oder daz widerlinezen.“ Abh. von den Zeichen des Roth- hirſches a. d. XIV. Jahrh., Cgv. no. 2952. das holtz gat das er dann das laub vnd das holtz rüret mit dem gehüren das zeichen P ˙ ͤAö!—½ñ.t . —ę˖ r Ü.. er c haisset gewendt oder der widerlytze.“ Idem a. d. J. 1442, Cgm. no. 289. — „Dz erst ist wenn der hircz jn dz holez gat dz er den dz holez vnn lob rüret mit dem gehürn dz zeichen heist dz gewenden oder der wider- liez.“ Idem a. d. J. 1462, Cgm. no. 558. — „Wann der Hirsch in das Holtz gehet, vnnd da Laub mit den hörnern rürt, das zeichen heisst das Gewende oder Widerlass.“ Nos Meurer, Jag- und Forſtrecht, Pfortzheim 1560, fol. 94. Onomat. forest. II., p. 1042. — Behlen, Wmſpr., 1828, p. 70. E. v. D. Gewerbegefetzgebung, |. . At. Gewerbeordnung (Oſterreich). Nach Art. 5a des Kundmachungspatentes zur Ge— werbeordnung v. 20. 12. 1859, R. G. Bl. Nr. 227 findet das Gebwerbegeſetz feine Anwendung auf „die land- und forſtwirtſchaftliche Production und ihre Nebengewerbe, ſoweit dieſe in der Hauptſache die Verarbeitung der eigenen Er— zeugniſſe zum Gegenſtande haben“. Ahnlich in Ungarn ($ 183 des Geſ. Art. XVII vom Jahre 1884): „Die landwirtſchaftliche und Forſtprodue— tion, die Viehzucht, die Fiſcherei in Flüſſen, Seen und Canälen, der Garten- und Weinbau, die Seiden⸗ und Bienenzucht und die damit im Zuſammenhange ſtehenden Nebengewerbszweige, inſoferne die Betreffenden ſich hauptſächlich auf die Verarbeitung und den Verkauf ihrer eigenen Rohproducte beſchränken“, ferner „die Holz— flößerei“; außerdem in beiden Reichshälften die Hausinduſtrie, worunter nach dem Erlaſſe des öſterr. Handels-M. v. 16./9. 1883, 3. 26.701, „jene gewerbliche productive Thätigkeit anzu— ſehen iſt, welche nach örtlicher Gewohnheit von Perſonen in ihren Wohnſtätten, ſei es als Haupt⸗, ſei es als Nebenbeſchäftigung, jedoch in der Art betrieben wird, daſs dieſe Perſonen, falls ſie ihrer Erwerbsthätigkeit nicht ausſchließ— lich perſönlich obliegen, ſich keiner gewerblichen Hilfsarbeiter, ſondern der Mitwirkung der An— gehörigen ihres eigenen Hausſtandes bedienen“. Als einer Genehmigung bedürftig werden durch die öſterreichiſche Gewerbeordnung be— zeichnet unter anderem: Firniſs- und Terpentin- ſiedereien, Holzimprägnieranſtalten, Steinfohlenz, Holztheeranſtalten und Rußbrennereien außer— halb der Gewinnungsorte des Materiales, im allgemeinen jene Betriebsanlagen, welche mit beſonderen Feuerſtätten, Dampfmaſchinen, ſon— ſtigen Motoren und Waſſerwerken betrieben werden, oder durch geſundheitsſchädliche oder ſicherheitsgefährliche Einflüſſe, durch üblen Ge— ruch oder Geräuſch gefährlich oder läſtig zu werden drohen, alſo unter anderem Aufſtellung von Sägegattern und Schneidewerken (Erk. d. V. G. H. v. 2.7. 1877, 3. 901, Budw. Nr. 103), Holzſchleifereien, nicht aber Errichtung von Kohl⸗ ſtätten im Walde u. dgl. Mcht. Gewerbeordnung, ſ. Gewerberecht. At. Gewerberecht (Deutſchland) iſt der In⸗ begriff der Rechtsnormen für die Ausübung der Gewerbe. Dasſelbe iſt in der Hauptfache durch die ſ. g. Gewerbeordnung beſtimmt, zu welcher dann noch verſchiedene Vorſchriften des Privat-, Verwaltungs- und Strafrechtes kommen. Gewerbegeſetzgebung. — Gewerberecht. 411 Die Regelung des Gewerbebetriebes iſt nach Art. 4 der Reichsverfaſſung Aufgabe der Bun— desgeſetzgebung, und es wurde in Folge deſſen die Gewerbeordnung für den norddeutſchen Bund vom 21. Juni 1869 durch beſondere Reichsgeſetze, im Jahre 1872 in den ſüddeutſchen Staaten und im Jahre 1888 in Elſaſs-Lothrin— gen eingeführt. In Folge zahlreicher Anderungen erhielt die Reichsgewerbeordnung unterm 1. Juli 1883 eine neue Faſſung, welche aber in Folge weiterer Modificationen (die letzte vom 6. Juli 1887) der Wirklichkeit auch nicht mehr voll— ſtändig entſpricht. Die Reichsgewerbeordnung, welche auch den Fabriksbeirieb umfafst, beruht auf dem Grund— ſatze der Gewerbefreiheit und verlangt die be— hördliche Genehmigung zum Gewerbebetriebe und polizeiliche Beſchränkungen desſelben nur in jenen Fällen, in welchen das öffentliche Wohl und das Intereſſe der Nachbarſchaft gefährdet erſcheint. Die Innungen, welchen man anfäng— lich nur das Fortbeſtehen geſtattete, werden jetzt durch indirecten Zwang gegen Nichtmit— glieder zu fördern geſucht, indem man z. B. letzteren die Aufnahme von Lehrlingen unter— ſagt oder ſie ſelbſt in beſtimmten Fällen zu Geldbeiträgen für Innungszwecke heranzieht. Die Verhältniſſe der gewerblichen Arbeiter (Ge— ſellen, Gehilfen, Lehrlinge und Fabrikarbeiter ſind in jeder Beziehung geregelt und insbeſon— dere bezüglich der Verwendung von Frauen und jugendlichen Arbeitern in Fabriken Vor— ſchriften gegeben, deren Einhaltung durch die von den Landesregierungen zu ernennenden Fabrikinſpectoren zu überwachen iſt. Das ſ. g Truckſyſtem (truck, Naturaltauſch) oder die Naturallöhnung iſt nicht geſtattet, indem die Auszahlung der Löhnung baar in Reichs— währung zu erfolgen hat, was jedoch nicht ausſchließt, daſßs den Arbeitern Lebensmittel zu den Anſchaffungskoſten, ſowie Wohnung, Feuerung, Landnutzung, Arzneien, Werkzeuge u. ſ. w. unter Anrechnung bei der Lohnzahlung verabfolgt werden. Streitigkeiten zwiſchen den Gewerbetreibenden und den Arbeitern gehören vor die beſonderen gewerblichen Schiedsgerichte, oder, wo ſolche nicht beitehen, vor die Gemeinde— behörden, gegen deren Entſcheidungen binnen 10 Tagen der Rechtsweg betreten werden kann. Die Beſtimmungen über Kranken- und Hilfs- caſſen haben Anderungen erlitten durch das Reichsgeſetz vom 7. April 1876 über die einge- ſchriebenen Hilfscaſſen und vom 15. Juni 1883 über die Krankenverſicherung der Arbeiter. Das Reichsgeſetz vom 7. Juni 1871 über die Ver— bindlichkeit zum Schadenerſatze für die bei dem Betriebe von Eiſenbahnen, Bergwerken u. ſ. w. herbeigeführten Tödtungen und Körperverletzun— gen wurde durch das Unfallverſicherungsgeſetz vom 6. Juli 1884 erweitert und abgeändert. Kranken- und Unfallverſicherung wurde unterm 5. Mai 1886 auf die beim land- und forſt⸗ wirtſchaftlichen Betriebe und unterm 11. Juli 1887 auf die bei den Bauten beſchäftigten Arbeiter ausgedehnt. Der Gewerbebetrieb im Umherziehen (Hauſirhandel) darf in der Regel nur auf Grund eines von der zujtändigen höheren Verwaltungsbehörde ausgeſtellten Wan— 412 Gewerbeſteuer. — Gewerf. dergewerbeſcheines ausgeübt werden. Eines Wandergewerbeſcheines bedarf es insbeſondere nicht zum Feilbieten ſelbſt gewonnener oder roher Erzeugniſſe der Land- und Forſtwirth— ſchaft, des Garten- und Obſtbaues, der Ge— flügel- und Bienenzucht, ſowie ſelbſt gewon— nener Erzeugniſſe der Jagd und Fiſcherei. Der Marktverkehr iſt frei. Polizeiliche Taxen ſind aufgehoben. Mit der Reichsgewerbeordnung ſtehen in Verbindung das Reichsgeſetz vom 9. Januar 1876 über das Urheberrecht an Werken der bildenden Künſte, vom 10. Januar 1876 über den Schutz der Photographien gegen Nachbildung, vom 11. Januar 1876 über das Urheberrecht an Muſtern und Modellen, vom 30. November 1874 über den Markenſchutz, das Neichspatent- geſetz vom 25. Mai 1877, das Reichsbankgeſetz vom 14. Mai 1875 und das Reichsgeſetz vom 23. Juni 1873 über die privatrechtliche Stellung der Erwerbs- und Wirthſchaftsgenoſſenfchaften. At. Gewerbeſteuer (Deutſchland) iſt die directe Staatsſteuer von dem Erwerbe aus dem Gewerbebetriebe. Dieſelbe iſt eine Objeet— oder Ertragsſteuer, indem ſie ſich nur nach dem Ertrage des Gewerbes bemiſst, ohne, wie eine Subject- oder Perſonalſteuer, auf das per— ſönliche Einkommen des Inhabers des Gewerbes, insbeſondere auf die Minderung desſelben durch anf dem Gewerbe ruhende Schulden Rückſicht zu nehmen. Als Subjeetſteuer kommt dieſelbe jedoch in Betracht, wenn neben den Objeet— ſteuern (Grund-, Gebäude-, Gewerbe- und Zins— rentenſteuer) noch eine Einkommenſteuer (j. d.) beſteht, und in Sachſen erfolgt die Beſteuerung der Gewerbe jetzt nur durch dieſe Einkommen— ſteuer. Die Gewerbeſteuer war urſprünglich, wie z. B. in Preußen nach dem Edicte vom 2. No— vember 1810 über die Einführung einer allge— meinen Gewerbeſteuer, eine Gebühr für die Ertheilung der Erlaubnis zum Gewerbebetriebe und iſt es zum Theil noch heute, wie z. B. in England die gewerblichen Licenzabgaben und in Frankreich die Patentſteuer (contribution oder droit de patentes nach dem Geſetze vom 28. October 1798, 25. April 1844 und 18. Mai 1850), neben welcher (droit fixe) jedoch noch eine veränderliche Steuer (droit variable) nach dem Mietpreiſe der Räume für den Gewerbe— betrieb erhoben wird. Dieſe Licenzſcheine unter— liegen einem Tarife, welcher die Gewerbe nach Kategorien und Ortsclaſſen unterſcheidet. Durch das preußiſche Geſetz vom 20. Mai 1820 über die Einrichtung des Abgabenweſens nebſt Ergänzung vom 19. Juli 1861 wurde das Ediet vom 2. Novemver 1810 und damit auch die Verpflichtung zur Löſung eines Ge— werbeſcheines aufgehoben. Es wurden nunmehr alle Orte des Landes nach der Wohlhabenheit und Gewerbſamkeit in vier Abtheilungen ge— bracht, deren unterſte alle Städte mit weniger als 1300 Einwohnern und die Ortſchaften des platten Landes umfaſst. Die für jede dieſer Abtheilungen im ganzen und innerhalb der— ſelben für einen örtlich beſtimmten Bezirk treffende Steuer iſt von den einzelnen Gewerben nach geſetzlich beſtimmten Mittelſätzen aufzu— bringen. Weist ein Gewerbetreibender nach, dass der Umfang ſeines Gewerbes dem angenom— menen Mittelſatze nicht entſpricht, ſo kann ihm innerhalb einer Minimalgrenze eine Steuer— minderung gewährt werden, um welche dann die übrigen Mitglieder desſelben Gewerbes höher zu beſteuern ſind. Dieſer generellen und rein amtlichen Steuerveranlagung in Preußen ſteht gegenüber in den ſüddeutſchen Staaten (in Bayern Gewerbeſteuergeſetz vom 19. Mai 1881) die ſpecielle Ermittlung des Ertrages eines jeden einzelnen Gewerbes durch Selbſt— ſchätzung (Faſſion) des Inhabers auf Grund äußerer Merkmale (3. B. der Anzahl der Ge— hilfen), controlirt und feſtgeſtellt durch amtliche Schätzungscommiſſionen. Das Verzeichnis der Gewerbeſteuerpflichtigen einer Steuergemeinde nebſt Angabe aller auf die Steuerpflicht derſelben bezüglichen Thatſachen bildet das Gewerbe— ſteuercataſter. Die Gewerbeſteuer erſtreckte ſich früher (wie jetzt noch in Frankreich) auf allen Er- werb aus Gewerbe, Handel, Landwirthſchaft und perſönlicher Arbeit (mit Ausnahme der Staats- und Communalbeamten), während jetzt in der Regel nur das eigentliche Gewerbe, einſchließlich der Fabriken, und der Handel von der Gewerbeſteuer betroffen werden. Das Einkommen der ſ. g. liberalen Berufe (Beamte, Arzte, Anwälte, Künſtler u. ſ. w.) und der ge— wöhnlichen Arbeiter wird entweder durch die allgemeine Einkommenſteuer, oder, wo eine ſolche fehlt, durch eine Perſonalſteuer, in Bayern und Württemberg auch Einkommenſteuer ge— nannt, zur Beſteuerung gezogen. Die Eiſenbahnen (f. d.) unterliegen der Gewerbeſteuer nicht. Die Bergwerke unterliegen in England der Einkommenſteuer (income tax), in Frank⸗ reich der Gewerbeſteuer, wobei neben dem nach der Fläche zu bemeſſenden droit fixe 3% des Reinertrages als droit variable erhoben wer— den. In Deutſchland haben die früheren Berg— werksabgaben, von welchen die Receſsgelder als eine Art von Lehenzins, die Quatember— gelder als Beitrag zu den Koſten der Staats— aufſicht und der Bergzehnt als Erwerbsſteuer zu betrachten ſind, mit der Aufgabe des Berg— regals und der Einführung der Bergbaufreiheit (ſ. Bergwerkseigenthum) ebenfalls den Charakter von Steuern angenommen, welche entweder in Procenten des Rohertrages, wie in Preußen (2%, wovon die Hälfte für die Staatsaufſicht), oder, wie in Sachſen, Baden und Sachſen-Wei— mar, des Reinertrages (5%) beſtehen, oder, wie in Bayern (Geſetz vom 6. April 1869), als Einkommenſteuer neben der Grubenfeldabgabe erſcheinen. At. Gewere bedeutete im deutſchen Privatrechte urſprünglich die Einweiſung in den Beſitz, im Mittelalter aber dieſen ſelbſt Nach dem Juhalte des Rechtes wurden unterſchieden Eigengewere, Gewere zu Lehenrecht, zu Pfandrecht u. un At. Gewerf, das, ſeltenerer Ausdruck für die Waffen des Wildſchweines. „Das Gewerff.“ Nos Meurer, Jag- und Forſtrecht, Pforzheim En. 41 IR Gewicht. 1560, fol. 88. — M. Sebiz, Straßburg 1580, fol. 669. — Weitere Belege bei Gewaff, vgl. a. Waffen, Haderer, Hauer. Sanders, Wb. p. 1569. E. v. D. Gewicht. Man unterſcheidet das abſolute und das ſpecifiſche Gewicht, wobei unter dem erſteren das wirkliche Gewicht eines Körpers zu verſtehen iſt, während unter dem letzteren jene Verhältniszahl gemeint iſt, um welche der Kör— per ſchwerer als ein gleiches Volumen Waſſer it. Das Waſſer iſt bei APR. 1000 kg pro Kubikmeter ſchwer. 1. Specifijches Gewicht feſter mine— raliſcher Subſtanzen: JJ 2˙6 o PN RER 30 ä ER EN DR 2—2˙167 Backſteingemäu ee 1˙8 — . 1—1'66 r 2˙86 o ( 2˙6 r 2˙63 Glas, Kron (Durchſchnitt) 2˙5 Flint 7 . 30 grünes 75 27 Spiegel 5 2˙7 r 2˙76 ro 2:3 Kalkſtein (einſchließlich Marmor) . . 27 —2˙8 Kohle (Anthracit) ..... 3 1602 fe 124—1'44 WC 187 —2˙78 — . a ER 185—2˙3 J a . 1:6 —19 sl.” 175 un 2 2:65 225 ER NEe 1:9 TT 142 Sandſtein, durchſchnittlich ..... 2˙3 17 verſchiedener Arten . . 2˙08—2˙52 ß 2˙8 — 29 Schlamm oder Schlick... .. 1:63 er: RN 2:72 a ae 2 er: 1'92 2. Specifiſches Gewicht der Metalle: c ( ER 11˙4 2 ĩ ( 8˙4 F 19—19˙6 Gußeiſen, verſchiede n.. 6˙93— 7˙3 1 durchſchnittlich. 71 C 8˙6 EE 8:8 innert 8˙9 Meſſing, gegoſſn em 7˙8 — 8˙4 0 Fh! 8 54 C 21—22 Schmiedeiſen, verſchiedenes .. . . 76 — TS 5 durchſchnittlich ... 7˙69 C 10°5 E e r 68 — 7˙2 P 1 3. Specifiihes Gewicht des Holzes im trockenen Zuſtande: Ahorn, gemeiner „ Feldahorn 059 0:79 412 i MN RE RE 0˙4 Birke V 0711 Blaugummibaum ... 0843 ccc 0:69 Buchsbaum 0.96 e eee 0˙9 Ceder vom Libanon 0486 Ebenholz, weſtindiſches 1193 F He 08 Eiche, europäiſche . 0:69 —0˙99 ieee 0˙87 Eichenholz 1046 o a 0'753 Fichte oder Baune „u... 048 —0'7 Föhre, amerikaniſche Gelbfiefer . 0.46 een, een ad 0˙48 —07 Sinh 1001 nee AMY Lie 076 r 0˙86 Gytisus. labur num 9. 0:92 Wüſtane ede: TI OEN 0.535 Kaurifichte (Damarfichte) ..... 0˙379 Langen hof . 0:675—1'01 STEUERN RUE FR RN 05 —056 Mahagoni, Honduras. . 0˙36 1 Spanſenn 9 0˙85 FRN 0:92 i 0:65 —1˙33 Naht OR Ru 0:71 Sin NTTARSSGHEE 0:96 Singeporhdg .!...-..... 058 Stemeiche, O robuinr 0˙76 Tickholz, indiſ ches 0:66 — 088 n afrikaniſches 0˙98 ( ST le IRINA 0:99 —1˙06 o 1004 HCC 0544 SAN a 8 0˙4 ei 09 4. Gewicht der Zugthiere und Fracht— wägen: Schwere Arbeitspferde... . 400-500 kg Leichte . 300 „ Augen od er 280—300 „ TEUER FR ee ee 230—250 „ S ᷣͤ „00 168 „ Mittleres Gewicht des Menſchen 70 Der unbeladene Leiterwagen hat als Ein— ſpänner ein Gewicht von 400 —300 kg, als Zweiſpänner von 360 —670 kg, als zweiſpän— niger Laſtwagen 11001400 kg, der zwei— räderige Langholzwagen 1000 —1400 und jener für Drei- und Viergeſpann 1400—2200 kg. Fr. Gewicht, das, Nebenform von Geweih, heute nur mehr in Sſterreich und Süddeutſch— land („Gewichtl“) für das Gehörn des Reh⸗ bodes. „Es ſoll für einen jagdbarn Hirſch ge— halten werden, der an dem Gewicht 8 Ge⸗ ſcheiden hat.“ Bayer. Jagdordnung v. J. 1616, c. V. — „Geweihe oder Gewichte.“ C. v. Heppe, Aufr. Lehrprinz, 1731, p. XXIV. — „Des Hirſchens neu aufgeſetztes Gewicht.“ Chr. W v. Heppe, Wohlred. Jäger, p. 71. — „Geweih ... bei ſtarken Hirſchen Gewicht genannt.“ D. a. d. Winkell, Hb. f. Jäger, 1820, I., p. 6. — „Der Rehbock trägt ein Gehörn (Gewicht).“ R. R. v. Dombrowski, Das Reh, p. 64. — +14 Schmeller, Bayer. Wb. IV., p. 19. — Sanders, Wb. II., p. 1594. E. v D. Gewicht des Holzſamens, ſ. Samenprobe. Gt. Gewiss, adj., in verſchiedenen Anwen— dungen vom Leithund, z. B.: „Dass der Hund ... ihn deſſen gewiſs machen kann und mufs, worauf er mit,ihm vorſuchet.“ „Gewiſs machen heißet: Der Leithund gibt ſeinem Herrn in währendem Suchen durch gewiſſe Merckmal richtig zu erkennen, worauf er ſuchet, item dass er die Fährte, die er verfolgen ſoll, ange— nommen und noch richtig halte, wodurch der Jäger außer allem Zweifel. Da ſagt man dann: Der Hund hat den Jäger gewiſs gemacht.“ C. v. Heppe, Aufr. Lehrprinz, 1751, p. 21. E. v. D. Gewitter. Einer ſo großartigen Natur— erſcheinung wie dem Gewitter angemeſſen be— ſitzen wir für viele Orte langjährige Aufzeich— nungen der einzelnen Gewittererſcheinungen und neben gelegentlichen Angaben einiger beſonders hervortretender begleitender Umſtände auch äl— tere Unterſuchungen und eingehende Beobach— tungen ſcharfſinniger Naturforſcher. Unter dieſen müſſen wir dem um die Wiſſenſchaft der Me— teorologie hochverdienten Forſcher Ludwig Friedrich Kämtz zum großen Theil das Ver— dienſt zuſchreiben, die einzelnen Beobachtungen zu einem Ganzen verknüpft und durch eigenes eingehendes Studium der Erſcheinungen die Erkenntnis der Gewitter ergänzend zu einem gewiſſen erſten klärenden Abſchluſs gebracht zu haben. Die in ſeinen Vorleſungen über Me— teorologie vom Jahre 1840 niedergelegte Ge— witterlehre hat durch die Arbeiten der Folge— zeit in den meiſten Beziehungen ihre Beſtätigung gefunden, wie ſich auch leider der von Kämtz gehegte Zweifel bewahrheitet hat, „daſs man wohl nicht bald dahin gelangen werde, den Vorgang dieſes vielleicht am meiſten verwickelten Phänomens im Einzelnen zu erklären“. Aus dieſem Grunde führt es nicht zu weit, einerſeits aus geſchichtlichem Intereſſe und in zweiter Linie, um den durch gemeinſames plan— mäßiges Arbeiten gewonnenen Fortſchritt un— ſerer Kenntniſſe leicht zu überſehen, folgend die Hauptreſultate von Kämtz zunächſt an die Spitze zu ſtellen. „Man kann die Gewitter in zwei Haupt— claſſen theilen, ſie entſtehen nämlich entweder vorzugsweiſe infolge eines aufſteigenden Luft— ſtromes, oder ſie ſind Begleiter eines Kampfes zwiſchen entgegengeſetzten Winden. Erſtere er— ſcheinen faſt nur in der warmen Jahreszeit, zu letzteren gehören beſonders die Winter— gewitter.“ „Heftige Regen, auch ohne Donner und Blitz unterſcheiden ſich von den Gewittern nur durch den Mangel der letzteren, aber ſtets iſt bei ihnen die Elektricität hinreichend groß, ohne daſs es zu einem Blitz kommt.“ „Meiſtens geht der Bildung des Gewitters ein langſames aber anhaltendes Sinken des Barometers voraus. Dabei iſt die Atmoſpäre ſehr ruhig, eine ſchwüle, drückende Hitze iſt charakteriſtiſch.“ „Dieſe Hitze wird jedoch mei— ſtens nicht durch das Thermometer angegeben; Gewicht des Holzſamens. — Gewitter. ſteht auch das Thermometer ſehr hoch, ſo zei— gen anderweitige Beobachtungen, daſs die große Hitze beſonders nur den unteren Schichten eigenthümlich iſt, daſs ſie ſich ſchnell mit der Höhe vermindert“ (d. h. ſchneller als an an- deren Tagen). „Nähert ſich die Wolkenmaſſe dem Zenith, ſo hört das Sinken des Barometers auf, dieſes ſteigt um einige Zehntel einer Linie, fängt aber gleich an wieder zu ſinken, nachdem ſich das Gewitter entfernt hat.“ „Zur vollſtändigen Ausbildung eines Ge— witters im Sommer iſt in unſeren Gegenden eine große Ruhe der Atmoſphäre und heiteres Wetter erforderlich. Die Ruhe der Luft erſtreckt ſich jedoch nicht bis zur Grenze der Atmoſphäre; denn meiſtens ſinkt das Barometer einen oder mehrere Tage langſam, ein Beweis, dajs dort Luft abfließt; die Cirri, welche ſich dort an— fänglich einzeln zeigen, ziehen mit ſchwachem ſüdweſtlichen Winde.“ „Sehr häufig bildet ſich das Gewitter ſchon mehrere Stunden vor feinem Ausbruche aus. Am Morgen ſolcher Tage iſt der Himmel vollkommen heiter. Gegen Mittag zeigen ſich einzelne Cirri, deren Fäden vielfach veräſtelt dem Himmel ein mehr oder weniger wirres Ausſehen geben. Erſt ſpäter bilden ſich die Cumuli, welche ſich immer weiter ausbreitend mit der oberen Schicht zuſammenzufließen ſcheinen.“ Die Form der Wolken ſchildert Kämtz noch in folgender Weiſe: „Die Wolken charakteri— ſieren ſich beſonders dadurch, daſs die Cirri, welche in der Höhe ſtehen, in kurzer Zeit in dichte Cirroſtrati übergehen, und dajs die Cu— muli eine dichte oft gleichförmige Maſſe von Cumuloſtratus bilden. Außerdem finden wir in der Maſſe ſehr auffällige Contraſte der Be— leuchtung.“ „Kurz vor dem Ausbruch des Ge— witters bildet ſich nicht ſelten noch eine tiefere Schicht, was man beſonders in Gebirgsgegen— den wahrnehmen kann.“ Bezüglich der Vertheilung der Gewitter war Kämtz bekannt, dafs dieſelben in groß— artigſter Weiſe zwiſchen den Wendekreiſen zur Ausbildung gelangen, beſonders in der warmen Jahreszeit und beim Wechſel der Monſune, daſs ſie dagegen über Gebieten, wo im ganzen Jahre der Paſſat gleichmäßig herrſcht, äußerſt ſeltene Erſcheinungen ſind; ferner in höheren Breiten ihr Vorherrſchen in der heißen Jahres- zeit, ihre größere Häufigkeit an den Weſthängen der Gebirge als in der Ebene, ihre Abnahme nach dem öſtlichen Innern des Continents wie nach Norden und ebenſo die Zunahme der Wintergewitter an der Weſtküſte des alten Con— tinents, insbeſondere an der Küſte und den Inſeln der norwegiſchen Küſte im Contraſt zum Innern Norwegens, wo Wintergewitter faſt unbekannt. Kämtz hebt auch die nahe Uberein- ſtimmung der jährlichen Vertheilung, wenn auch abſolut größere Häufigkeit der Gewitter des nördlichen Italien mit denen nördlich der Alpen und im Gegenſatz das Maximum der Gewitterhäufigkeit im Spätherbſt für Palermo hervor. — Pr Gewitter. Nach Kämtz ſtürzt die von der Gewitter— wolke beſchattete und darum kalte Luft herab, unten nach allen Seiten vom Gewitter aus— gehend, während in der Höhe die warme Luft von allen Seiten der Wolke zuſtrömt. Die Ur— ſache der Elektricität findet er in der ſchnellen Condenſation der Waſſerdämpfe. „In allen Fällen iſt eine ſchnelle Condenſation der Dämpfe nöthig, damit ein Gewitter entſtehe; iſt die dadurch gebildete Elektricität hinreichend ſtark, ſo findet ein eigentliches Gewitter ſtatt, wo nicht, ſo finden wir nur Regenſchauer mit einer ſehr ſtarken Elektricität.“ „Wir müſſen ... nothwendig folgern, dieſe Elektricität werde durch das Gewitter erzeugt, nicht aber, wie gewöhnlich geſagt wird, das Gewitter durch die Elektricität.“ Kämtz ſchätzte die Höhe der Gewitterwolken als ſehr beträchtlich und hielt die Beobachtun— gen von Gewittern zu Füßen der Beobachter für Täuſchung. Wetterleuchten galt ihm unter allen Umſtänden als das reflectierte Licht ent— fernter Gewitter. Bevor wir zu dem großen Aufſchwung, den die Gewitterforſchung, wie wir ſehen wer— den, im Jahre 1865 nahm, übergehen, müſſen wir zunächſt noch einige wichtige Reſultate der Ar— beiten von Fritſch 1859 und von Mohr (Poggend. Ann. 117 und 126) kennen lernen und zweck— mäßig anſchließend zunächſt die mehr tjoliert ſtehenden Unterſuchungen über den Aufbau der Gewitterwolken und die Mechanik der Gewitter— böen einer Beſprechung unterziehen. Indem Fritſch die Mittelwerte der me— teorologiſchen Elemente mit den für Gewitter— tage berechneten Mittelwerten verglich, fand er, 1. daſs der Luftdruck an Gewittertagen in con— tinuierlichem Abnehmen begriffen ſei, bis zu jener Zeit, wo am Tage die meiſten Gewitter zum Ausbruch gelangen, 2. daſs die Tempe— ratur zu allen Stunden des Gewittertages eine poſitive Abweichung zeige, 3. daſs der Dunſt⸗ druck und die relative Feuchtigkeit ebenfalls er— heblich höher ſeien, 4. die Windrichtung einige Stunden vor dem Ausbruch des Gewitters et— was gegen Süden von der normalen mittleren abweiche, dabei die Windſtärke vor dem Ge— witter eine geringere als die normale ſei, 5. daſs dagegen der Wolkenzug weniger von dem normalen abweiche als die Windrichtung. Über den Gang der Bewölkung bemerkte Fritſch, daſs die Cumuluswolken, die ſonſt erſt am Morgen im Entſtehen begriffen ſeien, an Gewittertagen ſchon am Morgen den Him— mel zum großen Theil bedecken, dass der auf— ſteigende Strom ſie aber bald in Cirren ver— wandle. Mohr betont das gleichmäßig graue oder ſchwarze Ausſehen des Innern der Gewitter— wolken und das häufige Herabhängen einer Reihe zerriſſener Wolken wie Locken am Rande der Gewitterwolke. Die kalte vom Gewitter ausſtrömende Luft betrachtet er als durch den Niederſchlag mit fortgeriſſen. „Das Gewitter muſs den Sturm bringen, nicht der Sturm das Gewitter, da ſie ſich nur an ruhigen Tagen ausbilden.“ Die fernere Hypotheſe, daſs die Stellung der Sonne in unſeren Breiten am 415 Nachmittag in S und SW durch die Lage des Wolkenſchattens und entſprechend örtliche Abküh— lung die vorwiegende Bewegung des Gewitters in den entgegengeſetzten Richtungen hervorrufe, welche das Gewitter in ſeiner Fortbewegung ganz auf eigene Füße ſtellt, vermöchte nur dieſe eine Bewegungsrichtung zu erklären und hat daher wenig Unterſtützung gefunden. Dem Aufbau der Gewitterwolken und den ſie begleitenden Luftſtrömungen, insbeſondere auch den Urſachen der zuweilen bei Ausbruch des Gewitters an der Erdoberfläche auftretenden Böen iſt in der Folgezeit von mehreren Me— teorologen eingehendes Studium zugewandt worden; beſonders hervorzuheben ſind die Ar— beiten von Hann (Bemerkungen über die Luft— circulation in den Gewitterwolken, Oft. met. Zeitſchr. 1873; Ein Beitrag zur Morphologie der Gewitterwolken, ibid. 1880), Daniel Col— ladon (Contribution à l'étude de la gréle et des trombes aspirantes, 1879), Köppen (Bei- trag zur Kenntnis der Böen und Gewitter— ſtürme, Oft. met. Z. 1879; Über den Gewitter— ſturm vom 9. Auguſt 1881, Hydrogr. Annalen, 1882, und Oft. met. 3. 1884) und von Möller (Unterſuchung über die Lufttemperatur und die Luftbewegung in einer Böe, Meteor. Zeitſchr., 1884). Infolge eingehender Beobachtung des Ver— laufes der Gewitter von Jugend auf iſt beſon— ders Prof. Hann durch mehrere treffliche Unter— ſuchungen über Gewittererſcheinungen ausge— zeichnet. Er hat „ſtets beobachten können, dajs die mächtig angeſchwollenen Cumulusmaſſen vor dem Ausbruch des Gewitters ihre oberſten Kuppen verflachen und ſich mit einem höheren dünnen Wolkenſchirm (einer echten Cirroſtratus— wolke) bedecken. Dieſer Wolkenſchirm wächst von unten aus den dichten Cumulusmaſſen empor, ſobald der Niederſchlag beginnt oder ſehr heftig wird“. „Es iſt intereſſant, zu beobachten, wie ſchnell ſich dieſe Wolkendecke oft mit Vehemenz vom eigentlichen Herde des Gewitters ausbreitet und mit ihrem ſtreifigen, trübweißen Schleier den größten Theil des Himmels einnimmt.“ „Die Cirroſtratus decke bildet ſich regelmäßig über der ſehr angeſchwollenen Haufenwolke (Cumuloſtratus). Wie die Wolkenmaſſe ſich ver- dichtet, ſteigt die Luft, durch die freigewordene Wärme des verdichteten Waſſerdampfes erwärmt, über der Wolke von neuem in die Höhe, um ſich oben auszubreiten und nach allen Seiten hin abzufließen, wobei ſie ſich wieder abkühlt, beſtändig einen Theil ihrer Feuchtigkeit nieder— ſchlägt und ſo eine hohe, dünne, verbreitete Wolkenſchicht bildet.“ „Während dieſer Umwand⸗ lung der Wolkenformen infolge des ſtärkeren Niederſchlages erſtreckt ſich dieſer allmählich durch die tieferen Luftſchichten bis zum Boden.“ An anderer Stelle beſpricht Hann dieſe Cirroſtratusſchichten, die den Wirbelgewittern (Gewittern der II. Art nach Kämtz) ſtets vor⸗ aneilen und ſich häufig mehr als fünfmal ſo weit als die eigentlichen Gewitter erſtrecken. „Wir haben oft beobachten können, wie die Ränder der unteren ſchweren Wolkenmaſſen raſch nach außen anwachſen und Wolke an Wolke von außen ſich anſetzte.“ 416 Gewitter. Den Wolkenaufbau bei Hagel- und Sturm— gewittern finden wir von Hann trefflich ſkizziert. J. Grau- weißlicher oder röthlicher, herabhän— gender Wolkenvorhang über oder vor der Regen— wand. 2. Dichte, ſchwere, grauviolette Cumu— loſtratuslager darüber. 3. Gethürmte Haufen— wolken, die ſich von dem Cumuloſtratuslager wohl abheben und 4. dichter Cirroſtratus in der Höhe. Indes ſcheint nach Hann der tiefhängende vordere Wolkenvorhang, der beim Herannahen die Regenwolke zum Theil verdeckt, weſentlich durch das Auftreten von Sturm in Begleitung des Gewitters bedingt zu ſein, da dieſer Wol— kenkragen bei dem Vorkommen ſtürmiſcher Winde ſtets, nicht aber trotz ſtarker Regengüſſe beob— achtet wurde, falls jener fehlte. Wenn andere Beobachter in der Met. Zeitihr. vom Jahre 1885 betreffs der von der Schneekoppe und im Hirſchberger Thal beob— achteten Gewitter übereinſtimmend das Fehlen der Cirroſtratusſchicht angeben, ſo ſteht einer Verallgemeinerung dieſer Beobgchtungen die ent— gegengeſetzte Mittheilung von Fritſch (Oſterr. Met. Zeitſchr. 1867) entgegen, welcher die Cirroſtratusſchichten bei einem Gewitter im Rieſengebirge als deutlich ausgeprägt hervorhebt. Unter den Gewitterwolken ſinkt die Luft, theils durch Beſchattung erkaltet, beſonders aber durch den fallenden Regen und Hagel mit fort— geriſſen, herab, was vielleicht 1740 von Ma— riotte zuerſt erkannt wurde, während hie— durch in der Höhe der Gewitterwolke infolge der Verdünnung ein Zufluſs nach der Wolke von allen Seiten durch Aſpiration ſtattfinden muſs (1875 von Colladon wohl zuerſt ausge— ſprochen), wie mehrfach hervorgehoben wurde. Von der Mitte der Wolke dagegen ſcheint nach oben aus dem Hauptherde jene Luftmaſſe aus— ſtrömen, welche die von Hann hervorgehobene Cirrenbildung zur Folge hat. Rotationen der Gewitterwolken ſind von den genannten treff— lichen Beobachtern nie wahrgenommen worden. Ebenſo wie das Zuſtrömen in der Höhe durch die Neubildungen am Wolkenrande als an der Grenze der kalten und warmen Ströme ſtattfindend und aus der Bewegungsrichtung von Wolkenfetzen zu ſchließen iſt, ſo tritt das Herab— ſteigen der Luft in der Gewitterböe in dem Herab— biegen der Aſte und Wipfel der Bäume deut— lich ſichtbar hervor; beide Luftſtrömungen kön— nen ebenſo bei jedem größeren Waſſerfall be— obachtet werden. Die bei Gewittern auftretenden ſtarken Winde an der Erdoberfläche können wir, Köp— pen folgend, in Anlehnung an die Engländer in eigentliche Böen mit Regen (sqalls) und trockene Windſtöße (gusts) eintheilen. Anlaſs zu einem beſonderen Studium der Böe bot die traurig berühmte ſog. Eurydice-Böe vom 24. März 1878, welche bei ihrem Zuge durch ganz England von Süd nach Nord den Verluſt des engliſchen Kriegsſchiffes gleichen Namens bei der Inſel Wight verurſachte. Clement Ley gelangte hiebei 1878 zu einigen recht inter- eſſanten Schlüſſen. Er findet die Sqalls ein wenig im Rücken und faſt ſtets auf der rechten Seite von cyelonalen Luftwirbeln, und in dieſer Beziehung eine Ahnlichkeit mit den in der Meteorologie als Theilminima bezeichneten kleinen ſecundären Wirbeln, die durch die größeren Wirbel (Cyelonen) verurſacht zu ſein ſcheinen. 1 Anknüpfend machte Prof. Köppen die me— chaniſchen Vorgänge in der Böe im allgemeinen zum Gegenſtand mehrfacher Unterſuchungen und gelangte dabei zu folgenden Reſultaten: Bei Böen und Windſtößen findet zweifellos eine Luftzufuhr aus der Höhe ſtatt, wie wir ſie auch bei den Föhnſtürmen (ſ. Föhn) kennen, nur mit dem Unterſchiede, dass bei dieſen die Luft durch Compreſſion erwärmt und relativ trocken, im erſten Falle aber kalt und feucht auf die Oberfläche gelangt; nach Köppen mufs es ſcheinen, daſs die Föhnerſcheinungen an ein Überwehen von Gebirgen gebunden ſeien. Da wir annehmen müſſen, daſs ab- und aufſteigende Ströme in der Atmoſphäre nur möglich ſind, wenn das Gleichgewicht in der Luftmaſſe geſtört iſt, ſo gilt es, dieſen Stö— rungsurſachen nachzuſpüren. Gleichgewicht in der Atmoſphäre findet ſtatt, wenn die Abnahme der Temperatur mit wachſender Höhe unter einer gewiſſen Grenze bleibt (vgl. Föhn), welche für trockene und feuchte Luft verſchieden groß iſt. Indem nämlich Luft beim Aufſteigen ſich aus⸗ dehnt und hiebei erkaltet und nur ſo weit zu ſteigen vermag, als ſie leichter als die ver— drängte Luft iſt, reſp. bis fie nahezu die Tempe- ratur der umgebenden Luft angenommen hat, muſs dieſes Steigevermögen bei gleicher Tem— peraturabnahme in der Luft auch für feuchte Luft ein größeres ſein, da das Erkalten mit Condenſation von Waſſerdämpfen und ſomit einem Freiwerden von Wärme verbunden iſt. Die Bedingungen für ein Aufſteigen bis zu gleicher Höhe ſind demnach für trockene Luft an eine größere Wärmeabnahme als für feuchte Luft gebunden. So lange die Temperaturab- nahme unter dieſen Grenzen bleibt, befindet ſich die Luftſäule im Gleichgewicht; treten dagegen größere Temperaturdifferenzen ein, ſo wird das Gleichgewicht geſtört, und verticale Luftſtrö— mungen ſind die Folge. Dieſe Temperaturabnahme nach der Höhe wird aber dann bedeutend groß ausfallen, wenn in der Höhe ein kalter Strom beſteht, während in der Tiefe eine warme Strömung vorherrſcht, Bedingungen, die Köppen gerade für die Ausbuchtungen der Iſobaren, welche kleine Theilminima bergen, an der Südoſtſeite der Cyelonen als gegeben annimmt, indem auf der Oſtſeite derartiger kleiner Wirbel ſüdöſt⸗ liche bis öſtliche Winde wehen und heiteren Himmel und Erwärmung begünſtigen, während die von dieſer Seite durch die Geſtalt der Jjo- baren ausgeſchloſſenen weſtlichen bis ſüdweſt⸗ lichen Winde auf der weſtlichen Seite der Theil- minima weiter zuſtrömen und Trübung und ſo— mit, wie auch in zweiter Linie durch den Nieder— ſchlag bedingt, Erkaltung der Luft zur Folge haben. Sei es nun, daſs Luft durch den Regen mechaniſch herabgeriſſen werde, wie wir es in der Gewitterböe meiſt vor Augen haben, oder daſs ſie durch das geſtörte thermiſche Gleich— gewicht herabſtürze, in jedem Falle mujs ſie * n uns die horizontale Componente der in den Schichten ihrer Herſtammung herrſchenden Luft— ſtrömung mit herabbringen und ſomit in den meiſten Fällen eine Verſtärkung des Windes an der Oberfläche zur Folge haben, wie auch das häufig beobachtete Rechtsdrehen des Windes hierin ſeine Erklärung findet. Dieſes gleichzeitig von Mallock 1879 her- vorgehobene Moment der Übertragung der in der Höhe ſtatthabenden Windgeſchwindigkeit genügt indeſſen, wie Köppen jpäter zeigte, nicht in Fällen zur Erklärung der Stärke der Ge— witterböen, da die Annahme ſo craſſer Wind— geſchwindigkeit in der Höhe häufig ausgeſchloſſen iſt. Nach ſeiner modificierten Theorie entſteht infolge der angeführten Temperaturgegenſätze, die durch die immer von neuem an der Grenze eintretenden Wolkenbildungen und Niederſchläge unterhalten werden, eine hohe Druckſtufe (Unter— ſchied von Luftdruck auf eng benachbarten Ge— bieten), deren Ausgleich durch ein einfaches Ab— fließen der Luft höheren Druckes nach den Orten niederen Druckes durch die Reibung der Luft an der Erdoberfläche erſchwert und ver— hindert wird. Dieſe Urſachen bewirken eine Er— haltung der Druckſtufe und eine Fortpflanzung der Erſcheinung nach der Seite der hohen Tem— peratur hin. In Übereinſtimmung mit der Theorie zeigen dieſe Böen engen Zuſammen— hang mit dem Gange der Sonne; ſie entſtehen am Morgen, entfalten ihre höchſte Kraft am Nachmittag und verſchwinden am Abend. Die Frage nach dem Verbleib der Luft— maſſen, die wir bei den Böen unter einem ſpitzen Winkel (etwa 15°) herabſteigen ſehen, beantwortete Köppen ſchon 1875 dahin, dals er ſpäteres abermaliges Aufſteigen und viel— leicht abermaliges Herabſteigen in der Böe an⸗ nahm, jo daſs die Erſcheinung der Fortpflan⸗ zung einer Böe gewiſſermaßen als ein um eine horizontale Achſe rotierendes Rad ſeiner Be— wegung nach ſich darſtelle. Gerade dieſe Frage unterwarf Möller einer Unterſuchung und gelangte dabei zu in— tereſſanten Schluſsfolgerungen, deren Verfolg uns indes zu weit führen würde. Nach ſeiner Theorie erſcheint der von Hann hervorgehobene niedere Wolkenvorhang als das Product der in der Front des Gewitters kreiſenden Böe, hervorgerufen durch die Nachbarſchaft warmer und kälterer Luftſtröme und demnach in ſteter Umbildung begriffen, übereinſtimmend mit der Beobachtung Hann's, daſs das Auftreten des Wolkenkragens an ſtürmiſche Winde gebunden erſcheint. Die ſpäteren Unterſuchungen, beſonders gewaltiger Gewitterböen, wie des Croſſener Gewitterſturmes vom 14. Mai 1886, haben zu keiner tieferen Erkenntnis des Weſens der Er— ſcheinung geführt. Es führt uns indeß die Art der Unter— ſuchung des geographiſchen Verlaufes derartiger Erſcheinungen dahin, nun die Anderungen in der Gewitterforſchung kennen zu lernen, wie ſie durch Le Verrier im Jahre 1865 angeregt wurden. In dieſem Jahre organiſierte Le Verrier in Frankreich die ſyſtematiſche Gewitterforſchung durch einheitliche Gewitterbeobachtungen nach Dombrowski. Encyklopädie d. Forſt⸗ u. Jagdwiſſenſch. IV. Bd. Gewitter. 417 vorgeſchriebenen Regeln an über das ganze Land verbreiteten Orten, und hiermit war die Möglichkeit geſchaffen, in ausgedehnter Weiſe über die gleichzeichzeitige Verbreitung der Ge— witter, über ihre Fortbewegung u.j.w. Kenntnis zu erhalten. Mit Errichtung von Gewitter— ſtationen folgten Luxemburg, Belgien und Hol— land, Schweden und Norwegen, 1871 Ruſßs— land, 1876 Italien, 1877 ſammelte Richter Ge— witterbeobachtungen in der Grafſchaft Glatz, 1879 Bayern, 1880 Württemberg, Sachſen, 1881 die ſächſiſch-thüringiſchen Länder, 1883 die Schweiz, 1884 Preußen, jo daſs inzwiſchen Europa zum großen Theil mit eigentlichen Ge— witterbeobachtungsſtationen durchſetzt iſt, welche natürlich durch die übrigen meteorologiſchen Stationen ergänzt werden. Heben wir gleich hier die übrigen Hilfsmittel hervor, welche ſich der Gewitterforſchung heute darbieten, ſo haben wir in erſter Linie, wie wir ſehen werden, die Aufzeichnungen der meteorologiſchen Regiſtrier— apparate, ferner die faſt auf allen Telegraphen— ſtationen geführten Aufzeichnungen über Ge— witter (als jederzeitiger Ausweis über Stö— rungen in den Telegraphenleitungen dienend), die Acten der Feuer- und Hagelverſicherungs— geſellſchaften, welche v. Bezold und Aßmann als wiſſenſchaftlich verwendbar dargethan haben, ſowie bei beſonders gewaltigen Erſcheinungen, wie wohl Köppen zuerſt als ſehr brauchbar dar- gethan hat, die Beobachtungen, welche Eiſen— bahnbeamte während ihrer Function als Zug— führer, Schaffner od. dgl. nothwendigerweiſe machen. Letzterer Hilfsmittel bedarf die Wiſſen— ſchaft nur in ganz beſonderen Fällen. Die Beobachtungen an den Gewitter— ſtationen erſtrecken ſich mit kleinen Abweichun— gen über die Zeitpunkte des erſten und letzten Donners oder der größten Gewitternähe, über die Richtung des Windes vor, während und nach dem Gewitter, über ſeine Stärke, über Richtung und Stärke des Gewitters, Zug der Wolken, Zeit, Art und Größe der Niederſchläge, ſeltener über Temperatur und Luftdruck. Zwecks baldiger Bearbeitung werden die Beobachtungen meiſt gleich nach dem Beobachten in beſondere Gewitterpoſtkarten in der Weiſe eingetragen, daſs die auf der Rückſeite befind- lichen Rubriken einfach auszufüllen ſind, und dieſe Poſtkarten ſofort an die Sammelſtation (meiſt portofrei!) eingeſendet, oder die Beob— achtungen werden tabellariſch monatsweiſe der Centralſtation zugeſtellt. Es liegt in der Natur der Sache, dajs trotz aller Vorſchriften verſchiedene Auffaſſüngen erſt allmählich zu beſeitigen ſind, und dajs die Bearbeitung des Materials nicht ohne große Kritik vorgenommen werden kann. Dieſe Be⸗ arbeitung geſchieht in der Regel in der Weiſe, daſs für jeden Tag mit Gewittermeldungen eine oder mehrere Karten zur Eintragung der Beob— achtungen angelegt werden. Durch Interpola— tion zwiſchen den Zeiten, zu welchen an be— nachbarten Orten Gewitter beobachtet wurden, entſtehen für die vollen Stunden die Iſobron— ten, worunter wir die Linien zu verſtehen haben, welche Orte verbinden, wo gleichzeitig entweder der erſte Donner gehört wurde, oder wo das 27 418 Gewitter. Gewitter gleichzeitig ſich in größter Höhe be— fand (Italien) oder wo der mittlere Zeitpunkt zwiſchen erſtem und letztem Donner der gleiche war; durch Verbindung der Linien mit gleichem Niederſchlag entſtehen die Iſohyaten. Geſtattet die Nähe von mit Thermometer und Barometer ausgerüſteten Stationen noch die Conſtruction von Karten mit Iſobaren (Linien gleichen Luftdrucks) und Iſothermen (Linien gleicher Wärme) für einzelne Gewitter— ſtunden, ſo geſtattet der Vergleich dieſer Karten, die Verſchiebungen der Iſobaren und Iſothermen mit denen der Iſobronten und die Lage dieſer dreierlei Linien gegen einander für gewiſſe Stunden zu vergleichen. An der Bearbeitung ſynoptiſcher Gewitter— beobachtungen haben ſich beſonders betheiligt Fron in Frankreich, Mohn und Hildebrandsſon in Skandinavien, Lancaſter in Belgien, Schia— parelli und Ferrari in Italien, v. Bezold, Aßmann und Richter in Deutſchland, Wojeikow und Schoenrock in Ruſsland. Schon die erſten Arbeiten von Fron ließen die Richtigkeit der Behauptung von Marie Davy (1864) hervortreten, dafs die Ge— witter unter dem Einfluſs der atmoſphäriſchen Depreſſionen ſtehen; Wintergewitter treten bei tiefen Cyclonen auf, die des Sommers meiſt bei geringeren Druckunterſchieden. Die von Fron „orages erratiques“ genannten Gewitter, welche im allgemeinen die Zeichnung von Iſobronten nicht geſtatteten, nannte Ferrari auf Grund ſeiner eingehenden Forſchungen „hüpfende Gewitter“, indem ſeine Unterſuchun— gen lehrten, daſs nur die ſtärkeren Gewitter— züge faſt überall auf dem Wege ihrer Fort— pflanzung als Gewitter auftreten, während die ſchwächeren, von geringeren Condenſationspro— ceſſen begleiteten, bei ihrer Aus-, Neu- und Umbildung (die allen Gewitterzügen eigen) bald als Gewitter, bald nur als Regen auf— treten. In Übereinſtimmung hatte Hildebrandſson ſchon gefunden, daſs die localen Gewitter be— ſonders häufig an Tagen auftreten, wo außer— dem ausgedehnte Gewitterzüge ſich leicht ver— folgen laſſen, daſs alſo die allgemeine Wetter— lage auch für jene bedingend ſein muſs, und daſs die Trennung der Gewitter im Sommer ſchwer durchführbar iſt. Die Unterſcheidung von Wärme- und Wirbelgewitter im Sommer nach Käntz und Mohn wurde ſomit als hinfällig erwieſen, da ihr nur die Bedeutung einer Unterſcheidung nach der Stärke der Erſcheinungen innewohnen kann. Die Sommergewitter bilden ſich meiſt am Südoſtrande von Cyclonen, in einem Gebiet relativ geringer Druckdifferenzen, von etwas ge— ringerem als normalem Luftdruck (etwa 755 mm, auf Meeresniveau reduciert) und hoher Tem— peratur aus. Das Vorhandenſein der erwähnten kleinen Theilminima, welche bei weniger detaillierter Iſobarenzeichnung nur durch Ausbuchtung der Iſobaren angedeutet ſind, wurde von Lancaſter 1878 entdeckt und von Ferrari wie v. Bezold ſpäter beſtätigt. v Bezold wies nach, daſss man aus der Anordnung der Iſobaren und Iſothermen ſchon die ungefähre Lage der zuge— hörigen Iſobronte entnehmen könne, indem dieſe Linien dort zu liegen kommen, wo jene Linien am meiſten gedrängt auftreten in dem Sinne, dafs der vordere Rand des Gewitters ein Gebiet höheren Luftdrucks und niedrigerer Temperatur von einem ſolchen niedrigeren Luftdrucks und höherer Temperatur trennt, eine Erfahrung, die wir durch den Gang der Regiſtrierapparate beſtätigt finden werden. Da dieſe Theildepreſſionen meiſt von ge— ringer Tiefe ſind und ſomit nur von ſchwachen Winden umkreist werden, ſo geſchieht ihre Fort— pflanzung nach v. Bezold in dem Sinne, „wie es die in wohl nur etwas höheren Regionen wehenden Winde verlangen, d. h. die Gewitter ſchreiten von W nach E weiter, ſobald die kleinen Depreſſionen als Theile einer im Norden ge— legenen größeren zu betrachten ſind, ſie ſchreiten von E nach W weiter, ſowie fie einem De— preſſionsgebiete angehören, deſſen Centrum im Süden liegt“. Hiermit in Übereinſtimmung pflanzen ſich die Gewitter nördlich der Alpen nach NE fort, da die Centren der großen Depreſſionen hier meiſt im Norden der Theildepreſſionen liegen, während ebenſo für Wien nach Hann die aus E bis NE ziehenden Gewitter nördlich von den großen Depreſſionscentren liegen, die von der Adria beſonders häufig im Frühjahr nach Ungarn ziehen. Die in Italien meiſt aus WNW ziehenden Gewitter müſsten ſich nach jener Regel auf der Weſtſeite der Cyelonen bewegen. f Nach Ferrari (Met. Zeitſchrift 1888) iſt die Fortpflanzungsrichtung der Gewitter ab- hängig von den kleinen Gewitterdepreſſionen und fällt dieſe Richtung zuſammen mit der Richtung deren ſtärkſten Gradienten. Conſtruiert man die Linien des erſten und letzten Donners für gleiche Stunden, ſo ſchließen dieſe offenbar den Raum ein, über welchen ſich das Gewitter momentan erſtreckt; dieſe Räume treten in der Regel als lange, ſchmale, band— förmige Streifen hervor, nahe ſenkrecht auf der Zugrichtung des Gewitters und der Richtung des aus dem Gewitter hervorbrechenden Windes, welcher nahe ſenkrecht aus dem Gebiete Höheren nach dem Gebiete niederen Druckes weht. Dieſe Streifen ſind nicht zu verwechſeln mit den bei Hagelverwüſtungen oft hervor— tretenden Streifen, die ſich in der Richtung der Fortbewegung des Gewitters erſtrecken. i Die nahe gleichzeitige Entſtehung eines Gewitters längs einer langen Linie tritt häufig aus den Karten hervor. Als Gewitterherde oder Orte, wo Gewitter beſonders häufig ihren Ur- jprung nehmen, beſtimmte v. Bezold für Bayern die ſumpfigen Niederungen zwiſchen den größeren Seen und den Alpen, den Weſt⸗ abhang des Böhmerwaldes, die Gegend zwiſchen Rhein und Schwarzwald; Schönrock fand für Rußland neben den aus Deutſchland herein— brechenden Gewittern noch einen beſonderen Gewitterherd durch die Gegend des Schwarzen Meeres angedeutet. Wir dürfen a priori erwarten, dafs ſolche Orte der Ausbildung der Gewitter beſonders Gewitter. günſtig ſein werden, wo beſondere Verhältniſſe für Condenſation der Waſſerdämpfe gegeben ſind, alſo Bergabhänge, welche die warme Luft in ihrem Fortſchreiten zum Aufſteigen und daher zur Erkaltung zwingen, ſowie in der Ebene Gegenden, welche durch hohe Temperatur und Feuchtigkeit ausgezeichnet ſind; denn Blitz und Donner ſind ſicher nur Begleitumſtände der Condenſationsvorgänge, durch die Stärke des Proceſſes oder andere uns unbekannte Nebenumſtände bedingt. So müſſen wir gleich— falls Condenſationen als die Urſache der Ge— witter ohne Niederſchlag anſehen, nur von zu geringer Stärke, als daſs die Condenſations— producte zur Oberfläche gelangen — in Ueber— einſtimmung mit dem Reſultat Aßmann's, dajs ſolche Gewitter gewöhnlich am Anfang der eigentlichen Gewitterperioden auftreten, welche eben ihrerſeits einen gewiſſen Feuchtigkeitsgehalt der Luft zur Bedingung zu haben ſcheinen. Jene häufig beobachteten langen warmen Perioden, wo auch die Form der Iſobaren oder die Druckvertheilung der Gewitterbildung beſonders günſtig iſt und dieſe dennoch fehlten, zeichnen ſich entſprechend durch den gänzlichen Mangel an Niederſchlägen aus. Die Bedeutung der Theilminima für die Entſtehung der Condenſationen und ſomit der Gewitter lernten wir ſchon oben bei Beſprechung der Böen kennen. Faſſen wir die Iſobronten allein ins Auge, ſo entnehmen wir der Gewitterkarte die Aus— dehnung der Gewitterfront und aus der zeit— lichen Aufeinanderfolge die Geſchwindigkeit des Fortſchreitens. Neben Gewittern geringer Ausdeh— nung finden wir auch die Gewitterfront nicht ſelten von großer Erſtreckung; ſo ſchritt ein Ge— witter am 9. Auguſt 1881 mit der gewaltigen Fronterſtreckung von Dänemark bis zu den Alpen voran. Die Geſchwindigkeit für das Fortſchreiten des Gewitterzuges wurde für Schweden gleich 35—50, im Mittel näher an 30, für Belgien gleich 40 —50, für Frankreich gleich 49—50 für die Richtungen aus SW bis W, für die aus E und SE gleich 26—27 (nach Ferrari), für Bayern 41, für Italien gleich 33 km pro Stunde im Mittel berechnet. Eine der größten Ge— ſchwindigkeiten erreichte wohl ein Gewitter am 19. Februar 1860, welches ſich nach der Unter— ſuchung von Lancaſter über Belgien mit 70, über Norddeutſchland mit 100 km Geſchwindigkeit per Stunde fortbewegte. Abhängig von der Zuggeſchwindigkeit nimmt nach Ferrari die Dauer des Gewitters am Ort mit wachſender Geſchwindigkeit ab, während die ſtärkeren Gewitter auch eine größere Geſchwindigkeit beſitzen. Wenn auch in Europa die Gewitter meiſt ohne großartige Sturmentfaltung auftreten, ſo iſt im Sommer ihr Vorübergang doch auch bei uns nicht ſelten von ſo gewaltigen Verheerun— gen begleitet, ſo jüngſt bei dem Orkan in Croſſen am 14. Mai 1886, daſs fie den gefürchteten nordamerikaniſchen Tornado's zum Theil kaum nachſtehen. Gang der meteorologiſchen Ele— mente während des Gewitters. Wenn 419 auch ſchon über diefen Gang ſchon früher manches bekannt war, ſo geſtatteten doch erſt die meteorologiſchen Regiſtrierapparate ſichere und genauere Beobachtungen über die Verän— derungen des Luftdruckes, der Temperatur, der Windrichtung und Stärke beim Vorübergange der Gewitter. Dieſe Apparate ergänzen die Beobachtungen der Gewitterſtationen in hohem Grade, da durch eingehende Discuſſion ihrer Anfzeichnungen die Verſchiebung der Iſobaren ꝛc. klarer hervortritt. Durch die Unterſuchungen von Köppen, Ferrari und Aſſmann wurde das von Kämtz angeführte Geſetz der Anderung des Luftdruckes beſtätigt; in der Regel zeigt das vor dem Ge— witter langſam fallende Barometer beim Aus— bruch des Gewitters ein ſtarkes Steigen und dann wieder ein langſames Sinken. Die bis Ausbruch des Gewitters oder bis kurz vorher ſteigende Temperatur zeigt einen plötzlichen Rückgang, um je nach der Höhe des Sonnen— ſtandes, reſp. der Tageszeit nachher wieder zu ſteigen, oder dann langſam weiter zu ſinken. Dem Gang der Temperatur entſprechen die Veränderungen der Feuchtigkeit, jo daſs alſo, zuſammenfaſſend, der Ausbruch des Gewitters zuſammenfällt mit einem Maximum der Tem— peratur und der abſoluten Feuchtigkeit und einem Minimum des Luftdruckes wie der rela— tiven Feuchtigkeit. Tägliche und jährliche Periode der Gewitter. Die Gewitter beſitzen das Maximum ihrer Häufigkeit in der Tagesperiode in un— ſeren Breiten zur Zeit der höchſten Tempe— ratur oder bald nachher, etwa zwiſchen 3 Uhr und 3 Uhr nachmittags. Außerdem aber ſcheint die Häufigkeit noch ein geringes, ſecundäres Maximum in den frühen Morgenſtunden, gegen 3 und 4 Uhr, zu beſitzen, wie zuerſt 1869 v. Bezold nachgewieſen hat und wie es auch aus anderen Beobachtungsreihen ſpäterhin mehrfach nachgewieſen wurde. ö Dieſe doppelte tägliche Periode wird bei uns in gleicher Weiſe für die Sommer-, wie für die Wintergewitter beobachtet. Der Zeitpunkt des Hauptmaximums am Nachmittag ſcheint ſich nach Oſten und ebenſo nach Süden hin um Weniges zu verſpäten, alſo dort ſpäter einzutreten, wo wir die gleiche Verzögerung für die Wendepunkte der Tempe— ratur beobachten. Es ſei hier noch darauf hingewieſen, dajs der ſcheinbare Zwieſpalt zwiſchen einem erwie⸗ ſenen Fortſchreiten der Gewitterzüge und dem nahe gleichzeitigen täglichen Maximum der Häufigkeit ſeine Löſung darin findet, daſs eben zu dieſer Zeit die Gewitterthätigkeit auf dem Höhepunkt iſt. Einerſeits gelangen die Gewitter während dieſer Periode auf ihrem Zuge häu⸗ figer zur Ausbildung (die „hüpfenden Ge— witter“ treten ſeltener auf), ſie erreichen eine größere Erſtreckung, ſchreiten lebhafter voran, und andererſeits bilden ſich Gewitterzüge be— ſonders zu dieſer Zeit aus. NE Auch im jährlichen Gang ſchließen ſich die Gewitter bei uns dem Gang der Temperatur an; fie erreichen ihr Maximum in der warmen Jahreszeit, welches nach den Unterſuchungen 27 * 420 Gewitter. v. Bezold in zwei Maxima, dem Gange der Temperatur entſprechend, zerfällt, in der erſten Juni⸗ und zweiten Julihäfte. Gewitter im Winter gehören im Inland, je weiter wir nach Oſten und Norden gelangen, zu um ſo größerer Seltenheit. In Italien finden wir am Südfuß der Alpen nahe die gleiche jährliche Periode, wie nördlich derſelben; nach Süden fortſchreitend entfernen ſich die beiden Sommermaxima, ſo daſs das erſte dem Mai, das zweite dem Oe— tober naherückt. Wintergewitter. Von den Sommerge— wittern, die ſich in ruhiger Atmoſphäre unter thermiſchen Einflüſſen ausbilden (die nächtlichen vielleicht unter dem Einfluſſe der Erkaltung der oberen Schichten), müſſen wir die eigentlichen Wirbelgewitter unterſcheiden. Bei jenen erzeugt das Gewitter den Sturm, bei dieſen der Sturm das Gewitter. Solche vom Sturm erzeugte Gewitter treten bei dem Hereinbrechen tiefer Cyclonen, alſo mehr oder weniger erheblichen Druckunterſchieden auf, bei uns in der kalten Jahreszeit, häufig mit Schnee und Hagel— ſchauern, und wie angegeben, mit gleicher Tagesperiode wie die thermiſchen Gewitter, ſo— weit ſich aus der Seltenheit der Erſcheinung eine ſolche mit Sicherheit feſtftellen läſst. Anders verhalten ſich die auch den Wirbel— gewittern zugezählten Wintergewitter der nor— wegiſchen Küſte, der Weſtküſte Schottlands, der benachbarten Inſeln und Islands. Dieſe be— ſchränken ſich, je weiter nordwärts wir dringen, um ſo mehr auf die Nacht; dabei ſind es kurze mit Sturm verbundene Erſcheinungen, die mit wenigen Blitzen und Donnerſchlägen vorüber— eilen, ohne in das Innere des Landes, wo ſie nahe unbekannt ſind, einzudringen. Hier, ſchon im Oſten Norwegens, herrſchen dafür bereits die thermiſchen Gewitter, welche an genannten Küſten dagegen eine große Seltenheit ſind. Nach Buchan (The diurnal period of thunderstorms, 1880) fallen von 23 Gewittern, die während 14 Jahren auf Island (Stykkis— holm) beobachtet wurden, auf die Monate XXII allein 14, 8 auf den Herbſt und keines auf den Sommer. Die Beobachtungen an der Weſtküſte Schottlands ergaben für die Wintermonate nahe die Hälfte der im Jahre beobachteten Ge— witter, während die Stationen der Oſtküſte nahe gleich wenig Wintergewitter wie das Inland des Continents aufweiſen. Einen gleichen Gegenſatz fand Scott früher zwiſchen Valentia an der Weſtküſte Islands und London ausgeſprochen: IV—IX X—I Summa London .. 73 14 84 Valentia .. 23 41 64 Dieſe Wintergewitter treten, wie ſchon her— vorgehoben, meiſt nachts auf. Für die Nord— und Nordweſtküſte Schottlands fand Buchan das Maximum zwiſchen 9 Uhr abends und 3 Uhr morgens; in Island fielen von den 23 Gewittern ſogar 20 auf die Nacht, während die Wintergewitter in Schweden und im öſt— lichen Norwegen wie in Deutſchland die wär— meren Tagesſtunden begünſtigen. Die Zeit des Maximums jener nächtlichen Gewitter fällt nach Buchan zuſammen mit dem täglichen Maximum der Niederſchlagsmengen. Nach ſeiner Erklärung verdanken dieſe Gewitter den Condenſationen, welche eintreten, wenn die warme Meeresluft über das erkaltete Land gelangt, ihre Ent— ſtehung. Nach der Angabe von Kämtz, daſs dieſe Gewitter ſowohl nach langen Wärme- wie nach Kälteperioden eintreten, müſste dagegen von der Mitwirkung des Landes hier abgeſehen werden und die Gewitter als über dem Meere entſtanden und an die Küſte heranziehend auf— gefajst werden. Wie weit die warme Meeresoberfläche bei der Entſtehung im Spiel iſt und eine theore— tiſche Gegenſätzlichkeit zu unſeren Wintergewit— tern begründet iſt, muſs durch weitere Unter— ſuchungen noch feſtgeſtellt werden. Höhe der Gewitterwolken, Wetter— leuchten. Bedeutende Meteorologen und treff- liche Beobachter, wie Kämtz, Hann u. A., haben die Beobachtungen der Bergreiſenden von Gewittern zu ihren Füßen durch ihren Ein— ſpruch mehrfach in Frage geſtellt und dagegen eine beträchtlichere Höhe für die Gewitterwolken behauptet; doch ſcheint durch die ſeitdem ge— ſammelten weiteren Nachrichten über tief ziehende Gewitter ein ſolches Vorkommen außer Frage geſtellt, wenn auch bei einigen Beobachtungen Täuſchung vorliegen mag. Intereſſant find in dieſer Beziehung die Beobachtungen über Ge— witter, die auf der Schneekoppe angeſtellt wur— den (Met. Zeitſchr. 1886), wo aus tieferen Wolken, die aus dem Rieſengrunde aufſtiegen, plötzlich Blitz und Donner erfolgten. Andererſeits zeigen ſich Gewitterwolken häufig in ſehr beträchtlicher Höhe; ſo beob— achten dis Bewohner des Chamouny-Thales ſogar Gewitter, die über den Mont-Blane ziehen. Hiefür ſpricht auch die Entfernung, aus welcher häufig Wetterleuchten beobachtet wird, wenn dieſes auch zum Theil durch Reflexion der Blitze zuſtande kommt. Verbürgt iſt die Beob— achtung von Wetterleuchten, welches durch Ge— witter in 240 km vom Beobachtungsort ver— urſacht wurde. Beobachtungen von Donner ohne Blitz finden ihre Erklärung in der Verdeckung des Blitzes durch Wolken. Blitze, die aus den Wolken nach oben nach dem ſcheinbar blauen Himmel fahren, ſind mehrfach beobachtet worden; ſie finden ihre Erklärung wie die wohl ſehr ſel— tenen Bitze aus heiterem Himmel in dem Um— ſtande, daſs wir bei gewiſſer Beleuchtung des Himmels Wolken erſt dann wahrnehmen, wenn ſie eine gewiſſe Dichtigkeit erzielt haben. Blitz und Donner. Seitdem es gelungen iſt, Blitze zu photographieren, iſt es in hohem Grade wahrſcheinlich geworden, daſs jeder be— obachtete Blitz aus einer Reihe neben einander verlaufender Entladungen beſteht. Die ſoge— nannten Flächenblitze haben wir als keine beſon— dere Erſcheinung anzuſehen, ſondern als eine momentane Erleuchtung von Wolkenflächen durch unſeren Blicken verdeckte Blitze zu betrachten. Die Zickzackbewegung des Blitzes erklärt ſich einfach durch das Beſtreben des Funkens, die Bahn des geringſten Widerſtandes aufzu- ſuchen ein Vorgang, den wir am Experimentier⸗ n N 5 r « N Gewohnheitsrecht. — Gewölbe. tiſch bewundern können, wenn wir zwiſchen die Pole einer Holze'ſchen Jufluenzmaſchine ein Pappblättchen mit einem feinen Loch (Nadel— ſtich) halten und beſſer mehrere ſolche in Ab⸗ ſtänden zwiſchenſchalten und dann die Beobach— tung machen, wie der Funke durch die einzelnen Löcher ſo lange ſeinen Weg nimmt, bis nach ſeitlicher genügender Verſchiebung der Blättchen ein Umſpringen um die Kanten geringeren Wi— derſtand bietet und der Funken dann dieſen Weg einſchlägt. Durch dieſe Zickzackbahn wie durch die Länge der Bahn des Blitzes erklären ſich die Dauer und das Rollen des Donners. Indem an jedem vom Blitz durcheilten Ort ebenſo wie beim Knall der Peitſche durch das Zuſammen— ſchlagen der auf einen Augenblick getrennten Luftmaſſen ein Geräuſch entſteht, mußs dieſer erregte Schall von jedem einzelnen Punkte aus ſich fortpflanzend an unſer Ohr gelangen, der vernommene Schall alſo eine gewiſſe Dauer be— ſitzen. Betrachten wir die geſammte Schallerre— gung als momentan, jo muſs die Zickzack— bewegung das Rollen des Donners hervorrufen, indem der Schall bald von weniger, bald von mehr Orten unſer Ohr treffen wird. Ferner wirken hiebei mit die von der Dichtigkeit der Luft abhängige Fortpflanzungsgeſchwindigkeit des Schalles, Reflexionen des Schalles (beſon— ders im Gebirge an Felswänden) und vielleicht auch Interferenzerſcheinungen. Die ſeltener beobachteten Kugelblitze, Er— ſcheinungen gleich feurigen Kugeln, die langſam dahin fliegen und mit oder ohne Exploſion plötzlich verſchwinden, ſind ihrem Weſen nach noch nicht ſicher aufgeklärt. Gewitter und Mond; Zujammen- treffen mit der Flut. Die bisherigen Ar— beiten über die Abhängigkeit der Gewitterhäu— figkeit von der Stellung des Mondes zur Erde finden wir eingehend beſprochen in van Bebber's Handbuch der ausübenden Witterungskunde. Bei dem großen Einfluſs, den offenbar der Gang der Sonne ausübt, iſt es ſehr ſchwer, dieſen Einfluſs mit Sicherheit au abſtrahieren und einen reinen Mondeinfluſs, falls ein ſolcher vorhanden, zu erhalten. Sichere Geſetze haben ſich bisher nicht erkennen laſſen, wenn auch nach dem Urtheil des genannten Autors weitere Arbeiten durchaus nicht ausſichtslos erſcheinen können. Bekannt iſt ferner die in Küſtengegenden häufig auftretende Behauptung, daſs alle Ge— witter mit der Flut des Waſſers heraufkommen; eine Anſicht, die die Bewohner der Nordſeeküſte, wie Preſtel hervorhob, nach Baſtian mit den Siameſen theilen, die das Eintreten des Re— gens in der Regenzeit mit der Hochflut er— warten. Über dieſe Frage liegt eine Unterſuchung von Hazen für die nordamerikaniſche Küſte zwiſchen Savannah und Maine vor, die von 197 Gewittern 70 3% zur Flutzeit und nur 295% zur Zeit der Ebbe ergab; indes mujs die Bestätigung durch weitere Arbeiten erſt ab— gewartet werden. Gewitter und Sonnenflecken. Die Unterſuchungen über eine Abhängigkeit der Ge— 421 witter von den Sonnenflecken finden wir gleich— falls in dem eben angegebenen Handbuch aus— führlich beſprochen. Das Reſultat der bisherigen Arbeiten läſst auch hier keinen geſetzmäßigen Zuſammenhang mit Sicherheit erkennen, da die Reſultate ſich zum Theil widerſprechen. Eine ſehr eingehende Studie über Gewitter findet ſich in dem neuen Werk von Dr. Ritter Alfred v. Urbanitzky, „Die Elektricität des Himmels und der Erde“. Gßnu. Gewohnheitsrecht oder Herkommen (jus consuetudinarium) ſind jene Rechtsnormen, welche nur der fortgeſetzten gleichförmigen Rechtsübung eines Volkes oder eines Theiles desſelben (Provinz, Ort oder einzelne Claſſen) durch Handlungen oder Unterlaſſungen ihre Entſtehung verdanken. Dasſelbe iſt ungeſchrie— benes Recht und bildete bei jedem Volke die erſte Rechtsquelle und die Grundlage für das geſchriebene Recht oder die Geſetzgebung. Im römiſchen Recht ſteht die Gewohnheit dem Ge— ſetze völlig gleich, und ſo war es urſprünglich auch in Deutſchland, indem insbeſondere die älteren Geſetze immer durch die ſ. g. ſalvatori— ſche Clauſel die Gleichberechtigung des Her— kommens wahrten. Mit der Entwicklung der Staatsgewalt wurde dies anders, und die neueren Geſetze, namentlich das preußiſche all— gemeine Landrecht, das ſächſiſche Civilgeſetz und das Reichshandelsgeſetz, geſtehen der Gewohn— heit keine Geltung gegen das Geſetz, ſondern nur eine ſolche zur Ergänzung desſelben zu. Die Gewohnheit mußs, ſofern ſie nicht gerichts— bekannt iſt, von demjenigen, welcher ſich auf dieſelbe beruft, bewieſen werden. Seine Hauptbedeutung hat das Gewohn— heitsrecht auf dem Gebiete des Privatrechtes, insbeſondere aber im Sachen- und Obligationen- recht (in contractibus veniunt et ea, quae sunt moris et consuetudinis). Im Forſtrecht ſpielt das Herkommen eine große Rolle bezüglich der Ausübung der Forſtſervituten, und auch im Jagdrecht muſss ſich bei mangelhafter Geſetz— gebung die Entſcheidung der Frage, ob eine Thiergattung zu den jagdbaren zählt, auf das— ſelbe gründen. Im heutigen Strafrecht kommt die Ge⸗ wohnheit faſt nur noch zur Geltung im ſ. g. Gerichts gebrauche (usus fori), d. i. in der bei einem Gerichte üblichen Auslegung einer Geſetzesſtelle. At. Gewölbdohlen ſind gemauerte und einge— wölbte Waſſerdurchläſſe, welche an Stelle der Deckeldohlen beim Wegbaue verwendet werden, wennn die Wegkrone entſprechend über dem Baugrunde liegt und die innere Lichtweite 12 m nicht überſteigt. Das Gewölbe aus Tro— ckengemäuer wird nach den Grundſätzen des Gewölbebaues hergeſtellt, ſ. Steinbrücken. Fr. Gewölbe iſt ein aus keilförmig geſtalteten Steinen hergeſtelltes Mauerwerk. Die Steine werden mit ihren Seitenflächen an einander und an feſte Seitenwände (Widerlagen) der- art geſtoßen, daſs fie ſich durch gegenſeitige Spannung in dieſer Lage erhalten. Die Gewölbe dienen theils zur Unter— ſtützung von Mauern, theils werden damit Räume überdeckt. Bei dem Gewölbe bezeichnet 122 man die fichtbare Stirnfläche als das Haupt, den Beginn des Gewölbebogens als den An— lauf (Gewölbefuß, Kämpfer), den Unter— bogen des Gewölbes als die Leibung (In— trados), den äußeren Gewölbebogen als den Gewölberücken (Extrados), den höchſten Punkt des inneren Bogens als den Scheitel (Schluss), die Mauern oder Pfeiler, welche das Gewölbe zu tragen haben, als Widerlager, die horizontale Entfernung der Gewölbwider— lagen als Spannweite, die Höhe des Unter— lagers als Pfeilhöhe und die Ausfüllung zwiſchen dem Oberbogen und den Widerlagern als Nachmauerung, welche ihrerſeits hori— zontal ausgeglichen (voll) oder nur ſtufen— förmig hergeſtellt wird. Höhe und Querſchnittsform des Gewölbes wird einerſeits von dem verfügbaren Raume, andererſeits von dem eigentlichen Zwecke oder auch aus Rückſichten architektoniſcher Natur be— ſtimmt Gewölbe, deren Querſchnitt ein Halbkreis iſt, heißen volle Gewölbe; tft der Querſchnitt dagegen eine Ellipſe, deren kleine halbe Achſe die Pfeilhöhe wäre, ſo bezeichnet man dieſe Ge— wölbsform als gedrücktes Gewölbe. Iſt da— gegen die halbe größere Achſe der Ellipſe die Pfeilhöhe, ſo erhält man ein überhöhtes Gewölbe. Iſt die Querſchnittslinie nur ein Kreisſegment, ſo bezeichnet man dieſe Gewölbe— form als flache Gewölbe; wird endlich der Gewölbequerſchnitt aus zwei in eine Spitze zu— ſammenlaufenden Kreisſegmenten gebildet, ſo heißt dies Gewölbe das gothijche oder ſpitz— bogenförmige. Liegen weiters die Bogenan— läufe nicht in einer horizontalen Ebene, ſo ent— ſteht das ſteigende Gewölbe (ſchwanen— halsförmige Gewölbe), während als ſcheit— rechtes Gewölbe diejenige Gewölbeform be— zeichnet wird, die als Querſchnitt eine gerade Linie hat, alſo keine Pfeilhöhe beſitzt. Die im Hochbau vorkömmlichen Gebäude laſſen ſich mit Rückſicht auf die Geſtaltung auf drei Formen zurückzuführen; es gibt Gewölbe mit tonnenförmiger, mit koniſcher und kuppelförmiger (ſphäriſcher und ſphäroidi— ſcher) Oberfläche. Zu den Gewölben mit tonnen— förmiger Oberfläche rechnet man das einfache oder cylindriſche Tonnengewölbe, das Kreuzgewölbe, das Kloſtergewölbe, das Mulden- und Spiegelgewölbe. Denkt man ſich das Gewölbeprofil längs einer geraden Linie in normaler Lage fortbe— wegt, jo entſteht ein gewöhnliches oder eylin— driſches Tonnengewölbe. Tonnengewölbe, deren Länge 30 —90 em beträgt, heißen Gurten und werden theils zur Abtheilung größerer Gewölbe, theils zur Unterſtützung der Gewölbe beim Hoch— bau häufig angewendet. Durchdringen ſich zwei oder mehrere Ton— nengewölbe von gleicher Pfeilhöhe, ſo entſteht das Kreuzgewölbe; die Durchſchnittskanten der ſich ſchneidenden krummen Flächen heißen Grate oder Rippen und bilden einſprin— gende Winkel. Ein Kreuzgewölbe bedarf keiner fortlaufen— den Widerlagsmauern zu ſeiner Unterſtützung, und genügen einzelne Pfeiler in den Ecken des überwölbten Raumes, die dann mit Gurten ver- Gewölbe. bunden werden. Bei dem Kloſtergewölbe bilden die Grate ausſpringende Winkel; dieſe Gewölb— form kann man ſich derart entſtanden denken, daſs von zwei ſich durchdringenden Tonnenge⸗ wölben nur die in der zugehörigen Achſe liegen— den Theile benützt werden, d. h. jene Theile, wo die Anlaufslinien, an welche die Wider— lagsmauern ſich ſtützen, gerade verlaufen. Kloſter— gewölbe müſſen ihrem ganzen Umfange nach durch Widerlagsmauern geſtützt werden. Das Muldengewölbe iſt ein Tonnengewölbe, welches in ſeinen Enden durch halbe Tonnengewölbe (Kappen) abgeſchloſſen wird. Denkt man ſich ein Kloſtergewölbe in einer beliebigen Höhe von einer horizontalen Ebene geſchnitten, ſo entſteht das Spiegelgewölbe. Zur Herſtellung der Ge— wölbe werden Ziegel, Quader- oder Bruchſteine verwendet. Beim Hochbau ſind Ziegelgewölbe in der Stärke von 15, 30, 45, 60 cm u. ſ. w., beim Brückenbau Quaderſteingewölbe vorwiegend in Anwendung, während Bruchſteine nur ſelten zu Gewölbeherſtellungen benützt werden. Die Gewölbe werden entweder aus eigens zuge— richteten Steinen oder aus den gewöhnlichen Backſteinen hergeſtellt. Man bezeichnet die zwi— ſchen zwei Gewölbfugen der ganzen Tiefe des Bogens nach liegenden Steine als eine Schichte oder Lage. Jene Fugen ferner, welche zwei ſolcher Schichten trennen, heißen Lagerfugen 110 die zwiſchen den einzelnen Steinen Stoß— ugen. Bei Herſtellung der Gewölbe müſſen die Lagerfugen durch die ganze Bogentiefe hindurch gehen, d. h. in der Stirn des Lagers centrale, iu der Leibung parallele Linien mit der Achſe bilden. Die Stoßfugen dagegen dürfen weder im Junern des Bogens, noch in der Stirn oder Leibung aufeinandertreffen. Werden Bogen aus Backſteinen hergeſtellt und ſoll deren Stärke mehr als 2½ Stein betragen, ſo kann man die Gewölbfugen mit Rückſicht auf ihre große Länge nicht mehr geradlinig durchlaufen laſſen, weil ſonſt die ſchwachen Backſteine an ihrem unteren Ende unverhältnismäßig ſtark ver— hauen werden müſsten. In dieſem Falle wird der Bogen aus mehreren außer Zuſammenhang (gegenſeitig im Verband) ſtehenden gewölbten Ringen hergeſtellt. Vor dem Beginne einer guten Gewölbemauerung müſſen vorerſt die Wider— lager, bezw. die oberen Abſchluſsflächen der als Widerlager beſtimmten Mauern fertig geſtellt werden, und nachdem dieſe Endigungsflächen gleichzeitig als die erſten Lagerfugen des Bogens anzuſehen ſind, ſo müſſen ſie auch normal zu dem zugehörigen Bogenelemente ſtehen. Es er— halten ſomit Bogen von der Form des Halb— kreiſes, der Ellipſe oder Korblinie horizontal ab— geglichene Widerlager, flache Lager dagegen ſchräggeſtaltete Widerlager. Mit der Gewölbe— herſtellung wird ſtets an den Widerlagern, u. zw. gleichzeitig an beiden Seiten begonnen und im Scheitel geſchloſſen. Dabei werden die Backſteine in ihrer natürlichen Form belaſſen und die oberen breiteren Fugen durch nachge— triebene Steinſplitter geſchloſſen, oder es wer— den alle Backſteine etwas keilförmig zugehauen. In letzerem Falle ſind vorzügliche Materialien und tüchtige Maurer erforderlich und iſt an— Lo Gewölbrüſtung. — Gewölbs- und Widerlagsſtärke. 423 dererſeits die Herſtellung ſehr zeitraubend und dabei ſtets mit einem größeren Materialauf— wand verbunden. In der Praxis wird gewöhn— lich ein Stein behauen, der nächſtfolgende da— gegen in ſeiner natürlichen Geſtalt belaſſen. Jeder Bogen mujs in ſeinem Scheitel einen Stein (Schluſsſtein) und keine Fuge erhalten: um die Stirn eines Bogens in der gehörigen Lage zu führen, werden, wie bei gewöhnlichem Mauerwerk, Fluchtſ chnüre geſpannt Zu allen Bogen iſt das beſte Material zu verwenden, auch genügt ein einfaches Näſſen der Bauſteine nicht, ſondern müſſen dieſe kurze Zeit ganz ins Waſſer gelegt werden. Auch iſt mit möglichſt ſchmalen Fugen zu mauern, wobei ſich ſtatt Kalkmörtel Gypsmörtel bejonders empfiehlt, der erſt nach geſchloſſenem Bogen in dünnflüſſiger Form in die offenen Fugen gegoſſen wird (. Gewölbſtärke, Gewölbrüſtung, Stein— brücken). Fr. Gewölbrüſtung hat den Zweck, dem Ge— wölbe die entſprechende Form zu geben und dasſelbe ſo lange zu tragen, bis es geſchloſſen iſt. Die Gewölbrüſtung beſteht aus den Lehr— bögen und aus der Verſchalung mit Schal— brettern, wobei die erſteren die Querſchnitts— form des Gewölbes erhalten. Auf einem ebenen Bretterboden wird zuerſt die Linie des Ge— wölbequerſchnittes conſtruiert, u. zw. für Kreis— gewölbe mittelſt eines aus Latten zuſammen— gefügten Stangenzirkels, während man für Ellipſen zuerſt die Achſe zieht, in deren Brenn— punkten eine Schnur von der genauen Länge der längeren Achſe in ihren zwei Endpunkten befeſtigt wird. Spannt man dieſe Schnur mit— telſt eines Zeichenſtiftes, ſo wird dieſer bei ſeiner Fortbewegung und bei ſteter Anſpannung der Schnur eine Ellipſe beſchreiben. Nach dieſer Lehre werden ſodann die einzelnen Bretter oder Bohlen, aus denen die Lehrbögen zu— ſammengeſetzt werden ſollen, zugerichtet. Die Lehrbögen ruhen, um eine ungleichmäßige Sen⸗ kung zu vermeiden, auf einem gemeinſchaft— lichen Balkengerüſte auf und werden der Länge des Gewölbes nach in Zwiſchenräumen von Im auf unterlegte Keile geſtellt, die ein be— liebiges Senken der Lehrbögen ermöglichen ſollen. Das Balkengerüſte für die Lehrbögen beſteht aus zwei Grundſchwellen, worauf in Entfernungen von 3z—4 m Wandſäulen geſtellt werden. Letztere find mittelſt Riegeln verbunden und zum Tragen der Durchzugs— balken beſtimmt. Die geſammten Balken wer— den nur mittelſt eiſerner Klammern „(Geräft- klammern) untereinander befejtigt. Der Zu— ſammenſtoß der Schalbretter, die bei kleineren Bogen durch Schallatten zu erſetzen ſind, mujs ſtets auf einem Lehrbogen erfolgen. Für klei⸗ nere Gewölbe genügen ſtatt der Lehrbögen rund geſchnittene Scheiben, welche mittelſt hori— zontaler Durchzüge und Standſäulen getragen werden. Bei Fenſter-(Fig. 387) und Thür⸗ öffnungen werden die aus Bohlen geſchnittenen Bögen, deren Spannweite zwiſchen 1—1˙5 ſchwankt, unmittelbar auf die Mauer, bezw. auf unterlegte Keile geſtellt und in der Mitte durch eine Standſäule geſtützt. Die Lehrbögen für Gewölbe von bedeutenderer Spannweite | müfjen aus ſtarken Pfoſten hergeſtellt werden; iſt das Gewölbe aus Quadern aufzuführen, ſo treten an die Stelle der Pfoſten Balken (Schal— balken). Die Aufſtellung der Gewölbrüſtung mujs mit möglichſter Genauigkeit erfolgen; denn von einer richtigen Einrüſtung hängt die Güte des Ge— wölbes ab und müſſen namentlich die Scheitel der en in eine horizontale Linie fallen. Fig. 357. Gewölbrüſtung. a Lehrbogen, b Stützen, e Ent laſtungsbogen, d Fenſteröffnung. Iſt das Gewölbe vollendet, ſo erfolgt die Aus— rüſtung, die man aber nicht zu frühe, aber auch nicht zu ſpät, d. h. zu einer Zeit vor— nehmen ſoll, wo der Mörtel bereits vollſtändig erhärtet iſt. Nach Perronit ſoll die Aus— rüſtung erfolgen, wenn der Mörtel eine ſolche Conſiſtenz erlangt hat, daſs man mit einem Meſſer nicht mehr in die Fugen dringen kann. Iſt die Ausrüſtung, die langſam und möglichſt gleichzeitig durch Lüftung der Keile erfolgt, geſchehen, ſo tritt ein Setzen des Gewölbes ein, d. h. das Gewölbe ſenkt ſich in ſeinem Scheitel, indem der Mörtel in ſeinen Fugen zuſammengedrückt wird. Dieſes Setzen iſt ſehr ungleich und hängt einerſeits vom Trocken— grade des Mörtels, andererſeits von der Stärke und Anzahl der Mörtelfugen ab, ſ. Gewölbe, Steinbrücken. Fr. Gewölbs- und Widerlagsſtärke für Tonnengewölbe. Es genügt nicht, wenn nur die theoretiſch ermittelte Gewölbs- und Wider— lagsſtärke angewendet wird, ſondern es müſſen bei der praktiſchen Durchführung auch noch andere Einflüſſe, als: Beſchaffenheit des Bau— materiales, mehr oder minder ſorgfältige Aus— führung der Gewölbsmauerung, die Art der Belaſtung, der Umſtand, ob und in welchem Grade die Gewölbe Erſchütterungen ausgeſetzt ſind, u. dgl. die entſprechende Berückſichtigung finden. Quadergewölbe erhalten im Scheitel als geringſte Stärke 15cm, die man auf 30 cm erhöhen muſs, wenn das Gewölbe Erſchütte— rungen ausgeſetzt iſt. Rondelet empfiehlt bei Tonnengewölben aus Quadern für jeden Meter Spannweite 4 em zu der als Baſis angenom— menen Gewölbſtärke von 32 em hinzuzuſchlagen. Bei Ziegelgewölben ſoll die Schlujsjtärfe bis zu einer Spannweite von 7m 13 em betragen, wobei jedoch eine Nachmauerung gegen den Anlauf und die Anlage von Verſtärkungsgurten nothwendig iſt. Kellergewölbe erhalten eine Stärke von 30 cm, während Bogen über Off— nungen in hohen Gebäuden eine Stärfe von 45—60 em erhalten müſſen. Gurten erhalten eine Stärke von 30—60 cm, und wenn ſie Mauern zu tragen haben, eine Breite, die um 15 em größer ſein mujs, als die Stärke der 42% Gewölle. — Sieben. zu tragenden Mauer. Auf die Stärkedimen— ſionen einer Widerlagsmauer üben verſchiedene Momente einen beſtimmenden Einfluſs, u. zw. die Art des des Gewölbes und der Belaſtung, die Höhe des Anlaufes, die Stellung der Mauer, ob ſie nämlich mit Quermauern in Verbindung ſteht u. dgl. m. Vorzugsweiſe wird aber die Stärke der Widerlager von der Spann— weite und dem Umſtande beeinfluſst, ob das Widerlager ein gemeinſchaftliches iſt oder ob dasſelbe dem einſeitigen Gewölbſchub allein zu widerſtehen habe. Als kleinſte Widerlagerſtärke können 45 cm gelten und ſollen jene bei be— laſteten Bogen ,- %, bei ſehr flachen Ge— wölben ½ der Spannweite erreichen. In eben— erdigen Gebäuden kann / — 5 der Spann- weite als Stärke für die Widerlager ange— nommen werden. Perronit empfiehlt für die Berechnung der Gewölbſtärke die Formel: d = 0'035 S + 0˙33, worin 8 die Spannweite bedeutet. Schmid hat weiter für die Ermittlung der mittleren Gewölbsdicke die Formel d' = (040 + 0.05 8) (1 - Oro h) aufgeſtellt, worin h die Höhe jener Schichte bedeutet, welche auf dem Gewölbe aufruhen ſoll. Der zweite Factor kann entfallen, wenn h Sals 2m iſt. Wenn h die lichte Höhe, h' die Dicke der auf dem Gewölbe aufruhenden Aufſchüttung, S die Spannweite und k die Stärke der Wider— lager bedeutet, ſo kann letztere nach Schmidt aus der Formel k = (0˙65 + 003 8 + 0:07 h) (1 0•06 h) berechnet werden, wobei der zweite Factor abermals entfallen kann, wenn h’ kleiner iſt als 2 m. Rondelet kam bezüglich der Gewölbſtärke zu folgenden allgemeinen Reſultaten: Gewölbe, die aus einer ungeraden Anzahl ungleich großer Steine gebildet werden, üben einen um ſo geringeren Schub aus, je größer der Schluſs— ſtein iſt. Kreisförmige Gewölbe, die ſich gegen die Anfänge zu verſtärken, bedürfen einer ge— ringeren Stärke im Schluſsſtein als bei jener, wo Leibung und Rücken parallel laufen. Der Gewölbſchub ſteht nicht im einfachen, geraden Verhältnis zu ſeiner Dicke: der Schub eines Gewölbes iſt etwas geringer als der doppelte Schub eines halb ſo ſtarken Gewölbes. Werden gleiche Spannweiten vorausgeſetzt, ſo iſt der Schub auf die Widerlager beim überhöhten geringer als bei einem halbkreisförmigen, bei dieſem wieder geringer als beim gedrückten, während das ſcheitrechte Gewölbe den ſtärkſten Druck auf die Widerlager ausübt, Die Backſteingewölbe über Offnungen in Mauern 2—3ſtöckiger Gebäude empfehlen ſich als Gewölbſtärken bei der Spannweite von 8 1 Steinſtärke A dr, 10 i * 3—5 Ir 2 " ; 36 % 2% 4 Bei Tonnengewölbe aus Backſteinen und Bogen bis zu der zuläſſig größten Spannung von 12m pflegt man ein Zwölftel der Spann— weite als Stärke des Gewölbes im Scheitel anzunehmen, ſ. Mauerſtärken, Steinbrücken. Fr. Gewölle, das, nannte man unverdauliche Gegenſtände, welche man den Beizvögeln ab— ſichtlich zur Purganz eingab und die ſie dann mit ſonſtigen Speiſereſten wieder auswarfen; ſpäter übergieng der Ausdruck auf die Ballen von Haaren, Federn ꝛc., die faſt von allen Raubvögeln mit Ausnahme jener, welche beim Kröpfen eines Raubes dieſe unverdaulichen Theile nicht mit verſchlingen, ausgeworfen wer— den. „. .. vnd gib ym ajn federn. gewelle“. „. . . 80 wirt her auswerffen das gewelle.“ Aucupatorium herodiorum, Cgv. no. 2457. — „Mann sol jn (den habich) auch spenden mit nassen hunes äss vnd mit gewele...“ — „Mann sol auch bewaren das mann jm jcht äcze se er gewerffe das gewele ... Ist das gewele hört vnd auch trucken, so ist er gesundt.“ Ein schops Buchlin von dem beys- sen, Strassburg 1510, fol. 12 u. 16. — „Mache drei reinigung so man in Teutschen Sprach Guel nennet.“ W. Ryff, Thierbuch, 1544. — „Er (der Adler) wirft alle Morgen fein Ge— wöll, wie andere Raubvögel, von ſich.“ Fle— ming, T. J., 1729, fol. 153. — „Das Ge⸗ wölle wird genannt, was ſie (die Raubvögel) alle Morgen von Haaren oder Federn, ſo ſie den vorigen Tag von dem Raube oder der Atzung in dem Kropf verſammelt gehabt, wieder ausſpeien.“ Döbel, Jägerpraktika, 1746, I., fol. 75. — Bechſtein, Hb. d. Jagdwiſſenſchaft II., p. 351. — Hartig, Lexik., p. 223. — Laube, Jagdbrevier, p. 279. — Sanders, Wb. II., p. 1659. E. v. D. Gezirk, der, ſ. v. w. Trieb, Jagen. „Ge— zirk oder Bezirk, alſo beuennet man einen ges wiſſen Forſt- oder Jagddiſtrikt.“ Chr. W. v. Heppe, Wohlred. Jäger, p. 184. — Sanders, Wb. II., p. 1771. E. v. D. Gezogen, adj. part., nennt man einen mit Zügen verſehenen, zum Unterſchiede vom glatten Gewehrlauf. „Das Wildpret mit einer Kugel aus einem gezogenen Rohr anſchießen ...“ Chr. W. v. Heppe, Wohlred. Jäger, p. 154. — Mellin, Anwſg. z. Anlage v. Wildbahnen, 1777, p. 254. — Behlen, Wmſpr., 1828, p. 70 u. ſ. w. — Sanders, Wb. II., p. 1745. S. Züge. E. v. D. Gezwungen, adj. part., gezwungen gehen, ſ. Zwang und Zwingen. E. v. D. Giebel, ſ. Karauſche. Hcke. Giebelbalken, ſind die äußerſten einer Balkenlage (Bundbalken) und dienen der Giebelverſchallung bei hölzernen Giebelwänden als Schwelle. Gehört der Giebelbalken zum Dachgebälk, ſo heißt er Dachgiebelbalken (ſ. Gebälk). Fr. Giebeldach, ſ. Dachausmittelung. Fr. Gieben (Abramis blicca Bloch. Syn.: Abramis björkna, Abr. laskyr; Blicca argyro- leuca, Bl.laskyr, Bl.björkna; Cyprinus björkna, C. blicca C. laskyr, C. latus) auch Blicke, Blecke, Breitfiſch, Gieb, Gieſter, Güſter, Halbbrachſen, Plattfiſch, Pleinzen, Pletten, Plieten, Rothfloſs, Rothplieten, Scheiber, Weißfiſch, Zobelpleinze; böhm.: ejn maly; ungar.: keszeg; krain.: an- dröga kozel; frz.: bréme bordeliere, blanche, br&mette; engl.: white-bream, bream-flat. Fiſch aus der Gattung Brachſen (Abramis Cuvier) 1 N 2 Gieſe. — Gift. und der Familie der farpfenartigen Fiſche (Cy— prinoidei), 20—30 em lang, Leib ſtark ſeitlich zuſammengedrückt, etwa dreimal ſo lang als hoch, mit ſtumpfer Schnauze und kleinem, end— ſtändigem oder etwas unterſtändigem zahnloſem Maule, welches nach hinten nur bis unter die Naſenlöcher reicht. Auf den ziemlich gedrungen gebauten Schlundknochen ſtehen die mit kleiner Kaufläche und ſchwacher Hakenſpitze verſehenen Zähne, abweichend von den übrigen Abramis— Arten, in zwei Reihen meiſt zu 5 und 2, ſeltener zu 5 und 3; Abweichungen in der Zahl ſind häufig. Die kleine und hohe Rückenfloſſe enthält 3 ungetheilte und 8—9 getheilte Strah— len, die lange Afterfloſſe 3, bezw. 18—22 In der vor der Rückenfloſſe ſtehenden Bauchfloſſe 2 ungetheilte und 8 getheilte Strahlen, in der Bruſtfloſſe 1, bezw. 14— 13, in der Schwanzfloſſe 19 Strahlen. Von den mittelgroßen Rund— ſchuppen ſtehen in der Seitenlinie 45—50. Im Außern ſowohl der Geſtalt wie der Färbung gleicht der Gieben außerordentlich dem Brachſen und wird oft mit ihm verwechſelt. Abgeſehen von den Schlundknochen und der kürzeren After— floſſe iſt er jedoch auch an folgenden Merkmalen leicht zu unterſcheiden. Die Schuppen ſind wie beim Brachſen auf dem Vorderrücken, alſo vor der Rückenfloſſe, in der Mittellinie geſcheitelt, d. h. von einer ſchuppenloſen Längslinie unter— brochen, aber dieſe Scheitellinie iſt meiſt nur undeutlich entwickelt und fehlt zuweilen ganz. Ferner ſind die Bruſt- und Bauch— floſſen an der Wurzel röthlich gefärbt, oft ganz roth, während ſie beim Brachſen ſtets grau ſind. In manchen Gegenden wird der Gieben irrthümlich für einen Baſtard von Karpfen und Plötze gehalten. Der Gieben bewohnt Flüſſe und Seen der Bleiregion in faſt ganz Europa mit Ausnahme des Südens und des Alpengebietes. Sehr häufig iſt er in den Haffen und Schären der öſtlichen Oſtſee; auch in brackiſchen Buchten der weſt— lichen Oſtſee kommt er vor Er nährt ſich von kleineren Thieren aller Art, welche er ſowohl am Grunde wie in den höheren Waſſerſchichten aufſucht. Im Winter zieht er ſich in tieferes Waſſer zurück. Schon bei einer Größe von 10 em kann er laichreif ſein; die Laichzeit fällt in den Mai und Juni. Er ſucht dann in großen Scharen ſeichte, pflanzenbewachſene Uferſtellen auf und legt hier etwa 100.000 klare, faſt 2mm große Eier unter ſo lebhaftem Geplätſcher ab, daſs man die Laichplätze oft ſchon aus weiter Entfernung ſehen kaun. Er iſt dabei jo eifrig, daſs man ihn ſelbſt mit der Hand leicht greifen kann. Gefangen wird er mit Netzen aller Art, namentlich im Winter unter dem Eiſe oft in großer Menge. Geangelt wird er mit einem Wurm oder Teigköder. Sein grätenreiches Fleiſch iſt wenig geachtet und wird meiſt nur von der ärmeren Bevölkerung gegeſſen. In Oſt— und Weſtpreußen bildet er, in Tonnen verpackt, einen nicht unbedeutenden Ausfuhrartikel nach Polen. Wichtiger iſt der Gieben als Futterfiſch für Sander und Forellen. Hcke. Gieſe, adj., ſ. v. w. gelt, ſ. d., ſelten. „Gelde oder gieſe Ricke.“ D. a. d. Winkell, Hb. f. Jäger, 1820, I., p. 413. E. v. D. 425 Gieſter, ſ. Gieben. Hcke. Gießen der Einzelgeſchoſſe (Kugeln) ge— ſchieht in zangenartigen Guſs- oder Kugelformen (1. leßtere). Das zu den Geſchoſſen verwendete Blei, erforderlichenfalls mit einem Zuſatz von Zinn oder Antimon verſehen (ſ. Hartblei), wird über einem offenen Feuer in einem größeren eiſernen (Guſs-) Löffel geſchmolzen und dünn— flüſſig, aber nicht rothglühend erhalten; die auf der Oberfläche ſich bildende Oxydhaut, die jog. Bleiaſche, wird durch eine Schicht Aſche o. dgl. beſchränkt und kann durch Aufwerfen von Talg oder Pech beſeitigt werden. Die Form wird gut getrocknet, vor dem Gießen im Innern zweck— mäßigerweiſe mit einer Rußhaut (Überhalten über eine Talgkerze oder Pechfackel) überzogen, um das Anhaften des Bleis zu verhüten; dann vor dem eigentlichen Gießen durch 3—4maliges Vollgießen angewärmt; bei zu ſtarker Erhitzung wieder abgekühlt. Zum Gießen wird — unter Zurückſchieben der Bleiaſche — das reine Blei mittelſt eines kleineren, mit einem Ausguſs ver— ſehenen Löffels ausgeſchöpft und in genügend dickem Strahl, ohne abzuſetzen, in die Form ge— goſſen, jo dass letztere ſich vollkommen füllt, bevor das Blei erfaltet iſt; hiebei die Form leicht aufſtoßen, damit das Blei ſich ſetzt und Gruben (Gallen) vermieden werden. Das ge— ſchmolzene Metall muſs, wenn es eine Legierung iſt, zuweilen umgerührt werden, um eine Schei- dung der Beſtandtheile zu verhindern. Das aus der Form entfernte Geſchoſs wird von dem durch das Gußsloch entſtehenden jog. Kugelhals oder Angufs befreit: Abſchneiden mit einer Zange, für welche zuweilen die Kugel— form ſelbſt entſprechend eingerichtet iſt; die Guſs— naht mufs erforderlichenfalls durch Beſchneiden beputzt werden; die Geſchoſſe mit rauher Ober— fläche oder mit Gallen und Höhlungen werden umgegoſſen. Nach Beendigung des Gießens wird in der Regel ein Geſchoſs in der Form belaſſen, damit letztere beim Abkühlen ſich nicht verzieht und damit bei mehreren in der Regel nur wenig von einander abweichenden Formen jeder Zweifel über die Zugehörigkeit von Form und Geſchoſs ausgeſchloſſen bleibt. Gepreſste Geſchoſſe ſind den gegoſſenen vor— zuziehen, indes können gegoſſene Langgeſchoſſe mit glatter Oberfläche (ohne Reifelungen) durch Hineinſchlagen des Geſchoſſes in eine entſpre— chende Stahlform mittelſt eines Stempels auf den Boden verdichtet und damit den gepreſsten annähernd gleich gemacht werden. Über Gießen der Schrote j. letztere. Th. Gießner-Säge, ſ. Werkzeuge. Fr. Gievchen, ſ. Ellritze. Hcke. Gift. Die wichtigſten Beſtimmungen über Gift enthält das Gef. v. 30./ 4. 1870, R. G. Bl. Nr. 68 und die Min. Vdg. v. 21/4. 1876, R. G. Bl. Nr. 60. Letztere enthält die Aufzählung der wich— tigſten Gifte, ferner die Vorſchriften über Ver— ſchleiß, Aufbewahrung und Bezug von Gift. Die Bewilligung zum Bezug von Gift ertheilt die Bezirkshauptmannſchaft, in deren Bezirk der Be— zugswerber wohnt; dieſelbe hat erforderlichen— falls den betreffenden Gemeindevorſtand vorher einzuvernehmen und denſelben von der Bewilli— 426 gung jedenfalls zu verſtändigen. Die Bewilligung erfolgt entweder durch Bezugsſchein, oder wenn eine Perſon „zum Betriebe ihres Gewerbes oder ihrer Beſchäftigung regelmäßig Gift braucht“, durch Bezugslicenz (auf höchſtens drei Jahre]; dieſe Scheine ſind ſtempelfrei. Die Behörde hat Datum, Benennung und Menge des Giftes zu bezeichnen und der Bezugswerber ſeine Unter— ſchrift beizuſetzen. Die Scheine ſind ſorgfältig gegen Miſsbrauch zu ſchützen. Im Kleinverkehre iſt Gift nur wohlverwahrt und verſiegelt abzu— geben. Käufer darf mit dem Kaufe nur ſolche Perſonen betrauen, bei welchen weder Miſs— brauch noch unvorſichtiges Gebaren zu befürchten iſt. Gefäße und Pakete ſind augenfällig mit „Gift“ zu bezeichnen oder mit dem üblichen Todtenkopfe. Übertretungen dieſer Vorſchriften ſind (nach der Min. Vdg. v. 30.79.1859, R. G. Bl. Nr. 198) zu beſtrafen mit 1— 100 fl. oder bei Zahlungsunfähigkeit Arreſt von 6 Stunden bis 14 Tagen. Bezugsvorſchriften für Oberöſterreich Kundm. d. Statth. v. 5./ S. 1876, L. G. Bl. Nr. 23, für Kärnthen Dog. d. Statth. v. 13./5. 1876, L. G. Bl. Nr. 15 und 19, vom 16./6. 1876, L. G. Bl. Nr. 19, Tirol Statth.- Vdg. v. 29./5. 1876, 8. 6718, für Steier⸗ mark Bdg. d. Statth. v. 20./7. 1885, L. G. Bl. Nr. 14. (Auslegen von Gift auf Speck, andere Fette und geröſtete friſche Organtheile unter— jagt. Auslegen von Gift gegen Raubthiere muſs der Bezugsberechtigte eigenhändig oder unter ſeiner unmittelbaren Aufſicht vornehmen, ab— ſeits von menſchlichen Wohnungen, an der Rayonsgrenze Warnungstafeln), ſ. a. Fuchs, Fiſcherei, Vogelſchutz und Aſung. Mcht. Gimpel, mitteleuropäiſcher, Pyrrhula europaea Vieill.; Pyrrhula, Briss., Orn. III., p. 308 (4760); Pyrrhula nigra, Briss., ibidem, p. 313 (1760); Pyrrhula candida, idem, ibidem, p. 313; Loxia pyrrhula Lath., Ind. Orn. I., p. 387 (1790); Fringilla pyrrhula, (Lath.) Temm., Man. d’Orn., p. 200 (1815): Pyrrhula europaea. Vieill. Nouv. Diet. IV, p. 286 (1816); Pyrrhula rufa, Koch, Bayer. Zool. I, p. 227 (1816); Pyrrhula vulgaris, Temm. Man. d'Orn., I., p. 338 ( 820); Pyrrhula germanica, C. L. Brehm, Vögel Deutſchl., p. 252 (1831); Pyrrhula peregrina C. L. Brehm, ibidem, p. 233 (1831): Pyrrhula pileata, Maegill., Hist. Brit. Birds, I., p. 407 (1837). Abbildungen: 1. Vogel: Naumann, Vögel Deutſchl., T. 111 Dreſſer, Birds of Europe, IV., p. 199. — 2. Eier: Bädecker, Die Eier der europäiſchen Vögel, T. 20 Nr. 7; Thienemann, Abbildungen von Vogeleiern, T. XXXVI, 3a bis e; Seebohm, A History of british Birds, II., pl. 12. Rothbrüſtiger, ſchwarzköpſiger, gemeiner Gimpel, Rothgimpel, Blutfink, Rothfink, Roth— ſchläger, Rothſchlegel, Rothvogel, Dompfaffe, Domherr, Dompaap, Thumpfaff, Thumherr, Pfäffchen, Goldfink, Lohfink, Laufink, Laubfink, Quietſch⸗ oder Quetſchfink, Fühte, Gump, Gumpf, Gieker, Günzer, Gucker, Kicker, Lie— bich, Luch, Luff, Luh, Hahle, Hoylan, Schwiel, Schwingel, Bollenbeißer, Pollenbeißer, Brom- meiß, rothbrüſtiger, oder gelehriger Kernbeißer. Gimpel, mitteleuropäiſcher. 11 9 Böhm.: Hyl stehovavy; engl.: Common bullfinch; frz.: Bouvreuil commun; gäl.: Cor- can-coille, Deargan-fraoich; holl.: Goudvink; ital.: Cisolotto, Monachino, Ciuffolotto, Cifo- lot, Piouvana, Pappagal d’mountagna, Bo- tareu, Teup, Canönich, Ciffulöt, Zifolot, Su- biot, Gemön, Cifulott, Söbiot, Sübiot, Sifulott, Zufflöt, Fringuèl maren, Stuflot, Seifulot, Zuflot, Gemoun, Giumon, Kimpel, Siolonzo, Zionzolo, Ziolonzolo, Finco subioto, Subioto, Meneghin, Zufolo, Zufolotto, Sivilott, Sub- biotto, Gimpel, Chimpem, Ziffolom, Ghimpel, Ghimpelo, Zifolon, Fifolom, Sigolot, Zifolot, Chinsoun marin, Pivouana, Sciguun, Becetto, Monachino, Fringuello marino, Borgognone, Monachella, Cazzamendule, Passeru ameri- canu, Pirrü-pirrü, Durraisa hamra; froat.: Mala zimovka; portug.: Cardeal, Tentilhäo da India, Dom Fafe, Pisco chilreiro; jpan.: Camachuelo, Monaguin, Pinsa burrun&, Der kleine oder mitteleuropäiſche Gimpel iſt ein Vogel Central- und Weſteuropas, er findet ſich in England, Frankreich, Nordſpanien und Nordportugal, Holland, Belgien, Deutſch— land, Schweiz, Norditalien und Oſterreich. Die bei weitem größte Mehrzahl ſind Stand- oder Strichvögel, indem ſie im Winter nach Nah- rung umherſtreifen und z. B. aus den Bergen in die Ebene kommen. Einige ſcheinen im Winter auch nach dem Süden zu ziehen; ſo wurden ſolche Wintervögel in Süditalien und Malta beobachtet, ebenſo im mittleren und ſüd— lichen Spanien. Totallänge 15˙9 cm Flügelläunnee 8˙0 Schwanzlängne 7 Tarſu s 2 1570 Schnabel! 4:07, (&. 8. October 1880. Altenkirchen.) Der Schnabel iſt kurz und dick, der Ober— ſchnabel breit, kuppelförmig gewölbt, nach vorn in eine ſchlanke, kurze, mit nach innen con⸗ caven Seitencontonren verſehene Spitze auslau⸗ fend, der Unterſchnabel ebenfalls gewölbt, in ähnlicher Weiſe wie der Oberſchnabel ſpitz zu- laufend, von dieſem überragt und an den Seiten umſchloſſen. Der Unterkiefer ſehr flach und weit, nahezu einen Halbkreis bildend, mit einem Radius von 3 mm. Die Flügel ſind ſtumpf zugeſpitzt, die 2., 3., 4. und 5. Schwinge bilden die Flügelſpitze und ſind, wie auch die 6. an der Außenfahne bogig eingeſchnürt, 22314 1232 6. >N> IE bis über die Mitte des Schwanzes hinab, erreichen faſt die oberen Schwanzdeckfedern. Der Schwanz iſt mittellang und ziemlich gleichmäßig abge— ſtutzt, die Mittelfedern höchſtens 2 mm kürzer als die äußeren. Die Läufe kurz und kräftig. Altes Männchen. Oberſeite: blau⸗ ſchwarzer Kopf und Nacken, grauer Rücken, weißes Bürzel, glänzend blauſchwarze Schwanz— federn und obere Schwanzdeckfedern. Schwingen ſchwarzbraun, die Hinterſchwingen glänzend blauſchwarz angeflogen, die letzte Hinterſchwinge mit ſchmutzig weinrother Außenfahne, die 2., 3. und 4. Schwinge mit ſchmalem, weißem Saum unterhalb der Einſchnürung. Die großen obe- ren Flügeldeckfedern glänzend blauſchwarz mit Gimpel. 427 breitem, weißem Endflecke, eine deutliche weiße Flügelbinde bildend, grau, die am Buge und über den Handfedern dunkelbraungrau. Unterſeite: Kinn ſchwarz, Kehle, Hals bis zum Bauche hin weinroth, Bauch weiß— lich, Schwanz braunſchwarz, Schwingen dunkel- braun mit helleren, weißgrauen Säumen an der Innenfahne. Unterflügel und Afterfedern weiß. An den Kopfſeiten ſchwarz an den Wangen bis hinter das Auge hin, am Halſe die Seiten weinroth. (Nach dem alten Männchen, oben gemeſſen, aus Altenkirchen vom 8. October 1880.) Das alte Weibchen zeigt auf dem Rücken überall da, wo das Männchen grau iſt, ein Braungrau, das nach dem ſchwarzen Nacken hinauf in ein reineres Grau übergeht, und auf der Unterſeite, wo das 6 weinroth war, ein roſtbraunes Grau mit etwas Anflug von Wein— farbe. Der rothe Fleck auf der letzten Hinter— ſchwinge iſt vorhanden, aber matter. (Nach einem alten Weibchen vom 8. 1880 von Altenkirchen.) Die jungen Vögel vor der erſten Mauſer haben weder eine ſchwarze Kopfplatte, noch Roth auf der Unterſeite, die ganze Oberſeite bis zu dem weißen Bürzel hinab iſt ſchmutzig-grau— braun, die helle Flügelbinde iſt angedeutet durch bräunlichweiße Flecke, der rothe Fleck der Hinter— ſchwinge fehlt. Die Unterſeite iſt roſtbraun, auf der Bruſt am dunkelſten. (Nach zwei jungen Männchen aus Alten— kirchen vom 29. Auguſt 1880.) Der Schnabel iſt bei den alten Männchen hornſchwarz, bei den alten Weibchen etwas heller hornbraun, bei den Jungen, namentlich am Unterkiefer, noch heller. Die Iris iſt dunkel— braun, das Auge hat einen Durchmeſſer von 4 mm. Die Läufe, Zehen und Krallen ſind dunkelbraun, bei den Jungen hellbräunlich. (Außer den genannten Exemplaren benützt drei alte Männchen aus Altenkirchen vom 3., 3. und 13. April 1882, zwei alte Weibchen ebendaher vom 5. und 13. April und eines aus Weſtfalen 1878.) Das Gelege beſteht in der Regel aus 4—5 Eiern. Dieſelben ſind von kurzovaler Form, Längs— durchmeſſer durchſchnittlich 18°5 mm, Querdurch— meſſer 14˙7 mm, Dopphöhe 87 mm. Auf licht— grünlich-bläulichweißem Grunde ſind dieſelben am ſtumpfen Ende mit zahlreichen tieferliegen— den, blaſſen, bräunlichgrauen und licht-röthlich— bräunlichen Flecken und mit vereinzelten, dunkel— rothbraunen, oberflächlichen, punkt- und kritzel— förmigen Flecken verſehen. Der größere Theil des Eies, nach dem ſpitzen Ende zu gelegen, iſt häufig ganz frei von Fleckung. Die Schale iſt faſt glanzlos gegen das Licht grünlich⸗bläu⸗ lich⸗weiß durchſcheinend, das Korn außeror⸗ dentlich fein, die Poren ſehr zahlreich. (Nach zwei Eiern aus der Sammlung Hol— landt und zwei Eiern aus der Sammlung Blaſius.) Die Dompfaffen brüten namentlich in den Wäldern der Gebirge, niemals in den dichten October die übrigen Deckfedern Waldungen, ſondern an kleinen, offenen Stellen, alten, nicht mehr begangenen Waldwegen, in mehrjährigen Laubwaldſchlägen mit Anflug von jungem Nadelholz. Das Neſt ſteht immer auf Bäumen oder Büſchen, im Laub- und Nadel— holze, zuweilen kaum über Mannshöhe, zu— weilen bis 6m vom Boden entfernt. Das Neſt beſteht aus einer Unterlage von trockenen Fich— ten- oder Birkenreiſern, darauf liegen Blätter, Gras, Flechten, Moos, das Innere iſt mit Haaren, Wolle oder feinen Würzelchen ſorg— fältig ausgepolſtert. Das Weibchen brütet die Eier in 14 Tagen allein aus, wird dabei vom Männchen gefüt— tert, ſitzt ſehr feſt auf und vertheidigt die Jungen gegen kleinere Feinde ſelbſt mit eigener Lebens— gefahr. Die Jungen mit ihren ſchwarzgrauen Dunen und unförmlich dicken Schnäbeln ſehen anfangs ſehr komiſch aus; ſelbſt nach dem Aus— fliegen werden ſie noch lange von den Alten ge— füttert. Der Dompfaff iſt alles eher als das, was man bei Menſchen einen „Gimpel“, einfältigen Thoren nennt, er iſt ſanft und gutmüthig und wohl unvorſichtig, indem er ſich durch Anlocken leicht fangen und ſchießen läſst; aber er iſt durchaus nicht dumm. Merkt er, dafs man ihn verfolgt, ſo iſt er ſehr ſcheu, ſonſt läſst er ſich leicht auch draußen im Walde nahekommen. Auf der Erde bewegt er ſich ziemlich ſchwerfällig, iſt dafür aber, wenn er in den Zweigen der Bäume ſitzt und hüpft, ſehr geſchickt und elegant, hängt ſich auch häufig, wie die Zeiſige, umgekehrt an den Zweigen auf, um Samen und Knoſpen ab— zupflücken. Iſt er in recht luſtiger Stimmung, ruft er z. B ſeine Genoſſen, ſo wendet er den Bürzel und Schwanz bald nach links, bald nach rechts und läſst ſeinen Lockruf erſchallen. Sein Flug iſt ziemlich ſchnell mit abwech— ſelnd angezogenen und ausgeſtreckten Flügeln, eine Wogenlinie bildend, ähnlich den Finken. Seine Lockſtimme iſt ein ſänft flötender, etwas melancholiſcher Ton — „Diu-diu“ — dem häufig noch ein ſanfteres „Büt, büt“ folgt Beide Geſchlechter ſingen in der freien Natur im wilden Zuſtande, das Männchen aber ſchöner als das Weibchen; der Geſang ſelbſt klingt ſehr leiſe und iſt nur in allernächſter Nähe des Vogels zu hören. Bechſtein bezeichnet ihn fol— gendermaßen: „Si, üt, üt, üt, üt, ſi, re, üt, üt, Vor, e e e, e ee e ee e e ee ee Dazwiſchen werden dann immer noch heiſere, 1 Töne, wie „Oretſchei Aahi“ einge— ſchaltet. Nicht blos zur Brutzeit, ſondern faſt das ganze Jahr hindurch, ſogar auch während der Mauſer, laſſen ſie ihren Geſang erſchallen. Seine vortrefflichſten Eigenſchaften ent— wickelt der Dompfaff als Stubenvogel; kein Vogel iſt wohl, außer dem Kanarienvogel, be— liebter in unſeren Käfigen als der Dompfaff. Zunächſt wird er ganz außerordentlich zahm, fliegt aus dem Bauer aus und ein, nimmt das Futter aus der Hand oder aus dem Munde, ſchließt und öffnet den Schnabel auf Com— mando, macht ſeine Verbeugungen, iſt mit ſei— nem Herrn traurig oder vergnügt, kurz. er ge— wöhnt ſich ganz und gar an ſeine menſchliche Geſellſchaft. — 1 E Geradezu einzig ſteht er da in der Fähig— keit, Lieder und kurze Melodien nachzupfeifen, indem er die ihm vorgepfiffenen Melodien mit ſchönem, ſanftem, rundem Ton nachpfeift. Je reiner und ſchöner ihm die Melodien vorge— pfiffen werden, deſto ſchöner erlernt er ſie. Am beſten iſt es, wenn die Jungen aus dem Neſte genommen und aufgefüttert werden. Dann wird ihnen unermüdlich dieſelbe Melodie vorgepfiffen, am beſten mit dem me iſchlichen Munde; nach Flöten oder gar nach Drehorgeln lernen ſie es nicht ſo ſchön; alle andere Muſik und kreiſchende andere Töne dürfen ihm dabei nicht vor die Ohren kommen. Viele hunderte von Dom— pfaffen werden ſo jedes Jahr auf dem Harze und Thüringerwalde einſtudiert und ſpäter, wenn ſie gelernt haben, eine oder mehrere Me— lodien zu pfeifen, zu hohen Preiſen an Lieb— haber verkauft. Berlin, Warſchau, Petersburg, Amsterdam, London, Wien, New-York werden von zahlreichen Vogelhändlern mit pfeifenden Dom— pfaffen verſorgt, die aus den Waldgebirgen Deutſchlands ſtammen. Er nährt ſich von allerlei Sämereien, Baumſamen, Beerenkernen und Baumknoſpen. Von den Beeren verzehren ſie nur die Kerne, das Fleiſch laſſen ſie, wie die Kernbeißer, herab— fallen. Im Frühjahr gehen ſie häufig auch in den Gärten an die Blatt- und Blütenknoſpen der Birn- und Apfelbäume. Durch die ſchöne leuchtende rothe Farbe ſeines Gefieders wird er leicht zur Beute der Sperber und Falken; die Brut wird von dem vierfüßigen Raubzeuge, wie Mardern, Wieſeln, Katzen, aber auch von Eichhörnchen und Haſel— mäuſen vielfach zerſtört, ebenſo ſind Krähen und Heher arge Feinde. Fangen laſſen ſich die Dompfaffen ſehr leicht durch Anlocken mit Nachahmung des Lockrufes und mit Lockvögeln auf Leimruthen, Sprenkeln, Vogelherden, Meiſenhütten u. ſ. w. Sehr viele fangen ſich unbeabſichtigter Weiſe in den Doh— nen, da ſie die Ebereſchenbeeren ſehr gerne freſſen. Als reizenden angenehmen Stubenvogel kann man den Dompfaffen nur als für die Unterhaltung des Menſchen ſehr nützlich be— trachten; ſchädlich kann er werden im Frühjahre durch Abbeißen der Obſtbaumknoſpen und un— bequem iſt er dem Jäger durch Abfreſſen der Quitzern. Manche, die ſich fangen, bieten durch ihren bitteren Fleiſchgeſchmack keinen angenehmen Ge— nuſs für einen Feinſchmecker, der ſich an die ſchönen Krammetsvogelmahlzeiten gewöhnt hat. R. Bl. Gimpel, nordiſcher, Pyrrhula major Chr. L. Brehm. Loxia pyrrhula, Linn., Syst. Nat., p. 300 (1766); Pyrrhula rubicilla, Pall., Zoograph. Rosso-Asiat. II., p. 7 (A811); Frin- Zilla pyrrhula (L.), Meyer, Vögel Liv- und Eſthl., p. 81 (1815): Pyrrhula major, Chr. L. Brehm, Vögel Deutſchl., p. 232 (1831): Pyr- rhula coceinea, De Selys, Faune Belge, p. 79 (1842). Abbildungen: 1. Vogel. Sundevall, Svensk. Fogl. pl. 11, Fig. 4 und 3; Kjaer⸗ bölling, Orn. Dan., T. 28; Dreſſer, Birds Gimpel. of Europe IV., pl. 198. — 2. Eier. Mög⸗ licherweiſe ſind im Bädecker und Thiene— mann, die beide die größere und kleinere Form nicht unterſchieden haben, auf den unter Pyrrhula europaea angegebenen Tafeln die größeren Dompfaffeneier zu dieſer Form ge— hörig. Großer Dompfaff, nordiſcher Dompfaff, Gump. Böhm.: Hyl obeeny; dän.: Dompap; engl.: Northern bullfinch; eſth.: Pabo, Tumpap; finn.: Punatulkku-Leivonen; ital.: Ciuffolotto mag- giore; kroat.: Velika zimovka; lett.: Swah- pulis, Sinniges, Swilpis; norweg.: Dompap; poln.: Gil wlaseiwy (odmiana) wielki; ruſſ.: Snigir, Krasnosobtschik, Schulau; ſchwed.: Domherre; ungar.: süvöltö Pirök. Der nordiſche Gimpel iſt Brutvogel in Skandinavien, Ruſsland, im Kaukaſus, Central- aſien, den ruſſiſchen Oſtſeeprovinzen und Oſt— preußen. Viele bleiben im Winter an ihren Standquartieren; die meiſten wandern aber wohl nach Weſten und Süden; ſo wurden ſie im Winter beobachtet auf der Balkanhalbinſel in Macedonien und Griechenland, in Däne— mark, in Deutſchland, Steiermark, Belgien, Holland, Frankreich, Italien und einzeln auch in England. Totallänge 175 em Flügellängne .. 95 Schwanzlänge 74 Tariıs s 178 Schnabel 08 (ch alt aus Katon-Karagai, November 1881). In dem plaſtiſchen Verhältnis gleicht er ſehr dem europäiſchen Gimpel, iſt nur in allen Dimenſionen etwas größer. Altes Männchen gleicht dem Männchen von P. europaea, nur iſt das Roth auf der Unterſeite und an den Kopfſeiten viel leuch⸗ tender heller weinroth bei dem oben gemej- ſenen Exemplare aus Katon-Karagai, etwas leuchtender dunkler weinroth bei 2 Exemplaren aus Tiflis vom 13. Februar 1882 und Tſchu⸗ dankel vom 13. Juni 1880. Altes Weibchen ganz ähnlich dem alten Weibchen von P. europaea, nur tritt bei einem mir vorliegenden Exemplare aus Moskau vom 8. November im weinröthlichen Anflug das Grau der Unterſeite etwas deutlicher hervor. Bei einigen Weibchen und jungen Vögeln, ſowohl der großen wie der kleinen Form, zeigt ſich auf der Innenfahne dicht am Schafte wohl Jem von der Spitze entfernt ein ca. 1½ em langer, 1¼ mm breiter, grauweißer Streifen⸗ fleck; auch bei einzelnen Männchen der kleinen Form finde ich ihn angedeutet. Außer den genannten Exemplaren wurden noch ein Halbalbino-Weibchen vom 27. Novem⸗ ber aus Moskau benützt mit grauer Kehle und ſchwarz und weiß geſcheckter Kopfplatte und Nacken und hellbräunlichen Füßen. Übrigens ſind auch die Färbungen des Schnabels und der Füße dieſelben wie bei dem kleinen Gimpel. Auch die Eier ſind in Form und Zeich nung denen des europäiſchen Gimpels ähnlich; nur ſind ſie in den Dimenſionen größer, der 0 a u. * Gingko biloba. Längsdurchmeſſer im Durchſchnitt 21˙0 mm, der Querdurchmeſſer 15°3 mm, die Dopphöhe 9˙3 mm. In ſeiner Lebensweiſe, Fortpflanzung u. ſ. w. gleicht er im ganzen ſeinem mitteleuro— päiſchen Verwandten, nur ſcheint er nach Collett's Angaben z. B. in Norwegen nur ein— mal zu brüten. Was ſeinen Lockton anbetrifft, ſo berichtet Schacht, daſs derſelbe von dem des kleinen mitteleuropäiſchen Gimpels verſchieden ſei. Sachſe erzählt auf Grund von Mittheilun— gen ruſſiſcher Beobachter, dass er durchaus nicht im Stande ſei, in ähnlicher Weiſe wie ſein kleinerer Verwandter Melodien nachzupfeifen. R. Bl Gingko biloba L. (Salisburia adianthifolia Smith.), Gingkobaum (Fig. 388). Ein zur Familie Fig. 388. Gingko biloba, Gingkobaum. der Blatteiben (Phyllocladeae) aus der Ord— nung der Eibengewächſe (Taxineae) gehörender, in China und Japan heimiſcher ſommergrüner Baum, der ſich in Parken als Ziergehölz an— gepflanzt ſindet und noch in Mitteldeutſchland im Freien gedeiht. In ſeiner Heimat wird der— ſelbe wegen ſeiner ölreichen wohlſchmeckenden Samenkerne allgemein als Obſtbaum cultiviert. 429 Auch in Oſterreich und ſelbſt Süddeutſchland werden ſeine Früchte (richtiger Samen) noch reif, und da auch ſein röthlichgelbes Holz ein gutes Möbelholz iſt, ſo verdiente er vielleicht ſogar als Forſtbaum in warmen Lagen der genannten Länder angepflanzt zu werden. Der Gingko iſt deshalb eine ſehr intereſſante Holz— art, weil er, obwohl ein gymnoſpermes und den Nadelhölzern zunächſt verwandtes Gewächs, das Anſehen und die Eigenſchaften eines Laub— holzes beſitzt, indem ſeine wechſel- und büſchel— ſtändigen langgeſtielten Blätter eine breite fä— cherförmige zweilappige Spreite haben und im Herbſt, nachdem ſie gelb geworden, abfallen. Dieſelben ſind von vielen parallelen gabelthei— ligen Nerven durchzogen. Der Gingko, welcher in China und Japan zu einem Baum erſter Größe erwächst, iſt zweihäuſig und blüht im ER Frühlinge zur Zeit des Laubausbruches. Die männlichen Blüten bilden geſtielte achſelſtändige Kätzchen, die weiblichen, aus einer von einer napfförmigen Scheibe umgebenen Samenknoſpe beſtehend, ſitzen einzeln auf achſelſtändigen ein— fachen oder verzweigten Stielen. Die Samen ſind oval, zuſammengedrückt, 2 em lang und Umm dick, von einer gelbgrünen, oben offenen 1 1 „ 1 9 1 430 Ginſter. — Gips. Fleiſchhülle (der vergrößerten Napfſcheibe) um— geben und deshalb von ſteinfruchtartigem An— ſehen. Der darin ſteckende eigentliche Same iſt hartſchalig, bräunlichweiß. Wm. Ginſter, j. Genista. Wm. Gipfel (Oſterreich) von Fichten- und Tannenbäumen als Schenkenzeiger dürfen nach Vdg. v. 17/12. 1751 und Bog. der krainiſchen Landeshauptmannſchaft v. 30./6. 1792 nicht verwendet werden (ſ. Baumgipfel). Das Ab— hauen, Abſchneiden und Abreißen von Gipfeln, Aſten und Zweigen bildet, wenn nicht das Strafgeſetz Anwendung findet, einen Forſtfrevel (ſ. d.). Erſatzbetrag dafür iſt nach dem Wald— ſchadenerſatztarif, gleichgiltig ob an den Gipfeln und Aſten Laub oder Nadeln ſich befinden oder nicht, der Preis, welcher der Sorte und dem doppelten Kubikinhalte des gefrevelten Holzes entſpricht. Laſſen dieſe Beſchädigungen allge— meines Zurückbleiben im Holzzuwachſe der ver— wendeten Stämme befürchten, ſo ſind die Erſatz— beträge 1½ fach, wenn das Abſterben der Stämme beſorgt wird, doppelt zu bezahlen. Durch die Kundm. der Landesregierung für Krain v. 3./5. 1883, Z. 2702, L. G. Bl. Nr. 12, wird auf⸗ merkſam gemacht, dafs das Sammeln von Gipfeltriebknoſpen von noch nicht ſchlagbaren Föhren zu Handelszwecken zur allgemeinen Waldverwüſtung führt und daher verboten iſt (ſ. Verwüſtung). Mcht. Gipfeldürre oder Zopftrocknis iſt eine bekannte Erkrankungsform der Waldbäume, die wohl auch im Gefolge anderer Krankheiten, durch welche die Ernährung eines Baumes Schaden leidet, auftreten kann, die aber in der Regel als Folge einer Bodenverſchlechterung und damit bedingten Verminderung der Waſſer— und Nährſtoffzufuhr zu den Wurzeln des Bau— mes aufzufaſſen iſt. Der unter bisher günſtigeren äußeren Verhältniſſen erwachſene Baum wird unter gewiſſen Umſtänden nicht mehr mit ſo viel Waſſer und Nährſtoffen aus dem Boden verſorgt, daſs die ganze Baumkrone ernährt werden kann, vielmehr die oberſte, als der der Nahrquelle entfernteſte Theil verhungert. Eine ſehr häufige Urſache einer ſolchen Bodenver— ſchlechterung iſt das Streurechen, zumal wenn dieſes ſchon im frühen Lebensalter der Beſtände beginnt und oft wiederholt wird. Zunächſt äußert ſie ſich in einer allgemeinen Wuchsver— ſchlechterung, jpäter in einem Vertrocknen der Gipfelzweige, während der untere Theil der Baumkrone nothdürftig das Leben friſtet. In Erlenbeſtänden hat eine übertriebene Entwäſſe— rung des Bodens, begleitet mit einem Sinken der Bodenoberfläche, ähnliche Erſcheinungen des Abſterbens zur Folge gehabt. Am häufigſten aber wird ſie an Eichenüberhältern beobachtet, welche, im Schluſſe eines Beſtandes erwachſen, nur mit ſchwachen Kronen begabt, nach der Freiſtellung eine große Menge von ſchlafenden Augen zu Stammſproſſen entwickeln. Dieſe und die alte Baumkrone gedeihen einige Jahre vor— trefflich, ſo lange nämlich die geſteigerte Boden— thätigkeit den Vorrath an Nährſtoffen der Wurzel des Baumes in reicher Menge zuführt. Die geſteigerte Nährſtoffzufuhr, vereint mit der geſteigerten Lichtwirkung auf die Krone, veran— laſst eine bedeutende Zuwachsſteigerung, den ſog. Lichtſtandszuwachs. Es werden auch die ſchlafenden Blattachſelknoſpen kräftig ernährt, treiben aus und bilden oft bis tief unten am Stamme reichliche Ausſchläge. Früher oder ſpäter iſt der Humusvorrath des bloßgeſtellten Bodens verzehrt. Die oberen Bodenſchichten leiden durch die Freilage auch dadurch, dafs fie im Sommer tiefer austrocknen, und zumal auf leichteren Böden folgen den Jahren der geſtei— gerten Nährſtoffzufuhr bald die mageren Jahre. Der „verwilderte“ Boden bietet den Wurzeln weniger Waſſer und Nährſtoffe als vor der Freiſtellung des Beſtandes und dieſe an ſich geringe Nährſtoff- und Waſſerzufuhr wird von den Ausſchlägen am Schafte zuerſt in An— ſpruch genommen. Bis zur Krone gelangen nicht mehr genügende Waſſermengen, um den nöthigen Bedarf zu decken, der Gipfel ſtirbt ab. Verbeſſert ſich der Boden mit dem Heranwachſen eines jungen Beſtandes wieder, dann kann ſich mit der Steigerung der Nährſtoffzufuhr die Krone wieder erholen, wenn ſie nicht ſchon all— zuſehr beſchädigt war. Bäume, die vor der Freiſtellung ſchon eine kräftige Krone beſaßen, entwickeln wenige oder keine Waſſerreiſer und bleiben frei von Gipfeldürre, weil in den erſten Jahren nach der Freiſtellung die Krone für ſich allein imſtande iſt, durch kräftigere Entwicklung die Mehrzufuhr an Nährſtoffen zu verarbeiten. Es entſtehen keine Waſſerreiſer und dieſe können deshalb in den Jahren der Noth auch nicht die Krone beeinträchtigen. Letztere geht wohl etwas im Wuchſe zurück, ohne aber Aſte durch Ver— trocknen einzubüßen. Wird der Boden nach der Freiſtellung gar nicht bloßgelegt, indem etwa ſchon zuvor eine natürliche Verjüngung ausgeführt oder anderweitig für Bodenſchutzholz geſorgt wurde, dann pflegt auch überhaupt keine Gipfeldürre einzutreten, da eine Bodenverwilderung nicht eintritt. Das natürliche Verhütungsmittel dieſer Krankheit liegt alſo in der Pflege des Bodens und in der Erhaltung ſeiner Kraft. Hg. Gips kryſtalliſiert im monoclinen Syſtem. Häufig iſt die Combination o P. o P O. — P, auch mit P. Die Kryſtallflächen ſind mitunter conver, wo— durch linſenförmige Kryſtallgeſtalten entſtehen. Recht häufig find Zwillinge, deren Zuſammen— ſetzungsfläche das Orthopinakoid iſt. Nicht ſelten ſind ſehr ſchöne Kryſtalle, öfters auch ſehr große (Marienhöhle bei Reinhardsbrunn); ſie finden ſich aufgewachſen und zu Druſen ver— bunden oder eingewachſen, dabei häufig in ſternförmigen, roſettenförmigen und kugeligen Gruppierungen. Auch in blättrigen, ſtengeligen, faſerigen und körnigen Aggregaten tritt Gips auf, ebenſo dicht und erdig. Der durchſichtige kryſtalliſierte Gips heißt Fraueneis oder Marien— glas; der körnig zuſammengereihte, durchſchei— nende Alabaſter; der locker ſchuppigkörnige Schaumgips; der faſerige Faſergips. Der derbe Gips (Gipsſtein) iſt eine verbreitete Gebirgs- art. Die Härte iſt = 1.5—2, das ſpecifiſche Gewicht = Chemiſche Zuſammen⸗ ſetzung: CaSO, -+2H,0. Gips iſt in ca. 400 Thei⸗ len Waſſer löslich. Der Gips enthält dieſelben acceſſoriſchen Beimengungen wie der Anhydrit 2.2—2.4. Gips. — Girlitz. 431 (Kalkmagneſiacarbonat, Eiſenkies, Quarz, Stein— ſalz, Boracit, ferner mehr oder minder reich— liche, dunkelfärbende Beimengungen von thoni— ger oder bituminöſer Subſtanz), aus deſſen Umwandlung er hervorgegangen iſt. Bisweilen iſt er durch jecundäre Eiſenhydroxyde roth ge— färbt. Viele Gypſe enthalten noch gewiſſe Men— gen Anhydrit; es gibt eben alle möglichen Zwiſchenſtufen zwiſchen Anhydrit- und Gips— geſtein, wie man denn auch von einem Gips— anhydrit und Anhydritgips reden kann. Bei der völligen Umwandlung von Anhydrit in Gips findet unter der Vorausſetzung, daſs nichts in Löſung hinweggeführt wird, eine Volumvergrößerung von 27˙04% ſtatt. Aus dieſer Vergrößerung erklären ſich die mit dem Gips verbundenen und häufig zu beobachtenden mechaniſchen Schichtenſtörungen, die noch bedeu— tender werden, wenn der Gips theilweiſe durch Gewäſſer in Löſung fortgeführt wird; es kommt zur Bildung von Höhlen und Schlotten und andererſeits zum Auftreten von iſolierten Knol— len und Blöcken von Gips, z. B. in Thonen, Letten oder Mergeln, welche zum Theil die nicht löslichen Reſiduen der urſprünglichen Gipsgeſteine darſtellen. Der Gips kommt ſehr häufig und öfters in großen Maſſen vor. In bedeutender Erſtreckung (6 Meilen lang) be— gleitet z. B. eine Gipsmauer den ganzen Süd— rand des Harzes von Oſterode bis Sanger— hauſen. Andere Fundorte noch zu nennen, würde zu weit führen. v. O. Gips iſt waſſerhaltiger ſchwefelſaurer Talk, der durch das Brennen ſeinen Waſſergehalt ver— liert und hiedurch die Eigenſchaft erhält, ſchnell zu verhärten, wobei er an ſeinem Volumen zunimmt. Der Gips iſt ein vorzügliches Binde— mittel, darf aber nur in Räumen verwendet werden, wo er dem Einfluſs der Witterung entrückt iſt. Der Gips kommt in Pulverform in den Handel und iſt um ſo beſſer, je feiner ſein Korn und je weißer ſeine Farbe iſt. Ohne jede Beimiſchung findet er nur bei Stuccatur— arbeiten, Abgüſſen, Zimmerverputz u. ſ. w. An⸗ wendung, während er ſonſt mit Kalk, Sand und Ziegelmehl vermengt und als gewöhnlicher Mörtel benützt wird. Gipsmörtel verhärtet ſehr ſchnell und muſs nach ſeiner Zubereitung ſo— fort verwendet werden (j. Gipsmörtel). Fr. Gipsmörtel. Ein Theil ſtark gebrannter und grob gemahlener Gips gibt 75%, Gips— mörtel, der bei den unterſchiedlichen Verputz⸗ arbeiten dem gewöhnlichen Kalkmörtel beige— mengt wird. Man kann das Erfordernis per Quadratmeter folgendermaßen veranſchlagen: 1.5 em ſtarker Verputz an verrohrten Wänden oder Decken erfordert bei ſchwachem Zuſatz 131, bei ſtarkem 31 Gipsmörtel. Ein glatter Façadenverputz 131, mit leichten Fugen 21, mit laufenden Quadern 31, mit ſtarkem Quader— verputz 41 Gipsmörtel; eine Fenſtereinfaſſung erheiſcht 16—28 1 und 100 m Geſimsabdeckung, 1751 Gipsmörtel. Fr. Gipseſtrich wird aus Bodengips angefer— tigt, d. i. aus einem ſtark gebrannten und grob gemahlenen Gips. Der Gipseſtrich kann nur in vollkommen trockenen Räumen in der Stärke von 4 em und auf einer 2—3 cm dicken Sandſchichte als Unterlage in folgender Weiſe hergeſtellt werden. In dem Raume, wo der Gipseſtrich an— zubringen iſt, wird auf der geebneten Sand— unterlage in der Entfernung von Im von einer der Wände, damit der Arbeiter noch mit einem Streichholze bequem hinüberreichen kann, eine Lehrlatte in der Stärke des herzuſtellenden Gipsguſſes möglichſt von der Länge des ganzen Raumes befeſtigt. In dieſen durch die Lehrlatte abgeſchloſſenen Raum wird der mit Waſſer angemachte Gips mittelſt Handeimer ſehr vorſichtig ausgegoſſen, damit derſelbe einer— ſeits eine gleiche Dicke erhalte und ander— ſeits ſich nicht mit der Sandunterlage ver— menge. Nach dem Guſſe wird die Maſſe mit einem Richtſcheite ausgeglichen und nach einer Viertelſtunde die Lehrlatte entfernt und ein zweiter, dritter u. ſ. w. Streifen hergeſtellt, bis der geſammte Raum übergoſſen iſt. Nach 24 Stunden, wo ſich bereits kleine Riſſe und Sprünge zeigen, werden Bretter aufgelegt und die Fläche mit hölzernen Schlägeln (ein 20 bis 25 cm breites und 10—12 em ſtarkes Buchen- holz mit einem 36 cm langen Stiel) jo lange geſchlagen, bis die Riſſe verſchwinden und die Oberfläche feucht wird, d. h. bis der Gips ſchwitzt, wie die Arbeiter es nennen. Dieſes Schlagen wird nach 5—6 Stunden nochmals wiederholt und ſchließlich der fertige Eſtrich mit Maurerkellen aus Stahl abgeebnet. Mit Rückſicht darauf, daſs der Gips beim Erhärten ſein Volumen vergrößert, muſs zunächſt der Wände ein hinreichender Raum freigelaſſen werden, weil ſonſt ein nachträgliches Auftreiben und Reißen des Eſtrichs eintritt. Wie groß dieſer Raum fein ſoll, läſst ſich nicht genau beſtimmen und iſt es immerhin beſſer, den— ſelben etwas größer zu nehmen und nachträg— lich mit Gips auszugießen. Durch Beimengung einer Erdfarbe kann dem Eſtrich jede beliebige Färbung gegeben werden. Der fertige Eſtrich wird nach voll— ſtändiger Erhärtung mit einem gewöhnlichen Hobel abgeebnet; um ihn gefälliger und dauer— hafter zu machen, wird er zwei- bis dreimal mit Leinöl überſtrichen, wobei man, um ein tieferes Eindringen des Oles zu fördern, mit einer Kohlenpfanne in der Höhe von 3 em über den Boden langſam hinfährt. Schließlich wird der Eſtrich mit Sandſtein und Waſſer abgeſchliffen, mit Wachs überzogen und wie ein Parquetboden gebohnt. Fr. Girlitz, Serinus hortulanus Koch, Passer serinus, Briss., Orn. III., p. 179 (1760), Fringilla serinus, Linn., Syst. Nat. I., p. 320 (1766); Loxia serinus (L.), Scop. Ann. I. Hist. nat., p. 140, no. 205 (1769); Fringilla mon. tana, Bodd., Tabl. des Pl. Enl., p. 40 (1783); Fringilla eitrinella, Bechst., Orn. Taſchenbuch I., p. 124 (1802, nec Linn.); Serinus hortu- lanus, Koch, Bayr. Zool. I., p. 229 (1816); Se- rinus orientalis, Chr. L. Brehm, Vög. Deutſchl., p. 254 (1831); Serinus meridionalis, idem, ibidem, p. 255; Serinus islandicus, idem, ibidem, p 255 (1831, ex Faber); Serinus fla- vescens, Gould, B. of Eur., pl. 195 (1837); Pyrıhula (Dryospiza) serinus (L.), Keys. et Blas., Wirbelth. Europas, p. XLI (1840); Pyr- 132 Girlitz rhula serinus (L), Degland, Orn. Eur. I., p. 193 (1849); Crithagra serinus (L.), Heug- lin, Orn. NO.⸗Afr. I., p. 647 (1871); Serinus luteolus A. v. Homeyer, J. f. O. 1873, p. 223. Abbildungen: 1. Vogel. Naumann, Vögel Deutſchl., T. 123; Dreſſer, B. of Eur. III., pl. 170. — 2. Eier. Bädecker, Die Eier der eur. Vögel, T. 20, Nr. 5; Thienemann, Abbildungen von Vogeleiern, T. XXV, Fig. 15, a—c; Seebohm, A History of british Birds II., pl. 12. Geilitſch, Cini, Cinit, Serinus, Hirngrill, Hirngrille, Hirngrillerl, Fädemlein, Schwäder— lein, italieniſcher Canarienvogel, Canarienzeis— chen, Grünfinkchen, Grünfink, gelbgrüner Dick— ſchnabel, Girlitzkernbeißer, Nieſelzeiſig, Oſter— reicher, Hirngille, Meerzeiſig, Gartenzeiſig, Saamenzeiſig, Meerzeischen, Rübſamzeisl!, Ca— narienzeiſig, Gartenkrämpl. Böhm.: Penkava eitronovä; dän.: Guu— lirisk; engl.: Serinfinch; kroat.: Zutaska tre- savka; frz.: Serin; ital.: Verzellino, Verdo— lino, Raperino, Serino d'Italia, Snis, Zverzelin, Serin, Verzelin, Sgarzerin, Sgarzolin, Sver- zerin, Verdari, Verdulen, Vidaren, Verzaren, Raparen, Verzarein, Verzlin, Sverzarin, Ver- dari, Frisarin, Frigorin, Sfredelin, Sfrizolin, Siaen, Raperugiolo, Crespolino, Verzolino, Cardolella, Zevardiello, Lapariedd, Rappa- reddu, Rapparedduni, Canariu de monti, Ca— nariu areste, Canariu birdu, Apparel; portug.: Serzino, Cerezino, Riscada. Milheira, Milheiro galante, Chamariz, Serin; jpan.: Verdeeillo, Gafarrd, Gafarron, Chamaris, Serin, Sereno, Milheirica, Canari bort 6 de montanya; ung.: girlic Pinty. Der Girlitz kommt in Central- und Süd— europa und Nordafrika vor. Brütend wird er gefunden in Central- und Südfrankreich, Lu— remburg, Schweiz, Süddeutſchland und dem ſüdlichen Theile von Mitteldeutſchland, Oſter— reich-Ungarn, Weſtruſsland, zieht aber meiſtens aus dieſen Ländern im Winter fort; nur einige bleiben zurück. Standvogel iſt er in der iberi— ſchen, italieniſchen und Balkanhalbinſel und in der Türkei. In Paläſtina, Egypten und Nord— afrika überwintern die aus dem Norden kom— menden Zugvögel. Nach England, Nordfrank— reich, Belgien, Norddeutſchland und Däne— mark kommen nur zufällige einzelne Wanderer. hen 12˙8 em Flügellängnte . 78 Schwanzlänge. 5˙35 r 8 . 0˙62 „ Altes & von Italien aus der Sammlung R. Blaſius.) Der Schnabel iſt kurz und dick, kreiſel— förmig, an der Firſte und am Kiel ganz flach abgerundet, auf der Firſte janft abwärts ge— bogen, an der Schneide des Oberkiefers dicht vor der Spitze ſeicht ausgeſchnitten, die Spitze ſelbſt abwärts geneigt, den Unterkiefer über— ragend. Die Flügel ſind ziemlich lang, ſtumpf abgerundet, die erſten 4 Schwungfedern bilden die Flügelſpitze, die 2., 3. und 4. ſind auf der Außenfahne bogig eingeſchnürt, die 2. und 3. auf der Innenfahne ſanft bogig verengt. 2.3 5 1.42 5 6. MH D. — Die ruhenden Flügel reichen bis faſt zu Dreiviertel des Schwanzes hinab; dieſer iſt tief keilförmig ausgeſchnitten. Die Läufe ſind zart und kurz, die Nägel von mittlerer Größe, flach gebogen, ſehr ſpitz, unten zweiſchneidig. Altes Männchen im Frühjahr. Stirn grüngelblich, mit grauem Anfluge, ähnlich die Kopfplatte, nur mit deutlicher hervortretendem ſchwärzlichen Federmitten, der übrige Rücken mit breiten ſchwärzlichen Längsflecken und gelb— grünlichen Federſäumen, Bürzel hochgelb mit einzelnen ſchwärzlichen Schaftſtrichen, obere Schwanzdecken olivengrünlich mit gelblichem Anfluge. Schwingen und Schwanzfedern ſchwarz— braun mit hellgrauen ſchmalen, namentlich an Mittel- und Hinterſchwingen und am Schwanze grünlich angeflogenen Säumen. Deckfedern ſchwarzbraun mit breiteren grünlichen Säumen. — Unterſeite vom Kinn bis zum Bauch hinab hochgelb, Unterbauch und untere Schwanzdecken ſchmutzig weiß mit ſehr ſchwachem, grünlich— gelbem Aufluge, Rumpfſeiten grauweißlich mit breiten ſchwarzen Schaftflecken. Schwingen und Schwanzfedern von unten ſchwärzlichgrau, die unteren Flügeldeckfedern grau, am Buge grün— lichgelb angeflogen. Jüngere Männchen im Frühjahre haben weniger und blaſſeres Gelb, das überall durch ein ſchmutziges Grün verdeckt wird. Alte Weibchen im Frühjahre ähneln den jüngeren Männchen, haben aber ein noch ſtärker geflecktes, graueres Kleid, das noch we— niger und nur ſehr bleiches Gelb zeigt, mit leichten Anflügen von Grün; dabei iſt die Bruſt mit deutlichen ſchwärzlichbraunen Längsflecken verziert. Je älter die Weibchen ſind, deſto mehr zeigen ſie Gelb und Grün. Alte Männchen im Herbſte zeichnen ſich durch die breiten grauweißen Kanten der Rückenfedern aus und durch die grünlichen Säume der gelben Federn an Kopf, Hals, Bruſt und Bürzel. f Altes Weibchen im Herbſte iſt weniger gefleckt und nicht ſo grau als das Weibchen im Frühlingskleide. | Die jungen Vögel im Neſtkleide zei- gen auf der ganzen Oberſeite dunkelbraune Federn mit hellbräunlichen Säumen, ſo na— mentlich an den Hinterſchwingen und oberen Deckfedern. Nur an der Baſis der Schwanz— federn ſind die Säume grünlich angeflogen. Unterſeite iſt ſchmutziggrau, vom Kinn bis zur Unterbruſt und an den Rumpfſeiten braun längsgeſtreift, am Bauche mit ſehr ſchwachem gelbbräunlichem Anfluge. 2 (Nach 3 Exemplaren aus dem Eljajs und Spanien aus dem naturhiſtoriſchen Muſeum zu Braunſchweig und einem italieniſchen Vogel aus meiner Sammlung.) Der Schnabel iſt von oben geſehen horn— grau oder ſchwärzlich braungrau, von unten geſehen lichter röthlichgrau; die Iris iſt dunkel- braun, das Auge hat einen Durchmeſſer von 3 mm; die Füße ſind dunkelbräunlich fleiſch⸗ farben, die Krallen bräunlich. — Girtanner. 433 Das Gelege beſteht in der Regel aus 4, ſeltener aus 5 Eiern. Dieſelben ſind von kurzovaler Form, Längsdurchmeſſer durchſchnittlich 161mm, Quer- durchmeſſer 124mm, Dopphöhe 7°4 mm. Auf weißlicher Grundfarbe ſind dieſelben namentlich am ſtumpfen Ende um den Pol des Eies herum verziert mit tiefer liegenden, vio— lettgrauen und blaſsröthlichbräunlichen Flecken und tiefrothbraunen punkt- und kritzelförmigen oberflächlichen Flecken. Die bei weitem größere Hälfte des Eies, nach dem ſpitzen Ende zu ge— legen, iſt häufig ganz frei von Flecken. Die Schale iſt mattglänzend, weißlich gegen das Licht durchſcheinend, das Korn außerordentlich fein und flach, Poren ſehr zahlreich. (Nach 2 Eiern aus Sammlung Hollandt und 3 Eiern aus einem von mir in Zabern i. E. genommenen Gelege.) Bald nach ihrer Ankunft im April ſchreiten ſie zur Brut. Das außerordentlich kunſtvoll ge— baute Neſt hat am meiſten Ahnlichkeit mit dem des Stieglitz, iſt aber etwas kleiner; es beſteht außen aus feinen mit Flechten durchwebten Würzelchen und iſt in dem inneren Napf mit Federn, Pferdehaaren und Schweinsborſten ſehr ſorgfältig ausgelegt. Das Weibchen brütet allein, 14 Tage lang, und wird dabei vom Männchen gefüttert. Das Neſt wird mit Vorliebe in Obſt— gärten angelegt, auf Apfel- und Birnbäumen, ziemlich nahe dem Ende der Zweige. In mei— nem Garten in Zabern i. E., wo ich ſehr viel— fach Gelegenheit hatte, die Girlitze zu beob— achten, war eine Allee von geköpften Platanen. In dieſen brüteten ſie mit beſonderer Vorliebe; häufig hatte ich 3—4 Paare in meinem Garten. Der Girlitz iſt ein niedlicher, fröhlicher, immer beweglicher Vogel, der ſich ſofort nach ſeiner Ankunft im Frühjahr bemerklich macht. In ſeinen Bewegungen gleicht er dem Zeiſig, iſt aber noch graciler und lebhafter. Die ein— zelnen Paare halten getreulich zuſammen wäh— rend des ganzen Sommers, ſchnäbeln und tän— deln immer mit einander herum, rufen ſich gegenſeitig in den zärtlichſten Tonarten. Das Männchen verhält ſich im Frühjahre bei Tage auch keine Minute ſtill, es ſitzt entweder oben auf den Spitzen der Bäume, ſingend und neckend, oder es ſchwebt mit einem eigenthüm— lich zitternden, flatternden Fluge von einem Baume zum anderen, manche Ahnlichkeit mit dem Baumpieper bietend. Dieſes eigenthüm— liche Flattern iſt ganz charakteriſtiſch für un⸗ ſeren Vogel, ſofort macht er ſich dadurch be— merklich. Der Lockton klingt wie „hſitzriki“ oder „girlitz“ und hat viele Ahnlichkeit mit dem Lockton des Stieglitzes. R Im Geſange iſt manche Ahnlichkeit mit dem Erlenzeiſig zu bemerken, nur kommen die ſchwirrenden, leiernden Töne mehr zum Gehör. Dabei fliegt das Männchen im Geſange umher, immer ſein luſtiges Liedchen girrend, vom frühen Morgen bis ſpäten Abend durch den ganzen Sommer hindurch. Seine Nahrung beſteht aus allerlei kleinen Sämereien, die er regelmäßig enthülſet und ohne Schale friſst. Von eigentlichem Schaden kann bei un— ſerem kleinen niedlichen Vögelchen nicht die Rede ſein; nützlich iſt er als höchſt unterhal— tender Stubenvogel. Die Jung en laſſen ſich leicht mit eingequellter Rübſaat aufziehen, die Alten können mit Lockvogel auf Vogelherden, mit Sprenkeln oder Leimruthen leicht vom Vo— gelfänger gefangen werden. Im Käfig ſind beide höchſt unterhaltend; ich hatte Gelegenheit, mir mehrere ſelbſt aufgezogene Girlitze von Zabern i. E. mit hieher nach Braunſchweig zu bringen und längere Zeit in der Gefangenſchaft zu halten. Nur während der Mauſer hörten die Männchen auf zu ſingen, ſonſt zwitſcherten ſie den ganzen Tag und machten durch ihr zutrauliches Weſen mir ſehr viel Vergnügen. Der Girlitz iſt einer derjenigen Vögel, die in der Ausbreitung nach Norden begriffen ſind. Alfred Brehm ſchreibt darüber in ſeinem Thier— leben, II., p. 333: „Urſprünglich im Süden Europas und in Kleinaſien heimiſch, hat ſich der Girlitz allmählich nach Norden hin ver— breitet, thut dies auch gegenwärtig noch und bürgert ſich, weiter und weiter vorſchreitend, in Gebieten ein, in denen er vor einem Men— ſchenalter vollſtändig fehlte. In den letztver— gangenen 20 Jahren hat er ſich faſt den ganzen öſterreichiſchen Kaiſerſtaat erobert und ebenſo in derſelben Zeit in Schleſien, Franken und Thüringen angeſiedelt, iſt im Jahre 1877 auch in der Mark erſchienen und wird ſich hier wahr— ſcheinlich ebenſo gut ſeſshaft machen, als er dies anderswo gethan hat.“ In den letzten Jahren iſt der Girlitz noch weiter gegangen, jo kommt er jetzt als Brut— vogel auch im Königreich Sachſen, im Herzog— thum Anhalt und in der Provinz Heſſen, z. B. bei Caſſel vor. Vor einigen Jahren machte ich den Verſuch, ihn künſtlich bei Braunſchweig anzuſiedeln, indem ich einige Dutzend Paare aus Böhmen kommen ließ und theils in mei— nem Garten, theils in Riddagshauſen im Früh— jahr ausſetzte. In demſelben Jahre brüteten einige Paare im Kloſtergarten bei Riddags— hauſen und an den hieſigen Anlagen. Im fol— genden Jahre wurde nochmals ein Paar in Riddagshauſen beobachtet, ſpäter aber kein Girlitz mehr hier in der freien Natur aan. E Girtanner Georg Albert, Dr. med., bedeutender Zoologe der Gegenwart. Er ent— ſtammt einer alten, ſchon ſeit dem Jahre 1387 zu St. Gallen ſeſshaften Familie, welche von jeher zahlreiche Männer aufweist, die ſich in erſter Reihe der Mediein als Lebensberuf wid— meten, zugleich aber ſtets auch ein Special— ſtudium auf einem naturwiſſenſchaftlichen Ge— biete betrieben; ſo noch in jüngſter Zeit Gir— tanners Großonkel, Dr. Chriſtian Girtanner, Profeſſor der Mediein zu Göttingen, welcher Zoologie, und ſein Vater, Dr. Karl Girtanner, welcher das Studium der heimiſchen Alpenflora in hervorragender Weiſe betrieb. So war auch unſeres Girtanner Lebensberuf von vorneherein vorgezeichnet: „Den 25. September 1839 in St. Gallen,“ ſchreibt er mir, „fand auch ich, aus dem erſten Schlafe erwachend, den in unſerer Familie traditionell gewordenen Asculapſtab zu Dombrowski. Eneyklopädie d. Forſt⸗ u. Jagdwiſſenſch. IV. Bd. 28 434 meiner Nechten in der Wiege liegen, und zur Linken zwar ebenfalls keinen Marſchallsſtab, aber dafür Conrad Geßners, meines gelehrten Landsmannes, Thierbuch, zum Zeichen, dafs mein Leben in erſter Linie der kranken Menſch— heit, in zweiter Linie dem Studium der Thier— welt gewidmet ſein werde.“ Und ſo kam es auch. Nachdem Girtanner unter ſeines Vaters und des Lehrers der Naturgeſchichte J. Wart- mann Leitung die tüchtigen Schulen ſeiner Vaterſtadt abſolviert, zugleich auch Taxidermie ſtudiert und auch ſchon eine hübſche Sammlung ſelbſt ausgeſtopfter Vögel zuſammengebracht hatte, die er dem naturhiſtoriſchen Muſeum in St. Gallen ſchenkte, bezog er im Jahre 1857 die Univerſität zu Zürich, gieng dann nach Prag, München und Würzburg, wo er im Jahre 1861 das Doctorsdiplom erhielt. Nachdem er dann zur Vervollſtändigung ſeiner Kenntniſſe in der Berufswiſſenſchaft noch die Univerſitäten von Wien und Paris beſucht, ließ er ſich in ſeiner Vaterſtadt als praktiſcher Arzt nieder, widmete ſich der Privatpraxis und iſt überdies als Arzt mehrerer öffentlicher Anſtalten thätig. Im Jahre 1872 vermählte er ſich und iſt heute glücklicher Vater, geliebt in ſeiner Familie, ge— ehrt von ſeinen Mitbürgern und vor Allem von ſeinen Fachgenoſſen. Girtanners Bedeutung für die Zoologie, welche hier allein in Betracht kommt, iſt eine ſehr hohe. Abgeſehen davon, daſs ihn natür- liche Anlagen weſentlich bei ſeinen Forſchungen begünſtigten, verdankt er deren hervorragende Erfolge in erſter Reihe ſeinem glücklichen Principe, ein kleines Beobachtungsfeld zu wählen, dieſes aber mit Aufgebot aller Kraft und aller Mittel ſo weit erſchöpfend zu bear— beiten, als es dem Einzelnen möglich iſt. Frei— lich wird dieſes Princip nur von einem ver— ſchwindend geringen Theile der Naturforſcher gebilligt und von einem noch geringeren that— ſächlich als Richtſchnur für das eigene Schaffen betrachtet; es iſt dies eben nicht der Weg, ſich „in weiteren Kreiſen“ bekannt zu machen, eine ſog. Berühmtheit in der „Welt“ zu erlangen, aber es iſt der einzige Weg, auf welchem es heute, bei der ſo großen Ausdehnung jedes ein— zelnen Zweiges der Naturwiſſenſchaften möglich iſt, deren Intereſſen weſentlich zu fördern, das Ziel im Auge behaltend, die Einflüſterungen der Eitelkeit verwerfend. — Girtanner befaſst ſich ſeit Beginn ſeiner wiſſenſchaftlichen Thätig— keit ausſchließlich mit der Fauna der Schweiz; allerdings im weiteren Sinne, d. h. mit den in der Schweiz heimiſchen Arten in ihrer ganzen Verbreitung, auch außerhalb derſelben; in dieſem Sinne iſt auch ſeine bedeutende Sammlung von zoologiſchen Präparaten, namentlich Vögeln an— gelegt. Allerdings beſteht dieſelbe weſentlich aus Schweizer Stücken, aber auch zum Theile aus großen Suiten derſelben Art aus allen Theilen ihres übrigen Verbreitungsgebietes. Übrigens befolgt Girtanner bei Anlage ſeiner Sammlung gleichfalls ein ganz eigenartiges und für weniger bemittelte Forſcher jedenfalls höchſt empfehlens— wertes Princip. Richtet er ſeine Studien ſpeciell auf eine Art oder Gattung, ſo trachtet er die— ſelbe in möglichſt vielen Exemplaren zuſammen— Girtanner. —— — — ͤ ́—ö̃— u—ö bk —- Ü— —— — — b — — —— zubringen; iſt dann ſeine Unterſuchung beendet, ſo wandert die Mehrzahl dieſer Stücke wieder in alle Weltrichtungen, die Mittel zur Beſchaf— fung weiteren Materiales durch Kauf oder Tauſch liefernd. So allein iſt es ihm möglich geworden, für jede einzelne ſeiner Arbeiten immer ein geradezu koloſſales Material zuſam— menzubringen; z. B. hatte er für ſeine Arbeiten über Gypaötas barbatus 22 Exemplare lebend gehalten, etwa 70 Eier und eben ſo viele Bälge aus den verſchiedenſten Gegenden zur Compa— ration vorliegen. Ahnlich bei allen anderen Alpenthieren, welchen er ſeine jpecielle Aufmerk— ſamkeit zuwandte. Abgeſehen von der Beobachtung der Thiere in ihrem Freileben und den Arbeiten an todtem Materiale hat ſich Girtanner vorzugsweiſe auch mit dem Studium der Alpenthiere in der Ge— fangenſchaft befaſst und ſtets eine kleine Mena— gerie unterhalten. Mit dem Freileben jeder ein— zelnen Art genau vertraut, vermochte er ihr auch auf engem Raume im vollſten Maße ihre Lebensbedingungen zu erfüllen, und ſo gelang es ihm, ſelbſt ſolche Arten jahrelang friſch und geſund zu erhalten, die bis dahin in der Ge— fangenſchaft noch niemals längere Zeit hindurch am Leben geblieben waren. Vom Bartgeier haben wir dies bereis erwähnt, überdies ſind noch beſonders bemerkenswert: Tichodroma muraria, Cypselus melba, Pyrrhocorax gra- culus und alpinus, Cinclus aquatieus, Lago- pus alpinus u. ſ. w. Sowohl mit dieſen lebend gehaltenen Thie— ren, als mit Objecten ſeiuer Sammlung be— theiligte ſich Girtanner oft an zoologiſchen und Jagdausſtellungen; beſonders intereſſant war die Suite lebender ſchweizeriſcher Vögel, welche er im Jahre 1869 im Vereine mit Dr. Stölker, Dr. Wild und Dr. Wartmann im Auftrage der naturwiſſenſchaftlichen Geſellſchaft zu St. Gallen ausſtellte, und eine Zuſammenſtellung aller Schweizer Alpenſäugethiere und Vögel in pracht— vollen Gruppen auf der internationalen Jagd— ausſtellung zu Cleve 1880. Die Art und Weiſe, in welcher Girtanner ſeine Forſchungen vornahm, brachte ihn nach und nach mit faſt allen bedeutenden Zoologen der Gegenwart in Verbindung, die ſich meiſt bald zu einem freundſchaftlichen Verkehr ge— ſtaltete; ſo mit Alfred Brehm, Eugen Ferdi— nand v. Homeyer, Guſtav Radde, Victor v. Tſchuſi, Rudolf Blaſius, V. Fatio u. v. A. Auch mit Kronprinz Rudolf von Oſterreich, dem erlauchten Förderer der Wiſſenſchaften, war es Girtanner vergönnt, zahlreiche Briefe zu wech— ſeln, und im Jahre 1884, gelegentlich des erſten internationalen Ornithologencongreſſes, der ihn zum Mitglied der permanenten internationalen ornithologiſchen Commiſſion ernannte, ſeine Sammlung unter höchſtdesſelben Führung zu beſichtigen. Girtanners literariſche Thätigkeit iſt eine re— lativ geringe, aber dafür iſt alles, was er geliefert, das Ergebnis eigener, mit der denkbar höchſten Genauigkeit, Sorgfalt und Umſicht durchgeführter Forſchungen und darum für die Wiſſenſchaft von dauerndem, u. zw. viel höherem Werte, als manches bänderreiche, zur größeren Hälfte auf Gitterflügler. — Glaskugelſchießen. 435 weſenloſer Compilation oder den Ausflüſſen einer lebhaften Phantaſie baſierende Werk. Die wichtig— ſten Schriften Girtanners, deren jede einzelne ein kleines Cabinetſtück zu nennen iſt, ſind fol— gende: „Notizen über den Alpenmauerläufer“, Jahr.⸗Ber. d. St. Gall. naturwiſſ. Geſ., 1864; — „Notizen über den Alpenſegler“, ibid. 1866; — „Beobachtungen über Fortpflanzung und Entwicklung des Alpenmauerläufers“, ibid. 1867; — „Beobachtungen über den Baumläu— fer“, ibid. — Die Ausſtellung lebender ſchwei— zeriſcher Vögel in St. Gallen“, ibid. 1869; — „Beiträge zur Naturgeſchichte des Bartgeiers der Centralalpen“, ibid. 1871; — „ Ornitholo— giſcher Streifzug durch Graubünden“, ibid. 1871; — „Hiſtoriſches und Naturhiſtoriſches über den Biber in der Schweiz, in Deutſchland, Norwegen und Nordamerika“, ibid. 1885; — „Der Waſſerſchwätzer (Cinelus aquaticus) in Freiheit und Gefangenſchaft“, Ornith. Cen— tralbl., 1877; — „Der Alpenſteinbock und ſein Gehörn“, Deutſcher Jäger 1879 — „Das Steinhuhn der Schweizer Alpen“, Gefiederte Welt 1877; — „Der Alpenſteinbock mit Be— rückſichtigung ſeiner letzten Colonie“, Aus Wald und Heide, 1878; — „Zur Ernährung und Pflege des Bartgeiers in der Gefangenſchaft“, Mitth. d. Ornith. Ver. in Wien 1879; — „Geſchichte eines ſchweizeriſchen Bartgeiers“, ibid. 1880; — „Der Tannenheher im Herbſte 1885“, ibid. 1886 — Der Bär in Graubünden“, Mitth. d. Niederöſterr. Jagdſchutzvereines, 1884; — „Der Kolkrabe in der Schweiz“, Zoolog. Garten, 1876; — „Die Steinkrähe der Schweizer Alpen“, ibid. 1877; — „Zur Pflege der Gemſe in der Gefangenſchaft“, ibid. 1880; Zur Pflege des Schneehuhns in der Gefangenſchaft“, ibid. 1880; — „Die Kämpfe der Steinadler“, ibid. 1882; — „Die Murmelthiercolonie in St. Gal— len“, ibid. 1887. — „Zur Kenntniſs des Bart— geiers“ Der Weidmann, 1888. Außerdem noch eine Reihe kleinerer Auf— ſätze in den genannten und anderen Fachblät— tern. Eine ſehr wertvolle Arbeit bilden ferner auch jene biologiſchen Angaben über Schweizer Vögel, welche Girtanner an Alfred Brehm über ſeine Bitte für deſſen „Gefangene Vögel“ und das „Thierleben“ lieferte. Bei letzterem Werke war Girtanner auch noch weiter durch Über— wachung der chromolithographiſchen Tafeln der erſten ſechs Bände genannten Werkes im Jahre 1880 betheiligt. E. v. D. Gitterflügler, Netzflügler, ſ. Neuroptera. Hſchl. Gitterträger, ſ. Eiſenverbindungen. Fr. Glanzkäſer, deutſcher Name für die zur Gattung Meligethes gehörigen Arten der Fa— Gilie Nitidulariae. Für den Forſtwirt ſind die mlanzkäfer ganz bedeutungslos, nicht aber für den Landwirt, der in Meligethes aeneus (Raps- glanzkäfer) mit Recht einen gefürchteten Feind der Rapsculturen zu erblicken hat. Hſchl. Glas wird im Baufache als Fenſterglas (Tafel⸗ oder Scheibenglas) verwendet und ſoll weiß, rein, eben und von möglichſt gleicher Dicke ſein. Zum Verglaſen der Fenſter ver— wendet man gewöhnlich das ordinäre Scheiben— glas mit grünlicher Farbe und das ganz farb— loſe ſtärkere Glas (Halbſolin- und Solinglas). Für Gangfenſter werden auch geſchuppte Tafeln, mitunter gefärbte Gläſer und für Dachoberlichten 4—6 mm dicke Glastafeln verwendet. Der Werth des Scheibenglaſes hängt von der Größe der Tafel und der Güte des Glaſes ab. Auf Bruch während des Baues ſind ca. 073% der ge— ſammten zu verglaſenden Fläche in Rechnung zu ziehen. Fr. Glaſertitt wird durch das Zuſammen— reiben von Kreide und Leinölfirnis erzeugt und erhärtet langſam, wenn ungekochtes Yeimöl genommen wird. Fr. Glasflüglerbohrer, deutſcher Name für die, als Raupen im Holze oder in der Mark— röhre von Holzgewächſen, bohrend lebenden Arten der Seſiiden, einer den Dämmerungs— ſchmetterlingen oder Schwärmern naheſtehenden Familie (vgl. Lepidoptera: Sesiidae). Hſchl. Glasſiugelſchießen. Um dem Zweck des Taubenſchießens (j. d.) ohne deſſen Koſtſpielig— keit und ohne unnützes Blutvergießen (beſon— ders auch für Neulinge ſowie zu Wetten und Concurrenzſchießen) nahe zu kommen, benützt man vielfach hohle Kugeln von farbigem (grünem) Glas oder auch wohl von Thon von etwa 4 bis 4½ em Durchmeſſer und ca. 43g Gewicht, welche — ſei es von einem hinter dem Schützen ſtehenden Gehilfen mit der Hand, ſei es mittelſt einer beſonderen Maſchine — in einer dem Schützen unbekannten Richtung in die Luft ge— worfen, als bewegliches Ziel die Schwierigkeit des Schuſſes gegen fliegende Tauben zur Dar— ſtellung zu bringen beſtimmt ſind. Die Ober— fläche der Kugeln iſt mit etwas vorſtehenden Längs- und Querrippen verſehen, damit die Schrote auf ihr nicht ſo leicht abprallen; ein in der Kugel befindliches Guſs-(Blaſe-) Loch er— laubt dieſelbe mit Federn, Sägeſpänen u. dgl. zu füllen, welche, wenn die Kugel durch die treffenden Schrottkörner zerſplittert wird, um— herfliegen und den Treffer anſchaulicher machen. Da die auf den Boden fallenden Glasſplitter mancherlei Unzuträglichkeiten herbeiführen, ſo hat man die Kugeln vielfach aus anderweitem Material (Holz, Pappe) herzuſtellen verſucht, indes bietet das ſpröde Glas den Vortheil, durch Springen ſofort und für alle zweifellos erkennbar den Treffer anzuzeigen, was bei Con— currenzſchießen nicht unwichtig. Thonkugeln bieten denſelben Vortheil und geben außerdem weniger unangenehme und leichter verwitternde Splitter, haben aber etwa den 1½fachen Preis. Auch Kugeln aus Holz mit einer äußeren Pa— pierlage, welche einen leicht entzündlichen und Rauch erzeugenden Stoff (Miſchung aus Phos— phor und irgend einem Knallpräparat) bedeckt, jo daſs dieſer, wenn auch nur von einem Schrotkorn getroffen, aufflammt und Rauch gibt, ſind verſucht und empfohlen worden. Alle dieſe Verbeſſerungen haben die einfache Glas— kugel nicht zu verdrängen vermocht, bis neuer— dings die ſog. Thontaube wenigſtens für die beſſer eingerichteten Schießſtände ein Überge— wicht zu erlangen ſcheint, da ſie die Vortheile der Glaskugel ohne deren Nachtheile beſitzt, ja ſich in ihrer Bewegung dem Fluge der Taube nähert, wenn ſie entſprechend geworfen wird. 28 * 436 Glasmikrometer. Für einfachere Schießſtände und den Einzel— verbrauch wird die mit billigerem Apparat, ja ſelbſt ohne ſolchen zu werfende Glas- oder Thonkugel ihrer Billigkeit halber wohl ſtets vorgezogen werden. Die Thontaube iſt eine aus röthlichem Thon hergeſtellte runde gewölbte Schale von 10—12 em Durchmeſſer und 4 bis 5 em Tiefe, ca. 60g ſchwer; wird ſie rotierend geſchleu— dert, ſo bewirkt die in der Höhlung durch die Rotation zuſammengepreſste und durch den nach Innen umgebogenen Rand am völli— gen Entweichen verhinderte Luft eine gewiſſe Stabilität des Fluges und ein ſanftes Nieder— gleiten (ohne Bruch), falls die Schale nicht getroffen wurde; die Offnung der Schale, welche einen beſchränkten und unregelmäßigen Abfluſs der Luft geſtattet, bewirkt zugleich eine gewiſſe Unregelmäßigkeit des Fluges, jo dais letzterer dem eines lebendigen Vogels (Taube, Wachtel, Schnepfe ꝛc.) ähnelt und in der That dieſe Thontaube zu Übungen im Flugſchießen als das geeignetſte Mittel erſcheint. Die vom Schujs zerſchmetterte Schale — hiezu iſt indes wegen der Stärke der Schale nähere Entfernung nothwendig — fällt in (unſchädlichen) Stücken zu Boden, während die nicht getroffene durch das Auffallen auf die Erde nicht, wie die Glas— kugel, zerbricht. Die zum Werfen der Kugeln 2c. beſtimmten Apparate, die ſog. Glaskugel- oder Thon— taubenwurfmaſchinen, ſind in ſehr mannig— faltiger Weiſe conſtruiert, beruhen indes ſämmt— lich darauf, daſs die einer zuſammengedrückten Feder entnommene Schleuderkraft durch den Zug an einer Leine ausgelöst und durch be— ſondere (Dreh-) Einrichtungen in jeder beliebi— gen Richtung entwickelt werden kann. Zum Schießen ſind meiſt drei bis fünf ſolcher Wurfmaſchinen hinter Holz- oder Korb— ſchirmen nebeneinander (mit Abſtänden von 5 bis 9 m) aufgeſtellt; die Stellung des Schützen vor jenen Schirmen — jo daſs er die Maſchi— nen ſelbſt nicht ſehen kann — richtet ſich nach der Geſchicklichkeit und Erfahrung des letzte— ren, bezüglich nach der Schwierigkeit der dieſem auferlegten Aufgabe; die Entfernung (wegen der geringeren Ausdehnung der Ziele meiſt ſehr viel kleiner als beim Taubenſchießen) pflegt bei Glaskugeln etwa doppelt jo groß (12—18 m) gewählt zu werden, als bei Thontauben (6—9 m), da letztere wegen ihres ſchnelleren Fluges und ihrer größeren Stärke nicht ſo leicht getroffen und zerſchmettert werden. — Ein hinter dem Schützen ſtehender Gehilfe zieht auf Commando des Schützen an einer der Leinen, welche von den Wurfmaſchinen verdeckt bis zu ihm zurück— geführt ſind, ſo daſs der Schütze wohl den Augenblick, nicht aber Ort und Richtung des Abfliegens der Thontaube beſtimmt (ſ. Tauben- ſchießen). Gute Schützen ſollen auf den genannten Entfernungen gegen Glaskugeln 80-90%, gegen Thontauben ca. 75% Treffer erzielen. Eine (patentierte) Thontaubenwurfmaſchine koſtet bei dem deutſchen Vertreter der Ligowsky Clay Pigeon Co. Cincinnati, H. Leue und Timpe in Berlin W., 43 Mark; 1000 Stück Thontauben 130 Mark. Glaskugelwurfmaſchinen, auch zum gleichzeitigen Werfen zweier Kugeln beſtimmt, ſind überall ſchon für 14—18 Mark zu haben: 1000 Stück Kugeln koſten 35 bis 36 Mark, mit Federn gefüllt 40 Mark; Thon⸗ kugeln etwa 55 Mark. 5 Da das Glaskugelſchießen, wenn auch ſchon früher bekannt und geübt, erſt Ende der Sieb— zigerjahre dieſes Jahrhunderts durch den amerikaniſchen Capitän H. Bogardus in Europa allgemein eingeführt wurde, iſt es auch unter dem Namen Bogardusſport bekannt; der Er— finder der Thontaube nebſt zugehöriger Wurf— maſchine iſt George Ligowsky in Cincinnati. Schützen, welche ohne beſondere Wurf— maſchine auskommen wollen, können durch einen Gehülfen an Stelle der Glaskugeln ſelbſtver— ſtändlich auch andere Gegenſtände werfen laſſen, wenn letztere nur annähernd den Flug der Taube nachzuahmen und den etwaigen Treffer ſofort und klar erkennbar anzuzeigen geeignet ſind. Hierzu empfiehlt ſich wegen ſeiner Billig— keit (ca. 1%, Mark) und Handlichkeit u. a. auch der als Kinderſpielzeug vielfach benützte ſog. Flugkreiſel, welcher ein mit mehreren ſchief geſtellten Flügeln verſehenes Blechſtück in ſchnelle Rotation verſetzt und dadurch raſch aufſteigen macht; getroffen klappt dieſes Blech— ſtück ſofort um, ſinkt zu Boden und kann wiederholt benutzt werden. Th. Glasmikrometer wird in Fernröhren an Stelle des Fadenkreuzes dann verwendet, wenn es ſich um die beiläufige Meſſung des durch die Objectivlinſe beim Anviſieren eines Gegen— ſtandes erzeugten Bildes handelt. Dieſe Vor: richtung beſteht aus einer runden Glasplatte mit vollkommen ebenen und parallelen Wänden, auf welcher in kleinen, aber gleichen Abſtänden ſehr feine parallele Gerade eingeriſſen ſind. Überdies iſt in der Mitte der Glasplatte, ſenk— recht zu den eben erwähnten Parallelen, eine Gerade eingezeichnet. Wird nun behufs Meſſung eines Bildes der betreffende Gegenſtand jo anviſiert, daſs die zu meſſende Dimenſion im Bilde parallel zu der Senkrechten des Mikrometers geſtellt iſt und das eine Ende der zu meſſenden Strecke mit der unterſten oder oberſten Parallele des Mikrometers übereinſtimmt, ſo gibt eine ein— fache Abzählung der von den Parallelen am Mikrometer gebildeten Intervalle die gewünſchte Größe. Der etwa ſich ergebende Bruchtheil eines ſolchen Intervalles wird eingeſchätzt. Die von demſelben Standpunkte, in der— ſelben Entfernung wiederholt veranſtaltete Meſ— jung, unter Benützung der verſchiedenen Par— tien des Glasmikrometers, gibt Auskunft über den Grad der Verläſslichkeit einer vorliegenden, derartigen Einrichtung. Andere Glasmikrometer verfolgen den Zweck, Unterabtheilungen der kleinſten Theile eines an und für ſich fein getheilten Maßſtabes (Limbus) noch mit Sicherheit angeben zu können. Dasſelbe Ziel wird mit dem Nonius und mit dem Schraubenmikroſkope erreicht (ſ. d.). Ein ſehr einfaches, derartiges Glasmikro— meter wendet Breithaupt in Caſſel unter dem Namen „Ableſemikroſkop von Henſoldt“ an. LATE * . Glasplanimeter. — Glatt. Man denke ſich einen beſtimmten 1 3. B. den Limbus eines Theodoliten, bis auf 10“ getheilt und zur Ableſung ſtatt einer Lupe ein Mikroſkop (j. d.) in Anwendung gebracht. Wenn in dem Mikroſkope an jener Stelle, wo das Bild eines Theiles des Limbus erſcheint, ein dünnes Plättchen aus Glas mit der in 10 gleiche Intervalle getheilten Linie ab ange— bracht wird, jo daſs die durch das Ocular des Mikroſtopes mit dem im Mikroſkope geſehenen Intervalle von 10“ der Theilung übereinſtimmt, wenn ferner a den Index der Alhydade ver— 430’ 45°20° 00 Fig. 389. tritt, jo können Zehntel des kleinſten Intervalles der Kreistheilung unmittelbar und bei einiger Übung mit ziemlicher Sicherheit auch Hundertel derſelben abgeleſen werden. So würde die Ab— leſung in Fig 389 4510 + 7˙6 = 43 17:6’ oder 45° 1736“ ergeben. Die Mechaniker A. und R. Hahn in Caſſel conſtruierten ebenfalls ein Glasmikrometer, welches demſelben Zweck dient wie das vorher kurz beſchriebene. Dieſe Einrichtung ſtützt ſich jedoch auf das Princip der Transverſalen. Denkt man ſich in einem Ableſemikroſkope das Glasplättchen in derſelben Weiſe unterge— bracht wie beim Henſoldt'ſchen Mikrometer, auf 0 437 demſelben aber ein Rechteck eingeriſſen, deſſen Sa ab Fig. 390 mit dem kleinſten Limbus— theile (im Mikroſkope geſehen) übereinſtimmt, und ſetzen wir hier 9950 daſs die Theilung bis auf ½ herabgeht, jo iſt, wenn die Höhe des Rechteckes in 25 gleiche Intervalle getheilt und in den Theilpunkten die Parallelen zu ab gezogen werden und ebenſo die Transverſale ac eingezeichnet wird, eine directe Ableſung bis auf 0•014 ermöglicht. Hiebei iſt a als Index der Alhydade anzuſehen. In dieſem Falle (Fig. 390) käme allerdings dieſes Mikrometer gar nicht in Frage, da hier der Index a genau mit dem Theilſtrich 45°25° des Limbus zu— ſammenfällt. Anders iſt dies, wenn a zwiſchen zwei Theilſtriche fällt wie in Fig. 391. Hier beträgt die Ableſung 45° und dazu den Wert an—r: Aamncv Aacb, fo mufs die Bro- portion x: 9 miu: be ftattfinden. Nun iſt ab— 0˙254 und be=2%5, daher x: 025! = mn:25 und ſomit x—= 001 mn, d. h. jo viele d 28 A | 45 00% Fig. 391. fo viele Hundertel Wir und Intervalle mn umfaſst, degres mijst das x oder die Strecke an. hätten daher in unſerem Falle an = 0'105 die ganze Ableſung betrüge 45° 105 4. Zu bemerken wäre noch, daſs bei der fac- tiſchen Ausführung dieſes Glasmikrometers die Linien ad und be nicht gezogen ſind, und daſs durch die radiale Stellung der Limbus— theile Fehler begangen werden, die jedoch für gewöhnliche Meſſungen verſchwindend ſind, wohl aber auch in Rechnung gezogen werden können. Lr. Glasplanimeter, ſ. Planimeter. Lr. Glasſchwärmer, gleichbedeutend mit Glas— flüglerbohrer (f. d.). Hſchl. Glasſperre, ſ. Geſtörflößerei. Fr. Glatt, adj., nennt man Gewehrläufe ohne Züge. „Glatte Büchſen.“ Großkopf, Weide— wercks⸗Lexikon, p. 141. — Ferner Geweihe, die gar nicht oder doch nur wenig geperlt ſind. „Glatte Geweihe ſind, die wenig gekrauſtes haben“ Chr. W. v. Heppe, Wohlred. Jäger, p. 183. — Sanders, Wb., I. p. 590 b. E. v. D. 438 Glattbüchſe. Glattbüchſe, die, ſ. v. w. Büchſe mit glatten Läufen. „Glattbüchſe iſt eine Kugel— büchſe ohne Züge.“ Chr. W. v. Heppe, Wohlred. Jäger, p. 183. — Behlen, Wmſpr. 1829, p. 71. E. v. D. Glattbutt, der (Rhombus laevis Ron- delet. Syn.: Rhombus vulgaris, Pleuronectes rhombus, Pl. laevis), auch Butt, Brill, Kleiſt, Margarethenbutt, Tarbutt, Viereck; engl.: brill; Fiſch aus der Gattung der Viereckbutten (Rhom- bus) und der Fa milie der Plattfiſche (Pleuro- neetidae, ſ. Syſt. der Ichthyologie), 30—60 cm lang; Leib von der Seite flach ſcheibenförmig zuſammengedrückt, etwa zweimal ſo lang als hoch; aſymmetriſch; beide Augen auf der linken Seite, faſt gerade über einander; rechte Seite farblos. Das bis unter den vorderen Augen— rand geſpaltene Maul enthält in jedem Kiefer ein ſchmales Band gleichgroßer Sammtzähne, auf dem Pflugſcharbein ſtehen größere Zähne, der Gaumen iſt zahnlos. Die Zähne der Schlund— knochen gleichen den Kieferzähnen. Der ganze Leib mit Ausnahme der Schnauze iſt mit ſehr kleinen, glatten Rundſchuppen bedeckt. Die Seitenlinie macht über der Bruſtfloſſe einen viertelkreisförmigen Bogen. Die Rückenfloſſe be— ginnt auf dem Kopfe vor den Augen und endet kurz vor der Schwanzfloſſe; ſie enthält 65 bis 85 weiche, größentheils getheilte Strahlen: die hinter dem ſehr weit nach vorne liegenden After beginnende Afterfloſſe hat 50—62 Strahlen, die kehlſtändigen Bauchfloſſen 6 Strahlen. Die Schwanzfloſſe iſt hinten ſtumpf abgerundet. Die Färbung der Augenſeite iſt braun, zuweilen mit röthlichbraunen Flecken. Der Glattbutt iſt ein Meerfiſch, welcher vom 64. Grad n. Br. bis zum Mittelmeere an allen Küſten Europas mit Ausnahme der öſt— lichen Oſtſee vorkommt. Doch geht er nicht ſelten in die Fluſsmündungen und zuweilen ziemlich weit in die Flüſſe hinauf wie ſein Verwandter, die Flunder (s. d.), welcher er in Bezug auf Lebensweiſe und Entwicklung gleicht. Sein Fleiſch iſt ſehr woglſchmeckend und höher ge— ſchätzt als das der Flunder. Hcke. Glattdick, ſ. Stör. Hcke. Glatteis. Es iſt eine bekannte Thatſache, daſs man Waſſer, welches vor Erſchütterung geſchützt iſt, weit unter 0° abkühlen kann, ohne daſs es gefriert, und noch bekannter iſt es, daſs wir auch bei Temperaturen unter dem Gefrier— punkt Nebel häufig beobachten. Dieſe Nebel— körperchen erſtarren, wie Dr. Aßmann durch Beobachtung mit einem Mikroſkop auf dem Brocken gefunden, bei ihrem Auffallen auf einen harten Gegenſtand zu Eis, wie wir auch bei überkaltetem Waſſer den augenblicklichen Über— gang in Eis (von 0°) kennen, ſobald es er— ſchüttert wird. Das Glatteis müſſen wir in uns in gleicher Weiſe dadurch entſtanden denken, dass über— kaltete Regentropfen (unter 0° C. zu Boden fallen, wo ſie ſofort gefrieren, ſogar in dem Fall, wo die Temperatur der Bodenoberfläche über dem Gefrierpunkt liegt; der Fall, daſs der ſtark erkaltete Boden zu Boden fallenden Regen durch Entzug von Kälte zum Gefrieren bringt, ſcheint bei dem Phänomen des Glatteiſes ſel— — Gleditſch. tener vorzuliegen. In gleicher Weiſe haben wir es zu erklären, wenn die Aſte der Bäume ſich mit Glatteis überziehen, welches ſich häufig ſo ſtark bildet, daſs es die bekannte gefürchtete Erſcheinung des Einbruches zur Folge hat. Die ganze Erſcheinung ſcheint durch das Einbrechen wärmerer Luftſtrömungen in der Höhe über den in der Tiefe lagernden kalten Luftſchichten hervorgerufen zu werden. Gßn Glatter Lauf iſt ein Lauf ohne Züge mit vollkommen glatter Seele. Th. Glatthaarig, adj., heißen die Jagdhunde mit kurzem, glatt anliegendem Haar im Gegen— ſatze zu den rauh-, draht, ſtichel-, langhaari⸗ gen. Chr. W. v. Heppe, Aufr. Lehrprinz, p. 347. Weidmann, XIII. p. 2 a. E. v. D. Glatzſlechte, ſ. Pathogeneſe und ache. der Wildarten. Glauberſalz, ſ. Natrium. v. Gn. Glauchherd, der. „Glauchherd iſt ein kleiner Vogelherd.“ Chr. W. v. Heppe, Wohlred. Jäger, p. 186. — Sanders, Wb., I. p. 754. E. v. D. Glaukonit nennt man kleine, runde, wie Schießpulver geformte, ſehr häufig aber auch als Steinkerne von Foraminiferen auftretende Körner, die in Sandſtein, Mergel und Thon eingewachſen oder zu lockeren, leicht zerreib— lichen Aggregaten (Grünſand) verbunden ſind und der Grünerde ſehr ähneln. Eine allge- meine Formel für dies im weſentlichen aus einem waſſerhaltigen Silicat von Eiſenoxydul und Kali beſtehende Mineral läſst ſich nicht aufſtellen. In agronomiſcher Beziehung iſt es durch ſeinen Kaligehalt, der für gewöhnlich zwiſchen 5—15%, ſchwankt, wichtig. Es findet ſich vornehmlich in Sedimentgeſteinen der Kreide⸗ bildungen, doch auch in Tertiärablagerungen. Hauptſächlich verbreitet in Weſtfalen, Sachſen, Mainzer Becken, England und im Staate New- Jerſey in Nordamerika. Hier wird der vor— waltend aus Glaukonit beſtehende, 6— 7% Kali enthaltende Grünſand der Kreideformation als ein vortrefflich wirkſames Düngemittel maſſen— haft benutzt; 1867 wurden davon 20.000 Centner verbraucht. v. O. Glechoma hederacea L., Gundermann (Familie Labiatae). Stark und angenehm aro— matiſch duftendes ausdauerndes Kraut mit krie— chendem, äſtigem, lange wurzelnde Ausläufer treibendem Stengel, geſtielten herz- oder nieren— förmigen, grobgekerbten Blättern und blattwin— kelſtändigen armblütigen Scheinquirlen oder zu 1—2 ſtehenden Blüten. Blumen 2lippig, blaſs⸗ blau oder lila. Ganze Pflanze kahl oder mehr oder weniger rauhhaarig. Unter Gebüſch und Hecken, an Waldrändern und in lichten Laub— holzbeſtänden auf ſteinigem Boden. Blüht vom April bis Juni. Wm. Gleditſch, Johann Gottlieb, Dr. med., geb. 5. Februar 1714 in Leipzig, geſt. 5. Oe⸗ tober 1786 in Berlin, beſuchte die Schulen ſeiner Vaterſtadt und ſtudierte dort 1728 bis 1735 Mediein, wobei ihn die Botanik am mei- ſten anzog. Schon als Student bekleidete er während des Profeſſors Hebenſtreit Reiſe nach Afrika die Stelle eines Cuſtos am Boſe'ſchen botanischen Garten; 1736 finden wir ihn auf u wm 7 ee ER 1 Gleditschia triacanthos. — Gleichwüchſig. 439 den gräflich v. Ziethen'ſchen Gütern zu Trebnitz damit beſchäftigt, eine Beſchreibung der dor— tigen großen Gärten anzufertigen. 1740 wurde er Phyſicus des Lebuſer Kreiſes, 1742 ver— tauſchte er dieſen mit Frankfurt a. O., wo er nach Erlangung der Doctorwürde über Phyſio— logie, Botanik und Materia medica las. 1746 wurde er zweiter Profeſſor der Botanik am Collegium medicoschirurgieum zu Berlin und Director des botaniſchen Gartens mit dem Titel „Hofrath“. Seit 1770 hielt Gleditſch auf ausdrückliches Verlangen des Königs Friedrich d. Gr. den forſtwiſſenſchaftlichen und beſonders den forſtbotaniſchen Unterricht in der auf An— regung des Miniſters v. Hagen neu gegründeten und vorzugsweiſe für das reitende Feldjäger— corps beſtimmten erſten Forſtlehranſtalt zu Berlin, an welcher er bis zu ſeinem Tode thätig war. Mitglied der Berliner Akademie der Wiſſenſchaften. Gleditſch war ein kenntuisreicher, überaus fruchtbarer Schriftſteller. Das Hauptgewicht ſeiner wiſſenſchaftlichen Thätigkeit liegt auf dem botaniſchen Gebiet; er iſt ein gelehrter Vor— läufer und Förderer der botaniſchen Richtung im Forſtfach und hat als beſchreibender Forſt— botaniker eine große Bedeutung für ſeine Zeit. Gleditſch entwickelte ein beſonderes Pflanzen— ſyſtem nach der Stellung und Abweſenheit der Staubgefäße und gehörte mit zu den eifrigſten Verbreitern ſchnellwüchſiger ausländiſcher Holz— arten in Deutſchland. Seine Thätigkeit auf dem forſtwiſſenſchaftlichen und beſonders forſtbota— niſchen Gebiet iſt charakteriſtiſch für die dama— lige Periode des Suchens nach wiſſenſchaftlicher und ſpeciell naturwiſſenſchaftlicher Begründung der Waldwirtſchaftslehre. Sein Andenken iſt durch Clayton in der Baumgattung Gleditschia verewigt, von wel— cher ein Exemplar ſeinen Grabhügel beſchattet. G.'s Schriften ſind: Abhandlung von der Vertilgung der Zugheuſchrecken, 1734; Ver— miſchte phyſikaliſch-botaniſch-ökonomiſche Ab— handlungen, 3 Jahrg. 1765 — 1767; Pflanzenver— zeichnis zum Nutzen und Vergnügen der Luſt— und Baumgärtner und aller Liebhaber von fremden und einheimiſchen Bäumen, Sträuchern und Staudengewächſen, 1773; Syſtematiſche Einleitung in die neuere, aus ihren eigenthüm— lichen phyſikaliſch-ökonomiſchen Gründen herge— leitete Forſtwiſſenſchaft, 2 Bde., 1775; Phyſika⸗ liſch⸗ökonomiſche Beobachtungen über den Heide— boden der Mark Brandenburg, deſſen Erzeugung, Zerſtörung und Entblößung des darunter ſte— henden Flugſandes, 1782; Vier hinterlaſſene Abhandlungen, das praktiſche Forſtweſen be— treffend, 1788 (vom geh. Oberfinanzrath Ger— hard herausgegeben: 1. Fichtenabſprünge, 2. der Raupenfraß, 1782—84, 3. der ſchwarzbraune Borkenkäfer, 4. die eichenblättrige Erle). Schw. Gleditschia triacanthos L., Dreidornige Gleditſchie, Chriſtusakazie. Schöner ſommer— grüner Baum aus der zur Ordnung der Hül— ſenfrüchtigen gehörenden Familie der Cäſalpi— niaceen, deſſen Stamm und Aſte mit ſtarken braunrothen Dornen beſetzt ſind, von denen die ſtammſtändigen büſchelig gruppierten, oft hand— langen vielfach verzweigt, die der Aſte aber meiſt nur dreitheilig find. Blätter ſich ſpät ent— wickelnd, anfänglich einfach, ſpäter doppelt ge— fiedert, zuletzt ſehr groß, ſchon im Auguſt gelb werdend, mit zahlreichen länglichen paarig ge— ſtellten Blättchen. Blüten unſcheinbar, grünlich, in kurz geſtielten, an beblätterten ſeitenſtändigen Kurztrieben ſtehenden Ahren. Kelch 3—5zipflia, Blumenkrone 3—5blättrig, Staubgefäße 8— 40, frei. Aus dem kurzen Stempel entwickelt ſich eine über fußlange, breite, zuſammengedrückte, herabhängende, vielſamige, braunrothe Hülſe— Die Gleditſchie bewohnt das öſtliche Nordame— rika, woſelbſt ſie zu einem 25 m hohen und bis Um ſtarken Baume erwächst. Sie gedeiht noch in Mitteldeutſchland im Freien und iſt als Parkbaum ſeit langer Zeit verbreitet. Neuer— dings hat man fie und verwandte Arten (8. monosperma Walt. G. macracantha W. u. a.) wegen ihres vorzüglichen, von Tiſchlern, Holz— ſchnitzern und Drechslern ſehr geſchätzten Holzes zum forſtlichen Anbau, u. zw. zur Anpflanzung an Bruchrändern auf kalkigem lockeren Lehm— boden für Süddeutſchland empfohlen. Das ziem— lich breite Markſtrahlen und breite Porenringe beſitzende Holz, im Splint grünlichgelb, im Kern ſchön blauroth, iſt ſehr hart und zähe. Das breitringig erwachſene gilt für das Beſte. Die Gleditſchie blüht im Juni und Juli. Wm. Gleichalteriger Hochwald. Wenn in einem Hochwalde die Grundform des Beſtandes der— art iſt, daſs ſeine Abnutzung in dieſelbe oder nahezu dieſelbe (d. h. mit Altersunterſchieden von nur 1— 15 Jahren) Zeit ſeines Alters fällt, jo gebraucht K. Gayer (Waldbau 1882) für jene den Ausdruck gleichalterige, bezw. nahezu gleichalterige und rechnet zu ihr die Kahlſchlag- und die Schirmſchlagform, wäh— rend er in dem Falle, wo dieſe Altersunter— ſchiede im Beſtande über 15 Jahre, alſo 20, 30, 40 Jahre betragen und ſich bleibend er— halten, von einer ungleichalterigen Beſtand— form und als dieſe ſeine Saum- und Femel— ſchlagform, femelartige Hochwaldform und Femelform (ſ. d.) rechnet, darunter aber die femelartige Hochwaldform noch beſonders als mehralterige Hochwaldform charakteriſiert. Gt. Gleichſlügler, Homoptera, eine der zwei Hauptabtheilungen der Inſectenordnung Khyn— chota (j. d.), gleichbedeutend mit Hemiptera. 5 Hſchl. Gleichgewicht, ſ. Kraft. Fr. Gleichwüchſig nennt man einen Beſtand, deſſen Glieder im weſentlichen keine auffallenden Verſchiedenheiten in der Längen- und Stärfen- entwicklung zeigen. Die Ungleichwüchſigkeit wird dadurch hervorgerufen, daſs einzelne Stämme oder Gruppen im Beſtande infolge von Alters— oder Standortsverſchiedenheit beſonders hervor— ragen oder zurückbleiben. Die Beſtandsgründung übt hiebei inſoferne einen Einfluſs aus, als im Plenterbetrieb ſelbſtverſtändlich ein ungleicher Wuchs herbeigeführt wird, im Plenterſchlag— betrieb mit der Verkürzung des Verjüngungs— zeitraumes die Ungleichheit zurücktritt und beim Kahlſchlagbetrieb nur ausnahmsweiſe vor— kommen kann. Nr. 440 Gleitſtrecke Gleitſtrecke, ſ. Erdgefährte. Fr. Gletſcher (in Tirol „Ferner“, in der au Tauernkette „Kees“ genannt) finden ſich in Hochgebirgen und in polaren Regionen. Im weiteren Sinne verſteht man darunter die Com— plexe von Schnee, Firn und Eis, welche die Höhen bekleiden, Mulden und Thäler ausfüllen oder ganze Hochflächen überdecken; im engeren Sinne bezeichnet man jedoch mit dem Namen Gletſcher nur die Eisſtröme, welche in den ewigen Schneefeldern entſpringen und ſich in langſamem Fluſſe thalabwärts bewegen. Die Heimat des ewigen Schnees ſind die oberhalb der Schneelinie gelegenen Gebiete der Hoch— gebirge und das Innere des polaren Feſtlandes, wo die atmoſphäriſchen Niederſchläge ſtets in feſter Form als Schnee niederfallen und als ſolche niemals ganz verſchwinden. Die Schnee— maſſen bleiben hier infolge der Kälte und der Trockenheit der Luft faſt unverändert und müjsten in das Unendliche wachſen, wenn die Maſſen nicht nach unten drücken und ihre ur— ſprüngliche Lagerſtätte dadurch verlaſſen würden. Durch die Einwirkung der Sonnenwärme und warmer Luftſtrömungen ſchmilzt in gewiſſer Höhe (in den Alpen z. B. in den Höhenlagen von 4000 m bis hinab zur Schneelinie, die hier im Mittel zu 2750 m angenommen wird) der Schnee an der Oberfläche theilweiſe, das Schmelzwaſſer aber ſickert in die tieferen Schichten, wo es noch kälterem Schnee begeg— net und wieder gefriert. Hiebei bildet ſich rund— lich gekörnter Schnee, Firn genannt, der durch Druck der überlagernden Schneemaſſen in com— pakteres Firneis und in noch tieferen Niveaux in Gletſchereis umgewandelt wird. Das Glet— ſchereis zeigt auf Spalten vollkommene Klar— heit und iſt grün oder blau; es beſteht jedoch nicht gleich dem gewöhnlichen kryſtalliniſchen Waſſereis aus einer kryſtalliſierten Maſſe, ſon— dern iſt ein Aggregat von unregelmäßig ge— formten, vieleckigen Eisſtücken, ſog. „Gletſcher— körnern“, die feſt aneinanderſchließen und eine völlig compacte Maſſe bilden. Beim Abſchmelzen tritt jedoch die körnige Natur zutage; einzelne Gletſcherkörner erreichen die Größe von Tau— beneiern. Die größeren Gletſcher füllen die von den Firnfeldern nach abwärts ziehenden Thäler in ihrer ganzen Breite und bis zu beträchtlicher Höhe aus. Sie bewegen ſich in denſelben un— merklich fließend und ſteigen bis zu dem Ni— veau herab, in welchem Abſchmelzen und Zu— ſtrömen ſich das Gleichgewicht halten. Die Gletſcher bewegen ſich wie eine zäh— flüſſige Maſſe, u. zw. rührt die Bewegung her (abgeſehen von dem Gleiten der Gletſcher auf ihrem Untergrunde) einerſeits von der Plaſti— cität des Eiſes, andererſeits von Zertheilungen und kleinen Stellungsveränderungen, beſtändig abwechſelnd mit Regelation, und endlich 3. von der partiellen inneren Verflüſſigung durch den hohen Druck, der auf das Eis wirkt. Infolge der Plaſticität ſchließen ſich die Gletſcher den Krümmungen und Windungen der Thäler ebenmäßig an; verengen ſich dieſe, jo ſchwillt ihre Maſſe an und preſst ſich hindurch; erweitern ſie ſich, ſo breiten ſie ſich in dem — Gletſcher. größeren Raume aus. Stoßen zwei Gletſcher— thäler zuſammen, ſo vereinigen ſich ihre Eis— ſtröme zu einem Hauptſtrome, der das gemein— ſame Thal füllt. Iſt die Neigung der Thal— ſohle eine beſtändige, ſo iſt auch die Oberfläche des Eisſtromes ziemlich eben und zuſammen— hängend; ändert ſich aber das Gefälle, ſo werden in die gegen Zug nicht nachgiebige Eis— maſſe tiefe und weite Querſpalten geriſſen. Eine Erweiterung des Gletſcherbettes verurſacht Längsſpalten, welche häufig 5—10 m breit und 150 —200 m lang find. Steilere Thalabſätze verurſachen eine chaotiſche Zerklüftung der Eis— maſſe, Bildungen von einzelnen Eisblöcken, die zu Nadeln und Pyramiden abſchmelzend, von weitem den Eindruck gefrorener Waſſerfälle her— vorrufen und Eiscascaden genannt werden. Je nach den klimatiſchen Verhältniſſen iſt die Glet— ſchermaſſe einer mehr oder weniger belangreichen Verminderung theils durch oberflächliche Ab— ſchmelzung, theils durch Verdunſtung des Eiſes ausgeſetzt. Das Schmelzwaſſer rieſelt nicht nur über die Oberfläche, ſondern dringt auch durch die Spalten zwiſchen und unter das Eis, ein Gewirr von Waſſerrinnen und Waſſeradern hervorrufend, die ſich am Orte des Abſchmel— zens, dem ſog. Zungenende des Gletſchers, zu dem „Gletſcherbach“ vereinigen. Dieſer Bach entführt den im Gletſchergebiet anuſtehenden Felsarten eine beträchtliche Menge feinen und feinſten Mineralſtaubes (Gletſcherſchlamm) und bringt dieſelbe in tiefere Niveaur. Auf dem Rücken der Gletſcher pflegen große Maſſen von Geſteintrümmern der verſchiedenſten Größe zu liegen, die von den Felspartien, zwiſchen welche ſich dieſelben hindurchdrängen, durch die Ein— wirkung des Froſtes oder herabſtürzender La— winen abgeſprengt und mitgeriſſen worden find. Dieſelben würden ſich zu Schutthalden anſam— meln, wenn der Gletſcher ſtillſtände, dadurch aber, daj3 er unter dem Muttergeſtein der Ge— ſteinstrümmer langſam vorbeifließt, ordnen ſich dieſelben in Reihen, welche Seitenmoränen genannt werden. Mit ſolchen Geſteinstrümmern befrachtet, gleitet der Gletſcher thalwärts und trägt ſomit zur Abtragung des Gebirges in eminentem Grade bei. Die Vereinigung zweier Eisſtröme zu einem Hauptgletſcher bewirkt die Verſchmel— zung der inneren Seitenmoränen zu einer ein— zigen, die dann als Mittelmoräne ihren Weg fortſetzt. Je mehr Zuflüſſe ein Gletſcher erhält, deſto zahlreicher ſind auch ſeine Mittel- moränen. Am Zungenende des Gletſchers ſchmel— zen ſeine Eismaſſen, ſeine Geſteinsfracht ſtürzt auf die Thalſohle und häuft ſich hier mit der Zeit zu einem oft über 100 m hohen Wall, der Stirn- oder Endmoräne an. Die Geſteins— trümmer der Seiten- und Mittelmoräne be— halten ziemlich ſcharfe Kanten und Ecken und verändern ſich überhaupt nur wenig, während diejenigen Trümmer, welche zwiſchen dem Eis— ſtrom und den Uferwänden, namentlich aber unter demſelben auf der Gletſcherſohle fortge- ſchoben werden, unter dem Drucke der Eismaſſe theils zu feinſtem Mehl und ſcharfem Sande zerrieben werden, theils angeſchliffen und mit Schrammen und feinen Streifen überzogen Gletſcher. — Glimmerſchiefer. 441 werden. So erklärt fich die Exiſtenz geſchliffener, geſchrammter und gekritzter Geſchiebe (Scheuer— ſteine). Geſteinsmehl, Sand und Geſchiebe bil— den zuſammen die Grundmoräne, die ſehr häufig einen lehmigen Charakter hat. (Geſchiebe— lehm Norddeutſchlands.) Die polierende und ſchrammende Thätigkeit der Gletſcher zeigt ſich auch ſehr häufig an großen Flächen des Felſen— bettes, in welchem ſie dahingleiten. Namentlich an Stellen, wo das Gletſcherbett verengt und die Eismaſſe infolge größeren Gefälles in ſtarker Bewegung iſt, werden die Felſen geglättet und durch die in das Eis eingefrorenen Steine ge— ritzt. Man nennt derartige durch Gletſcher po— lierte und mit parallelen Ritzen und Schram— men verſehene Felsflächen und Felshöcker „Rund— öcker“. N Moränenablagerungen, Gletſcherſchliffe und Rundhöcker machen die wichtigſten Gletſcher— phänomene aus und das genaue Studium der— ſelben ermöglichte die eingehende Erforſchung der ungeheuren Verbreitung der Gletſcher während der älteſten Abſchnitte der Diluvial— periode, der jog. Glacialzeit, und führte insbe— ſondere zu der Erkenntnis, daſs ein bedeutender Theil Nordeuropas und damit ein gewaltiges Areal des heutigen Acker- und Waldbodens als das Verwitterungs- oder Ausſchlemmungspro— duct der Grundmoräne einer von den centralen Partien Schwedens und Norwegens aus ſich ausbreitenden, in allſeitig radiärer Bewegung befindlichen Gletſchereisdecke (Inlandseis) zu be— trachten iſt. Dieſer Inlandsgletſcher breitete ſich faſt über die ganze nördliche Hälfte von Europa aus und nahm während ſeiner größten Aus— dehnung einen Flächenraum von mehr als 2 Millionen Quadratkilometer ein; in Deutſch— land war ſeine Grenze im Süden etwa durch die mitteldeutſchen Gebirge gegeben. Ein zweites gewaltiges Gletſchergebiet während der Glacial— zeit war das alpine. Damals ragten von den Alpen nur noch ihre höchſten Gipfel aus einer einheitlich verſchmolzenen Eisdecke hervor. Aus ihren Hauptthälern traten mächtige Eisſtröme in die Ebene; die einen füllten das weite Thal zwiſchen dem alpinen Gebirge und Jura voll— ſtändig, alſo bis zu einer Höhe von 1350 m aus, andere drangen über den Bodenſee bis weit nach Schwaben und Bayern vor; die ſüd— lichen ſtiegen bis in die Po-Niederung hinab. Als Verbreitungsgebiet der Gletſcher der Jetzt— zeit ſeien kurz genannt die Alpen (hier über- decken ſie noch 60 Quadratmeilen), die Pyre— näen, der Kaukaſus, das Himalayagebirge, Scandinavien und die nordpolaren Regionen, Spitzbergen, die arktiſchen Inſeln Nordamerikas, vor allem aber Grönland. Hier iſt das ganze Innere von einer gewaltigen (Inlands-) Eis⸗ decke überlagert, von welcher nach Rink fünf Eisſtröme dem Meere zuziehen, die demſelben jährlich gegen 1000 Millionen Kubikellen Eis überliefern. v. O. Gletſcher ſind in Tirol durch das Hof— decret v. 7./ 1. 1839, J. G. S. Nr. 325, als Staatsgut erklärt, jo daſs dort das Gletſcher— eis keine freiſtehende Sache (ſ. d.) iſt, ſondern als Zugehör des Gletſchers dem 1 2 Acht. Gliadin (Pflanzenleim) iſt derjenige Pro— teinſtoff des Pflanzenklebers, welchem letzterer vorzugsweiſe ſeine charakteriſtiſchen Eigenſchaften verdankt. Erhalten wird es aus der von Gluten— fibrin befreiten alkoholiſchen Löſung durch Ab— treiben des Alkohols, nach dem Erkalten und be— ſonders auf Zuſatz von Kalilauge ſcheidet ſich das Gliadin (mit Mucedin) aus. Friſch gefällt iſt es eine zähſchleimige Maſſe, die ſich in dünne Fäden ausziehen läſst und ſich im kochenden Waſſer leicht löst. Die Löſung ſchäumt während des Siedens ſtark und trübt ſich beim Erkalten, indem unveränderter Pflanzenleim ausfällt. v. Gn. Gliederegge, ſ. Forſteulturgeräthe, 2b — Waldeggen. Gt. Glime, eine in manchen Gegenden für Engerling gebrauchte Bezeichnung. Hſchl. Glimmer. Die wichtigſten Arten ſind Lithion⸗, Kali⸗, Natron- und Magneſiaglimmer (ſ. d.). v. O. Gkimmerſchiefer iſt ein ſchieferiges Aggre— gat von Glimmer und Quarz, deren Mengungs— verhältniſſe ſehr ſchwankt. Der Quarz erſcheint ſtets in Körnern ohne alle Formausbildung, dabei häufig in Aggregaten, welche ganz rein oder mit wenig Glimmerſchüppchen vermiſcht ſind. Der helle Glimmer iſt meiſt ein Kaliglim— mer (helle Glimmerſchiefer, Muscovitſchiefer), ſelten Natronglimmer (Paragonitſchiefer); in alpinen Glimmerſchiefern tritt häufig weißer Barytglimmer auf. Der dunkle Glimmer iſt in den meiſten Fällen Magneſiaglimmer (dunkle Glimmerſchiefer, Biotitſchiefer), ſeltener Lepi— domelan. An acceſſoriſchen Beſtandtheilen iſt der Glimmerſchiefer ſehr reich; die häufigſten ſind: hellrother Kalkthon- oder Eiſenthongranat (ſeine Größe variirt von mikroſkopiſch kleinen bis zu 5 —6 cm im Durchmeſſer haltenden In— dividuen), Turmalin, Feldſpath, Hornblende, Staurolith, Cyanit, Epidot, Chlorit, Kalk, Graphit, Eiſenglimmer, Rutil, Magnetit, Schwe— felkies, Apatit. Letzterer kommt in vereinzelten, meiſt mikroſkopiſch kleinen Körnern, ſeltener kryſtalliſiert, überall vor, aber in ſehr wechſeln— der Menge. Die Glimmerſchiefer beſitzen meiſt eine mittlere Größe der Gemengtheile; aber auch feinkörnige, ſelbſt dichte Varietäten kommen vor. Die Schieferung iſt in weitaus den meiſten Fällen vorzüglich ausgebildet. Sie iſt in erſter Linie durch die Lage der Glimmerſchüppchen bedingt, aber auch der Quarz kann daran be— deutenden Antheil nehmen, indem ſich dünne Lamellen desſelben zwiſchen glimmerreichere Lagen ſchieben. Der Glimmerſchiefer zeigt außer der Schieferung eine ſehr ausgeprägte Schich— tung. Einlagerungen mannigfaltiger anderer Geſteine (Quarzit, kryſtalliniſcher Kalkſtein, Graphit⸗, Hornblende-, Talk-, Chlorit- und Thonſchiefer, Erzgeſteine) ſind im Glimmer— ſchiefer ſehr gewöhnlich. Er bildet das Haupt— geſteinsmaterrial der unteren Urſchieferformation in den Salzburger und Oberkärnthner Alpen, im böhmiſch-bayeriſchen Waldgebirge, im Erz— gebirge, in den Sudeten, in Scandinavien und in Amerika. Viele Glimmerſchiefer gehören zu den leicht verwitternden Geſteinen, nicht ſowohl weil ihre Gemengtheile ſich zerſetzen, als weil das ie N . a“ 442 Glimmerſchieferformation. — Glutaminſäure. Gefüge der Quarzkörner und Glimmerſchüppchen; ſchaft, I., 3, p. 386. durch die Verwitterungsagentien gelockert wird; das Geſtein kann ſo äußerlich noch recht friſch erſcheinen und doch ſchon dem Zuſtande recht nahe ſein, indem es eine eiſenreiche, gelb- bis rothbraune, mit Quarz und Glimmer gemiſchte lockere Bodenmaſſe bildet. Eine ſtarke Röthung des Schiefers iſt immer auf die Zerſetzung der Eiſenerzgemengtheile zurückzuführen. Quarz— reicher Muscovitſchiefer mit faſerigem Gefüge iſt dagegen faſt allerorts zu den ſchwer ver— witternden Geſteinen zu rechnen; er formt daher auch oft ſchroffe Felspartien und veranlaſst geradezu die größere Höhe der aus ihm beſte— henden Berge; die höchſten Gebirgsgipfel be— ſtehen ſehr häufig aus Felſen von Glimmer— ſchie fer. Der Verwitterungsboden der Kaliglimmer— ſchiefer iſt gelb bis bräunlich, flachgründig und infolge des vorwiegenden Glimmergehaltes ſehr bindungslos; die geringwertige Bodenart ge— nügt häufig kaum der Fichte. Der (gewöhnlich dunkelbraune) Boden des Magneſiaglimmer— ſchiefers iſt meiſt reicher an Thonbeſtandtheilen und bietet auch anſpruchsvolleren Holzarten einen guten Standort. Beiden Bodenarten ge— meinſam iſt die ungünſtige Einwirkung der meiſt wagrecht liegenden größeren Bruchſtücke des Muttergeſteins, welche dem Eindringen der Wurzeln hinderlich ſind. v. O. Glimmerſchieferformation iſt eine Unter- abtheilung der Urſchieferformation. Neben Glim— merſchiefer ſührt ſie Amphibolite, Chlorit- und Talkſchiefer, Erze, kryſtalliniſche Kalkſteine, Quarzite, Garbenſchiefer und Gneiſe. Über die Verbreitung ſ. Urſchieferformation. v. O Globuline ſind Eiweißkörper, welche nicht in Waſſer, wohl aber in Löſungen von Chlor— natrium, Natrium- und Magneſiumſulfat von mittlerer Concentration löslich ſind und beim Erhitzen gerinnen. Aus ihren Löſungen werden ſie durch Waſſer oder Sättigen der Löſungen mit den betreffenden Salzen gefällt, überſchüſ— ſiges Alkali verwandelt ſie in Albuminat, über— ſchüſſige Säure in Acidalbumin. S. Eiweiß— körper v. Gn. Glocke, die. J. Das dem Mundſtück entgegengeſetzte Ende des Jagdhornes, das Schallloch. „Dieſes Horn ſoll der Jäger . . . über dem Hornfeſſel tragen, die Glocken vornen und das Mundſtück hinten wenden.“ Pärſon, Hirſchgerechter Jäger, 1734, fol. 75. — Bechſtein, Hb. d. Jagdwiſſen— ſchaft, I. 3, p. 751. II. „Glocke iſt ein glockenförmig Garn, welches Winterzeit zum Hühnerfangen gebraucht wird.“ Chr. W. v. Heppe, Wohlred. Jäger, p. 186. — D. a. d. Winkell, Hb. f. Jäger, II. b. 303. — Laube, Jagdbrevier, p. 279. — Sanders, Wb., I. p. 600 b. E. v. D. Glocke ſeltener Haus) heißt die Vertie— fung in der Bodenmitte der Metallpatronen— hülſen (für Centralfeuergewehre) zur Aufnahme des Zündhütchens. Th. Glockenblume, ſ. Campanula. Wm. Glockengarn, das, ſ v. w. Glocke II., ſ. d. J. Chr. v. Heppe, Jagdluſt, 1783, II., p. 195. Onomat. forest. I., p. 1050. — Behlen, Wmſpr. 1829, p. 71. — Bechſtein, Hb. d. Jagdwiſſen⸗ f E. v. D Glöckner'ſche Stockrodemaſchine, iſt ein rechteckiger, feſter Holzrahmen, der auf vier Füßen ruht. An der längeren Seite des Rah— mens ſind zwei Achſen angebracht, die mit ihren Lagen in den Seitentheilen des Rahmens ruhen. Die eine Achſe trägt ein großes, die andere ein kleines Zahnrad, welche ineinander— greifen. Das kleine Zahnrad, bezw. die Achſe desſelben, iſt an beiden Enden, u. zw. außer- halb des Rahmens mit Kurbeln in Verbindung. An der Achſe des großen Rades iſt eine Kette mit einer Eiſenzange befeſtigt, durch Drehung des Rades wird die Kette aufgewunden und damit gleichzeitig auch der an die Kette be— feitigte Stock gehoben. Zur Handhabung der Kurbeln ſind 4—6 Mann erforderlich. Fr. Glossa, nach Fabricius — Rollrüſſel (bei den Schmetterlingen). — Glossarium Stech⸗ borſte (Zunge) bei den Dipteren. — Glossa- theca = Zungenfutteral bei den verhüllten Puppen der Schmetterlinge. Hſchl. Glück auf! „Welches . .. noch bei eini— gen Weidleuten gebräuchlich, dass fie einander mit dieſen Worten begrüßen oder Abſchied neh— men: Weidemanns Heil oder auch bei einigen: Glück auf!“ Döbel, 1746. III., fol. 158. — Großkopff, Weidewercks-Lexik., p. 141, 335. — Chr. W. v. Heppe, Wohlred. Jäger, p. 186. — Behlen, Real- und Verbal-Lexikon, VII., p. 241. — ÖOnomat. forest., I., p. 1050. — Heute tft „Weidmannsheil!“ allein üblich. Glucke, deutſcher Name für die der Spin- nergattung Gastropacha (ſ. d.) angehörigen Schmetterlinge. Hſchl. Glühftorn, iſt ein auf dem Gewehr, ge— wöhnlich durch einen Gummiring zu befeſti— gendes Korn, welches mit Leuchtfarbe (Schwe— felbarium) beſtrichen iſt und im Dunkeln leuch— tet. Der Jäger ſoll dadurch in den Stand ge— ſetzt werden, auch bei Nacht ſicher zielen zu können. Will man ſich eines Glühkorns be— dienen, ſo muſs man dasſelbe während des Tages dem Sonnenlichte oder kurz vor dem Gebrauch einem hellen künſtlichen Licht (3. B. Magneſiumlicht) ausſetzen, da die Leuchtfarbe das aufgeſogene Licht nur während einiger Stunden wieder ausſtrahlt. Die Anwendung des Glühkorns kann von Nutzen ſein, wenn es ſich in tiefer Nacht um die Erlegung von Raubzeug oder ſchädlichem Wild handelt; gegen nutzbares Wild wird ſich der waidgerechte Jäger desſelben wohl nicht bedienen, da er im Dunkeln das Wild nicht ſicher erkennen und unterſcheiden und auch mit dem Glühkorn auf keinen ſicheren Schuſs rechnen kann. v. Ne. Glutamin (Glutaminſäureamid), C5 110 N. 3 findet ſich weit verbreitet im Pflanzenreiche; am reichlichſten fand man es in den Kürbis— keimlingen, dann neben Betain in Rüben, nicht in Kartoffeln und Lupinenkeimen. v. Gu. Glutaminſäure (Amidonormalbrenzwein— jäure), C;H,NO,, findet ſich im Runkelrüben⸗ ſaft, in der Rübenmelaſſe, in Kürbis- und Wickenkeimlingen und entſteht beim Kochen von Pflanzenalbuminaten mit verdünnter Schwefel- Gluten. — Glyeinſäure. 443 ſäure, von Caſein mit Salzſäure und Zinnchlorür, von Albumin mit Barythydrat. Farbloſe, in Waſſer und Alkohol ſchwer lösliche Kryſtalle, polariſiert nach rechts. v. Gn. Gluten, j. Kleber. v. Gu. Glutencaſein (Pflanzencaſein), iſt ein Hauptbeſtandtheil des Klebers und wird dar— geſtellt, indem man dem Kleber durch Kochen mit 60-70% igem Alkohol die übrigen Kleberpro— teine entzieht. Der in Weingeiſt unlösliche Rück— ſtand iſt Glutencaſein. Es bildet im friſchen Zuftande grauweiße, an der Luft nachdunkelnde ſchleimige Maſſen, welche in ſehr verdünnter Kalilauge und in Löſungen von baſiſchen und ſauren Phosphaten löslich ſind. Bei der Be— handlung mit Schwefelſäure liefert das Gluten— caſein hauptſächlich Glutaminſäure. v. Gn. Glutenſibrin, ein Kleberprotein, welches aus gereinigtem Kleber mit kochendem, 60 bis 70% igem Alkohol neben Gliadin und Mucedin ausgezogen werden kann. Aus dieſer weingei— ſtigen Löſung ſcheidet ſich das Glutenfibrin nach dem Erkalten in Form dicker weicher Häute ab, welche nach dem Abnehmen ſich immer wie— der erneuern, was für das Glutenfibrin charak— teriſtiſch iſt. Im friſchen Zuſtande iſt es bräun— lichgelb und zähe, nach dem Trocknen Hornartig ſpröde. v. Gn. Glutin (Knochenleim), Crosets: NA Oase, entſteht, wenn die Grundſubſtanz des thieriſchen Bindegewebes, die collagene Subſtanz, mit heißem Waſſer behandelt wird. In kaltem Waſſer iſt Glutin unlöslich, quillt in demſelben aber ſtark auf. Durch Eſſigſäure wird es nicht gefällt (Unterſchied von Chondrin), ebenſowenig durch Alaun; hingegen entſtehen durch Gerbſäure (Lederbildung) und Queckſilberchlorid Nieder— ſchläge. Durch längeres Erwärmen des Leims geht ſein Gelatinierungsvermögen verloren. Leim enthält mehr Stickſtoff als die Eiweißkörper. v. Gn. Glyceride nennt man die Verbindungen des Glyceryloxydes oder Glyceryläthers mit Säureanhydriden. Da das Glyceryloxyd ein dreiatomiger oder dreiſäuriger Ather iſt, ſo exiſtieren auch drei Reihen von Glyeeriden, nämlich Monoglyceride, Diglyceride und Triglyceride. Die gewöhnlichen Fette (ſ. d.) ſind Triglyceride. Man erhält Glyceride, wenn man Glycerin mit den betreffenden Säuren in zugeſchmolzenen Glasröhren längere Zeit erhitzt oder wenn man auf eine Miſchung des Gly— cerins mit den betreffenden Säuren Chlorwaſſer— ſtoff einwirken läſst. Die näheren Eigenſchaften der Glyeeride ſ. Fette. v. Gn. Glycerin (Glycerylalkohol, Glyceryloxyd— hydrat, Olſüß, Scheel'ſches Süß), C,H,O,, fin⸗ det ſich an Fettſäuren gebunden in Form von Glyceriden in den Fetten und kann aus dieſen durch Verſeifung gewonnen werden; auch bildet es ſich in geringer Menge bei der alkoholiſchen Gährung des Zuckers. Im großen gewinnt man das Glycerin in den Stearinkerzenfabriken, in— dem man nach Abſcheidung der Fettſäuren und des Verſeifungsmittels die wäſſerige Löſung verdampft. Das ſyrupartige braune Rohglycerin wird mit überhitztem Waſſerdampf deſtilliert oder nur mittelſt Knochenkohle entfärbt. Rein iſt nur das deſtillierte Glycerin, das übrigens gleichfalls über Knochenkohle filtriert und zur Entfernung flüchtiger Säuren mit Dampf von 100-140 behandelt wird. Seiner chemiſchen Stellung nach gehört Glycerin zu den drei— atomigen Alkoholen. Vollſtändig gereinigtes und waſſerfreies Glycerin iſt eine farbloſe, durch— ſichtige und ſyrupdicke Flüſſigkeit von ſüßem Geſchmack und ohne Geruch, jpec. Gew. 127, Siedetemperatur 290°, bei ſtarker Winterfälte kryſtalliſiert es, die Kryſtalle ſchmelzen bei + 7°; bei vorſichtigem Erhitzen, beſſer im luftver— dünnten Raume, läſst es ſich unverändert de— ſtillieren, bei raſchem ſtarkem Erhitzen zerſetzt es ſich unter Bildung von Acrolein, es läſst ſich entzünden und brennt mit blauer, ſchwach leuchtender Flamme. An der Luft zieht das Glycerin nach und nach bis zu 50%, Waſſer an; mit Waſſer und Alkohol, läſst es ſich in jedem Verhältnis miſchen, in Ather und Chloro— form iſt es unlöslich. Das Glyeerin iſt infolge ſeiner vielfachen techniſchen Verwendung zu einem wichtigen Handelsartikel geworden. Unter anderem wird es benützt als Schmieröl, zum Geſchmeidigmachen der Haut, im verdünnten Zuſtande zum Füllen von Gasuhren, zur Her— ſtellung von Nitroglycerin, als Zuſatz zu Bier und Wein (Scheeliſieren), zur Anfertigung von Buchdruckerwalzen u. ſ. w. Mit Hefe und viel Waſſer verwandelt ſich Glycerin bei 20—30° in einigen Monaten in Propionſäure (mit we— nig Eſſigſäure und Ameiſenſäure), bei Gegen— wart von Calciumcarbonat und Spaltpilzen liefert es je nach den Verhältniſſen verſchiedene Gährungsproducte. v. Gn. Glycerinphosphorſäure, C,;H,PO,, ſpielt im Thierkörper eine nicht unwichtige Rolle. Wird das Lecithin des Gehirns mit Baſen oder verdünnten Säuren gekocht, ſo zerſetzt es ſich in fette Säuren, Neurin und Glycerinphos— phorſäure; auch aus dem Eidottex, den Blut— körperchen, der Galle u. a m. läſst ſie ſich auf gleiche Weiſe darſtellen. In kleinen Mengen findet ſie ſich im normalen Harn. Sie ſtellt eine zähe, ſyrupartige Maſſe dar, die in gelinder Wärme in Glycerin und Phosphorſäure zer— fällt, iſt zweibaſiſch und bildet kryſtalliniſche, in Waſſer lösliche Salze. v. Gn. Glycerinſäure ( Dioxypropionſäure) CHs. wird gewonnen durch Oxydieren des Glycerins mit Salpeterſäure. Die Glyeerinſäure iſt eine ſyrupöſe, in Waſſer und Alkohol leicht lösliche Flüſſigkeit von ſtark ſaurem Geſchmack und iſt einbaſiſch. v. Gn. Glycerinſchwefelſäure, Cas S805, iſt eine einbaſiſche Säure, welche durch Vermiſchen von I Theil Glycerin mit 2 Theilen Schwefelſäure unter ſtarker Wärmeentwicklung entſteht. Das aus dem Gemiſch nach Verdünnen mit Waſſer mittelſt kohlenſauren Kalkes gewonnene Kalkſalz iſt in Waſſer leicht löslich, kryſtalliſiert in Na— deln und iſt wie die freie Säure wenig be— ſtändig. v. Gn. Glycinſäure, Ce He Ole, entſteht beim Kochen von Rohrzucker mit verdünnter Schwe— felſäure oder von Traubenzucker oder Gerbſäure mit Baryt, honigartig, leicht löslich in Waſſer und Alkohol. v. Gn 444 Glycocholſäure, Ces Has NO, wird aus friſcher Ochſengalle erhalten, wenn man dieſelbe mit wenig Ather überſchichtet, etwas concen- trierte Salzſäure zufügt und durchſchüttelt, da— bei ſcheidet ſich die Glycocholſäure in Kryſtallen ab, die durch Umkryſtalliſieren aus heißem Waſſer gereinigt werden. In kaltem Waſſer iſt ſie ſchwer löslich, ebenſo in Ather; ſie iſt eine einbaſiſche Säure, deren Salze man kryſtalli— niſch erhält, wenn man ihre wäſſerige Löſung mit Ather verſetzt. Beim Kochen mit Baryt— waſſer zerfällt die Glycocholſäure in Glycocoll und Cholalſäure. v. Gu. Glycocoll (Glyein, Amidoeſſigſäure, Leim⸗ zucker), Ce Hz NOe, iſt eine ſtickſtoffhaltige, zu den Amiden gehörige organiſche Verbindung, die ſich ſowohl mit Säuren als auch mit Baſen und Salzen verbinden kann. Es bildet ſich bei vielen Zerſetzungsproceſſen ſtickſtoffhaltiger thie— riſcher Subſtanzen. Am beſten ſtellt man es aus Hippurſäure dar durch Kochen derſelben mit verdünnter Schwefelſäure. Es ſtellt große, farbloſe, luft beſtändige Kryſtalle dar, die ſüß ſchmecken, in Waſſer und Weingeiſt löslich, in Altohol und Ather unlöslich ſind. Glycocoll reagiert neutral, iſt nicht gährungsfähig, ſchmilzt bei 232° unter Zerſetzung mit dunkler Purpur⸗ farbe, färbt ſich mit Eiſenchlorid tiefroth und gibt mit Atzbaryt Methylamin und Kohlenſäure, mit ſalpetriger Säure Glycolſäure, mit alko— holiſchem Ammoniak Glyeolamid. v. Gn. Glycogen, Col., iſt ein der Gruppe der Kohlehydrate angehöriger, in der Leber des Menſchen und der Pflanzenfreſſer, in den Ge— weben des Embryo, im Ei, Gehirn, Blut u. ſ. w. ſich findender Körper. Durch reichliche Gaben von Kohlehydraten in der Nahrung ſteigt der Glyeogengehalt der Leber ſehr ſtark, während reichliche Eiweißnahrung und Hunger— diät denſelben herabſetzt. Die Mutterſubſtanz des Glycogens iſt noch nicht bekannt. Das Gly— cogen iſt amorph, farb-, geruch- und geſchmack— los, löslich in Waſſer, nicht in Alkohol, pola— riſiert nach rechts, färbt ſich mit Jod roth, wirkt nicht reducierend, iſt nicht vergährungs— fähig, wird durch diaſtatiſche Fermente und Schwefelſäure in Zucker verwandelt. In der Leber wird das Glyeogen nicht oder nur in ſehr geringen Mengen in Zucker 80 n. Glycol — Athylenalkohol. v. Gn. Glycole ſind zweiwertige Alkohole der Fettreihe. v. Gn. Glycolſäure (Oxyeſſigſäure), C,H,O,, fin⸗ det ſich in unreifen Weintrauben, in den Blät— en von Ampelopsis hederacea, entjteht bei Oxydation von Athylenalkohol mit verdünnter Salpeterſäure, aus Glycocoll und ſalpetriger Säure ꝛc. Man ſtellt ſie dar, indem man in eine in fortwährendem Sieden gehaltene Löſung von monochloreſſigſaurem Kali jo lange feſtes kohlenſaures Kali in kleinen Mengen einträgt, bis ſich die ſchwach alkaliſche Reaction nach längerem Kochen nicht mehr verliert. Die Gly— colſäure bildet farbloſe, ſehr leicht in Waſſer, Alkohol und Ather lösliche Kryſtalle, ſchmeckt ſtark ſauer, verliert beim Erhitzen Waſſer und geht in Anhydrid über. Die Salze der Glycol— Glycocholſäure. — Glyptoderes. 2 jäure find in Waſſer löslich und meiſt leicht Anal v. Gn. Glycoſe, ſ. Traubenzucker. v. Gn. See (Glukoſide) ſind im Pflanzen⸗ reiche ſehr verbreitete, im Thierreich ſeltener vorkommende organiſche Körper, die ſich dadurch charakteriſieren, daſs ſie durch Waſſeraufnahme leicht in Zucker und in einen anderen Körper zerfallen. Sie dürften als Reſerveſtoffe und Mutterſubſtanz mancher wertvoller Pflanzen- fe anzuſehen ſein. Die Glyeoſide ſind feſte, nicht flüchtige, zumeiſt kryſtalliſierende Subſtanzen von complicierter Zuſammenſetzung. Viele find in kaltem Waſſer ſchwer löslich, hin— gegen leichter in heißem Waſſer und Alkohol, in Ather ſind ſie unlöslich; viele ſind optiſch activ und von dieſen drehen die meiſten nach links. Über 200° zerſetzen fie ſich zumeiſt zu- nächſt in ein Anhydrid des betreffenden Zuckers und in den zweiten Componenten. In chemiſcher Beziehung kann man ſie als ätherartige Ver— bindungen von Zucker oder ſolchen Subſtanzen, die leicht in Zucker übergehen, betrachten. Zu den Glycoſiden gehören u. a. Amygdalin, Sa⸗ licin, Populin, Feliein, Coniferin, Phloridzin, Asculin, Arbutin, Frangulin, Solanin, Myron— ſäure, Galläpfelgerbſäure, Quereitrin u. ſ. w. v. Gn. Glypina betulae, ſ. Callipterus. Hſchl. Glyptoderes Eichhoff, eine den Cryphalen (ſ. d.) ſehr nahe ſtehende, von Eichhoff wegen Fünf- gliedrigkeit der Fühlergeißel von jenen losge— trennte Gattung der Familie Scolytidae (j. d.), Unterfamilie Tomieini (ſ. d.), Ordnung Cole- optera (ſ. d.). — Die Fühlerkeule iſt lang» eiförmig; Schienen zuſammengedrückt, nach vorn erweitert, außen gezähnt, an der Spitze mit einem Endſporn Bruſtſchild breiter als lang, hochgewölbt, auf dem Vordertheile mit einem Höckerfleck und durch 2—4 dicht zuſammenge— drängte, über den Vorderrand vorragende Körn— chen ausgezeichnet und dadurch zugeſpitzt er— ſcheinend. ch deutlich. Kinn eiförmig, nach vorn verſchmälert. Von der, dieſer Gat— tung zunächſtſtehenden, Stephanoderes (ſ. d.) weicht Glyptoderes durch langeiförmig zuge— ſpitzte, „deutlich gegliederte Fühlerkeule, ſowie durch Form des Kinnes und der Schienen ab. Nur drei Arten, welche ausnahmslos den Laub— hölzern angehören: A. Flügeldecken deutlich punktiert geſtreift. 1: Glyptoderes granulatus Ratzb. Gekörnter Pappelborkenkäfer. Halsſchild hinter der Mitte am breiteſten, nach vorne merklich eingeſchnürt — verſchmälert, mit 4 ſtark vortretenden Körnchen in der Mitte des Vor— derrandes; Höckerfleck den ganzen vorderen Theil des Halsſchildes einnehmend, aus breiten con— centriſchen Höckerreihen zuſammengeſetzt; hinter demſelben fein punktiert. Käfer länglich eiförmig, ſchwarz oder pechbraun, glanzlos, greis be— haart. Beine und Fühlerbaſis wachsgelb, die Keule dunkel gefärbt. Flügeldecken am Abſturz nächſt der Naht ſchwach eingedrückt, die Spitze ſtumpf abgerundet. Länge 17—2 mm. Vor⸗ kommen: an Weißpappel (Populus alba). Ich fand die Käfer im Prater bei Wien, u. zw. ent⸗ Sr i ’ Gunadengehalt. — Gnadenſchuſs. hielten die 2—3 em ſtarken Zweige am 22. No— vember überwinternde Käfer und einzelne Lar— ven. Eine ausgeſprochene Gangform läſst ſich nicht erkennen. Die Einbohrſtelle liegt aus— nahmslos in der Achſel eines Blattkiſſens; der Brutplatz befindet ſich unmittelbar unter der Korkhaut im Rindenfleiſche; Larvengänge, ſo— weit meine eigenen Beobachtungen reichen, nicht vorhanden. Es ſcheint demnach, daſs die Eier nur in geringer Anzahl und haufenweiſe regel— los zur Ablage gelangen. 2. Glyptoderes Alni Lindemann. Ge— körnter Erlenborkenkäfer. Halsſchild an der Baſis am breiteſten, klein, nur ½ der Flügellänge, gleichmäßig nach vorn verſchmälert, die Vorderrandmitte mit 2—4 vorragenden Körnchen; Höckerfleck auf dem Vordertheile des Halsſchildes faſt Zig, nach hinten etwas an— ſteigend, aus zerſtreuten Körnchen zuſammen— geſetzt; hinter demſelben ziemlich grob, körnig punktiert. Flügeldecken faſt von der Mitte an flach ſchräg nach hinten abgewölbt; Punkte der Punktſtreifen in die Breite gezogen, die Zwi— ſchenräume derſelben deutlich querrunzelig, reihenweiſe mit Haarbörſtchen beſetzt. Im all— gemeinen iſt der Käfer langgeſtreckt, ſchwarz, mäßig glänzend, gelblich greis behaart; Tarſen gelblich. Länge 1˙5—1˙7 mm. Vorkommen: Ruſsland; Weißerle (Alnus incana). Brutgänge unregelmäßig, ſtellenweiſe erweitert, höchſtens 3 em lang und 1°5 mm breit. Nach Lindemann in abgeſtorbenen Aſten ſtehender (umliegender) Bäume. B. Flügeldecken nur an den Seiten, und auch hier nur undeutlich punktiert geſtreift; im übrigen glatt; am Abſturz beiderſeits mit einem Höckerchen. 3. Glyptoderes binodulus Ratzb. Zweihöckeriger Aſpenborkenkäfer. Hals— ſchild an der Baſis am breiteſten, halbkugelig, nach vorn gleichmäßig abgerundet, durch die 4 in der Mitte vortretenden Körnchen kaum merklich zugeſpitzt. Höckerfleck breit, den ganzen Vordertheil einnehmend; hinter demſelben äußerſt fein punktiert. Flügeldecken an der Spitze flach abgewölbt, hinten ſtumpf abge— rundet. Käfer geſtreckt, ſchwarz, mattglänzend, greis behaart. Fühler und Beine gelb. Länge 1˙3—2 mm. Vorkommen: Wie es ſcheint, hauptſäch⸗ lich unter Aſpenrinde (Populus tremula), viel- leicht auch an anderen Pappelarten. Brutgang mir unbekaunt (vgl. Gl. granulatus, Nr. 1). Verbreitungsgebiet (nach Eichhoff) Deutſchland mit Einſchluſs Lothringens, Dfterreich, Frank— reich, Corſica. Hſchl. Gnadengehalt. Bezüge, welche der Wald— beſitzer (der Staat, bezw. das Staatsoberhaupt) den Angeſtellten oder deren Angehörigen aus freiem Willen, alſo ohne Rechtsverbindlichkeit (meiſt in ſpecieller Berückſichtigung der von Fall zu Fall vorliegenden Verhältniſſe) ge— währt, werden, wenn es einmalige Bezüge ſind, als Gnadengaben, wenn es dauernde Bezüge ſind, als Gnadengehalte bezeichnet. Die Ge— währung von Gnadengehalten als Altersver— ſorgung für die Angeſtellten oder an die Hinter⸗ bliebenen derſelben tritt insbeſondere bei jenen 445 Verwaltungen ein, bei welchen ein bejonderes Penſionsnormale oder eine ſonſtige Altersver— ſorgung der Angeſtellten nicht beſteht. Auch ſolchen aus dem Dienſte ausgeſchiedenen oder entlaſſenen Angeſtellten, welche bei beſtehendem Penſionsnormale einen Anſpruch hierauf noch nicht erworben oder denſelben verwirkt haben, kann ein weiterer Bezug nur in Form eines Gnadengehaltes gewährt werden. Auch das jog. Gnadenquartal oder Gnadenmonat (der Fort— bezug des vollen Gehaltes von Seite der Hinterbliebenen eines im activen Dienſte ver— ſtorbenen Angeſtellten durch die bezeichnete Zeit) gehört in die Kategorie der Gnadengaben— wenn auch dieſer Bezug nicht als ein von Fall zu Fall zu gewährender, ſondern als allge— meine Norm anzuſehen iſt. (So z. B. in Preußen der Bezug des Sterbequartals durch die An— gehörigen aller unmittelbaren Staatsbeamten.) v. Gg. Gnadengeſuche, welche gegen ein noch im Zuge befindliches Forſtſtrafverfahren eingebracht werden, ſind als Recurſe zu behandeln; es mujs daher bei deren Entſcheidung auf die etwa in- mitten liegende Verjährung (j.d.) der Über— tretung von amtswegen Rückſicht genommen werden, wenn dieſe von der Partei nicht ſelbſt geltend gemacht wurde. Bei Gnadengeſuchen gegen bereits rechtskräftig gewordene Entſchei— dungen im Forſtſtrafverfahren iſt auf die etwa eingetretene Verjährung von amtswegen keine Rückſicht zu nehmen, doch kann die zweite In— ſtanz, wenn in dem Gnadengeſuche ſich auf die Verjährung ausdrücklich berufen wird und deren Eintritt vor Schöpfung des erſtrichter— lichen Erkenntniſſes aus den Acten klar hervor— geht, die unberückſichtigt gebliebene Verjährung als einen Grund der theilweiſen oder gänzlichen Strafnachſicht anerkennen; die rechtskräftig ge— wordenen Schadenerſatzerkenntniſſe ſind jedoch immer aufrechtzuerhalten (Erl. d. Min. d. J. v. 4./6. 1855, Z. 5137). Mcht. Gnadenjagd. Vergünſtigungsweiſe ver— liehene Berechtigung zur Ausübung der Jagd; dieſelbe erſtreckte ſich in der älteren Zeit ge— wöhnlich nur auf die Abhaltung einer beſtimmten Anzahl von Jagden oder zur Erlegung einer beſtimmten Wildzahl im Jahre. (Item ez ist auch geteilt uf den eyt, daz ein grefe von Hennenberg reht habe drystunt zü jagen: und daz ist eyns in der veiste, daz ander in der röte, daz dritte in der brünft, Weisth. d. Salz- forſtes d. a. 1326, und: Auch weiszen meines herrn förster dem hausz zue Rottenfels das recht, das die drey hirtz sollen fahen. unnd sollen die jagen uber landt in der feisten, zwischen denn zweyen unszer lieben frauwen tagen. Speſſarter Förſterweisth. Anf. d. XVI. Jahrh.). Später (etwa ſeit dem XVI. Jahrhun- dert) wurde das Jagdrecht innerhalb eines beſtimmten Bezirkes ebenfalls in dieſer Form verliehen, u. zw. theils auf Lebenszeit, theils erblich; hiefür muſste öfters eine nicht unbe- deutende Abgabe gezahlt werden, wodurch der Übergang zur Jagdverpachtung gebildet wurde. Vgl. a. Jagdrecht, Geſchichte desſelben. Schw. Gnadenſchuſs, der, ein Schuss, der ſtatt des Fanges auf ein im Verenden begriffenes 446 Stück abgegeben wird, um den Tod raſcher herbeizuführen. „Der Schuſs auf das Haupt u. zw. hinter den Lauſcher iſt der weidgerechte Gnadenſchuſs auf das Wild im Schweiß— bette.“ R. R. v. Dombrowski, Edelwild, p. 152. — Id. Der Fuchs, p. 182. — Sanders, Wb., II., p. 1227 a. E. v. D. Gnaphalium L., Ruhrkraut (Familie Compositae). Ausdauernde, filzige Kräuter mit einfachem oder äſtigem Stengel, ganzrandigen kleinen Blättern und kleinen Blütenkörbchen, deren halbkugelige ziegelſchuppige Korbhülle aus trockenhäutigen raſchelnden gefärbten Schuppen beſteht und eine Menge ſehr kleiner Blüten um ſchließt. Auf Waldboden der Ebenen und Gebirge kommen allenthalben vor: das zweihäuſige Ruhrkraut oder Katzenpfötchen, 6. di- oicum L. (Antennaria dioica Gärtn.) und das Waldruhrkraut, G. silvaticum L. Erſteres kleine niedrige Raſen bildend, mit kriechendem, Fig. 392. Gnaphalium dioicum, Ausläufer treibendem Wurzelſtock, zeichnet ſich durch die ſchön gefärbten Hüllen der kopfig zuſammengedrängten Körbchen aus, u. zw. ſind die Korbhüllen der männlichen Pflanze weiß, die der weiblichen ſchön roſen- bis purpurroth. Das Katzenpfötchen wächst überall an trockenen ſteinigen, ſonnigen Platzen in und außerhalb des Waldes, und zeigt ſein maſſenhaftes Vor— kommen eine magere, wenig nahrhafte Boden— beſchaffenheit an. Es blüht im Mai und Juni. Das Waldruhrkraut entwickelt viele ſteif auf— rechte, einfache, ruthenförmige, in eine beblät— terte Ahre von Blütenkörbchen endigende, 15 bis 30 em lange Stengel. Seine länglichen Blüten— körbchen ſind von glänzend kaſtanienbraunen Hüllſchuppen umſchloſſen und enthalten gelblich— weiße Blüten, von denen die randſtändigen weiblich, die übrigen zwitterlich ſind. Es wächst Gnaphalium — Gneiß. ſehr häufig auf Waldſchlägen, Culturen, in Schonungen, an Waldrändern, verräth nahr— haften Boden und blüht vom Juli bis October. Zur Gattung Gmaphalium gehört auch das Edelweiß (G. Leontopodium L.). Wm. Gnathopoda, nach Spence Bate das erſte Fußpaar der Larve und der imago. Hſchl. Gneiß. Der Gneiß beſteht aus Orthoklas, Plagioklas, Quarz und Glimmer, meiſt in fla- ſeriger oder ſchieferiger Anordnung. Abgeſehen von anderen Eigenſchaften, unterſcheidet er ſich ſomit vom Granit, der dieſelben Gemengtheile enthält, der Regel nach ſchon durch eine mehr oder weniger ausgeſprochene Parallelſtructur. Edle Erzgänge als oft ſtark zerſetztes Neben— geſtein im ſächſiſchen Erzgebirge häufig be— gleitend, wurde er von den flaviſchen Bergleuten gnoitschtsche (Miſt) genannt, ein Wort, welches, vom Verbum gniti (verfaulen) ſtam— mend, die deutſche Benennung erklärt. Der Quarz beſitzt in den meiſten Fällen eine licht— grauliche Farbe, welche durch das Durchſcheinen dunkler Gemengtheile ſowie durch Einſchlüſſe in die an ſich farbloſen Maſſen bedingt wird. Der Orthoklas hat wohl in den meiſten Gneißen eine adularähnliche Beſchaffenheit; erſt durch partielle Zerſetzung wird er dem Feldſpat der Granite ähnlich; die röthliche Färbung durch Eiſenoxyd iſt für gewiſſe Gneiße charakteriſtiſch. Plagioklas dürfte kaum einer Gneißart fehlen, ja in einigen Varietäten iſt er der ausſchließ— liche feldſpäthige Gemengtheil. Seiner chemiſchen Zuſammenſetzung nach dürfte er in den meiſten Fällen dem Oligoklas nahe ſtehen. Der Glim— mer iſt meiſt heller Kaliglimmer oder dunkler Magneſiaglimmer; beide Arten kommen auch nicht ſelten zuſammen vor. Unter den zufälligen Gemengtheilen, an welchen der Gneiß ſehr reich iſt, ſeien hervorgehoben: Graphit, Granat, Tur— malin, Epidot, Rutil, Zirkon, Hornblende, Eiſenglimmer, Magneteiſenerz, Schwefelkies und Apatit. Letzterer iſt nur ganz ausnahmsweiſe makroſkopiſch ſichtbar (3. B. im Gneiß des Roſs— kopfes bei Freiburg im Breisgau), in mikro— ſkopiſchen Gebilden tritt er jedoch in faſt allen Gneißvarietäten auf. Kryſtallform iſt an ihm nur ſelten wahrzunehmen, gewöhnlich erſcheint er in dicken, rundlichen Körnern, die unregel— mäßig im Geſtein zerſtreut ſind. Die durch— ſchnittliche Größe der Gneißbeſtandtheile ent— ſpricht einer mittleren Körnung; manche Gneiße ſind nur ſcheinbar grobkörnig, indem Quarz und Feldſpathe aus kleineren Individuen zu— ſammengeſetzt ſind. Es kommt aber auch wirk— lich ſehr grobkörniger Gneiß vor; ſo der „Rie— ſengneis“ bei Annaberg im Erzgebirge, der Gi— gantgneiß im Quellgebiet der Etſch; in letzterem beſitzen einzelne Individuen ein: Größe von mehreren Centimetern. Im Gegenſatz hiezu gibt es auch ſehr feinkörnige, ſogar dichte Geſteine, die dann den Übergang zu Granuliten und Hälleflinten darſtellen. Treten aus dem gleich— mäßigen Gemenge der Beſtandtheile einzelne porphyriſch hervor, wie dies bei den Glimmer— gneißen mit dem Feldſpath bisweilen der Fall iſt, jo entſteht porphyrartiger Gneiß. Zu letz⸗ teren kann man den Augengneis rechnen, bei welchem einzelne große Orthoklaſe von plump Gnophria quada. — Gohren. 447 linſenförmiger bis kugeliger Geſtalt, von Glim— merblättchen wellig umſchmiegt, aus der fla— ſerigen oder ſchieferigen Geſteinſubſtanz hervor— treten. Die Parallelſtructur des Gneißes wird häufig dadurch abgeändert, dass in demſelben die ideale Ebene, der die Gemengtheile — vorzüglich der Glimmer — parallel gelagert ſind, in kurzen Abſtänden ihre Lage verändert; es exiſtiert eine ununterbrochene Folge von eben plattigen bis zu ſtark gewundenen und gefalteten Gueißen; bisweilen ſind die Geſteinslagen wellenförmig oder ganz unregelmäßig gewunden, ja ſelbſt cylindriſch zuſammengebogen, jo dass ſie im Querbruch an die Jahresringe von Holzſtämmen erinnern. Eine beſondere Abart der Parallelſtructur zeigt auch der geſtreckte Gneiß (Stengelgneiß); in demſelben iſt eine lineare Richtung mehr oder minder deutlich ausgeprägt, es ſind ent— weder die Glimmerlamellen nach einer Richtung ſtark ausgedehnt, oder die Quarze formen ſteng ge Aggregate. Die Lagerungsſorm der Gneiße iſt die Schicht, u. zw. verläuft die Schichtung parallel mit der Schieferung. Gneiße, in welchen dieſe nur wenig zur Entwicklung gelangt iſt, laſſen durch einen geringen Wechſel in der Zuſammen— ſetzung oder durch Einlagerungen anderer Ge— ſteinsarten ebenfalls die Schichten erkennen. Der Gneiß wechſellagert häufig in regelmäßiger Weiſe mit Glimmer⸗, Hornblende-, Chlorit- und Graphitſchiefern, mit Eiſenerzen, Kalkſteinen, Serpentin, Quarziten, Hälleflinten und Granit— gneißen und repräſentiert mit dieſen in den meiſten Fällen die Urgneisformation. Große Gebiete von Urgneiſen finden ſich in den Su— deten, Böhmen, Mähren, im böhmiſch-bayriſchen Waldgebirge, im Erzgebirge, in den Central— alpen, in Schottland und Scandinavien und in Nord- und Südamerika. Von der ſehr großen Zahl von Gneiß— varietäten, die nach der Verſchiedenheit ihrer mineraliſchen Beſtandtheile aufgeſtellt worden ſind, ar wir folgende hervor: Glimmer— gneiß. a) Biotitgneis (grauer Gneiß) führt neben ai und Feldſpäthen nur dunklen Mag— neſiaglimmer. Er iſt meiſt flaſerig oder körnig— ſtreifig. Freiberg i. S. b) Muscovitgneiß (rother Gneiß z. T.) enthält vorwiegend rothgefärbten Feldſpath neben wenig Kaliglimmer. Erzgebirge, Böhmen. Die chemiſche Zuſammenſetzung der Glim⸗ mergneiße beträgt im Durchſchnitt in Procenten: Kieſelſäure 70 bis 80, Thonerde 14˙2, Eiſen— oxydul 6 1, Kalk 26, Kall 3, Natron 2˙1, Waſſer 12. An Phosphorſäure wurde in zwei Varie— täten 0˙37 und 017% gefunden. Protogingneiß führt als glimmerartiges Mineral eine lichtgrünliche, ſich etwas fettig aufühlende Subſtanz (aus ſtark gebleichtem Biotit oder Sericit beſtehend), welche fälſchlich früher als Talk angeſehen wurde. In den Alpen weit verbreitet. Cordieritgneiß iſt eine in faſt allen größeren Gneißgebieten vorkommende charak— teriſtiſche Art. Hellgraublauer bis blauer Cor— dierit (ein feldſpathähnliches Mineral, nach ſeinem optiſchen Verhalten auch Dichroit ge nannt) iſt in unregelmäßigen Körnern im Ge— ſteine meiſt ſehr unregelmäßig vertheilt; es finden ſich Partien, die des Cordierits ganz entbehren, andere, die daran ſehr reich ſind und geradezu einen Cordieritfels darſtellen. Andere Abarten find Hornblende-, Augit-, Epidot⸗-, Chloritgneis u. ſ. f. Die Gneiße ſind faſt ſtets durch Spalten unregelmäßig zerklüftet, welche entweder ſenk— recht oder ſchräge gegen die Parallelſtructur gerichtet ſind oder auch wohl derſelben mehr oder minder parallel laufen. Eine geſetzmäßige Abſonderung, wie ſie die Eruptivgeſteine häufig aufweiſen, kommt bei denſelben nicht vor. So— wohl von dieſen Spalten aus, als auch von der Erdoberfläche her, erleidet nun der Gneiß ziemlich leicht eine tiefgehende Zerſetzung. Die— ſelbe verurſacht eine Aufblätterung und endlich eine gruſige Auflöſung des Geſteins; das End— product iſt meiſt ſandiger Lehm, ſelten, Ins . B. bei dem Kaliglimmergneiß zu Znaim in Oſter— reich, reine Kaolinerde. In tropiſchen Gebieten bildet ſich durch gleichzeitige weitere Oxydation und Hydratiſierung des Eiſengehaltes ein roth— brauner, poröſer Laterit (ein in trockenem Zuſtande ſchlackenähnlicher Lehm) von oft ſehr bedeutender Mächtigkeit. Auch in unſeren Breiten iſt der Gueiß oft viele Meter tief in Grus auf— gelöst, der noch ganz die urſprüngliche Structur des Geſteins erkennen läſst. Geſchiebegneiß, der in der norddeutſchen Tiefebene als gemeinſter Feldſtein ſich findet, zeigt häufig dasſelbe Ver— halten. Je reicher der Gneiß an Feldſpath und dunklem eiſenreichen Magneſiaglimmer, und je ärmer er an Quarz und Kaliglimmer iſt, um ſo ſchneller unterliegt er den Verwitterungs— agentien. Auch die Schichtenſtellung iſt hiebei von Einfluſs. Steil aufgerichtete Gneißlagen verwittern ſchneller als horizontal liegende. Der Gneiß tritt häufig in ſanftgerundeten Berg— formen auf, die den Holzwuchs mehr begün— ſtigen als die meiſt ſchroffen Granitberge. Überhaupt iſt der Gneißverwitterungsboden in der Regel gleichmäßiger, erdreicher und beſſer als der von Granit. Die Fichte wächst auf den beſſeren Abarten meiſt vorzüglich; auch die Buche hält ſich hier gut. Die Zerſetzung der Gewächsabfälle iſt vollkomener und auch 105 Anſamung leichter als auf Granitboden. v. Gnophria quadra L., put ler ſ. Lithosma. Hſchl. Gobiidae, Grundeln, Fiſchfamilie, | Syſt. der Ichtyologie. Hcke. Gobio, Fiſchgattung, ſ. Gründling. Hcke. Gobius, Fiſchgattung, ſ. Grundel; Gob. fluvia. Hcke. Hohren, Carl Theodor von, Dr. phil., geb. am 25. Februar 1836 in Jena als jüngſter Sohn des Juſtizrathes Dr. jur. et phil. Lud⸗ wig v. Gohren, genoß ſeinen erſten Unterricht in einem von dem bekannten Philologen Stoy geleiteten Inſtitut daſelbſt, beſuchte 1850-55 das Gymnaſium zu Weimar und bezog nach deſſen Abſolvierung die Univerſität Jena, um Naturwiſſenſchaften, ſpeciell Chemie zu ſtudieren, ging jedoch im Herbſt 4855 nach Berlin, weil das Univerſitätslaboratorium in Jena noch im 448 Gohren. Bau begriffen war. Nach deſſen Fertigſtellung kehrte Gohren Michaeli 1856 nach Jena zurück, um ſich unter der Leitung des damals bedeu— tendſten phyſiologiſchen Chemikers Lehmann fleißig praktiſch-chemiſchen Arbeiten, namentlich dem Studium der Zerſetzungsproducte der Pro— teinkörper zu widmen. Oſtern 1858 promovierte Gohren, nachdem er ſchon vorher zum Aſſiſtenten im Univerſitätslaboratorium ernannt worden war. Unterſtützt durch ein ſtaatliches Reiſeſtipen- dium und verſehen mit Empfehlungsbriefen hervorragender Fachmänner unternahm Gohren im Herbſt 1858 eine Studienreiſe durch Frank— reich und England, nach deren Beendigung er wieder in ſeine Stellung am Univerſitätslabo— ratorium eintrat, gleichzeitig aber auch in den oberen Claſſen des Zenker'ſchen Erziehungs— inſtitutes als Lehrer der Chemie fungierte. 1859 wurde Gohren als Leiter der mäh— riſch-ſchleſiſchen agriculturchemiſchen Verſuchs— ſtation nach Blansko berufen, wo ſich ihm ein reiches Feld für ſeine Thätigkeit eröffnete. Bis— her faſt ausſchließlich rein wiſſenſchaftliche Stu— dien betreibend, ſah er ſich jetzt in das viel— ſeitigſte, im größten Styl betriebene Wirtſchafts— leben verſetzt. Die ausgedehnten fürſtlich Salm'ſchen Okonomien mit ihren mannigfal— tigen Culturen und Viehhaltungen, die Berg— werke, Eiſenhütten, Zucker- und Spiritusfabriken, Brauereien, Mühlen ꝛc. mit ihren zahlloſen praktiſchen Anforderungen an die Wiſſenſchaft, ſpeciell die Chemie, nahmen die angeſtrengteſte Thätigkeit des Leiters der Blansko'ſchen Ver— ſuchsſtation in Anſpruch, gaben ihm dafür aber auch volle und reiche Gelegenheit, ſich mit den Bedürfniſſen und Verhältniſſen der Landwirt- ſchaft und Induſtrie vertraut zu machen. Trotz der ſtarken Inanſpruchnahme für praktiſche Zwecke wurde auch die rein wiſſenſchaftliche Forſchung nicht vergeſſen. Von den größeren an der Verſuchsſtation Blansko durchgeführten Arbeiten ſeien nur genannt: Phyſiologiſch— chemiſche Verſuche über die Verdaulichkeit der Knochenerde, über die Wirkſamkeit der Ammo— niakſalze und des Chiliſalpeters als Düngungs— mittel, Fütterungsverſuche mit Milchkühen, Ana— lyſen von Schweinemilch, vergleichende Maſtver— ſuche mit Ochſen, ausgedehnte Düngungsverſuche bei Zuckerrüben, Kartoffeln ꝛc. Die meiſten der damals unter Gohren oder unter deſſen Leitung ausgeführten Verſuche und Unterſuchungen ſind veröffentlicht in den „Mittheilungen der k. k. mäh— riſch⸗ſchleſiſchen Geſellſchaft für Ackerbau, Natur- und Landeskunde“, in den „Landwirtſchaftlichen Verſuchsſtationen“, im „Jahrbuch für öſterrei— chiſche Landwirte“, der „Wiener landwirtſchaft— lichen Zeitung“ und im „Centralblatt für die geſammte Landescultur“. 1864 verließ Gohren ſeine Stellung in Mähren, um einem Rufe an die höhere land— wirtſchaftliche Lehranſtalt zu Tetſchen-Liebenwerd zu folgen. Hier war er ſo recht in ſeinem Ele— ment und wirkte nahezu 9 Jahre in dem ihm lieb und wert gewordenen Nordböhmen. Drei Jahre war er Localvorſtand der Liebenwerder Anſtalt, außerdem Vorſtand des chemiſchen und technologiſchen Laboratoriums und der agri— culturchemiſchen Verſuchsſtation, zugleich Re— ferent über die an der letzteren durchgeführten Verſuche und Unterſuchungen und bis 1866 auch Lehrer der Naturkunde an der ebenfalls in Liebenwerd beſtehenden Ackerbauſchule, außer— dem noch Leiter und Lehrer an den vom Acker— bauminiſterium ins Leben gerufenen Fortbil— dungscurſen für Volksſchullehrer. v. Gohren wurde ferner in die vom Landesausſchuſſe des Königreichs Böhmen eingeſetzte Commiſſion zur Prüfung von Lehramtscandidaten für den Un- terricht an landwirtſchaftlichen Lehranſtalten berufen ſowie auch in das Comité für die Or- ganiſierung der agriculturchemiſchen Verſuchs— ſtationen in Böhmen und in die Section für chemiſche Arbeiten bei dem Comité zur natur- wiſſenſchaftlichen Durchforſchung von Böhmen zum wirkenden Mitglied gewählt. Bei verſchie— denen Gelegenheiten fungierte Gohren als aus— wärtiger Vertreter der Liebenwerder Anſtalt, ſo bei den Verſammlungen der Agriculturchemiker in Göttingen, Braunſchweig und Dresden, dann bei der Weltausſtellung in Paris, beim Con⸗ greſs der Société des agrieulteurs de France in Nancy 1869 und beim erſten Congreſs nord— deutſcher Landwirte in Berlin. Auf Anregung der kgl. ſächſiſchen Zoll- und Steuerdirection in Dresden hielt v. Gohren für die in Boden- bach ſtationierten ſächſiſchen Zollbeamten Vor— träge über Zucker-, Brantwein- und Bierfabri⸗ cation ſowie über die dieſe Gewerbe betreffende Steuergeſetzgebung. In literariſcher Beziehung war die Liebenwerder Zeit überaus fruchtbar, wie die zahlreichen Aufſätze und Berichte in ver— ſchiedenen Fachblättern bekunden. Schon 1870 waren an v. Gohren Anfragen gerichtet worden, ob er nicht in Prag und auch in Mödling eine Lehrkanzel übernehmen wolle, allein er lehnte ab und folgte erſt 1872 einer abermals an ihn ergangenen Berufung nach Mödling als Director und Profeſſor des Fran— cisco-Joſephinums und der mit dieſem verbun— denen Zweiganſtalten, der Gärtnerſchule „Eliſa— bethinum“ und der „Erſten öſterr. Brauerſchule“. Bevor Gohren feine neue Stellung antrat, unter— nahm er, unterſtützt durch das Ackerbaumini⸗ ſterium, eine Reiſe durch Deutſchland zur Be— ſichtigung und zum Studium chemiſcher und technologiſcher Laboratorien. Gelegentlich der Wiener Weltausſtellung 1873 übertrug das Handelsminiſterium v. Gohren die Berichterjtattung über „Landwirtſchaftliche Lehre und Forſchung“ für den officiellen öſter— reichiſchen Bericht und das Ackerbauminiſterium betraute ihn mit der Abfaſſung des Referates über den landwirtſchaftlichen Unterricht für das von dem genannten Miniſterium über die Aus- ſtellung herausgegebene Werk. Gohren fungierte anch als Delegierter bei dem gelegentlich der 1873er Ausſtellung abgehaltenen internationalen land- und forſtwirtſchaftlichen Congreſſe. Hervorragenden Antheil hat v. Gohren ſeit der Mitte der Sechzigerjahre an der Entwick— lung des landwirtſchaftlichen Unterrichtes, unter anderem betheiligte er ſich auch in regſter und erfolgreichſter Weiſe an den beiden vom Acker⸗ bauminiſterium einberufenen Enqusten über die Organiſation des höheren, mittleren und nie— deren landwirtſchaftlichen Unterrichtes veran— Gold. 449 laſsten das Ackerbauminiſterium ihn wiederholt mit der Abgabe von Gutachten zu beauftragen, ſo u. a. über die Organiſationsſtatute der land— wirtſchaftlichen Lehranſtalten zu Oberhermsdorf in Schleſien und S. Michele in Tirol. Wie in Liebenwerd wurde v. Gohren auch in Mödling mit der Leitung der abzuhaltenden landwirtſchaftlichen Fortbildungscurſe für Volks— ſchullehrer beauftragt. Seit Einführung der ſtaatlichen Prüfungen für Candidaten des Lehr— amtes an mittleren und niederen landwirtſchaft— lichen Lehranſtalten, ſowie an Obſt- und Wein— bauſchulen fungiert v. Gohren bei denſelben als auswärtiges Mitglied der Prüfungscommiſſion. Nur durch ſeine Initiative wurde es mög— lich, daſs die im Jahre 1875 in den Räumen des Franeisco-Joſephinum abgehaltene inter— nationale Ausſtellung von Lehrmitteln für den land- und forſtwirtſchaftlichen Unterricht ein ſo glänzendes Reſultat lieferte; gleiche Verdienſte erwarb ſich v. Gohren um die Ermöglichung und erfolgreiche Durchführung der von dem Verein öſterreichiſcher Malzfabrikanten im Fran— cisco-Joſephinum 1880 ins Werk geſetzten inter— nationalen Ausſtellung von Gerſte- und Malz— putzmaſchinen. 1876 unternahm er, unterſtützt durch das Ackerbauminiſterium, eine abermalige Inſtrue— tionsreiſe nach Deutſchland, Dänemark, den Niederlanden und England, beſuchte die zweite internationale Ausſtellung landwirtſchaftlicher Lehrmittel in Amſterdam, auf welcher das Fran— cisco-Joſephinum ein Ehrendiplom erhielt, und fungierte als Delegierter dieſer Anſtalt bei der Pariſer Weltausſtellung 1878. v. Gohren kann mit vollſter Genugthuung auf ſein mehr als fünfundzwanzigjähriges Wir- ken in Oſterreich zurückblicken. In drei Kron— ländern hat er weit über 1000 Schüler heran— gebildet, welche in treuer Anhänglichkeit an den geliebten Lehrer für Verbreitung des landwirt— ſchaftlichen Fortſchrittes thätig ſind. An größeren Werken hat Gohren publi- ciert: Anleitung zu chemiſchen Unterſuchungen mit beſonderer Beziehung auf Landwirtſchaft und landwirtſchaftliche Induſtrie; Über land— wirtſchaftlichen Unterricht, ein Reiſebericht; Uber Zweck und Weſen landwirtſchaftlicher Verſuchs— ſtationen; Die Naturgeſetze der Fütterung der landwirtſchaftlichen Nutzthiere (auf Veranlaſſung des italienischen Ackerbauminiſteriums ins Ita— lieniſche überſetzt); Landwirtſchaftliche Lehre und Forſchung (Gr. XXVI, Sect. 4 d. office. Aus- ſtellungsberichtes); Die naturgeſetzlichen Grund— lagen des Pflanzenbaues; Methodiſcher Leit— faden für den chemiſchen Unterricht an land— wirtſchaftlichen Lehranſtalten. Außerdem iſt Gohren ſtändiger Mitarbeiter an Dombrowskis Eneyklopädie und an der vom Ackerbaumini— ſterium herausgegebenen landwirtſchaftlichen Unterrichtszeitung. Schw. Gold — Au — 196%. Das Gold, ein Element, das wohl ziemlich verbreitet, jedoch gewöhnlich nur in geringer Menge vorkommt, findet ſich entweder auf Gängen und Lagern im Ur⸗ und Übergangsgebirge oder in den Zer— ſetzungsproducten derſelben im angeſchwemmten Lande und im Fluſsſande. Es tritt entweder gediegen auf oder in Verbindung. Das gedie— gene Gold, Berggold, iſt meiſt draht, haar- oder baumförmig oder bildet Blättchen auf ur— ſprünglicher Lagerſtätte; als Goldſand, Waſch— oder Seifengold wird es durch Waſchen aus diluvialen und alluvialen Anhäufungen gewon— nen. Von den Legierungen iſt die mit Silber die häufigſt vorkommende. Enthält das Golderz über 20% Silber, jo heißt es Electrum. Pal— ladiumhaltiges Golderz nennen die Bergleute faules Gold, die Mineralogen Porpezit (10% Palladium, 4% Silber; nur in Braſi— lien). In Mexiko findet ſich Rhodiumgold, eine Legierung von 34-43% Rhodium mit 66 bis 37% Gold. Sehr häufig kommt Gold in Schwe— fel⸗, Kupfer-, Arſenkies, in Zinkblende, Grau— ſpießglanzerz und Schrifterz vor, ſelten als Tellurgold im gediegenen Tellur, Tellurſilber, im Blättererz, in ſehr geringer Menge in allen Blei⸗, Kupfer- und Silbererzen. Man gewinnt das Gold aus dem goldhaltigen Flujsjande durch Schlämmen und mit Queckſilber amalga— miert. Das geſammelte Amalgam wird durch Erhitzen in Queckſilber und Gold zerlegt. Aus den goldhaltigen Silber-, Kupfer- und Blei— erzen ſtellt man zunächſt das Silber dar, wel— ches das Gold enthält; wird dieſe Legierung mit Schwefelſäure behandelt, ſo löst ſich das Silber und das Gold bleibt zurück. Das chemiſch reine Gold wird Feingold genannt, beſitzt gelbe Farbe, in Pulvergeſtalt eine braune. Es iſt weicher als Silber und iſt das dehnbarſte und zſtreckbarſte aller Metalle. Aus 1g Gold kann ein Draht von 2500 m Länge gezogen werden, Blattgold hat ungefähr die Dicke von 0·000 f mm. Das Gold kryſtalli— ſiert in Oftaödern und Würfeln. In ſehr dün— nen Blättchen läſst es das Licht mit blauer oder grüner Farbe durchfallen; durch Eiſen— vitriol wird es aus ſeinen Löſungen als brau— nes, glanzloſes Pulver gefällt, welches unter dem Polierſtahle Metallglanz annimmt; ſpec. Gew. des gegoſſenen Goldes 19'26—19'31, des gehämmerten 19˙3 —19'65, des durch Eijen- vitriol gefällten bis 2071; es ſchmilzt bei 1200, leuchtet geſchmolzen mit meergrüner Farbe und zieht ſich beim Erſtarren ſtark zu— ſammen. Es widerſteht vollſtändig der Oxyda— tion an der Luft, den Säuren, ſchmelzenden Alkalien und Nitraten, wird aber von Königs— waſſer und allen Chlor entwickelnden Gemiſchen und auch von Brom gelöst. Durch Schmelzen mit Borax wird Gold blaſsgelb, durch Salpeter mehr hochroth. Gold iſt dreiwertig. Praktiſch wichtig ſind die Gold— legierungen. Meiſt wird es mit Silber oder Kupfer legiert, um ihm dadurch größere Härte und Haltbarkeit zu ertheilen. Der Goldgehalt einer Legierung wird ermittelt wie der Silber— gehalt einer Silberlegierung, mit Probiernadel und durch die Cupellation. Will man mit Sal— peterſäure (Scheidewaſſer) das Gold von dem Silber ſcheiden, ſo darf nicht mehr als ein Viertel Gold in der Legierung vorhanden ſein, daher Scheidung durch die Quart (Quartierung). Man wendet jetzt zur Trennung des Goldes und Silbers die Schwefelſäure an, in welcher man die Legierung erhitzt; das Silber wird Dombrowsti. Encyklopädie d. Forſt- u. Jagdwiſſenſch. IV Bd. 29 450 durch Kupferblechſtreifen ausgefällt und die ent— ſtandene Löſung auf Kupfervitriol verarbeitet; das ungelöst zurückbleibende Gold wird durch Kochen mit Natriumcarbonat gereinigt, getrock— net und mit etwas Salpeter umgeſchmolzen. Man nennt dieſes Verfahren Affinieren. Ge— ringe Spuren (Yooo der Legierung) von Blei, Antimon, Wismuth oder Arſen ertheilen dem Gold große Sprödigkeit, jo dass es für die Vermünzung ungeeignet iſt. Nach dem Geſetz vom 4. December 1871 wird in dem Deutſchen Reiche eine Reichsgold— münze ausgeprägt, von welcher aus einem Pfunde feinen Goldes 139˙5 Stück ausgebracht werden. Der zehnte Theil dieſer Münze wird Mark genannt und in 100 Pfennige eingetheilt. Das Miſchungsverhältnis dieſer Goldmünze iſt 900 Theile Gold und 100 Theile Kupfer. Verwendung findet das Gold in Legierun— gen von Silber und Kupfer zur Darſtellung der mannigfaltigſten Luxusartikel; zum Ver⸗ golden anderer Metalle, Porzellan, Holz u. ſ. w., wobei man je nach der Art der Durchführung das Plattieren, die Feuervergoldung und die kalte Vergoldung, die naſſe und die galvaniſche Vergoldung unterſcheidet; Goldpräparate dienen in der Zahntechnik, in der Glas- und Porzellanmalerei, in der Photo— graphie und Medicin. Das Gold erkennt man durch folgende Re— actionen: Kalium- und Natriumhydroxyd geben auf Zuſatz von Gerbſäure gelbe oder braun— gelbe Niederſchläge und beim Erwärmen metal— liſches Gold, Ammoniak fällt gelbes Knallgold, welches im Überſchuſs des Fällungsmittels lös— lich iſt; Schwefelwaſſerſtoff fällt dunkelbraunes bis ſchwarzes Schwefelgold, welches in Königs- waſſer und gelbem Schwefelammonium löslich iſt; Eiſenoxydulſalze ſcheiden metalliſches Gold aus; Zinnchlorid haltendes Zinuchlorür gibt einen purpurrothen Niederſchlag (Goldpurpur); Cyankalium erzeugt einen gelben Niederſchlag, der ſich im Überſchuſs des Fällungsmittels leicht löst; Oxalſäure fällt dunkles, grünlich ſchwarzes metalliſches Gold; Phosphor ſcheidet gleichfalls metalliſches Gold aus. Von den Verbindungen des Goldes ſind folgende bemerkenswert: Goldoxydul, Au, O, wird aus Goldchlorürlöſungen durch Kalium— hydroxyd gefällt, dunkelviolettes Pulver, welches beim Erhitzen reduciert wird. Goldoxyd, Au, O,, wird erhalten durch Vermiſchen einer Löſung von Goldchlorid mit Natriumcarbonat bis zur Neutraliſation und Kochen; ein braunes Pulver, welches im Lichte und in der Hitze reduciert wird. Schwefelgold, Au, 83, als ſchwarzes Pul— ver aus einer kalten Goldchloridlöſung durch Schwefelwaſſerſtoff gefällt, iſt es in Schwefel- kalium löslich. Goldchlorür, Au Cl, wird er— halten durch gelindes, vorſichtiges Erhitzen von Goldchlorid. Goldchlorid, Au Cl,, bildet ſich durch Auflöſen des Goldes in Königswaſſer, ſowie durch directe Einwirkung des Chlors auf Gold. Beim Abdampfen der ſauren Löſung erhält man eine dunkelrothe, kryſtalliniſche, zer— fließliche Maſſe, die in Waſſer und Ather mit rothgelber Farbe löslich iſt. Leinwand, Wolle, Seide, thieriſche Haut, Horn u. ſ. w. werden am Goldadler. — Goldammer. Lichte roth gefärbt. Das Goldchlorid iſt der Ausgangspunkt für die Darſtellung der übrigen Goldpräparate. Goldeyanür, Au Cy, bildet mit Cyankalium ein Doppelſalz, welches zur gal— vaniſchen Vergoldung verwendet wird. Es wird erhalten, indem man aus einer möglichſt neu— tralen Goldlöſung durch überſchüſſiges Ammo— niak Knallgold fällt und dieſes in eine heiße Löſung reinen Cyankaliums einträgt; aus der Löſung kryſtalliſiert das Doppelſalz. Gold— cyanid, Au Cyz, ſtellt man dar durch Vermiſchen einer neutralen Goldchloridlöſung mit einer heißen Löſung von Cyankalium. v. Gn. Goldadler, ſ. Steinadler. E. F. v. Hmr. Goldafter, Goldafterſpinner, ſ. Por- thesia chrysorrhoea L. Hſchl. Goldammer, Emberiza citrinella, Linné, Syst. Nat. I., p. 309 (1766); Emberiza sylvestris, Brehm, Vögel Deutſchl., p. 294 (1831); Emberiza septentrionalis, id., ibid.; Citrinella eitrinella, Gray, Handl. of B. II., p. 113 (1870). Abbildungen: 1. Vogel. Naumann, Vögel Deutſchl. IV., T. 102; Dreſſer, Birds of Europe, Vol. IV, T. 209. — 2. Eier. Bädecker, Die Eier der europäiſchen Vögel, T. 3, Nr. 8 Thienemann, Abbildungen von Vogeleiern, T. XXXIII, Nr. 4a—d; Seebohm, A History of british birds, pl. 13. Ammer, Ammering, Hämmerling, Emme— ring, Emmerling, gemeiner oder gelber Emmer— ling, Embritz oder Emmeritz, Goldhammer, Gohlammer, Golmer, Gaalammer, Gaulammer, Geelammer, Geelfink, Geelgöſchen, Geelgöſch— chen, Geelgößchen, Geelgerſt, Gelbling, Gilb— ling, Gilberig, Gilberschen, Gelbgans, Gold— gänschen, Gehling, Gorſe, Gurſe, Grünzling (Grünfink), Gröning, Kornvogel, Sternadt, Grünſchling. Böhm.: Strnad obeeny; engl.: Yellow ammer, yellow hammer, yellow bunting, yel- low yowly, yellow yeldring, yellow yoldring, yellow yite, Yeldrock, Yolkring, Yoit, Skite, Goldie, Writing lark; dän.: Gulspurr; ejth.: Talwik; finn.: Kelda-tiainen; frz.: Bruant jaune; holl.: De Geelgors; ital.: Zivolo giallo, Zigolo giallo, Ortolano giallo, Ambra, Gian- net, Terrazot, Pecit de vigna, Miarola, Pai- era, Sia pacéra, Spajarda, Spajardola, Spa- jard, Squajard, Squajardola, Smajard, Gialdon, Pajarana, Squajart, Spaiarda, Smajart, Spa- giär, Pajaron, Urtlan pajarez, Smegiärdo, Girabrün, Rössola, Tirasoldi, Smajarda, Smiard, Verda, Smeärda, Meggia smeärdola, Squaiär- dola, Ginèura, Amaröt, Zaldina, Marizalda, Sirrou, Siga noustrala, Sia paggaea, Zigolo rapaio, Nizzola gialla, Setajola, Pagliaresca, Gialletto, Verzaina, Zivolo di testa gialla, Sermolla, Pettigiallo, Zieco, Zivulu o Ziulu giarnu; kroat.: Strnadka zZutka; lett.: Stehrsts, Stehrstinsch; normweg.: Gulspurr; poln.: Po- swierka trznadel; ruſſ.: Owsjanka, Strenatka Dosyanka; ſchwed.: Gulsparf; jpan.: Ave tonta, Cerillo, Verdaza, Chilla fina, Triguero, Ama- rillo de la sierra. Trigueiro, Bardarola, Bar- dosa; ungar.: ezitrom Särmäny. Der Goldammer iſt in der weſtlichen palä— arktiſchen Region der gemeinſte und verbrei— . RT N Goldammer. 451 tetſte Ammer. Er findet ſich als Brutvogel in Großbritannien (bis zu den nördlichen Inſeln, mit Ausnahme der Faröerinſeln), in Skandi— navien bis zum 70. Grad n. Br., in Ruſsland bis faſt zum Polarkreiſe, in Weſtſibirien am Ob bis zum 64. Grad n. Br., in Nordfrank— reich, Holland, Belgien, Dänemark, Deutſchland, Schweiz, Oſterreich und Norditalien. Aus den nördlicheren Ländern zieht er im Winter fort, nur als Wintergaſt wird er beob— achtet in Südfrankreich, Spanien und Portu— gal, Süditalien, Türkei, Kleinaſien, Nordweſt— perſien und Nordweſtturkeſtan Im Süden wurde er auf der Inſel Teneriffa als Stand— vogel conjtatiert. In Mitteleuropa, wo er als Stand- und Strichvogel auftritt, lebt er im Sommer an ſeinen Brutplätzen am Waldrande und im Walde, im Herbſte geht er in größeren Geſell— ſchaften auf die Acker hinaus und im Winter kommt er ſcharenweiſe mit den Haubenlerchen zuſammen an den Landſtraßen entlang in die Ortſchaften und Städte hinein. Totallänge . . 19 em Flügellänge. 9 „ Schwanzlänge... 82 „ D 487), Schnabel 1 1 (Altes & vom 14./4. 1877 aus Riddags- haufen, Mus. brunsv.). Der Schnabel iſt an dem Rücken des Ober- ſchnabels ſehr ſanft nach abwärts, an der Schneide des Unterkiefers ſanft nach aufwärts gebogen, beide etwas von der Seite her zu— ſammengedrückt, ſehr zugeſpitzt, der Oberkiefer den Unterkiefer etwas überragend, der Höcker am Gaumen des Oberkiefers ſtark vorſpringend. Hr 3>M=D. Die Flügel reihen kaum bis zu dem oberen Drittel des Schwanzes hinab. Der Schwanz iſt in der Mitte ausgeſchnitten. Die Füße ſind kräftig und kurz, die Krallen ſchlank, die der Hinterzehe am längſten, ſchwach gebogen und ſpitz. Altes Männchen im Frühlinge. Kopf- platte ſchön citronengelb, hinten mit einzelnen ſchwarzen Schaftſtrichen, Nacken olivengrünlich, Rücken roſtfarbig mit olivengelblicher Färbung der Federkanten und ſchwarzen Schaftflecken, Bürzel und obere Schwanzdeckfedern roſtroth, Schwingen und Schwanzfedern matt braun— ſchwarz, die Vorderſchwingen mit ſchmalen gelb— lichen, die Mittelſchwingen mit bräunlichen, etwas breiteren und die Hinterſchwingen mit breiten roſtbräunlichen Säumen der Außen— fahne. Deckfedern ähnlich wie die Hinterſchwingen, die helleren Spitzen zwei undeutliche Flügel- binden bildend. Die Schwanzfedern haben eben— falls hellere Säume der Außenfahne und die beiden äußeren je einen großen weißen End— fleck auf der Innenfahne. — Unterſeite iſt gelb, vom Mundwinkel geht ein Streifen roſtbräun— licher Flecken jederſeits hinab; der Kropf iſt olivengrünlich angeflogen, Oberbruſt zeigt wie die Rumpfſeiten roſtbräunliche Fleckung und Streifung, ebenſo die unteren Schwanzdeck— federn. Jüngere Männchen haben meiſtens nur auf der Mitte der Scheitelplatte reines Gelb, ſonſt überwiegen die ſchwarzen Federmitten und der olivengrüne Anflug am Kopfe. Je weniger Gelb am Kopfe zu ſehen iſt, je bleicher gelb der Unterleib iſt und je dunkler olivengrünlich die Wangen angeflogen ſind, deſto jünger ſind die Vögel. Die Männchen im Herbſtkleide un— mittelbar nach der Mauſer (im Juli oder Auguſt) zeichnen ſich durch dunklere und fri— ſchere Farben aus und durch die voll erhal— tenen Federſäume, die dann ſpäter bis zum Frühjahre hin ſich abſtoßen. Altes Weibchen im Frühjahre zeich— net ſich durch viel weniger Gelb am Körper aus, das durch die anders gefärbten Feder— kanten und die dunklen Schaftſtriche faſt ganz verdeckt wird, am Unterkörper iſt das Gelb ſehr matt weißlich, am Kopfe iſt nur ſehr wenig Gelb zu ſehen. Je jünger die Weibchen ſind, deſto düſterer ſind ſie gezeichnet, am Kopfe iſt häufig nur beim Auseinanderziehen der Federn noch Gelb zu entdecken. Die Jungen vor der erſten Mauſer ſehen den einjährigen Weibchen ſehr ähnlich, an Kehle, Vorderhals und Oberbruſt zeigt ſich nur ein leichter ockergelber Anflug. Bei den Männchen iſt das Gelb etwas deutlicher als bei den Weibchen. Der Schnabel iſt lichtbläulich, an der Firſte und Spitze ſchwärzlich, an der Schneide des Unterkiefers ſchmutzig weißgelb, beim Männchen bläulicher, beim Weibchen weißlicher, beim jungen Vogel mehr fleiſchfarben. Die Iris iſt dunkelbraun und hat einen Durchmeſſer von 4½% —4½½ mm. Die Füße ſind ſchmutzig röth— lichgelb oder gelblich fleiſchfarben, die Zehen dunkler, graubraun, die Krallen dunkelbraun. (Beſchreibungen genommen nach 10 Erem- plaren aus Mus. brunsvic., ſämmtlich aus der Umgegend von Braunſchweig, und 8 Exem— plaren aus meiner Sammlung, 7 ebendaher und 1? aus Tiflis vom 17/10. 1880, das ſich durch etwas ſchöneres Schwefelgelb der Unter ſeite auszeichnet, im übrigen mit den deutſchen Exemplaren übereinſtimmt.) Das Gelege beſteht in der Regel aus 4 oder 5, ſehr ſelten aus 6 Eiern. Dieſelben ſind von kurzovaler Form, der Längsdurchmeſſer ſchwankt im Durchſchnitt zwiſchen 20˙9 und 2241 mm, der Querdurchmeſſer zwiſchen 15°8 und 169 mm, die Dopphöhe zwiſchen 9˙6 und 401mm. Die Eier find auf trübweißem oder röthlichweißem Grunde mit matten tieferlie— genden, mehr oder weniger zahlreichen, röth— lichgrauen Flecken und zahlreichen dunkelbraun— ſchwarzen oberflächlichen Schnörkelchen, Kritzel— chen und rundlichen Klexen bedeckt. Die letzteren bilden zuweilen am ſtumpfen Ende eine Art Kranz. Die Schale iſt mattglänzend, feinkörnig, mit zahlreichen Poren. Das Neſt ſteht meiſtens 29 * 452 an der Erde oder höchſtens 1—2 Fuß davon entfernt im Felde im Getreide oder am Wald— rande an Grabenböſchungen im Graſe, oder in Büſchen. Es iſt außen aus einer großen Menge von alten Pflanzenſtengeln, Grashalmen und Laub zuſammengeſetzt und innen in dem halb— kugeligen Napfe mit feineren Halmen und Pferdehaaren ausgelegt. In der Regel machen die Goldammern 2 Bruten, in günſtigen Jahren häufig auch 3. Die erſten vollen Gelege findet man in Mitteldeutſchland Ende April. Das Männchen löst das Weibchen täglich auf einige Stunden beim Brüten ab. Nach ca. 13 Tagen ſchlüpfen die Jungen aus und ſind ſehr bald mit großen grauen Dunen bekleidet. Die aus— geflogenen Jungen werden ungefähr eine Woche lang noch von den Alten gefüttert, dann ſich ſelbſt überlaſſen, während die Alten zur fol— genden Brut ſchreiten. Der Goldammer iſt trotz ſeiner geſelligen Eigenſchaften ein zänkiſcher Vogel, der ſich ähn— lich wie die Sperlinge häufig mit ſeinesgleichen zuſammen herumbeißt. Auf der Erde hüpft er, immer etwas unbeholfen, meiſt mit wagrechtem Körper, ſelten mit aufwärts gerichteter Bruſt. Auf Bäumen ſitzt er ſchön aufrecht, breitet auch wohl die Federn aus und ſträubt ſie auf der Kopfplatte zu einem Hollen. — Der Flug iſt kräftig, ſchnell und gewandt. Seine Lockſtimme iſt ein feines „ziſs“, „zitſch“, wenn ſie heftiger werden, „tſchü“. Beim Fortfliegen ſchreien ſie „zitz, zürrr, ſchürrr“, beim Beißen ſehr raſch hintereinander „sitz, zitz!; wenn ſie warnen, ſtoßen fie ein ſanftes „ſiih“ aus. Der Geſang des Männchens, den dieſes meiſtens hoch oben von der Spitze eines Bau— mes herab ertönen läjst, klingt nach Naumann wie „Zyſſyſſyſſyſſyſſyſſiih“ oder „Zytnzytnzytn⸗ zytnzühih“. Schon in den erſten warmen Tagen im Februar oder März hört man den ſchönen, aber einfachen Geſang erſchallen, dann durch den ganzen Sommer hindurch bis in den Herbſt hinein, vom frühen Morgen an bis in den ſpäten Abend. Die Nahrung des Goldammers beſteht im Sommer meiſtens in Inſecten, Raupen u. ſ. w., im Winter in mehlhaltenden Sämereien, wäh— rend ſie ölige Samen nur im Nothfalle freſſen, im Winter ſind ſie häufig nur auf die Ge— treidekörner angewieſen, die ſie im Pferdemiſte auf den Straßen finden, ſehr gerne gehen ſie dann auch an die künſtlichen Futterplätze. Habicht, Sperber, Falken und der große graue Würger ſtellen ihnen ſehr nach, das vier— füßige Raubzeug, auch die Mäuſe und Ratten zerſtören manche Brut. Ihre Jagd iſt ſehr leicht, da ſie furchtlos ſind und ſich leicht ſchießen laſſen, auch in Schlagnetzen, Meiſenkaſten, Schlingen, mit Vogelleim laſſen ſie ſich ſehr leicht fangen. Auch fängt man ſie, indem man nachts mit Kienfackeln an ihre Schlafplätze im dichten Gebüſch oder in Reiſighaufen herangeht und die geblendeten Vögel mit einem Stocke herab— ſchlägt. Durch das Aufſuchen zahlreicher ſchädlicher Inſectenlarven ſind ſie unbedingt nützlich, der Goldamſel. Schaden, den ſie thun könnten durch Aufſuchen von einzelnen Getreidekörnern, kommt hiergegen gar nicht in Betracht. Gebraten ſchmecken ſie ſehr gut, manche ziehen ſie den Lerchen vor, mäſten laſſen ſie ſich ebenſo wie die Ortolane, nur dauert es etwas länger. Vielfach wird der Goldammer auch als Stubenvogel gehalten, er wird ſehr zahm, iſt aber zänkiſch und vor allen Dingen ſehr un— reinlich, ſo daſs er bald an Fußkrankheiten leidet und zu Grunde geht. Die ſchöne gelbe Farbe, die das Männchen im Freien auszeich— net, geht in der Gefangenſchaft bald 3 Goldamſel, Oriolus galbula, Linné. Turdus oriolus, Briss., II., p. 320 (4760); Orio- lus galbula, Linn., Syst. Nat., I., p. 160 (1766); Coracias oriolus, Scop., Ann. I., Hist. Nat., P. 41, no. 45 (1769); Coracias galbula (L.), Bechst., Gemeinn. Naturgeſch. Vögel Deutſchl., I., p. 1292 (1805); Oriolus galbula, var. vire- scens, Ehr., Symb. Phys, fol. 7 (1829); Orio- lus aureus, C. L. Brehm, Vögel Deutſchl., p. 156 (1831); Oriolus garrulus, idem, ibidem 157. Abbildungen: 1. Vogel: Naumann, Vögel Deutſchl., Bd. II, T. 61; Dreſſer, Birds of Europe, vol. III, T. 144. — 2. Eier: Bae⸗ decker, Die Eier der europäiſchen Vögel, T. 50 Nr. 10; Thienemann, Abbildungen von Vogeleiern, T. XXVII, Nr. 11, a—c; Seebohm, A History of british birds, vol. I, p. 14. Pirol, gemeiner oder eigentlicher Pirol, Pirold, Bierhold, Bierole, Bierholf, Byrolf, Bru— der Berolft, Gerolft, Tyrolk, Beerold, Biereſel, Bülau, Bülow, Schulz von Bülow, Büloon-Vo⸗ gel, Vogel Püloh, Schulz von Milo, Schulz von Therau, Widewall, Wiedewall, Weidwall, Wieder— walch, Witwell, Wittewald, Wittewalch, Biduel, Weihrauch, Weihrauchsvogel, Bruder Wyrauch, Gugelfahraus, Kugelfährus, Galbulavogel, Chlo— rion, Gelbvogel, Gelbling, Golddroſſel, Gold— amſel, Goldmerle, Gutmerle, Olivenmerle, Kirſchdroſſel, gelbe Kirſchdroſſel, Kirſchvogel, Kirſchdieb, Kirſchholdt, Kirſchholf, Kerſenrife Sommerdroſſel, Feigenfreſſer, Pfeifholder, Re— genkatze, gelbe Rake, Pfingſtvogel. Arab.: Sufer; böhm.: Zluva obeenä; dän.: Guldpirol; engl.: Golden oriole; eſth.: Wihma kas’; finn.: Kuhankeittäjä; frz.: Loriot; holl.: Wielewall; ital.: Rigogolo comune, Oriolo, Ou- rieul, Ourieu, Beccafigh, Garbä, Garbeo, Gar- bou, Gherbe, Galbe, Sgarbto, Scalomb&o, Com- päre-pereu, Barba-perou, Ardsan, Merlou ga- rabe, Sgherb&, Merlo galbe, Galber, Galbee, Pappafigh, Galbeder, Galpeter, Voghera, Sgarbe, Sgarber, Galpédar, Acquib beccafig, Argheib, Arghebul, Papafigo, Brusola, Rependol, Be- giöra, Megiöra, Miglisro, Migliöra, Compare- piero, Barbapiero, Suri, Papefig, Vilipendolo, Beccafigo zalo, Louriou, Gobolo, Golo, Gial- lone, Gravolo gentile, Gaulo, Glorio, Graulo, Gravio, Vollero, Vollaro Volano, Avellano, Avolano, Vollano, Godia, Piccicodia, Fusufai, Fusufau, Sicufau, Sicufai, Saccufau, Muzzu- faino, Ajulu, Ajula, Pintu miraula, Naviola, Scorragiau, Gabrieli, Alberi, Auriolu, Gaudiu, Goldamſel. 453 Crusuleu, Ajula aggughia cu lu filu, Aggruppa tilu, Naccaluoru aggruppa — filu, Tinti mbrogli, Rivolu, Canariu aresti, Canariu salvaticu, Taira saffra (altes ), Taira hadra ( und junges &); kroat.: Zlatna vuga; lett.: Wahlohdse; maur.: Tair-es-sfar; poln.: Wilga Zolta; port.: Papa-figo, Figo louro, Maranteu, Marellante, Bartolomeu; ruſſ.: Iwolga, Lesnaja koschka; ſchwed.: Sommargylling; jpan.: Oropendola, Michafigues, Papagayo, Biche lo crego, Papa- fijjos, Mananteu, Bartholomeu, Amarellante, Papafigo real, Oriol, Menja figas; ungar.: Aranybegy. Der Pirol iſt Brutvogel im größten Theile von Europa, im weſtlichen Mittelaſien und in Algier. Nördlich iſt er beobachtet in Finland bis zum 63., in Ruſsland bis zum 60. Grad, in Perſien, Turkeſtan, Südſibirien, öſtlich bis zum Tian⸗Shan-Gebirge und dem Altai, bei Krasnoyarsk und Irkutsk. In Europa brütet er in Frankreich, Holland, Belgien, Deutſchland, Südruſsland, Spanien und Portugal, Italien, Oſterreich und im Kaukaſus. In Afrika wurde er in Algier brütend gefunden. In den briti— ſchen Inſeln und Schweden wurde er nur ver— einzelt in der Sommerzeit als zufälliger Gaſt beobachtet, in Norwegen noch nicht bemerkt. Auf dem Zuge paſſiert er die Inſeln des Mittelmeeres, Griechenland, Kleinaſien, Palä— ſtina, Agypten und Nubien, und überwintert im Süden Afrikas bis nach Madagaskar, Natal und Damaraland hin. Er gehört bei uns in Mitteldeutſchland zu denjenigen Vögeln, die mit am ſpäteſten ankommen und am früheſten abziehen. In Süd— deutſchland werden die erſten Ende April be— obachtet, bei uns in Braunſchweig durchſchnitt⸗ lich in den erſten Tagen des Mai, im Nord⸗ oſten Deutſchlands in der zweiten Woche Mai. Sein Abzug erfolgt in Deutſchland meiſtens ſchon im Auguſt, häufig bereits in der zweiten Woche des Monats, jo dajs er zuweilen nur drei Monate bei uns bleibt. Sie ziehen des Nachts, immer einzeln oder paarweiſe. Im Frühjahre läſst er ſofort nach der Ankunft ſeinen lauten Ruf erſchallen, jo dajs es kaum einen anderen Vogel gibt, deſſen Ankunft ſo ſicher feſtzuſtellen iſt, wie die des Pirol. Im Sommer habe ich in meinem Garten, in deſſen Nähe jährlich ein Paar brütet, beobachtet, daſs der Pirol in der zweiten Hälfte Juli ſich kaum hören lässt, in den erſten Tagen des Auguſt läſst er ſehr häufig ſein Gequitſch (nicht den Geſang) erſchallen und iſt dann nach einigen Tagen verſchwunden. Vielleicht, daſs jo die Familien zur Abreiſe nochmals zuſammenge— rufen werden? Totallängee 23˙2 cm, Flügellänge. ... 150 „ Schwanzlänge ... 95 „ n 2 Schnabel 2˙5 (Altes 2 von Braunſchweig, Mus. brunsv.) Der Schnabel iſt ſtark, an der Wurzel breit, nach vorn kegelförmig zugeſpitzt, der Firſte nach abwärts gebogen, der Kiel gerade geſtreckt, der Oberkiefer den Unterkieſer über— ragend und hakenförmig, dicht vor der Spitze an der Schneide eingeſchnitten. Die Flügel ſind ſehr lang und zugeſpitzt, in der Ruhe ca. °/, des Schwanzes überragend, die 2., 3., und 4. Schwinge bilden die Flügelſpitze, die 3. und 4. Schwinge ſind auf der Außenfahne deutlich bogig eingeſchnürt. 3 48 22 5 622 7 2 82 9 10 H= MS 1. Der Schwanz iſt an den Seiten abgerundet, die Füße ſind ſehr kurz und ſtämmig. Altes Männchen: Kopf, Hals, Rumpf, untere Flügeldecken, Enden der oberen großen Deckfedern der Handſchwingen, Schnabel, obere und untere Schwanzdecken und Schwanzenden leuchtend hochgelb, Zügel, Schulterfedern, dem Flügel entlang, Flügel und größter Theil des Schwanzes ſammtſchwarz. Außerdem ſieht man an den großen Schwingen von der Mitte bis zur Spitze ſchmale weiße Seiten— kanten und an allen, mit Ausnahme der aller— letzten gelblichweiße Endſäume. Von den Schwanz— federn haben die beiden mittleren nur ein ſchma— les, gelbes Endſäumchen, die folgenden breite, gelbe Endflecke. Je älter die Männchen ſind, deſto ſchöner hochgelb und tiefer ſammtſchwarz ſind ſie gezeichnet. Altes Weibchen. Obere und untere Schwanzdecken, untere Flügeldecken und ſchmä— lere Schwanzſpitze hochgelb, Oberſeite von der Stirn bis zum Bürzel zeiſiggrün, Zügel dunkel— grau, Kehle ſchmutzigweiß, Vorderhals und Bruſt ſchmutziggrau-weißlich, mit ſchwarzgrauen und braunſchwärzlichen Schaftſtrichen, an den Rumpfſeiten ähnlich gefärbt, aber mit gelblichem Anfluge, Mitte der Unterbruſt und Bauch weiß— lich. Schwingen grauſchwarz, Deckfedern und Hinterſchwingen auf der Außenfahne ſchmutzig— olivengrün, Schwanzfedern olivengrün mit gelben aber weit ſchmäleren Spitzen als beim Männchen. Je älter die Weibchen werden, deſto gelber erſcheinen ſie auf der Oberſeite, und deſto weniger Strichelung zeigt ſich auf der Unterſeite. Die jungen Vögel vor der erſten Mauſer ſehen den alten Weibchen ſehr ähnlich, haben aber von der Oberbruſt an auf der gan— zen Unterſeite eine viel deutlichere breitere Stri— chelung. Die Männchen ſind nur durch mehr und ſtärkeres Gelb von den Weibchen zu unterſcheiden, aber nur wenn man beide zum Vergleich neben einander hat. Der Schnabel iſt bei den alten Vögeln blaſs braunroth (beim p mehr ſchwärzlich-roth— braun), bei den jungen mattſchwarz, die Iris iſt bei den alten Männchen blut- bis dunkel- roth, bei den jungen Männchen und Weibchen nuſsbraun, bei den Jungen im Neſtkleide grau— braun und hat einen Durchmeſſer von 6 bis 6½ mm. Die Füße ſind ſchwärzlich-lichtblau, die Sohlen bei den jungen Vögeln noch licht— gelblich, die Krallen braunſchwärzlich. (Nach Exemplaren aus dem Mus. brunsv. aus der Gegend von Braunſchweig.) Das Gelege beſteht in der Regel aus 4 bis 5 Eiern. Dieſelben ſind von eiförmiger oder länglich eiförmiger Geſtalt. Der Längsdurch— meſſer beträgt durchſchnittlich 30˙2 mm, der FR . 454 Goldamſel. Querdurchmeſſer 21mm, die Dopphöhe 12'7 mm. Die Eier ſind auf leuchtend weißem Grunde mit einigen aſchgrauen und zahlreicheren röth— lich-ſchwarzbraunen Flecken und Punkten ver— ziert. Die Schale iſt ſehr glatt und ſchön glän— zend. Das Neſt hängt, ſehr kunſtvoll gebaut, korbförmig in den gabelförmig getheilten Enden eines annähernd horizontal von einem Baum abgehenden Zweiges, häufig 6—10 Fuß vom Hauptſtamm abſtehend, gewöhnlich 12—30 Fuß vom Boden entfernt, zuweilen aber auch ſo niedrig, daſs man es durch Hinabziehen des Zweiges von der Erde ab erreichen kann, zu— weilen 40—50 Fuß hoch in den höchſten Buchen des Waldes. Meiſtens wählen ſie Laubbäume zum Niſtorte, ſehr ſelten Kiefern, bei Braunſchweig ſah ich die Neſter vornehmlich in Buchen; von anderen Orten wird berichtet, daßs ſie mit Vor— liebe Eichen oder Birken wählen. Das Neſt be— ſteht aus halbtrockenen Grashalmen, Ranken, Baſt von Brenneſſeln, Wolle, Fäden, und iſt innen mit feinen Grashälmchen, Federn oder Wolle ausgepolſtert. Der Form nach iſt das Neſt ſehr tief napfförmig und hat einen einge— zogenen, nach innen übertretenden Rand. Als Knabe hatte ich Gelegenheit, in einer hohen Buche in benachbarten Holze beide Eltern beim Neſtbau zu beobachten. Das Männchen trägt das Niſtmaterial meiſtens herbei und das Weibchen iſt bemüht, das— ſelbe zur Anfertigung des Kunſtbaues zu verwenden. Das eine Ende des Fadens wird an dem einen kaum fingerdicken Zweige befeſtigt und dann das andere Ende durch kreisfömiges Umſchlingen des Zweiges aufge— wickelt und mit dem Gabelzweige verbunden. Sobald einige Fäden oder Baſt von Birken— rinde als Grundlage befeſtigt ſind, werden die Zwiſchenräume ausgefüllt und dann von dem ſich hineinſetzenden Weibchen dem Neſte die Form gegeben. Durch den Birkenbaſt, die weißen Geſpinſte, häufig auch eingeflochtene Papierſtückchen ſieht das Neſt immer weißlich aus, ähnlich wie das Neſt der Baſtardnachti— gall. Die Eier werden 14—15 Tage lang be- brütet vom Weibchen, das nur in den Mittags— ſtunden von dem Männchen abgelöst wird. Die Jungen werden von den Alten mit Inſecten, Raupen u. dgl. gefüttert und bleiben im Neſte, bis ſie flügge ſind. Dann werden ſie nur noch kurze Zeit von den Alten umhergeführt. Der Pirol zeigt eine außerordentliche Anhänglichkeit an ſeine Brut und läſst ſich ſchwer vertreiben. Päſs ler erzählt: „Ich beſuchte ein Neſt täglich, jagte das Weibchen vom Neſte und bog die Zweige herab, um bequemer ſehen zu können. Da ſtieß das Weibchen ein lang gehaltenes kreiſchendes Geſchrei, ein wahres Kampfgeſchrei aus, ſtürzte ſich von dem naheſtehenden Baume auf mich hernieder, flog dicht an meinem Kopfe vorbei und ſetzte ſich auf einen anderen, mir im Rücken ſtehenden Baum. Das Männchen eilte herzu; derſelbe Schrei, derſelbe Verſuch, mich zu vertreiben. Beide zeigten ſich gleich muthig, beide gleich beſorgt um Neſt und Eier.“ Der Pirol oder Pfingſtvogel, wie er wegen ſeiner ſpäten Ankunft häufig genannt wird, iſt nach Naumann „ein ſcheuer, wilder und un— ſtäter Vogel, welcher ſich den Augen der Men— ſchen ſtets zu entziehen ſucht, obgleich er oft in ihrer Nähe wohnt. Er hüpft und flattert immer in den dichteſt belaubten Bäumen umher, ver— weilt ſelten lange in dem nämlichen Baum und noch weniger auf demſelben Aſte; ſeine Unruhe treibt ihn bald dahin, bald dorthin. Doch nur ſelten kommt er in niedriges Geſträuch und noch ſeltener auf die Erde herab. Geſchieht dies, ſo hält er ſich nur ſo lange auf, als nöthig iſt, ein Kerbthier u. dgl. zu ergreifen. Ausnahms⸗ weiſe bloß thut er dann auch einige höchſt un— geſchickte ſchwerfällige Sprünge, denn er geht nie ſchrittweiſe. Er iſt ein muthiger und zän- kiſcher Vogel. Mit ſeinesgleichen beißt und jagt er ſich beſtändig herum, zankt ſich aber auch mit anderen Vögeln, ſo daſs es ihm, zur Be— gattungszeit beſonders, nie an Händeln fehlt. Er hat einen, dem Anſchein nach ſchweren, rau— ſchenden, aber dennoch ziemlich ſchnellen Flug, welcher, wenn er weit über das Freie geht, nach Art der Staare in großen, flachen Bogen oder in einer ſeichten Schlangenlinie fortgeſetzt wird. Über kurze Räume fliegt er in gerader Linie, bald ſchwebend, bald flatternd. Er fliegt gern, ſtreift weit und viel umher und man ſieht oft, wie einer den anderen viertelſtun— denlang jagt und unabläſſig verfolgt, wobei ſie ihre Stimme fleißig hören laſſen“. Seine gewöhnliche Lockſtimme iſt ein hel— les „Giäk, jäk, jäk“ oder ein rauhes „Kräck, Schräck“, fein Angſtſchrei ein häſsliches, ſchnar⸗ rendes „Chrr“ oder „Querr“, ſein zärtliches Rufen „Hio“ oder „Bühlo“. Der flötende Ge— ſang klingt nach Naumann wie „Gidleo, — gita tidlio, — gidilio, — giglia biblio, — gid— leah“. Da der Ton ſehr ſchön, ſtark und voll erklingt, ſo ſprechen die Kinder auf dem Lande den Geſang in mannigfacher Weiſe nach, wie z. B. „Pfingſten, Bier hol'n, aus ſaufen, mehr holen“, oder „Haſt du geſopen, ſo betahl oh“. Eine Reihe der oben angeführten Volksnamen, namentlich in der deutſchen und italieniſchen Sprache ſind Klangbilder, die offenbar an den Geſang erinnern. Die Nahrung des Pirols beſteht in aller— lei Inſecten, weichen Baumfrüchten und Bee— ren. Im Frühjahr, wo es bei uns noch keine reifen Früchte gibt, nährt er ſich nur von Ju— jecten, meiſtens Waldinſecten, mit Vorliebe von glatten, grünen Raupen, die er dann oben in den Laubkronen der Bäume von Blättern und Zweigen ablöst. Die Jungen werden anfangs auch mit Inſecten gefüttert, dann findet er im Walde nicht genug und mußs auf die Acker und Wieſen hinausfliegen, um dort Käfer und Heu— ſchrecken zu fangen. Auch Regenwürmer genießt er. Häufig ſieht man ihn, ähnlich wie die Wür⸗ ger, auf einer Stelle in der Luft rütteln, um Schmetterlinge, Heuſchrecken, Käfer u. ſ. w. zu erſpähen und zu erhaſchen. Sobald die Beeren reif ſind, zieht er dieſe aller anderen Nahrung vor, namentlich Himbeeren und rothe Hollun- derbeeren, vor allen Dingen aber Kirſchen. Unter dieſen hat er ſeine Lieblingsſorten, na— mentlich die ſüßen weichen Herzkirſchen und die wilden Kirſchen im Walde. Er verzehrt das ganze Fleiſch der Kirſche und läſst nur den Goldaugenbremen. — Goldhähnchen. Kern am Stiele ſtehen. Hat er eine ſolche Lieb— lingskirſche herausgefunden, jo kehrt er immer nach demſelben Baume zurück und ſcheint beim Vertilgen der ſchönen Früchte ſeine ſonſtige Scheu ganz zu verlieren. In dem Garten des Forſthauſes Sophien— thal bei Braunſchweig, wo ich als Knabe bei meinem Großvater, der dort als Oberförſter thätig war, immer die großen Sommerferien zubrachte, waren unter vielen Bigarokirſch— bäumen (Kirſchen mit röthlich-gelber Farbe und hartem Fleiſche) mehrere ſüße Herzkirſch— bäume. In dieſen tummelten ſich die Pirole aus den unmittelbar angrenzenden Wäldern. Kaum war einer heruntergeſchoſſen, jo waren nach wenigen Minuten auch wieder neue da, die ſich ſofort durch ihr Gekreiſche bemerklich mach— ten und die vorhandenen Sperlinge und Kern— beißer fortjagten. Gegen andere Vögel, aber auch gegen ihresgleichen benehmen ſie ſich immer außerordentlich neidiſch und miſsgünſtig. Nicht bloß kleinere Vögel ſuchen ſie durch grimmiges Beißen und Schnabelklappern zu vertreiben, ſondern, wie Naumann erzählt, auch größere Vögel müſſen ihnen weichen, wenn ſie zu mehreren zuſammen ſind, ſelbſt Krähen, Elſtern und Häher. Nach der Kirſchernte ver— laſſen ſie uns bald, ſonſt halten ſie ſich dann noch an Maul-, Faulbaum-⸗, ſchwarze Hollun⸗ der⸗ und Ebereſchenbeeren. Auch Weintrauben verſchmähen ſie nicht und in ſüdlichen Ländern ſollen ſie auch Feigen verzehren. Durch ihr ſcheues Weſen entgehen ſie den Nachſtellungen der Falken und Habichte ziemlich gut, gegen Krähen und Elſtern, die ihnen während ihrer Abweſenheit vom Neſte die Eier ſtehlen, beißen ſie wüthend los, andere Raub— thiere können ſich dem geſchickt angelegten Neſte ſelten nähern, jo daſs die meiſten Bruten aus⸗ kommen. Das Verzehren einer großen Menge von Waldinjecten macht ſie entſchieden zu einem äußerſt nützlichen Vogel in den Frühlings- monaten. In den Kirſchbäumen ſind ſie aber ſehr ſchädlich, ſehr bald können ſie den ganzen Vorrath vertilgen, und kann man es dem Gar— tenbeſitzer nicht verdenken, wenn er mit dem Gewehre unter den ſchönen aber unerſättlichen Kirſchenräubern aufräumt. Alte Vögel ſind zu wild, um ſich an die Gefangenſchaft zu gewöhnen, junge, halbflügge aus dem Neſte genommen, werden ſehr hübſch zahm, wenn man ſie mit Inſecten und in Milch aufgeweichter Semmel füttert. Leider erhalten ſie nie den ſchönen Goldglanz des freien Ge— fieders, auch die Männchen behalten meiſt nur das Kleid des alten Weibchens. Naumann ſchreibt darüber: „Mein Vater, welcher dieſe Vögel vor allen anderen liebte, unterhielt immer einige derſelben in einer eige— nen Kammer unter vielen anderen Vögeln. Die meiſten zog er jung auf, und dieſe wurden dann immer zahmer als die Wildfänge; ja einige waren jo zahm, dass ſie ihm, wenn er zum Füttern in die Kammer gieng, entgegen- flogen, das Futter aus den Händen und aus dem Munde nahmen und, wenn er ihnen 455 nicht gleich etwas gab, ihn bei den Haaren rauften. Sie wurden, wenn die Zugzeit an— gieng, allemal unruhig, flogen die ganze Nacht in der Kammer umher und dies dauerte jederzeit bis in den November. Hieraus läſst ſich ſchließen, daſs unſer Pirol bis tief in Afrika ziehen muſs (Naumann ſchrieb dies 1822 und wuſste noch nicht, daſs er bis zum Süden Afrikas ſeine Wanderungen ansdehnt). Erſt im Februar fiengen dieſe an zu mauſern, wobei ſie ſehr traurig waren; er muſste fie dann ſehr gut warten, ihnen öfters Mehlwürmer geben und verlor doch einige in dieſer Zeit. Sobald ſie die Mauſer überſtanden hatten, wurden ſie wieder munter und fiengen an zu pfeifen; aber im März wurden ſie des Nachts wieder un— ruhig, und dies währte bis in den Mai.“ R. Bl. Goldaugenbremen, deutſcher Name für die durch ihre goldgrün gefleckten, großen Augen ausgezeichneten Arten der Gattung Chrysops. Hſchl. Goldbarſch. ſ. Kaulbarſch. Hcke. Goldbutt, j. Scholle. Hcke. Goldeulen, Schmuckeulen, deutſcher Name für die zur Gattung Plusia (ſ. d.) hörigen Nachtſchmetterlinge. Hſchl. Goldſiſch (Carassius auratus Linné. Syn.: Cyprinus auratus), eine zuerſt in China und Japan domeſticierte Abart der gemeinen Karauſche (ſ. d.), welche jetzt als Zierfiſch über ganz Europa verbreitet iſt und in großem Maß⸗ ſtabe in Teichen gezüchtet wird. Durch Ent— ſchlüpfen aus den Teichen verwildern die Goldfiſche nicht ſelten und ſchlagen dann in der nächſten Generation faſt regelmäßig in die Stammform zurück, d. h. ſie behalten ihre jugendliche Färbung, welche jener der Karauſchen gleicht, das ganze Leben hindurch bei, während fie in der Gefangenſchaſt nach 1—2 Jahren ſich ausfärben, d. h. die bekannte Gold- oder Silber- farbe erhalten. Verwilderte Goldfiſche kann man daher von Karauſchen nicht ſicher unterſcheiden, doch finden ſich auch bei ihnen ſehr häufig jene merkwürdigen Verbildungen, welche bei den in der Gefangenſchaft gehaltenen bekannt ſind, nämlich völliges oder theilweiſes Fehlen der Rückenfloſſe, Verdoppelung der Schwanzfloſſe u. a. m. Hcke. Goldfliegen, Kothfliegen, deutſcher Name für die durch leuchtend goldgrüne Farbe ſich auszeichnende, beſonders auf friſchen Ercre- menten ſich raſch in Mehrzahl einfindende Flie⸗ genart Musca caesar. L. ſchl. Goldforelle, ſ. Forelle. Hcke. Goldſuchs, der, ſ. v. w. Birkfuchs, ſ. d. ge⸗ { Laube Jagdbrevier, p. 279. — R. R. v. Dom⸗ browski, Der Fuchs, p. 186. E. v. D. Goldhähnchen, feuerköpfiges, Re gulus ignicapillus, Chr. L. Brehm. Sylvia ignicapilla, Chr. L. Brehm in Temm, M. d'O. I., p. 232 (1820); Regulus pyrocephalus, Chr. L. Brehm, Beiträge II., p. 130 (1822); Re- gulus ignicapillus (Brehm), Meyer, T. D. V. III., p. 109 (1822); Regulus ignicapillus, Naum., Th. III., p. 983: Regulus mystaceus, Vieill., F. Fr., p. 231 (1822, partim); Regulus Nils- soni, Chr. L. Brehm, Vögel Deutſchl., p. 482 456 Goldhähnchen. — Goldhähnchenlaubvogel. (1831); Regulus brachyrrhynehos, id. I. c., p. 483 (1831). Naumann, T. 93; Dreſſer, T. 66. Feuerköpfiger Sänger, rubingekrönter Zaun— könig. engl.; Fire-erested Wren, Fire- erested Regulus; frz.: Roitelet à triple bandeau; ital.: Fioraneino; malt.: Zieniel; ſpan.: Estrellina; portug.: Estrellinha; ruſſ.: Corolek crasno- volosey; ungar.: tüzfejü Kirälyka; böhm.: Kralitek ohnivy; poln.: Krölik zniezek; kroat.: Vatroglavi kraljie. Dieſes hübſche Vögelchen iſt das kleinſte von allen europäiſchen. Der Flügel hat nur eine Länge von 5’5em, der Schwanz von 37 em und der Tarſus von 1’5 cm. Die Stelle über dem Schnabel iſt hellbräunlich, der Ober— kopf goldig feuerroth, mit Gelb eingefasst; da— neben ein breiter, tiefſchwarzer Streif, ein zweiter ſchmaler und matter durch das Auge und ein kurzer vom Schnabelwinkel ab. Über das Auge ein weißer Streif. Die ganze Ober— ſeite iſt goldiggrün, an den Halsſeiten mit Bronzeſchein, der ſich auch in einiger Entfer— nung bemerklich macht. Über dem Flügel zwei weiße Binden. Schwung- und Schwanzfedern ſchwärzlichbraun; die Unterſeite graulichweiß. Das Weibchen hat eine gelbe Kopfplatte. Früher wurde dieſe Art mit dem gelbköpfigen Gold— hähnchen verwechſelt, jedoch dem ſcharfen Auge unſeres Altmeiſters Brehm konnte die Verſchie— denheit nicht entgehen. Derſelbe theilte an Tem— minck ſeine Beobachtungen mit, und dieſer gab (l. c.) die erſte Beſchreibung nach den Angaben Brehms. Auch Bechſtein hat bereits in früherer Zeit die Verſchiedenheit von unſerem gemeinen Goldhähnchen bemerkt, dieſelbe jedoch nur als Varietät betrachtet. Kurze Zeit darauf erkannte auch Naumann die Verſchiedenheit beider Arten. Im Jahre 1822 beſchrieb Chr. L. Brehm in ſeinen Beiträgen (Bd. II, p. 130) dieſe Art ausführlich unter dem Namen Regulus pyro— cephalus. Bisher iſt die Art nur in Mitteleuropa gefunden worden, beſonders zahlreich im weſt— lichen Deutſchland, in Belgien und Frankreich. Auch in Italien, Ungarn und dem weſtlichen Ruſsland kommt ſie vor, in Skandinavien außerordentlich ſelten, auch nur einzeln in Eng— land. Südlich iſt ſie auch in Algier beobachtet, während ſie anderweit im nördlichen Afrika nur zur Winterszeit wahrgenommen wurde. Am zahlreichſten iſt das feuerköpfige Goldhähn— chen im weſtlichen Deutſchland gefunden, wo es in manchen Localitäten weitaus häufiger wie das gelbköpfige iſt. Es iſt ein Wandervogel, der mit der Waldſchnepfe kommt und geht, auch auf ſeinen Zügen nicht allein zahlreich Spanien, ſondern auch die Nordküſten Afrikas beſucht. Zu ihren Brutplätzen ſcheint die Art weſentlich die Fichte zu erwählen, an deren unteren Zweigen ſie ihre mit einem Eingangsloche ver— ſehenen, aus Moos gebauten kugelförmigen Neſter ſtellt und gewöhnlich 8—9 Eier legt, welche etwas lebhafter gefärbt ſind wie die der verwandten Art. In ihrem Betragen hat ſie wie ihr Gattungsverwandter viel Ahnlichkeit mit den Meiſen, macht ihre Züge auch gern mit denſelben und ſucht ihre Nahrung, welche aus Inſecten und kleinen Sämereien beſteht, auch gern am Boden. E. F. v. Hmr. Goldhähnchen, gelbköpfiges, Regulus eristatus, Koch; Motacilla regulus, Linné, Syst. Nat. I., p. 338, no. 48 (1766); Sylvia regulus, Scop., A. J. H. N., p. 161 (1769); Regulus cristatus, Koch, Bayr. Zool., p. 199 (1816); Regulus aureo-capillus, Meyer, Taſchenb. d. V. III., p. 108 (1822); Regulus crococephalus, Chr. L. Brehm, Beitr. II., p. 120 (1822); Re- gulus septentrionalis, id., Vögel Deutſchl., p. 479 (1831); Regulus chrysocephalus, id. I. c., p. 481 (1831). Safranköpfiges oder gemeines Goldhähn— chen; Goldhähnchen, -ämmerchen, -hammel-, -hannel, -hendlein, -vögelein, gekrönter Sänger, Sträußchen, Sträußlein, König der Vögel, Königlein, gekröntes Königchen, Hauben-, Som- mer⸗, Zaun-, gekrönter Zaunkönig, Zaunſchlüpf— lein, Hauben-, Sommerzaunkönig, Tannemäus⸗ lein, Weidenmeiſe, Weiden-, Waldzeislein, Ochſenäuglein, Ziszelberte, Parra. Engl.: Golden-crested Wren, Golderest; frz.: Roitelet ordinaire; ital.: Regolo; dän.: Guultoppet-Fuglekonge, Stjernekonge; norweg.: Fuglekonge; ſchwed.: Kungsfogel; ruſſ.: Co- roleok jeltovolosey; ungar.: bübos Kirälyka; böhm.: Kralicek obeeny; poln.: Krölik ezu- baty; kroat.: Zlatoglavi kraljic. Das gelbfüßige Goldhähnchen iſt ſowohl in der Größe wie in der Geſtalt und Färbung dem feuerköpfigen ähnlich, doch iſt der Schnabel weſentlich ſchwächer und die Färbung weniger ſchön, indem bei dieſer Art das ſchöne goldige Grün der Ober- und der Bruſtſeiten durch ein trübes Oliven- oder Gelblichgraugrün erſetzt wird. Anſtatt der Augenſtreifen iſt eine weiß— graue Stelle um das Auge. Dieſe Art iſt ein wenig größer als die verwandte, doch iſt dies ſo unerheblich, daſs Ausmeſſungen dies nicht klarlegen können, und nur die Vögel im Fleiſche ſich unterſcheiden. Das Vaterland iſt ein weit ausgedehntes; ganz Europa bis zum Kaukaſus und in hoch nördliche Regionen, das nördliche Afrika und das weſtliche Aſien ſind ihre Hei— mat. Es wird angegeben, daſs die Art bis nach Japan gehe; indeſſen wollen wir das dahinge- ſtellt ſein laſſen, weil wir nicht Gelegenheit hatten, Originalexemplare aus dem öſtlichen Aſien hinlänglich zu unterſuchen, um entſcheiden zu können, ob eine Verwechslung vorliegt. In der Lebensart ähnelt das gelbköpfige Goldhähnchen ſehr dem feuerköpfigen, baut auch ähnliche Neſter und legt Eier, welche nur ganz wenig größer, aber etwas matter gefärbt ſind wie die des feuerköpfigen Goldhähnchens. Ein— zelne bleiben auch im Winter in Norddeutſch— land. Bei den großen Meiſenzügen fehlt die Art ſelten, gewöhnlich iſt ſie nicht unerheblich vertreten. Menſchenfurcht ſcheint ſie nicht zu kennen und läſst den Beobachter ganz nahe kommen. E. F. v. Hm. Goldhähnchenlaubvogel, Phyllopneuste supereiliosa, Lath. Motacilla supereiliosa, Gm. Syst. Nat. L, p. 975 Nr. 120 (1788 ex Latham); Sylvia supereiliosa (Gm.), Lath, Ind. Orn. II., p. 326, Nr. 63 (1790); Mota- —— = Goldhähnchenlaubvogel. 437 eilla proregulus, Pallas, Zoogr. Rosso. As. I., p. 500, nota (1811); Regulus modestus, Gould, J. Hancock. An. N. H. IL, p. 310 (1839, nec Gould); Regulus inornatus, Blyth, Blyth, J. A. S. B. XL, p. 191 (1842); Phyl- lopneuste reguloides, Hodgs., Gray, Zool. Misc., p. 82, Nr. 862 (1844); Phyllobasileus superciliosus (Gm.), Blasius, Naumannia, v. p. 485 (1855); Sylvia bifasciata, Gätke, Nau— mannia, v. p. 485 (1855); Phylloscopus Pal- lasii, Dubois, Ois. Eur. p. 83 (1862). . Abbildungen; 1. Vogel. Naumann, Vögel Deutſchl., XIII. Theil, T. 378, Fig. 2 und 3; Dreſſer, Birds of Europe, vol. II., T. 74. — 2. Eier. Seebohm, X. History of british birds, vol. I., T. 10. Goldhähnchenlaubvogel, Goldhähnchenlaub— ſänger. Böhm.: Pruhohlävek skromny; engl.: Yellow-browed Willow-Wren; ital.: Proregolo; kroat.: Zenica zlatoglavka; ungar.: Kirälyka Lombzener. Das Brutgebiet des Goldhähuchenlaub— vogels findet ſich im Central- und öſtlichen Aſien, u. zw. begrenzt weſtlich durch den Meniſſei, nördlich durch den Polarkreis, öſtlich durch den Stillen Ocean, ſüdlich durch eine Linie, durch die Berge am Baikalſee gezogen. Von hier wandert er im Herbſte aus, u. zw. die Hauptmaſſe dem Angorafluſſe entlang, Baikalſee, Amur, durch die Mongolei und Nordaſien nach den Winter— quartieren in Südaſien, Aſſam, Burma und Nordoſtindien, eine weit geringere Anzahl eine weſtliche Richtung einſchlagend, ein Theil durch Weſtſibirien, Turkeſtan nach Perſien, ein anderer Theil quer durch Europa über Helgoland bis nach England. Was die Zeit der Wanderungen anbetrifft, ſo beobachtete Radde in Südoſt— Sibirien die Ankunft Mitte Mai, den Abzug Ende September, nach Dybowski erſcheint er in der erſten Hälfte Juni in Südoſt-Sibirien, Seebohm, der den Vogel in neuerer Zeit am gründlichſten in ſeiner Brutheimat beobachtet hat, ſah ihn zuerſt am 4. Juni am Meniſſei in der Breite des Polarkreiſes. Für Europa be— ſitzen wir durch Gätke in Helgoland eine 40jährige Reihe von Zugbeobachtungen über unſeren Vogel. Seit 1846 konnte er ihn faſt jedes Jahr auf ſeiner einſamen Felſenheimat conſtatieren, nur wenige Male im Frühjahre Ende April und Ende Mai, meiſtens im Herbſte Ende September und Anfang October. Am früheſten wurde er in der 3. Septemberwoche, am ſpäteſten in der 2. Novemberwoche beob— achtet. Außerdem liegen aus Europa Einzel— beobachtungen des Goldhähnchenlaubvogels vor aus der Umgegend von Berlin, Anhalt, Wien, Mailand, Dalmatien, Holland, England und Paläſtina. Es iſt mit größter Wahrſcheinlichkeit anzunehmen, dafs dies kleine Vögelchen ziem— lich regelmäßig ſeine Wanderung nach Europa antritt, dabei aber nur ſelten zur Beobachtung kommt. Dotalläng e 10˙5 em (nach der Etikette in friſchem Zuſtand)z .. 125 „ Flügellänge „ Schwanzlänge ..... BT „, N 629 „ F 0˙9 (Altes 5 von der Uſſurymündung 8, Sep— tember 1881. Aus der Sammlung Tancre.) Der Schnabel iſt ſchlank, der Oberſchnabel über den Unterſchnabel hinab hakenförmig vor— ragend. Die Flügel ſind ſtumpf und kurz, die 3., 4., 3. und 6. bilden die Flügelſpitze und ſind auf der Außenfahne bogig eingeſchnürt, die 2., 3., 4. und 5 auf der Innenfahne wink— lig eingebuchtet. 45 >3=6 > 7 >2>3> 9>W>M=H>1>D. Die Flügel ragen über die Mitte des Schwanzes hinab ungefähr bis zum Ende der oberen Schwanzdeckfedern. Der Schwanz iſt in der Mitte ein wenig aus— geſchnitten, die mittleren Federn meiſt 2mm kürzer als die äußeren. Altes Männchen im Herbſte. Oberſeite von der Stirn bis zu den oberen Schwanz— decken gleichmäßig bräunlich = olivengrün. Schwanzfedern braun mit grünlich geſäumten Außenfahnen, Schwungfedern braun mit grün— lichen Säumen der Außenfahnen, von der 7. Schwinge an bis zur letzten Mittelſchwinge mit kleinen weißen Spitzenflecken. Die oberen Flü— geldeckfedern braun mit hellgrünlichem Saume, an den mittleren und großen Flügeldeckfedern vor dem Endſaume breitere gelblichweiße Fle— cken, die eine deutliche Doppelbinde bilden. Unterſeite weißlich, an Hals und Oberbruſt und Weichen tiefer grau mit grüngelblichem Anfluge. Schwingen und Schwanzfedern braun, an den Schwingen mit ſehr ſchönen weißen Endſäumen, die bei den vorderen Schwingen nur bis zu der winkelförmigen Einſchnürung hinabgehen. Die unteren Flügeldeckfedern weißlich mit grau untermiſcht am Flügelbuge und hier ſowie an den Achſelfedern grüngelblich angeflogen. Die Kopfſeiten ſind bräunlich-olivengrün mit einem ſehr deutlichen hellgrüngelblichen Streifen an der Schnabelbaſis über das Auge in den Nacken hinabziehend (nach dem oben gemeſſenen Exemplare). Das alte Männchen im Frühjahre iſt weniger ſchön im Kleide, da die hellen Säume namentlich an Schwingen und Schwanzfedern abgenützt ſind und namentlich die weißen Spi— tzenflecke der Schwingen fehlen (nach einem , Mai 1879, vom Amur), Altes Weibchen im Herbſte gleicht dem gleichalterigen Männchen, nur tritt das Grau auf der Bruſt viel deutlicher und dunkler her— vor und die Doppelflügelbinden, die Säume und Spitzenflecke der Schwingen ſind ſchmaler und Augenſtreifen und Flügelbinden weniger leuchtend in der Farbe (nach einem 7, 5. Sep— tember, von Irkutsk). Bei dem alten Weibchen im Frühjahre ſind ähnlich wie bei dem gleichaltrigen Männ— chen die Federſäume und Spitzenflecken der Schwingen abgenützt, und auf Kopf und Nacken tritt durch Abnützung der breiten olivengrün- lichen Federſäume das dunkle ſchmutzige Grau der Federnbaſis mehr hervor (nach einem 9, Mai 1879, vom Amur). Die jungen Vögel zeichnen ſich durch einen etwas helleren Ton der Oberſeiten, na— 458 Goldkäfer. — Goldſtirngirlitz. mentlich des Bürzels aus, ferner ein matteres Braun der Schwingen und Schwanzfedern und eine gleichmäßiger und ſtärker grüngelblich an— geflogene Unterſeite, namentlich auch in der Bauchgegend und hellerbraungrau gefärbte Schwingen und Schwanzfedern. Augenſtreifen und Flügelbinde ſind nicht ſo ſcharf abgegrünet wie bei den Alten (nach 2 jungen Männchen vom Juli 1882 aus Katonkaragai). Der Schnabel iſt hornbraun, an der Baſis des Unterkiefers hellbräunlich-weiß bei den Alten, heller hornbraun bei den Jungen. Die Iris iſt dunkelbraun und hat einen Durch— meſſer von 3 wm, die Läufe, Zehen und Krallen hornbraun. (Außer den genannten Exemplaren noch benutzt 2 alte Männchen A. aus Kenderlik— Altai, April 1881 und 2. eines vom Amur, Mai 1879, ſämmtlich aus Sammlung Taneré und mehrere Exemplare von Helgoland aus der Sammlung J. H. Blaſius.) Das Nest fand H. Seebohm mit 6 Eiern am 26. Juni am Yenifjei. Er beſchreibt das⸗ ſelbe nebſt Gelege in ſeinem oben eitierten Werke, Bd. I, p. 449. „Das Neſt war in einem kleinen Fleck von Gras, Moos und Heidel— beeren gebaut, backofenförmig, genau wie das Neſt unſeres gewöhnlichen Fitis (Ph. trochilus). Es war aus trockenem Gras und Moos zuſam— mengeſetzt und mit Renthierhaaren ausgelegt. Die Eier ſind in ihrer Grundfarbe reinweiß, ſehr dicht am breiten Ende gefleckt in der Form eines unregelmäßigen Kranzes mit Röthlich— braun, ſpärlicher an den übrigen Theilen des Eies. Einige der Flecke liegen tiefer und ſind bleicher, aber nicht grau und an 1 bis 2 Eiern fließen ſie zuſammen. Der Längsdurchmeſſer beträgt 0°6 engliſche Zoll, der Querdurchmeſſer 0˙45 engliſche Zoll Die Fleckung iſt ſehr ſcharf begrenzt, wie die Eier von Ph. rufa, aber die Farbe iſt entſchieden der des Ph. trochilus ähn— licher, am meiſten ähneln ſie den Eiern des indiſchen Laubvogels, Ph. humii, ſowohl in Färbung als in Form.“ Auch Dybowski fand die Neſter, aber nur mit Jungen, in Oſtſibirien in der Höhe des Gebirges nahe der Waldgrenze, Ende Auguſt entdeckte er ein Neſt mit 6 Jungen, die, als er ſie in die Hand nehmen wollte, ob— wohl ſie noch nicht flügge waren, behend in das Moos entſchlüpften. Das Benehmen beim Neſte ſchildert See— bohm, es ähnelt ganz dem unſerer deutſchen Laubvögel. Aufmerkſam wird man durch den klagenden Lockton, der wie „weest“ in engli— ſcher Ausſprache klingt. Meiſtens wurden ſie im Tannengehölz geſehen, einmal auch das Singen des Männchens beobachtet, das mit den Flügeln ſchlagend auf der äußerſten Spitze eines Buſches ſaß und mehrmals hinter einander ſeinen klagenden Lockruf ausſtieß. Das Weib— chen flatterte in der Nähe auf und nach län— gerer Beobachtung kehrte es immer wieder zu demſelben Fleck am Boden zurück, wo dann das längſt erſehnte Neſt gefunden wurde. R. Bl. Goldkäſer, Roſenkäfer, deutſcher Name für die zur Gattung Cetonia (Familie Scara- baeidae, Gruppe Cetoniini) gehörigen Arten. Hſchl. Goldftarauſche, ſ. Karauſche. Hcke. Goldkarpfen, ſ. Karpfen. Hcke. Gold lachs, ſ. Lachsforelle (2. nicht wan⸗ dernde oder Seeforelle. Goldnerfling, ſ. Aland. Hcke. Goldneſſel, ſ. Galeobdolon. Wm. Goldorſe, ſ. Aland. Hcke. Goldpuppe, Aurelia, wird eine Naſenpuppe (der Tagſchmetterlinge) genannt, welche metal- liſch glänzende Fleckenzeichnungen trägt (Va— nessa-Arten). Hſchl. Goldregen, j. Cytisus Laburnum. Wm. Goldruthe, ſ. Solidago. Wm. Goldſchleihe, ſ. Schleiche. Hcke. Goldſtirngirlitz, Scrinus pusillus, Pall. Passer pusillus, Pallas, Zoogr. Rosso- As. II., p. 18 (1841); Serinus pusillus (Pall.), Brandt, Phys. Math. Acad. St. Petersb. 13 p. 366 (1843); Fringilla rubrifrons, Hay, Journ. As. Soc. Beng. XV., p. 38 (1846); Fringilla aurifrons, Blyth, ibidem XVI., p. 476 (1847); Emberiza auriceps, Blyth, fide Cab. P. F. Orn. 1854, Erinnerungsſchrift, p. 94. Abbildungen: Pallas Zoogr. Rosso-As. II. tab. XLIII, Cab. J. f. Orn. 1854, Erinne⸗ rungsſchrift, T. 1, Dreſſer, Birds of Europe, Mol. 11, 3,173, Engl. Red fronted finch; ruſſ.: Malinowka, Korolkowyi Wjurok. Der Goldſtirngirlitz kommt brütend vor vom Kaukaſus an durch Afghaniſtan und Tur⸗ keſtan bis nach Ladak. Im Winter ſcheint er weſtlich zu ziehen und wurde mehrfach beob- achtet in Kleinaſien und Südoſt-Europa. Tokalläne 130 cm Flügellänge. ... SE}: Schwanzlänge. .... 68. Turſus N 133 Schnabel! 0:68 Der Schnabel iſt kurz und dick, gleichmäßig nach der Spitze zu kegelförmig verſchmälert, der Oberſchnabel in der Firſte ſehr ſchwach gebogen, den Unterſchnabel etwas überragend, der Unter— ſchenkel ganz gerade. Die Flügel ſind lang und ſtumpf zuge— ſpitzt, ragen über die Mitte des Schwanzes hinab über die großen oberen Deckfedern hin— aus, die 1., 2,, 3. und 4. Schwinge N die Stügelfpige 2 272712382 1423 ( Die 2., 3. und 4. Schwinge ſind auf der Außen⸗ fahne bogig eingeſchuürt. Der Schwanz iſt von mittlerer Länge, keilförmig ausgeſchnitten, die Mittelfedern 43%, mm kürzer als die äußerſten Federn. Der Lauf iſt kurz und zart. Altes Männchen im Herbſte. Oberſeite: Stirn und Kopfplatte ſchön orangeroth, Nacken ſchwarz, übrige Oberſeite dunkelbraun, ſämmt— liche Federn mit grauweißen Säumen, die auf dem Rücken und namentlich am Bürzel und den kleinen oberen Schwanzdeckfedern einen goldgelben Anflug zeigen, der an den oberen Flügeldeckfedern und der baſalen Außenfahne der Schwanzfedern orangebräunlich wird. Die hellen Federſäume am breiteſten an den großen oberen Flügeldeckfedern, den Hinterſchwingen und den oberen Schwanzdeckfedern. Unterſeite: Kehle, Hals und Oberbruſt ſchwarz mit ſehr e | ö Goldweſpen. — Goniodes. ſchmalen hellgrauweißen Säumen jeder einzelnen Feder, übrige Unterſeite des Rumpfes weißlich goldgelb mit an Bruſt und Weichen hervortre— tenden braunſchwarzen Federmitten. Schwung— und Schwanzfedern braungrau, untere Flügel— deckfedern weiß mit orangefarbigem Aufluge am Flügelbuge. (Nach 5 am 2. October aus der Samm— lung Taneré, aus der Coll. Severzow geſam— melt in Fenghamah.) Die alten Männchen im Frühjahre zeigen dadurch, daſs die ſchmalen weißen Fe— derſäume des Gefieders abgeſtoßen ſind, ein ſehr verändertes Ausſehen, der Rücken iſt gleich— mäßig dunkel mit ſchmalen goldgelben Feder— ſäumen und orangegelbem Bürzel, Bruſt und Seiten braunſchwarz mit goldgelben breiteren Federſäumen und ſchmutzig goldgelbweißlichem Unterleibe. (Nach 2 & aus der Sammlung Tanere aus April 1884 vom Konurulengebirge.) Ein altes Männchen, geſammelt bei Tiflis 2. April 1882 von Radde, iſt kleiner als alle übrigen Exemplare, weniger goldgelb angeflogen auf Bauch und unteren Schwanzdecken und auf Bruſt und Rücken und Steiß mehr orange— bräunlich, ſtatt goldgelb. Altes Weibchen. Statt der orangerothen Kopfplatte zeichnet ſich dieſes nur durch eine hellbräunliche Färbung aus, die durch einzelne dunklere Federmitten unterbrochen wird. Im Übrigen ſind die ſämmtlichen Farben matter, namentlich das Schwarz an der Kehle und im Nacken, und der orangefarbige und goldgelbe Anflug der Rumpf- und Flügeldeckfedern und Schwingen. (Nach einem 9, geſchoſſen 9. April 1882 bei Tiflis.) a Die jungen Vögel ähneln dem alten Weibchen, nur iſt der ganze Kopf braun, die einzelnen Federn mit dunklen Schaftſtrichen, die Stirn matt orange gefärbt, Oberſeite matter gefärbt, die einzelnen Federn breit gerändert, Kehle und Bruſt ſchwarz, die einzelnen Federn breit gelblichweiß gerändert. Schnabel dunkel hornbraun, an der Baſis des Unterſchnabels etwas heller gefärbt. Die Iris iſt braun und hat einen Durchmeſſer von 3 mm Läufe, Zehen und Krallen dunkel ſchwarz— braun. Das Gelege beſteht in der Regel aus 4 Eiern. Dieſelben ähneln nach Dreſſer denen des gewöhnlichen Girlitzes, ſind nur etwas dunkler in der Grundfarbe. Auch das Neſt gleicht dem des Girlitz, iſt nur etwas größer gebaut aus Grashalmen, untermiſcht mit etwas grauem Mooſe und ſehr ſchön mit dunkelge— färbten Federn ausgefüttert. Nach Danford legen es die Vögelchen mit Vorliebe in den Wachholderbeerbäumen an, ſo daſs es bei der Größe und Dichtigkeit der Bäume ſehr ſchwer zu finden iſt. Nach Radde brütet der Goldſtirngirlitz im ganzen kaukaſiſchen Hochgebirge von 5000’ an aufwärts, und geht in ſtrengen Wintern weiter thalabwärts in die wärmeren Vorberge und ſchwärmt dann ganz in der Art der übrigen Finkenarten. 459 In Tiflis wird er häufig von den Vogel— ſtellern gefangen und theuer (bis zu 1 Rubel das Männchen) bezahlt. Dieſes ſingt ſehr an— genehm und lebt im allgemeinen wie der ge— wöhnliche Zeiſig. Es gelingt kaum, denſelben länger als 2 Jahre im Käfig zu halten, da die Hitze dem kleinen Thierchen, das gewohnt iſt, in den hohen Bergen zu leben, eee Goldweſpen, deutſcher Name für die der Familie Chrysidae (ſ. d.) angehörigen Gattun— gen und Arten. ſchl. Gonioctena Redtenbacher, Gattung der Familie Chrysomelidae (ſ. d.), Gruppe Chryso- melini (ſ. d.), Ordnung Coleoptera (ſ. d.). — 4•53—7 mm große, durch meiſt ziegelrothe Fär— bung und ſchwarze Punkt-, Makel- oder Strei⸗ fenzeichnungen auf den Flügeldecken ausgezeich— nete Arten, von übrigens ſehr veränderlicher Farbe, indem die ſchwarzen Zeichnungen öfter ganz oder theilweiſe zuſammenfließen, oder der ganze Käfer oberſeits ſchwarz gefärbt erſcheint. Der Körper iſt länglich, etwas walzig, geflü— gelt. Die Fühler allmählich gegen die Spitze zu verdickt, faſt von halber Körperlänge. Augen oval; Kopf geneigt, bis zum Augenrande in das Halsſchild eingezogen. Endglied der Kie— ferntaſter abgeſtutzt. Schienen an der Spitze mit einer Rinne, deren mit Dornen reihenweiſe beſetzter Außenrand (an den Hinterſchienen wenigſtens) in einen großen dreieckigen Zahn ſich erweitert. Fußklauen an der Wurzel ge— zähnt. — Von den wenigen deutſchen Arten dieſer Gattung wurde G. sexpunctata (Larve) an der Luzerne ſehr ſchädlich. Für den Forſtmann hat nur die auf Weiden vorkommende G6. vimi- nalis Gyllh. einiges Intereſſe, da ſie in mans chen Jahren durch ihr maſſenhaftes Auftreten auffällt. Sie gehört zu jenen Arten, bei denen der Außenrand der Schienen an allen Beinen vor der Spitze zahnartig erweitert iſt. Die Oberſeite des Käfers iſt (mit Ausnahme des ſchwarzen Kopfes) entweder ganz röthlichgelb, oder zwei Makeln am Hinterrande des Hals— ſchildes ſchwarz, oder dieſe ſind zuſammenge— floſſen. Die Flügeldecken ſind entweder einfar— big, oder jede mit 3 oder 5 ſchwarzen Makeln. Häufig iſt das Halsſchild ganz ſchwarz, oder nur an den Seiten roth; ſeltener der ganze Körper ſchwarz und höchſtens die Fühlerwurzel und der After roth. An den in der Regel ganz ſchwarzen Beinen ſind höchſtens die Schienen gelbbraun gefärbt. Flügeldecken fein punktiert⸗ geſtreift, die Zwiſchenräume mit Punktierung; Halsſchild auf der Scheibe ſehr fein, an den Seiten grob grubig punktiert. 5—7 mm. In Weidenhegern durch Blattfraß ſchädlich. Be— kämpfung durch Sammeln oder durch Herab— ſtürzen und Zertreten der Käfer. Hſchl. Goniodes Nitz, Eckkopf, Eckkopflaus, eine Gattung der Familie Mallophaga (Pelz⸗ freſſer) Ordnung Rhynchota, lebt in zahl- reichen Arten ſchmarotzend an Tauben und Hüh- nerartigen Vögeln. Sie ſind charakteriſiert durch großen, an den Schläfen zweimal geeckten Kopf, deſſen vordere Ecke mit zwei Borſten verſehen iſt. Das Halsſchild wird von einem tiefen Aus- ſchnitt des Hinterkopfes aufgenommen. Fühler 460 Göſe. — Grabner. ſeitlich, meiſt in der Mitte des Kopfes einge— lenkt; beim ? einfach, mit längſtem 2. und dickem Grundgliede; beim & iſt das letztere auch ſtark verlängert, an der ae bis⸗ weilen vorſpringend oder geaſtet, das 2. kürzer, das 3. wiederum ſtark verlängert im Bogen nach hinten gerichtet und das kürzeſte 4. mit dem 5. Glied entweder unmittelbar auf der Vorderſeite des Bogens oder auf einem Höcker eingelenkt. Halsring trapezförmig oder ſechs— ſeitig; der nächſte Bruſtring breiter, meiſt geeckt, die Ecken in der Regel beborſtet, hinten bogig ausgeſchnitten zur Aufnahme des Hinterleibes. Dieſer breit eiförmig, gewöhnlich wellenrandig, mit, beim & gerumdeter, beim f geferbter Spitze. Tarſen 2gliedrig, 2krallig. — G. dissimilis be= wohnt das Haushuhn, 6. stylifer das Trut— huhn. Sollen dieſe Hausgeflügel bei der künſt— lichen Faſanenzucht Verwendung finden, ſo müſſen ſie vorher auf etwa ihnen anhaftendes Ungeziefer unterſucht und eventuell gereinigt werden. Dies bewerkſtelligt man am beſten durch fleißiges Einſtreuen mit perſiſchem In— ſectenpulver, womöglich unter das Gefieder, und durch gründliche Reinigung der Ställe. Hſchl. Höfe, Gäſe, j. Aland. Hcke. Götterbaum, . Ailanthus. Wm. Grabbeine, vgl. Beine der Inſecten. Hſchl. Graben. Für Waldbau und Waldpflege iſt der Graben von großer Bedeutung, da er, abgeſehen von ſeiner Wichtigkeit beim Wegebau und bei der Inſectenvertilgung, einmal zum Schutz von Culturen und Schlägen dient, dann aber zur Entwäſſerung von übernaſſen Wald— theilen, zur Bewäſſerung und Erfriſchung trockener Stellen, dann aber auch zum Anhalten des düngenden Blattabfalls am Waldboden, ſo— wie zum tiefen Lockern desſelben dient. So wird der Graben zum Hegegraben, zum Ent— wäſſerungs- und zum Bewäſſerungs- und zum Fanggraben (ſ. Freipflanzung, Freiſaat sub 5, Entwäſſerungsanlagen, Bewäſſerungsanlagen, Erlenerziehung sub 3, Rabattencultur, Riolen, Weidenerziehung sub 2, Heideaufforſtung sub 4e, Moorcultur sub 2a, Waſſerſtandspflege, Laub— fang). 6 d Fig. 393. . ab Oberweite, ed Sohlen⸗ breite, ec, fd Tiefe, ac, bd Böſchung oder Doſſirung. ae, bf Anlage oder Ausladung. Nach den ſehr verſchiedenen Zwecken, welchen die Gräben dienen ſollen, iſt deren Anlage und Form eine äußerſt verſchiedene, wie denn auch auf letztere außerdem die Bodenbeſchaffenheit von Einfluſs iſt, da ein Boden beſſer ſteht als der andere und danach beſonders die Böſchung der Grabenſeiten eine ſteilere oder flachere ſein kann, bezw. ſein mujs. Wir wollen hier nur im allgemeinen be— züglich der Grabenform auf die Fig. 393 hinweiſen und bemerken, daſs man die Böſchung nicht nach Graden, ſondern nach dem Verhältnis der Oberweite, Soplenbreite und der Tiefe, auch wohl nach der „Anlage“ zu beſtimmen pflegt. Ein bei Waldgräben in jeiterem Boden öfter vorkommendes und auch in der 85 393 feſt⸗ gehaltenes Verhältnis würde z. B. ſein: Oberweite ab 3 Sohlenbreite ed —=1 Tiefe ec, bd = 15 Die Auslage ae, bf würde hier wie die Sohle S1 ſein. Gt. Pe verb. trans. J. Dachs, Fuchs und Kaninchen graben ihre Baue. Täntzer, Jagdgeheimniſſe, 1682, fol. 49. — Hartig, Lexikon, p. 70. — R. R. v. Dombrowski, Der Fuchs, p. 474. II. S. v. w. ausgraben, einen Fuchs oder Dachs aus den Bau, oder den Bau. „Junge Füchſe ..., welche geſchwinder. und beſſer zu graben ...“ Pärſon, Hirſchger. Jäger, 1734, fol. 70. — Döbel, 1 II., fol. 141. 8 a. d. Winkell, Hb. f. Jäger, III, p. 27. — Hartig, Lexikon, p. 103. — Dombrowski, I. e p. 129. — Sanders, Wb., I., p. 613. E. v. D. Grabencultur pflegt man wohl eine hin und wieder unter beſonderen ungünſtigen Boden— verhältniſſen, wie Vernäſſung, Verwilderung 2c. ſie wohl hervorrufen können, vorkommende, ſehr koſtſpielige Art der Cultur zu nennen, bei wel— cher in gewiſſen Entfernungen von einander ge— zogene und angemeſſen breit angelegte Gräben riolt (ſ. Riolen) und als Beete zam Aufbringen der zu erziehenden Holzart benutzt werden Auf naſſem Boden ſind Rabatten (ſ. d.) oder jattel- förmige Beete (ſ. Weidenerziehung, 2) den N Riolgräben vorzuziehen. Grabheuſchrecken, ſ. Gryllina. oſch. Grabner Leopold, geb. 21. Juli 1802 in Breitenfurt (Niederöſterreich), geſt. 4. November 1864 in Wien, erhielt ſeine Vorbildung auf dem Gymnaſium zu Wien und der Forſtlehr— anſtalt Mariabrunn, woſelbſt er 1823 bis 1827 die Stelle eines Aſſiſtenten begleitete. 1827 trat er als Unterförſter (damals „Waldüber— geher“ genannt) im Wiener Wald ein, wurde kurze Zeit darauf proviſoriſcher Förſter und Oberforſtamtsſchreiber in Purkersdorf und 1830 Ingenieur und Taxator beim k. k. Waldamte in Wien. 1833 wurde Grabner nach dem Ab— leben des Profeſſor Höß proviſoriſch zum Pro— feſſor der Naturkunde an der Forſtakademie Mariabrunn ernannt; 1833 rückte er definitiv in dieſe Stelle ein; 1837 erhielt Grabner die Profeſſur der Forſtwiſſenſchaft daſelbſt und avancierte 1838 zum wirklichen Profeſſor dieſes Faches. 1847 trat er als Chef der fürſtlich Liechtenſtein'ſchen Forſtverwaltung mit dem Titel „Forſtrath“ wieder in den praktiſchen Dienſt zurück. Grabners Lebenslauf war arm an ſenſa— tionellen Ereigniſſen; es liegt, entſprechend den Anlagen dieſes Mannes, eine nüchterne, unun— terbrochen praktiſch— verſtändige Berufsthätigkeit vor uns, die nur wegen des trefflichen Willens und der bedeutenden Erfolge hervorragt, welche EEE! ͤ ͤ«³ꝛiꝛi —⁵⁰Aṽ ...... ⏑⏑⏑ũ»—.̃—6—.⁰—¼̊u »ãůQům. ̃ĩ w ² Grabweſpen. — Gracilaria. 461 durch ſie auf dem Gebiete der materiellen Ent— wicklung erzielt wurden. Grabner war ein viel— ſeitig gebildeter, theoretiſcher und praktiſcher Forſtwirt von ſchlichtem biederem Weſen; als Schriftſteller klar und bündig, wenn auch ſeine Leiſtungen in der Naturwiſſenſchaft und deren Anwendung auf das Forſtfach nicht bedeutend find. Die Liechtenſtein ſche Forſtverwaltung er— hob er durch ſein thätiges Eingreifen und Or⸗ ganiſieren zu einer der beſteingerichteten des Kaiſerreiches. Zu rühmen ſind außerdem ſeine Verſuche über die geeignetſte Fällungszeit des Bau⸗ und Brennholzes ſowie jene über den zweckmäßigſten Durchforſtungsgrad. Grabner gehört mit zu den Gründern des Oſterreichiſchen Reichsforſtvereines und war Jahre lang zweiter Präſident desſelben; ferner errichtete er die Forſtſection der Wiener Land- wirtſchaftsgeſellſchaft, betheiligte ſich an der Gründung der mähriſch-ſchleſiſchen Forſtlehr— anſtalt zu Auſſee und war 1850—1852 auch Vorſtand des mähriſch-ſchleſiſchen Forſtvereines. Ein ihm von den öſterreichiſchen Forſt⸗ wirten geſtiftetes Denkmal (ſeine Büſte in Marmor) iſt der Hochſchule für Bodencultur zu Wien am 15. Juni 1879 mit einer entjpre= chenden Feier zur Aufbewahrung übergeben worden. Selbſtändige Schriften: Anfangsgründe der Naturkunde für den Forſtmann. Enthält: Phyſik, unorganiſche Chemie, Pflanzenchemie, Forſtbotanik und Lehe von Klima, Boden und ſchädlichen Thieren 2 Bd., 1838; Tafeln zur Beſtimmung des kubiſchen Inhaltes cylindri— ſcher und nase, Nutz- und Bauholz— ſtücke, 1840, 3. Aufl. 1870; Grundzüge der Forſtwirtſchaftslehre 1 Bd. Walderziehung, Waldſchutz und Polizei, Waldbenützung, 1841, 2. Aufl. u. d. T. die Forſtwirtſchaftslehre für Forſtmänner und Waldbeſitzer, 1854, 2. Bd. Wirtſchaftseinrichtung, Ertragsbeſtimmung, Haushalt, 1836; die fürſtlich Liechtenſtein'ſchen Forſte in den Kronländern Niederöſterreich, Mähren, Schleſien, Böhmen und Ungarn. Außerdem hat er die drei erſten Bände der „Oſterreichiſchen Vierteljahrsſchrift ſür das Forſt— weſen“ (1851—1853) herausgegeben und die Einleitung zu Fiscalis „Deutſchlands Forſt— culturpflanzen“ verfaſst. Schw. Grabweſpen, Crabronidae, ſ. Sphaegidae, 9 Gracilaria Hw., eine durch glatten Nopf und haarbuſchloſe Palpen ausgezeichnete Gat— tung der Familie Gracilaridae, Abtheilung Tineae (Motten); Ordnung Lepidoptera. Cha⸗ rakter: Kopf abgeſetzt; Nebenaugen fehlend; Fühler lang, ohne Augendeckel; Nebenpalpen 3gliedrig, lang, fadenförmig. Vorderflügel mit flachem Innenwinkel; 11 oder 12 Rippen; fünf Aſte in den Vorderrand; Dorſalrippe einfach: Franſen lang. Hinterflügel lanzettlich, ſehr lang gefranst; Mittelzelle offen; 4—6 Aſte. Zierliche, kleine, durch langen, dünnen Hinterleib und meiſt ſehr ſchmale Flügel ausgezeichnete ſchlanke Möttchen. Bei den Vorderflügeln laufen der Vorder- und der Innenrand bis ½ der Flü— gellänge von der Wurzel angefangen parallel; Verhältnis der Flügellänge zur Flügelbreite wie 75 bis 8 zu 1. Die Schmetterlinge (be— merkt von Heinemann in ſeinem unübertroffenen Werke: Die Schmetterlinge Deutſchlands und der Schweiz) fliegen in der Dämmerung und nehmen in der Ruhe eine eigenthümliche Stel— lung an. Sie halten nämlich den Vorderkörper ſehr hoch, indem die Schienen und Füße der vier vorderen Beine faſt ſenkrecht auf der Fläche aufſtehen, die Hinterbeine aber dem Leibe ent— lang ausgeſtreckt und die ſteil dachförmigen Flügel nach hinten und abwärts gerichtet ſind, jo daſs die Sitzfläche von ihnen berührt wird; die Fühler ſind nach hinten zurückgelegt. Die lAfüßigen Raupen gehören in der Jugend ausnahmslos zu den Blattminierern. Ein Theil derſelben bleibt es auch bis zur Verpuppung; die meiſten aber verlaſſen die Mine und ver— bringen den Reſt des Raupenlebens in einem auf verſchiedene Weiſe umgeſchlagenen oder zuſammengerollten Blatte, deſſen Innenfläche ſie benagen. Die Verpuppung erfolgt in einem Geſpinſte, das innerhalb der Raupen— wohnung oder aber außerhalb derſelben, frei, an einem anderen Blatte, oder an oder unter der Bodendecke angefertigt wird. Die Puppe iſt ſchlank und ausgezeichnet durch ſehr ausge— bildete, lange Flügel- und Fühlerſcheiden. Die Arten haben in der Regel doppelte Generation. v. Heinemann bringt die zahlreichen Arten dieſer Gattung in folgende Gruppen: A. Vorderflügel mit geradem Hin— terrande und vor der Spitze gebogenem Vorderrande. Mittelſchienen ſchuppig verdickt. a) Die Raupen verlaſſen die Mine und leben bis zur Verpuppung in einem röhren— oder kegelförmig gerollten Blatte. Hieher die Arten: 1. Gr. alchimiella Sep. Raupe im Mai, Juni; Schmetterling im Juli; zweite Gene— ration: Raupe im Auguſt; Schmetterling im September. Eichen; kegelförmige Blattrollen. 9 stigmatella F. Raupe an Wei⸗ den, ſeltener an Pappeln im Mai und Auguſt bis September in einem flachen Kegel. Schmet⸗ terling im Juni, Juli und wieder im Herbſt (dieſer überwintert und fliegt zu Anfang Mai). 3. Gr. hemidactylella F. Raupe an Acer campestre im September in einem Blatt- kegel. . 4. Gr. Fribergensis Fritzsche. Raupen im September oft zu mehreren an einem Blatte des Acer pseudoplatanus in ſehr großen, je aus einem Blattlappen gedrehten Geſpinſt— kegeln. 5. Gr. semifascia Hw. Raupe im Juli in einem kegelförmigen Umſchlage an Blättern von Acer campestre. 6. Gr. falconipennella H. Raupe im u in aufgerollten Erlenblättern, Gr. populetorum Zh. Raupe im Juni A Auguſt an Birken und Aſpen in auf- gerollten Blättern. 8. Gr. elongella L. Raupe im Mai und Juni und ſpäter wiederum im Auguſt an Erlen wie die vorige Art. 9. Gr. juglandella Mn. Raupe im Juni, Juli in Blattkegeln der Wallnuſsbäume— 462 10. Gr. rufipennella H. Raupe an Acer pseudoplatanus in einem zu einem Kegel eingerollten Blattlappen von Juni an bis Auguſt. 11. Gr. taxella Hs. Raupe an Taxus, anfangs Auguft. b) Die Raupen verbleiben in der aufge— triebenen und zuſammengefalteten Mine. (Enthält nur zwei au Kräutern ſich ent— wickelnde Arten.) B. Vorderflügel hinten von beiden Rändern aus gleichmäßig zugeſpitzt; Hinterflügel reichlich halb ſo breit wie die Vorderflügel; Mittelſchienen ſchup— pig erweitert. Hieher gehört die durch oft maſſenhaft an Syringa und Ligustrum (aber auch an Fraxinus) vorkommende, von den Rändern her ſich aus— breitende Blattminen bekannte 12. Gr. syringella F., deren Raupe zu— erſt minierend und ſpäter im breit zuſammen⸗ gerollten Blatte lebt. Erſte Generation im Juni; die zweite im Auguſt, September. 13. Gr. quadrisignella Z. Raupe im Mai an Rhamnus cathartica in Blattminen. Hſchl. Gradeintheilung, ſ. Bogenmaß und Be- zifferung. er Gradient, barometriſcher. Der in die Meteorologie eingeführte Begriff des baro— metriſchen Gradienten dient dazu, das Gefälle des Luftdruckes ſeiner Größe und Richtung nach kurz auszudrücken, indem als Einheit des Ge— fälles eine Druckabnahme um eine Luftdruck— einheit beim Fortſchreiten um eine gewiſſe Längeneinheit nach der Richtung der ſtärkſten Druckabnahme geſetzt wird, wobei dieſe Richtung zugleich als Richtung des Gradienten gilt. Während in England als Einheiten noch der engliſche Zoll und die Seemeile gelten, ſind die Einheiten des Millimeters und eines Aquator— grades (111 km) in allgemeinerem Gebrauch. Liegt hienach der Ort des niedrigſten Luft— druckes nordöſtlich von einem Punkt der Ober— fläche um k Kilometer entfernt und beträgt der Unterſchied der beiden auf 0° und Meeresniveau reducierten Barometerſtände m Millimeter, ſo hat der Ort einen nordöſtlichen Gradienten E 111 m 111 7 8 Da die Iſobaren die Orte gleichen auf Meeresniveau reducierten Luftdruckes verbinden, ſo müſſen die Gradienten als die Linien der ſtärkſten Druckdifferenzen auf dieſen ſenkrecht ſtehen; der Druckunterſchied zweier Iſobaren dividiert durch ihren in der Einheit von 111 km ausgedrückten Abſtand gibt alſo die Größe des Gradienten an. Der bekannte Satz, dajs größere Luftdruck— unterſchiede im allgemeinen ſtärkere Winde her— vorrufen, würde alſo auch ſo ausgedrückt wer— von der Größe g = m: den können, dass die Windſtärke durch die Größe der Gradienten bedingt iſt. Unterſuchungen über dieſes Verhältnis haben ergeben, dass die Windgeſchwindigkeit im allgemeinen ſchneller wächst als der Gradient, und daſs der Gradient trotz der täglichen Periode Gradeintheilung. — Gradient. der Windgeſchwindigkeit im Laufe des Tages nahe conſtant bleibt. Den ſtärkeren Winden in den Nachmittagsſtunden würden aljo relativ kleinere Gradienten entſprechen, in Übereinſtim— mung mit der aus Luftdruck- und Windkarten entnommenen Thatſache, daſs die Gradienten bei gleicher Windſtärke in der wärmeren Jahres— zeit kleiner ſind als im Winter. Gleichen Gra— dienten entſprechen alſo im Sommer ſtärkere Winde als im Winter. Bei der Unterſuchung der Größe der Gra— dienten in der Umgebung der Cyelonen und Anticyelonen haben ſich weitere Unterſchiede für das Verhältnis der Windgeſchwindigkeit zum Gradienten ergeben, indem die öſtlichen Winde im allgemeinen bei gleichen Gradienten größere Geſchwindigkeit als die weſtlichen beſitzen. Im Anſchluſs ſei hier noch der ſog. Ab— lenkungswinkel des Windes erwähnt, worunter man den Winkel zwiſchen der oben definierten Richtung des Gradienten und der Windrichtung verſteht; es iſt alſo derjenige Winkel, um wel— chen der Wind in ſeinem Streben nach dem Orte des niedrigſten Luftdruckes abgelenkt er— ſcheint, eine Wirkung der Erdrotation und der Reibung der Luſtſtröme an der Erdoberfläche. Da der Wind offenbar bei dem Ablenfungs- winkel gleich 90° den Iſobaren parallel wird, und der Wind bekanntlich in die Cyelonen von allen Seiten hineinweht, ſo muſs der Winkel ſtets kleiner als 90° beobachtet werden. Wäh— rend dieſer Winkel in Europa für nordweſtliche Winde ſeinen größten und ſüdöſtliche Winde ſeinen kleinſten Wert erreicht, fand Loomis für Nordamerika die entgegengeſetzten Verhältniſſe, indem ſich für die nordweſtlichen Winde be— ſonders ein ſehr kleiner Ablenkungswinkel (von 31° gegenüber den mittleren Ablenkungswinkeln von etwa 52° und 75° im Minimum und Ma⸗ ximum in Europa) ergab, eine Gegenſätzlichkeit, die durch die entgegengeſetzte Lage des Atlan— tiſchen Oceans gegen dieſe Continente zu er— klären verſucht wurde. Theoretiſch iſt die Windſtärke bei gegebenem Gradient in erſter Linie abhängig von der geographiſchen Breite und der Reibung der unteren Luftſchichten an der Erdoberfläche, in— des iſt das Problem ein ſo ſchwieriges und die Auswertung dieſer Reibung jo unſicher, dajs mehr als eine annähernde Übereinſtimmung zwiſchen Rechnung (des amerikaniſchen Meteo- rologen Ferrel) und den gegebenen Verhält— niſſen nicht zu erwarten ſteht. Es iſt ferner der Begriff des verticalen Gradienten eingeführt, um in ähnlicher Weiſe die Kraft auszudrücken, welche auf einen Punkt einwirkt, um ihn in verticaler Lage zu ver— ſchieben; der verticale Gradient zwiſchen zwei Punkten in verſchiedenen Höhen iſt gleich dem Unterſchied der an dieſen Punkten beobachteten und auf 0° C. reducierten Barometerſtände, ver- mindert um den Druck der zwiſchen beiden Punkten befindlichen Luftſäule und umgerechnet auf 111 km, oder er iſt gleich der Differenz beider auf 0° und die Meeresoberfläche reducierten Barometerſtände, dividiert durch den in Kilo- meter gemeſſenen Höhenabſtand und multipliciert mit 111. Grado. — Granit. 463 Befindet ſich die Atmoſphäre im Gleich— gewicht, ſo iſt der verticale Gradient nach dieſer Definition offenbar gleich Null, wodurch eben nur anders ausgedrückt wird, daſs keine Urſache vorhanden iſt, um verticale Strömungen her— beizuführen. Gßn. Grado. Die Streitigkeiten zwiſchen der öſterreichiſchen Gemeinde Grado und der be— nachbarten italieniſchen Gemeinde Marano über die Jagdgerechtigkeit in den Lagunen an den Flüſschen Auſſa und Aufora wurden durch Übereinkommen v. 1/10. 1869 (Kundm. der Küſtenländ. Statth. v. 25./ 2. 1870, 3. 355) durch einvernehmliche Abgrenzung des Jagd— gebietes beglichen. Mcht. Gran, der, auch die Gräne, meiſt nur im Plural. I. „Gränel oder Hacken heißen die zwei ſtumpfen Zähne. jo der Hirſch oben im Maule zu beiden Seiten hat.“ Chr. W. v. Heppe, Wohlred. Jäger, p. 188. — „Gräne oder Haken.“ Hartig, Lexikon, p. 227. — „Gräne oder Haken.“ Laube, Jagdbrevier, p. 279. — „Grannen, Haken.“ R. R. v. Dombrowski, Edelwild, p. 5. — „Gränlein, Graaneln.“ Kobell, Wildanger, p. 480. II. „Grenel: alſo werden die Teſtikel des Hirſchens benennt.“ Chr. W. v. Heppe, 1. c., p. 187, 246. — Sanders, Wb, I., p. 617, 660. E. v D. Granat umfajst eine Gruppe von Mine: ralien, die regulär kryſtalliſieren, gewöhnlich als Rhomben-Dodekasder (Granatoéder) und Ikoſitetraßsder, oder beide in Combination, und als Gemiſche iſomorpher Verbindungen aufzufaſſen ſind. Die Granatarten (Almandin, Heſſonit, Groſſular, Melanit, Pyrop, gemeiner Granat) ſind nach der Formel RU, (RN,) Si,0,, zuſammengeſetzt; Ru wechſelnd — Ca, Fe, Mg, Mn (RW), ebenſo (Alz), (Fe) oder (Ora). Sie find ungemein verbreitet, beſonders in kryſtalliniſch-körnigen und ſchieferigen Silicat— geſteinen, in Serpentin, körnigem Kalk u. ſ. w., aber bodenkundlich von geringem Intereſſe. v. O. Granatapfelbaum, ſ. Punica. Wm. Granit. Die vorherrſchenden Gemeng— theile der Granite ſind: Ouarz, Orthoklas, Plagioklas und Glimmer; doch iſt keiner davon völlig beſtändig. Die Anzahl der acceſſoriſchen Gemengtheile iſt ſehr bedeutend. Wir nennen: Granat, Hornblende, Augit, Apatit, Turmalin, Beryll, Topas, Fluſsſpat, Magnetit, Zinnerz, Schwefelkies. Der Quarz erſcheint in farbloſen oder grauen, ſeltener ſchwachroth oder blau gefärbten Körnern, welche in der Regel keine Kryſtallform beſitzen. Der Orthoklas iſt ge— wöhnlich weiß oder röthlich, mitunter friſch, meiſt aber trübe. Dieſe Trübung rührt theils von einer großen Menge Dampfporen und ſehr winzigen Flüſſigkeitseinſchlüſſen, theils von einer geringen Zerſetzung des Minerales her. Der Orthoklas findet ſich oft in ringsum ausgebildeten Kryſtallen und häufig in Zwil— lingen nach dem Carlsbader oder Bavenoer Geſetz (ſ. Orthoklas). Auch Mikroklin oder tri— kliner Kali⸗Feldſpat iſt in vielen Graniten vor— handen. Die in der Regel weißlichen, ſelten röthlich gefärbten Plagioklaſe fehlen nur in vereinzelten Fällen den Graniten, ja mitunter walten ſie entſchieden vor den Kalifeldſpäten vor. Sie machen ſich durch die Zwillingsſtrei— fung auf den baſiſchen Endflächen ſchon dem bloßen Auge kenntlich. Verwachſungen von Orthoklas und Plagioklas, in der Weiſe, das letzterer erſteren rindenartig umhüllt, können häufig beobachtet werden. Als Glimmer führen die Granite Kali- und Magneſiaglimmer ver— ſchiedener chemiſcher Zuſammenſetzung. Der erſtere, durch Verwitterung kaum angreifbar, tritt nur ſelten für ſich allein auf; dunkler, leicht verwitternder Magneſiaglimmer begleitet denſelben meiſt. Der Apatit, der faſt keinem Granit ſehlt, iſt makroſkopiſch nicht wahr— nehmbar; er erſcheint unter dem Mikroſkop in dünnen, langen Nadeln, ſeltener in dicken Säulen oder rundlichen Körnern. Die Phos— phoritlagerſtätten in Eſtremadura in Spanien ſtecken zum Theile ganz im Granit und man glaubt, daſs ſie durch Auslaugung und ſecundäre lo— cale Anhäufung des Apatites der Granite ent— ſtanden ſind. Als typiſches Mittel der chemiſchen Zuſammenſetzung der Granite iſt anzunehmen: Kieſelſäure 72, Thonerde 16, Eiſenoxydul und oxyd 1˙5, Kalkerde 15, Magneſia 0˙5, Kali 6°5 Natron 25%. Der Granit hat ſeinen Namen von ſeiner körnigen Structur, für welche er als Prototyp gilt. Die Korngröße ſchwankt außerordentlich und ſinkt von Fauſt⸗, ſelbſt Kopfgröße bis zur Hirſekorngröße herab, am häufigſten ſind je— doch Granite, deren Gemengtheile 1—5 mm mittleren Durchmeſſer beſitzen. Die Gemengtheile ſind meiſt regellos mit einander gemiſcht, ſel— tener bis zu einem gewiſſen Grade parallel angeordnet; im letzteren Falle ſpricht man von Gneißgranit Sind einige Gemengtheile, na— mentlich Orthoklaskryſtalle größer als die an— deren, ſo erhält das Geſtein ein porphyriſches Ausſehen. Der Granit tritt in Lagern, Gängen und Stöcken auf; er gehört zu den älteſten Eruptivgeſteinen. Seine Eruptionen wurden nach dem Ende der Steinkohlenperioden ſelten und laſſen ſich nur in einigen wenigen Fällen auf die Lias- und Kreideperiode zurückführen. Die Granite ſind meiſt bankförmig oder parallelopipediſch abgeſondert oder auch un— regelmäßig zerklüftet. Eine eigenthümliche Er— ſcheinung iſt die ſog. Gare der Granite. Hier— unter verſtehen die Steinbrecher die leichte Spaltbarkeit des Geſteins nach einer beſtimmten Fläche, die der Kundige, obwohl dieſelbe keineswegs durch irgendwelchen Parallelismus der Gemengtheile bedingt wird, leicht aufzu— finden weiß. Unter den zahlreichen Granitvarietäten ſeien folgende noch beſonders hervorgehoben: a) Muscovitgranit, beſteht aus Quarz, Feldſpat und weißem Kaliglimmer. b) Peg— matit, ein ſehr großkörniges Aggregat von Orthoklas (in bis fuß-, ſelbſt klaftergroßen Partien), weißem Ouarz und großen ſilber— weißen Tafeln von Glimmer, häufig mit ſäulen— förmigen Turmalinkryſtallen und vielen anderen acceſſoriſchen Mineralien. (Ruhla in Thüringen, Langenbielan in Schleſien, Granulitgebirge in 464 Granulit. — Grapholitha. Sachſen, Zwieſel im bayeriſchen Walde.) e) Ha— plophyr, eine Granitart der Alpen, enthält zwiſchen größeren Quarzen und Feldſpaten ein feinkörniges, auch glimmerhaltiges Gemiſch dieſer Gemengtheile (Trafoi und Ramüs im Engadin). d) Protogingranit (Alpengranit), enthält neben Feldſpat und Quarz dunkelgrünen Glimmer in ſechsſeitigen Täfelchen und hell— grünen bis ſmaragdgrünen, oft den Oligoklas imprägnierenden Glimmer (weſtliche Alpen). e) Granitit (Biotitgranit) führt neben Quarz und Feldſpat nur dunklen Magneſiaglimmer; er beſitzt die größte Verbreitung unter allen Graniten und bildet viele gewaltige Maſſive (Rieſengebirge, Brocken, Brixen in Tirol, Baveno). Iſt neben den Granititgemengtheilen Hornblende in reichlicherer Menge vorhanden, ſo heißt ein ſolches Geſtein Hornblendegranitit. Hieher gehört der durch ſeine leichte Zerſetzbar— keit ſich auszeichnende finländiſche Rapakivi, d. h. Grusſtein. k) Turmalingranit zeichnet ſich durch ſtrahlige Aggregate von Turmalin aus (Eibenſtock, Predazzo). g) Hornblende- granit enthält viel Hornblende (Vogeſen, Reichenſtein in Schleſien.) h) Greiſen, eine locale Modification von Graniten durch Ver— ſchwinden des Feldſpats; enthält meiſt lichten Lithionglimmer. Sein Vorkommen iſt ſtets ver— knüpft mit dem von Zinnerzen (Erzgebirge, Cornwall, Inſel Banka). i) Plöckenſtein— granit wird der leicht verwitternde und durch die Verwitterung ſich mit tauſenden von Feld— blöcken der bizarrſten Form bedeckende Granit des Böhmerwaldes genannt. Er enthält die normalen Granitgemengtheile. k) Schrift— granit, eine ſehr eigenartig ausſehende Va— rietät, welche nur auf Gängen und in kleineren Stöcken vorkommt. Sie beſteht aus großen Orthokkaskryſtallen, die von ſtänglichen, parallel angeordneten Quarzindividuen durchwachſen ſind. Auf den Spaltungsflächen des Feldſpats, im Querbruch, zeigt das Geſtein Figuren, die wie hebräiſche Schriftzeichen ausſehen. (Bodenmais in Bayern, Rieſengebirge, Granitgebirge Sach— ſen). Als nordiſches Geſchiebe iſt Granit über die norddeutſche Tiefebene in großen und klei— nen Blöcken und in den verſchiedenſten Varie— täten verbreitet. Wie auf allen kalkarmen Böden zerſetzen ſich die Humusſubſtanzen auf Granit— boden nur langſam. Dies bedingt, daſs er in höheren Lagen zur Torfbildung und Verſum— pfung neigt und in tieferen Lagen der An— ſamung mancherlei Schwierigkeiten bereitet. Feinkörnige und quarzreichere Granite liefern flachgründigen, kieſigen Boden, auf dem ſich nur die Eiche als Buſchholz zu halten vermag. Berüchtigt durch ſeine Unfruchtbarkeit iſt auch der Granitboden Eſtremaduras in Spanien, der nur ſpärliche Nahrung für Schafherden erzeugt. v. O. Granulit Weißſtein). In ſeiner normalen Ausbildung kann man den Granulit als ein ebenſchieferiges Gemenge von Feldſpat und Quarz mit eingeſtreuten kleinen rothen Granaten definieren. Durch Aufnahme anderer Geſteins— elemente geht er jedoch häufig in Ausbildungs- arten über, die ihn den Gneißvarietäten ſehr nähern, u. zw. ähnelt alsdann ganz beſonders ſeine chemiſche Zuſammenſetzung der der letzteren. Im normalen Granulit macht der Feldſpat die Hauptmaſſe des Geſteins aus und bedingt durch ſeine lichtröthliche, lichtgelbliche oder weiße Farbe den hellen Farbenton desſelben. Der Quarz tritt in platten Körnern oder dünnen Lamellen auf, die oft nicht leicht von der Feld— ſpatſubſtanz zu unterſcheiden ſind. Der Granat, roth gefärbt, iſt faſt ſtets in unregelmäßig hirſegroßen Körnchen vorhanden. Seltener findet er ſich in Rhombendodekasdern. Neben einer ausgezeichneten Schieferung zeigt der Granuliteine ſehr regelmäßige Bankung, Plattung und Schichtung. In Sachſen bildet er am nordweſtlichen Abhange des Erzgebirges ein 6 Meilen langes und 2½ Meilen breites Schichtengewölbe, in Böhmen tritt er bei Budweis und im Eger— thale, am Main bei Aſchaffenburg und auch in Niederöſterreich zwiſchen Graniten und Gneißen auf. Helle, an Kieſelſäure reiche Granulite er- geben bei der Verwitterung einen ſandigen bis thonigen Geſteinsgrus; dunkle, an Kieſelſäure arme Granulite verwittern ſchließlich zu einem eiſenſchüſſigen, chloritiſchen Gruſe (die Gra— naten werden durch die Zerſetzung in Chlorit umgewandelt), in welchem noch feſtere, kugelige Partien zurückbleiben, von denen ſich immer mehr verwitterte Schalen ablöſen. An Kali ent- hält Granulit im Mittel 4%. Phosphorſäure liefernder Apatit iſt in rundlichen, farbloſen Körnern nur mikroſkopiſch wahrnehmbar. 1 v. O. Graphiſches Netz, ſ. Triangulierung. Lr. Grapholitha Fr., eine ſehr artenreiche, in viele Subgenera zerlegte Gattung der Familie Tortrieina, Wickler, Ordnung Lepidoptera (Microlepidoptera, Kleinſchmetterlinge), deren meiſt kräftig gebaute Arten ſowohl in Größe als Anſehen bisweilen ſehr weſentlich abweichen. v. Heinemann faſst fie unter folgendem gemein- ſamen Charakter zuſammen: Mittelaſt (3. Aſt), der Vorderflügel geſondert von Aſt 4 entſpringend; hintere Mittelrippe der Hinterflügel an der Wurzel behaart; Aſt 6 und Aſt 7 geſtielt, oder dicht an einander entſpringend, ſaumwärts aus⸗ einandertretend. Der Typus der Zeichnungen iſt ein dunkles Wurzelfeld, dahinter eine lichte, oft auf einen Innenrandsfleck be— ſchränkte Binde und eine dunkle, aus der Mitte des Vorderrandes entſpringende, dicht am Innen- winkel in den Innenrand mündende Schräg— binde. Für faſt alle forſtlich wichtigen Arten ſehr bezeichnend ſind die lichten Doppelhäkchen am Vorderrande der Vorderflügel. Sie ſtehen oft mit lichten oder metallglänzenden Linien in Verbindung. Bei typiſcher Zeichnung führt die vom erſten Häkchenpaare ausgehende Linie zur Stelle des Augenpunktes; jene vom zweiten mündet in den Saum unter dem Augenpunkte aus; die aus dem 3. und 4. Häkchenpaare kommenden bilden die beiderſeitige Einfaſſung des Spiegels. Dieſer letztere iſt häufig ſchwarz punktiert oder ſchwarz geſtrichelt; bisweilen aber auch ganz undeutlich. Die Saumlinie führt niemals ſchwarze Punkte; dagegen finden ſich oft lichte Augenpunkte in Zelle 6, bis- un 9 en en... a A en res Zu Art. Grapholifha. Au Schlereſh N. A Rat GHensch klopädie der Forst u. Jagdwissenschaften. Eney a 2 . 5 5 7 Ab Tas £ H. s { 1 roll 1. Graph.nigricana H S, Zebeana Rtz., 3 a Zett., 4 1 Zeit ı H k a £ r 7 * 5 1 44 1 * — a ni 2 (m er anz Sye A 5 4 { nm 11 Hhn Gr.Hartigiana Ratz, 9. Gr. coniferana Rtz.,10.Gr. strobilella L. II. Cx. ‚horana Fr 12.Gr.pinicolana 2tt 13.01 yurgiana Sxs.,14 Gr.nanar | r = nu e Zu Art.Grapholitha. ten. pädie der Forst u. Jagdwissenschaf Encevklo Immel ver U * zählende Arten entwickeln | Grapholitha. * weilen auch in 5 oder 2. Dieſe Augenpunkte durchſchneiden öfters die Franſen. Letztere zeigen meiſtens eine breite Beſchuppung an der Wur— zel, nehmen die Farbe des angrenzenden Flü— geltheiles an, ſind in der Regel nahe der Wurzel durch eine ſcharfe dunkle Theilungslinie durch— ſchnitten, am Innenwinkel der Vorderflügel öfters lichter gefärbt, bisweilen unregelmäßig gefleckt. Alle dieſe angegebenen Zeichnungen wechſeln ſehr; ſie verſchwinden öfters zum Theile oder auch ganz, oder ſind nur noch an einzelnen, dann meiſt metallglänzenden Linien zu erkennen. Nur die Vorderrandshäkchen und der Spiegel ſind immer vorhanden oder doch wenigſtens angedeutet. Die Hinterflügel ſind zumeiſt bräun— lichgrau mit lichteren, nahe der Wurzel von der obenerwähnten dunklen Theilungslinie durch— zogenen Franſen. Bezüglich Vorkommens und Lebens— weiſe der Grapholithen verweiſe ich auf die einzelnen Arten. Im allgemeinen ſei nur be— merkt, daſs die weitaus größte Anzahl den Laubhölzern (darunter vor allen den Eichen und Birken) angehört; obſchon auch die Zahl der Nadelhölz er bewohnenden Arten eine immerhin namhafte iſt. An krautartigen Gewächſen hin— gegen kommen nur wenige vor. Die Raupen tragen den allgemeinen Charakter der Wickler— raupen an ſich. Sie ſind 16füßig; der Kopf, der getheilte Nackenſchild, die Afterklappe ſowie auf jedem Ring zwei Paare börſtchentragende Chitinplättchen find hornglatt. Sie leben theils frei auf den Pflanzentheilen, aber verborgen in Blatt- oder Nadelgeſpinſten; oder ſie leben bohrend und minierend in Rinde und Baſt oder in den Zapfen (der Fichte) oder minierend in den Blättern und Nadeln; oder zerſtörend in Knoſpen oder in der Markröhre der jüngſten Triebe. Eine Art lebt an den Birkenkätzchen; andere zum Subgenus Carpocapsa (ſ. d.) ſich ähnlich den Balaninusarten (ſ. d.) in den Samen der Eiche, Buche und zahmen Kaſtanie. Manche begeben ſich zur Verpuppung an den Boden; bei den meiſten aber erfolgt die Verwandlung an derſelben Stelle, wo ihre Raupen gefreſſen haben. Nur wenige weiſen eine jährige Generation auf; die größte Mehrzahl hat nur eine einjährige. Die nachſtehend beſchriebenen Arten laſſen ſich in folgender Überſichtstabelle zuſammen— faſſen: 1. Thorax mit aufgerichtetem Schopfe. (Ge— ſicht und Palpen lehmgelb.) Graph. Hartigiana (1). 1. Thorax nicht geſchopft; Hinterſchienen des & ohne Haarpinſel. 2. Vorderflügel dunkelbraun, die des & mit einem Umſchlag an der Wurzel; Hinterflügel in beiden Geſchlechtern gleich; Aſt 3 und 4 geſtielt. 3. Geſicht und Palpen weißlich; Vorder— flügel mit ſilberweißen Wellenlinien durd)- zogen. Graph. tedella (2). 3. Geſicht und Palpen braun; Vorderflügel mit bleigrauen, zwei unregelmäßige Schrägbänder bildenden Querwellen. Graph. nigricana (3). 46 5 2. Vorderflügel des & der Wurzel. 4. Hinterflügel in gleich. 3. Mittelaſt der Hinterflügel entfernt von der hinteren Ecke der Mittelzelle ent— ſpringend: nicht gebogen. Hieher die Arten: Graph. corollana (4); Gr. coniferana (5); Gr. duplicana (6); Gr. pactolana (7); Gr. strobilella (8); Gr. cosmo- phorana (9); Gr. Zebeana (10); Gr. Woeberiana (11). 5. Mittelaſt der Hinterflügel gegen ſeinen Urſprung gebogen, faſt immer aus der Mittelzelle entſpringend. Aſt 3 und 4 geſtielt. Hieher die Arten: Graph. pinicolana (12); Gr. rufimi- trana (13); Gr. Ratzeburgiana (14); Gr. nanana (15); Gr. pygmaeana (16). . Hinterflügel beim & mit grubenartiger Vertiefung in Zelle a; Mittelaſt nicht gebogen, entfernt von der hinteren Ecke der Mittelzelle entſpringend; Vorder— flügel nicht geknickt: Spbgenus Carpo- caps a, ſ. d. I. Charakteriſtik der Arten. A. Thorax mit kleinen aufgerichteten Schopfe. Vorderflügel nicht geknickt, beim & ohne Umſchlag. Aſt 10 in der Mitte zwiſchen Aſt 9 und 11 entſprin⸗ gend. Hinterflügel ſpitz dreieckig; beim & der Innenrand zwiſchen Rippe la und 1b ausgeſchnitten. Männliche Hinter- ſchienen mit einem Haarpinſel. (Eecop- sis Zll.) — Aſt 3 und 4, ſowie 6 und 7 der Hinterflügel geſtielt; beim 5 Ans hang der Hinterflügel kurz. (Cymolomia L.) 1. Vorderflügel dunkelbraun, am Innen- rande bis zur Mitte breit, grünlich-graugelb, mit dicken, ſchwach glänzenden, zum Theile fein weiß eingefassten, bleigrauen Querlinien, deren von der Mitte ausgehende und vom Innen— rande bis vor den Vorderrand grünlichgelb angelegte ſtets die deutlichſte iſt. Die hintere, aus dem dritten Häkchenpaare entſpringende, in gerader Richtung den Innenwinkel erreichende, gabelt ſich vor oder in der Mitte und ſchlieſst einen länglichen Fleck am Innenrande ein. Queraſt mit einem weißen, nach dem Innen⸗ rande zu ſchwärzlich eingefajsten Punkt. Aus dem erſten Häkchenpaare eine Bleilinie in die Saummitte und am Saume zwei bis drei weiß— liche Saumpunkte. Franſen bleigrau; unter der Spitze gefleckt. Geſicht und Palpen lehmgelb. Länge 6°5—75 mm. (Eecopsis ZI. — Cymo- lomia L. — Tortrix Ratzb.) Grapholitha Hartigiana Rtzb. B. Thorax ungeſchopft; Vorder- flügel mit mehr verticalem, geſchwun— genem oder ſchrägerem, gerundetem Saume; beim & mit Umſchlag an der Wurzel. Hinterflügel in beiden Ge⸗ ſchlechtern gleich; Aſt 3 und 4 geſtielt. Hinterſchienen des & ohne Haarpinſel. Männliche Fühler einfach gewimpert. (Paedisca Ld.) ohne Umschlag an beiden Geſchlechtern En Dombrowski. Enchflopädie d. Forſt⸗ u. Jagdwiſſenſch. IV. Bd. 30 466 2. Vorderflügel an der Spitze gerundet, dunkelbraun, goldigſchimmernd, mit ſilberweißen, aus den Vorderrandhäkchen entſpringenden, mehr weniger in unregelmäßigen Querbändern zu— ſammenfließenden Wellenlinien. Franſen von einem oder zwei weißen Augenpunkten durch- ſchnitten. Geſicht und Palpen weißlich. Vorder— randshäkchen meiſt zu vier gröberen Fleckchen hinter der Mitte vereinigt und nebſt dieſen noch zwei Häkchen vor derſelben. Spiegel nur durch eine ſilberne, dunkel ausgefüllte Doppellinie auf dem Innenwinkel angedeutet und mehr weniger ſilberweiß geſprenkelt. Franſen glän⸗ zend hellgrau; Theilungslinie ſcharf ſchwarz von einem weißen Augenpunkte in Zelle 6 voll— ſtändig durchſchnitten. Hinterflügel ziemlich ſchmal, ſpitz, graubräunlich; die Franſen weiß— lich; Unterſeite glänzend hellgrau. Palpen kurz, dünn. Länge 6°5—8 mm. (Paedisca Tr. — Co- mitana S V. — Tortrix hereyniana Fr. Rtzb — taedella L) Grapholitha tedella Cl. 3. Vorderflügel dunkelbraun mit veilrothem Schimmer und bleigrauen, vor und hinter der Mitte zu zwei unregelmäßigen Schrägbändern zuſammengeſtellten Querwellen; Franſen mit zwei feinen Augenpunkten. Kopf und Palpen braun. Die Flügelzeichnungen reihen ſich an- einander: das bleigraugewellte Wurzelfeld; das aus zwei bleigrau und weißlich gemiſchten Linien zuſammengeſetzte, einem feinen Doppelhäkchen⸗ paare vor der Mitte des Vorderrandes ent- ſpringende, in der Innenradshälfte ſich ver— breitende, in der Flügelmitte ſaumwärts eckig⸗ vortretende erſte Band; vier gleiche Paare ſcharfer, weißlicher Vorderrandshäkchen hinter der Mitte; und aus dem dritten derſelben eine Bleilinie in den Innenwinkel gehend, mit der ſich die aus dem vierten Paare entſpringende in der Flügelmitte verbindet; endlich läuft eine Bleilinie vor dem Saume zwiſchen den beiden Augenpunkten in Zelle 2 und 6. Franſen dunkelbleigrau; Theilungslinie ziemlich ſcharf. Hinterflügel dunkelbraun, unterſeits reinbraun; Franzen graubraun. Länge 5mm. (Paedisca Tr. Ld. — Tortrix Ratzb.) Grapholitha nigricana Hs. C. Thorax ungeſchopft; Vorder— flügel nicht geknickt, beim z ohne Um⸗ ſchlag. Hinterflügel in beiden Geſchlech— tern gleich; Mittelaſt entfernt von der hinteren Ecke der Mittelzelle entſprin⸗ gend; nicht gebogen. Männliche Hinter- ſchienen ohne Haarpinſel. 4. Vorderflügel ſchwarzgrau, der Innen- randsfleck breit, weißlich, bis zum Vorderrande verlängert, von drei dunklen Linien durchzogen; Spiegel mit langen, ſchwarzen, von dunklen Bleilinien eingefaſsten Strichen. Wurzelfeld an beiden Rändern weißlich geſtrichelt, ſaumwärts von den Vorderrandshäkchen und dem Innen— randsfleck ſcharf begrenzt und zwiſchen beiden als ſtarke Ecke vortretend. Die Häkchenpaare am Vorderrande deutlich; von den hinter der Mitte befindlichen iſt das erſte und zweite weit aus— einandergerückt; das erſte eine Bleilinie zum Augenpunkte ſendend. Spiegel bis unter das zweite Häkchenpaar reichend, dreieckig, blaſs— ockergelb, mit fünf ſchwarzen, vorn längeren Grapholitha. | Strichen, von zwei fein weiß geſäumten Blei- linien eingefaſst, deren hintere dicht am Saume, die vordere in das dritte Häkchenpaar mündend. Franſenlinie ſtark, ſchwarz, von einem kleinen aber ſcharfen Augenpunkte unterbrochen, vor dem Innenwinkel verſchwindend. Hinterflügel dunkel braungrau; Franſen weißlich. Länge 5—5˙5 mm. (Tortrix Ratzb.) Grapholitha corollana H. 5. Vorderflügel glänzend braungrau, röth- lich ſchimmernd, mit ſcharf gebrochener, doppelter, weißlicher Querlinie vor der Mitter; Spiegel dreieckig, ſchwarz geſtrichelt, von veilröthlichen Bleilinien eingefaßt. Innenrandsfleck aus zwei feinen, gebogenen, ſchmal dunkel ausgefüllten, weißlichen Linien beſtehend; dieſen gegenüber am Vorderrande, etwas näher der Wurzel und dicht zuſammengedrängt, zwei feine als weiß⸗ liche oder graue, mit jenen aus dem Innen⸗ rande kommenden, in der Flügelmitte in nahezu rechtem Winkel zuſammenſtoßenden Linien ſich fortſetzende Häkchen. Zwei feine doppelte Vorder- randshäkchen hinter der Mitte, zwei ſolche vor der Flügelſpitze und dazwiſchen ein oder zwei einfache. Spiegel ohne gelbe Beſtäubung. Franſen mit feiner Theilungslinie; in Zelle 6 mit weißlichem Augenpunkte. Geſicht und Palpen hellgrau. Länge 5°5 —6 mm. (Tortrix Ratzb.) Grapholitha coniferana Ratzb. 6. Vorderflügel dunkelbraun mit ſchwarz geſtrichtem, glänzend bleigrau eingefajstem Spiegel; Innenrandsfleck undeutlich getheilt, und ſo wie die vier Häkchenpaare hinter der Mitte des Vorderrandes und ein ſehr großes ſolches vor derſelben weiß. Geſicht und Palpen grau. Innenrandsfleck ſchmal, auf Rippe 1 ge⸗ brochen, von da zugeſpitzt und nur wenig über die Flügelhälfte hinausreichend. Bleilinien am Spiegel etwas ins Veilroth ziehend; die vordere ſchwach gebogen, wurzelwärts fein weißlich ge— ſäumt; Spiegel goldgelb beſtäubt. Häkchenpaare 1—3 ſehr klein, aus 2 eine Bleilinie zum Augenpunkt ziehend; das vierte viel größer, durch breiten Zwiſchenraum vom 3. getrennt; das 5. noch größer und noch weiter vom 4. entfernt. Hinterflügel dunkelbraun; Franſen weißlich. Länge 5—7 mm. (Tortrıx dorsana Ratzb.) Grapholitha duplicana Zett. 7. Vorderflügel olivenbruun, mit glänzend weißlicher, in ſcharfer Ecke ſaumwärts vor⸗ tretender, doppelter Querlinie in der Mitte; Spiegel gleichbreit, bleiglänzend eingefasst, mit einer oder zwei Reihen ſchwarzer Punkte. Das Häkchenpaar vor der Mitte des Vorderrandes der Vorderflügel mit den beiden weißlichen Linien des Innenrandflecks zu einem ſpitzen Winkel ſich verbindend. Dieſe Linien ſind un⸗ regelmäßig, am Innenrande doppelt oder drei⸗ fach, und ein oder zwei dunkle Fleckchen ein⸗ ſchließend. Aus dem 3. und 4. Häkchenpaare kurze Bleilinien gegen den Spiegel ziehend. Letzterer oben offen, ſo breit wie hoch, vorn bis zur Falte von einer veilrothen, ſehr dicken — und hinten von einer dünnen Bleilinie einge⸗ faſst; die hintere Punktreihe am deutlichſten. Grundfarbe hinter der Flügelmitte ſchwach verdunkelt, im Spitzendrittel ſehr fein, gelb beſtäubt. Franſen mit ſcharfem weißem Augen⸗ Grapholitha 467 punkt in Zelle 6 und mitunter noch in Zelle 2 und über Rippe 1. Theilungslinie ſcharf ſchwarz. Hinterflügel graubraun: Franſen grau, an den Spitzen weißlich. Länge 5°5—6 mim. (Tortrix dorsana Ratzb.) Grapholitha pactolana Zll. 8. Vorderflügel olivenbraun, im Saumfeld gelb beſtäubt, mit zwei ſchwach gehobenen Blei— linien durch die Mitte und einer dunkleren Binde dahinter; Spiegel von Bleilinien einge— faſst, ohne deutliche Punkte; die Franſen mit 2 Augenpunkten. — Vorderflügel ſchmäler als bei den beiden vorigen Arten; Saum ſchräger; Vorderrand weniger gebogen. Farbe heller oder dunkler olivenbraun, ſtark glänzend, am Ende des Wurzelfeldes zwiſchen den Vorderrand— häkchen und zwiſchen den Mittellinien und dem Spiegel dunkler; im Spitzendrittel dicht gelblich beſtäubt. Vorderrand mit 6 weißen Häkchen hinter der Mitte und 2 vor derſelben, von denen letzteren zwei gebrochene oder gebogene Bleilinien in die Innenrandsmitte ausmünden. Spiegel gleichbreit, von zwei ziemlich verticalen Bleilinien eingeſäumt, deren vordere, über der Flügelmitte ſich gabelnde, zum 4. und 6. Vorder— randshäkchen hinzieht, während die hintere den Augenpunkt in Zelle 2 mit dem Häkchen 4, und eine Bleilinie das Häkchen 1 mit dem Augen— punkt in Zelle 6 verbindet. Theilungslinie der Franſen dick ſchwarz, durch 2 weiße Augen- punkte unterbrochen. Hinterflügel graubraun oder ſchwarzgrau; Franzen weißlich. Länge 3 —5˙5 mm. (Tortrix strobilana Ratzb. — Gr. Kollarana H.) Grapholitha strobilella L. 9. Vorderflügel dunkel olivenbraun, mit ſchwach gebogener, weißer, in der Mitte blei— grauer Querlinie und vier weißen Häkchen hinter der Vorderrandsmitte; Spiegel ſchwarz geſtricht, glänzend bleigrau eingefajst. — Die hinteren / des Saumes zart querreihig gold— gelb beſtäubt; dieſe Stäubchen verdichten und häufen ſich in und über dem Spiegel. Die 4 Vorderrandshäkchen einfach, ſtark, in gleichen Abſtänden; an den beiden erſten 2 abgekürzte, parallele, ziemlich verticale Bleilinien; das 4. ziemlich weit hinter der Mitte, und ein 5. vor derſelben, aus denen beiden je eine dicke, gerade oder nur ſchwach gebrochene Bleilinie entſpringt, deren vordere in die Innenrandsmitte, deren hintere vor dem Spiegel einmündet. Dieſer ziemlich breit, dreieckig; 5 bisweilen unvoll— ſtändige Linien ſcharf ſchwarz; die hintere Ein— faſſung dem Saume parallel. Franſen mit ſcharf ſchwarzer Theilungslinie und weißem Augenpunkt in Zelle 6. Hinterflügel und Theilungslinie der Franſen dunkelbraun; die letzteren weiß; Unterſeite glänzend grau. Länge A mm, 5'75 mm. Grapholitha cosmophorana Fr. 10 Vorderflügel dunkel ſchwärzlichgrau, mit tiefſchwarzem Fleck vor dem großen ſchwarz— geſtrichelten, von einer veilblauen Metalllinie eingefaſsten Spiegel. — Vorderflügel breiter und der Vorderrand vor der Mitte ſtärker ge— bogen als bei den bisher beſchriebenen Arten; die Saumhälfte mit dünner, regelmäßiger, weiß— grauer Beſtäubung Die Vorderrandshäkchen — wenn die Zeichnungen deutlich — 5 Paare hinter der Mitte und noch einige vor derſelben, klein, weiß, meiſt nicht alle doppelt; ihre Zwi— ſchenräume tief ſchwarz; jener in der Mitte breiter, den Anfang eines Schrägbandes an— deutend, welches erſt vor dem Spiegel als ein ſchwarzer Fleck wieder ſichtbar wird und an demſelben hin gegen den Innenwinkel zieht. Spiegel hoch, nach vorne ſtark erweitert, offen, gegen den Innenwinkel plötzlich verengt, ſaum— wärts mit dicken, ſchwarzen, gegen den Vor— derrand meiſt punktartigen, bis unter die Häk— chen ziehenden Strichen; Einfaſſung aus veil— blauen oder veilrothen Linien beſtehend, deren vordere mit einer blauen Linie aus dem 5., die hintere mit zwei ſolchen aus dem 1. und 3. Häkchenpaare des Vorderrandes ſich ver— bindet. Franſen dunkelgrau, bleiglänzend; die Theilungslinie dickſchwarz, in Zelle 3 unter— brochen. Hinterflügel ſchwarzbraun; Franſen weißgrau. Länge 6°5 mm bis 7˙5 mm. Grapholitha Zebeana Rtzb. 11. Vorderflügel dunkelbraun, mit roth— gelben und bleigrauen Querwellen, fünf ein— fachen, weißen Vorderrandshäkchen und einer geſchwungenen, aus dem fünften Häkchen ent— ſpringenden, zum Augenpunkte ziehenden Blei— linie; Spiegel roſtgelb, dick ſchwarz geſtricht, von dicker Bleilinie umzogen. — Der dunkle Grund der Vorderflügel in den beiden erſten Feldern von roſtgelb gerandeten Bleilinien wellig durchzogen, welche im Mittelfelde von beiden Rändern her ſehr ſchräg nach außen laufen und einen getheilten Innenrandsfleck andeuten, ſo daſs die dunkle Grundfarbe zwiſchen ihnen — in einzelnen Querſtrichen, beſonders in 2 Schräg— ſtreifen vor und in der Mitte des Vorderrandes, in einer Winkelzeichnung vor dem Spiegel und einer Bogenzeichnung über demſelben — unver— ändert bleibt. Der Spiegel iſt ziemlich hoch, oval; die Bleilinien der Einfaſſung außen roſt— gelb geſäumt; die Flügelſpitze bis zum Bogen über dem Spiegel und bis zum 5. Vorderrands— häkchen roſtgelb. Franſen dunkelbraun, bleigrau gemiſcht, am Innenwinkel weißlich, in Zelle 2 und 6 roſtgelb durchſchnitten. Hinterflügel ſchwärzlichbraun; Franſen weißgrau. Länge 6˙3 bis 7’5 mm. (G. ornatana H.). Grapholitha Wöberiana V. D. Thorax ungeſchopft; Vorder— flügel nicht geknickt, beim & ohne Um— ſchlag; Hinterflügel mit nichtgebogenem entfernt von der hinteren Ecke der Mittel— zelle entſprigendem Mittelaſt und beim & mit grubenartiger Vertiefung in Zelle la; männliche Hinterſchienen ohne Haarpinſel: Carpocapsa., (Die Arten ent- wickeln ſich in Früchten (Apfel) und Samen (Eicheln, Bucheln, zahme Kaſtanie); hieher die Arten: Grapholitha pomonella; splendana; grossana; Réaumurana; amplana) s. Carpo— capsa. E. Thorax ungeſchopft; Border- flügel nicht geknickt, beim Manne ohne Umſchlag; Hinterflügel in beiden Ge— ſchlechtern gleich; Aſt 3 und 4 geſtielt; der Mittelaſt gegen ſeinen Urſprung gebogen, faſt immer aus der hinteren 30 * 468 Grapholitha. Ecke der Mittelzelle entſpringend; Hin— terſchienen des & ohne Haarpinſel; die männlichen Fühler ohne Ausſchnitt über der Wurzel. Steganoptycha Stph. HS. 12. Vorderflügel ſehr lang geſtreckt, deut— lich abwärts geknickt, glänzend hellgrau, braun gegittert; der in der Flügelmitte vortretende Rand des Wurzelfeldes, eine Schrägbinde aus der Mitte des Vorderrandes und ein unbe— ſtimmter Fleck vor der Spitze dunkelbraun. Die dunkelbraune, bisweilen etwas roſtgelbliche Grundfarbe an der Wurzel, in der Mitte und im Saumdrittel durch dichtgedrängte, hellgraue, glänzende Querwellen faſt ganz bedeckt und nur als feine Sprenkeln wahrnehmbar; nur der Saum des Wurzelfeldes und ein aus der Vor— derrandsmitte kommendes, gegen den Innen— rand ſich erweiterndes, winkelig gegen die Stelle des Spiegels vortretendes Schrägband rein braun gefärbt, und zwiſchen dieſem und dem Saume des Wurzelfeldes eine lichtere, aus zwei mit den Spitzen zuſammenſtoßenden Drei- ecken beſtehende Binde, deren Dreieck am Innenrande groß, ziemlich gleichſeitig, bis— weilen faſt weiß, die Flügelmitte überragt, während das am Vorderrande kleiner und näher der Wurzel iſt. Hinter der Vorderrandsmitte 4—5 ziemlich deutliche, hellgraue Häkchenpaare; unter den beiden erſten ein brauner, öfter un— deutlicher Fleck und öfter noch ein ſolcher auf der Saumesmitte. Franſen undeutlich zweifach grau getheilt, mit zwei unbeſtimmten, lichten Augenpunkten. Hinterflügel breit, zugeſpitzt, bräunlichgrau; Franſen hellgrau. Untergeſicht und Palpen oberſeits weißgrau. Übrigens iſt die Färbung der Vorderflügel ſehr veränderlich, bisweilen ſtark weiß gemiſcht oder ziemlich gleich— mäßig grau beſtäubt. Länge 8°5—10 mm. (Graph. occultana WIk.). Grapholitha pinicolana ZII. 13. Vorderflügel dunkelgraubraun, an der Wurzel bleigrau gewellt, mit rothgelber, von Bleilinien eingefajster und durchzogener, gegen den Innenrand erweiterter Mittelbinde und einem runden, ſchwärzlichen Fleck unter dem roſtgelben, bleiglänzend eingefaſsten Spiegel. Vorderflügel breiter als bei der folgenden Art; das Wurzelfeld am Rande bindenartig ver— dunkelt, am Vorderrande ſehr ſchräg abge— ſchnitten, in der Mitte ſpitzwinkelig; dahinter eine gebrochene, aus zwei doppelten, ziemlich glänzenden, roſtgelb ausgefüllten, am Vorder— rande genäherten, am Innenrande etwas diver— gierenden Bleilinien beſtehende Binde; hinter dieſen das Schrägband gleich breit, das 4. und 5. Häkchenpaar des Vorderrandes umfaſſend. Aus dem 2. und 3. Häkchenpaare zwei Blei— linien zum Innenwinkel, deren erſte nahe am Saume einfach, ſchwach gebogen, deren — andere doppelt und ziemlich gerade; der Zwiſchenraum roſtgelb, ſchräg vor der Spitze ſchwärzlich. Franſen mit zwei unbeſtimmten Augenpunkten vor der dunklen Theilungslinie; dahinter grau, etwas dunkler fleckig. Hinterflügel etwas breiter als bei folgender Art, röthlich braungrau. Kopf und Thorax roſtgelb. Länge 6—6˙5 mm. Grapholitha rufimitrana. HS. 14. Vorderflügel röthlich roſtgelb, in der Wurzelhälfte ſchwärzlich beſtäubt, mit lichtem Dreiecke in der Innenrandsmitte und einer gegen den Vorderrand gegabelten, weißlichen Bleilinie aus dem Innenwinkel. Vorderflügel ziemlich geſtreckt; Vorderrand ſchwach gebogen, bis über die Mitte ſchwärzlich beſtäubt (beſon— ders zwiſchen den Vorderrandshäkchen, am Innenrandsfleck und zwiſchen der Spitze des letzteren und dem Queraſte) und mit Spuren unbeſtimmter, blaſsglänzender Wellen. Innen- randsflecken ziemlich gleichſeitig, bis zur Flügel— mitte reichend, von zwei weißlichen, glänzenden, vorne zuſammentretenden, ſich undeutlich bis zu den zwei Doppelhäkchen vor der Vorderrands— mitte fortſetzenden Linien gebildet. Schrägband dahinter ſehr unbeſtimmt. Bei deutlicher Zeich— nung geht die Bleilinie aus dem Innenrands— winkel in zwei wurzelwärts gebogenen Armen zum 3. und 4. Häkchenpaare, iſt aber oft un- deutlich und unterbrochen, und eine andere ſolche Linie zieht ſich vom Saume gegen die Flügelſpitze. Franſen an der Wurzel mit weiß- lichen Punkten; hinter der ſchwärzlichen, un— gleichen Theilungslinie dunkelgrau. Hinter⸗ flügel glänzend grau. Kopf und Thorax roſt⸗ gelblich. Länge 6—6˙5 mm (G. abietisana Fr. — G. tenerana WIk.). Grapholita Ratzeburgiana Sx. 15. Vorderflügel dunkelbraun, röthlich ſchimmernd, mit zwei breiten, undeutlichen, aus je zwei hellgrauen Doppellinien zuſammen⸗ geſetzten Querbinden; Kopf oben bräunlichgrau; Geſicht weißgrau. Der nigricana ähnlich, aber kleiner; Saum der Vorderflügel ſchräger, nicht geſchwungen; die Querlinien matter, weniger abſtehend, breiter; die Wurzel, ein ſchmales, oft in Fleckchen aufgelöstes Band am Wurzel- feldrande, eine ſchmale, bisweilen unterbrochene, in der Mitte eckig gegen die Flügelſpitze vor⸗ tretende Schrägbinde aus der Vorderrandsmitte, die Flügelſpitze und ein Fleckchen vor derſelben — rein braun. Aus dem Innenwinkel zwei hell⸗ graue Doppellinien, deren vordere erweitert und zum 3. und 4. Häkchenpaare gehend, deren hintere bis zum Augenpunkt und von da zum erſten Häkchenpaare ziehend. Vorderrands⸗ häkchen klein, zum Theile einfach. Sämmtliche Zeichnungen oft ſehr undeutlich. Franſen mit ſchwarzer Theilungslinie und 1 oder 2 Augen⸗ punkten in Zelle 5 und 6; dahinter dunkelgrau Hinterflügel bräunlichgrau. Fühler des & mit feinen kurzen Sägezähnen. Länge 4˙3—5 mm. Grapholitha nanana Tr. 16. Vorderflügel lang dreieckig, grau und braun gemiſcht, mit roſtgelblichem Schimmer; eine am Innenrande zu einem rundlichen Fleck erweiterte Binde und die Einfaſſung des Spie- gels matt, hell bleigrau. Hinterflügel ziemlich ſpitz, ſchmal, weiß, an der Spitze breit braun⸗ grau. Zeichnungen undeutlich; Grundfarbe heller oder dunkler graubraun, beſonders im Spitzen⸗ drittel gelblich ſchimmernd; die lichten Zeich⸗ nungen hellgrau, matt ſilberglänzend. Wurzel⸗ feld am Innenrande länger als am Vorder⸗ rande; am erſteren durch halbkreisförmigen, bis zur Flügelmitte reichenden, lichten, undeutlich getheilten, dem Innenwinkel etwas näher als der Wurzel ſtehenden Fleck begrenzt — am Vor— Grapholitha. 469 derrande durch zwei lichte, aus Doppelhäkchen entſpringende, bisweilen mit dem Innenrads— fleck zuſammenſtoßende, ſchräge Linien. Schräg— band ſchwärzlich verdunkelt, beſonders am Junenwinkel und in einem Längsſtreif in der Mitte; über und unter dem letzteren licht durch— brochen, mit einer Ecke gegen die Flügelſpitze; ſaumwärts von einer ganz matten, aus dem dritten Häkchenpaare in den Innenwinkel zie— henden Bleilinie begrenzt; zwiſchen dieſer und einer anderen ſolchen Linie aus dem erſten Häkchen— paare iſt der Spiegel bisweilen durch einige ſchwache, dunkle Punkte angedeutet; die Vorder— randshäkchen fein und undeutlich. Franſen glän— zend rothgrau, am Innenwinkel etwas lichter; die dicke ſchwarzbraune Theilungslinie mit deut— lichem Augenpunkte in Zelle 6 und oft einem ſchwächeren in Zelle 2. Palpen ziemlich lang und buſchig. Fühler der 5 mit ſehr langen Wimpern auf den ſpitz vortretenden Gliederecken. Länge 35˙5—6 mm. Grapholitha pygmeana H. II. Naturgeſchichte und biologiſches Ver— halten der vorbeſchriebenen Arten in alphabetiſcher Reihenfolge. 1. G. amplana H., ſ. Carpocapsa. 2. G. annulana Hrtg. — Tortrix splen- dana Ratzb., j. Carpocapsa grossana Hw. 3. G. (Tortrix) clausthaliana Ratzb., ſ. G. tedella Cl. 4. G. comitana V., ſ. G. tedella Cl. 5. G. coniferana Rtzb., ſchwarzer Nadelholzwickler, polyphag; an Fichte und Kiefer beobachtet. Von Profeſſor Fritzſche in Freiberg in Geſellſchaft der G. pactolana (nebſt G. cosmophorana ſ. d.) aus Fichte erzogen. Nach deſſen Beobachtung bewegt ſich der Rin— dengang von coniferana, nicht wie jener der pactolana und verwandten duplicana an den Aſtquirlen, ſondern mehr oder minder entfernt davon im Stammſtück zwiſchen zwei Quirlpartien. Ratzeburg (Forſtinſecten, II. Bd., p. 218) fand den Wickler, reſp. deſſen Raupen zuerſt am Strunk einer ſturmgebrochenen Fichte, wo ſie 6—8 Zoll lange Längsgänge im Baſte gefreſſen hatten. Zebe beobachtete die Raupe in jungen, von Piscodes notatus bebrüteten Kiefern. 6. G. corollana H. Aſpenknoten⸗ wickler. Ausſchließlich an Aſpe, an welcher Holzart die kleine 16 füßige, in den dünnen Zweigen minierend lebende Raupe Knoten— anſchwellungen erzeugt, ähnlich jenen durch die Larve der Saperda populnea hervorgerufenen, jedoch kleiner und meiſt auch dichter gedrängt. Der Schmetterling fliegt im April und Mai; Eierablage an der Rinde der Zweige. 7. G. cosmophorana Fr., ein die Kiefer (Pin. silvestris und montana) (wohl auch Fichte?) bewohnender Harzgallenwickler, der bezüglich Lebensweiſe und ſonſtigen Ver— haltens mit einem zweiten, auch auf Kiefer vorkommenden Herzgallenwickler (Retinia resi— nella) faſt vollkommen übereinſtimmt. Die Flug⸗ zeit fällt in den Monat Mai. Der Schmet- terling belegt je einen Trieb unterhalb der Terminalknoſpen mit je einem Ei. Das junge, grünlichgelbe, durch hellrothbraunen Kopf und ebenſo gefärbtes Nackenſchild charakteriſierte 16füßige Räupchen benagt die zarte Rinde äußerlich, ſenkt die Wunde allmählich tiefer in dieſelbe ein und veranlaſst auf dieſe Weiſe einen mehr oder minder ſtarken Harzaustritt und die Bildung einer Harzbeule, welche bis zum Juni bereits die Größe einer ſtarken Erbſe erreicht. In dieſer lebt das Räupchen und überwintert. Im nächſten Frühjahre und während des Sommers hindurch nimmt die ſog. Galle an Umfang zu; erreicht bis zum Herbſte die Größe einer kleinen geſpaltenen Wallnujs, umfaſst nun bereits den halben Trieb und zeigt ſich äußerlich von kalkkruſtigem, verwittert grauem Anſehen. Hier überwintert die Raupe zum zweitenmale; verpuppt ſich im Mai des dritten Frühjahres und entläſst den Schmet— terling nach etwa A4tägiger Puppenruhe, wobei ſich die Puppe bis auf den Hinterleib aus der Galle hervorſchiebt. Das Vorkommen be— ſchränkt ſich meiſt nur auf ärmere Standorte mit ſchlechtwüchſiger, noch jugendlicher Beſtockung. 8. G. dorsana Ratzb. Unter dieſem Namen faſst Ratzeburg die beiden Arten G. du— plicana Zett (ſ. d), und pactolana Zell. (ſ. d.) zuſammen, wobei er den Umſtand gänzlich außeracht läſst, daſs G. dorsana F. ſich in den Schoten der Gartenerbſe entwickelt, daher forſt— lich gänzlich bedeutungslos iſt. 9. G. duplicana Zett (Tortrix dorsana Ratzb.), dunkler Fichten-Rindenwickler, fliegt etwa um vier Wochen ſpäter als ſein nächſter Verwandter, der geeckte Fichten— Rindenwickler, G. pactolana, hat aber im übrigen die Lebensweiſe mit dieſem gemein. Ich verweiſe daher diesbezüglich auf G. pactolana. 10. G. grossana Hw., ſ. Carpocapsa grossana. 11. G. Hartigiana Ratzb. (Eccopsis Zell; Cymolomia L.), gabelbindiger Fich— tenwickler, fliegt und legt ſeine Eier im Mai und Juni. Von Ende Juni an bis in den Oe— tober friſst die Raupe. Sie erreicht eine Größe bis 20 mm, iſt grün, Kopf hellbraun, mit einem ſchwarzen Fleck beiderſeits hinter dem Augen— fleck; das Nackenſchild iſt grünlichbraun; die Afterklappe grün. Anfangs, jo lange das Räup— chen noch klein, lebt es minierend in Fichten— nadeln, indem es dieſelben aushöhlt. Solche Nadeln zeigen nur eine Einbohrſtelle, aber keine Ausgangsöffnung; ſie vertrocknen und nehmen eine ſtrohgelbe Farbe an. Mit zunehmender Größe der Raupe wird der Raum innerhalb der Nadel allmählich zu eng; ſie friſst nun nur noch äußerlich an den Nadeln, geſchützt durch ein aus zuſammengeſponnenen, angefreſſenen und ausgehöhlten Nadeln hergeſtelltes Geſpinſt. Zur Verpuppung begibt ſie ſich in den Boden. Die Puppe überwintert. Der Schmetterling fliegt im Monate Mai, Juni. Luftige, ſtark durchforſtete Stangenorte ſcheint er zu meiden. 12. G. hercyniana Frl. Ratzb. — (G. (Sericoris Tr.) hercyniana Tr.“) — T. claus- thaliana Ratzb.) ſ. G. tedella Cl. *) Ratzeburg (Foritinjecten, II. Bd., Fig. 2) bringt dieſen Schmetterling zur Abbildung; rückſichtlich des bio⸗ logiſchen Verhaltens aber mit G. hereyniana Frl. tedella Cl. in Verbindung. 470 13. G. nanana Tr., kleinſter Fichten— Hohlnadelwickler, fliegt (nach Ratzeburgs Beobachtungen am Harz) von Mitte Juni bis in den Juli; bei uns in Oſterreich etwa von der zweiten Hälfte Mai angefangen. Bezüglich des biologiſchen Verhaltens ſteht dieſe Art der G. tedella (j. d.) ſehr nahe. Das Räupchen wird nur 9 mm lang, iſt ſchlank, dunkelbraun— roth, Kopf und Nackenſchild ſind ſchwarz, das letztere durch eine weiße Linie getheilt. Die Raupe bohrt ſich gleich nach dem Entſchlüpfen aus dem Ei in eine Nadel ein und höhlt deren mehrere bis zum Spätſommer und Herbſte aus. Zur Überwinterung begibt ſie ſich unter die Streudecke, verpuppt ſich im nächſten Frühjahre und im Mai erſcheint der Schmetterling. 14. G. nigricana Hs. (Paedisca Tr., Ld.), Tannenknoſpenwickler, gehört aus— ſchließlich der Weißtanne an. Flugzeit im Monate Juni (Juli). Eier einzeln an Knoſpen, u. zw. mit Vorliebe an die des Wipfeltriebes. Hauptſächlich ſind es die Altersclaſſen vom 10. bis 30. Jahre. Das rothbraune, durch deut— liche Börſtchenhaare, ſchwarzen Kopf und Nacken— ſchild ausgezeichnete Räupchen lebt vom Spätſommer angefangen bis zum April des nächſten Jahres in den Knoſpen, höhlt ſie aus und zerſtört ſie. Solche von Raupen bewohnte Knoſpen zeigen bereits im Herbſte ſchwachen Harzaustritt; dieſer nimmt vom nächſten Früh— jahre an bedeutend zu, und macht ſich nun auch der ziemlich reichlich ausgeworfene, ganz fein— krümelige, braune Raupenkoth bemerkbar. Ge— wöhnlich ſtehen 2, 3 oder mehrere der benach— barten Knoſpen durch einen Harzeanal unter einander in Verbindung, wodurch es dem Räup— chen möglich iſt, geſchützt von einer Knoſpe zur anderen zu gelangen. Etwa bis Mai ſind die Knoſpen gänzlich ausgefreſſen. Das nunmehr er— wachſene Räupchen verläſst dieſelben, geht unter die Bodendecke zur Verpuppung und erſcheint im Juni und Juli als Schmetterling. Ausnahms— weiſe erfolgt die Verwandlung wohl auch im Inneren der Knoſpe. Die Angriffe wiederholen ſich nicht ſelten durch eine längere Reihe von Jahren und bleiben hiebei wohl nur ausnahmsweiſe die Haupttriebe verſchont; daher nehmen ſolche im Höhentrieb faſt gänzlich zurückbleibende Stämm— chen jene für dieſen Wickler charakteriſtiſche ſcheiben- oder ſchirmartige Kronenbildung an. Leider läſst ſich gegen dieſen Schädling kaum mit Erfolg ankämpfen; nur durch Ausbrechen der noch mit der Raupe beſetzten Knoſpen bis längſtens Mai würde etwas zu erreichen ſein. 15. G. pactolana Kuhlw. Geeckter Fichtenrindenwickler. Dieſe ſowie die ver— wandte Art (G. duplicana) wurde von Ratze— burg wahrſcheinlich wegen ihres vollkommen übereinſtimmenden biologiſchen Verhaltens unter einem Namen als Tortrix dorsana zuſammen— gefaſst und dabei überſehen, daſs dieſer Name bereits an einen anderen in Erbſen ſich ent— wickelnden Wickler vergeben worden war. G. pactolana fliegt Ende Mai bis in die erſte Hälfte Juni; um dieſe Zeit wird ſie von G. duplicana abgelöst. Die Eier werden mit Vorliebe an die Haupt-, theilweiſe, bei ſtarken Angriffen auch an die Zwiſchenquirlen, u. zw. Grapholitha. ſtets an den Baſaltheilen der Zweige (Achſeln) oder zwiſchen dieſen an der Stammachſe, zu 2— 6 an einem Quirl abgeſetzt. Auch die großen Chermesgallen der Chermes viridis werden mit Brut belegt. Wohl nur ganz ausnahmsweiſe wird die Weißtanne vom Wickler befallen; das Vorkommen an dieſer Holzart gehört aber im— merhin nur zu den ſeltenen Erſcheinungen. — Die Culturbeſtände der Kahlſchlagwirtſchaft bis etwa zum 12. bis 15. Jahre ſcheinen am mei- ſten bedroht zu ſein. Auch ſcheint der Wickler näjsliche, ſtrenge Böden und Froſtlöcher zu be— vorzugen; er kommt aber ebenſowohl in der Ebene wie im Berglande vor, ſoweit eben die Fichte in größerer Ausbreitung cultiviert wird. Das 16“ füßige Räupchen, welches, wenn ausgewachſen, etwa 12—13 mm Länge miſst, iſt durch blaſs⸗ röthelnde Körperfarbe und hellbraunen Kopf und Nackenſchild ausgezeichnet. Es bohrt ſich Ende Juni oder Anfang Juli durch die Rinde bis auf den Baſt ein und friſst hier einen un» regelmäßigen, bald mehr in die Breite gezoge— nen, bald mehr der Längsrichtung folgenden Gang, welcher, wenn mehrere Raupen gleich» zeitig neben einander an einem Quirl hauſen, häufig den Stammtheil ganz umfaſst. In dieſem Falle iſt das Vertrocknen des oberhalb gelege— nen Kronentheiles unausbleiblich. Das Lumen des Raupenganges iſt mit flüſſigem Harz ausgefüllt, und indem auch ein Theil nach außen ſich ergießt und am Stämm— chen abfließt, wird es zum Verräther des vor— handenen Schädlings. Außerdem zeigen aber auch die beſonders an der Baſis der Quirläſte ausgeworfenen, erbſengroßen Klümpchen von krümeligem, rindebraunem Raupenkoth das Vorhandenſein des Schädlings an. Alle dieſe äußerlichen Erſcheinungen treten beſonders auf- fallend erſt im Frühjahre nach erfolgter Über— winterung der Raupe hervor. Einige der un- terſten und etwa die drei oberſten letztjährigen Quirle bleiben in der Regel verſchont. Inner— halb des Rindenganges ſchützt ſich die Raupe gegen den reichlichen Harzandrang durch eine dichte Geſpinſtröhre; ſie ſichert ihr zugleich die raſche Bewegung. Je nach Witterung, beſonders des Winters, erfolgt um Ende April oder gegen Mitte Mai die Verpuppung innerhalb des Rindenganges. Gegen Ende Mai bis Anfang Juni er— ſcheint der Schmetterling, wobei die Puppen- hülſe bis zur Hälfte aus der Rinde herbor- geſchoben wird. Die Angriffe find mitunter jo intenſiv, daſs nicht ein einziger der mittleren Haupt- und Zwiſchenquirle verſchont bleibt und nicht ſelten mit 3—4 Räupchen beſetzt iſt Nach dem Entſchlüpfen des Schmetterlings vernarbt wohl die Wundſtelle; die Rinde zeigt ſich aber grobborkig, wird riſſig; die Stelle erſcheint auf— getrieben; das noch ſtark nachdrängende flüſ— ſige Harz tritt in größerer Menge nach außen und fließt zum Theil am Stämmchen ab. In ärmeren, beſonders Froſtlagen erſcheinen daher die einzelnen Triebabſätze auffallend knotig, in— dem die Jahrestriebe nicht allmählich, ſondern in ſcharf ausgeprägten Stärkedifferenzen ſtufig ſich aufbauen. Die Schädlichkeit iſt vielleicht weniger in den durch dieſen Wickler verurſachten Grapholitha. 471 Verwundungen zu erblicken, als vielmehr in dem Umſtande, dajs dadurch die betroffenen Stämmchen für die Angriffe anderweitiger Schädlinge vorbereitet und von dieſen getödtet werden. So z. B. hat ſich in mehreren Fällen conftatieren laſſen, daſs durch Magdalis dupli- catus, carbonarius, phlegmaticus u. a. erſt das Eingehen der Culturen herbeigeführt worden iſt. Sie hatten ſich als Nachzügler in ſo großer Menge eingefunden, daſs das Abſterben der ſchon vorher von G. pactolana befallenen Fichten— culturen der Hauptſache nach nur dieſen Rüſs— lern zugeſchrieben werden konnte. In einem anderen Falle waren es Tomicus chalcogra- phus, Pytiophtorus mierographus und Pogono- cherus, welchen die Culturbeſtände erlegen ſind. Aber auch paraſitiſche Pilze können hier in Betracht kommen. Unter ihnen iſt es die zur Krebsbildung Veranlaſſung gebende Nectria eueurbitula, für deren Sporen durch die An— griffe der Grapholitha die Pforten geöffnet werden. Mit Rückſicht auf alle dieſe, als ſecun— däre Erſcheinungen hinzutretenden Gefahren ſollte die rechtzeitige Bekämpfung des Wicklers nicht zu leicht genommen werden. Ich halte das unverweilte Heraushauen der befallenen Stämmchen und das Verbrennen derſelben, aber gleich beim erſten Auftreten des Wicklers, für vollkommen gerechtfertigt, ja ſogar für dringend nothwendig. Es wird ſich, wenn rechtzeitig eingeſchritten wird, wohl nur um verhältnismäßig wenige Procente der Beſtockung des vorhandenen Jungbeſtandes handeln, wäh— rend bei Unterlaſſung dieſer erſten Maßregel ſpäter nicht ſelten ganze Dickungen werden ge— opfert werden müſſen. Das Betheeren der vom Rindenwickler bewohnten Stellen iſt im großen kaum durchführbar, verhütet übrigens auch das, Auftreten der Nachzügler keineswegs. 16. G. (Steganoptycha) pinicolana ZIl. Grauer Lärchenwickler. Flugzeit: Juli. Auguſt. Eier an die Nadelkiſſen der Kurztriebe, Raupe, im nächſten Mai, Juni; iſt bis Ende Juni oder Anfang Juli erwachſen; erreicht bis dahin 8—9 mm; anfangs ſchwärzlich, ſpäter mehr ſchwarzgrünlich, mit etwas hellerer Bauchſeite und Seitenſtreifen; Kopf und Nackenſchild glän— zendſchwarz. Nadelfraß; nicht ſelten Kahlfraß. Bei intenſivem Auftreten erſcheinen die Lärchen roth, wie verſengt. Vorherrſchend ältere Be— ſtände; ausnahmsweiſe auch an Fichte, Zirbe. Verpuppung Ende Juli, anfangs Auguſt innerhalb coconartig zuſammengeſponnener Nadeln, ſeltener an den Zweigen und in Rin— denritzen. Puppe 8—9 mm lang, braun, die Hinterleibsringe mit Dornkränzen, mittelſt wel⸗ cher ſich die Puppe aus der Geſpinſtröhre beim Entlaſſen des Schmetterlings hervorſchiebt. — Eines der ſchädlichſten Lärcheninſecten, welches bei länger (3—4 Jahre) andauerndem Fraß die Beſtände zum Abſterben bringen kann. — Im Gefolge ſtellt ſich häufig Tomicus cembrae ein. — Rauchfeuer während der Fraßperiode. 17. G. (Carpocapsa) pomonella (pomonana Hbn. Rtzb.), Apfelwickler; fliegt Juni, Juli. Eier einzeln an unreife Apfel, Birnen. Einbohren der Raupe; Vordringen bis in das Kerngehäuſe; Zerſtören der Samen. Raupe fleiſchroth, Kopf und getheiltes Hals— ſchild rothbraun; Körper rückenſeits mit Bor— ſtenhärchen auf grauen Wärzchen. Im Herbſte (September) verläſst die Raupe die Frucht; überwintert an einer geſchützten Stelle (Rin— denritzen) unter einem Seidengeſpinſte; ver— puppt ſich im Frühjahre und gibt den Schmet— terling zur oben angegebenen Zeit. — Sam— meln des „madigen“ Obſtes. S. Carpocapsa. 18. G. (Coceyx) pygmaeana Hbn. Kleiner Fichtenhohlnadelwickler. Nach Ratzeburgs Beobachtung (Harz) einer der frü— heſten Schmetterlinge. Die Flugzeit fällt je nach den Witterungsverhältniſſen von Ende März an bis in den Mai. Er gehört der Fichte an; hauptſächlich den Altersclaffen von 12 bis 20 Jahren. Das Räupchen erreicht erwachſen 10—14 mm; es iſt ſchlank, anfangs gelblich, ſpäter lebhaft grün, die Bauchfüße ſind hell, der Kopf klein und ſowie das Nackenſchild ſchwarz oder grünlich; die Warzen auf den Ringen ſind verhältnismäßig groß; auf dem 12. Ringe einreihig; Afterborſten vorhanden. Die Raupe bohrt ſich in eine der vorjährigen Fichtennadeln ein, höhlt ſie aus und verläſst dieſelbe durch ein am entgegengeſetzten Ende genagtes Loch. Hierauf ergreift ſie eine benach— barte Nadel, ſpinnt die Einbohröffnung dieſer mit der Ausgangsöffnung der erſten Nadel an einander, fügt allmählich eine 3. und 4. Nadel hinzu und ſo entſtehen jene charakteriſtiſchen, kleinen, rothen Geſpinſtballen, welche man oft in großer Menge, beſonders in Dickungen an— trifft. Das Räupchen hat nun ſchon eine ſolche Größe erreicht, dafs die Nadel nicht mehr Raum genug bietet; es ſpinnt nunmehr die Nadeln der Länge nach an einander und be— friſst fie von den aneinandergeſponnenen Rän— dern her. Dieſe kleinen Nadelgeſpinſtbällchen ſind kothfrei und unterſcheiden ſich dadurch, ab— geſehen von der Zeit des Fraßes, von anderen verwandten Fichtennadelwicklern. Im Juli ver- läſst die Raupe die Geſpinſte und begibt ſich unter die Bodendecke, wo die Verpuppung vor ſich geht. Als Puppe überwintert ſie. 19. G. Ratzeburgiana Sxs. Roſt⸗ rother Fichtenwickler. Flugzeit (nach Ratzeburg) Juli, Auguſt. Vorkommen: in Gebirgsforſten, wie es ſcheint ausſchließlich an Fichte. In den ſtarken Endknoſpen der Zweige meiſt in kräftiger Entwicklung ſtehender 20 bis 30jähriger Stämme (und auch älterer) friſst die Raupe an der einen Seite des Triebes gegen die Spitze hin ein tiefes Loch in die Maſſe der noch dicht zuſammengedrängten zar— ten jungen Nadeln und ſpinnt zur Zeit der Knoſpenentfaltung die oberſten Deckſchuppen (Ausſchlagſchuppen) mit der Spitze des jungen in der Entwicklung begriffenen Triebes zuſam— men. An dieſen bis ſpät in den Sommer an der Triebſpitze hängenbleibenden Schuppen und an der dadurch herbeigeführten Krümmung der Triebſpitze läſst ſich der dieſer Art eigenthüm— liche Raupenfraß unſchwer von dem verwandter Arten unterſcheiden. Aus Ratzeburgs Angaben würde hervorgehen, daſs das Ei überwintert und die Fraßperiode in die Monate Mai, Juni fällt. — Verpuppung unter der Bodenſtreu. 472 Grapholitha. 20. G. Réaumurana, ſ. Carpocapsa. 21. G. (Steganoptycha) rufimitrana HS. Rothhalſiger Weißtannenwickler. Flug— zeit: Juni, Juli. Eier: partienweiſe an die Nadeln der jungen Triebe; bei ſchon länger an— dauerndem Fraße an die Knoſpen, da die Mai— triebe während des Frühjahres kahlgefreſſen wor— den und Nadeln daher nicht vorhanden ſind. Überwinterung als Ei. Im nächſten Frühjahre von Ende April oder Anfang Mai an erſcheinen die jungen Raupchen, erreichen bis Mitte oder bis zur zweiten Hälfte Juni mit 9 bis 10 mm Länge ihre Vollwüchſigkeit, ſind nun von umnveinsgrünlichgelber Farbe, die Unter— ſeite iſt mehr gelblich; Kopf und Nackenſchild rothbraun. Auch der Fraß iſt um dieſe Zeit zu Ende; die Raupen laſſen ſich an Geſpinſt— fäden zu Boden gleiten, begeben ſich unter die Moos- oder Streudecke, wo die Verpuppung in einem nur aus wenigen loſen Fäden be— ſtehenden, mit fremden Körperchen verunrei— nigten Geſpinſte vor ſich geht. Nach 2- bis 3 wöchentlicher Puppenruhe erſcheint der Schmetterling. Er gehört ausſchließlich der Weißtanne (Abies pectinata) an, iſt ſowohl Cultur- als Beſtandsverderber und wohl eine der ſchädlichſten und verbreitetſten Arten. Die Raupe friſst häufig mit Tortrix murinana (j. d.) zuſammen, doch gehört dieſe letztere, nach meinen Beobachtungen, faſt ausſchließlich dem Altholze; G. rufimitrana hingegen mehr den jungen Beſtänden bis zum Eintritt in das Stangenholzalter an. Die Raupe befriſst die jungen aus der Knoſpe hervorbrechenden Mai— triebe, wobei ſie dieſelben mit einem gazeför— migen, zarten Geſpinſt überkleidet, die Nadeln aber nicht, wie dies gewöhnlich der Fall iſt, von der Spitze herein befriſst, ſondern der Mehrzahl nach an der Baſis durchbeißt, ſie nur theilweiſe verzehrt und die Reſte im Ge— ſpinſte hängen lässt. Allmählich nehmen dieſe Abbiſſe eine bleiche, dann rothe und zuletzt ſepiabraune Färbung an, je nach dem herr— ſchenden Witterungscharakter und den Tempe— ratursverhältniſſen. Da die Raupe in der Regel auch die Epidermis des jungen Schoſſes an einigen Stellen mehr oder weniger annagt, ſo krümmen ſich dieſelben mehrfach, ſind nadel— los, nicht ſelten etwas ſpargelartig verdickt und verleihen dem Baum jenes eigenthümliche Anſehen, welches ſofort den Fraß der ge— nannten beiden Tannenwickler erkennen läſst. In der Regel verbreitet ſich der Fraß, an den oberen Kronenpartien beginnend, nach abwärts; hält an einem und demſelben Baume oft durch mehrere (5—8) Jahre hindurch an; nicht ſelten ſind die ſämmtlichen dieſen Jahrgängen ange— hörigen Triebe entnadelt, zum Theile mehrfach gekrümmt von geweihartigem Ausſehen. Als Gegenmittel: Anzucht der Tanne in gemiſchten Beſtänden; Einzelſtand ſtatt horſtweiſe Miſchung. Bekämpfung ſogleich beim erſten Auftreten des Schädlings: a) Rauchfeuer (ſ. d.) während der Zeit des Raupenfraßes in den Baumkronen. b) Schweineeintrieb während des Abbaumens der Raupen und während der Puppenruhe. c) Streurechen, inſofern die Bodenverhältniſſe dies zulaſſen; Feſtſtampfen der Streu in größeren, runden, trichterförmig vertieften Hau— fen und Feuerung im Trichter; nach gehöriger Durchhitzung und Durchräucherung der Streu— haufen Auseinanderwerfen derſelben, wodurch die Streu dem Waldboden wieder zurückgegeben wird. d) Leuchtfeuer (ſ. d.) während der Flugzeit des Wicklers. Ein gefährlicher Nachzügler iſt To— micus curvidens (ſ. d.). Dieſer Umſtand iſt nicht aus dem Auge zu verlieren. 22. G. splendana, ſ Carpocapsa. 23. G. strobilana, ſ. G. strobilella. 24. G. (Coceyx) strobilella L. Fichten⸗ (Tannen⸗) Zapfenwickler. Flugzeit: Mai Juni. Eier meiſt zu mehreren an junge Fichtenzapfen. Raupe: anfangs Juli; ſie iſt gelblichweiß, etwas platt gedrückt, Kopf und Nackenſchild hellbraun; erreicht bis zur Voll- wüchſigkeit 10—11 mm Länge, bohrt ſich bis auf das Mark der Zapfenſpindel ein, zerſtört dieſe, greift von hier aus die reifenden Samen an; läſst aber die Zapfenſchuppen meiſt unbe⸗ rührt und wirft feinen Raupenkoth aus. Da- durch unterſcheidet ſich ihr Fraß von jenem der Dioryetria abietella (ſ. d.). Die Raupe überwintert im Zapfen; verpuppt ſich auch daſelbſt und gibt den Wickler im Monate Mai. Die Zapfen ſind gekrümmt, verharzt und haben überhaupt viel Ahnlichkeit mit jenen vom Zünsler bewohnten. Sammeln und Verbrennen der Zapfen iſt das einzige Begegnungs mittel. 25. G. tae della L., ſ. G. tedella Cl. 26. G. tedella Cl. (taedella L.; comitana SV.; hereyniana Frl. Ratzbg.). Fichtenneſt⸗ wickler, Fichtenhohlnadelwickler. Flug⸗ zeit: Mai, Juni (Juli). Eier: an die Nadeln der Fichte, ſeltener an Tanne. Raupe: im Auguſt und anfangs September; ſie erreicht 9mm Länge: Kopf, Nackenſchild und Bruſtbeine find braunſchwarz, gefleckt; der Leib iſt licht⸗ gelbbraun oder grünlich, mit 2 helleren, braun- rothen oder ſchmutziggelblichen Rückenlinien. Der Fraß dauert bis in den Spätherbſt. Das Räupchen ſpinnt eine Anzahl Nadeln, 19—15 Stück zu einem Klümpchen zuſammen, höhlt ſie aus und begibt ſich zur Verpuppung in den Boden. Die einzelnen Nadeln zeigen unreine Einbohröffnung, welche der Raupe auch gleichzeitig als Ausgang dient. Dieſe Geſpinſt— bällchen finden ſich in manchen Jahren mafjen- haft an der Fichte und ſind mit ausgeſtoßenem Raupenkoth verunreinigt. Die friſch befreſſenen Nadeln zeigen ſich gelbfleckig; jene der älteren überwinterten Geſpinſte rothbraun gefärbt. Der Fraß hält, je nach dem Witterungs- charakter des Herbſtes, nicht ſelten bis in den November hinein an. Um dieſe Zeit laſſen ſich die Raupen an Fäden zu Boden gleiten und verpuppen ſich unter der Bodendecke. Der Wickler gehört zu den Jungbeſtandsverderbern; hauptſächlich ſind es die Dickungen, welche von ihm befallen werden. — Bei Maſſenvermehrung kränkeln die befallenen Fichtendickungen augen— ſcheinlich; ſie werden zwar nicht getödtet, doch find fie durch die als Nachzügler ſich einfinden- den Borkenkäfer (Tomieus chalcographus, Pi- thyophthorus micrographus, Cryphalus, Cryp- turgus) in hohem Grade gefährdet. Die Be⸗ kämpfung iſt nur möglich durch ſcharfgeführte Graptolithen. — Gras. 473 Durchforſtungshiebe, womöglich von Ende Auguſt und Anfang September an, ſolange die Räupchen noch in den Geſpinſten ſich finden, und Verbrennen des gewonnenen Materials. 27. G. Woeberiana WV. Wöber'ſcher Rindenwickler. Entwicklung an Prunusarten, daher Obſtbaumſchädling in erſter Linie. Flug— zeit: vom Juni bis Auguſt. Eier: in die Ritzen beſonders grobborkiger Rinde (Kirſchen, Aprikoſen, Pfirſiche, Reine-Claudes, Mandeln). Die Raupe wird bis 9 mm lang, iſt ſchmutzig— grün, der Kopf roth; ſie bohrt ſich in die Rinde ein, lebt vorherrſchend in der Grünrindenſchichte und im Baſte (nicht im Splint), durchſetzt dieſe Ge— webe mit ihren Gängen und veranlaſst da— durch reichlichen Gummifluſs (Gummosis). Die äußere Rindenlage zeigt eine riſſige, dickkorkige Structur, und allenthalben das mit Raupen— koth verunreinigte, ausgeſtoßene, braune Bohr— mehl. Gewöhnlich wiederholen ſich die Angriffe an den einmal befallenen Stamm- oder Aſt— ſtellen alljährlich; ſie werden mit der Zeit kropf— artig aufgetrieben; die Borkenlagen verdicken ſich immer mehr; das äußere Rindengewebe wird brüchig, ſtirbt, bröckelt ſich allmählich ab, und der oberhalb der Krankſtelle befindliche Aſt— oder Baumtheil vertrocknet. Die Verpuppung erfolgt innerhalb dieſer Rindenbehauſung. Beim Entſchlüpfen des Schmetterlings ſchiebt ſich die Puppe vermittelſt der Dornkränze etwa bis zur Hälfte aus der Rinde hervor und gibt den Wickler frei. Wo ſich dieſer Schädling einmal eingeniſtet hat, kann er bedeutenden Schaden anrichten. Die Bekämpfung läſst ſich am beſten durch dickes Überſtreichen der Krebsſtellen mit Theer, zur Zeit wo Raupe und Puppe noch vorhanden ſind, durchführen. 28.G.(Coceyx) Zebean a, Ratzb. Lärchen⸗ rindenwickler. Vorkommen: ausſchließlich an Lärche (4—15 jährige). Flugzeit: Ende Mai. Eier: an die Rinde der Stämmchen und Zweige. Raupe: vom Juni an und Einbohren in die Rinde. Sie iſt bräunlichgrau; Kopf, Nackenſchild, die Schilder der Bruſtbeine, Hakenkränze und Afterklappe ſind ſchwarzbraun. Der von der Raupe angefertigte Gang bewegt ſich im Baſt⸗ und Grünrindengewebe und greift nicht ſelten bis auf den Splint. Er zeigt ſich unregelmäßig ausgeplätzt, bald mehr die Längs-, bald mehr die Querrichtung einhaltend. Im Herbſte des erſteu Jahres iſt an dem befallenen Pflanzentheile nur eine ſehr geringe Auftrei- bung bemerkbar. Nach erfolgter Überwin— terung ſetzt aber die Raupe den Fraß fort; es erfolgt nun während des Sommers reichlich Harzaustritt; die kranke Stelle zeigt ſich beulig aufgetrieben; rindenriſſig. Die Raupe über- wintert zum zweitenmale; verpuppt ſich im April innerhalb der Galle in einer mit ſeidenartigem Geſpinſte ausgekleideten Höhlung und verläſst dieſelbe als Schmetterling im Mai, indem ſich die Puppe bis etwa zur Hälfte aus der Rinde hervorſchiebt. Gewöhnlich finden ſich dieſe Gallen an den Aſtquirlen. Obwohl der Wickler zu den empfindlich-ſchädlichen zu rechnen iſt, beſonders mit Rückſicht auf die durch Pezizza Willkommi, als Nachzüglerin, drohende Ge— fahr, ſo läſst ſich doch kaum ausgiebig gegen ihn ankämpfen. Ausſchneiden der mit Gallen beſetzten Zweige und Verbrennen derſelben. Offnen der am Stamme ſitzenden Gallen, Tödten der Raupen und Überſtreichen der Wunde mit Theer. Ein einfacheres und ebenfalls ſicheres Mittel (auch als Vorbauungsmittel gegen Pezizza) iſt das Überſtreichen der Gallen mit zähflüſſigem Theer, ſolange noch die Raupe oder Puppe unter der Rinde iſt. Hſchl. Graptolithen ſind zu den wichtigſten Leit— foſſilien der Silurformation zu ſtellen. Die Thiere, welche den Polypomeduſen zuzurechnen ſind, bilden innerhalb der Silurformation meh— rere Horizonte, deren jeder eine ihn charakteri— ſierende Graptolithenfaung birgt. Sie beſtehen aus einem Canal, welcher der Träger der ganzen Polypencolonie iſt und an welchem ſich auf einer oder zwei Seiten Zellen befinden, die mit ihm in offener Verbindung ſtehen und wie die Zähne einer Säge hervortreten. Die Grapto— lithen ſind entweder gradlinig oder ſpiral— gewunden; viele derſelben waren urſprünglich zu je zweien an ihrer Baſis verwachſen (Didy— mograptus pennulatus), und zuweilen war eine Anzahl ſolcher gabeliger Körper radial um ein gemeinſames Centrum angeordnet (Dichograptus Logani). Die Graptolithen, deren urſprüngliche Chitinhüllen meiſt in ein dünnes, kohliges Häut— chen umgewandelt iſt, ſind gewöhnlich flach— gedrückt, ſelten reliefartig erhalten. Sie liegen in ungeheurer Menge vergeſellſchaftet auf den Schichtungsflächen der ſiluriſchen Schiefer, die danach Graptolithenſchiefer genannt worden ſind. Bekannte Gattungen ſind: Monograptus, Diplograptus, Phyllograptus, Dietyonema. v. O. Gras, ſolange es von Grund und Boden nicht abgeſondert iſt, bildet ein Zugehör (ſ. d.) desſelben und gilt als unbewegliche Sache. Nachdem dasſelbe durch die Trennung beweg— lich wird, jo iſt die Zueignung, bezw. Abmä— hung fremden Graſes behufs rechtswidriger Zueignung Diebſtahl, was damit, daſs Dieb— ſtahl eine bewegliche Sache vorausſetzt, das ſtehende Gras aber unbeweglich ſei, nicht ab— gewieſen werden kann, wie dies verſucht wurde (ſ. Diebſtahl); mindeſtens iſt das unberechtigte Abſchneiden von Waldgras ein Forſtfrevel (f. d.). Ein ähnlicher Gedankengang liegt auch der E. d. Min. d. J. v. 28./ 2. 1875, 3. 1626 (im Einvernehmen mit dem Juſtiz-Min.) zu grunde, womit ausgeſprochen wurde, dass die Ver— ſteigerung ſtehenden Graſes nicht als Verſteige— rung einer unbeweglichen, ſondern einer beweg— lichen Sache anzuſehen iſt, weil nicht das Gras, ſondern das Recht, dasſelbe abzumähen, ver— ſteigert wird, alſo eine bewegliche Sache. Daraus folgt z. B., daſs zur Vornahme einer derartigen freiwilligen Feilbietung der Gemeindevorſteher die Bewilligung zu ertheilen und 1% zum Armenfond zu verlangen hat. Daſs die Weide— ſervitut nur das Recht zum Viehauftriebe, nicht aber z. B. auch das Recht, auf der Weide Gras abzumähen, gewährt, wurde bei „Dienſtbarkeiten“ ſchon erwähnt, ebenſo, daſs durch Geſ. v. 16.4. 1871, L. G. Bl. Nr. 18, für Galizien die Be- ſtimmungen des Servitutenablöſungs- und Re- gulierungspatentes auch auf die Bezüge von Gras, Schilf u. ſ. w. Anwendung finden. Über 474 Erſatz von Wildſchaden auf Wieſen im vollen Graswuchs ſ. Wildſchaden. Mähen oder Ausreißen von Gras in den Tiroler Gemeinde- und Stiftswaldungen wird auf den Forſttagſatzungen (ſ. d.) normiert ($ 24 der proviſ. Waldordnung f. Tirol und Vorarlberg v. J. 1839). Mcht. Gräſeln, j. Gräslein. E. v. D. Graſen, verb. intrans., ſelten ſtatt äſen, weiden. „Graſen oder abraſen (ſ. d.) jagen einige, wenn der Hirſch auf Wieſen ſich weidet.“ Chr. W. v Heppe, Wohlred. Jäger, p. 187. — Sanders, Wb. I., p. 618. E. v. D. Graſer, der, die Zunge des hohen, edlen Haarwildes mit Ausnahme der Sauen; vgl. Lecker, Weidmeſſer (2), Weidlöffel. „Graſer, Lecker, nennt mau die Zunge des wieder— käuenden Wildes. Bei den übrigen Thieren ſagt man Zunge.“ Hartig, Lexikon, p. 227. — C. v. Heppe, Aufricht. Lehrprinz, p. 420. — Chr. W. v. Heppe, Wohlred. Jäger, p. 187. — Onomat. forest. IV., p. 406. — Bechſtein, Hb. der Jagdwiſſenſchaft I., 1, p. 101. — Behlen, Wmſpr. 1829, p. 71. — Die hohe Jagd, Ulm 1746, I., p. 361. — Laube, Jagdbrevier, p. 279. — Sanders, Wb. II., p. 618. E. v. D. Gräſereirecht iſt die Forſtſervitut (ſ. d.) zur Gewinnung von Gras durch Rupfen oder Sicheln (nach dem preußiſchen allgemeinen Landrecht nur mit Zahnſicheln). Dasſelbe darf nur mit mög— lichſter Schonung des vorhandenen Holzwuchſes ausgeübt werden und iſt der Quantität nach wohl immer unbeſtimmt und in der Regel nur inſoferne beſchränkt, als der Waldeigenthümer Ort und Tag der Nutzung beſtimmt und häufig auch für die berechtigte Familie nur einen Gras— ſchein ausſtellt, ſo dafs immer nur ein Glied der Familie die Nutzung ausüben kann. Dieſe Servitut bildet in keiner Weiſe ein Hindernis der Bewirtſchaftung des Waldes und gibt daher dem Waldeigenthümer um ſo weniger Veranlaſſung zur Ablöſung, als derſelbe in den wenigſten Fällen in der Lage ſein wird, das Gras ſelbſt zu gewinnen. Für den gewöhnlich der ärmeren Volksclaſſe angehörenden Berech— tigten bildet dagegen die Waldgräſerei meiſt das einzige Mittel zur Viehhaltung, und es erſcheint dieſelbe, indem ſie ſonſt nicht verwert— baren Arbeitskräften productive Verwendung verſchafft, volkswirtſchaftlich uützlich. Es wird deshalb auch der Waldeigenthümer nach erfolgter Ablöſung häufig die Waldgräſerei den früheren Berechtigten vergünſtigungsweiſe bewilligen müſſen. — Analog verhält ſich das in bruchigen Waldungen öfter vorkommende Recht zum Schneiden von Schilf und Binſen, welche als Streuſurrogat dienen, und von Rohr, deſſen Weiterverarbeitung einen Arbeitsverdienſt gewährt. At. Grasſalter, deutſcher Name für die zur Familie Hipparchia gehörigen Tagſchmetter— linge, als deren bekannteſte Repräſentanten die Schwärzlinge oder Ochſenaugen (Erebia) hier genannt ſein mögen. Hſchl. Grashirſch, der, heißt der Rothhirſch knapp vor Beginn und in der erſten Hälfte der Feiſtzeit. „Wenn der Hirſch bereits völlig ge— färbet iſt, wird der edle Hirſch ein Graß— Hirſch genennet, weil er noch nichts von Gräſeln. — Grasmücke. Körnern, ſondern nur Graß auf ſeinen Leib genommen hat.“ Pärſon, Hirſchgerechter Jäger, 1734, fol. 19. — „Graßhirſch iſt ein ſolcher, der noch keine Futterkörner genoſſen hat und gewöhnlich nicht feiſt iſt.“ Hartig, Lexikon, p. 227. — Laube, Jagdbrevier, p. 279. — R. R. v. Dom⸗ browski, Edelwild. p. 361. E. v. D. Gräslein, das, eiu Zeichen der Rothhirſch— fährte, identiſch mit dem Abtritt, ſ. d. „Das neunte Zeichen: Am Graſſeln. Dieſes Zeichen thut ein Hirſch, wenn er im Graß gehet, jo tritt er mit ſeinen Wänden der Schale das Graß ab, als wenn es mit einer Scheere ab— geſchnitten wär . . . Die Hirſche laſſen bisweilen das Graſſel bei der Sulzen in der Fahrt, wenn fie durch Graß gewechſelt . . . durch welche Schwere er (der jagdbare Hirſch) das abgetre— tene Graßel ſo ſtark andrückt, daſs es in den Schalen feſt anklebt und hält. Der Lehm aber, der bei der Sulze ſo zu Boden lieget ziehet durch ſeine Lettigkeit das Graſſel von den Schalen an ſich, wo der Hirſch bei der Sulzen hingetreten und alſo bleibt das Graſſel bei der Sulze in der Fahrt. Iſt ſie friſch, ſo iſt das Graſſel auch ganz friſch und grün.“ Pärſon, Hirſchgerechter Jäger, 1734, fol. 14 b. — „Gräſeln will dieſes ſagen: wenn der Hirſch im Grasboden gehet, ſchneidet er das Gras ab, und nimmt einiges mit der Schaale mit fort, läſst ſolches hernach entweder fallen, oder drückt es in die neue Fährte mit ein. Dieſes iſt das Gräſeln, anf welches verſchiedene Jäger annoch vieles, als auf ein hirſchgerechtes Zeichen, achten.“ Chr. W. v. Heppe, Wohlred. Jäger, p. 186. — „Der Hirſch macht den Ab- tritt, Abſchnitt oder das Gräslein, wenn er das Gras oder grüne Getreide wie abgeſchnitten mit den Schalen abtritt.“ Bechſtein, Hb. d. Jagdwiſſenſchaft I., 1, p. 98. — Sanders, Wb. I P. 618. E. v. D. Graslilie, ſ. Anthericum. Wm. Grasmücke, ſchwarzköpſige, Sylvia atri- capilla, Linné. Motacilla atricapilla, Linn. Syst. Nat. I., p. 332 (1766); Sylvia atricapilla (Linn.), Scop. Ann. I. Hist. Nat., p. 156, Nr. 229 (1769); Curruca atricapilla (Linn.), Boie. Isis 1822, p. 553; Curruca nigricapilla, C. L. Brehm, Vögel Deutſchlands, p. 417 (1831); Curruca atricapilla, idem, ibidem, p. 418; Curruca pileata, idem, ibidem; Cur- ruca Heinekeni, Jard. Edinb. Journal et Nat. et Geogr. Sc. I., p. 243 (1830); Curruca ru- bricapilla, Landbeck, Vögel Württembergs, p. 44 (1834); Epilais atricapilla (L.), Cab. Mus. Hein. I., p. 36 (1850); Sylvia Naumanni, Von Müller, Naumannia, 1851, pt. 4, p. 26; Curruca ruficapilla, C. L. Brehm, Vogelfang, p. 227 (1855). Abbildungen: 1. Vogel. Naumann, Vögel Deutſchlands, T. 77, Fig. 2, 3, und T. 368, Fig. A und 2; Dreſſer, Birds of Europe, vol. II, T. 66. 2. Eier. Bädecker, Die Eier der euro- päiſchen Vögel, T. 51, Nr. 12; Thienemann, Abbildungen von Vogeleiern, T. XX, Nr. A, a—d; Seebohm, A History of british birds. vol. I, pt. 10. Mönch, kleiner Mönch, Mönchlein, Platt- mönch, Plattenmönch, Mönch mit ſchwarzer und Grasmücke. rother Platte, Plattenkopf, Schwarzkuppe, Schwarzkopf, ſchwarzköpfige oder ſchwarzplattige Grasmücke, ſchwarzköpfige Nach— tigall, ſchwarzköpfiger Sänger, Mohrenkopf, Mauskopf, Kardinälchen, Pfaff, Thumpfaffe, Kloſtervogel, Grasmücke, Grasmückchen, After— nachtigall. Böhm.: Cernohlävek; dän.: Sorthovedet- Sanger; engl.: Blackcap; holl.: Zwartkop; frz.: Fauvette à tete noire; finn.; Mustapää- Kerttu; ital.: Capinera, Capinero, Capnegher, Capner, Bertagouin, Capnaeghaer, Co- negher, Capnegro, Capnegher, Capnegar, Capnigher, Capneigher, Chepnegher, Caponèro (), Cao- negro (&), Caonera (2), Caorosso (2), Ca- poneri, Chaoneri, Capiner, Bouscarla testa negra, Testa neigra, Bigiola, Testanera, Ca- ponera gentile, Caponera d’edera, Capofoscola, Capofosca, Fucetola separola, Facedua ca- pignora, Capi-niura (&), Capi-gnora (&), Falaetta de sepäle (2), Tabaccosa ()., Ca- pufuscu, Bofuscu, Capo fuscu granni, Testa niura (&), Testa russa (), Conca de moru, Conca meru, Filomena (6), Moschita (2), Beqquafic rasu seuda; croat.: Crnoglava grmusa; lett.: Kaukis; norweg.: Munk; poln.: Pokrzywka czarnoglowka; portug.: Tutinegra, Touta-negra, Tutinegra real; ruſſ.: Tscher- nogolowka, Tschernoschljapka; ſchwed.: Svar- thufoad Sängare; jpan.: Picafigo de cabeza negra, Curita, Sombrerillo, Pinzoleta, Carbonera, Tayarol de cap negre; ungar.: barätka Zener. Der Mönch kommt durch ganz Europa mit Ausnahme der nördlichſten Theile von Scandinavien und Ruſsland, in der Ebene und im Gebirge vor. Er findet ſich als Brutvogel in England, Frankreich, Spanien und Portugal, in Holland, Belgien, Dänemark, Skandinavien bis 66. Grad nördlich, Deutſchland, Oſterreich— Ungarn, Schweiz und Italien, Ruſsland, an der Dwina bis 62° nördlich, am Ural bis 57° nördlich, ſüdlich bis zum Schwarzen Meere, auf der Balkanhalbinſel, außerdem in den Cap— Verdi'ſchen Inſeln, den Canariſchen Inſeln, Madeira und den Azoren, Nordweſtafrika, den ſämmtlichen Mittelmeerinſeln, Kleinaſien, Pa— läſtina, Kaukaſus und Weſtperſien. Nur in den ſüdlicheren Ländern ſcheint er Standvogel zu ſein, übrigens zieht er, wenn auch ſpät im Herbſte fort (in dem milden England ſind einzelne Vögel auch im Winter erlegt worden), in Egypten, Nubien, Abyſſinien iſt er nur Wintervogel, ebenſo am Senegal und Gambia. Auf den Azoren und Madeira wird eine eigenthümliche Varietät des Mönches gefunden, bei der das Schwarz ſich bis tief auf den Nacken, zuweilen ſogar bis zu den Schultern und der Bruſt ausdehnt, ſie wurde von Jardine als Curruca Heinekeni beſchrieben, iſt aber nur als ein partieller Melanismus anzuſehen. C 15˙1 cm Sigellenge Ir; Schwanzlänge GA, F be 4708 „ F r 29 5 (Altes & vom 20. Juni, Braunſchweig, Mus. brunsvicense.) Schwarzplatte, Schwarzplättchen, Schwarzplättl, Schwarzkappe, 475 Der Schnabel iſt kurz und kräftig, mit ſcharfer Firſte und abgerundetem flachem Kiele, die Kieferſchneiden etwas eingezogen, vor der überragenden Spitze des Oberſchnabels einen ſeichten kerbartigen Einſchnitt; von der breiten Baſis an, die eine flache Zuſammendrückung von oben nach unten zeigt, iſt der Schnabel gleichmäßig zugeſpitzt. Die Flügel ſind ſtumpf zugeſpitzt, die 3. und 4. bilden die Flügelſpitze, die 2. Schwinge iſt auf der Innenfahne, die 3. und 4. auf der Außenfahne bogig eingeſchnürt. 3 4 2 5 2 >6>...10>M>H>1>D. Die Flügel reichen in der Ruhe faſt bis zur Hälfte des Schwanzes hinab. Der Schwanz iſt ziemlich gerade abgeſtutzt. Die Füße ſind verhältnismäßig groß und kräftig, die Krallen mittlerer Größe, flach ge— krümmt, ziemlich ſpitz. Altes Männchen. Die ganze Kopfplatte iſt dunkelſammtſchwarz, die übrige Oberſeite grau mit einem leichten olivenbraungrauen An— fluge am Rücken, die ganze Unterſeite trüb grauweißlich, an den Seiten allmählich in die Rückenfarbe übergehend. Schwingen und Schwanz— federn grauſchwarzbraun, die unteren Flügel— deckfedern gelblichweiß mit Grau gemiſcht. (Nach einem alten, oben gemeſſenen & von Braunſchweig, Exemplare aus Smyrna und Lenkoran ſind nicht davon zu unterſcheiden.) Jüngere Männchen nach der erſten Herbſtmauſer haben am Unterleibe noch etwas gelblichen Anflug und zeigen überhaupt dunk— leres Gefieder als die alten Männchen im Frühjahre; dann ſieht man an den ſchwarzen Federn der Kopfplatte, namentlich an der Stirn feine roſtbraune Ränder. Altes Weibchen unterſcheidet ſich von dem Männchen durch die bräunliche Kopfplatte, die Oberſeite iſt mehr grünlich-braungrau und die Unterſeite an der Bruſt ſtärker bräunlich- gelblich angeflogen, übrigens gleichen ſie ſich ganz im Gefieder. Auffallenderweiſe ſind die Weibchen meiſtens größer als die Männchen. Junge Vögel vor der erſten Mauſer ſehen dem alten Weibchen ziemlich ähnlich, nur iſt der Rücken mehr braungrau, grünlich an— geflogen und die Unterſeite ſchmutzig-grauweiß, an den Seiten gelblich-olivengrau überlaufen, dann iſt die Kopfplatte ſchmutzig röthlichbraun, beim Weibchen noch weniger hervorſtechend als beim Männchen, meiſtens faſt in die bräunliche Rückenfarbe übergehend. Der Schnabel iſt braunſchwarz, an der Wurzel des Unterkiefers und den Kieferſchneiden lichtbleifarben. Die Iris iſt dunkelbraun und hat einen Durchmeſſer von mm. Die Füße ſind lichtbleifarben, die Krallen an der Spitze ſchwärzlich. Bei den jungen Vögeln ſind die Füße hellbläulichgrau gefärbt. (Nach 7 Exemplaren aus der Braunſchwei— ger Gegend, 1 aus Smyrna und 1 aus Tiflis, im Museum brunsv. und meiner Sammlung.) Das Gelege beſteht in der Regel aus 5 oder 6 Eiern, nur wenn die Brut zerſtört wird und das Weibchen raſch nachlegt, oder bei jungen Weibchen findet man nur 4, in äußerſt ſeltenen Fällen nur 3 Eier. Die Eier find 476 Grasnützung. meiſtens eiförmig, zuweilen kurz oval. Der Längsdurchmeſſer beträgt durchſchnittlich 188 mm, der Querdurchmeſſer durchſchnittlich 14˙4 mm, die Dopphöhe 8˙6 mm. In der Färbung zeigen die Gelege ſehr große Verſchiedenheiten. Die meiſten Gelege zeigen ſchmutzig bräunlichweiße Grundfarbe mit aſchgrauen tieferliegenden und gelblich-braunen, oberflächlicher gelegenen Flecken und vereinzelten dunkelbraunen Pünktchen; andere Gelege haben einen helleren bläulich-weißen Grundton, mit grauen und braunen Flecken; ſelten ſind die ſchönen jog. „röthlichen“ Gelege mit braunröthlicher Grundfarbe mit verwaſchenen dunkleren braunröthlichen Flecken und verein— zelten dunkelbraunen Pünktchen und Fleckchen. Von den Gartengrasmücken-Eiern ſind ſie in vielen Fällen gar nicht zu unterſcheiden. Das Neſt ſteht frei in einer Aſtgabel im Gebüſch, ſehr häufig wenig verſteckt, ſo daſs man es ſehr leicht finden kann. Meiſtens iſt es etwas ſorg— fältiger als das der Grasmücke gebaut, aus trockenen Halmen und Stengeln mit etwas Neſſelfaſern und Spinnen- und Raupengewebe verbunden, innen mit feinen Hälmchen und einigen Pferdehaaren ausgelegt. Häufig findet man auch Neſter, zu denen grünes Erdmoos verwendet iſt, dieſe ſind viel dichter und feſter. Sehr häufig quartiert ſich der Kuckuck in Mönchsneſter ein. Die Bebrütungszeit dauert 14 Tage, das Männchen löst das Weibchen in der Regel in der Mittagszeit beim Brüten ab. Die Alten ſind außerordentlich beſorgt um ihre Brut, flattern ängſtlich umher, wenn man ſich dem Neſte mit Jungen nähert. Häufig habe ich ge— ſehen, daſs die Eltern das Neſt förmlich ver— theidigen wollen und mit erhobenen Flügeln und weit geöffnetem Schnabel mit grimmigem Ge— ſchrei dem vermeintlichen Neſträuber entgegen— ſtürzen. Der Mönch iſt von den Sängern derjenige, der am längſten bei uns bleibt und am uner— müdlichſten ſingt. Sie treffen in Mitteldeutſch— land gegen Mitte April ein, indem ſie in der Nacht und einzeln oder zu mehreren Individuen wandern. Das erſte Gelege findet man zweite Woche Mai, das zweite Anfang Juli, vom An— fang September bis zweite Woche October ziehen ſie wieder ab. Der Mönch iſt ein Vogel der mit dichtem Unterholz bewachſenen Laubwälder und der Gärten. Hier halten ſie ſich im Gebüſch und in den dichten Laubkronen auf, mit Leichtigkeit und behende umherhüpfend, ſelten lange ſtille ſitzend. Sobald ihnen etwas Beſonderes auffällt, ſträu— ben ſie die Kopffedern zu einem Hollen und zucken mit dem Schwanze. Sie fliegen, abge— ſehen von dem ſchnelleren, in regelmäßigen Schlangenlinien vor ſich gehenden, Wanderfluge im Frühjahre und Herbſte, nur auf kurze Strecken flatternd oder ſchuſsweiſe. Ihre Lockſtimme iſt ein tiefes ſchnalzendes „Tack, tack“ oder „Täck, täck“, ihr Warnungs— ruf ein ſcharrendes „Raahrrr“ oder „Scharrr“, ihr Angſtruf ein eigenthümliches Quäken. „Pibü, pibübübü“ erſchallt in möglichſt ſanfter Tonart, wenn ein Gatte den anderen ruft, „Schäed, ſchädädäd“, wenn die ausgeflogenen Jungen nach den fütternden Eltern verlangen. Das Männchen zeichnet ſich durch einen wun— derbar ſchönen, reinen, lauten, flötenartigen Geſang aus, der mit einem Piano beginnt, dem ein lautes, wie eine Fanfare klingendes Forte folgt. Sofort nach der Ankunft laſſen ſie ihr Lied erſchallen, das von Tag zu Tag beſſer klingt und erſt mit Beginn der Mauſer im Auguſt verſtummt. Im Herbſte hört man die jungen Männchen meiſt den Geſang üben, aber ganz leiſe und ſtümperhaft. Wie bei den Nach⸗ tigallen gibt es gute und ſchlechte Sänger, die ſchönſten Sänger hörte ich immer in der Nähe der Städte in den Gärten, weniger ſchöne in den Wäldern. Ihre Nahrung beſteht hauptſächlich aus allerlei Inſecten, Raupen, Käfern, Fliegen, Mücken u ſ. w., ſpäter im Jahre, wenn die Beeren reifen, freſſen ſie dieſe, wie z. B. Kirſchen, Himbeeren, Johannisbeeren u. ſ. w. mit Vor- liebe. Sie find jo zutraulich, daſs man fie außer- ordentlich leicht ſchießen kann. In Fallen aller Art laſſen ſie ſich auch bequem fangen. Im Herbſte gehen viele in die Dohnenſtiege und werden hier unabſichtlich in den Schlingen ge— fangen. Die Katzen vernichten in den Gärten viele Bruten, ebenſo Wieſel, Marder und Füchſe im Walde. Durch das Vernichten vieler ſchädlicher Inſecten ſind ſie unbedingt nützlich, an den Kirſchbäumen thun ſie Schaden und ſind durch aufgeſtellte Vogelſcheuchen in keiner Weiſe zu verjagen. Als Stubenvogel werden ſie mit Vorliebe gehalten, die alt gefangenen ſind leicht zu zäh— men, noch zutraulicher werden aber die jung aufgezogenen. Andere Vögel lernen ſie nach— ahmen und pfeifen auch vorgepfiffene Melodien nach. Einzelne ſollen ſich 12— 16 Jahre in der Gefangenſchaft gehalten haben. R. Bl. Grasnützung. Dieſelbe beſteht in der Ge- winnung der im Walde vorkommenden Futter⸗ kräuter und erfolgt entweder durch das Aus- rupfen mit der Hand oder durch Abſchneiden mit der Sichel. Die erſtere Art der Grasge— winnung wird im Allgemeinen als eine un- ſchädliche betrachtet, iſt aber im ausgedehnten Umfange praktiſch undurchführbar, weil ſich die Arbeiter in kurzer Zeit die Hände wund ſchneiden. Auf trockenem, humusarmem Boden muſs jedoch die Grasnützung unterbleiben, während ſie in friſchen und kräftigen Böden nicht allein anſehnliche Erträge gewährt, jon- dern auch unter gewiſſen Verhältniſſen ſogar den wohlthätigſten Culturmaßnahmen beizu— zählen iſt. Dagegen iſt die Gewinnung von Futter⸗ laub unter allen Verhältniſſen von fühlbärem Nachtheil für die Waldbeſtände. Die Gewin⸗ nung erfolgt entweder durch Abſtreifen des Laubes mit der Hand oder häufiger durch das Abſchneiden der Zweige, die dann an luftigen, überdachten Orten getrocknet werden. an rechnet den Futterwerth von 125 kg Laubfutter ohne Aſte gleich 100 kg mittelguten Heues, während in den Zweigbüſcheln bei der Eiche Grajs. — Grauammer. 477 40 %, bei der Sahlweide ca. 60%, genießbare Futtertheile enthalten find. Fr. Graſs, ſ. Aſtſtreu. Graſſet, ſ. Aſtſtreu. Grasſtreu und Aſtſtreu, ſ. Waldſtreu. Fr. Grastritt, der, ſ. v. w. Gräslein, Abtritt, ſ. d. Martin, Methodus, 1731, qu. 10. E. v. D. Gratbalken, ſind Balken, die auf die Um— fangswände nicht ſenkrecht, ſondern in ſchräger Richtung treffen (ſ. Gebälk). Fr. Grath, iſt die Durchſchneidungslinie zweier Dachflächen, ſ. Dachausmittlung. Fr. Gratiolin, C0 Hz, O,, im Kraut von Gratiola offieinalis, feine, ſchwach riechende, ſtark bitter ſchmeckende Nadeln. v. Gn. Grau, Wilhelm Heinrich Adolf, geboren 23. December 1794 in Melgershauſen (Kur— heſſen), geſt. 10. October 1857 in Melſungen, lernte das Forſtweſen praktiſch bei ſeinem Vater und beſuchte hierauf die Univerſität Marburg ſowie die Forſtlehranſtalt Fulda. Im Jahre 1814 trat er in das Gardejägerbataillon ein, machte beide Feldzüge nach Frankreich mit, wurde 1821 zur Reſerve verſetzt, aber erſt 1822 vom Militär verabſchiedet, worauf ſeine An— ſtellung als reitender Förſter in Melgershauſen erfolgte. Im Jahre 1823 bekam er den Auf- trag, die Abſchätzung mehrerer Forſte in Böhmen auszuführen und wurde Ende 1824 unter Bei— behaltung ſeiner Revierverwaltung zum Lehrer an der kurheſſiſchen Forſtlehranſtalt zu Mel— ſungen ernannt. 1841 rückte er zum zweiten Brigadierförſter der Oberförſterei Melgershauſen auf; 1844 erhielt er an deren Stelle die Ober— förſterei Melſungen und avancierte im Februar 1852 unter Enthebung von ſeiner Lehrerfunc— tion zum Forſtinſpector der Inſpection Söhre. Er war ſowohl umſichtiger praktiſcher Forſt— wirt als auch tüchtiger Lehrer auf dem Gebiete des Waldbaues, der Forſttaxation und Geſchäfts— kunde. Seine Verdienſte um die heſſiſchen Mark— waldungen (Halbengebrauchswaldungen) wurden 1843 von Seiten der betreffenden Märker— ſchaften durch Überreichung eines ſilbernen Po— kales anerkannt. Schw. Grauammer, Miliaria europaea, Swainson, Classif. of B. II., p. 290 (1837): Emberiza miliaria, Linn. Syst. Nat. I., p. 308 (1766); Fringilla projer, P. L. S. Müll. Syst. Nat. Suppl., p. 164 (1776); Miliaria septen- trionalis, Chr. L. Brehm, Vögel Deutſchl., p. 291 (1834); Miliaria germanica, idem, ibidem, p. 292; Miliaria peregrina, idem, ibidem; Cynchramus miliaria, Bonap. Comp. List. B. Eur. u. N. Am., p. 35 (1838); Spiens miliarius, Gray, List of Gen. of B. II., p. 61 (1841); Cryptophaga miliaria. Cab. Mus. Hein. Th. I., p. 127 (1850); Citrinella miliaria, Gray, Handb. of B. II., p. 113 (1870). Abbildungen: 1. Vogel. Naumann, Vögel Deutſchlands, T. 101; Dreſſer, Birds of Eur., Vol. IV., p. 208. — 2. Eier. Bädecker, Die Eier der europ. Vögel, T. 3 Nr. 3; Thiene- mann, Abbildungen von Vogeleiern, T. XXXIII, Nr. 8, a—e; Seebohm, A History of british birds, vol. II., pl. 13. Grauer Ammer, gemeiner oder großer Ammer, großer grauer Ammer, großer lerchen— farbener Ammer, grauer Emmeritz, weißer Emmeritz oder Emmerling, Ortolan, grauer Ortolan, Winterortolan, Gerſtenammer, Gerſt— ammer, Gerſthammer, Gerſtling, Gerſtvogel, Gergvogel, Hirſenammer, Wieſenammer, Winter— ammer, welſcher Goldammer, doppelter Grün— ſchling, doppelter Gilberich, Braßler, Knipper, Knuſt, Knuſtknipper, Strumpfweber, Kornlerche, Baumlerche. Böhm.: Propäska; dän.: Kornlaerke, Bom- laerke, Knijtte, Stritte; engl.: Corn-Bunting, Bunting-Lark; gäliſch: Golabhigean; franz.: le Proyer; holländ.: de grauwe Gors; italien.: Strillozzo, Strillozza maggiore, Braviere, Pe- trone, Predicatour, Ambroun, Tupin, Can- taris, Ourgai, Miardoun, Cantabari, Prader, Pradiroü, Pradireu, Mächet, Prioun, Pravön, Prion, Preder, Spatzön, Prädär, Petrön, Ptraun, Stardau, Brustolon, Petässo, Petäzzo, Petäz, Petonzo, Petäs, Sdarnäli, Sdrunäl, Pucinarili, Pionzom, Smeardöm. Pitabla, Sciattardn, Stiattardo, Stiattajone, Lodola maschio, Spiechierone, Schiozzo, Sbraviere. Strillo, Strigliozzo, Striglio, Cicerone, Stru- lacchio, Cicirone, Frusone, Cieiruni, Ciceruni. Zizinon, Cicciallu, Orgiali, Orgiali de denti, Cineirri a dentes, Macottu, Strilorzu, Den- tice, Durraisa; croat.: Strnad paticork; poln : Pöswierka potrzeszez; portug.: Passarinho trigueiro. Tem-ti-na-raiz, Trigueiräo, Chi- chorrio; ruſſ.: Prosjanka; ſchwed.: Kornsparf; ſpan.: Triguero, Ave tonta, Gorriön triguero, Cluixirell. Durdulla, Cruxidell, Croside; ungar.: Kölesi Särmäny. Der Grau- oder Gerſtammer bewohnt den ſüdweſtlichen Theil der paläarktiſchen Region, England, Frankreich, Spanien und Portugal, Kanaren und Nordweſtafrika, Belgien, Holland, Dänemark, die ſüdlicheren Theile von Schweden und Norwegen, Deutſchland, Oſterreich, Italien, Ruſsland, von Riga, Moskau und dem Ural ab ſüdlich, Kaukaſus, Weſtturkeſtan, Nordperſien, Kleinaſien und Paläſtina. In allen ge— nannten Ländern brütet er nur an ge— eigneten Stellen, in den großen Ebenen in Getreidefeldern und Wieſen; aus den nördlichſten Theilen ſeines Verbreitungsgebietes und auch aus Centraleuropa ziehen einige im Winter nach dem Süden, die Mehrzahl ſind Standvögel, ſämmtliche Vögel in den ſüdlicheren Ländern bleiben im Winter. In Egypten und Arabien wurde er nur im Winter beobachtet, wohl Vögel, die aus nördlicheren Ländern her— gezogen waren. In Deutſchland iſt er durchaus nicht all— gemein verbreitet, er gehört zu denjenigen Vö— geln, die bei zunehmender Ackercultur in der Ausbreitung begriffen ſind, ſo war er z. B. bei Braunſchweig früher ziemlich ſelten, während er jetzt zu den häufigſten Feld- und Wieſen— bewohnern zählt. Solnllange 19:6 em länge EN Schwanzlänge. 81 Sh! 12 HS: ae ae 2˙3 „ (Altes & von Braunſchweig, 28. December 1887 aus meiner Sammlung.) 478 Der Schnabel iſt groß und ſtark, an Firſte und Kiel nach der Spitze zu gekrümmt, der Rücken über den Naſenlöchern etwas aufge— trieben, der Gaumenhöcker ſehr ſtark vorſprin— gend, die Schneiden namentlich am Oberkiefer ſehr ſtark eingezogen. Die Flügel ſind kurz abgeſtumpft, die 1., 2., 3. und 4. Schwinge bilden die Flügelſpitze, die 2., 3. und 4 ſind auf der Außenfahne ſonſt bogig eingeſchnürt 28 1 8 32 4 H 5 ...>M>D. Die Flügel reichen in der Ruhe kaum bis zur Hälfte des Schwanzes hinab. Der Schwanz iſt in der Mitte ausgeſchnitten. Die Füße ſind niedrig und ſtark, die Krallen flach gebogen, an der Hinterzehe faſt doppelt ſo ſtark geformt als an den übrigen, unten zweiſchneidig, ſcharf zugeſpitzt. Altes Männchen. Die ganze Oberſeite iſt graubräunlich mit ſchwarzen Schaftſtrichen der einzelnen Federn verziert, die im Nacken und am Bürzel am undeutlichſten ſind, die Unterſeite iſt gelblichweiß, am Kropfe, Schen— keln und in der Aftergegend ſtärker roſtgelblich, außer am Kinn, Mitte der Unterbruſt und in der Aftergegend mit ſchönen braunen drei— eckigen Schaftflecken und Schaftſtrichen verſehen. Schwingen mattbraunſchwarz, mit helleren Säu— men der Außenfahue, an den Hinterſchwingen und an den großen Deckfedern mit breiten hell— bräunlichen Kanten. Schwanzfedern ſchwärzlich braun. Schwingen und Schwanzfedern auf der Unterſeite lichtgrau, die unteren Flügeldeckfedern gelblichweiß mit braungrau gemiſcht. Altes Weibchen iſt etwas kleiner, aber abgeſehen von einem etwas dunkleren Scheine im Gefieder nicht vom Männchen zu unterſcheiden. Junge Vögel vor der erſten Mauſer ſind auf der Oberſeite brauner, ſtärker und dunkler gefleckt, unten namentlich in der Kropf— gegend ſchön roſtgelb angeflogen, Der Schnabel iſt hellgelb, im Herbſte mit etwas röthlichem Scheine, auf der Firſte horn— grau, nach der Spitze zu braunſchwarz. Die Iris iſt im Alter dunkelbraun, in der Jugend lichtbraun und hat einen Durchmeſſer von 4½ bis 5mm. Die Füße ſind röthlichgelb, an den Zehen ins Bräunliche, an den Krallen ins Dunkelbraune übergehend. (Nach 5 Exemplaren aus der Braun— ſchweiger Gegend, davon 3 aus dem Mus. brunsvic. und 2 aus meiner Sammlung.) Das Gelege beſteht in der Regel aus 5 bis 6 Eiern. Dieſelben ſind meiſtens von kurz— eiförmiger, ſeltener von kurz- oder längsovaler Geſtalt. Der Längsdurchmeſſer beträgt durch— ſchnittlich 23˙3 mm, der Querdurchmeſſer 17°5 mm, die Dopphöhe 100 mm Die Eier ſind auf röthlichgrauweißer oder ſchmutzig fleiſchfarbener Grundlage mit tieferliegenden mattröthlich— grauen Flecken und oberflächlichen röthlich braunen Klexen und dünneren und dickeren Kritzeln und Schnörkeln verziert. Die Schale iſt faſt glanzlos, rauh, ſehr feinkörnig, mit zahlreichen Poren verſehen. Das Neſt ſteht an der Erde in einer kleinen Vertiefung zwiſchen Gras an Grabenrändern oder im Getreidefelde. Es iſt bedeutend größer als das des Gold— ammers, außen aus grobem Materiale, Stroh— Graubutt. — Graugans. halmen, Grashalmen, Blättern zuſammengeſetzt, innen im Napfe mit feinen Halmen und Pferde— haaren ausgelegt. Die Bebrütungszeit dauert 14 Tage, das Männchen hilft dem Weibchen beim Brüten. Die Jungen verlaſſen das Neſt bei der geringſten drohenden Gefahr, auch wenn ſie noch nicht ganz flugfähig ſind, und verbergen ſich wie die jungen Lerchen im Graſe. Zwei Bruten werden regelmäßig gemacht, häufig, wenn eine verloren geht, auch zu einer dritten geſchritten, deren Junge man dann noch im Auguſt fiudet. Das erſte volle Gelege iſt Ende April zu beobachten. Der Grauammer iſt ein träger, ſchwer— fälliger Vogel, der ſich hüpfend am Boden auf— hält und dort ſeine Nahrung ſucht. Im Fluge ähnelt er dem Sperlinge, er fliegt etwas ſchwer— fällig, auf weiten Strecken in Bogenlinien ziemlich ſchnell, auf kürzeren Strecken mit ſchnur— rend ſich bewegenden Flügeln. Sein Lockton klingt wie „Knipps, Zicks“ und wird öfters raſch hinter einander ausgeſtoßen, wie „zickzick— zickzickzick“ u. ſ. w. Bei drohender Gefahr warnen ſie mit „ſieh, ſieh, ſieh“. In der Brutzeit locken ſie ſehr zärtlich mit „tick, tick“ oder „zwir, zwir“. Das Männchen ſingt ähnlich wie der Goldammer, aber nicht jo tonreich. Man kann den Geſang wiedergeben mit den Lauten: „zickzickzickzickterillillillillill“. Dabei ſitzt der Vogel immer auf irgend einem erhabenen Punkte, am liebſten auf den Chauſſéebäumen oder den Tele— graphendrähten, häufig von einem Punkte zum anderen fliegend und dabei ſingend, meiſtens aber ſtundenlang auf demſelben Flecke ſeinen eintöni— gen Geſang unermüdlich mit aufgeblähtem Ge— fieder und aufgeblaſener Kehle herklirrend. Im Winter ſchaart er ſich zu größeren Flügen, bisweilen zu vielen vielen Tauſenden zuſammen, offenbar ſind in unſerer Gegend darunter auch Vögel aus dem Norden, die hier den Winter zubringen. Seine Nachtruhe hält er wie die Lerchen auf dem Erdboden, hinter Erdſchollen, in kleinen Bodenvertiefungen oder in den Stoppelfedern oder Rohrwieſen Gemeinſchaftlich ſuchen hier viele Hunderte oft ihr Nachtquartier. Seine Nahrung beſteht in Sämereien und Inſecten. Mit Inſecten, Raupen ꝛc. werden auch die Jungen gefüttert. Dieſe werden von dem Raubzeuge, namentlich den Wieſeln viel— fach aufgefreſſen, auch von den Weihen, Falken und Habichten gegriffen. In der Regel iſt der Grauammer nicht ſehr ſcheu und läſst ſich leicht ſchießen. In allen Fällen iſt er bequem zu fangen unter einem Siebe, in den jog. Lerchennachtgarnen, auf den Finken- oder Ammernherden und mit Leimruthen. Das Fleiſch ſchmeckt außerordent- lich fein, auch laſſen ſich die lebenden Vögel ſehr gut mäſten, wie die Hortolane. Durch Vertilgen vieler den Feldfrüchten ſchädlicher Inſecten iſt er ſehr nützlich, von Schaden kann bei ihm kaum die Rede ſein, da er erſt nach Abernten der Felder die abgefallenen Samen aufſucht und verzehrt. K. Bl. Graubutt, j. Flunder. Hcke. Graugans, die, Anser einereus Meyer, A. vulgaris. A. ferus Bechst. A. sylvestris, A. palustris. Anas Anser, A. ferus Gmel., Graugans. Lin.. Groy, Lig. Gooste Lath. Syn. Oie cen- | drée ou premiere Temm. Ungar.: szürke Lud; böhm.: Husa velkä; poln.: Ges dzika; froat.: Sina güzka; ital.: Oca paglietana. Wild⸗, Stamm-, März⸗, Schnee-, Hagel— und Heckgans, graue Gans, große graue Gans, deutſche Gans, nordiſche Graugans, große Grau— gans, große wilde Gans, wilde Gans mit graubraunen Federn, wilde gemeine Gans, heimiſche Gans. Beſchreibung. Die Graugans ähnelt an Geſtalt und Größe von allen Wildgänſen am meiſten unſerer zahmen Hausgans, wird von vielen Forſchern ſogar als der directe Stamm unſerer zahmen Hausgänſe angeſehen. That— ſächlich haben ſie eine große Zahl von Eigen— thümlichkeiten mit einander gemein, und wenn unſere Hausgans weniger Beweglichkeit, Leb— haftigkeit ſowie Fertigkeit und Ausdauer des Fluges beſitzt, ſo entſcheidet das gar nichts, da ſie ja das alles ſehr leicht durch die Domeſti— cation verloren haben kann, wie wir ähnliche Beiſpiele bei anderen domeſticierten Vögeln und Thieren zur Genüge kennen. Zum mindeſten iſt es ein Zeichen ſehr naher Verwandtſchaft, daſs ſie ſich nicht bloß leicht und fruchtbar paaren, ſondern dafs auch die Baſtarde unter ſich fortpflanzungsfähig ſind und dabei nicht einmal eine nennenswerte Fruchtbarkeitsab— nahme an den Tag legen, auch in der Größe kaum zu unterſcheiden ſind. Der Kopf der Graugans iſt beim Männ— chen braungrau, ober der Schnabelwurzel mit einem verwaſchenen lichten Fleckchen, Wangen und Kehle ſchwach bräunlichgrau, auf dem Vor— derhals gleich verwaſchen, der rückſeitige Theil des Halſes wieder dunkler, in das Braungrau des Rückens übergehend. Die Flügeldeckfedern ſind faſt rein aſchgrau. Über Rücken- und Schulterfedern bilden die Federſäumchen hellere ſchmale Querbänder. Die mittleren Flügeldeck— federn, in fünf Querreihen gelegt, machen ſich durch die weißgrauen Federkanten leicht be— merklich. Die Schwingenfedern wechſeln zwiſchen ſchwarz und ſchwarzbraun, haben grauweiße Kanten und weiße Schäfte. Die Bruſt⸗ und Bauchſeiten ſind dunkel | fahlgrau, durch die helleren Federſäumchen zier- lich gewäſſert. In dem übrigen Gelblichgrau der Unterſeite ſpitzeln vereinzelte ſchwarze Fe— dern hervor und laſſen ſo dieſe Partie ſpärlich gefleckt erſcheinen. Die hellaſchgraue Farbe des Unterrückens geht raſch in das wie ein rein weißes Band ſich abhebendes Schwanzdeckge— fieder über; die unteren Schwanzdeckfedern ſind ebenfalls weiß. Die ſchwarzgrauen Schwanz— federn mit dem weißen Spitzentheile haben 479 weiße Seitenkanten, welche an den mittleren Federn am ſchmalſten ſind und ſich bei den folgenden Federpaaren links und rechts immer mehr verbreitern, jo daſs die letzten nur mehr einen dunklen Strich neben dem Schafte zei— gen. Der Schnabel iſt blafs fleiſchroth mit wachs— gelbem Nagel. Das Auge iſt ſchön dunkelbraun mit nackten, ſchwach fleiſchröthlichen Augenlidern. Der Lauf iſt blaſs fleiſchroth, nur ein kleiner Theil über der Ferſe ganz nackt. Die Hinterzehe iſt ſchwach entwickelt, um ſo ſtärker dagegen die Schwimmhäute der Ruder. Das Weibchen iſt dem Ganſert zum Ver— wechſeln ähnlich. Es hat im allgemeinen dieſelbe Farbe, iſt aber etwas kleiner, in ſeinem ganzen Bau ſchwächtiger, was beſonders an Kopf, Schnabel und Hals leicht bemerkbar wird. Die Bruſt iſt meiſt lichter gefärbt und die einge— ſtreuten dunkleren Federn weit ſpärlicher, bei Jungen ſogar gänzlich fehlend. Einen ganz be— ſtimmt ſicheren Aufſchluſs über das Geſchlecht der Graugans gibt uns nur die anatomiſche Unterſuchung derjelben. Das Jugendkleid kommt in der Färbung dem Alterskleide nahe, erſcheint jedoch mehr düſter, die Querreihen der Mantelfedern ſind unregelmäßig und mehr verſchwommen. Die Bruſt iſt weiß, ſchwach grau gewölkt und durch— aus ohne die bekannten dunklen Flecken. Der Schnabel iſt ſchwach orangefarbig, das Auge ausdruckslos, graubraun, die federloſen Lider etwas ins Lichtgelbliche ſpielend. Nach dem äußeren Kleide ſind die Jungen bezüglich des Geſchlechtes abſolut nicht zu unterſcheiden und gibt hierüber nur die Anatomie ſicheren Aufſchluſs. Das erſte Jugendkleid beſteht aus weichen, nach außen ſich in Haarſpitzen zertheilenden, am Körper pelzartig anliegenden Dunen. Die ganze Oberſeite iſt grünlichbraun, wie oliven— grün überhaucht Die Unterſeite iſt etwas lichter, lässt aber doch noch den grünlichen Ton etwas hervortreten. Dieje. Gefiederfarbe verliert ſich indes ſehr raſch und macht ober— ſeits mehr einem grauen, unterſeits mehr einem weißlichen Farbentone Platz. In Bezug auf die Größe kommt die Grau— gans unſerer Hausgans am nächſten. Naumann führt für alte Männchen an: Länge 210“ bis 3“; Flugbreite 5“ und 5—8“; Flügel vom Bug bis zur Spitze 18-19“; Schwanz 6—7“. Die alten Weibchen in der Länge 2’ 6—7“; Breite 410“ bis 5’. Schnabel 3“. Brehm ſagt in ſeinem Thierleben: „Die Länge beträgt 98, die Breite 170, die Fittig— länge 47, die Schwanzlänge 16 em. Meine Meſſungen an Exemplaren verſchie— dener Länder ergaben folgende Zahlen: u Al Groß— | Nord- Kaſpiſches 0 Sieden britanien Oſtſee Ruſsland Meer wi j ee Er a Totallänge. . | 985 800 | 970 | 780 | 980 | 800 | soo | 785 | 960 890 | 950 800 Fittichlänge .. | #72 420 | 460 | 415 | 470 | 425 | 460 | 420 | 466 | 425 | 460 | 426 Schwanzlänge. | 175 | 150 | 165 | 4150 | 170 | 150 | 160 | 146 | 168 | 150 | 165 | 145 Schnabellänge.] 70 | 631 68 60 65 | 60] 63 60 f KL | 60 6462 Lauflänge. 95 90 92 8892 | 89 90] 86 94 90 92| 90 480 Verbreitung: Die Graugans iſt nicht eine Bewohnerin der arktiſchen Regionen, ſondern ſie zieht für ihr Brutgebiet einen mehr gemäßigten Erd— gürtel vor. Ihr hauptſächlichſtes Verbreitungs— gebiet iſt zwiſchen dem 45. und 67. Grade n. Br. zu ſuchen. Über dieſen Gürtel hinaus fin— det man ſie wohl noch verbreitet, jedoch nur ſporadiſch und an nur ganz beſonders zuſagen— den Stellen. In vereinzelten Paaren iſt ſie noch bis zum 70. Grade n. Br. zu finden und dürfte dortſelbſt die höchſte Verbreitungsgrenze zu ſuchen ſein. In Europa bewohnt ſie den ganzen Küſten— ſtrich und die Inſelreihen von Norwegen, ſo— dann Schweden, Dänemark, mehrere Küſten— ſtriche der Nord- und Oſtſee und einen Theil von Großbritannien. Aber auch im Innern der genannten Länder iſt ſie überall anzutreffen, wie auch in einem großen Theile von Ruſsland. In Aſien verbreitet ſie ſich über den ganzen nörd— lichen Theil bis nach Sibirien, von wo ſie im Herbſte bis nach China und Indien wandert. In Deutſchland iſt ſie als Brutvogel in vielen Theilen des Reiches conſtatiert, beſonders in Preußen, Pommern und vereinzelt in Schleſien. In Oſterreich iſt fie nicht als Brut-, ſondern nur als Zugvogel zu betrachten. Die Graugänſe der nördlichen Brütegebiete verlaſſen dieſelben ſchon früh im Herbſte und wandern ſüdwärts, gelangen nach Holland, Frankreich, Schweiz, breiten ſich über alle Theile von Nord- und Mitteldeutſchland hin aus, kommen ſogar nach Italien, beinahe in alle Länder von Südeuropa, vielleicht ſogar nach Afrika. In Ruſsland bevölkert fie die Gegen— den des kaſpiſchen Meeres in nicht unbeträcht— licher Anzahl. In Oſterreich wurde die Grau— gans während des Zuges ſchon wiederholt be— obachtet. Aus Böhmen, obwohl ſie dieſes Land ſicher beſucht, fehlen genaue Nachrichten. In Mähren wird ſie nach W. Capek und L. und W. Sprangl ſowohl am Frühjahrs- als Herbit- zuge im März und um Mitte October beob— achtet. In Niederöſterreich iſt ſie laut Nachrichten von Dr. J. Gaunersdorfer in Mödling und Joſ. Deſchauer in Krems am Frühjahrs- und Herbſtzuge bemerkt und erlegt worden. Baron Waſhington hat ſie im Kainachthale in Steier— mark erlegt. Nach P. Blaſius Hanf gehört die Graugans an den Furtteichen zu den ſelteneren Irrgäſten. In Kärnthen iſt ſie ſchon in ver— ſchiedenen Theilen des Landes bemerkt, beſon— ders am Tigringer-, Waidmannsdorfer- und Maria Saaler-Mooſe, vereinzelt auch im oberen Gailthale, und ſteht ein Exemplar unter dem Namen Anser ferus im Landesmuſeum in Klagenfurt. Aus Schneeberg in Krain berichtet Th. Wokfal im ornith. Jahresberichte: „Kommt im Winter manchmal zu 20—30 Stück am Zirknitzer See vor. Am Oberbache, vis-A-vis dem Dorfe Nadlesk, habe ich einmal eine ein— zelne Graugans auf Kugelſchuſsnähe geſehen.“ In Dalmatien kommt ſie nach G. Kolombatovis in froſtigen Wintern häufig, in milden dagegen ſeltener vor. Graugans. Aus Ungarn und Kroatien liegen wenig Nachrichten vor, doch habe ich ſie ſchon ſelbſt in verſchiedenen Theilen beider Länder beobachtet und erlegt. Über Siebenbürgen liegt eine Notiz des Joh. v. Cſato aus Nagy-Enyed vor. Der- ſelbe ſchreibt der „Zeitſchrift für die geſammte Ornithologie“ über die Graugans: „Stetter ſah zwei Stück in Dura, wohin ſie zum Verkaufe gebracht wurden. Auf dem Zuge wird ſie be— ſonders das Marosthal öfters beſuchen, es ge— hört aber zu den Seltenheiten, wenn ein Stück erlegt wird, und auch dieſes wird von dem glücklichen Schützen verſpeist oder zu dieſem Zwecke verkauft.“ In der Hercegovina iſt die Graugans verbürgten Nachrichten zufolge ge— rade nicht zu den beſonderen Seltenheiten zu zählen, was auch wahrſcheinlich iſt. Fortpflanzung und Lebensweiſe. Die Graugans iſt entſchieden nicht zu den Meergänſen zu zählen. Ihr eigentliches und liebſtes Aufenthaltsgebiet iſt das in der Nähe von Süßwäſſern gelegene Feſtland oder zu ge⸗ wiſſen Zeiten das undurchdringliche Rohrdickicht der Binnenſeen und Fluſsniederungen. Wie bereits früher angedeutet, verlebt die Wild- oder Graugans die ſtrengen Winter: monate in ſüdlicheren Breiten, u. zw. zumeiſt in einzelnen Familien gruppiert, ſeltener, na⸗ türlich außer der Zugszeit, zu kleinen Scharen vereint. Das Leben in großer Geſellſchaft und für lange Zeit liebt die Graugans nicht, was theils aus dem engen Zuſammenhalten der Fa- milien, theils aus der für große Scharen er- ſchwerten Aſungsſuche reſultieren mag. Biel- leicht ſprechen auch die günſtigeren Chancen für die eigene Sicherheit ein Wörtchen mit, da ſich auch in dieſer Hinſicht eine vereinzelte Familie leichter durchſchlägt als eine lärmende, überall leichter bemerkbare Schar. Sobald ſich der Frühling mit ſeinen ſanf— teren Lüften bemerkbar zu machen beginnt, er⸗ wacht bei der Graugans auch ſofort der Wan— dertrieb, mit dem ſich nahezu gleichzeitig auch jener der Paarung bemerken lässt. Eine leicht bemerkbare Unruhe bemächtigt ſich der noch vor kurzer Zeit jo enge in ſich abgeſchloſſenen Fa— milie. Den Reigen eröffnet der alte Ganſert, indem er ſich halb aus dem Waſſer erhebt, ſeine Flügel gleich Segeln ausſpannt, bald ſich zu einem ſchwach kreiſenden Fluge erhebt, bald in gravitätiſcher Stellung um ſeine alte Gans herumſegelt und ihr unter allerlei oft ſehr poj- ſierlichen Geberden zu verſtehen gibt, dass die allbelebende Frühlingszeit auch in ſeinem kleinen Herzen ſchon ihren Einzug genommen habe. Die Beobachtung, dajs ſich das Männchen ſtets wieder an ſein vorjähriges Weibchen anſchließt, abermals deſſen Gunſt zu erwerben trachtet, iſt eine ſo vielfach gemachte, daſs man nicht ohne Grund annehmen zu dürfen glaubt, dajs die einmal eingegangene Ehe zeitlebens erhalten bleibe. Wird jedoch ein Ehegatte erlegt oder verunglückt er auf irgend eine Weiſe, jo be— fleißt ſich der überlebende Theil durchaus nicht eines trauernden Witwenthums, ſondern iſt ge⸗ wöhnlich ſchon am zweiten, längſtens am vierten Tage wieder gepaart und gibt ſich ganz munter den Freuden des neuen Ehelebens hin. Wäh— rend die erſten Zeichen der beginnenden Paa— rung ſich bemerkbar machen, beginnt auch manch— mal jchon der Zug nach Norden zu ihren alten Brüteplätzen, wo ſie bei normalem Frühlings— wetter ſchon Ende März anlangen. Ungünſtige Winde, anhaltende Nordſtürme oder ſpäte, ſtarke Schneefälle veranlaſſen nicht ſelten eine ein— oder mehrtägige Ruhepauſe, wobei es nicht ſelten vorkommt, daſs ſie ſich in Gegenden niederlaſſen, in denen ſie nicht alljährlich be— merkt werden. Die Alten füllen dieſe unfrei— willigen Ruhepauſen mit Liebeständeleien aus, worin ſie bald auch die junge Generation ge— treulich zu copieren beginnt, doch tragen dieſe erſten Außerungen mehr den Charakter harm— loſen Spieles als jenen einer ernjten Werbung. An den Brüteplätzen angekommen, ſcheint es die erſte Aufgabe zu ſein, dieſelben einer genauen Prüfung zu unterziehen, ob und in— wieweit an denſelben eine Veränderung vorge⸗ gangen ſei. Wird eine ſolche bemerkt, ſo ſtecken ſie die Köpfe zuſammen, gacken und ſchnattern, als wollten ſie ſich gegenſeitig ihre Anſichten mittheilen. Nur ſehr bedeutende, entweder die Sicherheit oder die Aſung bedrohende Verän— derungen vermögen ſie indes zu veranlaſſen, den ſichtlich lieb gewonnenen Brutplatz mit einem neuen, fremden zu vertauſchen. Geht es halbwegs an, ſo fügen ſie ſich ins Unver— meidliche. Wenn die alten Paare bereits allen Ernſtes daran gehen, ihre Niſtplätze aufzuſuchen, dann kommt auch bei den Jungen der Paarungs— trieb vollends zum Durchbruche. Viele haben ſich wohl ſchon unterwegs gepaart, aber noch immer zeigen ſich ihrer Viele, die noch allein und verwaist zwiſchen den einzelnen Paaren hin⸗ und widerſtreichen, damit mit einem eigens modulierten Schreien ihr unfreiwilliges Junggeſellenthum verkünden. Junge Männchen ſind ſehr hitzig, werfen ſich mitunter ſogar zwi— ſchen die bereits vereinigten Paare, um ſich im Kampfe eine Geſponſin zu erringen. In dieſem Punkte ſind aber die angepaarten Männchen nicht ſonderlich tolerant, vielmehr ſofort bereit, ihr errungenes Recht hitzig zu vertheidigen. Ziſchend, mit den Flügeln ſchlagend, fahren die Männchen zuſammen, patſchen aneinander und ſuchen ſich gegenſeitig am Halſe mit den weit— geöffneten Schnäbeln zu erfaſſen. Dieſes be— ſtändige Hin- und Herſchwenken der Köpfe, das plumpe Ziehen, Schreien und Ziſchen gewährt kein ſonderliches Schauſpiel, da es ſich dumm und plump anſieht. Iſt es dem einen der Männchen gelungen, ſeinen Gegner feſt am Halſe zu faſſen, ſo wird derſelbe niedergezogen, worauf er ſich zu entziehen ſucht und meiſtens ohne langes Bedenken die Flucht ergreift. Das Weibchen ſieht einem ſolchen Kampfe ſcheinbar ruhig zu, höchſtens daſs es ab und zu dazwi— ſchen ſchreit. Sind ihrer mehrere in der Nähe, ſo laſſen ſie ſich das Schauſpiel nicht entgehen, kommen mit langgeſtreckten Hälſen herbei, ſtecken verſtändnisinnig die Köpfe zuſammen und ſchreien, wenn entweder recht hitzig gezerrt wird, oder wenn beide Kämpfer ermüdet einige Secunden innehalten. Iſt der Kampf entſchieden, Dombrowski. Enchflopädie d. Forſt⸗ u. Jagdwiſſenſch. IV. Bd. Graugans. 481 ſo geht die ſchauluſtige Verſammlung wieder ſchnatternd auseinander. Die Männchen watſcheln hinter ihren Gat— tinnen her, dieſelben eiferſüchtig hütend, wozu ſie vielleicht auch ihren Grund haben mögen. Zur Probe fieng ich einmal ein Männchen ab, das mit ſeiner Gattin bereits einen ganz ab— geſonderten Brutplatz bezogen hatte. Am zwei— ten Tage ſchon ſchenkte die Gans einem Jung— geſellen ihre ungetheilte Gunſt. Am vierten Tage ließ ich das Männchen wieder frei. Das— ſelbe kam raſchen Fluges dem Brutplatze zu. Als es einen Nebenbuhler bemerkte, erhob es ein wildes Geſchrei, das in ein halb erſticktes übergieng. Mit einer wahren Wuth fielen die zwei Männchen über einander her. Wohl eine halbe Stunde lang riſſen, zerrten und ziſchten ſie, bis endlich das erſte Männchen, das ich zur Beobachtung an den Deckfedern gezeichnet hatte, die Oberhand behielt. Als nach entſchie— denem Siege der alte Gemahl mit gehobenen Flügeln nahte, war ſie eben auch wieder ganz bereitwillig zur Erfüllung ſeiner Wünſche. Ich habe nachträglich dieſe Beobachtung öfter an— geſtellt, immer mit faſt demſelben Reſultate. Da ſich unter dieſen Gänſen durchſchnitt— lich mehr Männchen als Weibchen finden, ſo müſſen einzelne davon ungepaart bleiben. Dieſe beunruhigen bis zum Beginn der Brutzeit eine ganze Gegend, ſchlagen ſich dann aber bei nächſtbeſter Gelegenheit zu einer Schar von Hausgänſen, bei denen ſie meiſt williges Ge— währ finden, tagelang dabei weilen, ſie am Abend nicht ſelten bis in die unmittelbare Nähe der Dörfer begleiten, mithin ziemlich keck wer— den. Wird ſo ein Verhältnis nicht geſtört, ſo wird durch mehrere Tage hindurch das Männchen ſeine Huldin auf dem nämlichen Platze erwarten, wo es ſich abends zuvor von ihr getrennt hatte. Einer Treue befleißen ſie ſich indes nicht, denn ich war ſelbſt Augen- zeuge, daſs ſo ein Männchen in einer kurzen Zeit vier verſchiedene Gänſe nacheinander trat. Zur Anlage des Neſtes wählt die Grau— gans gerne ſchilfreiche Ufer oder Teichränder, erhobene trockene Stellen in einem Sumpfe, im Nothfalle bequemt ſie ſich ſogar, ihr Neſt auf einer alten Kopfweide oder einer recht ſtruppi— gen Erle anzulegen. Während der Suche des Niſtplatzes iſt das Männchen beſtändig beim Weibchen, leiſtet ihm auch Geſellſchaft während des Baues, läſst ſich aber nicht dazu herbei, ſelbſt mitzuhelfen. Seine einzige Aufgabe er— blickt es in der Wache, und dieſe hält es in der umſichtigſten Weiſe. Das Neſt wird aus Rohr, Schilf und ver— ſchiedenen Gräſern ſehr primitiv zuſammenge— ſchichtet, inwendig wohl auch etwas zarter aus» geflochten und dann mit den eigenen Federn gepolſtert. Das Gelege, das gewöhnlich in der zweiten Hälfte März oder doch zu Anfang April fertig zu fein pflegt, beſteht aus 5—7, bei Alten 7—10, ſelten mehr, weißen, leicht grünlich überflogenen Eiern, welche auch hin⸗ ſichtlich der Größe denen der Hausgänſe ganz gleich kommen. } Ken Das Gelege wird raſch nach einander voll⸗ ſtändig, und gleich nach der Ablegung des 31 482 Graugans. letzten Eies beginnt auch die Bebrütung. Die— ſelbe dauert 28 Tage. Während dieſer Zeit ſitzt das Weibchen ziemlich feſt, verläſst die Eier nur einmal im Tage, um die nöthige Aſung zu ſuchen, bedeckt aber vorher gar ſorg— fältig die Eier, um ſie vor zu raſcher Abküh— lung, Feinden u. ſ. w. zu bewahren. Das Männ⸗ chen nimmt an dem Brutgeſchäfte nur inſoweit Autheil, daſs es die meiſte Zeit in der Nähe des Neſtes weilt, nach allen Seiten ſcharfen Auslug hält und ſein Weibchen von jeder Ge— fahr getreulich aviſiert, aber ſelbſt auch ſofort auf die Sicherheit bedacht iſt und davonfliegt, bevor ſich das Weibchen vom Neſte erhoben hat. Es iſt demnach wohl ein ſehr aufmerkſamer, aber auch ſehr feiger Beſchützer. Naht ein kleines Wieſel dem Neſte, ſo erhebt es einen Heidenlärm, aber es fällt ihm nicht im minde— ſten ein, etwa fliegend oder ſonſtwie nach dem kleinen Störenfried zu ſtoßen. Das Weibchen weiß aber auch den Lärm des Männchens ziem— lich richtig zu taxieren und verläſst lange nicht jedesmal das Neſt, wenn ſein Wächter eine Ge— fahr verkündet. Übrigens iſt der Warnungs— ruf auch nicht immer gleich dringend. Wenn die Jungen ausgefallen ſind, wer— den ſie nicht ſogleich, wie manche andere Schwimmvögel, ins Waſſer geführt, ſondern vielmehr den erſten Tag fürſorglich im Neſte zuſammengehalten, jo daſs fie vollſtändig ab- trocknen können. Erſt am nächſten Tage werden ſie dann an Stellen geführt, wo mehr ſeichtes, ruhiges Waſſer mit zarten Waſſerpflanzen und jungen Grasſpitzen abwechſelt. Die Jungen fangen gleich an, an denſelben zu zupfen, neh— men alſo ſchon vom Anfang an die Nahrung ohne weitere mütterliche Hilfe ſelbſt auf. All— mählich gewöhnen ſie ſich auch an etwas feſtere Aſung, bis ſie hierin den Alten vollſtändig gleichkommen. Die Hauptnahrung beſteht in Keimen, Pflanzenſpitzen, allerlei Waſſerpflanzen, ſaftigen Blättern, knolligen oder weichen Wurzeln, ſie ver— ſchmähen aber auch die verſchiedenen Getreide— arten nicht. In einem Acker halten ſie beſon— ders unter den noch milchigen Weizenkörnern eine ordentliche Razzia, wenn ſie daſelbſt un— geſtört ihrem Gelüſte fröhnen können. Die ſchar— fen Kanten und Zähnchen des Schnabelrandes laſſen ſie ſelbſt ziemlich derbe Grasarten ohne Schwierigkeiten bewältigen. Zwiſchen der Aſung wird auch viel Sand in den Magen aufgenom— men; derſelbe iſt zur Verdauung nothwendig und geht, fein zugeſchliffen, von Zeit zu Zeit wieder ab. In den erſten vierzehn Tagen kehrt das alte Paar jeden Abend zum Neſte zurück und die Jungen verkriechen ſich unter die ausge— breiteten Flügel der Gans, während der Ganz ſert wo in der Nähe ein trockenes Plätzchen für ſeine Nachtruhe aufſucht. Sind dann die Jun— gen hinreichend erſtarkt und mit einem dichteren Federkleide angethan, ſo ſetzen ſie ſich neben die Alten auf die niedergedrückten Rohrſtengel oder andere trockene Stellen. Mit den erſten Morgenſtunden begibt ſich die Familie auf die gewohnten Aſungsplätze, voraus die nach allen Seiten ſichernde Gaus; dieſer folgen die Jungen und das Männchen macht den Schluſs. Die Vorſicht und Wahr— nehmungsgabe der beiden Alten iſt eine unge— mein ſcharfe, ſelten entgeht ihnen etwas, das nur entfernt einer Gefahr gleichſehen könnte. Mit ſchrillem Rufe ertönt die Warnung, und die ganze Familie trachtet, möglich raſch das Waſſer zu erreichen, falls hiezu halbwegs eine Ausſicht vorhanden iſt. Kann dies nicht ge— ſchehen, ſo erſchallt der Warnungsruf noch ein— dringlicher, worauf ſich die Jungen zu ver— kriechen ſuchen, worin ſie eine ziemliche Fertig— keit erlangen, beſonders an Plätzen, welche einem ſchützenden Waſſer ferne liegen. Das Männchen verläſst ſofort bei drohender Gefahr unter vielem Lärm die Familie, während das Weibchen unruhig hin- und herflattert, ſich end- lich auch in die Höhe erhebt, der bedrohten Familie aber doch immer nahe bleibt. An ſol— chen Brüteplätzen oder Aſungsſtellen, wo ſich öfter Menſchen zeigen, wiſſen die Alten in kurzer Zeit die Ungefährlichen von den Gefähr— lichen ganz prächtig zu unterſcheiden, laſſen einen Bauer ganz ruhig vorbeitrotten, während ſie vor dem Jäger ſchon in großer Entfernung aufſtehen. Auch vor Hunden ſcheuen ſie ſich weniger, wenn ſie dieſelben öfter ſehen. So war ich mehr als einmal Zeuge, wie das Weibchen die herumvagierenden Bauernköter muthig attaquierte und auch glücklich in die Flucht ſchlug. Nach einer ſolchen Heldenthat erhob es dann ein hellklingendes Krakakak, kakakak, kakakakaah, worauf das zuerſt geflüchtete Männ— chen ebenfalls ſchnatternd wieder bei der Fa— milie erſchien. 0 Werden die Graugänſe auf einer Aſungs— ſtelle oder in der Nähe der Schlafplätze zu oft beunruhigt, jo entſchließen ſie ſich zur Auswan- derung nach einer anderen Stelle. Dieſelbe wird auf dem Lande und ſtets zu Fuß ausgeführt. Hiebei legen ſie oft ganz beträchtliche Märſche zurück, meiſt ganz ohne Rückſicht auf die Jun— gen, die oſt unterwegs ermüden, zurückbleiben und elend zu grunde gehen. Die Alten ver— ſuchen in ſolchen Fällen wohl, die zurückblei— benden Jungen zum Weitermarſch zu ani— mieren, laſſen ſie aber ſchließlich trotz des ängſt— lichen Piepens zurück und ſetzen ihre Reiſe fort. Es iſt das bei dieſen Vögeln ein ganz eigenarti— ger Zug, der ſich factifch nur durch die Annahme eines unbegreiflichen Eigenſinnes vonſeite der Alten erklären läſst. Die einmal beſchloſſene Reiſe wird ausgeführt, und ſollten darüber auch ſämmt— liche Junge zu grunde gehen. Zuweilen unter— nehmen ſie aber auch ſolche Wanderungen, ohne daſs man einen triftigen Grund hiefür auf— finden kann. Alle Verſuche, ſie daran zu hin⸗ dern, ſind nutzlos. Bei ſolchen Reiſen geht oft ein großer Theil der Jungen vor Ermüdung erbärmlich ein, andere werden unterwegs von größeren Raubvögeln, Füchſen, Mardern und Wieſeln weggekapert. Dieſe Eigenthümlichkeit iſt bei den ſonſt geiſtig nicht gerade tief ſtehenden Vögeln unerklärlich. Durch andere Gefahren laſſen fie ſich witzigen, hierin aber werden ſie ſelbſt durch die wiederholten und bitterſten Er— fahrungen nicht klüger. Graugans. Die jungen Graugänſe wachſen ziemlich raſch heran und ſind durchſchnittlich mit zwei Monaten vollkommen flugbar. Von dieſer Zeit an halten ſie ſich nicht mehr an den gewohnten Plätzen, ſondern ſtreichen vielmehr unſtät um— her, heute da, morgen dort, wie es ihnen ge— rade der Augenblick eingibt. In der Zeit der Führung der Jungen oder zu Ende derſelben fällt bei den Alten der Gefiederwechſel, der ſich erſt langſam, dann aber immer raſcher vollzieht. Um dieſe Zeit ſind ſie doppelt vorſichtig, ja ausgeſprochen ſcheu, meiden möglichſt die freien Plätze und halten ſich am liebſten in Schilf, Röhricht u. dgl. ſchützenden Stellen auf. Sie ſind ſich ihrer ge— ringen Flugtüchtigkeit wohl bewuſst, ſuchen daher von vornherein die Gefahren zu ver— meiden. Bei den Jungen fällt der Federwechſel gewöhnlich in den Monat Auguſt. Auch während dieſer Zeit nehmen die Alten hierauf ſo viel Rückſicht, daſs fie das planloſe Herumvagabun— dieren einſtellen und mehr an den geſchützten Stellen verweilen. Nur mit der größten Vor— ſicht wagen ſie ſich aus dem Röhricht hervor, kommen auch nicht gleich nacheinander, ſondern nur in längeren Abſätzen, jo daſs es ziemlich lange dauert, bis die ganze Familie auf der offenen Waſſerfläche erſcheint oder gemeinſchaft— lich zur Aſung aufs Land watſchelt. Da ſie hiebei gerne beſtimmte Ausſtiegſtellen einhalten, ſo bilden ſich nicht ſelten förmliche Wege, wo man ſie erwarten kann, wie gewiſſe Wildarten auf ihrem Wechſel. Mit dem Monate October beginnt in der Regel die Zugszeit, gewöhnlich aber verlaſſen ſie ihre Plätze erſt dann, wenn die Saatgans (Anser segetum) aus dem Norden kommt. Mit dieſer ſteht die Graugans offenbar in keinem guten Verhältniſſe und räumt das Feld, ſobald ſie einzelne Züge derſelben wahrnimmt. Der Aufbruch geſchieht familienweiſe, erſt unter— wegs vereinen ſich ab und zu mehrere derſelben zu kleinen Scharen. Eine einzelne Familie fliegt meiſt in einer geraden Linie, größere Scharen dagegen in der Form eines nach rückwärts ge— öffneten Dreieckes, jedoch mit ſtets einem ver— kürzten Schenkel. Die Führung des Zuges übernehmen immer ſtarke Exemplare, wechſeln aber von Zeit zu Zeit langſam in derſelben ab, indem der Führer langſam zurückbleibt und einen anderen an ſeine Stelle treten läſst. Bei ruhigem, klarem Wetter fliegen ſie ſtets hoch über das offene Land, bei Nebel oder recht feuchter Atmoſphäre dagegen ſtreichen ſie ganz niedrig dahin, machen auch beim Einfallen an einem Ruheplatze weit mehr Lärm, als dies bei klarer Witterung der Fall zu ſein pflegt. Offenbar fühlen ſie ſich bei nebliger Witterung viel ſicherer und erachten ſtrenge Vorſicht für weniger nothwendig. Köſtlich iſt es auch, ſo einem Fluge zuzu— ſehen, wenn derſelbe einem ſturmartigen Winde entgegen ſeine Zugsrichtung nehmen will und denſelben nicht zu bewältigen vermag. Die Schenkel des Dreieckes ziehen ſich enge zu— ſammen, dehnen ſich wieder aus, ein Führer löst den andern ab, kurz es wird alles ver— ſucht, den Widerſtand zu beſiegen, bis ſie end— [Seite hin wenig zu leiden. Mehr 483 lich gänzlich ermattet ſich niederſenken. Auch hierin beweiſen ſie einen Eigenſinn, der nicht ſo bald bei einem Vogel in ſo auffallender Weiſe zu Tage tritt. Bevor nicht die Flugkraft total erlahmt iſt, gibt ſie ſich nicht als beſiegt, macht den erſten nutzloſen Verſuch mit der zäheſten Energie auch noch zum dreißigſten- ja zum vierzigſtenmale. Auf dem Zuge kommt es ſowohl im Frühlinge als im Herbſte nicht gerade ſelten vor, dass ſie bei einer Schar von Hausgänſen einfallen und längere Zeit darunter verweilen. Ein ſolcher ganz eigenartiger Fall war vor mehreren Jahren am Kreuzberge bei Mauthen zu verzeichnen. Ein Flug von circa zwanzig Graugänſen fiel gegen den Abend bei einer Schar Hausgänſe ein, als letztere gerade ein— getrieben wurden und jchon ganz nahe vor dem Stalle waren. Der Bauer erſchreckte ſich zuerſt vor dem brauſenden Anfalle, faſste ſich aber ſchnell wieder, fieng an zu ſchreien und mit dem Hute zu ſchlagen, daſs ein ganzer Wirrwarr ent— ſtand, alles wild durcheinander ſchrie und flat— terte. Zum Schluſſe hatte er nebſt ſeinen Gänſen noch vier junge Graugänſe im Stalle. Er hütete dieſelben ſehr eiferſüchtig und brachte ſie auch glücklich durch den Winter. Sie ge— wöhnten ſich leicht an die Gefangenſchaft, wurden auch ganz zahm und vertrugen ſich mit den zahmen Gäuſen ganz gut. Im Früh- jahre bemerkte der Bauer, daſs unter den Fremdlingen drei Männchen und ein Weibchen ſich befinde, entfernte daher drei ſeiner zahmen Männchen, um die anderen zur Paarung zu veranlaſſen, um dadurch, wie er ſich ausdrückte, „eine Extra-Race“ zu erzielen. Ein Grauganſer eroberte die Gunſt des wilden Weibchens gar bald, nachdem vorher vergebliche Verſuche ge— macht worden waren, ihm eine zahme Gattin zu octroyieren, fauchend und ziſchend wies es ſtets jede Annäherung derſelben zurück. Die beiden anderen Männchen paarten ſich mit zahmen Gänſen, ſuchten ſich jedoch ſolche mit der grauen Farbe aus. Da ſie vollkommen frei waren, hatte das Wildpaar eines ſchönen Mor— gens trotz ſeiner Zahmheit das Weite geſucht. Die anderen Männchen blieben wohl bei ihren Angetrauten, machten aber ſichtliche Anſtren— gungen, dieſelben zu einer vom Hofe entfernten Brutſtelle zu bewegen, was indes nicht gelang. Die Baſtarde glichen nahezu vollſtändig den Wildgänſen, höchſtens daſs ſie etwas mehr weiße Federchen im Gefieder aufwieſen, waren aber kaum flugbar, als ſie durch unſtetes Herumſtreichen ihre echte Wildnatur documen— tierten. Sie blieben immer den ganzen Tag aus und kamen erſt in der Dämmerung zum Stalle. Im folgenden Jahre brütete ein Paar weit entfernt vom Hofe im Freien und verwil— derte gänzlich, während die beim Hofe Brüten— den noch im halb zahmen Zuſtande erhalten werden konnten. Dem Bauern ſchien es jedoch ſchon im vierten Jahre gerathener, ſeine „neue Zucht“ aufzugeben und die Baſtarde in die Küche wandern zu laſſen. Gegen Witterungseinflüſſe iſt die Grau— gans wenig empfindlich, hat daher nach dieſer Abbruch thun 31 * 484 ihr am Zuge die verſchiedenen Adlerarten, den Jungen auch Habichte und Falken. Meiſter Reinecke weiß ebenfalls im Sommer ſeinen Theil zu erhalten. Das kleine und große Wieſel thut ſowohl den Eiern als den Jungen einen namhaften Eintrag. Wie bereits früher erwähnt, nährt ſich die Graugans faſt ausſchließlich von verſchie— denen Vegetabilien, zehentet dabei auch ab und zu ein Saatfeld, iſt daher bei vielen Land— wirten und ſelbſt bei leichtgläubigen Jagdſchrift— ſtellern gar böſe angeſchrieben. Nutzen ſchafft ſie allerdings keinen, aber der von ihr ange— richtete Schaden wird vielfach durch das Ver— größerungsglas des nackteſten Egoismus be— trachtet und daher weit höher angeſchlagen, als er ſich in den allermeiſten Fällen factiſch be— läuft. Es gibt ſo manchen Vogel, der im Ver— hältniſſe den gleichen Schaden anrichtet, trotz— dem aber wohlgelitten iſt. Auf Grund einzelner weniger Vorkommniſſe ſollte man ſich aber nie hinreißen laſſen, gleich einen ganzen Maſſen— krieg zu predigen, wie es heutzutage leider häufig geſchieht. Wer die Graugans auf ſeinen Feldern oder in der Nähe derſelben nicht dulden will, dem wird es ja leicht, dieſem „Übel“ abzuhelfen; er braucht ſie nur vor ihrer Brutzeit einigemale ernſtlich zu beunruhigen, und er wird nicht mehr über ungebetene Be— ſuche zu klagen haben. Wer hiezu ſchon zu be— quem iſt, dem kann man freilich nicht helfen. Jagd. Die ergiebigſte Jagd auf Graugänſe iſt entſchieden in der Zeit, in welcher die Jungen noch nicht vollſtändig flügge ſind. Man kann ſie zum Zwecke der Jagd in der Morgenfrühe auf ihren Aſungsplätzen erwarten, ſpäter wohl auch im Röhricht aufſuchen oder am Abend an den Ausſtiegſtellen erwarten, jedoch gehört hiezu immer eine eminente Vorſicht, genaue Revierkenntnis und geſchickte Ausnützung der— ſelben. Für die Jagd zur Zugszeit errichtet man gerne, jedoch ſchon im Frühjahre eine Schieß— hütte in einer ſtillen Bucht, oder gräbt ſich ein Schießloch auf den mehrbeſuchten Stoppel— feldern, wo man eine gezähmte Wildgans in entſprechender Entfernung anfeſſelt. Dieſe lockt durch ihr Geſchrei andere ziehende Gänſe an. Man hüte ſich jedoch, ſich von der Schufshite allzufrüh hinreißen zu laſſen, denn ein zu früh abgegebener Schuj3 vereitelt alle Ausſicht auf Erfolg, während ſonſt eine ganz erfolgreiche Doublette gemacht werden kann. Da die Grau— gans nicht bloß ein ſehr elaſtiſches, ſondern auch ein ſehr dichtes Federkleid trägt, ſo iſt es angezeigt, eine ſtarke Schrotnummer, Nr. 1 oder 2, zu wählen, will man ſich nicht einer zweifel— haften Wirkung des Schuſſes ausſetzen. Im Spätſommer jagt man die Graugänſe am beſten, wenn man ſie erwartet zur Zeit, in welcher ſie morgens und abends behutſam aus den Schilf- und Rohrdickungen heraus— ſchlüpfen, um auf Aſung zu ziehen. Zu dieſem Zwecke iſt gute Deckung unerlässlich, ja man darf ſogar die Windrichtung nicht ganz außer Acht laſſen. Graupeln. — Grauſpecht. I Einer ſpeciellen Jagdmethode auf Gänſe überhaupt thut Raoul Ritter von Dombrowski Erwähnung vom Leithagebirge: „Frieren die Donau, die Teiche und ſonſtigen Gewäſſer des Marchfeldes zu, ſo ziehen alle dort befindlichen Gänſe, theils in kleinen Flügen, theils in un— ermeſslichen, viele Tauſende zählenden Scharen dem Neuſiedlerſee, jenem Eldorado des Waſſer— und Sumpfwildes zu, da dieſer ſelbſt bei der ſtrengen Kälte offene Stellen hat. Das Leitha— gebirge, welches gleichſam eine Scheide zwiſchen beiden Ebenen bildet, ſteigt unvermittelt und ſchroff auf, ſo zwar, daſs die, wenn auch in der Ebene hochſtreichenden Gänſe ganz niedrig über den Rücken hinwegziehen und ſo den auf der Höhe des Gebirges poſtierten Schützen paſſieren. Läſst dieſer die erſten Flüge ungeſtört, ſo folgen die neu ankommenden trotz alles Schie— ßens den vorangegangenen, jo zwar, daſs der Schütze bei dieſer Jagd, die allerdings nur an 2 oder 2 Tagen des Jahres ausgeübt werden kann, ſtatt eines, wenigſtens drei ſtets geladene Gewehre brauchen würde, um nichts ohne Schuss vorbeilaſſen zu müſſen.“ Das Wildpret der jungen Graugänſe wird geſchätzt, das der alten hingegen iſt zähe und daher wenig begehrt. Klr. Graupeln. Als Graupeln bezeichnet man denjenigen atmoſphäriſchen Niederſchlag, der als weiße, undurchſichtige, harte, ſchneeige Kü— gelchen von ungefähr Erbſengröße zu Boden fällt. Die Graupeln ſtehen der Niederſchlagsart am nächſten, die wir bei dem ſog. Schneebröckeln beobachten; wir können ſie durch das nachträg— liche Zuſammenfrieren ſolcher vorher an der Oberfläche geſchmolzener und zuſammenge— backener Schneebröckeln entſtanden denken. Fin⸗ den wir ſolche Schneekügelchen von durchſich— tigen Eisſchichten eingehüllt, ſo bezeichnen wir den Niederſchlag als Hagel, der bekanntlich häufig durch die Größe der Hagelkörner große Verwüſtungen anrichtet. Unter Schloſſen verſteht man einen Niederſchlag, der zwiſchen Graupeln und Hagel ſteht, und der ſich vom Hagel wohl nur durch die kleineren Körner unterſcheiden läſst; die meteorologiſchen Beobachtungen kennen heute dieſe Zwiſchenform nicht und unterſcheiden nur Hagel und Graupeln. Wenn wir auch die Bedingungen für das Zuſtandekommen dieſer Niederſchlagsarten nicht alle kennen, ſo können wir doch aus ihrem häufigeren Vorkommen in den Monaten der Temperaturübergänge, im Herbſt und Frühling, ſchließen, dajs für ihre Eutſtehung die Mit⸗ wirkung von großen Temperaturdifferenzen in der Atmoſphäre erforderlich iſt. Als charakteriſtiſch iſt für dieſe Nieder- ſchläge noch hervorzuheben, daſs fie immer nur in Schauern auftreten, wie auch entſprechend die von ihnen betroffenen Gebiete meiſt eng be— grenzt find (vgl. Hagel). Gßn. Grauſpecht, der, Gecinus canus Gme- lin, L. S., p. 434, n. 45. — Pallas, Zoogra- phia Rosso-asiat., I., p. 408, n. 63. — Schinz, Naturg-, p. 261. — Naumann, V., p. 286. — Schlegel, Rev. I., p. 49. — Bonaparte, Con- a Grauſpötter. spectus, I., Gen. 261, n Gerbe, n. 67. Abbildungen des Vogels: Naumann, T. XI, Fig. 2. — Gould, T. CCXXVII. — Eier: Thienemann, T. XIII, Fig. 15. — Bü- decker, T. XI, Fig. 2. Üng.: Zöld Harkäly; poln.: Dzieciot zieleno-siwy; böhm.: Zluna Seda; kroat.: Sivo- zelena Zuna; ital.: Piechio cenerino. Männchen. Scheitel grau mit rothem Stirnfleck, Wangen grau mit ſchwachem ſchwar— zem Bartſtreif, Hinterkopf und Nacken verwa— ſchen grünlichgrau, der übrige Oberkörper 2. — Degland und olivengrün, obere Schwanzdecken ſtark gelb überflogen. Unterkörper ſchmutzig graugrün. Handſchwingen außen mit 6—7 lichtgrauen, innen mit großen weißen Querflecken. Steuer— federn dunkelbraun, die mittleren an den Schäf— ten grau angehaucht. Iris röthlich, bei ſehr alten Exemplaren faſt roſenroth, Schnabel und Füße ſchwarz. Weibchen. Dasſelbe unterſcheidet ſich weſentlich nur durch das Fehlen des rothen Scheitelfleckes. Der Grauſpecht, welcher an Größe dem nahe verwandten Grünſpecht nur um weniges nachſteht, hat eine weitaus geringere Verbrei— tung als dieſer, obwohl ſie nach Norden weiter reicht. In Deutſchland iſt er nur ſporadiſch anzutreffen, häufiger bloß in Braunſchweig und Südweſtdeutſchland. In Oſterreich iſt er gleich— falls nur an wenigen Orten in größerer Zahl heimiſch. Im Oſten ſcheint er häufiger zu ſein, die Grenze ſeines Vorkommens reicht hier bis Japan, ſüdlich bis Perſien. Im Allgemeinen iſt er Standvogel, der nur durch beſonders ſtrenge Winter zum Strichvogel wird, ähnlich wie die meiſten ſeiner Verwandten. In ſeinem Weſen ſtimmt er faſt völlig mit dem Grünſpecht überein, ſchließt ſich dem— ſelben auf ſeinen Wanderungen im Winter auch nicht ſelten für längere Zeit enge an. Seine Hauptnahrung bilden Ameiſen, namentlich For— mica rubra und fusca, die Gelb- und Braun- ameiſe. Namentlich erſtere bildet einen Lecker— biſſen für ihn und ihr Vorkommen iſt von weſentlichem Einfluſſe auf ſeine Verbreitung. Außerdem nimmt er natürlich auch andere In— ſecten und deren Larven an, im Winter aus— nahmsweiſe Hollunder- und Vogelbeeren. Als Brutſtätte hackt er ſich meiſt ſelbſt ein Loch in einen kranken Baumſtamm, welches oft bis 30 cm tief und 20 cm breit iſt. Ende April legt das Weibchen 5—6, ausnahmsweiſe (nach Brehm) 7—8 weiße Eier, die ſich von jenen des Grünſpechtes nur durch etwas geringere Größe unterſcheiden; beide Gatten brüten ab— wechſelnd. Die Jungen werden anfangs faſt ausſchließlich mit den Puppen der vorgenannten beiden Ameiſenarten gefüttert und verbleiben ſo lange im Neſte, bis ſie völlig flag, ſind. v. D. Grauſpötter, Hypolais opa ca, Licht., Cab. Mus. Hein. L. p. 36 4); Hy- polais pallida, Gerbe, Rev. et Mag. de Zool. 2. ser. IV, p. 174 (1852 nec Ehr.); Phyllo- pneuste opaca Licht. Nomecll. Av. p. 30 (1854); Chloropeta pallida, Bp., Cat. Parzud. 485 p. 6 (1856); Hypolais arigonis, A. E. Brehm, Allgem. deutjch. naturh. Zeit. III., p. 467 (1857); Hypolais einerascens et arigonis, A. E. Brehm, III., Thierleben, p. 865 (1866): Hypolais fus- cescens, de Selys, fide Loche, Expl. Seient. d’Alg. Ois, I., p. 271 (1867). Abbildungen: Vogel: Dreſſer, Birds of Europe, vol. II, T. 82, Fig. 1. Weſtlicher Spottſänger. Engl.: Western Olivaceous warbler; jpan.: Pinchahigos, Cherna. Der Grauſpötter vertritt den im Süd— oſten Europas vorkommenden kleinen oliven— farbigen Spötter (Hypolais pallida, Ehrenbg.) in Südweſteuropa und Weſtafrika. Er iſt Brut— vogel in Südſpanien und Nordweſtafrika, als öſtlichſtes Vorkommen iſt Marſeille in Frankreich beobachtet. Anfangs April kehrt er zu den Brutplätzen zurück, geht im Herbſte, nach der Brutzeit, nach dem Süden bis nach Sene— gambien hin. ofallang es 152 cm Slügellänge ...... 658 Schwanzlängne . . Schnalle? 125 2 Darn 2˙25 (Altes & von Valencia aus Sammlung J. H. Blaſius, 14. Juli.) Der Schnabel iſt verhältnismäßig ſehr groß, an der Baſis breit, von oben nach unten ſtark zuſammengedrückt, an der Baſis gerade geſtreckt, an der vorderen Hälfte ſanft abwärts gebogen, den Unterſchnabel ſehr wenig über— ragend, mit ziemlich ſcharf vorragender Firſte, der Kiel in der Mitte flach abgerundet. Der Flügel iſt kurz und ſtumpf abgerundet, erreicht kaum die Hälfte des Schwanzes und nicht die oberen Schwanzdeckfedern in ruhender Stellung, die 3., 4. und 5. Schwinge bilden die Flügelſpitze und ſind auf der Außenfahne 12 förmig eingeſchnürt. 3 4 5 22 67. 10 M H= 1D. Der Schwanz iſt lang, ein wenig ſtufen— förmig zugeſpitzt, die mittleren Schwanzfedern 4 mm länger als die äußeren. Der Lauf iſt groß und ſchlank, Zehen und Krallen ſehr zart, letztere ſehr fein zugeſpitzt. Altes Männchen. Oberſeite aſchbräunlich, von der Stirn bis zu den Schwanzdecken, Schwingen und Schwanzfedern braun mit hellen, aſchbraunen, ſchmalen Säumen, ebenſo die obe— ren Flügeldeckfedern, Unterſeite weißlich, an der Oberbruſt und an den Weichen mit hellgrau— gelblichem leichtem Anfluge, Schwingen und Schwanzfedern von unten graubraun, die unte— ren Flügeldeckfedern weißgelblich. Von der Schnabelbaſis an über das Auge hin ein ſchmaler hellgelbbräunlicher Streifen, übrigens die Kopf— ſeiten hellbräunlich. (Nach dem oben gemeſſenen Exemplare.) Altes Weibchen gleicht dem Männchen vollſtändig. Junge Vögel zeichnen ſich durch einen mehr roſtfarbig-braunen Ton der Oberſeite und breitere hell-roſtbräunliche Säume der Schwin— gen aus, dann durch einen ſtärkeren, mehr gelb— bräunlichen Anflug der Kehle, Oberbruſt und der Weichen, wie er auf der oben genannten 486 Grauwacke. — Grebe. Dreſſer'ſchen Abbildung ſehr ſchön wiederge— geben | iſt. Der Schnabel iſt im Oberkiefer horngrau, im Unterkiefer gelblichgrau, die Füße bleigrau, die Iris dunkelbraun, mit einem Durchmeſſer von imm. Das Gelege beſteht in der Regel aus 3 bis 3 Eiern. Dieſelben ſind von länglich-eiförmiger Ge— ſtalt, Längsdurchmeſſer von 17˙8—19˙2 mm, Querdurchmeſſer 13˙0— 3:3 wm, Dopphöhe S- A— 8:0 mm. Auf blaſsgrau-röthlichweißer Grundfarbe zeigen ſich vereinzelte bläulichgraue und hellbraune, tieferliegende und etwas zahl— reichere, brauſchwarze, oberflächliche punkt— förmige Flecken ziemlich gleichmäßig über das ganze Ei 1 . Die Schale iſt faſt glanz— los, gegen das Licht blaſs⸗gelbgrünlich durch— ſcheinend, das Korn ſehr fein, mit ſehr zahl— reichen dichten und tiefen Poren Da ich ſelbſt niemals Gelegenheit hatte, den Grauſpötter in der freien Natur zu beob— achten, ſo laſſe ich hier die ſchöne Beſchreibung Alfred Brehm's aus ſeinem „Thierleben“ folgen: „Wie es ſcheint, meidet der Grauſpötter das Gebirge oder überhaupt bergige Gegenden und wählt ausſchließlich baumreiche Stellen und Ebenen zu Wohnſitzen. Beſondere Lieblingsorte von ihm ſind die Huertas, jene paradieſiſchen Gefilde Spaniens, welche noch heutzutage durch die von den Mauren angelegten Waſſerwerke regelmäßig bewäſſert werden und in Fruchtbar⸗ keit ſchwelgen. Hier in den Obſt- und Blumen- gärten, welche innerhalb dieſes einen großen Gartens ſich finden, neben und über den Spa— ziergängen der Städte und Dörfer und ſelbſt noch in den an die Ebene ſtoßenden Wein⸗ bergen und Olpflanzungen iſt unſer Vogel ſo häufig, daſs wir von ungefähr 20 neben ein— ander ſtehenden Silberpappeln 12 ſingende Männchen herabſchießen konnten. So ſehr der Grauſpötter unſerem Garten- ſänger hinſichtlich ſeines Aufenthaltes und ſeines Betragens ähnelt, ſo beſtimmt unterſcheidet er ſich von ihm durch ſeine Verträglichkeit ande— ren derſelben Art gegenüber und durch ſeinen Geſang. Ich habe nie geſehen, daſs zwei Männ— chen eiferſüchtig ſich verfolgt hätten, vielmehr wiederholt beobachtet, dajs zwei Paare auf einem und demſelben Baume lebten; ich habe ſogar zwei Neſter mit Eiern auf einem und demſelben Baume gefunden. Aber auch der Ge— ſang unterſcheidet den Grauſpötter leicht und ſicher von ſeinen Verwandten. Der Lockton, welchen man von beiden Geſchlechtern vernimmt, iſt das ſo vielen Singvögeln gemeinſame „Tack, tack“, der Geſang ein zwar nicht unangenehmes aber doch höchſt einfaches Lied, welches in man— cher Hinſicht an den Geſang gewiſſer Schilf— ſänger erinnert und von der Nachahmungsgabe oder Spottſucht unſerer Gartenſänger nichts bekundet. In ſeinen Bewegungen, wie über— haupt in allen weſentlichen Eigenſchaften, ähnelt der Grauſpötter unſerem Gartenſänger, doch darf er vielleicht als ein minder lebhafter Vogel bezeichnet werden. An das Treiben der Men— ſchen hat er ſich jo gewöhnt, daſs er durchaus keine Scheu zeigt, ſich vielmehr in nächſter Nähe beobachten läſst und noch das kleinſte Gärtchen inmitten der Häuſermaſſen großer Städte wohnlich und behaglich findet. Sein Vertrautſein mit den Menſchen geht ſo weit, dass er ſich auf den belebteſten Spaziergängen anſiedelt, ſelbſt wenn dieſe bis nach Mitternacht von Laternen glänzend beleuchtet ſein ſollten. Die Brutzeit beginnt erſt zu Anfang des Juni und währt bis Ende Juli. Zum Niſten wählt ſich das Paar ſtets einen hohen, dicht— wipfligen Baum und eine blätterreiche Stelle des Gezweiges. Hier, immer in beträchtlicher Höhe über dem Boden, ſteht oder hängt das Neſt zwiſchen zwei ſenkrecht auf- oder ablau— fenden Zweigen, welche in dasſelbe verflochten werden, erinnert alſo in dieſer Weiſe an die Neſter der Schilfſänger. Die Wandungen ſind ſehr dicht, aber aus verſchiedenen Stoffen zu— ſammengeſetzt. Einzelne Neſter beſtehen aus Grashalmen, dickerem und feinerem Durchein— ander, und werden innen kaum mit Diſtelwolle ausgekleidet; andere ſind faſt ganz aus letzterer oder aus Baumwolle und aus Schalenſtücken verſchiedener Bäume zuſammengeſetzt. Die Neſtmulde hat einen Durchmeſſer von 5 und eine Tiefe von A cm. Beide Eltern brüten ab⸗ wechſelnd, beide füttern die Brut heran und beide lieben ſie äußerſt zärtlich.“ Nach D. Zoje Arévalo y Baca in den „Aves de Espana“ erſcheint er in Südſpanien anfangs April und geht im Auguſt wieder nach Süden, nach Afrika hinüber. Er brütet im April, Mai und Juni. Seine Nahrung 1 5 in Inſecten und Früchten. R. B Grauwacke iſt ein feſter Sandſtein, ae außer Quarzen, etwas Feldſpat und Glimmer reichlich kleine Bröckchen von Geſteinen (Thon⸗ ſchiefer, Kieſelſchiefer) enthält, die bald abgerollt, bald ſcharfkantig ſind. Das Bindemittel dieſer Beſtandtheile iſt meiſt kieſeliger Art und nur in geringer Menge vorhanden. Die Grauwacken ſind grob- bis ſehr feinkörnig, von hellgrauer bis dunkelgrauer und tiefſchwarzer Farbe, die oft von im Bindemittel fein vertheilten An— thracitſtäubchen verurſacht wird. Die Geſteine ſind meiſt gut geſchichtet, bisweilen ſchieferig und vermögen grobe transverſale Schieferung anzunehmen. Sie ſpielen in der ſiluriſchen, de— voniſchen und Kulmformation eine bedeutende Rolle (Böhmen, Vogtland, Harz, Thüringen, Weſtfalen). Der Verwitterungsboden der Grauwacke variirt je nach ihrer Zuſammenſetzung und dem vorhandenen Bindemittel. Quarzreiche Abarten mit kieſeligem Bindemittel liefern einen flach⸗ gründigen Boden, welcher nur dürftige Be- waldung zu tragen vermag: in der Regel Kiefer und Birke, unter günſtigeren Verhältniſſen auch Eiche. Thonhaltige Grauwacken geben meiſt einen tiefgründigeren, ſteinärmeren Boden, auf dem Fichte, Tanne und Buche gedeihen. Yu), Grauwackenſormation, ſ. Silurformation. v. O Gravitation, ſ. Kraft. Fr. Grebe, Karl Friedrich en Dr. phil., geb. zu Großenritte (Kurheſſen) am 20. Juni 1816, ſtammt aus einer Familie, deren männ- N Greifen. — Grenzbach. 487 liche Vorfahren, ſoweit die Nachrichten reichen, der grünen Farbe angehörten. Nachdem er den größten Theil ſeiner Jugend im elterlichen Haufe zu Gottsbüren mitten im Neinharts- wald im faſt ausſchließlichen Verkehr mit Forſtleuten ſowie unter Theilnahme an den Berufsgeſchäften ſeines Vaters ſowie an den dortigen ausgezeichneten Jagden verlebt hatte, bezog Grebe die polytechniſche Schule zu Caſſel, welche damals in ihrer höchſten Blüte ſtand und an der Männer wie Wöhler, Buff, Bunſen, Philippi und Duncker als Lehrer wirkten. Die ſchon in früher Jugend hervorgetretene Liebe zum Wald veranlaſste Grebe, den Beruf ſeines Vaters zu wählen und ebenfalls Forſtmann zu werden. Die praktiſche Vorbereitung erfolgte unter der Leitung ſeines Vaters, welcher als damaliger kurheſſiſcher Brigadierförſter die beiden ſehr großen Reviere Gottesbürn und Hümme zu verwalten hatte, 1836 und 1837 beſuchte Grebe die Forſtlehranſtalt Melſungen und ſodann 1838 und 1839 die Univerſität Berlin, um hier theils weitergehende Studien in den Naturwiſſenſchaften zu machen, theils auch um die für den Forſtmann nothwendigen juriſtiſchen und cameraliſtiſchen Diſeiplinen zu abſolvieren. Nach Vollendung ſeiner akademiſchen Stu— dien unternahm Grebe eine größere forſtliche Reiſe durch Nordböhmen, das Erzgebirge, Fichtelgebirge und den Thüringer Wald. Auf derſelben machte er die Bekanntſchaft des Ober— forſtrathes König, welche von der größten Be— deutung für die fernere Geſtaltung ſeiner Laufbahn wurde. Bereits 1840 wurde Grebe auf Königs Empfehlung die Stelle eines Do— centen der Forſtwiſſenſchaft und einzelner Zweige der Naturwiſſenſchaften (Mineralogie, Gebirgs— kunde und Botanik) an der ſtaatslandwirtſchaft— lichen Akademie zu Eldena übertragen. Von hier aus machte er einige größere Reiſen nach Däne— mark, Schweden und Norwegen, erwarb 1843 die venia legendi bei der philoſophiſchen Fa— eultät der Univerſität Greifswald und wirkte in dieſer Doppelſtellung bis zum Frühjahre 1844. Oſtern 1844 folgte Grebe einem durch König veranlassten Rufe der ſachſen-weimari— ſchen Regierung als Forſtrath und zweites Mitglied der Forſttaxationscommiſſion nach Eiſenach, kehrte dann nochmals vom 1. Juli 1849 bis 1. April 1850 als akademiſcher Forſt— meiſter und Profeſſor der Forſtwiſſenſchaft nach Greifswald zurück, um endlich, einem ehren— vollen Rufe folgend, nach dem Tod Königs als deſſen Nachfolger die Stelle als Director der Forſtlehranſtalt Eiſenach und Chef des Forſteinrichtungsweſens im Großherzogthum Sachſen mit dem Titel „Oberforſtrath“ (ſpäter 1865 als „geheimer Oberforſtrath“ und 1880 als „Oberlandforſtmeiſter und geheimer Staats— rath“) zu übernehmen, in welcher Grebe unter Ablehnung von wiederholten Berufungen als Profeſſor nach Zürich, als Oberforſtmeiſter nach Kaſſel, ſowie als Director nach Eberswalde, Tharand und Münder bis zur Gegenwart wirkt. An ſelbſtändigen Schriften hat Grebe verfaſst: De conditionibus ad arborum no- strarum saltuensium vitam necessarlis, 1841; die Beaufſichtigung der Privatwaldungen von Seiten des Staates, 1845; Gebirgskunde, Bo— denkunde und Klimalehre in ihrer Anwendung auf Forſtwirtſchaft, 1. Aufl. 1863, 4. Aufl. 1886; der Buchenhochwaldbetrieb, 1856; die Lehrforſten der Eiſenacher Forſtſchule, 1858; Betriebs- und Ertragsregulierung der Forſten, 1867, 2. Aufl. 1879; ſowie Waldſchutz und Waldpflege, 1875; als dritte, weſentlich erwei— terte Auflage von König's Waldpflege. Außer— dem hat er noch aus dem Nachlaſs von König die „Forſtbenützung“ 1. Aufl. 1851, 3. Aufl. 1882 herausgegeben, ſowie die 4. und 5. Auf— lage von deſſen „Forſtmathematik“ 1854 bis 1864 beſorgt. Schw. Greifen, verb. trans. und intrans. J. Vom Rothwild: „Der Hirſch und Thier greifſen ſtark in den Boden und treten nicht tief in die Erde.“ Pärſon, Hirſchgerechter Jäger, 1734, fol. 80. — „Wenn ein angeſchweißter Hirſch recht auf dem Anſchuſs zu Boden greifft ...“ Chr. W. v. Heppe, Wohlred. Jäger, p. 126. — Bechſtein, Hb. d. Jagdwiſſen— ſchaft I., 1, p. 102. — Behlen, Wmſpr., 1829, p. 64. — Vgl. eingreiffen. II. Vom Leit⸗ und Schweißhund: „Ein wohlgeführter Leithund, der wohl zur Fährte greifet., „Kaltſinnig zur Fährte greiffen heißet, wenn der Hund eine Fährte nicht hitzig anfallet . . .“ „Wenn der Hund ſcharf zu Boden greifet und keine Fährte übergehet . . .“ E. v. Heppe, Aufricht. Lehrprinz, p. 34, 204, 321. — „Steckt er (der Leithund) die Naſe recht in die Fährte, ſo greift er mit der Naſe in die Fährte oder den Boden.“ Bechſtein, Hb. d. Jagdwiſſenſchaft I., 1, p. 278. — Vgl. auf— greifen. III. Vom Apporteur und Windhund: „Der Haſe wird von den Hunden gegriffen oder gefangen.“ Döbel, Jaägerpraktika, 1746, I., fol. 31. — „Greiffen jagen theils Windhetzer und Hegereiter, wenn die Windhunde einen Haſen fangen.“ Großkopf, Weidewercks-Lexikon, p. 131. — „Kann er (der Haſe) endlich gar nicht mehr fort, ſo fangen oder greifen und würgen ſie (die Windhunde) ihn.“ D. a. d. Winkell, Hb. f. Jäger II., p. 32. — Behlen, Real- und Verb.-Lexik. III., p. 496. IV. Vom Haarraubwild, ſeltener auch von Raubvögeln: „Greifen nenut man es, wenn ein Raubthier ein anderes Thier fängt.“ Hartig, Lexikon, p. 228. — R. R. von Dombrowski, Der Fuchs, p. 186. — „Greiffen nennt man, was die Raubvögel mit ihren Klauen fangen.“ Chr. W. v. Heppe, 1. c. p. 187. — Laube, Jagdbrevier, p. 280. — Sanders, Wb. I., p. 622. E. v. D. Grelling, ſ. Gründling. Hcke. Gremium, Gremialverfaſſung, ſ. Colle— gialverfaſſung. v. Gg. Grenzbach iſt ein Bach, welcher die an— einanderſtoßenden Grundſtücke verſchiedener Be— ſitzer trennt. (Mitunter gebraucht man auch dieſe Bezeichnung für einen Waſſerlauf, welcher in der Nähe der Grenze ſich befindet.) Bei einem gemeinſchaftlichen Grenzbach ſind der größeren Sicherheit halber an den Hauptkrüm⸗ mungen abwechſelnd zu beiden Seiten Grenz— 488 Grenzberichtigung. — Grenzbezeichnung. ſicherungsſteine zu ſetzen. In einem ſolchen Falle iſt angenommen, daſs die Grundſtücke der Adjacenten bis zur Mittellinie des Grenz— baches fortgeſetzt gedacht werden. Bildet das eine Ufer des Baches die Grenze, jo kann natürlich nur auf dieſem eine Verſteinung — als künſtliche Unterſtützung der ſonſt natürlichen Grenze — vorgenommen werden (ſ. a. Grenz— weg). Nr. Grenzberichtigung. Jede geordnete Wirt— ſchaft beſorgt vor allem die Evidenzhaltung der Eigenthumsgrenzen; dennoch kann es auch da geſchehen, daſs einzelne Grenzmarken (nume— rierte Steine, Pflöcke) verrückt werden oder gänzlich abhanden kommen. In der Regel er— ſcheint es dann beiden Grenznachbaren oder mindeſtens einem derſelben nothwendig, die alten Grenzen herzuſtellen, was im gütlichen Übereinkommen durch einen oder zwei Sach— verſtändige (Geometer) allein oder, um einen Streitfall über eine Grenzverſchiebung oder Grenzverwiſchung dauernd auszutragen, unter Intervention der hiezu competenten Behörde (Gericht) auf Grund einer beſtehenden Auf— nahme (gewöhnlich der Cataſtralkarte) vorge— nommen wird. Dieſe Arbeit nennt man Grenzherſtellung oder Grenzberichtigung. (Über Grenzregulierung ſ. den betreffenden Artikel.) Man kann als Geometer hiebei folgendermaßen vorgehn: a) Fehlt zwiſchen zwei unverrückt ge— bliebenen Punkten x und y eine Marke (oder eine geringe Zahl letzterer) und iſt die Sicht innerhalb dieſer Strecke frei, ſo verbindet man auf der Karte (oder einer ſorgfältig ausge— führten Copie derſelben) die Punkte x und y durch eine Gerade, fällt darauf aus den Zwiſchenpunkten Senkrechte, greift ſelbe ſowohl als die Entfernungen ihrer Fußpunkte von einem der Endpunkte (x oder y) der Stand— linie (x und y) ab und notiert in einem vor— bereiteten Brouillon dieſe Daten. Werden letztere unter Beihilfe von Abſteckſtäben, einer Kreuzſcheibe (Winkeltrommel ꝛc.) und eines Meßbandes auf die Natur übertragen, ſo er— geben ſich die Stellen, in welchen die Grenz— marken anzubringen ſind. b) Sollte es ſich um die Herſtellung einer größeren Punktreihe handeln, jo dajs die Sicht zwiſchen den verlässlichen Endpunkten dieſes Grenzzuges nicht frei wäre, oder man hätte Grund an der Verlässlichkeit der nächſten Grenz— punkte zu zweifeln, dann erübrigt nur die graphiſche Aufnahme des vorläufig nach Gut⸗ dünken (jedoch in möglichſt langen Linien) aus⸗ geſteckten Grenzzuges, ſoweit, bis an beiden Enden verlässliche Grenzmarken in der Auf— nahme erſcheinen. Wird nun mit Pauspapier aus der Karte, die der Grenzberichtigung zugrunde gelegt werden ſoll, die Copie des fraglichen Grenz— zuges angefertigt und über die aufgenommene Grenze jo gelegt, daſs ſich die Endſtücke der Polygonzüge decken, und werden die abweichen- den Zwiſchenpunkte der Copie mittelſt einer feinen Piquiernadel durchgeſtochen, nach der Beſeitigung des Pauspapieres die Nadelſtiche eingeringelt und beſchrieben, ſo erhält man die Lage der fehlenden oder verſchobenen Grenz- marken, gegenüber jenem Grenzzuge, der vor— läufig abgeſteckt wurde, und es erübrigt nur noch, die . Punkte (mittelſt Coordinaten, wie sub a d. A.) auf die nächſten Standlinien zu beziehen und auf die Natur zu übertragen. Die zur Grenzberichtigung verwendeten Karten müſſen verlässlich ſein. Obwohl öſterreichiſche Cataſtralkarten (bekanntlich Reſultate der gra— phiſchen Vermeſſung) ſo mancher Gemeinden in Richtung auf Genauigkeit ihres Details im hohen Grade befriedigen, ſo laſſen doch andere dafür viel zu wünſchen übrig und wären daher Cataſtralkarten nicht für alle Fälle als Grund- lagen von Grenzberichtigungen zu empfehlen. Die beſte Grundlage für Grenzberichtigun— gen bildet das Elaborat der Theodolitaufnahme, namentlich dann, wenn nach der Polygoniſierung die Standpunkte des Theodoliten ſolid und dauernd feſtgelegt wurden. Es laſſen ſich hier nicht nur die Standlinien nach den mit dem Theodolit gemeſſenen Winkeln mit entſprechender Schärfe auffinden, man iſt auch in der Lage, die hierauf bezogenen Coordinaten der Grenz— marken nach den Aufnahmsſkizzen auf die Natur zu übertragen. Lr. Grenzbeſchnadung, Erneuerung, bezw. Reviſion der Grenzzeichen, welche urſprünglich häufig Einſchnitte an Bäumen („snaatbom“) waren. Beſchnadung abzuleiten von sinaida (Schnitt); niederdeutſch: snaat. Schw. Grenzbeſchreibung iſt eine kurze Schilde⸗ rung über Art, Bezeichnungsweiſe und Lauf der Grenze, welche im jog. Grenzlagerbuch (f. d.) oder Grenzregiſter Aufnahme findet. Es wird hiebei z. B. angegeben, ob ein Bach, Weg u. ſ. w. die Grenze bilden, ob Grenzgräben, Grenz- mauern ꝛc. vorhanden ſind, ob die Grenzlinie nicht gerade von Stein zu Stein läuft, bezw. noch über den einen Stein hinaus verlängert gedacht werden muſs, ob Wege, Bäche die Grenzlinien ſchneiden oder ob Schneiſen 3 5 ſelben treffen u. ſ. w. Grenzbezeichnung erfolgt durch Benn natürlicher Merkmale oder durch Anbringung künſtlicher oder durch gleichzeitige, bez. abwech— ſelnde Anwendung beider Arten. Hienach werden gewöhnlich natürliche, künſtliche oder gemiſchte Grenzen unterſchieden. Die natürlichen Grenz— zeichen gewähren Thäler, Schluchten, Felsriffe, Wege, Flüſſe, Bäche, Bäume. Die Grenzbäume verſieht man mit eingehauenen Kreuzen oder Löchern oder mit Knicken (Knickbäume) in ge⸗ wiſſer Höhe über dem Boden. Mit Ausnahme feſtgelegter Waldſtraßen ſind dieſe natürlichen Zeichen weder ganz ſicher, noch beſtimmt genug. Sie werden deshalb zweckmäßigerweiſe durch künſtliche Zeichen unterſtützt. Die künſtlichen Grenzzeichen beziehen ſich entweder auf eine Be— zeichnung der Winkelpunkte oder der Grenzlinien ſelbſt. Zur Markierung der Winkelpunkte dienen Grenzhügel, — in Oberſchleſien Kupitzen ge— nannt — Örenzgruben, Pfähle, Holzſäulen, Eifen- ſtangen und Steine. Die beiden letztgenannten ſind zu bevorzugen. Die Darſtellung der Grenz— linien kann durch angepflanzte Baumreihen, Hecken, Steinwälle, Schneiſen oder Gräben ge— ſchehen. Grenzgräben ſind zu empfehlen. Nr. . a 9 Grenzen. In den Plänen werden die ver— ſchiedenen Grenzen in der Weiſe angedeutet, wie es Fig. 394 zeigt. By mn. Landes brenze Bu . Akts rende eins brenze nn semeinde Grenze 7 Umfangsmauer bb mil Pfalern - Dreilerwand m [ehendider Zaun. Fig. 394. — — — Grenzen, Bezeichnung und Siche— rung derſelben. Geſchichtliches. Nach alt— germaniſcher Sitte bildete der Urwald, welcher noch von niemandem in Beſitz, bezw. Benützung genommen war, die Grenze zwiſchen den ein— zelnen Völkerſchaften, bezw. deren Territorien (vgl. Grenzwald). Als aber die Völker⸗ ſchaften ſich weiter ausdehnten und inner— halb der bisherigen Grenzwaldungen bei Aus- übung der Weide und Jagd, beim Roden und Holzfällen zuſammentrafen, machte ſich das Bedürfnis nach einer genaueren Grenzbezeich— nung geltend, noch ſchärfer aber trat dies in dem Maße hervor, als ſich das Privateigen— thum am Wald (etwa jeit dem VI. Jahrhun— dert) ausbildete. Neben den natürlichen Gren— zen, wie Waſſerläufe, Schluchten, Bergrücken ze. ſcheinen zur Bezeichnung der Grenzen nach den älteſten Geſchichtsquellen beſonders Bäume als Grenzmale gedient zu haben, welche ent— weder durch Größe und Form beſonders charak— teriſtiſch waren, oder durch eingeſchnittene Zei— chen, vorwiegend Kreuze, und eingeſchlagene Nägel kenntlich gemacht wurden. Dieſe Ein— ſchnitte hießen ahd. lan, woher die Bezeichnung „Lachbaum“ (unrichtig „Lochbaum“). Von dem „Einſchneiden“ der Grenzmale ſtammt das la— teiniſche sinaida (— Grenze), das niederdeutſche snaatbom und auch das moderne Wort „Schneiſe“. Außer den Bäumen wurden auch Erdhügel und Steine, ſowie in Felſen gehauene Zeichen zur Feſtlegung der Grenzen verwendet. Auch im ſpäteren Mittelalter wurden na— türliche Grenzen noch mit Vorliebe benützt, wobei mit der damals üblichen ſymboliſchen Bezeichnungsweiſe die Richtung der rollenden Kugel oder des fließenden Waſſers als Weiſer für den Rechtsanſpruch diente. (In Widenthal autem et Schlirenthal si quis acceperit glo- bum el volverit illum in summitate montium. Grenzen. Kͤ—— — “. .. ——...ñññ.ñ.ññßñ — x̃ꝛ—ä— — — —— — utnt¼ — ——l— — —— . — — —— — 489 altera parte rivi, quantum globus accurrerit, tanta latitudo erit advocacie et non amplius; Vogteirecht zu Weidenthal, Frankenſtein und Schliernthal a. 1251.) Ebenſo kommt auch lange Zeit die uralte Sitte des Hammerwurfes (Thors Hammer) vor, bei welcher der Rechtsan— ſpruch durch die Entfernung beſtimmt wurde, bis zu welcher man von einem angegebenen Punkt aus, oft unter erſchwerenden Umſtänden, „mit der rechten Hand unter dem linken Bein durch“, in anderen Fällen „vom Pferd aus“ werfen konnte (vom Niederndale an, so dasz unser herr von Mentze daselber uf einem rosze soll riden in den Rine als fer er mag und als fer er mag mit einem hubhammer ge- worfen in den Rine als ferre get sin gericht. Rheingauer Landweisthum a. 1324). Die Mal- oder Lachbäume blieben wie in der früheren Zeit in Gebrauch, wurden aber allmählich immer mehr durch künſtliche Zeichen, Steine und im ſteinarmen Niederdeutſchland durch Pfähle erſetzt. Seit dem Beginn des XVII. Jahrhunderts wurden künſtliche Grenzmale durch obrigfeit- lichen Befehl (zuerſt wohl in der Forſtordnung für Hennegau von 1615) an Stelle der Mal— bäume allgemein eingeführt. Dieſer Übergang iſt wohl dadurch angeregt worden, daſs die alten Malbäume abſtarben, worauf man dann neben oder ſtatt derſelben Steine ſetzte. Wo Steine fehlten und eine geringere Culturſtufe mit extenſiver Bodenbenützung län— ger währte, wie in Nordoſtdeutſchland, wurden auch die alten Formen der Grenzbäume und Grenzhügel noch bis in das XVIII. Jahrhun— dert beibehalten; ſo erwähnt die Forſtordnung für Oſtpreußen von 1739 neben dem Aufwerfen von Grenzhügeln noch das „Einhauen friſcher Kreuze in die Grenzbäume“, die Forſtordnung für Oſtpreußen und Litthauen von 1777 nennt die Grenzbäume nicht mehr, ſondern nur noch die Grenzhügel, welche ſich hier ja bis zur Gegenwart erhalten haben. Für die Aufrechthaltung der Grenze wurde ſchon frühzeitig geſorgt. Bereits im ſpäteren Mittelalter war das Setzen der Grenzmale entweder der Grundherrſchaſt oder den Schöf— fen, bisweilen auch beiden gemeinſchaftlich vor— behalten, ſeit der Entwicklung der Forſthoheit wurde das Recht, die Forſtvermarkung vorzu— nehmen, als ein Zubehör derſelben betrachtet. Über den Verlauf der Grenzen finden ſich ſowohl in zahlreichen Urkunden und Weis— thümern detaillierte Angaben, als auch ſchon frühzeitig vollſtändige Grenzbeſchreibungen. In den Forſtordnungen wurde die Anlage der letzteren allenthalben angeordnet und in der zweiten Hälfte des XVIII. Jahrhunderts (3. B. Weimar 1775) die jetzt noch üblichen Formen derſelben ausgebildet. Ein Hauptmittel zur Sicherung der Gren— zen bildeten ſeit alter Zeit die Grenzbe⸗ e welche im Mittelalter und theilweiſe noch bis zum XVII. Jahrhundert mit beſonderen Feierlichkeiten vorgenommen wurden. In den Marken wurden zu dieſem Zwecke feierliche Umzüge unter officieller und zahl— reicher Betheiligung der Bevölkerung veran— 490 ſtaltet, bei welchen alte, erfahrene Leute den Zuſtand der Grenzen conſtatierten und jüngere Perſonen, bisweilen auch Knaben, ſpeciell mit denſelben, bisweilen allerdings in etwas abſon— derlicher Weiſe, bekannt gemacht wurden. In den landesherrlichen Forſten bildete der Grenz— ſchutz bereits vor Schluſs des Mittelalters eine Obliegenheit der Forſtbeamten. Seit der Entwicklung der Forſthoheit wur— den auch die Formen der Grenzbeſichtigung er— heblich modificiert Die bayriſche Forſtordnung von 1568 beſchreibt dieſelbe noch ganz in der Form, wie ſie überhaupt im Mittelalter üblich war, will die Unterthanen zugezogen wiſſen, welchen für ihre Mühe „eine Suppe gezahlt, oder ſonſt eine andere Ergötzlichkeit“ gewährt werden ſolle. Die bayriſche Forſtordnung von 1616 hält zwar im weſentlichen noch hieran feſt, nur iſt nicht mehr von der „Suppe“ oder ſonſtiger „Ergötzlichkeit“ die Rede. Späterhin wurden die Unterthanen zu den Grenzbeſichtigungen nur mehr ausnahmsweiſe zugezogen, ſondern dieſe von den Forſtbeamten, eventuell im Beiſein der Juſtizbeamten allein vorgenommen. Im XVIII. Jahrhundert waren die alten Förmlichkeiten der Grenzbeſichtigung entweder ganz vergeſſen, oder die noch erhaltenen Außer— lichkeiten vollſtändig verzopft, wie eine Erzäh— lung in Moſers Forſtarchiv (III., p. 353) unter dem Titel: „Die Nonne im Hornfaſſel, der Jäger in der Schlafkappe“ beweist. Über dieſe Grenzbeſichtigungen wurden ge— wöhnlich Protokolle aufgenommen. Die Zeiträume, innerhalb deren die Grenz— reviſionen jtattfanden, ſchwanken ſehr und geben bis zu einem gewiſſen Grad Zeugnis von der Intenſität der Forſtwirtſchaft; nach den bayri— ſchen Forſtordnungen ſollten ſie alle zehn Jahre erfolgen, nach der oſtpreußiſchen Forſtordnung von 1730 alle 4—6 Jahre, nach jener für Hal— berſtadt von 1743 alle 10—12 Jahre, die lit⸗ thauiſche Forſtordnung von 1777 ſchreibt be— reits alljährliche Grenzbereiſungen durch die Oberforſtmeiſter vor: jährliche Grenzbeſichti— gungen waren auch ſchon durch die Mainzer Forſtordnung von 1666 angeordnet. Böswillige Grenzverletzungen wurden ſtets ſtreng, im Mittelalter geradezu grauſam beſtraft; Vermögensverluſt, Abhauen der rechten Hand, Abpflügen des Kopfes waren die in ver— ſchiedenen Theilen Deutſchlands damals für dieſes Verbrechen angedrohten Strafen. Wenn auch die Todesſtrafe nach den ſpäteren Forſt— ſtrafgeſetzen hierauf nicht mehr geſetzt war, ſo wurden Grenzverrückungen doch ſtets mit ſchwe— ren Leibes- oder langdauernden Freiheitsſtrafen geahndet. Schw. Grenzen (Deutſchland) der Grundſtücke bilden einen Gegenſtand des Privat-, Verwal— tungs- und Strafrechtes und der Erlaſs von Vor— ſchriften über Regulierung, Erhaltung und Schutz derſelben zählt zu den Aufgaben der Landes- und Reichsgeſetzgebung. Die Grenzen ſind entweder natürliche phyſiſche), wie Gewäſſer, Straßen, Schluchten, Felskämme u. ſ. w., oder künſtliche (conven— tionelle), wie Steine, Pfähle, Gräben, Erdauf- Grenzen. würfe oder aufgeſetzte Steinrücken, Bäume u. ſ. w., oder gemiſchte, indem natürliche und künſt— liche Grenzzeichen miteinander wechſeln, oder eine veränderliche natürliche Grenze, z. B. ein Fluſs, durch einzelne künſtliche Grenzzeichen fixiert wird. Die gerade Linie zwiſchen zwei Grenzſteinen, die Mittellinie der Gräben bildet die Grenze, ſofern letztere nicht dem gehören, der ſie hergeſtellt hat. Die Angrenzer ſind zur Grenzregulierung verpflichtet und können im Weigerungsfalle durch die Grenzſcheidungsklage (ſ. d.) hiezu angehalten werden. Die richterliche, (notarielle) Beſtätigung eines freiwilligen Übereinkommens bezüglich einer Grenze iſt nicht nöthig, jedoch im Inter— eſſe der Betheiligten gelegen. Das Setzen von Grenzſteinen oder Grenzpfählen auf ſumpfigem oder dem Abſchwemmen ausgeſetztem Boden tit den Grundeigenthümern nicht geſtattet, wenn, wie vorzugsweiſe in Süddeutſchland, nach altem Herkommen durch Gemeindeſtatut (ſog Commun⸗ ordnung in Württemberg), oder durch neuere geſetzliche Beſtimmungen (3. B. in Bayern durch das Vermarkungsgeſetz vom Jahre 1868) in einer Gemeinde mehrere (in Württemberg 2, in Bayern 4—7) beeidigte Perſonen (Feldge— ſchworene, Siebner, Untergangsgericht in Würt⸗ temberg u. ſ. w.) aufgeſtellt ſind, welchen ge— meinſchaftlich unter Zuziehung der Angrenzer die Vermarkung und deren Erhaltung obliegt. Dieſe Feldgeſchworenen dürfen jedoch blos eine unbeſtrittene Grenze verſteinen, da ſie keine Richter, ſondern nur Urkundsperſonen zur Feſt— ſtellung der Echtheit und Unverrücktheit legal geſetzter Grenzſteine ſind. Dieſelben geben des— halb den von ihnen geſetzten Steinen eine uns verwesliche Unterlage (3. B. Kieſelſteine, Ziegel— ſtücke, Glasſcherben, Kohlen, Eierſchalen u. ſ. w., gewöhnlich drei Stück), deren Beſchaffenheit nur ihnen bekannt iſt (das ſog. Siebnergeheimnis in Bayern). Für ihre Bemühungen erhalten die Steinſetzer eine entſprechende Vergütung, welche in Württemberg z. B. in der Regel 20 Pfen⸗ nig für den Grenzſtein beträgt. Die Koſten der Herſtellung und Unterhal— tung der Vermarkung tragen die Betheiligten nach Verhältnis der Länge ihrer Grenze, es ſei denn, dafs einer derſelben, wie gewöhnlich die Staatsforſtverwaltung, beſonders behauene und bezeichnete Grenzſteine verlaugt und damit auch die Tragung des hiedurch verurſachten Mehr— aufwandes übernimmt. Die deutſchen Staatsforſtverwaltungen be— gnügen ſich übrigens nicht mit der Bezeichnung der Grenzen auf dem Terrain, ſie ſuchen die— ſelben auch durch Grenzbeſchreibungen und Grenzkarten zu ſichern, welchen die gerichtliche Beſtätigung der Anerkennung der dargeſtellten Grenze durch die Adjacenten beigefügt iſt. Stete Reinhaltung der Grenze vom Holzwuchſe und periodiſche Reviſionen derſelben bilden überall eine erſte Pflicht der Forſtſchutz- und Verwal⸗ tungsorgane (J. Albert, Lehrbuch der Forſt— verwaltung. München, 1883). Die Grenzen des Grundeigenthumes ſtehen unter dem Schutze des Reichsſtrafgeſetzes vom 15. Mai 1871, welches im $ 370 die unbefugte Grenzen. Verringerung eines fremden Grundſtückes, eines öffentlichen oder Privatweges oder eines Grenz— raines durch Abgraben oder Abpflügen mit Geldſtrafe bis zu 150 Mark oder mit Haft und in den SS 274 und 280 die Wegnahme, Ver— nichtung, Unkenntlichmachung, Verrückung oder das fälſchliche Setzen eines Grenzſteines oder eines anderen zur Bezeichnung einer Grenze oder eines Waſſerſtandes beſtimmten Merk— mals in der Abſicht, einem anderen Nachtheil zuzufügen, mit Gefängnis bedroht, neben wel— chem auch auf Geldſtrafe bis zu 3000 Mark und auf Verluſt der bürgerlichen Ehrenrechte (. d.) erkannt werden kann. At. Grenzen uud Grenzſcheidungsklagen (actio finium regundorum), Oſterreich. Bei einer Grenzerneuerung ſind zwei Hauptfälle zu unterſcheiden: J. Die Grenzzeichen ſind durch was immer für Umſtände ſo verletzt worden, dafs fie ganz undeutlich werden könnten, und 2. die Grenzen ſind wirklich unkennbar ge— worden, oder es entſtand bei Berichtigung der Markierung Streit. Im erſtgenannten Falle (§ 850 a. b. G. B.) können die Grenznachbarn im außerſtreitigen Verfahren der drohenden Grenzverwirrung dadurch vorbeugen, dass jeder einzelne von ihnen gemeinſchaftliche Erneuerung der Grenzen verlangen kann. Dieſes Recht, die rechtzeitige Feſtſtellung der Grenzen zu be— gehren, hat nicht bloß der Eigenthümer eines Grenzgrundſtückes, ſondern auch irgend ein dinglich Berechtigter (ſ. d.), alſo z. B. ein Ser⸗ vitutsberechtigter. Der Richter ladet die An⸗ rainer vor und wird, wenn nöthig, die Grenzen durch neue Vermarkung feſtſtellen. Die Koſten einer ſolchen Abmarkung tragen die Parteien nach Maßgabe der Grenzlinien (Entſch. des O. G. H. v. 1./4. 1879, Nr. 3489, G. U. W. Nr. 7397). Dieſer Vorgang iſt nur dann an— wendbar, wenn beſtimmte und nicht ſtreitige Grenzen vorhanden ſind, nicht aber dann, wenn unbekannte Grenzen fixiert werden ſollen (ſiehe 3. B. E. d. O. G. H. v. 20./9. 1881, Nr. 10634 U. W. Pf., Nr. 9756). Überhaupt wird f ſowohl in dem Falle, als dem Unkenntlichwerden von Grenzen vorgebeugt werden ſoll, als auch in dem des Grenzſtreites doch immer vorausge— ſetzt, daſs früher Grenzzeichen vorhanden ge— weſen ſeien (E. d. O G. H. v. 8./5. 1873, Nr. 4216 G. U. W., Nr. 4966). In dem zweiten Falle der Grenzerneuerung (S 851 a. b. G. B.), in welchem die Grenzen entweder ſchon unkenntlich ſind oder anläſslich der Grenzberichtigung Streit entſteht, hat der Richter vor allem den letzten factiſchen unge— ſtörten (redlichen und echten) Beſitzſtand (ſiehe Beſitz), u. zw. in den beiden sub 2 ſubſu— mierten Fällen. Erſt wenn jemand hiedurch ſich in ſeinen Rechten verletzt anſieht, hat er den Rechtsweg zu betreten (Grenzſcheidungsklage). Die Neuſetzung von Markſteinen kann erfolgen (durch das Gericht), wenn die Grenzen unkennt— lich werden könnten, und auch dann, wenn ſie unkenntlich geworden ſind, woſelbſt ſie dann als Schutzmarke des letzten Beſitzſtandes proviſoriſche Wirkung bis zur Austragung des begonnenen Proceſſes haben (f. Entſch. d. O. G. H. v. 20.2. 1883, Nr. 2049, U. W. Pf. Nr. 9316). Dieſer — — — —ſ— ä—PU—⅛ — L—̃—— t—[ — —2-——- — -— —— — — 491 ruhige Beſitzſtand wird, im Falle während des Proceſſes keine Partei ein ausſchließendes Recht an Grund und Boden nachweiſen kann, als Vertheilungsmaßſtab angenommen, weil dann den Beſitzern die Grundſtücke gemeinſam wer— den und der Richter die Vertheilung vorzu— nehmen hat (nach der Proportionsſumme der Längen aller an den ſtreitigen Raum anſtoßen— den Grundſtücke zu dem Flächeninhalte des ganzen ſtreitigen Raumes, wie die Länge des einzelnen Grundſtückes zu dem jedem Theil— haber zuzumeſſenden Antheile). Die Grenzſcheidungsklage iſt bei der Real— inſtanz (ſ. Behörden) einzubringen; der Kläger hat, wenn die angrenzenden Güter im Sprengel verſchiedener Realinſtanzen liegen, die Wahl, ob er bei der Realinſtanz klagen will, welcher ſein Grundſtück, oder bei 1 welcher das grenzſtreitige unterliegt (Entſch. d. O. G. H. v. 23./5. 1885, Nr. 6085, U. W. Pf., Nr. 9450). Dle wichtigſten Behelfe bei dieſer Klage ſind: gerichtlicher Augenſchein mit Zuziehung von Sachverſtändigen, Ausmeſſung und Mappierung, Cataſtralmappen, Theilungsprotokolle, Zeugen u. ſ. w. Wenn das Erſuchen um Grenzerneuerung geſtellt wird, ſo iſt der Gegentheil zunächſt zu der Erklärung aufzufordern, ob er ſich dem Grenzerneuerungsverfahren anſchließt, was auch für einen Grenzproceſs gilt (Entſch. d. O. G. H. v. 29./11 1881, Nr. 13334, G. U. W., Nr. 8867). Das Recht, auf eine Grenzerneuerung, im Noth- falle durch eine Klage, zu dringen, verjährt nicht (§ 1481 a. b. G. B.). Die eigenmächtige Grenzregulierung durch einen mit der Ream— bulierung des Grundſteuercataſters (ſ. Cataſter) betrauten Landmeſſer nach der Cataſtralmappe iſt als Beſitzſtörung aufzufaſſen (Entſch. d. O. G. H. v. 19./9. 1877, Nr 10.158, G. U. W., Nr. 6557; ſ. Beſitz und Beſitzſtörung). Die abſichtliche Verſetzung oder Wegräus mung der „zur Beſtimmung der Grenzen ge— ſetzten Markungen“ iſt nach § 199, lit. e Str.⸗ Geſ. Verbrechen des Betruges und wird mit Kerker von 6 Monaten bis zu einem Jahre, bei erſchwerenden Umſtänden von 1—5 Jahren beſtraft. Nicht in böswilliger Abſicht (ſondern etwa aus Muthwillen u. ſ. w.) vorgenommene Verrückung oder Beſeitigung von Grenzzeichen iſt nach den Geſetzen über Feldſchutz (ſ. d.) als Feldfrevel zu behandeln und durch den Ge— meindevorſtand (ſ. Gemeinde) mit Geldſtrafe von 140 fl., bei Zahlungsunfähigkeit mit Arreſt von 6 Stunden bis zu 8 Tagen zu belegen. Die Grenzregulierung zwiſchen Ge— meinden (oder Gemeindefractionen) gehört nach den M. Vogn. v. 1108 1853, R. G. Bl. Nr. 10, v. 23./9. 1868, R. G. Bl. Nr. 92, v. 24./3. 1860, R. G. Bl. Nr. 80, und des Geſ. v. 19./5. 1868, R. G. Bl. Nr. 44 vor die po⸗ litiſchen (und nicht vor die autonomen) Be— hörden, wobei aber jene Grenzverſchiebungen, die durch Vereinigung oder Trennung von Ge— meinden aus adminiſtrativen Gründen hervor- gerufen werden, nicht gemeint ſind, ſondern nur eigentliche Grenzſtreitigkeiten. u Die Grenzregulierungen, welche infolge von Servitutsablöſungen und Regulierungen 492 Grenzerhaltung. — Grenzregulierung. (Geſ. v. 5./7. 1833, R. G. Bl. Nr. 130, $ 39) nothwendig werden, ſind von amtswegen vor— zunehmen. Die Koſten der nothwendigen Grenz— beſchreibung und Vermarkung haben die Par— teien zu tragen. (Näheres hierüber unter „Dienſt— barkeiten“.) Die Erl. des A. M. v. 8./5. 1878 und v. 26./3. 1881 enthalten die Inſtruction für die Begrenzung, Vermarkung, Vermeſſung (und Be— triebseinrichtung) der öſterreichiſchen Staats— und Fondsforſte; Inhaltsangabe dieſer In— ſtruetion würde uns zu weit in Details führen über die Streitfrage, welchen Einfluss die Anderung von Gemeindegrenzen während der Dauer eines Gemeindejagdpachtvertrages auf das Jagdrecht hat, ſ. Jagdrecht und Jagdpacht; über die Arrondierung der Waldgrenzen ſ. Zu— ſammenlegung. Steht ein Baum auf der Grenze zwiſchen mehreren Grundſtücken, ſo wird das Eigenthums— recht daran den angrenzenden Eigenthümern gemeinſam, u. zw. zu gleichen Antheilen. In Ungarn werden Grenzregulierungs— angelegenheiten, wenn das ſtreitige Grundſtück nicht über ein Cataſtraljoch groß iſt, nach dem Bagatellverfahren (j. d.) verhandelt; darüber hinaus vom Richter. Mcht. Grenzerhaltung iſt die Verhütung und Beſeitigung aller Grenzdefecte, welche die Kennt— lichkeit und Sicherheit der Grenze ſchädigen. Grenzbeſchädigungen werden durch Menſchen, Thiere, Pflanzen und Natureinflüſſe herbeige— führt. Die gewöhnlichſten Mittel der Grenz— erhaltung ſind: 1. Aufhieb der Grenzlinien, im Walde wenigſtens 2m breit, und deren Rein— haltung, damit von einem Stein zum andern geſehen werden kann; 2. Erhaltung der Grenz— gräben, beſonders im Frühjahre, durch Ent— fernung von Schutt, Erde, Laub ꝛc. — bei Grenzbächen ſind oft Uferbefeſtigungen nöthig; 3. Erneuerung oder Ausbeſſerung der Num— mern und des Anſtrichs an den Steinen (Kalk— anſtrich hat gegenüber dem Olfarbenanſtrich den Vortheil, daſs die Grenze öfter durchgangen werden muſs); 4. häufige Grenzbegänge und namentlich jährlich einer durch den Revierver— walter; 5. jofortige Erledigung aller bemerkten Grenzmängel, weil dadurch auch öfters an Koſten für Aufſuchung der alten Punkte geſpart wird. Schiefgewordene Steine können ohne— weiteres gerade gerichtet, herausgeriſſene dürfen nur in Anweſenheit beider Angrenzer geſetzt werden; 6. Anzeige aller conſtatierten Grenzver— letzungen bei der competenten Behörde. Nr. renzgräben ſind die ſchärfſte und deut— lichſte Bezeichnung der Grenzlinien und ſind, da ſie das Abpflügen und Übergraſen am beſten verhindern, namentlich dort am Platze, wo Wald an Feld und Wieſe ſtößt. Man führt zwiſchen den Grenzſteinen entweder einen un— unterbrochenen Graben oder nur Stückgräben aus. Letztere werden beſonders an ſteilen Hän— gen angelegt, um das Abſpülen der Erde zu vermeiden. Es iſi ſelbſtverſtändlich, daſs die Gräben nicht bis dicht an die Steine herange— zogen werden dürfen, weil ſonſt deren Stand gefährdet wird; gewöhnlich führt man die Gräben bogenförmig um die Steine herum. Die gewöhnlichſten Dimenſionen für Grenz— gräben find: 73 em Oberweite, 25 em Gohlen- breite und 25 em Grabentiefe. Als eigentliche Grenzlinie gilt meiſt die Mitte der Graben— ſohle, es kann aber auch eine Grabenkante dazu dienen. Nr. Grenzſarten ſind beſondere Karten, welche den Grenzbeſtand genau enthalten und deshalb auch in einem entſprechend großen Maßſtab hergeſtellt ſein müſſen. 1: 2000 Verjüngung ge⸗ nügt. In manchen Forſthaushalten, z. B. Sachſen und Heſſen, dienen die Specialkarten zugleich als Grenzkarten. (In Sachſen erfolgt die Auf- nahme im Maßſtab 1: 4853 ½, bezw. 1:5000). Die Grenzkarten müſſen enthalten: alle Grenz— zeichen mit Angabe der Nummern, den genauen Verlauf des Grenzzuges von Punkt zu Punkt, bezw. Grenzweg 2c., die Namen der Angrenzer, der Gemeindebezirke und auch der Culturart. r. Grenzlagerbuch iſt das Schriftſtück, wel⸗ ches in tabellariſcher Form eine Beſchreibung der Grenzen enthält. Dasſelbe dient zur Unter- ſtützung der Specialkarten, welche infolge der immerhin bedeutenden Verjüngung Ungenauig- keiten in den Grenzmaßen zeigen müſſen. Zum Aufſuchen verloren gegangener Grenzzeichen und zur Berichtigung verwiſchter Grenzzüge iſt das Grenzlagerbuch ſehr wichtig. Die Rubriken, welche einem Grenzlagerbuch zu geben, ſind fol— gende: Bezeichnung der begrenzten Forſt⸗ orte (dabei Angabe der Abtheilungsnummer), horizontale Entfernung — mit der Unter- abtheilung: von Nummer, nach Nummer, Meter, — innerer Grenzwinkel (bei Nummer, Grad, Minuten), Bemerkungen (ob Wege daran hinführen, Schneiſen auftreffen 2c.), Verlauf der Grenze, Nachbargrundſtück (Flur⸗ bezirk, Flurbuchsnummer), Anerkennung des Angrenzers (durch Namenseintrag ſeitens desſelben), Veränderungsnachweis (j. d.). Auch ſoll angegeben werden, welche „ſtumme Zeugen“ bei den Grenzſteinen (ſ. d.) angewen— det wurden. Es iſt anzurathen, das Grenz— lagerbuch durch die Angrenzer vor Gericht aner— kennen zu laſſen. Nr. Grenzmal, ſ. Grenzbezeichnung. Nr. Grenzregiſter, ſ. Grenzlagerbuch. Nr. Grenzregulierung iſt der Inbegriff aller Maßregeln, die ſich auf die Feſtſtellung, bezw. Berichtigung der Grenzen beziehen. Da nun die Feſtſtellung und Erhaltung des richtigen Grenzzuges nicht nur im Intereſſe der Grund— ſtücks beſitzer, ſondern auch im Intereſſe des Staates — zur Arbeitserſparung und Ver— meidungen von Streitigkeiten — liegt, ſo wird in allen civiliſierten Ländern die Grenzregu— lierung durch das Geſetz gefordert. Bei der Grenzregulierung ſtützt man ſich auf noch vor— handene alte Grenzzeichen oder deren Spuren, auf das Zeugnis alter, grenzkundiger Perſonen und bezw. auf alte Grenzkarten. Das Geſchäft der Regulierung ſoll gewöhnlich ein vereideter Geometer vornehmen, den die Adjacenten wäh— len oder den die zuſtändige Behörde beſtimmt. Bei der Regulierung müſſen die Angrenzer an- weſend oder durch Bevollmächtigte vertreten Grenzregulierung. ſein. Erſcheint der Adjacent auf vorſchriftsmäßig erfolgte Vorladung nicht, ſo wird angenommen, daſs er mit der Grenzfeſtſtellung ſich ein ver— ſtanden erklärt. Zunächſt wird der Weg des gütlichen Ausgleiches betreten. Bleibt dies er— folglos, ſo hat die zuſtändige Gerichtsbehörde die Entſcheidung zu treffen. Soviel als möglich werden bei der Grenzregulierung lange, gerade Örenggüge angenommen und die Beſtimmung der Winkelpunkte auf unſicheren Stellen ver— mieden. Die Grenzpunkte werden durch entſprechend tief eingeſchlagene Pflöcke bezeichnet. Außerdem iſt es zweckmäßig, den Standpunkt dieſer Pflöcke durch Umlegen von Steinen oder Erdſtücken oder — was am beſten — durch Einhacken eines Kreuzes in den Boden, jo daſs der Pflock im Kreuzpunkt ſteht, zu verſichern. Über die Regulierung wird ein Croquis und ein Protokoll aufgenommen. Das letztere haben die Adjacenten zu unterſchreiben. Bezieht ſich die Regulierung nur auf Betriebsgrenzen, ſo iſt das natürlich Sache der Forſteinrich— tung, bezw. lediglich des betreffenden Waldbe— ſitzers. Nr. Grenzregulierung. Darunter wird unter Umſtänden auch die Berichtigung der Grenzen verſtanden. Hier ſei damit nur die Anderung der Grenzen gemeint, wie ſie im Wege des Austauſches erfolgt, um etwa einen vielfach gebrochenen Grenzzug einfacher oder ganz gerade zu geſtalten, um die freie Zufahrt zu einer Parcelle zu ermöglichen, oder aus anderen Gründen. Dieſe Grenzregulierungen ſind in der Regel jo durchzuführen, dajs die Grundwerte beider Nachbaren hiedurch unberührt bleiben, daſs alſo: a) bei gleichen Bonitäten der benachbarten Grundſtücke gleich große Flächen ausgetauſcht werden, b) bei ungleichen Bonitäten gleiche Werte zum Austauſche gelangen. ad a, a) Es ſoll in dem Polygon ABC DEF Fig. 395 die gebrochene Grenze CD E in eine Fig. 395. von E ausgehende gerade Grenzlinie verwandelt werden. Man erhält die hier verlangte Grenze am beſten durch Conſtruction. Wird zu der Verbindungslinie E C die Parallele Dx jo weit geführt, bis fie die Verlängerung der BC trifft, jo iſt Ex die gewünſchte gerade Grenzlinie. Dass die Polygone ABC DEF und ABxEF flächen⸗ gleich ſind, iſt aus der Figur leicht zu erweiſen. 8) Es ſoll Fig. 396 die Grenze EB von E aus nach G verlegt werden. 493 Man führt zunächſt jene Conſtruction durch, wie ſie nöthig wäre, um die Grenze von E nach F zu verlegen, d. h. man zieht aus E parallel zu BF die Gerade Ex; Fx iſt die @ 125 * A IND . 5 F „ „ \ A ( V h \D \ . \ X ZN, / 1 NN I * 1 2 \ . x Ye Fig. 396. Grenze und nun verſchiebt man dieſe in ganz dem— ſelben Sinne nach Gy, wodurch die Aufgabe gelöst erſcheint. 1) Wenn die Grenze zwiſchen zwei Parcellen gebrochen iſt und als eine Gerade hergeſtellt werden ſoll, ſo könnte, wie Fig. 397 zeigt, Fig. 397. ganz dasſelbe Verfahren zum Ziele führen, wie es in den vorſtehenden Fällen angewendet wurde. Es kann auch hier noch die Bedingung aus— geſprochen werden, daſs die neue Grenze vom Punkt 1 oder 4 oder einem anderen Punkte auszugehen habe. Soll die neue Grenze von 1 ausgehen, ſo beſeitigt man zunächſt das Eck 3 und erhält die Grenze 1, 2, y, wird in dieſer das Eck 2 zum Verſchwinden gebracht, ſo ergibt ſich die Grenzlinie 1, x. Sollte die Grenze 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, Fig. 398 aus ſehr vielen kurzen Linien be— ſtehen, ſo iſt's zweckmäßiger (größerer Genauig— keitsgrad) die Grenzlinien durch Rechnung zu ermitteln. | Man zieht zunächſt nach dem Augenmaße die Grenzlinie 1, * und berechnet die Flächen der Figuren I, II, III und IV. Die Antheile I und III gehören dem Grund⸗ ſtücke A, die Stücke II und IV der Pareelle B an. Wenn 1 + III II- IV, jo iſt die & la vue gezogene Gerade als richtige Grenze anzuſehen. 494 Grenzſcheidungsklage. — Grenzſtein. In den meiſten Fällen werden jedoch die beiden | nach links verſchoben werden. Es kann dies, Summen differieren, jo daß I-III — (II + IV) — +3 gefunden wird. Iſt 2 poſitiv, ſo iſt III II und mujs daher x weiter nach rechts geſchoben werden, während, wenn 3 negativ ausfällt, 1 III II = IV erſcheint, weshalb x um ein entſprechendes Stück nach links verlegt werden muſßs. Dieſes + 9 wird in Form eines Dreiedes corrigiert, welches zur Baſis 1, Xx, daher zur DEN Höhe h — hat, indem h (bei +5) allen- falls in m ſenkrecht auf 1, x aufgetragen und aus dem erhaltenen Punkte eine Parallele zu Fig. 398. 4,x bis y gezogen wird. 1, y iſt dann die richtige Grenze. Es iſt klar, daß das 2 auch in Form eines ſchmalen Parallelogrammes, deſſen Grundlinie 1, x, deſſen Höhe h= 1. „ corrigiert * werden könnte. Ebenſo wird vorgegangen, wenn die ur— ſprüngliche Grenze, ſtatt gebrochen, krummlinig iſt. ad b) Hat in Fig. 8 das Grundſtück A die Bonität (ſ. d.) a, das Grundſtück B die Bonität b, und ſoll auch für dieſe Vorausſetzung die Grenze geradlinig geführt werden, ſo wird auch hier vorläufig, jedoch ſchon mit Rückſicht auf die vorhandenen Bonitäten, eine proviſoriſche Linie 1, x geführt, die Antheile I, II, III, IV werden berechnet und ſämmtlich auf die Bonität ! reduciert (ſ. Bonität). Es muſßs, wenn J, x die richtige Grenze ſein ſoll, die Gleichung beſtehen: I. a III. a I. b IV. b; in der Regel wird jedoch dieſe Gleichung nicht ſtattfinden; es wird in den meiſten Fällen a - III a — (II. b IV. b) o 2 erhalten werden. Je nachdem (I. PIII. a) Z(H b-+IV.b), muſs die Gerade 1, x weiter nach rechts oder wenn die neue Grenze von 1 oder x ausgehen ſoll, nur durch ein Näherungsverfahren erfolgen; indem man dieſe Grenze ſo lange verſchiebt, bis die von ihr abgetrennten Antheile der Parcelle A mit jenen der Parcelle B, beide auf die Bonität reduciert, vollſtändig übereinſtimmen. Sit es dem Geometer freigeſtellt, die Grenze, beliebig anzuordnen, jo kann ? in Form eines ſchmalen Parallelogrammes, deſſen Grundlinie 1, x iſt und deſſen Höhe h wie nachfolgend gezeigt wird zu ermitteln iſt, corrigiert werden. Sind gi, ge, gs und g, die Antheile von , x, jo wie ſie den Figuren I, II, III und IV angehören, ſo wird annäherungsweiſe von dieſen Figuren gi ha + geh b - g. ha -g, h bs abzuſchneiden ſein, woraus K §ĩ 8 a (g. + g) += b (g + ge) Dieſes h mufs ſelbſtverſtändlich auf jene Seite der 1, X aufgetragen werden, nach welcher die Verſchiebung in Folge (-H1) aZ + IV) b ſtatthaben mujs. Ganz ähnlich wird verfahren, wenn ſtatt einer gebrochenen eine krummlinige Grenze gerad zu legen iſt. N Grenzſcheidungsflage (Deutſchland), actio finium regundorum, iſt nach römiſchem Recht das Rechtsmittel zur Erlangung der richterlichen Feſtſtellung einer beſtrittenen oder nicht auffindbaren Grenze zwiſchen zwei un— mittelbar an einander ſtoßenden Grundſtücken (nicht Gebäuden). Dieſelbe iſt unverjährbar, da durch die Ungewiſsheit des Beſitzes eine Er— ſitzung (ſ. d.) ausgeſchloſſen iſt. Die Klage— ſtellung ſteht nicht nur jedem der betheiligten Grundeigenthümer, ſondern auch dem Nutznießer, desgleichen Pächter und Pfandgläubiger des Grundſtückes zu, und kommt der Rechtserfolg der letzteren dem Eigenthümer zugute. Die Klage iſt zunächſt auf Herſtellung der wahren Grenze gerichtet, erſcheint aber, wenn dieſe auf Grund vorhandener Urkunden, Grenz— zeichen, Grenzbeſchreibungen und von Zeugen— ausſagen nicht zu ermitteln iſt, als ein Antrag auf Theilung einer unfreiwillig entſtandenen Gemeinſchaft, bei welcher jeder Grenznachbar ſeinen Theil durch richterliche ÜUberweiſung (A d— judication) erhält. Der Richter kann hiebei auch aus Zweckmäßigkeitsgründen eine als richtig erkannte Grenze verlegen und zu perjönlichen Leiſtungen (z. B. Geldentſchädigung für entzo— gene Nutzungen oder gemachte Ausgaben) ver— urtheilen (nach dem preußiſchen allgemeinen Landrecht jedoch nur auf Grund einer beſon— deren Klage). Nach § 25 der deutſchen Civilproceßord— nung vom 30. Januar 1877 iſt für die Grenz⸗ ſcheidungsklage nur das Gericht zuſtändig, in deſſen Bezirke die ſtreitige Grenze gelegen iſt. At. Grenzſtein nennt man einen Stein, welcher zur Feſtlegung des Grenzzuges benutzt, bez. eingelegt wird. Zum leichteren Auffinden läſst man gewöhnlich einen Theil des Grenzſteins ae Grenzſtein. über den Boden herausragen und behauet dieſen Theil regelmäßig. Es iſt zweckmäßig, den Stein jo vierkantig zu behauen, daſs der Querſchnitt ein längliches Viereck bildet. Damit das Regen— waſſer beſſer ablaufen kann, läſst man den Kopf des Steines abrunden. Der in den Boden kommende Theil bleibt roh, weil dadurch der Halt des Steines im Boden erhöhet wird auch Koſten erſpart werden —. Dieſer Theil kann etwa % der ganzen Steinlänge aus— machen. Die Dimenſionen, welche den Steinen zu geben ſind, hängen von der Wichtigkeit der Grenzen ab. An Landesgrenzen werden be— ſonders große Steine geſetzt und ſind dann meiſt hierüber beſondere Verordnungen erlaſſen. Für gewöhnliche Grenzen genügen m lange Steine mit 15 X 25 em Querſchnitt. Zu den Grenzſteinen iſt ein entſprechend feſtes Material, das ſich aber noch gut bear— beiten läjst, zu verwenden. Wohl geeignet ſind feſter Sandſtein und Kalkſtein, feinkörniger Granit, Baſalt. Die ſchiefrigen Steine, welche, wie z. B. Glimmer und Thonſchiefer, leicht durch den Froſt zerklüftet werden, nimmt man nur ungern. Vielfach wird allerdings mit Rückſicht auf die Koſtenerſparnis das Material verwendet, welches am nächſten und leichteſten zu erlangen iſt. Man unterſcheidet Hauptſteine und Zwiſchenſteine oder Läufer. Die Haupt- ſteine kommen auf die Winkelpunkte zu ſtehen, die Läufer zwiſchen die Hauptſteine bei langen Grenzlinien oder bei dazwiſchen liegenden Terrainwellen, welche die Überſicht verhindern. Es gilt als Regel, daſs man von einem Grenz— ſtein zum darauffolgenden ſehen können mufs. Eine allzuausgedehnte Anwendung von Läufern iſt unzweckmäßig. Das Einfachſte iſt immer, an der Grenze nur Hauptſteine zu verwenden. Die Zwiſchenſteine braucht man wenig zu bearbeiten. Die ſämmtlichen Hauptſteine werden fortlaufend numeriert. Dabei wird jede Parzelle und En— clave für ſich zum Abſchluſs gebracht. Sind ſpäter wegen Ankäufen ꝛc. Einſchaltungen von Steinen nöthig, ſo erhalten dieſe die vorher— gehend niedrigere Nummer mit dem Zuſatz der Buchſtaben a, b. e ete., alſo z. B. bei einer Einſchiebung zwiſchen Nr. 2 und 3 die Be— zeichnung 2—, 2. u. ſ. w. Anzurathen iſt, die Grenzſteine am oberirdiſchen Theile ganz oder theilweiſe mit Kalk oder mit weißer Oelfarbe anzuſtreichen. Vielfach wird auch nur die Um— gebung der Nummer weiß gefärbt. Es empfiehlt ſich bei den politiſchen Grenzen die Nummern (mit arabiſchen Ziffern) ſchwarz, bei den Wirt— ſchaftsgrenzen dagegen roth anzubringen. Wenn die Nummern ausgemeißelt oder ausgeſchlagen werden, jo ſind ſie nachher mit ſchwarzer oder rother Farbe auszupinſeln. Wird dagegen auf dem Stein ein weißes Nummerſchild — in Ellipſenform — angebracht, ſo kann die Nummer mittelſt einer Schablone aufgemalt werden. Zur Herſtellung der ſchwarzen Nummern wird man entweder eine entſprechende Lackfarbe oder eine Miſchung aus Ruß und Ol verwenden, während für die rothen Ziffern eine Zuſammen— ſtellung von Mennige und farbloſem Lack zu empfehlen iſt. (Gelegentlich der Forſteinrichtungs— reviſionen ſind die Grenzſteine darauf hin zu 495 durchgehen, ob eine Auffriſchung der Nummern nothwendig iſt.) Für die Eigenthumsgrenzen iſt es vielfach gebräuchlich, an der der Nummer entgegengeſetzten Seite des Steines die An fangsbuchſtaben der Namen, das Monogramm oder das Wappen der Beſitzer anzubringen. Dann muſßs der Stein jo zu ſtehen kommen, daſs dieſe Zeichen nach dem betreffenden Grund— ſtück zeigen, mithin die Nummer nach außen gerichtet iſt. Mitunter wird auch das Jahr der Steinſetzung angebracht — aber dann nicht an der Nummerſeite —. Auf den Kopf des Grenzſteines wird ein Kreuz oder ein den Grenz— verlauf darſtellender Winkel eingehauen. Bei allen Grenzmeſſungen ſoll die Bake oder Meßlatte an den Scheitelpunkt des Winkels, bezw. Kreuzes angehalten werden. Wenn die Grenzwinkel auf die Steine gebracht werden ſollen, jo mujs natürlich dabei ein Cro— quis zur Hand ſein. Auf jeden Brechpunkt der Grenze wird ein Hauptſtein geſetzt. Iſt der Boden naſs und unſicher, jo iſt es gut, vorher Hügel aufzuwerfen und darauf die Steine zu bringen. Für jeden Stein wird an Stelle des bei der Regulierung geſchlagenen Pfahls ein entſprechend tiefes und weites Loch ge— graben. In dasſelbe legt man zunächſt ſog. ſtumme Zeugen, welche die ſpätere Auffindung verloren gegangener Grenzpunkte erleichtern ſollen. Gewöhnlich verwendet man dazu Glas— ſcherben, Kohlenſtückchen und Ziegelbrocken. Man kann aber auch beſondere Thonziegel oder Mine— ralien nehmen, welche in der Nähe nicht vor— kommen. Nachdem nun der Grenzſtein gehörig eingeſetzt worden iſt, wird er mit Steinen ver— keilt und unter Wiedereinfüllung des Bodens feſtgemacht. Mitunter iſt nöthig, den Grenz— ſtein zur größeren Befeſtigung und Sicherung mit einem Kranz von Steinen zu umlegen oder mit Pfählen, bezw. Flechtwerk zu umgeben. Bei Wegen iſt es gut, an der gefährdeten Seite noch ſogen. Abweisſteine oder Abweispflöcke an— zubringen. Wenn auf dem Kopfe der Steine die Winkel aufgezeichnet ſind, ſo iſt ein beſtimmtes Anhalten für das Setzen gegeben: es müſſen dann die Schenkel des Winkels genau nach den beiden Nachbarſteinen zeigen. Iſt dagegen nur ein Kreuz auf dem Kopfe vorhanden, jo mujs der Stein jo geſetzt werden, daſs er ſeiner ganzen Form entſprechend nach der nächſt höheren Nummer hinweist; bei oblongem Durch— ſchnitt wird mithin die Nummer auf der Breit— ſeite angebracht ſein und dieſe in ihrer Ver— längerung den Stein mit der nächſt höheren Nummer treffen, bezw. dieſe Breitſeite mit dem nächſten Stein in einer Ebene liegen. Handelt es ſich um einen Grenzweg oder Grenzbach, bei welchem an den Hauptbrechpunkten nur Grenzſicherungsſteine angewendet werden denn die eigentliche Grenze bilden Weg oder Bach — ſo iſt Folgendes zu beachten. Iſt der Grenzweg gemeinſchaftlich, ſo können die Steine entweder in der Mitte des Weges verſenkt werden (und es ſollten dann eigentlich am Rande des Weges noch Controlſteine geſetzt werden) oder abwechſelnd an beiden Seiten des Weges ihren Platz finden. Das Letztere geſchieht bei einem gemeiuſchaftlichen Grenzbach, für den 496 ebenſowohl wie beim Wege eine Fortſetzung der anſtoßenden Grundſtücke bis zu deren Mittellinie angenommen wird. Gehören Grenz— weg und Grenzbach einſeitig zu einem Grund— ſtück, ſo werden die Steine an den Rand, bezw. auf das Grundſtück des anderen Adjacenten geſetzt. Für alle verſenkten Steine an Eigen— thums- und Wirtſchaftsgrenzen iſt es zweck— mäßig, in der Nähe Controlſteine anzubringen. Über deren Stand hat das Grenzlagerbuch (j. d.) Aufſchluſs zu geben. Da es vortheilhaft erſcheint, bei einem Schneiſennetz die Mittellinien zu ver— ſteinen, ſo muſs für den Fall, daſs Wege auf Schneiſen gelegt werden, ein Verſenken der Steine ſtattfinden, und dann ſind Controlſteine gewiſs räthlich. Recht zweckmäßig iſt es, an Stelle von Steinen Drainröhren zu verſenken, ſo daſs deren Offnung zum Einſetzen der Baken benützt werden kann. Das Setzen der Steine an Eigenthums— grenzen ſoll nur in Anweſenheit der Adjacenten und zwar am beſten durch vereidigte Geometer oder mit gleichen Befugniſſen ansgeſtattete Perſonen ſtattfinden. Nr. Grenzverbeſſerung iſt gleichbedeutend mit der Herbeiführung einer zweckmäßigeren Arron— dierung. Erreicht wird dieſelbe durch Verkauf oder Vertauſchung ausſpringender, namentlich ſchmaler Landzungen und iſolierter Parcellen, ſowie durch Ankauf oder Eintauſch einſpringen— der Landzungen und der Enclaven. Speciell für das Waldarrondiſſement wird noch ein ent— ſprechender Ausgleich zwiſchen dem Holz- und Nichtholzboden in Frage kommen. Die Ver— beſſerung der Grenzen in dieſem Sinne bringt mancherlei Vortheile. Der ganze Betrieb wird erleichtert, die Grenzerhaltung wird einfacher und billiger, der Forſtſchutz wird bequemer und weniger koſtſpielig und auch die Holzproduction wird dadurch gewinnen, daſs die Verdämmung an den Rändern und die Calamitäten durch Wind, Froſt ꝛc. abnehmen, bezw. auch an Wegefläche erſpart werden kann. Nr. Grenzverrückung, ſ. Grenzen. At. Grenzwald. Bei der Beſitznahme des Landes durch die Germanen erhielten bald größere, bald kleinere Gruppen innerhalb der Völkerſchaften Landſtriche als gemeinſchaftlichen Beſitz überwieſen. Dieſes Terrain wurde in drei Theile gegliedert: Grenzwald, Allmende und Sondereigen. Der Grenzwald, marca, umfaſste nicht nur Wald, ſondern auch Sumpf, See, Flüſſe und Felſen. Dieſes Grenzgebiet ſtand unter völker— rechtlicher Verfügung des Gaues, bezw. der Cent, welche mit den Waffen die Feſtſetzung und Rodung von Seiten Fremder in dieſem Grenzgebiet wehrten. In Bezug auf das Eigen— thum war es res nullius und trennte jene Ge— biete der Gaue und Völkerſchaften von einan— der, welche im Eigenthume des Gaues bezw. Einzelner ſtanden. Der Gau nahm bei ſteigen— der Volkszahl allmählich dieſen vielbeſtrittenen „debatable ground“ mehr und mehr in An— ſpruch, indem Stücke hievon zum Allmende er— klärt wurden, ſchließlich gieng er auch theil— weiſe ſogar in das Sondereigenthum über. Grenzverbeſſerung. — Grenzwinkel. mit ſeinen Schenkeln begrenzt. Soweit der Grenzwald (Volks- oder Gau— mark, Centmark) nicht zu den einzelnen All— menden geſchlagen wurde, diente er fortwäh— rend den Zwecken der Geſammtheit und es trat an ihm das Recht der Allgemeinheit ſo in den Vordergrund, daſs er in den meiſten Fällen den Charakter des öffentlichen Eigenthums an— nahm und als ſolches bei der Bildung größerer Staaten auf das Reich, bezw. deſſen Vertreter, den König, übergieng. In anderen Fällen, namentlich am Rhein, blieben die Centmarken ein Gejammteigen- thum der ſich desſelben zu wirtſchaftlichen Zwecken bedienenden Centgenoſſen (vgl. a. Mark und Waldeigenthum). Schw. Grenzweg iſt eigentlich nur der Weg, welcher die Abſcheidung der aneinander— ſtoßenden Grundſtücke bewirkt, welche verſchie— denen Beſitzern gehören. Mitunter gebraucht man auch dieſe Bezeichnung für einen Weg, welcher in der Nähe der Grenze hinläuft. Der Grenzweg gehört zu den natürlichen Grenzen. Es iſt zweckmäßig, wenn es ſich nicht um eine gebaute und ſonach ganz feſtgelegte Straße handelt, den Grenzweg mit Grenzſicherungs— ſteinen an den hauptſächlichſten Krümmungen zu verſehen. Bildet der Weg die gemeinſchaftliche Grenze — gilt alſo deſſen Mittellinie als wirkliche Grenze — ſo kann die Mitte durch verſenkte Steine oder Drainröhren fixiert werden. Dann iſt es aber wünſchenswert, daſs die verſenkten Zeichen durch in der Nähe angebrachte Con— trolſteine kenntlich gemacht werden. Meiſt iſt jedoch gebräuchlich, einen gemeinſchaftlichen Grenzweg dadurch zu ſichern, dass die Steine abwechſelnd auf die Grundſtücke der Adjacenten an beiden Wegrändern geſetzt werden. Bildet der eine Wegrand die Grenze, ſo iſt nur dieſer zu verſteinen (an den Hauptbrechpunkten). Steht zu befürchten, daſs die Grenzſicherungspunkte durch den Verkehr auf den Wegen leiden können, ſo werden zweckmäßigerweiſe vor ihnen Abweis— ſteine oder Pfähle angebracht. Wenn bei der Abtheilungsbildung die Wahl freiſteht, einen Weg oder Bach als Wirtſchaftsgrenze anzuneh⸗ men, ſo iſt in der Regel der erſtere zu wählen, weil dadurch bei der Hiebsführung der Holz— transport erleichtert und ſchonender wird. Nr. Grenzwild, das, nennt man auch das Wechſelwild, d. h. ſolches, welches nahe der Grenze ſteht und oft ins Nachbarrevier hin— überwechſelt. Benet, De jure venandi, p. 720. — Auch Zuſammenſetzungen wie: „Dann wird man Grenzhähne (Auerhähne) ... zuerſt aufs Korn nehmen.“ Wurm, Auerwild, p. 92. — „Man beſchießt zuerſt die Grenz hühner.“ Regener, Jagdmethoden, p. 61 u. ſ. w. E. v. D. Grenzwinkel find diejenigen Winkel, welche an den Brechpunkten des Grenzzuges auftreten. Dieſelben werden gewöhnlich mit dem Theodoliten oder der Bouſſole gemeſſen. Es iſt am einfachſten, wenn immer nur der innere Grenzwinkel gemeſſen und ins Grenzlagerbuch (ſ. d.) eingetragen wird. Der innere Örenz- winkel iſt derjenige, welcher an der Seite des betreffenden Grundſtückes einen Theil desſelben Die Grenz⸗ — — — Grenzzeichen. — Groppe. 497 winkel müſſen wenigſtens bis auf die Minute genau angegeben werden. Nr. Grenzzeichen, ſ. Grenzbezeichnung. Nr. Grenzzug nennt man gewöhnlich den Zu— ſammenhang einiger oder mehrerer — durch Brechpunkte unterſchiedener — gerader Grenz— linien, welche ſich an einem Grundſtück hin— ziehen. Es iſt zweckmäßig, bei der Regulierung möglichſt lange und gerade Grenzzüge zu wählen. Nr. Greſſe, Greßling, ſ. Gründling 1 Hcke. Gressoria, Schreitſchrecken, eine Gruppe der Abtheilung Orthoptera vera, echte Gerad— flügler, ſ. Orthoptera. Hſchl. Grieslaugeln, j. Strömer. Hcke. Griff, der, ſ. v. w. Fang bei Raub⸗, na⸗ mentlich Beizvögeln; vgl. a. Hand. „Griffe nennen einige die Klauen der Raubvögel.“ Heppe, Wohlred. Jäger, p. 148, 153. — Behlen, Wmſpr., 1829, p. 71. — Hartig, Lexikon, p. 228. dv ritze. — Sanders, Wb. I., p. 626. E. v. D. Griff — Handhabe der Seitengewehre, ſ. Blanke Waffen. Th. Griſfbügel — Hornbügel, ſ. d. Th. Griffel (bei den Inſecten), j. stylus. Hſchl. Grimmen, das, ſ. v. w. Burgſtall, ſ. d., wo alle Belegſtellen angegeben. E. v. D. Grimmenſtich, der: „Grimmenſtich, alſo benennen einige das, was ein angeſchoſſen Wildſtück macht, indem es ſich getroffen findet. Wann es ſonderheitlich tödtlich verwundet, ziehet es die vier Läufe zuſammen, und greiffet mit den Spitzen der Schaalen ſcharf zu Boden, auch Schreckſprung.“ Chr. W. v. Heppe, Wohl⸗ red. Jäger, p. 188, 332. — Selten, ſonſt nicht belegbar. E. v. D. Grind, der, ſeltener das, unſchöner Aus— druck für den Kopf, das Haupt des hohen edlen Haarwildes mit Ausnahme der Sauen. „Grind, nennen Einige des Hirſchens Kopf und ſagen z. B. der Hirſch hat einen ſtarken oder hat viel auf dem Grind, oder ich habe den Hirſch bey dem Grind geſehen.“ Chr. W. v. Heppe, Wohl- red. Jäger, p. 188. — Onomat. forest. IV., p. 412. — Behlen, Real- und Verb.⸗Lexikon III., p. 501. — Keller, Die Gemſe, p. 497. — Sanders, Wb. I., p. 628. E. v. D. Grindſchuſs, der = Kopfſchuſs. Behlen, Real⸗ und Verb.⸗Lexik. III, p. 501. E. v. D. Gringel, ſ. Gründling. Hcke. Grinſel, ſeltener Ausdruck für Kimme, ſ. Viſiervorrichtung. Th. Grob, adj. I. Wm. nur von Sauen — ſtark. „Wenn ein Rudel Sauen bey einander, und ſelbige ſtärcker ſeyn, als Friſchlinge, ſo heiſſet es ein Rudel lauter ſtarcke oder grobe Sauen.“ Döbel, Jägerpraktika, 1746, I., fol. 24. — „Einen übergangenen oder überlaufenen Friſch— ling, welcher auch vor eine ſtarke oder grobe Sau angeſprochen wird . . .“ C. v. Heppe, Aufr. Lehrprinz, p. 86. — „Grobe oder ſtarke Sauen heißen die größeſten und ſtärkſten wilden Schweine männlichen und weiblichen Geſchlech— tes.“ Großkopff, Weidewercks-Lexikon, p. 144. — „Grobe Sauen zeigt fo viel an als ſtarke oder gute Sauen.“ Chr. W. v. Heppe, Wohlred. Jäger, p. 188. — „Sobald ſie (die Bache) 4 volle Jahre alt iſt, hört die Beſtimmung des Alters auf, und man ſpricht ſie dann als ſtarke, an einigen Orten als grobe Bache an.“ D. a. d. Winkell, Hb. f. Jäger, I., p. 302. — „Grobe Sauen ſind ſolche, die zweijährig und älter find.“ Hartig, Lexikon, p. 228. — „Vom 7. Jahr an Hauptſchwein oder grobes Schwein.“ Laube, Jagdbrevier, p. 273. — Behlen, Wmſpr., 1829, p. 7A. II. Vom Schrot — grobkörnig, ſtark. „Wenn man es (das Wildpret) mit Poſten und groben Hagel aus einer Flinte ſchießet ...“ C. v. Heppe, 1. c., p. 154. — Hartig, Lexikon, p. 468. — Diezel, Niederjagd, p. 272. III. Von der Stimme des Hundes, j. grob— hälſig. — Sanders, Wb. I., p. 629. E. v. D. Grobhälſig, adj.: „Jagdhunde mit einer hellen, gut klingenden Stimme haben einen guten Hals, mit einer feinen Stimme heißen ſie feinhälſig, mit einer groben grobhälſig.“ Bechſtein, Hb. d. Jagdwiſſenſchaft I., I., p. 28. — Döbel, V. Aufl. 1828, I., p. 122 b. E. v. D. Grobjährig nennt man ein Holz mit auf⸗ fallend breiten Jahresringen. Nr. Grobwild, das, ſeltener, heute kaum mehr üblicher Name des Schwarzwildes, ſeltener noch als Sammelname für das Elch-, Roth-, Dam- und Schwarzwild. „Grob-Wildbret, ſiehe Schwarzes Wildpret.“ Chr. W. v. Heppe, Wohlred. Jäger, p. 189. — „Grobwild nennen Einige das Elen-, Edel-, Dam- und Schwarzwild.“ Hartig, Wmſpr., 1809, p. 114; Lexikon, p. 228. — Behlen, Wmſpr., 18 De v. Grollen, verb. intrans., ſelten ſtatt ſchreien oder rehren vom Rothhirſch. „Grollen wird zur Brunftzeit das Geſchrei des Hirſches beim Kampfe (2) mit einem anderen genannt.“ Behlen, Real- und Verb.⸗Lexikon III., p. 501. E. v. D. Groppe, die (Cottus gobio Linné; Syn.: Cottus affinis, C. ferrugineus, C. laevis, C. microstomus, C. minutus, C. poecilopus), auch Dickkopf, Dolm, Dolp, Kaulquappe, Koppe, Mühlkoppe, Tolbe, Tolbn; böhm.: pulee; poln.: glowacz; ung.: putra kolty, beka-hal, ebhal; krain.: menkizhek, kapzh; ruſſ.: buitschok, golowatsch; engl.: bullhead, millers thumb; franz.: chabot; ital.: magnarone, ghiozzo, scazzone, cazzagnola; Fiſch aus der Gattung der Groppen (Cottus Artedi) und der Familie der Panzerwangen (Cataphracti oder Tri- glidae, ſ. Syſt. der Ichthyologie). 10—15 cm lang. Der nackte Leib iſt keulenförmig, hinten zugeſpitzt und ſeitlich zuſammengedrückt, vorne cylindriſch mit dickem, breitem, von oben nach unten plattgedrücktem Kopfe und ſehr weitem endſtändigem Maule, welches vorne in den Kiefern und am Pflugſcharbein zahlreiche Hechel— zähne trägt, während der Gaumen zahnlos iſt. Die Oberſeite des Kopfes mit den nach oben gerichteten, ziemlich nahe bei einander ſtehenden Augen iſt ohne bemerkbare Knochenleiſten, die Seiten mit dem Kiemendeckelapparat ſind ganz glatt und von dicker Haut überzogen. Am Rande des Vordeckels ſteht ein ſtärkerer oder ſchwä— cherer, oft faſt ganz von der Haut eingehüllter Dombrowski. Eneyklopädie d. Forſt⸗ u. Jagdwiſſenſch. IV Bd. 32 498 Großbauer. gekrümmter Stachel. Auf dem Rücken ſtehen zwei getrennte, aber eng zuſammenſtoßende Floſſen, die erſte mit 5—9, die zweite mit 15 bis 20 biegſamen, ungetheilten Strahlen. Die unter der zweiten Rückenfloſſe ſtehende After— floſſe enthält 9—15 ungetheilte Strahlen; die ſchmalen, bruſtſtändigen Bauchfloſſen, welche zurückgelegt und ausnahmsweiſe bis zu dem ungefähr in der Mitte der Körperlänge ge— legenen After reichen, haben meiſt 1 harten und 4 weiche Strahlen, die großen Bruſtfloſſen 13 bis 15 Strahlen, welche am Ende oft gegabelt ſind. Die Färbung iſt ſehr verſchieden, meiſt dunkelgrau oder braun mit verwaſchenen dunk— leren Flecken; Floſſen in der Regel mit ſchwärz— lichen Punkten oder Binden. Die Groppe iſt einer unſerer veränderlichſten Süßwaſſerfiſche, namentlich was die Stärke des Kopfſtachels, die Geſtalt des Kopfes, die Strahlenzahl und Länge der Floſſen betrifft; manche Abarten ſind als beſondere Species beſchrieben. Sie bewohnt das Süßwaſſer von faſt ganz Europa und Nord— aſien mit Ausnahme des äußerſten Südens, außerdem die brackiſchen Buchten, Haffe und Scheren der öſtlichen Oſtſee. Zu ihrem Gedeihen verlangt ſie klare, lebhaft fließende Ströme und Bäche mit ſteinigem Grunde; hier iſt ſie faſt ſtets zu finden, auch wenn ihr nur eine ſehr geringe Menge Waſſer zu Gebote ſteht. Be— zeichnend iſt ihr Vorkommen in der Forellen— region zuſammen mit der Forelle und Ellritze. Im Gebirge iſt fie bis 2000 m Meereshöhe gefunden worden. Unter Steinen und Löchern verſteckt, lauert ſie, beſonders in der Nähe der Mühlen, auf ihre Beute, Fiſchbrut, kleine Krebſe, Inſecten- und namentlich Libellenlarven und ſchießt mit ſtoßweiſer, ſchneller Bewegung her— vor. Bei ihrer großen Gefräßigkeit kann ſie durch Vertilgung des Forellenlaiches ſehr ſchäd— lich werden. Die Laichzeit fällt in die Zeit vom Februar bis Mai, wo das Weibchen 1 bis 300 röthlichgelbe, 2—2˙5 mm große Eier in einem Klumpen unter Steinen ablegt. Ver— ſchiedenen Berichten nach ſoll das Männchen die Grube für die Eier herſtellen und dieſelben ſorgfältig bewachen und gegen die Angriffe anderer Thiere vertheidigen; indes iſt über dieſe Brutpflege Sicheres noch nicht feſtgeſtellt. Der Fang iſt ſehr leicht, da die Groppe gierig an die mit einem Wurm geköderte Angel beißt und bei ihrem Trieb, ſich beſtändig zu verſtecken, ſehr leicht in kleine Reuſen geht; an manchen Orten legt man Reiſigbündel ins Waſſer, in denen ſie ſich verkriechen und beim Aufziehen hängen bleiben. Auch laſſen ſie ſich mit der Hand greifen oder mit Gabeln aufſpießen. Meiſtens werden ſie nur als ein guter Köder für Aale und Forellen benützt, obwohl das beim Kochen oft röthlich werdende Fleiſch gebraten oder gebacken ſehr gut ſchmeckt. Hcke. Groß, adj., iſt heute in der Wmſpr. allge— mein und unbedingt verpönt. Das Wort wird durch ſtark, gut, brav, kapital, grob vertreten. E. v. D. Großbauer Franz, Edler von Wald— ſtätt, geb. am 29. December 1813 zu Trumau (Niederöſterreich), geſt. 31. Mai 1887 zu Ma⸗ riabrunn, einziger Sohn eines k. k. Hofjägers, erhielt den Elementarunterreicht in ſeinem Ge— burtsort, wurde ſodann 1824 von ſeinem Gönner, dem damaligen Abt des ECiſterzienſerſtiftes Hei- ligenkreuz in Niederöſterreich, Seidemann, in das dortige Convict aufgenommen und beſuchte daſelbſt das Untergymnaſium, worauf er die Lycealſtudien in Wien abſolvierte. Urſprünglich für theologiſche oder juriſtiſche Studien beſtimmt, wendete ſich Großbauer, ſeiner Neigung folgend, dem Forſtfache zu und trat nach vorausgegan— gener einjähriger Forſt- und Jagdpraxis beim Forſtmeiſteramt in Laxenburg in die k. k. Forſt⸗ lehranſtalt Mariabrunn ein, wo er in den Jahren 1833—1835 den zweijährigen Lehreurs, ſowie den nicht obligat geweſenen dritten Curſus abſolvierte. Nach Zurücklegung der Fachſtudien wurde Großbauer am 26. Februar 1836 bei dem da— mals vereinigt geweſenen k. k. Oberſthofjäger— meiſter- und niederöſterreichiſchen Waldamte als Forſteandidat aufgenommen und daſelbſt theils im Bureau theils zu proviſoriſchen Dienſt— leiſtungen beim Forſtbetriebe verwendet. In Hinblick auf ſeine mit ſehr günſtigem Erfolge zurückgelegten Fachſtudien wurde Großbauer als Aſſiſtent an der Forſtlehranſtalt Mariabrunn angeſtellt und nach Penſionierung des Profeſſors Schmitt vom 1. Auguſt 1837 bis Ende Mai 1838 mit der Verſehung der Profeſſur für Forſt— wiſſenſchaft und nach Beſetzung dieſer Stelle durch den damaligen Profeſſor der Forſtnatur— kunde, Grabner, am 1. Juli 1838 bis 1. Juli 1839 mit Abhaltung der Vorleſungen über Forſtnaturkunde betraut, welch letztere Stellung ihm nach abgelegter Concursprüfung definitiv verliehen wurde. Als bei der im Jahre 1830 proviſoriſch und im Jahre 1832 definitiv ein— getretenen Reorganiſation der Forſtlehranſtalt ein Theil der naturwiſſenſchaftlichen Vorträge (Phyſik und Chemie) wegfiel, übernahm Groß bauer nebſt ſeinen früheren Vorträgen über Forſtbotanik, dann Klimalehre und Bodenkunde auch einen Theil der Forſtbetriebsfächer (Grund— riſs der Forſtwirtſchaft, Waldbau und Jagd— kunde) ſowie die Inſpection über den Schul— forſt und rückte nach dem neuen Statut zum erſten Profeſſor der Forſtlehranſtalt vor. Nach der im Jahre 1867 erfolgten Erhe— bung der Forſtlehranſtalt zur Akademie wurde Großbauer in ſeiner dermaligen Eigenſchaft als Profeſſor der forſtlichen Productionslehre durch hohe Entſchließung vom 3. December 1867 be— ſtätigt und docierte ſpäter nebenbei auch an der am 1. October 1872 eröffneten landwirtſchaft⸗ lichen Section der Hochſchule für Bodencultur in Wien, Waldbau, bis die Aufhebung der Forſtakademie in Mariabrunn ihn nach faſt vierzig— jähriger Lehrthätigkeit beſtimmte, 1875 in den bleibenden Ruheſtand zu treten. Die Admini— ſtration des Lehrgebäudes und des in Maria- brunn belaſſenen Theiles der Lehrmittelſamm— lung beſorgte Großbauer auch nach ſeiner Pen— ſionierung bis zu ſeinem Tode. Großbauer war ein ausgezeichneter Lehrer und hat ſich um die Entwicklung der Akademie Mariabrunn ſowie beſonders um deren Samm— lungen große Verdienſte erworben. Großgrundbeſitz. An allen Organiſationen der Forſtlehr— anſtalt und der Verwaltung der Staatsforſte des Wienerwaldes, an den Verhandlungen über forſtliche Geſetzentwürfe, den Verſammlungen der Fachgenoſſen nahm Großbauer den regſten Antheil, auch gehörte er dem zu Mariabrunn eingeſetzten permanenten Comité für forſtliche Verſuche an. Als Menſch war Großbauer aus— gezeichnet durch Liebenswürdigkeit und Be— ſcheidenheit. Nachdem das Ackerbauminiſterium ihm be— reits wiederholt ſeine Anerkennung ausgeſpro— chen hatte, wurde er 1870 in Anerkennung ſeines vieljährigen erſprießlichen Wirkens im Lehrfache mit dem Franz Joſefs-Orden deco— riert und anlässlich des erbetenen Übertrittes in den Ruheſtand geadelt und ihm das Ehren— wort „Edler von“ mit dem Prädicate „Waldſtätt“ verliehen. Seine literariſche Thätigkeit erſtreckte ſich hauptſächlich auf zahlreiche wertvolle Journal— artikel, neben welchen er nur eine ſelbſtändige, heute noch ſehr geſchätzte Arbeit: Das Winkler'ſche Taſchendendrometer neueſter Conſtruction und feine Anwendung zu Baum- und Beſtandsſchätzung und zu anderen in der Praxis vorkommenden Vermeſſungsarbeiten, Wien 1864, verfaſst hat. Schw. Großgrundbeſitz tritt von einer gewiſſen Flächengröße — etwa 10.000 ha — an auf. Zeigt ſich derſelbe bei Gemeinden oder Pri— vaten, ſo iſt bei vorhandener Waldwirtſchaft die Forſteinrichtung und der Forſtbetrieb ähn⸗ lich geſtaltet wie beim Staatswalde. Nr. Großnutzholz, ſ. Nutzholz. Fr. Großſchmetterlinge, Macrolepidoptera, bil- den in Gegenüberſtellung zu der Kleinſchmetter— lingen, Microlepidoptera, die eine der beiden Hauptabtheilungen der Ordnung Lepidoptera und umfaſſen: 1. die Tagſchmetterlinge (Rhopalocera); 2. die Schwärmer (Sphinges); 3. die Spinner (Bombyces); 4. die Eulen (Noctuae) und 5. die Spanner (Geometrae), ſ. Lepidoptera. Hſchl. Grubenholz iſt dasjenige Holz, welches der Bergbau verwendet. Vorherrſchend hat das Grubenholz nur geringere Dimenſionen, bei Stämmen etwa bis 20 cm Mittenſtärke. Da nun in denjenigen Gegenden, in welchen Berg— bau getrieben wird, das ſchwache Bauholz ver— hältnismäßig hoch im Preiſe ſteht, ſo iſt es erklärlich, daſs für die daſelbſt gelegenen Wal— dungen ein niedriger Umtrieb financiell gerecht— fertigt iſt. Nr. Grubdenkalk, ſ. Atzkalk. Fr. Grubenköhlerei. Als der ſteigende Holz⸗ bedarf zwang, auch die weiter entlegenen Wald— theile zur Deckung des Bedarfes an Feuerungs— material heranzuziehen, nöthigten die ſchlechten e en da, wo nicht das Waſſer hiefür zu Hilfe genommen werden konnte, Ge— wicht und Volumen des Holzes durch Verkohlen zu vermindern. Kohlen waren ferner ſeit ur— alter Zeit für den Betrieb einzelner Gewerbe, z. B. für Schmiede ſowie zum Schmelzen der Erze unentbehrlich. Schon in den Weisthümern des Mittel— alters finden ſich daher Beſtimmungen, welche — Grubenrecht. 499 den Köhlereibetrieb regelten; derſelbe war meiſt nur mit beſonderer Erlaubnis auf Grund der Genehmigung einer beſtimmten Anzahl von Kohlenfeuern oder auch von Köhlern geſtattet. Aus dieſen Quellen geht aber gleichzeitig hervor, daſs urſprünglich das Verkohlen we— niger in Meilern, als in Gruben erfolgte. (Item si aliquis sine licentia carbones com- busserit, ille componet de qualibet fovea A solidum. Gr. IV 589. Anf. d. XIII. Jahrh. und Auch sal he werin kolenburnen äne eime dorfsmede, der sal sie burnen in siner marke und undir der erdin, Weisth. des Dreieicher Waldbannes a. 1338). Der ſteigende Wert des Holzes und die Fortſchritte in der Technik des Köhlereibetriebes brachten es mit ſich, daſs die ungemein holzverſchwendende Grubenköhlerei, auch bisweilen Lichtköhlerei genannt, ſeit dem XVI. Jahrhunderte mehr und mehr der beſſeren Meilerköhlerei wich; nur an einzelnen entlegenen Orten, z. B. im Speſſart, Thüringer- wald, Fichtelgebirg, findet ſie ſich gegen Ende des XVII. Jahrhunderts, wurde jedoch ſchließlich nur noch neben der Meilerköhlerei zum Ver— kohlen der geringeren Sortimente, namentlich des Reiſigs, welche ſich zum Einſetzen in Meiler wenig eigneten, betrieben. Schw. Grubenrecht iſt die Forſtſervitut (ſ. d.) zur Gewinnung von unter der Erde befindlichen, nicht dem Bergregale unterſtehenden Mineralien, insbeſondere von Steinen, Sand, Lehm, Thon, Mergel u. ſ. w. Braun- und Steinkohlen können keinen Gegenſtand einer ſolchen Berechtigung bilden, wohl aber der Torf, deſſen Benützung, ſoweit es ſich um Waldungen handelt, übrigens in Deutſchland erſt der neueren Zeit angehört, jo daſs eine ſolche Servitut wohl nur höchſt ausnahmsweiſe durch ein Rechtsgeſchäft beſtellt oder durch Verjährung erworben wurde. Das römiſche Recht kennt die zu Gunſten der Bauten eines Landgutes (ſ. Gebäudeſervituten) be— ſtellte Servitut zum Steinbrechen (jus lapidis eximendi), zum Graben von Sand und Thon (arenae fodiendae) und zum Kalklöſchen (caleis coquendae). Das Grubenrecht erſtreckt ſich in der Regel nur auf die Befriedigung des Bedarfes des herrſchenden Gutes, wovon eine Ausnahme nur dann zu machen iſt, wenn durch das Rechts- geſchäft oder durch verjährtes Herkommen die Productengewinnung für den Geſchäftsumfang eines Gewerbes, welches dann nicht willkürlich erweitert werden darf, geſtattet iſt. Die vor— handenen Gruben ſind ſo lange als möglich zu benützen und neue Gruben nur auf Anweiſung des Waldeigenthümers anzulegen, der natürlich hiebei auf die zweckmäßige Befriedigung der Be— dürfniſſe des Berechtigten, namentlich auf eine er= leichterte Abfuhr der gewonnenen Producte möglichſt Rückſicht zu nehmen hat. Ob die Be- rechtigung ſich auf die ſämmtlichen oben ge— nannten Nutzungsobjecte oder nur auf das eine oder andere derſelben erſtreckt, iſt nach dem Rechtsgeſchäfte, dem Herkommen und der Landes— geſetzgebung zu beurtheilen. Gleiches gilt be— züglich der Frage, ob der Berechtigte die ver— laſſenen Gruben einzuebnen verpflichtet iſt. Der Torfberechtigte darf keinen Raubbau vornehmen 32 * 500 Grümpel. — Grundbuch. und mus alle zum Nachwachſen des Torfes nöthigen Maßregeln treffen. Auf die Bewirtſchaftung des Waldes wirkt das Grubenrecht in keiner Weiſe ſtörend ein und wird dasſelbe nur dadurch läſtig, daſs das bei der Ausübung der Nutzung verwendete ſchwere Fuhrwerk die Wege ſehr beſchädigt, und der Be— rechtigte und ſeine Arbeiter zu Holzentwendun— gen und Exceſſen anderer Art häufig nur zu leicht geneigt ſind. Für den Waldeigenthümer iſt die Ablöſung dieſes Rechtes vortheilhaft, wenn der Ertrag der Grube nach erfolgter Ab- löſung, die Erſparung an Wegbauunterhaltungs- koſten und der Gewinn aus der Verminderung des Forſtfrevels zuſammen die Zinſen des Ab— löſungscapitals überſteigen, während der Be— rechtigte auf ſein Recht wohl nur dann ver— zichten kann, wenn er die betreffenden Producte anderwärts zu beziehen vermag. Die Gewinnung eines wertvollen Rohmaterials und die Gewäh— rung von Arbeits verdienſt für den Berechtigten laſſen das Grubenrecht volkswirtſchaftlich nützlich erſcheinen, und eine Zwangsablöſung desſelben, obgleich durch verſchiedene Ablöſungsgeſetze zu— gelaſſen, iſt deshalb nicht gerechtfertigt. Das Geſagte findet auch auf die Berech— tigung zum Kohlenbrennen, zum Abla- gern von Holz, Steinen, Erde u. ſ. w. auf fremden Grundſtücken analoge Anwendung. Schon in Rom kam es übrigens vor, dass Steinbruchbeſitzer das Recht hatten, Erde, Steine und Gerölle auf angrenzenden Grundſtücken ab— zulagern. At. Grümpel, j. Ellritze. Hcke. Grünberger Johann Georg, geb. 1749 in Bettbrunn (bei Ingolſtadt), geſt. 18. Fe⸗ bruar 1820 in München, wurde 1789 bei der damaligen Organiſation der bayriſchen Forſt⸗ verwaltung Forſt- und Wildmeiſter in Köſching, bereits 1791 zum wirklichen frequentierenden kurfürſtlich bayriſchen Hofkammerrath mit Sitz und Stimme in München befördert und 1799 zum Generallandesdirectionsrath daſelbſt er- nannt. Hier ertheilte er nebenbei eine zeitlang forſtlichen oder mathematiſchen Unterricht an der 1790 eröffneten Staatsforſtlehranſtalt, welche 1803 nach Weihenſtephan verlegt wurde. Bei der Organiſation der Generalſalinenadminiſtra— tion im Jahre 1807 wurde Grünberger, unter Belaſſung in ſeinem Amte, dem Salinenrath als techniſcher Referent für forſtliche Angelegen— heiten beigegeben und noch in demſelben Jahre zum Oberforſtrath ernannt. 1808 wurde er Mit- glied der Steuervermeſſungscommiſſion und 1814 Vorſtand derſelben. Nach dem 1847 erfolgten Tode des Grafen von Rechberg wurde ihm neben ſeinem Amte auch noch die Stelle eines Diree— tors der neu organiſierten Generalforſtadmini— ſtration übertragen, welche er proviſoriſch bis zum 20. Juli 1818, wo dieſe Behörde wieder aufgelöst wurde, bekleidete. Grünberger war nicht nur ein tüchtiger Geſchäftsmann, ſondern auch wiſſenſchaftlich hoch gebildet, ein Förderer der forſtmathematiſchen Richtung. Große Verdienſte um die bayriſche Forſtverwaltung hat er ſich durch ſeine ener— giſche Oppoſition gegen die namentlich vom Landesdirectionsrath Hazzi angeſtrebte Ver- äußerung der bayriſchen Staatsforſte erworben. Seine Schriften ſind: Berechnug und Bes obachtung der den 24. Juni 1778 eingefallenen Sonnenfinſternis, 1778; Rede von der mannig⸗ faltigen Brauchbarkeit der mathematiſchen Kennt— niſſe 1785: Lehrbuch für die pfalzbairiſchen Förſter, 1788—1790, gemeinſchaftlich mit Däzel verfajst, von Grünberger rührt nur der erſte Theil desſelben (Arithmetik und Meßkunſt) her, während der zweite Theil (Phyſiologie der Holz⸗ gewächſe und Forſtbetrieb) ſowie der dritte (Holzzucht, Forſtpflege und Forſtbenützung) von Däzel verfasst find; Einige Anſichten von dem Forſtweſen in Bozen, mit Bemerkungen über die echten Anſichten der Waldungen des Landes— directionsrathes Ivan Hazzi, 1805; Kurz⸗ gefaſste Geſchichte und Darſtellung der Catafter- commiſſionsarbeiten, 1820. Schw. Grund- oder Kothablaſs, ſ. Klaus⸗ canäle. Fr. Grundbau, ſ Fundierungen. Fr. Grundbeſitz- und Grundlaſlenverzeichnis, ſ. Beſitz- und Laſtenſtandsnachweiſung. v. G. Grundbuch (Deutſchland) iſt das amt⸗ lich geführte Verzeichnis der Grundſtücke einer Gemeinde (ſ. d.) mit Angabe der Steuer-, feinen, und Belaſtungsverhältniſſe der- elben. In Preußen wurde durch die beiden Ge— ſetze vom 5. Mai 1872, die Grundbuchordnung ſowie den Eigenthumserwerb und die dingliche Belaſtung der Grundſtücke, Bergwerke und der ſelbſtändigen Gerechtigkeiten betreffend, für jede Gemeinde, bezw. jeden ſelbſtändigen Gutsbe— zirk die Anlegung eines ſich auf die Steuer— bücher gründenden und mit denſelben in fteter Übereinſtimmung zu erhaltenden Grundbuches angeordnet, in welchem für jedes Grundſtück ein aus mehreren Bogen beſtehendes Blatt (folium, Realfolie) beſtimmt iſt, mit Ausnahme der Landestheile mit ſehr parcelliertem Grund— beſitze (Weſtfalen und Theile der Provinzen Sachſen und Hannover), wo das Grundbuch für jeden Eigenthümer einen mehrere Bogen umfaſſenden Artikel (Perſonalfolie) enthält. Jedes Grundbuchblatt beſteht aus vier Ta— bellen, dem Titel, welcher die Steuerverhält— niſſe angibt, und drei Abtheilungen, von wel— chen die erſte die Eigenthumsverhältniſſe, die zweite die dauernden Laſten und Einjchrän- kungen des Eigenthums und die dritte die Hypotheken und Grundſchulden nachweist. Ebenſo enthält jeder Grund buchartikel neben dem Titel, welcher nur den Namen des Eigenthümers angibt, drei Abtheilungen, von welchen die erſte die Steuerverhältniſſe und Zeit und Grund des Erwerbes der einzelnen Grundſtücke, die zweite und dritte, wie jene des Grundbuchblattes, die Belaſtungsverhältniſſe zum Gegenſtande haben. Die Führung der Grundbücher, für welche bis zum Jahre 1879 beſondere Grundbuchämter beſtellt waren, er- folgt jetzt durch die Amtsgerichte, und der be— treffende Amtsrichter erſcheint als Grundbuch⸗ richter und der Gerichtsſchreiber als Grund— buchführer. Der Eintrag (Intabulierung, In⸗ groſſierung) erfolgt nur auf Antrag, und dieſer Grundbuch. 501 iſt immer von dem Grundbuchrichter auf das Vorhandenſein der geſetzlichen Vorausſetzungen (Legalität) zu prüfen. Die Auflaſſung (ſ. d.) iſt nur bei freiwilliger Veräußerung erforder— lich, indem bei der nothwendigen (Enteignung, Gemeinheitstheilung, Ablöſung, Zwangsver— kauf) der betreffende Amtsact als ſolche gilt. Bei freiwilliger Veräußerung bedarf es keines bejonderen Vertrages, ſondern es genügt, dajs die beiden Contrahenten (oder deren Bevoll— mächtigte) gleichzeitig mündlich vor dem Grund— buchrichter ihre Zuſtimmung zur Auflaſſung ertheilen. Der Auflaſſung ſoll unmittelbar der Eintrag in das Grundbuch folgen, durch wel— chen erſt die Eigenthumsübertragung öffentliche Giltigkeit erhält. In Bayern ſollen nach dem Grundſteuer— geſetze vom 15. Auguſt 1828 die von den Rentämtern in Evidenz zu erhaltenden Grund— jteuercatafter (ſ. Forſtgrundſteuerermitt— lung) nach Ablauf der dreijährigen Reclama— tionsfriſt Saal- und Lagerbücher mit Be— weiskraft für die Zukunft nicht nur in An- ſehung der Steuerverhältniſſe, ſondern auch be— züglich der Rechte und Verbindlichkeiten der Betheiligten bilden, allein in der Wirklichkeit gelten bezüglich der Eigenthums- und Be— laſtungsverhältniſſe nur die Angaben der Hypo— thekenbücher als authentiſche. Zur Auflaſſung gehört ein notarieller Vertrag, welcher die Grundlage für die Berichtigung des Steuer— cataſters und des Hypothekenbuches bildet. Von dem Hypothekenbuche (ſ. d.) unter- ſcheidet ſich das Grundbuch prineipiell dadurch, daſs erſteres nur für den Nachweis der auf den einzelnen Grundſtücken haftenden Schulden und vorübergehenden Laſten (Altentheile, Woh— nungsrechte u. ſ. w.) beſtimmt iſt. In der Wirf- lichkeit enthält das Hypothekenbuch aber häufig, z. B. in Bayern, Sachſen, Mecklenburg, Sach— ſen⸗Altenburg, auch noch die Angabe der Eigen— thums⸗, bezw. Beſitzverhältniſſe und der unab- änderlichen Laſten, da hievon die Sicherheit einer Hypothek abhängt. Gibt ein ſolches Hypo— thekenbuch noch die Steuerverhältniſſe an, ſo kann ein Unterſchied desſelben von dem preußi— ſchen Grundbuche nur darin gefunden werden, daſs dieſes den Eigenthümer des Grundſtückes, das Hypothekenbuch nur den urkundlich berech— tigten (titulierten) Beſitzer nachweist. Ofter iſt jedoch (3. B. in Württemberg, Baden, Heſſen, Sachſen-Meiningen) der Nachweis der Eigen— thumsverhältniſſe (Grundbuch) von dem der Pfandrechte (Hypothekenbuch) getrennt. Die Hypothekarbücher im Geltungsbereiche des fran— zöſiſchen Code civil (ſ. Allgemeines bürger— liches Geſetzbuch) enthalten weder alle Ver— änderungen des Grundeigenthums, noch alle darauf haftenden Laſten. Mit dem neuen allgemeinen bürgerlichen Geſetzbuche ſoll auch eine Grundbuchordnung verbunden werden. At. Grundbuch (Oſterreich). Für Weftöfter- reich beſteht das Grundbuchsgeſetz v. 25./7. 1871, R. G. Bl. Nr. 95 und 96 (wirkſam ſeit 15./2. 1872), ſowie Provinzialgeſetze über die Anlegung und innere Einrichtung der Grund— bücher. Das Grundbuchgeſetz gilt nur dort, wo wirkliche Grundbücher beſtehen (mit einem Hauptbuche, Syſtem der Realfolien, Eintragung aller dinglichen Rechte und deren Verände— rungen); wo dies bisher nicht der Fall iſt, wer— den neue Grundbücher angelegt und überall die alten dem neuen Stande der Geſetzgebung an— gepaſst; etwa drei Viertheile aller Cataſtral— gemeinden ſind dermalen in die neuen Grund— bücher übertragen. In Ungarn gilt die pro— viſoriſche M. Vdg. v. 15/12. 1855, welche, im ganzen und großen auf geläuterten Rechtsprin— cipien beruhend, als Vorläuferin des neuen öſterreichiſchen Grundbuchsgeſetzes anzuſehen iſt. Wir können in Oſterreich verſchiedene Arten von Grundbüchern unterſcheiden: a) Land— tafeln, das ſind jene Bücher, welche über die früher herrſchaftlichen (Dominical-) Grundſtücke geführt werden; keine Landtafeln beſtehen in Salzburg, Tirol, Görz, Gradisca, Iſtrien und Dalmatien. Da für die Landtafelgüter einer Provinz nur ein Hauptbuch beſteht, ſo werden die Landtafeln (mit Ausnahme von Galizien) in den Landeshauptſtädten beim k. k. Landes— gerichte geführt, jo daſs man in allen Land— tafelſachen ſich an dieſes Gericht zu wenden hat. b) Die eigentlichen Grundbücher, von denen die über die ſtädtiſchen Realitäten geführten Bücher bei den Gerichtshöfen erſter Inſtanz (Landes- oder Kreisgericht von Behörden), die Grundbücher über die anderen unbeweglichen Güter (mit Ausnahme der Fideicommiſſe, ſ. d.) bei jenen Bezirksgerichten geführt werden, in deren Sprengel dieſelben ganz oder zum größten Theile liegen. c) Eiſenbahnbücher (Geſ. v. 19./5. 1874, R. G. Bl. Nr. 70), ſ. Eiſenbahnen. d) Berg bücher, ſ. Bergweſen. In jenen Gegenden, in welchen eigentliche Grundbücher exiſtieren, beruhen dieſelben gegen— wärtig auf dem Hauptbuch- und Realfolien⸗ ſyſtem, d. h. das Grundbuch beſteht aus einem Hauptbuche und einer Urkundenſammlung und jeder Grundbuchskörper (Gut, Wirtſchaft) er— hält ſein (Real-) Folium. Das Grundbuch beſteht aus Grund buchs— einlagen, d. i. derjenige Raum des Haupt— buches, in welchem alle ein beſtimmtes bücher— liches Object (Grundbuchskörper) betreffenden Eintragungen vereinigt ſind; ein Grundbuchs— körper iſt jenes Immobiliarobject, welches Ge— genſtand vollſtändiger bücherlicher Belaſtung iſt. Eine Einlage kann nie weniger als einen Grund— buchskörper, ſoll aber regelmäßig auch nicht mehr als einen ſolchen enthalten. Jedes Haupt— buch, welches immer das eigentliche Grundbuch darſtellt, hat einen Real- und einen Perſonal— Index. Die Grundbuchseinlagen beſtehen aus drei Blättern. a) Gutsbeſtandsblatt mit der Aufgabe, die Identität und Beſchaffenheit des Grund— buchskörpers zu erweiſen. Es enthält zunächſt die Bezeichnung der Objecte durch Angabe des Namens, der Hausnummer und Hinweis auf das Cataſter (über das Verhältnis zwiſchen Grundbuch und Cataſter ſ. d.); ferner die recht— liche Qualität des Gutes als Fideicommiſsgut, kirchliches Beneficium und die Realrechte, z. B. 502 Grundbuch. Die nſtbarkeiten (beim herrſchenden Grund- lationen), durch welche ein Recht unbedingt ſtücke). erworben oder verloren wird. b) Eigenthumsblatt, das vollſtändige oder getheilte Eigenthumsrecht der Berechtigten enthaltend, ſammt den objectiven und jubjec- tiven Beſchränkungen desſelben, z. B. Fidei— commiſsſtand, Subſtitutionen, Verkaufs- und Wiederkaufsrechte u. ſ. w. c) Laſtenblatt enthält alle dinglichen Laſten (z. B. Dienſtbarkeiten beim dienenden Grundſtücke), Reallaſten (ſ. d.), Beſtandsrechte (ſ. d.), kurz die jeden Beſitzer treffenden Laſten und deren Veränderungen. Dienſtbarkeiten wer— den erworben durch die Eintragung auf dem Laſtenblatte des verpflichteten, nicht ſchon durch die Erſichtlichmachung auf dem Gutsbeſtands— blatte des berechtigten Grundſtückes. Nach § 431 a. b. G. B. werden bücherliche Rechte nur durch deren Eintragung in das Hauptbuch des öffentlichen Buches erworben, ſo daſs deren Erſichtlichmachung in der Urkunden— ſammlung nicht genügt (Entſch. d. O. G. H. v. 19./4. 1876, Nr. 1927, G. U. W., Nr. 6102). Von dieſer Regel gelten einige Ausnahmen, 3. B. herrenloſe, öde und derelinquierte Grund— ſtücke werden durch bloße Zueignung erworben; enteignete Grundſtücke durch den Zuſchlag (ſiehe Enteignung); bei Bauführungen (ſ. d.), worunter auch Bepflanzen und Beſäen fremder Grund— ſtücke oder der eigenen Grundſtücke mit fremden Pflanzen und Samen gehören; Erſitzung (ſ. d.); executive Feilbietung (ſ. d.) u. ſ. w. Von jeder Urkunde, auf Grundlage welcher eine bücherliche Eintragung erfolgt, iſt eine be— glaubigte Abſchrift bei Gericht zurückzubehalten, wodurch die Urkundenſammlung entſteht; die— ſelbe enthält daher die ausführliche Begründung der kurzen Eintragungen im Hauptbuche, ge— währt aber als ſolche keine Rechte. Gegenſtand der Verbücherung können nur Vermögensrechte und keine anderen ſein, ſelbſt wenn ſie mit einem Reale activ oder paſſiv verbunden wären, alſo z. B. nicht Real— patronatsrechte. Hieher gehören von den ding— lichen Rechten (ſ. d.): Eigenthums- und Pfand— recht und Dienſtbarkeiten; dann Reallaſten und von obligatoriſchen Rechten die Beſtandesrechte. Wiederkaufs- und Vorkaufsrechte (ſ. Kaufvertrag), Da das Grundbuch dem privaten Verkehre dient, jo iſt das ſog. öffentliche Gut (öffent- liche Wege, Ströme, Flüſſe, Seehäfen und Meeresufer § 290 a. b. G. B.), d. h. jene Sachen, deren Gebrauch Jedermann freiſteht, vom Grund— buche ausgeſchloſſen. Unbewegliches Staats— und Gemeindegut und -Vermögen (ſ. Domänen und Gemeinde) gehört aber ins Grundbuch, da dasſelbe dem Rechtsſubjecte Staat oder Ge— meinde gehört und der Gebrauch desſelben nicht Jedermann verſtattet iſt. Über das öffentliche Gut werden (nach den Geſetzen über die innere Einrichtung der Grundbücher) „Verzeichniſſe“ an— gelegt; dieſe Verzeichniſſe bilden einen Beſtand— theil des Grundbuches, jo dass jede Anderung derſelben nur im Richtigſtellungsverfahren und nicht im kurzen Wege geſchehen kann. Die Arten der Eintragungen in ein Grundbuch ſind: a) Einverleibungen (In- oder Extabu⸗ b) Vormerkungen (Pränotationen), pro- viſoriſche Eintragungen, deren Wirkung darin beſteht, daſs nach erfolgter Rechtfertigung der Eintragung deren Wirkſamkeit ſchon vom Be— ginne der Vormerkung an gerechnet wird. c) Anmerkungen (Annotationen), wo— durch gewiſſe rechtlich bedeutſame Thatſachen (Curatel, Concurs, Streitigkeit eines Anſpruches, Rangordnung, Sequeftration) ꝛc. conſtatiert werden. Vorausſetzungen für jede Eintragung: Zunächſt müſſen Subject und Object ſchon im Grundbuche erſcheinen, ſo daſs z. B. nur der zuletzt Eingetragene bücherlich verfügen kann. Eintragungen können daher nur dann ſtattfinden, wenn aus dem Grundbuche ſelbſt kein Bedenken entſteht. Das Grundbuchsamt darf Eintragungen nur über ſchriftlichen Auftrag des Grundbuchgerichtes vornehmen und hat ſich aufs ſtrengſte an dieſes zu halten und dieſes wieder an die vorgelegten Urkunden. Das Grundbuch iſt öffentlich, d.h. unter den geſetzlichen Cautelen kann Jedermann (Entſch. d. o. G. H. v. 22/3. 1883, Nr. 6099, U. W. Pf., Nr. 9445) Einſicht in das Grundbuch nehmen und Auszüge aus demſelben begehren, welche unter der Haftung des Grundbuchsführers und des Staates ertheilt werden (Geſ. v. 12/7. 1872). Neben dieſer formellen Seite bedeutet aber die Publicität des Grundbuchs deſſen öffentliche Glaubwürdigkeit (publica fides), d. h. derjenige, welcher im guten Glauben auf das Grundbuch einen Tabularact vorgenommen hat, kann dadurch nicht zu Schaden kommen. Das Vertrauen auf das Grundbuch befreit aber Niemanden von der Anwendung der normalen Vor- und Umſicht. Demzufolge muſs man bei jedem Tabularact zunächſt das Grundbuch ſelbſt genau einſehen, dann aber auch der Erforſchung der rechts- und thatſächlichen Verhältniſſe des Grundbuchs- körpers entſprechende Aufmerkſamkeit zuwenden, will man ſich oder ſeinen Dienſtgeber vor Schaden bewahren. Aus der Publicität des Grundbuchs folgt demnach (ſ. d. auch nach dem geltenden öſterr. Grundbuchgeſetze), daſs derjenige, der gut— gläubig (ſ. d.) ſein Eigenthumsrecht, eine Dienſt⸗ barkeit u. ſ. w. formell correct intabulieren ließ, vollberechtigt wird ſofort durch die Eintragung. Zum Eintritte dieſer vollen Wirkſamkeit gehört aber neben der Gutgläubigkeit auch noch der Umſtand, daſs durch die Eintragung ein bücher— liches Recht nicht verletzt wurde. Eine weitere Vorausſetzung hiezu iſt nach unſerem Grund— buchsgeſetze die, daſs alle Intereſſenten von der geſchehenen Eintragung zu eigenen Handen verſtändigt worden ſind; wäre dies nicht ge— ſchehen, ſo validiert die Eintragung erſt nach 3 Jahren und endlich darf binnen der Recurs— friſt (30 Tage innerhalb des gleichen, 60 Tage außerhalb des Oberlandesgerichtsſprengels) eine Streitanmerkung bei der Eintragung nicht erwirkt und binnen weiterer 60 Tage die Löſchungs— klage gegen dieſelbe nicht überreicht worden ſein. Iſt keines dieſer Momente eingetroffen, ſo gilt die Einverleibung ſofort. (In Ungarn Grundcapital. — Grundentlaſtung. 303 iſt die Anfechtung jeder Eintragung drei Jahre hindurch möglich, jo daſs dort eine Ein— tragung vor Ablauf dieſer Friſt niemals als vollkommen glaubwürdig angeſehen werden kann, welche Schwächung des Publieitätsprineipes dem Grundbuch viel von ſeiner Verlässlichkeit und Glaubwürdigkeit benimmt.) Die Trennung von Grundbuchskörpern N nach dem Geſetze v. 6./2. 1869, R. G. Bl. Nr. Wird durch eine Grundtrennung eine Arron— dierung bewirkt, ſo ſind die Rechts gesch fte ſtempel⸗ und gebührenfrei (Gefetz v. 3./3. 1868, R. G. Bl. Nr. 17 und Verordnung des Finanzminiſteriums v. 7./3. 1868, R. G. Bl. Nr. 18). Im Übrigen ſind Grundabtrennungen doppelt gebürenpflichtig, nämlich für die Ab⸗ und für die Zuſchreibung (Erk. d. V. G. H. v. 5.5. 1885, 8. 1198, Budw. Bd. IX, Nr. 2541). Über die Berechtigung der Beſitzer von Trennſtücken zur Theilnahme an Gemeindeguts— nutzungen ſ. Gemeinde. Mcht. Grundcapital (6) iſt das um das Cul— turcapital (C) vermehrte Bodenbruttocapital Das Bodenbruttocapital iſt die capitali— ſierte Bodenbruttorente (s. d.) oder der um das Verwaltungscapital (V) und das Steuercapital (S) vermehrte Bodenwert (Bu) (ſ. d.) Es iſt ſo— nach der 1 für = Bu- VSC In der Schwierigkeit der Ermittlung von Bu liegt der Grund, ſich zu begnügen, für die Praxis Näherungswerte zu verſchaffen, u. zw. nicht für jeden einzelnen Beſtand getrennt, ſon— dern für eine Betriebsclaſſe, bezw. Standorts— claſſe (ſ. d.). Die hinreichend genaue Ermittlung von V und S verurjacht wenig Arbeit, da man hie— bei die gegenwärtig geltenden Durchſchnitts— ſätze zu benützen hat. Für den Bodenwert da— gegen würde am richtigſten der Koſtenwert in Anſatz zu bringen ſein. Das geht aber meiſt deswegen nicht, weil die hiefür nöthigen Unter— lagen fehlen. Es bleibt deshalb gewöhnlich weiter nichts übrig, als für die verſchiedenen Betriebs-, bezw. Standortsclaſſen eines Reviers ſich ſtatiſtiſche Angaben über Bodenkoſtenwerte und Bodenerwartungswerte zu ſammeln und daraus den Bodenwert abzuleiten. Der auf dieſem Wege ermittelte Bodenwert iſt als con— ſtant zu betrachten, alſo bei allen ſpäteren Reviſionen wieder zu benützen, während na— türlich Bu mit der Veränderung der Holzpreiſe ſteigen oder fallen muſs. Außerdem gibt es noch einen anderen Weg, G zu beſtimmen. Es iſt die Summe aus dem (erntefoftenfreien) Abtriebswerte (Hu) des dem financiellen Umtrieb (u) ungefähr ent— ſprechenden Beſtandes und dem Werte ſeiner auf das Jahr eau vernachwerteten Vornutzungen (Ds) als der ujährige Endzins von G anzu— ſehen. Mithin iſt Hu Ds ee! Im Königreich Sachſen iſt es gebräuchlich, Ds bei einer Umtriebszeit bis zu 50 Jahren zu 15%, von über 50 bis 70 Jahren zu 20%, und von über 70 Jahren zu 25% der betref— fenden Abtriebsnutzung (Hu) anzunehmen. Nr. Grundeis. Als Grundeis bezeichnet man Eiskryſtalle, welche ſich auf dem Boden der Flüſſe bilden, und falls in ihrer Entwicklung begünſtigt, in großen Maſſen von dort an die Oberfläche gelangen und ſo zum Zufrieren des Fluſſes in vielen Fällen Anlaſs geben. Wenn auch den Bewohnern von Flüſſen lange bekannt, haben wir hier eine von den Erſcheinungen vor uns, die von namhaften Ver— tretern der Wiſſenſchaft längere Zeit abgeläugnet wurden, weil ihnen die Erklärung der That— ſachen unmöglich ſchien. Durch die Verſuche von Strehlke (1832) bei Berlin wurde die richtige Erklärung des Grundeiſes geſichert. Dieſes bildet ſich in klaren Nächten am Grunde der Flüſſe, wenn die Waſſermaſſen die Temperatur 0° angenommen haben, in der Weiſe, daſs der durch Ausſtrahlung erkaltende Boden der an— haftenden Waſſerſchicht Wärme entzieht und ſo allmählich dies Waſſer von 0° in Eis von 0° verwandelt; hiezu iſt es nicht einmal erforder— lich, daſs die Lufttemperatur den Gefrierpunkt erreicht, da die Ausſtrahlung des Bodens nach den höheren Schichten der Atmoſphäre vor ſich geht. Mit dieſer heute allgemein angenommenen Erklärung im Einklang bildet ſich kein Grund— eis weiter ſowie der Fluſs zugefroren iſt, in— dem die Eisdecke die Ausſtrahlung hindert, und ebenſowenig Grundeis in Teichen und ſehr lang— ſam fließenden Gewäſſern; denn bekanntlich iſt Waſſer von 0° leichter als ſolches von 4 und muſs ſich demnach in ruhenden Gewäſſern an der Oberfläche anſammeln, wo es durch weiteren Wärmeentzug zum Gefrieren gelangt, ehe das Waſſer am Grund die Gefriertemperatur er— reicht hat, die zur Bildung von Grundeis erforderlich iſt. In ſchnell fließenden Gewäſſern dagegen bringt die Bewegung eine Miſchung zuſtande und eine allmähliche Abkühlung der ganzen Waſſermaſſe auf den Gefrierpunkt. Die dem Grundeis beim Zufrieren der Flüſſe zugewieſene Rolle bringt es mit ſich, daſs wir auf Flüſſen ſelten eine jo glatte Eis— oberfläche wie über ſtagnierenden Gewäſſern finden (vgl. Schmid, Lehrbuch der Meteorologie, 1860). Gßn. Grundel, Gründel, die, Name verſchie— dener kleiner am Grunde des Waſſers lebender Fiſche, jo des Gründlings (ſ. d.), der Schmerle (. d.), der Flujsgrundel (j. d.) und no grundel (ſ. d.). Grundentlaſtung (Deutſchland) 155 im engeren Sinne die Umwandlung des bäuerlichen getheilten Grundeigenthumes (ſ. Eigenthum) in ein volles in der Hand des Grundbeſitzers nebſt Aufhebung, Ablöſung oder auch nur Fixierung der Reallaſten (ſ. d.), im weiteren Sinne aber die Befreiung des Grund und Bodens von allen den Grundbeſitzer als ſolchen treffenden dauernden Beſchränkungen und Lei— ſtungen an Geld, Naturalien und Dienſten, mit Ausnahme der Steuern und übrigen Leiſtungen für öffentliche 1 (Staat, Gemeinde, Kirche, Schule u. ſ. w.). Zu dieſen Laſten und Be- ſchränkungen des Grundbeſitzers gehören die 504 Grundentlaſtung. Leibeigenſchaft, die Patrimonialge— richtsbarkeit, das Jagdrecht, die Bann— oder Zwangsrechte, die Realgerechtig— keiten, der Lehen⸗ und Erblehen- (grund⸗ herrlich) Verband und die Realſervi⸗ tuten. Die den Laſten gegenüberftehenden Be⸗ rechtigungen ſind in der Regel auch mit einem Grundbeſitze (3. B. dem patrimonium des Grundherrn) verbunden und haben vielfach auch einen öffentlich-rechtlichen Charakter angenom— men, indem z. B. aus der Gutsherrſchaft die Gutsobrigkeit wurde. Die Grundentlaſtung it entweder eine freiwillige, aus dem Übereinkommen des Berechtigten und Verpflichteten hervorgegangene, oder ſie erfolgt im öffentlichen Intereſſe durch Entwehrung (j. d.) indem die betreffenden Laſten auf Grund geſetzlicher Vorſchrift aufge— hoben, abgelöst oder auch nur reguliert werden. In der welthiſtoriſchen Nacht des 4. Au— guſt 1789 wurden in Frankreich durch die con— ſtituierende Verſammlung ohne Entſchädigung aufgehoben: die Leibeigenſchaft und jede Frohnde— pflicht, die Patrimonialgerichts barkeit, die Bann⸗, Jagd- und Fiſchereirechte, ſowie alle Grund— abgaben, welche nicht auf privatrechtlichem Titel ruhten, insbeſondere der geiſtliche Zehnt. Die privatrechtlichen Natural- und Geldgrundzinſen ſollten nach den Geſetzen vom 28. März und 9. Mai 1790 abgelöst werden, allein ſchon durch das Geſetz vom 25. Auguſt 1792 wurde die unentgeltliche Aufhebung aller Grundren— ten, welche nicht als Capitalzinſen nachge— wieſen würden, erklärt. Es erhielten daher die Berechtigten, welche ohnehin meiſt nach Deutſch— land geflohen waren und deshalb als Vater— landsfeinde galten, thatſächlich keine Entſchädi— gung für die Aufhebung ihrer grundherrlichen Rechte. Die Pflichtigen hatten hievon keinen Ge— winn, da ſie ihren wirtſchaftlichen Betrieb nicht ſofort den geänderten Verhältniſſen anzupaſſen vermochten. Die gleiche Erfahrung machte man auch in Ruſsland, wo nach der Aufhebung der Leibeigenſchaft durch kaiſerliches Manifeſt vom 3. März 1861 die übereilte Ablöſung der Grundlaſten den Betheiligten nur zum Nach— theile gereichte. In Deutſchland dagegen, wo zwlſchen der Aufhebung der Leibeigenſchaft und der vollſtändigen Ablöſung der Grundabgaben mindeſtens ein Zeitraum von einem Menſchen— alter lag, brachte die Grundentlaſtung die er— warteten privat- und volkswirtſchaftlichen Vor— theile. Wie die erſte franzöſiſche Revolution den Anſtoß zur deutſchen Grundentlaſtung, ſo gaben die Revolutionen von 1830 und 1848, welche in Deutſchland Wiederhall fanden, die Anre— gung zur Förderung und zum Abſchluſſe der Befreiung des Grund und Bodens von den Reallaſten. Dies gilt jedoch nicht für jene Theile Deutſchlands, welche noch franzöſiſches Recht haben (ſ. Allgemeines bürgerliches Geſetzbuch), indem in denſelben ſchon wäh— rend ihrer Zugehörigkeit zu Frankreich die voll— ſtändige Grnndentlaſtung erfolgte. Der Erlass von Ablöſungsgeſetzen bildete übrigens auch eine Forderung des § 36 der nicht ins Leben getre— tenen deutſchen Grundrechte. Die Leibeigenſchaft (Hörigkeit, Erb— unterthänigkeit) erſcheint als eine Reallaſt, da die Leibeigenen an die Scholle gebunden (gle- bae adscripti) waren und von dem Grund— herrn nur mit dem Grund und Boden verkauft werden konnten. Nach einigen vergeblichen Ver- ſuchen zur Ablöſung der Beiheigenf ſchaft (z. B. in Preußen 1799 und 1802, in Bayern 1799) erfolgte allgemein die unentgeltliche Aufhebung derſelben, z. B. in Preußen durch das Edict vom 9. October 1807, Bayern durch das Ediet vom 31. Auguſt 1808, Württemberg durch das Ediet vom 18. November 1847, Baden durch die Verfaſſung vom 22. Auguſt 1818, Heſſen durch die Verfaſſung vom 17. De- cember 1817, Mecklenburg 1820, Kurheſ— ſen und Hannover erſt infolge der Bewe⸗ gung vom Jahre 1830 u. ſ. w. Die ſtrengſte Form und längſte Dauer hatte die Leibeigen— ſchaft in der ſächſiſchen Oberlauſitz, wo die letzten Reſte derſelben erſt im Jahre 1832 ver⸗ ſchwanden. Mit der Leibeigenſchaft wurden auch die aus derſelben abgeleiteten Frohnden aufge— hoben, u. zw. in der Regel unentgeltlich, indem nur in einzelnen Fällen entweder vom Staate, wie in Baden, Sachſen, Hannover und Braun— ſchweig, oder von den Pflichtigen mit (Würt⸗ temberg) oder ohne (Kurheſſen) Beihilfe des Staates Entſchädigung geleiſtet wurde. Die Patrimonialgerichtsbarkeit (j.d.) iſt in ganz Deutſchland aufgehoben. Das Jagdrecht (ſ. d.) auf fremdem Grund und Boden beſteht nur noch in Mecklenburg. Die Bann- oder Zwangsrechte (. d.) wurden durch die Reichsgewerbeordnung voll— ends beſeitigt. Die Realgerechtigkeiten (f. d.) erſchei— nen nicht mehr als ein Hindernis der Gewerbe— freiheit. Die Zahl der Lehen iſt infolge von Allo- dification (ſ. d.), Mecklenburg ausgenommen, nur noch eine geringe (in Preußen z. B. zehn Thronlehen und einige unbedeutende, außer— halb des Landes gelegene preußiſche Lehen). Mit Ausnahme von Mecklenburg, wo mit der unterm 11. September 1830 erfolgten ſchiedsrichterlichen Aufhebung des Staatsgrund— geſetzes vom 10. October 1849 auch die in dem- ſelben ausgeſprochene Ablösbarkeit der Grund— laſten fiel, iſt in allen deutſchen Staaten der perſönlichen Befreiung der Landbevölkerung durch Aufhebung der Leibeigenſchaft die ding— liche Befreiung des ländlichen Grundbeſitzes von der Grundherrſchaft gefolgt und infolge der politiſchen Ereigniſſe des Jahres 1848 da— durch zum Abfchluſſe gebracht worden, daſs an die Stelle der bloßen Zuläſſigkeit der Ablöſung der Reallaſten mehr oder minder die Verpflich— tung der Betheiligten zu ſolcher trat. So wurde in Preußen zwar ſchon durch das Cultur— edict vom 14. September 1811 die Abfindung der Grundlaſten durch Abtretung von Land oder durch eine Rente geſtattet, allein die wirk— liche Befreiung des Grund und Bodens erfolgte zum größten Theile erſt auf Grund des Ge— ſetzes vom 2. März 1850, die Ablöſung der Real- laſten und die Regulierung der gutsherrlichen und bäuerlichen Verhältniſſe betreſſend. Die Grundentlaſtung. 505 Grundſätze dieſes Geſetzes fanden, ſoweit die Ab— löſung nicht ſchon erfolgt war, auch in den im Jahre 1866 erworbenen Provinzen (z. B. durch das Geſetz vom 15. Februar 1872 für die vormals naſſauiſchen und heſſiſchen Gebietstheile) An— wendung. Auch in Bayern wurden ſchon durch das Ediet vom 28. Juli 1808 und die Ver— faſſung von 1818 die gutsherrlichen Rechte ge— regelt uud für ablösbar erklärt, aber erſt durch das Geſetz vom 4. Juni 1848 über die Auf— hebung, Fixierung und Ablöſung der Grund— laſten und vom 28. April 1872 über die Grund— entlaſtung wurden die gutsherrlichen Rechte be— ſeitigt. Ebenſo blieb in Württemberg, wo bereits durch das Ediet vom 18. November 1817 und die Geſetze vom 27., 28. und 29. Oe— tober 1836 die Ablöſung der Grundlaſten an— geſtrebt wurde, die vollſtändige Grundentlaſtung dem Geſetze vom 14. April 1848, vom 17. Juni 1849 über die Ablöſung der Zehnten und vom 19. April 1865 über die Ablösbarkeit der mit dem Beſitze von Vermögen dauernd verknüpften Leiſtungen für öffentliche Zwecke (ſog. Complex— laſten) vorbehalten. Sachſen begann die Ab— löſungsgeſetzgebung mit den Mandaten von 1824, 1828 und vom 13. Auguſt 1830, ordnete durch das Geſetz vom 17. März 1832 einen theilweiſen Zwang an und brachte die Ablöſung durch das Geſetz vom 15. Mai 1851 und die Verordnung vom 29. October 1854, welche jeden nicht bis zum 31. Januar 1852 geltend gemachten Entſchädigungsanſpruch für aufge— geben betrachtete, zum Abſchluſſe. In Baden wurden durch die Geſetze vom 28. Mai und 28. December 1831 die Herrenfrohnden aufge— hoben, durch Geſetz vom 15. November 1833 die Zehnten für ablösbar mit Beihilfe des Staates erklärt und der Reſt der Feudalrechte durch das Geſetz vom 10. April 1848 beſeitigt. Durch das Geſetz vom 3. October 1849 wurde in Heſſen die Ablösbarkeit auf die noch nicht im Geſetze vom 27. Juni 1836 als ablösbar bezeichneten Reallaſten ausgedehnt. In Olden— burg trat durch das Staatsgrundgeſetz vom 18. Februar 1849 an die Stelle der bisherigen Freiwilligkeit der Entlaſtung die Verpflichtung zu ſolcher. In gleicher Weiſe erfolgte die Ab— löſungsgeſetzgebung in Sachſen-Weimar (Geſetz vom 2. März und 14. Mai 1821, dann vom 18. Mai 1848), Sachſen-Altenburg (Verfaſſung vom 29. April 1831 und Geſetz vom 16. Februar 1849), Sachſen-Coburg⸗ Gotha (Verfaſſung vom Jahre 1821, Geſetz vom 16. Auguſt 1835, dann vom 23. Januar 1849 und 21. December 1830 für Coburg und vom 20. October 1848 und 3. November 1853 für Gotha), Sachſen-Meiningen (Geſetz vom 23. März 1846, 6. Juni 1848 und 5. Mai 1850) u. ſ. w. Nur Braunſchweig, welches im Jahre 1830 eine vollſtändige Revolution hatte, brachte ſchon durch das Geſetz vom 20. Decem— ber 1834 mit Ergänzung vom 19. Juli 1837 und 14. Mai 1840 die Grundentlaſtung zum Abſchlußs. Die dingliche Befreiung des bäuerlichen Grundbeſitzes hatte die Aufgabe, das getheilte Grundeigenthum durch Beſeitigung des grund— herrlichen Obereigenthums in ein volles und durch Aufhebung oder Ablöſung der Leiſtungen des Grundbeſitzers an den Grundherrn in ein freies Eigenthum zu verwandeln. Die Aufhebung des grundherrlichen Ober— eigenthumes und insbeſondere der ſchädlichſten Ausflüſſe desſelben, wie des Heimfallrechtes bei nicht erblichen Nutzungsrechten (3. B. des Frei— ſtiftes, Leibrechtes und Neuſtiftes nach bayeri— ſchem Recht) und des Rechtes der Einziehung zum Gutshöfe („Legen“ der Bauernhöfe in Schleswig-Holſtein) erfolgte vielfach ſchon vor der Ablöſung der Reallaſten (z. B. in Preußen 1811, Bayern 1818, Schleswig-Holſtein 1804) und in der Regel ohne Entſchädigung, indem nur für ein aus privatrechtlichem Titel entſtandenes Verhältnis entweder, wie z. B. in Bayern und Württemberg, eine Entſchädigung, oder, wie z. B. in Preußen, Sachſen, Baden und Heſſen, eine förmliche Ablöſung verlangt wurde. Die Folge der Herſtellung eines vollen bäuerlichen Grundeigenthumes war das Recht zur freien Verfügung über dasſelbe durch Veräußerung und Erwerb von Grundſtücken. Die Bildung eines freien bäuerlichen Grundeigenthumes geſchah durch Aufhebung oder Ablöſung der privatrechtlichen Reallaſten, insbeſondere der Frohnden, Beſitzveränderungs— abgaben (Laudemien und Mortuarien), Grund— zinſen (census) und Zehnten (decimae). Dieſe Laſten wurden zum Theil (3. B. in Preußen, Bayern, Württemberg) ohne Entſchädigung auf— gehoben, zum Theil, wie in Bayern, in feſte ablösbare Bodenzinſen umgewandelt, zum größten Theil aber für ablösbar auf Antrag des Verpflichteten und in vielen Fällen auch des Berechtigten erklärt. Die Ablöſung oder Aufhebung gegen volle Entſchädigung ſetzt die Fixierung oder Umwandlung der unſtändigen Laſten (ungemeſſene Frohnden, Zehnten, Beſitz— veränderungsabgaben) in eine durchſchnittliche Natural- (3, B. Getreide-) Rente und dann in eine jährliche Geldrente voraus, durch deren Capitaliſierung mit dem geſetzlich beſtimmten Zinsfuße ſich das Ablöſungscapital und durch dieſes auch die Grundlage für die Abfindung in Land ergibt, welche z. B. in Preußen nach dem Edicte vom 11. September 1811 geſtattet war. Die jährliche Geldrente ſoll den Rein- ertrag der Leiſtungen für den Berechtigten dar— ſtellen, und es ſind deshalb von dem Rohertrage derſelben etwaige Ausgaben und Gegenleiſtungen des Grundherrn in Abzug zu bringen. Das Ablöſungscapital beträgt nach Verſchiedenheit der Laſten und des Landes das 18 —2öfache der betreffenden Geldrente, in einzelnen Fällen ſogar das 14—16- und ſelbſt (Württemberg) das 10fache. Die Regulierung und Ablöſung der Real- laſten erfolgt überall durch die Staatsbehörden. Zu dieſem Zwecke wurden entweder, wie z. B. in Preußen, Sachſen, Anhalt, beſondere Ab— löſungsbehörden beſtellt, oder es wurden, wie in Bayern Württemberg, Baden, Heſſen u. ſ. w., die betreffenden Geſchäfte den ordentlichen Ver— waltungsbehörden überwieſen. Rechtsſtreitig— keiten der Betheiligten werden entweder, wie z. B. in Preußen und Sachſen, durch die Ab— 506 Grundentlaſtung. — Grundgrabung. löſungsbehörden entſchieden, oder ſie gehören vor die Gerichte. Die Ablöſung wird überall durch vom Staate (in Preußen z. B. durch Geſetz vom 2. März 1850) errichtete oder garantierte Ab— löſungscaſſen oder Rentenbanken gefördert, welche gegen Übernahme der von dem Pflich— tigen zu zahlenden Geldrente dem Berechtigten 5 Ablöſungscapital in verzinslichen Grund— 12 1 oder Pfandbrieſen zahlen. Der Ver— pflichtete kann ſeine Schuld an die Ablöſungs— caſſe durch Annuitätenzahlung (z. B. in Preußen in 41 Jahren und einem Monat, in Bayern in 59 Jahren) tilgen. Die Conſtituierung neuer Reallaſten iſt entweder, wie in Preußen, Bayern, Sachſen u. ſ. w., unbedingt verboten, oder ſie iſt, wie z. B. in Hannover, Heſſen, Oldenburg, Braunſchweig und Anhalt, nur in beſchränktem Umfange und unter dem Vorbehalte der Ab— lösbarkeit geſtattet, und nur in Sachſen-Weimar, Altenburg, Gotha und Meiningen, Schwarz— burg-Rudolſtadt, Reuß und Lübeck iſt ein un— ablöslicher Erbpacht zuläſſig. Die durch das preußiſche Geſetz vom 26. April 1886 für die Provinz Poſen zugelaſſenen Rentengüter bilden auch eine Art Erbpacht Das Weiderecht (ſ. d.) des Grundherrn wurde bei der Grundentlaſtung theils (z. B. Württemberg) ohne Entſchädigung aufgehoben, zum größten Theil aber für ablösbar erklärt. Ebenſo wurden die Weideſervituten auf ländlichen Grundſtücken überall entweder durch die Ablöſungs- oder durch Specialgeſetze (z. B. in Preußen durch die Gemeinheitstheilungsord— ordnung vom 7. Juni 1821, Bayern durch Geſetz vom 28. Mai 1852, Württemberg vom 26. März 1873, Baden vom 31. Juli 1848 u. ſ. w.) reguliert und für ablösbar erklärt. Die Ablöſung der Forſtſervituten (ſ. d.) wurde meiſt als eine Ergänzung der Grundentlaſtung betrachtet und durch dieſe in Gang gebracht. Mit der Entlaſtung des Grundbeſitzers er— folgte auch die des Grundherrn, indem die Ver— pflichtungen desſelben entweder, wie z. B. die mit dem Zehntrechte verbundene kirchliche Bau— pflicht, ohne Entſchädigung aufgehoben, oder für ablösbar erklärt wurden, oder bei der Wertbeſtimmung der Grundlaſten entſprechend in Abrechnung kamen. Die Steuer für die Be— züge aus dem grundherrlichen Verbande (Do— minical- oder Gefällſteuer) geht mit der Grund— entlaſtung von dem Grundherrn auf den Grundbeſitzer über, welcher nunmehr die volle Grundſteuer allein zu tragen hat. Wo dem Grundherrn noch eine Beitragspflicht zur Unter— haltung der Kirche obliegt, da hat derſelbe gleichſam als Aquivalent das ſog. Patronat, welches neben einigen Ehrenrechten in dem Präſentationsrechte bei Erledigung der Pfarr— ſtelle beſteht. Das Patronat findet ſich, mit Ausnahme jener Theile, in welchen franzöſiſches Recht gilt, noch in allen deutſchen Staaten. Die in Preußen durch die Verfaſſung von 1850 und in Bayern bei der Grundentlaſtung in Ausſicht geſtellten Geſetze über Aufhebung des Patro— nates und Regulierung der auf demſelben ruhenden Laſten wurden bis jetzt noch nicht er— laſſen. Die Unterhaltung der Schule wurde mit der Grundentlaſtung Gemeindeſache, und die gutsherrliche Beitragspflicht, ſofern ſie nicht privatrechtlicher Natur war, kam hiedurch in Wegfall und mit ihr auch das Vorſchlagsrecht bei Beſetzung der Schulſtellen. Bezüglich der Nachweiſung des Details der Grundentlaſtung verweiſen wir auf A. Judeich, Die Grundentlaſtung in Dr Leipzig, 1863. Grundentlaſtung (Dfterreich) ent für Weſtöſterreich auf dem kaiſ. Pat. v. 7./9. 1848 und v. 4./3. 1850, R. G. Bl. Nr. 152, für Ungarn auf dem kaiſ. Pat. v. 2./ 12. 1848 und a. 7./9. 1849. Durch dieſelben wurde das Unter- eigenthum der Unterthanen in Volleigenthum verwandelt und der Ruſticalbeſitz (gegen Ent- ſchädigung) von den auf demſelben ruhenden Reallaſten (Robot, Zehent, Jagdrecht u. ſ. w.) theils von amtswegen, theils über Provocation des Betheiligten befreit. Nachdem ſpeciell für die Forſtwirtſchaft der weitaus bedeutſamſte Theil der Grundentlaſtung in der Ablöſung und Regulierung der forſtlichen Dienſtbarkeiten liegt, beſchränken wir uns auf die Erörterungen, welche unter „Dienſtbarkeiten“ vorgebracht wurden. Mcht. Grundſorelle, ſ. Seeforelle. Hcke. Grundgrabung oder das Abſtecken und Herſtellen der Baugrube beim Hochbau. Dem Ausheben der Baugrube für die Fundament— mauer muſs das Ausſtecken oder Übertragen des Grundmaßes auf die Bauſtelle vorangehen. Die Mauerflucht der einen Hauptmauer wird durch eine geſpannte Schnur bezeichnet und die zwei Eckpunkte durch genaue Meſſung beſtimmt. Aus dieſen letzteren ermittelt man ſodann mit- telſt eines aus Latten conſtruirten rechten Winkels die zwei weiteren Eckpunkte des Gebäudes und fixiert alle vier Eckpunkte durch eingeſchlagene Pflöcke. Zur Prüfung der richtigen Abſteckung ſind die beiden Diagonalen zu meſſen und mit dem Grundriß zu vergleichen. Nachdem die geſchlagenen 1 beim Grundgraben beſeitigt werden, jo muſßs behufs einer erleichterten Nach— beſtimmung der Endpunkte, Mauerſtärken u. ſ. w. ein ſog. Schnurgerüſte hergeſtellt werden. Zu dieſem Behufe werden in den Ecken, dann an jenen Stellen, wo Seiten- und Zwiſchen⸗ mauern in die Hauptmauern einmünden, in einer entſprechenden Entfernung vom Gebäude 60cm aus dem Boden hervorragende Pflöcke einge— ſchlagen und an dieſe horizontal und hoch— kantig angelegte Bretter befeſtigt. In dieſe Bretter ſchneidet man ſodann die genauen Ver: längerungen der geſpannten Schnüre ein, ſo zwar, daſs bei Nachbeſtimmungen die Schnüre nur in den zwei Längs- und Querrichtungen zu ſpannen ſind, um ſodann in den vier Durch— kreuzungen die Eckpunkte zu erhalten. In glei— cher Weiſe werden an den Brettern die genauen Maße der Mauern u. dgl. markiert und dieſe nach Bedarf durch das Anziehen der Schnüre und entſprechendes Abſenkeln in die Natur übertragen. In den meiſten Fällen werden die Wände der Fundamentgruben ſenkrecht zu ſtellen ſein und müſſen, um Materialseinſtürze Grundlaſten. — Grnundmauerwerk. zu verhüten, mit 4—5 em ſtarken und hoch— kantig geſtellten Brettern verkleidet werden; letztere werden ſodann in Entfernungen von 15—1'8m durch ſtehende Hölzer (Bolzen) ge— halten. Zwiſchen die einander ſtets gegenüber— geſtellten Bolzen werden Spreizen eingeſchoben und mittelſt eingetriebener Keile befeſtigt. Tritt Waſſer in die Fundamentgrube ein, jo muſßs es ausgeſchöpft und die Ausmauerung be— ſchleunigt werden. Mit dem Fundamente werden unter einem der Kellerraum und die um 30 bis 40 em tiefer zu führenden Fundamente der Kellermauern ausgehoben (ſ. Grund- und or damentmauerwerk). Grundlaſten, ſ. Grundentlaſtung u Reallaſten. At. Gründling (Gobio Cuvier), Fiſchgattung aus der Familie der karpfenartigen Fiſche (Cy— prinoidei). Die Gründlinge ſind kleine Fiſche mit geſtrecktem, ſpindelförmigem, nur wenig von der Seite zuſammengedrücktem Körper, mit mäßig großen Rundſchuppen und nacktem Kopfe. Das mäßig weite zahnloſe Maul iſt endſtändig oder etwas unterſtändig, dicklippig, an jedem Mundwinkel mit einem Bartfaden. Die Schlund— knochen tragen die hakig gebogenen, der Kau— fläche entbehrenden Zähne in zwei Reihen zu 5 und 3, ſeltener 5 und 2. Die Rücken- und Afterfloſſe ſind ſehr kurz und hoch, erſtere ohne verdickten Stachelſtrahl. Die bauch— ſtändigen Bauchfloſſen ſtehen unter der Rückenfloſſe. Es ſind nur zwei Arten dieſer Gattung bekannt, welche auf Europa und Nordaſien beſchränkt ſind. 1. Der gemeine Gründling (Gobio fluviatilis 1 5 Gobio vulgaris, G. obtusi-rostris, G. lutescens, G. venatus; Cyprinus go- bio; Leueiscus gobio), auch Grel⸗ ling, Greſſe, Gringel, Grundel, Grün del, Kreſſe, Kreßling, Weber; böhm.: Tizek; poln.: rusik, kielb; ung.: folyami görgöcse; frain.: krashorka, globozhek; ruſſ.: peskarj, stolbetz; engl.: gudgeon; frz.: goujon; ital.: gobione, temalo. Die Länge beträgt 10—15 cm. Die Rückenfloſſe, welche vor der Mitte der Körper— länge ſteht, enthält 2—3 ungetheilte und 7 bis 8 getheilte Strahlen, die Afterfloſſe 3, bezw. 5—6, die Bauchfloſſen 2, bezw. 6—8, die Bruſt⸗ floſſe 1, bezw. 13—16. In der Seitenlinie ſtehen 40— 45 Schuppen. Die Bartfäden in den Mund— winkeln reichen zurückgelegt höchſtens bis unter die Mitte der Augen, meiſtens nicht ſo weit. Die Färbung tft oben grau- oder gelb-grün- lich mit ſchwarzen Flecken und Punkten, an den Seiten ſilberglänzend mit bläulichem Schein, oft mit einer Reihe ſchwarzer Flecke längs der Seitenlinie, am Bauche weiß. Die Floſſen ſind graugelb, Rücken⸗ und Schwanzfloſſe oft dunkel gefleckt und gebändert. Das Männchen iſt zur Laichzeit dunkler und zeigt auf Kopf und Rücken einen ans feinen, weißen Körnern beſtehenden Ausſchlag. Der gemeine Gründling bewohnt Nordaſien und ganz Europa bis zum Kaukaſus mit Ausnahme der ſüdlichſten und nördlichſten Theile; in Skandinavien kommt er nur in Schonen vor. In Flüſſen und Bächen der Blei— und Barbenregion, beſonders ſolchen mit ſan— | 507 digem und thonigem Boden und lebhaft fließen— dem Waſſer iſt er überall häufig; doch findet er ſich auch in Seen, in brackiſchen Gewäſſern und in der öſtlichen Oſtſee nicht ſelten. Er iſt ein lebhaftes, munteres und geſelliges Fiſchchen, welches vorzugsweiſe dicht am Boden lebt und hier nach Würmern, Inſectenlarven, Weichthieren und Fiſchlaich ſucht. Wie ich oft im Aquarium beobachtet habe, ſchluckt der Gründling Sand und Schlamm vom Grunde auf und ſpeit ihn durch die Kiemenſpalten wieder aus, wobei er jedenfalls die feinen, darin enthaltenen Nah— rungstheile zurückbehält. Die Laichzeit fällt in den Mai und Juni; die etwa 2 mm großen, hellbläulichen Eier werden von den Fiſchen unter lautem Geplätſcher an Steine und Waſſer— pflanzen geklebt. Gefangen wird er ſehr leicht in kleinen Netzen und Reuſen, vorzüglich aber mit der Angel, welche mit einem Wurm ge— ködert iſt und den Grund berührt; er beiſst dann ſehr leicht und gierig, beſonders wenn man vor dem Auswerfen den Grund mit einer Stange aufwühlt oder Sand ins Waſſer wirft, wodurch die Gründlinge angelockt werden. Das Fleiſch iſt ſehr wohlſchmeckend; auch iſt der Gründling ein vortrefflicher Köder für Hechte und ein guter Futterfiſch für Forellenteiche. 2. Der Steingreßling (Gobio urano- scopus Agassiz. Syn.: Cyprinus uranoscopus, Fig. 399. Steingreßling, Gobio uranoscopus. Gobio Kessleri), auch Steinkreſſe; frain.: shpize. Meiſt nur bis 10 em lang; Rumpf und Kopf von oben mehr plattgedrückt als beim gemeinen Gründling, Schwanz eylindriſch. Die Augen ſtehen weiter nach oben. Die ſtarken und langen Bartfäden reichen zurückgelegt bis weit hinter die Augen, oft nahezu bis zu den Kiemen— ſpalten. Floſſen und Floſſenſtrahlen wie beim gemeinen Gründling. Färbung heller, weißlich— grau, ungefleckt. Auf den Rücken meiſt fünf ſchwärzliche, ſattelförmige, bis zur Seitenlinie reichende Querbinden. Dieſe Art iſt bis jetzt nur in einigen Flüſſen des mittleren Donau— gebietes, der Iſar, dem Inn, der Salzach, ge— funden, ferner in der Idria und im Dnjeſtr. In der Lebensweiſe gleicht ſie der vorigen Art, in deren Geſellſchaft ſie oft gefunden wird, ſcheint aber mehr Stellen mit reißender Strö- mung zu bevorzugen. Hcke. Grundmanerwerk (Sundamentmaneemer) iſt zumeist ein Bruchſtein oder Quadermauerwerk und muſs die Fundamentſohle oder die untere Fläche der Grundmauer horizontal gelegt wer— den, d. h., es muſs ſchon bei dem Grundgraben auf die Herſtellung einer horizontal ausgegli— chenen Fundamentſohle geſehen werden; ebenſo muſs letztere mindeſtens Um tief unter der Erdoberfläche liegen, damit ſie dem Einfluſſe 508 von Froſt und Näſſe entzogen ſei. Werden Mauern einer Berglehne entlang geführt, ſo kann zur Vermeidung tiefer Fundamentmauern die Grundmauer ſtufenförmig hergeſtellt werden. Mit Rückſicht ferner auf die größte Inanſpruch— nahme der Tragfähigkeit von Grundmauern, dann zur Erzielung eines gleichmäßigeren und minderen Setzens erhalten dieſe ſtets eine Ver— ſtärkung (Mauerrecht) und beträgt letztere bei den Hauptmauern 15 em, bei den Zwiſchen— mauern 7˙5 em an beiden Seiten. Jene Grund— mauern, welche ohne Unterbrechung laufen, wie beiſpielsweiſe bei den Hauptmauern, Wider— lagsmauern u. ſ. w., bezeichnet man als volle Fundamente zum Unterſchied von den hohlen Fundamenten, wo nur einzelne Pfeiler auf— gemauert werden, die man dann noch unter dem Erdhorizonte mit Gurten (Erdbögen) von 60 em Stärke verbindet. Auf die Nachmauerung der Gurten wird dann die Mauer emporge— geführt. Hohle Fundamente werden dann an— gewendet, wenn die Fundamentmauern mit Rückſicht auf einen unbrauchbaren Untergrund zu tief, daher mit einem zu großen Koſtenauf— wande aufgeführt werden müſſen. Das Funda⸗ mentalmauerwerk wird in den meiſten Fällen über dem Horizont geführt und ſodann in einer horizontalen Linie abgeſchloſſen. Dieſe über dem Boden liegende Fundamentmauer bildet den Sockel des Gebäudes und wird nach Maßgabe der Beſchaffenheit des Grundes, der erforder— lichen Kellerräume mehr oder minder hoch ge— führt. Zur Grundmauer ſind ſtets größere und gut lagerhafte Steine zu benützen (ſ. Grund— grabung, Bruchſteinmauerwerk). Fr. Grundpfähle, ſ. Piloten. Fr. Grundſchuld iſt eine Hypothek (ſ. d.) ohne perſönlichen Schuldner und ohne Angabe des Rechtsgeſchäftes, welches der Schuld zugrunde— liegt. Dieſelbe erſcheint demnach nur als ein Anrecht des Gläubigers auf einen beſtimmten Werttheil des verpfändeten Objectes. Die Nichtangabe des Schuldgrundes ſchließt natür— lich die Anfechtbarkeit der Grundſchuld von dieſer Seite ans und erleichtert die Übertrag— barkeit derſelben, welche noch erhöht wird, wenn der Schuldſchein nicht auf Namen, ſon— dern auf den Inhaber (au porteur) lautet. Die Grundſchuld verhält ſich zur Hypothek ähnlich, wie der Wechſel, bei dem ja auch die Angabe des Schuldgrundes fehlt, zum geen e At Schuldſcheine. j Grundſchwellen haben den Zweck, die Sohle eines Waſſergerinnes vor Vertiefung durch die Kraft des Waſſers zu ſchützen. Sie werden aus Holz, Stein und Holz oder aus— ſchließlich aus Steinen hergeſtellt. Die hölzernen Grundſchwellen beſtehen aus einem runden Stammſtücke, das quer über die Bachſohle ge— legt und behufs Befeſtigung in die beiden Ufer eingelaſſen iſt; die Steinſchwellen dagegen be— ſtehen aus einer Reihe großer lagerhafter Steine, die aneinandergefügt ſind und von einem ſchwachen, vorliegenden Stammſtücke ge— halten werden. Zweckmäßiger ſind indeß Stein: ſchwellen, die man in der Form eines liegenden Gewölbringes mit dem Scheitel ſtromauſwärts herſtellt und an feſte Uferfelfen oder künſtliche Grundpfähle. — Gründungen für Uferſchutzbauten. Widerlager anlehnt. Grundſchwellen, Grund— bäume oder Langſchwellen heißen auch die beim liegenden Roſte verwendeten Balken. Fr. Grundſteuer, ſ. Forſtgrundſteuer-Er⸗ mittlung und Beſteuerung. At. Gründungen bei Hochbauten, j. Trag⸗ fähigkeit bes Baugrundes. 12 Gründungen für Aferſchutzbauten. Stein⸗ dämme als Uferſchutzbauten bedürfen in den meiſten Fällen eines Grundbaues und unter- ſcheidet man diesfalls den liegenden Roſt, den ſtehenden Roſt mit einem Grund- und einem Kappbaum und Faſchinenbettung, den ſtehenden Roſt aus einem pilotierten Grundbaum ohne Faſchinenunterbettung und den ſtehenden Roſt mit zwei Grundbäumen. Der liegende Roſt beſteht aus 1—1˙5 m langen Querſchwellen, die (in Abſtänden von 2m) auf den geebneten Grund gelegt werden, und aus den zwei Langſchwellen, die auf die Querſchwellen mit Holz- oder Eiſennägeln be— feſtigt werden, während der Raum zwiſchen den Schwellhölzern mit Steinen verkeilt und abgepflaſtert wird. Werden dagegen in den geebneten Grund in einer Reihe und einer Abſtandsweite von 2m Grundpfähle eingeſchlagen und hierauf ein Grundbaum (Kappbaum, Kronſchwelle) aufgezapft, ſo iſt ein derartiger Grundbau der ſtehende Roſt mit einem Grun d- oder Kappbaum. Unter den Grundbaum kommt noch eine 2—3 m breite, 30 em dicke Lage ge= bundener Faſchinen, die durch 4 Stück 16 em ſtarke Wippen oder Stangen niedergehalten werden, überdies werden dieſelben noch durch 70 em lange Wippenmägel aus Holz im Boden verfeſtigt. # Die Faſchinenbettung kann übrigens auch entfallen oder durch eine Schwartenverſchallung unterhalb des Kappbaumes erſetzt werden. Werden (Fig. 400) auf den zugerichteten Fig. 400. Gründungen für Uferſchutzbauten. Querſchnitt eines Uferſchutzbaues aus Quadern auf ſtehendem Roſte. a Piloten, b Grundſchwellen oder Kapphäume (Kron⸗ ſchwellen), e Quaderwert, d Hinterfüllung. Grund zwei Reihen Pfähle in Abſtandsweiten von 2m eingemauert und darauf zwei Grund⸗ bäume gezapft, jo bezeichnet man dieſen Grund⸗ * bau als den ſtehenden Roſt mit zwei Grund— bäumen. Die beiden Grundbäume verbindet man noch zur weiteren Feſtigung mit 40 cm langen Eiſenklammern und füllt die Zwiſchen— räume wie beim liegenden Roſte mit Stei— nen aus. Arbeitserfordernis per laufenden Meter. Der liegende Roſt Um breit erheiſcht 1°6 bis 2 0 Tagſchichten, 0˙2 ms Klaubſteine, 0˙2 fm? Lärchenholz, 09m? Faſchinen und ½ Eijen- klammern. Der ſtehende Roſt mit einem Kappbaum und einer 3 m breiten und 0˙7 m tief gelegten Faſchinenbettung erheiſcht 21—2'3 Tagſchichten, 0˙2 fm? Bauho.z, 0˙7 m? Faſchinenmaterial, ½ Pilotenſchuh und 0˙7 Stück Stangen. Der ſtehende Roſt mit einem pilotierten Grundbaum ohne Faſchinenbettung erfordert 0.8—0°9 Tagſchichten, 0˙13 fm? Bauholz und ½% Pilotenſchuh. Der ſtehende Roſt mit zwei pilotierten Grundbäumen ohne Faſchinenbettung erfordert 3—1 Tagſchichten, 0˙2 m? Klaubſteine, 0:33 im? Bauholz, 1 Stück Eiſennagel, 1 Stück Piloten— ſchuh und ¼ Eiſenklammer. Fr. Grundwehren, ſ. Wehrbauten. Fr. Grüne, die. „Auf der Grüne ſchießen, nennt man, was an Haaſen und Hühner im Frühjahre auf der Feldſaat geſchoſſen wird, in— gleichen die Graßhirſche, ſagt man: auf der Grüne ſchießen.“ Chr. W. v. Heppe, Wohlred. Jäger, p. 54. — Da heutzutage in deutſchen Ländern ein derartiger Abſchuſs nirgends ge— ſtattet iſt, iſt auch das Wort vergeſſen. E. v. D. Grünerde iſt ein amorphes, waſſerhaltiges Silicat von Eiſen, Aluminium, Magneſium, Kalium und Natrium in etwas wechſelnden Ver— hältniſſen. Es iſt als Zerſetzungsproduet von Amphibol und Pyroxenmineralien zu betrachten. Schwärzlich- bis olivengrün. Tritt in Bajalt- geſteinen und Melaphyren auf. Fundorte: Faſſa— thal und Seiſſer Alpe in Tirol, Böhmen, Fra— mont in Deutſch-Lothringen. Es wird als Farb— material benützt. 9,40), Grunert Julius Theodor, geb. 31. Ja⸗ nuar 1809 zu Halle a. d. Saale als Sohn eines dortigen Buchdruckereibeſitzers. Bereits von früher Jugend an hegte Grunert große Vorliebe für Naturwiſſenſchaften, in deren Studium er noch während des Beſuches der Halle'ſchen „lateiniſchen Hauptſchule“ von den Profeſſoren der Univerſität Curt Sprengel, Ludwig Nitzſch und Germar freundlichſt unter— ſtützt wurde, außerdem fand er auch im Hauſe des Ornithologen Friedrich Naumann durch deſſen Sohn, einen Schulfreund Grunerts, viel- fache Belehrung und Anregung für Natur- wiſſenſchaften. Die Neigung für dieſe Richtung, die Liebe zur Natur und zum Walde, die auf— keimende Luft an der Jagd veranlassten Grunert das Forſtfach als Lebensberuf zu wählen. Oſtern 1829 bezog er die Univerſität Halle, um dort außer allgemeinen wiſſenſchaftlichen Vorleſungen beſonders die Naturwiſſenſchaften zu ſtudieren. Im Sommerſemeſter 1830 war Grunert als Einjährig⸗Freiwilliger bei der in Halle ſtehen— den damaligen 4. Jägerabtheilung eingetreten „ — —— — — — —— — —ð—⅛ . — . — — — Grundwehren. — Grunert. 509 und ſchloſs ſich im Herbſte dieſes politiſch To bewegten Jahres einem Marſche jener Truppe nach der belgiſchen Grenze an, obſchon es den Studenten geſtattet war, in Halle zurückzu— bleiben. Auch in Malmedy, wo die 4. Jäger— abtheilung längere Zeit Cantonnementsquartier bezog, war es Grunert vergönnt, ſeine wiſſen— ſchaftliche Beſchäftigung fortzuſetzen, da er durch Sprengel der in Malmedy lebenden Demoiſelle Libert empfohlen wurde, welche in Botanik Vor— zügliches leiſtete und die Flora Ardennensis ſchriftſtelleriſch bearbeitete. Als im Frühjahre 1831 die Kriegsgefahr vorüber war, konnte Grunert ſich ganz ſeiner forſtlichen Laufbahn widmen. Durch Vermittlung des Oberforſtmeiſters von Schleinitz zu Poſtdam trat er ſeine Lehr— zeit auf dem Lieper Forſtrevier beim Oberförſter Krüger zu Oderberg an. Die Begabung ſeines Lehrherrn, junge Leute praktiſch zu unterrichten, das ausgedehnte, forſtlich inſtruetive und wegen ſeiner vorzüglichen Jagdverhältniſſe bekannte Lehrrevier beſtärkten bei Grunert die Liebe zu dem gewählten Beruf. Von Oſtern 1832 bis Herbſt 1833 beſuchte er die höhere Forſtlehr— anſtalt zu Neuſtadt-Eberswalde und bezog ſo— dann abermals die Univerſität Halle, um dort zwei Jahre lang Rechts- und Staatswiſſen— ſchaft zu ſtudieren. Gleichzeitig bearbeitete Grunert ſeine ſchriftlichen Arbeiten für die forſt— liche Staatsprüfung, welche er im December 1836 mit Auszeichnung beſtand. Trotzdem ge— lang es Grunert nicht, eine ſeinen Neigungen entſprechende Beſchäftigung in der Statsforſt— verwaltung zu erlangen, ſondern es wurden ihm im Regierungsbezirke Merſeburg Forſtver— meſſungs- und Forſteinrichtungsarbeiten über— tragen. Dieſer Umſtand veranlaſste Grunert, mit dem Director der landwirtſchaftlichen Akademie Eldena, Pabſt, in Unterhandlung zu treten, welche ſeine Berufung als Docent, der Natur- wiſſenſchaft und Forſtwirtſchaft vom Herbſt 1839 ab an jene Akademie zur Folge hatte. Der Miniſter v. Ladenburg nahm jedoch Anſtand, ihm den eventuellen Rücktritt in den Staats- verwaltungsdienſt ohneweiters vorzubehalten, erklärte ſich aber bereit, Grunert die etats— mäßige Forſtaſſeſſorſtelle bei der Regierung zu Königsberg interimiſtiſch zu übertragen, falls es ihm gelänge, ſeine Verpflichtungen der Akademie Eldena gegenüber zu löſen. Letzteres geſchah und Grunert trat im December 1839 bei der Re— gierung in Königsberg ein, wo er eine längere Reihe von Jahren eine ebenſo umfangreiche als ſchwierige Geſchäftsaufgabe zu erledigen hatte. Der Übergang von Königsberg in den prakti— ſchen Forſtdienſt bot große Schwierigkeiten, da ſich nach der Anſicht des Miniſters ein geeig— neter Forſtmann zur Übernahme des Decernates des Forſtaſſeſſors in Königsberg, welches ſich beſonders auch auf Berechtigungsſachen, Feſt— ſtellung und Ablöſung von Servituten erſtreckte, nicht vorfand. Schließlich übertrug man das— ſelbe einem Nichtforſtmanne und Grunert wurde am 9. September 1843 zum Oberförſter auf dem aus Theilen der Oberförſtereien Alt-Ruppin, Neuendorf und Zechlin, ſowie aus angekauften Flächen neugebildeten Revier Neu-Glienicke im 510 Regierungsbezirke Potsdam ernannt. Dieſer Wirkungskreis war zwar ſehr intereſſant, aber auch ſchwierig, weil ihm für die Neubildung und Einrichtung der Oberförſterei nur eine ge— ringe Beihilfe für die geometriſchen Arbeiten ge— währt wurde und die geordnete Wirſchaft ſofort beginnen ſollte. Dieſe Aufgabe war jedoch im Frühjahre 1846 zur allſeitigen Befriedigung vollſtändig gelöst, und wurde Grunert unterm 2. April 1846 zum Forſtinſpector in Danzig ernannt. Ausnahmsweiſe wurde ihm geſtattet, gleichzeitig an der Regierung zu arbeiten und den Oberforſtbeamten im Nothfall zu ver— treten. Der Danziger Bezirk befand ſich zu jener Zeit in einem ſehr ungeordneten Zuſtand, und war es Grunert vergönnt, bei der Neuordnung desſelben dem Oberforſtmeiſter von Schätzell thätige Hilfe zu leiſten, bis ihm, noch in der Eigenſchaft als Forſtinſpector, die Stellung des Oberforſtbeamten zu Cöslin uuterm 19. Mai 1849 zunächſt interimiſtiſch und dann vom 9. November 1850 ab nach Ernennung zum Forſtmeiſter mit Regierungsrathsrang definitiv übertragen wurde. Schon nach wenig Wochen verließ jedoch Grunert auf Wunſch des Miniſters wieder Cöslin, um nach Schätzells Abgang die Stelle des Oberforſtbeamten zu Danzig zu übernehmen. Mit großem Nutzen wirkte hier Grunert, welcher inzwiſchen den Charakter als Oberforſtmeiſter erhalten hatte und auch als Examinator bei der Commiſſion zur Prüfung der Forſt- und Oberförſtercandidaten in Berlin fungierte. Nach Pfeil's Abgang wurde Grunert Mi— chaeli 1859 als Director der Forſtlehranſtalt nach Neuſtadt-Eberswalde berufen, behielt ſich jedoch den Rücktritt als Oberforſtbeamter vor; 1863 erhielt Grunert den Rang der Oberre— regierungsräthe. Die Forſtakademie Eberswalde verdankt ihm die zweckmäßige Regelung der Befugniſſe des Directors bei Verwaltung der Lehrforſte, die Anlage ausgedehnter Streuverſuchsflächen ſowie des Choriner Forſtgartens, die Aus— arbeitung eines neuen Regulativs der Forſt— akademie, die Theilung der Studierenden in zwei Studienabtheilungen und die Einführung einer zweckmäßigeren Studienordnung, die Be- gründung einer Profeſſur für Chemie, Phyſik, Mineralogie und Geognoſie, die räumliche Er— weiterung der Forſtakademie, ſowie die Her— ſtellung eines chemiſchen Laboratoriums. Die Vorliebe für die rein praktiſche Rich— tung veranlaſste ihn jedoch, wieder um Ver— wendung als Oberforſtbeamter nachzuſuchen, welcher Wunſch erſt 1867 durch die Verſetzung nach Trier erfüllt wurde, wo er bis zu ſeiner am 1. Januar 1878 infolge eines organiſchen Leidens erfolgten Penſionierung wirkte, ſeitdem lebt Grunert in Trier. Zur literariſchen Thätigkeit ſand Grunert erſt nach ſeiner Berufung als Akademiedirector Veranlaſſung, wobei zunächſt die Frage wegen Übernahme der Redaction von Pfeils „Kritiſchen Blättern“ au ihn herantrat. Da die in den— ſelben verfolgte Richtung ſeinem Weſen nicht Grünfäule. — Grünling. entſprach, jo zog Grunert es vor, 1864 eine neue Zeitſchrift unter dem Titel „Forſtliche Blätter“ zu gründen. Hievon erſchienen wäh— rend Grunerts Wirken in Eberswalde bis 1866 Heft 1—12, und während jener in Trier bis 1868 Heft 13—16. Die Fortſetzung erfolgte jedoch erſt, als ſich in Dr. Leo ein Mitredacteur und Geſchäftsführer gefunden hatte, da Grunert die Herausgabe einer periodiſchen Zeitſchrift mit ſeiner damaligen amtlichen Stellung nicht voll vereinbar hielt. Unter Leos Mitredaction er— ſchienen Jahrgang 1872— 1876, von jener Zeit an iſt Borggreve als Mitredacteur und Ge— ſchäftsführer an Leo's Stelle getreten. Grunerts ſchriftſtelleriſche Thätigkeit war in erſter Linie einer guten Unterweiſung der preußiſchen Förſter für ihre amtliche Wirkſam— keit gewidmet. In dieſer Abſicht verfasste er während ſeines Wirkens in Trier: Die preußi- ſchen Förſter, 1. Aufl. 1869, 2. Aufl. 1883; Forſtlehre, 2 Bde., 1. Aufl. 1872, 4. Aufl. 1884; Jagdlehre, 2 Bde. 1879/1880; die Forſt⸗ lehrlings- und die Förſterprüfung in Fragen geſtellt unter beſonderem Hinweis auf die J. Th. Grunert'ſchen Schriften: Forſtlehre, Jagd— lehre und die Preußiſchen Förſter, 1885; wei- tere Schriften von ihm ſind: Die Lohhecken im Regierungsbezirke Trier 1868 und Die Jagd— geſetzgebung Preußens in ihrer geſchichtlichen Entwicklung, ihrem gegenwärtigen Zuſtande und ihrer Abänderungsbedürftigkeit, 1883; außerdem hat Grunert die Bearbeitung der Dijeiplin „Waldbau“ für das vorliegende Werk übernommen. Schw. Grünfäule iſt eine Zerſetzungsart des Holzes, bei welcher dasſelbe eine intenſive ſpan— grüne Färbung annimmt. Sie tritt am häufigſten zum Vorſchein an ſolchem Rothbuchen-, Birken⸗, Fichten⸗ und Eichenholz, welches im bereits faulen Zuſtande längere Zeit am Erdboden, u. zw. in anhaltend feuchtem Zuſtande gelagert hat, doch tritt ſie auch ſchon an ſtehenden Bäumen her— vor, und habe ich im Bayeriſchen Walde einmal den Kern einer ſtarken Fichte, die eben erſt ge— fällt war, intenſiv ſpangrün gefunden. Die grüne Farbe entſteht durch die Ent- wicklung eines Pilzes, Peziza aeruginosa, deſſen Myeel im Holze vegetiert und nicht allein ſelbſt grün gefärbt iſt, ſondern auch in den Wan⸗ dungen der Holzzellen durch chemiſche Einwir— kung einen grünen Farbſtoff erzeugt. Auf der Oberfläche anhaltend feucht gelegenen Holzes treten dann in großer Zahl die kleinen ſchüſſel— oder becherförmigen Früchte von grüner Farbe zum Vorſchein. Der grüne Farbſtoff iſt extra— hierbar und ſoll im Lichte ſowie unter der Einwirkung chemiſcher Reagentien in hohem Grade unzerſtörbar ſein, weshalb es von Be— deutung ſein würde, wenn man durch Ablagern ſonſt wertloſen, faulen Holzes in feuchten, dumpfen Plätzen, insbeſondere an Vertiefungen im Walde und durch Auflegen grünfaulen Hol— zes mit Pilzfrüchten etwa eine Erzeugung grünfaulen Holzes in größeren Quantitäten zu techniſcher Verwertung erzielen könnte. Hg. Grünking, Ligurinus chloris, Linne. Passer chloris. Briss., Orn. III., p. 190 (1760): Loxia chloris, Linn., Syst. Nat. I., p. 304 Grünling. 511 (1766); Fringilla chloris (L.), Meyer, Vögel Liv⸗ u. Eſthl., p. 76 (1815); Ligurinus chloris (L.), Koch, Bayr. Zool. I., p. 230 (1816); Serinus chloris (L.), Boie, Isis, 1822, p. 555; Ligurinus chloroticus, Licht., Nomenel. Av., p. 46 (1823); Coccothraustes chloris (L.), Steph. in Shaw's Gen. Zool. XIV, p. 87 (1826); Chloris pinetorum, Chr. L. Brehm, Vögel Deutſchl., p. 259 (1831); Chloris hortensis, id., ibid., p. 260: Chloris septentrionalis, id., ibid., p. 261; Chloris flavigaster, Swains., Classific. of Birds II., p. 281 (1837); Chloro- spiza chloris (L.), Bp, Comp. List, p. 30 (1838); Chlorospiza chlorotica (Licht.), Consp. Gen. A, p. 514 (1850); Ligurinus aurantii- ventris, Cab. Mus. Hein. I., p. 158 (1851); Chloris aurantiiventris (Cab.), Salvin, Ibis, 1859, p. 313. Abbildungen: 1. Vogel. Naumann, Vögel Deutſchl., T. 120, Fig. 1, 3; Dreſſer, Birds of Eur., vol. III, Taf. 174. — 2. Eier. Bädecker, Die Eier der europ. Vögel, T. 20, Nr. 1; Thienemann, Abbildungen von Vogeleiern, T. IV, Nr. 4 a— 0; Seebohm, A History of british birds, vol. II. pl. 12. Grüner Hänfling, Gelbhänfling, Grün— hänfling, wälſcher Hänfling, Grünling, Grün— fink, grüngelber Fink, grüngelber Dickſchnäbler, grüner Dickſchnabel, grüner Kernbeißer, Grün— vogel, Grünſchwanz, Gröönſchwanz, Grödling, Grinzling, Gründling, römiſcher Zeiſig, Rap— fink, Hirſenfink, Hirsvogel, Kutvogel, Tutter, Schwanſchel, Schwanzka, Schwaniß, Schwo— netz, Schwunz, Schwunſche, Zwuntſche, Schwunſch, Schwunſchhänfling. Böhm.: Zvonek; dän.: Grönirisk; engl.: Greenfinch; finn.: Vihertävä Varpunen; frz.: Verdier ordinaire; gäl.: Glaiseundarach; holl.: Groenling; ital.: Verdone, Verdello, Calen- zuolo, Verdoun, Verdon, Verder, Amorot, Amarot, Lamarot, Vardon, Cavrinzol, Anton, Zaranto, Ceranto, Saronto, Teranzo, Schia- ranto, Garziero, Cirant, Ceränt, Ceranto, Ze- ranto, Zenetro, Taränz, Taränt, Svarzelon, Teranz, Squaiarol, Teragna zala, Pizzacänef, Verdun, Verdello, Sciurolo, Mairino, Erdone, Virduni, Viridaceela, Verdarolu, Birdaloru, Papalinu, Verde d’oro, Canariu areste, Var- darolu; kroat.: Zelenka; norweg.: Svenske; portug.: Verdilhäo, Verderol; poln.: Luszcak dzwoniec; ruſſ.: Dubonos, Raspew, Tschina- rowka, Selenuschka; ſchwed.: Grönfink; ſpan.: Verderon, Verderol, Verdon, Verdolor, Ver— dum, Bardum; ungar.: Zöldike. Der Grünhänfling iſt durch ganz Europa mit Ausnahme des äußerſten Nordens ver— breitet, auf der ſkandinaviſchen Halbinſel geht er bis zum 65. Grad, am Ural bis zum 60. Grad nördlich. In den nördlicheren Gebieten ſeines Verbreitungsbezirkes iſt er Zugvogel, in Mitteleuropa ſtreift er nach Nahrung umher, einzelne ziehen fort, einige bleiben in milden Wintern dort. In Südeuropa iſt er Stand— vogel, ebenſo in Nordweſtafrika, Kleinaſien, Kaukaſus, Nordweſtperſien und Nordweſttur— keſtan. In Madeira wird er nur als ſeltener Gaſt beobachtet. | Die jüdlicheren Vögel von Südſpanien und Afrika zeichnen ſich durch glänzenderes, ſchöneres heller-gelbgrünes Gefieder aus und ſind, wie oben angegeben, als chlorotica, aurantiiventris von verſchiedenen Autoren un— terſchieden. Es zeigen ſich aber alle Übergänge zu den dunkleren, dumpfer gefärbten nördlichen Exemplaren. Seebohm erklärt dieſe Färbungs— verſchiedenheiten direct durch den Einfluſs des Klimas, indem die Vögel mit brillanterem Federkleide in den Ländern mit geringerer Regenmenge, die dunkleren Federkleider in den Ländern mit nebeligem, regneriſchem Klima ſich finden. Totallänne 15˙6 cm Flügellänge. ... 8 Schwanzlänge .. 61 „ Tarſus 2 1˙8 „ Siönabeli 2 0. „ (Altes 6 von Braunſchweig vom 6./6. 1884 aus meiner Sammlung.) Der Schnabel iſt dick und ſehr kräftig, am Kiel und an der Firſte abgerundet, gleichmäßig kegelförmig zugeſpitzt, der Oberkiefer den Un— terkiefer überragend. Die Flügel ſind ziemlich lang, zugeſpitzt abgerundet. Die 2., 3. und 4. Schwinge ſind auf der Außenfahne ſchwach bogig eingeſchnürt. E % H Die Flügel reichen in der Ruhe bis über die Hälfte des Schwanzes hinab. Der Schwanz iſt keilförmig ausgeſchnitten. Die Füße ſind kurz und ſtark, die Krallen flach gekrümmt, unten zweiſchneidig, ſcharf zu— geſpitzt. ö g Altes Männchen im Frühjahre. Oberſeite ſchön gelblich olivengrün, an der Stirn, den kleinen oberen Flügeldeckfedern und am Bürzel in ſchönes Gelbgrün übergehend. Die großen oberen Schwanzdeckfedern und großen oberen Flügeldeckfedern ſchön aſchgrau. Wangen und Halsſeiten ebenfalls aſchgrau. Unterſeite gelblich olivengrün, an der Bruſt ins Grüngelbliche gehend, am Bauch graulich— weiß, an den Rumpfſeiten aſchgrau überlaufen. Schwingen und Schwanzfedern ſchwarz, an den Vorderſchwingen mit eitronengelber Außen— fahne bis zu den Enden der Einſchnürungen hin, die den ganzen Flügelrand gelb erſcheinen laſſen, am Schwanze zwei Drittel der Federn (mit Ausnahme der 4 mittleren) von der Baſis an citronengelb. Alte Männchen im Herbſte ſehen im Gefieder viel ſchmutziger aus, da die friſch ge— mauſerten Federn die anders gefärbten Säume noch tragen, die ſich dann im Laufe des Win- ters abtragen, auf der Oberſeite olivenbraune, an der Unterſeite weißliche. Bei jüngeren Männchen iſt das Gelb bleicher, überhaupt das ganze Gefieder mehr grün als gelb, von oben her am Rücken braun überlaufen, die Wangen braungrau. Altes Weibchen unterſcheidet ſich von dem alten Männchen ſehr leicht durch den düſterbraungrauen Rücken, nur auf dem Bürzel iſt mattes Grün ſichtbar. Die Unterſeite iſt ſchmutzig braungrau, nur auf der Bruſtmitte 512 Grünſandformation. — Grünſpecht. grünlich angeflogen. Auch das übrige Grün, reſp. Grüngelb an Schwingen und Schwanz— federn iſt viel matter, immer mehr grünlich als gelb. Jüngere Weibchen zeigen noch weniger Grün. Die Jungen vor der erſten Mauſer zeichnen ſich durch ſtarke Längsfleckung der Ober- und Unterſeite aus, dabei zeigen die Federn der Unterſeite einen grünlichen, die der Oberſeite einen ſtärkeren bräunlichen Anflug, das Gelb, reſp. Gelbgrün an Schwingen und Schwanzfedern iſt bereits deutlich vorhanden, ähnlich wie bei den Alten. Männchen und Weibchen ſind im Neſtkleide nicht zu unterſcheiden im Gefieder. Der Schnabel iſt im Frühjahr fleiſchfarben, am Kiel heller als auf der Firſte, nach der Spitze zu ins Graue übergehend, im Herbſte zeigt ſich die Fleiſchfarbe nur an den Mund— winkeln, übrigens erſcheint er hellröthlich grau. Die Iris iſt bei den Alten dunkelbraun, bei den Jungen graubraun und hat einen Durch— meſſer von 4 mm. Die Füße ſind im Frühjahre ſchmutzig fleiſchfarben, im Herbſte braungrau (nach zwei Exemplaren auf Spanien, 2 Exemplaren von der Wolga aus dem Mus. brunsv., 1 Exemplar aus Tiflis aus meiner Sammlung und zehn Exemplaren aus der Braunſchweiger Gegend, davon 7 aus meiner Sammlung und 3 aus dem Museum brunsvic.). Die Exemplare aus Spanien ſind etwas kleiner als unſere deutſchen und leuchtender im Gefieder, die von der Wolga und aus Tiflis zeichnen ſich, auch die Männchen, durch den bräunlichen Rücken aus, übrigens ſind keine Unterſchiede bemerkbar. Das Gelege beſteht meiſt aus 3, ſeltener aus 4 oder 6 Eiern. Dieſelben ſind meiſtens von eiförmiger Geſtalt, ſeltener kurz oval. Der Längsdurchmeſſer beträgt durchſchnittlich 196 mm, der Querdurchmeſſer 13˙9 mm, die Dopphöhe 88mm. Auf weißer Grundfarbe mit leicht blaugrünlichem Ton finden ſich ſpärliche blajs- blutrothe, dunklere blutbraune und einige ſchwarzbraune Pünktchen, namentlich am ſtum— pfen Ende, häufig dort einen Fleckenkranz bil- dend. Die Schale iſt ſehr zart und glatt. Das Weibchen brütet allein. Nach vierzehn Tagen ſchlüpfen die Jungen aus, bleiben ziem— lich lange im Neſte und werden dann von beiden Eltern noch einige Wochen umhergeführt. Sehr bald ſchreiten die Eltern zur zweiten Brut. Das erſte volle Gelege findet man mei— ſtens Mitte April, das zweite Anfang Juni. Der Grünhänfling iſt ein kräftiger, derber, ziemlich gewandter Vogel, der auf der Erde nicht ungeſchickt umherhüpft, aber meiſtens ſichtbar wird, wenn er weithin ausſchauend auf den äußerſten Spitzen der Bäume mit ziemlich aufrecht gerichtetem Körper ſitzt. Sein Flug iſt kräftig und raſch, in Bogenlinien, ähnlich den übrigen finkenartigen Vögeln. Auf kurze Ent- fernungen hin ſchnurrt er mit den Flügeln und ſchwebt beim Niederſetzen. Sein Lockton klingt wie „Gick“ oder „Jick“, mehreremale raſch hintereinander ausgeſtoßen, fein Warnungsruf „Twuih“ oder „Zwui“, auch „Woid“ oder „Hoid“. Schon zeitig im Früh⸗ jahr läſst das Männchen ſeinen niedlichen Ge— ſang ertönen. Naumann ſchildert ihn folgender- maßen: „Den Anfang darin machen die Lock— töne, die auch ſonſt oft darin vorkommen; dann ein ſouderbar kreiſchendes gedehntes ‚Schüäh‘, was man auch wohl „Schweinz' aus— ſprechen kann und wobei der ſitzende Sänger nicht ſelten den Hinterleib hin und her wirft und den Schwanz dazu breitet und ſchließt; dann folgen die Töne: „Tjoi tjoi tjoi tjoi tjoi, Girrrrrrr, Kling, kling, kling, kling“ als Haupt⸗ ſtrophen mit mehreren Abwechslungen.“ x Die Nahrung des Grünhänflings beſteht meiſtens aus ölhaltigen Sämereien, aber auch aus Baumknoſpen und Pflanzenkeimen. Mit Vorliebe freſſen ſie Hanfjamen und im Winter Wachholderbeeren. Raubvögel und vierfüßiges Raubzeug fügen ihnen und ihrer Brut viel Schaden zu. Einzeln iſt er mit dem Gewehr leicht zu erlegen, in größeren Schwärmen aber ſehr ſcheu. Auf Finkenherden iſt er ſehr leicht und in Maſſen zu fangen, ebenſo mit Sprenkeln, Schlingen und Leimruthen. Durch das Auffreſſen der Hanfſamen kön⸗ nen ſie empfindlichen Schaden thun, in Gemüſe⸗ gärten ſammeln ſie friſch geſäten Samen, na⸗ mentlich von Spinat und Kohl. Der Nutzen, den ſie durch Vertilgen der Unkrautſamen ſtiften, iſt nur gering. Das Fleiſch der Herbit- vögel iſt ſehr ſchmackhaft. Als Stubenvögel werden ſie ſehr zahm, namentlich wenn man ſie jung aufzieht, was ſehr leicht gelingt. Sie pflanzen ſich auch in der Gefangenſchaft leicht fort und iſt es häufig gelungen, mit nahen Verwandten, wie Stieg- litzen, Kanarienvögeln u. ſ. w. Baſtarde zu ziehen. R. Bl. Grünſandformation wird mitunter die Kreideformation genannt, weil in England und Nordfrankreich ſowie in Weſtfalen und Nord— amerika glaukonitiſche Mergel (Grünſande) einen weſentlichen Antheil an ihrer Zuſammen⸗ ſetzung haben. v. O. Grünſpan, ſ. Kuprerſalze. v. Gn. Grünſpanner, deutſcher Name für die zur Abtheilung Dendrometridae (ſ. d.) gehörige Spannergattung Geometra. Hſchl. Grünſpecht, der, Gecinus viridis Linné, Syst., XII., p. 175. — Schinz, Naturg., p. 260. — Bonaparte, Conspectus avium, I., Gen. 261. — Schlegel, Rev., I., p. 49. — Naumann, V., p. 270. — Degland und Gerbe, no. 86. Abbildungen: Vogel. Naumann, T. 132. — Gould, T. 226. — Eier. Thiene⸗ mann, T. 13, Fig. 14a und b. — Bädecker, D. 14, Fig. 1. Poln.: Dzieciot zielony; böhm.: Zluna zelena; froat.: Zelena Zuna; ung.: zöld Har- käly; ital.: Piechio gallinaccio. Männchen. Oberkopf, Nacken und Mund⸗ winkelfleck lebhaft ſcharlachroth, auf dem Scheitel ſchwach grau ſchattiert, Augengegend ſchwarz, ganzer Oberkörper grasgrün, Schwanzdecken gelb, Kehle weiß, Unterſeite ſchmutzig gelbgrün, Grünſtein. — Gryllotalpa. 513 an den Schenkeln dunkel gewellt. Handſchwingen außen mit 6—7 weißen, roſtfarbig angehauchten, innen mit breiten weißen Querflecken. Steuer— federn ſchwarz mit 5—7 verwaſchen braunen Querbinden. Weibchen. Die ſchwarze Färbung an den Kopfſeiten ausgedehnter, ſonſt völlig mit dem Männchen übereinſtimmend. Bei beiden Iris weißgrau, Schnabel und Füße bleigrau. Junge Vögel unterſcheiden ſich durch unregelmäßige, oft unterbrochene dunkle Quer— binden auf der Unterſeite; auch iſt die rothe Kopfplatte durch graue und grünliche Partien unterbrochen. Die Länge beträgt ca. 31, die Breite 52, die Fittichlänge 18, die Schwanzlänge 12 cm. Der Grünſpecht iſt mit Ausnahme Spa— niens und des äußerſten Nordens faſt über ganz Europa verbreitet und in den meiſten Gegenden häufig. Im Oſten iſt er nur ſpora— diſch, doch (nach Blandford) bis nach Perſien anzutreffen. Er iſt, je nach dem örtlichen Klima und den Nahrungsverhältniſſen, bald Stand-, bald Strichvogel; er wandert meiſt geſellig, oft in größeren Trupps, denen ſich nicht ſelten einzelne Grauſpechte beigeſellen. Er liebt zu ſeinem Aufenthalte weniger geſchloſſene Wälder, vielmehr vorzugsweiſe ſolche Gegenden, in welchen Wieſen und Acker mit Gärten und kleineren Gehölzen abwechſeln; natürlich darf es nicht an alten Bäumen fehlen. Im Klettern iſt er Meiſter und übertrifft in der behenden Fortbewegung auf ebenem Bo— den alle ſeine Verwandten; im Fluge beſchreibt er tiefere Bogenlinien als andere Spechte, wo— 1 er auf große Entfernungen leicht erkenn— ar iſt. Seine Lieblingsnahrung iſt die Gilbameiſe (Formica rubra), doch nimmt er auch ſehr viele andere Inſecten und deren Larven und Raupen an, ſo z. B. jene des Weidenbohrers. Auch den Maulwurfsgrillen und im Winter ſelbſt den ſchlafenden Bienen ſtellt er nach. Schon Ende Februar vereinigt ſich das Paar auf dem zur Fortpflanzung beſtimmten Platze, wiewohl erſt im April mit dem Neſt⸗ bau begonnen wird. Der Eingang der ſelbſt— gezimmerten Niſthöhle iſt meiſt nur knapp ſo groß, daſs der Vogel aus- und einſchlüpfen kann, die Höhlung ſelbſt aber ſehr geräumig. Meiſt wird ſie ziemlich hoch am Stamme, mit— unter aber auch nur in Griffhöhe angelegt. Das Gelege beſteht meiſt aus 6, ſeltener aus 7—8 Eiern mit glänzend weißer Schale, die 16—18 Tage lang von beiden Gatten bebrütet werden. Die Jungen entwickeln ſich ſehr raſch, kehren aber allabendlich noch lange nach dem Ausfliegen zur Bruthöhle zurück. Bis zum October hält ſich die ganze Familie vereinigt. E. v. D. Grünſtein wurde früher Diabas genannt. v. O. Gruppe nennt man eine Anzahl zuſam— mentretender Bäume, welche ſich von ihrer Um— gebung unterſcheiden, ohne jedoch ein ſelbſtän— diges wirtſchaftliches Object darzuſtellen, z. B. eine Gruppe Buchen im Tannenbeſtand. Nr. Gruppe, ſ. v. w. ein kleinerer Horſt. Gt. Gruppenwirtſchaft oder Horſtwirtſchaft. Man verſteht hierunter die Art der Beſtands— bildung, bei welcher man nicht von vornherein auf Erlangung von größeren, im weſentlichen gleichartigen, gleichwüchſigen und gleichalterigen Beſtänden hinwirkt, ſondern das Holz in Horſten (ſ. Beſtand) oder Gruppen (j. d.), wie ſie der Wald bietet oder wie ſie deſſen Standortsver— hältniſſen am meiſten angepaſst ſind, erzieht, die dann unter ſich im Alter, auch wohl nach Art verſchieden ſind, dabei aber im ganzen einen gleichartigen Charakter an ſich tragen und jo doch als zu einem Beſtande gehörig ange— ſehen werden können. Man bezweckt mit dieſer Art der Wirtſchaft entweder die Erziehung ge— miſchter Beſtände (ſ. d.), oder glaubt dadurch bei einzelnen Holzarten, namentlich der Weißtanne, die Nachzucht zu erleichtern und die Ausnutzung zu begünſtigen. Es kommt dieſe Art der Ver— jüngung auch wohl unter dem Namen femel— ſchlagweiſe Verjüngung vor; da jedoch mit dieſem Ausdruck C. Heyer auch die gewöhn— liche Samenſchlagverjüngung bezeichnet, ſo zieht es wenigſtens K. Geyer vor, fie horſt- oder gruppenweiſe Verjüngung zu nennen (vgl. 2 5 Schrift: „Der gemiſchte Wald“, Berlin 1886). K. Geyer, auch Ney, der dieſe Wirtſchafts— art in ſeiner „Lehre vom Waldbau“, Berlin 1885, geregelten Femelbetrieb nennt, be— fürworten ſie warm, erwarten aber jedenfalls mehr von ihr, als ſie zu leiſten vermag. Das Weſentliche der Art der Wirtſchaftsführung iſt bei „Lichtſchlag“ sub 4 angedeutet (ſ. Weiß— tannenerziehung). , Gt. Gruſe, die, auch Gruszeit, vom mhd. grouse — Saft der Pflanzen und die Zeit, in welcher ſie im vollen Safte ſtehen, ſ. v. w. Schonzeit; ſelten. „Dieweil es iſt jetzt in der Grüß, mögt ihr denſelben (den Hirſch) fahen wol!“ Theuerdank, Ar. 33. — „Welche in der Setzzeit und auf der Groſe auf fremden Fel— dern ſich betreten laſſen . ..“ Brem. Jagdord— nung, 1692, art. 11. — „Wird die Groſe ver— ſtanden und gerechnet von Domin. Judica bis den 10. Auguſt.“ Kaiſerl. Patent v. 11. De⸗ cember 1705. — „Die Haſen ſoll man nicht in der Gruſe ſchießen.“ Friſch, Lexikon, 1741, I., p. 380. — „Geſchloſſene oder Bann-, auch Hege⸗, Gruß⸗ oder Waldſperrzeit.“ Chr. W. v. Heppe, Wohlred. Jäger, p. 180, 192, 331. — Benecke, Mhd. Wb. I., p. 582. — Schmeller, Bayeriſches Wb. II., p. 122. — Sanders, Wb. I., p. 647 b. E. v. D. Gryllidae — Gryllina. Hſchl. Gryllina, Grabheuſchrecken, eine Familie der Ordnung Orthoptera (ſ. d.), Geradflügler. Hſchl. Gryllodea — Gryllina. Hſchl. Gryllotalpa, Latr. (Acheta), Gattung der Familie Gryllina, Ordnung Orthoptera, I. Ab⸗ theilung Orthoptera vera, enthält nur eine Art, Gryllotalpa vulgaris, die bekannte Maul- wurfsgrille oder auch Werre, Reutwurm, Erdwolf, Erdkrebs Moldwolf genannt. Im ausgewachſenen Zuſtande erreicht die Maul— wurfsgrille eine Länge von 45—50 mm; fie iſt heller oder dunkler braun, dicht, ſeidenſammt— Dombrowski. Eneyklopädie d. Forſt⸗ u. Jagdwiſſenſch. IV. Bd. 33 514 artig behaart; die Unterſeite heller; die Deck— flügel kurz, nicht länger als der Halsſchild, ſchwärzlich geadert und viel kürzer als die Unterflügel; dieſe ſehr breit, in der Ruhe pfriemenförmig zuſammengefaltet und in bogi— gem Verlaufe die Hinterleibsſpitze überragend. Vorderſchienen dreieckig, ſehr kurz gekrümmt, breit, ſchaufelförmig, mit 4 ſtarken Zähnen, Grabbeine (vergl. Art. Beine der Inſ., Fig. 5). Fühler fadenförmig, etwas genähert, unter den Augen eingefügt; die Augen klein, perlförmig vortretend; zwiſchen denſelben und etwas höher ſtehend zwei ſtark glänzende Punktaugen. Die Werre gehört zur großen Abtheilung der Insecta ametabola, d. h. ihre Verwandlung iſt eine unvollſtändige, indem das Larven- und Puppenſtadium jenem der Imago ähnelt. — Die Begattungszeit fällt in die Zeit von Anfang Juni bis Juli; die Copula ſelbſt ge— ſchieht in den Erdröhren. Eierablage: in einer unter Zuhilfenahme des Speichels aus Erde gekneteten, ſtark hühnereigroßen Erdkapſel (Erdneſt), zu welcher ein flach unter der Erd— oberfläche verlaufender, ſich mitunter auch ga— belnder, gleichfalls mit Speichel ausgeglätteter Gang führt. Das Neſt liegt durchſchnittlich 10 bis 12 cm tief im Boden und in raſcher Bie— gung wendet ſich der Gang zu demſelben ab— wärts. Die ſehr zahlreich (zu 200— 250 Stück) abgeſetzten Eier ſind grünlich, etwa von der Größe eines Hanfkorns und benöthigen ca. 3 Wochen zu ihrer Entwicklung. Die ſechsbeinige Larve iſt gleich nach dem Auskriechen (Juli) bis zur erfolgten erſten Häutung faſt weiß („weiße Ameiſen“), ähnelt aber im übrigen dem vollkommenen Inſecte; die Flügel und Nebenaugen fehlen noch. Mit jeder der fol— genden Häutungen aber treten die lappenförmi— gen Flügel ſchon deutlicher hervor. Die Larve überwintert, häutet gegen Ende Mai oder Anfang Juni des nächſten Jahres zum legten - mal und iſt nun zum geſchlechtsreifen Thiere geworden. Überjährigkeit ſcheint ausnahms— weiſe vorzukommen. Die Werre hat ſowohl in verticaler, als horizontaler Richtung ein großes Verbreitungsgebiet, zieht aber überall die lockeren, tiefgründigen, humoſen Böden und die Niederungen anderen Standörtlichkeiten vor. Inſolange die Larven noch klein ſind, ſcheinen ſie ſich ausſchließlich von humoſen Boden— theilen zu nähren. In dieſem Jugendſtadium verlaufen die von ihnen angelegten Erdröhren nur ganz flach unter dem Boden, ſind kaum federſpulendick, vielfach geſchlängelt und häufig ſogar verworren. Mit zunehmender Körper— größe nehmen auch die Gänge an Weite zu und erreichen bei der ausgewachſenen Werre eine ſolche, daſfs man bequem den kleinen Fin— ger in den Gang einſchieben und ihn bis in die Nähe des Eierneſtes, wo er ſich abwärts wendet, verfolgen kann. Bis nach überſtandener erſter Häutung bleiben die Larvenfamilien noch beiſammen, zerſtreuen ſich aber ſodann. Auch ihre Nahrung wird allmählich derber; ſie be— freſſen nun ſchon die ihnen bei der Anlage ihrer Erdröhren im Wege ſtehenden zarteren Pflanzen wurzeln, oder verletzen und zerreißen dieſelben mii ihren Scharrbeinen. Dadurch aber nr. e * Gryllotalpa. — und durch das Unterwühlen des Bodens wer— den ſie dem jungen Pflanzenwuchs in hohem Grade ſchädlich. Daſs die Werre auch anima— liſche Koſt zu ſich nimmt und Würmer, Schnecken, Larven, ſelbſt ihre eigene Brut ver— zehrt, mithin nach dieſer Richtung ſich auch nützlich zeigt, vermag die durch ſie angerich— teten Schäden nicht auszugleichen. Beim Forſt— betriebe gewinnt die Werre wohl nur in Bezug auf die Forſtgärten Bedeutung, iſt aber gerade hier und bei ſtarker Vermehrung rückſichtlich ihrer Schädlichkeit den Engerlingen faſt gleich— zuſtellen. Von den directen Beſchädigungen ganz abgeſehen, leiden die Keimpflanzen noch ganz beſonders durch die ihren Wurzelraum kreuz und quer durchziehenden Erdröhren. Die jungen Pflänzchen verlieren infolge deſſen ihren Halt, die Würzelchen vertrocknen und die Pflan— zen gehen ein. Nach ſtattgehabten Regen treten die mit Speichel innen ausgekleideten und da— durch vor dem Nachſinken geſicherten Erdröhren, angeſchwollenen Adern nicht unähnlich, an der Oberfläche der Beete hervor und können in ihrem Verlaufe leicht bis zum Erdneſte ver— folgt werden. Durch anhaltend warme, trockene Sommer wird die Vermehrung der Werre be— ſonders begünſtigt, daher auch die durch ſie an— gerichteten Schäden in ſolchen Jahren beſonders empfindlich ſind. Zur Bekämpfung gibt es eigentlich nur zwei, mit Ausſicht auf guten Erfolg durchführbare Mittel: das Eingraben von Fangtöpfen und das Zerſtören der Neſter durch Aufſuchen derſelben im Boden. Über die Anwendung der Fangtöpfe vergl. man den betreffenden Artikel. Bezüglich des Aufſuchens der Neſter Folgendes: Selbſtverſtändlich hat das— ſelbe zur Zeit zu geſchehen, wo die Eier oder jungen Larven noch in denſelben vorhanden ſind. In dieſem jüngſten Entwicklungsſtadium bis zum Zeitpunkt, wo die Bruten das Neſt verlaſſen, werden dieſelben vom Mutterthiere be— wacht, zum Theile wohl auch aufgefreſſen. Kalen— dariſch läſst ſich der Zeitpunkt des Neſterſuchens nicht feſtſtellen; er fällt aber im allgemeinen in die Monate Juni, Juli. Da, wo die Erdröhren vereinzelt und ſehr ſlach unterm Boden hin— laufen, braucht man nicht weiter zu ſuchen. Die Stelle, wo ſich das Neſt befindet, iſt ſtets durch zahlreiche Gänge und durch die einige Centi— meter gerade abwärts führenden Eingangs— öffnungen bezeichnet. Verfolgt man einen ſol— chen Gang mit dem eingeführten Finger bis dahin, wo ſich derſelbe im Halbkreis von 15 bis 30 em Durchmeſſer wendet, jo iſt man über dem geſuchten Neſte; es liegt nur ſelten über 10 em tief und iſt als feſte Erdkugel im klaren Boden leicht zu finden. Ratze— burg empfiehlt zum Tödten der in den geſam— melten Neſtern enthaltenen Eier oder jungen Lärvchen das einfache „Andieluftſetzen“ der— ſelben, was ſchon nach wenigen Stunden das Einſchrumpfen der Brut zur Folge habe. Sicherer dürfte aber immerhin das Sammeln der mit Brut befetzten Neſter in einem mit Waſſer gefüllten Gefäße ſein, was um ſo we— niger Schwierigkeit bereitet, da man es im Forſtbetriebe ja doch immerhin nur mit den verhältnismäßig kleinen Flächen der Saatbeete Gryllus. — Guano. 515 zu thun haben wird. Das Antreten der Erde in den Beeten während der Zeit, wo die 7 7 mit der Anfertigung der Neſter beſchäftigt ſind, läſst ſich, ſo praktiſch dieſes Mittel im übrigen ſein würde, in den Saatſchulen nicht durch— führen, da um dieſe Zeit auch die Saaten ſchon aufgelaufen und Beſchädigungen der zarten Keimlinge nur ſchwer fernzuhalten ſind. Von allen Mitteln iſt das Fangen der Thiere in Fangtöpfen das einfachſte und wirkſamſte; es mufs jedoch damit ſchon im Mai, alſo noch vor erfolgter Copula begonnen werden. Hſchl. Gryllus, j. Orthoptera. Hſchl. Guajakharz, von Guajacum officinale’aus Weſtindien, enthält neben anderen Stoffen Guajakharzſäure, Ces Hes O,, welche bei der De— ſtillation Guajacol, C, Hs O02, und Byroguajaein, Oi Ha Os, liefert. v. Gn. Guanidin, ( II. N., iſt das Subſtitutions— product des Harnſtoffs, welches an Stelle ſeines Sauerſtoffs ein Molecül Imid enthält. Es bildet zerfließliche Kryſtalle von ſtark baſiſchen Eigen— ſchaften, zieht begierig Kohlenſäure aus der Luft an. Es wurde zuerſt gewonnen aus Guanin durch Einwirkung von chlorſaurem Kali und Salzſäure; leichter läſst es ſich darſtellen aus Schwefelharnſtoff oder aus Rhodanammonium durch trockenes Erhitzen dieſer Körper auf 180 bis 190°. Guanidin iſt eine einſäurige Baſis. v. Gn Guanin, (. IH, N, O, wurde zuerſt aus dem Peruguano dargeſtellt; es findet ſich auch in den Excrementen der Spinnen und bildet oft Eoneretionen im Fleiſch der Schweine, welche dadurch von der „Guaningicht“ befallen werden. Es iſt zu betrachten als Imidoxanthin, als Xanthin, in welchem ein Atom Sauerſtoff durch Imid erſetzt iſt, was aus ſeiner leichten Umwandlung in Kanthin mit ſalpetriger Säure geſchloſſen werden kann. Es bildet ein farbloſes, amorphes Pulver, unlöslich in Waſſer, Alkohol, Ather und Ammoniak, löslich in Säuren, ſowie in Kali⸗ und Natronlauge. Auch im Pflanzen— reich wurde Guanin nachgewieſen, ſo z. B. in Kartoffeln, Zuckerrüben, Ahorn- und Platanen- ſproſſen, Lupinen⸗ und Kürbiskeimen, jungem Gras und Klee. v. Gn. Guano. Die bekannteſte der zahlreichen Guanoſorten iſt der Peruguano. Derſelbe be— ſteht aus den Exeremeten von Seevögeln (Möven, Tauchern), welche die Inſeln der Weſtküſten des ſüdlichen Amerika bewohnen und ſich von Fiſchen nähren Von Waſſer nicht berührt, denn jene Gegenden ſind regenlos und die Niſtplätze der Vögel vor den Meeresfluten geſchützt, konnten die Excremente die geſammten löslichen, meiſt aus Ammoniakverbindungen beſtehenden Sub— ſtanzen unverändert behalten. Der peruaniſche und von dieſem namentlich der Chinchaguano zählt zur vorzüglichſten Sorte, ſeine Verwertung bildet eine Haupteinnahmequelle Perus. Der echte peruaniſche Guano findet ſich in oft bis 50 m hohen Schichten auf dem felſigen Grund der öden, vegetationsloſen Inſeln abgelagert, wird mittelſt Spitzäxten und Spaten gewonnen und auf die ſtets der Befrachtung harrenden Schiffe verladen. Die bedeutendſten Ablagerungen des Peru— guanos finden ſich auf den Chincha-Inſeln, deren eine aber bereits erſchöpft iſt. Im Norden der Chinchas hat man noch gute Guanolager ge— funden auf den Balleſtas-, Guanape- und Ma— cabi-Inſeln. Die ſüdperuaniſchen Lager find die von Chipana, Huanillas, Punta de Cobos, Pa— bellon, Pica und Puerte-Ingles. In geringeren Qualitäten kommen auch noch an anderen Fundorten recht gute Guano— ſorten vor, ſo wird z. B. von einigen Inſeln Bolivias und Chiles, des Stillen Oceans, des Karaibiſchen Meeres, an der Weſtküſte Afrikas (Pacquino), Schabo, Ichaboe, Shay Pinguoin Guano in den Handel gebracht. Neuerlich hat man auch in Europa Guanolager geſucht und in Nor— wegen, Frankreich, Ungarn und Sardinien u. ſ. w. auch etwas Ahnliches in den maſſenhaften Ab— lagerungen von Fledermausexereten (Fleder— mausguano, ſardiniſcher Guano) gefunden. Neben dem vorzüglichen peruaniſchen Guano kommen auch Sorten aus anderen Gegenden vor, welche ihren Stickſtoffgehalt durch Aus— laugen meiſt verloren haben. Zu dieſen ſchlechten Sorten gehören die aus den dem Regen unter— worfenen Gegenden Amerikas, Afrikas, Aſiens und Auſtraliens und ſind meiſt unter den Namen: patagoniſcher, Sea-Island-, Saldan— habay⸗, Scharks-, Bay-, Cap⸗, Curia⸗, Muria⸗, arabiſcher Guano u.f.w. im Handel bekannt. Die Zuſammenſetzung des Peruguanos iſt eine ſehr variable, je nachdem derſelbe mehr oder weniger mit Nahrungsüberreſten, den Leibern der Vögel und anderen Beimengungen untermiſcht iſt. Auch die Feuchtigkeit (Thau), ſo gering ihre Menge auch ſein mag, hat im Laufe der Zeit Einfluſs auf die Beſchaffenheit des Guanos. Abgeſehen von der ſchieferartigen, jüngſten und oberſten Schicht des Lagers hat man noch drei mächtige übereinanderliegende Abtheilungen zu unterſcheiden: den oberen (Sur— face-) Guano, der gelblichgrau von Farbe iſt, den mittleren gelben und den unteren braunen Guano. Die mittlere Schicht iſt die beſte, denn ſie enthält die löslichen Kali-, Ammoniak-, Kalk⸗ und Magneſiaſalze der oberen Schicht und Ammoniak und kohlenſaures Ammoniak, welches ſich aus der unteren Schicht entwickelt. Echter Peruguano bildet ein kleinkörniges Pul— ver, theilweiſe zu großen, feſten Klumpen ge— ballt, die ſich im Innern oft kryſtalliniſch und glänzend zeigen, er iſt fettig anzufühlen, zeigt eine von hell bis dunkel wechſelnde kaffeebraune Farbe und hat ſalzigen, ätzenden Geſchmack. Die im Guano vorkommenden Klumpen ſind je nach der Schicht, aus der ſie ſtammen, ver— ſchieden zuſammengeſetzt. Die Knollen aus der oberen Schicht ſind identiſch mit dem ſie um— gebenden Mehl; die Knollen des mittleren gelben Guanos ſind heller gefärbt, oft weiß und enthalten jedenfalls einen kryſtalliniſchen Kern, wenn ſie nicht durchwegs ſtrahlig kryſtalliniſch find. Sie beſtehen aus oxalſaurem und harn⸗ ſaurem Ammoniak. Die Coneretionen der unterſten Schicht beſtehen der Hauptmaſſe nach aus Erd- und Alkali-Salzen, beſonders häufig ans ſchwefelſaurem Kali. Der dem Peruguano und jedem Stickſtoffguano zukommende, eigen⸗ thümliche Geruch iſt bedingt durch den Gehalt 33 * 316 an Ammoniakſalzen und ſich zerſetzenden orga— niſchen Subſtanzen. Folgende Zuſammenſtellung gibt ein Bild der im Peruguano enthaltenen Subſtanzen: Harnjaures Ammoniak... 34—12˙2 % Oxalſaures Ammoniak. 10•6—47˙7 „ Orale , 13—16˙4 „ Phosphorſaures Ammoniak ... 60— 69, Phosphorſaure Ammoniak-Mag⸗ C 2:6—11'6 „ Schwefelſaures Kali... .. 4˙0— 3˙5ů „ Schwefelſaures Natron... 11— 4˙9 „ c 0 — 0%, Chlorammo nim 22— 6˙5 „ Phosphorſaurer Kalk... 99—20°2 „ Kohlenſaures Ammoniak. 0 — 08 „ Humusſaures Ammoniak ... 0 — 115, Phosphorſaures Natron. ... 0 — 33 „ Kohlenaurer Kak 0 — 16, Wachsartige Subſtanz .. 0 — 08, ind hon 17— 3˙9 „ Waſſer und organiſche Subſtanz 12˙9—32˙3 „ Unter dieſen Beſtandtheilen ſind die ſtick— ſtoffhaltigen die wertvollſten. Ihre Menge wird um ſo geringer ſein, je mehr der Guano vom Regen- oder Meerwaſſer ausgeſpült wurde. Der Stickſtoff findet ſich als Harnſäure, Ammoniak und in organiſchen Stoffen. In ſehr gutem Peruguano vertheilt ſich der Stickſtoff auf die Beſtandtheile in etwa fol— gender Weiſe: eee, oa one 9% „ Ammoniak Stickſtoff in organiſcher Form .. .. 2%, Gleich anderen ſchnell in Aufnahme ge— kommenen Handelsdüngern wird auch der Guano häufig gefälſcht. An den nordiſchen, beſonders engliſchen Hafenplätzen bildet die Guanoverfälſchung ſogar einen ſehr vortheilhaften Erwerbszweig, bei wel— chem alles nur irgend taugliche Material, und zwar jo geſchickt in Anwendung kommt, dajs es Farbe und Geruch des Guanos täuſchen dan— nimmt. Eine ſehr nachtheilige Fälſchung des Guanoss iſt jene mit Waſſer, nicht allein wegen der Gewichtsvermehrung, ſondern beſonders wegen der durch Feuchtigkeit beſchleunigten Zer— ſetzung der Stickſtoffverbindungen unter theil— weiſer Ammoniakverflüchtigung. Die Kennzeichen eines guten Peruguanos ſind folgende: Er ſtellt ein braungelbes lockeres Pulver dar, welches mit mehr oder weniger großen, meiſt leicht zer— reiblichen Knollen von hellerer Farbe gemengt iſt. Mit Kalk gemiſcht, entwickelt er, beſonders beim Erwärmen, einen ſtarken Ammoniakgeruch; letzterer ſoll ſich auch intenſiv beim Einäſchern des Guanos zeigen. Guter Guano hinterläſst 30—33%, Ace, ſchlechter 60 — 80 %, abſichtlich verfälſchter noch mehr. Die Aſche ſoll weiß oder grau ausſehen, eine gelbe oder rothe Färbung deutet auf Verfälſchung mit Lehm, Ziegelmehl, Mergel, Erde. Löst man die Aſche in Salpeter— jäure, jo ſoll nur eine ſchwache Kohlenſäure— entwicklung ſtattfinden und nicht mehr als 3% des Guanos ungelöst bleiben. Beim Digerieren mit Waſſer löst ſich von gutem Guano un⸗ gefähr die Hälfte ſeines Gewichtes auf, bei ge— Gulaerostria. — Gummi arabicum. ringeren Sorten bleiben 80—90 % ungelöst. Die Löſung iſt braun gefärbt wie Madeira— wein, bei geringeren Sorten hellgelb. Der Ge— halt an Phosphorſäure, ſowie an Stickſtoff be— trägt bei gutem Peruguano 13— 14%. Die Wirkung des Peruguanos beruht vor— nehmlich auf ſeinem Gehalt an Stickſtoffverbin— dungen und phosphorſauren Salzen, in phyſi— kaliſcher Beziehung nützt er dem Boden nicht. Dem Peruguano verwandte, künſtliche Guanoſorten find der Sprottenguano, Rob— benguano, norwegiſcher Fiſchguano, Garnatguano und Fledermausguano. Neben den Stickſtoffguanos finden als Düngemittel auch die Phosphatguanos Ver⸗ wendung. Unter Phosphatguanos begreift man jene Mineralphosphate, welche aus dem Stick— ſtoffguano infolge größerer oder geringerer Aus— laugung ſeiner löslichen organiſchen und un» organiſchen Stoffe entſtanden ſind. Sie bilden wie der Stickſtoffguano mächtige Lager, entweder aus ſteinartigen Maſſen wie der Maraiben- und Sombreroguano, oder fie ſind pulverartig, untermengt mit größeren Stücken und dem Stickſtoffguano dann ſehr ähnlich. Ihre Farbe iſt ſehr verſchieden und ſelten gleichmäßig, faſt emailweiß bis chocoladebraun; ſie ſind geruch— los oder doch von viel ſchwächerem Geruch als der Stickſtoffguano. Die wichtigſten im Stillen Ocean, nahe dem Aquator liegenden Phosphatguano-Inſeln ſind die Bafer-, Howland-, Malden-, Jarvis-, Star⸗ buck⸗, Enderbury- und Phönix-Inſeln. Die beiten Phosphatguanos find die Baker-, Mejillones- (an der Küſte von Bolivia) und Razaguano. Von den weſtindiſchen Phosphatguano-Inſeln find Curacao in der Nähe von Caracas, deren Guano ca. 70% phosphorſauren Kalk und 7 bis 8% ũ kohlenſauren Kalk enthält, und Som— brero, ſowie Navaſſa zu nennen. Die Lager an der afrikaniſchen Küſte ſind geringwertig; ein— geführt wurden von dort der Saldanhabay— und Algoabay-Guano. Guano dient außer als Düngemittel auch zur Darſtellung von Harnſäure, Guanin, Mure- xid, Milchglas und als Putzpulver für Glas und Metall. v. Gn. Gulaerostria, ſ. Rhynchota. Hſchl. Gummi. Die Gummiarten gehören zur Gruppe der Kohlehydrate, ſind geruch- und geſchmacklos, nicht kryſtalliniſch, in Alkohol und Ather unlöslich, in Waſſer löſen ſie ſich zu einer ſchleimigen, klebenden Flüſſigkeit oder quellen darin auf, polariſieren nach links, re- ducieren nicht die Trommer'ſche Löſung, geben beim Kochen mit verdünnten Säuren Trauben» zucker, mit Salpeterſäure Schleimſäure und Oxalſäure. Sie ſind im Pflanzenreiche ſehr weit verbreitet und treten am reichlichſten in der lebenden Rinde baumartiger Gewächſe auf; wahrſcheinlich entſtehen ſie aus Celluloſe oder Stärke und find zumeiſt als Exerete anzuſehen. Zu den in Waſſer löslichen Gummiarten ge— hören das Dextrin und Arabin, zu den in Waſſer nur aufquellenden Ceraſin, Baſſorin und der Pflanzenſchleim. v. Gn. Gummi arabicum ſtammt aus tropiſchen Acaciaarten; es bildet amorphe, durchſichtige, Gummi elasticum. — Gütergemeinſchaft. farbloſe oder gelbliche Maſſen von muſcheligem Bruch, läſst ſich pulvern und löst ſich leicht in Waſſer zu einer klebrigen Flüſſigkeit. In Alkohol und Ather iſt es unlöslich. Es beſteht aus den Kalk- und Kaliſalzen der amorphen Gummiſäure (Arabinſäure). v. Gn. Gummi elasticum, ſ. Kautſchuk. v. Gn. Gummieier (ova gummosa), alle nackten, mittelſt eines gummiartigen, an der Luft raſch erhärtenden, meiſt glashellen Secrets be— feſtigten und umhüllten Inſecteneier (Gastro— pacha pini, neustria u. v. a.). Hſchl. Gummigutt iſt ein von mehreren Bäumen aus der Familie der Guttiferen ſtammendes Gummiharz. Es kommt als Kuchen- und Röhren— gummigutt in den Handel, iſt auf friſcher Bruch— fläche braunroth, gepulvert gelb, zerſetzt ſich, ohne zu ſchmelzen, bei 260, bildet mit Alkalien und alkaliſchen Erden gelbe Salze, von denen nur die der Alkalien in Waſſer löslich ſind, und findet Verwendung als Waſſerfarbe, zu Firniſſen und als Abführmittel. v. Gn. Gummiharze (Schleimharze) ſind natürlich vorkommende Gemenge von Gummi, Harz und ätheriſchen Olen, welche durch Eintrocknen des Milchſaftes verſchiedener tropiſcher Pflanzen gewonnen werden. Mit Waſſer zuſammenge— rieben, geben ſie eine milchartige Flüſſigkeit, in Alkohol ſind ſie theilweiſe löslich. Die be— kannteſten Gummiharze find: Ammoniakgummi, Euphorbium, Galbanum, Gummigutt, Myrrhe, Teufelsdreck und Olibanum. Sie dienen meiſt medieiniſchen Zwecken. v. Gn. Gummilack entſteht infolge des Stiches der Gummilacklaus (Coccus laccae) in mehr oder minder dichten Kruſten, auf den jungen Zweigen mehrerer indiſcher Bäume, z. B. Croton laceiferus, Ficus religiosa, Ficus indica, Zizi- phus Jujuba und Butea frondosa. Je nachdem der Gummilack mit den ganzen Zweigen abge— brochen wird oder nur die Harzkruſten ge— ſammelt werden, unterſcheidet man Stocklack und Körnerlack, deſſen größte Mengen von den Gangesländern Siam und Anam gedeckt werden. Der Stocklack iſt ein hartes, dunkel- rothes Harz, am Rande durchſcheinend, ſchmeckt bitter und färbt den Speichel violett. Aus dem durch Auskochen mit ſodahaltigem Waſſer theil— weiſe entfärbten Körnerlack bereitet man durch Schmelzen und Colieren den Schellack, welcher zur Fabrikation von Siegellack, Firniſſen, Kit— ten u. ſ. w. verwendet wird. v. Gn. Gundermann, j. Glechoma. Wm. Günſel, ſ. Ajuga. Wm. Gurre, die (mhd. verächtliche Bezeichnung für eine ſchlechte Stute), ſcherzhafte Bezeichnung ſtatt Geltthier, Geltreh, Geltgeis. Behlen, Real- und Verb.⸗Lexik. VII., p. 248. E. v. D. Gürtelpuppe (Chrysaliis cingulata), eine mit dem Afterſegment feſtgeſponnene und noch außerdem in einem Geſpinſtgürtel horizontal ruhende Tagfalterpuppe. Hieher gehören alle Maskenpuppen (Chrys. nasuta). Hſchl. Gurtwieden, j. Geſtörflößerei. Fr. Gut, adj., allgemein ſtatt groß, ſtark, ſchön, von allem edlen Wilde, doch vorzugsweiſe nur vom hohen edlen Haarwilde. Ebenſo heißen Geweihe und Gehörne gut, wenn ſie ſtark, gut 517 geperlt, weit ausgelegt ſind. Ferner die Naſe des Hundes, wenn ſie fein und empfindlich iſt. Gut abkommen, ſ. bei Abkommen. Gut iſt end— lich auch der Jäger, wenn er weidgerecht iſt. Wichtigere Belegſtellen für die verſchiedenen Anwendungen ſ. b. Döbel, 1746, I., p. 2, 17, 18, 21, 28, 84. — C. v. Heppe, Aufr. Lehr⸗ prinz, p. 80. — Chr. W. v. Heppe, Wohlred. Jäger, p. 190. — Onomat. forest. I., p. 1079. — Winkell, Hb. f. Jäger I., p. 148. — Hartig, Lexikon, p. 230. — Behlen, Real- und Berb.- Lexik. III., p. 518, 519. — Laube, Jagdbrevier, p. 280. — R. R. v. Dombrowski, Edelwild, P. 20; Fuchs, p. 186, 187 u. ſ. w. 3 Gut jagdbar, ſ. jagdbar. E. v. D. Güte, die, ſ. v. w. Stärke. „Die Güte und Schwere des Gehörnes erfolget auch, ſo fie (die Hirſche) gut aus dem Winter kommen, guten Stand und Geäſst gehabt.“ Döbel, Ed. I, 1746, I., fol. 6. — „Güte heißet eigentlich die Feiſte des Roth-, Dam- und Schwarzwild— prets; item die Stärke ihres Wildprets.“ C. v. Heppe, Aufr. Lehrprinz, p. 114. — „Den Hirſch der Güte nach erkennen, ob er gering oder ſtark ſei.“ Chr. W. v. Heppe, Wohlred. Jäger. p. 7. — Großkopff, Weidewercks-Lexikon, p. 145. E. v. D. Güteclaſſe, ſ. Bonitierung. Nr. Gütergemeinſchaft iſt jene Art des deut— ſchen ehelichen Güterrechtes (ſ. Familien— recht), bei welcher das von den beiden Ehe— gatten beigebrachte Vermögen als ein einheit— liches Ganzes betrachtet wird, über welches für die Zwecke der ehelichen Gemeinſchaft die Ver— waltung und Verfügung, ſowie die proeeſſuali— ſche Vertretung dem Manne zuſteht, welcher jedoch zur Veräußerung von Immobilien meiſt der Zuſtimmung der Frau bedarf. Dieſelbe iſt ein Geſammteigenthum zu ideellen (gewöhnlich gleichen) Antheilen, welches ſich von dem rö— miſch-rechtlichen condominium (ſ. Gemein— ſchaftliches Waldeigenthum) jedoch da— durch unterſcheidet, dafs der Mann allein über dasſelbe verfügt, und die Aufhebung der Ge— meinſchaft durch Umwandlung der ideellen An— theile in reelle nicht durch die actio communi dividundo verlangt werden kann, ſondern nur bei Auflöſung der Ehe, oder indem der über— lebende Theil die Gütergemeinſchaft mit den Kindern fortſetzt, ſelbſt erſt mit dem Tode der beiden Gatten erfolgt. Das gemeinſchaftliche Vermögen haftet für alle vor und während der Ehe eingegangenen Verbindlichkeiten. Die Frau kann dasſelbe nur innerhalb ihrer Schlüſſelgewalt, d. h. nur für die Befriedigung der Bedürfniſſe des Haushaltes verpflichten. Die Gütergemeinſchaft tritt in der Regel mit der rechtsgiltigen Abſchließung der Ehe und nur ausnahmsweiſe erſt ein Jahr nach der— ſelben, oder mit der Geburt eines Kindes ein. Bei der Auflöſung einer kinderloſen Ehe durch den Tod eines Gatten tritt entweder Theilung des Vermögens nach Quoten ein, oder es conſolidiert ſich dasſelbe in der Hand des überlebenden Gatten durch das Inteſtat— erbrecht desſelben. Sind Kinder vorhanden, ſo ſetzt der überlebende Parens mit denſelben die Gütergemeinſchaft (communio bonorum proro— 318 Güterrecht. — Güterzerſchlagung. gata) mit den Rechten des Ehegatten fort (Bei— ſitz), ſofern nicht durch das etwa beſtehende Verfangenſchaftsrecht die Immobilien ſo— fort in das Eigenthum der Kinder übergehen und dem Parens bloß der Nießbrauch an den— ſelben verbleibt. Abgeſehen von dem Tode des Parens und der Kinder, kann in beſtimmten Fällen die Aufhebung der Gütergemeinſchaft auf Verlangen der Kinder durch Schichtung (Realtheilung) erfolgen, welche ſich jedoch in der Regel auf das Vermögen des verſtorbenen Parens beſchränkt und nur ausnahmsweiſe auch auf jenes des überlebenden Parens hin— übergreift (successio anticipata). Zur Vermei- dung der Schichtung bei der Wiederverehelichung des überlebenden Parens dient die Einkind— ſchaft (unio prolium), bei welcher durch Ehevertrag die Kinder aus erſter Ehe dem Stiefparens gegenüber vermögensrechtlich als leibliche Kinder gelten. Die Gütergemeinſchaft iſt entweder eine allgemeine oder eine particuläre, je nach— dem ſich dieſelbe auf das geſammte Vermögen der Gatten oder nur auf einen Theil des— ſelben erſtreckt. Die letztere iſt in ſeltenen Fällen eine Mobiliargemeinſchaft, häufiger da— gegen eine Gemeinſchaft des Adqueſtes oder der Errungenſchaft, welche den Geſammt— erwerb (in der Regel jedoch mit Ausſchluſs eines ſolchen durch einen Glücksfall) während der Ehe umfaſst, oder eine ſolche des Con— auejtes oder der Collaboration, welche nur das durch gemeinſchaftliche Thätigkeit der Gatten Erworbene zum Gegenſtande hat. Dem gemeinſchaftlichen Vermögen der Ehegatten ſteht hier das Sonder- oder Propregut des Mannes und das der Frau gegenüber, und es beſteht für die beiden letzteren gewöhnlich die Güter— vereinigung (. d.). Die Gütergemeinſchaft iſt die Regel des franzöſiſchen Code civil und verſchiedener deut— ſcher (namentlich ſüddeutſcher) Particularrechte, die Ausnahme nach dem preußiſchen allge— meinen Landrechte. Dieſelbe kann auch überall durch Vertrag eingegangen werden und zeigt deshalb die verſchiedenſten Formen. At. Güterrecht, eheliches, ſ. Familien- re dt. At Gütervereinigung oder Gütereinheit iſt, gleich der Gütergemeinſchaft (f. d.), die Vereinigung des Vermögens beider Ehegatten in der Hand des Mannes zur Benützung, Ver— waltung und Vertretung desſelben vor Gericht und unterſcheidet ſich von dieſer nur dadurch, daſs das von dem Manne für den gemein— ſchaftlichen Haushalt verwaltete Geſammtver— mögen bezüglich des Eigenthumes juriſtiſch als getrennt betrachtet wird und demnach bei der Auflöſung der Ehe an die Ehegatten zurück— fällt. Die Gütervereinigung erſcheint daher mehr als eine Geſchlechtsvormundſchaft (ſ. d.), wäh— rend die Gütergemeinſchaft den Charakter einer Genoſſenſchaft hat. Bei dem Concurſe des Mannes kann die Frau in der Regel ihr Ein— gebrachtes zurückverlangen. Für den ihr durch die Schuld des Mannes zugegangenen Ver— mögensverluſt kann die Frau (oder deren Erben) bei Auflöſung der Ehe Erſatz verlangen. Durch Geſetz oder Vertrag kann auch ein Theil des Vermögens der Frau (Sonder-, Propre- oder Einhandsgut, bona recepticia) von der Güter— vereinigung ausgeſchloſſen und der Frau zur eigenen Verwaltung überlaſſen werden. Die Gütervereinigung iſt das eheliche Güterrecht des Sachſenſpiegels, verſchiedener älterer Particularrechte, des preußiſchen allge— meinen Landrechtes und des ſächſiſchen Civil— geſetzes (auch des Entwurfes des allgemeinen bürgerlichen Geſetzbuches). At. Güterzerſchlagung (Zertrümmerung, Zer— ſtückelung, Parcellierung) oder Dismembra— tion (Deutſchland) iſt die Verkleinerung eines Grundſtückes durch Auftheilung oder durch Veräußerung eines Theiles desſelben. Dieſelbe iſt bei einem vollen und freien Eigenthume (ſ. Autonomie des Waldeigenthümers) nach römiſchem Recht ganz unbeſchränkt, wäh— rend in Deutſchland, wo das Grundeigenthum zugleich ein politiſches und ein Privatrecht war, ſchon in den älteſten Zeiten im Intereſſe der Gemeinde und Familie mehr durch Sitte und Herkommen, als durch Geſetze, Beſchränkungen des Verfügungsrechtes beſtanden, welche mit der Entwicklung des getheilten Grundeigen— thumes (Lehen und Erblehen) und der hiemit verbundenen Hörigkeit der Bauern eine Er— weiterung und geſetzliche Regelung fanden. Die Aufhebung der Leibeigenſchaft und die Grund— entlaſtung (ſ. d.) brachten, wie in Frankreich, auch in Deutſchland die Theilbarkeit des Grund— eigenthumes. So wurden in Preußen ſchon durch die Landesculturediete vom 9. October 1807 und 14. September 1811 die Theilungs-⸗ verbote aufgehoben und nur im Intereſſe der Rechtsſicherheit und der Wahrung der Rechte des Staates und der Realgläubiger durch die Geſetze vom 3. Januar 1845 und 24. Mai 1853 Vorſchriften über die formelle Behandlung der Theilungen gegeben, insbeſondere die Anweſen— heit des Richters bei den Verſteigerungen und die zwangsweiſe Beſitztitelberichtigung ange— ordnet. Ahnliches geſchah auch in den übrigen deutſchen Staaten. Die Beſchränkung der Theilbarkeit der Grundſtücke iſt übrigens nicht bloß vom Stand- punkte der Sicherung von Privatrechten auf- zufaſſen, ſie hat auch aus volkswirtſchaftlichen Gründen eine öffentlich-rechtliche Bedeutung, da die aus fortgeſetzten Theilungen entſtehenden Zwerg- oder Parcellenwirtſchaften mit ihrer Überſchuldung und Leiſtungsunfähigkeit dem All- gemeinen ebenſo nachtheilig find, wie Latifun- dien (Großgrundbeſitz) mit Mangel an Capital, Arbeitskräften und Unternehmungsgeiſt auf Seite des Beſitzers. Die Regierungen waren deshalb ſchon ſeit dem XVI. Jahrhunderte viel⸗ fach auf Erhaltung eines kräftigen Bauern- ſtandes bedacht und führten daher auch für die freien bäuerlichen Güter die ſog. „Ge— ſchloſſenheit“ ein, nach welcher, mit Aus⸗ nahme der fliegenden Grundſtücke (j. d.), eine Theilung nur mit behördlicher Genehmigung und nur unter Erhaltung einer Minimalgröße des Gutes (3. B. 10%, Morgen nach einem naſſauiſchen Geſetze von 1700) geſtattet wurde. Dieſe Beſtimmungen, welche natürlich auch zur Guthaben. — Gutierrez de la Vega. 519 Verhütung der Erbtheilungen Bejonderheiten der Erbfolge bedingen, finden ſich noch in ver- ſchiedenen Particularrechten und geben bei einer verbotswidrigen Theilung den hiedurch Ver— letzten gegen jeden dritten Beſitzer das Recht der Vindication (ſ. d), hier Reunionsklage genannt. Auch die durch die Grundentlaſtung ge— ſchaffene Theilbarkeit der Güter wurde zu be— ſchränken geſucht. Der Adel fand bei Aufhebung der Lehen Schutz gegen Erbtheilungen in der Errichtung von Familienfideicommiſſen (. Fidei— commiſswaldungen), welche in Württem— berg ſchon ſeit Jahrhunderten auch den Bauern geſtattet iſt. Ein ähnliches Rechtsinſtitut ſollte in Bayern für die ländliche Bevölkerung durch das Geſetz vom 22. Februar 1855 über die landwirtſchaftlichen Erbgüter und in Heſſen nach einem Geſetze von 1858 geſchaffen werden. Gleichen Zweck verfolgt das Geſetz vom 2. Juni 1874 mit Ergänzungen von 1880 und 1884 für die preußiſche Provinz Hannover, welches den Hof- und Rittergutsbeſitzern geſtattet, durch Eintrag in die ſog. Höferolle einen Anerben (Nachfolger in das Gut) zu beſtimmen, welchem das Gut nur mit dem 20 fachen Betrage des in der Regel niedrig geſchätzten Reinertrages in Anrechnung kommt und ein Drittel des Hof— wertes nach Abzug der Schulden als Präci— puum gewährt wird. Ahnliche Beſtimmungen wurden für Weſtfalen (Landgüterordnung vom 30. April 1882), ſowie für Lauenburg und Brandenburg erlaſſen. Solche Beſchränkungen der Erbfolge beſtehen übrigens in verſchiedenen Gegenden Deutſchlands (3. B. in den nord— deutſchen Marſchen, Sachſen-Altenburg und den älteren Landestheilen von Bayern) durch Sitte und Herkommen, und die angeführten Geſetze können überhaupt nur dann einen Erfolg haben, wenn ſie den Rechtsanſchauungen der Bevölke— rung entſprechen. Theilungsbeſchränkungen, unter Feſtſtellung des Maximalbetrages der Verklei— nerung oder auch der Minimalgröße eines Hofes oder einer Parcelle, wurden, abgeſehen von den Theilungsverboten der Geſetze über die Errichtung von Erbgütern, vielfach ange— ordnet. So wurde z. B. in Bayern durch das Geſetz vom 11. Juli 1834 für den Gutsreſt ein Minimum von einem Gulden Steuerſimplum verlangt. In Sachſen dürfen einzelne Grund— ſtücke für Meliorationen, öffentliche Zwecke u. ſ. w. nur bis zu 1% der Gutsfläche abgetreten, das Gut ſelbſt aber darf dauernd nur um ½, nach den Steuereinheiten berechnet, vermindert werden. In Baden, wo durch einen Zuſatz zum Art. 827 des Landrechtes die Verhältniſſe der geſchloſſenen Höfe geregelt ſind, können dieſelben nur mit Zuſtimmung des Bezirksrathes getheilt werden. Das württembergiſche Geſetz vom 23. Juni 1853 knüpft bei Grundſtücken über 10 Morgen in der Regel den Wiederverkauf von mehr als ½ vor Ablauf von drei Jahren an die Genehmi— gung des Staates. Ahnliche Beſchränkungen be— ſtehen in Heſſen (1834), Sachſen-Weimar (1862) u. ſ. w. Die Theilung eines gemeinſchaft- lichen Waldes (ſ. d.) unterliegt öfter forſt— polizeilichen Beſchränkungen. Die gewerbsmäßige Güterzertrümmerung (ſog. Hofmetzgerei oder Güterſchlächterei) wird in Bayern nach dem Geſetze vom 28. Mai 1852 mit Gefängnis bis zu drei Monaten oder mit Geld von 100 bis 1000 Gulden (im Wieder— holungsfalle Verdoppelung) beſtraft. Aus den Parcellenwirtſchaften werden bei vollſtändiger Verarmung der Grundbeſitzer wieder Latifundien durch Zuſammenkauf der Parcellen von Seite der Capitaliſten. Am vor— theilhafteſten dürfte es im allgemeinen ſein, wenn in einem Lande neben großen und kleinen Gütern ſolche von mittlerer Größe in über— wiegender Zahl vorhanden ſind. Bezüglich der volkswirtſchaftlichen Bedeutung der Mobiliſie— rung des Grundeigenthumes vgl. man übrigens K. H. Rau, „Grundzüge der Volkswirtſchafts— politik“, und W. Roſcher, „Nationalökonomik des Ackerbaues“. At. Guthaben (im Rechnungsweſen) iſt eine Forderung des Rechnungslegers, die ihm aus Anlaſs eines Irrthumes in der Caſſagebarung oder einer Rechnungsunrichtigkeit zukommt. Ein Guthaben kann aber aus einem Rechnungs— irrthum nur dann abgeleitet werden, wenn der Wirtſchaftsführer (Rechnungsleger) infolge des— | ſelben einen Betrag thatſächlich in die Wirt- ſchaft einbezahlt (bezw. an die Caſſa abgeführt) hat, welchen einzuzahlen oder abzuführen er nicht ſchuldig war; z. B. wenn er einen in der Caſſa abgängigen Betrag aus Eigenem erſetzt hat und jener Abgang nachträglich als auf einem Rechnungsfehler beruhend ſich erweist. v. Gg. Gutierrez de la Vega, Don Joſé, der bedeutendſte ſpaniſche Jagdſchriftſteller der Ge— genwart, geb. zu Sevilla am 24. Auguſt 1824, ſtudierte Philoſophie und Mediein, war früh— zeitig literariſch thätig und übernahm im Alter von 22 Jahren die Chefredaction des „L’In- dépendant“, eines großen in Sevilla erſchei— nenden politiſchen Blattes. Bald darauf grün— dete er ſelbſt ein neues Journal, „La Giralda*, in Madrid. Im Jahre 1849 machte er als Be— richterſtatter die Expedition des Spaniſchen Corps in Rom mit, die er in ſeinem Buche „Voyages en Italie avec l'armée espagnole“ ausführlich ſchildert. Im Jahre 1854 gründete er das hervorragende Blatt „Le Lion Espa— gnol“. Bei der im nächſten Jahre ausgebrochenen Revolution wurde er verhaftet und 3 Monate lang gefangen gehalten, nach dem Regierungs- antritte Iſabella II. jedoch rehabilitiert, zum Deputierten gewählt, 1864 zum Gouverneur der Provinz Granada, bald darauf zum Gou— verneur von Madrid und 1866 zum Gouver— neur von Habana ernannt, welch letztere Stel— lung er bis zum Ausbruche der Revolution im Jahre 1868 innehatte. Er verließ Cuba im Jahre 1869, machte eine große Reiſe durch die Vereinigten Staaten, ließ ſich in Paris nieder, kehrte bald nach Habana zurück, wurde jedoch von hier ſeiner politiſchen Geſinnungen wegen verbannt und verbrachte die Jahre 1870 und 1871 in Paris. Nach der Thronbeſteigung Amadeus' II. wandte er ſich wieder nach Ma— drid, übernahm dann nochmals das Gouver— nement von Cuba, gab dieſe Stellung jedoch 520 Guttapercha. — Gwinner. ſchon im Juli 1875 auf und lebt ſeither, we- berufen, eine Stellung, welche ihm durch den ſentlich ſeinen Studien obliegend, in Madrid. Außer ſeinen zahlreichen ſonſtigen Schriften hat er ſich in jagdlicher Hinſicht beſonders durch ſeine „Biblioteca venatoria* (1877 ff.), eine Sammlung der altſpaniſchen Jagdliteratur und die Herausgabe der „Illustration Venatoria“, einer großen illuſtrierten Jagdzeitung (1878 bis 1885), verdient gemacht. Vgl. Vapereau, Dictionnaire des contem- porains, 1880, p. 888. — Chasse illustree, 1874, No. 45. — Larousse, Grand Dictionnaire universel VIII. p. 1648, und XVI, p. 933. E. v. D. Guttapercha iſt in vielen Eigenſchaften dem Kautſchuk ähnlich. Es iſt der eingedickte Saft des in den malaiiſchen Wäldern und auf den Inſeln des öſtlichen Archipelagus wachjen- den Baumes Isonandra gutta. Die reine Gutta— percha hat eine grauweiße Farbe und iſt ein ſchlechter Leiter der Wärme und Elektricität. Der Luft ausgeſetzt, wird ſie brüchig, zerreiblich und harzig, bei gelinder Wärme wird ſie weich und plaftiich: fie ſchmilzt bei 120°, in Chloro— form und Schwefelkohlenſtoff iſt ſie leicht löslich, in abſolutem Alkohol und Ather nur theilweiſe. Sie beſteht aus 73—82 % Gutta, 14 16% Alban, 6%, Fluavit und enthält Salze, Fett, flüchtiges Ol und Farbſtoff. Das Vul⸗ caniſieren der Guttapercha findet in ähnlicher Weiſe ſtatt, wie das des Kautſchuks. Benützt wird ſie zur Darſtellung von Röhren, Treib— riemen, chirurgiſchen Inſtrumenten, als Zahn— kitt, zur Iſolierung von Telegraphendrähten eilt). v. Gn. Guttenberg, Adolf Ritter v. „geboren am 18. October 1839 zu Tamsweg (Salz⸗ burg) als der Sohn des damaligen Oberför— ſters, ſpäteren Forſtrathes und Miniſterial— ſecretärs Anton v. Guttenberg. Bis zur Be— endigung der Gymnaſialzeit lebte Guttenberg im elterlichen Hauſe, zuerſt im Salzburgiſchen und Salzkammergute, ſpäter in Graz und Wien. Im Jahre 1839 trat er in die damals noch von Studierenden aus den deutſchöſter— reichiſchen Kronländern ſtark beſuchte Berg⸗ und Forſtakademie zu Schemnitz in Ungarn ein, wo die grundlegenden Wiſſenſchaften, na— mentlich die mathematiſchen Fächer, welche dort für beide Richtungen gemeinſam vorge— tragen wurden, damals mit ausgezeichneten Kräften beſetzt waren. Während ſeines drei— jährigen Aufenthaltes in Schemnitz machte Guttenberg mit Benützung der Ferienmonate auch einen praktiſchen Lehreurs auf einer Staatsherrſchaft Ungarns unter tüchtiger Lei— tung der dortigen Forſtbeamten durch. Nach— dem die Forſtakademie mit ausgezeichnetem Er— folge abſolviert worden war, fand Guttenberg ſeine erſte Anſtellung im praktiſchen Dienſt zu— nächſt in der beſcheidenen Stellung eines Forſt— gehilfen im Salzkammergut im Herbſte 1862, vertauſchte dieſelbe alsdann ſpäter mit jener eines Forſtpraktikanten beim Forſtamt Guſswerk in Steiermark. Mit Beginn des Jahres 1867 wurde v. Guttenberg als Aſſiſtent für die mathemati— ſchen Fächer an die Forſtakademie Mariabrunn Verkehr mit den Profeſſoren Breymann und Großbauer reiche Gelegenheit bot, ſeine Kennt- niſſe zu erweitern. Infolge organifatoriſcher An⸗ derungen in der Forſtakademie trat er im Jahre 1868 wieder in den praktiſchen Dienſt zurück, u. zw. zunächſt als Unterförſter, dann als För⸗ ſter des Verwaltungsbezirkes Lokva im öſter— reichiſchen Küſtenlande. Hier ſowohl, als auch ſpäter, während ſeiner jiebenjährigen Thätigkeit in Tirol (zu⸗ erſt als Forſtconcipiſt der Statthalterei, dann vom Jahre 1873 als Oberforſtingenieur) war Guttenberg mit Forſteinrichtungsarbeiten be— ſchäftigt, welche unter ſeiner Leitung in einem großen Theil der Tiroler Staatsforſte durch— geführt wurden. Im Jahre 1877 folgte er, ob— wohl ungern aus einem Wirkungskreiſe jchei- dend, dem er ſich mit voller Hingebung gewid— met hatte, einem ehrenvollen Rufe zur Über- nahme der Lehrkanzel für forſtliche Betriebs— lehre an der Hochſchule für Bodencultur in Wien, welche er zur Zeit noch inne hat. Literariſch war v. Guttenberg hauptſächlich durch zahlreiche Beiträge in forſtlichen Zeit— ſchriften thätig. Seit dem Jahre 1883 hat er die Redaction der „Oſterreichiſchen Vierteljahrs— ſchrift für Forſtweſen“ übernommen und in die— ſer eine Reihe von Arbeiten, zumeiſt aus dem Gebiete der forſtlichen Zuwachskunde und des forſtlichen Verſuchsweſens veröffentlicht. Für das vorliegende Unternehmen hat er die Artikel über Forſtdienſteinrichtung, für das Lorey'ſche „Handbuch der Forſtwiſſenſchaft“ den Abſchnitt „Holzmeſskunde“ bearbeitet. Schw. Gwinner von, Wilhelm Heinrich, Dr. phil., geb. 13. October 1801 in Otisheim (bei Maul- bronn), geſt. 19. Januar 1866 in Biſtritz (Böhmen), beſuchte die Dorfſchule ſeines Ge— burtsortes und erhielt nebenbei noch einigen Privatunterricht, im 14. Lebensjahre trat er als Incipient bei einem Notar ein. Hier bil- dete er ſich in ſeinen Mußeſtunden weiter fort, ſo daſs er die akademiſche Vorprüfung, welche ihn zum Beſuch der Univerſität befähigte, be— ſtehen konnte. 1819 und 1820 ſtudierte er in Tübingen Forſtwiſſenſchaft und wurde ſodann Praktikant und Aſſiſtent bei den Forſtämtern Tübingen und Bebenhauſen. Später entſchied er ſich für die Docentencarrière, wurde ſchon 1826 Lehrer der Forſtwiſſenſchaft an der land- und forſtwirtſchaftlichen Akademie zu Hohen- heim, anfangs proviſoriſch, ſeit 1829 definitiv Profeſſor und erwarb ſich 1832 den Doctor⸗ grad an der Univerſität Freiburg. Als 1839 das Lehrrevier Hohenheim neu gebildet wurde, erhielt Gwinner als Oberförſter deſſen Verwal— tung übertragen. 1841 gab er die Docenten⸗ laufbahn wieder auf, um als Kreisforſtrath in Ellwangen in den Staatsforſtdienſt zurückzu⸗ treten; 1849 bekam er das Referat über die Organiſation des Kreisforſtdienſtes und wurde 1850 als Forſtrath in die Oberfinanzkammer nach Stuttgart berufen. Unangenehme Berhält- niſſe und bittere Enttäuſchungen veranlajsten ihn 1858, die Adminiſtration der ausgedehnten fürſtlich Sigmaringen'ſchen Herrſchaften in Böh— men mit dem Wohnſitz in Biſtritz als geheimer 1 Gyllenhal. — Gymnocladus canadensis. Finanzrath, Domänendirector und General— bevollmächtigter zu übernehmen, eine Stellung, welche er bis zu ſeinem Tode bekleidet hat. Gwinner war gleich ausgezeichnet als Lehrer wie als praktiſcher Forſtmann und leiſtete ſo— wohl für die Hebung der Akademie Hohenheim, als für den Aufſchwung des württembergiſchen Forſtweſens Bedeutendes. Obwohl Autodidakt, pflegte er die Naturwiſſenſchaften und war auch auf dieſem Gebiete ſchriftſtelleriſch thätig, ſeine bedeutendſten Leiſtungen liegen jedoch auf jenem des Waldbaues. Die Schwierigkeiten, welche ſich bei ſeinem Wirken in den verſchiedenen dienſtlichen Stellungen ergaben, verſtand er mit klarem Blick und umfaſſendem Wiſſen erfolg— reich zu bekämpfen. Gwinners ſelbſtändige Schriften ſind: Die königlich Württembergiſchen Forſtdienſtprüfungen von 1818-1830, 1830; die Pflanzenſyſteme in forſtwiſſenſchaftlicher Beziehung, 1832; die kö— niglich Württembergiſchen Forſtdienſtprüfungen von 1831 und 1832; der Schwarzwald in forſt— wirtſchaftlicher Beziehung, 1833; der Waldbau in kurzen Umriſſen für Forſtleute, Waldbeſitzer und Ortsvorſteher, 1. Aufl. 1834, 4. Aufl., von Dengler beſorgt, 1858; die Beſchreibung, Taxa— tion und Wirtſchaftseinrichtung der Stadtwal— dungen von Stuttgart nach einfacher Form, unter Vergleichung des badiſchen und württem— bergiſchen Abſchätzungsverfahrens, 1840/41; praktiſche Anleitung für Ortsvorſteher und Gutsbeſitzer zur Holzzucht außerhalb des Waldes, 1848; ſpecielle Beſchreibung und Einſchätzung des Reviers Hohen— heim, als Beiſpiel der württembergiſchen Taxationsinſtruction. Außerdem hat Gwin— ner auch mehrere Jour- nale von vorzugs- weiſe praktiſcher Ten- denz herausgegeben: 1. Forſtliche Mitthei— lungen (3 Bde. à 4 Hefte v. 1836 —1847). Dieſelben enthalten Biographien vieler be- deutender Forſtmän— ner, ſehr vollſtändige akademiſche Nachrich— ten über Hohenheim und zahlreiche forſt— liche Reiſeberichte. 2. Monatsſchrift für das württembergiſche Forſtweſen (7 Jahrg. 1850 — 1836); dieſe trug theilweiſe beinahe den Charakter eines amtlichen Organes für den Verkehr der Oberfinanzkammer, Abth. für Forſte, mit den Forſtbehörden. Als ſie aufhörte, erſchien als Fortſetzung ihres wiſſen— ſchaftlichen Theiles: 3. die Monatsſchrift für das Forſt- und Jagdweſen mit beſonderer Be— rückſichtigung von Süddeutſchland; Gwinner gab jedoch nur den 1. Bd. (1857) heraus, dann gieng die Redaction an Dengler über. Schw. 521 Gyllenhal Leonhard, ein Schüler Linnss und einer unſer hervorragendſten Entomologen, wurde am 3. December 1752 zu Alguſtorp in Weſtgothland geboren und ſtarb den 13. Mai 1840 auf ſeinem Gute zu Hoeberg bei Sara. Nachdem er ſich ſchon an der Bearbeitung der Paykull'ſchen „Fauna suecica“ (Coleopt.) 1798 bis 1800 betheiligt hatte, erſchien 1808 — 1827 ſeine 4 Bände umfaſſende „Insecta Suecica“, Class. I. Coleoptera, ein Werk, welches bis heute noch ſeinen Werth zu behaupten ver— mocht hat. Auch war Gyllenhal Mitarbeiter der Schönherr'ſchen „Curculionidum dispositio“, welche 1826 erſchienen iſt. Seine reichhaltige entomologiſche Sammlung vermachte Gyllenhal der Univerſität Upſala. Hſchl. Gymnadenia conopea R. Br. (Orchis conopsea L.), fliegenblütige Nacktdrüſe (Familie Örchideae). Ausdauernde Pflanze mit hand— förmig getheilten Knollen, einfachem, in eine oft lange, dichtblütige, walzige Ahre endigendem bis 60 em langem Stengelne und lanzettlichen oder lineal-lanzettlichen grünen Blättern. Blüten roſen- bis purpurroth, ſchwach nach Vanille duf— tend, mit langem dünnen Sporn, welcher ebenſo lang oder länger als der Fruchtknoten iſt. Häufig auf moorigen Waldwieſen, in lichten Laubwäldern und Gebüaſchen auf feuchtem, lockerem, humoſem Boden. Blüht im Juni und Juli. Wm. Gymuocladus canadensis Lam., Schuſter— baum. Schönbelaubter, ſommergrüner Baum aus der Familie der Caesalpiniaceae (ſ. Gle- Fig. 401. Canadiſcher Schuſſerbaum, Gymnocladus canadensis, L. ditschia) mit ſehr großen, doppeltgefiederten Blättern und eiförmigen ſpitzen Blättchen. Blüten zweihäuſig-polygamiſch, in endſtändigen Ahren, mit langröhrigem 5ipaltigem Kelch und 5blätte- riger gelblicher Blumenkrone, 10 freie Staub— gefäße oder einen Stempel enthaltend. Frucht eine große, dicke, gekrümmte, nicht aufſpringende, dunkelbraune Hülſe mit ſteinharten Samen. Der 522 im wärmeren Nordamerika heimiſche Schuſter— baum wird auch bei uns bis 16 m hoch, hält aber in Mitteldeutſchland nur in warmen Ge— genden an geſchützten Plätzen im Freien aus, weshalb er dort als Ziergehölz wenig ver— breitet iſt, wohl aber in Süddeutſchland und Oſterreich. Er bildet wenige krumme, dicke, knor— rige Aſte, weshalb er im entblätterten Zuſtande unſchön ausſieht. Sein Stamm iſt mit einer rothbraunen, rauhen, längslappigen Borke be— kleidet, ſein hartes, grobporiges Holz im Kern faſt blutroth, im Splint gelb. Blüht im Mai und Juni. Wm. Gymnosporangium iſt eine Gattung der Roſtpilze, Aecidiomycetes, deren bekannte Arten ſämmtlich in verſchiedenen Arten der Gattung Juniperus perennieren und in dem Gewebe der Zweige oder des Hauptſtammes durch locale Zuwachsſteigerung ſehr eigenthümliche Wuche— rungen veranlaſſen, die ſpindel- oder keulen— förmig, zuweilen auch von ganz regelloſer Form ſind. Das Myeelium vegetiert im Cambial— gewebe, ſowie in der Innenrinde und entwickelt alljährlich im Frühjahre üppige Fruchtträger unter der Rinde, welche in mannigfach ver— ſchiedener Geſtalt, d. h. pfriemen-, zungen⸗, bandförmig, zuweilen auch ähnlich einer Tre— mella hervorbrechen und entweder hell gold— gelb oder mehr braungelb erſcheinen. Dieſe höchſt auffallenden, bei Regenwetter zu Gallerten ſich auflöſenden Pilzgebilde be— ſtehen aus langen Pilzhyphen, den Trägern von Doppelſporen, den ſog. Teleutoſporen des Pilzes. An dieſen entwickeln ſich, noch ehe ſie ſich von den Stielen lostrennen, Vorkeime (Pro— mycelien), die mehrzellig ſind und an jeder Zelle einen freien Fortſatz (Sterigmen) zeigen, der an der Spitze eine ſehr kleine Zelle (Spo— ridie) trägt. Wenn dieſe kleinen Sporidien auf die Blätter gewiſſer Pomaceen gelangen, ſo keimen ſie dort und inficieren die Blätter (auch wohl Blüten und Früchte), veranlaſſen die Entſtehung goldgelber Pilzflecken, auf denen nun die Aeidienform der Pilzart ſich aus— bildet. In der Regel entſteht auf einer An- ſchwellung des Blattes, einer Art Polſter, eine Mehrzahl von Aeidien, deren Peridie ſich gegen die Spitze zu von ſelbſt öffnet, durch gitterförmiges Auseinandertreten der einzelnen Zellreihen, aus denen ſie beſtehen. Dieſe Aci— dienformen waren, bevor man ihren Zuſam— menhang mit der Gattung Gymnosporangium erkannt hatte, zu der Gattung Roestelia vereint. Die bisher bekannten Arten ſind: Gymnosporangium conicum. Die Teleuto- ſporenfruchtlager kommen auf Juniperus com: munis zur Entwicklung, ſind halbkugelig oder kegelförmig und quellen ſpäter zu ſehr großen goldgelben Maſſen auf. Die Aeidienform ent— wickelt ſich auf den Blättern von Sorbus Aucu— paria, torminalis, Aronia, u. zw. tritt auf orangegelben oder rothen, angeſchwollenen Flecken eine Mehrzahl der Aeidien vereinigt auf. Die Peridie hat die Geſtalt einer ſehr lang— halſigen Flaſche, iſt gelblich oder gelbbraun und hat eine hornartige Krümmung. Sie iſt Gymnosporangium. — Gyrfalke. S mm lang, am Scheitel offen, gezähnelt, ſeitlich nicht oder erſt ſpät wenig und regellos zerſchlitzt. Gymnosporangium clavariaeforme hat ihre Teleutoſporenfruchtlager ebenfalls auf Juniperus communis, doch ſind dieſelben zungen- oder bandförmig, oft gabelig getheilt, gekrümmt und gebogen, mehr knorpelig, gelb, bis 12 mm lang. Die Aeidien entwickeln ſich auf Crataegus- Arten gruppenweiſe auf orangegelben Flecken, oft auch weite Strecken (beſonders der Früchte) überziehend, meiſt von Verkrümmungen und ſonſtigen Verunſtaltungen begleitet. Peridien in der Jugend flaſchenförmig, ſpäter eylindriſch, becherförmig, ſchmutzig weißlich, bis zu ver— ſchiedener Tiefe längsgeſpalten in zahlreiche aufrechte oder etwas auswärts geneigte Lappen. Gymnosporangium Sabinae (syn. fuscum) hat die Teleutoſporenlagen auf Juniperus Sa- bina, virginiana, phoenicea, Oxycedrus und Pinus halepensis, friſch ſtumpf kegelförmig oder cylindriſch, oft ſeitlich etwas zuſammengedrückt und nach oben ſchwach verbreitert, mitunter kammartig getheilt, rothbraun, 8— 10 mm lang. Aeidien auf Pirus communis, Michauxii, to- mentosa. Auf orangegelben Flecken zu mehreren beiſammenſtehend, von der Form jehr furzhal- ſiger Flafchen, ca. 2—2½ mm hoch. Peridien gelblichweiß, am Scheitel geſchloſſen, ſeitlich von zahlreichen Längsſpalten durchſetzt, die bis zur Blattfläche ſich erſtrecken. Die ſo entſtehen— den Längsſpalten ſind durch kurze Querſtäb— chen verbunden, wodurch die ganze Peridie gitterförmig erſcheint. Gymnosporangium tremelloides hat die Teleutoſporenfruchtlager auf Juniperus com- munis. Sie bilden halbkugelige, dem Nostoc communis ähnliche, aufquellende, gallertartige Maſſen von dunkel orangegelber bis gelbbrau— ner Farbe. Sie fallen bei Erſchütterung der Zweige leicht ab. Die Sporen unterſcheiden ſich von Gymn. conicum dadurch, daſs fie etwa 40—45 h lang und 20--25 h. breit find. Die beiden kurzen, ſtumpf kegelförmigen Zellen, deren Höhe etwa dem größten Durchmeſſer gleich iſt, ſind ent» weder mit ihrer Baſis ganz untereinander verwachſen, oder ſie ſind durch Einſchnürung mehr oder weniger voneinander getrennt, zer— fallen ſogar oft vollſtändig. Die Wandungen ſind rauchgrau gefärbt. Die Aeidien erſcheinen auf Sorbus Aria und Chamaemespilus ſehr häufig in den Alpengebieten und ſtehen oft kreisförmig angeordnet auf ſtarken Polſtern. Die Peridien ſind becherförmig, bis zur Baſis in Fäden von Umm Länge geſpalten. Die Aeci⸗ dienöffnung deutlich und frei, durch die dunklen Sporen ſchwarz gefärbt. Hg. Gyrfalte. Falco gyrfalco Schlegel. Beſchreibung. Allgemeine Kennzeichen: ek. Falke, isländischen ꝛc. Länge des Weibchens 53cm, des Männchens 48 em, die übrigen Maße entſprechen denen des isländiſchen, ſind aber verhältnismäßig geringer. — Auge nuſsbraun; Wachshaut, Augenkreis und Füße gelblich, bei jun⸗ gen Vögeln grünlich. — Im Jugendkleide dem isländiſchen täuſchend ähnlich, doch durch intenſiv dunkle Scheitel unterſchieden. Übergangskleid unbekannt, fehlt wahrſcheinlich überhaupt. Der Gyroporella. — Haare. alte Vogel iſt auf Scheitel, Wangen, Nacken und Halsſeiten dunkel ſchiefergraublau mit helleren Säumen. Am Halſe ein unregelmäßiger, heller Ring. Handſchwingen ſchwarzbraun mit hellerer Fleckung; Armſchwingen dunkelgrau— bräunlich mit graubraunen Querbändern, bräun— lich punktirt. Auf den großen Flügeldecken rhombiſche Flecke. Schwanz mit 14—15 breiten hellen Binden, zwiſchen welchen ſchmale, dunkle theils abſetzen, theils durchgehen. Unterſeite vorherrſchend weiß, auf Kehle und Bruſt nach unten hin ſich vergrößernde herzförmige Flecke, auf den Hoſen zu Bändern ſich reihend. Dieſe herzförmigen Flecke unterſcheiden ihn von der Längszeichnung, reſp. Querzeichnung des Is— länders, sive Grönländers. Trotz aller Combinationen iſt die Herleitung des gänzlich entſtellenden, inhaltsloſen Namens Gyrfalke nicht geglückt; deutſch nannte man ihn 523 früher Gerfalke, woraus Geierfalke corrumpiert wurde, auch Hierofaleo wurde er genannt. Verbreitung. Aufenthalt. Heimat das nördliche Skandinavien, namentlich Oſt-Fin— mark am Warapger Fjord; die Hochgebirge ſüdlich bis Chriſtianſand, an der Küſte ſeltener als in den Binnenwäldern. Lebensweiſe. Horſten. Der Horſt ſteht nicht ſelten auf hohen Kiefern; im übrigen iſt er dem isländiſchen Falken durchaus gleich. v. Rl. Gyroporella und Diplopora ſind foſſile Schlauchalgen, welche wahrſcheinlich einer und derſelben Gattung zuzuzählen ſind (jene ſcheint die fertilen, dieſe die ſterilen Zweige der Pflanze darzuſtellen). Sie erfüllen oftmals mit ihren Überreſten gewiſſe Sedimente (ſog. Gyroporellen— kalke) der alpinen Trias, den Schlerndolomit, den Eſinokalk, den Wetterſteinkalk u. ſ. w. v. O. H. Haar, das. „Haare nennt man die Haare des (zu den Säugethieren gehörigen) Wildes, außer bei Sauen, wo man ſie Borſten, und bei Haſen, wo man ſie Wolle nennt.“ Hartig, Lexik., p. 231. — Sanders, Wb. I., p. 646. E. v. D. Haare (hiezu eine Tafel) ſind wie Nägel, Hörner und Federn aus verhornten Zellen der Epidermis zuſammengeſetzte Gebilde. Sie formen an der Oberfläche des Körpers in ihrer Geſammtheit das Haarkleid der Säugethiere und ſind für dieſe Thierclaſſe cha— rakteriſtiſch. Am typiſchen Haar unterſcheiden wir die in die Haut eingebettete Wurzel und den daraus hervorragenden Schaft nebſt Spitze. Der Schaft wird zum größten Theil von ſpindelförmigen und ſpröden Plättchen zu— ſammengeſetzt (verhornte Zellen der Epidermis oder Oberhaut), welche, zu Faſern innig ver— bunden, dem Haarſchaft unter dem Mikroſkop ein fein geſtreiftes Ausſehen verleihen. Dieſe Zellen bilden die Rindenſchicht, welche am menſchlichen Haare die Hauptmaſſe des feſten Schaftes ausmacht. In ihr iſt der Farbſtoff, häufig als Pigment, vertheilt. In der Achſe des Haares ſind die Zellen weniger verändert und bilden das das ganze Haar durchſetzende Mark; außer zahlreichen Pigmentkörnchen ent— hält es viele kleine Lufträume; dieſe verleihen dem pigmentloſen weißen Haare den ſchönen Silberglanz. Eine dritte Art von verhornten Zellen ſetzt das Oberhäutchen zuſammen, eine Schicht kleiner Plättchen, die, ſchuppenartig an— Spitze des Haares ſchauen und die Rinden— ſchicht umgeben. Unter dem Mikroſkop geben ſie dem von der Fläche betrachteten Haar häufig ein negförmiges Ausſehen. Das Vorhandenſein dieſer Oberhautſchüppchen gibt uns ein Mittel, ohne Mikroſkop an einem an beiden Enden abgeſchnittenen Haare das Spitzenende zu er— kennen. Man reibe das Haar ſachte zwiſchen Daumen und Zeigefinger in der Richtung ſeiner Längsachſe, es wird ſich dann mit ſeinem Wur— zelende vorwärtsarbeiten. An der Baſis geht der Schaft nebſt dem Mark in die unverhornten Zellen der Wurzel oder Haarzwiebel über. An der Wurzel unterſcheiden wir: 1. die Haarpapille (Papilla pili); dieſelbe iſt eine knopfartige Veränderung der Lederhaut, welche feine Blutgefäße führt und in die Haar— wurzel hineinragt. Sie bringt durch das Blut der Haarwurzel die zur Vermehrung und zum Weiterwachsthume der Wurzelzellen nöthige Nahrung. 2. Die Wurzelſcheide; dieſe um— ſchließt die Haarwurzel und den Haarſchaft, ſoweit derſelbe in der Haut ſteckt; ſie beſteht wiederum aus einer inneren und einer äußeren Scheide. Die innere entſpricht dem verhornenden Theile der Epidermis, während die äußere dem Stratum Malpighi oder Schleimſchicht, d. h. den weichen, wachſenden und Pigment enthaltenden Zellen der Oberhaut entſpricht. An der inneren Schicht hat man noch eine innerſte, durchſichtige und ſehr feine Lage unter— ſchieden, die, von Huxley entdeckt, jetzt ſeinen Namen trägt; ſie liegt natürlich der Schuppen— geordnet, mit ihren freien Enden nach der | lage des Haares unmittelbar an. 524 Haare. Erklärung der Tafel zum Artikel „Paare“. Fig. 1, 2, 3. Stadien der Haarentwicklung. E Hornſchicht der Epidermis, M Schleimſchicht der Epidermis oder Stratum Malpighi. Cutis, Lederhaut. P Papille der Lederhaut. Fig. 4. Schematiſcher Längsdurchſchnitt eines Haares und jeiner Umgebung, nach K. Wiedershei m, oder: Theil eines Schnittes durch die Haut mit einem Barthaare. 7omal vergr. nach Bieſiadeck. Aus Gegenbaur, Anatomie des Menſchen. 1 Aufl. Leipzig, Engelmann, 1883, Fig. 526. Derſelbe Holzichnitt iſt in Stricker's Handbuch der Gewebelehre. Aus Wiederheim, Lehrb. d. vergleich. Anatomie, 2 Aufl., Jena, G. Fiſcher, 1886, S. 34, Fig. 23. Fig. 5. Haarbalg eines Fühlhaares aus der Unterlippe des Pferdes. Vergr. Aus Leiſering und Müller, Handb. d. ver⸗ gleich. Anatomie der Hausſäugethiere. 6. Aufl., Hirſchwald, Berlin 1885, Fig. 241 II. 6. Vergr. Haar von Corinorhinus townsendi; typiſch für die Fam. Vespertilioninae der Fledermäuſe, nach Dolſon. 7. Vergr. Haar von Mormops megalophylla; typiſch für die Fam. Emballonurinae der Fledermäuſe, nach Dolſon. 8. Vergr. Haar mit Spitze der Zwergfledermaus. Fig. 9. Theil eines Haares vom Arm des Menſchen 10. Theil eines Haares; Wolle vom Schaf 150 mal vergr. Aus Pagenſtecher, Allgemeine Zoologie, Fig. 11. Theil eines Haares; Haar vom Kaninchen 4. Theil, Berlin 1881, Fig. 819, S. 889. Fig. 12. Theil eines Haares: Haar vom Fuchs Die Wurzelſcheide ſelbſt ſteckt in einer Taſche der Lederhaut: Haarbalg. An dieſem inſerieren ſich feine glatte Hautmuskelchen, die Arrectores pili, welche zum Sträuben und Niederlegen der Haare dienen. Solche Muskel— chen finden ſich bei Menſchen ziemlich über den ganzen Körper verbreitet und rufen bei ihrer Geſammtwirkung die ſog. „Gänſehaut“ hervor. Nicht weit von der Mündung der Haar— einſenkung, nahe der Oberfläche der Haut, mün— det gewöhnlich eine Talgdrüſe, deren Secret theilweiſe zur Einfettung der Haare, als Schutz gegen Witterungseinflüſſe dient. Auch Schweiß— drüſen öffnen ſich häufig in derſelben Gegend. Die Entwicklung des Haares (vgl. T., Fig. 1—4) beginnt beim menſchlichen Em— bryo gegen Ende des dritten Monats als eine kleine Schwellung der vorläufig nur erſt aus wenigen Zellenlagen beſtehenden Malpighi'ſchen Schicht. An der Oberfläche verſchwindet das | artige Fell des Maulwurfes, das Fell des koſt— Höckerchen ſehr bald wieder, aber dehnt ſich | baren Nerz, die borſtige Schwarte des Schwarz— und das Haar ſtirbt ab, fällt ſchließlich aus. dafür gegen die tiefer liegende Lederhaut aus, | wildes, die ſpröde und doch weiche Decke des Ein Theil der Papille ſcheint aber lebens- fähig zu bleiben, ebenſo wie einige der um— gebenden Wurzelzellen, und bildet ein neues Haar, Erſatzhaar. Wenn ſich dieſer Vorgang periodiſch erneuert, jo haben wir den Haar- wechſel; das neue Haar ſtößt dann das alte aus. Wird die Malpighi'ſche Zellenlage krank, z. B. durch Satteldruck, jo bildet ſich häufig kein Pigment mehr und die neu wachſenden Haare bleiben weiß; wird die Zellenlage und be— ſonders die Papille ganz zerſtört, z. B. durch Verbrennen oder tiefe Wunden, ſo bleibt die Stelle kahl. Die Vertheilung von Rinde und Mark am Haarſchaft iſt großen Verſchiedenheiten unter— worfen, ebenſo wie die Länge und Stärke der Haare. Dies führt uns zu einer Beſprechung der hauptſächlichſten Haarſorten. Das ſammet— indem wuchernde Malpighi'ſche Zellen einen [Damwildes, das Vlies des Schafes und die einwärts gerichteten Strang bilden. So entſteht [Stachelhaut des Igels find jo verſchieden von— die Anlage des Haarbalges oder Haarfollikels. einander, daſs fie wohl ein näheres Eingehen Am Grunde desſelben wächst dann von der | auf ihren Bau erheiſchen Aber auch an einem Lederhaut her eine Papille mit Blutgefäßen in [und demſelben Thiere zeigen die Haare je nach den Haarfollikel ein und wird dann von den [Bau und Stellung große Verſchiedenheiten. baſalen Zellen des letzteren halsartig umſchnürt. Man unterſcheidet: 1. Bart- oder Taſt⸗ Die dem Papillenkopfe unmittelbar auffigenden | haare, Vibrissae (Fig. 3). Dieſelben finden Schleimhaut- oder Malpighi'ſchen Zellen jondern | fi nur an den Lippen, in der Umgegend der ſich dann zu einer inneren und einer äußeren | Najenöffnungen und um die Augen und bilden Maſſe. längere, ſteife Haare mit ſehr nervenreichen Die inneren formen dann die Haarwurzel, | Wurzelenden; fie ſtellen die wichtigſten Taſt— und indem ſie durch Wachsthum und Vermeh- organe vieler Säugethiere vor, beſonders bei rung ein kegelförmiges Gebilde erzeugen, wel- den katzenartigen Raubthieren. ches mit ſeiner Spitze nach oben in den mit Leiſering beſchreibt die Fühl- oder Taſt⸗ indifferenten Zellen gefüllten Follikel dringt, [haare wie folgt: „Der Balg iſt doppelt und wird die Grundlage zum Haare gelegt. Die beſteht aus einer äußeren und inneren binde⸗ äußeren, nicht dazu verwendeten Zellen werden [gewebigen Umhüllung. Der Außenbalg ſtellt dann zur Wurzelſcheide Die an der Oberfläche | eine ſehr dicke, leicht zu iſolierende fibröſe der Haarwurzel gelegenen Zellen werden jpin- Kapſel dar, welche in den meiſten Fällen von delförmig, länger, und indem fie verhornen, [dem durchſcheinenden Blut bläulich gefärbt er— verbinden fie ſich zu Faſergebilden und ſtellen ſcheint. Von der inneren Wand ziehen zahlreiche jo den Haarſchaft dar. Indem vom Wurzel- | Spannfaſern an den Innenbalg; die Zwijchen- ende, dem Haarzwiebel, immer neue Zellen ge- | räume geben dem ganzen Balg durch das ein- bildet werden, wächst das Haar und bohrt ſich | itrömende Blut eine Schwellfähigkeit. Im oberen an die Oberfläche durch. Hört das Wachsthum [Theile des Sackes bilden die Zwiſchenräume auf, d. h. iſt die bildende Zellengruppe erſchöpft, | bejonders bei den Fleiſchfreſſern einen venöſen oder führt ihnen die Papille keine Nahrung | Ringfinus, der ſeinerſeits nach oben hin durch (Blut) mehr zu, ſo ſchrumpft die Papille ein, [einen Ringwulſt umſchloſſen wird, in welchem Haare. 525 ſich die Taſtzellen, d. h. die nervöjen Endappa— rate befinden; in die Papille der Fühlhaare treten dagegen keine Gefühlsnerven ein. Die Heinen Arrectores beſtehen aus glatten Muskel- faſern. Die Talgdrüſen der Fühlhaare liegen im oberen Theile des Balges zwiſchen dem Innen- und Außenbalg.“ — Eine Katze, welche durch ein Loch kriechen will, miſst zuerſt die Weite der Offnung mit dieſen Schnurrborſten. Auch Pferde betaſten mit ihren Lippenhaaren nahe Gegenſtände, die ſie natürlich wegen ihrer Augenſtellung nicht ſehen können. Wale und Delphine haben nur an den Lippen einzelne Spuren ſolcher Haare, während ihr übriger Körper nackt iſt. 2. Wollhaare, Lana; dieſelben bilden den Wollpelz, Lanugo, und entbehren in der Regel des Markes; ſie ſind kurz und weich und finden ſich bei den meiſten Thieren über den größten Theil des Körpers zwiſchen und unter den langen und ſteifen 3. Grannen⸗, Stichel-, Licht- oder Contourhaaren (Pili). Von einem Pelz kann man nur da ſprechen, wo ſolche Woll- oder Unterhaare in genügender Anzahl vorhanden ſind. Dieſe Wollhaare ſind gewiſſermaßen auf einer embryonalen Stufe ſtehen geblieben und ſind den Daunen der Vögel vergleichbar. Während des fötalen Lebens bedeckt ſich die Haut mit einem dichten Flaum feiner Här- chen, die auch an jenen Stellen der Körper— oberfläche beſtehen bleiben, an denen die Be— haarung ſpäter zurücktritt. Ein ſolches Haar— kleid bringt der Menſch mit zur Welt. An der Kopfhaut, den Wimpern u. ſ. w. ſind die Haare zwar jchon ſtraffer und länger geworden, aber erſt nach der Geburt verändert ſich das Haar— kleid inſoferne bedeutender, als die Lanugo theilweiſe verſchwindet und die Behaarung be— ſtimmter Stellen mächtiger wird (Gegen— baur). Solcher Wollpelz bildet nach künſtlicher Entfernung der Stichelhaare auch die Haupt— maſſe des Pelzwerkes der beliebten Biberkragen und Robbenjacken. Die Grannen- oder Stichelhaare bil— den die an der Oberfläche erſcheinende Maſſe des Haarkleides. Sind ſie im Querſchnitt oval oder ſeitlich abgeplattet, ſo haben ſie die Nei— gung, ſich zu kräuſeln (Kopfhaar der Neger). Borſten, Seta e, beſtehen faſt ganz aus Rindenſubſtanz und ſind an der Spitze faſerig geſpalten. Stacheln ſind verdickte Borſten, mit oder ohne Mark. Am Pferd unterſcheidet Leiſering fol— gende Haararten: 1. Deck⸗ oder Contourhaare; ſchlicht und ziemlich weich; finden ſich an den meiſten Körperſtellen und beſtimmen in ihrer Geſammt— heit die Farbe des Thieres. An der Stirn, der Bruſt und Flankengegend bilden ſie Haarwir— bel. Im übrigen iſt allgemein der Strich der Haare bemerkenswert, indem die Haartaſchen nicht ſenkrecht, ſondern ſchräg in der Haut liegen. 2. Die Taſt⸗ oder Fühlhaare (j. o.). 3. Die Augenwimpern, Ciliae, kurz und ſteif, beſonders am oberen Augenlid. 4. Der Haarſchopf, Corna, beſteht aus langen Haa— ren, die am Hinterkopf hervorkommen. 3. Die Mähne, Juba, beſteht aus langen Haaren, die von der Hinterhauptgegend bis zum Wider— riſt reichen und beim Pferd lang herabhängen, während ſie beim Eſel, Quagga, Zebra, Djig- getai u. ſ w. einen aufrechten niedrigen Kamm bilden. 6. Die Schweifhaare; ſie bekleiden die ganze Schweifrübe mit Ausnahme von deren unterer Fläche. Es ſind die längſten Haare des Pferdes und ſtecken ſo tief in der ſtarken Haut der Rübe, daſs dieſelbe auf Schnitten von den durchſchimmernden Haaren faſt ſchwarz erſcheint. Es iſt wahrſcheinlich, dajs die Mähnen— und Schweifhaare gar nicht ausfallen, ſondern immer fortwachſen. Bekanntlich fallen ſie nicht wie die Deckhaare periodiſch aus. Ausgeriſſene Schweifhaare erneuern ſich daher möglicher— weiſe nicht. 7. Die Haarzotten; ſtarke Büſchel an der Hinterfläche der Feſſelgelenke, beſonders bei gemeinen Racen entwickelt. — Wollhaare be— ſitzen Pferde und ihre Verwandten und auch die Hausrinder nicht oder doch nur in gerin— gem Maße. Rind. Mähne, Haarzotten und Schweif— haare fehlen. Der mit Deckhaaren beſetzte Schwanz hat nur am Ende einen Quaſt langer Haare; eine ähnliche Verlängerung der Deck— haare findet ſich an der Offnung der Ruthen— ſcheide. An der Stirn find ſie kraus. Beim Yak oder tibetaniſchen Grunzochſen erreichen die Deckhaare des Rumpfes und beſonders des Schwanzes eine außerordentliche Länge. — Die Ziege hat ſchlichte Deckhaare, zwiſchen denen ſich ſehr feine Flaumhaare befinden; außerdem iſt ein Kinnbart vorhanden. Schaf. 1. Die Bekleidung der Beine und des Geſichts bilden kurze ſtraffe Haare; bei den wilden Racen auch die des Rumpfes. 2. Lange Grannenhaark; dieſe ſind mei— ſtens markhaltig (bei der New-Leiceſter-Race aber markfrei), nicht gekrümmt, mit tiefliegen— den Haarzwiebeln. Bei den ſog. Landracen und den meiſten engliſchen Racen iſt dieſe Haarſorte mit 3. Wollhaar untermiſcht. Dieſes iſt ſtets markfrei, meiſtens gekräuſelt und wegen ſeiner rauhen Oberfläche ſich leicht verfilzend; faſt allen Haarkleidern der verſchiedenen Racen bei— gemiſcht. Beim Merinoſchaf iſt es durch künſt— liche Züchtung zur alleinigen Bekleidung ge— worden (Leiſering). Hirſch, Reh, Elch. Wolle nicht vorhan— den. Die Deckhaare beſtehen faſt ausſchließlich aus Markſubſtanz. Hieraus erklärt ſich das be— ſonders beim Elchwild ſo überaus leichte Brü— chigwerden der Haare, wenn die Decke nicht ſehr bald abgeſtreift wurde, nachdem das Thier zur Strecke kam. Es iſt klar, daſs dasjenige Haarkleid ſich am beſten zum Pelzwerk eignet, welches das wenigſte oder noch beſſer gar kein Mark beſitzt. Schweine. Beim Wildſchwein iſt ziem— lich viel krauſe kurze Wolle vorhanden, welche den Hausſchweinen faſt ganz fehlt. Die Deck— haare ſind zu Borſten umgewandelt, marklos, 326 ſteif, an der Spitze ſpaltbar; ſie ſtehen in kleinen Gruppen zuſammen. Fleiſchfreſſer. Der Hund hat keine Wollhaare; die Deckhaare zeigen bei den zahl— reichen Racen die größte Mannigfaltigkeit; bald ſtark und kurz (Teckel und engliſche Pointers); bald wieder weich und lang (Seidenſpitz und deutſcher Hühnerhund), kraus beim Pudel u. ſ. w. Die Fühlhaare ſind ſtark. Katzen, beſonders die großen, wie Luchs, Löwe, Tiger, zeichnen ſich durch ihre Fühlhaare aus; ihr häufig weiches und ſehr feines Kleid entbehrt meiſtens der Wollhaare. Fuchs. Der weiche Pelz beſteht aus feinen Stichelhaaren, die eine ziemlich glatte Ober— fläche zeigen und aus einer beſonders im Winter ſtarken Unterlage von äußerſt feinen Wollhaaren. Letztere zeigen unter ſtarker Vergrößerung eine eigenthümliche Structur des Oberhäutchens; es erinnert (ſ. Abbildung) an den Schachtel— halm Bei jungen Füchſen überwiegt das Flaum— haar bedeutend. Bär. Dicker, zottiger Wollpelz mit ſtär— keren und längeren Grannenhaaren (ſ. Bär). Raubthiere, beſonders die der nordiſchen Regionen im Winterkleide, wie Ottern, Marder, Füchſe, liefern überhanpt das koſtbarſte Pelz— werk, da bei ihnen eine dichte Lage von Woll— haar von langen, glatten, glänzenden Grannen— haaren bedeckt wird. Dasſelbe gilt auch von gewiſſen Nagern, wie Biber, Moſchusratte, Eichhörnchen. Nagethiere zeigen eine große Mannig— faltigkeit in ihrem Haarkleide. Beim Haſen ſind mehrere Haare, jedes in einem beſonderen Balge ſteckend, von einer gemeinſamen Scheide umſchloſſen; Wollhaare umgeben dabei die Stichelhaare, beſonders im Winterkleid. Beim Stachelſchweine ſind die Stichel— haare des Rückens und der Seiten des Rumpfes zu beſonderen Schutzſtacheln umgewandelt, die eine Länge von einem Fuß und mehr erreichen können. Obgleich ihre Horn- oder Rindenſchicht ſehr ſtark iſt, ſo iſt doch zugleich das Mark ſehr ausgebildet, mit einem mehr oder weniger lufthaltigen Canal, mit radiären Seitenver— zweigungen. Die Stacheln ſtecken tief in der Haut, und wenn bei älteren Stacheln die er— nährende Papille zuſammengeſchrumpft iſt und ſich aus der Wurzel zurückgezogen hat, ſo kön— nen ſolche Stacheln bei ſtarker und plötzlicher Contraction der ſtarken Hautmuskeln (Panni— culus carnosus) ausgeſtoßen werden. Dies hat wohl zu der Sage Veranlaſſung gegeben, dass das Stachelſchwein ſeine Stacheln wie Pfeile auf ſeine Feinde ſchleudern kann. Von den Inſectenfreſſern zeichnet ſich der Igel ebenfalls durch ſeine Stacheln aus; dieſelben ſind häufig canneliert, mit feinen Längsrillen und Furchen verſehen; ſie ſtecken ſehr feſt in der Haut, da fie von einem jtarfen | Geflecht glatter Muskeln gehalten werden. Beim Zuſammenkugeln, welches durch den ſehr ent— wickelten, vom Kopf bis zum Hintertheil gehen— den und auf die Seiten übergreifenden rothen Hautmuskel bewirkt wird, werden die Stacheln in der bekannten Weiſe radiär nach außen ge— richtet. Bauch und Beine beſitzen keine Stacheln, e Haare. der Übergang von ihnen zu den gewöhnlichen Stichelhaaren läſst ſich an den Flanken gut beobachten. Das Wollhaar iſt kraus und ziem— lich grob. Der Maulwurf beſitzt wohl das feinſte, weichſte und dichteſte Fell unter allen euro— päiſchen Thieren. Beim ſüdafrikaniſchen Gold— maulwurf hat das Haar einen prächtig ſchil— lernden Metallglanz, eine Eigenſchaft, die ſich beim Haar äußerſt ſelten findet. Die Fledermäuſe (T., Fig. 6—8) haben höchſt eigenthümliche Haare; dieſelben ſind nie rund im Querſchnitt, ſondern abgeplattet und dabei etwas ſpiralig gedreht, jo daſs fie, von der Fläche betrachtet, abwechſelnd dicker und dünner erſcheinen. Am Oberhäutchen ſind die Schuppen ſehr ſtark und äußerſt mannigfaltig entwickelt; ihre Anordnung um den Stamm des Haares iſt von ziemlichem taxonomiſchen Werte. Bei allen Vespertilionidae (Minio- pterns, Vespertilio, Vesperugo, Placotus, Rhinolophus u. a.) ſind die Schuppen dach— ziegelartig, mit ihren abgerundeten freien Enden nach dem des Haares gerichtet und in ſchrägen Reihen angeordnet. Manchmal, wie z. B. bei der Zwergfledermaus, Vesperugo pipi- strellus (Fig. 8), ſind die Enden der Haare federartig verzweigt. Ganz anders erſcheinen die Haare der Hufeiſennaſe. S. Abbildungen. Bei den Emballonuridae (Fledermäuſe mit aus der Schenkelflugmembran hervorſtehendem Schwanzende; hauptſächlich tropiſche und ſub— tropiſche Arten, außer der auch ſüdeuropäiſchen Nyetinomus cestonii) ſind die Schuppen in queren Reihen angeordnet; ihre faſt ſtets ſcharfen Spitzen laufen parallel der Längsachſe des Haares und machen den Eindruck ineinander— geſchachtelter Düten. Die Färbung der Haare beruht auf dem entſprechenden Farbſtoffe, der entweder diffus oder an Pigmentkörperchen gebunden, im Marke oder im Innern der Rindenſchicht vertheilt iſt. Fehlt er oder wird er wieder zu— rückgezogen, ſo iſt oder wird das Haar weiß; er kann auch bei abwechſelnder Vertheilung dem Haar ein geringeltes Ausſehen geben. Eine periodiſche Vertheilung findet häufig an einem und demſelben Haare ſtatt, u. zw. ſo, daſs die Haare (Lemming, Alpenhaſe, junge Polarfüchſe) im Winter ihre Farbe verlieren. Gewöhnlich jedoch beruht die Umfär— bung darauf, dajs zum Winter eine Menge neuer Haare mit blaſſen oder weißen Spitzen oder auch ganz weiß wächst. Dies geſchieht beim Rothwild nach der Brunftzeit, verbunden mit theilweiſem Abwerfen der Sommerhaare. Dem Sommerkleid geht bei den meiſten Thieren ein ziemlich allgemeines Abwerfen der alten Haare voraus, mithin findet ein wirk— licher Haarwechſel ſtatt. Schafe, Auerochſen, der Biſon u. ſ. w. werfen dabei das Winterhaar (Grannen- und Wollhaar) in dicken verfilzten Maſſen ab. Wie ſehr das Klima die eigentliche Urſache dieſes Wechſels nebſt der Verfärbung iſt, erſieht man deutlich an den Polarfüchſen, Alpenhaſen u. a. in zoologiſchen Gärten, da dieſelben ihr Winterkleid (durch mildere Winter getäuſcht) zu ſpät, erſt gegen das Frühjahr hin 2 Haare. anlegen und dann im Sommer natürlich gänz— lich außer Cours gerathen. Überhaupt hängt die Färbung ſehr von der Anpaſſung an die Umgebung ab, und es laſſen ſich hier die intereſſanteſten Wechſelver— hältniſſe beobachten. Daſs arktiſche Thiere vor— wiegend weiß ſind, im Sommer aber häufig braun, iſt allbekannt. Dasſelbe gilt vom Her— melin, den Schneehaſen, Schneehühnern u. j. w. Die braun- und weißfleckige oder ſtreifige Zeich— nung der Damwild- und Rehkälber, der Friſch— linge beruht unbedingt darauf, die noch uner— fahrenen und wehrloſen Thiere ſchwerer ſichtbar zu machen und mithin zu ſchützen. Das roth- braune Sommerkleid des Rehwildes, obgleich doch anſcheinend ſo grell gefärbt, macht ſeinen Träger bekanntlich gar nicht ſo auffällig, be— ſonbers wenn trockene Farrenwedel in der Nähe ſtehen. Der bunteſte ſchön weiß und ſchwarz geſtreifte, rothgelbe bengaliſche Tiger findet ein paſſendes Verſteck im trockenen Graſe und Röhricht. Der weiße Polarbär braucht zwar eben— falls keinen Schutz gegen ſeine Feinde, denn er hat deren kaum, aber er ſchleicht auf dem Schnee ſeine Beute an. Über die Richtung der Haare bemerkt Pagenſtecher Folgendes: „Vertheilung, Rich— tung, relative Länge und Stärke der Haare entſprechen theils der Bewegung der Theile, theils ſind ſie ſo, daſs gemäß der den einzelnen Ordnungen und Körpertheilen gewöhnlichen Haltung dienlich das Regenwaſſer zu Boden geleitet wird. Affen, welche mit vorgreifenden Händen klettern, aufrecht ſitzen, die Arme über die Bruſt geſchlagen (oder auch auf dem Kopf zuſammengehalten), haben die Haare des Ober— armes abwärts, die des Unterarmes aufwärts gerichtet, jo daſs das Waſſer am Ellenbogen abtropft. Haarwirbel entſtehen an den Aus— gangspunkten für verſchiedene Richtungen, ſo am Scheitel des Menſchen, auf dem Widerriſt der Hufthiere u. ſ. w. Beim Rinde gilt die Ent- fernung des dorſalen Haarwirbels nach hinten vom erſten Rückendornfortſatz als Maß für die Milchergiebigkeit. Weitere Wirbel finden ſich an der Stirne und, indem die Haare zunächſt der Schnauze aufwärts gerichtet ſind, am Naſen— rücken; an der Kehle, indem die vorliegende Partie nach dem Kiefer zu, die hinterliegende nach dem Bauche abſteigende Haare beſitzt; an den Hüften und an anderen Stellen. Am Euter der Kühe ſind die feinen Haare aufwärts ge— richtet. Indem ſich das ſo durch ſeine Behaa— rung ausgezeichnete Feld entſprechend der Milch— drüſenentwicklung gegen den Damm ungleich hoch und ungleich breit ausdehnt, entſteht in Größe und Form des „Milchſpiegels“ ein gutes Merkmal für angeborene Milchergiebigkeit.“ Abnormes Vorkommen von Haaren kann an allen ſolchen Körpertheilen beobachtet werden, die von Epidermis bedeckt ſind. Die Behaarung der inneren Backentaſchen des Ham— ſters und der Innenſeite der Backen, des Haſen findet ſomit eine leichte Erklärung und iſt bei dieſen Thieren normal geworden. Aber auch auf der Hornhaut des Auges finden ſich bis— weilen einzelne Büſchel feiner Wollhaare, wie 527 z. B. beim Schaf beobachtet worden. Solche Fälle ſind widernatürlich und fordern ihrer Seltenheit wegen zur Bekanntmachung oder Aufbewahrung des betreffenden Präparates auf. Gw. Haare. Die wichtigſte Anwendung der Thierhaare iſt wohl die zur Anfertigung von Filz. Der Filz iſt ſchon lange bekannt, und wir wiſſen, daſs die Tataren und die Chineſen den Filz ſchon Jahrtauſende lang kennen, ſowie daſs die Römer und Griechen Filzhüte trugen. Nach einer Legende hätte der heilige Clemens, der vierte Biſchof von Rom, den Filz erfunden, indem er, als ihn auf der Flucht vor ſeinen Verfolgern die Füße ſchmerzten, zwiſchen San— dalen und Fußſohlen etwas Thierwolle legte. Nach längerem Wandern waren daraus die erſten Filzſohlen entſtanden. Durch Drücken, Klopfen, Reiben, Bürſten ꝛc., beſonders bei gleichzeitiger Einwirkung von Feuchtigkeit und Wärme laſſen ſich Thierhaare nämlich jo weit verwirren, daſs eine ziemlich feſte, zuſammenhängende und widerſtandsfähige Maſſe entſteht, die man als Filz bezeichnet. Dies rührt daher, daſs die Oberfläche der Haare mit zahlreichen mikroſkopiſchen, gegen die Haarſpitze gerichteten Schuppen beſetzt iſt, die ſich bei der mechaniſchen Bearbeitung inein— anderhaken und ſo den Zuſammenhang der Maſſe ſichern. Manche Haare (beſonders Haſen— und Kaninchenhaare) laſſen ſich unmittelbar nur ſehr ſchwer verfilzen; hier hilft man durch vor— hergehendes Beizen derſelben in Séeretage (Queckſilberchlorid oder neutrales ſalpeterſaures »Queckſilberoxydul) nach. Dieſes Beizen geſchieht noch am Felle. Das Abhaaren erfolgt meiſtens mittelſt ſcharfer Meſſer oder (beſonders in England) mittelſt eigener Maſchinen, ſeltener durch Ausraufen. Die Haare werden nach den Körpertheilen (in England mittelſt eigener, den Kornfegen ähnlichen Gebläſemaſchinen) ſortiert; die Rückenhaare ſind die beiten. Das nun fol- gende Reinigen und Zerfaſern der Haare ge- ſchieht entweder durch Ausklopfen oder mittelſt Krempelmaſchinen. Das Fachen bezweckt, die Haare aus ihrer parallelen Lage zu bringen; ſie aufzulockern den Staub wie die gröbſten Borſtenhaare zu entfernen. Die abgewogenen Haare werden auf ein aus dünnen Holzſtäben gebildetes, am Ar- beitstiſche liegendes Gitterwerk gebracht und mittelſt des 1˙5—2 m langen Fachbogens auf- gelockert. Dies iſt ein hölzerner, mit einer Darm— ſaite beſpannter Bogen, der wegen ſeines Ge— wichtes an einer Schnur ober dem Tiſche auf— gehängt iſt, und den der Arbeiter mit einer Hand hält, während er die Sehne mit einem in der anderen Hand gehaltenen Holzſtücke ſpannt und gegen und in die Haare ausſchnel— len läſst. Anfangs erfolgt dies mehr in hori- zontaler Richtung, ſpäter mehr nach aufwärts, wodurch die Haare emporgeſchnellt werden und endlich eine lockere, möglichſt gleich dicke Schicht bilden. Dann wird die Haarmaſſe in zwei Par— tien getheilt, die jede für ſich wie oben be— ſchrieben behandelt und nach genügender Auf— lockerung zu zwei dreieckigen lockeren Lagen formiert werden, welche man Fachen nennt. W 9 328 Haarbraten. — Habicht. Auf dieſe Fachen wird nun ein Sieb geſetzt, vorſichtig nach allen Richtungen hin gedrückt, wodurch dieſelben ſchon einigen Zuſammenhang erlangen. Zwei bis drei Paar ſolcher Fachen werden nun mit Waſſer beſprengt und mit Zwiſchenlagen ſtarken, geleimten Papieres (ſog. „Filz kerne übereinandergeſchichtet, das ganze in ein naſſes Tuch eingeſchlagen und längere Zeit mit den Händen gedrückt und gefnetet. Nun werden je zwei der ſo erhaltenen Filz— blätter „zuſammengearbeitet“, d. h. durch Verfilzen an den Rändern (die deshalb ſchon beim Fachen etwas dünner gehalten werden) verbunden, jo daſs ein zuckerhutförmiger Filter— beutel von Im Höhe entſteht. Zu dieſem Zwecke wird zwiſchen zwei Filzblätter ein Filzkern ge— legt, der aber um jo viel kleiner fein mujs, daſs die Ränder übereinandergeſchlagen wer— den können, das ganze in ein „Filztuch“ ein— geſchlagen und unter häufigem Benetzen mit angeſäuertem Waſſer wie früher behandelt. Zeigen ſich nun dünnere Stellen, ſo werden ſie durch Auflegen und Verfilzen ganz dünner Fachſtücke (Bußfache) ausgebeſſert. Nun erfolgt das Walken. Die Walktiſche ſind gegen die Mitte zu, wo ein Keſſel für die heiß zu erhaltende Beize eingelaſſen iſt, ab— ſchüſſig. Die Walkbeize beſteht aus Waſſer mit etwas Schwefelſäure oder Weinhefe. Der Filz wird häufig in die faſt ſiedende Beize einge— taucht und dann auf dem Walktiſche mit den Händen oder dem Rollholze, u. zw. auf der äußeren wie auf der inneren Seite bearbeitet. Schließlich erfolgt eine Bearbeitung mit ſteifen, in die heiße Beize getauchten Bürſten, wodurch auch die herausſtehenden Stachelhaare entfernt werden, und Abreiben mit Bimsſtein. Statt des letzteren bedient man ſich auch eigenthüm- licher Maſchinen, welche den über einen Holz— kern gezogenen Filzbeutel förmlich raſieren. Das Walken dauert etwa 3—4 Stunden und bewirkt eine bedeutende Verdichtung, aber auch Ver— kleinerung der Filzkörper. Das nun folgende Formen der Hüte er— folgt ebenfalls am Walktiſche und mit denſelben Hilfsmitteln wie das Walken, nur kommen hier auch noch hölzerne Hutformen in Anwendung. Das daran anſchließende Färben, Glän— zen, Steifen und Zurichten der Hüte ge— hört ſchon zur eigentlichen Hutmacherei, wes⸗ halb wir es hier nur beiläufig erwähnen wollen. Ganz ähnlich, wie oben beſchrieben, erfolgt auch die Herſtellung von Filztafeln, welche zur Herſtellung von Filzſohlen, Regenmänteln, Teppichen, Decken ꝛc. dienen. Dachfilz nennt man mit Asphalt getränkte recht grobe Filz⸗ tafeln. Lackierfilze ſind feine, mit Firnis getränkte und lackierte Filze und dienen zur Herſtellung von Kappenſchirmen, im Kutſchen— bau 2c. v. Ir. Haarbraten, der. „Haarbraten nennen einige den Zemer von der Sau. „Chr. W. v. Heppe, Wohlred. Jäger, p. 191. — Behlen, Real- u. Verb.⸗Lexik. III., p. 321 E. v. D Haarhygrometer, ſ. Hygrometer. Gßn. Haarrauch, ſ. Höhenrauch. Gßn. | | Haarſchleiſe, Haarſchlinge, die, aus Roſshaar gefertigte Schlinge zum Fange von Federwild. Aitinger, Jagd— und Weibdbüchlein, 1651, p. 216. — Fleming, T. J., 1724, fol. 153. — Behlen, Real- u i Lexik. III., p. 286. E. v. D. Haarwild, das, Sammelname für ſämmt⸗ liche zur Jagd gehörige Säugethiere; man unterſcheidet hohes und niederes Haarwild, dann in dieſen beiden Gruppen wieder je edles oder nützliches und unedles oder ſchädliches Haarwild, welch letzteres auch Haarraubwild, Haarraubzeug genannt 5 Bechſtein, Hb. d. Je „ 696. — Hartig, Wb. d. Wmſpr., 1809, p. 1143 Lb. f. Jäger, 1814, 1115 p. 44; Lenk. p. 2865 Behlen, Wmſpr., 4 5. p. 72 Real- u Verb.⸗Lexik. III., p. 527; II., p. 191. — Die Hohe Jagd, 1846, ep: 961. e Jagdbrevier, p. 280. E. v. D. Haarzüge nennt man die feinen geraden Züge, welche hin und wieder in Schrotgewehren vorkommen (ſ. Züge). Th. Hab' ac Zuruf an den Hühnerhund, frz. garde toi! „Halt! Wahre dich!“ oder: „Hab' acht! Schon’ dich!“ Dobel, 1746, I., fol. 111. — ÖOnomat. forest., II., p. 14. Behlen, Wmſpr., 1829, p. 78 „Hab' acht! iſt der Zuſpruch zum Hühnerhunde, wenn man ihm bemerklich machen will, daſs er won e ſein ſoll.“ Hartig, Lexik., p. 234. Habicht, der, alte Nomenclatur 5 25 Ar- tikel Beizjagd, Bd. II E. v. D Habicht, Astur palumbarius*) Linn. Beſchreibung. Flügel kurz, bedecken in der Ruhe den langen Schwanz etwa zur Hälfte, zum Unterſchiede von allen an⸗ deren bei uns vorkommenden NRaub- vögeln. Kopf klein, Schädel flach; Auge ſtets gelb, Schnabel kräftig, ſtark gekrümmt, mit langen Haken und einer ſtumpfen Ausbuchtung (kein Zahn!) im Oberkiefer mit grauweißem Fleck, der, auf den angrenzenden Unterkiefer übergeht. 4. Schwinge die längſte, daher die Flügel ſtumpf Füße mäßig lang, ſtark; Zehen— ballen ſehr ausgeprägt; Krallen ſchwarz, ſehr gebogen, ſtark und ſcharf. Lauf hinten und vorn geſchildet. Weibchen erheblich, nicht ſelten um ein Viertel größer als Männchen. Länge des Weibchens 60 em ineluſive Schwanz, Flügelſpitze Il cm, Schwanz 28 em, Schnabel 3 em, Hakengelenk 9 cm, davon 45 cm unbefiedert; Sunenzehe 28cm, ihre Kralle 2:8 cm, Mittelzehe 4 45cm, ihre Kralle 1˙8 em. Das Männchen iſt, wie angegeben, kleiner. Färbung des alten Vogels vom Scheitel über Rücken und Flügel bis zur Schwanzſpitze dunkel graubraun, alte Männchen öfter mit ſchieferblauem Anflug und von der Kehle bis an den Unterleib auf weißlichem Grunde grau⸗ braun, dicht gebändert; auf der Bruſt am brei- teſten, nach unten hin am ſchmälſten; Weibchen überhaupt breiter gezeichnet als Männchen; Schwanz mit dunklen Querbändern. Auge hoch— gelb, Füße gelb. — Der junge, ſehr oft ver⸗ kannte Vogel iſt auf der Oberſeite röthlichgrau— 2 Vgl. v. Rieſenthal, Raubvögel Deutſchlands 2e. Habicht. >29 braun, mit dunkler Bänderung; am Nacken und zwiſchen den Schultern röthlichgelb mit dunkeln braunen Schaftflecken. Die ganze Unter— ſeite gelblichweiß mit dunkelbraunen, unter— wärts verbreiterten Schaftflecken. Auge hellgelb, Füße und Wachshaut grünlichgelb. Das grelle, mäßig große Auge hat einen boshaften Ausdruck. Im Fluge iſt der Habicht an den kurzen, ſtumpfen Flügeln und dem langen Schwanz, ſowie daran zu erkennen, dajs er den Hals aufwärts biegt, ſo daſs der Kopf zwiſchen den Schultern zu ſtecken ſcheint und nur wenig hervortritt. Er fliegt zwar nicht ſo reißend ſchnell als der Edelfalk, doch ſchnell genug, um eine Taube einzuholen; ſein Flügel— ſchlag iſt nur gering, ſchwirrend; in der Ruhe ſitzt er gewöhnlich mit aufgeblaſenem Gefieder, katzbuckelnd auf einem Aſt nahe dem Stamm. Die Stimme des Habichts am Horſt iſt ein kreiſchendes Schirken, in ſonſtiger Aufregung klingt fie gellend wie „hiahiahiahia“, nicht un— ähnlich dem hämiſchen Lachen eines Menſchen. Verbreitung und Aufenthalt. Wenn⸗ gleich nicht gemein, iſt er doch ſehr verbreitet über ganz Europa und Aſien, doch nicht über den 70. Grad n. Br. In Mitteleuropa allent- halben und zu jeder Jahreszeit. Ob Ebene oder Gebirge, Feldhölzer oder große Waldcomplexe, Brüche oder trockene Gegenden — es iſt ihm gänzlich gleich, wenn er nur genug zu rauben und zu morden findet; ſelbſt gänzlich baumloſe Gegenden ſind ihm außerhalb der Horſtzeit recht. Lebensweiſe, Horſten. Die Fortpflau— zung trifft in den April; der Horſt iſt groß, aus Reiſern, Wurzeln und Moos gebaut, mit ſehr flacher Neftinulde, jo daſs der Schwanz des Brutvogels über den Rand hinausragt, und ſteht meiſt hoch in einer Aſtachſel, gern nahe am Stamm; die Eier, 3—4, ganz ausnahms- weiſe 5, ſind grau- oder, wenn ganz friſch, etwas bläulichweiß, rauhſchalig, mit kleinen Knötchen, 55:40 bis 63:50 mm groß, wenig zugeſpitzt; das Männchen löst meiſt um die Mittagszeit das Weibchen einige Stunden im Brüten ab, und nach 3 Wochen fallen die weißdunigen Jungen aus, welche auf der Vor— derſeite des Laufes 13—14, auf der Hinterſeite 12-13, auf der Mittelzehe bis 10, Außenzehe bis 8, Innenzehe 6, Hinterzehe 5 Schilder haben. Die Jungen werden faſt ausſchließlich mit Vögeln, ſeltener nur mit anderen kleinen Thieren gefüttert, treten anfangs Juni ſchon auf den Rand des Horſtes, ſind auch wohl ſchon flugbar, halten ſich aber, beſonders zur Nachtzeit, noch im oder doch beim Horſte auf. Das Weibchen ſitzt jo feſt auf den Eiern, dajs es ſelbſt einem Schrotſchuſs widerſteht, der freilich auch den dicken Horſtboden nicht zu durchſchlagen vermag, und kehrt oft, ſelbſt ange— ſchoſſen, zu der geliebten Brut zurück. Wird das erſte Gelege genommen, ſo legt das Weib— chen in einen anderen Horſt nochmals 2—3 Eier, jo daſs man noch im Mai friſche Eier fin- den kann. Der Habicht iſt unter allen Raubvögeln, ja ſelbſt Raubthieren überhaupt für die kleine Jagd am gefährlichſten und verderblichen; vom Rehkälbchen bis zur Maus, von der Auerhenne bis zum Spatz iſt kein Geſchöpf vor ſeinen Klauen ſicher, die, was ſie gefaſst haben, jo leicht nicht wieder loslaſſen. Falke, Marder, Fuchs, Iltis und Conſorten können doch nur unter gewiſſen Bedingungen rauben und morden, vor dem Falken iſt der ſich drückende Vogel ſicher, wie er von dem abläjst, der ihm die Höhe abgewonnen hat oder der in dichtes Gehölz flüchtete; vor dem Habicht aber retten alle dieſe Umſtände nicht: er greift mit derſelben Sicherheit das ſitzende Thier wie das laufende oder ſchwimmende, ſtößt mit gleich ſicherem Erfolge ſchräg von der Seite wie von oben herab, ja ſelbſt von unten hinauf den ver— folgten Vogel und ſtürmt ihm ſelbſt in das dichte Holz nach, in welchem er mit angelegten Flügeln ſich ganze Strecken nur mit Hilfe ſeines in dieſem Falle ausgebreiteten Schwanzes fort— zubewegen vermag, und ſelbſt aus der Erdhöhle oder dem Baumloch hakt er mit ſeinen langen Krallen das unglückliche Opfer heraus; es iſt eben kein Thier in keiner Lage vor ihm ſicher, welches er zu bewältigen vermag. Und nicht nur in der Morgenfrühe, ſon— dern auch zur Mittagszeit, wo die meiſten Raubvögel ruhen, haſtet er mit ſeinem kurzen, ſchwirrenden Flügelſchlage an den Waldrändern oder ſonſtigen, ihn deckenden Gegenſtänden hin, oder beobachtet von einem Verſteck aus die Umgegend, um ſeine Beute plötzlich zu über— fallen. Selten nur erhebt er ſich höher in die Luft, wo er dann kurz kreiſend oder rüttelnd, den Schwanz bald ausbreitend, bald zuſammen— legend, ſein Jagdrevier abſucht. Seiner Frechheit iſt die Gefräßigkeit eben- bürtig; man darf ſeinen Fraßbedarf dem eige— nen Körpergewicht ziemlich gleichſtellen. Den Raub ſchleppt er ſtets an eine verſteckte Stelle, um ihn ungeſtört kröpfen zu können. In der Gefangenſchaft friſst der ſtärkere den ſchwä— cheren mit Behagen auf, gleichwohl verträgt er ſie nicht lange, da er ſich bald zu Tode trotzt. Kleine Vögel und Mäuſe, welch letztere er nur im Nothfall oder aus Mordluſt fangen mag, verſchlingt er ganz, größere rupft er ziemlich rein und Säugethiere zerreißt er. Selbſt alte geſunde Haſen ſind vor ihm keineswegs ſicher; er ſchlägt ſeine Krallen auf ihren Rücken ein und läſst ſich von den davonflüchtenden mit fort— ſchleppen, jo daßs ſie bald ermatten und ihm unterliegen. Der Habicht ſteht unter den ſchädlichſten Raubvögeln obenan und darf daher ſeine Ver— folgung nie ruhen. Jagd und Fang. Außerhalb der Brut— zeit iſt ſeine Erlegung meiſt Zufallsſache, da er ſich, wenn man ihn etwa auf einem Baumaſt entdeckt, nur ſchwer beſchleichen läſst, da— gegen iſt die Horſtjagd um ſo ſicherer, theils in der Morgenfrühe, wo das Männchen nicht weit vom Horſte zu ſtehen pflegt, theils und beſonders aber durch Abklopfen des Brutvogels, wobei das Männchen auch öfter zu Schuss kommt. Auch die Hüttenjagd bietet gute Reſul⸗ tate, da der Habicht ſehr heftig auf den Uhu ſtößt. Gefangen wird er beſonders im Habichts— Dombrowski. Eneyklopädie d. Forſt⸗ u. Jagdwiſſenſch. IV Bd. 34 530 korb, gelegentlich auch im Falkenſtoß, auch Stoßgarn, Rönne oder Rinne genannt, und im Tellereiſen mit aufgebundenem todten Huhn, Haſengeſcheide und ähnlichem Köder. v. Kl. Habichtsſang, der, ſ. v. w. Habichtskorb, ſ. d. Chr. W. v. Heppe, Wohlred. Jäger, p. 155. — p. 120. — Hartig, Lexik., Wmſpr., 1829, p. 73. e Habichtsfang. — Habichtskorb. p. 321. — Behlen, E. v. D Habichtsttorb. Er ift eine ſehr gebräuch⸗ liche Raubvogelfalle und, wie der Name ſchon ſagt, beſonders gegen den gefährlichen Habicht von Erfolg; denn andere Raubvögel außer 2 9 Fig. 402. Habichtstorb, älteſte Form. Onomat. forest. II., p. 11. — Behlen, Wmſpr., 1829, p. 73. E. v. D. Habichtskorb, der, eine eigene Fangvor— richtung für den Habicht. Mellin, Anwſg. z. An⸗ lage v. Wildbahnen, 1777, p. 350. — Onomat. forest. II., p. 11.— J. Chr. Heppe, Jagdluſt III., p. 114. — Bechſtein, Hb. d. Jagdwiſſenſchaft I., 2., p. 498. — D. a. d. Winkell, Hb. f. Jäger I., p. 321. — Wildungen, Taſchenb., 1808, | Falken fangen ſich in ihm nur gelegentlich, am meiſten Eulen, nur ſelten Buſſarde. Gewöhnlich ſiſt er viereckig, 1½ m hoch, oben 1½, unten Um im Quadrat. Das Geſtell beſteht aus Holz, die Seiten ſind Drahtgeflechte und etwa der dritte Theil des Raumes vom Boden aus iſt oben mit einem Drahtnetz abgeſperrt, um die Locktaube aufzunehmen, der man Futter und Waſſer hineinſetzt; der Boden beſteht aus Bret⸗ Habichtskorb. 331 \ N 1 RO RS 1 IT | RN „ RR A IA % N ooo 2 \ IN RT r — * AAN 9 \ u EN AN SE = Is ae >e NN I WOVSVATARN WAY, „„ BR 2 100 8 N E in LER N 22 WR) N) 9 Sa: RS = N 2 3 2 70 6 8 en RN | | eee N ROTEN) X ON e f ö n RR 4 75 5 1 f 2 wm AS 2 (AX DER 2 RR) OR Sasszz=all Co SEEN HS, — | ze 8 Fig. 403. Habichtskörbe. — A mit zwei Seiteneingängen und Schlageiſen. — B Pehlow'ſcher Habichtsfang. — C Habichtskorb älterer Conſtruction. 532 Habichtsrönne. — tern. Die Fangvorrichtung iſt von zweierlei Art: entweder ein mit Draht ausgeflochtener Rahmen, der beim Niederfallen den Korb dicht verſchließt, oder ein aufgerolltes Netz, welches ſich beim Fang über den Korb abrollt und ſomit den Verſchluſs bewirkt. Die Stellung be— ſteht aus einem Trittholz und einem Stellholz, welches auf dieſem ſteht und das Stützholz des Deckels trägt. So wie der Habicht das Trittholz berührt, was er nur kann, wenn er ſich ſchon im Korbe befindet, um an die Taube zu ge— langen, fällt die Stellung auseinander und der Deckel über ihn herab. Ganz ähnlich iſt der Fang mit dem Netz; wird hier die Stellung umgeworfen, ſo laufen die an Leinen hängenden Gewichte, welche bis dahin durch die Stellung geſtützt waren, ab und ziehen das Netz über den Korb. Bei an— haltendem Regenwetter quellen aber die Leinen und Rollen leicht auf und verweigern gelegent— lich den Dienſt, weshalb der Deckel praktiſcher iſt. In neueſter Zeit conſtruiert man die Ha— bichtskörbe anders, indem man ein eylinder— förmiges Drahtgeflecht, in deſſen unterem Theil die Locktaube untergebracht iſt, mit einem fän— giſch geſtellten Eiſen anbringt, welches den Raubvogel nach deſſen Berührung fängt. Man befeſtigt den Habichtskorb auf einem etwa 4 bis 5m hohen ſtarken Pfahl, damit er den Raub— vögeln mehr in die Augen fällt, und nimmt zur Erhöhung dieſes Zweckes auch gern eine weiße Taube als Lockvogel; doch fängt ſich der Habicht auch im Walde. Auch nimmt man neuerdings ausgeſtopfte Tauben ſtatt lebender als Lockvögel, welche, auf einen dünnen Stahl- draht geſtellt, vom Wind bewegt werden und den Habicht heranlocken. Dieſe ausgeſtopften Bälge entheben den Jäger des Fütterns und Wartens der lebenden Tauben, mit deren In— ternierung zu dieſem Zweck bei ſtrenger Kälte und ſonſtigem Ungemach eine gewiſſe Grau— ſamkeit verbunden war. Es können ſich im Hahichtskorb nur Raub— vögel fangen, welche ihre Beute im Sitzen zu ſchlagen verſtehen, alſo zunächſt keine Falken. Der Hühnerhabicht dagegen ſtreicht heran, hockt, wenn er kann, in der Nähe des Habichtskorbes auf, beobachtet ihn, fliegt auf deſſen Rand und ſpringt alsdann nach der Taube, wobei er ſich fängt. In meinen „Raubvögeln“ erzähle ich einen Fall, wo ſich am 25. December in einem Habichtskorb mit Deckel ein Habicht fieng, am 30. December ein zweiter, und während am 1. Januar ein dritter im Korbe ſaß, kröpfte ein vierter unter dem letzteren ſeinen früher gefangenen, dorthin geworfenen Kumpan auf. Buſſarde und Milane, denen die Frechheit des Habichts fehlt, fangen ſich infolge ihrer größe— ren Schlauheit nur ſelten, Weihen, wie wir ſpäter ſehen werden, gar nicht, dagegen, nach dem Hühnerhabicht, am meiſten Eulen, beſonders Waldkäuze. v. Rl. Habichtsrönne, die, ſ. v. w. Stoßgarn, ſ. d. u. Rinne. Onomat. forest. II., p. 10. — Behlen, Wmſpr., 1829, p. 73. E. v. D. Habichtsſtoß, der, ſ. v. w. Habichtskorb, manchmal auch für das Stoßgarn, ſ. d. Bechſtein, Hb. d. Jagdwiſſenſchaft I., 2., p. 498. — Winkell, Hackwaldbetrieb. Hb. f. Jäger I., p. 320. — Hartig, Lexpik., p. 165. — Behlen, Wmſpr., 1829, p. 73. E. v. D. Hächſe, die, vom ahd. hahſa, mhd. hahſe, heißt die Beugeſehne am Hinterlaufe des hohen edlen Haarwildes; nur die Form Hächſe iſt richtig, alle anderen unten erſichtlichen Schreib— weiſen ſind mundartlich. „Die Flechſen der hinteren Keulen, die jog. Heſſen .. .“ Fleming, T. J., 1724, fol. 302 b. — „So muß einer von den Piqueurs oder Beſuchknechten ſich hinter ihn (den Hirſch) hinanmachen und ihn mit dem couteau de chasse hechſen (die Hechſe ab— löſen) . . .“ Döbel, 1746, II., fol. 106 a. — „An der Heſſe der Hinterläufer . . .“ Wildungen, Taſchenb., 1808, p. 13, 16. — „Heſſe iſt die große Sehne an den Hinterläuften .. .“ Walder- ſee, Der Jäger, p. V. — „Zwiſchen der Röhre und der Hoſſe . . .“ Großkopff, Weidewercks⸗ lexikon, p. 88. — „Die Heeſe.“ Hartig, Lexik., p. 322. — „Heeſen, auch Heſſen ...“ Kobell, Wildanger, p. 35, 480. — „Heſſen.“ Laube, Jagdbrevier, p. 253. — Sanders, Wb. I., P. 653 c. v. D Hächſen, verb. trans., die Hächſen durch— fangen, ablöſen; vgl. ab- und einhächſen. „Wenn dem Hirſch oder Wildbret die Adern an den Hinterläuften entzweigeſchnitten oder gehauen werden, daſs das Thier nicht mehr auf den Läuften ſtehen kann, ſo heißet es: geheſſet.“ Großkopff, Weidewerckslexikon, p. 160. — Philo- parchus Germanus, 1764, p. 357. — Oncmat. forest. II., p. 193. — Chr. W. v. Heppe, Wohl⸗ red. Jäger, p. 126. — Bechſtein, Hb. d. Jagd- wiſſenſchaft I., 3., p. 696.— Hartig, Lexik., p. 249. — Behlen, Wmſpr., 1829, p. 73. — Sanders, Wb. I., p. 654. E. v. D. Hacke, ſ. Forſtculturgeräthe, Aöplage t Häckelhacke, iſt in Fig. 356 in der See— bach'ſchen Form dargeſtellt, bei Forſteulturge— räthe sub 4b. Gt. Häcke brechen, iſt in Fig. 355 in Sollinger Form dargeſtellt, bei Forſteulturgeräthe a 4b. t. Hacker 'ſche Verſchulmaſchine, ſ. b. Kamp sub 11. Gt. Hackreis, das, ſ. Hakreis. E. v. D. Häckſe, häckſen, ſ. Hächſe, Hächſen. 5 E. v. D. Hackwaldbetrieb iſt ein Niederwald, be⸗ ſonders Eichenſchälwaldbetrieb in ſtändiger Ver— bindung mit Fruchtbau. Er iſt beſonders im Odenwalde auf tauſenden Hektaren zuhauſe und wird der Hauptſache nach ſo betrieben, wie dies bei Eichenerziehung sub Le geſchildert iſt. Die Haubergswirtſchaft, die im Siegen— ſchen ſeit alter Zeit im Gange iſt, fällt mit dem Hackwaldbetriebe im weſentlichen zuſam— men. Beide Wirtſchaften hat vordem das Be— dürfnis hervorgerufen. Über die Berechtigung zu ihrer Fortdauer in der Jetztzeit beſtehen viele Zweifel. Über erſtere Wirtſchaft handelt beſonders Jäger in ſeiner „Land- und Forſt⸗ wirtſchaft des Odenwaldes“ 1843, und Stroh— ecker in „Die Hackwaldwirtſchaften“, über die andere R. Tramnitz in den „Forſtl. Blättern“, Heft 3, p. 104 (1862) und Bernhardt in „Die Haubergswirtſchaft im Kreiſe Siegen“ (1867). — Haderer. — Hafisſänger. Vgl. noch: Betriebsarten, Fruchtbau im Walde, Eichenerziehung sub 1e, Schälwaldbetrieb. Gt. Haderer, die, (pl.). „Haderer werden die kurzen, dicken Zähne im Oberkiefer eines wilden Keilers genannt, woran derſelbe 5 Gewehre oder Gewerfe wetzt.“ Hartig, Lexik., p. 231. — Onomat. forest. II., p. 14. — Wildungen, Neu- jahrsgeſchenk, 1795, p. 18. — Behlen, Wmſpr., 1829, p. 70, 73; Real- u. Verb.⸗Lexik. II., p. 546; W. 225.— Die hohe Jagd, 1846, 901 361. — Sanders, Wb. I., p. 654. E. v. D Haferſchrot, größere Schrotſorte, etwa von 00 bis 2 oder 3 der durch den A. D. J. V. eingeführten Numerierung (ſ. Schrot). Th. Haſisſänger, Lusciola Hafizi Se- vertzow. Lusciola Golzii, Cabanis, J. f. O0. 1873, p. 79; Luseinia hafizi, Severtzow, Tur- kest. Jevotn., p. 120 (1873); Daulias hafızi (Severtzow), Blanford, East-Pers. II., p. 169 (1876). Abbildungen von Vogel, Eier und Neſt in Radde, Ornis caucasica, T. XV und XXI, 5—6. Perſiſche Nachtigall. Armen.: Sochak; perſ.: ruſſ.: Solowei; tatar.: Sanduas. Der Hafisſänger kommt in Transkaukaſien, am Kaſpiſchen Meere bei Lenkoran und im Ta— lyſch, in den bebauten Diſtricten von Turkeſtan, im weſtlichen Perſien und im Altaigebirge vor, ſowohl in der Ebene, wie auch im Gebirge bis zu 5000’ Höhe. Zuerſt iſt die Form ſelbſtändig von Ca— banis als Lusciola Golzii unterſchieden; fie ſteht vollſtändig in der Mitte zwiſchen der ge— wöhnlichen Nachtigall und dem Sproſſer, in der Färbung und der Größe iſt ſie aber nach Raddes Forſchungen unbedingt als ſelbſtändige Art aufrecht zu erhalten, da ſie ſich durch einen von den Nachtigallen vollſtändig abweichenden Geſang auszeichnet. Bülbül; Totallänge TER ELDER 18:2 cm Flügellännnne BR, Schwanzlängne 853 P ae te 1:36 (Exemplare & von Lenkoran, 5. Mai 1880, geſammelt von Radde, aus Sammlung Tancri.) Altes Männchen. Oberſeite bis zum un⸗ teren Rücken hinab olivenbraun, Schwanzfedern und obere Schwanzdecken rothbraun. Unterſeite weißlich, quer über die Bruſt hinüber ſchmutzig bräunlichgrau gefärbt; die Weichen ähnlich, aber etwas heller ſchmutzig bräunlich ange- flogen. Schwanzfedern auch von unten braun— roth, Schwingen graubraun. Vom Schnabel zieht ein hellgelblichbrauner Augenſtreif nach dem Auge hin, das ganze Auge mit einem hellgelblichbraunen Kreiſe ſehr kleiner Federchen umgeben. Bei den beiden & aus dem Altai iſt der Rücken viel mehr graubraun gefärbt, mit ſehr wenig olivenfarbigem Anfluge, und die Unter— ſeite iſt mehr grauweißlich mit nur etwas dunkler grau gefärbter Oberbruſt. Altes Weibchen iſt, wie ich mich im trauskaukaſiſchen Muſeum in Tiflis überzeugte, 533 vom Männchen im Geſieder nicht zu unter— ſcheiden. Der Schnabel iſt ſchlank, der Oberſchnabel den Unterſchnabel ganz umgreifend und an der Spitze überragend, die Unterkieferriſte ſich in der Mitte des Unterſchnabels vereinigend unter einem weit vorſpringenden ſpitzen Winkel. Die Flügel ſind ſtumpf, erreichen nicht die Mitte der oberen Schwanzdeckfedern, kaum die Hälfte des Schwanzes. Die 3. und 4. Schwinge bilden die Spitze. 324252226. ‚>M>H>D>1. Die 3. und 4 4. Schwinge zeigen eine ſehr leichte bogenförmige Einſchnürung auf der Außen⸗ fahne, die 2. und 3. eine ſehr deutliche winkel— förmige Einſchnürung auf der Innenfahne. Der Schwanz iſt ſehr lang, ſtufenförmig, die äußerſten Federn 11 mm kürzer als die mittleren. Der Lauf iſt ſchlank und dünn, vorn mit einer langen Schiene und 2 unteren Schuppen beſetzt, die Krallen ſehr klein und zart. Außer den oben gemeſſenen und beſchrie— benen Exemplaren lagen noch vor 2 & vom Mai 1884 aus Kenterlik im Altai. Das Gelege enthält meiſtens 5 Eier. Die— ſelben ſind von ovaler Form, Längsdurchmeſſer bei dem Ei aus Lenkoran 19˙6 mm, bei einem Gelege von Altai durchſchnittlich 22˙4 mm, Querdurchmeſſer bei dem Ei aus Lenkoran 154 mm, bei einem Gelege von Altai durch— ſchnittlich 16˙ mm, Dopphöhe bei dem Ei aus Lenkoran 8˙5 mm, bei einem Gelege von Altai durchſchnittlich 10 mm. Bei den mir . Eiern kommen zweierlei Färbungen vor. Die einen, von Len— koran (2 Eier), ſind gleichmäßig olivengrün, die anderen, von Altai (M/5, 5 Eier), ſind gleich- mäßig olivenbräunlich gefärbt, ohne eine Spur von Fleckung. Die Schale iſt glänzend, ſehr feinkörnig, mit tiefen Poren. Was die Lebensweiſe anbetrifft, ſo habe ich leider während meines Aufenthaltes in Transkaukaſien und am Kaſpi im Auguſt und September keine eigenen Beobachtungen machen können, da ja zu dieſer Jahreszeit die Nachti— gallen ſehr unbemerkt leben und ſchwer zu beobachten ſind; ich laſſe daher hier die treff— lichen Schilderungen Raddes aus ſeiner „Ornis caucasica“ folgen: „Bei Lenkoran hörte man die erſten am 28. April. Sie lebten vornehmlich in den Gärten des Städtchens und im Unterholze an den Rändern des Hochwaldes. In den Dſchon⸗ geln traf ich ſie nur ſelten an. Im geſammten Tieflande von Talyſch und von Gilan bis Keſcht iſt der Vogel gemein. Anfang Juni hörte ich ihn nachts, als ich nach Keſcht reiste, allerſeits her ſchmettern. Recht dunkle Plätze, gewöhnlich ſtark mit Weidenlaub gedeckte, nicht ſehr hohe Bäume wählt er und ſitzt nie hoch. Der Geſang erinnert wohl an den der Nachti— gall, läſst ſich ihm aber, was die Güte anbe— trifft, kaum vergleichen. Auch unter den Hafiz— ſängern gibt es gute, geübte und ſchlechte, vielleicht junge Sänger. Dieſe letzteren ſingen ganz kurze Strophen, zuerſt laſſen ſie und auch die alten guten Sänger 4—6mal das einlei- tende trübe „Hü, hü, hü“ ꝛc. in ſanften Flöten— 53% tönen hören. Sie beginnen damit ganz leiſe und ſteigern ſowohl Tempo, als auch Tonfülle. Bei jungen Vögeln folgt dann oft nur ein 5—6ſilbiger Wirbel. Beſſere Sänger bilden ohne Unterbrechung 4—5 Strophen, in denen aber die Schnarre vollſtändig fehlt. Eben dieſer Mangel jeglichen ſchnarrenden An— ſchlages und die Strophenarmut laſſen den Hafizjänger ſofort vom Sproſſer und der Nachtigall vollſtändig unterſcheiden. In ſeinen ſonſtigen Sitten und der Lebensweiſe ſtimmt der Hafizſänger mit den beiden verwandten Nachtigallen vollſtändig überein. Die Bewe— gungen auf dem Baden, der Lockton, das Sträuben des Gefieders während des eifrigen Geſanges und alles Sonſtige beobachtet man in gleicher Weiſe bei allen dreien. „Ich brachte zwei Neſter von dieſer Art mit, ſie wurden im ſchattigſten Dickichte des Unterholzes, u. zw. niedrig gebaut. Das Ma— terial dazu beſteht bei Lenkoran vornehmlich aus den trockenen Blättern von Quercus casta— neaefolia C. A. Meyer. Sehr kunſtvoll iſt der obere Rand durch einen Reisſtrohhalm um— wunden und mit demſelben eine ziemlich feſte Schlinge hergeſtellt. Zu den inneren Wandungen wurden zartere Gräſer und auch feine Wurzeln verwendet, ein eigentliches Polſter fehlt, nur wenige Haare bemerkt man im Innern.“ K. Bl. Hafnerarbeiten, j. Heizvorrichtungen. Fr. Haft, der, ſ. Heft. E. v. D. Hag (Hecke, lat. indago), Wände oder Barrieren, welche entweder aus lebenden Pflan— zen nach Art der Knicke und Landwehren oder aus Palliſaden ꝛc. errichtet und in verſchiedenen Zwiſchenräumen mit Offnungen verſehen waren. Sie dienten für die Zwecke des Jagdbetriebes, indem ſich in der Nähe der Offnungen, gegen welche das Wild gejagt wurde und welche auch öfters mit Netzen und Schlingen verſehen waren, die Jäger Stellung nahmen, um ſo das Wild leichter und ſicherer zu erlegen, als es bei dem „Über Land Jagen“ möglich war. Die erſten Nachrichten über die Anwendung des Hages ſtammen aus dem Anfang des XIII. Jahrhun- derts (Weisthum des Spurkenberger Waldes, Grimm, Weisth. IV, 388). Schw. Hagel, der, ſ. v. w. Schrot, von einzelnen Autoren nur für die ſchwächeren Nummern ge— braucht. J. Colerus, Oeconomia ruralis-dome- stica, 1582, fol. 582 u. 632. — Aitinger, Jag- u. Weydbüchlein, 1651, p. 337. — Chr. W. v. Heppe, Wohlred. Jäger, p. 193. — Wildungen, Neujahrsgeſchenk, 1796, p. 121, . — Bech⸗ ſtein, Hb. d. Jagdwiſſenſchaft I. J., p. 713. — D. a. d. Winkell, Hb. f. Jäger HT, p. 540. — Hartig, Lexik., p. 469. — Sanders, Wb. I., p. 656. E. d. D. Hagel. Für den in feſter Form aus der Atmoſphäre herabfallenden Niederſchlag unter— ſcheidet unſere Sprache Graupeln, Hagel und Schloſſen. Die letzte Form iſt vom Hagel nicht verſchieden und die dem Worte unterge— legten Bedeutungen gehen vollſtändig ausein— ander, indem bald kleine, meiſt aber große Hagel— körner darunter verſtanden werden. Graupeln (ſ. d.) ſind kleine, bis erbſengroße, undurchſichtige, homogene, ſchneeartige Körperchen, die meiſt Hafnerarbeiten. — Hagel. als weſentlich rundlich, von anderen aber in der Hauptform als Kugelſectoren bezeichnet werden. Die Hagelkörner ſetzen ſich zuſammen aus einem inneren undurchſichtigen Kern, vielleicht Graupelkorn, und dünnen Stücken von concentri— ſchen Kugelſchalen klaren Eiſes, welche den inneren Kern etwa wie die Häute einer Zwiebel um— geben; die äußerſte Umhüllung iſt meiſt undurch— ſichtig. Bei genauer Beſichtigung zeigt ſich das Ganze von eingeſchloſſenen Luftbläschen in nicht ſelten radialer Anordnung durchſetzt; Einſchlüſſe organiſcher wie anorganiſcher Abſtammung, Staub, Sand, Schwefelkieskryſtalle, ja ſelbſt einmal Quarzſtücke ſind als Centren der ein— hüllenden Eiscalotten beobachtet worden. Nicht ſelten iſt die Lage des Kernes eine exeentriſche, wie überhaupt die Form des Hagels, wenn auch bei jedem Schauer eine meiſt gleichartige, jo doch von Fall zu Fall eine ſehr mannig- faltige iſt. Neben abgerundeten Rotationskörpern, mit zum Theil eingedrückten Polen, iſt die Form des Kugelſectors nicht ſelten, während prisma— tiſcher Hagel ganz vereinzelt daſteht. Durch das Zuſammenfrieren mehrerer Hagelkörner ſind die zuweilen beobachteten ſeltſamen Formen zu er- klären, wie z. B. die mit Eiskryſtallen beſetzten und durchſetzten Hagelſtückchen. Ebenſo verſchieden wie die Form iſt die Größe der Hagelkörner; in unſeren Breiten ſchwankt die Größe etwa zwiſchen der einer Bohne und eines Taubeneies bei einem Gewicht bis zu 250 g und mehr. Wir kennen noch eine vierte Form feſten Niederſchlages, den man am beſten als Eisregen bezeichnen könnte. Dieſer Niederſchlag rieſelt mehr andauernd hernieder, wie dies meiſt bei Schnee und Regen der Fall iſt, nicht ſchauer⸗ weile wie Graupeln und Hagel, und beſteht aus durchſichtigen, unregelmäßig geformten kleinen Stücken klaren Eiſes; der Seltenheit des Vorkommens mag der Mangel einer ſprachlichen Bezeichnung zuzuſchreiben ſein. Dieſe Eisſtückchen find vermuthlich kleine Tropfen, die beim Durch- fallen kälterer Schichten erſtarrt ſind. An Theorien zur Erklärung der Hagel— bildung hat es nicht gefehlt und zumal gab die Erkenntnis der elektriſchen Natur unſerer Gewitter den Anſtoß, die Elektriecität als Urſache des Hagels in verſchiedener Weiſe hinzuſtellen. Insbeſondere verſchaffte ſich die Theorie des um das Verſtändnis der elektriſchen Wirkungen fo hochverdienten Naturforſchers Volta 19 Anhang; hienach ſoll das Anwachſen der Hagel— körner ermöglicht werden durch zwei einander gegenüberſtehende ungleichmäßig elektriſch ge— ladene Wolken, zwiſchen welchen die Hagelkörner durch Wirkung der elektriſchen Kräfte hin- und herfliegen, wie die Papierkügelchen bei dem elektriſchen Puppentanz. Dieſe wie die übrigen elektriſchen Erklärungsverſuche haben allmählich der Erkenntnis weichen müſſen, daſs die Hagel— bildung von der Elektricität ebenſo unabhängig iſt, wie die Entſtehung der übrigen Niederſchläge, daſs vielmehr der Hagel, ebenſo wie Blitz und Donner, als eine Begleiterſcheinung beſonders heftiger Condenſationen der Waſſerdämpfe in der Atmoſphäre aufzufaſſen iſt; wir dürfen Hagel. annehmen, daſs ſich Hagel häufiger bildet, als wir ihn an der Erdoberfläche beobachten, da beſondere Verhältniſſe ihn während des Herab— fallens in Regentropfen umzuwandeln vermögen. Abgeſehen von dieſen Factoren finden wir Hagel in ſeinem Vorkommen ganz in derſelben Weiſe bedingt, wie die Entſtehung unſerer Ge— witter (ſ. d.). Starke Temperaturabnahme nach der Höhe, hervorgerufen in ruhiger Atmoſphäre durch die Sonnenſtrahlung, und hiemit die Annäherung an den in feuchter Luft durch geringere Temperaturabnahme im Vergleich zu trockener Luft bedingten labilen Gleichge— wichtszuſtand der Luftſäule, kennen wir als die Bedingung aufſteigender Ströme, welche wir bei der Mehrzahl unſerer Gewitter als die Urſache der Condenſationen, der Verdichtung der Waſſerdämpfe zu Waſſer, anzuſehen haben. Hiezu tritt häufig als die Temperaturgegenſätze verſchärfend ein Hereinfluten kalter Ströme in der Höhe über den wärmeren unteren und bei den Wirbelgewittern die Miſchung warmer und kalter Luftmaſſen durch die von fortſchreitenden Cyclonen verurſachten Luftbewegungen. Ent— ſprechend den in der Regel geringeren elektriſchen Entladungen der Wirbelgewitter finden wir bei dieſen auch die Bildung des Hagels gegen die der Graupeln zurücktretend. Ebenſo wie ſich das in langer Front voraneilende Gewitter an einigen Orten nur durch den Regen und den bei Gewittern charakteriſtiſchen Gang von Luft— druck und Temperatur zu erkennen gibt, aber keine elektriſchen Erſcheinungen zeigt, ſo kann auch Hagel ohne Blitz und Donner fallen — dieſe beiden Vorkommniſſe gehören aber zu den ſelteneren Fällen. Die Anſicht, daſs Hagelwetter nur am Tage vorkommen, iſt irrig; ſie werden auch nachts, wenngleich ebenſo wie die Gewitter, ungleich ſeltener beobachtet. Das Maximum der Hagel häufigkeit fällt mit dem der Gewitter auf den Nachmittag, und in der jährlichen Periode auf den Sommer, u. zw. finden wir in gleicher Weiſe ein doppeltes Maximum der Häufigkeit bei uns in der erſten Hälfte des Juni und zweiten Hälfte des Juli. Hagel und Gewitter nehmen nach Norden hin ab; in den Tropen dagegen, wo die elektri— ſchen Erſcheinungen der Atmoſphäre im Maxi- mum ſind, kommen in den Ebenen nur ganz ver— einzelt Hagelfälle vor. Es iſt anzunehmen, daſs die Hagelkörner in größeren Höhen gebildet werden und, da ſie außerdem wärmere Schichten zu durchfallen haben, in den meiſten Fällen in Regen umgewandelt zu Boden gelangen. Wird hier Hagel betrachtet, ſo zeigen die Körner meiſt eine außergewöhnliche Größe. Für dieſe Er— klärung ſpricht die Erfahrung, daſs auf Bergen in den Tropen Hagelfälle nicht ſelten ſind, in Gegenden, wo am Fuße der Berge ſolche Er— ſcheinung beinahe unbekannt iſt. Es ſind daher die gemäßigten Zonen am meiſten von Hagel heimgeſucht; in nördlichen Breiten nimmt dafür der Graupelfall an Häufig- keit zu. Schreiten wir in unſeren Breiten von der weſtlichen Küſte nach dem Innern des Continents, ſo finden wir in dem Vorkommen des Hagels, 535 abgeſehen von localen Verhältniſſen, nur wenig Anderung, wohl eine geringe Abnahme der Häufigkeit. Es wirken verſchiedene Urſachen im entgegengeſetzten Sinne; die nach Oſten zu— nehmende Temperaturabnahme nach der Höhe wirkt begünſtigend, die Abnahme der Luftfeuchtig— keit dagegen wirkt einmal der Annäherung an das labile Gleichgewicht der Luft entgegen und verringert andererſeits quantitativ die Größe der Condenſation in der Atmoſphäre. Wenn wir an der Küſte Frankreichs flache Landſtriche arm an Hagelfällen finden, ſo dürfen wir die in der Nähe der Küſte mangelnde Ruhe der Atmoſphäxe als Urſache dieſes Ausfalles be— trachten. Über dem Meere haben wir geringere Temperaturabnahme mit wachſender Höhe und ſomit auch weniger Hagel zu erwarten. Die Erſcheinung, daſs Hagelwetter gewiſſe Gegenden beſonders heimſuchen, iſt allbekannt; ſo ſcheinen bewaldete Flächen weniger betroffen zu werden als waldloſe Ebenen, während Flufs- thäler und die Umgebungen der Gebirge häufiger betroffen werden. Es dürfte ein Unterſchied zu erwarten ſein zwiſchen Fluſsläufen mit flachen Ufern und ſolchen in eingeſchnittenen Thälern wegen der durch die Strahlung der Abhänge bedingten andersartigen thermiſchen Verhältniſſe. Auch in unſeren Breiten mag Hagelbildung häufiger ſtattfinden, als wir ſie beobachten; für eine Umwandlung des Hagels in Regen während ſeines Falles ſcheint die Erfahrung zu ſprechen, daſs häufig Hagel mit Regen vermiſcht fällt, oder daſs dem Hagelſchauer etwas Regen vor⸗ angeht; dieſer Regen würde die durchfallende Luft abkühlen und durch ſein Fallen kältere Luft mit herabreißen, alſo auf mehrfache Weiſe die Umwandlung des weiteren Hagels erſchweren. Wegen der geringeren Höhe der Hagelwolken in unſeren Breiten gegenüber den Tropen und der niedrigeren Lufttemperatur wird gleichwohl bei uns die Umwandlung des Hagels keine häufige ſein. Auf Bergen und Hochplateaux finden wir im allgemeinen in unſeren Breiten weniger Hagel. Kommen hier unter günſtigen Verhält⸗ niſſen auch aufſteigende Ströme zur Entwicklung, ſo entbehren dieſe doch der Ebene gegenüber an Feuchtigkeit, und andererſeits entladen ſich die heranziehenden Luftmaſſen am Abhang der Gebirge meiſt eines großen Theiles ihrer Feuch— tigkeit beim Aufſtieg. Da wir wiſſen, daſs das Gewitter meiſt in Form eines ſchmalen, bandartigen Streifens quer zur Zugrichtung fortſchreitet und der Hagel dagegen meiſt ſchmale Streifen in der Richtung der Fortbewegung trifft, könnte es ſcheinen, als ob in jenen Gewitterſtreifen eine, reſp. mehrere Stellen für den Hagelfall beſonders begünſtigt ſind durch die meteoriſchen Vorgänge in der Gewitterfront. Wir müſſen indes die Erklärung in den Terrainverhältniſſen der Ober- fläche ſuchen; dabei bleibt allerdings noch die Frage unerledigt, ob die beſonderen Verhältniſſe ein Fallenlaſſen oder die Bildung des Hagels begünſtigen. Bei der Abwechslung von Berg und Thal, Wald und Feld, reſp. Wieſen, von trockener Oberfläche mit Seen, Flüſſen und Sümpfen müſſen wir bis zu einer gewiſſen Höhe einen 536 Hagel. unregelmäßigen welligen Verlauf der Flächen gleichen Druckes erwarten. Gelangt eine hori— zontal ſchwimmende Luftmaſſe an eine aufſtei— gende Schrägung der iſobariſchen Flächen, ſo wird ſie im allgemeinen einen Auftrieb erhalten und wird ſich infolge deſſen heben, bei einer Schrä— gung der Flächen nach abwärts wird ſie ſich entſprechend ſenken. In dieſer Weiſe erklärt ſich auch das Steigen und Fallen, welches Luftſchiffer beobachten, wenn fie über Fluſs— läufe, Wälder u. ſ. w. fortgetragen werden, ohne daſs wir genöthigt find, jedesmal entſprechende Luftſtröme in der Verticalen anzunehmen, reſp. ſind dieſe Strömungen in obiger Weiſe durch den Verlauf der iſobariſchen Fläche bedingt. Es liegt nun nahe, in den Störungen, welche die fortſchreitende Gewitterfront durch jenen un— gleichen Verlauf der Flächen gleichen Druckes erleidet, die Bedingungen für das ungleiche Auftreten des Hagels zu ſuchen. Da die Luft— druckanordnung in der ruhigen Atmoſphäre ſtets relativ die gleiche ſein wird, ſo würde auch zu erwarten ſein, daſs der Hagel ſtets dieſelbe Gegend beſonders heimſucht. Ahnliche Verhält— niſſe zeigen ſich auch bei der Vertheilung der Stärke der elektriſchen Entladungen. Obige Er— klärung fordert auch als Nothwendigkeit, dass bei der Einmündung eines Thales in ein an— deres vom heranziehenden Hagel ſchon betrof— fenes und ebenſo bei der Mündung eines Fluſſes das Hagelwetter die Neigung beſitzen wird, ſich zu theilen und gleichzeitig im weiteren Verlauf verſchiedene Streifen zu verheeren, eine Erſchei— nung, die die Erfahrung uns gelehrt hat. Den Wolfenaufbau bei Hagelwettern be— ſprachen wir bereits in dem Artikel „Gewitter“. Hinzuzufügen iſt noch, daſs die Hagelwolke als ſolche meiſt eine eigenthümliche Färbung be— ſitzt, und bei ſchweren Hagelwettern häufig auf größere Entfernung hin durch ein ſtarkes raſ— ſelndes Geräuſch, vermuthlich durch das Zu— ſammenſchlagen der Hagelkörner verurſacht, aus— gezeichnet iſt. Bei Hagelwettern tritt zuweilen eine Finſternis ein gleich der bei Sonnen— finſterniſſen beobachteten. Ebenſo wurde an ge— eigneter Stelle der Gang des Luftdruckes und der Temperatur bei Gewittern, welcher für Hagelwetter genau derſelbe iſt, eingehend be— ſprochen; auch finden ſich dort die bisherigen Erklärungen für die bei Gewittern ſehr häufigen und bei Hagel meiſt beobachteten Böen. Noch iſt eine Hauptfrage zu beantworten, die Frage, welche unſer Intereſſe in beſonders hohem Grade in Anſpruch nimmt und, um es vorweg zu ſagen, welche am wenigſten zur Zeit eine beſtimmte klare Beantwortung ge— funden hat, die Frage, wie die Hagelkörner ſich bilden. Heutzutage ſind hiefür im Grunde drei Erklärungen geläufig, ohne daj3 eine mit Be— ſtimmtheit als die richtige anzuſprechen iſt; möglich auch, daſs jeder dieſer Erklärungs— verſuche zum Theil mit der Wahrheit zu— ſammenfällt. Die nächſtliegende Erklärung läſst gebildete Graupeln fallen und während ihres Falles durch Zuſammentreffen mit unter 0° erkalteten Waſſertropfen und Bläschen, die bekannt— lich durch mechaniſchen Stoß ſofort zu Eis er— ſtarren, zu Hagelkörnern anwachſen. Die An— nahme des Anwachſens der Hagelkörner durch Condenſation von über 0 temperierten Däm— pfen erweist ſich zahlenmäßig wegen der ſo bedeutenden Wärme-Entwicklung bei der Con- denſation als unmöglich. Die Graupelbildung wird meiſt in die über Gewitterwolken ſchwe— benden Cirrenſchleier verlegt, wo jedenfalls be— deutende Kälte herrſcht; hier werden einzelne größere Eiskryſtalle in ſchnelleres Fallen ge— rathen, ſich beim Zuſammenſtoßen mit anderen zu Graupeln verfilzen und dieſe Graupeln fal- len dann durch jene überkalteten Wolken hin— durch. Für die Kälte dieſer Wolken ſind ver— ſchiedene Urſachen aufgeſtellt worden: die Er— kaltung der Luft durch Expanſion beim Steigen, die Erkaltung der Tröpfchen und Bläschen ſelbſt durch ſtarke Verdunſtung, und endlich ein Ein- dringen der höheren Luftſchichten in den Raum der Wolken durch Bildung eines Vacuums in- folge der aus den Wolken beim Entfallen der Niederſchläge mit fortgeriſſenen Luft; hiebei wird vorausgeſetzt, daſs beſonders die über— lagernden Schichten dieſe Leere ausfüllen wer— den. Die frühere Anſicht, daſs ein derartiges Vacuum durch die bloße Condenſation in der Wolke verurſacht werden müſſe, iſt dadurch widerlegt, daſs die Ausdehnung des Raumes durch die freiwerdende Condenſationswärme die Druckabnahme durch den niedergeſchlagenen Waſſerdampf überwiegt. Nicht unwichtig iſt die Thatſache, dass die Temperatur des Hagels zuweilen eine ſehr niedrige iſt. So beobachtete Bouſſingault im Jahre 1875 die Temperatur des Hagels gleich — 13 bei 26° Lufttemperatur, im Jahre 1878 gleich — 2° bis — 4° und Cailletet einſt — 9°, Ein ſicherer Rückſchluſs auf die Tempe— ratur des Hagels in den Höhenſchichten ſeiner Entwicklung lässt ſich nicht wohl machen, da beim Fallen Erwärmung durch Reibung und Conden— ſation und Erkaltung durch Verdunſtung einander entgegenwirken und wir ſichere Zahlenwerte nicht einſetzen können. Eine zweite, von Reye entwickelte Theorie ſetzt bei der Hagelbildung die Exiſtenz von Wirbeln um verticale Achſe, Tromben in höheren Schichten der Atmoſphäre voraus, welche die Vermittlung zwiſchen den höheren Cirren und dem eigentlichen Hageleumulus übernehmen. Die Trombe ſoll den Waſſerdampf als Nieder— ſchlag zu den Eiskryſtallen der hohen Wolken führen, die ſich zu Gruppen zuſammenthun und wird den Niederſchlag auf ſich vereinigen; hie— durch der Auftrieb vergrößert und die Hagelkör— ner gelangen in immer höhere und kältere Luft— ſchichten. Das Anwachſen der in der Trombe ſpiralig herumgewirbelten Hagelkörner wird dann ſo lange vor ſich gehen können, bis ſie, zu ſchwer geworden, aus dem ſtrudelnden Trichter herabſtürzen. Sichere Beobachtungen über derartige wirbelnde Bewegungen über dem Hagelgewölk liegen nicht vor, doch entzieht dies Gewölk vielleicht den Vorgang unſeren Blicken. Endlich beſitzen wir aus der neueren Zeit noch eine Theorie der Hagelbildung von Möller („Deutſche Met. Zeitſchr.“ 1884), welche einen Wirbel um eine horizontale Achſe (ſ. Gewitter) Hagelſchnüre. — Hagen. vorausſetzt. Möller läſst aus der durch Conden— ſation gebildeten Wolke in der Böe kalte und durch die Niederſchläge noch weiter erkaltende Luft mit dieſen zugleich herabſtürzen, auf wel— chen Vorgang ſchon früher von anderen hin— gewieſen worden war; dieſe Luftmaſſe trifft den Erdboden unter einem ſpitzen Winkel und läuft ſich, der Böenwolke vorauseilend, ſchließlich todt; durch die nachfolgenden Luftmaſſen wird ſie dann wieder emporgehoben, gleichſam durch einen Keil emporgetrieben, dehnt ſich aus und erkaltet noch weiter, und gelangt dann zurück— bleibend ſchließlich wieder in den herabſtürzen— den Aſt der Böe. Möller vergleicht dieſen Vor— gang mit unſeren Kaltluftmaſchinen (S. 241). „Erſt Aufſteigen warmer Luft, welche in der Höhe ziemlich kalt wird, dann Übertragung dieſer Kälte durch die Niederſchläge auf untere Schichten, Abkühlung derſelben auf eine Tem— peratur, welche der Temperatur der oberen Schichten nahe kommt, und nun zum Sclujs Emportreiben dieſer ſchon im Beginn der ſtei— genden Bewegung kalten Luft. Die Expanſions⸗ erkaltung thut nun ihr Übriges, um Froſtkälte zu erzeugen. Unſere Kaltluftmaſchinen arbeiten ebenſo. Abkühlung warmer, unter hohem Druck ſtehender Luft durch kühles Waſſer und nach— folgend Expanſion der abgekühlten Luft. Wäh⸗ rend dieſer Expanſion fällt die Temperatur abermals und ſinkt unter den Gefrierpunkt.“ „Der Hagelfall dauert nicht lange, weiter rückwärts ſtürzen Regentropfen aus dem ge— wölbten Hauptgewölk auf directem Wege zum Erdboden hinab, ſind daher meiſtens kleiner und werden dieſelben namentlich hier nicht in feſter Form fallen, weil ſie die vorgedachte Kältemaſchine, d. h. den aufſteigenden Strom kalter Luft, nicht treffen.“ Da wir Hagelſchauer auch ohne gleichzeitige ſtarke Böen beobachten, jo kann dieſe Theorie auf allgemeines Zus treffen auch keinen Anſpruch erheben. Das ſtrichweiſe Fallen des Hagels läſst ſich aus jeder der beſprochenen Erklärungsver— ſuche im Anſchluſſe an die vorangegangenen Erörterungen in gleicher Weiſe erklären. Die allgemeinen Bedingungen für ein Zus ſtandekommen von Hagelwettern vermögen wir nach allem wohl anzugeben, über die näheren Vorgänge bei dem Proceſs der Hagelbildung ſind wir aber noch ebenſo weit von dem Beſitz einer allbefriedigenden Erklärung entfernt, wie wir dies von der Entſtehung der Gewitter— elektricität in gleicher Weiſe eingeſtehen müſſen. Vgl. Schwaab, „Die Hageltheorien älterer und neuerer Zeit“, 1878, und beſonders Waehner, „Hiſtoriſch-kritiſche Überſicht über die Hagel— theorien ꝛc.“, 1876, ſowie die Abhandlungen in der „Zeitſchr. d. Oſt. Geſ. f. Met.“, Jahr⸗ gang 1—20, und in der „Deutſchen Met. Zeit- ſchrift“ Jahrgang 1—5. Gßn. Hagelſchnüre, ſ. Zeugung. Hagen, Otto Friedrich v. geb. 15. Fe bruar 1817 in Ilſen burg (Harz), geſt 10. Sep— tember 1880, Sohn des gräflich Stolberg— Wernigerode'ſchen Oberforſtmeiſters Friedrich Wilhelm v. Hagen, beſuchte das Gymnaſium zu Schulpforta und wandte ſich dann, ebenſo wie ſeine fünf übrigen Brüder, aus innerer 337 Neigung dem Forſtfache zu. Das Lehrjahr wurde theils in der Oberförſterei Limmeritz, theils am Harz abſolvirt, 1838 und 1839 auf der Forſt— akademie Neuſtadt-Eberswalde und hierauf noch an der Univerſität Berlin ſtudiert. 1844 beſtand Hagen ſeine Oberförſterprüfung und noch im Juli desſelben Jahres die Prüfung des Re— gierungs- und Forſtreferendar, arbeitete dann als Seeretär bei den Regierungscollegien in Merſeburg, Erfurt und Arnsberg und machte 1844 das Examen als Regierungs- und Forſt— aſſeſſor. Sofort nach ſeiner Ernennung zum Regierungsforſtaſſeſſor wurde Hagen 1845 als Hilfsarbeiter in der forſtlichen Abtheilung des Finanzminiſteriums beſchäftigt und 1846 als Oberförſter zu Falkenberg angeſtellt. Unter Ernennung zum Forſtinſpector wurde er 1849 definitiv in das Finanzminiſterium berufen, wo er raſch von Stufe zu Stufe empor— ſtieg. 1850 wurde er Forſtmeiſter mit dem Range der Regierungsräthe, 1854 Oberforſt— meiſter mit dem Range der Oberregierungsräthe, 1856 Rath III. Claſſe, 1861 Landforſtmeiſter und Rath II. Claſſe, 1863 Oberlandforſtmeiſter, Miniſterialdirector und techniſcher Chef der Forſtverwaltung, 1866 Mitdirector in Forſt— und Jagdſachen bei der Abtheilung für Domänen und Forſten mit dem Range eines Miniſterial— rathes J Claſſe, 1877 wirklicher Geheimrath mit dem Prädicat „Excellenz“, ſeit Februar 1880 Miniſterialdirector der forſtlichen Abtheilung im landwirtſchaftlichen Miniſterium. In ſeiner Eigenſchaft als Oberlandforſtmeiſter war Hagen auch Curator der beiden preußiſchen Forſtaka— demien. Hagen war ein praktiſcher, vortrefflich gebildeter und äußerſt geſchäftstüchtiger Beamter, welcher ſeinen Beruf über alles ſtellte und unter deſſen Oberleitung das preußiſche Forſtweſen ſich ſehr gehoben hat. Nach den Ereigniſſen des Jahres 1866 hatte er die Aufgabe, die Forſt— verwaltung in den neu erworbenen Gebieten zu organiſieren, ebenſo war er auch an der Er— richtung des Forſtweſens in den Reichslanden im Jahre 1871 in hervorragendem Maße be— theiligt. Als es wünſchenswert erſchien, für die weſtlichen Provinzen eine neue forſtliche Bildungsſtätte zu gründen, entſchied ſich Hagen für Errichtung einer Forſtakademie in Münden, ein Project, welches er trotz des Widerſpruches in der Volksvertretung zu Gunſten der Ver— einigung des forſtlichen Unterrichts mit einer der beiden Univerſitäten Marburg oder Göttingen durchführte. Hagen war überhaupt ein ent— ſchiedener Anhänger des Princips der forſtlichen Fachſchule, aber auch ein eifriger Förderer der Forſtwiſſenſchaft, was namentlich bezüglich des forſtlichen Verſuchsweſens hervortrat. Eine ſeiner letzten Arbeiten war die außerordentlich ſegens— reiche Begründung des auf Gegenſeitigkeit be— ruhenden Brandverſicherungsvereines der preußi— ſchen Forſtbeamten. Hagen war auch literariſch thätig. In weiten Kreiſen iſt er bekannt als der Verfaſſer der „Forſtlichen Verhältniſſe Preußens“ (1. und 2. unveränderter Abdruck, 1867, 2. Aufl., von Donner bearbeitet, 1883), einer muſtergiltigen Schrift auf dem Gebiete der Forſtſtatiſtik; außer- 538 dem hat er bereits 1854 gemeinſchaftlich mit Bando ein vom preußiſchen Landesökonomie— collegium herausgegebenes Werk bearbeitet: „Über die Anlage und Bewirtſchaftung von Eichenſchälwaldungen mit beſonderer Berück— ſichtigung der mittleren Provinzen des Preußi— ſchen Staates“. Sein Andenken iſt durch ein größeres, 1884 enthülltes Denkmal bei Eberswalde geehrt, außerdem wurde noch ein einfacher Denkſtein in der Oberförſterei Haste (Regierungsbezirk Minden) an der Stelle errichtet, wo er noch wenige Wochen vor ſeinem Tode, am 3. Auguſt 1880, zwei Rehböcke erlegt hatte. Schw. Hähe, die, locale, ſcherzhafte, vom umd. he = ſie abgeleitete Bezeichnung weiblichen Federwildes. Chr. W. v. Heppe, Wohlred. Jäger, p. 192. — Bechſtein, Hb. d. Jadwiſſenſchaft J., 2., p. 236. — D. a. d. Winkell, Hb. f. Jäger II., p. 382. — Adelung, Wb., 1775, II., p. 985. — Sanders, Wb. I., p. 699. E. v. D. Hahn, der, das Männchen aller Hühner— arten, der Trappen und der Kampfſchnepfe (Machete pugnax). Fleming, T. F., 1729, fol. 160. — Döbel, 1746, IV., fol. 124. — Notabilia venatoris, 1731, p. 81. — Chr. W. v. Heppe, Wohlred. Jäger, p. 193. — Hartig, Wmſpr., 1800, p. 114; Lexik., p. 233. — Behlen, Wmſpr., 1829, p. 74; Real- u. Verb.⸗Lexik. III., p. 557. — Die hohe Jagd, 1846, I, p. 361. — Sanders, Wb. I., p. 657; Erg. Wb., 1 55 246. D. Hahn (auch Hammer genannt) ii der zur unmittelbaren Ausübung des Schlages auf das Zündhütchen, ſowie zum Spannen des Schloſſes beſtimmte, äußerlich ſichtbare Schlag— körper des Percuſſionsſchloſſes (ſ. d.); bei den alten Luntenſchlöſſern hatte der einem ähnlichen Zweck dienende Schloſstheil häufig die Geſtalt eines gekrümmten Vogelhalſes mit Kopf (Hah— nenkopf) und wurde der Name demnächſt auf den S-förmig geſtalteten Hahn des Percuſſions⸗ ſchloſſes übernommen und in der Neuzeit auch auf den entſprechenden Schloſstheil der heutigen Schlöſſer dieſer Art übertragen. Th. Haßnentritt, ſ. Zeugung. Hahnloſe Gewehre (engl. hammerless) heißen diejenigen Centralfeuergewehre, bei wel— chen der die Zündung vermittelnde Schlagkör— per äußerlich nicht ſichtbar iſt, ſondern im In- nern des Schloſſes ſitzt (Conſtruction ſ. Schloss). Die Gewehre ſind Selbſtſpanner und haben außerdem den Vortheil, daſs die vollkommen geſchützten Schlöſſer nicht wie bei Hahngewehren einer unzeitigen Berührung vorſtehender Theile (Hängenbleiben der Hähne) und damit unbeab— ſichtigter Entladung ausgeſetzt ſind; das freie Geſichtsfeld wird meiſt als ein beſonderer Vor— theil der hahnloſen Gewehre bezeichnet, während an Hahngewehre gewöhnte Jäger die durch die Hähne gewährte Anlehnung des Blickes (Zielen) beim ſchnellen Anſchlagen der hahnloſen Ge— wehre vermifien. Eine beſondere äußerlich ſicht— bare Marke (Stift, Zeiger) muſs das Geſpannt— ſein des Schloſſes anzeigen, falls letzteres nicht bereits durch die hier vielfach angewen— dete ſelbſtthätige Sicherung geſchieht. Den Nach— theil der bei geladenem Gewehr ſtets geſpannten N Hähe. — Hainbuchenſchädlinge. Schlagfeder theilt die Mehrzahl dieſer Gewehre mit den meiſten Selbſtſpannern. Die hahnloſen Gewehre kamen zuerſt in England zu Anfang der Sechzigerjahre auf, erlangten bereits in den Siebzigerjahren ein ziemliches Übergewicht und verbreiteten ſich dann auch raſch auf dem Continent. Zündnadelgewehre ſind zwar ſtrenggenom— men ebenfalls hahnloſe Gewehre, der Sprach— gebrauch ordnet ſie indes dieſem Wee nicht unter. Th. Hahnverſchluſs gehört zu den Verſchlüſſen mit feſtſtehendem Lauf und wird bei Jagd— gewehren ſelten angewendet, iſt indes für Salon- 20. Gewehre als Syſtem Flobert ſtark im Gebrauch. Ein nach Art des Hahns beweg— liches, hinter dem Rohr ſitzendes Verſchluſs— ſtück mit horizontaler, unterhalb des Laufes angebrachter Drehachſe kann durch eine Hand— habe (wie ein Hahn) auf- und zugeklappt wer— den; durch dasſelbe geht der Zündſtift, auf welchen der hinter dem Verſchluſsſtück mit et— was tieferer horizontaler Drehachſe ſitzende eigentliche Hahn aufſchlägt und ſo, während er den Schlagſtift vortreibt, zugleich das Ver- ſchluſsſtück feſt gegen den Lauf preſst. Zum Offnen muss erſt geſpannt (der Hahn zurück⸗ gezogen) werden, damit man das Verſchluſs⸗ ſtück aufklappen kann; letzteres wirft dabei mit ſeinem Auswerfer die leere Hülſe aus. Das Syſtem (faſt einziger Repräſentant Remington) erlaubt nur ſchwache Ladungen, da ſtärkere das Verſchluſsſtück zurückdrücken. Bei Flobert (ſ. d.) find die Functionen von Verſchluſsſtück und Hahn in einem einzigen Stück vereinigt. > Haila, Name für Leit-, ſeltener für ſonſtige Hündinnen. Döbel, 1746, I., fol. 86. — Chr. W. v. Heppe, Wohlred. Jäger, p. 193, 200. — Bechſtein, Hb. d. Jagdwiſſenſchaft I., I., p. 277. — Hartig, Lexik., p. 269. — Kobell, Wildanger, p. 43. — Behlen, Real- u. Verb. Lexik. III., p. 361. E. v. D. Haimpfahl, Haumzeichen, ſ. frei Hainbuchenerziehung, | Bun BED UNE Hainbuchen) -Schädlinge treten der ahl nach weit zurück gegenüber den Schädlingen manch anderer Laubbäume. Unter den Groß— thieren ſchadet Weidevieh (Hornvieh, Ziegen, Schafe, Pferde) durch Verbiſs; das Gleiche iſt der Fall bezüglich des Hoch- und Rehwildes und des Löffelwildes; die Keim- und einjährigen Pflanzen leiden durch Haſen und Kaninchen ſtark. — Hirſch und Rehbbcke fegen die Heiſter, und Hochwild ohne Unterſchied des Geſchlechtes ſchält die noch glattrindigen Stangenhölzer. Am Schälgeſchäfte betheiligen ſich auch, u. zw. mehr am ſchwächeren, jüngeren Holze, nebſt Haſen und Kaninchen die kleineren Nager: Eichhörn— chen (ſ. d.), Haſelmäuſe (8. Schlafmäuſe), Mäuſe (ſ. d.) und Wühlmäuſe (ſ. d.). Dieſe letzteren und unter ihnen ganz beſonders die Reitmaus (Hyp. amphibius) zerſtören auch die Wurzeln, durch⸗ beißen und ſchälen ſie. Der Samenertrag wird 5) Carpinus betulus, Hain-, Weißbuche, Hornbaum. Hainen. gleichfalls durch die genannten kleinen Nager beeinträchtigt. Ingleichen durch Vögelfraß, be— ſonders durch Fringilla montifringilla und F. coccothraustes (Bergfink und Kernbeißer), welche in ungeheuren Flügen in den Hainbuchenbe— ſtänden anfallen. Die Inſecten zählen eine ver— hältnismäßig nur geringe Anzahl wirklicher Schädlinge, welche in nachſtehender Überſicht zu— ſammengefaſst ſind: 1. Wurzelfraß; 6 beinige, ſtets gekrümmte, ſaftigweiche, ſchmutzigweiße, am Leibes— ende blaſig aufgetriebene, große Larve: Engerling (j. Melolontha vulgaris). Drahtwürmer (ſ. Elateridae). 1. Oberirdiſche Pflanzen- und Baumtheile beſchädigend. 2. Außerlich an Rinde, Knoſpen, Blätter freſſend oder ſaugend. 3. Käfer oder Läuſe. 4. An der Rinde ſitzende Schildläuſe: Le— canium carpini (ſ. d.), ſchildlaus. 4. An Knoſpen oder Blättern freſſende oder ſaugende Käfer oder Läuſe: A. Käfer: 1. Maikäfer (j. Melolontha); 2. ſpa⸗ niſche Fliege (Pflaſterkäfer), ſ. Lytta vesicatoria; 3. Blattwickler-Rüſſel⸗ käfer, ſ. Rhynchites und Apoderus; 4. Grünrüſſelkäfer, ſ. Metalli tes. B. Blattläuſe: Aph. (Aleur.) carpini und Aph. (Callipt.) carpini (j. Aphidae). 3. Larven: 40= oder 16füßige Schmetter- lingsraupen. A. 10füßige Raupen: der Froſtſpanner, Cheimathobia brumata (. d.) und Fidonia defoliaria (ſ. d.). — B. 16füßige Raupen: Goldafter, Porthesia chrysorrhaea (ſ. d.); Roth— ſchwanz, Dasychira pudibunda; großer — Ocneria dispar .J. 2. Im Innern der Rinde, des Holzes oder zwiſchen Rinde und Holz freſſend. 5. 16füßige Raupen (j. Cossidae und Zeuzera). . 6beinige oder fußloſe Larven oder Käfer. Querſchnitt der Fraßgänge, ſowie die Fluglöcher elliptiſch; Larven fußlos oder die Bruſtbeine nur rudimentär ange— deutet; Gänge größtentheils oder aus— ſchließlich unter der Rinde verlaufend; ſ. Buprestidae und Cerambycidae (Ce- rambyx Scopoli). 6. Querſchnitt der Fraßgänge kreisrund; wie mit ſtärkeren oder ſchwächeren Strick— nadeln eingeſtoßen. 7. Larven 6beinig; Käfer walzig, mit fa- puzenförmigem Halsſchilde; bis 5 mm lang; ſ. Anobiidae. 7. Larven fußlos. 8. Gänge ausſchließlich unter der Rinde. 9. Gänge in eine aus Holzſpänen bereitete eiförmige Puppenwiege endend; Käfer röthlichbraun mit dunklerer Punktierung und Bänderung und borſtenförmigen langen Fühlhörnern; ſ. Leiopus (Ceram- bycidae). 9. Gänge einen querlaufenden Brutgang mit von dieſem abzweigenden Larven— Hainbuchen⸗ Or — Halali. 539 gängen darſtellend; ſ. Scolytus car- pini (Scolytidae). 8. Ausſchließlich im Holzkörper verlaufende Gänge; ſ. Xyleborus dispar; Tri— podendron domesticum (Scolytidae, Tomieini). Hſchl. Hainen, ſ. v. w. Brennen des Wald— bodens (s. d.) Gt. Halten, der. I. S. v. w. Heft, ſ. d. Fleming, T. J., 1724, fol. 220. — Döbel, 1746, II., fol. 31. — C. v. Heppe, Aufr. Lehrprinz, 1751, p. 139. — Chr. W. v. Heppe, Wohlred. Jäger, p. 200. — Bed)- ſtein, Hb. d. Jagdwiſſenſchaft II., p. 302. — D. a. d. Winkell, Hb. f. Jäger I., p. 409. — Hartig, Lexik., p. 256. — R. R. v Dombrowski, Der Fuchs, p. 181. II. „Haken ſchlagen nennt man es, wenn ein Haſe durch Abſprünge und Wendungen den ihn verfolgenden Hunden zu entgehen ſucht.“ Hartig, Lexik., p. 234. — J. Chr. Heppe, Jagd- luſt III., p. 53. — Laube, Jagdbrevier, p. 280. — Bechſtein, 1. C. I., 1., p. 283. — Behlen, Wmſpr. 1829, p. 74. — R. R. v. Dombrowski (vom Fuchs), Der Fuchs, p. 181. III. Die beiden als Trophäen geltenden Eckzähne im Oberkiefer des Rothwildes, vgl. Granen. Chr. W. v. Heppe, 1. c., p. 186. — Bechſtein, 1. e. I., 1., p. 83. — Hartig, J. c., p. 227. — Laube, J. c., p. 279. — R. R. v. Dombrowski, Das Edelwild, p. 5, 7. — Kobell, Wildanger, p. 100, 182. — Behlen, 1. c. IV. „Die vier vorſtehenden Eckzähne der Bache heißen Haken.“ Laube, 1. e. — Bechſtein, I. c. I., 1., p. 145. — Winkell, 1. c. I., p. 304. — Sanders, Wb. I., p. 659. E. v. D. Halten, verb. intrans., ſ. aufhaken. E. v. D. Halienbuhnen, ſ. Senkfaſchinenwände. Fr. Sakreifer, die (pl.), nennt man die am Vogelherd und vor der Uhuhütté zum Auf— haken (ſ. d.) der angelockten Vögel aufgeſtellten dürren Bäume oder Sträucher. Mellin, Anwſg. z. Anlage v. Wildbahnen, 1777, p. 352. — J. Chr. Heppe, Jagdluſt III., p. 107. E. v. D. Halali, interj., vom frz. ha, la lit! = ha, da liegt er, ein Ausruf, welcher in dem Augen— blicke ausgeſtoßen wurde, wo bei der Parforce— jagd die Kräfte des gejagten Hirſches verſagten und er ſich den Hunden ſtellte. Auch nannte man ſo ſubſtantiviſch das hiebei geblaſene Signal, das Ermatten ſelbſt, den Moment und den Ort, wo es eintrat. „Ha là lit, ha là lit! wird bei der Curcée gerufen.“ Döbel, 1746, II., fol. 97. — „Auch dieſen Schluſs der Jagd zeigt der Aus— ruf: Halali! und die Halali-Fanfare an.“ D. a. d. Winkell, Hb. f. Jäger I., p. 130. — „Halali nennt man den parforce gejagten Hirſch oder das Schwein, wenn es wegen Er- müdung nicht mehr fortkann. Dergleichen Wild wird dann entweder mit dem Hirſchfänger ab— gefangen oder todtgeſchoſſen; während dies ge— ſchieht, wird eine beſondere Fanfare geblaſen, die man das Halali oder den Tod, Hirſch-, Sau⸗Tod nennt.“ Hartig, Lexik., p. 234. — Laube, Jagdbrevier, p. 280. — Kobell, Wild— anger, p. 480. — R. R. v. Dombrowski, Das Edel- Ban 3 Se u « i 540 Halbbaumwehr. — Halbengebrauchswald. wild, p. 201. — Sanders, Wb. I., p. 661 b; Fremdwb. D p E. v. D. Halbbaumwehr iſt ein uferſchubau aus Holz und wird in der Weiſe hergeſtellt, dass man längs der zu verbauenden Uferſtrecke in Abſtänden von 2—3 m Langpfähle mittelſt der Handramme oder der Kunſtramme 1—2 m tief in den Boden einſchlägt. In einem ſteinigen Boden ſind die Pfähle natürlich zu beſchuhen. Am Kopfe werden die eingeſchlagenen Pfähle ſchief abgeſchnitten und mit aufgenagelten Brett- chen gedeckt. An die Langpfähle werden dann Halbbäume, d. i. in der Mitte getheilte Bau— ſtämme, horizontal angelegt und mit Holz— nägeln befeſtigt. Der oberſte Halbbaum wird mit einem darauf genagelten einfachen Brette gedeckt. Der Arbeitsaufwand pro laufenden Meter Halbbaumwehr kann bei der Höhe von Tagſchichten Holz Bretter 1 m mit A4—1'3 0486 fm 40m „ = BEE ee e, 8 1% % „ ls 9.266 „ 2 „ 1˙5—17 0293 „ > veranſchlagt e Fr. Halbe Maſt, ſ. Maſtjahr, Samenjahr. Gt. Halbengebrauchswald. Eine faſt aus— ſchließlich nur in dem ehemaligen Kurfürſten— thume Heſſen vorkommende, rechtshiſtoriſch höchſt intereſſante Form des Waldeigenthums, bei welchem, wenigſtens während der letzten Zeit vor der jetzt faſt vollſtändig durchgeführten Aus— einanderſetzung, eine beſtimmte Gemeinde die Nutzungen mehr oder minder ausſchließlich bezog, jedoch für die Hauptnutzung, das Holz, eine geringe Geldabgabe an den Staat zu leiſten hatte. Dieſe Geldabgabe, welche unter dem Namen der „Obſervanztaxe“ ſeit langen Jahren feſtzuſtehen pflegte, iſt darauf zurück— zuführen, daſs ſie die Hälfte des Forſtgeldes darſtellte, welches von den Unterthanen für das aus den landesherrlichen Waldungen verabfolgte Holz zu zahlen war. Für dieſe Geldabgabe übte der Staat nicht allein, wie bei den (vollen) Ge— meindewaldungen, die Aufſicht und Verwaltung, ſondern trug auch ausſchließlich die Koſten der Bewirtſchaftung und des Forſtſchutzes. Die Geſchichte der Halbengebrauchswaldun— gen iſt zur Zeit noch nicht vollſtändig aufgeklärt, u. zw. namentlich deshalb, weil genügende Documente für die Rechtsverhältniſſe aus älterer Zeit faſt vollkommen fehlen. In einem Fall, für welchen die Quellen bis zu Beginn des XIV. Jahrhunderts zurückreichen, war der be— treffende Wald den Markgenoſſen vom Landes— herrn als Eigenthum überlaſſen worden, gegen Entrichtung einer jährlichen Getreideabgabe für den vogteilichen Schutz. Um die Mitte des XVI. Jahrhunderts wurde dann verabredet, dass ſtatt der Haferlieferung vom Brennholz der „halbe Forſt“ und bei der Maſt das volle Maſtgeld gegeben werden ſolle, das Bauholz blieb frei. Es ſcheint daher im Zuſammenhalt mit anderwärts vorkommenden Rechtsverhältniſſen, daſs von früheſter Zeit an der Landesherr die Vogtei über die betreffenden Gegenden ausübte und dafür einen beſtimmten Antheil an den Erträgen derſelben genoss, wie z. B. der Burg— graf von Nürnberg das Recht des dritten Baumes, ſowie noch anderer Bezüge aus dem Sebalderforſt hatte („Insuper quod terciam feram, terciam arborem de foresto, ac omnia ligna jacentia in eodem, possit tollere, capere et habere“, a. 1281 Mon. Zoll. t. II, 128). Cha⸗ rakteriſtiſch iſt hier nur die hohe Quote, welche dem Landesherrn zuſtand, vielleicht handelte es ſich dabei um urſprünglich grundherrliche Mark— genoſſenſchaften. Die erſten allgemeinen Angaben über die Halbengebrauchswaldungen finden ſich in dem „Waldtbuch von Heſſen“ von 1534 und in dem „Okonomiſchen Staat“ von Heſſen unter Land- graf Wilhelm IV. etwa aus dem Jahre 1585. In beiden iſt ein Verzeichnis der heſſiſchen Waldungen enthalten, über welche eine Vor— bemerkung ſagt: „Was aber von Geholtze in dieſem Buch mit ſchwartzer Dintten geſchrieben, ſtehet unſerm Gnedigen Fürſten und Herrn allein zu mit Forſt, Jacht, Maſt undt allen Nutzungen: Was aber von Geholtze mit Roter Dintenn ver— zeichnet ſtehen den Underthannen zu Gebenn halben Forſt und Maſt; Was aber denen vom Adell zuſtehett gebenn keinen Forſt oder Maſt.“ Aus dieſen Urkunden und zahlreichen ſpäteren amtlichen Schriftſtücken geht zweifellos hervor, daſs die ſog. Halbengebrauchswaldungen oder, wie man zu ſagen pflegte, die „halben Gebräuche“ ebenſo wie die „ganzen Gebräuche“, von welchen eine derartige Abgabe nicht zu entrichten war, bis in die Mitte des XVIII. Jahr- hunderts ganz allgemein als Gemeindewaldungen betrachtet wurden und von einem landesherrlichen Miteigenthum nirgends die Rede war. („Nach— dem wir den unterthänigſten Bericht erhalten, auch an verſchiedenen Orten wahrgenommen, daſs die Gemeinde-Gehöltze, gantze und halbe Gebräuche, von denjenigen, welche das Bau— und Brennholz und Hude darinnen zu genießen berechtigt ſein mögen, ſehr ruinirt werden“. a. 1741.) Auch bei der Cataſteraufnahme in der zweiten Hälfte des XVIII. Jahrhunderts ſind die Halbengebrauchswaldungen regelmäßig auf den Namen der Gemeinde geſchrieben worden, meiſt mit dem Zuſatz „halber Forſt“ oder „halber Gebrauch“. Dieſe und ähnliche Bemerkungen hatten nur den Zweck der Erläuterung des Steuerſatzes, die Halbengebrauchswaldungen werden in den Steuerreglements gar nicht be— ſonders erwähnt, ſie ſind vielmehr, wie ange— nommen werden mujs, unter den Gemeinde— gebüren mit inbegriffen. Erſt gegen das Ende des XVIII. Jahrhun⸗ derts ſcheint das größere pecuniäre Intereſſe des Staates an den Halbengebrauchswaldungen eine vermehrte Thätigkeit der Forſtbehörden bei deren Bewirtſchaftung und im Zuſammenhang damit nach und nach auch eine andere Auf— fafjung des Rechtsverhältniſſes zur Folge gehabt zu haben. In dem Cameralausſchreiben vom 11. Mai 1790, die Ausbeſſerung der Waldwege betreffend, wird zum erſtenmal von den „ganz herrſchaftlichen und halben Gebrauchswaldungen“ geſprochen; hier erſcheinen alſo bereits die Halbenten. — Halias. letzteren, wenigſtens nach der Auffaſſung der Forſtbehörden, als halbherrſchaftliche Waldungen. Der Grund für dieſe Umbildung der Rechts— anſchauung dürfte darin zu ſuchen ſein, daſs, mit der Entwicklung einer eigentlichen Forſt— wirtſchaft in der zweiten Hälfte des XVIII. Jahr— hunderts die Einwirkung des Staates auf dieſe Waldungen zunahm; er hatte die volle Laſt der Adminiſtration ohne ein weiteres Aquivalent als die Erhöhung der Einnahmen, welche eine Folge der verbeſſerten Wirtſchaft war. Es konnte infolge deſſen nach und nach der Gedanke entſtehen, der Staat ſei verpflichtet zur Adminiſtration der Halbengebrauchswaldun— gen, aber gleichzeitig auch Miteigenthümer an denſelben. Die hierin liegende Anderung des Rechts— verhältniſſes vollzog ſich nicht überall gleich— mäßig, in den meiſten Fällen acceptierten aber die Gemeinden das ihnen offenbar vortheilhafte, ihre eigene Einnahme infolge des Steigens der Natural⸗ und Gelderträge erhöhende neue Ver— hältnis, ohne das Miteigenthum des Fiscus zu beſtreiten. Nach dem Aufhören der franzöſiſchen Fremd— herrſchaft trat die Auffaſſung von dem Mit- eigenthum des Staates bei den leitenden Behörden in zahlreichen Erläſen und Maßnahmen ent— ſchieden hervor; gleichzeitig ergieng auch an viele Gemeinden die Forderung in die Erhöhung der Obſervanztaxe auf die Hälfte der Localtaxe zu willigen. Nur in wenig Gegenden (3. B. in Heſſen⸗Rothenburg) gelang es jedoch, dieſe Steigerung durchzuführen, in den meiſten Fällen widerſetzten ſich die Gemeindevorſtände mit Er— folg und man ſah davon ab, zwangsweiſe vor— zugehen, jo daſs um die Mitte des XIX. Jahr: hunderts der eingangs angegebene Rechtszuſtand vorhanden war. Zur Zeit der Vereinigung des Kurfürſten— thums Heſſen mit der preußiſchen Monarchie 1866 exiſtirten in der ehemaligen Provinz Nieder— heſſen 196 derartige Waldungen. Bei dem in der Folge eingeleiteten und nunmehr faſt voll— ſtändig durchgeführten Auseinanderſetzungsver— fahren wurden die in den erſten Decennien des XIX. Jahrhunderts erlaſſenen Verordnungen als einſeitige Willenserklärung für die dem Fiscus gegenüberſtehenden Gemeinden nicht als präju— dicierlich betrachtet, ſondern vielmehr in der Hauptſache darauf geſehen, welche Stellung die Gemeinden ihrerſeits angenommen, ins- beſondere ob ſie in rechts verbindlicher Weiſe das vom Fiscus beanſpruchte Miteigenthums— recht anerkannt hatten. War dieſes der Fall, ſo wurde hienach die Auseinanderſetzung gere— gelt, während in den anderen Fällen die Poſi— tion der Gemeinden eine weit günſtigere war. Es iſt indeſſen nicht zuläſſig, ganz allgemein zu behaupten, daſs alle jetzt ſog. Halbengebrauchs— waldungen urſprünglich Markwaldungen waren, welche im Laufe der Zeit in die Verwaltung und das Miteigenthum des Staates geriethen, da auch bisweilen Waldungen, bei welchen ganz andere Rechtsverhältniſſe urſprünglich vorlagen, öfters ebenfalls als Halbengebrauchswaldungen bezeichnet und behandelt wurden, wie z. B. der 541 Stadtwald von Melſungen; für die große Mehr— zahl der Fälle trifft dieſe Auffaſſung 255 zu. Schw. Halbenten, die (pl.), ſeltener Ausdruck für die kleineren Wildentenarten. „Halbenten werden von den Jägern und Entenfängern alle die (Enten) genannt, welche um ein Drittheil (oder mehr) kleiner ſind als die Stockente, Mittelenten die, welche ihrer Größe nach zwiſchen der Stock- und Krückente ſtehen.“ D. a. d. Winkell, Hb. f. Jäger II., p. 745. — Bechſtein, Hb. d. Jagdwiſſenſchaft I., 2., p. 171. — Kobell, Wildanger, p. 415. E. v. D. Halöheiſter nennt man Pflänzlinge von ca. 2m Höhe (ſ. über ihre Behandlung ꝛc. bei: „Ausheben“, „Beſchneiden“, „Anſchlämmen“, „Freipflanzung“, „Kamppflanzung“ sub 10, „Eichenerziehung“ sub 2b). Gt. Halbkaſtenjoch, j. Holzrieſen. Fr. Halbtücher, die (pl.), Jagdtücher, die etwas niedriger ſind als die hohen Tücher, ſ. Jagd— zeug. Notabilia venatoris, 1731, p. 17. — Döbel, 1746, II,, fol. 25. — Onomat. forest. IV., p. 417. — Chr. W. v. Heppe, Wohlred. Jäger, p. 193. — D. a. d. Winkell, Hb. f. Jäger I., p. 569. — Hartig, Wmſpr., 1809, p. 115; Lexik., p. 234. — Behlen, Wmſpr., 1829, p. 74; Real- u. Verb.⸗ Lexik. III., p. 572. — Die hohe Jagd, 1846, I., p. 362. E. v. D. Halbvögel, die (pl.), nennt man die kleineren Droſſelarten, von welchen 8 Stück auf einen Spieß (j. d.) gehen, vgl. Ganzvögel. Hohe berg, Georgica curiosa, Nürnberg 1682, fol. 813, 819. — Aitinger, Fag- vnnd Weydbüchlein, 1651, p. 240. — C. v. Heppe, Aufr. Lehrprinz, 1751, p. 166. — Chr. W. v. Heppe, Wohlred. Jäger, p. 119. — Bechſtein, Hb. d. Jagdwiſſenſchaft J., 2., p. 220. — Winkell, Hb. f. Jäger II., p. 343. — Hartig, Wmſpr., 1809, p 115; Lexik, p. 213. — Behlen, Wmſpr., 1829, p. 74; Real- u. Verb.⸗ Lexik. III., p. 570. E. v. D. Halbwind, der, heißt jener Wind, welcher weder direct vom Wilde zum Jäger (guter Wind), noch umgekehrt (ſchlechter Wind) ſtreicht, ſondern ſenkrecht auf eine den Jäger und das Wild verbindend gedachte Gerade auffällt. Keller, Die Gemſe, p. 498. E. v. D. Halbwüchſig, adj., nennt man ein Wild (vorzugsweiſe nur Haſen und Kaninchen), wenn es etwa die Hälfte ſeiner normalen Stärke er— reicht hat; vgl. Dreiläufer, vollwüchſig, Quart— haſe. „Halbwüchſig wird ein junger Haſe, der 2 Monat alt it, benennt.“ Chr. W. v. Heppe, Wohlred. Jäger, p. 194. — Onomat. forest. IV., p. 417. — D. a. d. Winkell, Hb. f. Jäger II., p. 1. — Hartig, Wmſpr., 1809, p. 113; Lexik., p. 234. — Behlen, Wmſpr., 1829, p. 74; Real⸗ u. Verb.⸗Lexik. VI., p. 237. E. v. D. Halias Tr., Kahneule, Gattung der Fa— milie Noctuophalaenidae, Abtheilung Noctuae (Eulen), Ordnung Lepidoptera. Dieſe Gattung ſteht der Gattung Earias (ſ. d.) am nächſten; die Augen ſind gewimpert; Nebenaugen vor⸗ handen; Palpen vorſtehend, dünn, flaumig be— haart, mit langem, nacktem Endgliede; Schenkel dünn flaumhaarig; Vorderflügel trapezoidiſch, die Anhangzelle fehlend. — Bezüglich Familien- charakter: ſ. Earias. — Nur eine Art: 542 Halias (Tortrix Hub.) prasinana L. Vorderflügel grün, mit verwaſchenen weißlichen Schrägſtreifen; Hinterflügel und Hinterleib gelb (&) oder weiß (2); Fühler purpurroth. 13 bis 47mm. Von plumpem Körperbau; Kopf ein— gezogen; Thorax unbeſchopft; Hinterleib den Afterwinkel um ein Viertel überragend. Fühler mit nur zwei ganz kurzen Borſten an jedem Gliede. Vorderflügel ſchon an der Wurzel ſehr breit, mit ſcharfer, etwas ſchräg vorgezogener Spitze; Saum ſehr ſchräg; Innenwinkel abge— rundet; Wellenlinie ſchwach angedeutet; vorderer Schrägſtreif vom Innenrande dicht an der Wurzel in die Mitte des Vorderrandes; der mittlere ihm parallel aus der Mitte des Innenrandes, deutlicher; beide auf den zugekehrten Seiten etwas dunkler angelegt; der dritte (ſehr ver— loſchene) in die Flügelſpitze einmündend. Vor— der- und Innenrand, ſowie die Spitze der Vorderflügelfranſen beim & purpurroth, beim 2 gelb. Franſen kurz — Die 16füßige Raupe lebt vom Juli an auf Buchenaltholz und hat ſich ſchon in bedeutender Menge mit Orgyia pudibunda am Kahlfraße betheiligt. Sie wird bis 26 mm lang, iſt gen, gelb gerieſelt; Rücken mit drei gelblichen Längs- und zwiſchen dieſen mit fein gelb punktierten Kettenlinien; jeder Nachſchieber mit rothem Striche; Kopf glatt, mattgrün; Halsband gelb oder röthlich. Ver— puppung im Herbſte, am Stamme oder wohl auch am Boden in einem kahnartigen, harten, weißen oder gelblichen, pergamentartigen Cocon. Überwinterung als Puppe. Flug des Schmet— terlings (normal) im Mai. — Wo die Raupe etwa auf ſchwächerem Holze friſst, läſst ſie ſich abprällen. Im Altbeſtande iſt ihr nicht beizu— kommen. Hſchl. Hälleflinta (d. h. Felſenfeuerſtein) iſt ein dichtes, anſcheinend homogenes Geſtein, welches ſich jedoch unter dem Mikroſkope als ein Ge— miſch von Quarz, Feldſpat und einem mehr oder minder hellen Glimmer erweist. Quarz und Feldſpat ſind ſtets zu einem gleichmäßig körnigen Gemenge verwachſen, weiſen jedoch keine Kryſtallform auf, ſie greifen wellig und zackig ineinander. Der Glimmer tritt in winzigen Blättchen und Schüppchen auf, die in einigen Geſteinspartien häufiger als in anderen ſind. Das an Kieſelſäure ſehr reiche Geſtein iſt in abwechſelnden Lagen grau, gelblich, bräunlich oder grünlich bis ſchwärzlich gefärbt, wodurch es auf dem Querbruche bandartig geſtreift er— ſcheint. Es iſt in kleinen Splittern mehr oder weniger leicht vor dem Löthrohr ſchmelzbar und läſst ſich hiedurch von ihm ähnlich ausſehenden Quarziten unterſcheiden. Bei der Zerſetzung er— hält die Hälleflinta meiſt eine weißliche Kruſte, die durch Auflockerung des Gefüges und durch Umwandlung des Feldſpats in glimmerhaltige Subſtanz oder in Kaolin verurſacht wird. Häufig wird die beginnende Zerſetzung von einer Zerklüftung des Geſteins und von einem Zerfallen desſelben in ſcharfkantige Bruchſtücke begleitet. In Schottland und Skandinavien be- ſitzt die Hälleflinta innerhalb der Gneisfor⸗ mation eine ſehr weite Verbreitung; in Deutſch— land findet ſich eine brecciöſe Art von röthlicher und grünlicher Farbe, deren Bruchſtücke ſtets Hälleflinta. — Halſe. klein ſind und bis zu den winzigſten Dimen- ſionen herabſinken, längs des ſog. Pfahls im bayeriſchen Walde, eines ſich viele Meilen ſchnurgerade ohne Unterbrechung hinziehenden Quarzitrückens. — Der Adinol iſt ein der Hälle— flinta verwandtes Geſtein; er hat ſeinen Namen von ſeiner Lagenſtructur, indem ſtets zahlreiche (Aναν), verſchieden gefärbte und ſehr dünne Lagen miteinander abwechſeln; iſt verbreitet im Harz, Naſſau, Frankenwald und Nieder— ſchleſien. v. O. Halmlaufen. „Halmlaufen, dieſes iſt eine Redensart von dem Hühnerhund, wenn dieſer zum erſtenmal ausgeführt worden, ſo heißt es: der Hund iſt zum erſtenmal über die Halme geloffen. Will ſagen: der Hund iſt für das erſte Jahr dreſſieret und abgerichtet.“ Chr. W. v. Heppe, Wohlred. Jäger, p. 194. — Behlen, Real- u. Verb.⸗Lexik. III., p. 572. — Vgl. Feld. E. v. D. Halogene (Salzbildner, Haloide, von „%% — Salz und Yevvasıy — bilden, erzeugen) nennt man die vier einwertigen Metalloide Jod, Brom, Chlor und Fluor, weil ſie ſich leicht und direct mit Metallen zu Salzen (Ha⸗ loidſalzen) vereinigen. Sie gehören zu den elektronegativſten Elementen, beſitzen ſchon bei gewöhnlicher Temperatur eine große Affinität zu allen übrigen Elementen und vereinigen ſich mit Waſſerſtoff zu den Waſſerſtoffſäuren, die nach dem erſten Typus gebildet ſind. Das Atomgewicht iſt bei allen gleich dem Volum— gewicht und gleich dem Aquivalentgewicht. Auch in ihren übrigen Eigenſchaften zeigen die Salz⸗ bildner eine große Übereinſtimmung. v. Gn. Haloidſalze, ſ. Halogene. Hals, der, heißt die Stimme des Hundes, vgl. Laut, Geläute. J. Chr. Heppe, Jagdluſt, 1783, I., p. 66. — Bechſtein, Hb. der Jagd⸗ wiſſenſchaft I., 1., p. 276. — Hartig, Lexik., p. 234. — Laube, Jagdbrevier, p. 280. — R. R. v. Dombrowski, Der Fuchs, p. 187. — Der Hund gibt Hals, gibt anhaltend, grob, fein, ſchreiend Hals, jagt ohne S Halsband, das, ſ. Halſe. E. v. D. Halsbraten, der. „Hals- oder Kehl— braten wird das Wildpret benennet, welches dem Hirſch oder Thier an der Gurgel ſtehet. Wird bei dem Genoſſenmachen dem Leithund gegeben.“ Chr. W. v. Heppe, Wohlred. Jäger, p. 194. — „Halsbraten, Kehlbraten, nennt man die geringen Streifen Wildbrät, die neben dem Schlunde und der Droſſel oder 5 liegen.“ Hartig, Lexik., p. 234. E. v Halſe, die, auch die Halſung, das re band, heißt der Riemen, den der Jagdhund jeder Art um den Hals trägt. „Die Halſen iſt das Band um den Hals (des Leithundes).“ Pärſon, Hirſchgerechter Jäger, 1734, fol. 82. — „Halſe oder Halſung heißt das ſtarke lederne Jagdhalsband.“ C. v. Heppe, Aufr. Lehrprinz, 1751, p. 328. — Großkopff, Weidewerckslexikon, p. 151. — Chr. W. v. Heppe, Wohlred. Jäger, p. 194. — Döbel, Ed. I, 1746, I., fol. 84. — Onomat. forest. II., p. 40. — Bechſtein, 12 d. Jagdwiſſenſchaft I., 1., p. 227. — D. a. d. Winkell, Hb. f. Jäger I., p. 180. — Hartig, Halsſchuſs Wmſpr., 1809, p. 115; Lexik., p. 234. — Laube, Jagdbrevier, p. 280. — Sanders, Wb. I., p. 667 a. E. v. D. Halsſchuſs nennt man ganz allgemein die Verwundung des Wildes durch einen Schuſs, welcher den Hals getroffen hat; der Ausdruck kommt jedoch gewöhnlich nur bei größeren Wildarten zur Anwendung. In der Regel ſind Halsſchüſſe ſchnell tödlich und verurſachen, wenn nicht ein ſofortiges Zuſammenbrechen, ſo doch ein baldiges Verenden des Wildes, da in den meiſten Fällen die Wirbelſäule, die Luftröhre, Hauptadern oder große Nervenſtränge bei hin— reichender Eindringungstiefe der Geſchoſſe ver— letzt werden. Waren jedoch die angegebenen edlen Theile durch einen Halsſchuſs nicht ge— troffen, dann iſt die Verwundung — ſelbſt bei ſtarkem Schweißen infolge eines Kugelſchuſſes — entweder nur leicht und heilt bald, oder ſie iſt, wie z. B. bei Zerreißung des Schlundes, eine letale und führt zum ſpäteren Eingehen des Wildes. Letzteres zieht bei ſolchen nicht ſchnell tödlichen Halsſchüſſen aber ſtets noch weit fort, und der Jäger hat nur wenig Aus— ſicht, desſelben habhaft zu werden. Wegen der Möglichkeit eines derartigen ungünſtigen Er— folges und weil der Hals — wenigſtens bei Anwendung der Kugel — ein verhältnismäßig ſchwer zu treffendes Ziel iſt, vermeidet man für gewöhnlich den Schuſs auf den Hals und wendet ihn nur unter beſonderen Umſtänden an, z. B. als Fangſchuſs mit Schrot, um brauchbareres Wildbret nicht zu verletzen, oder wenn ausnahmsweiſe Schalwild mit Schrot erlegt werden ſoll, da am Hals die edlen Theile am wenigſten durch Knochen oder Mus— keln geſchützt ſind. Schweißt ein Stück Wild infolge eines Halsſchuſſes, durch welchen weder eine Haupt— oder noch die Luftröhre getroffen wurde, ſo findet ſich der Schweiß von gewöhnlicher blut— rother Farbe oft auf weite Strecken, in und dicht neben der Fährte; war dagegen ein Haupt— blutgefäß oder die Luftröhre durchſchoſſen, ſo iſt der Schweiß hell, blaſig, ähnlich dem Lun— genſchweiß und weit umhergeſpritzt. v. Ne. Halſung bezeichnet die Art und Weiſe, wie der Schafthals nach Stärke und Form conſtruiert iſt (ſchlanke, dünne, kurze, dicke ꝛc. Halſung); ſ. Schaft. Th. Halſung, die, ſ. Halſe. E. v. D. Halten, verb. trans., reflex. u. intrans. I. S. v. w. aushalten, vom Wild. „Dafs fie (die Haſen) an feuchten, gelinden und wind— ſtillen Herbſt⸗ und Wintertagen vorzüglich halten.“ Wildungen, Neujahrsgeſchenk, 1798, p. 21. — „Wenn das Wild jeder Art ſehr ſcheu iſt und nicht ſchuſsmäßig an ſich kommen läſst, jo ſagt man: es hält nicht. Iſt es aber jo ſcheu nicht, ſo ſagt man: es hält gut oder es iſt fromm.“ Hartig, Lexik., p. 234. — Winkell, Hb. f. Jäger III., p. 786. — Kobell, Wildanger, P. 387. — Wurm, Auerwild, p. 90. II. Selten: „Der Vorſtehhund hält, hält aus, ſteht ausdauernd, feſt vor.“ Behlen, Real- u. Verb.⸗Lexik. VI., p. 218. III. Das Wild hält ſeinen Stand, d. h. bleibt dauernd an einem beſtimmten Platze; . — Haltica. 543 ebenſo hält es ſeinen Wechſel oder Paſs, d. h. behält ihn ſtets bei. „(Die Hirſche nach der Brunft) .. . ziehen ſich nach den hohen Hölzern und Haiden, wo ſie den Winter ihren Stand halten.“ Döbel, Jaägerpraktika, 1746, I., fol. 13. — „Wo die Hirſche ſich einmal ge— wöhnen, ihren Winter-, Frühlings-, Sommer— und Herbſtſtand zu haben, da pflegen ſie ferner— hin ſolchen zu halten.“ Ibid., fol. 14. — „ . . Von denen Sauen aber wird eher nicht geſagt, ſie halten einen Stand, als wenn ſie im Winter gern in einer Dickung nahe bei dem Platze, wo der Jäger ihnen fleißig ſchüttet, ſtehen.“ C. v. Heppe, Aufr. Lehrprinz, p. 102. IV. Ahnlich ſagt man vom Wilde: es hält ſeinen Wechſel oder Paſs Ses behält ihn bei. R. R. v. Dombrowski, Der Fuchs, p. 187. V. Hunde halten die Fährte oder Spur, d. h. fie folgen ihr anhaltend, ohne ab- zukommen, abzufallen. „Die richtige Fährte halten heißet, wenn der Hund von der Fährte, die er ſuchen ſolle, gar nicht abfalle.“ C. v. Heppe, I. C., p. 121. — „Die Fährte richtig halten heißet, wenn der Hund auf der einmal angenommenen Fährte, ohne andere ihme vor— kommende zu achten, immer friſch fortſuchet.“ Ibid., p. 320. — „Wenn die Jagdhunde von der Fährte des angejagten Thieres nicht ab— weichen, ſo ſagt man: ſie halten die Fährte.“ Hartig, Lexik., p. 234. — Behlen, NL, 1829, p. 74. — R. R. v. Dombrowski, 6505 VI. Reflex. vom Wilde. „Wenn die Hirſche das Gehörne abgeworfen, halten ſie ſich ziemlich verborgen und im dickichten Holze ...“ „Da ſie den ganzen Winter, Frühling oder Sommer beieinander in einem Rudel oder Trupp ſich gehalten...“ „Daſs ein Hirſch auch nur bei 2 oder 3 Stücken Wild die ganze Brunft ſich gehalten.“ Döbel, I. c., fol. 13 — „Die Hähne halten ſich zul den Hennen.“ Wurm, Auerwild, p. 37. — Sanders, Wb. I., p. 668. E. v. D. Haltepunkt iſt der Punkt, welchen der Schütze anviſieren muſs, um ein beſtimmtes Ziel zu treffen. Näheres ſ. Schießkunſt. v. Ne. Haltica Illig., Gattung der Familie Chry- somelidae (ſ. d.), Gruppe Halticini, Erdflöhe, meiſt eirunde, kleine, mit flohähnlichem Spring— vermögen ausgeſtattete Käferchen, deren Fühler fadenförmig oder nur wenig gegen die Spitze verdickt, 14gliedrig und von halber Körperlänge ſind. Der Kopf vorgeſtreckt; Halsſchild viel breiter als lang, an den Seiten gewöhnlich ge— rundet erweitert, häufig nach rückwärts verengt. Schildchen dreieckig, die Spitze abgerundet. Flügeldecken meiſt etwas breiter als der Hals— ſchild, eiförmig, die Spitzen einzeln oder zu— ſammen abgerundet. Hüften der Vorderbeine durch eine ſchmale Leiſte getrennt. Hinterſchenkel ſtark verdickt (Springbeine); Hinterſchienen an der Spitze mit einfachem Enddorn und einfacher, kurzer, am Außenrande ungezähnter Rinne zum Einlegen der Tarſen. Dieſe an der Spitze der Schienen befeſtigt; erſtes Tarſenglied kürzer als die halbe Schiene. Bauchringe frei beweglich; der erſte nicht länger als ein Drittel des Hin- terleibes. — Die Larven leben theils frei, die 544 Haltica. Blätter jfeletierend, theils minierend im Blatt— fleiſche. Die Käfer, welche ſich, beſonders im Frühjahre, nach erfolgter Überwinterung mit Vorliebe am Boden aufhalten, werden den auf— keimenden Saaten durch Cotyledonen- und Blattfraß ſchädlich. Am meiſten Bedeutung ge— winnen die Erdflöhe für den Gemüſegärtner (Kohlarten) und für den Rapsbau, wo ſie oft außerordentlich ſchädlich werden können. Bekämpfungsmittel: Beſtreuen der Beete mit Holzaſche, pulveriſiertem Kalk, be— ſonders Ofenruſs. Auch Miſt (von Pferden, Hüh— nern, Tauben) als Streumittel, oder Straßen— ſtaub thun gute Wirkung; Auslegen von in heißen Kohlentheer getauchten Hobelſpänen. Überſpritzen mit einem Wermutabſud (auf 1 hl kochendes Waſſer zwei tüchtige Handvoll Wer— mut; Verwendung nach I2ſtündigem Stehen). Beſtecken mit jungen (klebrigen) Schwarzerlen— zweigen. Nachſtehend die Charakteriſtik der betref— fenden Arten: 1. Halsſchild vor dem Hinterrande mit ver— tieftem Quereindruck; Körper eiförmig oder länglicheiförmig, mäßig gewölbt. 2. Quereindruck faſt den Seitenrand des Halsſchildes erreichend; Flügeldecken ver— worren punktiert. 3. Flügeldecken neben dem Seitenrande mit erhabener Längsfalte und innerhalb der— ſelben mit einer mehr oder minder tiefen, breiten Furche. Länglicheiförmig, glänzend, lichtblau; Flügeldecken an der Wurzel viel breiter als der Halsſchild, nach hinten etwas erweitert, fein, zerſtreut punktiert. 3—3'75 mm. Haltica Erucae Olw. 3. Flügeldecken mit gleichmäßig gewölbter Oberfläche; Wurzel nur wenig breiter als der Hinterrand des Halsſchildes, gegen die Spitze zu mehr oder minder erweitert. Käfer länglicheiförmig, grün, ſeltener bläulichgrün; Flügeldecken ziem— lich in der Mitte am breiteſten, fein, aber deutlich punktiert; Querfurche des Halsſchildes tief und faſt gerade. Beſon— ders den Gemüſen ſehr ſchädlich. 4 mm. Haltica oleracea Fbr. Ouereindruck des Halsſchildes beiderjeits von einem kurzen, vertieften Längsſtrichel begrenzt; Stirn über den Mundwinkeln faſt horizontal abgeſetzt, zwiſchen den Fühlern kielförmig erhaben; die Stirn— höckerchen länglich, ſchräg gegeneinander— geſtellt und deutlich abgegrenzt. Flügel— decken kahl, mit regelmäßigen tiefen Punktſtreifen, deren erſte nächſt der Naht die Mitte kaum erreichen. Halsſchild bis gegen die Mitte gleich breit, nach vorne verengt; die Oberfläche gewöhnlich mit großen, zerſtreuten Punkten, ſeltener fein oder beinahe unpunktiert. Größe und Färbung ſehr veränderlich, meiſt gold— grün oder bronzefärbig. Fühler gelb. 375 —4 mm. Weidenartiges Gehölze. Haltica helxines Fbr. 1. Halsſchild ohne Eindrücke, der Vorder— und Hinterrand gerade; Stirn zwiſchen 1 den Fühlerwurzeln mit einer nach hinten herzförmigen Erhöhung; Stirnhöcker kaum angedeutet; Flügeldecken verworren, fein und dicht punktiert. „Flügeldecken einfärbig, ohne gelbe Zeich— nungen. Fühler ganz ſchwarz; das fünfte Glied beim & einfach oder nur ganz ſchwach erweitert. Oberſeite des Käfers dunkelgrün, mit oder ohne Metallglanz fein und dicht punktiert. Stirn mit einer ſchmalen Erhabenheit und ohne deutlich vertiefte Linie. Flügeldecken breiter als der Halsſchild, etwas mehr als um die Hälfte länger als zuſammen breit, den Hinterleib bedeckend; Nahtwinkel an der Spitze ſehr ſtumpf; Außenwinkel abge— rundet. 2mm. Auf Kohlarten und Raps. Haltica lepidii Gyllh. 4. Jede Flügeldecke mit einem hellen, ver= ſchieden geformten, öfters in zwei Ma— keln getrennten Längsſtreifen auf der Scheibe. 5. Längsſtreifen am Außenrande ſanft aus— gebuchtet und am Ende etwas einwärts gegen die Naht gebogen. 6. Alle Schienen roſtfärbig. Viertes und fünftes Glied der Fühler beim & etwas erweitert und an der Unterſeite geſtreift. Schwarz mit grünem Glanze; Wurzel der Fühler und die Mitte der Schienen und Füße bräunlichgelb; Oberſeite ziem- lich ſtark und groß punktiert; Flügel⸗ decken elliptiſch, viel breiter als der Hals— ſchild; Punkte an der Wurzel hie und da etwas gereiht, gegen die Spitze ſchwächer; Längsſtreifen ſchwefelgelb. amm. An Keimlingen und jüngſten Pflanzen. Haltica nemorum L 6. Nur der mittlere Theil der Schienen rothbraun und beim & nur das fünfte Glied etwas erweitert. Eiförmig, ſchwach gewölbt, ſchwarz. Flügeldecken deutlich verworren punktiert, nur hie und da mit gereihten Punkten. Längsſtreifen röthlich- gelb, außen in der Mitte ausgebuchtet. 2:75—3 mm. Vorkommen wie vorige Art. Haltica flexuosa Pnz. 5. Längsſtreifen entweder vollkommen oder beinahe in zwei unregelmäßige helle röth— lichgelbe Makeln aufgelöst. Der übrige Körper ſchwarz; kurz eiförmig; glän⸗ zend, punktiert; Wurzeln der Fühler und öfters auch die Schienen rothbraun; fünftes Glied der Fühler beim & ſtark vergrößert. mm. An Brassica-Arten (Olſaaten). Haltica brassieae Fbr. Haltica eruceae, Eichenerdfloh, über- wintert unter Laub ꝛc., benagt im Frühjahre die eben aus der Knoſpe hervorbrechenden zarten Blättchen der Eichen; belegt ſie ſpäter mit ſeinen Eiern; nach etwa 14 Tagen erſcheinen die langgeſtreckten, walzigen, öbeinigen Larven, welche durch Skeletieren der Blätter die Ver— wüſtung an den Eichen fortſetzen, und gegen Ende Juli iſt der junge Käfer ausgebildet. Die Larve erreicht durchſchnittlich eine Länge von 7 mm, iſt ſchwärzlich, mit zahlreichen, glänzend ſchwarzen, auf dem Rücken zu kurzen Quer⸗ Haltieini. — Hammer. 545 leiſten verſchmolzenen Warzen bedeckt. Bauch— ſeite lichter. Die Fraſsperiode der Larve fällt in die Zeit Juni, Juli. Verpuppung um Mitte Juli. Käfer gegen Ende des Monats. In Eichen— jungbeſtänden kann dieſer Erdfloh großen Scha— den anrichten. Abklopfen (an kühlen Tagen in den frühen Morgenſtunden) auf untergehaltene Fangſchirme dürfte wohl das einzige Mittel ſein, dem Käfer zu begegnen. Hſchl. Haltieini, Gruppe der Familie Chryso— melidae (ſ. d.), Ordnung Coleoptera (ſ. d.), Abtheilung Tetramera. Fühler an der Wurzel einander mehr oder weniger genähert, auf der Stirn entweder zwiſchen oder etwas vor den Augen eingelenkt; Kopf nicht ſchildartig über— deckt oder halsförmig eingeſchnürt; in den Halsſchild eingezogen, geneigt, mit ſchief nach vor⸗ und abwärts gerichteter oder ſenkrechter Stirn. Erſter Bauchring nicht auffallend ver— längert. Hinterſchenkel mehr oder minder keulen— artig verdickt, zum Springen eingerichtet. Ge— lenksgruben der Vorderhüften gewöhnlich mehr oder weniger offen. Vorderbruſt mit Leiſte zwi— ſchen den Vorderhüften. Von mehr oder minder forſt⸗, aber beſonders landwirtſchaftlichem In— tereſſe: die Gattungen Haltica, Longitarsus. Charakter: Körper ei- oder länglich— eiförmig, Kopf vorgeſtreckt, Tarſus an der Spitze der Schienen eingefügt, dieſe mit ein— fachem Dorn; Klauenglied an der Spitze nicht kugelförmig erweitert. 1. Erſtes Fußglied ſo lang oder länger als die halbe Schiene. Gattung Longitarsus (ſ. d.). 2. Erſtes Fußglied kürzer als die halbe Schiene. Hinterſchienen mit nur ſchwacher Rinne; ihr Außenrand ohne Zahn. Gattung el 5 ſchl. Haltſtatt, die. „Hat⸗ oder Haltſtatt iſt der Ort, wo die Jäger Winters- und Some merszeit nach dem Beſuch zuſammenkommen.“ Chr. W. v. Heppe, Wohlred. Jäger, p. 197. — Großkopff, Weidewerckslexikon, p. 157. — C. v. Heppe, Aufr. Lehrprinz, p. 203. — Behlen, Wmſpr., 1829, p. 75. — „Haltſtatt wird der Ort genannt, wo ſich die Jäger zu irgend einem Zweck verſammeln.“ Hartig, Lexik., pb. 234. — „Die ſämmtlichen Spürer oder Kreiſer verſammeln ſich nachher zu einer be— ſtimmten Stunde an einem beſtimmten Ort, die Haltſtatt oder das rendezvous genannt.“ Ibid., p. 10. — Laube, Jagdbrevier, p. 281. E. v. D. Ham, der, ſ. Hammer. E. v. D. Hämatin (Blutfarbſtoff), C3 Has N. Fe Oz, iſt der eiſenhaltige Beſtandtheil der Blutkörper— chen, kryſtalliniſch, blauſchwarz, metalliſch glän— zend, unlöslich in Waſſer, Alkohol und Ather; durch Fäulnis kaum angegriffen. Die Verbin- dung des Hämatins mit Salzſäure iſt für die Erkennung von Blut von größter Wichtigkeit. Man erwärmt getrocknetes Blut (Blutflecken) mit Eiseſſig und ſehr wenig Kochſalz. Beim Erkalten entſtehen charakteriſtiſche Kryſtalle (Teichmann'ſche Kryſtalle), welche kleine rhom— biſche Täfelchen oder Stäbchen (manchmal wie Hanfkörner oder Weberſchiffchen) bilden, bei auf— fallendem Licht blauſchwarz, in durchfallendem braun und doppeltbrechend ſind und ſich im Polariſationsinſtrument glänzend gelb von der dunkeln Fläche abheben. v. Gn. Hämatoidin, CI. sN. O3, findet ſich nach Virchow im Blute der Graaf'ſchen Follikel und bildet ſich überall, wo Blut außerhalb des Kreislaufes ſtagniert und der Zerſetzung an— heimfällt, bei Blutergüſſen in die Gewebe, in geronnenen Blutpfröpfchen Thromben) und im Harn bei Hämaturie. Es ſind gelbrothe Kry— ſtalle, welche in warmen Alkalien, Schwefel— kohlenſtoff, Benzol und Chloroform löslich ſind. v. Gn. Hämatoxylin, (0 40%, it der Farb- ſtoff des Campecheholzes (Blauholzes). In reinem Zuſtande kryſtalliſiert es in gelblichen Säulen; es färbt ſich an der Luft intenſiv roth unter Bildung von Hämatoin, Ca H. 20g, welches ſich durch ſchwefelige Säure wieder zu Hämatoxylin reducieren läſst; es ſteht zu dieſem wahrſcheinlich in derſelben Beziehung wie Chinon zu Hydrochinon. v. Gn. Hamaus (Erd⸗, Waſſer⸗, Wühlratte; Moll-, Reit⸗, Schermaus), ſ. Wühlmäuſe. Hſchl. Hamen, der, ein beutelförmiges Fangnetz, j. Treibzeug. Hohberg, Georgiea curiosa, Nürn— berg 1682, fol. 823. — Aitinger, Jag- vnnd Weydbüchlein, 1631, p. 99. — Fleming, T. J., 1729, fol. 332. — Döbel, Jägerpraktika, 1746, II., fol. 183. — Großkopff, Weidewerckslexikon, 1751, p. 150, 312. — J. Chr. v. Heppe, Jagd⸗ luſt, 1783, II., p. 115. — „Sackgarne oder auch Garnſäcke ... ſind ſolche Netze, welche in— ſoferne eine ſackförmige Geſtalt zeigen, als ſie einen Eingang, aber keinen Ausgang haben, .. jo dass ſich in dieſem ſog. Sack oder Hahmen die Vögel, für welche fie geſtellt werden, ... fangen.“ Bechſtein, Hb. d. Jagdwiſſenſchaft I., 3., p. 577. — D. a. d. Winkell, Hb. f. Jäger II., p. 279. — „Hamen nennt man das trich— terförmige Netz, in das die Rebhühner getrieben werden, wenn man ſie mit dem Treibzeuge fängt. Auch wird der trichterförmige Netzſack, in den man die Fiſchotter treibt, Hamen ge— nannt.“ Hartig, Lexik., p. 234. — Behlen, Wmſpr. 1829, p. 75. — Sanders, Wb. I, p. 676. E. v. D. Hamen, Streifſack, Inſtrument zum Fange von Inſecten. S. Coleoptera. Hſchl. Hämin, ſ. Blut. Hammaticherus heros — Cerambyx cerdo, H. cerdo — Cerambyx Scopoli. Siehe Cerambyx. Hſchl. Hammer. Der Hammer iſt ein Werkzeug, welches aus einem Stück Eiſen beſteht, durch das ein hölzerner Stiel geſteckt wird. Die Form des Eiſenkörpers iſt ſehr verſchieden, meiſtens nach dem Gebrauch geſtaltet. Der breitere, untere Theil heißt die Bahn, die meiſtens kreisrund oder rechteckig geformt iſt, geebnet und glatt gemacht wird. Die Bahn wird verſtählt. Der obere, meiſt keilförmig zugeſchärfte Theil heißt die Finne, welche ebenfalls ver— ſtählt iſt. So ziemlich in der Mitte zwiſchen der Finne und der Bahn befindet ſich eine länglich Dombrowski. Encyklopädie d. Forſt⸗ u. Jagdwiſſenſch. IV. Bd. 33 546 Hammer. — Hamſter. viereckige Offnung, welche das Auge genannt wird und zur Aufnahme des Stieles dient. Der meiſt nur mäßig lange Stiel wird, nachdem er durch das Auge durchgeſteckt worden iſt, noch durch Keile befeſtigt. Für Hämmer, welche zum Einſchlagen von Nägeln dienen, ſoll der Hammer eine flache und nicht zu große Bahn beſitzen und magnetiſch gemacht ſein, weil dann das Aufnehmen und das Anſetzen der Stifte mittelſt der Finger er— ſpart wird. Das Einſchlagen von Nägeln und Stiften ſoll ſo geſchehen, daſs die Richtung des Schlages möglichſt genau in die Achſe des Nagels fällt, weil ſich ſonſt dieſer biegt oder ſchief eindringt. Er. Hammer, als Bezeichnung für Hahn im allgemeinen wenig und dann nur bei den ſog. hahnloſen Gewehren gebräuchlich. Th. Hammer, der, vom ahd. hama, hamma, hamme, mhd hamme — Hinterſchenkel. „Schlä— gel oder Keule, wie auch Ham, Hamel oder Hamer wird die hintere Keule von dem Roth— oder Rehewildpret, Hamer aber die Keule von einer Sau genannt.“ „Plätzen oder Hammers ſind die vorderen Schlägel einer Sau, der hin— tere Schlägel hat auch den Namen Hammer.“ „Geſchildert nennt man eine Sau, weil ſie um die vorderen Hammer ſehr pechig iſt.“ Chr. W. v. Heppe, Wohlred. Jäger, p. 320, 179, 289. — „Das Schwein . . . hat . . . Läufe (bei uns Hämmer).“ Kobell, Wildanger, p. 486. — Behlen, Real- u. Verb.-Lexik. III., p. 690. — Sanders, Wb. I., p. 677. E. v. D. Hammerless, engliſche Bezeichnung für hahnlos. Th. Sammermuskel, ſ. Hören. Hammerſchlag nennt man die beim Glühen und Hämmern von Schmiedeeiſen durch Ein— wirkung des Sauerſtoffs der Luft ſich bildende, aus Eiſenoxyduloxyd beſtehende, grauſchwarze, leicht abſpringende und ſich abblätternde Kruſte. v. Gn. Hämocyanin iſt der einzige Proteinſtoff im Blute der Cephalopoden, iſt farblos, bildet unter Aufnahme von Sauerſtoff blaues Oxy- hämocyanin und enthält Kupfer. v. Gn. Hämodromometer, ſ. Kreislauf. Hämodynamometer, ſ. Kreislauf. Hämoglobin (Hämatokryſtallin, Hämato— globulin) iſt der färbende Beſtandtheil der rothen Blutkörperchen und ein den Eiweißkör— pern verwandter, eiſenhaltiger, kryſtalliſierender Körper, der aus wäſſeriger Löſung bei längerem Stehen an einem kühlen Ort ſich ausſcheidet, nachdem man mit Ather die rothen Blutkörper— chen zerſtört und das Fett aus dem Blute ex— trahiert hat. Es bildet hellrothe, rhombiſche, doppeltbrechende Kryſtalle (Eichhörnchen und Hamſter liefern hexagonale Kryſtalle) mit 3 bis 9% Kryſtallwaſſer, welches über Schwefeljäure im Vacuum entweicht; die waſſerfreien Kry— ſtalle ertragen 100° ohne Zerſetzung. Das Hämoglobin vermag einige Gaſe zu bilden; ſo findet ſich z. B. im arteriellen Blute die Sauer— ſtoffverbindung, das Oxyhämoglobin, deſſen rothe Löſung im Spectroſkop charakteriſtiſche Abſorptionsſtreifen zeigt. Auf Zuſatz von farb— loſem Schwefelammonium verſchwinden dieſe Streifen; Oxyhämoglobin wird in reduciertes Hämoglobin verwandelt, wobei es ſich dunkler färbt. Mit Luft geſchüttelt zeigt es die Streifen wieder. Kohlenoxydgas treibt den Sauerſtoff aus Oxyhämoglobin aus und bildet Kohlen— oxydhämoglobin, eine Verbindung, welche bei Kohlenoxydvergiftungen entſteht und durch Reductionsmittel nicht verändert wird, jo dajs das Blut mit Kohlenoxyd Vergifteter bei der Fäulnis hellroth bleibt. v. Gn. Hamſter, Cricetus frumentarius (Mus cricetus, Porcellus frumentarius, Cricetus vulgaris), bildet im Syſtem das Bindeglied zwiſchen den Murinen, den echten Mäuſen, und den Arvicolinen, Wühlmäuſen Die Gattung Cricetus iſt charakteriſiert durch dicken, ziemlich plumpen Leib, ſehr kurzen, ſchütter be— haarten Schwanz, kurze Beine, deren hintere zzehig, die vorderen Azehig ſind, mit einer Daumenwarze. — Zahnformel: 3 0 2 0 3 Bed a Die zwei Baar Nagezähne jehr groß; die ſämmt⸗ lichen Backenzähne ſehr groß, ihre Kauflächen höckerig. Der Hamſter hat, wenn vollkommen ausgewachſen, eine Geſammtlänge von etwa 30 em, davon entfallen 5 em auf den Schwanz. Leib unterſetzt, Hals dick, Kopf groß, rundlich zugeſpitzt, mit großen Augen und mittellangen häutigen Ohren. Die Zehen tragen kurze lichte Krallen, der Schwanz zugeſpitzt. Der aus kür— zerem, weichem Wollhaare und längerem, ſteifem und ſchütterer ſtehendem Grannenhaar beſtehende Pelz iſt glatt, dicht und etwas glänzend; am Oberkörper licht braungelb, leicht graulich an— geflogen; Oberſeite der Schnauze, die Augen— gegend und das Halsband rothbraun; ein Backenfleck, geld; Mund und Füße weiß; der übrige Theil der Vorder- und die Innenſeite der Hinterbeine, die Körperunterſeite und ein Stirnſtreifen find ſchwarz. Meiſt auch die Ge— gend hinter den Ohren und Vorderbeinen gelb gefleckt. Die Heimat des Hamſters ſind die fruchtbaren Getreideländereien zwiſchen Rhein und Ob. Er lebt in ſelbſtgegrabenen, oft 1 bis Am unter der Oberfläche liegenden, dauerhaft hergeſtellten Bauen, und verlangt trockene und vor Allem fruchtbare Böden. Die Baue der Hamſter ſind theils Sommers, theils Winterbaue. Erſterer liegt gewöhnlich nur 30—60 em tief unter der Bodenoberfläche und beſteht in der Regel nur aus einem weich aus⸗ gepolſterten Keſſel und einer einzigen mit dieſem durch einen kurzen Gang in Verbindung ſtehenden Vorrathskammer. Der Winterbau liegt viel tiefer, 12 m unter der Bodenoberfläche, beſteht aus einer großen Wohnkammer und einer (oder mehreren) noch größeren Vorrathskammern. Zur erſteren führen zwei Gänge: eine ſenkrechte Eingangs— und eine ſchräg verlaufende Ausgangsröhre, welche aber in ihrem Verlaufe die Richtung vielfach ändern. Der Eingang fällt ſenkrecht von der Bodenoberfläche ab, biegt aber auf der Zwiſchenſtrecke einigemale horizontal oder ſchief ab, um ſchließlich wiederum ſenkrecht in die Wohnkammer einzumünden. Dieſe Röhren ſind Hamſter bei bewohnten Bauen glatt ausgefahren, haben an der Ausmündung am Boden einen Durch— meſſer von 5—8 em und verrathen den Inſaſſen und ſeine Getreideſpeicher durch die vor dem Eingangsloch herumliegenden Halm-, Ahren-, Schotenreſte u. dgl. Alte Rammler (Männchen) ſchleppen den ganzen Sommer hindurch ein; ihre Baue haben nicht ſelten 3—4 Vorraths— kammern, die alle untereinander und mit dem Wohnraume in Verbindung ſtehen. Winterbaue ſind mitunter auch mit einer Miſtgrube ver— ſehen, in welcher der Hamſter während des Winters ſeine Exeremente abſetzt. Nachdem er vorher im Spätherbſt die Eingänge ſorgfältig verſtopft hat, friſst er ſich an ſeinen Vorräthen noch tüchtig an, legt ſich auf die Seite, rollt ſich ein, ſchiebt den Kopf zwiſchen die Hinter— ſchenkel und ſchläft ein. Nach Brehms Angaben ſoll der Schlaf ein ſo feſter, todtenähnlicher ſein, daſs die Herzthätigkeit auf nur 14 bis 15 Pulsſchläge in der Minute herabſinkt. Im Februar, längſtens März, erwacht er und zehrt von den aufgeſpeicherten Vorräthen. Gegen Mitte März endlich werden die Röhren geöffnet und es erſcheinen die Männchen, um Anfang April die Weibchen. Der Hamſter iſt ein Alles— freſſer, und ſeine Nahrung beſteht nicht nur aus Pflanzenſtoffen (Sämereien), ſondern auch aus allerhand Gethier, Mäuſen, kleinen Vögeln, Schnecken, Raupen, Käfern, Blindſchleichen u. dgl. Im Frühjahre ſucht er eifrig nach dem ausge— worfenen Saatgut und trägt die Körner in ſeinen weiten Backentaſchen zu Bau; und junge auflaufende Saaten nimmt er faſt noch lieber wie die Samen. Ende April fällt die Begat— tungszeit. Die Männchen ſuchen die Weib— chen in ihren Bauen auf und leben nun fried— lich nebeneinander. Dies dauert aber nur ſo lange, bis ſich das Weibchen tragend fühlt; von nun an bleibt dasſelbe allein. Der Bau des Weibchens hat auch nur ein Schlupf-, aber 2 bis 8 Fallöcher. Das Neſt iſt rundlich und mit weichem Stroh ausgefüttert. Nach etwa 4 bis 5 Wochen, u. zw. das erſtemal gegen Ende Mai, das zweitemal im Juli, wirft das Weib— chen 6—8 blinde, nackte, faſt fleiſchrothe Junge, welche nach 8—9 Tagen ſehend, mit 14 Tagen ſchon wühlluſtig und kaum 3 Wochen alt von der Mutter aus dem Baue gejagt werden. Sie erreichen nach einem Jahre ihre Vollwüchſig— keit. Der Hamſter iſt unverträglich, boshaft, biſſig, aber dabei äußerſt muthig. Wird er ge— reizt, dann vermag er Sätze und Sprünge aus— zuführen, die man ihm nicht zutrauen würde; und angegriffen, nimmt er den Kampf gegen jeden, ſelbſt gegen einen ihm an Größe und Kraft um vieles überlegenen Gegner auf. Seine Vorderpfoten gebraucht er nach Art der Eichhörnchen ſehr geſchickt, als Hände. Mit ihrer Hilfe körnt er die Ahren und Schoten aus, ſchneidet die Leinſamen und füllt ſich ſeine Backentaſchen, in denen ein alter Hamſter bis 50 g ſoll bergen können. Seine Arbeitszeit fällt meiſtens in die erſte Nachthälfte und in die frühen Morgenſtunden. Dajs die Hamſter zur wahren Landplage werden können, iſt be— kannt. In manchen Theilen Thüringens z. B. gibt es Leute, welche ſich im Herbſte ſpeciell . — Hand. 547 mit dem Hamſterfang beſchäftigen. So wurden, nach den Angaben von Lenz, auf den 12.000 Acker umfaſſenden Stadtflurgründen von Gotha innerhalb 12 Jahren über ½ Million Hamſter zur Einlöſung an die Stadtbehörde eingeliefert. Die Felle geben ein gefälliges, weiches und leichtes Pelzwerk. Hſchl. Hamſter, über deren Erlegung in Ungarn gelten die gleichen Beſtimmungen wie für den Dachs (ſ. d.). Mcht. Hanau -Münzenberg'ſche Jorſtordnung d. a. 1736, höchſt wichtig für die Geſchichte des Femelſchlagbetriebes, deſſen Grundſätze hier zum erſtenmale zuſammengefaſst ſind, wobei bereits die drei Hiebſtufen: Samen-, Licht— und Abtriebsſchlag unterſchieden werden. Der betreffende Paſſus lautet: „So viel das Brennholz betrifft, ſoll ſolches nicht mehr un— ordentlich und Flecken weis abgetrieben, ſon— dern in allen jenen Waldungen, ſoviel gegen— wärtig thunlich oder künftig geſchehen kann, ordentliche von Anfang bis Ende haltende Schläge geführet und dadurch der junge Aufſchlag in gleichen Anwachs und Aufkommen gebracht werden. Dieſe Schläge werden nun anfänglich, damit die Sonne das Erdreich nicht vertruckne, und dem jungen Anflug den Nahrungs-Saft entziehe, nicht zu lichte gehauen, ſondern hin und wieder geſunde Heiſter und Harz-Reiſer, dabeneben auch alle gute und geſunde Eichen zu Wald-Recht ſtehen gelaſſen werden. Wenn alsdann der junge Anwachs in denen bereits vorhandenen oder künftig zu machenden Schlä— gen eines Knies hoch und darüber erwachſen, und alſo die Ausdrucknung des Erdreichs nicht ſo ſehr mehr zu befürchten iſt, ſo ſoll alsdann die erſte Ausläuterung der ſtehen gebliebenen haubaren Heiſtern geſchehen und ſolche eben— falls nicht hie und da, ſondern dem Schlage nach durchgängig genommen werden. Wann der junge Anwachs ſodann Manns lang erwachſen, gleichwohl aber hier und da zu Wald-Recht etwas ſtehen gelaſſen, müſſen ſolche Bäume zur Beförderung des jungen Holzes, woferne es ohne ſonderbaren Schaden geſchehen kann, was nicht zu Werk-Holz dienlich, vollends ausge— läutert und mit Säuberung des Waldes, Auf— bindung des Reis-Holzes, auch ſonſten mit der Abführung, alles in die Wege gerichtet, dass dadurch kein ſonderlicher Schaden geſchehe.“ Näheres hierüber, ſowie über die Entwicklung der Laubholzwirtſchaft überhaupt findet ſich in dem Artikel „Waldbau, Geſchichte desſelben“. Die Hanau-Münzenberg'ſche Forſtordnung iſt abgedruckt in Moſer, „Grundſätze der Forſt— ökonomie“, 1757, Beilagen, p. 90. Schw. Hand, die. J. Die Vorderbranke des Bären, ſelten; vgl. Arm. „Hände, alſo nennen Einige die Branden des Bären.“ „Des Bärens vordere Füße: dieſe heißen Hände, anch Branten oder Branden.“ Chr. W. v. Heppe, Wohlred. Jäger, p. 96, 192. — Behlen, Real- u. Verb.⸗Lexik. III., p. 643. II. Die Fänge des Beizvogels, ſeltener auch jene des Adlers. „Die Falken auf dem Lande und dem Gebirge haben gelbe Hände.“ Fle— ming, T. J., 1729, I., fol. 319. — „. . . Wie 23 * 9) 548 Handbohrmafchinen. denn auch die Herren Falkoniers die Klauen von den Falken Hände nennen.“ Döbel, Jäger— praktika, Ed. I, 1746, fol. 110. — Chr. W. v. Heppe, I. e. — Onomat. forest. II., p. 26. — J. Chr. Heppe, Jagdluſt, 1783, III., p. 126, 195. — Jeſter, Kleine Jagd, Ed. J, 1799 bis 1808, VII., p. 125. — Bechſtein, Hb. d. Jagd: wiſſenſchaft II., p. 402. — Hartig, Lexik., p. 230. — Laube, Jagdbrevier, p. 281. — Behlen, 1. c., u. Wmſpr, 1828, p. 75. III. Local u. jelten ſ. v. w. Geſtell. Behlen, l. e. — Die Hohe Jagd, Ulm 1846, I., p. 362. — Sanders, Wb. I, p. 679. E. v. D. Handbohrmaſchinen, j. Bohrmaſchinen. Er. Handeimer, ſ. Waſſerhebevorrichtungen. Fr. Handelsminiſterium iſt die competente oberſte Inſtanz (und nicht das Ackerbaumini— ſterium), wenn es ſich um eine gewöhnliche Flößung gebundenen Holzes ohne eigene Flö— ſereigebän de handelt (Entſch. d. Ackerbaumin. v. 8./ 2. 5 3. 11.284, nach dem Min.⸗Erl. v. 20/4. 1861, R. G. Bl. Nr. 49); ſ. 1 1 Mcht. Handfeuerwaſſen ſind im Gegenſatz zu den (größeren) Geſchützen diejenigen (kleineren) Feuerwaffen, welche von einem einzelnen Mann getragen und abgefeuert werden können; ſie werden in ſolche für zweihändigen Gebrauch (Gewehre ꝛc.) und ſolche für einhändigen Ge— brauch (Piſtolen, Revolver ꝛc.) unterſchieden. Den hiſtoriſchen Entwicklungsgang e ſ. bei Jagdfeuerwaffen. Handgehörn, Handgeweih, das, Gere mit einer Handkrone, ſ. d. „Auch finden ſich Gehörne (recte Geweihe), die oben etwas breit ſind und die Enden daran herunter oder gleich beieynander ſtehen faſt wie die Finger einer Hand, ſo ſie ausgeſtreckt werden, ein ſolches wird ein Hand-Gehörn genennt.“ Döbel, Jägerpraktika, Ed. I, 1746, J., fol. 6. — Groß- kopff, Weidewerckslexikon, p. 151. — Mellin, Anltg. z. Anlage v. Wildbahnen, 1777, p. 142. — Chr. W. v. Heppe, Wohlred. Jäger, p. 183. — ÖOnomat. forest. II., p. 42. — „Handge— hörn oder Handgeweih.“ Hartig, Lexik., p. 235. — Laube, Jagdbrevier, p. 281. — Behlen, Wmſpr., 1828, p. 75, u. Real- u. Verb. Lexik. III., p. 577. E. v. D. Handgerecht, adj., heißt der Beizvogel, wenn er ſich bereits gewöhnt hat, ruhig auf der Fauſt zu ſitzen. „So der falkh an der 97 gar hantgerecht ist...“ Abh. v . 8d a. d. XVI. Jahrh., hrsg. v. Bergen, E. v Handgeweih, j. Handgehörn. E. v. 2. Ssandkrone, die, heißt jene Art der Krone beim Rothhirſchgeweih, wo fünf Gipfelenden nahezu in einer Fläche, ähnlich den ausge— ſpreizten fünf Fingern einer Hand, ſtehen, vgl. Handgehörn. „Drei und vier giltige Enden bilden die einfache, fünf die Handkrone.“ „Das Geweih von 16 Enden zeigt meiſtens in der Krone 5 Enden, dieſe wird Handkrone genannt.“ R. R. v. Dombrowski, Edelwild, P. 37, 34. E. v. D. Handmunition, ſ. Gewehre und Mu— nition. Mcht Handpflug, ſ. Forſteulturgeräthe. Gt. ie — Handſchlitten. Handramme, |. „Rammaſchine. Fr. Handlaat oder Säen aus der Hand, ſ. v. w. künſtliche Saat, im Gegenſatz zur natürlichen; ſ. auch 1 aat ohne Säegeräth ꝛc., ſ. Einſaat sub 4. Gt. apf adj., heißt ein Jagdhund, der durch rohe Behandlung unvertraut geworden und nicht mehr in die unmittelbare Nähe ſeines Herrn tomaten will. Diezel, Niederjagd, V. Aufl., 21, 32 E. v. D. Handſchlitten dienen zum Abbringen der Hölzer mittelſt Menſchenhand auf Schlittbahnen (Schnee- oder Eisbahnen) und werden in den verſchiedenſten Formen und Dimenſionen ver— wendet. Davon ſind die wichtigſten: a) Der lange Handſchlitten, welcher 163 em lange, 9 em hohe und 3°5 em im Mittel dicke und ſtark aufgebogene Kufen und 4 Stück 20 em hohe Füße, 2 Stück 74 cm lange Joch— hölzer und 2 Schlittenhörner hat, die oben 40, unten 52 em weit voneinander ab— ſtehen. Die Spurweite beträgt 63 em, das Gewicht des Schlittens 18—22 kg, jenes der dazugehörigen 5 Anhängketten, des Ringes, der Sperrkette, der Bundkette und der Sperr— tagen 8—9 kg. Das Ladevermögen beträgt 0•5—1 0 rms. Die Herſtellung erfordert 025 fm? Holz (Buchen oder Ahorn), 45 kg Eiſenbeſtandtheile und 4˙5 Tagſchichten. b) Der Halbſchlitten für den Klotzholz— transport. Derſelbe hat 135 cm lange, unten 5, oben 3 em breite, gem hohe und am Ende 3 em ſtarke Kufen, 4 Stück 7 em breite und 19 em hohe Füße, zwei 62 cm lange Quer- hölzer, zwei oben 35, unten 50 em weit ab⸗ ſtehende Hörner. Die Spurweite beträgt 63 em, das Gewicht des Schlittens 15—16 kg und jenes der 3 Klampfen, 2 Sperr- und 2 Bind⸗ ketten ſammt der Sperrtatze 5—6 kg. Das Ladevermögen beträgt 1I—2 Stück 4—8 m lange Stammabſchnitte. Die Herſtellung erfordert 0˙3 fm? Holz, 3˙3 kg Eiſenbeſtandtheile und 6 Tagſchichten. c) Der mähriſche Langſchlitten. Deſſen Kufenlänge beträgt 221 em, die Deichſellänge 205 em, die Spurweite 42—43 em, die Kufen⸗ weite 13—16 und die Kufenhöhe Acm. Das Ladevermögen beträgt 05—0'6 5 Holz. d) Der mähriſche Schleppſchlitten. Die Kufen find 87 em lang, 7˙9 em vorne und 10 em rückwärts breit, die Spurweite miſst 60°5 em, die Deichſel it 205 em lang, die Rungen oder ſeitlichen Stützen meſſen 105 em. Das Ladungsvermögen ſchwankt zwiſchen 0˙7 und Arms, wovon aber nur 0˙3— 056 ms auf den Schlitten aufgelegt werden, während die weitere Ladung in 1—5 Gebünden nachge⸗ ſchleppt wird. Der Schlitten ſammt den 3 bis 6 Stück Ketten wiegt 11˙2 kg. e) Der ſteiermärkiſche Normalſchlit— ten für den Transport von Brennholz (in 2m langen runden Stücken) im Hochgebirge hat eine Geſammtlänge von 250 em, eine Breite von 80 em und drei Paar 20 em hohe Joche und 10 em hohe Kufen. Das Gewicht beträgt 22 kg, das Ladungsvermögen ſchwankt zwiſchen 1—1'8 rms Holz. Handvogel. — Hanfſeile. f) Der Holzhauerſchlitten in Sach⸗ ſen-Gotha. Derſelbe iſt für den Transport von Brennholz 0 hat 141-171 cm lange, 47 —6 em ſtarke und 9— 14 cm hohe Schlittenkufen, eine Spurweite von 42—57 em und eine 169 — 226 em lange Deichſel. g) Der Innviertler Handſchlitten zur Abbringung von Brennholz im aufbereiteten Zuſtande hat 10 cm hohe und 3 cm dicke Kufen, die nach Bedarf mit Sohlen aus hartem oder weichem Holze bekleidet werden. Für Sommer— bahnen werden 8 em breite harte und für Winterbahnen 15 cm breite weiche Sohlenhölzer mit Holzſtiften an den Kufen befeſtigt. Die durchſchnittliche Ladung ſchwankt zwiſchen 0°5 und 0:7 rm? Brennholz. h) Der Handſchlitten im Böhmer— walde geſtattet Ladungen von 3—4 rms. Die Führung des Schlittens geſchieht in der Weiſe, daſs der Arbeiter zwiſchen die Hör— ner tritt, dieſe mit den Händen umfaſst oder an der Deichſel zieht, wenn eine ſolche vorhan— den iſt, wobei er ſich eines Traggurtes bedient. 549 Handvogel, der, wird ein handgerech— ter (ſ. d.) Beizvogel genannt. „Der Hand— Vogel: gut abgerichteter Vogel, daſs er aufs Locken kommt und ſich auf die Hand ſetzt.“ Onomat. forest. II., p. 42. — Behlen, Wmſpr., 1828, p. 75, u. Real⸗ u. Verb.⸗Lexik. III., p. 378. E. v. D. Handwerkzeug, ſ. Werkzeuge. Fr. Hanſöl, das aus den Samen des Hanfes gewonnene fette DI (ca. 23%), iſt im friſch ge— preſsten Zuſtande grünlichgelb, wird aber bald braungelb, riecht ſchwach nach Hanf und hat einen dem Hanf ähnelnden Nebengeſchmack. Es gehört zu den trocknenden Olen, ſein fpec. Gewicht iſt = 0•9276, es iſt ſehr dünnflüſſig und dient theils in der Olmalerei, theils zur Bereitung der weichen Schmierſeifen. v. Gn. Hanfſeile finden im forſtlichen Transport— weſen, u. zw. beim Holzrahmen, Holzſeilen u. dgl. eine hervorragende Verwendung. Gewöhnlich be— ſtehen die Seile aus einem ungedrehten Kern aus Hanf und vier oder auch mehr Litzen, welche aus einer Anzahl Fäden gebildet werden. Die Litzen und Fäden werden unter einem Winkel von 30—60° derart gedreht, daſs die Drehung der Fäden in einer Litze von links nach rechts und jene der Litzen im Seile von rechts nach links erfolgt. Die Litzen werden beim Anfer— tigen des Seiles um 10—15% ihrer Länge verkürzt. Redtenbacher und Weißbach nehmen einen abſoluten Feſtigkeitscoéfficienten von Fig. 404. Handſchlitten. a Kufe, d Schanzſtängg⸗ e Offnung für die Kipfen (Rungen), k Sperrtatze 8 von Holz (Krempel), BT von Eijen. Im ſtarken Gefälle wird der Schlitten gehemmt, ſei es durch Zurückhalten oder Anhängen von Gebünden Holz (Hunden) oder auch durch Um- winden der Kufen mit Ketten oder Bindwieden. Die Handſchlitten im Hochgebirge haben als Hemmvorrichtung eigene Sperrtatzen oder eiſerne Haken (Fig. 404) mit einer bis zum Kufenhorn reichenden hölzernen Handhabe (Krempel), die nach Bedarf in den Boden eingedrückt werden können. Bei entſprechendem Gefälle und guter Bahn vermag ein Arbeiter auf einer Wegſtrecke von 1˙5 km 10—12 rms, auf einer von 3 km jedoch nur 3—5 rm? zu überführen. Der Rücktrans⸗ port der Schlitten geſchieht durch Ziehen; mit— unter werden ſie auch auf dem Rücken ge— tragen. Im allgemeinen wird der Erfolg des Hand— ſchlittentransportes von der Zweckmäßigkeit der Schlitt⸗ und Schlagwege, der Beſchaffenheit der Schlittbahn, vom Weggefälle, von der Lage, von den Witterungsverhältniſſen, von der Be— ſchaffenheit der Hölzer und der Handſchlitten, von der Zainung der Hölzer und deren Stel— lung und Entfernung von den Zugwegen in mehr oder minder hohem Grade beeinfluſst. Mittelſt Menſchenkraft werden vorwiegend nur Brennhölzer gezogen, während bei Nutzhölzern zumeiſt nur Zugthiere in Verwendung kommen (ſ. Gefälle, Geſchwindigkeit, Schlagwege). Fr. 5 Alfenhorn, e Joch (Sbel) 500 kg pro Quadrateentimeter an, bemerken aber, daſs dem Seile nur ein Fünftel dieſes Tragvermögens, d. i. 100 kg pro Qua— dratcentimeter, zugemuthet werden dürfe. Wenn P die Tragfähigkeit in Kilogramm und d der Durchmeſſer eines Seiles in Centi— meter iſt, jo beträgt P = 78.5 dz. Für die Praxis genügt es, wenn P = 100 ds oder d -TV P geſetzt wird. Getheerte Seile ver— lieren 25% von ihrem Tragvermögen, und muſs in einem ſolchen Falle der berechnete Querſchnitt um ein Viertel oder der Durch— meſſer um 10% ſtärker angenommen werden. Das Gewicht eines laufenden Centimeters Rundſeil läſst ſich nach der von Weißbach aufgeſtellten Formel G = 009 ds für nicht ge- theerte und G = 0˙408 d? für getheerte Seile berechnen. Für die Tragfähigkeit gibt Redten— bacher folgende Werte an: Seilſtärke Tragvermögen Seilſtärke Tragvermögen em kg em kg 0˙6 28 3:0 702 0˙8 50 32 798 1˙0 78 3˙4 902 1˙2 112 3:6 1010 1˙4 153 38 4125 1:6 200 40 1248 1˙8 252 4˙2 1376 2-0 312 4 ˙4 1509 2˙2 377 4˙6 1650 2˙4 449 4˙8 1797 2˙6 527 5˙0 1950 2˙8 610 52 2109 Nach Angaben von Felter verhalten ſich Seile mit loſem und feſtem Schlag bei gleichem Volumen dem Gewichte nach wie 1: 1˙8 und dem Tragvermögen nach wie 1:45. Seile der erſteren Art finden bei Flaſchenzügen, Winden u. dgl., Seile der letzteren Art als Förder⸗-, Schiffs-, Flößer- und Triftſeile Anwendung. Fr. Hängedohne, die, eine Dohne, deren Bü— gel frei aufgehangen, nicht in den Boden ge— ſteckt oder an einem Baum befeſtigt wird, vgl. Dohne. „Wie ſich nun die vorher beſchriebe— nen Dohnen an ſtarken Bäumen nicht allzugut einbohren und einſchlagen, ſo macht man der— gleichen Hänge-Dohnen.“ Döbel, Jägerprak— tifa, Ed. I, 1746, II., fol. 223. — Großkopff, Weidewerckslexikon, p. 149. — Onomat. forest. Ir) 9.908 Jeſter, Kleine Jagd, Ed. I, 1799-1808, III., p. 83. — Wanmann, Vogel— ſteller, p. 117. — Bechſtein, Hb. d. Jagdwiſſen— ſchaft I., 3., p. 644. — D. a. d. Winkell, Hb. f. Jäger II., p. 273. — Hartig, Lexik., p. 232. — Sanders, Wb. I., p. 304. E v. D. Hängegarn, das, ſ. v. w. Ziehgarn, ſ. d. Onomat. forest. II., p. 33. — Behlen, Wmſpr., 1828, p. 74, und Real- u. Verb.⸗Lexik. III, p. 645. — Sanders, Wb. I., p. 541. E. v. D. Hängel, der, localer ſeltener Ausdruck für Hängedohne, ſ. d. Niſſer, Jagdhiſtorie der Teutſchen, p. 229. — Sanders, Wb. I., p. 687. E. v. D. Hängen, verb. trans. u. reflex. J. Vom Hund und den hundeartigen Raub— thieren ſ. v. w. Hängenbleiben beim Begat— tungsact; daher auch ſynonym mit Begatten überhaupt. „Hat ſie (die Hündin) mit ihm (dem Hunde) 4—6mal gehangen, d. h. ſich begattet . . .“ Winkell, Hb. f. Jäger II., p. 26. — „Nunmehr belaufen ſich die Wölfe bleiben auch zuſammen hängen wie die Hunde...“ Fleming, T. J, 1729, I., fol. 339. — Bech⸗ ſtein, Hb. d. Jagdwiſſenſchaft I., 1., p. 265. — „Während der Begattung hängen die Füchſe wie die Hunde aneinander.“ Hartig, Lexik., p. 203. — Laube, Jagdbrevier „p. 281. R. R. v. Dombrowski, Der Fuchs, p. 21, 187. II. Vom Jäger und Hund ſ. v. w. auf einer Fährte nachhängen, harren, nachharren, ſ. d. Schon mhd.: „Dar näch nit hengen ar- beit waer ze liden.“ „Solt du mit hengen einez nimer dannen triben.“ „Mir widerfuor bi ziten dar nach ich henget.“ „Du solt ein wil gemache näch im hengen.“ Hadamar v. Laber, Diu jagt, str. 40, 42, 210. — „Er hat geretielichen gehenget vnd gehetzet.“ Der Minne Falkner, str. 171. „Ich hor ein jeger henge auf rechter spur dez hirzen fant.* Peter Suchenwirt, Jagdallegorie, v. 19 — „Das ich henget mit einem Leydthundt nach einem hirsch...“ Nos Meurer, Ed. I, FN 1560, fol. 96. — Sanders, Wb. I., p. 687, u. Erg.⸗Wb, p. 256. E. v. D. Hangendes Se man in der Geologie die über irgend einer Schicht oder Schichten— gruppe befindlichen, alſo bei normalen Verzält⸗ niſſen jüngeren Geſteinsablagerungen, Liegen— des dagegen die unter ihr befindlichen (mithin älteren) Geſteinsſchichten. v. O. Hängeſeil, das, das Seil oder der Rie— Hängedohne. — Hardouin Seigneur de Fontainnes-Guérin. men, woran der Leithund geführt wird, vgl. Hatzband, Hatzſeil, Hatzſtrick, Hatzriemen, ſeltener findet der Ausdruck auch beim Schweißhund Anwendung. „Hänge-Seil 9 95 der lange Riemen, daran der Leithund geführt wird.“ Flenang, T. J., 1729, fol. XII, u. Anh., fol. 30 7. „Der Leithund wird an einem Hängeſeil geführet, Pärſon, Hirſchgerechter Jäger, 1734, fol. 82. „Das Hänge-Seil wird dasjenige genennet, was dem (Leit-) Hunde an den Hals gemacht wird und aus Leder und einem Seile beſtehet.“ Döbel, Jägerpraktika, 1746, I., fol. 87. — Großkopff, Weidewerckslexikon, p. 349. — Göchhauſen, Notabilia venatoris, fol. 4. — C. v. Heppe, Aufr. Lehrprinz, p. 4. — Mellin, Anltg. z. Anlage von Wildbahnen, 1777, p. 134. — Chr. W. v Heppe, Wohlred. Jäger, p. 162. — Onomat. forest. II., p. 34. — Bechſtein, Hb. d. Jagdwiſſenſchaft I., 1, p. 277. — D. a. d. Winkell, Hb. f. Jäger 15 p. 36. Hartig, Lexik., p. 233. — Laube, Jagdbrevier, p. 281. — Behlen, Wmſpr., 1828, p. 74, und Real- u. Verb.⸗Lexik. III., p. 645. — Die Hohe Jagd I., p. 362. — Sanders, Wb. II., p. 680. E. v. D. Hängſäulen, ſ. Holzbrücken. Fr. Hängſtock, j. Abbringung. Fr. Hängwerksbrücken, ſ. Holzbrücken. Fr. Harbke, ein Gut in der Nähe von Helm— ſtädt (Braunſchweig), welches im vorigen Jahr— hundert einem Hofrichter von Veltheim gehörte, der daſelbſt in großem Umfang Anbauver— ſuche mit verſchiedenen omerikaniſchen Bäumen und Sträuchern vornahm. Dieſe kamen zu An— fang des XVIII. Jahrhunderts zuerſt über Eng— land nach dem mit ihm politiſch verbundenen Hannover. Du Roi hat dort das Material für ſein Werk „Die Harbke'ſche wilde Baumzucht theils nordamerikaniſcher und anderer fremder, theils einheimiſcher Bäume, Sträucher und ſtrauchartiger Pflanzen“ (Braunſchweig 1770 und 1771) geſammelt. Schw. Hardouin Seigneur de Fontainnes- Guérin, einer der bedeutendſten franzöſiſchen Jagdſchriftſteller des XIV. Jahrhunderts. Er ſtammt aus einer alten Familie, welche bereits zu Beginn des XII. Jahrhunderts im Beſitze der im Canton Beaufort des Departements Maine— et⸗Loire gelegenen Herrſchaft Fontainnes war, und wurde daſelbſt um 1362 geboren. Hardouins Vater hatte überdies vom Herzog Louis J. von Anjou gegen jährliche Entrichtung einer Geld— ſumme im Werte eines goldenen Spornes das Jagdrecht in dem ganzen zwiſchen den Flüſſen Maine und Loire gelegenen Waldgebiete, ſowie in einzelnen anderen angrenzenden Diſtrieten erworben und lebte faſt ausſchließlich den Freuden der Jagd, welchen auch ſein Sohn, von ihm und einem gleichfalls als Weidmann be— rühmten Edelmann, Guillaume du Pont, ge— leitet, von Jugend auf leidenſchaftlich ergeben war. Im Jahre 1380 trat Hardouin als Ba— chelier in die Compagnie Pierre de Bueils, ſeines nachmaligen Schwagers, ein; bald je— doch ſah er ſich wieder zum Austritte genöthigt, da ſein Vater, ſowie der ihm freundlich geſinnte Herzog von Anjou gejtorben waren, die die Jagdrechte der Familie beſtätigende Urkunde Harke. — Harnickell. | 551 verloren gegangen war und mehrere der be- nachbarten Herren dieſe Rechte für ſich in An— ſpruch nehmen wollten. Nach langen, zum Theile nicht unblutigen Kämpfen gelang es Hardouin erſt im Jahre 1392 mit Hilfe Pierre de Bueils von Ludwigs Witwe, der Herzogin Marie de Bretagne, die Beſtätigung aller ſeinem Vater verliehenen Privilegien zu erhalten. Aber ſchon einen Monat ſpäter (October 1392) muſste er ſeine Beſitzungen abermals verlaſſen und als Lehensträger der Herzoge von Anjou an deren Fehde gegen die Grafen theilnehmen. Er wurde in einem der Gefechte gefangen genommen und auf das Schloſs Merargnes des Grafen Wil— helm Roger von Beaufort gebracht, nach deſſen bald erfolgtem Tode ſeine Witwe, Eleonora von Comminges, Gräfin von Touraine, den Befehl über das Schloss und ſomit auch die Aufſicht über Hardouin übernahm. Während ſeiner Ge— fang enſchaft, die bis 1393 dauerte, verfaſste Hardouin ſeinen „Trésor de Vénerie“, der ſeiner eigenen Angabe nach am 10. December 1394 vollendet ward. Bald nach ſeiner Freilaſſung, die er durch ein Löſegeld erreichte, vermählte er ſich mit der Marie de Bueil, der damals erſt 11 Jahre zählenden Tochter ſeines ehe— maligen Capitäns, ſtarb jedoch ſchon 1399 eines plötzlichen Todes. Hardouins „Tresor de Vénerie“, ein 1948 Verſe umfaſſendes Lehrgedicht über die Par— forcejagd, zerfällt in zwei Theile, deren erſter die gebräuchlichen Hornſignale, letzterer die Durchführung der Jagd ſelbſt behandelt. Dieſer zweite Theil iſt, da er faſt nur eine verſificierte Wiedergabe der bezüglichen Capitel in Gaſton de Foiz (j. d.) Werk bildet, von geringem Werte; um ſo höher dagegen iſt in cultur- und jagd— hiſtoriſcher Beziehung jener des erſten Theiles, da derſelbe die einzige ergiebige Quelle zur Kenntnis der mittelalterlichen Jagdmuſik bietet. Wir werden daher auf dieſes Werk noch im Artikel „Jagdmuſik“ ausführlicher zurückkommen. Dasſelbe iſt uns nur in einer einzigen, mit 21 Miniaturen geſchmückten Handſchrift er- halten, welche Baron Jérôme Pichon im Jahre 1855 in einer Amateurausgabe erſcheinen ließ: „Le Trésor de Venerie, poöme composé en 1394, par Messire Hardouin de Fontainnes- Guérin; publié pour la premiere fois avec des notes par le Baron Jeröme Pichon, et orné de gravures à l’eau-forte reproduisant les miniatures du manuscrit, par M. Fred. Villot. A Paris, Techener 1855, in-8°*; leider iſt dieſe vorzügliche Ausgabe unvollendet geblieben, da nur deren erſte, 94 Seiten mit dem Texte und einem Theile des Commentars enthaltende Hälfte im Druck erſchienen iſt. Dieſelbe iſt heute längſt vergriffen und ſehr ſelten gewor— den, ebenſo eine zweite, nur in 200 Exemplaren erſchienene Ausgabe: „Tresor de Venerie, com- posé l'an Mecexcijij par Hardouin, seigneur de Fontainnes-Guerin, et publié par M. H. Michelant. Metz, Rousseau Pallez, 1856, in- S?“. Vgl. auch Ernſt R. v. Dombrowski, „Die mittel- alterliche Jagdliteratur Frankreichs“, 1886, p. 36 ff. E. v. D. Sarke, ſ. v. w. Rechen, ſ. Forſtcultur⸗ geräthe sub 4. Gt. Sarlekinfpanner, Stachelbeerſpanner, Abraxas grossulariata L., Gattung der Familie Geometrina, Abtheilung Dendrometridae; ſpannt 40—43 mm, iſt ausgezeichnet durch ſchwarze, dottergelb ausgefüllte Flecken auf den ſchnee— weißen Flügeln und durch dottergelben, reihig ſchwarzgefleckten Hinterleib. Die Borſtenhaare tragende Raupe iſt bauchſeits dottergelb, rücken— ſeits weiß mit reihig geſtellten ſchwarzen Flecken— zeichnungen. Sie frist vom September an, überwintert, ſetzt den Fraſs im Mai fort und verpuppt ſich im Juni im Boden in einem lockeren Geſpinſte. Schmetterling: Juli, Auguſt. Ribes-Arten, Pflaumen, Aprikoſen und anderes Gehölz bilden die Nährpflanzen; kommt in manchen Jahren in großer Menge vor und kann nur durch Abklopfen der Raupen auf untergelegte Tücher vertilgt werden. Hſchl. Harmalin, C3 IIIa NO, findet ſich neben Harmin im Samen von Peganum Harmala. Es ſind ſchwach bitter ſchmeckende, farbloſe Kry— ſtalle, die den Speichel gelb färben, in Waſſer ſchwer, in heißem Alkohol leicht löslich ſind und bei 238° unter Zerſetzung ſchmelzen. v. Gn. Harmattam iſt ein an der Goldküſte zwiſchen November und März zeitweiſe aufs tretender ſehr trockener, rothen Staub mit ſich führender Oſtwind. Während der Herrſchaft dieſes Landwindes ſind die Morgen und Abende kühler, liegt die Mittagstemperatur höher, während die Mitteltemperatur nur geringe Anderung zeigt; der Luftdruck liegt über dem Normalen. — Vgl. Hann, „Handbuch der Kli- matologie“ 1883. Gßn. Harmin, C3 NH. 20, entſteht durch vor⸗ ſichtige Oxydation aus Harmalin und iſt Be- gleiter des letzteren. v. Gn. Ssarmonika, chemiſche. Hält man über eine Waſſerſtoffflamme eine Glasröhre, ſo ent— ſteht ein Ton, der von den Schwingungen der Luftſäule in der Röhre herrührt, die durch die ununterbrochenen kleinen Exploſionen hervor— gerufen werden, indem der ausſtrömende Waſſer— ſtoff ſich mit der atmoſphäriſchen Luft miſcht. v. Gn. Harn, das, härenes Seil, auf die Wurzel Haar zurückzuführen, bezw. aus dieſer verdor— ben. „Nachgehends werden ſie (die Hunde) mit den Kuppeln an die Harn genommen; dieſes ſind lange Seile, von Pferdehaaren und Hanff gemachet.“ Döbel, Jägerpraktika, Ed. I, 1746, II., fol. 201. — „Harn, hänfene oder pferde⸗ haarene Stricke, woran junge Parforcehunde ausgeführt werden.“ Behlen, Wmſpr., 1828, p. 73, und Real- u. Verb.⸗Lexik. III., p. 383. — Die Hohe Jagd, Ulm 1846, I., p. 362. Harnickell, Joh. Kaſpar, geb. in Reckerode (Kreis Hersfeld in Kurheſſen), geſt. 6. Februar 1826 in Oberkaufungen, entſtammte einer der älteſten Förſterfamilien Kurheſſens (bis zur Mitte des vorigen Jahrhunderts hatten auf ein und der ſelben Förſterei nacheinander ſieben Söhne ihre Väter abgelöst), durchlief verſchiedene forſtliche Dienſtgrade und wurde ſpäter Lehrer an der am 1. Auguſt 1789 unter Leitung des Oberforſt⸗ meiſters von Witzleben eröffneten Forſtſchule zu Waldau (bei Kaſſel), daneben fungierte er als Oberförſter in Oberkaufungen. Schw. 552 Harnickell, Karl Heinrich, geboren 20. November 1793 in Holzhauſen (Kurheſſen), geſtorben 14. Auguſt 1860 in der Kaltwaſſerheil— anſtalt Königs shof (bei Münden), Sohn des Joh Kaſpar H., erhielt ſeine Vorbildung auf der Dorf— ſchule zu Oberkaufungen und bei dem dortigen Pfarrer, ſpäter auf dem Lyceum in Kaſſel. Von 1809 ab erlernte er das Forſt- und Jagdweſen praktiſch und ſtudierte ſodann in dem Privat— inſtitut von E. Fr. Hartig in Fulda. Die Feld— züge gegen Frankreich 1814/15 machte er im kurheſſiſchen Jägerbataillon als Freiwilliger mit. 1819 erhielt er eine Anſtellung als rei— tender Förſter zu Rottebreite, wurde 1821 zum Oberförſter von Fulda mit dem Wohnſitz in Eichenzell, ſowie zugleich zum Lehrer des prak— tiſchen Forſt- und Jagdbetriebes an der 1816 zu Fulda errichteten ſtaatlichen Forſtlehranſtalt ernannt. 1833 erfolgte ſeine Beförderung zum Forſtmeiſter der Inſpection Hanau anfangs mit dem Wohnſitz in Gelnhauſen, ſeit 1834 in Hanau. 1843 wurde Harnickell in gleicher Eigenſchaft nach Marburg verſetzt, 1845 als Vertreter in den kurheſſiſchen Landtag gewählt, 1849 Oberforſtmeiſter und ſtimmführendes Mit- glied des Oberforſtcollegiums zu Kaſſel, ſeit Ende 1851 Director der Forſtl e zu Melſungen. Harniſch, der, ſ. v. w. Panzer, Schl des Schwarzwildes, |. d.; Sauen, die einen ſtarken Panzer tragen, heißen Harniſchſchweine. „Wenn die alten Keuler ſich in den hitzigen Brunftkämpfen an den Blättern und Keulen verwundet und an harzigen Fichten und Kiefern gerieben haben, ſo verwandeln ſich dieſe Stellen durch die dadurch verbundene und gleichſam aneinander geleimte, dichte Wollunterlage in eine Art von Panzer, an welchem alle Spieße und Kugeln abprallen, und ſolche Schweine haben den eigenen Namen: Panzer- oder Harniſch⸗ 1 Bechſtein, Hb. d. Jagd— wiſſenſchaft I., 1., p. 144. — Le Verrien de la Counterie, nn Jäger, 1789, p. 309. Bari, Lexik, p. 235. — Die Hohe Jagd, Ulm 846, I., p. 362. — Sanders, Wb. I., p. 694. 5 . E. v. D. Harnſäure, C,H,N,O,, findet ſich im Harne faſt aller Thiere, namentlich in dem der Fleiſch- und Körnerfreſſer; bei den Grasfreſſern iſt ſie durch Hippurſäure erſetzt. Ferner im Blute, im Guano, in den Harnſteinen und Gichtknoten und am reichlichſten, meiſt an Am— moniak gebunden, in den Exerementen der Schlangen. Zu ihrer Darſtellung verwendet man am beſten Schlangenereremente, die mit ver— dünnter Kalilauge ſo lange erhitzt werden, bis kein Ammoniak mehr entweicht; darauf wird das Filtrat mit Kohlenſäure geſättigt und das abgeſchiedene ſaure harnſaure Kali nach dem Auswaſchen mit Waſſer in verdünnte ſiedende Salzſäure eingetragen, worauf ſich reine Harn— ſäure abſcheidet. Die reine Harnſäure iſt ein weißes, kryſtalliniſches, perlmutterglänzendes, geſchmack- und geruchloſes Pulver, ſchwer lös⸗ lich in Waſſer, Alkohol und Ather. Sie hat ſchwach ſaure Eigenſchaften und reagiert ſehr wenig ſauer; ihre Salze mit einem Atom eines einwertigen Metalls reagieren neutral daneben * Harnickell. — Harnſtoff. "u bildet die Harnſäure noch Salze mit zwei Atomen einwertiger Metalle, welche ſtark al— kaliſch reagieren. Zwei Waſſerſtoffatome der Harnſäure laſſen ſich auch durch Alkoholradicale erſetzen (z. B. Methyl- und Dimethylharnſäure). Zur Nachweiſung kleiner Mengen von Harnſäure dient die ſog. Murexidprobe (ſ. d.). v. Gn. Harnſtoff (Carbamid), CH. NO, wurde als normaler Beſtandtheil des menſchlichen Harns zuerſt 1773 von Rouelle nachgewieſen, 1799 von Foureroy und Vauquelin rein dar— geſtellt und 1828 von Wöhler durch Syntheſe aus Ammoniumcyanat gewonnen. Außer im menſchlichen Harn iſt er nachgewieſen worden: im Blute, dem Fruchtwaſſer, im Schweiße, in der Glasflüſſigkeit des Auges der Säugethiere, in der Leber, den Muskeln der Knorpelfiſche, im Harn der Vögel und einiger Reptilien. Aus menſchlichem Harn gewinnt man den Harnſtoff, indem man 2 Vol. des erſteren mit 1 Vol. Barytlöſung (305 g BaCl, in einem Liter) ver⸗ ſetzt, den entſtandenen Niederſchlag von phos— phorſaurem und ſchwefelſaurem Baryt abfil— triert, das Filtrat im Waſſerbade zur Trockene verdampft, den Rückſtand mit Alkohol auszieht, filtriert, abdampft und die verbliebene Salz— maſſe mit abſolutem Alkohol behandelt, welcher den reinen Harnſtoff aufnimmt und beim Ver— dunſten deuſelben in farbloſen Kryſtallnadeln abgibt. Außer der künſtlichen Darſtellung aus Ammoniumcyanat — der erſten Syntheſe einer organiſchen Verbindung — ſind noch viele andere Darſtellungsmethoden für Harnſtoff ent— deckt worden, welche indes nur theoretiſches In— tereſſe haben. Bei der Darſtellung des Harnſtoffes aus Cyanammonium wird folgendermaßen verfahren: Trockenes gelbes Blutlaugenſalz wird zerkleinert und in einer flachen eiſernen Schale auf dem Gasofen vom größten Theile des Kryſtallwaſſers befreit, darauf fein gepulvert und nochmals in der eiſernen Schale möglichſt ſtark erhitzt. Das faſt weiße, feine Pulver wird noch warm mit dem gleichen Gewichte ebenfalls ſcharf getrock— neten, fein gemahlenen Braunſteins guter Qua— lität und etwas trockener Potaſche innig ge— miſcht und darauf das Gemiſch in der eiſernen Schale raſch ſo ſtark erhitzt, daſs die Maſſe er— weicht und verglimmt, u. zw. ſo lange, bis eine kleine Menge des Products, in Waſſer gelöst und mit Salzſäure angeſäuert, auf Zuſatz von Eiſenchlorid kein Berliner Blau erzeugt. Die ſchwarze ſchlackige Maſſe, ein Gemiſch von Manganoxydoxydul, Eiſenoxyd und cyanſaurem Kali, wird fein gepulvert und in kalte wäſſerige Löſung von ſo viel ſchwefelſaurem Ammoniak eingetragen, als nöthig iſt zur Umſetzung in cyanſaures Ammon und ſchwefelſaures Kali (auf 1 Theil entwäſſertes Blutlaugenſalz 1 Theil feſtes ſchwefelſaures Ammon). Nach längerem Stehen wird aufgekocht, filtriert, das Filtrat zur Trockene verdampft und der feingepulverte Salzrückſtand mit heißem Alkohol ausgekocht. Derſelbe löst den Harnſtoff auf und läſst die ſchwefelſauren Salze ungelöst zurück. Während des Erkaltens kryſtalliſiert der Harnſtoff in farb— loſen Prismen aus. Harnzucker. — Hartblei. 553 Der Harnſtoff iſt ein farbloſer, feſter, in Waſſer und heißem Alkohol leicht löslicher, in Ather faſt unlöslicher Körper von kühlend ſalzigem Geſchmack, kryſtalliſiert ohne Waſſer in meiſt gerieften, dem Kaliſalpeter ähnlichen Prismen von 1˙3 ſpec. Gew., ſchmilzt bei 120°, reagiert neutral, vermag ſich aber ſowohl mit Säuren, wie mit Metalloxyden und auch mit Salzen chemiſch zu verbinden. Um den Harn— ſtoff qualitativ im Harn nachzuweiſen, werden etwa 20 g im Waſſerbade bis zur Sirupeon— ſiſtenz abgedampft und der Rückſtand wiederholt mit Alkohol behandelt; nach dem Verdunſten des Alkohols läſst man die Kryſtalliſation mit Salpeterſäure unter dem Mikroſkope vorſichgehen, wobei man dann leicht die charakteriſtiſchen Winkel (822) der Blättchen des ſalpeterſauren Harnſtoffes erkennt. Zur quantitativen Beſtimmung des Harn— ſtoffes gibt es mehrere Methoden. Eine häufig angewandte iſt folgende: Nachdem der Harnſtoff aus dem eingedickten Harn extrahiert worden iſt, ſetzt man zu der verdünnten Löſung eine verdünnte Löſung von ſalpeterſaurem Queck— ſilberoxyd und neutraliſiert die freie Säure von Zeit zu Zeit mit kohlenſaurem Natron, wobei ein flockiger, weißer Niederſchlag entſteht. Iſt der Harnſtoff in Verbindung mit Queckſilber— oxyd gefällt, ſo wird der darauffolgende Tropfen von kohlenſaurem Natron eine gelbe Färbung von Queckſilberhydroxyd oder baſiſchem Salz hervorrufen Übrigens iſt dieſe Methode nur anwendbar, wenn aus dem Harn zuvor das Chlor durch ſalpeterſaures Silber, ferner Schwefelſäure und Phosphorſäure mittelſt Ba— rytwaſſers ſorgfältig entfernt wurden. Beim Erhitzen mit Waſſer unter höherem Druck zerfällt der Harnſtoff in Kohlenſäure und Ammoniak, beim Erhitzen ohne Waſſer in Cyan— ſäure und Ammoniak, durch Einwirkung von ſalpetriger Säure in Kohlenſäure, Stickſtoff und Waſſer. Im Harnſtoff können ſehr mannigfaltige Subſtitutionen vorſichgehen. So kann zunächſt der Sauerſtoff durch andere zweiwertige Ra— dicale erſetzt werden; geſchieht es durch Schwefel, ſo entſteht der Schwefelharnſtoff, geſchieht es durch Imid, ſo erhält man das Guanidin. Außer dieſen Subſtitutionen ſind auch die der vier Waſſerſtoffatome möglich. Der Harnſtoff iſt das Endglied der regreſ— ſiven Stoffmetamorphoſe; der größte Theil der umgeſetzten ſtickſtoffhaltigen Gewebe des thieri— ſchen Körpers verläſst den Organismus in Form von Harnſtoff. v. Gn. Harnzucker, ſ Dextroſe. v. Gn. em Gattung der Familie Cara- bidae, ſ. d Hſchl. Harpyia, Gattung der Familie Notodon- tina (Abtheilung Bombyces, Spinner), mit der, auf Weiden und Pappeln ſich entwickelnden, durch auffallend gebaute und gezeichnete Raupe ſich bemerkbar machenden Art: Harpyia vinula L., Gabelſchwanz. Der glatten, im allgemeinen grünen, auf dem Rücken dunkler gefärbten Raupe fehlen die Afterfüße; der 4. Ring bildet einen hochaufſteigenden Buckel; das Afterſeg— ment trägt zwei lange Röhren, aus welchen die Raupe weiße Fäden hervortreten läſst. Der Kopf larvenförmig rothgerändert. Verpup— pung in einem harten, aus Holzſpänen gefer— tigten Cocon. Außer den genannten kommen auf Pappeln und Weiden nicht ſelten vor Harp. bifida Bk. und fureula L. Hſchl. Harren, verb. intrans., nur mhd. ſ. v. w. hengen, nachhängen; den Hund harren lazen — ihn nachhängen laſſen. „Daz (gehunde) harret niht die lenge.“ Hadamar v. Laber, Diu jagt, str. 164. — „Darnach so laz ich (den hunt) harren.“ Hugo v. Monfort, Jagdallegorie, v. 38. — „Doch harr ich nach mit meinem hund...“ Peter Suchenwirt, Jagdallegorie, N 20. E. v. D. Harro, interject., Zuruf an den Schützen, um ihn auf das Kommen eines Stückes nie— deren Haarwildes aufmerkſam zu machen; vgl. Tajo, Wallo, Hillo, Tiro. Wildungen, Neu— jahrsgeſchenk, 1798, p. 1. — Harkig, Lexik, p. 232. — Laube, Jagdbrevier, p. 280. — Behlen, Real- u. Verb. Lexik. III., p. 584. — Sanders, Wb. I., p. 695. E. v. D. Hart, adj., nennt man einen Hund, wel— cher nicht wehleidig iſt und daher Strafen we— niger empfindet als ein weicher, ſ. d. „Ein weichlicher Hund läſst ſich nicht ſo harte an— greifen, als ein harter . . Ob es gleich mit dem harten Hunde eine ſauere Mühe iſt, ſo kann man ihm doch auch wieder was zumuthen.“ Döbel, Jägerpraktika, Ed. I, 1746, I., fol. 112. — „Ein harter Hund iſt: der dem Jäger, der ihn arbeiten ſolle, anfänglich ſehr viel Mühe mache, ehe er ihn ein wenig in die Ordnung bringen kann; ferner ein Hund, der nicht wind— und wetterſcheu, auch ſich aus der Arbeit nichts machet.“ C. v. Heppe, Aufr. Lehrprinz, p. 303. — Hartig, Lexik., p. 236. — Behlen, Wmſpr., 1828, p. 75, und Real- u. Verb. Lexik. III., P. 203. — Laube, Jagdbrevier, p. 281. — R. R. v. Dombrowski, Der Fuchs, p. 188. — Auch Wild, welches ſehr zählebig iſt, wird hart ge— nannt. E. v. D. Hartblei iſt eine in Perſchte Ab⸗ ſtufungen vorkommende Legierung von reinem (Weich-) Blei mit anderen Metallen; hiezu wird beſonders das härtere Zinn und das ſehr ſpröde Antimon oder auch wohl Wismuth be— nützt, deren Legierungen mit Blei etwas ge— ringeres ſpeeifiſches Gewicht und niedrigeren Schmelzpunkt als reines Blei, aber eine be— deutend geſteigerte Härte aufweiſen. Hartblei eignet ſich wegen dieſer letzteren Eigenſchaft in gewiſſer Beziehung zur Herſtellung ſowohl von Einzelgeſchoſſen (ſ. Brand, Führung), als von Schrot (f. Hartſchrot); für beide pflegt nur ein verhältnismäßig geringer Zuſatz verwendet zu werden; beiſpielsweiſe beſteht das Hartblei— geſchofs des engliſchen Jufauteriegewehres m7. (Martini⸗Henry) aus 92%, Blei und 8% Zinn, durch welchen Zuſatz das ſpecifiſche Gewicht in praktiſch vollkommen bedeutungsloſer Weise von etwa 11˙25—11˙39 (Weichblei je nach der Be— ſchaffenheit) auf nur 10˙9 herabgegangen, die Härte aber bedeutend geſteigert iſt. Geſchoſſe für Jagdwaffen pflegen einen weit geringeren Zinnzuſatz aufzuweiſen. Über Hartſchrot \ d. Th. 95% Härten. Stahl zeigt in beſonders hohem Maße die auch manchen anderen Metallen zukom— mende Eigenſchaft, daſs er durch raſche Abkühlung aus der Glühhitze eine ganz außerordentliche und um ſo bedeutendere Härte annimmt, je größer der Unterſchied der Glutwärme von der Temperatur des Abkühlungsmittels (Waſſer, Fett, Ol, Säuren, Salzlöſungen ꝛc) war, bezw. je plötzlicher die Abkühlung vor ſich gieng; die Härte kann durch dies Verfahren bei gewiſſen Sorten jo geſteigert werden, dafs der Stahl ſelbſt Glas ritzt. Mit wiederholter Erhitzung (und bezw. langſamem Abkühlen) gewinnt der Stahl ſeine urſprüngliche Bear— beitungsfähigkeit wieder. Die wertvolle Eigenſchaft der Härte findet auch in der Waffentechnik Anwendung und macht den Stahl zu denjenigen Gegenſtänden (Werk— zeugen) beſonders geeignet, welche durch ſtarken Gebrauch zu raſch abſchleißen könnten. Da in— des mit zunehmender Härte auch die Sprödig— keit wächst und hiedurch die betreffenden Gegen— ſtände an Biegſamkeit und Elaſticität einbüßen, ſo muſs der Verwendung entſprechend ein be— ſtimmter Härtegrad innegehalten werden. Der— ſelbe kann entweder durch Abkühlen aus dunkler oder hellerer Rothglut auf den geeigneten Temperaturgrad — Eintauchen in ſchwer ſie— dende, kältere oder wärmere Bäder — oder dadurch erreicht werden, daſs man die glühende Oberfläche im Bade ſchnell ablöſcht und ſich dann vor völligem Erkalten vom Innern des zu härtenden Stückes aus wieder erwärmen läſst. Kleinere Gegenſtände (Federn, Schloſs— heile ꝛc.) werden ganz „abgeſchreckt“ und von Neuem vorſichtig erwärmt, d. h. „angelaſſen“. Hiebei treten auf der Oberfläche des Stahles verſchiedene Farben, die ſog. Anlauffarben auf und geben dem Erfahrenen ein ſicheres Kennzeichen für den Grad des „Temperierens“. Dieſe Farben durchlaufen beim Erwärmen die Reihe: blajsgelb (220° C.), ſtrohgelb (230°), braun (255°), purpurroth (270°), hellblau (288°), dunkelblau (293°) und ſchwarzblau (320°); fie verſchwinden bei höherer Erwär— mung, bleiben aber, wenn man das Stahlſtück zur Zeit der betreffenden Farbe von neuem ſchnell abkühlt. Bei feineren Werkzeugen, bei welchen es ſehr genau auf den beſtimmten Härte- und Elaſticitätsgrad ankommt, geſchieht die Erwärmung durch Eintauchen in Metall: bäder von genau bekannter und gleichbleibender Temperatur. Schmiedeiſen wird, ähnlich abgekühlt, zwar nicht härter, aber doch weniger biegſam und erreicht ſeine höhere Biegſamkeit wieder bei nachheriger Erwärmung; auch Schmiedeiſen er— hält bei allmählicher Erwärmung verſchiedene nach dem Erkalten auf bearbeiteten Theilen ſichtbare Anlauffarben: ſtrohgelb (200° C.), durch dunkelgelb roth (212°), carmoiſin (230°), blau (300°), grau (380°). Um ſchmiedeiſernen Gegenſtänden wenig— ſtens an der Oberfläche die Härte des Stahls zu geben, dient das Einſetzen oder Einſatz— härten. Die betreffenden fertig ausgeſchmie— deten, bezw. bearbeiteten Theile — vom Ge— wehr beiſpielsweiſe alle Eiſentheile execluſive | I Härten. — Hartig. Lauf — werden hiezu in kohlenſtoffreiche Ma— terie (3. B. Kohle von Leder- und Hornabfällen in Miſchung mit Blutlaugenſalz) verpackt und mit dieſer langſam geglüht; hiebei bereichert ſich das kohlenſtoffarme Schmiedeiſen an ſeiner Oberfläche mit dem Kohlenſtoff der Umgebung und wird dadurch bis zu einer gewiſſen Tiefe in Stahl verwandelt; das nach dem Glühen erfolgende plötzliche Abkühlen macht dieſe Stahl- ſchicht hart und verleiht ihr zugleich eine eigen— thümliche, je nach Art und Innigkeit der Mi— ſchung des Einſatzmaterials gröber oder feiner marmorierte Farbe; dieſelbe kann entweder durch Beizen (s. d.) in eine gleichmäßig graue oder durch Anlaſſen in Anlauffarben des Stahles verwandelt werden. Auch Guſseiſen kann durch Glühen mit Reductions-(Entkohlungs-) Mitteln oberflächlich verſtählt und dann mit einer der Anlauffarben verſehen werden. Letztere allein geben daher nicht ohneweiters die Gewähr für die Art des Materials und die Eigenſchaften des aus letz— terem hergeſtellten Gegenſtandes. Th. Hartharze, ſ. Harze. v. Gn. Hartholz, in den Weisthümern und ſon— ſtigen forſtlichen Geſchichtsquellen des ſpäteren Mittelalters vorkommender Ausdruck für die beſſeren, „blumen-“, d. h. maſttragenden Bäume, zu denen meiſt nur Eichen und Buchen, in manchen e z. B im Büdinger Reichs— wald, auch: Eſchen, Elzbeer, Kirſchen, Birnen, Apfel, Nüſſe, Haſelnüſſe und Erlen gerechnet wurden. Den Gegenſatz hiezu bildete das „Weich— holz“, auch „Dufholz“, zu dem alle übrigen im Wald vorkommenden Baumarten gehörten. Näheres hierüber findet ſich in Grimm, „Deutſche Rechtsalterthümer“, p. 506. Schw. Hartig, Ern ic riebrſch geb. 24. März 1773 in Gladenbach, geſt. 17. Auguſt 1843 de Fulda, jüngerer Bruder des berühmten G. L. Hartig, bei welchem er 1789 als ſein erſter Zögling zu Hungen in die Forſtlehre trat. Von Oſtern 1792 ab ſtudierte Hartig in Göttingen, 1793 in Mar- burg, 1794— 1796 betheiligte er ſich unter der Leitung ſeines zweiten Bruders Friedrich Karl mit an den Vermeſſungs- und taxatoriſchen Arbeiten der Deutſchmeiſter'ſchen Forſte bei Mergentheim. 1797 wurde Hartig Adjunct ſeines Vaters und noch in demſelben Jahre Forſt— commiſſär bei der Forſtbetriebscommiſſion des Oberfürſtenthums Heſſen-Darmſtadt, 1802 fürſt⸗ licher Landforſtmeiſter und Mitglied des Ober— forſteollegiums in Fulda, daneben Mitglied der Oberrechnungskammer und Steuerrectifications— commiſſion, ſowie Leiter der mathematiſchen Prüfungscommiſſion. Durch die franzöſiſche In⸗ vaſion beiſeite geſchoben, gründete er 1808 ein Forſtinſtitut zu Fulda. Nach der Schlacht bei Leipzig wurde Hartig vom öſterreichiſchen Gouver— nement zum Mitglied des Landſturmausſchuſſes, Chef des Generalſtabes und zum oberſten Be— fehlshaber des Landſturmes im Fürſtenthum Fulda ernannt. Bei der ſpäteren Theilung des Ländchens zwiſchen Bayern, Kurheſſen und Weimar trater im October 1815 in kurheſſiſche Dienſte und wurde 1816 zum Oberforſtmeiſter in Fulda er— nannt, ſeine Forſtlehranſtalt wurde gleichzeitig zur Staatsanſtalt erhoben, beſtand aber nur bis Hartig. 1820; 1821 erfolgte jeine Beförderung zum wirklichen Landforſtmeiſter in Kaſſel und 1822 jene zum Oberlandforſtmeiſter, als welcher er bis zu ſeiner Penſionierung (am 1. Juli 1841) wirkte. Hartig iſt in weiteren Kreiſen namentlich als der Vertreter des von ſeinem Bruder G. L. Hartig empfohlenen Hochwaldconſervationshiebes bekannt, welchen er, jedoch mit ſehr ſchlechtem Erfolg, in den Waldungen des Fürſtenthums Fulda (hauptſächlich im Revier Flieden) einzu— bürgern verſuchte. Indeſſen verdient Hartig, abgeſehen von dieſem mehr forſtgeſchichtlichen Curioſum, doch bleibende Erinnerung wegen ſeiner Verdienſte um die Ordnung des Forſt— betriebes in Kurheſſen durch ſein erfolgreiches Wirken auf dem Gebiete der Foritorgamijation, Forſteinrichtung, des Culturbetriebes und forſt— lichen Unterrichtsweſens. Seine Erfahrungen machte er in verſchiedenen Schriften dem prak— tiſchen Forſtperſonal durch eine deſſen Bildungs— grad angemeſſene Schreibweiſe zugänglich. Schriften: Die Forſtbetriebseinrichtung nach ſtaatswirtſchaftlichen Grundſätzen, 1825; Prak— tiſche Anweiſung zur Aufſtellung und Ausführung der jährlichen Forſtwirtſchaftspläne nach Maß— gabe einer ſyſtematiſchen Forſtbetriebseinrichtung, 1826; Praktiſche Anleitung zum Baumroden nach den neueſten Verſuchen, 1827; Praktiſche Anleitung zum Vermeſſen und Chartieren der Forſte in Bezug auf Betriebsregulierung, 1828; Lehrbuch der Teichwertſchaft und Verwaltung in Verbindung mit der Wieſen- und Aderver- beſſerung, nach den Anforderungen des rationellen Landwirtes abgefaſst, 1831. Schw. Hartig, Friedrich Karl, geb. 3. Novem— ber 1768 in Gladenbach, geſt. 21. Juli 1835 im Landeshoſpital Hofheim, Bruder von G. L. Hartig, erlernte wie ſein Bruder Ernſt Friedrich das Forſtweſen praktiſch und ſtudierte zu Mar— burg, Gießen und Göttingen, wurde bereits in einem Alter von 24 Jahren, 1792, fürſtlich Hoch- und Deutſchmeiſter'ſcher Forſtmeiſter in Mergentheim a. d. Tauber. Als dieſer Ort 1809 unter württembergiſche Oberhoheit kam, wurde er entlaſſen, u. zw. wie es ſcheint, weil er ſich durch ſeine Rechtlichkeit und Pünktlichkeit die Feindſchaft der übrigen Beamten zugezogen hatte; missliebige Aeußerungen über den König von Württemberg hatten ſogar ſeine Landesver— weiſung zur Folge. Er kehrte nunmehr in das elterliche Haus zurück und widmete ſich der forſtwirtſchaftlichen Schriftſtellerei; 1815 ſiedelte er nach Gießen über und bewarb ſich 1816 um die Erlaubnis, forſtwiſſenſchaftliche Vorleſungen an der Univerſität halten zu dürfen. Dieſes Geſuch wurde jedoch abgelehnt, weil ſein jtreitfüchtiges, hochgradig aufgeregtes und men— ſchenſcheues Weſen ſchon damals ſich zeitweiſe zu geiſtigen Störungen ſteigerte. 1820 wandte ſich Hartig nach Lich, wo er in einem Anfall von Verfolgungswahnſinn den Kanzliſten Herzberger tödtete, in der Meinung, den ihm in Mergent— heim vorgeſetzt geweſenen Oberforſtmeiſter v. Zobel vor ſich zu haben. Infolgedeſſen wurde Hartig im October 1822 in die heſſiſche Landes— irrenanſtalt Hofheim aufgenommen, wo er noch faſt 13 Jahre lebte Schriften: Beſchreibung eines wohlfeilen Winkelmeſsinſtrumentes, 1796; Tabellariſch-ter— minologiſche Naturgeſchichte der Jagdthiere, 1803; Wald-, Jagd- und Fiſchereiordnung, 1805 (in der Diana III.); Jagdgeſetze od. Schuſsordnung, 1807; Geſetze über die Lehre eines Jägerjungen, 1807; Über die beſte Hauzeit des Wurzelholzes, 1807; Die Hoch- und Niederwaldbehandlung 1808 — 1811, 1. Th. Unterſuchung, ob die Hoch- und Nieder— waldbehandlung nützlich oder ſchädlich ſei, 1808; 2. Th. Forſt- und Jagdſtaatsrecht, 1809; 3. Th. Die Forſtgeonomie und Lithologie, 1810; 4. Th. Die angewandte Forſtgeometrie, 1811 Ver⸗ miſchte Forſtſchriften, 1812. Schw. Hartig, Georg Ludwig, Dr. phil. h. e., geboren 2. September 1764 in Gladenbach (Kreis Biedenkopf), geſtorben 2. Februar 1837 in Berlin, Sohn des fürſtlich darmſtädtiſchen Oberförſters Chriſtian Hartig, genoſs ſeinen Elementarunterricht im elterlichen Haus und trat ſeiner ausgeſprochenen Neigung folgend am J. Auguſt 1778 bei ſeinem Onkel, dem braunſchweigiſch-lüneburgiſchen Gehegereiter Karl Ludwig Hartig, zu Harzburg in die Forſt— und Jagdlehre, während welcher das Haupt— gewicht auf die jagdliche Ausbildung gelegt worden zu ſein ſcheint. Nachdem G. L. Hartig am 1. Auguſt 1780 mitteſt eines Lehrbriefes, deſſen Original ſich im Beſitz von G. L. Hartigs Enkel, Prof. Dr. Robert Hartig in München, be— findet*), von ſeinen Lehrjahren losgeſprochen war, kehrte er zunächſt auf kurze Zeit in das elterliche Haus zurück und bezog im Jahre 1781 die Univerſität Gießen, um daſelbſt bis 1783 die einſchlägigen Grund- und Hilfswiſſen— ſchaften zu ſtudieren. Daſs ein gelernter Jäger auf der Univerſität ſtudieren wollte, erregte damals großes Aufſehen. Zum zweitenmal in das Elternhaus zurückgekehrt, betheiligte er ſich mit regem Eifer an der ſeinem Vater obliegen— den Verwaltung des Forſtes und an allen ſonſt vorkommenden forſtlichen Arbeiten, wo⸗ durch er ſich eine vortreffliche praktiſche Grund— lage für ſein ganzes Leben erwarb. Um ſich ) Der Wortlaut dieſes Briefes iſt folgender: „Des durchlauchtigſten Herzogs und Herrn, Herrn Karl Wilhelm Ferdinand, regierenden Herzogs zu Braunſchweig und Lüneburg, Meines gnädigſten Herzogs und Herrn derzeit beſtellter Gehege-Reuter. 5 Ich, Karl Ludwig Hartig, thue kund und füge hie⸗ mit Jedermänniglich zu wiſſen, daſs Vorweiſer dieſes, Georg Ludwig Hartig, des in Hochfürſtlich darmſtädtiſchen Dienſten ſtehenden zeitigen Oberförſters zu Gladenbach, Oberfürſtenthums Heſſen, Chriſtian Hartig eheliche älteſte Sohn ſich im Jahre 1778 am 1. Auguſt, die Jägerei all- hier zu erlernen begeben und ſeine zwei Lehrjahre, als bis zum 1. Auguſt 1780, bei mir Endesunterſchriebenen ausgehalten, und ſich jederzeit ſo verhalten, wie es einem lehrbegierigen, treu und ehrlichen, gutem Gemüthe zu⸗ ſtehet und gebühret, alſo dajs ich als fein bisheriger Lehrprinz ihn kraft dieſes billig von ſeinen Lehrjahren los, quit und freiſpreche; auch übrigens ihm auf Be⸗ gehren und da er ſich in der Welt weiter zu verſuchen meinet, dieſen ehrlichen Lehrbrief ertheilet mit reſpective unterthänig-gehorſamſter-dienſt- und freundſchaftlicher Bitte an alle Hohe und Niedere der Jägerei ergebene, dass ſie bemeldeten G. L. Hartig mit förderlicher Gnade, Huld und Gewogenheit aufzunehmen geruhen und belieben wollen, welches in gleichmäßigen Fällen und Begebenheiten um einen Jeden nach Standes-Gedühr zu verſchulden be— reit lebe. So geſchehen Harzeburg den 1. Auguſti 1780. Karl Ludwig Hartig, Herzogl. braunſchw. lüneb.⸗Gehege-Reuter.“ 556 Hartig. eine feſte Zukunft zu ſichern, trat Hartig 1785 als Forſtacceſſiſt beim landgräflichen Oberforſt— amt in Darmſtadt ein. Faſt 1½ Jahre arbei— tete Hartig hier zur beſonderen Zufriedenheit der Räthe des Oberforſtamts und beſonders des Chefs desſelben, ſeines nachherigen Schwie— gervaters Staatsminiſters v. Klipſtein; eine de— finitive Anſtellung mit Beſoldung wurde ihm jedoch zunächſt nicht zu theil. Als er daher 1786 das Anerbieten erhielt, in der Stellung eines Forſtmeiſters zu Hungen (Wetterau) die Verwaltung der dortigen fürſtlich Solms— Braunfels'ſchen Waldungen, ſowie eines bedeu— tenden Complexes von ungetheilten und Mar— kenwaldungen zu übernehmen, zögerte Hartig nicht, demſelben Folge zu leiſten. Schon hier begann Hartig ſeine Lehrthätigkeit, indem er von 1789 an junge Leute zur forſtlichen und jagdlichen Ausbildung bei ſich aufnahm und 1791 auch öffentlich verkündigte, daſs er bereit ſei, Forſteleven in allen Theilen der Forſt— und Jagdwiſſenſchaft theoretiſch und praktiſch zu unterrichten. Dieſes geſchah bei Gelegenheit der Heraus— gabe ſeines literariſchen Erſtlingswerkes, der „Anweiſung zur Holzzucht für Förſter“. Das Buch war epochemachend, Hartigs Ruhm wuchs raſch und in demſelben Maß die Zahl ſeiner Zöglinge, ſo daſs bald in Hungen eine förm— liche Meiſterſchule entſtand. Als der naſſauiſche Landjägermeiſter von Witzleben zu Dillenburg 1797 in den Ruhe— ſtand trat, bot ſich für Hartig eine willkommene Gelegenheit, ſeine Thätigkeit in erwünſchter Weiſe zu erweitern, indem er als Landforſt— meiſter, ſowie zugleich als Mitglied der Berg— und Hüttencommiſſion in die fürſtlich naſſau— oranien'ſchen Dienſte nach Dillenburg übertrat. Sein mit ihm dahin übergeführtes In— ſtitut erweiterte ſich jo, daſs die Zahl der Schüler bald bis auf 70 ſtieg; für den Unter— richt in den Grund- und Hilfsfächern muſsten daher Lehrkräfte von der nahen Univerſität Herborn zugezogen werden. Von allen Seiten hochgeehrt, ſchien er auf dem Gipfel des Wohlbefindens und des An— ſehens, als plötzlich durch die Annexion des Ländchens durch Napoleon J. eine total ver— änderte Situation geſchaffen war. Man trug zwar Hartig die Stelle als Chef des Forſt— weſens in dem neu gegründeten Großherzog— thum Berg unter ſehr vortheilhaften Bedin— gungen an, allein Hartig verſchmähte es, trotz ſeines Mangels an Vermögen und ſeiner zahl— reichen Familie (9 Kinder), dem Uſurpator den Eid der Treue zu leiſten, nur das konnte von ihm erreicht werden, daſs er einen Organiſa— tionsplan für die Forſte des neuen Staates entwarf. Ein ehrenvoller Ruf als Oberforſtrath nach Stuttgart befreite ihn alsbald aus ſeiner miſs— lichen Lage, und Hartig trat noch 1806 ſeine neue Stellung an; ein großer Theil ſeiner Schüler folgte ihm und 1807 eröffnete er dort auch ein Forſtlehrinſtitut, welches übrigens einen faſt rein privaten Charakter trug. Die Verhältniſſe in Stuttgart geſtalteten ſich indeſſen für Hartig wenig behaglich. Die Jagdintereſſen überwogen zu ſehr und machten es ihm ſchwer, ohne gegen die noblen Paſ— ſionen hochſtehender Perſonen zu verſtoßen, ſeinen Anſichten über Forſtwirtſchaft Geltung zu verſchaffen; Selbſtändigkeit und freie Be— wegung fehlten ihm. Als im Jahre 1814 von Berlin aus der Ruf an Hartig ergieng, als Staatsrath und Oberlandforſtmeiſter in das preußiſche Finanzminiſterium einzutreten, er— griff er mit Freuden dieſe Gelegenheit, in einen neuen, großartigen Wirkungskreis über— zugehen. In Preußen befand ſich zu jener Zeit alles in Umformung, die Reorganiſation der Staats- verwaltung war im Werden, die Forſtverwal— tung war ohne feſte Form, ohne innere Ein— heit und Ordnung, ſeit Burgsdorfs Tod gab es keinen forſtlichen Unterricht, eine mächtige Bewegung drängte zum Verkauf der Staats— forſte und die Tüchtigkeit, ſowie theilweiſe auch die Moralität der Forſtbeamten ließen vieles zu wünſchen übrig. Hieraus läſst ſich die Größe der Aufgabe, welche Hartig zufiel, er— meſſen. Hartig verflocht in ſeine Amtsfunctionen in Berlin ſofort auch die Lehrthätigkeit und hielt öffentliche Vorleſungen über Forſtwiſſen— ſchaft, welche zahlreich beſucht waren; er hatte oft über 150 Zuhörer. Seine Wirkſamkeit begann mit Reformen und Verbeſſerungen auf dem geſammten Ge— biet der Forſtverwaltung. Dem Verkauf der Staatsforſte in größerem Umfange wufste er erfolgreichen Widerſtand zu leiſten, Inſtrue— tionen für Forſtvermeſſung, Betriebsregulierung, Waldwertberechnung und Bewirtſchaftung wur- den erlaſſen und auch eine neue Organiſation der Staatsforſtverwaltung eingeleitet. Da es ihm unmöglich war, neben ſeiner umfaſſenden dienſtlichen Wirkſamkeit auch noch den forſt— lichen Unterricht zu ertheilen, ſo hatte Hartig bereits 1816 vorgeſchlagen, Pfeil als Lehrer der Forſtwiſſenſchaft zu berufen, der forſtliche Unterricht ſollte in Anlehnung an die Univer— ſität eingerichtet werden; die Einrichtung der Forſtakademie in Berlin erfolgte jedoch erſt durch Cab.-Ordre vom 12. Februar 1820 und Pfeil wurde unterm 9. April 1821 zum Lehrer der Forſtwiſſenſchaft an derſelben ernannt. Als 1830 die Forſtſchule in Neuſtadt— Eberswalde errichtet wurde, las Hartig von Oſtern 1831 ab wieder Forſtwiſſenſchaft an der Univerſität, hauptſächlich für die Studierenden der Cameralwiſſenſchaft, wobei ihm ſein Sohn Theodor Hartig als Aſſiſtent beigegeben war. G. L. Hartig war durch Cab.-Ordre vom 21. März 1830 auch zum Univerſitätsprofeſſor er⸗ nannt und 1831 von der philoſophiſchen Fa- cultät zum Dr. hon. c. promoviert worden. Hartig entfaltete während eines beinahe 50jährigen praktiſchen Wirkens eine ungemein vielſeitige Thätigkeit, wobei er ſich als ein eminent praktiſcher Kopf und als organiſato— riſches Talent erſten Ranges bewies. Seine wiſſenſchaftliche Bedeutung liegt weniger in großen neuen Entdeckungen und Unterſuchun— gen, als vielmehr darin, daſs er das ganze vielfach zerſtreute Material nach einheitlichen * Hartig. 557 Geſichtspunkten ordnete, ſowie kurz und klar zu— ſammenfaſste; berühmt ſind in dieſer Richtung vor allem ſeine bekannten „Generalregeln“. Dem Waldbau gab er durch ſeine geradezu epoche— machende „Anweiſung zur Holzzucht für Förſter“ die erſte wiſſenſchaftliche Grundlage. Nicht min— der bedeutend war Hartig auf dem Gebiet des Forſteinrichtungsweſens, auf welchem er unter Benützung der früher, namentlich von Kregting bereits geſammelten Materialien, die Fach— werksmethoden, u. zw. jpeciell das Maſſenfach— werk begründete und ſpäter dem preußiſchen Forſttaxationsweſen zugrunde legte. Als Organiſator der Forſtverwaltung hat ſich Hartig ebenfalls bedeutende Verdienſte er— worben, er war unermüdlich thätig, überall mit ſichtendem Blick und ordnender Hand einzu— greifen, wo es galt, Miſsbräuche abzuſchaffen, das Beſtehende zu verbeſſern und Fortſchritte anzubahnen. Er beſeitigte die übermäßigen Aceidenzien der Forſtbeamten, regelte deren Gehalt, erließ Dienſtinſtructionen für die ver— ſchiedenen Grade des Forſtperſonals und die Waldarbeiter, trennte das bis dahin in der Hand des Oberförſters vereinigt geweſene Caſſen- und Rechnungsweſen, indem er die Caſſengeſchäfte beſonderen Rendanten übertrug. Er entwarf ferner Inſtructionen und Anlei— tungen zur Vornahme faſt aller praktiſchen Geſchäfte. Seine größte Leiſtung auf dieſem Gebiete war die Organiſation der Forſtverwal— tung Preußens. Allerdings ſtellte ſich bei der Durchführung derſelben heraus, dajs ſie ſich zu ſehr an die kleineren Zuſtände Mittel- und Süddeutſchlands anlehnte und deshalb für die größeren Verhältniſſe des preußiſchen Staates nicht ganz paſste. Die Hartig'ſche Organiſation kam nicht vollſtändig zur Durchführung; ebenſo erwies ſich ſeine Forſteinrichtungsinſtruction als zu ſchwer— fällig, weshalb ſtatt derſelben ein einfacheres Verfahren eingeführt werden muſste. Dieſe beiden Miſserfolge veranlassten, daſs ſein dienſtlicher Einfluſs im letzten Decennium ſei— nes Lebens nur noch ein geringer war, u. zw. umſomehr, als man ihm mit Rückſicht hierauf einen zweiten Oberlandforſtmeiſter in der Perſon des Herrn v. Wintzingerode an die Seite ge— ſetzt hatte. Trotz ſeiner ungemeinen Arbeitslaſt fand Hartig doch noch Zeit, Verſuche anzuſtellen („Über die Brennbarkeit der meiſten deutſchen Holzarten“, 1794, und „Über die Dauer der Holzarten im Boden“, 1822 und 1836). Hartig war ein äußerſt fruchtbarer Schrift— ſteller, ſeine zahlreichen Werke erfreuten ſich großer Verbreitung und Beliebtheit, einige der— ſelben ſind ſogar in fremde Sprachen überſetzt worden, ſo z. B. die „Anweiſung zur Holzzucht für Förſter“ und die „Phyſikaliſchen Verſuche über das Verhältnis der Brennbarkeit der meiſten Hölzer“ durch Baudrillart in das Fran— zöſiſche und das „Lehrbuch für Förſter“ in das Böhmische und Polniſche. Seine Schriften ſind folgende: Anweiſung zur Holzzucht für Förſter, 1. Aufl. 1791, 8. Aufl. 1818; Phyſikaliſche Verſuche über das Ver— hältnis der Brennbarkeit der meiſten deutſchen I A Wald-Baumhölzer, 1. Aufl. 1794, 3. Aufl. 1807; Anweiſung zur Taxation der Forſte oder zur Beſtimmung des Holzertrages, 1. Aufl. 1793, 1. Aufl. 1819; Beweis, dass durch die Anzucht der weißblühenden Acacie ſchon wirklich ent— ſtandenem Brennholzmangel nicht abgeholfen werden kann, 1. Aufl. 1798, 2. Aufl. 1802; Grundſätze der Forſtdirection, 1. Aufl. 1803, 2. Aufl. 1813; Beiträge zur höheren Forſt— wiſſenſchaft, 1807; Forſtwirtſchaftliche Tabellen, 1807; Vier Forſttabellen zum Behelf der groß— herzogl. Förſter im Naſſauiſchen, 1808; Lehr— buch für Förſter und die es werden wollen, 1. Aufl. 1808, 11. Aufl. 1877 (die vier letzten Auflagen hat Theodor Hartig beſorgt); Anlei— tung zur Forſt- und Weidmannsſprache, 1809; Lehrbuch für Jäger und für die, welche es werden wollen, 1. Aufl. 1810, 10. Aufl. 1877 (die vier letzten Auflagen hat Theodor Hartig beſorgt); Anleitung zur Berechnung des Geld— wertes eines in Betreff feines Naturalertrages ſchon taxierten Forſtes, 1812; Inſtruction, wo— nach die Holzeultur in den Königl. Preußiſchen Forſten betrieben werden ſoll, 1814; Cubik— Tabellen für geſchnittene, beſchlagene und runde Hölzer, nebſt Geld-Tabellen nach Thalern und Gulden und Potenz-Tabellen zur Erleichterung der Zinsberechnung, 1. Aufl. 1815, 10. Aufl. 1871 (die ſechs letzten Auflagen hat Theodor Hartig beſorgt); Anleitung zur Prüfung der Forſtcandidaten, 1818, 2. Aufl. 1828; Beſchrei— bung eines neuen Wolfs- und Fuchsfanges, 1819; Neue Inſtructionen für die königl. preuß. Forſt⸗Geometer und Forſt-Taxatoren, 1. Aufl. 1819, 2. Aufl. 1836; Verſuche über die Dauer der Hölzer, 1822; Anleitung zur wohlfeilen Cultur der Waldblößen und zur Berechnung des erforderlichen Zeit- und Geldaufwandes, 1826; Anleitung zum Unterrichte junger Leute im Forſt- und Jagdweſen, 1827; Anleitung zur Vertilgung und Verminderung der Kiefern— raupen, 1827; Beitrag zur Lehre von Ablöſung der Holz-, Streu- und Weideſervituten, 1829; Abhandlungen über intereſſante Gegenftände beim Forſt- und Jagdweſen, 1830; Die Forſt— wiſſenſchaft nach ihrem ganzen Umfange, in gedrängter Kürze, 1831; Entwurf einer allge— meinen Forſt⸗ und Jagdordnung, mit beſon— derer Rückſicht auf den preußiſchen Staat, 1833; Gutachten über die Frage: Welche Holzarten belohnen den Anbau am reichlichſten, und wie verhält ſich der Geldertrag des Waldes zu dem des Ackers? 1833; Forſtliches und naturwiſſen— ſchaftliches Converſations-Lexikon, 1. Aufl. 183%, 2. Aufl. 1836; Erfahrungen über die Dauer der Hölzer und die Mittel, die Dauer des Holzes zu verlängern, 1836; Lexikon für Jäger und Jagdfreunde oder weidmänniſches Converſa— tionslexikon, 1. Aufl. 1836, 2. Aufl. (Th. Hartig) 1861; Kurze Belehrung über die Behandlung und Cultur des Waldes, I. Aufl. 1837, 2. Aufl. (Th. Hartig) 1859. Von Zeitſchriften hat Hartig herausge— geben: Journal für das Forſt-, Jagd- und Fiſchereiweſen, zur nützlichen und angenehmen Unterhaltung, 1806— 1808, 3 Jahrg., Forſt— und Jagdarchiv von und für Preußen (8 Ihrg. 4 Hefte), 1816— 1820; Allgemeines Forſt— 558 und Jagdarchiv, Fortſetz. des vorigen, 6. Bd. 1822; dasſelbe, 7. Bd. 1826, auch unter dem Titel: Erfahrungen und Bemerkungen beim praktiſchen Forſt- und Jagdweſen. Schw. Hartig, Robert, Dr. phil., ordentlicher Profeſſor der Botanik an der ſtaatswirtſchaft— lichen Facultät der Ludwig-Maximilian-Univer⸗ ſität in München Am 30. Mai 1839 zu Braun- ſchweig geboren als Sohn des im Jahre 1880 verſtorbenen Oberforſtrathes und Profeſſors Dr. Theodor Hartig, hatte Hartig das ſeltene Glück, unter der Leitung ſeines Vaters von Jugend an auf den Wirkungskreis ſich vor— bereiten zu können, den derſelbe heute einnimmt. Von ſeiner früheſten Kindheit an hat der— ſelbe nie ein anderes Ziel im Auge gehabt, als in die Fußſtapfen ſeines Vaters, des berühmten Forſtbotanikers, zu treten, und ſomit eignete er ſich ſchon bis zur Abſolvierung des Gymna— ſiums gleichſam ſpielend ein Maß von Keunt— niſſen in den forſtlichen und naturwiſſenſchaft— lichen Diſciplinen an, welches ihn in den Stand ſetzte, nach Abſolvierung ſeiner Gymnaſialſtudien die damals für die Aſpiranten des braunſchwei— giſchen Staatsforſtdienſtes vorgeſchriebene zwei— jährige Vorlehre in einer Weiſe auszunützen, welche für ſeine künftige Laufbahn von größtem Werte geworden iſt. Im Winter 1859/60 be— ſuchte Hartig als Forſtaſpirant das Revier Holzminden im braunſchweigiſchen Solling, im Sommer 1860, nachdem er zuvor die Wald— feldbaureviere der Rheinebene bereist hatte, den Schwarzwald, wo derſelbe im Revier Herrenalb ſein Standquartier aufſchlug. Von hier aus bereiste er nicht allein eine große Zahl württembergiſcher und badiſcher Schwarz— waldreviere, ſondern durchzog, von Revier zu Revier wandernd, auch die wichtigſten Wald— gebiete ganz Württembergs. Von dort begab ſich Hartig nach Pommern und blieb nach Bereiſung einer Reihe von Strandrevieren und der Inſel Rügen im Re— vier Mühlenbeck bei Stettin bis zum Frühjahre, um dann noch während des Sommers 1861 im Reviere Rothenbuch die intereſſanten forſtlichen Verhältniſſe des Speſſart kennen zu lernen. Von dort aus beſuchte derſelbe auch auf längere Zeit den Odenwald. In dieſem zweijährigen Zeitraume des un— gebundenen forſtlichen Wanderlebens gelang es Hartig, ſich nicht allein mit den forſtlichen Ver— hältniſſen der von ihm beſuchten Länder ver⸗ traut zu machen und einen reichen Schatz von forſtlichen Anſchauungen und Erfahrungen zu ſammeln, ſondern er gewann auch noch ſo viel Zeit, um Studien über die Wachsthumsverhält— deren Reſultate er im Jahre 1863 veröffent— lichte in einer Schrift: „Vergleichende Unter— ſuchungen über den Wachsthumsgang und Er— trag der Rothbuche und Eiche im Speſſart, der Hartig. 2 Rothbuche im öſtlichen Weſergebirge, der Kiefer | in Pommern und der Weißtanne im Schwarz walde“, Stuttgart, Cotta. An die Zeit der forſtlichen Vorlehre reihte ſich ein zweijähriger Beſuch des Collegium Ca— rolinum in Braunſchweig, an welcher Lehr- anſtalt damals eine forſtliche Abtheilung unter der Leitung Th. Hartigs beſtand. Im Herbſt 1863, nach Erledigung des Anftellungseramens für Forſtbetriebsbeamte in Braunſchweig, gieng Hartig nach Berlin und hörte an der dortigen Univerſität vorwiegend juriſtiſche und camera— liſtiſche Vorleſungen und begründete damals mit einigen Freunden den noch jetzt in voller Blüte fortbeſtehenden akademiſchen Verein für Natur- wiſſenſchaft und Mediein. Im Herbſt 1864 trat Hartig in den braun— ſchweigiſchen Staatsforſtdienſt ein und wurde im Oberforſt Seeſen bei taxatoriſchen Arbeiten verwendet, welche Gelegenheit er benützte, eine Erfahrungstafel über den Wachsthumsgang der Rothbuche im öſtlichen Weſergebirge aufzu— ſtellen. Zum 1. April 1865 wurde Hartig de— finitiv angeſtellt als Forſtgehilfe in dem Forſt⸗ inſpectionsbezirke Stadtoldendorf. In dem nun folgenden, über ein Jahr dauernden Zeitraume lernte Hartig die Nacht- ſeiten des forſtlichen Berufes im vollſten Maße kennen. An der Seite eines neu beförderten, ſehr dienſteifrigen Forſtmeiſters, betraut mit den Arbeiten, die zuvor zwei Beamte beſorgt hatten, wurde Hartig jo ſehr mit Bureau- geſchäften überlaſtet, dafs er nicht nur voll- ſtändig dem Walde und faſt ganz jeder wiſſen— ſchaftlichen Thätigkeit, die ihm ſogar für ſeine Mußeſtunden dienſtlich von ſeinem Vorgeſetzten unterſagt war, entfremdet wurde, ſondern auch infolge von Überbürdung mit geiſttödten— den Schreiberarbeiten an ſeiner Geſundheit nothlitt. Ein und ein Vierteljahr lang hielt Hartig in dieſer Stellung aus, da immerhin das Bekanntwerden mit den verſchiedenartigen Zweigen des Bureaudienſtes einen gewiſſen Reiz auf ihn ausübte. Als ſich aber im zweiten Jahre dieſelben Arbeiten wiederholten und Hartig in den Acten ſeine eigenen Schriftſtücke wiederſah, gewann er die Überzeugung, daſs ein längeres Verweilen in dieſer Stellung ſeinen geiſtigen Ruin zur Folge haben würde, und ſtellte er deshalb den Antrag auf Verſetzung in eine Stellung, die ihn dem Walde wieder näherbringe. Das Geſuch wurde von der Di— rection der Forſten auf Antrag ſeines vor— geſetzten Forſtmeiſters, der nicht gern die tüch— tigen Schreiberdienſte Hartigs entbehren mochte, abſchlägig beſchieden, und als auch eine Wieder- holung des Geſuches ohne den gewünſchten Er— folg blieb, nahm Hartig kurz reſolviert den Abſchied aus dem braunſchweigiſchen Staats- dienste, trotz der Warnung ſeines Chefs, dajs es ihm ſo leicht nicht gelingen werde, wieder einen Gehalt von 300 Thaler jährlich zu er⸗ ii dien langen. niſſe der wichtigſten Waldbäume anzuſtellen, Nachdem Hartig am 21. März des Jahres 1866 an der Marburger Univerſität zum Doctor promoviert worden war, nahm er jeinen Ab- ſchied aus dem Staatsdienſt am 1. Juli 1866. Da in jener Zeit infolge des Krieges eine Aus⸗ ſicht auf anderweitige Beſchäftigung nicht vor⸗ handen war, ſo begab ſich Hartig nach Allrode im Harz und ſammelte bis zum He riſte des Jahres das Material zur Aufſtellung zweier Ertragstafeln der Fichte und einer Gytragstafel für Rothbuche und verarbeitete dann in Braun- ſchweig dieſe Materialien zu ſeinem Werke: Hartig. „Rentabilität der Fichtennutzholz- und Buchen— brennholzwirtſchaft im Harz und Weſergebirge“, Cotta, Stuttgart 1868. Mit Beginn des Frühjahres 1867, als Hartig gerade mit dieſer Arbeit fertig war, gelangte eine Aufforderung des Forſtdirec— tors Burckhardt von Hannover an ihn, in die hannoveriſche Forſteinrichtungscommiſſion einzutreten und bei der Vermeſſung und Ta— ration des Solling mitzuwirken. Freudig er— griff Hartig dieſe Gelegenheit, wieder praktiſch im Walde thätig zu ſein, trat zunächſt als Feldmeſſer in die genannte Commiſſion ein und übernahm die Vermeſſung eines Waldcomplexes bei Bodenfelde an der Weſer. Hier traf ihn nach wenigen Monaten ganz unerwartet die Mittheilung, daſs er von dem königlich preußi— ſchen Finanzminiſterium auf Empfehlung des Forſtdirectors Burckhardt mit der Stellvertre— tung des erkrankten Geheimrathes Ratzeburg zu Neuſtadt⸗Eberswalde beauftragt ſei. Am vierten Tage nach dem Eintreffen dieſer Nachricht, am 14. Mai 1866, hielt Hartig ſeine erſte Vorleſung in Neuſtadt-Eberswalde. Es war ihm die Botanik und Zoologie übertragen. Im nächſten Winter, nach der Wiedergeneſung Ratzeburgs, übernahm dieſer wieder die zoo— logiſchen, Hartig behielt dagegen die botaniſchen Dijeiplinen. Unterſtützt wurde er durch das größte Ent— gegenkommen des Directors Danckelmann, der auch in der ſpäteren Zeit, bis zur Berufung Hartigs an die Univerſität München, ſtets den Wünſchen desſelben vollſte Rechnung trug und ihm freundlich geſinnt war, wie überhaupt Hartig mit allen ſeinen Collegen in Eberswalde im angenehmſten freundſchaftlichen Verkehr ſtand. Am 8. März 1869 wurde Hartig nach der Penſionierung Ratzeburgs definitiv als Docent der organiſchen Naturwiſſenſchaften an— geſtellt und hatte nunmehr wieder Vorleſungen über Botanik und Zoologie zu halten. e Von der Überzeugung durchdrungen, daſs ein erfolgreiches Forſchen nur möglich ſei, wenn er nur eine wiſſenſchaftliche Diſciplin zu lehren habe, ſprach Hartig wiederholt den Wunſch aus, nur die botaniſchen Fächer zu be— halten, und fand in dem Director Danckelmann das vollſte Entgegenkommen und Verſtändnis. Es wurde denn auch ſchon im Herbſte 1869 Dr. Altum als Profeſſor der Zoologie nach Neuſtadt-Eberswalde berufen und konnte Hartig von nun an ſich ganz ſeinen wiſſenſchaftlichen Studien in der Botanik zuwenden. Im Herbſte 1869 verheiratete ſich Hartig mit einer Tochter des Stadtgerichtsdirectors Geller in Braun— ſchweig. Am 3. Mai 1871 wurde Hartig zum Profeſſor der Botanik und zum Vorſtande der pflanzenphyſiologiſchen Abtheilung der forſt— lichen Verſuchsanſtalt für Preußen ernannt. In Eberswalde widmete ſich Hartig nicht allein ſeinen wiſſenſchaftlichen Aufgaben, ſondern fand auch reichliche Gelegenheit, ſich für das Ge— mein wohl nützlich zu machen, theils als Vor— tan. des Verſchönerungsvereines, theils als Stadt cordneter und als Kreistagsabgeordneter. Nachdem Hartig im Herbſte 1876 eine Aufforderung, an die Forſtſchule zu Aſchaffen— 559 burg zu überſiedeln, abgelehnt hatte, folgte der— ſelbe am 1. October 1878 einem Rufe als ordentlicher Profeſſor der Forſtbotanik an die Univerſität München, wohin gleichzeitig mit ihm G. Heyer, C. Gayer, Ebermayer und Baur berufen worden waren. So zufrieden und glück— lich ſich Hartig auch in Eberswalde gefühlt hatte, ſo folgte er jenem Ruf doch um ſo lieber, als er ſehr wohl fühlte, dajs ein län— gerer Aufenthalt in dem kleinen Städtchen und an der iſolierten Fachſchule ſowohl ſeiner Thä— tigkeit als Docent, wie als Forſcher immer mehr ſchaden müſſe. Nach beiden Richtungen hin hatte Hartig ſchon nach kurzer Zeit ſeiner Thätigkeit an der Univerſität erkannt, wie weit er in den letzten Jahren ſeines Aufenthaltes in Eberswalde in ſeinen Leiſtungen zurückgeblieben war gegen— über ſeiner Leiſtungsfähigkeit, die ſich in München, wo allen ſeinen Wünſchen in Bezug auf La— boratorien, Sammlungsräumen u. ſ. w., in Bezug auf abſolut ſelbſtändige und unabhängige Wirk— ſamkeit von Seite des königlichen Staatsmini— ſteriums entſprochen wurde, in einer weitaus freudigeren und erfolgreicheren Thätigkeit be— währen konnte. Nachdem Hartig in ſeinen ſchon oben an— geführten erſten beiden Veröffentlichungen dem Studium des Wachsthumsganges und Ertrages der Waldungen ſich zugewandt hatte, erkannte er, daſs ein großes, wichtiges Wiſſensgebiet, die Erkenntnis der Krankheiten der Waldbäume, ſo gut wie völlig unbebaut der Bearbeitung harre, und gieng deshalb, ſobald er ſich eini— germaßen in ſeiner Docententhätigkeit in Ebers— walde ſicher fühlte, an die Bearbeitung dieſer Diſciplin. Es erſchien 1874 ſeine Schrift: „Wich— tige Krankheiten der Waldbäume“, welcher 1878 das große Werk über „Zerſetzungserſcheinungen des Holzes der Nadelwaldbäume und der Eiche“ folgte. In München veröffentlichte er ſeine Arbeiten in den „Unterſuchüngen aus dem forſtbotaniſchen Inſtitut zu München“, I. Bd. 1880, II. Bd. 1882, III. Bd. 1883, in ſeinem „Lehrbuch der Baumkrankheiten“ 1882 und in der Schrift über den „Hausſchwamm“ 1885. Eine neue vermehrte Auflage des Lehrbuches iſt ſoeben erſchienen. Neben den pathologiſchen Arbeiten ließ Hartig aber auch andere wichtige botaniſche und forſtliche Fragen nicht unbe— achtet, und ſo enthält insbeſondere der II. Band der Unterſuchungen ſehr mühevolle Arbeiten über die Vertheilung der organiſchen Subſtanz, des Waſſers und Luftraumes in den Bäumen und über die Urſache der Waſſerbewegung in transſpirierenden Pflanzen. Von mehreren kleinen Schriften fand beſonders die „Über die Unter— ſcheidungsmerkmale der wichtigen in Deutſch— land wachſenden Hölzer“ 1878 Anklang und eine neue Auflage 1883. In einer Schrift über „Das Holz der deutſchen Nadelwaldbäume“ 1885 ſuchte Hartig auf Grund zahlreicher Unter— ſuchungen den Einflujs klarzuſtellen, welchen Holzalter, Standort, Erziehungsweiſe u. ſ. w. auf die Qualität des Nadelholzes ausüben. In ſeiner jüngſten Schrift über „Das Holz der Roth— buche“ ſtellt Hartig zum erſtenmale an Stelle der bisherigen Volumertragstafeln Gewichts— * 360 Hartig. — Hartmann. oder Subſtanzertragstafeln auf und gibt eine anatomiſch-phyſiologiſche Monographie dieſer ſo wichtigen Holzart. Hg. Hartig, Theodor, Dr. phil., geb. 21. Febr. 1805 in Dillenburg, geſt. 26. März 1880 in Braun ſchweig, Sohn des berühmten G. L. Hartig, abſolvierte ſeine Gymnaſialſtudien theils im grauen Kloſter zu Berlin, theils bei dem Pfarrer Sterneberg zu Selchow in der Nähe des elter— lichen Erbpachtgutes Rörchen (Pommern). An letzterem Ort wurde ſein von jeher reger Sinn für die Natur und den Wald ſo ſympathiſch erregt, daſs er ſich entſchloſs, die forſtliche Lauf— bahn zu wählen. 182 trat er bei ſeinem Bruder Friedrich auf der Oberförſterei Mühlenbeck in die Forſtlehre und ſetzte dieſelbe 1822 bei ſeinem Schwager Krüger auf der Oberförſterei Liepe fort. Von Oſtern 1824 bis Herbſt 1827 vollendete Hartig ſeine theoretiſchen Studien auf der Forſtakademie und Univerſität Berlin, 1829 beſtand er das Oberförſterexamen, kurze Zeit darauf auch die cameraliſtiſche Staats- prüfung und trat ſodann 1849 als Regierungs— referendar bei der königlichen Regierung zu Potsdam ein. Nach kurzer Zeit erfolgte ſeine Ernennung zum Oberförſter in Woltersdorf und ein wenig ſpäter die Verſetzung nach Lieben— walde. Bei der Neuorganiſation des forſtlichen Unterrichtsweſens in Preußen 1831 wurde Hartig zum Docenten der Forſtwiſſenſchaft bei der Univerſität Berlin an der Seite ſeines Vaters mit dem Titel „Oberförſter“ ernannt. Hartig fühlte ſich in ſeiner praktiſchen Thätigkeit jo wohl, dajs er ſich nur auf Zu— reden ſeiner Eltern entſchloſs, in die Docenten— carrière überzutreten; 1833 promovierte er und wurde 1835 zum außerordentlichen Profeſſor der Forſtwiſſenſchaft ernannt. Infolge der Ent— wicklung von Eberswalde waren die Verhält— niſſe des forſtlichen Unterrichtes an der Univer— ſität Berlin nicht beſonders günſtig; Hartig ergriff deshalb nach dem Tode ſeines Vaters bald eine ſich ihm darbietende Gelegenheit, von Berlin wegzukommen, und folgte 1838 einem an ihn ergangenen Rufe als Profeſſor der Forſtwiſſenſchaft an das Collegium Carolinum nach Braunſchweig; gleichzeitig trat er als Forſtrath in die Forſtdirection ein, um als be— rathendes Mitglied an den Sitzungen theilzu— nehmen und ſich Commiſſorien zu unterziehen. Die Übernahme eines beſtimmten Referates lehnte er ab, um ſeine Lehrthätigkeit nicht zu ſchädigen. Als die Forſtſchule im October 1877 wegen mangelnder Frequenz aufgehoben wurde, blieb er nur noch Mitglied der herzoglichen Kammer bis zu ſeiner Penſionierung, welche am 1. März 1878 unter Verleihung des Titels eines „Oberforſtrathes“ erfolgte. Der Schwerpunkt von Hartigs Thätigkeit liegt auf forſtbotaniſchem Gebiete, wo er infolge ſeines Eifers und rieſenhaften Fleißes ganz Eminentes geleiſtet hat und in ſeinen Beobach— tungen oft Botanikern vom Fach voraneilte; namentlich gilt dieſes für Pflanzenanatomie und -Phyſiologie. Leider hat Hartig die fremden Forſchungen öfters zu wenig berückſichtigt, wes— halb ihn die Kritik während ſeines Lebens nicht genügend würdigte. Anfangs hatte er ſich auch der Entomologie zugewendet und gute Beobach— tungen über die Biologie der Adlerflügler ge— macht. Auch auf rein forſtlichem Gebiet hat Hartig ſich namentlich durch ſeine Ertragsunter— ſuchungen bedeutende Verdienſte erworben. Hartigs ſchriftſtelleriſche Thätigkeit iſt eine ungemein umfangreiche, wie nachſtehende Über— ſicht ſeiner Schriften beweist. Als jolthe find anzuführen: Über Bildung und Befeftigu..g der Dünen längs der Meresküſten und über den Anbau der Sandſchollen mit Holz, 1831; Ab- handlung über die Verwandlung der polykoty⸗ ledoniſchen Pflanzenzelle in Pilz- und Schwamm⸗ gebilde und die daraus hervorgehende Fäulnis des Holzes, 1833; Forſtliches und naturwiſſen— ſchaftliches Converſationslexikon, 1. Aufl. 1834, 2. Aufl. 1836; Die Adlerflügler Deutſchlands, 1837; Jahresberichte über die Fortſchritte der Forſtwiſſenſchaft und forſtlichen Naturkunde im Jahre 1836 und 1837, 1837-1839; Die Forſt⸗ culturpflanzen Deutſchlands 1840; Lehrbuch der Pflanzenkunde in ihrer Anwendung auf die Forſtwirtſchaft, 1840-1846; Neue Theorie der Befruchtung der Pflanzen, 1842; Beiträge zur Entwicklungsgeſchichte der Pflanzen, 1843; Das Leben der Pflanzenzelle, deren Entſtehung, Aus⸗ bildung und Auflöſung, 1845; Vergleichende Unterſuchungen über den Ertrag der Rothbuche im Hoch- und Pflanzwalde, im Mittel- und Niederwaldbetriebe nebſt Anleitung zu ver— gleichenden Ertragsunterſuchungen, 1847; Unter— ſuchungen über den Beſtand und die Wirkungen der exploſiven Baumwolle, 1847; Controverſen der Forſtwirtſchaft, 1853; Über das Verhältnis des Brennwertes verſchiedener Holz- und Torf- arten für Zimmerheizung und auf dem Koch- herde, 1855; Entwicklungsgeſchichte des Pflanzen⸗ keimes, 1858; Forſtwiſſenſchaftliches Examina— torium, den Waldbau betreffend, 1866; Über den Gerbſtoff der Eiche, 1869; Über die Ent⸗ wicklungsfolge und den Bau der Holzfaſer⸗ wandung, 1870; Über den Bau des Stärke— mehls, 1871; Anatomie und Phyſiologie der Holzpflanzen, 1878. Außerdem ſchrieb Hartig noch eine große Anzahl von Abhandlungen meiſt botaniſchen Inhalts für forſtliche und botaniſche Zeitſchriften und beſorgte die ſpäteren Auflagen der Werke ſeines Vaters (sid.). Schw. Hartmann, Johann Georg Anguſt v. geboren 5. October 1764 in Stuttgart, ge— ſtorben 4. April 1849 daſelbſt, wandte ſich nach erlangter Maturität 1784 zunächſt dem Studium der Jurisprudenz auf der Univerſität Tübingen zu, bezog aber 1786 die Hoch⸗ ſchule Heidelberg, um daſelbſt Cameralwiſſen— ſchaft und zuletzt auch noch Bergbauwiſſenſchaft zu treiben. Seinem Anſuchen entſprechend wurde Hartmann 1788 als Profeſſor an der berühmten Karlsſchule, zunächſt noch ohne Gehalt, ange— ſtellt, trat aber dieſes Amt erſt nach einer län— geren Reiſe durch Deutſchland, Holland und die Schweiz an. Nach Stahls Tod übernahm Hartmann 1790 die Vorträge über Forjt- und Jagdweſen, wurde aber jchon 1793 bei der Auflöſung der Karlsſchule ſeines Amtes ent⸗ hoben. Indeſſen wurde er doch 1794 wieder angeſtellt als Rentkammerrath und 1796 zum el Sa AN | * „ 9 Hartſchrot. — Harze. wirklichen Rath beim herzoglichen Kirchenrath befördert. Nach Auflöſung der bisherigen Lan— des verfaſſung 1806 war Hartmann wieder eine zeitlang inactiv, wurde aber bald wirklicher Rath beim Landes ökonomiecollegium und bei der Forſtdirection, 1808 Chef derſelben mit dem Titel „geheimer Oberfinanzrath, 1812 Staatsroth und 1816 Mitglied des General— finanz Illegiums; kurz darauf erfolgte ſeine Ernennung zum wirklichen Geheimrath und Präſidenten der Oberrechnungskammer. 1818 ſchied Hartmann aus dem Staatsdienſt aus, weil er ſich mit den Maßregeln des neuen De— partementchefs, Präſidenten v. Malchus, nicht befreunden konnte, und übernahm die oberſte Aufſicht über die von der Königin Katharina geſtifteten Wohlthätigkeits- und Erziehungs- anſtalten. Wegen Abnahme ſeiner Kräfte legte er 1827 dieſes Amt theilweiſe und 1847 voll— ſtändig nieder. 1792 verfaſste Hartmann den „Verſuch einer geordneten Anleitung zur Hauswirtſchaft“ - und gab 1802 und 1803 gemeinſchaftlich mit Laurop die „Zeitſchrift für Forſtwiſſenſchaft“ (2 Bd.) heraus. Schw. Hartſchrot iſt im Gegenſatz zu dem aus reinem Blei hergeſtellten Weichſchrot ein durch metalliſche Zuſätze gehärteter Schrot. Er ge— langte zuerſt in England zugleich mit Aus— breitung der Würgebohrung Ende der Siebziger— jahre und durch dieſe zur Einführung, da er ſich hiebei vortheilhaſter erwies als Weich— ſchrot; von England aus verbreitete ſich der Hartſchrot, u. zw. beſonders der von der Neweaſtler Chilled Shot Co. fabricierte, auch auf dem Feſtlande. Dieſe Geſellſchaft betrachtet ihre Fabrikationsweiſe als Geheimnis und ver— leitet durch die Benennung zu dem Glauben, als ſei ihr Schrot durch Abſchrecken (to chill) des heißen, bezüglich noch flüſſigen Korns in kaltem Waſſer oder dergleichen gehärtet worden; Blei erleidet indes durch ein ſolches Verfahren nicht dieſelbe eigenthümliche Veränderung ſeiner Eigenſchaften (ſ. Härte) wie Stahl und iſt daher in der That die Härte des Newceaſtler Schrots wohl lediglich auf die auch in Deutſchland viel— fach nachgeahmte Zuſammenſetzung zurückzu— führen. Auch die Anwendung eines Luſtſtromes gegen die fallenden flüſſigen Bleitropfen (ſiehe Schrot) würde die en chilled shot nicht rechtfertigen. Di Zuſammenſetzung des Neweaſtler Schrots ist 99:23 Blei, 012 Zinn und 0:60 Antimon, wozu noch 0°05 Arſen zu- geſetzt wird, um beim Erkalten möglichſt runde Körner zu erhalten; das ſpeeifiſche Gewicht iſt 10969 im Gegenſatz zu etwa 11•˙25— 1127 des Weichſchrots. Die deutſchen Fabriken nehmen zu ihrem Hartſchrot meiſt einen etwas gerin— geren Gehalt an Zinn und Antimon. Die größere Härte macht die Körner ganz unzweifelhaft widerſtandsfähiger gegen die Stöße, welche ſie im Rohr zu erdulden haben, jo dass Hartſchrotkörner mit geringerer Deformation den Lauf verlaſſen als Weichſchrotkörner; ganz beſonders iſt dies der Fall bei Würgebohrungs— läufen, in deren verengter Mündung Weichblei⸗ ſchrote ſtark gequetſcht werden. Eine geringere, dem Hartſchrot als Vortheil anzurechnende Ver— Dombrowski. | Eneyklopädie d. Forſt⸗ u. Jagdwiſſenſch. IV. Bd. 561 bleiung des Rohres dürfte eine Folge der ge— ringeren Deformation der Körner im Rohr jet. Ein Verſuch zur Feſtſtellung der Größe der im Rohr unter verſchiedenen Verhältniſſen ſtatt— findenden Deformation, bei welchem man die in die Luft verſchoſſenen und demnächſt in einem weichen Mittel (Waſſer) aufgefangenen, mehr oder weniger deformierten Schrote eine mit Tuch beklebte, derart geneigte Fläche herab— rollen ließ, daſs die ſtärker deformierten Körner im Verlauf des Herabrollens auf der Fläche ſelbſt liegen blieben und nur die regelmäßi— geren, mehr runden Schrote unten aulangten, ergab im Mittel bei engliſchem Hartſchrot aus cylindriſchem Lauf 19, aus Würgebohrungs lauf 24, bei Mündener Weichſchrot aus eylin— driſchem Lauf 38, aus Würgebohrungslauf 47%, liegen bleibende Körner, welche Zahlen unge fähr das Verhältnis veranſchaulichen dürften, in welchem Härte des Schrots und Laufbeſchaffen— heit auf die 2 Deformation der Körner einwirken. In ähnlicher Weiſe tritt beim Auftreffen auf härtere Ziele eine geringere Deformation des Hartſchrots ein und kann dieſelbe in manchen Fällen inſoferne von Nutzen ſein, als die här— teren Körner dieſe Ziele (Sinechen) nicht nur an ſich beſſer durchdringen, ſondern auch nach dem Durchſchlagen weniger deformiert noch tiefer in die dahinterliegende (Muskel- ꝛc.) Subſtanz einzudringen vermögen. Da die Ziele für den Schrotſchuſs bei europäiſchen Jagden durch— gehends ſo weich ſind, daſs der Durchſchlag auch des Weichſchrots faſt immer genügt, jo iſt man wohl nur in gewiſſen Fällen berechtigt, der geringeren Deformation des Hartſchrots beim Aufſchlage eine beſondere Bedeutung für die Praxis beizumeſſen. Daſs die Regelmäßig— keit der Flugbahnen des Hartſchrots infolge der geringeren Deformation im Rohr eine größere und damit die Deckung eine beſſere jet, iſt zwar von vorneherein anzunehmen; inwie— weit dies indes der Fall iſt, dafür” liegen ein— wandfreie Verſuche ſür cylindriſche Läufe bisher nicht vor; der engliſche Hartſchrot ergibt (ganz beſonders bei Würgebohrung) allerdings beſſere Reſultate, allein ob dies lediglich ſeiner Härte oder auch ſeiner, und eventuell in welchem Maße, größeren Gleichmäßigkeit in der Körnung zuzuſchreiben ſei, erſcheint noch zweifelhaft; ebenſo dürfte es eine offene Frage ſein, ob der Wert dieſer Überlegenheit für die Praxis groß genug iſt, den bedeutend höheren Preis (etwa 10:7) zu rechtfertigen. Der Unterſchied des ſpecifiſchen Gewichtes (ca. 2½ %) iſt bei Hart- und Weichſchrot nicht genügend, um hierauf irgend eine für, die Praxis ſichtbare Verſchiedenheit in der Über⸗ windung des Luftwiderſtandes und damit in der Flugbahn zurückführen zu können Th. Harze kommen in den Pflanzen theils ge— löst in ätheriſchen Olen, theils gemengt mit Gummi und Pflanzenſchleim vor und werden in den meiſten Fällen nur zu gewiſſen Zeiten von den Pflanzen ausgeſchieden. Sie ſind ebenſo ſauerſtoffarm, aber waſſerſtoffärmer als die Fette. Wahrſcheinlich ſind ſie nicht Umwand— lungsproducte der Zellwand, ſondern ſie ſcheinen theils von Gerbſtoffen und Glykoſiden abzu— 36 562 Harzen. — Harzgänge. ſtammen, theils ſind ſie durch Ozydation von ätheriſchen Olen, mit denen mehr oder weniger gemengt ſie meiſt vorkommen, entſtanden; jeden— falls dienen ſie nicht zum Aufbau der Pflanze, ſondern find Ausſcheidungsproducte, die ſich in den erweichten Intercellularräumen anſammeln und an geeigneter Stelle herausquellen. Die Harze find jchmelzbar, nicht flüchtig, unlöslich in Waſſer, meiſt in Ather und Alkohol löslich. Sie verhalten ſich wie ſchwache Säuren, bilden mit Alkalien die ſog. Harzſeifen, deren Löſungen ſtark ſchäumen und die in der Papier— fabrication zum Undurchdringlichmachen des Maſchinenpapiers Verwendung finden. Die na— türlich vorkommenden Harze ſind meiſt Gemenge verſchiedener Harze. Gewonnen werden die Harze entweder durch Ausfließenlaſſen aus den Pflanzen, oder durch Extrahieren mit Alkohol, oder durch Deſtillation, oder durch Ausgraben oder Ausfiſchen. Man unterſcheidet: Weich— harze (Balſame), Hartharze, Schleimharze und foſſile Harze. Das verbreitetſte Weichharz iſt der Ter— pentin, von dem man den trüben, dickflüſſigen gemeinen Terpentin und den dünnflüſſigen klaren, venetianiſchen Terpentin unterſcheidet; erſterer wird gewonnen aus Kiefern, letzterer von Lärchenbäumen. Verwendet wird er zur Gewinnung von Terpentinöl und Hartharz, ſowie als Zuſatz zu Harzgemengen, um die— ſelben geſchmeidiger zu machen und ihre Sprö— digkeit zu vermindern. Weitere Weichharze ſind z. B. der Perubalſam, Copaivabaljam und Tolubalſam. Hartharze werden beſonders aus dem Terpentin der Nadelhölzer gewonnen, das eine Löſung von Pininſäure und Silvinſäure in Terpentinöl iſt. Man unterſcheidet: Fichten— harz, an der Luft erhärteter Terpentin; ge— kochter Terpentin, der Rückſtand nach dem Ab— deſtillieren des Terpentinöles ohne Waſſerzuſatz; gelbes Fichtenharz, erhalten durch Einrühren von etwa 15% heißen Waſſers in erwärmten gekochten Terpentin; weißes Pech (Burgunder Pech), geſchmolzenes und durch Stroh filtriertes Fichtenharz; ſchwarzes Pech, eine ordinärere Sorte des vorigen, und Schuſterpech, ein Ge— menge von ſchwarzem Pech mit gekochtem Theer. Hauptverwendung finden dieſe Hartharze zum Verpichen von Flaſchen und Fäſſern, zur Herſtellung von Firniſſen und Kitten, zu Harz— ſeifen u. ſ. w. Andere häufig gebrauchte Harze ſind Gummilack (Schellack zu Siegellack, Tiſchler— politur, Kitten), Benzosharz (Räuchermittel), Maſtix. Schleimharze, Gummiharze werden zumeiſt durch Austrocknen der Milchſäfte ge— wiſſer Pflanzen gewonnen. Zu ihnen gehören z. B. der Weihrauch (Räuchermittel), Stinka⸗ ſand (Verwendung in der Mediein, auch hie und da als Würze), Gummigutti (Maler— farbe) u. ſ. w. Das wichtigſte foſſile Harz iſt der Bern— ſtein, der von vorweltlichen Pinienarten ab— ſtammt und beſonders an der preußiſchen Oſt— ſeeküſte gefunden wird. Er wird zu Schmuck— und Luxusgegenſtände verarbeitet, der hiezu nicht taugliche zu Bernſteinlack, Bernſteinſäure und Bernſteinöl. v. Gn. Harzen (Harzſcharren, Harzreißen), ſiehe Baumſäfte. Für Kärnthen wurde unterm 22./5. 1888, Nr. 22, ein neues Geſetz über Harz— ſammeln erlaſſen (mit Durchführungsverordnung der Landesregierung v. 2./8. 1888, 3. 8707, L. G. Bl. Nr. 23). Bewilligung zum Harzen kann nur über Anſuchen oder mit Zuſtimmung des Waldheſitzers nur an vertrauenswürdige Perſonen und auf beſtimmte Flächen oder Stämme durch die politiſche Behörde ertheilt werden, wenn keine forſt- oder ſicherheitspoli— zeilichen Bedenken entgegenſtehen. Bei Gewin— nung von Harz oder Terpentin (Lorget) hat der Berechtigte den Erlaubnisſchein immer mit ſich zu führen. Für Verkauf oder Verſendung von Harz bedarf es eines von der Gemeinde des Bezugsortes ausgeſtellten Lieferſcheines; Harz oder Terpentin aus anderen Ländern iſt durch Frachtbriefe oder ſonſt glaubwürdig zu decken. Harzung ohne Erlaubnisſchein oder von nicht geſtatteten Grundflächen oder Bäumen, endlich der Miſsbrauch der einem anderen ge— gebenen politiſchen Bewilligung iſt als Forſt— frevel (ſ. d.) mit Verweis oder Geldbuße von 5— 70 fl., eventuell Arreſt von 1— 14 Tagen zu beſtrafen. Einer Geldbuße bis 50 fl. oder Arreſt bis 10 Tagen unterliegt, wer zur Erwirkung des behördlichen Erlaubnisſcheines unrichtige Angaben macht, die Bewilligung einem andern überläſst, wer den Erlaubnisſchein nicht vorzu— weiſen vermag, wenn der Grundeigenthümer ohne ſolchen Erlaubnisſchein die Harzung ge— ſtattet, oder wer bei Verkauf oder Verſandt einen giltigen Lieferſchein nicht vorzuweiſen vermag. Geſetzwidrig gewonnenes oder bezogenes Harz und Terpentin verfallen unbeſchadet der Anz ſprüche ſchuldloſer Dritter der Beſchlagnahme— Der Erlös hiefür, ſowie die Strafgelder fließen in den Landesculturfond. — In den Fällen, in welchen Forſtfrevel vorliegt, ſowie in den beiden erſtgenannten, für welche Geldſtrafe bis 50 fl. auferlegt wird, verfällt auch der Erlaub— nisſchein. Behörden und Verfahren nach dem Forſtgeſetz. Mcht. Harzſirniſſe ſind Löſungen der Harze in Alkohol, Terpentinöl oder in trocknenden Glen, welche auf den damit beſtrichenen Gegenſtänden an der Luft zu einer glänzenden, luft- und waſſerdichten Schicht eintrocknen. v. Gn. Harzgänge oder Harzcanäle find Inter— cellularräume, welche als Seeretbehälter dienen und mit Terpentin und Harz erfüllt ſind. Sie treten allgemein bei den meiſten Coniferen, aber auch bei den Terebinthaceen, Umbelliferen und vielen Compoſiten auf. Gewöhnlich ſind ſie langgeſtreckt und durch— ziehen nicht ſelten die ganze Pflanze in allen ihren Organen. Sie fehlen weder den Nadeln, noch der Außenrinde und ſind bei vielen Abietineen, nämlich den Gattungen Pinus, Larix und Picea, im Holzkörper ſowohl in lothrechter Richtung, als auch in den Markſtrahlen hori— zontal verlaufend. Sie ſtehen untereinander in offener Communication dadurch, daſs da, wo ſich zwei Canäle kreuzen, die Auskleidungs— Harzkitte. — Haſe. 563 zellen auseinandertreten und große Intercellu— larräume bilden, welche den Übertritt des Har— zes aus den lothrechten in die horizontalen Canäle ermöglichen. Die Harzeanäle entſtehen, wie T. I, Fig. 7, zeigt, im cambialen Zuſtande der Gewebe dadurch, daſs mehrere Reihen von Cambialfaſern, welche ſchon zuvor durch Hori— zontaltheilung in kurze parenchymatiſche Zellen und durch Radialtheilung in die künftigen Aus— kleidungszellen ſich umgebildet haben, durch ihr Auseinanderweichen den ſich ſofort mit Seeret füllenden Gang erzeugen. Wächst der betreffende Gewebetheil, wie das beim Holzkörper eines Jahrringes der Fall iſt, in der Folge nicht weiter, ſo bleiben die den Canal auskleidenden Zellen für die Zukunft ungetheilt und bekommen auch wohl, wie bei der Fichte, verdickte Wandungen. Nur einzelne Auskleidungszellen bleiben zarthäutig. In Ge— weben, die ſich nachträglich durch Zelltheilung vergrößern, z. B. in Rinde und Baſt, ver- größern ſich auch die Harzeanäle und ihre Aus— kleidungszellen oder ihr Epithelium vermehrt ſich dementſprechend durch Zelltheilung. Die Harzcanäle der Fichtennadeln ſtehen in der erſten Jugend meiſt mit den Rinden— canälen in Verbindung, doch ſchon im Juli wird an der Nadelbaſis dieſe durch Korkbil— dung unterbrochen. Die Rindencanäle ſtehen in Beziehung zum Blattſtellungsgeſetze und com— municieren nicht mit den Rindencanälen des nächſt tieferen Jahrestriebes. Hg. Harzkitte zum Ausfüllen von Steinfugen werden erzeugt, wenn man 1 Theil Pech mit 0˙5 Theilen Kolophonium, 0˙5 Theilen pulveri— ſierter Silberglätte und 0˙2 Ziegelmehl bei ge— lindem Feuer zuſammenſchmilzt. Harzkitte für Waſſermauern werden erzeugt, wenn man 49 Theile Kolophonium mit 6 Theilen Wachs, 2 Theilen Schellack und 2 Theilen Maſtix bei einem gelinden Feuer zuſammenſchmilzt und ſodann 6 Theile Terpentin, 15 Theile Ziegel— mehl und 3 Theile Schwefel hintereinander hinzuſetzt und im dünnflüſſigen Zuſtand in die zuvor erhitzten Fugen eingießt. Harzkitte für Steine unter Waſſer werden erzeugt, wenn man 4 Theile Theer kocht und 6 Theile Ziegelmehl nach und nach bis zur Sättigung des Theers hinzuſetzt. Fr. Harzmaus (Röthel⸗, Waldwühlmaus), Arvicola glareolus Schreb., ſ. Wühlmäuſe. \ Oſchl. Harznutzung, ſ. Rohharzgewinnung. Fr. Harznutzungsbetrieb, ſ. Betriebsarten. Gt. Harzöl iſt ein Product der trockenen De— ſtillation von Harz und wird bei der Bereitung von Harzgas als Nebenproduct gewonnen. Bei höherer Temperatur erhält man ein weißes, dickflüſſiges, blau ſchimmerndes Ol (dickes Harzöl) und endlich ein gelbes, dünnflüſſiges, ebenfalls blau ſchimmerndes Ol (dünnes Harz— öl). In der Blaſe bleibt ſchwarzes Pech (Schuſterpech) zurück. Die beiden Ole dienen zur Darſtellung von Wagenfett. Durch Kochen mit 1%, Kalkhydrat und nochmalige Deſtillation erhält man aus dem rohen das rectificierte Harzöl (Kodöl). Die Harzölkalkſeife, aus gelöſchtem Kalk dargeſtellt, in Waſſer unlöslich, von butterartiger Conſiſtenz, iſt das engliſche Patentwagenfett. Harzöl dient zu Buch— druckerſchwärze, auch zum Fälſchen fetter Ole, beſonders des Baumöls. v. Gn. Harzplattendach. Dasſelbe wird aus den ſog. Sachs'ſchen Harzplatten hergeſtellt. Auf die eingelattete Dachfläche, wobei die Traufe aus ſtarkem Eiſenblech hergeſtellt werden muſs, wird eine 2—3 em ſtarke Doré'ſche Lage (ſ. Lohe— dachung), d. i. eine Lage aus mit Lohe ge— miſchtem Lehm gelegt, welche, ſobald ſie ge— trocknet iſt, mit heißem Steinkohlentheer über— zogen, d. h. möglichſt ſatt getränkt wird. Hierauf werden zwei Bogen eines gutge— leimten Papieres mittelſt einer Miſchung von 3 Gewichtstheilen Nadelholztheer und 8 Ge— wichtstheilen Pech aufeinandergeklebt. Dieſe Platten werden nun auf die mit der gleichen Miſchung beſtrichene Dachfläche derart gelegt, daſs fie ſich einerſeits 7—9 em übergreifen, andererſeits Fugenverband halten. An den Ecken, dann an den Borden und an der Traufe wer— den die Platten mit einigen Nägeln befeſtigt. Das Dichten der Fugen erfolgt mit Zuhilfe— nahme eines ſchweren Bügeleiſens. Auf die Platten kommt dann ein neuerlicher Überzug von Pech und Theer, ſodann eine Überſandung, endlich eine 9—12 mm dicke Schutzlage von Lehm und Lohe, wie beim Dors'ſchen Dache. Fr. Harzrüſſekkäfer, Pissodes hereyniae Hbst., ſ. Pissodes. Hſchl. Harzſeife, ſ. Harze. v Gu. Safe, der, ſ. Feldhaſe und Alpenhaſe Zuſammenſetzungen: Haſenbalg, der, ſ. Balg. Onomat. forest. II., p. 69. — Sylvan, 1815, p. 142. Haſenbeize, die, ſ. Beize. „Haſen-Baitze: wenn die Falkonier ſolche (die Haſen) mit ihren abgetragenen Vögeln fangen, jo heißt es: ge⸗ beizet.“ Großkopff, Weidewerckslexikon, p. 155. — Döbel, Jägerpraktika, Ed. I, 1746, I., fol. 77. — Chr W. v. Heppe, Wohlred. Jäger, p. 196. — Mellin, Anltg. z. Anlage von Wild- bahnen, 1777, p. 197. — Bechſtein, Hb. d. Jagdwiſſenſchaft II., 2., p. 425. — Behlen, Wmſpr., 1828, p. 75. Haſenbugſieren, das, ſ. Bugſieren, das Todhetzen von Haſen. Winkell, Hb. f. Jäger II., p. 75. — Sylvan, 1815, p. 146. Haſenfährte, die, beſſer Haſenſpur, vgl. Fährte und Spur. „Haſenſpuren, ſonſt auch Haſenfährten ...“ C. v. Heppe, Aufr. Lehr⸗ prinz, p. 337. Haſenfell, das, wenig gebräuchlich ſtatt Haſenbalg, j.d. „Bei den Haſen ... heißets: der Balg, anderswo aber das Haſenfell.“ C v. Heppe, 1. c., p. 207. — Wildungen, Neu- jahrsgeſchenk, 1798, p. 37, 38. Haſenfett, das, allein giltiger Ausdruck; vgl. Fett, Feiſt, Weiß. Fleming, T. J., 1729, #5 101.105. — ı Dübel, I. 2, I, fol, 1 Großkopff, I. c., p. 155. — Wildungen, I. c., p. 39. — Hartig, Lexik., p. 323. Haſenforcieren, das — Haſenbugſieren. Großkopff, 1. c., p. 155 und 118. Haſengarn, das. Garn zum Haſenfange, oder auch für Prellnetz, ſ. d. Nos Meurer, ı Ed. I., Pforzheim 1560, fol. 85. — Göchhauſen, 36 * 564 Notabilia venatoris, p. 228. — Chr. W. v. Heppe, 1. c., p. 196. — Großkopff, I. c., p. 155. — Sylvan 1814, p. 51; 1816, p. 46. — Hartig, Lexikon, p. 242. Behlen, 1. c. Haſengarten, der, eine ſpeciell für Haſen beſtimmte Remiſe. Bechſtein, I. c., II., p. 139. Haſengeheg, das, w. v. Großkopff, 1. e. — Chr. W. v. Heppe, 1. e. Behlen, 1. e., p. 76. — Sanders, Wb. I, p. 722. Haſengeſchreipfeife, die, ſ. v. w. Haſen— quäcke, ſ. d. Hohberg, Georgica euriosa, Nürn— berg 1682, II., fol. 745. Haſenhatz, die, oder Haſenhetze, ſ. Hatz. Onomat. forest. II., p. 70. — Sylvan, 1816, p. 42, 47. — Winkell, 1. c., II., p. 69. Haſenhund, der, Hund zur Haſenhetze, ſ. Feldhaſe. Mellin, 1. e., p. 222. — C. v. Heppe, J. c., p. 17. — Großkopff, 1. c., p. 41. Haſenjahr, das. Je nachdem es in einem Jahre relativ viele oder wenige Haſen gibt, ſpricht man von einem guten oder ſchlechten Haſenjahre Diezel, Niederjagd, 5. Aufl., p. 263. Haſenkammer, die, nennt man einen Revier- oder auch einen ganzen Landestheil, wo beſonders viele Haſen vorkommen. Diezel, e eee Haſenkaſten, der, Kaſten zum Transport lebender Haſen, ſ. Wildtransport. Fleming, . 36. Mellin, 1. c., p. 246. Onomat. forest., II., p. 74. — Behlen, 1. o. — Diezel, I. c., p. 258. Haſenklapper, die. Klapper, deren ſich die Treiber auf Waldjagden bedienen. Hartig, I. c., p. 316. — Laube, I. c., p. 280. — Diezel, Ne, p. 703. Haſenklein, das. „Unter der Benennung Haſenklein verſteht man (beim Haſen) Alles, was bei der hohen und Mitteljagd zum Koch— wildbret und zur Lunze gerechnet wird, nämlich Kopf, Hals, Kletter, die untere Hälfte der Rippen und die Dünungen, Herz, Lunge und Leber: Dea d. Winkell, I. o., II., p. 3. Chr. W. v. Heppe, I. c., p. 197. — Behlen, J. c. — Hartig, I. e., p. 242. — Laube, J. e., p. 281. Haſenkur, die, ſ. v w. Anſtand auf Haſen, ſ. Kur und vgl. Haſenlauſchen. Hartig, 1. e., p. 340. Haſenlauſchen, das, ſ. v. w. Haſenan— ſtand, von der urſprünglichen Bedeutung des mhd. lüsen, welches auch erwarten heißt. Stiſſer, Jagdhiſtorie der Teutſchen, p. 468. — Onomat. forest, II., p. 75. — Fleming, I. c., fol. 229. — C. v. Heppe, 1. c., p. 146. Haſennetz, das, ſ. v. w. Haſengarn. les ming, I. c. — C. v. Heppe, I. e. — Behlen, I. c., p. 76. — Hartig, 1. o, p. 243. Haſenpaſs, der, ſ. Paſs. Sylvan, 1815, p. 143. — Diezel, 1. e., p. 277. Haſenquäcke, die, Inſtrument, womit man den Klaglaut des Haſen nachmacht, um Füchſe, Edelmarder, Wildkatzen ꝛc. anzureizen. Hartig, Lexikon, p. 238. Haſenrein, adj. „Haſenrein nennt man den Hühnerhund, der die Haſen feſt ſteht, aber ihnen nicht ohne beſondere Aufforderung nach— jagt.“ Hartig, J. e., p. 243. — Diezel, 1. e., p. 90. Haſel. — Haſelhuhn. — N * 8 f Haſenruf, der, ſ v. w. Haſenquäcke. Döbel, I. „II., fol. 149. — Onomat. forest. II., p. 76. Haſenſchrot, der, die zum Haſenſchießen paſſendſte Schrotnummer, nach öſterreichiſcher Scala Nr. 6. Wildungen, 1. c., 1798, p. 39 — D. a. d. Winkell, Hb. f. Jäger III., p. 343. Haſenſprung, der, in verſchiedenen Be— deutungen: „Haſenſprung. Alſo wird be— nennet: 1. Tie Fährte eines flüchtigen Haſens. 2. Das krumme Beinlein in des Haſens hin- teren Läuften. 3. Das Zeichen, welches am Ende eines Geraumbes in Geſtalt von eines Haſens Fährte oder Spur in einen Baum gehauen wird“ Chr. W. v. Heppe, I. c., p. 197. — „Der Haſen-Sprung, welches ein kleiner Knochen etwan eines halben Zolles lang und in den Hinter-Läuften in dem Gelencke an der Hoſſe ſitzet, iſt gut, den gebärenden Weibern einzugeben .. .“ Döbel, I. e., I., fol. 31. — „Es haben die Haſen in den Hinterläuften an der Hoſſe in dem Gelencke einen krumm gebogenen Knochen, welcher der Haſen-Sprung heißet.“ Großkopff, Weidewerckslexikon, p. 86. — Wil⸗ dungen, 1. c., p. 39. C. v. Heppe, I. e., p. 384. — Jeſter, 1. c., IV., p. 19. — Onomat. forest., I. e. — Behlen, Wmſpr., 1828, p. 76. — Hartig, 1. c., p. 243. — D. a. d. Winkell, I. c., II., p. 7. — Laube, Jagdbrevier, p. 281. Haſenſpur, die, beſſer als Haſenfährte, ſ. d. und vgl. Fährte und Spur. C. v. Heppe, I. E% P. 337 Haſenſteig, der. „Hexenſteige oder Haſen— ſteige: welche Haſen durchs Getreide machen.“ Laube, 1. c., p. 282. Haſenſuche, die, ſ. Suche. Hartig, I. e., p. 512. — D. a. d. Winkell, 1. c., II., p. 297. — Diezel, 1. c., p. 91. Haſenwind, der, Windhund zur Haſenhatz, vgl. Wind. Hartmann v. d. Aue, Erec, v. 7180. Haſenzeug, das, ſ. v. w. Haſennetze. Pärſon, Hirſchgerechter Jäger, 1734, fol. 112. Haſenzwirn, der, Zwirn zu Haſenzeugen. Fleming, I. e., fol. 338. Aitinger, Jag⸗ vnnd Weydbüchlein, 1651, p. 8, 118. E. v. D. Haſel, hat eine eigentliche forſtliche Be— deutung nicht und muſs in der Regel als ein zu vertilgendes Unholz angeſehen werden, doch kann ſie einen vorübergehenden Wert da haben, wo ſie noch vorhandene Lücken im Niederwalde und Unterholze füllt, oder wo ſie im Hochwalde als Bodenſchutzholz auftritt, wie ſie dies z. B. hie und da ſelbſt im Kieferwalde thut. Ihre Lohden haben dann nach ihrer Fällung einen oft nicht unerheblichen Nutzwert. Gt. Ssafelborkenkäfer, ſ. Dryocoetes coryli Hſchl. Haſelgebirge nennt man Thone, welche mit Steinſalzbrocken und Geſteinsfragmenten des benachbarten Gebirges angefüllt ſind; ſie pflegen die Steinſalzbildungen der nördlichen Alpen zu begleiten. v. O. Haſelhuhn, das, Tetrao bonasia Linn., Bonasia betulina, B. lagopus, B. sylvestris, B. minor, B. rupestris, B. albigularis, Tetras canus, T. betulinus, Tetrastes bonasia; franz.: gelinotte des bois f., francolin m.; ital.: fran- colino; ung.: esäszär Faid. (ezäszärmadär); böhm.: jekabek; poln.: gluszee jarzabek; croaf.: Haſelhuhn. jestarka; ſchwed.: hjaerpen. Rothhuhn, Berg— hühnli, Waldhühnle, Waldhenn, Beervogel, Haſele, Buchenhenn. Beſchreibung: Das Haſelhuhn iſt in Be— zug auf ſeine Färbung recht gut ſeinem Auf— enthaltsgebiete angepaſst. Entſprechend der Farbe des Waldbodens, herrſcht die graubraune und braune Farbe auf der Oberſeite vor. Der Scheitel iſt dunkelroſtroth, tiefbraun gefleckt und mit einer Federholle geziert, die, beim Männchen etwas größer als beim Weibchen, meiſt nur in Momenten der Erregung aufgerichtet, ſonſt aber glatt anliegend getragen wird. Der Augenſtern iſt ſchön nuſsbraun und das ganze Auge mit einer zinnoberrothen, nackten, warzigen Anſchwel— lung, der Roſe, umgeben. Dieſe nimmt mit zu— nehmendem Alter merklich an Größe zu, erweitert ſich auch beſonders während der Zeit der Balze und trägt auch um dieſe Zeit das lebhafteſte Colorit. Etwas rückwärts und ober dem Auge ſticht aus dem dunkeln Braun je ein kleiner weiß— grauer Fleck hervor. Die Schnabelwurzel iſt mit faſt ſchwarzen, borjtigen Federchen bis über die Naſenlöcher dicht bedeckt. Der Schnabel ſelbſt iſt ziemlich ſcharf gebogen, in den Unterſchnabel ſcherenartig eingreifend, an der Spitze leicht berandet, ſonſt ſchwarz und an der Wurzel ins Gelbliche übergehend. Die Wangen ſind meiſt graubraun geſprenkelt, welche Färbung auch den Oberhals trifft und ſo die ſchwarze Kehle deutlich hervortreten läſst. Die Halsfedern ſind lichtbraun mit einem ſchwarzbraunen Querſtriche vor der mehr oder weniger weißlichen Einfaſſung. Der Oberrücken erſcheint graubraun, durch dunklere Querbinden der einzelnen Federn vielfach zart gewellt und gewäſſert, allmählich in die mehr einem dunkeln Grau ſich nähernden Stoßdeckfedern übergehend. Die Flügeldeckfedern ſind dunkler roſtfarbig, vielfach mit ſchwarzen Flecken und helleren Schaftſtrichen gezeichnet. Die Schwungfedern ſind eng anſchließend, der Körperform anſchmiegend nach einwärts gebogen, an der inneren Fahne graubraun, an der äußeren gelblich geläumt. Die Steuerfedern ſind matt— ſchwarz, gefleckt und die mittleren mit roſtfarbigen Bändern. An Bruſt und Bauch werden die weißen Federnränder bedeutend breiter, weshalb die ganze Unterſeite wie weißgefleckt erſcheint, unter— brochen von den halbmondförmig ſich abhebenden dunkelbraunen Flecken. Das Steißgefieder iſt licht aſchgrau, von bräunlichen Binden durch— zogen. Der Stoß iſt 16fedrig, ſchwärzlich, grau geſprenkelt, mit ſchwarzen Querbändern und weißen, fein getüpfelten Spitzen. Bei den zwei mittleren Stoßfedern fehlt oft die ſchwarze Binde; bei manchen Exemplaren dagegen iſt ſie wieder 565 vorhanden. Die Ständer find bis nahe an die Zehen ſtark befiedert, letztere mit „Balzſtiften“ verſehen und ſchmutzigbraun mit ziemlich ſtarken Scharrnägeln. Die Henne unterſcheidet ſich von dem Hahne weſentlich durch ihre geringere Größe, die weniger intenſiv gefärbte, geringere Roſe, den Mangel der ſchwarzen Kehle und die Federn der Schnabelgegend ſind faſt ganz glatt, während ſie beim Hahne faſt bartförmig gekräuſelt ab— ſtehen. Im allgemeinen iſt die Färbung eine mattere, die der Kehle ſogar roſtgelb. Die dunkeln und hellen Flecken ſind überall unregel— mäßig vertheilt. Man kann alſo im Freien den Hahn unſchwer von der Henne unterſcheiden, am ſchuellſten an dem ſich grell abhebenden ſchwarzen Kehlfleck und beim erſchreckten Auf— ſtehen an der bedeutend größeren Federholle. Im Jugendkleide ſieht das Haſelhuhn durchaus nicht übel aus, wozu allerdings ſeine mehr gedrun— gene, faſt etwas dralle Figur auch das ihrige bei— trägt. Wenn fie ca. 3 —5 Tage alt find, zeigen ſie ungefähr folgende Färbung: der Kopf iſt graulich— gelb, zeigt an der Schnabelwurzel einen unbe— fiederten Winkel, hinter dem ſich vier ſchwarze Striche in Form eines gegen die Schnabel— wurzel geöffneten Dreieckes ſcharf abheben, auf dem Hinterkopfe aber in nicht mehr ganz regel— mäßige Fleckchen von rußſchwarzer Farbe ver— lieren. Die Kopfſeiten ſind ebenfalls gelblich, an den Spitzen der zarten Dunen ſchwach grünlich angeflogen. Unter dem Auge bemerkt man einen faſt halbmondförmigen ſchwarzen Fleck, hinter demſelben einen ebenſolchen Strich. Die Kehle iſt, lichtgelb, ſchwach grünlich überhaucht, die ganze Unterſeite ſchmutzig graugelb. Der Rücken iſt bräunlich, roſtig gemiſcht mit nur ſchwach angedeuteten rußſchwarzen Querbinden und äußerſt feinen Wellenlinien. Die Flügelein ſind dunkler braun mit zwei ſcharf abgegrenzten, weißlichen, ca. Umm breiten Binden. Der Schnabel iſt verhältnismäßig ſtark entwickelt, grau, an den Rändern faſt ins Wachs⸗ gelbe ſchlagend, und trägt zu beiden Seiten an der Federgrenze einen braunſchwarzen Fleck. Die Ständer ſind bis auf die Zehen herab ſehr fein wollig befiedert und mit der Unterſeite gleich gefärbt. Männchen und Weibchen ſind in dieſer Zeit äußerlich abſolut nicht zu unter— ſcheiden, da ſich ſelbſt bei langer Beobachtung nicht das mindeſte Merkmal einer Verſchieden— heit wahrnehmen läſst. Die Größe des Haſelhuhnes ſchwankt oft ziemlich bedeutend, je nach den Lagen, in denen es erwächst. Nachſtehende Meſſungen mögen hievon ein kleines Durchſchnittsbild liefern: Kärn⸗Bos⸗ | Schwe- Ruſs⸗[ Spa= ganzen „[Vorarl-] i; Herco— | den land | nien Italienſschweis berg Tirol then nien govina 5 5 2 TI Totallänge . [3651310[358|298[378|305]398|330]397|332[394 328] 345|285[390[330]4001330[396|320 Fittichlänge |208/172]196[155]190/1601194|158]195[160119011591172 150]200]160]210170]2001166 Stoßlänge . [130/11 0)1251115]127)1416]129|120|1301122]128|120[120]108]132]124]135| 1261281116 Schnabel. . 31| 30 30) 30| 31] 30| 32, 32] 31 30| 32] 32] 30) 30] 32) 31] 32] 32] 32] 31 Tarſus . 33 31 54 52] 52) 51f 51) 51] 53] 51] 52) 52 50| 50] 54] 52 54 54 33 52 566 Man findet allerdings häufig Haſelhühner, welche nicht dieſe Maße erreichen, nicht ſelten aber auch ſolche, welche dieſe Zahlen über— ſchreiten. Der größte Haſelhahn, der mir je unter die Hände gekommen iſt, ſtammte aus Schweden und wies folgende Maße auf: Total— länge 440, Fittichlänge 246, Stoßlänge 138, Schnabellänge 36 und Tarſuslänge 56 mm. Dabei hatte er ein Gewicht von 2 kg, während dasſelbe ſonſt 1—1˙5 kg nur ſelten überſchreitet. Verbreitung. Das Haſelhuhn iſt in ent— ſprechenden Höhengürteln ſozuſagen über ganz Europa verbreitet. Es liebt weder ausgeſprochene Hochlagen, noch hält es ſich in der Thalſohle auf, obwohl es in großen, recht ruhigen Diſtrieten in einzelnen Thälern des Alpenge— bietes ſich noch in der colinen Region heimiſch macht. In den Alpen ſteigt es 1000 bis 1200 m hoch hinan, in Spanien und Griechenland trifft man es oft ſogar noch höher, wie dort auch die Grenze gewiſſer Holzarten entſchieden höher liegt als im Alpengebiete. In Nieder- und Oberöſterreich bewohnt das Haſelhuhn die meiſten Ausläufer des Alpenſtockes, Steiermark bis zum Bacher, Kärnthen, Salz— burg, Tirol und Vorarlberg und einen großen Theil von Krain und dem oberen Küſtenlaude, die größeren Gebirgszüge von Böhmen, Mähren und Schleſien, ſowie die nach Galizien ſtreichen— den Widerlager der Karpathen. Ungleich häufiger findet man es in den ungariſchen Karpathen, in den Gebirgen der Bukowina und Sieben— bürgen, in einigen Höhenzügen von Croatien, dann in Bosnien, der Hercegovina und im nördlichen Dalmatien. Außerdem findet es ſich in Bayern, im fränkiſchen Jura, im Schwarz— walde, am Harze, in Weſtphalen, den Rhein— landen, Heſſen, Naſſau, Sachſen, Oſt- und Weit- preußen, Kurland, Pommern und Poſen. In Italien begegnet man ihm im Barbatzigebirge, in den abſtreichenden Zügen der cadoriſchen Alpen, den Apenninen und Abbruzzen, jedoch wegen der dort herrſchenden Schießwuth in ſehr geringer Zahl und den am wenigſten betretenen Hochthälern. Das bei den Maßen unter „Italien“ verzeichnete Männchen erlegte ich am Gran Saſſo bei einer Höhe von 2400 m. Am Balkan und auf einigen Gebirgszügen von Griechenland iſt das Haſelhuhn vertreten, meiſt jedoch nicht in. großer Zahl. Häufiger findet es ſich in Lithauen und Podolien und verbreitet ſich über einen großen Theil des nördlichen und öſtlichen Rujs- land, ebenſo über Schweden und Norwegen bis nach Lappland. Die meiſten Haſelhühner kommen von Schweden aus auf den Wildpretmarkt; ihre Zahl beläuft ſich jährlich auf mehrere hundert— tauſend Stück. Nicht unbedeutend iſt auch der Markt in Petersburg. Auch in Paris gelangt alljährlich eine namhafte Zahl zu Markte, doch wird der größte Theil davon aus anderen Ländern eingeführt. Die Verbreitung des Haſelhuhnes war noch vor 40—50 Jahren ſowohl territorial, als in Bezug auf Individuenzahl eine ungleich größere als gegenwärtig. Vielorts iſt es von ſeinen früheren Ständen gänzlich verſchwunden, an anderen Orten hat es ſich in beſorgniserregen— der Weiſe vermindert. Die immer tiefer in das Ü— — •—— 4 ͤ Zͤ—j—I ꝗ&.ĩ—æ—M . — — — —-ĩ— — — Haſelhuhn. Waldareal eindringenden Cultivirungsverſuche die oft ſehr ausgedehnte Wälderdevaſtation und die örtlich eingeführte Erziehung rein uniformer Beſtände haben dieſem geſchätzten Waldhuhne ſeine Heimat ſtreitig gemacht, haben ihm die gewohnten nothwendigen Exiſtenzbedingungen entzogen. Die letzten Bewohner ſolcher Terraine ſind entweder dem Feuerrohre verfallen, oder haben ſich durch Auswanderung ihrem ſicheren Untergange entzogen. Ab und zu haben ſich wohl Weidmänner gefunden, die ſich bemühten, dem Haſelhuhne die nöthigen Bedingungen für ein gutes Fortkommen zu bieten, die ihm Schutz und Hege angedeihen ließen, örtlich auch be— deutende Erfolge erzielten, aber die Zahl ſolcher Weidmänner iſt eine ſehr kleine im Vergleich mit denen, die ſich um das ſchöne Waldhuhn gar nicht kümmern, ſich höchſtens an dem Er— legen einzelner Stücke erfreuen, ohne hiebei ſonderlich nach einer Schonzeit oder um das Geſchlecht der Hühner zu fragen. Auf dieſe Weiſe ſchmelzen die Beſtände der Haſelhühner noch immer bedeutend zuſammen. Eine ſtrengere Beachtung der Schonzeiten, eine ſorgfältigere Hege und mehr Rückſicht auf die Geſchlechter wäre im Intereſſe dieſes vielbegehrten Waldhuhnes dringend geboten. Gegenwärtig ließe ſich noch in unzähligen Revieren mit kleinen Opfern ein ſchönes Reſultat erzielen, was vielleicht ſpäter nur mehr ſchwer und mit bedeutendem Auf— wande von Zeit und Geld wird erreicht werden können. Fortpflanzung und Lebens weiſe. Die Lebensweiſe des Haſelhuhnes, ſein Liebes— und Familienleben iſt ein in vielen Beziehungen von den Eigenthümlichkeiten anderer Waldhühner durchaus abweichendes und grundverſchiedenes. Während bereits alle anderen Vögel ſich vereinzelt durch den Winter ſchlagen oder in lockerer Geſellſchaft in Flügen im Frühjahr aus dem gluthauchenden Süden wiederkehren, gewöhn— lich dann erſt von der geſchlechtlichen Erregung er— faſst werden und zur Paarung ſchreiten, ſuchen ſich die jungen Haſelhühner ſchon im Septemher und October ihre Gefährtinnen aus, und ſelbſt die alten Hähne knüpfen das Band der Zu— ſammengehörigkeit mit einer Henne etwas feſter, obwohl dies beiweitem nicht ſo auffallend bemerkbar wird, als dies bei jungen Hähnen der Fall iſt. a Findet ſich in einem Reviere nur ein Paar vor, das etwa von wo anders her eingewandert iſt und ſich ein neues Heim geſucht hat, ſo kann man am beſten beobachten, wie ſie den ganzen Herbſt und Winter hindurch treulich zuſammenhalten, ſich nur ſelten in größerer Entfernung voneinander herumtreiben, ſich ſo— gar bei der Nahrungsſuche eifrig unterſtützen. Aus dem Umſtande, daſs ſich in den Herbſt— monaten die Paare zuſammenthun, daſs der Hahn auf den Lockruf nicht ſelten ziemlich hitzig zuſteht, hat man den falſchen Schluſs gezogen, daſs die eigentliche Balzzeit im September oder October eintrete. In dieſen Monaten je— doch findet nur eine Annäherung der Paare ſtatt, ohne dass eine wirkliche geſchlechtliche Er— regung zum Durchbrüche kommt. Der Anſchluſs während des Winters iſt ein um ſo innigerer, et Haſelhuhn. 567 je mehr die einzelnen Paare mit Nahrungs— mangel, ſtarken Schneefällen und anderen Fähr— lichkeiten zu kämpfen haben; im Gegentheile geſtaltet ſich derſelbe dort wieder um ſo lockerer, je leichter es ihnen wird, die genügende Aſung zu finden oder den Kampf ums Daſein ohne beſondere Beſchwerden durchzufechten. Im Spätherbſte und auch noch während des Winters findet man häufig vereinzelte Haſelhühner; dieſes ſind in den allermeiſten Fällen überzählige Hähne, die, ſo gut es eben geht, ihr gezwungenes Cölibat verleben, ſich bald da, bald dort einzuſchmuggeln verſuchen, von dem bereits angepaarten Hahne aber ſtets vertrieben werden. In dieſem Punkte verſteht der Haſelhahn wenig Spaſs, iſt vielmehr auf ſein Eherecht in ziemlich hohem Grade eifer— ſüchtig. Jede unberufene Annäherung wird von ihm hitzig zurückgewieſen. Solche nirgends gern geſehene Cölibatäre unternehmen im Laufe des Spätherbſtes und Vorwinters nicht ſelten ſehr bedeutende Wanderungen auf der Suche nach einer Braut. Wenn man ſich die Mühe nimmt, einen ſolchen vereinzelten Hahn mit dem Rufe der Henne anzulocken, ihn zu erlegen und die im Magen vorfindlichen Steinkörner genau auf ihren Urſprungsort prüft, ſo iſt es bei geo— gnoſtiſchen Bodenverſchiedenheiten oft ganz leicht, ſeine eigentliche Heimat zu conſtatieren. Bei ſolchen Unterſuchungen kann man zweifel— los feſtſtellen, daſs z. B. ein vorliegender Hahn 4—3, ja ſogar noch mehr Meilen weit herbei— geſtrichen ſei. Er führt eben ein ungeſtümes Wanderleben, wird überall verjagt, wo er ſich niederlaſſen will, und ſo kommt er von einem Gebirgszuge zum andern, aus einem Thale in das nächſte, ſogar noch in das folgende, bis es ihm endlich gelingt, eine einzelne oder verwit— wete Henne ausfindig zu machen. Die Haſelhähne ſind im Verhältnis zu den Hennen immer in bedeutender Überzahl vor— handen, wohl vielleicht hauptſächlich aus dem Grunde, weil die an der Erde brütende und dann mit der Führung der Jungen beſchäftigte Henne ungleich mehr Gefahren ausgeſetzt iſt als der Hahn. Wie auffallend mitunter das geſchlechtliche Miſsverhältnis zutage tritt, mag am beiten folgender Fall darthun. Ich bemerkte in einem Frühlinge in meinem Reviere eine auffallend große Anzahl von Haſelhähnen und wenig Hennen, weshalb beſtändige Kämpfe ſtattfanden. Hauptſächlich zum Zwecke der Beobachtung er— legte ich einen bereits angepaarten Hahn. Schon am andern Morgen war die hiedurch zur Witwe gewordene Henne mit einem neuen Gemahl an der nämlichen Stelle, als ob gar nichts ge— ſchehen wäre. Auch dieſer zweite wurde geopfert, ebenſo ein dritter und vierter. Am fünften Tage feierte die Henne mit dem fünften Gemahl ihre Hochzeitsfreuden. Da ich nun nicht mehr weiter ſtörend eingriff, gieng das Brütegeſchäft ganz normal vorwärts. Im ſtrengen Winter haben die Haſelhühner in ſchneereichen Lagen Mühe, genügende Aſung zu finden, trotzdem fie durchaus keine Koſtver— ächter ſind. An Inſecten, Heidel- und Preiſel— ſie ſuchen daher die Wachholderbeeren, Hage— butten und Schlehen (Prunus spinosa) auf. Mit bewunderungswürdigem Scharfblicke wiſſen ſie dieſe Sträucher ſelbſt im tief verſchneiten Zu— ſtande von dem anderen Unterholze zu unter— ſcheiden. Sie ſetzen ſich auf einen Wipfel und ſchlagen mit den Schwingen in den Schnee, bis derſelbe abfällt und ſo die Beeren bloß— gelegt werden. Gerne ſuchen ſie auch die Früchte der Miſtel (Viscum album), die ſie auf ähn— liche Weiſe, wie früher geſagt, auszufreien wiſſen. Bekommen ſie ſolche Aſung nicht mehr, ſo greifen ſie zu den Knoſpen der verſchiedenen Laub- und Nadelhölzer, füllen ſich im Noth— falle ſogar den Magen mit Nadeln von Tannen und Fichten an. Geht es gar zu knapp, ſo ent— ſchließen ſie ſich wohl dazu, ihr gewohntes Auf— enthaltsgebiet zu verlaſſen. In ſolchen Fällen beſchränken ſie ſich jedoch mit wenig Ausnahmen darauf, ihren Aufenthalt in der Schattenſeite mit einer ſonnſeitigen Lage zu vertauſchen, die ihnen günſtigere Chancen für ihr Fortkommen bietet. Mit Eintritt des Frühlings ſtreichen ſie dann gewöhnlich wieder zurück. Von beſonderem Intereſſe war es mir, zu beobachten, wie geſchickt ſie die Arbeiten des Grünſpechtes für ſich auszunützen wiſſen. Dieſer gräbt bekanntlich bei den Haufen der großen Waldameiſe oft lange Gänge, um zu den Ameiſen, zu deren eigenen und bei ihnen zu Gaſte weilenden Larven und Puppen zu ge— langen. Dieſe Gänge benützen die Haſelhühner, ſchlüpfen durch dieſelben hinein und ſcharren ſich dann weiter, bis ſie zu den in der Tiefe weilenden Ameiſen gelangen. Ein ſolcher Ameiſenhaufen wird ſo lange beſucht, als er überhaupt eine Ausbeute liefert. So wird der Grünſpecht gleichſam zum Mineur, der den Haſelhühnern ihre Stollen und Schachte gräbt, die ſie dann fleißig ausbeuten. Zur Zeit recht ſtarker Schneefälle laſſen ſie ſich auch, neben einen Baumſtamm oder einen Strunk gedrückt, einſchneien, lieber jedoch in einem recht dicht veräſteten größeren Baume. Im letzteren Falle verlaſſen ſie den Baum nicht ſelten eine ganze Woche nicht und begnügen ſich mit den harten Nadeln desſelben. Haben ſich die Haſelhühner auf dieſe Weiſe ſchlicht und redlich durch den langen Winter geſchlagen, und verkünden die laueren Lüfte das Herannahen des erſehnten Frühlings, dann tritt auch das kleine Vogelherz in ſeine Rechte. In der zweiten Hälfte des Monats März oder im April, je nach Lage, Klima und Witterung, treten ſie in die Balze. Eng und enger ſchließt ſich der Hahn an ſeine Genoſſin an, macht ſich mit derſelben zu ſchaffen, pickt vor ihrem Schnabel oder bohrt in den lockeren Humus— ſchichten, als wenn er ihr die Nahrungsſuche erleichtern wollte. Endlich ſtellt er ſich auf einen vorragenden Strunk, lieber aber auf einen frei— ſtehenden Aſt und beginnt dort erſt ſchüchtern, dann aber immer hitziger ſein Liebeslied. Er ſträubt feine Federholle, läſst die Schwingen zitternd niederhängen, breitet den Stoß radför— mig aus und beginnt zu ſpiſſen. Das Spiſſen iſt ein feiner, langgezogener, etwas ziſchelnder beeren iſt um dieſe Zeit nicht mehr zu denken, Ton oder vielmehr eine Reihe ſolcher Töne 368 die ſich gegen Ende der Balzarie zu einer höheren Tonlage erheben und mit einem ſtark vibrierenden Triller abſchließen. Dieſes Spiſſen, ſo leiſe es zu klingen ſcheint, iſt doch wegen des durchdringend ſcharfen Tones auf eine nicht unbedeutende Entfernung vernehmbar ufd läſst beſonders in der Stärke und dem längeren Aushalten des Schluſstrillers den ſtärkeren oder geringeren Hahn leicht und mit Sicher— heit anjprechen. Leyen hat die Spiſsarie durch folgende Silben auszudrücken verſucht: „Tititi— itititititiki Die bayeriſchen Jäger haben ihr die Worte untergelegt: „Zieh } zieh', zieh bei der Hitz' in die Höh'“. Dieſer Reim tritt auch in anderen Gegenden in den verſchiedenartigſten Varianten wieder zutage. Das Spiſſen beginnt ſchon in der erſten Morgendämmerung. Schon bevor das ſanfte Roth den Oſten vergoldet, erwacht der Haſel— hahn, tritt auf ſeinem Aſte einigemale hin und her, reckt und lüftet die Schwingen, zieht die Schwungfedern durch die Zehen, vernimmt ſcharf nach allen Seiten und läſst dann erſt wie zur Probe einige unſichere Töne hören. Bleibt dann alles ruhig, ſo beginnt er eifrig zu ſpiſſen, bis ihm die Henne am Boden mit tiefem, leiſem Pfiff antwortet. Mit erhöhtem Feuer klingen dann noch ein paar Triller, der Hahn ſteht ab und fällt bei der Henne ein. Mit poſſierlichem Kopfnicken, geſträubter Holle, hängenden Schwingen und radförmig ausge— breitetem Stoße trippelt er neben der Henne her und tritt ſie endlich nach Art der anderen Hühner, wobei er nicht ſelten einen hochtönen— den, gezogenen Pfiff ausſtößt. So ſehr er auch durch die geſchlechtliche Erregung in Entzückung geräth, ſo vergiſst er dabei doch keinen Augen— blick die eigene Sicherheit, wird auch nicht den kürzeſten Moment blind und taub wie der Auerhahn. Das Haſelhuhn lebt in einer lockeren Monogamie. Der Hahn hält ſich zwar in der Balzzeit an ſeine erkorene Gefährtin, macht ſich aber daneben durchaus keine Serupel daraus wenn er ungeſehen in Nachbars Garten ein Blümchen pflücken kann. Aus ſo einer kleinen Untreue macht ſich indes die Henne nichts draus, ſondern revanchiert ſich einfach, wenn ſie Gelegenheit dazu findet. Die unbeweibten Haſelhähne pflegen wohl auch zu ſpiſſen, ſind jedoch damit gewöhnlich etwas zurückhaltender, wie wenn ſie ſich nicht recht getrauen würden, oder als ob ſie den nächſten, glücklicheren Hahn nicht reizen wollten, dies beſonders dann, wenn ſie den Hahn als einen ſtarken erkannt haben. Iſt das Gegentheil der Fall, dann wird er luſtig herausgefordert. Sauſenden Fluges ſtreicht der Haſelhahn ſeinem Rivalen entgegen, ein wüthendes „diitiiſtii herausſtoßend. Bis auf wenige Schritte nahen ſich die beiden Gegner, hochaufgerichtet, den Stoß halbgefächert, ſtehen ſie ſich gegenüber, als wollten ſie erſt gegenſeitig ihre Stärke prüfen. Plötzlich rennen ſie klatſchend zuſammen, hüpfen aneinander in die Höhe, Um und noch mehr. Die Schnäbel arbeiten, die Schwingen klatſchen, ſogar die Ständer werden zuhilfe | Haſelhuhn. einander, um im nächſten Augenblicke wieder zuſammenzufahren. Einer ſucht durch die Wucht des Anpralles den anderen umzuwerfen. Ge— lingt dies, ſo macht ſich meiſt der umgeworfene Hahn aus dem Staube, während der Sieger ſtolz aufgerichtet noch eine Zeit lang am Platze ſtehen bleibt, dann aber auch vom Schauplatze abſtreicht. Entſprechend dem mehr monogamiſchen Eheleben, hat das Haſelwild keine regelmäßigen Balzplätze, wie dies beim Auergeflügel und Birkwilde der Fall iſt. Der Haſelhahn ſpiſst heute da, morgen dort, wie es ihm gerade die Umſtände bequemer erſcheinen laſſen. Wird die Balze nicht durch ſpät eintre— tende Schneeſtürme unterbrochen, nimmt ſie einen raſchen Verlauf. Nach eingetretener Be— fruchtung ſucht ſich die Henne einen geeigneten Platz zur Unterbringung des Geleges aus, In der Wahl des Niſtplatzes bekundet ſie etwas mehr Sorgfalt als die Auer- und Birkhennen, obwohl ſie wie dieſe auch auf der Erde brütet. In den meiſten Fällen wählt ſie hiezu eine faſt undurchdringliche Dickung im Unterholze, dorniges oder dicht verwachſenes Geſtrüpp, wohl auch Aushöhlungen unter Steinen und Wurzel- ſtöcken. Hier ſcharrt ſie ſich eine flache Mulde aus und trägt etwas Moos, dürre Grashalme, Blätter und Federn für eine ſchwache Auspol— ſterung hinein. Auf dieſes primitive Geniſte — von einem eigentlichen Neſte kann man nicht ſprechen — legt die Henne ihre 8—12 ſchwach gelblichen oder bräunlichen, rothbraun beklexten und bepunkteten, 38/29 bis 40/30 mm meſſen⸗ den Eier. Dieſe werden vou der Henne allein bebrütet. Der Hahn kümmert ſich um ſeine Gattin ſelten mehr, ſobald dieſelbe mit ihrem Geſcherre fertig iſt. Er treibt ſich wohl in der Nähe herum, bleibt aber nicht unbedingt da⸗ ſelbſt, denn ich habe ſchon mehrere Fälle beob— achtet, in denen in der Nähe mehrerer brüten- der Hennen durch mehr als eine Woche hindurch kein einziger Hahn ſich ſehen ließ. Die Henne brütet mit vieler Hingebung und ſitzt ſehr feſt, ſo daſs man nicht ſelten auf 2—3 Schritte beim Neſte vorbeigehen kann, ohne dafs ſie ſich rührt, höchſtens drückt ſie ſich möglichſt tief in die Neſtmulde. Die Brütezeit dauert 21 bis 24 Tage. Da die Henne ihr Geſcherre ſehr gut zu verbergen weiß, wird dasſelbe ſelten auf— gefunden. Nur dem Fuchſe, Marder, Iltis und Wieſel gelingt es bisweilen, dasſelbe aufzu— finden. Auch die beiden „Heiligen“, Dachs und Igel, ſuchen es ſehr gerne auf und plündern es gründlich. Mehrfach iſt behauptet worden, daſs ein Schutzmittel der brütenden Henne auch in einer verminderten Ausdünſtung, mithin einer ſchwä— cheren Witterung liege, und hat man dieſen Umſtand ſo erklärt, dajs ſich die meiſte Körper— wärme gegen das Gelege concentriere und das enger angezogene Gefieder das Ausſtrömen der Witterung verhindere. Das läſst ſich nun aller— dings ſehr ſchwer conſtatieren, aber das Be— nehmen des Fuchſes, der oft eine nahe ſitzende Henne ſelbſt bei gutem Winde nicht wittert, ſcheint doch ſo etwas anzudeuten. Auch an genommen. Auf einen Moment ſtieben ſie aus— einem fermen Vorſtehhunde beobachtete ich, daſs \ Haſelhuhn. er auf einen Haſelhahn anzog, der ihm bedeu— tend ferner war als eine brütende Henne. Das ſind zwar keine vollwertigen Beweiſe, aber ſie ſprechen auch nicht für das Gegentheil. Wird die brütende Henne vom Geſcherre vertrieben, oder ſteht ſie ſelbſt auf, um ihre Aſung zu ſuchen, ſo geſchieht das Aufſtehen nicht ſo direct und frei weg, vielmehr läuft ſie erſt eine Strecke ganz geduckt mit ſcharf ange— zogenen Schwingen und Federholle durch den dichten Unterwuchs fort und ſteht dann in ziemlicher Entfernung auf. Wo eine Henne aufſteht, da hat man ihr Geſcherre nicht zu ſuchen. Raubthiere weiß ſie oft weit von dem Niſtplatze dadurch wegzulocken, daſs ſie langſam 3—4m vor denſelben herläuft und erſt dann aufſteht, wenn ihr die Entfernung groß genug erſcheint. Die ausgefallenen Jungen ſind rothbraun, vielfach dunkler gefleckt und gewäſſert. Sie ſind ſehr agil, trippeln bald der Henne nach und picken kleine Inſecten auf. Dabei geht der erſte Federnwechſel, wie überhaupt die ganze körper— liche Entwicklung ſehr raſch vor ſich. Tritt man eine Henne mit ihren Jungen auf, ſo trippeln dieſelben, durch den Warnruf der Henne er— ſchreckt, neben und faſt unter derſelben her, Eines verliert ſich nach dem anderen, und im nächſten Augenblicke ſchnurrt die Heune davon. Die Kleinen wiſſen jede Vertiefung, jedes Moospolſter oder aufgehäuftes Laub für ihr Verſteck zu benützen, daſs es ſchwer wird, auch nur eines derſelben aufzufinden. Da ſie ſich gerne unter dem abgefallenen Laube verbergen, hat ſich unter manchen Jägern der Glaube ent— wickelt, das junge Hühnchen werfe ſich auf den Rücken und halte mit den Ständerchen ein Laubblatt als Blendung über ſich. Schon nach wenig Tagen fangen die Jun— gen an aufzubaumen, indem ſie zuerſt die niedrigſten Aſte zu gewinnen trachten und dann immer höher hüpfen. So ſitzen ſie oft auf einem Aſte, links und rechts an die Henne ge— drängt, piepſend und mit den Flügelchen ſchla— gend. Tritt man zu einer ſolchen Sieſta ur— plötzlich nahe, daßs man von der Henne eräugt wird, ſo ſtößt ſie ihren Warnungsruf aus und ſtreicht ab, während die Jungen wie erſtarrte Bällchen auf dem Aſte ſitzen bleiben. Keines rührt ſich auch nur um eines Haares Breite. Erſt wenn es ihnen gar zu lange dauert, oder daſs man zu nahe an ſie herantritt, fällt eines nach dem anderen wie eine Federkugel zu Boden, rafft ſich aber dort blitzſchnell auf und verſchwindet unter der nächſtbeſten Deckung. Dieſes Sichfallenlaſſen verſteht übrigens auch die alte Henne. Wenn ein Raubvogel ſchneidenden Fluges durchs Geäſte eilt, eine Rettung durch Fliegen kaum mehr denkbar iſt, ſtößt ſie einen grellen Ruf aus, fällt wie vom Schlage getroffen zur Erde, während die Jun— gen wie verſteinert ſich auf den Aſt ducken. In den meiſten Fällen ſchießt der Raubvogel mit einer ſcharfen Wendung der Henne nach, wird aber in dem dichten Unterwuchſe an dem Ge— brauche ſeiner Schwingeu gehindert, blättert und ſchlägt darin herum, und bis er ſich wieder zurecht findet, ſind meiſtens Henne und Junge 369 verſchwunden, haben ſich weitergeflüchtet oder verkrochen. Immer ſind ſie indes nicht ſo glücklich, unbeſchadet ihren Feinden zu entkommen, denn die Zahl derſelben iſt zu groß. Kaum aus einer Gefahr gerettet, erwartet ſie ſchon eine andere. Zu ihren gefährlichſten Feinden gehört die ver— wilderte oder revierende Hauskatze, der Marder, der Iltis, das Wieſel, der Fuchs, der Dachs, der Igel, der Habicht, der Sperber und faſt alle größeren Falken, ſogar der Steinadler ver— ſchmaht es nicht, nach einer jo zarten Beute zu ſtoßen. Auch der Uhu ſtreift manches Haſel— huhn von dem Schlafplage, wenn er nächtlicher Weile ſeine Beutezüge unternimmt. Allen dieſen Feinden gegenüber hat das Haſelhuhn keine Waffe, hat nicht einmal den Vorzug eines ra— ſcheren Fluges vor den beſchwingten Feinden voraus, iſt rein nur darauf angewieſen, ſich zu verſtecken, ſich zu drücken, wodurch es aber nicht ſelten neuerdings ins Verderben geräth, weil gewiſſenloſe, arbeitsſcheue Individuen gerne an den Lieblingsplätzen des Haſelhuhnes die ver— derbenbringende Schlinge anbringen oder mit Moos überdeckte Steinplatten ſo aufſtellen, daſs das Huhn erſchlagen wird, wenn es ſich im Momente einer Gefahr unter dieſelbe drücken will. Sind die Jungen etwas herangewachſen, ſo geſellt ſich der Hahn wieder mehr zu ſeiner Familie, nimmt ſeinen Stand gerne höher im Baume als die übrigen, wodurch es ihm mög— lich wird, eine nahende Gefahr oft früher zu entdecken als die anderen und ſie ſo rechtzeitig zu warnen. Im allgemeinen liebt das Haſelhuhn be— ſonders die ausgedehnten Waldungen des Mittel— gebirges. Dichter Unterwuchs und hohe Farn— kräuter ſind ihm immer willkommen. Obwohl es ſeinen Lieblingsplatz ſelten oder nie gänzlich aufgibt, ſo lange an demſelben keine größeren Veränderungen vorgenommen werden, ſo ver— tauſcht es doch denſelben zeitweiſe mit Lagen, welche ihm momentan günſtigere Aſungsver— hältniſſe bieten. So z. B. zieht es zur Zeit der Beerenreife gerne langſam den höheren Lagen zu, weil die verſchiedenartigen Beeren in der Tieflage ſchon vorüber ſind, wenn dieſelben in einer größeren Höhe erſt zu reifen beginnen. Im Frühherbſte kann man das Haſelhuhn oft noch in einer bedeutenden Höhe antreffen, weil es daſelbſt den Preiſelbeeren nachgeht, die län— gere Zeit vorhalten als die Heidel-, Brom- und Himbeeren. Machen ſich dann aber die rauheren Winde bemerkbar, oder fällt in den Höhen frühzeitig Schnee, ſo ziehen ſie ſich wieder mehr der Tiefe zu und ſuchen ihre Winter— ſtände auf. Dieſe kleinen Wanderungen und Wechſel in der Localität des Aufenthaltes, die nicht in einer angebornen Wanderluſt, ſondern lediglich in dem leichteren Aufſuchen der Lieblingsäſung ihren Grund haben, werden dem Haſelwilde bedeutend erleichtert, weil ſich die Jungen ſehr raſch entwickeln, ungemein beweglich ſind, leicht und gerne aufbaumen und gewöhnlich ſchon Ende Juni oder zu Anfang Juli vollſtändig flugbar werden. Vor der Erlangung des nor— 570 malen Alterskleides machen fie einen zweimaligen Gefiederwechſel durch. Die Jungen beiderlei Geſchlechtes werden ſchon im kommenden Früh— jahre fortpflanzungsfähig. Bis im September bleiben die Familien oder Ketten beiſammen und löſen ſich dann, wie ſchon früher bemerkt, in einzelne Paare auf. Auch bei dieſem Zuſammenfinden der Paare ſetzt es zuweilen Kämpfe ab, doch werden ſie ſelten mit jener leidenſchaftlichen Hitze aus— gefochten wie zur Zeit der Balze im Frühling. Den Sommer über beſteht die Aſung vor— wiegend in verſchiedenen Inſecten, Würmern, Schnecken, Ameiſenpuppen, allerlei Sämereien, Heidel-, Preiſel-, Him- und Brombeeren, ſowie die Früchte des Sambucus ebulus. Nebenbei nehmen ſie gerne Sand und kleine Steinchen auf. Im trockenen Sande baden ſie gerne, wo— durch ihr Gefieder bis zur Nauſer ziemlich abgerieben wird. Jung eingefangene Haſelhühner laſſen ſich nicht leicht aufziehen. Kommen ſie dagegen im halbwüchſigen Zuſtande in Gefangenſchaft, ſo bringt man ſie bei naturgemäßer Nahrung leicht auf; ſie werden dann leicht zahm und zu— traulich, beſonders gegen ihren Pfleger. Jagdbetrieb, Fang und Hege. Das Haſelhuhn liefert unter allem Federwilde das delicateſte, feinſte und geſchätzteſte Wildbret, iſt daher um deſſen willen weit mehr Verfolgungen ausgeſetzt, als es ein echt weidmänniſcher, ge— regelter Jagdbetrieb eigentlich erlaubt. Wäre das Haſelhuhn nicht mit ſo feinen Sinnen aus— geſtattet und ein ſo ſcheues Wild, ſo wäre es in manchen Gegenden ſicherlich nicht mehr an— zutreffen. Da es aber ſehr ſcharf äugt und ebenſo ſcharf vernimmt, iſt es ſehr oft imſtande, der nahenden Gefahr noch rechtzeitig zu ent— gehen, fällt ſomit nicht gleich jedem Wald— bummler und Sonntagsjäger zum Opfer. Der Aufenthalt in meiſt geſchloſſenen Wäldern iſt für das vielbegehrte Waldhuhn ebenfalls wieder ein weſentlicher Vortheil, weil es in den unter— holzreichen und coupierten Terrainen nur in den ſeltenſten Fällen mit Erfolg angepürſcht oder angeſprungen werden kann. Der Jagd— betrieb beſchränkt ſich daher vorwiegend auf das Anlocken oder Anreizen; weniger ergiebig und daher weniger im Betriebe iſt die Suche vor dem Vorſtehhunde und das Treiben. Zum Anlocken des Haſelhahnes — eine Henne ſchießt nur mit Abſicht ein Aasjäger — iſt ein Pfeiſchen nothwendig, welches ganz genau ent— weder das Biſten der Henne oder das Spiſſen des Hahnes ermöglicht. Solche Pfeifchen werden am beſten aus den Flügelknochen einer Gans oder eines Sperbers verfertigt und durch eine Wachseinlage ganz genau geſtimmt, da der mindeſte Miſston ſelbſt einen hitzigen Hahn ve grämt. Sehr gerne und mit dem beſten Erfolge benütze ich auch die kleinen Knoppern, die ich mir vom nächſtbeſten Buchenblatt pflücke und mit dem Federmeſſer entſprechend zuſtutze. Dieſe Knoppern geben einen reinen Ton und haben überdies den Vortheil einer leichteren Hand— habung vor den anderen Lockpfeifen voraus. Will man im Frühjahre die Lockjagd auf Haſelhühner betreiben, jo begibt man ſich in Haſelhuhn. der erſten Morgenfrühe in den Reviertheil, in welchem man einen Stand kennt, und läſst das Biſten der Henne hören, jedoch nicht zu oft, da ſouſt der vorſichtige Hahn raſch Verdacht ſchöpfen würde. In größeren Zwiſchenpauſen erfolgen die Lockrufe. Entweder antwortet der Hahn und iſt dann in dieſem Falle ſelten zum Zuſtehen geneigt; er nähert ſich im Fluge oder geräuſch— los am Boden laufend, weshalb die geſpannteſte Aufmerkſamkeit erforderlich iſt, dies umſomehr, weil man in vielen Fällen nicht weiß, von welcher Seite man den Hahn zu erwarten hat. Im allgemeinen kommt bei nebligem oder regneriſchem Wetter der Hahn ſauſend geſtrichen und baumt wo auf einem Aſte auf, bei ſchönem Wetter und trockenem Boden dagegen kommt er in den meiſten Fällen laufend im dichten Unterwuchſe daher. In beiden Fällen erfordert es ein raſches und ſicheres Zielen, weil der Hahn raſch genug die Situation ſich klar zu machen vermag. Trotzdem aber iſt es möglich, den Hahn von der Henne zu unterſcheiden, wenn man den ſchwarzen Kehlffleck berückſichtigt. Eher ſollte man einen Hahn, den man wegen ungünſtiger Stellung nicht ſicher als ſolchen anſprechen kann, unbeſchoſſen laſſen, als daſs man eine Henne niederknallt. Zu Hazardſchüſſen ſollte man ſich beim Haſelhuhne nie hinreißen laſſen, weil ſie in den allerwenigſten Fällen von dem gewünſchten Erfolge begleitet ſind und immer weit mehr ſchaden als nützen. Die ſicherſte Schuſsdiſtanz ſind 20—30 Schritte, weil in einer ſolchen das gut getroffene Huhn auch unterm Feuer bleibt. Iſt dies nicht der Fall, ſo verkriecht ſich der angebleite Hahn ins dichte Gebüſch, gräbt ſich wohl auch mit großer Schnelligkeit in die etwa vorhandenen weichen Moospolſter ein und iſt in den allermeiſten Fällen für den Jäger verloren. Alſo ſicher ſchießen oder gar nicht. Die Jagd hat nicht den Zweck, ein Geſchöpf nutzlos zu vernichten oder dem Raubgezücht die Tafel zu decken. Bei der Lockjagd im Herbſte hilft nicht mehr das Biſten der Henne, hier findet viel— mehr das Spiſſen des Hahnes ſeine Anwendung. Dieſer Lockruf iſt wegen ſeiner complicierten Modulation weit ſchwieriger nachzuahmen als das einfache Biſten der Henne. Das Lock— inſtrument mufs genau geſtimmt und die Nach— ahmung ſtets eine tadelloſe ſein. Sowohl im Frühlinge, als im Herbſte kann das Locken vormittags, wie in den Nachmittags- ſtunden betrieben werden. Am ſicherſten iſt die Frühjahrslocke im Morgengrauen, hitziger aber ſauſen ſie in ſchönen Nachmittagsſtunden einher, verſchwinden aber meiſt wieder ſo raſch, daſs nur ein ſehr geübter Schütze einen erfolg— reichen Schuſs anzubringen vermag. Die zweite Jagdart auf Haſelhühner, jedoch vorwiegend auf junge, iſt jene vor dem Vor— ſtehhunde. Da dieſe Hühner jedoch vor dem Vorſtehhunde ſchlecht aushalten, beim Aufſtehen und Aufbaumen die dichteſten Bäume annehmen, iſt die Jagd nicht lohnend und mit manchen ärgerlichen Eventualitäten verknüpft. Da ſie außerdem noch den Nachtheil hat, daſs im Jugendkleide die Geſchlechter ſchwerer unter— ſchieden werden können, gelangen auch viel Haſelmaus. — Haſelſchädlinge. 371 junge Hennen zum Abſchuſſe, was den hegen— den Weidmann wohl meiſtens dazu beſtimmt, dieſe Jagdart gar nicht zu frequentieren. Als dritte, ebenfalls ſelten geübte Jagd— art iſt das Treiben zu nennen. Ein oder zwei Schützen poſtieren ſich auf ſolchen Ständen, die erfahrungsgemäß in der Strichrichtung auf— getretener Hühner liegen. Zwei bis drei Treiber nehmen einen weiten Bogen und ſuchen vor— ſichtig und langſam die Hühner rege zu machen und nach den Ständen der Schützen zu drängen. Je ruhiger und anſcheinend abſichtsloſer dieſes Drücken geſchieht, um ſo beſſer iſt es für die Schützen. Die Treiber haben ganz ſo vorzu— gehen, als wenn fie die Haſelhühner ſelbſt pürſchend erlegen wollten. Im Spätherbſte kann man auf dieſe Weiſe oft eine reiche Strecke erzielen. Erwähnenswert mag es noch ſein, daſs ſowohl Habichte, als Füchſe, Marder und Wieſel auf den Lockruf des Haſelhuhns nicht ſelten ſehr eifrig zuſtehen, mithin unſchwer erlegt und unſchädlich gemacht werden können. Ich habe ſchon oft in Reviertheilen, wo ich kein Haſelhuhn vermuthen durfte, zu ſpiſſen oder biſten begonnen und auf dieſe Weiſe eine nicht geringe Anzahl ſchädlichen Wildes erlegt. Soll das Haſelwild in einem Revier weid— männiſch gehegt werden, ſo iſt die erſte und ſtriete Forderung die unbedingte Schonung der Hennen. Leider hat noch kein Geſetz eine Schonzeit für dieſelben normirt. Es wäre nur zu wünſchen, daſs bei Abänderungen der Jagd— geſetze diefem Punkte die gebürende Aufmerk— ſamkeit geſchenkt würde. Als weiterer wichtiger Factor für die Hege iſt die Vertilgung allen Raubzeuges zu jeder Zeit. Für die Raubvögel leiſten die Habichts— körbe gute Dienſte; erfolgreich arbeitet die Büchſe am Horſte. Für das Haarraubwild helfen die Eiſen und die Büchſe Dem fleißigen Jäger wird in ſolchen Revieren immer Diana hold ſein und ſeine Mühe lohnen, auch dann, wenn die Bälge keinen Wert mehr haben. Für den echten Jäger iſt nicht der Wert des Balges maßgebend, ſondern die Freude, die er empfindet, wenn er wieder einen Feind ſeines lieben Wildes unſchädlich gemacht hat. In Revieren mit wenig intenſiver Nutzung kann man mit großem Vortheile einzelne Birken, Hollunder- und Haſelnuſsſträucher an lücken— haften Stellen anpflanzen und ſo dem Haſel— wilde angenehme Stände ſchaffen. An uns zähligen Orten kann dies 1 70 die mindeſte Schädigung der Forſtnutzung geſchehen, die kleine Mühe für den echten Weidmann aber wird ſtets reichlich aufgewogen. Literatur: „Das Haſelhuhn“ von Baron Nolde, 4 uuſtr Jagdzeitung“ vom 20. Auguſt 1880 „D eutſche Waldhühner“ von Dr. W. Wurm, „Jagdzeitung“ Nr. 9, Jahrgang 22; „Jagd auf . von F. Valentinitſch, „Waidmanns— Heil“ 1884 und 1885; „Feinde der Haſelhühner“ von Valentinitſch, „Waidmanns-Heil“ 1886; „Hjaerpen“ von N J. Gregerſen, Chriſtiania. Klr. Haſelmaus, ſ. Schlafmäuſe. Hſchl. Haſelnuſsöl iſt ein blaſsgelbes, aus Haſel— nüſſen (59%) gepreſstes Ol, welches nicht trocknet, dickflüſſig iſt, bei — 19° erſtarrt und ein jpec. Gew. 0'924 beſitzt v. Gn. Haſelſchädlinge. Die Haſel leidet, wie die meiſten Laubholzarten, durch Schälen und Ver- biſs vom Hochwild; in letzterer Beziehung be— theiligt ſich auch das Rehwild und das Weide— vieh; an der Schälung das Löffelwild, die Wühlmäuſe (j. d.) und Glis (f. Schlafmäuſe) Die Samen (Nüſſe) werden verzehrt von den Eichhörnchen (ſ. d.), von Schlaf- und Wühl— mäuſen (ſ. d.) und den Spechten, bejonders vom Grau- und Grünſpecht. Unter den In— jecten ſind als Samenzerſtörer zu nennen die Balaninus-Arten: nucum, glandium und veno- sum (ſ. Balaninus). Die übrigen der Inſecten— welt angehörigen Schädlinge laſſen ſich in fol— gender Überſicht zuſammenfaſſen: 1. Außerlich verletzend: freſſend, verunſtal— tend oder ſaugend. 2. Wurzelfraß: Engerlinge; ſ. Melo- lontha. Drahtwürmer, j. Elateridar. 2. An den oberirdiſchen Theilen vorkom— mend. 3. Saugend an der Rinde: coryli (ſ. Coceidae). 3. Blätter beſchädigend. 4. Blattrollen erzeugend zur Unterbringung des Eies. 5. Käfer mit korallenrothen Flügeldecken: ſ. Apoderus cor; li. 5. Käfer einfärbig, metalliſch, mit pfriemen— förmigem Rüſſel: ſ. Khynchites (betuleti und betulae). Blätter freſſend oder ſkeletierend. Käfer. Größere Käfer mit braunen Flügeldecken, kurzen Fühlern, deren letzte Glieder blattartig erweitert: Maikäfer (Melo— lonthini, ſ. d.) und Phylloperthu horticola (ſ. d.), Gartenkaubkäfer (Ru- telini, ſ. d.). 7. Kleine, metalliſch gefärbte oder blaue Käferchen, Blätter ſkeletierend. 8. Kopf rüſſelförmig verlängert; Spring— vermögen nicht vorhanden: Grünrüſs⸗ ler, ſ. Phyllobius und Polydrosus (Cur- culionidae, ſ. d.). 8. Kopf nicht rüſſelförmig; mit flohähn— lichem Springvermögen: Erdflöhe— ſ. Halticini (Chrysomelidae, ſ. d.). 6. Raupen und Larven. Lecanium 2 = 9. 6beinige kleine Lärvchen; ſ. Haltica oleracea. 9. 16- oder 20füßige Raupen. 10. 20füßige Afterraupen; ſ. Nematus septentrionalis (Tenthredinidae). 10. 16füßige Raupen. 11. Bürſtenraupen, d. h. durch dichte Rücken- bürſten, Afterpinſel oder ſeitlich abſtehende Haarpinſel ausgezeichnete Raupen; ſ. Orgyia antiqua; Dasychira pudi- bunda. 14. Mit blauen und braunen, ſtrahlig be— haarten Rücken- und Seitenwarzen aus⸗ gezeichnete, große Raupen; ſ. Ocneria dispar (Schwammſpinner). Be hs 572 | Haſenſchäden. — Hab. 1. Unter der Rinde oder im Holzkörper oder im Mark der jüngften Triebe le— bend. Larven fußlos. 12. Im Marke der jungen Triebe ſich ent— wickelnd; ſ. Oberen linearis (Ceram— bycidae). 12. Zwiſchen Rinde und Holz oder in dieſem ſich entwickelnd. 13 Der Fraßcanal bewegt ſich zwiſchen Rinde und Holz; Längsgang (als Brut— gang, ſ. d.) mit ſeitlich abgehenden Lar— vengängen; ſ. Dryocoetes coryli (Sco— lytidae, Tomieini). 13. Der Fraßgang bewegt ſich im Holz— körper; ſ. Xyleborus dispar (Scolytidae, Tomieini). Hſchl. Haſenſchäden im Walde beſtehen im Ver⸗ beißen und im Schälen. Verbiſs beſchränkt ſich ſelbſtverſtändlich nur auf erreichbares, daher niederes Gehölz, beſonders Eichen, Buchen, Aſpen und Acacie; weniger Ulmen, Lärchen. Der Verbiſs durch Hafen zeigt ſich um fo inten— ſiver, da dieſes Wild nie weit auswechſelt und die Schäden daher ſich mehr auf kleine Flächen concentrieren. Papilionaceen (Beſenpfrieme, Ginſter) zieht der Haſe und das Löffelwild überhaupt allem anderen Gehölze vor und können daher, wo hinreichend vorhanden, den Verbiſs von den zu cultivierenden Holzarten zum Theil abwenden. In Buchenverjüngungs— ſchlägen, ja ſelbſt im Niederwaldbetriebe (Eichen— ſchälwald) können die durch Haſenverbiſs und durch Schälen angerichteten Schäden recht em— pfindlich werden. Die Schälungen reichen, ent— ſprechend der Schneehöhe im Gebirge, nicht ſelten 2—2 ½ m am Stamme hinauf und um— N denſelben nicht ſelten noch bei einem Durchmeſſer von 10 — 15 em ringsherum. Vor— beugungsmaßregeln ſind: entſprechender regel— rechter Abſchuſs. Verſicherung der Saat- und Pflanzgärten und Baumſchulen durch Umzäu— nung. Theilweiſer Anbau von Ginſter, Beſen— pfrieme, Blaſenſtrauch, Bohnenbaum, Acacie. Verſicherung einzelner, beſonders zu ſchützender Stämme durch Lehm-, Kalkanſtrich, Gedörrn, Stroheinbund. Hſchl. Häſin, die, der weibliche Haſe; vgl. Mutter⸗ haſe, Setzhaſe, Rammler. „Es iſt allezeit eine Häſin größer als ein Haaſe oder 0 2 Täntzer, Jagdgeheimniſſe, 1682, fol. == „Der Rammler iſt der Haaſe und die 5 äſin iſt das Weibchen.“ Pärſon, Hirſchgerechter Jäger, 1734, fol. 81. — Fleming, T. J., 1729, fol. 103. — Döbel, Jägerpraktika, 1746, J., fol. 29. — Göchhauſen, Notabilia venatoris, 1734, fol. 54. — C. v. Heppe, Aufr. Lehrprinz, p. 104. — Örobtopft Weidewerckslexikon, p. 149. — Chr. W. v. Heppe, Wohlred. Jäger, p. 194. — Wildungen, Neujahrsgeſchenk, 1798, p. 16. — Sylvan, 1814, p. 35. — Jeſter, Kleine Jagd, 17901808, IV., p. 20. — Onomat. forest., II., p. 49. — Bechſtein, Hb. d. Jagd— wiſſenſchaft I., 1., p. 147. — D. a. d. Winkell, Hb. f. Jäger II., p. 1. — Hartig, Lexikon, p. 236. — Sanders, Wb. I., p. 399. E. v. D. Haſpel, die. „Haſpel oder Haſtel iſt die Winde, worauf die Federlappen aufgewickelt, d. i. aufgehaſpelt werden.“ Chr. W. v. Heppe, Wohlred. Jäger, p. 197. — „Man hat große und kleine Haſpel, erſtere enthalten 4 Bund Federlappen, die kleineren nur einen . . . der große Haſpel iſt viertehalb Fuß lang. 2 Bech— ſtein, Hb. d. Jagdwiſſenſchaft III., p. 318. — D. a. d. Winkell, Hb. f. Jäger I., p. 429. — Behlen, Wmſpr., 1828, p. 76. — Sanders, Wb. I., p. 699. E. v. D. Haſſenſfrotz' ſche Hebemaſchine. Diese findet beim Stockroden Anwendung und beſteht (Fig. 405) aus einer einfachen Hebeſtange a (Hebebaum), die mit dem einem Ende unmit— telbar auf dem zu rodenden Stock, mit dem an— Hebemaſchine von Haſſenfrotz. b Holzgeſtelle, e Querſtange. Fig. 405. a Hebebaum dern in einem rahmenartigen Geſtelle b auf einer Stange e ruht. Die Stange liegt auf zwei durch die verticalen Seiten des Rahmens geſteckte Bolzen auf. Nachdem dieſe ihrer ganzen Länge nach Offnungen tragen, ſo können die Bolzen ſucceſſive umgeſteckt werden, damit die Querſtange beliebig hoch gehoben zu werden vermag. Mit der Querſtange wird aber auch der Punkt d der Hebeſtange und gleichzeitig auch jener Theil des Stockes ſelbſt gehoben, der mit der Hebeſtange durch eine Kette oder ein Seil verbunden iſt. Fr Haſtel, der, ſ. Haſpel. E. v. 5 Häſter, die, j. Elſter. E. v. D. Hatz, die, oder Hatze, beſſer als Hetze, Hetzjagd, heißt ſtreng weidgerecht und urſprüng— lich nur die Jagd auf Sauen und Bären mit Hatzrüden; doch iſt der Ausdruck vielfach auch für andere Wildgattungen gebraucht worden, wie aus den Belegſtellen erſichtlich. Ferner be— deutet Hatz als Sammelname die geſammten zu einer Sau- oder Bärenhatz verwendeten Hunde. „Die wilden ſchwein, die an der hatz geferlich ſein . . .“ Hans Sachs, kürtze lehr eynem weyd— mann, v. 18. — „Zu einer Hatze leine Hatz nennt man die Hunde, jo zuſammengebracht ſind und mit einander auf eine Sau gehetzt werden) nennt man 3 oder wohl 4 leichte Hunde und 4—53 ſchwere.“ Döbel, Jägerpraktika, Ed. J, 1746, I., fol. 106. — „Ein ſolcher Keuler kann in einer Habe 10, 15 und mehr dergleichen Hunde dergeſtalten ſchlagen, daſs ſie gewiſs des en N 3 „C. v. Heppe, Aufr. Lehr⸗ prinz, p. „Eine Hatze nennt man, wenn die Bee En zufanmengebracht ſind und mit einander auf eine Saue gehetzet werden, hiezu kommen ohngefähr 3—4 leichte und 4—5 ſchwere Hunde, welche die ſtärkſte Sau halten.“ Groß— kopff, Weidewerckslexikon, p. 157. — „Hatze iſt Hatz los! eine Jagdluſt, welche bloß mit Hunden, auch zu Pferde geſchieht, kaun mit verſchiedenem Wildpret ſowohl im Freien, als auch geſperrter gehalten werden. Auf Sauen und auf Haſen geſchehen die mehrſten Hatzen.“ Chr. W. v. Heppe, Wohlred. Jäger, p. 197. — „Wenn man annimmt, daſs der weidmänniſche Ausdruck Hatze oder Hetze eine Jagd bezeichnen ſoll, die ohne Beihilfe des Geſchoſſes, bloß durch die Bemühungen der Hunde unter geſchickter An— leitung thätiger Jäger ausgeführt wird, ſo ge— hören viele Hundegattungen, z. B. der Par— force-, der Wind- und Jagdhund hierher. Dem iſt aber nicht ſo; vielmehr verbindet der Jäger einen bei Weitem engeren Begriff beim Gebrauch dieſer Benennung. Der Hatzhund gehört der hohen Jagd ausſchließend an: er hat die Be— ſtimmung, ein im Freien anſichtig werdendes Wild, vorzüglich Sauen und Hirſche, ohne Auf— nahme der Fährte, mittelſt raſcher Sprünge einzuholen, geſchickt anzugreifen, mit Kraft und Gewandtheit aufzuhalten, niederzureißen, zu erwürgen.“ Sylvan, 1822, p. 37. — „Eine As zahl Hunde, welche gemeinſchaftlich dazu ange— wendet werden, eine oder mehrere Sauen in gewiſſer Entfernung einzuholen, zu packen und feſt zu machen, wird eine Hatze genannt.“ D. a. d. Winkell, Hb. f. Jäger, I., p. 326. — „Hatz nennt man jede Jagd, wobei das Wild durch Hunde eingeholt und feſtgehalten werden ſoll, z. B. Sauhatz, Dachs hatz, Hajenhaß ze.” Hartig, Lexik., p. 243. — „Hatz bezeichnet jede Jagd, bei welcher das Wild durch Jagdhunde eingeholt und feſtgehalten wird. Die Fuchsjagd mit Windhunden wird jpeciell Fuchshatz ge— nannt.“ R. R. v. Dombrowski, Der Fuchs, p. 188. Wildungen, Neujahrsgeſchenk, 1797, p. 36. — Bechſtein, Hb. d. Jagdwiſſenſchaſt J., 1., p. 279. — Mellin, Anwſg. z. Anlage von Wildbahnen, 1777, p. 225, 301. — Behlen, Wmſpr., 1828, p. 76, und Real⸗ u. Verb.⸗Lexik. III., p. 621; VI., p. 208. — Die Hohe Jagd, Ulm 1846, J., p. 362. — Laube, Jagdbrevier, p. 281. — Sanders, Wb. I., p. 701, u. Erg.-Wb., p. 260. Zuſammenſetzungen: Hatzband, das, ſ. v. w. Hatzleine, Hatz— riemen. Mellin, Anwſg. z. Anlage von Wild— bahnen, 1777, p. 224. Hatzfertig, adj.: „Wenn Leute, welche Hatzhunde führen, die Schleifen an den Hetz— leinen aufgezogen oder die Hetzriemen aufge— ſchnallt haben, und die Enden in der Hand halten, um die Hunde auf den Zuruf des Jägers Hetz! ſogleich ſchießen laſſen zu können, ſo nennt man dieſes hatzfertig ſein.“ Hartig, Lexik., p. 213. — Behlen, Wmſpr., 1825, p. 76. — Winkell, 1. c., p. 327. Hatzgarten, der, ein ſpeciell zur Hatz beſtimmter Thiergarten oder ein ſpeciell hiezu abgegrenzter Theil eines ſolchen. Chr. W. v. Heppe, I. e. — Onomat. forest. II., p. 105. — Behlen, I. e. Hatzhund, der, ſchwerer, ausſchließlich zur Sau⸗ und Bärenhatz beſtimmter Hund, auch, Hatzrüde genannt. „Molampus (sic, recte molossus) hecze hunt.“ Gloss. lat.-teut. a. d. XV. Jahrh., Cgv. no. 4535, fol. 256 v. — „Hesse hunde.“ Sachſenſpiegel III., 47. — 373 „Hetzhundt.“ Noé Meurer, Ed. I, Pforz— heim 1360, fol. 85. — „Denen Saurüden oder Hatz⸗Hunden . ..“ Fleming, T. J., 1729, ol. 172. — „Die Sauen werden . .. mit Hatz— hunden behetzet.“ C. v. Heppe, I. c., p. 112. — „Hatzhunde oder Hetzhunde ſind große und ſtarke Hunde, womit man Bären, Wölfe und Sauen hetzt und fängt. Man theilt ſie ab in ſchwere und in leichte Hatzhunde, je nachdem ſie groß und flüchtig ſind. Zu den Hatzhunden gehören auch die Windhunde.“ Hartig, 1. e., p. 244. — Göchhauſen, Notabilia venatoris, p. 232. — Chr. W. v. Heppe, J. e. — Onomat. forest., I. e. — Behlen, I. e. — Bechſtein, 1. c., p. 280. — Kobell, Wildanger, p. 111. — Die Hohe Jagd, 1. e. Hatzjagd, die, ſ. v. w. Hatz. Hatzleine, die, auch Hatzriemen, |. d., oder Hatzband. Hartig, 1. c. Hatzmann, der, heißt der Mann, der die Hatzrüden führt. „So erhält jeder Hatzmann eine Nummer, durch welche er auf eine gewiſſe Hatze angewieſen wird. Sobald die Hatzen am Jagen vertheilt und angeſtellt ſind, muß ſich der Hatzmann hatzfertig halten.“ D a. d. Winkell, 1. c., p. 327. — „Hatzmann oder Hetzmann wird derjenige genannt, der einen Hatzhund führt.“ Hartig, I. e. — Behlen, J. e. eine, e Hatzordnung, die, ein die Hatz und das Hatzrecht betreffendes Geſetz. Hohberg, Georgica curiosa, Nürnberg 1682, II., fol. 688. — Onomat. forest., 1. c. u. ſ. w. Hatzplatz, der, der Ort, wo eine Hatz ab— gehalten wird. Onomat. forest., I. e., p. 107. — Behlen, 1. c. Hatzriemen, der, der Riemen, an dem die Hatzhunde geführt werden; ſeltener auch für den Riemen, an dem man den Schweißhund arbeitet; vgl. Hatzband, Hatzleine, Hatzſtrick. Hohberg, 1. e., fol. 735. — C. v. Heppe, 1. e., p. 440. — Mellin, I. c., p. 224. — Onomat. forest., 1. c. — Jeſter, Kleine Jagd, Ed. I., 17981808, I., p. 78. — Behlen, J. e. — R. R. v. Dombrowski, Das Edelwild, p. 120 (für den Schweißhundriemen). Hatzrüde, der, ſeltener die (vgl. Rüde), ſ. v. w. Hatzhund, ]. d. Hatzſchirm, der „Hatzſchirm (bei der eingeſtellten Sauhatz) iſt ein von Reiſern ge- machter halbzirkelförmiger 4 Fuß hoher Schirm, hinter welchem die Hatzhunde verborgen gehalten werden, bis Sauen hervorkommen.“ Hartig, 1. c., p. 244. — Döbel, 1. c., II., fol. 42. — Chr. W. v. Heppe, 1. e. — Bechſtein, I. c., 3, p. 700. — Behlen, I. c. Hatzſtrick, der, ſ. v. w. Hatzriemen, wenn an Stelle des Riemens ein Seil in Anwendung kommt. Hohberg, I. c., fol. 735. — Chr. W. v. Heppe, I. e. — Behlen, 1. e., p. 77. E. v. D. Hatz los! Zuruf des Jagdleiters an die Hatzmänner, wenn dieſe die Hunde löſen und anhatzen ſollen; der Hatzmaun wiederholt dieſen Zuruf beim Abhalſen zur Anfeuerung der Hunde. Behlen, Wmſpr., 1828, p. 76. — Hartig, Lexik., p. 244. — Die Hohe Jagd, Ulm 1846, I., p. 362. E. v. D. 57% Haubar. — Haubentaucher. Haubar nennt man einen Beſtand, welcher in das für eine Waldwirtſchaft vortheilhafteſte Abtriebsalter eingetreten iſt. Nr. Haubarkeitsalter nennt man das Ende der Umtriebszeit. Die Beſtände haben das Hau— barkeitsalter erreicht, wenn ſie im wirtſchaft— lichen Sinne erntereif geworden ſind. Für den Ausdruck „Haubarkeitsalter“ werden auch die Bezeichnungen „Abtriebsalter“, „Nutzungsalter“, und „Hiebsalter“ gebraucht. Eigentlich ſollte man die Benennung „Haubarkeitsalter“ nur für das durchſchnittliche Hiebsalter, der Beſtände einer Betriebsclaſſe anwenden, während das für den einzelnen Beſtand durch verſchiedene Rückſichten angezeigte Nutzungsalter als „Abtriebsalter“ zu gelten hat. Auf die verſchiedenen Haubarkeits— alter, welche in Betracht gezogen werden können, ſtützen ſich verſchiedene Umtriebe. Man unter— ſcheidet: a) das phyſiſche Haubarkeitsalter, welches entweder mit der natürlichen Lebensdauer der Bäume zuſammenfällt, oder für die natür— liche Wiederverjüngung einer Holzart am ge— eignetſten iſt; b) das Haubarkeitsalter des höchſten Maſſenertrages — auch forſtliches oder ökonomiſches genannt — bei dem der höchſte jährliche Durchſchnittsertrag an Holzmaſſe erſtrebt wird; e) das techniſche Haubarkeits— alter, in welchem der Holzbeſtand das für be— ſtimmte Verwendungszwecke paſſendſte Material liefert; d) das Haubarkeitsalter der höchſten Waldrente, wobei der Wald den nach arithme— tiſchem Durchſchnitte berechneten höchſten Geld— ertrag gewährt; e) das finanzielle Haubar— keitsalter, in dem der Wald unter Annahme eines beſtimmten Wirtſchaftszinsfußes die höchſte Bodenrente in Ausſicht ſtellt (ſ. Umtrieb). Nr. Haubarkeitsdurchſchnittszuwachs, ſiehe Durchſchnittszuwachs. Nr. Haubarkeitsertrag iſt der Ertrag, welcher bei dem Abtriebe der Beſtände erfolgt, unter der Vorausſetzung, dafs dieſelben ein dem Wirt— ſchaftszwecke entſprechendes Alter, bezw. abſatz— fähiges Material erreicht haben. Nr. Haubarkeitsmaſſe iſt die Holzmaſſe, welche beim Abtriebe haubarer Beſtände ausfällt. Nr. Haubarkeitsnutzung, ſ. Abtriebsnutzung. Nr. Haubarſteitszuwachs iſt der geſammte Zu— wachs, den ein Baum oder ein Beſtand beim Eintritte der Haubarkeit beſitzt. Beim einzelnen Baume iſt deſſen Totalzuwachs gleichbedeutend mit ſeinem Maſſengehalt, beim Beſtande dagegen kann nur der Zuwachs derjenigen Bäume in Frage kommen, welche von der Entſtehung des Beſtandes bis zum Eintritte desſelben in das Haubarkeitsalter ausgehalten haben, die alſo den ſog. Hauptbeſtand bilden. Im Haubarkeitszu— wachſe des Beſtandes iſt ſonach der Zuwachs ſeines Zwiſchenbeſtands nicht mit enthalten. Nr. Haube, die. I. S. v. w. Falkenhaube, Falkenkappe, ſ. d. „. . . Das her (der falke) die houben gerne trage.“ Abh. v. d. Beizjagd a. d. XV. Jahrh., Cgv. no. 2977, fol. 5. — „Die Falcken gewoenen zu der hauben ...“ Ryff, Thierbuch, 1344, fol. 511. — „Auch nennt der Falkenier die Falkenkappe ... eine Haube.“ Chr. W. v. Heppe, Wohlred. Jäger, p. 197. — Pärſon, Hirſchge— rechter Jäger, 1734, fol 99. — Döbel, Jäger⸗ praktika, Ed. I, 1746, II., fol. 206. — Bech⸗ ſtein, Hb. d. Jagdwiſſenſchaft II., p. 407. — D. a. d. Winkell, Hb. f. Jäger II., p. 550. — Behlen, Wmſpr., 1828, p. 77, und Real- und Verb.⸗Lexik. III., p. 629. — Hartig, Lexik., p. 245. — Kobell, Wildanger, p. 429. II. Ein ſackförmiges kleines Netz zum Fange von Fuchs, Dachs und Kaninchen vor den Röhren des Baues. Döbel, 1. c., fol. 139. — Großkopff, Weidewerckslexikon, p. 157. — Wil- dungen, Neujahrsgeſchenk, 1799, p. 7. — Hartig, l. c. — Laube, Jagdbrevier, p. 281. — R. R. v. Dombrowski, Der Fuchs, p. 129. — Vgl. a. Dachs- und Fuchshaube. — Sanders, Wb. J., p. 702. E. v. D. Häuben, verb. trans., mit der Nebenform häubeln, dem Beizvogel die Haube (. d. I.) aufſetzen. „Wann sye (die Falcken) gefangen, werden sie geheubt mit reusch haben.“ Eber- hard Tapp, Weidwerck vnnd Federſpil, 1544, I., c. 1. — „. . . Stellet man ihn (den Habicht) wieder auf ſeine Stange gehäubelt zu der Ruhe.“ Pärſon, Hirſchgerechter Jäger, 1734, p. 99. — Bechſtein, Hb. d. Jagdwiſſenſchaft II., p. 402. — Sanders, Wb. I., p. 702. E. v. D. Haubentaucher, der, Podiceps eristatus Linn., P. urinator, P. mitratus, P. patagiatus, P. longirostris, P. Wilhelmi, Colymbus crista- tus, C. cornutus, C. urinator, C. coronatus, Lophaythia cristata. Frz.: Le Grébe cornu Buff. ; ungar.: Bübos Vöcsök; böhm.: Rohät viky; poln.: Perkoz pernykoza; croat.: Velika pon- durka; ital.: Svasso maggiore, Svasso com- mune Savi, Colimbus giovane. Großer Lappen⸗ taucher, gehäubter Steißfuß, großhaubiger Steißfuß, großer Haubenſteißfuß, großer Arſch— fuß, großer Haubentaucher, großer Kragentaucher, großer, gehaubter, bekappter, gehörnter Taucher, Taucher mit dem Schopfe, großer Taucher mit braungelbem Kiebitzſchopfe, großer Kobeltaucher, Straußtaucher, Kappentaucher, Erztaucher, groß— kappiger Seehahn, gehörnter Seehahn, Seeteufel, Seedrache, Meerhahn, Meerrochen, Schlaghahn, Blitzvogel, Fluder, Noricke, Nericke, Merch, Work, Works, Lorch, Zorch, Rug, Rurch, Deuchel, Düchel, Rheindüchel, Tunker, Greve, Kronentaucher, Horntaucher. Beſchreibung. Beim Haubentaucher, wie überhaupt bei allen Lappentauchern oder Steiß— füßen fällt die ganz eigenartige Körperbildung ſofort ins Auge. Der Kopf iſt klein, der Hals lang und dünn, der Körper iſt breit, völlig flach, wie von einem Drucke gepreſst. Die Füße ſind ganz am Körperende eingelenkt, wodurch er in aufrechter Haltung höher erſcheint, als er wirklich iſt. Die kurzen Flügel liegen feſt am Leibe, der Schwanz fehlt und iſt nur durch ein Büſchel zerſchliſſener Federn markirt. Der Schädel iſt langgeſtreckt, in den ſeitlich zuſammengedrückten Schnabel auslaufend. Die Augenſcheidewand iſt gänzlich durchbrochen. Am Hinterkopfe erſcheint eine Partie von ſehr ſtarken Muskelgräten angehäuft. Die Wirbelſäule iſt in der Zahl der Wirbel nicht conſtant, beſteht aus 15—19 Halswirbeln, 9—10 Rückwirbeln und 7—8 Schwanzwirbeln. Das Bruſtbein iſt kurz, Haubentaucher. 575 aber breit, platt geformt, mit wenig hervor— tretendem Kamme. Die Oberſchenkelknochen, Schlüſſel- und Oberarmbeine führen keine Luft. Die Vorderzehen ſind bis zum erſten Gelenke mit einer Spannhaut verbunden, von dort ab geſpalten und mit breiten, vorn abgerundeten Schwimmlappen beſetzt. Der ganze Lauf iſt zur Bewegung auf dem Feſtlande ſo unpraktiſch als möglich, dagegen als Ruder wieder ganz trefflich eingerichtet. Da der Haubentaucher einer zweimaligen Mauſer unterworfen iſt, ſo iſt auch ſein Feder— kleid je nach der betreffenden Jahreszeit ein verſchiedenes. Im Hochzeitskleide macht das Männchen eine ganz nette Figur, wenn ihm auch der oberhalb an dem meiſt S-fürmig ge— bogenen Halſe vorſtehende Federkragen und der zwei Federhörnern gleichende Kopfſchmuck ein etwas abenteuerlich-komiſches Ausſehen verleihen. Am Oberkopfe verlängern ſich nämlich die Federn ſehr bedeutend, gruppieren ſich in zwei aufricht— bare und niederlegbare Hörner zuſammen. Dieſe Hörner zeigen gegen die Schnabelwurzel hin eine tief braungraue Farbe, gehen aber im weiteren Verlaufe in ein ſattes Schwarz über. In der Augengegend verläuft ein zügelartiger, weißer Streifen mit einem ſchwachen roſtigen Anfluge. Wangen und Kehle ſind ebenfalls weiß, werden aber immer intenſiver roſtig überhaucht, je näher es dem ſtattlichen Federkragen kommt, bis es ſchließlich in das ſchöne Schwarz des Kragenbandes übergeht. Von den Federhörnern aus verläuft ein ſchwarzbrauner Streifen über den ganzen Hinterhals, während der Vorderhals eine eigenthümliche Miſchung von Weiß und Roſtfarbe zeigt. Der Unterleib iſt ſchimmernd weiß, geht aber mehr gegen die Seiten ins Roſtfarbige über, aus dem ſich wieder ſchwarz— graue Flecken abheben. Der Oberkörper iſt ſchwarzbraun, etwas roſtig überlaufen. Die Rücken⸗ und Schulterfedern haben hellere, faſt bräunlichgraue Endkanten. Die Armſchwingen bilden überdies den ſchönweißen Spiegel. Die Schwingenfedern ſind graubraun, jene der zweiten Ordnung weiß. Die Unterſeite der Flügel iſt weiß mit dunkelgrauen Spitzen. Das Weibchen gleichen Alters iſt völlig gleich gefärbt, doch erreicht der Kopf- und Hals⸗ ſchmuck eine geringere Ausdehnung, hat auch eine etwas mattere Farbe und das Kragenband iſt ſtatt ſchwarz nur dunkelbraun. Am auf— fallendſten unterſcheidet es ſich durch ſeine ge— ringere Größe. Das Herbſt- und Winterkleid iſt bei beiden ebenfalls ſehr ähnlich, meiſt weniger lebhaft gefärbt. Der Kopfſchmuck und der Kragen ſind nicht vollſtändig ausgebildet und nehmen ſich mehr wulſtig aus. Die Stirn iſt braungrau, der Federbuſch hellbraun bis ſchwarzbraun, welche Farbe ſich noch weiter über den Hinter— hals verbreitet. Kopfſeiten, Kehle und Hals ſind weiß, verſchwimmen an den Seiten durch einen grauen Ton allmählich in die dunkle Farbe des Hinterhalſes. Die Unterſeite erglänzt in einem metalliſch weißen Silberſchimmer. Die Oberſeite iſt ein ganz eigenartiges Gemiſch von Schwarz, Braun und ſattem Grau, das in e zarten Nuancierungen ſich vertheilt. Die Ober- rücken⸗ und Schulterfedern find überdies an den Endkanten matt braun, von zartem Graulich— weiß überflogen. Auch in dieſem Federkleide unterſcheidet ſich das Weibchen außer der gerin— geren Größe nur ſehr wenig. Das Auge ſpielt in mannigfaltigen Tönen, je nach dem Alter des Vogels, von einem ſatten Gelb bis zum lebhaften Karminroth, ſticht daher gegen den rothen Zügel nicht auffallend ab. Der Schnabel iſt gewöhnlich blajsroth, doch finden ſich nicht ſelten auch Exemplare mit ins Grün- liche ſpielendem Schnabel; graue Schnabelfirſte oder ebenſolche Flecken ſind auch keine Selten⸗ heit. Der Fuß iſt an der äußeren Seite horn— grau, der Innenſeite zu etwas weniger dunkel gefärbt. Das Jugendkleid charakteriſiert ſich durch die am Kopfe und am Halſe befindlichen Streifchen. Vorderkopf, Wangen und Hals ſind weiß, an den Seiten etwas roſtig überflogen. Der hintere Halsſtreifen iſt braun, oft mehrmals unterbrochen. Die Oberſeite erſcheint braun, jedoch grau abge— tönt Die Schulterfedern am Flügelgelenk tragen weiße Streifen, einzelne wieder braune halb— mondförmige Flecken. Das Auge iſt hellgelb, der Schnabel ſchwach fleiſchfarbig, der Fuß graugrünlich mit einem ſchwach durchſchlagenden fleiſchfarbigen Tone. Im Dunenkleide zeigen ſich Kopf und Hals weiß mit ſchwarzen Streifen und Flecken. Die Oberſeite iſt mausgrau, in der Mitte jedoch bedeutend dunkler, mitunter bereits ſchwarz. Die Unterſeite iſt rein weiß, jedoch ohne Glanz, der Hals trägt noch unregelmäßige ſchwarze Flecken, die auch am Kopfe ſich bemerkbar machen und beſonders die Schnabelwurzel und die Augen einfaſſen. Der Zügelſtreif iſt röthlichgrau. Ein ſchwarzer Strich verläuft über die Stirne und zwei ſolche ſeitwärts des Schnabels. Aus dieſer ziemlich bunten Farbenmiſchung ſtechen die Herl— weißen Augenſterne grell heraus. Der Schnabel iſt röthlich, an einzelnen Stellen matt ſchwarz ſchattirt und mit weißer Spitze. Die Füße zeigen ein ſchwaches Roth unter weißlicher Oberſchichte. Bezüglich der Größe begegnet man ſehr verfchiedenen Angaben, was wohl aus der Eigen— thümlichkeit rejultiert, daſs oft gleichalterige Vögel ganz bedeutende Größenunterſchiede auf— weiſen. Naumann gibt an für Männchen: Länge (ohne Schnabel) 23—24 Zoll, Hals 9 Zoll, Flügellänge 8 Zoll, Schnabel 2— Zoll, Lauf 2—3 Zoll, das die Stelle des Schwanzes vertretende Federbüſchel 1—1½ Zoll. Brehm ſagt in ſeinem „Thierleben“: „Die Länge be⸗ trägt 95, die Breite 66, die Fittichlänge 18 em“. Einige meiner Meſſungen ſind in umſte— hender Tabelle erſichtlich. Verbreitung. Der Haubentaucher erfreut ſich eines immens ausgedehnten Verbreitungs— gebietes. Dem eigentlichen hohen Norden gehört er nicht an, wird über dem 60. Grad nördlicher Breite ſelten mehr angetroffen, iſt aber dafür ſüdlicher in bereits ganz Europa, in einem ſehr großen Theile von Aſien und Nordamerika zu finden und bewohnt ſogar größere Striche des nördlichen Afrika. In Deutſchland iſt er namentlich auf den mehr ſüdlich gelegenen Seen durchaus keine Seltenheit. Während er noch in Mittel- Haubentaucher. 8 N Rigaer [Neuſied-Dalma- | Nord⸗ Schweden Rügen Meerbuſen] ler See tien amerika S es eee eee Totallänge e ER. 900 780] 860) 730 920 760 750 700 850, 740] 880] 790 Vittichtenge dans 180 1366 1750 1600 182] 163] 1700 154] 174] 160 182) 170 Schnobelläng e 560 501 55 48] 360 32 54 50) 35] 32 60 8 Länge der den Schwanz ver— tretenden Federn 38] 30 36] 321 37 32 36 30 38 A Banllangeut nne 75 60] 70) 64] 72] 68] 70] 62] 72] 661 760 70 deutſchland als Zugvogel auftritt, hat er ſich an einzelnen Stellen der Balkanhalbinſel, be— ſonders in Griechenland und auch Spanien als Standvogel heimiſch gemacht. In Schweden und Norwegen, Dänemark, Schleswig-Holſtein, Holland, Belgien, Frankreich, Italien, Ruſsland, Polen und der Schweiz iſt er überall Zugvogel. Auch in Oſterreich wurde er ſchon oft beobachtet, und hat der „Jahresbericht für ornithologiſche Be— obachtungsſtationen“ (1882) mehrere diesfallſige Beobachtungen verzeichnet. Noch G. Zimmermann in Brüx iſt er auf der Elbe in Vöhmen all— jährlich nicht ſelten und wird wegen ſeines Federkleides ſtark verfolgt. In Niederöſterreich iſt er nach Joſef Deſchauer ebenfalls öfters bemerkt worden, und in Oberöſterreich konnte ich ſelbſt ſein Vorkommen am Zuge conſtatieren. Aus Pöls in Steiermark ſchreibt Baron Waſhington: „Seltene Erſcheinung. In den letzten zwei Jahren habe ich in meinem Beobachtungsgebiete kein Exemplar wahrgenommen. Die Sammlung zu Schloss Lauach enthält 1 & und 2 7.“ P. Blaſius Hauf führt ihn als ziemlich ſelten an den Furt— teichen an. In Kärnthen trifft man den Hauben— taucher auf dem Wörther, Oſſiacher, Mill— ſtätter und Weißenſee, außerdem an ruhigeren Stellen der Drau und auf dem Mooſe bei Maria— Saal, natürlich am Zuge oder auf nicht ſelten mehrtägiger Raſt. Im Littorale, bei Görz ar. wird er von Dr. Eg. Schreiber ebenfalls als nicht jelten angeführt. Profeſſor G. Rolombatovic ſchreibt aus Spalato in Dalmatien: „Mit Aus— nahme des Winters ziemlich gemein das ganze Jahr.“ Aus Odenburg in Ungarn berichtet P. Stephan Faszt: „Scheint ſich erſt nach dem Wieder— erſcheinen des Waſſers am Neuſiedlerſee recht eigentlich angeſiedelt zu haben.“ Pf. Jukovitz, der, wie bekannt, am öſtlichen Ufer (Apatlon) vom Jahre 1836 bis zum völligen Austrocknen des Sees beobachtete, erwähnt ihn in ſeinem „Verzeichnis deram Neuſiedler See vorkommenden Vögel“ gar nicht; auch andere Ornithologen führen nur einzelne Fälle an. Jetzt iſt er nach Fulica atra L. der gemeinſte Standvogel. P. Dr. L. Kuhn in Nagy-Szent-Miklos traf ihn als Sommer-, reſp. Brutvogel bei Nagyfalu. Ju den ausgedehnten Sumpf- und Waſſerge— bieten der Theisz bin ich ihm zu wiederholten— malen begegnet, u. zw. als Brutvogel. Joh. v. Cſato ſchreibt über das Vorkommen in Sieben— bürgen in der „Zeitſchrift für die geſammte Ornithologie“ (1883, Heft IV): „Die Zeit ſeiner Ankunft iſt Ende März und Anfang April. Er iſt zu dieſer Zeit auf den Flüſſen und Teichen einzeln und nicht häufig anzutreffen, was inſo— fern auffallend iſt, als er auf den Mezöjeger Teichen recht häufig brütet und auf jedem größeren Teiche dort zahlreich zu ſehen iſt. Er zieht alſo noch unbemerkbarer als Fuliea atra durch das Marosthal, worüber er ganz ſicher ſeinen Weg zu den Brutplätzen nehmen mufs. Einige Paare werden auch im Gebiete brüten. Im September und October findet man ihn nur einzeln im behandelten Gebiete.“ Aus Tirol ſind die Nachrichten über den Haubentaucher ſehr ſpärlich, doch findet man in den Muſeen Exemplare, die im Lande ſelbſt er— legt wurden. In der Sammlung des Pfarrers J. Prechenſteiner in Sarntheim ſtand ebenfalls ein Exemplar, das bei Kaltern erlegt wurde. In Vorarlberg kommt er auf dem Bodenſee all- jährlich zu beiden Zugszeiten, aber meiſt nur vereinzelt vor. Fortpflanzung und Lebens weiſe— In Dfterreich und Deutſchland müſſen wir den Haubentaucher immerhin als Zugvogel betrachten. Wohl kommen da und dort einzelne Fälle von Überwinterung vor, ſcheint in den ſchon ſüd⸗ licheren, ihm aus irgend einem Grunde ganz beſonders zuſagenden Gebieten nur Strichvogel zu ſein, allein dieſe Fälle ſind ſo vereinzelt, daſs ſie bei der Beurtheilung der Geſammtheit verſchwinden und keinen allgemeinen Maßſtab zu geben geeignet ſind. In den Überwinterungsgebieten ſieht man oft eine größere Zahl von Haubentauchern bei- ſammen, öfter aber findet man nur die Fa⸗ milien vereinigt. Sie vertragen ſich in größerer Zahl nur kurze Zeit, trachten daher. jo viel als möglich auseinanderzukommen. Mit anderen Sumpf- und Waſſervögeln ſtehen ſie ebenfalls auf gutem Fuße. Sie meiden oder werden ge— mieden. Die Familien unter ſich leben in ſchön⸗ ſter Harmonie, höchſtens daſs es einmal bei ſpärlicher Aſung um einen fetten Biſſen Mei⸗ nungsdifferenzen abſetzt; ſolche Intermezzi ſind aber ſtets raſch wieder ausgeglichen. Das Männchen hält ſich auch im Winter getreulich bei ſeinem Weibchen und iſt auch um dieſe Zeit, ganz gegen die Gewohnheit ſo vieler anderer Vögel, gegen dasſelbe ſehr aufmerkſam, läſst ihm ſogar nicht ſelten bei der Aſungs⸗ aufnahme den Vortritt und entfernt ſich nie weit von ihm. Alle Beobachtungen und An⸗ zeichen ſprechen dafür, daſs hier die Vogelehe eine für das Leben dauernde ſei. Nur wenn der eine oder andere Gatte ſeinem Schickſale verfällt, ſo bequemt ſich der überlebende Theil einer neuen Ehe an, falls das Alter nicht zu weit vorgeſchritten iſt. Sehr alte Männchen Haubentaucher. 377 oder auch ſolche Weibchen fand ich ſchon wieder— holt als traurige Einſiedler in der Nähe der anderen Vögel. Recht alte Weibchen tragen ein ſehr ſchön ausgebildetes Kleid, doch ſcheint das— ſelbe nicht den Charakter der Hahnenfedrigkeit anzunehmen; meines Wiſſens iſt wenigſtens noch kein ſolcher Fall conſtatiert worden. Je mehr es dem eigentlichen Frühjahre zugeht, umſomehr lockern ſich die Familien, da ſich die Alten von den Jungen abtrennen. Um dieſe Zeit ſieht man am meiſten vereinzelte Exemplare, die wie beſchauliche Einſiedler einen Theil des Teiches oder eine ſtille Bucht be— wohnen. Dies dauert indes meiſt nur einige Wochen. Der Wandertrieb erwacht. Die alten Vögel erheben ſich aus dem Waſſer, machen kürzere oder längere Flugübungen, ein Beiſpiel, dem die jüngeren Vögel ſehr bald folgen, da— durch mit mehreren ihresgleichen zuſammen— treffen und dieſe Gelegenheit benützen, um zar— tere Bande anzuknüpfen. Dieſes gegenſeitige Suchen und Finden trägt erſt noch den Cha— rakter des reinen Spieles, während bei den Alten der Paarungsruf ſchon weit über die Waſſer dahinſchallt. Bei günſtiger Witterung wird der Zug ſchon um die Mitte März, bald etwas früher, bald etwas ſpäter angetreten. Obwohl es ge— rade keine beſondere Seltenheit iſt, am Tage ziehende Vögel zu beobachten, ſo kann man doch annehmen, daſs die meiſten Haubentaucher ihre Reiſe zur Nachtzeit machen, u. zw. vor— wiegend in den Stunden von 12 Uhr Mitter- nacht bis 5 Uhr morgens. Der Zug geſchieht paarweiſe, einzeln oder auch wieder in lockeren Flügen. Die Alten fliegen immer voraus und die jüngeren folgen anſcheinend ſehr zerſtreut, aber doch in den meiſten Fällen jo nahe, daſs ſie die Fühlung mit den erfahreneren Reiſenden nicht ganz verlieren. Sehr oft mag ihnen der weithin hörbare Ruf der Vorauseilenden als Führer dienen. Unterwegs fallen ſie gerne auf Teichen oder in den ruhigen Auen großer Flüſſe ein, erſt gewöhnlich mit lauten Rufen, ſpäter aber, wenn ſie öfter beſchoſſen oder ge— ſtört wurden, mit möglichſter Stille. Der Hau— bentaucher iſt ein geiſtig durchaus nicht niedrig ſtehender Vogel und weiß die gewonnenen Er— fahrungen praktiſch zu verwerten. Nach der Ankunft bei den Brüteplätzen entwickelt ſich ſofort ein reges Leben. Die Alten ſuchen ſich die günſtig gelegenen Auf— enthaltsplätze aus, die Jungen ſchreiten vollen Ernſtes zur Paarung. Der Lockruf ertönt überall. Die Männchen ſchwimmen und fliegen ungeſtüm herum, laſſen ſehnſüchtig den Paa— rungsruf erſchallen, bis ſie irgendwo ein noch harrendes Weibchen aufgefunden haben. Mit unverkennbarer Haſt beginnen die tändelnden Spiele. Das Männchen bemüht ſich, den freilich noch nicht vollkommen entwickelten Kopfſchmuck und den Federkragen möglichſt aufzubauſchen, erhebt ſich aus dem Waſſer, daſs es förmlich auf demſelben ſteht, patſcht dann plötzlich nieder und ſchwimmt wie geduckt an das Weibchen heran. Bald legt es ſeinen Hals über den Nacken der Heißbegehrten, reibt und ſtreicht den Kopf an ihrem Gefieder, bald ſchießt es mit raſcher Wendung vor dieſelbe, zieht raſch den Kopf ein, ſchnellt ihn wieder blitzartig empor, richtet den Körper wieder ſtolz auf, wobei in kurzen Abſätzen ein lautes „Kökökö!“ erſchallt. Auch das Weibchen antwortet mit dem gleichen Laute, worauf das Männchen voll ausgelaſſener Freude ſeinen hellen Ruf anſtimmt, ſich auf— richtend, mit den kurzen Flügeln fächelt und ſchlägt. Dieſe Tändeleien ſind ihrer ausnehmenden Zartheit wegen der Beobachtung wert. Zur Abwechslung zupfen ſie ſich auch noch gegen— ſeitig an der Vorder- und Unterſeite Federchen aus und verſchlucken dieſelben. Selbſt reißen ſie ſich ebenfalls manchmal Federn aus, um dieſelben zu verſchlucken, eine Eigenthümlichkeit, die ſie früher in den Verdacht gebracht hat, daſs ſie ſich von anderen Vögeln nähren. Auf welchem Wege dieſe Federn wieder aus dem Magen geſchafft, ob ſie angegriffen und aufge— löst, ob ſie unverdaut abgehen oder in gewöll— förmigen Ballen wieder ausgewürgt werden, das iſt bis jetzt noch nicht ermittelt. Dieſe Federballen ſcheinen dem Haubentaucher zur ungeſtörten Verdauung ebenſo nothwendig zu ſein wie gewiſſen Raubvögeln die Haare oder den Hühnerarten die Sandkörner. Einer beſonderen Erwähnung wert iſt noch der Begattungsact. Derſelbe vollzieht ſich nicht wie bei den anderen Vögeln durch das ſog. Treten. Dieſes iſt bei dem abweichenden Baue durchaus unmöglich. Zum Zwecke der Begat— tung ſchwimmen ſich die beiden Vögel ent— gegen, reden die Hälſe hoch, ſtehen jo auf, daſs ſie nur mehr mit den Latſchen im Waſſer ſind, erſt Bruſt an Bruſt, bis ſich auch die Bäuche jo weit nähern, daſs man glaubt, die Vögel werden im nächſten Augenblicke rückwärts über— ſchlagen. Die Flügel flatſchen, ein leiſe korrender Laut wird vernehmbar, mit einem blitzartigen Nude fahren beide zuſammen. In einem Momente iſt der Begattungsacı auf dieſe Weiſe vollzogen, und unter lautem Geſchrei verkünden beide Gatten der Welt ihr verliebtes Treiben, dies jedoch nur ſo lange, als ſie nie geſtört werden. Haben ſie jchon bit— tere Erfahrungen gemacht, bringen ſie es über ſich, ſelbſt im Momente des höchſten Glückes ſtumm zu bleiben. Dies iſt gewiſs ein Punkt, der für eine nicht zu unterſchätzende Intelligenz des Vogels ſpricht. In der zweiten Hälfte April beginnt das Paar den Bau ſeines Neſtes. Zu dieſem Zwecke werden Binſen, Rohrſtengel, Schilf und ver— ſchiedene Waſſergräſer zu einem ziemlich com— pacten Napfe zuſammengetreten. Da das Neſt gewöhnlich ganz frei im Waſſer ſteht, ſo werden in den Unterbau die aus dem Waſſer hervor— ragenden Rohr- oder Schilfſtengel verflochten, um auf dieſe Weiſe das Losreißen des Neſtes zu verhindern. Auf dem Unterbau wird aus Binſen, Gräſern und Schlammpflanzen eine 12—16 cm hohe und 30—35 em weite Neſt— mulde erbaut. Das Baugeſchäft fällt faſt aus— ſchließlich dem Weibchen zu; das Männchen iſt wohl beſtändig in der Nähe, aber es verſieht mehr das Amt eines ſcharfſichtigen Wächters als das eines Gehilfen. Dombrowski. Eneyklopädie d. Forſt⸗ u. Jagdwiſſenſch. IV. Bd. 37 578 Da um dieſe Zeit die Paare äußerſt unge- ſellig und biſſig ſind, in der Nähe kein anderes Paar dulden wollen, ſo gibt es zur Zeit der Neſtanlage oft erbitterte Kämpfe. Der beſiegte Theil muſs dann in Eile das Weite ſuchen. Außerſt ergötzlich zu ſehen iſt es auch, wenn vor dem Beginne des Neſtbaues noch ein ungepaartes Männchen ſich vorfindet. Dieſes iſt den ganzen Tag in Bewegung, bald in raſen— dem Schwimmtempo, bald in ſchwerfällig blät— terndem Fluge. Trotzdem die Paare ſelten eine größere Strecke weit auseinander ſind, wagt es jo ein verwegener Junggeſelle, bei dem Weib— chen einzufallen. In dieſem Falle erhebt ſich ein wüthendes „Kroar-Kroar“, und im nächſten Augenblicke klatſchen die beiden Rivalen zu— ſammen. Tapfer hauen die Schnäbel ein, die Federhörner ſind in fieberhafter Bewegung, der Federkragen klappt auf und nieder, und wieder wird ein Anlauf gewagt. Oft patſchen ſie, gegen— ſeitig aneinander aufhüpfend, Bruſt an Bruſt aneinander, daſs beide Kämpfer zurückgeworfen werden. Gelingt es dem raſend ſich geberdenden Gatten, den verhaſsten Rivalen rücklings zu überwerfen, ſo machen noch ein paar kräftige Schnabelhiebe den Schluſs, bis es dem Abge— kämpften gelingt, durch ein möglichſt raſches Tauchen ſich der gefährlichen Nachbarſchaft zu entziehen. Stolz, ſchreiend und mit den Flü— geln ſchlagend kehrt dann das Männchen zu ſeiner Gattin zurück, die ihrerſeits beim Kampfe nur eine paſſive Zuſeherrolle ſpielte. Das Gelege beſteht aus 3—4 weißlichen bis ganz ſchwach hellgrünen, 50—52 mm langen und 34—36 ınm dicken Eiern, welche ſich durch das beſtändige Liegen im Waſſer bald ſchmutzig lehmgelb färben, mitunter auch ſchwach braun marmoriert erſcheinen. Sobald das erſte Ei gelegt iſt, verlaſſen die Alten das Neſt nicht mehr für lange Zeit, entfernen ſich auch nicht mehr weit von dem— ſelben, ſchwimmen untertags öfter hinzu, recken den Hals, um in die Neſtmulde ſehen zu kön— nen, und verkünden ſich gegenſeitig mit ganz leiſem „Kökökö-kööbh“ das Vorhandenſein des Schatzes. In der Nähe des Neſtes verhalten ſie ſich überhaupt ſehr ſtill, ſchreien höchſtens, wenn Gefahr droht oder ſie wirklich vertrieben werden. Sobald mehr Eier im Neſte ſind, werden dieſelben ſorgfältig zugedeckt, wenn das Neſt verlaſſen wird. Um beim Verlaſſen das Neſt nicht umzukippen, rutſcht der Vogel laugſam über den Neſtrand und drückt denſelben mit der Zeit völlig platt. Hat die eigentliche Brütezeit einmal be— gonnen, ſo wird das Gelege nicht mehr ver— laſſen. Sobald das Weibchen über das Neſt herabrutſcht, beſteigt das Männchen dasſelbe und bleibt auf den Eiern ſitzen, bis das Weib— chen wieder herankommt. Dieſe Ablöſung ge— ſchieht täglich drei- bis viermal. Durch eine ſolche unausgeſetzte Bebrütung allein iſt es möglich, die beſtändig wenigſtens zum Theil im Waſſer liegenden Eier zur Entwicklung zu bringen. Die Brütezeit dauert 21—22 Tage. Die ausgefallenen Jungen in ihrem ober— ſeits mausgrauen, ſchwarz geſtrichelten und Haubentaucher gefleckten Dunenkleide werden bald nach dem Abtrocknen ins Waſſer geführt Das Weibchen rutſcht aus dem Neſte und läſst ſo lange einen zarten, leiſen Lockton vernehmen, bis die Jun— gen nachfolgen und vom Neſtrande auf den Waſſerſpiegel purzeln. Sie erweiſen ſich ſofort als fertige Schwimmer. Die Alten entfalten nun eine doppelte Aufmerkſamkeit, ſo daſs es ſelbſt dem geübten Beobachter ſchwer wird, das Leben und Treiben in der Nähe zu beobachten. Der vorzüglich entwickelte Geſichtsſinn und die beſtändige peinliche Wachſamkeit werden noch durch ein Witterungsvermögen unterſtützt. Hat ſich der Beobachter noch ſo verſteckt poſtiert, be— findet er ſich aber im Winde, ſo ertönt ein ſchnarrendes „Kraar“ und die reizende Familie iſt verſchwunden. So lange die Jungen zum Tauchen noch unfähig ſind, werden ſie von den Alten unter die Flügel genommen und fo unter dem Waſſer entführt. Dies Manöver führen ſie mit einer bewunderungswürdigen Fertigkeit durch. Die Familie lebt den ganzen Tag im Waſſer. Die Alten ſuchen erſt zarte Kerbthier— larven, halten dieſelben den Jungen vor und laſſen ſie wegpicken. Später werden dieſelben aufs Waſſer gelegt und ſo die Jungen ange— leitet, dortſelbſt ihre Aſung aufzunehmen. Nach wenigen Tagen ſchon kommen kleine Fiſche an die Reihe. Mit dieſen erhalten die Jungen die Anleitung, ihre Aſung durch Tauchen zu ſuchen. Das Weibchen hält ein Fiſchlein vor, zuckt aber raſch zurück, wenn die Jungen zugreifen wollen, taucht endlich mit dem Biſſen unter, und wer ihm am behendeſten folgt, der erhält unter Waſſer die Belohnung. Anfangs wieder- holt das Weibchen dieſes Manöver fünf- bis ſechsmal hintereinander, weil die Jungen nicht gleich folgen wollen, und ermuntert dieſelben durch einen leiſe gluckſenden Ton. Haben die Jungen nur einigemale auf dieſe Weiſe einen Biſſen erhaſcht, jo tauchen ſofort alle blitzſchnell nach. Iſt die kleine Familie geſättigt, ſo ſchwimmt ſie piepſend herum, die Jungen ſtei— gen auf den Rücken der Alten, zupfen und zauſen an dem Federkleide, purzeln herab oder tauchen mit einem raſchen Schwunge ins Waſſer. So eine Familie gewährt einen äußerſt reizenden Anblick. Oft habe ich beobachtet, daſs die Alten den ſchnarrenden Warnungsruf ausſtoßen, wenn die Jungen im eifrigſten Spiele begriffen ſind und thatſächlich nicht die mindeſte Andeutung einer Gefahr vorhanden iſt, bloß um die Kleinen zu einem raſchen Untertauchen zu veranlaſſen. Es ſcheint das eine bloße Übung zu ſein, weil da= bei das Männchen ruhig bleibt, während es ſonſt bei wirklicher Gefahr ebenſo raſch als die anderen untertaucht. Einem ſchwächeren Raubvogel ſetzt ſich das Weibchen nicht ſelten muthig entgegen und pa— riert gewandt deſſen Stöße; das Männchen dagegen macht wohl viel Lärm, hat jedoch nicht den Muth, bei einem Angriffe ſelbſt in Action zu treten. In den erſten 8—10 Tagen werden die Jungen zur Nachzeit noch ins Neſt geführt, falls ſie daſelbſt nicht die mindeſte Störung erfahren Haubentaucher. 579 haben. Später ſchlüpfen ſie nur mehr ins dichte Röhricht, um daſelbſt wohlverſteckt auf dem Waſſerſpiegel zu ſchlafen. Von dieſer Zeit iſt das Waſſer das einzige Element des Vogels; hier lebt und ſchläft er. Ans Land ſteigt er äußerſt ſelten, und wenn es je geſchieht, ſo be— nimmt er ſich daſelbſt plump und unbeholfen, iſt ſogar nicht einmal imſtande, ſich zu einem hohen Fluge zu erheben. Wenn die Jungen ungefähr halb erwachſen ſind, ſo vertauſchen ſie erſt das Dunenkleid mit dem erſten Jugendkleide, was nur allmählich durch das Vordrängen des feſteren Gefieders geſchieht. Um dieſe Zeit tauchen und ſchwimmen die Jungen ſchon meiſterhaft, wiſſen auch ge— ſchickt ihre Nahrung zu erhaſchen und gleichen in derſelben ſchon ganz den Alten. Die Haupt- nahrung des Haubentauchers beſteht in kleinen Fiſchen und Kerbthieren, er läſst ſich aber auch den Laich ſchmecken, iſt daher an Teichen mit rationell betriebener Fiſchzucht ein nicht gern geſehener Gaſt. Gegen Ende Juli glaubt man den Hauben- taucher nicht ſelten ganz von ſeinen gewohnten Gebieten verſchwunden. Sucht man jedoch ſehr aufmerkſam nach, ſo wird man die Familie an jenen Stellen wiederfinden, welche am dichteſten mit Rohr oder Schilf bewachſen ſind und ein erwünſchtes Verſteck bilden. Um dieſe Zeit geht die Hauptmauſer vor ſich, in der ſich auch die Schwingenfedern erneuern, daher der Vogel fluguntüchtig und rein auf das Waſſer ange— wieſen iſt. Deſſen ſcheint er ſich bewuſst zu fein, ſucht daher die dichteſten Verſtecke auf und ver— hält ſich ganz ſtill. Sogar der Ruf, mit dem ſich die auseinandergerathenen Vögel verſtän— digen, erſchallt ſeltener und weniger laut. Es wird ſomit alles vermieden, was irgendwie Ge— fahr bringen könnte. Dieſe Mauſer geht indes raſch vor ſich, und in wenig Wochen iſt der Vogel auch wieder flugtüchtig, ſoweit dies über— haupt bei ſeinen kurzen Flügeln ſein kann. Uns mittelbar vom Waſſerſpiegel vermag er ſich indes nicht zum Fluge zu erheben. Will er auf— fliegen, hebt er ſich erſt ganz aus dem Waſſer, beginnt raſch mit den Flügeln zu ſchlagen und läuft dabei eine größere Strecke über das Waſſer dahin. Nach dieſem Anlaufe vermag er erſt ſich in die Luft zu erheben. Gegen den Herbſt hin macht die ganze Familie öftere und längere Flugübungen, offen— bar in der Vorahnung des kommenden Zuges. Obwohl der Flug ſehr mühſam und faſt plump erſcheint, iſt er doch ziemlich fördernd, jo daſs der Taucher ganz gut die Luftreiſe wagen darf, ohne, wie man ſeinerzeit glaubte, auf die Reiſe zu Waſſer allein angewieſen zu ſein. Sit Schon den ganzen Herbſt hindurch eine auffallende Unruhe wahrnehmbar, ſo ſteigert ſich dieſelbe zu einer förmlichen Haſt, wenn die ver— ſchiedenen Waſſer- und Sumpfvögel des höheren Nordens am Zuge eintreffen. Da duldet es auch den Haubentaucher nicht mehr. Gewöhnlich im Octo— ber, ſeltener im November führt er ſeinen Zug nach dem Süden aus, wobei nicht ſelten größere Geſellſchaften an den bevorzugten Einfall- und Ruheplätzen zuſammentreffen. Ein abſichtliches Sammeln und geſellſchaftliches jedoch nicht ſtatt. In den Wintermonaten macht der Hauben— taucher wieder eine langſamere theilweiſe Mauſer durch und erhält dabei das ſchöne Hochzeitskleid, in dem er uns im kommenden Frühjahr ſeine Aufwartung am Teiche macht. Der Haubentaucher hat weniger von den Raubthieren, als von den Raubvögeln zu leiden. Da er den Stößen ſtärkerer Raubvögel durch Untertauchen leicht entgeht, ſo iſt er eigentlich nur im Fluge gefährdet. Hauptſächlich ſind es die Eier, welche den meiſten Gefahren ausgeſetzt ſind. Rohrweihen, Elſtern und Krähen ſuchen dieſelben eifrig auf, ſtoßen ſogar auf die feſt brütenden Taucher, um dieſelben von dem Gelege zu vertreiben. Außerdem macht ſich auch der Fiſchotter kein Gewiſſen daraus, jo ein ſchwimmendes Neſt umzukippen und ſich den Inhalt zu Gemüthe zu führen. Der Haubentaucher nützt uns vorzüglich durch ſein pelzartiges Federkleid, das zu koſt— baren Kleidungsſtücken verarbeitet wird. Das Fleiſch iſt ſeines thranigen Geſchmackes wegen nahezu ungenießbar. Obwohl ſich der Haubentaucher gerne von Fiſchen nährt, falls er ſie zur Genüge haben kann, ſo vertilgt er doch auch eine große Menge ſchädlicher Kerbthierlarven und Waſſerinſecten. Sein Schaden iſt jedenfalls nicht ſo groß, als er mehrſeitig angenommen wird, und wir dürfen deshalb dem ſchönen Vogel ſein Leben wohl vergönnen. Ein Maſſenkrieg gegen ihn wäre ungerechtfertigt. Wer ihn an einem bewirtſchafteten Teiche gerade nicht dulden will, der braucht ihn nur ein paarmal zu beunruhigen, und er wird ferner nicht mehr zu leiden haben. Die Jagd des Haubentauchers iſt eine ſehr ſchwierige, da es bei der immenſen Vorſicht und Scheuheit des Vogels auf offener Stelle abſolut unmöglich iſt, auf Schuſsdiſtanz nahe— zukommen, falls nicht gute Deckung vorhanden iſt. Die Jagd beſchränkt ſich ſomit eigentlich nur auf das Anſchleichen hinter Dämmen, Rohr: und Schilfſtreifen. Beim Abgeben des Schuſſes halte man jedoch ſtets eine kleine Spanne vor den Vogel, weil derſelbe im Momente des Schuſſes blitzartig untertaucht und kaum mehr wirkungsvoll getroffen werden kann, wenn man nicht vorhält. Einen zweiten Schuſs kann man höchſtens auf junge Vögel anbringen; alte kommen in Schuſsdiſtanz gewiss nicht mehr an die Oberfläche. Auf einzelnen Seen werden auf den Hauben— taucher förmliche Hetzjagden veranſtaltet. Zu dieſem Zwecke vereinigt ſich eine große Anzahl leichter Boote, welche den Vögeln beſtändig nach— jagen und dieſelben nicht einen Augenblick zur Ruhe kommen laſſen. So eine wilde Hetzjagd dauert gewöhnlich drei bis vier Stunden. Die armen Vögel werden durch das beſtändige Treiben jo abgemattet, dajs ſie abſolut nicht mehr weiter flüchten können und ſich nach der vollſtändigen Erlahmung ihrer Kräfte mit Händen greifen laſſen. Ein ſolcher Betrieb iſt eine höchſt un— weidmänniſche Jagd und, wie mir noch dünken will, ein grauſames Vergnügen. Ziehen findet 9 580 Durch die Ausrottung des Haubentauchers würden unſere Gewäſſer einen hochintereſſanten Vogel und zugleich einen reizenden Schmuck verlieren. Klr. Hauberg, ſ. v. w. ein Niederwald, in wel— chem Hackwaldwirtſchaft betrieben wird; ſ. Di waldbetrieb. Haue, ſ. v. w. Hacke (. Fele ruhe Abplaggen). Gt. 1 verb. trans. V. Biber, ſ. v. w. abhauen, abſchnei— 37 . d. „Hauen nennt man, wenn der Biber einen Baum umbeißet.“ Täntzer, Jagdgeheim— niſſe, Kopenhagen 1682, fol. XII. — Fleming, T. J., 1729, fol. 107. — Chr. W. v. Heppe, Wohlred. Jäger, p. 198. II. V. Schwarzwild, ſ. v. w. ſchlagen, ſ. d „Das Wildſchwein hawt.“ P. d. Crescentiis, Frankfurt a. M, 1582, fol. 504. „Hauen, ſagen Einige, ſtatt: die Sau ſchlägt: die Sau haut.“ Chr. W. v. Heppe, J. e. — Bechſtein, Hb. d. Jagdwiſſenſchaft I., 1., p. 140. — Wil⸗ dungen, Neujahrsgeſchenk, 1793, p. 19. Onomat. forest., II., p. 81. — Behlen, Wmſpr., 1828, p. 77, und Real- u. Verb -Lexik., III., p. 627. — Sanders, Wb. I., p. 702. E. v. D. Hauendes Schwein, das, ſ. v. w. Haupt⸗ ſchwein, ſ. d. „Hauend Schwein, heißet ein vollkommen großes Schwein männlichen Ge— ſchlechtes, welches 4 Jahre und darüber alt iſt.“ Täntzer, Jagdgeheimniſſe, Kopenhagen, 1682, fol. XII. — Fleming, T. J., 1729, fol. 107. — „So der Keuler 3 Jahr iſt, heißet und bleibet er fernerhin ein Hauptſchwein, oder Hauend Schwein.“ Döbel, Jägerpraktika, Ed. I, 1746, I., fol. 25. — „Vor ein hauendes oder Haupt- ſchwein wird eine Sau angeſprochen, die völlig 5 Jahre alt.“ C. v. Heppe, Aufr. Lehrprinz, p. 58. — „Das männliche Schwein . .. heißt mit dem 5. Jahr ein fünfjähriger Keuler oder ein hauend Schwein; alsdann iſt es ein Hauptſchwein.“ Bechſtein, Hb. d. Jagdwiſſen⸗ ſchaft I., 1., p. 141. — „Wenn der Keuler 4 Jahr alt wird, ſo ſpricht ihn der Jäger als 8 1 des Schwein, 2 Monate ſpäter als hauendes oder gutes, vom 7. Jahr an als Haupt- oder grobes Schwein an.“ D. a. d. Winkell, Hb. f. Jäger I., p. 304. — „dreijährige und ältere Keiler werden hauende Schweine genannt.“ Hartig, Lexik., p. 201. — „Mit 5 Jahren hau⸗ endes oder gutes Schwein, vom 7. Jahr an Hauptſchwein oder grobes Schwein.“ Laube, Jagdbrevier, p. 275. E. v. D. Hauende Waldungen (auch Laubwal— dungen genannt), im niederwald- oder mittel- waldähnlichen Betrieb bewirtſchaftete Waldun— gen, zur Erziehung von Brennholz beſtimmt, im Gegenſatz zu den „Bauwaldungen“ (j. d.), aus welchen nur Nutzholz entnommen wurde. Schw. meiſt nur im pl., die Hau: zähne des männlichen Schwarzwildes; vgl. Waffen, Gewäff, Haderer, Gewehre, Gewerf. „Die (Eckzähne) in der unteren Kinnlade, wo— mit der Keuler eigentlich ſchlägt . . . dieſe heißen inſonderheit: die Hauer, Haderer. „u Wildungen, Neujahrsgeſchenk, 1795, p. 18. — „Die oberen Eckzähne: Gewerft, Gewehr; die unteren: Hauer, Hauer, der, Hauberg. — Hauptbeſtand. Haderer.“ Bechſtein, Hb. d. Jagdwiſſenſchaft J., 1., p. 145. — „Hauer heißen die gekrümmten Zähne in der unteren Kinnlade der Keiler.“ Hartig, Lexik., p. 222. — Laube, Jagdbrevier, p. 279. E. v. D. Hauerlöhne, ſ. Holzhauerlöhne. 81 Häuſelhacke, ſ. Häufeln. Häufeln. Bei jungen Pflävelnge ie im Wuchſe gefördert werden jollen, pflegt man den Boden herum zu lockern. Zieht man dieſen lockeren Boden an die Pflänzlinge ſo heran, dass ihr blatt- oder nadelloſer unterer Stengel— theil von demſelben umhüllt wird, ſo nennt man dies Häufeln, An häufeln. Es iſt dies in der Regel dem Pflänzling wohlthätig und empfahl dasſelbe ſchon Cotta (Waldbau), bei in Rillen ausgeführten Buchenfreiſaaten. In Kämpen wird es vielfältig bei Laub- und Nadelholzpflanzen mit freiſtehendem unteren Stengeltheil angewendet. Man häufelt mit der gewöhnlichen Hacke, bedient ſich dazu hie und da aber auch beſonders eingerichteter Häufelhacken, ſelbſt der Häufelpfläge (ſ. Get culturgeräthe, bezw. sub 4 und J). Häufelpflug, j. Forſteulturgeräthe a i e. 2 Häuflein, das, ſ. v. w. Rudel, ſelten. „Ein Rudel wird es genannt, ſo etliche oder viel Stück (Schwarzwild) bei einander ſein; theils Orten heißt es ein Häuffel.“ Döbel, Ed. I, 1746, I., fol. 25. — „Rudel, einiger Orten ſagt man auch Häufel oder Schar, doch iſt Rudel beſſer geſprochen, wenn man von Schwarz- wildbret redet, wiewohl ländlich, ſittlich.“ C. v. Heppe, Aufr. Lehrprinz, p. 70. — Chr. W. v. Heppe, Wohlred. Jäger, 1 160. — Bechſtein, Hb. d. Jagdwiſſenſchaft I., 1., p. 146. — San⸗ ders, Wb. I., p. 705. E. v. D. "Saupiaßtfeilung, ſ. Abtheilung und 11 eintheilung. Hauptaltersclaſſe, ſ. Altersclaſſe. 97 Hauptarche, die, ſ. v. w. Hauptleine, ſ. d. „Drei ſolche Tücher, jedes mit einer ſtarken Unterarche und einer noch ſtärkeren Ober- oder Hauptarche . . befeſtiget . . .“ C. v. denpe, En Lehrprinz, p. 139. Hauptbalze, die. „Vorbalze beißt 95 An fang, Hauptbalze die Mitte, und Nachbalze der Schluſs der Balzſaiſon.“ Wurm, Auerwild, p. 4 E. v. D. Hauptbär, der. „Ein 3 —6jahriger Bär wird ein Hauptbär genannt, ein 3—äjähriger ein Mittelbär, 2jährige Bären aber heißen ge— ringe Bären.“ Wildungen, Taſchenbuch, 18056, p. 106. — Brehm, Säugethiere II., = 167. E. v. D. Hauptbau, der. „Ein Hauptbau, d. h. ein ſolcher, der ſehr viele tiefe und weitgehende Röhren hat und daher ein 151 großes Ter- rain einnimmt . Winkell, Hb. f. Jäger III., p. 7, 2. — Zeiten, Kleine Jagd, Ed. LE Königs⸗ berg 17594808, V. Diezel, Nieder- jagd, V. Aufl., p. 314. E. v. D. Hauptbaum, ſ. Mittelwald. Gt. Hauptbeſtand. Diejenigen Stämme eines Beſtandes, welche wuchskräftig ſich entwickelt und die Herrſchaft über andere, welche im Wuchs zurückgeblieben oder von jenen mehr — Hauptbeſtand. — Hauptdickicht. oder weniger unterdrückt wurden, übernahmen, bilden in ihrer Geſammtheit den Hauptbe— ſtand, im Gegenſatz zur Geſammtheit der letzteren, in der wir ſie als Nebenbeſtand bezeichnen. Jener ſoll demnächſt im weſentlichen die Hauptnutzung liefern, dieſer fällt, bei regel— rechter Wirtſchaftsführung, die Zwiſchen— nutzung bei Ausläuterung und Durchforſtung anheim (j. Beſtand). Gt. Hauptbeſtand nennt man diejenigen Be— ſtandsindividuen, welche als vorherrſchende oder dominierende nach Länge, Stärke oder Holz— art — auftreten. Mit dem zunehmenden Be— ſtandsalter ſcheiden mehr oder weniger Exemplare aus den vorherrſchenden aus und treten zu den beherrſchten oder unterdrückten, aus denen der Nebenbeſtand oder Zwiſchenbeſtand ge— bildet wird. Der Hauptbeſtand im höheren Alter enthält meiſt nur noch diejenigen Bäume, welche das Haubarkeitsalter erreichen. Nr. Hauptbuch. Das Hauptbuch dient bei jeder der verſchiedenen Verrechnungsformen (. Buchführung) zur ſyſtematiſchen, d. h. nach den verſchiedenen Betriebs- und Verrechnungs— zweigen geordneten Eintragung der Rechnungs— fälle, während dieſelben im Tagebuche nach der Zeitfolge, in welcher ſie ſich ergeben, alſo chronologiſch verzeichnet werden. Das Tage— buch macht, nachdem in dasſelbe der anfängliche Vermögensſtand und alle Vermögensänderungen, jedoch ohne weitere Gliederung und nur nach den wirklich erfolgten Beträgen eingetragen werden, wohl den jeweiligen Vermögensſtand im ganzen erſichtlich, läſst aber den Erfolg und die Gebarung in den einzelnen Zweigen der Wirtſchaft nicht erkennen und gibt auch keine Überſicht über etwaige Rückſtände an Einnahmen und Ausgaben, welche Rückſtände bei der Feſt— ſtellung des Wirtſchaftserfolges berückſichtigt werden müſſen, ſowie über die gegenüber anderen Wirtſchaften oder Perſonen beſtehenden Forde— rungen und Schulden. Dieſen Einblick in die Gebarung und den Erfolg der Wirtſchaft im ganzen und in allen Zweigen zu bieten, den Vergleich zwiſchen den wirklich erfolgten Ein— nahmen und Ausgaben gegenüber dem, was die Wirtſchaft einzunehmen berechtigt und aus— zugeben verpflichtet war, alſo eine vollſtändige Überſicht aller beſtehenden Rückſtände (Forde— rungen und Schulden) jederzeit zu ermöglichen, iſt der Zweck des Hauptbuches. Nachdem Leiſtungen und Gegenleiſtungen, bezw. die Anordnung von Einnahmen oder Aus— gaben und deren Ausführung nicht immer gleichzeitig erfolgen, dieſelben aber für obigen Zweck im Hauptbuche gegenübergeſtellt werden ſollen, jo muss auf die chronologiſche Anordnung der Eintragungen hier verzichtet werden; es erſcheint ferner für die Erreichung dieſes Zweckes zuläſſig, von der Eintragung aller einzelnen Rechnungsfälle abzuſehen und dieſelben hinſichtlich zuſammengehöriger Poſten ſummariſch aus dem Tagebuche zu übertragen. Das Hauptbuch der kaufmänniſchen (dop— piſchen) Verrechnungsform erreicht dieſen Zweck durch die Theilung desſelben in einzelne, den Wirtſchaftszweigen oder Perſonen, für welche und mit welchen verrechnet werden ſoll, ge— 581 widmete Abrechnungen (Conten), in welchen alle wirklich vollzogenen Leiſtungen und die daraus entſtehenden Forderungen oder Schulden in der Art eingetragen werden, daſs alle Leiſtungen und Gegenleiſtungen, welche einen beſtimmten Verrechnungszweig (oder eine Perſon) betreffen, je auf den beiden Blattſeiten des betreffenden Contos gegenübergeſtellt werden. Die Auffaſſung aller Rechnungsfälle als Leiſtung (Guthaben) von der einen, und die dadurch be— dingte Gegenleiſtung (Schuld) von der anderen Seite ergibt die zweimalige Eintragung jedes Rechnungspoſtens im Hauptbuch, u. zw. für den— jenigen, welcher im gegebenen Falle als Geber erſcheint, als ein Guthaben (als „Haben“), für den Nehmer als eine Schuld (als „Soll“). Dieſe Rechnungsführung geſtattet jederzeit die Feſtſtellung der gegenſeitigen Forderungen und Schulden, ſowie des Erfolges in den ein— zelnen Betriebsconten; es mufs jedoch zu dieſem Zwecke zu Beginn jeder Rechnungsperiode der anfängliche Vermögensſtand (bei Perſonen die Forderungen oder Schulden, bei Betriebsconten die Vorräthe ꝛc., welche aus dem vorigen Rech— nungszeitraum herübergenommen wurden) auf der entſprechenden Blattſeite eingetragen werden. Außer den einzelnen Perſonen- oder Be— triebsconten enthält das doppiſche Hauptbuch in der Regel auch einen Conto, in welchen alle anfänglichen und ſchließlichen Vermögensbeſtände eingetragen werden (Vermögens- oder Capital— conto), dann eine Zuſammenſtellung der in den einzelnen Conten ſich ergebenden Gewinn- oder Verluſtbeträge als Gewinn- und Verluſtconto. Im Hauptbuche der cameraliſtiſchen Rech— nungsform erfolgt die titelmäßige (ſyſtematiſche) Verrechnung durch die Gliederung aller Ein— nahmen und Ausgaben in einzelnen Titeln oder Rubriken (f. d.); außerdem wird durch unmittel— bare Gegenüberſtellung der wirklich erfolgten Empfänge und Ausgaben, des „Gſt“ (aus dem Tagebuche), gegen die von der Wirtſchaftsleitung angeordneten oder bewilligten Empfangs- und Ausgabsbeträge, das „Soll“, der Nachweis der vorſchriftsmäßigen Gebarung und der ſich er— gebenden Rückſtände in den einzelnen Rechnungs— zweigen gegeben. Gegenſtand der Hauptbuchs— verrechnung iſt alſo hier die rubrikenweiſe Vor— ſchreibung der „Gebüren“ und Eintragung der „Abſtattungen“ (des Soll und Gſt.), wobei dem Zwecke desſelben entſprechend wohl die Rück— ſtände des letzten ene eitraumes, nicht aber die anfänglichen Vermögensbeſtände zu Be— ginn der Jahresrechnung eingetragen werden. Wegen der Eintheilung des Hauptbuches in einzelne Conten oder Rubriken wird dasſelbe auch Contobuch oder Rubrikenbuch genannt. Über die Form des doppiſchen und cameraliſtiſchen Hauptbuches ſ. „Buchführung“. v. Gg. Hauptcomplex nennt man denjenigen Theil eines Revieres oder Waldes, welcher im Ver— hältnis zu den anderen Parcellen durch ſeine Größe und Geſchloſſenheit hervortritt. Nr. Hauptdickicht, das. „Ein gut Dickicht, auch wohl ein Haupt⸗ Dickicht.“ Großkopff, Weidewerckslexikon, p. 78. — „Hauptdickicht, iſt das ſtärkſte Dickicht, worin das Wildbret ſich aufhalten kann.“ Chr. W. v. Heppe, Wohlred. 582 Hauptertrag. — Hauptſchwein. Jäger, p. 198. — Onomat. forest. I., p. 423. ı p. 77, und Real- u. Verb.⸗Lexik. III., p. 629. — Behlen, Real- u. Verb.⸗Lexik. III., p. 629. | — Die Hohe Jagd, Wien 1846, I., p. 362. — E. v. D. Laube, Jagdbrevier, p. 281. E. v. D. Hauptertrag mufs als gleichbedeutend mit Hauptnutzung angeſehen werden. Demnach handelt es ſich um die eigentliche Holznutzung, weil das Holz (und die Rinde) als das Hauptproduet der Wirtſchaft anzuſehen iſt. Der Nebenertrag oder die Nebennutzung beſteht aus den übrigen Wald— producten, als: Streu, Gras, Früchten, aus Be— ſtandtheilen des Bodens, aus Ergebniſſen der Jagd, gewiſſer Rechte 2c. Es iſt gebräuchlich, die Bezeichnung Hauptertrag und Hauptnutzung für die Abtriebsnutzung anzuwenden, obgleich das nicht als richtig hingeſtellt werden darf. Nr. Hauptertragstafeln werden gewöhnlich die Ertragstafeln genannt, welche nur die Maſſe des prädominierenden oder Hauptbeſtandes an⸗ geben. Es wäre richtiger, hiefür die Bezeichnung „Abtriebsertrags- oder Hauptbeſtandsmaſſenta— feln“ anzuwenden. Nr. Hauptgeſimſe. ſ. Geſimsmauer. Fr. Hauptgeſtell iſt eigentlich gleichbedeutend mit Wirtſchaftsſtreifen. Der Wirtſchaftsſtreifen dient der Waldeintheilung und verläuft in der Richtung des Hiebes (f. Waldeintheilung). Nr. Hauptgrenzſtein wird derjenige Grenzſtein genannt, welcher an einem Hauptbrechpunkte der Grenze ſteht. Im Gegenſatz dazu kann man Zwiſchengrenzſteine, bezw. Läufer ee er Hauptha mmer, ſ. Interimshammer. Schw. Hauptheſtel. der. „Hauptheftel, auch Spannpflock. Dieſes iſt der ſtärkſte Heftel, wel— cher bei der Rundung des Jagens gebraucht wird.“ Chr. W. v. Heppe, Wohlred. Jäger, p. 344. E. v. D. Haupthirſch, der. „Am St. Maria Magda- lena haben faſt alle gute Hirſche ſchon völlig verrenket, was aber Haupt-Hirſch ſein, haben ſchon völlig geſchlagen.“ Pärſon, Hirſchgerechter Jäger, 1734, fol. 19. — „Vor einen kapital⸗ guten und Haupthirſchen wird angeſprochen ein Hirſch, der acht und mehr Jahr auf ſich hat.“ C. v. Heppe, Aufr. Lehrprinz, p. 39. E. v Hauptholfart iſt diejenige Holzart, welche in einem Walde überhaupt oder in gemiſchten Beſtänden beſonders vorherrſcht. In den Be— ſtandsbeſchreibungen wird ſie immer zuerſt ge— nannt. Alle für die Forſteinrichtung nöthigen Bonitierungen und Berechnungen richten ſich nach der Hauptholzart. Nr. Hauptjagen, das. „Hauptjagen iſt ein ſolches, da man in einem großen Wald das Wildpret zuſammentreibt.“ Täntzer, Jagdge— heimniſſe, Kopenhagen 1682. — Fleming, T. J., fol. XII, 1719, I., Anh., fol. 107. — Döbel, Jägerpraktika, Ed. I, 1746, II., fol. 39, 42. — C. v. Heppe, Aufr. Lehrprinz, p. 172. — Groß⸗ kopff, Weidewerckslexikon, p. 158. — Chr. W. v. Heppe, Wohlred. Jäger, p. 198. — Onomat. forest., I., p. 85. — „Wenn man das Wild in einem großen Waldbezirke mit Jagdzeugen um— ſtellt, es durch Treibleute immer mehr concen— trirt und endlich auf einem Lauf erlegt, ſo nennt man ein ſolches Jagen: ein Hauptjagen. — Hartig, Lexik., p. 245. — Behlen, Wmſpr, 1828, Hauptleine, die. „Haupt-Leine, iſt die oberſte Leine an dem Tuche.“ J. Täntzer, Jagd- geheimniſſe, Kopenhagen 1682, fol. XI. — Fleming, T. I, 1719, I., Anh., fol. 107. — Großkopff, Weidewerckslexikon, p. 158. — Döbel, Jägerpraktika, 1746, II., fol. 52. — Chr. W. v. Heppe, Wohlred. Jäger, p. 198. — Onomat. forest. II., p. 88. — D. a. d. Winkell, Hb. f. Jäger II., p. 467. — Behlen, Wmſpr., 1828, p. 77, und Real- u. Verb.⸗Lexik., III., p. 630. E. v. D. Hauptmauern, j. Mauern. Fr. Hauptnetz iſt das Netz, welches die Ab- theilungen (Jagen) in einem Walde bildet. Das⸗ ſelbe wird durch die Waldeintheilung (ſ. d.) ge— ſchaffen, die paſſend gelegene natürliche Grenzen — Wege, Bäche, Felſen ꝛc. — benutzt und nach Bedürfnis noch künſtlich beſchaffte Schneiſen und Wirtſchaftsſtreifen hinzutreten läſst. Nr. Hauptneue, die. „Hauptneue: Schnee, welcher einige Stunden von Mitternacht bis kurz vor Tagesanbruch gefallen iſt.“ Behlen, Real⸗ u. Verb.⸗Lexik., III., p. 630. E. v. D. Hauptnutzhokzadminiſtration, ſ. Holz⸗ handelsgeſellſchaften in Preußen. Gef Hauptnutzung, ſ. Hauptertrag. 8 Hauptnutzungsbetrieb, ſ. Betriebsarten. Hauptnutzungszucht ae C. Heyer in ſeinem „Waldbau“ die Holzzucht (s. d.) im Hartig'ſchen Sinne, alſo den Waldbau im Sinne H. Cottas. Gt. Hauptriegel, der. „Hauptriegel: Deckung im Walde, wo zuverläſſig Wild ſteht; Gegend im Walde, wo Wild hauptſächlich wechſelt.“ Behlen, Real- u. Verb.⸗Lexik. III., p. 630. E. v. D. Hauptrieſe, ſ. Holzrieſen. Fr. Hauptröhre. die. „Hauptröhre heißt in Dachs- und Fuchsbauen diejenige Röhre, in der der Dachs oder Fuchs zur Zeit vorzugsweiſe ein⸗ und ausgeht.“ Hartig, Lexik., p. 246. — R. R. v. Dombrowski, Der Fuchs, p. 188. E. v. Hauptſchlag, der. „Der Hauptſchlag, Hochſchlag oder Abſchlag: der eine laut klatſchende Ton zwiſchen Triller und Schleifen des balzen- den (Auer-) Hahnes, nach welchem der Jäger anſpringen kann.“ Wurm, Auerwild, p. 7, 8, 80. — Bechſtein, Hb. d. Jagdwiſſenſchaft J., 2 2. p. 52. — D. a. d. Winkell, Hb. f. Jäger I., p. 195. — Hartig, Lexik., p. 246. — Behlen, Wmſpr., 1828, p. 77. — Die Hohe Jagd, Ulm 1846, I., p. 362. E. v. D. Hauylſchwern, das. Erklärung und Be⸗ legſtellen bei „hauendes Schwein“, ſ. d. Pärſon, Hirſchger. Jäger, 1734, fol. 81. — Fleming, T. J., 1719, I., fol. 273. — C. p. Heppe, Aufr. Lehrprinz, p. 58. — Philoparchus Germanus, 1744, p. 325. — Göchhauſen, Nota- bilia venatoris, 1734, p. 34. — Onomat. forest. II., p. 85. — Chr. W. v. Heppe, Wohl⸗ red. Jäger, p. 161. — Behlen, Wmſpr., 1828, p. 77, und Real- u. Verb.⸗Lexik. III., p. 631. Hauptſtand. — Haushaltungskunde. — Hartig, en p. 201. — Die Hohe Jagd, Ulm 1846, I., p. 362. E. v. D. ustdand, der, ſ. v. w. guter Stand (ſ. d., vom Wild). R. R. v. Dombrowski, Edel- wild, p. 173. — Wurm, Auerwild, p. 89. E. v. D. Haupttreiben, das, ſ. v. w. Hauptjagen, ſ. d. Taäntzer. Jagdgeheimniſſe, Kopenhagen 1682, fol. XII. Fleming, T. J., 1719, I., Anh., fol. 107. — Großkopff, Weidewerckslexi— kon, p. 199. Onomat. forest. II., p. 86. — Chr. W. v. Heppe, Wohlred. Jäger, p. 194. Behlen, Wmſpr., 1828, p. 77, und Real- u. Verb ⸗Lexik. III., p. 636. E. v. D. Hauptwand, die. „Es haben theils große Herren einen beſonderen Lerchenfang, welcher mit 4 Seitenwänden geſtellt und von einem darzu geſteckten Himmel überzogen wird. An dieſem Lerchenfange werden die Wände Haupt— wände genennet.“ Großkopff, Weidewerckslexi— kon, p. 158. — Döbel, Jägerpraktika, N L, 1746, I., fol. 205. — Deblen: Wmſpr., 1828 p. 77, und Real- u. Verb.⸗Lexik. III., p. 1636 E v. D. Hauptwechſel, der, ſtark betretener Wild— wechſel. Behlen, Real- u. Verb.-Lexik. III., p. 636. — Diezel, Niederjagd, V. Aufl., p. 361. — Der Weidmann XVI., fol. 37. E' v. D. Hauptzeichen, das. „Daſs die Alten ſich die Mühe gegeben, es auf 72 Zeichen zu brin— gen ... das iſt gewiſs, daſs die Haupt-Zeichen, jo hienach bemerket, genugſam ſind, dass ein Weidmann hierauf einen Hirſch richtig anſpre— chen kann.“ Döbel, Jägerpraktika, Ed. J, 1746, I., fol 7, 8. — „Hauptzeichen werden die Zeichen genennet, vermöge welcher man den edlen Hirſch von dem Thiere ſicher unterſcheiden kann. Die alten Jäger hatten der Zeichen 72, nachdem aber die edle Jägerei erleuchteter ge— worden, ſo hat ſie nur 7 „enten aus⸗ geſucht: 1. Der Schrank. 2. Der Zwang. 3. Der Purgstall. 4. Die Bollen. 5. Das Geäfter. 6. Der Abtritt oder Abſchritt. 7. Das In— ſiegel.“ Chr. W. v. Heppe Wohlred. Jäger, p. 199. — C. v. Heppe, Aufr. Lehrprinz, p. 86. Onomat. forest. II., p. 86. — Großkopff, Weidewerckslexikon, p. 159. — Bechſtein, Hb. d Jagdwiſſenſchaft I., 1., p. 96. — Winkell, Hb. f. Jäger I., p. 29. — Hartig, Lexik., p. 246. Laube, Jag dbrevier, p. 281. Behlen, Wmſpr., 1828, p. 77, und Real- u. Verb.⸗Lex. III., p. 638. — Die Hohe Jagd, Ulm 1846, Ib 68 E. v. D. Haus, das, ftatt Bau und Burg, ſ. d., ſelten. „Haus wird des Bibers Wohnung ge— nannt.“ C. v. Heppe, Aufr. Lehrprinz, p. 199. — „Haus on: man bisweilen die Burgen, Baue oder Lager der Raubthiere.“ Hartig, Lexik., p. 246. — „Haus wird in manchen Ge— genden ber Fuchsbau, überhaupt der Bau und das zeitweilig Sy e bewohnte Lager genannt“ R. R. v. Dombrowski, Der Fuchs, p. 188. — Behlen, Real⸗ u. Verb.⸗Lexik. I, p. 639. E v. D. Haus — Glocke. Th. Hausegger, Siegmund v., geboren im November 1806 in Peſt, geſtorben 3. December 1864 in Wien, wurde in Italien erzogen und ſchäftsbehandlung 583 zunächſt für Malerei ausgebildet, erſt ſpäter widmete er ſich dem Forſtfache, abſolvierte 1831 und 1832 die Forſtlehranſtalt Mariabrunn, trat 1833 bei der k. k. Cameralgefällenverwal— tung in Laibach als Forſtpraktikant in den Staatsdienſt, wurde im October desſelben Jahres zuerſt proviſoriſch als Förſter in Biſchof-Lack verwendet, 1834 zum Förſter in St. Andrä (Kärnthen) ernannt und 1837 nach Montona in Iſtrien verſetzt. Bald darauf übernahm Hausegger die Oberförſterſtelle in Montona und wurde 1840 zum Forſtconcipiſten in Trieſt und 1842 zum Vicewaldmeiſter bei der Ge— fällenverwaltung in Lemberg ernannt. 1849 Secretär beim forſttechniſchen Departement des Miniſteriums für Landescultur und Bergweſen in Wien, 1853 Leiter der proviſoriſch organi— ſierten ungariſchen Forſtinſpection in Ofen und 1856 zum Oberfinanzrath und 1857 zum Forſt— director für Niederöſterreich ernannt. Da ſeine Auffaſſung der Dienſtpflichten Conflicte herbei— führte, welche im weiteren Verlauf die Auf— löſung der niederöſterreichiſchen Forſtdirection zur Folge hatten, ſo wurde Hausegger 1862 zur Dispoſition geſtellt und dem Miniſterial— rathe und Forſtreferenten v. Feiſtmantel als Stellvertreter zugetheilt. Von 1863 ab war er auch Vicepräſident des öſterreichiſchen Reichs— forſtvereines. Hausegger war ein äußerſt eifriger und pflichtgetreuer Beamter von vortrefflicher all— gemeiner Bildung (er beherrſchte 6 Sprachen) und zugleich nicht ohne künſtleriſche Begabung. Seine hervorragendſte Leiſtung iſt die Einrich— tung des Wienerwaldes von 1858 bis 1862, durch welche deſſen Reinertrag verdoppelt wurde. Schw. Hausenten, ſ. Fiſcherei. Mcht. Hausgrille, Heimchen, Gryllus dome- sticus I., eine zur Familie der Grabheuſchrecken (Gryllodea) gehörige, beſonders in Küchen, Bad- räumen und dergleichen warmen Stellen der Gebäude ſich aufhaltende und durch ihren zir— penden Laut läſtig werdende Art. Hſchl. Haushaltungskunde. In einer auf die Forſtwirtſchaft übertragenen Anwendung der Begriffe von Haushalt und Haushalten wird jener Theil der geſammten Forſtwirtſchaft, welcher ſpeciell die Organiſation des Wirtſchafts— betriebes in Bezug auf die formelle Seite des— ſelben und auf die darin thätigen Perſonen in Be— tracht zieht, alſo die Forſtdienſteinrichtung oder Forſtverwaltungslehre, auch als forſtliche Haus— haltungskunde bezeichnet. Fr. Micklitz definiert in ſeinem ſo benannten Werke (2. Aufl., Wien 1880) die forſtliche Haushaltungskunde als „die Darſtellung eines geordneten Forſtwirtſchafts— betriebes nach ſeinen Zwecken und Aufgaben, in ſeiner Begründung und Wirkſamkeit“. Inſoferne die forſtliche Haushaltung ſich nicht nur auf die Beſchaffung und zweckent— ſprechende Verwendung der zum Betriebe nöthigen Organe und Mittel, und auf die formelle Ge— in den einzelnen Zweigen des Betriebes und der Verwaltung, ſondern auch auf die Durchführung aller dieſer Betriebs— zweige (des Waldbaues, 5 Forſtſchutzes, der Productengewinnung und-Verwerthung 2c.) er— | * — r ‚ * 584 Haus- und Gutsbedarf. — Hausinduſtrie. ſtreckt, umfaſst dieſelbe ein weiteres Gebiet als die eigentliche Forſtverwaltungslehre (j. d.). Sie wird aus den einzelnen Dijciplinen des Wald— baues, der Forſtbenützung ꝛc. manches herüber— nehmen, wenn auch nur um alle dieſe Geſchäfte in Bezug auf ihre zweckmäßigſte Ausführung, ihre entſprechende Vertheilung nach Ort und Zeit und unter die ausführenden Organe zu behandeln (ſ. Micklitz a. a. O., die SS 54 bis 106). v. Gg. Haus- und Gutsbedarf, j. Gemeinde, ſpeciell Gemeindegut und Gemeindevermögen, auch Dienſtbarkeiten. Mcht. Hausinduſtrie. Unter Hausinduſtrie ver— ſteht man jene Productionsform, bei welcher die Umſtaltung der Rohſtoffe zu Gegenſtänden des Gebrauches in oder bei der Wohnung des Arbeiters ſtattfindet und an welcher ſich zu— nächſt die Familienmitglieder als Gehilfen be— theiligen. Die Hausinduſtrie tritt innerhalb der Grenzen dieſes Begriffes in äußerſt verſchieden— artiger und vielgeſtaltiger Weiſe auf; hier wollen wir aus dem Kreis der Betrachtung ausſcheiden: 1. alle Hausinduſtrien, deren Rohſtoff ein anderer als das Holz iſt, und 2. jene Hausinduſtrien, welche bloß als local getrennte Beſtandtheile eines großen In— . einer Fabrik, anzuſehen ind. Zum beſſeren Verſtändnis des zuletzt Ge— ſagten diene ein Beiſpiel. Wenn von einer Fabrik von Möbeln aus gebogenem Holze be— ſtimmte Beſtandtheile eines Möbels, etwa der Sitzring oder die Lehne oder die Stuhlbeine, von der Fabrik an Familien zu dem Zwecke abgegeben werden, um von derſelben in ihrer Wohnung abgeraſpelt oder poliert und nach Fertigſtellung dieſer Arbeit wieder an die Fabrik abgeliefert zu werden, ſo iſt dies wohl auch ein Fall des hausinduſtriellen Betriebes, ein Fall, welcher wegen der Häufigkeit ſeines Vorkom— mens und ſeiner wirtſchaftlichen Bedeutung von Wichtigkeit iſt. Er unterſcheidet ſich aber von der Hausinduſtrie im engeren Sinne durch die abſolute Abhängigkeit dieſer Hausinduſtriellen von den Fabriksunternehmern. Erſtere ſind hier eigentlich nichts anderes als externe Fabriks— arbeiter. Daſs wir hier nur jene Hausinduſtrie ins Auge faſſen, deren Hauptrohſtoff Holz iſt, findet in der Beſtimmung der Encyflopädie hinläng— liche Begründung. Der hausinduſtrielle Holzarbeiter ſteht im— mer in einer Art von Zuſammenhang mit der Forſtwirtſchaft; ſicher liegt ſein Domicil in der Nähe des Waldes, ſeine Berufsthätigkeit wirkt mitbeſtimmend auf den Wert der Waldrente u. ſ. w. Die Vorbedingung für den Beſtand holz— verarbeitender Hausinduſtrien iſt eben ein Vor— rath an Rohſtoff, der ſich auf Jahre hinaus leicht und zu gewiſſen, nicht überſchreitbaren Preiſen ergänzen läſst. Geſunde Hausinduſtrien ſetzen einen Über— ſchuſs an Arbeitskräften, billigen Lebens unter— halt und eine ſpeeifiſche Veranlagung der Be— völkerung voraus; letztere wird nicht ſelten durch Vererbung und fachlichen Unterricht geſteigert. Oft entwickeln ſich hausinduſtrielle Anſiedlungen aus unbedeutenden Anfängen zu großer Aus— dehnung und bilden dann einen nicht zu unter- ſchätzenden Factor der wirtſchaftlichen Kraft eines Volkes. Häufig bildet die Hausinduſtrie eine willkommene Ergänzung des land- oder forſtwirtſchaftlichen Berufslebens, und dann wird die Hausinduſtrie zu jener Zeit betrieben, wo die land- und forſtwirtſchaftlichen Verrichtungen ausgeſetzt werden, alſo z. B. für die Landwirte im Winter. Indem wir uns alſo auf die Hausindu— ſtrien beſchränken, welche Holz verarbeiten, kön— nen wir dieſelben dem Producte nach in meh— rere Gruppen eintheilen: a) Erzeugung von land- und forſtwirt⸗ ſchaftlichen und Hausgeräthen, b) Seſſelerzeugung, c) Spielwaren, d) Korbflechterei. 5 Außer dieſen Hauptgruppen gibt es noch vereinzelt auftretende Specialitäten, die ſich jedoch ſelten zu großer wirtſchaftlicher Bedeu— tung erheben. Solche Specialitäten ſind z. B. die Zahnſtochererzeugung in Spanien, die Peitſchenſtielmacherei von Celtis australis (Zür⸗ gelbaum) in Südtirol und Iſtrien, die Tſchu— tora-Erzeugung in Siebenbürgen, die Herſtellung von Faſsſpunden und Zündholzſchachteln im nördlichen Theil des Böhmerwaldes, die Hei— ligenfiguren-Bildhauerei zu St. Ulrich im Gröde— nerthale, die Sparterie oder Holzweberei im nördlichen Böhmen bei Altehrenberg u. ſ. w. Es läſst ſich aber auch eine geographiſche Eintheilung inſoferne durchführen, als man die Hausinduſtrien nach ihren Gebieten unterſchei— det. Jedes Land, ſelbſt die vorgeſchrittenſten Induſtrieländer, wie England, Belgien, Frank— reich, beſitzen hausinduſtrielle Gebiete, welche ſich neben den großen Fabriksſtädten und den ſtädti— ſchen Gewerben bis zur Jetztzeit erhalten haben. In den induſtriell zurückgebliebenen Län⸗ dern, wie im Orient und bei den unciviliſierten Völkern Afrikas, iſt eine Grenze zwiſchen Haus— induſtrie und Gewerbe nicht leicht und nicht immer zu ziehen. Deutſchland und Oſterreich-Ungarn, Schwe— den, Dänemark und Ruſsland haben ganz be— ſtimmte, zum Theile weltbekannte Hausin- duſtriegebiete, ſo z B. das Meininger Oberland, Oberfranken und Coburg, Berchtesgaden, den Böhmerwald, das Erzgebirge und das Rieſen— gebirge, die Viechtau bei Gmunden, das Grö— denerthal, das Vaͤlathal in Schweden u. ſ. w. Endlich könnte man auch die Hausinduſtrie vom Standpunkte des techniſchen Verfahrens aus unterabtheilen, je nachdem dieſelbe auf der Tijchlerei, dem Spalten, dem Schnitzen, dem Drechſeln, dem Flechten oder dem Weben be— ruht; dabei kommen freilich nur die eigentlichen Geſtaltungsmethoden in Betracht, weil die tech— niſchen Vollendungsarbeiten, wie das Beizen, Lackieren, Firniſſen, Polieren, Vergolden, die Brandtechnik u. ſ. w., Gemeingut ſämmtlicher holzverarbeitenden Hausinduſtrien ſind. Hausinduſtrie. 585 Betrachtet man die Gruppe jener Erzeug— niſſe etwas genauer, welche der Landwirtſchaft und dem Forſtweſen, ſowie dem Haushalt über— haupt zugute kommen, und forſcht man der Erzeugung nach, ſo kann man Folgendes feſt— ſtellen: Zur Erzeugung der für Drahtſiebe noth— wendigen Holzumrahmung (Siebzarge) ver— wendet man das Holz der Fichte, Tanne und Salweide. Aſtfreies Holz wird, nachdem es ge— fällt und zertheilt worden iſt, vom äußeren Splint und vom innerſten Theil des Kernholzes befreit. Bei der Verarbeitung wird das Holz zu dünnen Platten mittelſt des „Reißers“ ra— dial geſpalten, hierauf auf der Schnitzbank ge— ebnet und geglättet, dann gekrümmt und ge— bogen bis zur Kreiscylinderform und ſchließlich in der richtigen Geſtalt durch Spagat geheftet. In eine ſolche Spanntrommel werden ſpiral— förmig die zum Biegen hergerichteten Späne eingeſchoben, bis in der Mitte nur mehr ein ganz kleiner cylindriſcher Raum übrigbleibt. In dieſer Form werden die Siebzargen in den Handel geſetzt. Die „Stangeln“ oder Stiele ſind aus geradwüchſigem Fichtenholz, 3—5 em dicke, cylindriſche Stäbe, welche zu 10 Stück in, Bün— deln vereint zum Verkauf gelangen. Ahnlich ſind die Beſenſtiele. Ein ſchwierigerer Gegenſtand iſt der Re— chen, deſſen Fabrication ſchon mehr Handwerks— geräthe erfordert. Zu den Rechenjochen wird Ahorn⸗ und Buchenholz verwendet, zu den Zinken, welche mittelſt des Stoßeiſens heraus— geſchlagen werden, ausſchließlich Eſchenholz; in Berchtesgaden verwendet man das Holz zäher Sträucher, wie Berberis. Bei der Herſtellung von Böttcherwaren wird großer Wert auf die Reinheit und Weiße des außer der Saftzeit gefällten Fichtenholzes gelegt. An Arbeitsgeräthen werden das Reif— meſſer, der Fug- und Stoßhobel, der Ring— bohrer (Radelneiger), der Baumſchaber, ſowie das gerade und krumme Klieb- oder Klötzeiſen benützt. Der charakteriſtiſche Berchtes gadner Reif aus Eſchenholz mit dem eigenen Verſchluſſe findet meiſt bei runden Schaffeln von gerin— geren Dimenſionen Anwendung, während ſonſt Eiſenreifen zur Verwendung gelangen. Als Zierat kommt zwiſchen zwei Tafeln eine 1—2 em breite Rippe von Lärchenholz; in Berchtesgaden verwendet man zu Milchgefäßen meiſtentheils Zürbenholz. Für kleine Gefäße werden auch Obſtbaumholz, ſowie Wachholder-, Eibenholz u. dgl. verwendet. Die Handgriffe ſind dieſelben wie bei der Böttcherei. Die Ta— feln (Dauben) werden mit dem Klötzeiſen ge— ſpalten, auf der Schnitzbank ausgearbeitet, mit dem Fughobel abgeſtoßen, über den vorhan— denen Modellen aufgeſetzt, mit den Reifbändern verſehen u. ſ. w. Die Erzeugung von Schachteln erfolgt ebenfalls aus geradwüchſigem Holze hellerer Farbe, aus Fichten- oder Tannenholz, welches nach der Fällung nach den Maßen und mit Vermeidung der Aſtſtellen abgetheilt und in größere Scheite zerſpalten wird, um dann ge— trocknet zu werden; hierauf werden durch fort— währendes Spalten mit dem Klötzeiſen die Seitentheile (Zargen) herausgearbeitet, mit der Säge bejchnitten, mit dem Schnitzmeſſer geputzt und an den Abbiegeſtellen, ſowie an den Enden dünner gearbeitet. Danach werden die Zargen durch mehrſtündiges Einweichen in Waſſer (zu— letzt Durchziehen durch heißes Waſſer) über einen Formſtock gebogen, mit Zwingen zuſam— mengehalten, heruntergenommen und getrocknet. Nach der Trocknung werden die beiden (halben) zuſammengehörigen Zargen an den Enden zuſammengeleimt und ſpäter durch wechſelweiſe Durchziehung der Nähriemen zuſammengeheftet. Dieſe Nähriemen oder Durchzugbänder beſtehen in dünnen, ſchmalen Spänen, welche aus friſchem Salweiden- oder Vogelbeerholze auf dem Fug— hobel herabgeſtoßen und roth gebeizt werden. Das Zuſammenheften mittelſt dieſer Nähriemen geſchieht in der Weiſe, daſs mit einem Durch— zugmeſſer in den zuſammengeleimten Enden der Zargen nach der Richtung der Holzfaſern Ein— ſchnitte von außen nach innen gemacht und die Späne wechſelweiſe durchgezogen werden. Die Brettchen, welche für Boden und Deckel dienen, werden in ähnlicher Weiſe wie die Zargen aus dem Spaltſcheite mit dem Klötzeiſen gewonnen Eine fertige Zarge wird auf das Brettchen ge— ſtellt, der innere Rand der Zarge mit einem ſpitzigen Inſtrument vorgeriſſen und hienach der Boden mit einem „Schärber“ aus freier Hand ausgeſchnitten. Bei nicht reichender Breite werden zwei Brettchen, deren Stoßkanten auf dem Fughobel geebnet wurden, zuſammenge— leimt. Die Kanten der Bodenbretter werden mit einer Raſpel nachgearbeitet, endlich das Boden— brett in die Zarge eingedrückt und etwaige Lücken durch Holzſplitter ausgefüttert; hierauf wird zwiſchen die Fugen der Zargen und Böden Leim eingegoſſen und das Ganze getrocknet. Schließlich wird der Boden noch mit einem Schnitzmeſſer geputzt. Bei den größten Sorten, den ſog. Reiſe- und Kleiderſchachteln, werden zwei und mehr Zargen aufeinandergeleimt und durch einen außerhalb angelegten Zargenreif die geleimten Stellen verdeckt und befeſtigt. Das Bemalen der fertiggeſtellten Schachteln (meiſt nur mittlerer Größe) erfolgt mit Waſſerfarben. Der Verkauf geſchieht nach Einſätzen, das ſind 4—6 Schachteln, deren Ausmaße ſolche ſind, dass eine Schachtel vollkommen in die andere paſst. Das Reſonanzholz verſendet man ge— wöhnlich in Kiſten von ca. 19m Länge und 632 cm Höhe und Breite. In eine ſolche Kiſte gehen in der Regel 60 Horizontallagen von Reſonanzbrettchen hinein, von denen jede aus vier nebeneinanderliegenden Stücken beſteht. Einer der älteſten und ausgiebigſten Bezugsorte iſt der ſüdliche Böhmerwald, neuerer Zeit Gali— zien, Amerika. Aber auch Bayern, Siebenbürgen und die Alpenländer liefern viel Nejonanzholz. Die Verarbeitung der Fichtenſtämme zu Reſo— nanzholz iſt im Böhmerwalde im allgemeinen folgende: Die ausgeſuchten Stämme werden ge— fällt, in vier Quadranten der Länge nach ge— ſpalten, vom Kernholze und Splint befreit und gelagert. Je nachdem man geſpaltenes oder geſchnittenes Reſonanzholz erzeugen will, ſind 586 Hausinduſtrie. die Bearbeitungsweiſen die folgenden: Nach der erſteren Art ſpaltet man mit dem Reißer in radialer Richtung ein Brett nach dem anderen ab, bis der Klotz aufgeſpalten iſt. Die Spalt— ſtücke werden getrocknet und daun entweder gleich jo verwendet oder abgehobelt (mittelſt Schropphobels und dann mit einem Doppel— ſchlichthobel); ſelten werden ſie mit dem Reif— meſſer bearbeitet. Die gewöhnlichere Ware iſt geſchnitten. Der getheilte Klotz wird mit der Innenſeite nach oben liegend auf dem Wagen der Säge befeſtigt und der Schnitt erfolgt entweder durch ein Bundgatter auf einmal oder durch ein Mittelgatter. Die Schnittfläche iſt ſelbſtverſtändlich nicht mehr radial, wie bei den geſpaltenen Holzſtücken. Nach dem Schneiden werden die Bretter entweder von Hand aus oder durch eine Hobelmaſchine gehobelt und hierauf in der Reihenfolge ihrer Zuſammen— gehörigkeit zuſammengeſucht, mit einer bezeich— nenden Marke verſehen und entſprechend ver— packt. Geradſpaltiges Hol;, nach dem erſteren Verfahren zubereitet, zeigt immer noch die Spuren kleiner Faſerwellen an ſich und iſt meiſtens etwas windſchief. Der in der Praxis ſich ergebende Unterſchied der beiden Holzgat— tungen iſt nur dann ein wirklich bedeutender, wenn bei dem geſchnittenen Hol; die Schnitt— und Faſerrichtung von einander abweichen. Außer der Parallelität der Holzfaſern mit der Schnittrichtung kommt noch die Gleichjährig— keit mit in Betracht. Weitjähriges Holz iſt durch ſein geringeres Gewicht und ſeinen dumpferen Ton gekennzeichnet und iſt höchſtens zu Baſsholz brauchbar. Gleichmäßig weißes Holz dient bei beſſeren Inſtrumenten ebenfalls zu demſelben Zwecke, während man vom Dis— cantholz verlangt, daſs es rothjährig ſei, d. h. als Grenze eines jeden Jahrringes einen röth— lichen Herbſtanſatzſtreifen habe. Großen Wert legt der Kenner auf den Spiegel eines Brettes, welcher durch das Zutagetreten vieler breiter, glänzender Markſtrahlen entſteht und nicht bloß dem Holze ein gefälligeres Außere verleiht, ſondern es auch für Reſonanzzwecke verwend— barer macht. Das Reſonanzholz für Streich— inſtrumente iſt nur geſpaltenes, weil es ſonſt beim Biegen leicht Schaden nehmen könnte und ſeiner geringeren Dicke wegen die abgeſchnit— tenen Faſern im Klange noch viel ſtörender ſein müjsten. Von ähnlicher, aber etwas min— derer Qualität kann das Fichtenholz für Cla— viaturen ſein. Die getheilten Klötze werden auf einer Säge zerſchnitten. Namentlich geſchätzt iſt von den Claviermachern der gegen den Splint zu liegende Theil des Reifholzes. Das zur Erzeugung von Holzſchuhen verwendete Holz iſt im allgemeinen Buchen-, Fichten-, Pappel- und Weidenholz. Das erſtere iſt im ſüdlichen Böhmen, Fichtenholz in den Alpenländern im Gebrauche. Das zu verarbei— tende Holz kommt in viereckig länglichen Stücken in die Werkſtatt, um zuerſt durch ein eigen— thümlich geformtes Beil mit krummer Schneide ſeine Ausarbeitung zu erhalten, worauf es in die Schnitzbank eingeſpannt wird, wo das Reif— meſſer die äußere Geſtalt des Schuhes voll— endet. Nur jener Theil, welcher die Höhlung zum Einſchieben des Fußes bekommen ſoll, iſt jetzt noch von einer in der Ferſenhöhe laufen— den horizontalen Ebene und beim Vordertheile durch eine verticale Ebene begrenzt. In die letztgenannte Fläche wird mit einem eigenthüm— lich geformten Bohrer ein gegen die u tale unter ca. 20° geneigtes Loch gebohrt und durch den Bohrer ſelbſt möglichſt erweitert. Die weitere Aushöhlung geſchieht mit einem etwas aufgeworfenen Hohleiſen, dann mit einem ring— förmigen Meſſer, „Baumſchaber“ genannt, deſſen dem Arbeiter zugekehrte Seite die Schneide trägt. Nachdem die Höhlung des vorderen Theiles der Hauptſache nach fertig iſt, wird der Boden des Schuhes innen mit dem „Boden— meſſer“ gebildet, hierauf das „Zehenmeſſer“ zur endgiltigen Ausformung des inneren Vorder— theiles verwendet, worauf beſondere Sorgfalt verwendet wird, und endlich wird mit dem Ferſenmeſſer“ die innere Aushöhlung des Ferſentheiles bewerkſtelligt. Alle drei Meſſer be— ſitzen eine bogenförmige, bandartige Geſtalt. Nach Vollendung der Form des Holzſchuhes wird derſelbe in einem mit Spänen angemachten Feuer geröſtet, welches dem Schuh nicht nur ein beliebteres Ausſehen, ſondern auch eine etwas größere Dauerhaftigkeit verleiht. Buchenholz wird auch zur Anfertigung von Kluppen verwendet, welche ca. 12 — 20 em lang ſind und zum Befeſtigen der Wäſche an den Schnüren u. ſ. w. dienen. Außer den bisher angeführten Hausindu— ſtrien iſt noch der Verfertigung von Hacken— und Hammerſtielen, von Wagentheilen, ferner der Erzeugung von Schuſterſpänen und Schindeln durch den Spanhobel, der Hervorbringung von Mulden, Tellern, Schüſ— ſeln, Salzfäſſern, Nudelwalkern, Gurken— hobeln, Hackbrettern, Fleiſchſchlägeln, Pipen, Löffeln, Pfeifen u. ſ. w. zu gedenken. Faſt alle dieſe Waren ſind gedrechſelt; zum Be— triebe der Drehbank benützen die Hausindu— ſtriellen jetzt, wenn es nur halbwegs möglich iſt, die Waſſerkraft. Nur der Löffelmacher gebraucht ſie nicht, ſondern formt ſich aus Ahorn-, Buchen- oder Lindenholz paſſend lange Stücke, welche im halbgetrockneten Zuſtande ge— ſpalten werden; aus je einem Brettchen erzeugt er durch zwei ſchiefe Schnitte mit der Säge und durch einen Beilſchlag zwei Theile, aus welchen durch Beil und Schnitzmeſſer die Rohform des Löffels gearbeitet wird. Die Vertiefung des Löffelſtückes wird mit dem Löffeleiſen ausge— ſchnitten, wobei das Arbeitsſtück in der Schnitz— bank eingeſpannt iſt. Mittelſt der „Schaber“ werden die noch vorſtehenden Kanten und Ecken entfernt, die Löffel mit Schachtelhalm geputzt und in raſcher Ofenwärme getrocknet (gedörrt). In der Viechtau arbeiten ſie mit viel weniger Arbeitsgeräthen im friſchen, ſchönen, glattſtäm— migen Buchenholz. Dort werden die Löffel lackiert und mit bunten, aber auch in Gilber- und Goldfarben ausgeführten Ornamenten auf ſchwarzem Grunde verziert, welches eine Reihe von Operationen (14), worunter wiederholtes Dörren, nothwendig macht. Alle bis nun erwähnten Hausinduſtrien laſſen ſich in die Gruppe einreihen: Erzeugung Hausinduſtrie. von land- und forſtwirtſchaftlichen Geräthen, ſowie Erzeugung von Gegenſtänden des Haus— rathes. Ihr ganzen Böhmerwald, Hauptverbreitungsgebiet liegt im im Erz- und Rieſenge— birge, in den Alpenvorländern, wie z. B. in Vorarlberg und im Herzogthume Krain, dann in dem großen Karpathenzuge, aber auch in den Balkanländern. Eine zweite Gruppe kann man aus jenen Hausinduſtriellen bilden, welche nur Möbel, u. zw. meiſtens Seſſel erzeugen Die Haupt— orte ſind Mariano bei Görz, Kalwarya bei Krakau, Chiavari bei Genua, Vaͤla in Schweden. Alle hausinduſtriell erzeugten Stühle ſollen ein gewiſſes Gewicht nicht überſchreiten, leicht wieder ausgebeſſert werden können, und einen niedrigen Preis bei gefälliger Form und guter Ausführung haben. In Mariano gehört die Tiſchlerei zu jenen Hausinduſtrien, welche ſich aus einer Nebenbeſchäftigung des Ackerbaues entwickelt haben. Die Blütezeit der Hausinduſtrie iſt in die Jahre 1847-1832 gefallen. Der Preis des geringſten Seſſels, der mit einem Strohſitz her— geſtellt wurde, koſtete 1850 pro Dutzend 36 fl. Von dem Zeitpunkte an ſinkt der Preis durch ver— mindert gute Arbeit u. 0 w im Jahre 1860 auf 12—18fl. pro Dutzend. Im Jahre 1880 wurde in dieſem Orte eine Fachſchule gegründet, welche dem heranwachſenden Arbeiter geiſtiges Capital geben ſollte; der Director dieſer Fachſchule gab ſich der mühſeligen Aufgabe hin, die Stühle zerlegbar zu erbauen, wodurch das Volumen eines Dutzend Strohſeſſel ſich von 1˙2 ms auf Ams verringerte, ſuchte neue Abſatzgebiete im Oriente auf und paſste auch Geſtalt'und Holz dem Geſchmacke ſeiner Abnehmer an. Früher hatte man ausſchließlich Buchenholz verwendet und Nuſsholz nachgeahmt. Im Oriente wurden aber auch Paliſſander-, Mahagoni- und Ebenholz gewünſcht. Auch dieſe Sorten wurden nach Beſiegung mancher Schwie— rigkeiten erzeugt. In gleichem Schritte mit den Bemühungen auf dem Handelsgebiete erfolgte die Einführung verbeſſerter Werkzeuge, ſo z. B. eiſerne, amerikaniſche Hobel für ebene und krumme Flächen, wodurch die Ziehklinge von vielen Arbeiten verdrängt wurde; dann für die Bohrer eine Bohrmaſchine u. ſ. w. Ferner gründete Director Riby eine Pro— ductivgenoſſenſchaft, welche derzeit das Auf— blühen der Marianeſer Hausinduſtrie wieder erzielt hat Die Seſſelerzeugung in Chiavari. reſp. die dortige Hausinduſtrie läſst ſich bis zum Jahre 1807 verfolgen, wo ein Abgeordneter einen Seſſel aus Paris mitgebracht und vom Tiſchler Campanino nachahmen ließ. Die da— mals erzeugten Seſſel wurden aus geſpaltenem Ahornholz angefertigt und die Hauptvortheile waren große Leichtigkeit bei hoher Solidität; „bequem“ konnte man ſie nicht nennen, da die Rückenlehne mit dem Sitze beinahe einen rechten Winkel bildete. In die Fünfzigerjahre fällt der größte Aufſchwung der Induſtrie, die in den Siebzigerjahren raſch zurückgieng. Nach Form und Gebrauch kann man die 587 Seſſel von Chiavari in zwei Kategorien theilen: 1. in gewöhnliche, nicht politierte und nur in einer Form angefertigte, und 2. in feine Sorten.“ Was die gewöhnlichen Seſſel anbelangt, ſo iſt das Material dazu jetzt Rothbuchenholz. Der Seſſelſitz iſt aus Schilfrohrblättern geflochten. Die Rücklehnenſchwingen ſind geſpaltene, den Schindeln ähnliche, 5mm dicke, 10 em breite, 40 em lange Schienen. Die Drechsler-, wie die Geſtellmacherarbeit wird gewöhnlich von einer und derſelben Perſon, meiſteus dem Vater der Familie beſorgt, die Flechtarbeit von der Frau und das Putzen der Rücklehne mit der Zieh— klinge von den Kindern. Das Biegen der Rücklehnenſchwingen zu je ca. 20 Stück er— folgt durch ein ca. zweiſtündiges Einlegen in ein kaltes Waſſerbad, nachheriges Herausnehmen und Einſpannen in einen Rahmen, ähnlich dem Gatter, wo ein Längenholz die Durchbiegung um 3 em ede Eigene Trockenräume kommen nicht vor. Das Gewicht des Seſſels beträgt ungefähr 2¼ kg. Zur Erzeugung der beſſeren Sorten ver— wendet man Ahorn- oder Kirſchbaum, manchmal Buche, ſelten Nuss, Kaſtanie oder Eiche. Das Roh— material bildet ausſchließlich tadelfreie Ware. Die Arbeit des Tiſchlers und des Drechslers werden nicht mehr von einer Perſon durchge— führt, ſondern getrennt. Angefertigt werden die Sorten in gelb (Kirſchbaum), weiß (Ahorn), einfach ſchwarz oder mit Goldverzierung (min— derer Ahorn, manchmal Buchen). Der Sitz iſt immer aus Weiden, je nach der Qualität gröber oder feiner geflochten, bis zu einer Feinheit, welche einem e e äußerſt ähnlich ſieht. Die beſte techniſche Leiſtung iſt jedenfalls die weiße Sorte. Die Arbeit iſt rein und vollkom— men mit den beſten Werkzeugen von den ge— ſchickteſten Arbeitern in ausgeſucht gutem Ma— terial durchgeführt; die Rücklehne, geſchweift herausgeſchnitten, iſt gewöhnlich nicht zwiſchen die Füße gepaſst, ſondern auf dieſelben mittelſt Gratverbindung aufgeſetzt. Nachdem der Seſſel verleimt und der Sitz aus Weiden geflochten iſt, wird der Seſſel mit Seife und Bimsſtein— pulver gereinigt und geſchliffen, kommt noch feucht in einen gut ſchließenden Schwefelkaſten, aus welchem er nach 10— 12 Stunden voll: ſtändig gebleicht entfernt wird, worauf das Holz mit einer weißen, filtrierten Schellackpolitur, ohne Leinöl, politiert wird, ſo daſs der ganze Seſſel den Eindruck macht, als wäre er aus Elfenbein. Bei dem fortwährenden Rückgang waren die Chiaveſen darauf bedacht, dieſem zu ſteuern. Die Società economica beabſichtigte, eine Fabrik für gebogene Möbel in Chiavari zu errichten und die geſammten Hausinduſtriellen dieſes Ortes darin zu beſchäftigen; dadurch würde die Hausinduſtrie ihres Charakters ent- kleidet werden. Eine dritte Gruppe bildet die Spiel— wareninduſtrie. In abgelegener Gebirgs— gegend liegt das Haus, mit dumpfer Luft er— füllt, weil von zu vielen e bewohnt, der enge Raum zugleich Küche, 2 Wohnzimmer, Kran⸗ ken- und Schlafſtube, Werkſtätte und Stall; dort arbeitet, was Hände regen kann, den langen Winter hindurch. Da wird immer und immer wieder derſelbe Gegenſtand gemacht, geſchnitzt, ge— 588 leimt, bemalt. Jedes Volk, d. h. Civiliſierte jo gut wie die Wilden, hat ſeine Spielwarenerzeugung. Die Erzeugung der Spielwaren in Paris hat ihren Sitz in Ateliers, in kunſtgewerblichen oder in mechaniſchen Werkſtätten. Die Nürnberger Bleiſoldaten ſind ebenſo bekannt, wie die Pariſer Puppe. Von der unerheblichen und auch weniger intereſſanten ſtädtiſchen Spielwarenproduction abgeſehen, beſitzen wir in Oſterreich fünf Haupt— erzeugungsgebiete für Spielwaren, u. zw.: das Erzgebirge in der Umgebung von Katharina— berg und Oberleutensdorf; das Gebirge um Grulich, jenen Winkel Böhmens, der die mähriſch-preußiſche Grenze berührt; die Bes— kiden im nordöſtlichen Mähren mit dem Haupt— orte Walachiſch-Meſeritſch, endlich die Alpen mit der Viechtau bei Gmunden und das Grödenerthal mit St. Ulrich; ferner in Galizien Kolbuszow, Jaworow u. ſ. w. An allen den genannten Productionsſtätten iſt die Erzeugung von Spielwaren nicht auf eine einzelne Ortſchaft concentriert, ſie iſt vielmehr in zahlloſen Häuſern und Hütten im Gebirge ein— gezogen. Die Theilung der Arbeit iſt in mehr— fachem Sinne durchgeführt. Einerſeits werden in einem Hauſe nur beſtimmte Artikel gemacht, andererſeits hat dabei jede Perſon ihre beſon— deren Verrichtungen. Die Leute bringen es zu— meiſt zu einer erſtaunlichen Gewandtheit in einzelnen Handgriffen, zu raffinierten Verein— fachungen des Verfahrens, mitunter auch zur Genauigkeit und Pünktlichkeit. Nur ſo erklären ſich die überraſchenden Mengen und die niedrigen Erzeugungskoſten mancher Objecte. Es iſt nicht zu überſehen, daſs dieſe Arbeitstheilung zu großer Abhängigkeit eines Arbeiters von dem Conſortium, dem er angehört, führt, zu einer furchtbaren Einſeitigkeit und was das Schlimmſte iſt — zu erſchreckender Gedanken— loſigkeit und Stumpfſinn. Alle Arbeiter gerathen allmählich in die abſoluteſte Abhängigkeit vom „Verleger“ oder „Händler“, dem ſie ihre Er— zeugniſſe abliefern. Der „Händler“ beſtimmt den Preis und die Zahlungsbedingungen. So lange dieſer beſtellt, iſt die Lage für den Ar— beitnehmer eine noch günſtige. Liefert jedoch der Hausinduſtrielle ohne vorangegangene Be— ſtellung, bewirbt er ſich erſt, nachdem die Ware fertig iſt, um deren Übernahme ſeitens des Händlers, ſo iſt er dieſem ganz in die Hand gegeben. Der Händler iſt ein Wohlthäter oder eine Geißel für die armen Spielwarenmacher, deren Segen oder Flüche ihn auf ſeinen Wegen begleiten. Die mechaniſchen Hilfsmittel der Haus— induſtrie ſind die denkbar einfachſten. Wir wollen nun an einzelnen typiſchen Beiſpielen den Zuſtand der Spielwaren erzeu— genden Hausinduſtrien in den verſchiedenen früher genannten Gebieten Oſterreichs kurz charakteriſieren. Nachbildungen von Gegenſtänden der Natur im verjüngten Maßſtabe ſind ein immer und immer wiederkehrendes Spielzeug. Unter dieſen Naturgegenſtänden iſt es insbeſondere der Baum, welcher nach den verſchiedenſten Methoden her— geſtellt wird. In Oberleutensdorf werden die Bäume aus drei geſonderten Theilen hergeſtellt, Hausinduſtrie. wenn man das Poſtament hinzurechnet. Dieſes bildet eine kleine Scheibe, welche nur aus einem cylindriſch abgedrehten Klötzchen von Fichte, Artel genannt, hergeſtellt wird. Den Schaft des Baumes bildet ein gleichfalls auf der Drehbank hergeſtellter ſpulenartiger Körper, an den die Blätter angeleimt werden. Die letzteren werden mittelſt des Schnitzmeſſers von einem Stäbchen mit linſenförmigen Querſchnitt aus freier Hand weggeſchnitten. Auf dieſe Art werden heimiſche Nadelholzarten und auch Laubhölzer angefertigt, wobei oft allerdings ganz wunderliche Formen zutage treten. Im unbemalten Zuſtande koſten 60 Stück Fichtenbäume je nach der Größe 18 kr. bis fl. 2.60. Es iſt bekannt, daſs es die Kinder außerordentlich lieben, im Sande zu ſpielen. Um ihnen bei dieſem Spiele zuhilfe zu kom— men, verfertigt man aus Ahorn verſchiedene Formen, welche beſtimmt ſind, mit Sand ge— füllt zu werden und dadurch verſchiedene Ge— ſtalten zum Vorſchein zu bringen. Ein Satz von 13 Stücken, beſtehend aus 12 Formen und einem Löffel zum Einfüllen des Sandes, wird aus Holz im Werte von 30 kr. hergeſtellt. Der Arbeiter bekommt für die Anfertigung des Satzes 40 kr. Die Spielwarenmacher des Erz— gebirges verfertigen auch ſog. Vexierſpiele. Als Beiſpiel diene ein Kugelbecher aus Ahornholz, poliert, in welchem man eine vom Zuſeher erſt geſehene rothe Kugel verſchwinden machen kann. Der Koftenpreis des Holzes beträgt für dieſes Object 6 kr., dem Arbeiter bezahlt man, das Holz mit inbegriffen, 20 kr., der Verkaufspreis des Händlers iſt 35 kr. Sehr nett ausgeführte Holzgeräthe aus Ahorn, einzelne auch aus Eiche und Ahorn, werden pro Satz um 45 kr., den Holzwert von 15 kr. mit einbezogen, erzeugt. Dieſe Objecte werden auf der Drehbank herge— ſtellt. Das intereſſanteſte Verfahren beſteht wohl in der Erzeugung von Menſchen- und Thier- geſtalten vermittelſt abgedrehter Ringe. Soll 3. B. die Figur eines Hirſches erzeugt werden, jo wird zuerſt auf der Drehbank ein Ring ab- gedreht, deſſen Querſchnitt eine Contour zeigt, welche die Hauptumriſſe des fertigen Thieres zeigt. Die große Spaltbarkeit des Fichtenholzes in radialer Richtung, welche mit dem Halb— meſſer des Ringes zuſammenfällt, geſtattet, daſs man nun von dem Ringe einzelne Stücke herabſpaltet, welche ihrer Dicke nach möglichſt mit der Dickendimenſion des Thieres überein— ſtimmen. Für den Schnitzer iſt es nun ein leichtes, die Thiergeſtalt auszufertigen. Ein noch nicht bemalter, fertig geſchnitzter Hirſch mit aufgeſetztem Geweih koſtet ½ kr. Zu den beſten Gegenſtänden der Oberleutens- dorfer Hausinduſtrie gehören die Zimmerein- richtungen, welche in allen Stufen von der ge— wöhnlichen weichen Kücheneinrichtung bis zu den mit Sammet gepolſterten Salongarnituren, ein- gelegten Ebenholzmöbeln u. ſ. w. dargeſtellt wer⸗ den. In neueſter Zeit werden auch ſchon die Möbel aus gebogenem Holze aus dünnem Lack— rohr nachgebildet und äußerſt zierlich ange- fertigt. Dieſe erzgebirgiſche Spielwarenerzeugung erſtreckt ſich von dem Kamme des Gebirges Hausinduftrie. der die Grenze Böhmens gegen Sachjen bildet, bis herunter in die Ebene. Der Mittelpunkt ift Katharinaberg, einer der wichtigſten Punkte Oberleutensdorf. Jenſeits der Grenze in Sachſen hat ſich die Spielwareninduſtrie gleich— falls angeſiedelt, z. B. in Sonneberg (Herzog— thum Sachſen-Meiningen; vgl. Dr. Emanuel Sax, „Die Hausinduſtrie in Thüringen“, J. Theil, 2. Auflage, Jena 1888) und hat dort eine höhere Stufe erlangt. Das Handelsminiſterium hat einen Verſuch gemacht, durch eine Fach— ſchule für Spielwareninduſtrie in Katharina— berg dieſe Production techniſch und künſtleriſch zu heben. In Katharinaberg zeigten ſich indes nicht jene Erfolge, welche man erwartet hatte, und man hat deshalb die Anſtalt nach Ober— leutensdorf verlegt. Um die bisher in Katha— rinaberg erzeugten Waren zu nennen, ſo führen wir die Knallbüchſe und die Waſſerſpritze aus Roth— buche oder Fichte, auf der Drehbank hergeſtellt, an, welche, durch ſchwarz eingebrannte Ringe geziert, in urſprünglicher Farbe oder gebeizt erzeugt werden. Der Rohſtoff koſtet pro 60 Stück 6—12 kr., der Arbeitslohn 24—30 kr. Der Verleger verkauft 60 Stück mit 80 90 kr. In Grulich werden alle Branchen der Schnitzerei betrieben, Thierköpfe (Rehe, Hirſche) als Träger von Geweihen, Darſtellungen aus der Vogelwelt, Pfeifenköpfe und Spielerei— figuren. Die letzteren werden bemalt verkauft von 4 kr. aufwärts. Die Händler ordnen die— ſelben zum Behufe gewiſſer Darſtellungen. Da gibt es einen Hochzeitszug, eine walachiſche Meierei, eine Abtheilung Hoftrabanten u. ſ. w. Den Hauptartikel bilden die Krippenfiguren. Manche Spielwarenerzeuger beſchäftigen ſich auch mit der Anfertigung von Chriſtusfiguren für Crucifixe. Manche, die dabei ausſchließlich ihren Erwerb finden, werden durch die Bezeich— nung „Herrgottſchnitzer“ von den Spielwaren— ſchnitzern unterſchieden. Die Production von Spielwaren im Erzgebirge, wie in Grulich zielt ausſchließlich auf den Export ab. Ein Gebiet, wo der Abſatz nur auf einige Meilen im Umkreis reicht, ſtellt die Umgebung von Walachiſch-Meſeritſch dar. Ein paar Stücke, welche durch den niederen Stand der Technik, ſowie durch die eigenartige Decoration gekennzeichnet ſind, ſind z. B. ein Spielerei— ſchiebkarren aus Rothbuche und eine Ratſche aus Linde. Der Schiebkarren iſt eine ziemlich gefällige Nachahmung des Hausgeräthes. Der Arbeiter iſt imſtande, 3—4 Stück pro Tag fertig— zuſtellen, und läſst ſich dafür 30 kr. pro Stück bezahlen. Die Ornamentation iſt eine ziemlich gefällige und wird dadurch erreicht, daſs das Object, über ein ſtark flammendes Feuer ge— halten, ſich bräunt, worauf dann an der Ober— fläche mit dem „Geißfuß“ Figuren eingeriſſen werden, welche auf der dunkleren Fläche weiß erſcheinen. Die bunt bemalte Ratſche koſtet per Stück 3 kr. Die tägliche Erzeugung ſteigt bis 30 Stück. Auf einer viel tieferen Stufe als die hausin— duſtrielle Spielwarenproduction in Walachiſch— Meſeritſch ſteht jene von Galizien. Pappel, Kiefer und Rothbuche liefern den Rohſtoff. Reifmeſſer und Schnitzmeſſer bilden die einzigen 389 Werkzeuge; die Drehbank kommt nicht zur An— wendung. Die ganz ſinnloſe Verzierung von Thiergeſtalten mit Ornamenten der fürchter— lichſten Art bei bevorzugter Verwendung von Anilinfarben führt zu wahren Mijsgeftalten. Eine Violine, wohl beſaitet, ſammt dem dazu— gehörigen Bogen, aus Kolbuszow ſtammend, wird um den unglaublichen Preis von 20 kr. verkauft. Der Boden und die Decke des Muſik— inſtrumentes ſind mit farbenprächtigen Orna— menten geſchmückt. Ein Wagen ſammt Pferden aus Sawarow iſt um den Betrag von 10 kr. verkäuflich. Die galiziſchen Spielwaren ſind techniſch und künſtleriſch ſehr geringwertig. Dieſe Erſcheinung iſt um ſo auffallender, als es in Galizien hausinduſtrielle Schnitzereigebiete gibt, aus denen meiſterhafte Erzeugniſſe her— vorgehen, ſo z. B. die Flaſchen, Eierbecher und Fäſschen aus Koſſow bei Jaworow. ; Abſolut anders repräſentiert ſich die Spiel— warenproduction der Viechtau. Die große Zahl der Artikel, die weitgehende Theilung der Arbeit, das Abzielen auf den Export, insbe— jondere nach den ſlaviſchen Balkanländern und nach dem Oriente, die ziemlich weit gediehene Organiſation des kaufmänniſchen Vertriebes der Waren, alles das hat die Viechtauer Haus— induſtrie zu einer ganz bedeutenden, eigenartig ausgeprägten Erſcheinung geſtaltet. Anſchließend an die Violine aus Galizien wäre eine ganz rothe Violine, welche der Ar— beiter im fertigen Zuſtande mit 2 fl. 45 kr. pro Dutzend, der Verleger mit 2 fl. SO kr. pro Dutzend verkauft, zu erwähnen, deren Abſatzgebiet Un— garn und Serbien iſt. Eine kleine Trompete, die der Arbeiter pro Dutzend um den Preis von 6½ kr. herſtellt, findet in großen Maſſen ihren Abſatz in Ungarn, Ruſsland und in der Levante; die Flöte, deren Koſten von Seiten des Arbeiters 12 kr., von Seiten des Verlegers 15 kr. per Dutzend ausmacht, hat ihre Käufer in Serbien, Bosnien und Bulgarien. Zu dieſen Nachahmungen von Muſikinſtrumenten kommen die Lärminſtrumente, wie die doppelte Ratſche, deren Preis pro Dutzend 16 kr., reſp. 20 kr. (Verleger) beträgt, welche in Ungarn, Serbien, Bosnien, Bulgarien und Rumänien ihre Ab— nehmer findet. Um der Spielware außer ihrer Befähigung, irgend einen Ton hervorzubringen, noch einen anderen Reiz für das Kind zu ver— leihen, bringt man den Tonerreger in Verbin— dung mit allerlei Thier- und Fruchtformen. Man findet dort einen Pfeifenvogel, pro Dutzend 10 kr., Trompetenvogel, pro Dutzend 16 kr., Birntrompete u. ſ. w., welche ſämmtlich in Ruſsland, Ungarn und der Levante ihren Abſatz finden. Auch die Viechtauer Ratſche mit 20 kr. pro Dutzend kann in Concurrenz treten mit jener aus Walachiſch-Meſeritſch, die auf 36 kr. pro Dutzend zu ſtehen kommt. Eine unter den Spielwaren hervorragendere Gattung bilden die ſog. Docken. Die Vorbilder dafür ſind wohl Landleute im Sonntagsſtaate oder Städter. Solche Docken ſind die Gmundener Docke, Linzer Docke mit Engel oder Kind, die Federdocke u. ſ. w. Mit der Schepperdocke, einer Dame, die bei jeglicher Bewegung ein Geräuſch erzeugt, con— curriert das Quietſchmandel als Muſikinſtrument 399 Hausinduſtrie. Das theuerſte dieſer Erzeugniſſe, die Gmundener Docke, wird mit 56 kr. pro Dutzend bezahlt. Auch die Viechtau erzeugt Krippenfiguren, welche je— doch gegenüber den Grulicher Figuren zurück— ſtehen. Ebenſo geht es mit der Darſtellung von Möbeln gegenüber Oberleutensdorf. Der Einfluſs des in den Donaufürſtenthümern herr— ſchenden Geſchmackes auf die Production der Viechtau zeigt ſich am auffälligſten bei den bunt bemalten Schachteln, von denen ein Satz, ſechs Stück, um 45 kr. vom Händler zu be— ziehen iſt. Ein Holzgewehr, mit completem Mechanismus zum Schießen eingerichtet, koſtet fl. 50 kr. pro Dutzend, der Holzſabel in reicher Scheide 5 kr. pro Stück. Als Exportartikel nach Deutſchland dient z. B. der Bierwagen, welcher um 66 kr. in den Handel geſetzt wird. Die Figurenſchnitzerei läſst ſich kaum trennen von der Heiligen bildſchnitzerei. Die Fortſchritte, welche die plaſtiſche Bildhauerei im Grödenerthale in der Richtung zum Guten gemacht hat, laſſen ſich kaum verkennen; und wenn auch die Tiroler Heiligenfiguren ſich nicht immer auf der gleichen Höhe des Geſchmackes und der Technik befinden wie die Mün— chener und ſonſtigen ſtädtiſchen Atelierleiſtungen, ſo gehören doch die aus dem Grödenerthal hervorgehenden Heiligen- und Spielwarenfiguren zum Beſten, was in Oſterreich geleiſtet wird. Das Grödenerthal verfügt noch immer in ziem— licher Menge über ein Schnitzmaterial der beſten Art, das Zirbenholz. Zirbe und Fichte ſind die Rohſtoffe für edle und weniger edle Schnitz— arbeiten. Die Mehrzahl der Darſtellungen von Figuren und Thieren iſt beachtenswert, ſie be— ziehen ihre Modelle hauptſächlich aus dem Grödenerthale ſelbſt: Hausthiere, Uhrenhändler, der Vogelhändler, die Sennerin u. ſ. w. Die mechaniſchen Spielwaren, wie z. B. die Akro— batengruppe oder ein Kapuziner, der ſeine Klauſe verläjst, um zum Gebet zu läuten u. ſ. w., ſuchen ihresgleichen. Auch in der Erzeugung von allerlei kleinen Wagen wird Vortreffliches geleiſtet. Ein Leiterwagen aus Fichte, getreu bis in die Einzelheiten nachgebildet, koſtet 1? kr. per Stück. Einen Hauptartikel des Grö— denerthales bilden die Puppen. Man mufs nicht nur in dieſem Artikel, ſondern überall dort, wo es ſich um weitergehende Anſprüche in der Darſtellung von Formen handelt, das Grödenerthal als den vorgeſchrit— tenſten hausinduſtriellen Bezirk Oſter— reichs bezeichnen. In der Organiſation des Betriebes herrſcht unter den vorgeführten Orten der Hausinduſtrie große Ahnlichkeit. Die Eignung der eigentlichen Producenten iſt in manueller Beziehung in allen Theilen Oſter— reichs eine ſehr bedeutende. In die letzte Gruppe ſollen die Korb— flechtarbeiten und die Holzweberei ge— ſtellt werden. Betrachtet man heute noch eine Korbmacherfamilie, welche von Ort zu Ort zieht, ſo iſt der Eindruck, den man empfängt, jelten ein günſtiger; man erhält das Bild eines inländiſchen Zigeuners. Auf unregelmäßige, ſchlecht bezahlte Flickarbeit angewieſen, reicht ſein Verdienſt nicht aus, ihn und ſeine Familie zu ernähren. Während er ſich die Weiden ſtahl, bettelte ſeine Familie von Haus zu Haus. Seitdem das Korbmacherhandwerk nicht mehr auf die Anfertigung der Hauskörbe beſchränkt iſt, ſondern durch die Induſtrie ſo vielſeitig in Anſpruch genommen wurde, iſt es ein ſtehendes Gewerbe geworden. Es iſt beſonders der kleine Landwirt, der ſeine freien Stunden ſehr gut zur Ausübung des Korbmacherhandwerkes verwen— den kann. Die von ihm gefertigten Stücke be— nutzt oder verkauft er ſelbſt, oder läſst ſie ver— kaufen. Schönere und beſſere Ware konnte man nur in der Stadt erlangen, wo hübſche Korb— waren aus Bayern (Oberfranken) oder aus Nordfrankreich zu verkaufen waren. Das vom Korbflechter ausgewählte Material zeigt aber nicht immer gute Eigenſchaften; er wird in Hinkunft darauf Bedacht nehmen und ſchließ— lich Setzlinge oder Stecklinge edler Sorte pflegen, auf Grund und Boden, der ſonſt teiner landwirtſchaftlichen Cultur zugänglich ge— macht werden kann, wie ſandige Flufsufer, ver— jumpfte Niederungen u. f. w., nach und nach eine Weidenaulage entſtehen laſſen. Vielfach haben auch öffentliche Organe, vie Großgrund— beſitzer u. ]. w. ſolche Anlagen hergeſtellt; damit der Arbeiter aber auch lerne, richtig dieſes oder jenes zu flechten, wurden Schulen errichtet. An der einen wurde die Kunſtkorbflechterei uber Modelle (jog. bayeriſche Arbeit) betrieben. Korb— möbel z. D zu Rudnik in Galizien und in Pocitz bei Joslowitz (Mahren). Kinderwägen und Tragkörbe werden in Celakowitz, Eive- Koſteletz, Schopka und Mlaſitz a. d. Elbe (Böh- men) erzeugt. Pantoffel und Handtaſchen aus Binſen werden in Bakop verfertigt. Marktkörbe erzeugt Markowitz in Mahren, Eierkörbe die Ortſchaften Skotnik, Jeszerszani und Kopanka bei Krakau, Geldkörbchen aus Weißkieferwurzeln macht Kwaczala in Galizien, Blumenttſche Ottakring bei Wien. In Fogliauo (Iſtrien) be- ſchränkt man ſich faſt ganz auf die Erzeugung roher Obſtemballagekörbe. Die Anfertigung dieſer Körbe blüht jedoch nur im Sommer, be— jonders wenn ein reiches Obſtjahr iſt. In Oſterreich beſtehen 37 Lehrwerkſtätten für Korbflechterei, von denen 19 von der Re— gierung mit Gelobeträgen bis 900 fl. unter- ſtützt werden. Im induſtriereichen nördlichen Böhmen, etwa eine Stunde von Rumburg entfernt, liegen in landſchaftlich reizender Gegend Alt- und Neu-Ehrenberg, der Hauptſitz der hausindu⸗ ſtriellen Holzweberei. Außer an dieſen Orten beſteht dieſe Induſtrie ſeyr gering in Zeidler und Nixdorf in Böhmen, ſowie in Gersdorf in Sachſen. Man kann zwei Theile bei der Erzeugung unterſcheiden: 1. die Erzeugung des Holzgewebes oder Platte, „Holzböden“ genannt, und 2. die Verarbeitung derſelben zu Hüten, Kappen, Galanteriegegenſtänden u. ſ. w. Das Rohmaterial, welches hier ausſchließlich zur Verwendung gelangt, iſt das Holz der Zitterpappel, Eſpe oder Aſpe (Populus trenı.). Aſtfreies, vollkommen geradwüchſiges Holz, weich, weiß und elaſtiſch, iſt durch ſeine Eigenſchaften dazu geeignet, Holzfäden herſtellen zu laſſen. Vas Holz wiro im Frühjahre oder Herbſt in Ruſſiſch-Polen ausgeſucht und gekauft. Die — Hauskatze. — Hausrecht. 591 Stämme haben im Minimum 300 mm Durchmeſſer und ca. 130 em Länge. Nachdem fie abgetheilt wurden, müſſen ſie auch geſchält und ausgekernt werden. Es wird nur das vollkommen tadel— loſe Holz ausgeſucht und zur Eiſenbahn mittelſt Wagen gebracht. Die Fracht geht über Deutſch— land. Das Holz wird in Ehrenberg in Gruben geſchlichtet, die Waſſer enthalten. Die Herſtel— lung der Holzfäden geſchieht meiſt durch den Holzbodenerzeuger. Das ca. 130 em lange Holz wird in Stücke geſpalten, deren Breite 60 bis So mm beträgt, auf einer Bank befeſtigt und mit einem Hobel geglättet. Nun wird mit dem Theiler, einer Art Hobel mit 20—30 feinen Meſſerklingen, unter ziemlichem Druck parallel dem Faſerlaufe des Holzes ein Schnitt ge— führt, worauf mit dem Hobel wieder geglättet wird. Die in dieſer Weiſe erzeugten Holzfäden haben 0˙5 bis 8mm Breite, eine Höhe von 0 bis 025 mm und eine Länge von 1200 bis 600 mm. Je weißer das Holz, deſto ge— ſchätzter die Ware. Überdies werden die Holz— fäden auch gefärbt. Die fertigen Holzfäden werden zu je zweien am Ende zuſammen— geknüpft und zu Büſcheln vereinigt, welche die zu einer Platte nothwendigen Kettenfäden enthalten, ca. 100—500. Das Binden je zweier Fäden wird durch Kinder beſorgt. Die Weberin ordnet nun die langen Fäden als Kette, die kürzeren als Schuſs oder Einſchlag. Die Ein— richtung des Webſtuhles iſt von der eines Zeug— webſtuhles dadurch verſchieden, dass die Ketten— fäden wegen ihrer geringen Länge nicht auf— gebäumt, ſondern auf einen Rahmen gejpannt werden. Nach Vollendung des Holzbodens wird derſelbe abgeschnitten. In neuerer Zeit find auch Jacquardſtühle eingeführt worden. Die Länge der Holzböden, von dem erſten Webſtuhl erhalten, iſt 800-900 mm lang und 600 bis 630 mm breit. Die Platte kann entweder unge— färbt, einzelne Streifen oder im Ganzen ge— färbt ſein. Vermehrt kann der Farbenreiz noch durch das Einweben von Gold-, Silber- und Geſpinſtfäden werden. Die Verarbeitung der Holzböden geſchieht größtentheils im Orte ſelbſt. Die Herſtellung der Hüte geſchieht entweder aus einem Stücke, oder es werden die Kappe und die Krempe zuſammengeleimt. In beiden Fällen wird über Holzformen gearbeitet. Stets werden zwei Platten genommen und zuſammengeleimt, von denen die innere der Futterboden heißt. Die Hüte werden nun in mannigfachſter Weiſe mit Streifen, Bändern, Maſchen u. ſ. w. von Holzgewebe und Stoff verziert. Früher gieng der größere Theil der Böden nach Paris und London und wurden dort appretiert, jetzt beſorgt dies die Firma J. Rueff & Comp. in Ehrenberg ſelbſt. Be— ſchäftigen thun ſich mit dieſer Hausinduſtrie in Alt- und Neu⸗Ehrenberg nach der Volkszählung von 1880 1133 Perſonen. Die Zahl der Web— ſtühle betrug damals ca. 700. Der Preis einer Klafter Aſpenholz war in Alt-Ehrenberg 120 bis 130 fl., der Preis einer Platte, je nach der Qualität, 5 —30 kr. Von dieſer Summe erhält die Weberin , während / dem Holzboden— erzeuger für das Holz, Hobeln, Knüpfen, Fär— ben, ſowie für die Amortiſierung der Werkzeuge verbleiben. Eine Arbeiterin kann per Tag (42 bis 15 Arbeitsſtunden) ca. 20 Blatt der ge— wöhnlichen Sorte anfertigen, von den feineren Sorten 5—6 Stück; für die letzteren werden ſie jedoch beſſer entlohnt. Die billigſten Hüte kommen auf 70—80 kr. per Dutzend; der Preis ſteigt jedoch für beſſere Ware bis zu mehreren Gulden per Stück. Die Erzeugniſſe dieſer In— duſtrie werden nach ganz Europa, nach dem Kaukaſus, Indien, China, nach Nord- und Südamerika und Auſtralien verſendet. Durch Hauſierhandel werden nur wenige Exemplare abgeſetzt. Der Vertrieb geſchieht faſt ausſchließ— lich durch fünf Handlungshäuſer in Ehrenberg, Zeidler und Schluckenau. Literatur: Die Holz⸗ und Spiel wareninduſtrie in der Viechtau bei Gmunden von Rud. Nekola, k. k. V. Forft- meiſter in Gmunden. 1882. Johann Habacher's Buchdruckerei. Das Kunſtholzhandwerk im ober— bayeriſchen Salinenforſtamtsbezirke Berchtesgaden. Herausgegeben vom konigl. bayer. Miniſterialforſtbureau. München 1839. Joh. Palm's Hofbuchhandlung. Die Hausinduſtrie im deutſchen Südtirol von Dr. Joh. Angerer. Bozen 1881. Commiſſionsverlag der Fr. X. Prom— berger'ſchen Buchhandlung. Die Gartenlaube 1880. Nr. 9. Die Sparteriewarenerzeugung von Otto Pur— fürſt. Die Hausinduſtrie in Thüringen von Dr. Emanuel Sax, 1., 2. und 3. Theil. Jena. Verlag von Guſt. Fiſcher. Lehrbuch der rationellen Korbwei— dencultur von J. A. Krahe, Bürgermeiſter zu Prummern bei Aachen. 3. Aufl. Aachen 1884. Verlag von Rud. Barth. Aus den Mittheilungen des k. k. tech— nologiſchen Gewerbemuſeums, Section für Holzinduſtrie. Verlag von Karl Graeſer in Wien. Jahrgang 1881: Die Holzweberei oder Sparterie von Karl Mikolaſchek, 1882: Chia— varis Seſſelerzeugung von C. A. Ribi, 1883: Die Hausinduſtrie in Mariano von C. A. Ribi, 1886: Die Hausinduſtrie des Grödenerthales von W. F. Exner, 1887: Die Hausinduſtrie und die Holz verarbeitenden Gewerbe im Herzog— thume Krain, 1888: Zur Hebung der Haus— induſtrie im Grödenerthale. Über die Erwerbs— verhältniſſe im Erzgebirge. Er. Haus latze, ſ. Katze. Mcht. Hausmaus, ſ. Mäuſe. Hſchl. Hausrecht (Oſterreich). Das Geſetz v. 27./10. 1862, R. G. Bl. Nr. 88, zum Schutze des Hausrechtes wurde durch das St. Gr. G. v. 21/12. 1867, R. G. Bl. Nr. 142 (über die all- gemeinen Rechte der Staatsbürger) „als Be— ſtandtheil dieſes Staatsgrundgeſetzes, erklärt“, jo daſs dieſes Recht zu einem „Grundrechte“ geworden iſt und eventuell durch das Reichs— gericht zu ſchützen iſt. Dieſes Geſetz ſtellt als Regel den Satz auf, daſs „eine Hausdurch— ſuchung, d. i. die Durchſuchung der Wohnung oder ſonſtiger zum Hausweſen gehöriger Räum— lichkeiten in der Regel nur kraft eines mit Gründen verſehenen richterlichen Befehles 592 Hausrecht. 1 unternommen werden darf. Dieſer Befehl iſt dem Betheiligten ſogleich oder doch innerhalb der nächſten 21 Stunden zuzuſtellen“. Ohne richterlichen Befehl kann „zum Zwecke der Strafgerichts pflege bei Gefahr am Ver— zuge eine Hausdurchſuchung von Gerichtsbeam— ten, Beamten der Sicherheitsbehörden oder Ge— meindevorſtehern angeordnet werden. Der zur Vornahme Abgeordnete iſt mit einer ſchriftlichen Ermächtigung zu verſehen, welche er dem Be— theiligten vorzuweiſen hat. Zu demſelben Zwecke kann eine Hausdurchſuchung auch durch die Sicherheitsorgane aus eigener Macht vor— genommen werden, wenn gegen jemanden ein Vorführungs- oder Verhaftsbefehl erlaſſen, oder wenn jemand auf friſcher That betreten, durch öffentliche Nacheile oder öffentlichen Ruf (nur das eigentliche Nachrufen nach einem Verfolgten, nicht Rufgerücht) einer ſtrafbaren Handlung ver— dächtig bezeichnet oder im Beſitze von Gegen— ſtänden betreten wird, welche auf die Betheili— gung an einer ſolchen hinweiſen. In beiden Fällen iſt dem Betheiligten auf ſein Verlangen ſogleich oder doch binnen der nächſten 24 Stun— den die Beſcheinigung über die Vornahme der Hausdurchſuchung und deren Gründe zuzuſtellen. Zum Behufe der polizeilichen und finan- ziellen Aufſicht dürfen von den Organen der— ſelben Hausdurchſuchungen nur in den durch das Geſetz beſtimmten Fällen vorgenommen werden“, wohin z. B. Hausdurchſuchungen bei Perſonen, welche unter polizeilicher Aufſicht ſtehen, gehören, dann Reviſionen bei Gewerbe— treibenden behufs Auffindung von Monopols— gegenſtänden u. ſ. w. Das Geſetz unterſcheidet demnach vier Fälle der Hausdurchſuchung: a) Normalfall, über richterlichen Befehl; b) ohne ſolchen Befehl, aber zum Zwecke der Strafge— richtspflege, wenn Gefahr am Verzuge, durch Sicherheitsbehörden angeordnet; c) durch die Sicherheitsorgane aus eigener Macht vorzu— nehmen, jedoch nur beim Eintritte der ober— wähnten ſtrengeren Vorausſetzungen; endlich d) zum Zwecke der polizeilichen und finanziellen Aufſicht in den geſetzlich normierten Fällen. — Abgeſehen von dem uns ferneliegenden Falle sub a, iſt auch der Fall sub b ziemlich ein— facher Natur. Wenn der Forſtſchutzmann Zeichen einer ſtrafbaren Handlung, z. B. eines Dieb— ſtahles (ſ. d.) entdeckt hat, gegründeten Verdacht dafür hat, daſs das geſtohlene Holz in einem beſtimmten Hauſe verborgen wird, und „Gefahr am Verzuge“ iſt, d. h. dajs der gerichtliche Auf— trag zur Vornahme einer Hausdurchſuchung zu ſpät käme, ſo wird er um die Vornahme der— ſelben über Anordnung des Gemeindevorſtehers dieſen angehen. Hiebei braucht „Gefahr am Verzuge“ nicht direct bewieſen zu werden, ſon— dern genügt die Anführung von Umſtänden, welche eine Gefahr wahrſcheinlich machen (Erk. des Reichsgerichtes v. 17./7. 1878, 3. 140). Schwieriger ſind die Fälle sub ce. Die Vornahme einer Haus durchſuchung durch die Sicherheitsorgane ſelbſt, z. B. durch einen Gendarmen oder Forſtſchutzmann, ohne dass wegen Gefahr am Verzuge der Gemeinde— vorſteher den Auftrag ertheilt hätte, kann nur unter gewiſſen, gegen „Gefahr am Verzuge“ ſchwerer wiegenden Vorausſetzungen vorgenom— men werden, nämlich wenn ein richterlicher Vorführungs- oder Haftbefehl erlaſſen iſt, Be— treten auf friſcher That u. ſ. w. (wie oben). Auf unſer Gebiet angewendet, muſs dem Forſt⸗ und Jagdſchutzperſonale daher die Vor— nahme einer Hausdurchſuchung aus eigener Machtvollkommenheit geſtattet ſein, wenn je— mand auf friſcher That betreten oder im Be— ſitze von Gegenſtänden betreten wird, welche auf die Verübung einer ſtrafbaren Handlung hin— weiſen, oder auch dann, wenn z. B. eine Perſon verfolgt wird (öffentliche Nacheile), oder wenn bei der Verfolgung jemand einer ſtrafbaren Handlung laut geziehen wird („Haltet den Dieb!“), jo kann der Schutzmann als „Sicher- heitsorgan aus eigener Machtvollkommenheit“ eine Hausdurchſuchung vornehmen. Die Voraus- ſetzung für derartige Hausdurchſuchungen liegt aber nach dem Wortlaute des Geſetzes darin, daſs der Zweck derſelben im Kreiſe „der Straf— gerichtspflege“ liegt, denn die Hausdurchſuchung kann z. B. vom Gemeindevorſteher „bei Gefahr | am Verzuge“ angeordnet und vorgenommen werden „zum Zwecke der Strafgerichtspflege“ und durch die Sicherheitsorgaue kann „aus eigener Macht“ eine ſolche vorgenommen werden unter den oben gegebenen Vorausſetzungen und „zu demſelben Zwecke“, d. h. auch „zum Zwecke der Strafgerichtspflege“. Wenn es ſich alſo um eine nach dem Strafgeſetze zu ahndende Hand— lung dreht, ſo iſt unter den angegebenen Be— dingungen das Recht des Forſt- und Jagd— ſchutmannes zur Vornahme einer Hausdurch— ſuchung zweifellos. Schwierig ſteht die Frage beim Forſtfrevel, u. zw. hauptſächlich deshalb, weil dieſer Be— griff geradezu im Gegenſatz zu ſtrafgerichtlicher Behandlung ſich befindet (j. Forſtfrevel) und weil das Geſetz v. 27/10. 1862 ſowohl bei Anordnung einer Hausdurchſuchung, z. B. durch den Gemeindevorſteher bei Gefahr am Verzuge, als auch bei Hausdurchſuchungen, welche die Sicherheitsorgane aus eigener Macht vorneh— men können, immer von „Zwecken der Straf— gerichtspflege“ ſpricht, jedoch die Ahndung | von Forſtfreveln unbedingt nicht zur Straf— gerichts pflege, wenn auch zur Handhabung eines Strafrechtes (durch die politiſche Behörde) gehört. Über dieſes Bedenken hat ſich der Erl. d. Fin. Min. v. 5./ 2. 1863, Z. 476 (Fin. Min. Vdg. Bl. Nr. 7) hinweggeſetzt und ſpricht, über eine Anfrage, dem beeideten Forſt- und Jagd— ſchutzperſonale das Recht, eine Haus durchſuchung vorzunehmen, zu, wenn die oben angegebenen Vorausſetzungen eintreffen. Es wird allerdings behauptet, daſs durch das Gef. v. 16./6. 1872, R. G. Bl. Nr. 84, über die Stellung des Schutz perſonales dieſes durch den Erl. d. Fin. Min. v. J. 1863 noch zugeſprochene Recht verloren gegangen ſei, weil dieſes Geſetz die Maximal- | grenze für die Berechtigung des Schutzperſo— nales feſtſtellt und das Recht, Haus durchſuchun⸗ gen vorzunehmen, nicht aufgezählt ſei (ſ. Forſt⸗ ſchutz). Wir können dieſe Meinung nicht theilen, weil in dem 1872er Geſetze die Vorausſetzungen für die Verhaftungen in einer einſchränkenden Weiſe normiert ſind, im übrigen aber ſonſt be— N Hausrothſchwänzchen. ſtehende Rechte des Schutzmannes, wie ſie in dem Geſetze zum Schutze des Hausrechtes, im Forſt⸗ und Jagdgeſetze enthalten ſind, nicht alteriert ſind, vielmehr iſt auch in dem 1872er Geſetze erklärt, daſs, wenn eine zu verhaftende Perſon flieht, ſie auch außerhalb des Aufſichts— gebietes verfolgt und feſtgenommen werden kann, und daſs den auf friſcher That Betre— tenen die von der ſtrafbaren Handlung (worunter auch der „Frevel gehört) herrührenden Gegen— ſtände abgenommen werden können Dieſe beiden Fälle ſind es aber, in welchen auch nach frühe— rer Auffaſſung (ſchon nach den SS 31 und 58 F. G.) Hausdurchſuchung vorgenommen werden könnte. Wenn alſo ein Frevler verhaftet werden darf (j. Forſtſchutz), aber flieht, jo kann derſelbe auch bis in ſein Haus verfolgt und dort feſtgenom— men werden, ebenſo kann eine Hausdurchſuchung (auch bei Frevel) vollführt werden, wenn der Thäter der Verübung eines Frevels dringend verdächtig erſcheint, der Beweis aber nur durch eine Haus durchſuchung hergeſtellt werden kann, weil in dieſem Falle der Schutzmann dem muth— maßlichen Thäter die verdächtigen Sachen ab— nehmen kann; flieht er dann damit, ſo können dieſelben eventuell durch Hausſuchung ſeitens des Schutzmannes zuſtande gebracht werden. Würde hier Hausdurchſuchung unzuläſſig ſein, ſo könnten überhaupt viele Verhandlungen über Frevel nicht oder nur unvollſtändig ge— führt werden, weil entweder der Thäter oder die That nicht eruiert werden könnte, und das kann nicht Abſicht des Geſetzes ſein. Ju anderen Fällen iſt die Vornahme einer Haus— durchſuchung durch den Forſtſchutzmann ausge— ſchloſſen. Hausdurchſuchung ad d („polizeiliche oder finanzielle Aufſicht“) kommt beim Forſtſchutz— manne direct nicht vor, es wäre denn höchſtens im Auſtrage anlässlich eines Schmuggels u. dgl. Vorſätzliche Überſchreitung der durch das Geſetz zum Schutze des Hausrechtes gezogenen Grenzen iſt das Verbrechen des Miſsbrauches der Amtsgewalt (ſchwerer Kerker von 1 bis 5 Jahren); ſonſt Übertretung (Arreſt von 1 bis 3 Monaten). Wurde bei einer Hausdurchſuchung „nichts Verdächtiges ermittelt, ſo iſt dem Be— theiligten auf ſein Verlangen eine Beſtätigung hierüber zu ertheilen“. — Hausdurchſuchungen ſind mit Beobachtung der Vorſchriften der Straf— proceſsordnung (12. Hauptſtück) vorzunehmen. Sie finden regelmäßig erſt nach Vernehmung des Betheiligten, und wenn dieſer die geſuchte Sache nicht freiwillig herausgibt, ſtatt, doch wird hievon Umgang genommen bei übel be— rüchtigten Perſonen und Gefahr im Verzuge. Bei Durchſuchungen wegen Verbrechen oder Vergehen iſt vorläufig die nächſte Sicherheits— behörde in Kenntnis zu ſetzen, damit ſie einen Abgeordneten delegieren könne. Haus- und Per- ſonsdurchſuchungen haben mit Vermeidung unnöthigen Aufſehens und überflüſſiger Be— läſtigung vorgenommen zu werden, womöglich mit Zuziehung des Inhabers der Räumlichkeit oder eines anderen erwachſenen Familiengliedes. Über die Durchſuchung iſt ein Protokoll auf- zunehmen. Die eigenmächtige Durchſtöberung einer Wohnung durch einen Privaten, welcher eine Dombrowski. Eneyklopädie d. Forſt- u. Jagdwiſſenſch. IV Bd. 593 ihm gehörige vorenthaltene Sache aufjuchte, entbehrt (nach Entſch. d. O. G. H. v. 21/11. 1871, Nr. 14.104 G. U. W., Bd. IX, Nr. 4331) der Merkmale einer Beſitzſtörung (ſ. d.). Mcht. Hausrothſchwänzchen, Ruticilla tithys, Linné. Motacilla phoenicurus, 8. titys, Linn. Syst. Nat. L, p. 335 (1766); Sylvia tithys, Scop. Ann. I. Hist. Nat., p. 157, Nr. 235 (1769); Motacilla gibraltariensis, Gm. Syst. Nat. L, p. 987 (1788, ex Edw.); Motacilla atrata, idem, ibidem, p. 988 (1788, ex Lath.); Motacilla erythrourus, Rafin. Caratt.. p. 6 (1810); Saxicota tithys (Scop.), Koch, Bayer. Zool. I., p. 186 (1816); Sylvia tites, 8. cam- pylonyx, Ehr. Symb. Phys., fol. dd. (1829); Rutieilla atra, C. L. Brehm, Vög. Deutſchl., p. 365 (1831); Kutieilla titys (Scop.), idem, ibidem; Ruticilla atrata, idem, ibidem, p. 366; Ruticilla gibraltariensis. idem, ibidem; Phoenicura tethys, Jardine & Selly, Ill. Orn., pl. 86, Fig. 1,2 (1810); Lusciola tithys (Scop.), Schlegel, Rev. crit, p. 31 (1844); Ruticilla cairii. Gerbe, Diet. Univ. d’Hist. Nat. XI., p. 259 (1848): Erythacus tithys (Scop.), De- gland, Orn. Europ. I., p. 504 (1849); Ery- thacus cairii (Gerbe), idem, ibidem, p. 307; Lusciola thytis, Schlegel, Vog. van Nederl., p. 156 (1854); Ruticilla montana, C. I. Brehm, Naumannia, 1855, p. 281. Abbildungen: 1. Vogel. Naumann, Vög. Deutſchlands, T. 79, Fig. 3 und 4. Dreſſer, Birds of Europe, vol. II, pl. 44. — 2. Eier. Bädecker, Die Eier der europäiſchen Vögel, T. 27, Nr. 9. Thienemann, Abbildungen von Vogeleiern, T. XXII, Nr. 8, a—c. Seebohm, A History of british birds, p. 9. Hausröteln, Röthling, Stadtröthling, Stadt- oder Hausrothſchwanz, Nachtrothſchwanz, Hausrothſchwänzchen, Stadtrothſchwänzchen, Wald⸗ und Steinrothſchwänzchen, Waldroth— ſchweif, Rothſchwanz, blauer Rothſchwanz, ſchwarzer Rothſchwanz, Rothſchwänzchen, Roth— ſterz, Rothſtiert, Rothzahl, Rothzagel, Rotz— zagel, Sommerrötteln, Schwanzkehlchen, Gar— tenſchwarzkehlchen, Schwarzbrüſtchen, ſchwarz— bäuchiger Sänger, ſchwarzbäuchiger Stein— ſchwätzer, Wiſtling, Hüting, Sauloder, Sau— lecker, ſchwarzer Rothſchwanz, Pechrothſchwanz. Böhm.: Rehek zahradni; dän.: Sortbry- stet Sanger; engl.: Black Redstart; franz.: Rouge-queue Tithys; holl.: de zwaarte Rood- staart; ital.: Codirosso spazzacamino, Co- dirosso moretto, Moretto, Conarouss, Bouccard di roech, Passra neira, Conaroussot, Cuaros- setta, Conarossa, Coarossa, Moraet, Coros- solet negher, Covaross ferree, Cüross fere, Corossi de müraja, Couva roussa möura, Covröss da l’inveren, Covros negher, Mag- nanen, Murett, Codranz, Squerossolo moro, Squerossolo spazzacamin, Coarosso moro, Corossolo, Codarossol da sass, Scodaross, Codaross, Fr , Parolöt, Quarössolo nero o dei erozzi, Corössolo spazzacamino, Codomöro, Coaröss della neve o Parolot, Queu rous pignatie, Cua russa moa, Codirosso nero, Codirosso di pancia nera, Coderusso, Codi- rosso prevetariello, Falaetta fumata, Cuda- russa vavariscu, Cuda russa cu pettu niuru, 38 7 er 594 Hausrothſchwänzchen. Cuda russa carbonara, Cuda russa di roeca. Cuda russa, Coa de fogu, Qudiross issued; eroat.: Sumska ervenrepka; poln.: Stowik pleszka; portug.: Tisko ferreizo, Injä, Rabo- ruivo, Negrone, Nocte negra, Ferreiro, Ra- bita ferreira, Rabbiruivo; ruſſ.: Tschernuschka; ſchwed.: Svartrödstjertsängare; ſpan.: Collir- rojo, Cagumero, Cagarrope, Solitaria, Tizön, Ferreirolo, Cua roja, Cotxa fymada, Rumia; ungar.: Füstfarkü Zener. Das Hausrothſchwänzchen kommt als Brut— vogel nur in Frankreich, Spanien und Portu— gal, Algier, Deutſchland, Schweiz, Italien, Weſtruſsland bis zur Weichſel und dem Dzyjeſtr, Oſterreich-Ungarn, Balkanhalbinſel, Krim, Klein— aſien und Paläſtina vor. In den ſüdlicheren Ländern ſeines Ver— breitungsgebietes iſt er Standvogel, in den nördlicheren zieht er im Winter fort. Die Wanderung geht offenbar in zwei Richtungen vor ſich, ein Theil nach Süden, daher beobachtet man in Südeuropa im Winter dort weit mehr ſchwarze Rothſchwänzchen als im Sommer, außerdem wandern aber viele weiter nach Süden bis nach Nubien, ein anderer Theil geht in weſtlicher Richtung nach dem ſüdlichen Skandinavien, Dänemark und der ganzen Süd— küſte Englands, einzelne Streifzügler ſind im Herbſte bis nach Schottland, Irland, den Faröerinſeln und Island gedrungen. Beobachtet wurde es auch im Kaukaſus und in Perſien, obgleich es dort wohl haupt— ſächlich durch Ruticilla ochrura vertreten wird. Das Hausrothſchwänzchen hält ſich in der Ebene auf, geht aber auch mit Vorliebe hoch in die Gebirge hinein. In der Schweiz wurden von Gerbe zwei Formen unterſchieden, außer der gewöhnlichen Rutieilla tithys, die Ruticilla Cairii, die ſich aber als einjährige Männchen im Jugendkleide herausgeſtellt hat. r 14.50 em Flügellängnne 860 „ Schwanzlänge. N09 nnn 0 „ Schnabel. u. 096 „ (Altes % aus Braunſchweig aus meiner Sammlung.) Der Schnabel iſt dünn, pfriemenförmig, an der Wurzel breit, von oben nach unten zu— ſammengedrückt, die Schneiden beider Kieſer eingezogen, der Oberkiefer den Unterkiefer mit abwärts gebogener Spitze überragend, in der Biegung ſeicht eingekerbt. Die Flügel ſind ziemlich lang, ſtumpf abgerundet, die 3., 4. und 5. Schwinge bilden die Flügelſpitze und ſind auf der Außenfahne bogig eingeſchnürt. 3 4 25 o A HN: Die Flügel reichen bis über die Mitte des Schwanzes hinab im ruhenden Zuſtande. Der Schwanz iſt ziemlich gerade abgeſtutzt. Die Füße ſind hoch und ſchlank, die Zehen ſehr dünn und zart mit ſehr kleinen, mäßig ge— bogenen, von den Seiten her zuſammengedrückten, ſehr ſpitzen Krallen. Altes Männchen im Frühlinge. Stirn und Zügel tief ſchwarz, übrige Oberſeite bis zum Unterrücken tief bläulich aſchgrau, auf dem Scheitel am hellſten, am Rücken und auf den Schultern mit durchſchimmerndem Schwarz. Obere Flügeldeckfedern ſchwarz mit aſchgrauen Säumen an den kleinen und bräunlich grauen an den mittleren und großen, Bürzel und obere Schwanzdecken lebhaft gelblich roſtroth, Schwingen ſchwarzbraun, an den Mittel- und Hinterſchwingen weiße Säume der Außenfahne, die bei ruhendem Flügel ein weißes Feld bilden. Schwanzfedern lebhaft gelblich roſtroth, bis auf die beiden mittleren, die dunkelbraun mit roſtfarbigen Säumen gefärbt ſind. Unter— ſeite vom Kinn bis zur Mittelbruſt tiefſchwarz, Unterbruſt und Bauch aſchgrau, in der Mitte am hellſten, häufig etwas roſtfarbig angeflogen, After- und untere Schwanzdeckfedern hellroſt— gelb, Schenkelfedern braun mit grauen Säumen. Untere Flügeldeckfedern weißgrau. Jüngere Männchen erſcheinen viel grauer, da an den ſchwarzen Federn ſich überall breite aſchgraue Ränder befinden, dann zeigen die Schwanzfedern von der mittelſten bis zur 3. oder 4. meiſtens ein dunkelbraunes Fleckchen an der Spitze, und der weiße Fleck auf dem ruhenden Flügel iſt viel unſcheinbarer. Später in den Sommer hinein werden die alten Männchen immer ſchwärzer, da die aſch— grauen Federränder fich mehr abreiben, auf der Kopfplatte aber greiſer, mehr weißgrau. Altes Männchen im Herbſte nach der Mauſer ſieht dem alten Weibchen ſehr ähnlich, da die grauen Federränder alles Schwarz ver— decken, immer iſt es aber an dem weißen Flü— gelſchilde zu erkennen. Das alte Weibchen iſt auf der Ober— ſeite düſter ſchmutzig aſchgrau, unten licht aſch— grau mit röthlichem Anfluge, am Bauche weiß— grau, am After und den unteren Schwanz⸗ decken bleich roſtgelblich. Schwanzfedern wie beim Männchen, aber bleicher. Die Jungen im Neſtkleide ſind röthlich aſchgrau gefärbt, oben dunkler, unten heller, mit weniger hervortretenden lichten, grauen Schaftflecken, die dem ganzen Vogel ein mehr gewölktes als geflecktes Ausſehen verleihen. Schwingen und Schwanzfedern wie im Herbſt— kleide, Männchen und Weibchen nur beim Ne— beneinanderhalten zu unterſcheiden, erſteres iſt etwas dunkler als letzteres. (Nach 4 Exemplaren aus meiner Samm— lung, 3 von Braunſchweig und 1 von Wan— gerooge.) Der Schnabel iſt ſchwarz, ebenſo die Läufe, Zehen und Krallen, die Iris kaſtanienbraun und hat einen Durchmeſſer von 4½ mm. Das Gelege beſteht in der Regel aus 5 bis 6, ſelten aus 7, ſehr ſelten aus 8 Eiern, die eine kurzeiförmige Geftult zeigen, glänzend und leuchtend weiß gefärbt find. Der Längsdurch— meſſer beträgt durchſchnittlich 19˙3 mm, der Querdurchmeſſer 14mm, die Dopphöhe 87 mm. Das Korn iſt flach, die Poren der Schale ſehr zahlreich. Schon bald nach der Ankunft in der erſten Hälfte März ſchreiten die Hausroth— ſchwänzchen zur Auswahl ihres Niſtplatzes. Das Männchen erſcheint meiſtens einige Tage vor dem Weibchen; ſobald dieſes eingetroffen, werden zunächſt die im vorigen Jahre benützten Brut- plätze inſpiciert und dann nach getroffener Wahl Hausihwanmt. 595 raſch mit der Herbeiſchaffung des Neſtmaterials begonnen. In den bewohnten Ortſchaften bauen ſie mit Vorliebe ihr Neſt auf Geſimſen, vor— ragenden Balkenköpfen, an Häuſergiebeln oder auf den Böden der Thürme, Schlöſſer und Kirchen, oder auch im Innern von großen Ge— bäuden, wie Gotteshäuſern, die durch ein zer— brochenes Fenſter irgendwo einen Einſchlupf geſtatten. Auch in Mauerſpalten laſſen ſie ſich gern nieder. Im Gebirge, entfernt von den menſchlichen Wohnungen, niſten fie in den höchſten Klippen, Ritzen und Spalten ſchroffer Felswände, zuweilen auch in Steinhaufen. Faſt jedes Jahr brütet in meinem unmittelbar an das Eſszimmer anſtoßenden Pavillon ein Hausrothſchwänzchen— paar auf dem inneren, dicht unter dem Dache umlaufenden Balkengeſimſe. Zunächſt werden hier (meiſtens nur in den frühen Morgenſtunden, ehe wir den Pavillon betreten) eine große Menge von Halmen, Blätter, Stengeln zuſammenge— ſchleppt, die eine breite Unterlage bilden, hierin wird dann nach einigen Tagen der innen ſehr kleine Napf gebildet, der mit weichen Haaren oder auch mit Federn ausgepolſtert wird. In 3 bis 6 Tagen iſt das Neſt fertiggeſtellt. Sehr häufig ſcheinen zwiſchen den beiden Ehegatten Meinungs— differenzen über die Anlage des Neſtes obzu— walten, ich habe wenigſtens ſehr oft das halb— fertige Neſt am Morgen früh unten am Boden gefunden und am folgenden Tage es an einer, vielleicht nur wenige Fuß entfernten Stelle wieder entſtehen ſehen. Befinden ſich die Neſter in Höhlen, ſo iſt meiſt die ganze Höhle mit Niſt— material ausgefüllt. Das Weibchen legt täglich ein Ei und be— ginnt unmittelbar nach dem Legen des letzten Eies mit dem Brüten. Die Brutzeit dauert 13 Tage; während der Mittagszeit wird das Weibchen vom Männchen abgelöst. Das Weibchen ſitzt ſehr feſt auf den Eiern und läſst ſich z. B. in unſerem Pavillon, während wir keine drei Schritte von ſeinem Kopfe entfernt unſere Mahl— zeiten einnehmen, nicht im mindeſten ſtören. Die Jungen werden von beiden Alten abwechſelnd mit Inſecten großgefüttert und entwickeln einen unglaublichen Appetit. Ich habe beobachtet, dass durchſchnittlich alle 2—3 Minuten die Alten mit gefülltem Schnabel ankommen. Anfangs ſind ſie etwas ſcheu, ſich den Jungen zu nähern, während wir unmittelbar dabei am Tiſche ſitzen, ſehr bald überwinden ſie aber dieſe Scheu und fliegen, wenn auch immer mit dem üblichen Geſchrei, an und ab. Die Jungen verlaſſen, offenbar ver— anlajst durch die Eltern, das Neſt ſchon früh. Höchſt ſpaſshaft iſt es anzuſehen, wie ſich die Eltern bemühen, die letzten Neſthocker aus dem Neſte zu locken; mit gefülltem Schnabel rufen ſie in unmittelbarer Nähe des Neſtes, die Jungen antworten, ſo zieht ſich das Spiel ſtundenlang hin, bis endlich das Junge das Neſt verläſst, auf dem Balken hin- und herläuft und endlich, wenn auch noch purzelnd und bluſternd zu dem lockenden Vater hinüberfliegt. Einige Zeit werden die Jungen von den Alten umhergeführt, ſobald ſie aber ſelbſt fliegen und Inſeeten fangen können, beginnt das Männchen wieder hoch vom Dach— firſt herab ſein Liedchen zu ſchmettern und es wird mit der zweiten Brut begonnen, meiſtens Anfang Juni, zuweilen unmittelbar neben der erſten Brutſtelle, meiſtens aber an einem geeigne— ten Plätzchen in der Nähe. So zutraulich und wenig ſcheu der Haus— rothſchwanz ſich in ähnlichen Fällen beim Neſte benimmt, ſo flüchtig, ſcheu und miſstrauiſch gegen den Menſchen iſt er im allgemeinen. Meiſtens hält er ſich weit vom Erdboden ent— fernt oben auf den Dächern auf. In allen Be— wegungen iſt er flink und gewandt, hüpft und fliegt mit außerordentlicher Gewandtheit, auf dem Boden jedesmal mit dem Schwanzeſchüttelnd, in der Luft oft die komiſcheſten Purzelbäume ſchießend, ſich hinabſtürzend und in Windeseile wieder hinaufſchnurrend. Sein Lockruf klingt wie „fid“ oder „wiſt, teck— teck“, raſch mehreremale hintereinander ausge— ſtoßen, häufig förmlich ſchnarrend. Der Geſang iſt ähnlich dem des Gartenröthlings, nur gar nicht ſchön flötend, ſondern kreiſchend und krächzend. Schon vor Morgengrauen erſchallt er und wird noch in der Abenddämmerung gehört. Die Nahrung erhaſcht unſer Vogel meiſtens im Fluge, indem er fliegende Inſecten fängt. Selten gehen ſie im Herbſte an die Johannis— und Hollunderbeeren. Raubvögel thun ihnen bei ihrer außer— ordentlichen Vorſicht und Gewandtheit wenig Schaden, während die Brut oft von den Katzen zerſtört wird. Mit ähnlich brütenden Singvögeln leben ſie ſehr in Feindſchaft; in meinem Pavillon habe ich es erlebt, daſs das Neſt mit Eiern vom grauen Fliegenſchnäpper hinabgeſtürzt wurde. Durch das Wegfangen der Inſecten werden ſie uns entſchieden nützlich, und als erſter Frühlingsgeſang erfreut uns ihr Gezwitſcher. Zu zähmen iſt der wilde, unſtete Vogel ſehr ſchwer, auch jung aufgezogen gewöhnen ſie ſich ſehr ſchlecht an die Gefangenſchaft. R. Bl. Hausſchwamm (Merulius lacrymans). Die mannigfachen Zerſtörungen, denen das Bau— holz durch Pilze ausgeſetzt iſt, laſſen ſich in zwei Gruppen eintheilen, in ſolche, bei denen die zerſtörenden Pilze für das unbewaffnete Auge dadurch jichtbar werden, daſs ihr Myeel in größerer oder minderer Uppigfeit aus dem Holze hervorwächst und für die Pilzart cha— rakteriſtiſche Bildungen erzeugt, und in ſolche, bei denen das Pilzmycel im Holze verborgen bleibt. Die erſtere Gruppe wird vom Laien als Hausſchwamm, die letztere als Trocken— fäule oder Erſticken des Holzes bezeichnet. Was nun die erſtere Kategorie betrifft, ſo gibt es eine Reihe von holzzerſtörenden Pilzen, welche im verſchiedenen Grade gefährlich für unſere Gebäude werden können. Unter dieſen iſt der echte Hausſchwamm, Merulius lacry- mans, der häufigſte und gefährlichſte. Derſelbe iſt bisher mit Beſtimmtheit nur in Sachſen bei Königſtein im Walde an Kie— fernſtöcken nachgewieſen, doch iſt es wahrſchein— lich, daſs derſelbe zumal in ſolchen Waldungen, in denen Lagerholz häufiger vorkommt, ver— breiteter iſt, als bisher angenommen wurde. Vorzugsweiſe iſt der Hausſchwamm aber Cultur— pflanze, d. h. der Mitbewohner der menſchlichen Wohnſtätten, woſelbſt er mit mehr oder we— niger Geſchick unfreiwillig gezüchtet wird. Er 38 * 596 wächst nur am todten Holze, u. zw. vorwie— gend an Nadelholz, zerſtört aber auch Eichen— holz, zumal wo ſolches als Parkettboden in Parterreräumen verwendet wird. Wie andere holzzerſtörende Pilze vegetiert ſein Mycel in Form äußerſt zarter Fäden im Innern des Holzes, und wachſen die ſich reich veräſtelnden Hyphen, von einer Zelle zur an— deren wandernd, die Zellwände durchbohrend und zunächſt aus dem plasmaführenden Theil der Holzelemente die zum Wachsthum nöthigen Eiweißſtoffe entnehmend. Die verholzten Wan— dungen der Organe des Holzkörpers werden in zweifach verſchiedener Weiſe von den Pilzfäden angegriffen. Da, wo ein Pilzfaden der Wandung un— mittelbar anliegt, löſen ſich die aus oxalſaurem Kalk beſtehenden anorganiſchen Beſtandtheile der Wand auf und werden von den Pilzfäden auf— genommen. Dieſer Proceſs iſt in nichts unter— ſchieden von dem Auflöſungsproceſs des Kalkes im Boden unter dem Einfluſs der Wurzelhaare. Die organiſchen Beſtandtheile der Holzfaſern dagegen werden unter der Einwirkung von Fer— menten, welche die Pilzhyphen ausſcheiden, in der Weiſe aufgelöst, daſs zunächſt Coniferin und Celluloſe löslich gemacht und von den Pilz— hyphen aufgenommen werden. Dieſe Auflöſung erfolgt nicht bloß in unmittelbarem Contact der Pilzfäden, ſondern auch auf große Entfernung von jenen. Das Holz wird unter der Einwirkung des Hausſchwammmyeels gebräunt und beſteht dann vorzugsweiſe ans Holzgummi, Tannin und Aſche. Im friſchen Zuſtande bewahrt er ſein urſprüngliches Volumen, da an Stelle der ver— zehrten organiſchen Molecüle Waſſer tritt. Er iſt weich und läſst ſich mit dem Meſſer wie Butter ſchneiden. Sobald er aber austrocknet, findet ein ſo energiſcher Schwindeproceſs ſtatt, daſs er oft in Würfel zerfällt. In dieſem Zu— ſtande, welcher dem verkohlten ähnlich iſt, läſst ſich das Holz zwiſchen den Fingern zu einem gelbbraunen Pulver zerdrücken. Für Waſſer iſt das erkrankte Holz leicht durchdringbar und es ſaugt energiſch Waſſer auf. Im geſunden Zu— ſtande ſind bekanntlich die meiſten Elementar— organe des Holzes völlig geſchloſſen und ganz oder theilweiſe mit Luft erfüllt, welche durch eindringendes Waſſer nur ſehr langſam ver— drängt werden kann, indem die Luft allmählich vom Waſſer aufgenommen wird. Im erkrankten Holze ſind die Zellwände von Bohrlöchern der Pilzfäden perforiert, das eindringende Waſſer treibt die Luft durch die Bohrlöcher von Zelle zu Zelle und ſchließlich ganz aus dem Holze hinaus. Der Hausſchwamm beſitzt die Fähigkeit, über das Holz hinauszuwachſen, wenn die um— gebende Luft feucht genug iſt, um das Vertrocknen der zarten Pilzfäden zu verhindern. Es formen ſich ſchneeweiße, watteartige Bildungen, welche das Holz überziehen und ſich endlich fächerartig auf deſſen Oberfläche ausbreiten. Dieſe Pilz— maſſen färben ſich ſpäter aſchfarben und nehmen einen ſeidenartigen Glanz an; von ihnen erheben ſich vielfach lockere, erſt ſpäter gelblich gefärbte Pilzgewebe. Die aſchgraue Farbe charakteriſiert den Hausſchwamm von Polyporus vaporarius, deſſen oft ſehr ähnliche Pilzwucherungen ſtets Hausſchwamm. eine kreideweiße Farbe bewahren. In dem lockeren Myeel des Hausſchwammes entwickeln ſich nach— träglich reich veräſtelte Pilzſtränge von Zwirns— fadendicke bis zu Fingerdicke. Dieſe Stränge haben für die Lebensproceſſe des Hausſchwammes eine hervorragende Bedeutung. In ihnen finden ſich nämlich gefäßartige Organe, welche offenbar dazu dienen, aus dem Holze, d. h. dem Nahrung gebenden Subſtrate, reichliche Nahrungsmengen, ſowie Waſſer den außerhalb, u. zw. oft weit entfernt vom Holz wachſenden Mycelmaſſen zu— zuführen. Die Myeelſtränge des Hausſchwammes findet man oft auf Längen von mehreren Metern unter den Fußbrettern, die Mauerfugen durch— ſetzend, vom Keller zum Parterregeſchoſs und von hier zu höheren Stockwerken der Gebäude emporwachſend. Es ſind nicht die Stränge, welche als ſolche wachſen, wie etwa die Rhizomorphen des Agaricus melleus, vielmehr verbreitet ſich das äußerſt zarte, fädige Myeel, jede Ritze und Fuge benutzend, durch das Mauerwerk, durch Erd— ſchichten u. ſ. w., und wird hiebei von den rückwärts aus ihm erſt entſtehenden Strängen mit Waſſer und Nahrung verſorgt. So kann der Hausſchwamm durch viele ſterile Regionen hindurchwachſen, bis ſein Mycel wiederum mit anderem Holzwerk in Berührung tritt, in welches die feinen Pilzfäden eindringen, um aus ihm neue Nahrung zu entnehmen und es zu zerſtören. Dem Hausſchwamm iſt die Befähigung eigen— thümlich, auch trockenes Holzwerk zu zerſtören. Es iſt dies ſo zu verſtehen, daſs er durch die in den Strängen befindlichen Gefäße ſo viel Waſſer aus anderen Theilen des Gebäudes zu— geführt bekommt, dajs er das an ſich trockene Holz zuerſt durchnäſst und dadurch zerſtörbar macht. In dumpfen Räumen ſcheidet das Pilz- mycel, wenn es ſein Waſſer nicht an Holz ab— zugeben vermag, dieſes in Form von Tropfen (Thränen) ab. Bei kräftiger Myeelentwicklung in dumpfen Räumen und in der Regel bei Lichteinwirkung entſtehen die bekannten, meiſt tellerförmig ausgebreiteten Fruchtpolſter. Das anfangs weiße Myeel färbt ſich hie und da röthlich, zeigt dann wurmartige Faltungen, die bald mit roſtfärbigen Sporen ſo bedeckt ſind, daſs die ganze Oberfläche eine tief roſtbraune Färbung annimmt. Die Sporen ſind verhältnis— mäßig groß und haben etwa 4 Millionen auf dem Raum eines Cubikmillimeters Platz; ſie zeigen an der Keimöffnung einen glänzenden Celluloſe— pfropfen, welcher nur unter der Einwirkung von Alkalien zu quellen und dem Sporenkeimſchlauch den Durchgang zu geſtatten ſcheint. So erklärt es ſich, daſs die Keimung der Hausſchwamm⸗ ſporen, ſowie überhaupt das Auftreten des Haus⸗ ſchwammes beſonders da oft zu beobachten iſt, wo Urin, Humus, Aſche, Löſche ſich vorfindet. Vollſtändig gleich iſt es, ob das Holz von im Sommer oder im Winter gefällten Bäumen ſtammt, da im Sommer das Holz faſt ebenſoviel von jenen Stoffen, welche den Pilzen zur Plasmabereitung nothwendig ſind, nämlich Ei— weißſtoffen enthält, als im Winter. Nichts⸗ deſtoweniger zeigen die Verſuche, daſs das Winterholz in ſeiner Angriffsfähigkeit für Haus— ſchwamm und andere Pilze keineswegs un⸗ günſtiger ſich geſtaltet als das Sommerholz. * Hausſchwamm. Die vielfach beſtehende ungünſtige Meinung über die Beſchaffenheit des Holzes im Sommer ge— fällter Bäume hat in ganz anderen Umſtänden ihre theilweiſe Berechtigung (j. Trockenfäule). Im friſchen, lebenden Zuſtande hat der Haus— ſchwamm einen ſehr angenehmen Geruch und feinen Geſchmack, dem nur etwas Zuſammen— ziehendes beigefügt iſt. Sobald das Hausſchwamm— mycel und beſonders der Fruchtkörper anfängt zu verfaulen, ſo entwickelt derſelbe einen höchſt widerwärtigen eigenartigen Geruch und in dieſem Zuſtande iſt der Hausſchwamm zweifellos der Ge— ſundheit der Menſchen ſehr nachtheilig. Es kommt hinzu, dass nicht allein der Hausſchwamm große Mengen Waſſer ausdunſtet, ſondern auch das von ihm befallene Holzwerk, wie oben bemerkt wurde, zu einem Saugwerk wird, welches an feuchten Stellen der Gebäude das Waſſer an andere, an ſich trockene Räume abgibt. Hausſchwamm kann nur da entſtehen, wo die Bedingungen zu ſeiner Entwicklung günſtig ſind, und wo außerdem eine Infection, ſei es durch Sporen, ſei es durch Myeel, eingetreten iſt. Die Infection kann auf ſehr verſchieden— artigem Wege eintreten, zunächſt ſchon dadurch, daſs entweder Sporen, oder vom Hausſchwamm befallenes Holz aus dem Walde eingeſchleppt werden. In Deutſchland dürfte dies zu den Seltenheiten gehören, nachdem bis jetzt nur ein— mal der Hausſchwamm mit Sicherheit im Walde nachgewieſen iſt, wogegen nach Mittheilungen aus den weſtlichen Provinzen Ruſslands der Haus— ſchwamm dort vielfach aus dem Walde ſtammen ſoll, was allerdings noch wiſſenſchaftlich beſtätigt werden miüjste. Sehr oft dürfte dagegen die Infection ſchon auf den Holzlagerplätzen der Holzhändler, Säge— müller und Zimmerleute ſtattfinden. Beſonders in den Städten iſt es vielfach Gebrauch, das noch ver— wendbare Holz von alten, abgebrochenen Gebäuden neben und auf den neuen Holzvorräthen auf— zuſpeichern, woſelbſt eine Anſteckung leicht ein— treten kann. Eine Einſchleppung in die Häuſer kann auch durch die Zimmerleute, Maurer u. ſ. w. ſtattfinden, wenn ſolche zuvor bei Hausſchwamm— reparaturen beſchäftigt geweſen ſind, oder durch Verwendung von Bauſchutt und altem Holze, in denen der Hausſchwamm ſich befunden hat. Zur Entwicklung des Hausſchwammes mujs immer eine Reihe von Vorbedingungen gegeben ſein. Die Sporenkeimung erfolgt nur bei Gegen— wart von Alkalien, weshalb das Urinieren der Arbeiter in den Neubauten ſtreng geahndet werden ſollte. Die Verwendung von humus— haltigen Stoffen, von Aſche, Löſche u. ſ. w. bei Unterfüllung der Fußböden iſt durchaus unſtatt— haft. Feuchtigkeit im Bau iſt eine nothwendige Entwicklungsbedingung, und tritt der Haus— ſchwamm deshalb nur bei Neubauten und in ſolchen alten Gebäuden auf, in die auf dem einen oder dem anderen Wege Waſſer einzu— dringen vermag. In Neubauten iſt es die Ver— wendung naſſer Baumaterialien, naſſen Holzes, niſſer Bruchſteine, naſſen Füllmateriales, welche dann verhängnisvoll werden kann, falls das Gebäude nicht im Rohbau vor dem Verputzen u. ſ. w. genügend auszutrocknen vermag. 597 Bei dem hohen Preiſe der Grundſtücke, ſowie der Gebäude iſt es immer aber für den Be— ſitzer ein großes Opfer, die im Bau ſteckenden Capitalien mehrere Jahre lang unverzinst ruhen zu laſſen, und muſs umſomehr Bedacht darauf genommen werden, möglichſt trockene Materialien zur Verwendung zu bringen und alle Ein— richtungen zu treffen, die einerſeits das möglichſt ſchnelle und vollſtändige Austrocknen der Gebäude ermöglichen, andererſeits die Zufuhr neuen Waſſers von außen abſchließen. Ganz verwerflich iſt ſomit das frühzeitige Streichen der Fußböden mit Olfarbe, durch welches das Ausdunſten des Holzwerkes und der Unterfüllung der Fußböden nach oben ganz unmöglich gemacht wird. Kann man nicht das ganze Gebäude unterkellern, dann muss wenig— ſtens im Parterre der Boden tief ausgeſchachtet und an Stelle des humoſen Bodens reiner Kies oder grober reiner Sand gebracht werden und unter dem Fußboden ein Luftraum ge— laſſen werden, welcher mit einer angemeſſenen Ventilation verſehen wird. Entwäſſerung der Untergründe, angemeſſene Einrichtungen zur Abfuhr des Waſſers der Canäle, Rinnſteine, Dachrinnen u. ſ. w. dürfen nicht unterlaſſen werden. Die Räume ſind ſtets zu lüften; die miſsbräuchliche Benützung der Wohnräume zum Kochen, Waſchen, Baden rufen oft genug die Bedingungen hervor, daſs in übrigens trockenen Häuſern ſich ſpäter der Hausſchwamm einſtellt. Eine wichtige Vorſichtsmaßregel beſteht auch darin, daſs man altes Holzwerk, welches unmittelbar mit dem Mauerwerk in Berührung tritt, ſo z. B. die Balkenköpfe, Holzverkleidun— gen u. ſ. w., ferner altes Holzwerk, was zum Fußboden der Parterreräume gehört, mit ge— eigneten Imprägnationsmitteln verſieht. Unter den zahlreichen empfohlenen Schwammmitteln habe ich bei meinen mehrjährigen Verſuchen nur drei kennen gelernt, welche einen wirklichen andauernden Erfolg hatten. Das gewöhnliche Kreoſotöl (Steinkohlen— theeröl), welches um billigen Preis in jeder Gasanſtalt zu haben, iſt ſehr wirkſam, hat aber inſoferne auch Nachtheile, dass dasſelbe feuergefährlich iſt, die Arbeiter nicht gerne damit operieren, daſs es endlich das Holzwerk ſchwarz färbt. Das Carbolineum von Avena— rius iſt ebenſo wirkſam, dürfte aber die ähn— lichen Nachtheile haben wie das Kreoſotöl, und endlich das Carburinol von Diehl in München, welches den Vortheil hat, daſs das impräg— nierte Holz nicht mehr mit Flamme zu brennen vermag, dass es kryſtalliſiert und das Holz nicht färbt. Es würde die Grenzen, welche naturgemäß einer forſtlichen Eneyklopädie zu ſtecken ſind, überſchreiten, wenn ich noch näher auf die Vor— beugungsmittel zur Verhütung des Haus— ſchwammes, wie ſie in meiner Schrift über „den echten Hausſchwamm“ aufgezählt ſind, mich einlaſſen wollte; da aber der Forſtmann oft genug in die Lage kommt, den Hausſchwamm in Dienſtgebäuden zu bekämpfen, wo er ſich mit beſonderer Vorliebe in den parterre gelege— nen Dienſtbureaux einzufinden pflegt und hier 598 Hausſperling. im Verborgenen die Actenſchränke und Repoſi— torien heimſucht, jo mögen in wenig Worten noch die wichtigſten Maßregeln beſprochen werden, welche bei der Vertilgung des Hausſchwammes zu ergreifen ſind. Zunächſt iſt alles Holzwerk, alſo Fußböden, Lambris, Bodenlager, Thür— ſtöcke u. ſ. w., ſoweit dies beſchädigt iſt, zu ent— fernen, und darf man ſich hiebei nicht auf das ſichtlich zerſtörte Holz beſchränken, ſondern muss auch noch alles Holz, welches in der Nähe des— ſelben war, beſeitigen, da ja der Pilz im In— neren ſchon eine Strecke weit vorgeſchritten iſt, bevor man äußerlich oder durch mürbe Be— ſchaffenheit und Braunfärbung die Wirkung ſeiner Thätigkeit erkennt. Der Untergrund muſßs ausgeſchachtet wer— den, u. zw. noch tiefer, als man an der Ober— fläche der Fundamentmauern oder im Unter— grunde ſelbſt „Schwammfaſern“ erkennt. Das alte Holzwerk muſßs ſofort verbrannt oder we— nigſtens durch verdünnte Desinfectionslöſung unſchädlich gemacht werden, wenn etwa die Verhältniſſe es nicht geſtatten, das Holz ſofort zu verbrennen. Der Aushub mufs an einen von Gebäuden fernliegenden Ort gefahren und das benützte Fuhrwerk darnach ſorgfältig ge— reinigt und desinficiert werden. Wo Fachwerks— mauern ſind, iſt es nothwendig, das ganze in— ficierte Mauerwerk zu beſeitigen, das Holz zu verbrennen, die Steine zur Auffüllung von Wegen u. dgl. zu benützen. Um die in den Fundamentmauern befind— lichen Stränge und Myeelbildungen zu zer— ſtören, ſind die Fugen zunächſt auszukratzen, die Maueroberflächen zu reinigen. Sodann ſind die Fugen mit Desinfectionsflüſſigkeit auszu— ſpritzen und dann mit Cementmörtel zu ſchließen. Auch die ganze Maueroberfläche iſt mit Cement zu verputzen und dann nochmals mit Desinfec- tionsflüſſigkeit zu beſtreichen. Vor Auffüllung der Fußböden mit Kies u. dgl. iſt es anzu— rathen, den Boden ebenfalls mit verdünnter Desinfectionsflüſſigkeit zu begießen. Alles Holzwerk mujs völlig geſund und zuvor ſorgfältig und wiederholt imprägniert ſein. Um die aus dem Untergrunde aufſteigende Feuchtigkeit zu beſeitigen, iſt ein Luftraum zwi— ſchen Fehlboden und Auffüllung freizulaſſen und für ausgiebige Ventilation desſelben Sorge zu tragen, indem man entweder die Zimmer— luft oder durch Lufteanäle in der Mauer die Außenluft zu den Kaminen des Gebäudes hin⸗ durchleitet. Hg. Hausſperling, Passer domesticus, Linné. Passer domesticus, Briss. Orn. III., p. 72 (1760); Fringilla domestica, L. Syst. Nat. I., p. 323 (1766); Passer domesticus (L.), Koch, Bayer. Zool. I., p. 219 (1816); Pyrgita domestica (L.), Boie, Isis, 1822, p. 554; Pyrgita pagorum, Chr. L. Brehm. Vögel Deutſchl., p. 265 (1831); Pyrgita ru- stica, idem, ibidem, p. 266; Passer indicus, Jardine et Selby, III. Orn. III., pl. 118; Passer arboreus, Licht., fide Bp. Comp. Gen. Av. I., p. 510 (1850); Pyrgita valida, Chr. L. Brehm, Vogelfang, p. 98 (1855); Pyrgita minor, idem, ibidem; Pyrgita brachyrhynchos, idem, ibidem; Pyrgita intercedens, idem, ibidem; Passer rufidorsalis, P. rufidorsalis megarhynchus und microrhynehus, Chr. L. Brehm, Nau— mannia, 1856, p. 376; Passer tingitanus, Bp. Cat. Parzud., p. 18 (1856); Pyrgita cahirina, Pr. Württ., Icon. ined. fide Heuglin, J. f. O. 1867, p. 299; Pyrgita pectoralis, idem, ibidem; Pyrgita melanorhynchus, Pr. Württ., Samml. Mergenth. fide Heuglin, Orn. Nordoſtafr. I., p. 628 (1871); Pyrgita castaneus, idem, ibi- dem; Pyrgita castanotus, idem, ibidem. Abbildungen: 1. Bogel. Naumann, Vög. Deutſchl., T. 115; Dreſſer, Birds of Europe, vol. III, pl. 176, Fig. 1. — 2. Eier. Bädecker, Die Eier der europäiſchen Vögel, T. 12, Nr. 7; Thienemann, T. XXXIV, Fig. 15, a— e; Seebohm, A History of brit. birds, vol. II, pl. 13. Sperling, gemeiner Sperling, Hofſperling, Rauchſperling, Faulſperling, Kornſperling, Spaarling, Spar, Sperk, Spatz, Hausſpatz, Dieb, Hausdieb, Speicherdieb, Felddieb, Gerſten— 117 Kornwerfer, Hausfink, Miſtſink, Lüning, eps. Armen.: Zit, Tschutschguch; böhm.: Vrabec domäci; dän.: Graaspurv; engl.: Com- mon sparrow; ehſtn.: Wärblane; finn.: Koti- varpunen; frz.: Moineau domestique; gäl.: Gealbhan; grufin.: Begura in Imeretien, Tschiwtschawi in Kachetien, Schinauri-tschiti in Kartli; holl.: Musch; ital.: Passera oltre- montana, Passera, Passerot, Passarin, Passa- ron de Francia, Passera franzesa, Passara forestiera, Celega, Passare, Passarat, Cele- gato, Celega, Panegarol, Campagnol, Passua de passaggio; croat.: Domaci vrabac; lett.: Swirbulis, Swipuhris, Tschiggusis; normweg.: Graaspurv; perſ.: Kündshisk; poln.: Wröbel domowy; portug.: Pardal, Gorrion; ruſſ.: Domaschni Worobei; jpan.: Gorrion; ſchwed.: Hussparf; tatar.: Sertscheg, Torgei, Tschip- schik, Sartscha; ungar.: häzi Veréb. Der Hausſperling kommt in ganz Europa vor, ſogar noch nördlich vom Polarkreiſe, in Afrika in Algier, Agypten, Nubien, in Aſien bis zu den Quellen des Amur, in Indien und Burmah, Perſien, Afghaniſtan, Beludſchiſtan, Kaukaſus, Kleinaſien, außerdem iſt er in den verſchiedenſten Ländern künſtlich eingeführt, z. B. in Amerika, Auſtralien, Neuſeeland und vielen Inſeln des atlantiſchen und ſtillen Oceans, ſo daſs man ihn demnächſt ziemlich als Kos— mopoliten betrachten kann. Der Sperling iſt überall dort zu finden, wo Ackerbau getrieben wird, in den großen Städten, in den kleinſten Dörfern, nur den Wald liebt er nicht und fehlt in Walddörfern und einzelnen mitten im Holze liegenden Gehöften; im flachen Lande iſt er häufiger als im Gebirge, in den reichſten Dör— fern und auf den ſchönſten Bauernhöfen hält er ſich am liebſten auf. — Er lebt als unbe— dingter Staudvogel, indem er ſich von ſeinem Geburtsorte höchſtens auf einige Stunden weit entfernt, um im Sommer und Herbſte in großen Scharen die umliegenden Felder abzuſtreifen. Im Winter bei der kalten Jahreszeit kehrt er dann in die Ortſchaften wieder zurück. Die Nachtruhe hält er meiſtens auch an den menſch— lichen Wohnungen, unter Dachtraufen, Schuppen, Hausiperling. 599 in Mauerlöchern ꝛc., auch in hohlen Bäumen oder aufgehängten Niſtkäſten. Häufig beziehen namentlich die Jungen im Sommer ihr Nacht— quartier in dichtbelaubten Bäumen, wo ſie dann in großen Scharen zuſammen übernachten. Im Winter ziehen ſie ſich des Nachts gern in ihre alten Neſter zurück, um ſich beſſer gegen die Kälte ſchützen zu können. Totallänge .. .. 15°50 cm Flügellänge 790 „ Schwanzlänge ... 6˙40 „ ES 185, Schnabel 1 (& aus meiner Sammlung von Braun— ſchweig.) Der Schnabel iſt kreiſelförmig mit wenig eingezogenen Schneiden, etwas nach unten den Unterkiefer überragendem Oberkiefer, der an der Überbiegung einen ſeichten Einſchnitt zeigt, Kiel gerade geſtreckt, Firſte ſanft abwärts gebogen. Der Flügel iſt kurz und ſtumpf abgerundet. Die 1., 2., 3. und 4. Schwinge bilden die Flügelſpitze, die 2., 3. und 4. find auf der Außenfahne bogig eingeſchuürt. 1 288324 HS le MD. Die Füße ſind ſehr kurz und kräftig, die Krallen von mittlerer Länge, flach gebogen, ziemlich ſtumpf zugeſpitzt. Altes Männchen im Frühjahre. Stirn, Kopfplatte und Nacken dunkelaſchgrau, Hinter— hals kaſtanienbraun, häufig mit grau gemiſcht, Rücken hellroſtbraun mit ſchwarz geſtreift, beim lebenden Vogel zu 5 Längsſtreifen ſich anordnend, Unterrücken und Bürzel ſchmutzig aſchgrau mit bräunlicher Zwiſchenmiſchung, von den oberen Flügeldeckfedern die kleinen kaſta— nienbraun, die mittleren weiß (eine deutliche weiße Querbinde bildend), die großen braun— ſchwarz mit hellkaſtanienbraunen breiten Säu— men. Schwingen und Schwanzfedern braun— ſchwarz mit braunen Säumen, die namentlich an den Außenfahnen der Mittel- und Hinter- ſchwingen ſehr breit werden. — Zügel, Umge— bung des Auges und ſchmaler Streif unter demſelben ſchwarz, Kopfſeiten vom Auge bis zum Nacken kaſtanienbraun, darunter die Wan— gen vorn weißlich, hinten weißlichgrau, auch hinter dem Auge mitten im Kaſtanienbraun immer ein kleines weißes Fleckchen, vom Kinn bis zum Kropfe hinab ein großer nach unten zu breiter werdender Fleck, übrige Unterſeite bräunlich weißgrau, in der Mitte der Bruſt am hellſten, an den Seiten grau, die unteren Flügeldeckfedern bräunlich weiß, braun ge— ſchuppt. 5 Bei den jüngeren Männchen iſt der ſchwarze Gurgelfleck nicht ſo groß, das Kaſta— nienbraun an den Kopfſeiten nicht ſo dunkel, die weiße Flügelbinde nicht ſo deutlich. Die Herbſtkleider der Männchen nach der Mauſer zeichnen ſich durch die helleren Federſäume aus, an den grauen Federn gelb— bräunliche, an den weißlichen roſtgelbliche, an den kaſtanienbraunen roſtfarbige, an den ſchwarzen weißgraue Kanten. Das alte Weibchen zeichnet ſich durch ein ziemlich einförmiges graues und bräun— liches Kleid aus. Oberſeite von der Stirn bis zum Nacken mäuſefahl, Rücken und Schul— tern hellbraun, ſchmutzig roſtgelb mit braun— ſchwarzen Längsflecken, die ſich auch zu 5 Streifen beim lebenden Vogel anordnen, übrige Ober— ſeite gelbbräunlichgrau. Kopfſeiten bräunlich lichtgrau mit einem ſchmutzig roſtbräunlich— weißen Streifen über den Augen, ganze Unter— ſeite bräunlich grauweiß, auf der Unterbruſt am hellſten. Schwingen und Schwanzfedern ſind mattgraubraun gefärbt mit lichten gelbbräun— lichen Säumen. Die letzten Schwingen und die Deckfedern ſind dunkler ſchwarzbraun, aber mit ſehr breiten gelbbräunlichen Säumen verſehen, die das Braun faſt verdecken. Untere Flügel— decken ſchmutzig gelblichweiß mit bräunlichen Flecken. Im Herbſt⸗ und Frühlingskleide unter- ſcheiden ſich die Weibchen weniger, bei ſehr alten Weibchen iſt an der Kehle ein ſchwarzer Fleck angedeutet. Die jungen Vögel vor der erſten Mauſer ſehen den Weibchen ſehr ähnlich, bei den Männchen ſind an der Kehle einige ſchwärz— liche Flecken hervorſchimmernd und Oberrücken und Schultern erſcheinen hellbraungelblich, bei den Weibchen fehlen die dunklen Fleckchen an der Kehle. Der Schnabel iſt nach Alter, Jahreszeit und Geſchlecht in der Färbung verſchieden; der— ſelbe iſt beim alten Männchen im Frühjahr tiefblauſchwarz, ſonſt am Oberkiefer röthlich— grau, am Kiel gelblich und nur an der Spitze ſchwärzlich, beim alten Weibchen im Früh— jahre oben dunkelgrau, unten fleiſchfarbig, an der Wurzel gelblich, im Herbſte lichter grau, beim jungen Vogel grau, unten röthlich, an der Wurzel gelblich, in den Mundwinkeln ſchwefelgelb. — Die Füße ſind ſchmutzig fleiſch— farben, bei den alten Vögeln dunkler als bei den jungen, beim alten Männchen gelbbräunlich angeflogen. Die Iris iſt dunkelbraun, bei den jungen Vögeln heller als bei den alten, und hat einen Durchmeſſer von Emm. (Nach 6 Vögeln aus meiner Sammlung, davon 1 von Braunſchweig und 5 aus Trans kaukaſien, die ſich gar nicht von unſeren deut— ſchen Exemplaren unterſcheiden.) Das Gelege beſteht in der Regel aus 5 oder 6, ſelten aus 7, ſehr ſelten aus 8 Eiern. Dieſelben ſind länglich eiförmig oder länglich oval, der Längsdurchmeſſer beträgt durchſchnitt— lich 22˙5 mm, der Querdurchmeſſer 15˙8 mm, die Dopphöhe 10 mm. Sie ſind in der Schale glatt, von kaum merklichem Glanze, ſehr flachem Korn und mit wenig Poren verſehen. Sie zeigen auf bläu lichweißem Grunde tieferliegende aſch— graue und oberflächlichere braune punktförmige Flecken, die in der Regel am ſtumpfen Ende dichter ſtehen, als am ſpitzen Ende. In der Form der Flecken von rundlichen Punkten bis zu kleinen Schmitzchen zeigen ſich ſehr viele Ab— änderungen. Auch der Grund des Eies hat häufig einen blaugrünlichen oder röthlichweißen Schein. 6 In der Bauweiſe der Neſter zeigt der Sperling große Verſchiedenheiten. In der Regel baut der Sperling ſein Neſt an den Häuſern unter den Ziegeln an den Dachrinnen, unter 600 Hausſpitzmaus. — Haut. Dachſparren oder Balken, immer von außen her zugänglich, oder in Mauerlöcher, hohle Bäume, alte Hausſchwalbenneſter, künſtliche Niſtkäſten, ſog. Taubenräder 2. — Bisweilen legen ſie aber ihre Neſter in grünen Bäumen an, u. zw. colonienweiſe, am liebſten in ſolchen mit immergrünem Laube, z. B. in dichten, an Mauern ſich hinaufziehenden Epheubäumen. Mit Vorliebe findet man die Neſter in großen, aus Holzreifen aufgebauten Horſten, z. B. in Storchneſtern; ich fand ſie auch im Walde in hohen alten Raubvogelhorſten in den Seiten— wänden. Zuweilen ſuchen ſie ſich die ſeltſamſten Brutplätze aus; jo erzählt Naumann, dafs fie in dem anhaltiniſchen Dorfe Baasdorf in einem tiefen Ziehbrunnen in den Steinlücken bis faſt zum Waſſerſpiegel hinab ihre Neſter anlegten, u. zw. in ſolcher Menge, daſs man ſie zur Reinhaltung des Waſſers vertreiben muſßste. Vortrefflich verſtehen fie es, ſich den gegebenen Verhältniſſen anzubequemen; ſo er— zählt Dixon, daſs fie auf der ſchottiſchen Inſel Sky bei Portree in den Ginſterbüſchen, nur wenige Fuß von der Erde entfernt, brüten. Ich habe die Brutplätze bei meinem Aufenthalt in Portree nicht ſelbſt geſehen, finde es aber be— greiflich, daſs diejenigen Sperlinge, die frei am liebſten in Bäumen brüten würden, ſich in die Ginſter zurückziehen, da es auf der ganzen Inſel keine Wälder gibt und ſelbſt das Hoch— wild in der Heide und den Ginſtern ſteht. Die Bauart des Neſtes iſt eine ganz ver— ſchiedene, je nachdem dasſelbe in Höhlungen oder im Freien ſteht. In den Höhlungen be— ſteht es aus einem großen Klumpen von Stroh— halmen, Hede, Wolle, Haaren, Federn, Pa— pier, Lappen, Fäden, in dem in der Mitte ein niedlicher, mit Federn hübſch ausgepolſterter Napf angebracht iſt. — Die freiſtehenden Neſter ſind große, unförmliche Klumpen, die an der Seite den Eingang zeigen, alſo den Charakter der Backofenneſter haben. In der Fortpflanzung ſind die Sperlinge außerordentlich thätig; mit den erſten warmen Februartagen wird mit dem Neſtbau begonnen, binnen 13 oder 14 Tagen brüten beide Gatten die Eier aus, 8 Tage nach dem Ausfliegen wird zur nächſten Brut geſchritten, und ſo geht es durch den Sommer hindurch, jo dafs häufig 3—4 Bruten zuſtande kommen. Der Sperling iſt ein kecker, etwas plumper, ungeſchickter, aber außerordentlich kluger Vogel, der ganz auf die menſchliche Geſellſchaft ange— wieſen iſt, in keiner Weiſe aber ſeine Liſt und Verſchlagenheit zum eigenen Schutze vergeſſen hat. Zu allen Jahreszeiten lebt er geſellig, wenn es dabei auch häufig zu den heftigſten Beißereien kommt. Er fliegt etwas ſchwerfällig, aber ziemlich ſchnell, auf kleinere Entfernungen ſchnurrend, auf weitere Entfernung in flachen Bogenlinien. Sein Lockruf iſt ein höchſt charak— teriſtiſches „Schilp, ſchilp“, häufig auch „Schelm, ſchelm“, „Dieb, dieb“ klingend. — „Die, die, die“ ſind ſeine Töne der Zärtlichkeit, bei be— vorſtehender Gefahr ſchnarren ſie „Tarrrrr“. Wenn die Männchen im Frühjahre ihre Ge— ſangsverſuche machen, ſo klingen noch die Töne wie „Zworr, Dürr, tell, dell“ ꝛc. durch, man kann aber von einem eigentlichen Geſange nicht ſprechen. Er nährt ſich hauptſächlich von den Samen unſerer Getreidearten, aber auch von vielen anderen Sämereien, friſchen, jungen Pflanzen— knoſpen, Beeren und allerlei Inſecten und In— ſectenlarven. Im Frühlinge ſuchen ſie von den Blütenknoſpen der Obſtbäume die Raupen und Käfer ab, holen viele Maikäferlarven, Kohl— raupen, Schmetterlinge ꝛc., auf den Erbſen— beeten zerbeißen ſie die jungen Schoten, die reifen Kirſchbäume werden gründlich von ihnen geplündert; das milchreife Getreide iſt ihre Lieblingsnahrung, namentlich der Weizen; im Spätherbſte ſuchen ſie auf den Stoppelfeldern die Abfälle, im Winter ſind ſie wieder bei den Wohnungen und leben von den menſchlichen und thieriſchen Abfällen. Ihr Hauptfeind iſt der Sperber, aber auch die Habichte, Falken und großen Würger, El— ſtern holen manchen Sperling; von dem vier— füßigen Raubzeug, wie Katzen, Marder, Wieſel, werden ſie auch ſtark verfolgt. Junge Vögel laſſen ſich leicht ſchießen und auch fangen, aber alte werden bei öfterem Schießen auf dem Hofe ſehr vorſichtig und gehen ſchwer in die Fallen. Der Nutzen der Sperlinge beſteht in dem beträchtlichen Wegfangen von Inſecten, die un— ſeren Obſtbäumen und Feldfrüchten ſchaden, und darin, dass ſie friſch gebraten eine vorzügliche Speiſe darbieten, auch zur Suppe gekocht delicat ſchmecken. Schaden thun ſie unſeren Getreidefeldern, Gemüſegärten und Kirſchbäu— men. Es iſt ſchwierig, den Nutzen gegen den Schaden richtig abzuwägen, im allgemeinen gelten die Sperlinge für mehr ſchädlich als nützlich. Ich glaube mit Unrecht! Man ſoll den Sperling da, wo er Scha— den thut, fleißig fortjagen und mit dem Gewehr vernichten, aber ihm nicht den Vernichtungs— krieg erklären, wenigſtens nicht in den Län— dern, wo er ſeine urſprünglichen Lebensbedin— gungen hat, wie z. B. in Europa. Anders mögen die Verhältniſſe in denjenigen Ländern liegen, wo er künſtlich eingeführt iſt und ſich nun in erſchreckender Weiſe vermehrt hat, wie z. B. in Nordamerika. Der außerordentlich reg— ſame bekannte amerikaniſche Ornithologe Hart Merriam hat ſeinen dort angerichteten Schaden mit beredten Worten geſchildert und zu einem wohlorganiſierten Vernichtungskrieg aufgefor— dert. Für dort mag es paſſen, für uns iſt es nicht nöthig und würde uns um ein zu Zeiten ſehr nützliches Thier ärmer machen. R. Bl. Hausſpitzmaus, j. Spitzmäuſe. Hſchl. Hauſtorien oder Saugwarzen ſind die— jenigen Organe der Schmarotzerpflanzen, mit welchen ſie in das Innere der Wirtspflanzen eindringen, um dieſen die Nahrung zu ent- ziehen, oder wenn ſie ganz im Inneren der Wirtspflanzen leben, ſo bezeichnet man damit die Myeelfortſätze, welche von den in den In— tercellularräumen vegetierenden Hyphen aus in das Innere der lebenden Zellen entſendet werden. g. Haut, die, weidgerecht nur das Fell der Hirſcharten und des Bären; vgl. Balg, Decke, auswirket und nicht ſtreifet, genennet, Hautbremſen. — Hautgewebe. 601 Schwarte. „Haut heißet des Hirſches, Wildes oder Schweines Fell.“ Täntzer, Jagdgeheim⸗ JR Kopenhagen 1682, fol. XII. Fleming, 1719, I., Anh., fol. 107. — „Im Winter ſind ihre (der Bären) Haare und Häute am dickſten.“ Pärſon, Hirſchger. Jäger, 1734, fol. 22. — „Der Hirſch hat eine Haut.“ Ibid., fol. 79. — „Der Hirſch hat eine Haut und kein Fell.“ „Sie (die Sauen) haben eine Haut und Bor— ſten.“ „Der Bär hat eine Haut und kein Fell.“ „Seine (des Dachſes) Haut iſt trefflich dauer— haft.“ Döbel, Jägerpraktika, Ed. I, 1746, I., fol. 18, 25, 33, 38. — „Bei dem Bär heißet er (der Balg) die Haut. Bei dem Wolf, Fuchs, Biber und Fiſchotter auch alſo, doch einiger Orten ſagt man von dieſen Thieren auch der Balg und beim Wolf und Bären die Decke. Bei dem Dachs: die Schwarte, einiger Orten aber die Haut, Decke. Bei dem Roth-, Tann— und Gemswildpret: die Haut. Bei denen Sauen: die Schwarte, anderſtwo auch: die Haut.“ C. v. Heppe, Aufr. Lehrprinz, p. 207. — „Haut: ſo heißen aller wilden Thiere, die auf dem Bauche aufgeſchärfet und aus der Haut gewirket werden.“ Großkopff, Weidewercks— lexikon, p. 159. — „Haut oder Decke, auf dieſe Art werden aller wilden Thiere Felle, die man ausge⸗ nommen des Dachſes Haut, als welche auch den Namen Schwarte hat.“ Chr. W. v. Heppe, Wohlred. Jäger, p. 199. — „Haut nennt man das Fell des Elen-, Edel-, Dam- und Reh— wildes ... In ein.sen Gegenden wird aber auch die Haut des Rothwildes Decke genannt.“ Hartig, Lexik., p. 247. — „Haut bezeichnet das Fell des nutzbaren Wildes, u. zw jpeciell des Elen⸗, Roth⸗, Dam⸗, Gems- und Rehwildes.“ R. R. v. Dombrowski, Der Fuchs, p. 189. — Bechſtein, Hb. d. Jagdwiſſenſchaft I., p. 101, 127, 128, 146, 226. — D. a. d. Winkell, Hb. f. Jäger I., p. 8; II., p. 102. — Behlen, Wmſpr. 1828, p. 78, und Real⸗ u. Verb.⸗Lexik. III., p. 642. — Die Hohe Jagd, Ulm 1846, I., p. 363. — Laube, Jagdbrevier, p. 282. — Sanders, Wb. I., p. 713. E. v. D. Hautbremſen werden alle jene Bremſen— arten (Dejtriden) genannt, deren Maden (Enger— linge) ſich unter der Oberhaut der Wohnthiere entwickeln und hier zur Bildung von Eiter— beulen Veranlaſſung geben. Es gehören hieher: Hypoderma diana (an Hausthieren und 1 77 artigen Wildthieren), H. bovis (am Rind), H tarandi (am Renthier), H. Actaeon (Rothwild); j. Hypoderma. Hſchl. Hautflügler, ſ. Hymenoptera. Hſchl. Hautgewebe. Die Pflanzengewebe be— dürfen eines Schutzes gegen außen, durch wel— chen die allzu ſchnelle Verdunſtung des Waſſers verhindert, andererſeits das Eindringen ſchäd— licher Einflüſſe von außen abgehalten werden muſßs, während doch in jener Schutzſchicht Ein— richtungen ſich finden müſſen, durch welche der im Inneren gebildete Waſſerdampf nach Bedarf entlaſſen werden kann und zugleich der Ein— tritt oder Austritt von Kohlenſäure oder Sauer— ſtoffgas ermöglicht wird. An jugendlichen Pflanzentheilen beſteht dieſe Haut aus der äußerſten Zellenlage, der Oberhaut oder Epidermis (ſ. Tafel Anatomie des Holzes, I. Bd., Fig. 14e). Die Zellen derſelben ſind untereinander lückenlos, d. h. ohne Inter— cellularräume verbunden, zeigen wenig— ſtens nach außen eine meiſt ſehr ſtark verdickte Wandung und ſind auf der mit der Luft in Berührung tretenden Wandung mehr oder weniger ſtark verkorkt oder euticulariſiert. Die äußerſte zarte Wandungsſchicht, welche am meiſten euticulariſiert iſt und ſich oft als eine zart zuſammenhängende Haut loslöst, wird cuticula oder Oberhäutchen genannt. Die Cuticulariſierung verhindert nicht allein den Ein- und Austritt des Waſſers, und wird dieſer Zweck noch vornehmlich durch die oft ſehr bedeutende Wachsabſonderung gefördert. Das mit den Oberhautzellen ausgeſchiedene Wachs tritt als abwiſchbarer blauer Reif oder als glänzende, die Benetzung durch Waſſer völlig ausſchließende Schicht auf den Blättern und Zweigen hervor. Damit die Oberhaut aber auch die anderen oben erwähnten Aufgaben der Haut erfüllen könne, iſt ſie mit zahlreichen Spaltöffnun— gen verſehen, die natürlich nur da ſich finden, wo es darauf ankommt, die Transſpiration zu ermöglichen und den Gasaustauſch zu erleich— tern. Sie fehlen deshalb an den Wurzeln und ſind auch an ſubmerſen oder unterirdiſchen Sproſſen und Blättern nur in geringer Zahl vorhanden. An den Blättern, an denen ſich eine deutlich ausgeprägte Unterſeite findet, ſtehen ſie nur auf dieſen, z. B. bei Tanne u. ſ. w., während ſie bei ſolchen Blättern, deren beide Seiten nahezu gleich oft dem Lichte zugekehrt ſind, allſeitig zu finden ſind, z. B. bei Kiefer, Fichte, den meiſten Monocotylen. Ihre Zahl iſt eine außerordentlich große, jo daſs ihr Effect trotz ungemein geringer Größe ein dem Bedürfnis der Pflanze genügender iſt. Die Spaltöffnung iſt nichts als ein Inter cellularraum zwiſchen den Zellen der Oberhaut, welcher von zwei meiſt nierenförmigen Zellen, den Schließzellen, umgeben iſt und durch Form— veränderungen dieſer ſich öffnen und ſchließen kann. Der Apparat öffnet ſich bei Licht und reichlicher Waſſerzufuhr, er ſchließt ſich im Dunkeln und bei Waſſermangel. Unter demſelben befindet ſich ein großer Intercellularraum, die Athemhöhle, in welche die meiſt ſehr weiten Intercellularcanäle münden, welche das ganze Zellgewebe der Blätter, inſoweit es an dem Aſſimilationsproceſs theilnimmt, durchziehen. Die einzelnen Zellen des Blattfleiſches, Meſo— phyll genannt, verdunſten Waſſer in dieſe In— tercellularräume und von dieſen aus theilt ſich der Waſſerdampf durch die Spaltöffnungen der Atmoſphäre mit. An den Rändern der Blätter finden ſich ſehr oft beſonders gebaute Spalt— öffnungen, Waſſerſpalten, deren Schließzellen unbeweglich, deren Athemhöhlen mit Waſſer er⸗ füllt ſind und aus denen bei lebhafter Waſſer— aufnahme durch die Wurzeln und feuchter Atmo— ſphäre das Waſſer in Tropfenform austritt, Thränen. Sehr oft verlängern ſich die Epidermis— zellen nach außen zu Haarbildungen der verſchiedenartigſten Geſtalt. Ein beſonderes In— 602 tereſſe beanſpruchen die Wurzelhaare, ein— fache, zartwandige, relativ lange Verlängerun— gen der Epidermiszellen zarter Wurzeln, welche erſt hinter dem ſich noch ſtreckenden Theile der Wurzelſpitze entſtehen und meiſt jchon einige Centimeter hinter der Spitze wieder abſterben und verſchwinden. Durch dieſe Wurzelhaare, deren Außenwand mit den feinſten Erdtheilchen gleichſam verwächst, wird die Oberfläche der Wurzel, welche imſtande iſt, Waſſer und mine— raliſche Nährſtoffe aufzunehmen, um das Viel— fache vergrößert. Andere Haare, insbeſondere die Wollhaare, dienen den Knoſpen und jungen Blättern als Schutzmittel gegen Froſt, gegen directe Sonnenwirkung, gegen Infection durch Pilzſporen, gegen Inſectenangriffe u. ſ. w. Die Drüſenhaare dienen zur Ausſonderung von Secreten, z. B. Gummi, Harze, Ole, Riechſtoffe, die den verſchiedenſten Zwecken im Pflanzen— leben dienen. Als Schutzorgane oder als Kletter— organe dienen die Stachelhaare, während die Digeſtionshaare durch Ausſcheidung peptoni— ſierender, verdauender Säfte zur Ernährung der Pflanzen beitragen (Drosera), indem fie in ihr Bereich gelangende kleinere Thiere auflöſen und gleichſam verzehren. Auch als Flugorgane dienen die Haare bei vielen Sämereien u. ſ. w. Die Epidermis kann ihren Functionen nur an jüngeren Pflanzentheilen in befriedigender Weiſe obliegen, während mehrjährige Aſte, Zweige und Schäfte der Bäume eines ausgie— bigeren Schutzmittels bedürfen. Sie erhält ſich durch Zelltheilung deshalb nur bei wenigen Bäumen, z. B. Ilex, Acer Negundo u. ſ. w., eine Reihe von Jahren unverletzt, während ſie bei den meiſten Holzpflanzen ſchon am einjährigen Zweige in der Regel an vielen Stellen platzt (Fig. 146) und wohl ganz verloren geht, nach— dem zuvor ein neues Hautgewebe, das Peri— derm oder die Korkhaut, ſich im Umfange der Sproſsachſe gebildet hat (Fig. 14 p). Dieſe aus verkorkten Zellen beſtehende Hautſchicht iſt in den meiſten Fällen, z. B. auch bei der Roth— buche, von geringer Dicke, zuweilen aber bildet ſie eine mächtige Schicht, welche ſelbſt techniſche Verwertung geſtattet (Korkeiche). Das Periderm entſteht ſchon zur Zeit, in welcher die Epidermis noch unverletzt und lebend iſt, dadurch, daſs entweder die Epider— miszellen ſelbſt oder eine unmittelbar darunter liegende Zellſchicht der Rinde oder eine tiefer im Rindengewebe befindliche Lage von Rinden— zellen durch tangentiale Zelltheilung ein Kork— cambium bildet, welches Phellogen oder Kork— mutterſchicht genannt wird. Dieſes Cambium ſchnürt nun nacheinander Zellen nach außen ab, welche alsbald verkorken und abſterben und Kork, Phellem, genannt werden, während die theilungsfähige Zelllage, allerdings meiſt in beſchränktem Grade, auch einige Zellen nach innen abſchnürt, die lebend bleiben, die grüne Rinde gewiſſermaßen verdicken und Phelloderma genannt werden. Die älteſten, nach außen gelegenen Kork— zellen werden im Laufe der Zeit mit der Um— fangszunahme ausgedehnt und ſchülfern endlich mehr einzeln oder fetzenweiſe ab, oder es löſen ſich wohl ganze Schichten gleichſam wie Hautgewebe. Papierblätter ab. Das letztere erfolgt beſonders dann, wenn die Korkſchicht abwechſelnde Schich— ten dick- und dünnwandiger Zellen zeigt, wie die Birke, der Kirſchbaum u. ſ. w. Das Korf- cambium vergrößert ſich dem Dickenwachsthum der Sproſsachſe entſprechend durch Zelltheilung in radialer Richtung. Auf den erſten Blick gibt ſich bei mikroſkopiſcher Betrachtung die Kork— probe durch radiale Anordnung der Zellen von dem Rindengewebe zu erkennen. Die Korkhaut wird zu einem ausgezeichneten Schutz der in— neren Gewebe dadurch, daſs deren Zellen wie die der Epidermis lückenlos, d. h. ohne Inter— cellularräume untereinander verbunden, und daſs ihre Wandungen verkorkt ſind. Die Wan— dungen, deren Dicke nach Holzart ſehr ver— ſchieden und, wie ſchon erwähnt, bei der— ſelben Holzart oft ſchichtenweiſe ungleich iſt, find entweder farblos oder bräunlich. Der In- halt der Zellen iſt im Tode Luft und oft eine bräunliche Subſtanz. Bei Betula enthalten die dünnwandigen Lagen der geſchichteten Korkhaut farbloſe Körnchen einer harzigen Subſtanz, das Betulin, und erſcheinen die Lagen dadurch weiß gefärbt. Wo ſich frühzeitig üppige Korkkruſten bil— den, treten dieſe nicht gleichmäßig im ganzen Umfange des Zweiges auf, ſondern die Kork— production iſt in Längsſtreifen ungleich aus— giebig, jo daſss ſich flügelartige Vorſprünge bilden, z. B. Evonymus, Acer campestre, Ul- mus suberosa, Quercus Suber. An den Wur- zeln tritt die Korkhaut nicht unmittelbar unter der Oberhaut, ſondern entfernt davon auf der Grenze der Rinde und des Gefäßbündelkreiſes auf. Hier befindet ſich vom Anfang an eine morphologiſch eigenartig ausgebildete Zellſchicht, die Endodermis oder Wurzelſcheide, von der die Entſtehung einer Peridermhaut ausgeht. Sobald dieſe entſtanden iſt, ſtirbt das nach außen gelegene ſaftige Rindengewebe der Wurzel ab, ſchrumpft zuſammen, und nun verdünnt ſich die Wurzel, womit die ſaftigen Wurzelſpitzen, die ſog. Saftwürzelchen, verloren gehen. Bei manchen Bäumen, z. B. Fagus, iſt das Periderm bis zum höchſten Lebensalter die einzige Hautbildung, weshalb dieſe Bäume eine glatte Rinde behalten. Bei den meiſten Holzarten tritt früher oder ſpäter die Borke an die Stelle der Korkhaut. Man unterſcheidet zwei Gruppen von Borkenbildun— gen, nämlich die Ringelborke und die Schuppenborke. Die Ringelborke kommt da— durch zuſtande, daſs ſich alljährlich durch gewiſſe längere Zeiträume im ganzen ben ; des Stammes ein Korkmantel im lebenden Ninden- gewebe und ſpäter im Baſtgewebe bildet, durch welchen dann alle nach außen gelegenen Gewebe zum Abſterben und Vertrocknen gebracht werden, während vom Cambium aus neues Baſtgewebe gebildet wird. Die abgeſtorbenen Rindenſchichten müſſen dann mit der Zunahme der Stamm- dicke der Länge nach aufreißen und bilden je nach der Beſchaffenheit der Organe der Rinde entweder weiche, anliegende Mäntel mit Längs- riſſen, z. B. bei Thuja, oder faſerige, ſich ſpäter von der Unterlage ablöſende und iſolierende Schichten, z. B. bei Vitis. n N Br Hauttalg. 603 Weit häufiger iſt die Schuppenborke, ſür welche Platane, Bergahorn, Eiche und Fichte (Fig. 12) die auffälligſten Beiſpiele darbieten. Aus dem lebenden Rindengewebe (Fig 12a) löſen ſich kleinere, oft aber handgroße Platten bb von ein oder mehreren Millimetern Dicke ab, nachdem ſich zuvor auf der Grenze der lebenden Rinde und der abſterbenden Platte oder Schuppe eine Korkſchicht gebildet hat. Be— ſteht dieſe Korkſchicht aus dünnwandigen, leicht reißbaren Zellen, dann ſtößt der Baum die Platten von ſelbſt ab, ſobald zur Zeit des lebhafteſten Dickenwachsthums im Sommer die Aus dehnungsfähigkeit der todten Korkzellſchicht aufhört, wie bei obengenannten Holzarten. Wenn dagegen die Korkſchichte auf der Grenze zwiſchen Schuppe und Rinde aus dickwandigen Zellen beſteht, ſo bilden ſie eher noch einen feſten Verbindungskitt der einzelnen Schuppen. Dieſe bleiben nach ihrem Tode im feſten Zu— ſammenhange, und es entſteht ſo mit der nach innen immer fortſchreitenden Schuppenbildung eine oftmals ſehr dicke todte Borke, bei deren Durchſchneiden man ſofort die Zuſammenſetzung aus Schuppen erkennen kann. Die Verdickung des Stammes hat zur Folge, dafs Längsriſſe in der Borke ſelbſt entſtehen. Die mannigfachen Verſchiedenheiten der Borke unſerer Bäume ſteht einmal im Zuſammenhang mit der großen Mannigfaltigkeit in der Beſchaffenheit der Korkſchichte ſelbſt, andererſeits mit dem Bau der Rindengewebe, welche das Innere der Borken— ſchuppen ausmachen. Sowohl das Periderm, als auch die Borke bilden einen ſehr ausgiebigen Schutzmantel, welcher das Vertrocknen der lebenden Gewebe verhindert und dieſe gegen nachtheilige äußere Einflüſſe verwahrt. Da aber die Proceſſe des Lebens in allen Theilen eines Baumes gebunden find an die Möglichkeit der Athmung, d. h. des Zutrittes von Sauerſtoff und der Verbrennung eines kleinen Theiles der Subſtanz zu Kohlen— ſäure, ſo bedürfen auch dieſe Arten von Haut der Athmungsorgane, durch welche die Binnen— luft mit der Atmoſphäre in Verbindung ſteht. Dieſe Athmungsorgane ſind die Korkwarzen oder Lenticellen (Fig. 14b). In der Kork— haut finden ſich mehr oder weniger zahlreiche Stellen, an denen die Korkzellen nicht lückenlos verbunden, ſondern mit Intercellularräumen verſehen ſind, welche zur Vegetationszeit eine offene Communication mit der Außenluft er— möglichen, wie dies in der Epidermis durch die Spaltöffnungen geſchieht. Das Phellogen der Korkhaut erzeugt an dieſen Stellen, die Kork— warzen genannt werden, mehr abgerundete Korkzellen, die ſich oft ganz voneinander trennen und als Füllzellen die Korkwarze aus— füllen. Sie ſind quellungsfähig, ſcheinen nicht oder doch erſt ſpät und theilweiſe zu verkorken und treten zumal, wenn ihnen Gelegenheit ge— boten wird, Waſſer aufzunehmen, nach außen warzenförmig hervor. In der Regel am Schluſſe jeder Vegetationsperiode bildet ſich eine lücken— loſe Schicht aus dem Lenticellencambium, welche als Verſchluſsſchicht bezeichnet wird, weil ſie im Winter die Lenticelle verſchließt. Im Früh— jahre, nach Eintritt der Belaubung, wird ſie wieder geſprengt dadurch, daſs von dem Lenti— cellencambium aus wieder rundliche Füllzellen gebildet werden, welche nach außen einen Druck ausüben. Bei ſehr mächtigen Korkſchichten, z. B. beim Kork der Korkeiche, bilden dieſe Athmungsorgane Canäle, welche in radialer Richtung den Kork durchſetzen und mit den dunkelbraunen Füll— zellen nur theilweiſe ausgefüllt ſind. Die äußere Geſtalt der ſchon am einjährigen Triebe ſich bildenden Lenticellen iſt nach Holzart ſehr ver— ſchieden. Entweder bleiben ſie auch in der Folge mehr rundlich und klein, wenn nämlich das Lenticellencambium an der Vergrößerung des Phellogens der ganzen Korkhaut nicht oder nur beſchränkt theilnimmt, oder ſie vergrößern ſich mit der Umfangszunahme des Stammes, indem auch ihr Cambium durch Zelltheilung wie das allgemeine Phellogen der Korkhaut ſich ver— größert. Da dieſe Böen der ganzen Kork— haut nur Folge des Dickenwachsthums des Stammes iſt, ſo nehmen die Lenticellen die Geſtalt mehr oder weniger langer horizontaler Striche an, die am auffälligſten bei der Birkenkorkhaut hervortreten. Wird die Korkhaut durch Borke erſetzt, ſo entſtehen immer neue Lenticellen in der jüngſten, innerſten Korkſchicht, u. zw. bei ſolchen Bäumen, welche die Borkenplatten ab— werfen, wie Platanen, auf der ganzen Ober— fläche, bei Bäumen mit bleibenden Borkenſchuppen nur in dem Grunde der Borkenriſſe, jo dass alſo ein alter Baum auch mit ſtarker Borke noch in den Längsriſſen der Borke zu athmen vermag. Korkbildung tritt auch da im Pflanzen— körper auf, wo derſelbe ſich vorbereitet, einen Gewebstheil, ſei es Blatt oder Sproſsachſe, ab— zuſtoßen. So entſteht ſchon vor dem Abfall der Blätter eine Korkſchicht da, wo künftig die Blattſtielnarbe ſich findet, und ebenſolche innere Korkbildung tritt vor Entſtehung der A b⸗ ſprünge ein. Endlich aber ſehen wir eine Kork— haut überall da entſtehen, wo lebende Gewebs— theile durch mechaniſche Verletzungen bloßgelegt oder durch Krankheiten in Berührung mit ab— geſtorbenen Geweben gelangen. Die noch unbe— ſchädigten, der Wundoberfläche zunächſtgelege— nen lebenden Zellen erzeugen durch Zelltheilung zunächſt eine Korkeambiumſchicht, die nun eine ſchützende Korkhaut, das ſog. Wundkork, nahe unter der Oberfläche des verletzten Pflanzentheils bildet. Bei Erkrankungen der Rinde durch para— ſitiſche Pilze entſteht auf der Grenze des ge— ſunden und todten Gewebes eine Korkſchicht, die entweder dauernd dem Fortſchreiten der Krankheit eine Grenze ſetzt oder, wie z. B. bei dem Lärchenkrebs, alljährlich im Frühſommer neu gebildet wird, nachdem der Paraſit zur Zeit der Vegetationsruhe der Lärche ſich im Rindengewebe weiterverbreitet hat. Hg. Hauttalg bildet, friſch von den Haarbalg— drüſen abgeſondert, eine ölige, halbflüſſige Maſſe, die bald zu einem weißen Talg erſtarrt, der aus einem caſeinartigen Eiweißkörper, flüſſigem und feſtem Fett, Choleſterin und anorganiſchen Salzen, unter welchen beſonders Erd- und 604 Alkaliphosphate, ſowie Chloralkalien ſich be— finden, beſteht. v. Gn. Hauungsantrag oder Hiebsantrag, ſiehe Fällungsantrag. v. Gg. Hauungsdispoſition oder Holzſchlags⸗ dispoſition nennt man das Schriftſtück, welches die Hiebsvorſchläge für ein einzelnes Jahr auf Grund des ſpeciellen Hauungsplanes (ſ. d.) feſtſtellt. Vor dem Beginn des neuen Forſtjahres wird der Revierverwalter dieſe Hiebsvorſchläge in einer Überſicht, u. zw. ge— „Der jährliche Etat beſteht in A Im Derbholz, als: wovon Nutzholz, „ „ Reiſig, 5 Stöcke, „ In den Forſtjahren 18 wurden geſchlagen a. jollten geſchlagen werden mithin wurden geſchlagen zu viel „ zu wenig In den Forſtjahren 18 ſollten durchforſtet werden mithin ſind durchforſtet worden zu Es empfiehlt ſich, für die einzelnen Jahre eine entſprechende Vertheilung der Hiebsorte nach den Beſtandsbonitäten eintreten zu laſſen. Nr. Hauungsetat, ſ. Hiebsſatz. Nr. Hauungsnachweis oder Hiebsnachweis, j. Fällungsnachweiſung. v. Gg Hauungsplan kann als allgemeiner und ſpecieller unterſchieden werden. Der allgemeine Hauungsplan iſt durch die Waldeintheilung, bezw. die Hiebszugsbildung gegeben. Der ſpe— cielle Hauungsplan dagegen hat den Zweck, in überſichtlichen Tabellen alle diejenigen Be— ſtände zuſammenzuſtellen, in denen innerhalb des nächſten Wirtſchaftszeitraumes Abtriebe oder theilweiſe Entnahmen (einjchl. Beſtandes— pflege) ſtattfinden. Es iſt zweckmäßig, den Wirt— ſchaftszeitraum nicht höher als auf 10 Jahre zu bemeſſen. Für dieſen Zeitraum werden die Orte für die Abtriebsnutzung und die Zwiſchennutzung getrennt behandelt. In der Abtheilung für die Abtriebsnutzung finden alle diejenigen Orte nach Fläche und Maſſe Aufnahme, welche zum Hiebe kommen ſollen. Die abzutreibende Geſammtfläche geht aus der Hiebsſatzbegründung hervor. Anmerkungsweiſe ſind am Schluſſe die Orte zu nennen, in denen nach Ablauf der Wirtſchaftsperiode weiterge— ſchlagen werden ſoll. Die Flächen müſſen ge— trennt für die einzelnen Hiebsorte angegeben werden. Erſtreckt ſich ein Schlag über mehrere Beſtände, ſo ſind deren Einzelflächen zu ſum— mieren, und wird dann auch die Maſſe ſum— mariſch aufgeführt. Bei den Kahlſchlägen im Hoch- und Niederwalde kommt die ganze Fläche, bei den Plenterſchlägen nur die nach der Maſſen- | Hauungsantrag. — Hauungsplan. trennt nach Abtriebsnutzung und Zwiſchennutzung dem Inſpectionsbeamten zur Kenntnisnahme, bezw. Genehmigung vorlegen. Es empfiehlt ſich, in den Kopf dieſer Überſichten aufzunehmen: Forſtort, Art der Nutzung, Größe des Schlages oder Ortes, ungefährer Ertrag an Derbholz und Reiſig nach Feſtmetern, u. zw. getrennt für Laubholz und Nadelholz. Außerdem iſt es zweckmäßig, auf dem Titelblatt der Überſicht in nachſtehender Weiſe einen Vergleich zu führen: fi r fm N. . „ „ 3 a EN. n rm „„ — b rm " e fm L. fm N. 4 f W „ „ „„ 1 77 EZ n nn „ " 1 N „ „„ a bee ha entnahme reducierte Fläche in Anja. Für die letzteren ſoll die ganze Fläche in Parentheſe zu— gefügt werden. Bei dem Mittelwald iſt die ganze Fläche und nicht die nach Maßgabe der Oberholzent— nahme reducierte einzuſchreiben, da ſich hier die Schlageintheilung auf das Unterholz bezieht. Ebenſo mujs auch beim eigentlichen Plenter— betrieb die ganze Fläche angenommen werden, inſoferne es ſich dabei um eine Schlageintheilung handelt; doch iſt räthlich, außerdem den Procent- ſatz der Maſſenentnahme hinzuzufügen. Die Summe der Hiebsfläche im Hauungsplan gibt zu⸗ gleich die Verjüngungsfläche für den Culturplan. Um einen jährlichen Erfolgseintrag in dem Hauungsplan zu ermöglichen, iſt es zweck— mäßig, demſelben die Einrichtung zu geben, daſs auf der linken Seite des Bogens ſtets der wirkliche Plan ſteht, wahrend die rechte Seite jür die Ausführung beſtimmt iſt. Planwidrige Hiebe — Vorhauungen — ſind mit rother Tinte, natürlich nur bei der Ausführung, einzuſchreiben. Für die Zwiſchennutzung empfiehlt ſich im Hauungsplan die Aufnahme von 2 Tabellen. Die erſte hat den Durchforſtungsplan zu umfaſſen. Es iſt zweckmäßig, darin die Beſtände und Beſtandtheile, welche im vorliegenden Jahr— zehnt durchforſtet werden ſollen, einzeln aufzu⸗ führen. Aus der Flächenſumme läſst ſich die jährliche Durchforſtungsfläche ableiten, abgeſehen von dem Umſtande, daſs manche Beſtände mehr als einmal innerhalb eines Jahrzehnts zu durchforſten ſind. Am Schluſſe eines jeden Jahres wird, wie bei der Abtriebsnutzung, die erfolgte Ausführung eingetragen. Es kann aber Hauungsproject. — Hebegabel. 605 hier außer der Fläche auch noch die Maſſe ge- bucht werden. Letztere iſt am beſten für Laub— holz mit rother, für Nadelholz mit ſchwarzer Tinte anzugeben. Bei außerplanmäßigen Durch— forſtungen iſt Forſtort, Jahreszahl und Fläche roth zu ſchreiben. Die zweite Tabelle der Zwiſchennutzung iſt für die Räumungen und Läuterungen anzulegen. Es genügt hier die Bezeichnung des Beſtandes und der Art der Wirtſchaftsmaßregel. Bei der Ausführung trägt man das Jahr und die Maſſe (Laubholz roth, Nadelholz ſchwarz) ein. Die Orte, in denen außer— planmäßige Entnahmen ſtattgefunden haben, be— kommen einen rothen Eintrag für Bezeichnung und Jahreszahl. Bei der Zwiſchennutzung würden nun noch die zufälligen Erträge zu erwähnen ſein. Für dieſelben läſst ſich nicht wohl eine Tabelle aufſtellen. Es genügt aber auch, wenn deren Ausfall ſummariſch in der Hiebsſatzbe— gründung veranſchlagt wird. Am Schluſſe des Hauungsplanes iſt eine Wiederholung für die Abtriebs- und Zwiſchen— nutzung anzufügen, um einen Überblick der Ge— ſammtnutzung zu gewähren. Außerdem hat dort die Zerfällung des Jahresetats in die Sortimente platzzunehmen. Zur Verdeutlichung des Geſagten wird noch ein mit Probeeintrag verſehenes Schema für den Hauungsplan — in Anlehnung an die im Königreich Sachſen ge— bräuchlichen Formulare — hinzugefügt. Siehe Tabellen auf p. 606 bis 608. Nr. Hauungsproject nennt man entweder die Hauungsdispoſition (ſ. d.), oder den Entwurf zum Hauungsplan. Nr. Hauyn, ein Mineral des regulären Sy— ſtems, iſt Silicat und Sulfat zugleich (3. B. 2 Na Alz Si. Os + CaS0O,) und zeichnet ſich durch ſeine ſchöne, meiſt himmel— blaue bis laſurblaue Färbung aus. Es kommt im Trachyt, Phonolith und in Laven als acceſ— ſoriſcher Gemengtheil vor; Laacher See, Albaner— gebirge, Veſuv. v. O. Hazzi, Joſef v., geboren 12. Februar 1768 in Abensberg (Niederbayern), geſtorben 31. Mai 1845 auf ſeinem Gute Olkofen (Ober— bayern), ſtudierte auf der Univerſität Ingolſtadt Jurisprudenz, prakticierte bei dem Landgerichte in Abensberg, kehrte aber dann wieder nach Ingolſtadt zurück, um ſich als Licentiat der Rechtswiſſenſchaft zu habilitieren, nahm in— deſſen ſchon 1793 die Ernennung zum Fiscal— rath in München an. Einige Jahre darauf trat er in das De— partement des Forſtweſens ein, machte ausge— dehnte Dienſtreiſen nach Sachſen, Oſterreich ꝛc. und übernahm 1799 das Amt eines General— landesdirectionsrathes. Bei dem noch in dem— ſelben Jahre erfolgten Einfall der Franzoſen in Bayern wurde er dieſen als Marſchcom— miſſär zur Verfügung geſtellt; hiebei erwarb ih Hazzi ſolche Anerkennung, daſs er auf Ein- ladung des Generals Moreau Frankreich be— reiste, um die dortigen Verhältniſſe kennen zu lernen. Als ſeine Wirkſamkeit in Bayern auf Widerſtand ſtieß (Verkauf der Staatswaldun— gen!), folgte er 1806 einer Aufforderung Na— poleons und übernahm die Einführung fran— zöſiſcher Inſtitutionen im neu errichteten Groß— 77 herzogthum Berg. Während dieſer Zeit hatte er ſeinen Wohnſitz als Polizeidirector in Berlin, dann als Staatsrath in Düſſeldorf und zuletzt bis 1811 in Paris. Nach Bayern zurück— gekehrt, wurde Hazzi 1813 als Rath bei der Centralſtaatsſchuldenliquidationscommiſſion für die ſchwäbiſchen Kreiſe angeſtellt, 1816 in den Adelsſtand erhoben und zum Staatsrath, ſowie zum Vorſitzenden der Landesbaucommiſſion, ſpäter auch des landwirtſchaftlichen Vereines zu München ernannt. 1837 legte er ſeine Fune— tionen nieder und zog ſich auf ſein Landgut Olkofen zurück, um hier feine ſchon 1801 begon- nene literariſche Thätigkeit ungeſtört fortzuſetzen. Hazzi war ein begeiſterter Anhänger der Ideen Adam Smiths, welche er auf allen Ge— bieten der Bodenproduction mit Energie und Geſchick, theilweiſe auch mit Übereilung durch— zuführen ſuchte. Für die Emancipation der Landwirtſchaft von allen Feſſeln wirkte er auf dem Weg der Geſetzgebung und Verwaltung, aber auch durch ausgedehnte literariſche Thätig— keit; er war ein Hauptförderer des landwirt— ſchaftlichen Vereinslebens. In forſtlicher Be— ziehung iſt er bekannt als einer der eifrigſten Vorkämpfer für den Staatswaldverkauf und die Aufhebung der Beaufſichtigung der Privat- und Gemeindeforſtwirtſchaft; es gelang ihm, den Verkauf von mehr als 4000 ha bayriſche Staats— waldungen durchzuführen. Seine zahlreichen Schriften ſind meiſt land— wirtſchaftlichen Inhalts; forſtliches Intereſſe beſitzen hauptſächlich folgende: Statiſtiſche Auf— ſchlüſſe über das Herzogthum Bayern, 1801 bis 1809; Über das Rechtliche und Gemeinnützige bei Cultur und Abtheilung der Weiden und Gemeindewaldungen in Bayern, 1802; Kate— chismus der bayriſchen Landesculturgeſetze ſammt einem Unterricht in der Landwirtſchaft, deren Holz- und Forftcultur, 1804—1806; Die echten Anſichten der Waldungen und Förſte gegenwärtig über das Zweckwidrige und Unge— rechte des Forſtregals oder der Forſtpolizey mit Vorſchlägen der nöthigen Reformen, 2 Bde.; Die echten Anſichten der Waldungen und Förſte gegenwärtig über das Gemeinſchädliche der Beybehaltung der Staatsförſte oder der ſog. Cameralforſtregie mit dem Detail der bayriſchen Cameralforſtſtatiſtik im allgemeinen, 1805; Ge— krönte Preisſchrift über Güterarrondierung mit der Geſchichte der Cultur und Landwirtſchaft von Deutſchland, 1818. Von 1818 bis 1837 war Hazzi Redacteur des Wochenblattes des bayriſchen landwirtſchaftlichen Vereines. Schw. Hebegabel, die, Inſtrument zum Zeug— ſtellen, ſ. Jagdzeug. „Eine Hebegabel, damit die Tücher auf die Farkeln gehoben werden.“ Täntzer, Jagdgeheimniſſe, Kopenhagen 1682, fol. 64. — „Sie (die Jäger) ſetzen Furckeln und heben die Oberleine mit Hebe-Gabeln zugleich auch in die Furckeln.“ Fleming, T. J, 1719, I., fol. 220. — Göchhauſen, Notabilia venatoris, Ulm 1734, p. 225. — C. v. Heppe, Aufr. Lehrprinz, 1751, p. 139. — Mellin, Anwſg. z. Anlage v. Wildbahnen, Berlin 1777, fol. 235. — Großkopff, Weidewerckslexikon, p. 159. — D. a. d. Winkell, Hb. f Jäger I, p. 411. — Hartig, Lexik., p. 248. E v. D. 606 Hauungsplan. 1 Hauungs- Abt pie bes un ß eng Maſſe in Feſtmetern Beſtandsart, 8 1 ee ganz] Fläche — —— Forſtort auch 50 oder Laubholz Nadelholz Bemerkungen tätsclaſſe davon na über- |, 13 über ni haupt haupt dar⸗ aus 1c 15. X. 3. davonſ 7 — | 50 350 | 460 | 3220| In 2 Schlägen. Gut beſchaffene Buchen im Gruppen zur Miſchung im künftigen Beſtand überzuhalten. 00 2 9 4 „ | 20 200] Ein 10 m breiter Los— „ n hieb am Wege ſofort zu l führen. 4 d Dae 4 — . e 300 1200 5% A 1 275 . . 680 1870] Die Hälfte von 5 e. 10 € „ IX. 8 Jan 3.953 5 3 800 2840] Plenterſchlag unter e 171770) Entnahme von 0°5 der er und jo weiter Maſſe. Summe „ „„ eee ieee 12370 Hauungs- Zwiſchen⸗ Durchforſtungsplan Beſtandsart, Fläck 9 8 7 2 5 Fläche Forſtort er are 1 05 en Bemerkungen Bonitätsclaſſe ha a 1 d Fi I 6. ganz 3 = Unter gleichzeitiger Entnahme der Birken. 2 b „ davon 2 58 Außer dem Hiebstheil. 0 „ ganz 5 12 3b l 7 3 68 0 a N 5 3 52 4 a W davon 4 61 N g * ; * Außer dem Hiebstheil. b N 3 2 42 8 x 0 ee. ganz 6 — a 4 i 5 1 70 War DOT eee Summe ö 5 93 | 37 | Hauungsplan. 607 plan. Abtriebs nutzung Nachweis über die ſtattgehabte Ausführung g 188 8 889 189 10: 92 189 19: 895 96 Bezeich- 18871 1888] 1889 | 1890 | 1891 | 18 1893 | 1894 | 1895 | 1896 nung ha a ha Summe alha| aha a ha] a ha a ha] a ha] a ha] a ha] a Probeeintrag: 2 a PDF 24 b r! 32 4 d — 20 Vorhauung durch Windbruch e (roth!) plan. nutzung Ausführung Fläch Derbholz Reiſi S äche m e umme Jahr 5 Nutzholz Brennholz ſig Bemerkungen \ ha a fm | fm fm {m Probeeintrag: | 1887 3 68 20˙18 20•00 20:00 6018 1 | 200 15:00 19:60 5470 1887 2 = | . 4:00 2:50 6:50 (roth!) 40 1887 — 20 1:00 1:00 2:00 400 | Außerplanmäßig im (roth! (roth!) (roth! Vorwuchshorſt (roth 608 | Hebegeſchirre. — Heben. 8 Hauungsplan. Zwiſchen nutzung 2 5 Ausführung — Läuterung, Räu- 5 = Ertragf$ tr 8 mung 2. Jahr 1 f fm kungen Probeeintrag: 2 d | Entnahme der Birken 18877050 (roth!) 3 a Desgl. 4 e [Läuterung von Weich— hölzern 6a] Begünſtigung der wüchſigen Eichen und Eſchen durch Köpfen von Fichten 10 b Räumung des Ge— ſtrüpps Hebegeſchirre, ſ. Werkzeuge. 2% Hebel, ſ. Maſchinen. Sehelverfhfufs bezeichnet bei ahltonbene den Läufen (Lefaucheux) diejenige in vielfachen Modificationen vorkommende Einrichtung, bei welcher der das feſte Anziehen bewirkende be— wegliche Theil (Sperrſchieber) nicht durch Feder— kraft, ſondern durch den Schützen mittelſt eines Hebels (auch Schlüſſel genannt) gehandhabt wird. Dieſer Hebel kann ſowohl an der unteren Seite des Gewehres, u. zw. entweder an der Basküle parallel mit den Läufen (meiſt Armand— ſyſtem genannt) oder den Abzusgbügel umfaſſend, bezüglich auch denſelben erſetzend (Bügelver— ſchluſs) angebracht ſein, oder er liegt, wie bei Hauungsplan. Geſammtnutzung Maſſe in Feſtmetern Größe der zu verjüngen⸗ : den Fläche Bemerkungen Laub- Nadel- zu⸗ ha a Holz | holz ſammen Wiederholung 24 | 50 33012040 12570 Abtriebsnutzung 1700 2260] 2430| Zwiſchennutzung 100 14300 15000) Geſammtnutzung Jährlicher Etat für die 10 Jahre 1896 1500 fm, als: 70 fm Laubholz und 1430 „ Nadelholz, S. w. o. welche zu verſchlagen ſind mit 1200 fm Derbholz, g als: 50 fm Laubholz und 1150 „ Nadelholz, S. w. o. 940 fin a worunter 30 fm Laubholz und 910 „ Nadelholz, S. w. o und mit 300 fm Reiſig, als: 20 fm Laubholz und 280 „ Nadelholz, S. w. o. Hierüber: 290 rm Stockholz, als: 10erm Laubholz und 280 „ Nadelholz, S. w. o. Nr. Lebeda und Scott ꝛc., oben auf dem Kolben— hals, bezüglich der Basküle zwiſchen oder hinter den Hähnen (jog. toplever), oder endlich liegt er ſeitlich am Gewehr (j. Verſchluſs). Th. Heben, verb. trans. u reflex. I. S. v. w. aufſtoßen, aufjagen, ſelten. „Er (der ſchlechte Schütze) ſchießt ſeine Haſen ge— wöhnlich auf dem Anſtande oder hebt ſie aus dem sr .“ Diezel, Fragmente, p. 24. Jagdzeuge auf die Forkeln mittelſt der Gee ſ. d. und Jagdzeug. Belegſtellen bei Hebegabel. III. Vom Faſan: „Haben die Faſanen die Größe einer Wachtel erreicht, ſo miſcht man auch Weizengrütze unter dieſes Futter und gibt e 3 Des * A 4 — e Hebevorrichtungen. — Hecht ihnen endlich die Grütze allein ſo lange, bis ſie Weizenkörner genießen oder (nach dem Kunſt— ausdruck) heben können.“ Bechſtein, Hb. d. Jagdwiſſenſchaft II., p. 158 — „Wenn die jungen Faſanen ſchon mit Weizen gefüttert, werden, ſo ſagt man: ſie heben ſchon.“ Hartig, Lexik., p. 248 — D. a. d. Winkell, Hb. f. Jäger I, p. 217. — Laube, Jagdbrevier, p. 282. IV. reflex. ſ. v. w. erheben, ſ. d. „Er (der Bär) hebt und erniedrigt ſich.“ Bechſtein J. e., I., 1., p. 226. — Sanders, Wb. I, p. 716. E. v. D. Hebevorrichtungen. Zur Hebung und Fortbewegung ſchwerer Steine bedient man ſich eiſerner Zangen (Fig. 406 B), deren Fänge in Löcher eingreifen, die man in die Seiten des Steines gehauen hat. Doch müſſen dieſe An— faßöffnungen in einer horizontalen Linie liegen, \ NR N N 8 N N ad Ns Fig. 406. Ansicht einer Steinkreppe A und einer eiſernen Zange B. — a Werkſtücke b Eiſenſtange, e Tragſeil d Tragkette. die durch den Schwerpunkt des Steines oder etwas oberhalb desſelben hindurchgeht. Eine zweite Hebevorrichtung beſteht in einem ein— fachen, ſich verjüngenden Eiſenſtabe, der in ein verticales, cylindriſches Loch an der oberen Steinfläche eingetrieben wird. Dieſes Loch mus über dem Schwerpunkte liegen. Der Eiſenſtab hat oben ein Auge, in welches die zum Heben beſtimmte Kette eingehakt wird. Nach erfolgter Benützung wird der Eiſenſtab mit einigen Hammerſchlägen gelockert und herausgenommen. Eine dritte Vorrichtung zum Steinheben beſteht in zwei Eiſenſtäben, welche in zwei Löcher an der Steinoberfläche eingeſetzt werden. Die zwei Löcher ſind in entgegengeſetzter Richtung, u. zw. unter einem Winkel von 45° angebracht. Die Eiſenſtäbe haben oben Augen und ſind mit zwei Ketten verbunden, welche mit den dazu gehörigen Eiſenſtäben rechte Winkel bilden, ſo— bald der Stein daranhängt. Dieſe kurzen Ketten ſind mit ihren oberen Enden an eine gemein— ſchaftliche Hauptkette befeſtigt. Die Zugſpannung in einer der kurzen Zweigketten iſt gleich 0707 G, worin G das Gewicht des Steines bedeutet. Eine vierte derartige Vorrichtung iſt ein bageſtumpfter eiſerner Keil oder Schwalben— ſchwanz (die Steinkreppe) (Fig. 406 4), die in ein ähnlich geſtaltetes, 5—25 em tiefes Loch an „ Steinoberfläche eingeſetzt wird. (S. Stein— hebemaſchine.) Bei großen Bauten werden Lauf— krahne verwendet. Fr. Dombrowski. Eneyklopädie d. Forſt⸗ u. Jagd wiſſenſch. IV. Bd. — ——-— m — ——ũ—mẽ—ö . — 4 —ͤꝓ ͤ—̈ wꝛ . — —— 609 Hecht (Es ox Cuvier), Fiſchgattung aus der Familie der Hechte (Esocidae ſ. Syſtem der Ichthyologie). Dieſe kleine, auf die ge— mäßigte Zone der nördlichen Halbkugel be— ſchränkte Familie umfaſst nur die eine Gattung mit etwa 7, einander ſehr naheſtehenden Arten. Ihre leicht erkennbaren und charakteriſtiſchen Merkmale ſind folgende: Der wenig zuſammen— gedrückte, fait cylindriſche, etwas eckige, mit kleinen Rundſchuppen bedeckte Rumpf beſitzt einen langen, glattgedrückten, theilweiſe be— ſchuppten Kopf, deſſen vorderer Kiefertheil faſt einem Entenſchnabel gleicht. Der obere Kiefer— rand wird in der Mitte von den Zwiſchen— kiefern und ſeitlich von den Oberkiefern ge— bildet. Letztere ſind zahnlos; dagegen tragen die Zwiſchenkiefer, das Pflugſcharbein, die Gaumenbeine, die Zunge, die Schlundkuochen und die Kiemenbogen an ihrer inneren Seite zahlreiche ſpitze Hechelzähne, von denen viele, namentlich die am Gaumen, noch hinten zu— rückgelegt werden können, beim Nachlaſſen des Druckes jedoch in ihre aufgerichtete Lage zurückſpringen. Der Unterkiefer trägt außer kleineren Zähnen eine Reihe ſehr großer, ſpitzer, feſtſitzender Fangzähne. Die eine kurze Rücken— floſſe ſteht ſehr weit nach hinten; nach etwas weiter zurück die ebenfalls kleine Afterfloſſe, ſo daſs der Schwanz ſelbſt ſehr kurz iſt. Die Bauchfloſſen ſind bauchſtändig, etwa in der Mitte der Körperlänge. Die Seitenlinie iſt oft unterbrochen oder ſtellenweiſe doppelt. Die Kiemenſpalten ſind ſehr weit. Der Magen iſt ohne Blindſack und ohne Pförtneranhänge, die mit Luftgang verſehene Schwimmblaſe einfach. Der Vertreter der Familie in Europa iſt der gemeine Hecht (Esox lueius Linne), auch Heft, Hächt, Höcht; böhm.: Stika; poln.: szezupak; ung.: esuka; frain.: shuka; ruſſ.: schschuka; engl.: pike; franz.: brochet; ital.: luccio, luzzo. Etwa 6mal jo lang als hoch und 1½ mal fo hoch als dick. Der Unterkiefer ſteht über den Oberkiefer vor, das Maul iſt bis unter die großen, goldglänzenden Augen geſpalten, letztere ſtehen ſehr hoch, dicht unter der Kante der platten Stirn. Der Unterdeckel und der untere Theil des Hauptdeckels ſind ſchuppenlos. Sehr deutliche Kopfporen am Unterkiefer, den Unteraugenknochen und auf dem Scheitel. In der Rückenfloſſe ſind 5—8 unge— theilte und 13— 15 getheilte Strahlen, in der Afterfloſſe 4—6, bezw. 12— 13, in der Bauch- floſſe 1, bezw. 8—10, in der Bruſtfloſſe 1, bezw. 12— 13 Strahlen, in der ſchwach ausge— buchteten, an der Baſis mit zarten Schuppen bedeckten Schwanzfloſſe 19. Die Schuppen ſind klein, länglich eiförmig und dünn; in der Seitenlinie ſtehen 110-430. Die Färbung des Hechtes iſt außerordentlich verſchieden und ſchnellem Wechſel unterworfen; im Allgemeinen paſst ſie ſich den Farbentönen pflanzenbe— wachſener Waſſerſtellen an und iſt grünlich ins Graue und Gelbliche, am Rücken dunkler, an den Seiten heller mit goldgelben Flecken, am Bauche weiß mit ſchwarzen Pünktchen. Junge Hechte ſind im erſten Jahre oft ganz grasgrün (Grashechte); auch zur Laichzeit tritt die grüne Farbe mehr hervor; überhaupt werden dann 39 610 Hecht. alle Farben, namentlich bei den Männchen, prächtiger. Solche beſonders ſchön gefärbte werden wohl als Bunthechte, Scheckhechte oder Hechtkönige bezeichnet. Die Bruſt- und Bauchfloſſen ſind meiſt gelblich oder röthlich, die übrigen Floſſen meiſt dunkler, bräunlich oder ſchwarz gefleckt, After- und Schwanzfloſſe mitunter mit röthlichem Anfluge. Die Größe des Hechtes iſt je nach den Ernährungsver— hältniſſen ſehr verſchieden; bei reichlicher Nah— rung wächst er außerordentlich ſchuell, kann ſchon im erſten Jahre bis 30 em lang werden und ſpäter bis A kg jährlich an Gewicht zu— nehmen. Man hat ſolche von 2 ın Länge und 35 kg Schwere beobachtet (3. B. in der Wolga, in Schottland und Irland), jedoch gehören ſolche von Um und 15 kg ſchon zu den Selten— heiten. Erzählungen von noch größeren Hechten ſind mit großer Vorſicht aufzunehmen, ſo die von dem alten Gesner herrührende Geſchichte von einem Hecht, welcher in Heilbronn im Jahre 1230 von Kaiſer Friedrich II. mit einem Ringe bezeichnet ausgeſetzt ſein und im Jahre 1497 im Gewichte von 175 kg wieder gefangen ſein ſoll. Die weiblichen Hechte ſind in der Regel größer als die männlichen. Der Hecht bewohnt die ſüßen Gewäſſer in den nördlichen und gemäßigten Theilen der alten und neuen Welt, in Nordamerika bis ſüdlich von den großen Seen, in Europa überall vom äußerſten Norden bis zum Süden. In Bezug auf ſeinen Aufenthaltsort iſt der Hecht wenig wähleriſch, in Flüſſen und Bächen lebt er ebenſowohl wie in großen Seen, Teichen, Moorgruben, pflanzenbewachſenen Gräben, ja in brackiſchen Buchten und gelegentlich ſelbſt im Meere. Im Gebirge geht er bis 1500 m hoch (ſo im Reſchenſee in Tirol), doch meidet er kleine, ſchnellfließende Bäche und überläſst ſie der Forelle; am meiſten liebt er klares, ruhiges Waſſer mit reinem Grunde. Seinen Lebensgewohnheiten nach kann man ihn die Katze unter den Süßwaſſerfiſchen nennen. Während er des Nachts mehr umherſchweift, ſteht er des Tags meiſt unbeweglich an ruhigen Stellen zwiſchen Waſſerpflanzen, unter Baum— ſtämmen oder in kleinen Ausbuchtungen, na— mentlich da, wo die Strömung vorübergeht. Dabei ſind die Spitzen der Bruſtfloſſen, der hintere Theil der Rückenfloſſe und zuweilen auch die Spitzen der Schwanzfloſſe in zitternder Bewegung und die Augen bewegen ſich lauernd und ſpähend. Gewahrt er eine Beute, ſo be— ginnen die Floſſen heftiger zu zittern, die Athmungsbewegungen werden ſchneller und ſtärker und plötzlich ſchießt er ſchnell wie ein Pfeil auf ſein Opfer und packt es tödtlich ver— wundend mit den ſpitzen Fangzähnen des Un— terkiefers. Oft läſst er dann die Beute wieder los und packt ſie von neuem, um ſie mit dem Kopfe voran hinunterzuwürgen. Wenn kleinere Fiſche, wie die Ufelas, in jäher Flucht vor ihm aus dem Waſſer ſpringen, folgt er ihnen nicht ſelten in flachem Bogen mit geradegeſtrecktem Leibe (ſog. Hechtſprung). Bei ſolchen Sprün— gen, welche oft über 2m weit ausgeführt wer— den, weiß er ſehr gut zu zielen; nicht ſelten entſpringt er auf ſolche Weiſe aus Behältern oder Fiſchkiſten. Seine Gefräßigkeit und Gier iſt außerordentlich groß und er verſchont kein lebendes Thier, das er irgendwie bewältigen kann; ſeibſt junge Enten, Waſſerhühner und Waſſerratten fallen ihm zum Opfer; zuweilen ſoll ey ſogar nach den Füßen der Gänſe und Schwäne, ja ſogar ſchwimmender Vierfüßler und Menſchen ſchnappen. Den Stichling ſcheint er meiſtens zu ſchonen infolge böſer Erfahrun— gen, welche er mit den Stacheln desſelben ge— macht hat; doch beobachtete ich im Aquarium, daſs ein junger Hecht von etwa 8 em Länge, der mit einer Schar kleiner neunſtachelicher Stichlinge zuſammengeſperrt war, unbeſchadet ſeiner Geſundheit einen nach dem andern in gehörigen Zwiſchenpauſen verſchlang. Der ein— zige Feind eines erwachſenen Hechtes iſt außer dem Menſchen die Fiſchotter, jedoch ſollen große Hechte ſogar mit dieſem um eine Beute käm— pfen. Die Hauptnahrung unſeres Fiſches bilden immer die kleinen karpfenartigen Fiſche, wie Karauſchen und Weißfiſche, ſowie Fröſche, und da dieſe meiſt als Speiſe wertlos ſind, ſo iſt der Hecht dadurch, daſs er fie vertilgt und in ſein eigenes wertvolles Fleiſch verwandelt, in der Fiſchzucht nicht nur ſehr nützlich, ſon— dern geradezu unentbehrlich. Namentlich gilt dies in den ſog. Abwachsteichen der Karpfen— züchter, in welche ſtets eine Anzahl kleinerer Hechte eingeſetzt werden, theils um die mit dem Zufluſswaſſer hereinkommenden kleinen Weiß— fiſche, welche ſonſt den Karpfen das Futter weg— freſſen würden, zu vertilgen, theils um die etwa durch das Laichen der Karpfen erzeugte Brut derſelben, welche gleichfalls als Nahrungs— concurrenten ihrer Eltern auftritt, auszu— merzen. In Torfgruben und anderen kleinen abgeſchloſſenen Gewäſſern, in denen meiſt nur Karauſchen leben, empfiehlt ſich gleichfalls die Einſetzung einiger Hechte, die dann gewöhnlich ſehr ſchnell wachſen. Der Hecht laicht meiſt von Mitte Februar bis Ende April, oft noch vor dem Verſchwinden des Eiſes. Männchen und Weibchen ſuchen dann, oft in großen Scharen, ganz flache, pflanzen— bewachſene Stellen auf, auch Gräben und überſchwemmte Wieſen, ſchlagen heftig mit den Schwänzen und reiben ſich häufig aneinander. Dabei ſind ſie oft ſo blind gegen alle Gefahr, daß man ſie mit den Händen greifen kann. Das Weibchen ſetzt nach und nach etwa 400.000 gelbliche, 3mm große Eier ab, aus denen die Jungen in 2—3 Wochen entſchlüpfen. Man kann die Eier auch leicht künſtlich befruchten und in Brutapparaten ausbrüten, noch ein— facher und beſſer iſt es, den befruchteten Laich in durchlöcherte ſchwimmende Käſten oder Körbe auf eine Unterlage von lebenden Waſſerpflanzen zu ſtreuen. Der Fang des Hechtes wird theils mit Netzen, theils mit Reuſen (ſo namentlich im Frühjahre, wenn der Hecht zum Laichen in flache Gräben zieht), theils mit der Angel be— trieben. Die Augelfiſcherei auf den Hecht iſt gleichſam ein für ſich abgeſchloſſener Theil der Angelkunſt und bietet viel Intereſſantes und Aufregendes. Man bedient ſich bei derſelben meiſt eines lebenden Köderfiſches, und entweder | TEE en: 2 FR A en „ 2 „ 96. Hecke. — Heſtel. der Schluck- oder Trollangel, oder der Schnapp- und Legeangeln (j. Angelfiſcherei). Die beſten Köderfiſche für den Hecht ſind Gründ— linge, Plötzen, Haſeln, Ellritzen, Lauben und Döbel von paſſender Größe. Am beſten beißen ſoll der Hecht im Herbſt, wenn die Nächte recht kühl ſind, bei bedecktem Himmel und ſcharfem Südoſtwind, Morgens von 10—1 Uhr und Nachmittags von 3 Uhr an bis zum Dunkel— werden. Endlich fängt man die Hechte auch noch mit Drahtſchlingen, die man ihnen über den Kopf zieht, wenn ſie ruhig daſtehen, oder man ſchießt ſie mit Schroten oder ſticht ſie mit Spee— ren. Das weiße und feſte, fettarme Fleiſch ent— hält nur wenig Gräten und iſt überall ge— ſchätzt, am beſten iſt es im Hochſommer und Herbſt von Fiſchen, die 1—4 kg wiegen. Größere und deshalb meiſt alte Hechte haben ein zähes und trockenes Fleiſch. cke. Hecke, die, ſ. v. w. Geheck, ſ. d. Winkell, Hb. f Jäger II., p. 726. — Laube, Jagdbre⸗ vier, p 282. — Sanders, Wb. I., p. 720. E. v. D. Hecken, verb. trans., meiſt mit Auslaſſung es Objectes, ſ. v. w. niſten, brüten. „Hecken 121 Vögel nennt man es, wenn die Pögel Eier legen, brüten und Junge erziehen.“ Hartig, Lexik, p. 248. — Aitinger, Vollſtänd. Weyd— buchlein, 1651, p. 12. — Fleming, T. J., 1719, Döbel, Jägerpraktika, Ed. J, fol. 38. — Göchhauſen, Notabilia ve- natoris, 1734, p. 53. — Onomat. forest. II., p. 93. — Chr. W. v. Heppe, Wohlred. Jäger, p. an Vehlen, Sa 1828, p. 78, u. Real⸗ > Lexik. VI., p. 237. — Laube, bebte, p. 282. — Sanders, Wb. I., p. 720. E. v. D. Heckenkirſche, ſ. Lonicera. Wm. Heckente, die, dann auch Heckgans, junge, noch nicht völlig flugbare Ente oder Gans, D. a. d. Winkell, Hb. f. Jäger II, p. 740, 760. — Bechſtein, Hb. d. Jagdwiſſenſchaft J., 27 P1541. E. v. D. Heckjagd, die: „Verlorenes Treiben oder auch Heck-, dann Beyjagen benennt: alſo heißt dasjenige Treiben, welches durch Feldſchächte und Vorhölzer angeſtellt wird, damit, wenn ſich allenfalls etwas von Wildpret daſelbſt be- fände, ſolches auch zum Jagen einkomme.“ Chr. W. v. Heppe, Wohlred. Jäger, p. 161. Behlen, Wmſpr., 1828, p. 78. E. v. D. Heckſame, ſ. Ulex. Wm. Heck vogel, der, ſ. v. w. Brutvogel. „Heck— vögel nennt man die, welche in der Gegend jung geworden, zum Unterſchiede von den Zug— und Strichvögeln.“ Hartig, Lexik., p. 248. — Bechſtein, Hb. d. Jagdwiſſenſchaft II, p. 607. E. v. D. 1746, I., Heckzeit, die, ſ. v. w. Brutzeit. Aütinger, Vollſtänd. Weydbüchlein, 1651, p 88. — Göch— hauſen, e venatoris, 1734, p. 40. — Hartig, Lexik, p. 248. — Behlen, Wmſpr, 1828, p. 78. E. v. D. Hedera Helix L., Epheu (Fig. 407). Immer: grüner Kletterſtrauch aus der dicotylen Familie der Araliaecae, der einzige Repräſentant dieſer ganz exotiſchen Familie in Europa. Blätter lang geſtielt an den ſterilen Zweigen hand— 611 förmig-fünflappig, an den blüthentragenden und rautenförmig, alle ganzrandig, lederartig, ober— ſeits glänzend dunkelgrün, oft mit weißlicher Zeichnung, unterſeits matt hellgrün. Blüthen zahlreich, langgeſtielt, in halbkugeligen, traubig oder rispig gruppirten Dolden, mit 5zähnigem 8 3—10 grünlichgelben Blumenblättern, - 10 Staubgefäßen aus gelbem Beutel und en Fruchtknoten, aus dem eine kuge— lige, ſchwarze, vom bleibenden Keſch gekrönte 5— 10 ſamige Beere entſteht. Die Stämme und Aeſte des Epheu entwickeln reihenweiſe geſtellte Luftwurzelu, mit denen ſie ſich an feſte Gegenſtände (Mauern, Felſen, Baumſtämme) anklammern oder an Wurzeln, Steine u. a. m., wenn ſie, wie häufig in Wäldern, auf dem Boden hin— kriechen. Der Epheu iſt durch faſt ganz Europa verbreitet, indem er nur dem Norden fehlt, aber am häufigſten in Weſt- und Südeuropa, wo er, namentlich in den Küſtenländern und auf den Inſeln, maſſenhaft, Mauern, Felſen, Baumſtände überziehend, Hecken durchſchlingend und den Boden überrankend, auftritt. Er iſt ſehr trägwüchſig, blüht erſt in ſpäterem Alter, und wird viele Jahrhunderte alt, wo dann ſeine Stämme bis Schenkelſtärke zu erlangen vermögen. Sein aromatiſch duftendes, gelbliches, von vielen Markſtellen durchſetztes Holz iſt ſehr hart. Der Epheu variirt ungemein bezüglich der Größe und der Form der gelappten Blätter, namentlich in Gärten. Eine beſondere, vielleicht ſpecifiſch verſchiedene Varietät, welche Irland bewohnt, iſt der raſchwüchſigere, größere und weichere Blätter beſitzende, häufig cultivierte iriſche E. (H. hibernica Hortul.). Der Ephen liebt ſchattigen Standort und feuchte Luft, ent— wickelt aber nur in ſonniger Lage ſeine Blü— then. Er blüht im Spätherbſt und reiſt die Beeren im folgenden Frühlinge. Wm. Hederaſäure, C. Hs 04, eine ſchwach ſauer reagierende, nicht flüchtige, kratzend ſchmeckende, in Epheufrüchten vorkommende Säure. v. Gn. Heerwurm, Bezeichnung für die oft au hunderttauſenden erfolgte Vereinigung der glas hellen ſchwarzköpfigen Larven der Sciaria mili- taris Now., einer Trauermücke, welche ihre Ent- wicklung an verweſender Blattſubſtanz, beſon— ders in Buchenwäldern, findet. Dieſe dicht neben— und übereinandergedrängten, ſich langſam fort— bewegenden Larvenmaſſen nehmen nicht ſelten eine ſchlangenähnliche Geſtalt an. Hſchl. Hefe, ſ. Gährung. v. Gn. Heſtebaken, der, ſ. v. w. Heftel, ſ. ld. Hartig, Lexik., p. 249. E. v. D. Heſtel, das oder der, ein zum Zeugſtellen nöthiges Inſtrument, ſ. Jagdzeug. „Heftel ſind 2½ Fuß lange, ſpitzige Pfähle, woran man die Ober- und Unterleinen und die Wind— leinen anbindet.“ Hartig, Lexik., p. 249. Täntzer, Jagdgeheimniſſe, Kopenhagen 1682, fol. 64. — Fleming. T. J., 1 85 I. „ o — Pärſon, Hirſchger. Jäger, 1734, fol. 8%. — Döbel, Ed. I, 1746, I., ful. 32. — „schpaufen, Notabilia venatoris, 1734 p. 226. — C. Heppe, Aufr. Lehrprinz, 1 0 p. 139. — Groß⸗ kopff, Weidewerckslexikon, p. 159. — Chr. W v. Heppe, Wohlred. Jäger, p. 200. — Mellin, Anwſg. z. Anlage v. Wildbahnen, Berlin 1777, 39 * 612 p. 235. — Bechſtein, Hb. d. Jagdwiſſenſchaft I., 3., p. 578. — D. a. d. Winkell, Hb. f. Jäger l., p. 410. — Laube, Jagdbrevier, p. 282. — Sanders, Wb. I., p. 721. E. v. D. Hege, die, heißt der Inbegriff derjenigen Maßregeln, welche der Jäger zum Schutze und zur Pflege des Wildſtandes in Anwendung Hege. — Hegen. Hegelegung, ſ. Schonungsflächen. Nicht. Hegemeiſter, Gehegebereiter und ähnliche Titel für die Forſtſchutzbeamten ſind noch aus jener Zeit überkommen, in welcher die Jagd— aufſicht und Wildhege noch als die weſentlichſte Aufgabe dieſer Organe erſchien, und wären die— ſelben daher auch heute für ſolche Bedienſtete Fig. 407. Hedera Helix, Epheu. bringt. Dann auch in übertragenem Sinne local: „Ein Jagdrevier, wo das Wild geſchont und gepflegt und nur mäßig und weidmänniſch geſchoſſen wird, nennt man Hege, oder Wild— hege oder Gehege.“ Hartig, Lexik., p. 249. — Chr. W. v. Heppe, Wohlred. Jäger, p. 196. — Wurm, Auerwild, p. 99. — Behlen, Wmſpr., 1828, p. 78. — Sanders, Wb. I., p. 722. E. v. D. entſprechend, welchen vornehmlich die Oberaufſicht über ein Jagdgebiet übertragen iſt. Obige Titeln werden in manchen Privat- und auch Staats— forſtverwaltungen (3. B. Preußen) an verdiente Revierförſter als Auszeichnung verliehen. v. Gg. Hegen, verb. trans., das Wild, d. h. das⸗ ſelbe pfleglich behandeln und nur in weidmän⸗ niſcher Weiſe beſchießen. „Er soll hayen * Hegeorte. — Heideaufforſtung. vnnser Rot vnnd schwartzwild.“ Jagdinſtruc— tion Kaiſer Ferdinands I. v. J. 1617 — „Wer hat zu jagen, der hat auch zu hagen.“ Noé Meurer, Jag- vnnd Forſtrecht, Ed. J, Pfortz— heim 1560, fol. 28. — „So er zu jagen Ge- rechtigkeit hat, ob er auch zu hagen macht habe ...“ Melchior Sebiz, Ch. Eſtiennes Prae- dium rusticum, überſ., Straßburg 1580, fol. 661. — „Daſs um ſelbiges Revier das Wildpret und die Hirſche ſtark gehäget werden.“ Döbel, Jägerpraktika, Ed. I, 1746, I., fol. 128. — „Ein ſcharf gehägtes Jagdrevier.“ C. v. Heppe, Aufr. Lehrprinz, 1751, p. 256. — Wildungen, Neujahrsgeſchenk 1797, p. 29. — Hartig, Lexikon, p. 599. — Sanders, Wb. I., p 723. E. v. D. Hegeorte, ſ. Schonungsflächen. Mcht. Heger, der, ſ. v. w. Hegemeiſter, ſ. d. E. v. D. Hegerecht, ſ. Jagdrecht. Mcht. Hegereidel, j. v. w. Laſsreidel; ſ. Mittel- wald. Gt. Hegereiſer, ſ. v. w. Laſsreiſer; ſ. Mittel- wald. Gt. Hegerweiden. ſ. Weidenerziehung. Gt. Hegerwirtſchaft, ſ. Weidenerziehung. Gt. Hegeſäule, die, Säulen, welche in Läu— dern, wo die Jagd im allgemeinen frei iſt, zur Abmarkung reſervierter, gehegter Reviere benützt werden. Stiſſer, Jagdhiſtorie der Teutſchen, 1744, p. 320. — C. v. Heppe, Aufr. Lehrprinz, 1751, p. 145. — Chr. W. v. Heppe, Wohlred. Jäger, p. 174. — Unomat. forest. 114. De 22. E. v. D. Hegwald, mittelalterliche Bezeichnung für jene Walddijtriete, in welchen wegen des Vor— herrſchens der jüngeren Altersclaſſen der Weide— betrieb und die Holzfällung unterſagt waren. Syn. „Bannholz“ und „Werbuſch“. Weiteres hierüber findet ſich in dem Artikel „Waldbau, Geſchichte desſelben“. Schw. Hehlerei, ſ Diebſtahl. Mcht. Hei, ſ. v. w. Hau; ſ. Holzſchlag. Gt. Heideaufforſtung 1. Unter „Heiden“ verſtehen wir hier die in vielen Gegenden Deutſchlands und der angrenzenden Gebiete im Küſten⸗ und Binnenlande vorkommenden, aus— gedehnten trockenen Flächen, die früher wohl ausnahmslos Wälder trugen, derer ſie meiſt vor langer Zeit beraubt wurden und nun in dieſer Bodenentblößung ihren Gehalt an Wald— humus durch Witterungseinflüſſe, Abſchwem— mungen, durch im Laufe der Zeit noch hinzu— getretene Streuentnahme, ſelbſt zeitweiſe Be— ackerung verloren haben und ſo in ihrem Boden verarmten. Infolge dieſer Bodenverarmung ſind dieſe Heiden nur imſtande, eine Decke von Pflanzen zu erzeugen, die durchaus an— ſpruchslos in Bezug auf Nährkraft des Bo— dens ſind. Sie wird vielfach von genügſamen Gräſern und derartigen niederen Kräutern, ſtreckenweiſe von Preußelbeeren (Vaceinium Vitis Idaea), auch von Pfriemen (Spartium Scoparium), in größter Ausdehnung aber von Heidekraut (Calluna vulgaris) gebildet. Letztere kommt unter den verſchiedenſten Verhältniſſen auf den Heiden des Binnenlandes, namentlich aber denen der Küſtengegenden vor, wo ſie viel— fach über frühere Pflanzendecken, durch Zurück— — — —— —— 613 gehen der Bodenkraft ihres Standortes, die Oberhand gewann und da ſtändig behielt, wo man jene Odländer auf Plaggenhieb (ſ. Ab— palten), als Schafweide oder durch Brandwirt— ſchaft (ſ. Brennen) nutzte, wie dies Borggreve in ſeiner Schrift „Heide und Wald. Berlin 1875“ für die nordweſtdeutſchen Heiden überzeugend nachwies. 2. Bei der „Heideaufforſtung“ haben wir es alſo mit dieſen trockenen Odländern zu thun, ſofern fie aus ſandigen oder thonhaltigen Böden beſtehen, während die Aufforſtung des trockenen Kalködlandes in beſonderem Artikel als „Kalk— ödlandeultur“ beſprochen wurde. Vernäßen aber die Odländereien und entjtehen auf ihnen Moore, ſo bieten auch dieſe oft weit ausgedehnte, der Forſteultur bedürftige Flächen, welche letz— tere unter „Mooreultur“ behandelt iſt. 3. Jene, hier in Betracht kommenden Heiden ſind zur Zeit keineswegs unbenützt, am wenig— ſten wenn ſie mit Heidekraut gut überzogen ſind. Derartige Heiden liefern den auf ihnen ange— ſiedelten und noch außerdem mit ſtändigem Acker- und Wiesland verſehenen Bauern ſehr erwünſchte, ja unentbehrliche Wirtſchaftszuſchüſſe an Heideplaggen zur Düngerbereitung, auch wohl zum Brennen oder zum Dachdecken, an Vieh-, auch wohl Bienenweide u. ſ. w. Es kann gewiss nicht in der Abſicht liegen, eine derartige, zwar dünn vertheilte, aber fleißige und exiſtenz— fähige bäuerliche Bevölkerung durch rückſichts— loſe Heideaufforſtung mit Stumpf und Stiel auszurotten, doch wird dieſe Aufforſtung jeden— falls zur Ausführung da im großen Maßſtabe empfehlenswert ſein, wo die Heidebauern ledig— lich auf die Heide angewieſen und dort als exi— ſtenzfähig nicht mehr zu erachten ſind, es ihnen aber nicht an Gelegenheit mangelt, ſich an ge— eigneteren Orten ihren Lebensunterhalt zu er— werben, während ſichere Ausſicht vorhanden iſt, durch die Heideaufforſtung dem Culturlande der Gegend einen dauernden, wohlthätigen, natürlichen Schutz gegen die Unbilden des Klimas und der Witterung zu verſchaffen und gleich— zeitig den ſo dürftigen Ertrag des Heidebodens durch den Holzanbau zu heben und ſo wenig— ſtens künftigen Generationen jener Gegenden einen nennenswerten, bleibenden Vortheil zu— zuführen und das Nationaleinkommen zu heben. Nach dieſem Grundſatze iſt denn auch ſchon vielfältig von ſtaatswegen auf Cultur der Hei— den und mit ihr auf deren nothwendig wer— dende Wiederbewaldung hingewirkt worden, und iſt es jedenfalls angezeigt, nach dieſer Richtung hin weiter zu arbeiten. Daſs das Arbeitsfeld hier ein großes iſt, die ſeither auf demſelben erzielten Erfolge keineswegs immer ermuthigend ſind, dafs es jedenfalls auch für die Folge ein mühſam zu bebauendes bleiben und ſeine Er⸗ folge, nach Geld berechnet, kaum als rentabel zu bezeichnen ſein werden, iſt nicht zu ver— kennen, darf aber nicht dahin führen, es unter Vernachläſſigung höherer ſtaatswirtſchaftlicher Rückſichten unbebaut liegen zu laſſen. 4. Was die techniſche Ausführung der Heideaufforſtungen anbetrifft, jo iſt dieſelbe, nach den vorliegenden örtlichen Verhältniſſen, bald leichter, bald ſchwieriger mit Erfolg zu 61% Heideaufforſtung. bewirken. Nicht nur die Verſchiedenheit der mineraliſchen Bodenkraft kommt dabei in Be— tracht, ſondern beſonders auch die mehr oder weniger geſchützte Lage der Heideflächen gegen austrocknende, froſtbringende und durch die Heftigkeit ſeiner Bewegung den Wuchs, nament— lich auch den Höhenwuchs der Holzpflanzen be— einträchtigende Winde, endlich die Menge des auf dem Heideboden durch die ihn bedeckende Vegetation erzeugten, wenn auch zur Zeit noch unvollkommenen Humus. Dazu kommt außerdem noch das ſehr verſchiedene Verhalten des Untergrundes, der im Berglande infolge flach lagernden anſtehenden Geſteins, namentlich bei ſchwerer Verwitterbarkeit desſelben, leicht einen ſehr flachgründigen, den Holzpflanzen wenig Halt und Nahrung liefernden Boden erzeugen kann, während im Flachlande, ſelbſt auf ſonſt mächtigem Sandboden, Ortſteinlager dem Eindringen der Holzwurzeln ein mächtiges Hindernis entgegenſtellen können, oder dichte Rollſteinlager, wie in den nordöſtlichen Küſten— gegenden Preußens, auf weiten, dort „Palwen“ genannten, öfter mit Preußelbeeren (Vacc. Vitis Idaea) dicht beſtockten, hin und wieder aber auch ziemlich kahlen Flächen mit ſchwererem Boden, die Holzceultur zu erſchweren oder faſt ausz zuſchließen vermögen. Nach dieſen verſchiedenen örtlichen Verhält— niſſen muſs denn auch die Heidecultur, abge— ſehen von den für eine ſolche vorhandenen Mitteln, in verſchiedener Weiſe ausgeführt werden Es kommt hiebei zunächſt in Betracht: a) Die zum Anbau zu verwendende Holz— art. In dieſer Beziehung iſt bereits viel ver— ſucht und viel gefehlt worden, letzteres nament— lich wenn man dem Heideboden in dieſer Be— ziehung zu viel zumuthete, vielleicht noch ohne Anwendung intenſiver Cultur. Laubhölzer finden im großen und ganzen bei Heideaufforſtungen nur beſchränktere Ver— wendung. Beſonders iſt es dann immer noch unſere Eiche, die hier ſtellenweiſe in Betracht kommen kann. Dies gilt namentlich da, wo es ſich in milderen Lagen um Aufforſtung von Odland mit flachgründigem, aber mineraliſch kräftigem Boden handelt. Hier wird ſie oft mit großem Nutzen, meiſt unter vorübergehender Beigabe von Kiefern, als Treib- und Schutzholz angebaut, wie z. B. aus Grunert's Schrift „Der Eichenſchälwald im en e irke Trier. Hannover 1868“ zu erſehen iſt (J. Eichen— erziehung sub le). Vortreffliche Eichenſchälwaldanlagen werden aber auch in großer Ausdehnung auf den trockenen Heiden des holländiſchen Gelderlandes angelegt, auf die wir hier weiter unten zurück— kommen. Die Eiche als Schutzwehr für andere Holz anlagen empfiehlt Wagner in ſeiner Schrift „Die Holzungen und Moore Schleswig Holſteins Hannover 1873“, da ſie, obſchon nur kurzwüchſig und von unten reich beäſtet, in den Stürmen ausdauernd iſt und als guter Schutzmantel wirkt. Unter anderen Verhältniſſen mag man je— doch mit der Eiche bei Heideculturen keine Ver— ſuche machen. Zur Anwendung bei Schutzſtreifenpflan— zungen auf der kahlen Heide kann ſich unter Umſtänden noch die Acacie und die Birke empfehlen und werden dazu beide Holden wohl verwendet. Von den Nadelhölzern nimmt bei der Heideaufforſtung im großen die gemeine Kiefer beiweitem die erſte Stelle ein. Auf friſcheren Stellen mag ihr die Fichte beige— mengt werden; für Reinanlagen aber eignen ſich dieſe dort nur ausnahmsweiſe und leiden dieſelben hier beſonders durch das fortwäh— rende Wehen des Seewindes, der ſie nicht in die Höhe kommen läſst, ſowie ſie auch friſchen Boden, ſobald er torfig wird, nicht vertra— gen. Jene Windwehen ſind auf jenen Heiden der Küſtenregion überhaupt ein großes Hin— dernis der Forſteultur. Sobald fie dort durch Vorſtände von den Culturen abgehalten wer— den, gedeihen dieſelben oft zuſehens, und ſucht man dies daher durch angepflanzte Schutzmäntel, in minderem Maße auch durch die erwähnten Schutzſtreifen zu erreichen. Zu Mantelanlagen. eignet ſich, wie vorbemerkt, die Eiche, ſelbſt die Weißtanne, doch fehlt für beide ſehr oft der ge— eignete Boden. Man nimmt daher in der Regel zu gewiſſen Nadelhölzern die Zuflucht. Hier hat man ſchon früher die Schwarzkiefer (P. austriaca Höss), die ja auf dem kalkhaltigen Boden ihrer Heimat öde Partien deckt und auch unter den vorliegenden weſentlich anderen Bodenverhält— niſſen als Schutzholz und keineswegs ohne Nutzen herangezogen werden kann; neuerdings wird aber als Schutzholz der Weißfichte oder amerikaniſchen Schierlingstanne (Abies alba Mich.) der Vorzug eingeräumt, ebenſo der pyrenäiſchen Hakenkiefer (Pinus uncinata Ramd), welche letztere in Vermengung mit jener und auch rein angebaut wird und Wind- und Sandwehen vortrefflich Widerſtand leiſtet. Er— reichen dieſe Nadelhölzer auf der Heide auch keine nennenswerte Höhe, ſo erfüllen ſie doch durch ihre Standhaftigkeit und reiche Beaſtung, und Benadelung hier ihren Zweck als Schutzholz. b) Was die Art des Anbaues anbe— trifft, jo wendet mau auf den Heiden im all— gemeinen die Pflanzung mit größerer Si— cherheit an als die Saat, da kräftige Pflanzen, beſonders in gut gelockerten Heideboden ge— bracht, den Unbilden des ungünſtigen Stand— ortes beſſer zu widerſtehen vermögen als Säm— linge, die hier leicht vertrocknen oder durch etwa nachwachſendes Heidekraut verdrückt werden. Deſſenungeachtet ſieht man auch auf der Heide hie und da Kieferſaaten gut gelingen und werden jene bereits erwähnten Lohheckenanlagen auf Odland nicht ſelten auch durch Eichelſaat erzielt. Die Boden vorbereitungen für Heide— culturen ſind nach den wechſelnden örtlichen Verhältniſſen verſchieden. Wo dieſe gleich oder ähnlich liegen, wie bei den eigentlichen Wald— culturen auf ärmerem Boden, iſt feine Veran— laſſung vorhanden, zu abweichenden, namentlich koſtſpieligeren Culturmethoden zu greifen. So gelangt man u. a. vollſtändig zum Zweck mit jenen, bereits erwähnten, von uns in den „Forſtl. Blättern“, Heft XII, 1866, in dem PF ˙¹üTx̃ —1˙Üü2mCP0 . ——˙— . ˙—˙ ˙ Heideaufforſtung. 615 Aufſatze „Der Boden und ſeine Cultur in den Niederlanden“ geſchilderten großen Kiefernan— lagen auf der hohen, trockenen Heide (Geeſt im nordweſtlichen Deutſchland, Velluve in Holland genannt) der holländiſchen Provinz Geldern. Dort brennt man zunächſt das lange Heide— kraut ab (ſ. Brennen) und ſäet nach 2 Jahren, nachdem ſich, beſonders durch Samen, eine neue ſchwache Heidekrautnarbe erzeugt hat, in dieſe breitwürfig Kieferſamen (214 Pfund pro Hektar) ein und deckt denſelben etwas durch kreuz— weiſes Übereggen oder durch Übererden (f. d.) mit Sand. Sollen aus der Kieferſaat nach 4 Jahren Ballenpflanzen zu neuen Anlagen in der Heide entnommen werden, ſo verſtärkt man die Einſaat auf das Doppelte. Die Ballen— pflanzen werden mit koniſchen Hohlſpaten (f. d.) aus dem Heidekraut ausgeſtochen. Sie halten gut Ballen und werden darauf in 1˙26 m Verband auf der entblößten oder auf der wie zur Saat vorbereiteten, bewachſenen Culturſtelle mit beſtem Erfolge und mit geringerem Koſtenaufwande als bei der Saat verpflanzt. In den meiſten Fällen erfordern aber doch unſere mit Heidekraut bewachſenen Heiden, wenn ſie, wie gewöhulich, mit einjährigen Kiefern be— pflanzt werden ſollen, eine gründliche Bo— dendurcharbeitung, da die Erfahrung in den meiſten Ortlichkeiten gelehrt hat, daſs auf andere Weiſe entſtandene Culturen frühzeitig im Wuchſe nachgelaſſen und ihren Zweck nicht erfüllt haben. Die tiefe Bodenbearbeitung kann hier allerdings durch Handarbeit bewirkt werden, doch iſt die Pflugarbeit in der Regel billiger und wird, wo ſie verwendbar erſcheint, jener vorgezogen (j. Kiefererziehung, Freipflanzung). Das Pflügen erfolgt gewöhnlich in der Form des Doppelpflügens (ſ. d.) jo, daſs 3m breite Streifen bearbeitet werden und 2m breite un— bearbeitete Zwiſchenſtreifen bleiben. Der ſo zu— bereitete Boden bleibt über Winter liegen und wird dann im nächſten Frühjahre in gewöhn— licher Weiſe mit einjährigen Kiefern, auch wohl, wo es die Bodenverhältniſſe räthlich machen, mit dreijährigen Fichten bepflanzt (ſ. Frei— pflanzung). Liegt Ortſtein im Boden, jo mußs natürlich die Bodenbearbeitung danach einge— richtet werden (j. Ortſteineultur), ſofern man es überhaupt noch für lohnend hält, dieſe ge— wöhnlich ſehr koſtſpielige Cultur im gegebenen Falle zur Anwendung zu bringen. Dafs ſich ſelbſt auch auf hohen Heidelän— dern der Küſtengegenden (auf der Geeſt) mit Hilfe der Rajolarbeit noch Eichenſchälwälder mit Vortheil anlegen laſſen, iſt unter Hinweis auf die bezüglichen Anlagen in Geldern bereits oben angedeutet. Dieſe Anlagen ſind ebenfalls im XII. Heft der „Forſtl. Blätter“ im bezeich— neten Aufſatze beſchrieben und werden, wie folgt, ausgeführt: Der Heideboden wird auf m Tiefe rajolt und dabei der nicht ſelten in geringer Tiefe vorkommende Ortſtein mit durch— brochen. Hiebei wird darauf geachtet, daſs der mit Heidehumus durchſetzte dunkle Boden, der bis jetzt die oberſte Schicht bildete, in die zweite Schicht des rajolten Bodens gelangt, während der gelbe Sand des Untergrundes auf 16 cm Dicke die oberſte Schicht des Rajolbodens bil— det. Auf dieſem rajolten Boden werden nun entweder Eichelſteckſaaten in 31 em Quadrat— verband ausgeführt, oder es werden etwa vier Jahr alte Eichenſtutzpflanzen in 1˙26 m Ver— band ziemlich tief eingepflanzt und werden zwi— ſchen die Pflanzen Heidepalten verkehrt gelegt, damit die obere Sandſchicht nicht flüchtig wird. Zum Schutze der Eichenanlagen, die im zehn— jährigen Umtriebe bewirtſchaftet werden, find Schutzmäntel von Pflanzbirken oder Pflanzeichen um ſie herum angelegt, auch über die Anlage ſelbſt entweder Schutzſtreifen von Birkenpflanz— heiſtern, in 50 Schritt Abſtand von einander und 1˙88 m Pflanzenentfernung, gezogen oder über ihnen ein ſolcher Birkenſchirmſtand in 377m Verband hergeſtellt. Die Birkenſchutz— pflanzungen werden übrigens beſeitigt, ſobald die Stämme eine Bruſthöhenſtärke von etwa 15 em erlangt und jo ihre Schuldigkeit gegen die Eichenanlage gethan haben. c) Eine beſondere Schwierigkeit rückſichtlich der Aufforſtung zeigen öfter im Berglande verheidete Partien an ſteileren Hängen. Dieſe ſind entweder bereits durch Abſtrömen des Waſſers von der Höhe zum Thal in ihrem Boden durch Hinwegnahme der oberen Schicht ſehr geſchädigt, auch wohl von Waſſerriſſen durchfurcht, oder es droht ihnen doch eine der— artige Gefahr für die Folge, Dieſe kann ſich ergeben durch die mit der Holzeultur in der Regel verbundene theilweiſe Bodenentblößung, welche die an ſich ſchon ſchwache Narbe des Hanges zum Theil entfernt, wodurch nun das nach der Tiefe raſch abfließende Waſſer An— griffspunkte zur weiteren Zerſtörung derſelben, wie des ganzen Bodens am Hange, findet. Finden ſich derartig zerriſſene Odlandhänge bereits vor, ſo kommt es zunächſt darauf an, das Abſtrömen des Waſſers von oben her zu verhüten. Hiezu mußs dasſelbe oben auf dem Plateau jo aufgefangen werden, daſs es dort ſtehen bleibt und im Laufe der Zeit verſickert, oder, falls hiezu keine Ausſicht vorhanden iſt, daſs es ſeitlich abgeleitet wird. Dieſe Fangvor— richtung kann aus bloßen grabenartgien Sicker— gruben, doch auch aus wirklichen Gräben be— ſtehen, wenn namentlich das Waſſer ſeitlich vom Hange weggeleitet werden muſs. Die vom Fang— graben nach der Seite zu führenden Ableitungs— gräben brauchen meiſt nur eine geringe Tiefe zu haben, bei der es ſchon erreicht wird, dass die Fanggräben nicht überlaufen. Die Länge der Ableitungsgräben richtet ſich nach dem Ter— rain, beſonders nach ſeiner Aufſaugungsfähig— keit. Führen ſie nach loſen Bodenſchichten oder nach einer dichten pflanzlichen Bodendecke, ſo werden ſie dort ihr Ende erreichen können, ſonſt macht man auch wohl den Boden zur Aufnahme des aus den Ableitern fließenden Waſſers dadurch geſchickt, daßs man ihn mit kurzen Stückgräben, etwa 0˙5 m lang, breit und tief, in 5—10 m Verband, ähnlich wie Laub— fänge (ſ. d.), ausgehoben, verſieht. Am vom Waſſer bereits beſchädigten Hange ſelbſt müſſen die etwa vorhandenen tieferen Waſſerriſſe in ihren Seiten möglichſt doſſiert, auch wohl durch Faſchineneinbau befeſtigt und bei größerer Länge ſelbſt ſtreckenweiſe durch Abdämmungen mit 616 ſeitlichen Waſſerableitungen geſchloſſen werden. Vor allem erſcheint es aber nothwendig, die Riſſe an ihrem oberen Ende gegen weiteres Einſtrömen von Waſſer durch vorgezogene Fang— gräben zu ſchützen. Alles aufgefangene Waſſer wird gewöhnlich in die in angemeſſenen, na— mentlich nach oben zu kürzeren Entfernungen, gürtelförmig und wagrecht über den ganzen Hang gezogenen Parallelgräben geleitet. Dieſe letzteren Gräben werden mit flachen Rändern ausgejtochen und find bei Um Tiefe und 0'5 m Sohlenbreite in der Regel ſchon befähigt, größere Waſſermaſſen aufzunehmen, jo daſs ſie unter Umſtänden noch geringere Abmeſſungen erhalten können, freilich unter anderen auch, breiter und tiefer angelegt werden müſſen. Unterhalb des Parallelgrabens werden, unter Benützung des Auswurfes, flache Dämme angelegt, die dem Überfließen des Waſſers über den Grabenrand Einhalt thun, überdies auch gute Pflanzſtellen für das zur Bewaldung des Hanges bestimmte Holz abgeben. Die Parallel— gräben ſollen das Herunterſtrömen des Waſſers am Hange verhindern, dasſelbe aber auch gleich— zeitig für denſelben zur Erhöhung ſeiner oft ſehr geſunkenen Fruchtbarkeit erhalten. Es iſt daher wünſchenswert, daſs dasſelbe hier nicht jeit- lich, wie oben angegeben wurde, abgeführt wird, ſondern zur Einſickerung in den Boden gelangt. Zur Beförderung einer ſolchen erweitert man daher auch wohl nöthigenfalls ſtückweiſe, auf 2—6 Schritt Länge, den Graben zu einer Sammelgrube, wie man auch wohl den Zug des Parallelgrabens durch ſtehengelaſſene Erd— riegel unterbricht, um ſo das Waſſer an einer gewiſſen Stelle beſſer zu halten, auch wohl um Grabenübergänge zu beſchaffen. Iſt dagegen der Odlandshang noch nicht in jenem vorbezeichneten üblen Bodenzuſtande, und iſt daher nur vorbeugend zu verfahren, ſo geſchieht dies allerdings im weſentlichen, wie oben angegeben wurde, alſo namentlich durch Abfangen des Waſſers auf dem Plateau und durch Halten desſelben am Hange, doch ſind hier in der Regel kleinere und weiter von ein— ander entfernte Fanggräben ausreichend, auch wohl eine Dammſchüttung nicht nöthig, ſon— dern genügend, den Grabenauswurf unterhalb des Grabens über den Boden auszubreiten. Der Anbau des Holzes auf dem ſo verſicherten Hange erfolgt natürlich nach den allgemeinen Regeln des Holzanbaues, doch iſt den örtlichen Verhältniſſen beſondere Rechnung zu tragen, wo es ſich namentlich um Anbau eines zerriſſenen, nunmehr feſtgelegten Hanges handelt. Hier iſt der Cultivateur ganz beſon— ders auf die Pflanzung kräftiger Pflanzen hin— gewieſen, die auf den friſchen Erdaufwürfen ſtets am beſten gedeihen und dort am erſten aufgebracht werden, auch wenn man ſonſt mit der Pflanzung noch ein oder ein paar Jahre zögern wollte, um die Wirkung der Befeſtigung des Hanges erſt zu erproben, bezw. noch da zu verbeſſern, wo es ſich als dringlich erweiſen ſollte. An verarmten Hängen iſt es übrigens nicht ſelten unvermeidlich, die Pflanzen unter einer Beigabe von reichlicherer Füllerde (ſ. Dün⸗ gung) einzuſetzen, um ſie an- und fortwachſen zu Heidehacke. — Heiß. | l ſind ſolche ſehen und iſt darauf Rückſicht zu nehmen, dass etwa unvermeidlich werdende Nachbeſſerungen unverweilt ausgeführt werden (f. a. Freipflan— zung, Freiſaat). Die Pflanzungen macht man im allge— meinen in parallelen Horizontalſtreifen, wozu ſchon die etwa vorhandenen Gräben- oder Fur: chenziehungen hinleiten. Die Streifen können voll oder unterbrochen (ſ. unterbrochene Saat— ſtreifen bei „Freiſaat“) angelegt werden. Wo es ſich nicht um Bepflanzung friſcher, künſtlicher Aufwürfe handelt, läſst man den loſen Boden des Hanges vor Ausführung der Pflanzung gern in geſetzteren, möglichſt etwas benarbteren Zuſtand übergehen, da bei ſolchem die Pflänz— linge beſſer anzuſchlagen pflegen. — Handelt es ſich um jo ſteile Hänge, daſs man auf den— ſelben den Boden wohl durch niedere Parallel- flechtzäune zu halten ſich genöthigt ſieht, ſo hat neuerdings hiefür Coutouvier die ſog. „Cor— donpflanzung“ vorgeſchlagen, bei welcher zuerſt horizontale Parallelbankette ſo geſtochen werden, daſs man auf dieſelben geeignete Laub— holzpflanzen, z. B. Akazien, Haſeln, Weiden 2c. horizontal einlegen und mit Boden aus der Umgebung ſo befeſtigen kann, daſs ſie an dem aus dem Boden hervorragenden Theile treiben können. Im Laufe der Zeit, oft ſchon nach drei Jahren, füllt ſich der Bankettabſatz über dem Pflänzlinge mit Boden, in welchem dann die dauernde Culturpflanze, z. B. Weiß⸗ oder Schwarzkiefer, wie gewöhnlich eingeſetzt wird. Dieſe Art der Pflanzung wird auch ſtatt der todten Verzäunungen in Waſſerriſſen ver— wendet. Über Heideaufforſtung ſchrieb: Quät— Faslam, „Der Forjteulturbetrieb auf den Heide— flächen“. Gt. Heidehacke, |. Forſteulturgeräthe sub 5b, märkiſche Culturhacke mit Fig., Sollinger Hacke mit Fig., Schäl⸗ oder Breithacke mit is ferner Abplaggen. Heideläufer, unterſter Dienſtgrad der Forst ſchutzbeamten in Norddeutſchland, vgl. den Art. „Heidereiter“. Schw. Heidelbeere, ſ. Vaccinium. Wm. Heidereiter, bis zum XIX. Jahrhundert in Norddeutſchland üblicher Titel der höheren Kategorie von Wirtſchafts- und Schutzbeamten, welche den Dienſt in der „Heide“ (nordoſt— deutſche Bezeichnung für Wald) beritten zu ver— ſehen hatte, während die niederen Forſtſchutz— bedienſteten, die Heideläufer, zu Fuß gehen muſsten. Schw. Heideſenſe, ſ. v. w. Senſe zum Abmähen oder Abſchürfen der Heide (j. Abplaggen). Gt. Heil, ſ Weidmanns Heil. E. v. D. Heilige Wälder, j. Boschi saeri. Mcht. Heimchen, Hausgrille (f. d.). Hſchl. Heiſter, ſ. „Ganzheiſter“, Po ale Heiſter, ſ. Auſternfiſcher und Elſter. er “ D. Heiß, adj, von der Fährte „Friſche, warme oder heiße Fährten . ..“ „Heiße, man ſagt auch friſche, warme und neue Fährten, die das Wildpret allererſt gemacht hat.“ C. v. Heppe, Aufr. Lehrprinz p. 283, 332. — Chr. W. v. 57 Wohlred. Jer p. 149. — Sanders, Wb. I., p. 731. E. v — . —üä—6—— 630001 > 7 8 N 45 Yin u 1 fa 9 UN 1 BR * * bi 5 . 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