e r - a, Dr N Er: Re mn A & u dm g A u u — 2 u u ; ö A 0 z Amtlicher Bericht über die neunundzwanzigste Versammlung der Gesellschaft deutscher Naturforscher und Aerzte - } zu Wiesbaden im. September 1852. Herausgegeben von den Geschäftsführern derselben, Mit einer Steindrucktafel. PER, BER ER AZ Ta — ZT en — Wiesbaden. Druck der L. Schellenberg’schen Hof-Buchdruckerei. 1853. sa a: 2) RE 9, yaiıa Beer N 7; I ? : b 3ih br i N ar is Re 4 Dtayisnawshuganen H Anıboellons) 10h gu Ri = a" voslaehıoh I" uhr 2 S E Fo eg‘ b Eu a Kun D8 j en y Be m6adaniif nadaysgrunı 1% DEU DE En oe „nadtswsb sten ul ER gi BITTER a - - “ ee j ' N ı@£ + h r | +@,, Br J Pr = . Verweorki Der herkömmlichen Sitte und der von uns übernommenen Verpflichtung gemäss, übergeben wir hiermit den amtlichen Bericht über die neunundzwanzigste Versammlung deutscher Naturforscher ‚und Aerzte, welche dahier vom 18. bis 25. September 1852 abgehalten worden ist. Wir freuen uns, dass derselbe vor Beginn der diesjährigen Versammlung in die Hände der Mitglieder und Theilnehmer gelangt. Der Druck der Verhandlungen, fast unmittelbar nach Beendigung der Versammlung begonnen, hätte noch weit früher beendigt sein können, wären uns die betreffenden Ma- terialien, namentlich die Papiere der Botanischen Section, rechtzeitig eingeliefert worden. Wir glauben es getrosten Muthes aussprechen zu können, dass wir uns alle Mühe gegeben haben, den Bericht so rasch als möglich und in einer der Versammlung wür- digen Weise zu liefern und auszustatten. Dass sich trotzdem öfters Mangel an Gleich- förmiekeit und Abrundung findet, kann uns wohl nicht zur Last gelegt werden; denn es kann den nicht befremden,. welcher bedenkt, dass ein Werk innere Gleichförmigkeit nicht bieten könne, welches iheils aus ausführlichen oder auszugsweise gelieferten Mittheilungen der Verfasser, theils aus mehr oder weniger vollständigen Aufzeichnungen der Sections- secretäre besteht. und dessen Werth durch willkührliche Abänderungen Seitens der Ge- schäftsführung nur verloren haben würde. IV Was die Correctur betrifft, welche bei der oft schwer leserlichen Schrift der Manu- scripte besondere Schwierigkeiten bot, so haben uns bei derselben, ausser den Secretären, folgende Herren unterstützt: Prof. Dr. Greiss (Physik ete.), Conrector Dr. Cassel- mann (Chemie, Pharmacie), Conreetor Dr. G. Sandberger (Mineralogie ete.), Colla- borator Wagner (Botanik etec.), Dr. Rullmann (Zoologie, Anatomie, Physiologie ), Hofrath Dr. Weisenthal (Mediein, Chirurgie, Geburtshülfe). Wir verfehlen nicht, diesen Herrn für ihre bereitwillige Mitwirkung unsern Dank hiermit auszusprechen. Wiesbaden, den 9. Juni 1853. Die Geschäftsführer : Professor Dr. R. Fresenius. Dr. Braun, prakt. Arzt. Einleitung. In der zweiten allgemeinen Sitzung der achtundzwanzigsten Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte zu Gotha wurde Wiesbaden zum Orte der nächsten Versammlung und wir — Professor Dr. R. Fresenius und Dr. Braun, prakt. Arzt — zu Geschäftsführern erwählt. Diese Wahl wurde uns jedoch nicht der Ordnung gemäss durch die Geschäftsführer der achtund- zwanzigsten Versammlung zu Gotha — die Hrn. Medicinalrath Dr. Buddeus und Hofrath Dr. Bret- schneider — mitgetheilt, sondern wir mussten dieselbe lediglich mündlichen Mittheilungen und den öffentlichen Blättern entnehmen; denn die Schweigsamkeit der Gothaer Geschäftsführer ging so weit, dass dieselben auch auf wiederholte Anfragen nicht eine Sylbe erwiederten, wie sie denn auch alle Papiere der Versammlung zurückbehielten und überhaupt — uns, ihren Geschäftsnachfolgern, und somit der ganzen neunundzwanzigsten Versammlung der Naturforscher und Aerzte gegenüber — eine Pflichtver- gessenheit an den Tag legten, die bereits in der Versammlung selbst die verdiente Rüge erfahren hat. Die Nachricht, dass Wiesbaden sich der Anwesenheit der Naturforscher und Aerzte erfreuen würde, wurde allgemein freudig begrüsst und hierdurch in uns die Zuversicht hervorgerufen, dass es gelingen werde, der Versammlung einen ihrer würdigen Empfang bereiten zu können. Nachdem wir von Herzoglichem Staatsministerium die Genehmigung zur Abhaltung der Versamm- lung erwirkt hatten, traten wir zunächst mit einem grösseren Kreis von Männern zusammen, welche uns durch ihre Liebe zu den Wissenschaften und durch ihren Gemeingeist die Bürgschaft boten, dass sie uns treue Berather und Helfer sein würden. — Von den Vielen, welche uns auf’s Bereitwilligste und Kräftigste unterstützten, glauben wir die Herrn Dr. med. Huth und Museumsinspector Dr. Frid. Sandberger, welche die Secretariatsgeschäfte führten, Herrn Hofbuchhändler Scheilenberg, welcher das Rechnungswesen und die Geldgeschäfte, Herrn Buchhändler C. W. Kreidel, welcher die Besorgung der Drucksachen und beider Versammlung die Redaction des Tagblattes übernahm, deswegen namentlich aufführen zu müssen, weil sie durch Besorgung dieser Geschäfte einen Theil der Verantwortlichkeit übernahmen, welche die Geschäftsführung der Versammlung gegenüber hat. Das Programm der neunundzwanzigsten Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte war die erste Frucht der gemeinsamen Berathung. Sobald es festgestellt war (Anlage I.), erliessen wir im Juni 1852 die Einladung zur neunundzwanzigsten Versammlung (Anlage II.) und beriethen endlich auch die Tagesordnung der Versammlung (Anlage I1.). vl Aus derselben geht hervor, dass sowohl S. Hoheit der Herzog und die Herzoglichen Behörden, wie der Gemeinderath der Stadt Wiesbaden und die Bewohner dieser Stadt Alles aufgeboten haben, um den zu erwartenden Gästen den Aufenthalt in Wiesbaden in der Art zu erheitern, dass er sich in freundlichen Bildern dem Gedächtnisse einprägte. — Nicht unterlassen dürfen wir es an dieser Stelle auch dem Verwaltungsrath der Taunuseisenbahn verbindlichsten Dank zu sagen, welcher uns auf unsere desfallsige Anfrage mit wahrer Liberalität mittheilte, dass es ihm zum Vergnügen gereichen werde, den Mitgliedern und Theilnehmern der Versammlung eine freie Fahrt von Wiesbaden nach Biebrich und zurück, oder eventuell von Wiesbaden nach Frankfurt und zurück zu gewähren. Unter dem 4. März 1852 richtete der Präsident der Kaiserlich Leopoldinisch-Carolinischen Academie, Professor Dr. Nees von Esenbeck, Namens dieser Academie ein Schreiben an die Geschäftsführung, in welchem er derselben mittheilte, dass die Academie beschlossen habe, ihre zweite Secularfeier in Wiesbaden zugleich mit der Versammlung der Naturforscher und Aerzte abzuhalten. Wir freuten uns herzlich dieses Beschlusses, der nur dazu beitragen konnte, die Bedeutung und Frequenz der Versammlung zu erhöhen, und beantworteten die Zuschrift in diesem Sinne. Am 15. September’ wurde das Anmeldebureau geöffnet und die Listen zur Einzeichnung aufgelegt. Die Zahl der Mitglieder und Theilnehmer nahm von Tag zu Tag zu und erreichte die Zahl 776, wie aus dem am Schlusse des Berichtes angefügten Verzeichnisse der Mitglieder und Theilnehmer (An- lage IV.) zu ersehen ist. Enhalk. Seite WOTWORLN Aa Sn ce uehon ibe. TB. AM BORTOnBBRTERF. 52 20.2 0 72 eg Biking ed Ma ee EEE TIERE RER. 1.6 1. Allgemeine Sitzungen. Erste Sitzung. Eröffnungsrede von Prof. Dr. Fresenius . 1 Verlesung der Statuten von Dr. med. Braun . B 5 £ 8 2 e F R ? 8 3 : 3 Antrag des Hofrath Dr. Textor - E 6 & 5 ä s Aue = = 5 j S ’ 4 Verlesung eines Schreibens von Prof. Nees von Esenbeck etc. e P g 4 Bericht der Majorität der für die Errichtung eines Denkmals für Oken niedergesetzten Commission b) Minoritätsbericht . 5 . 5 4 & . EN Ueber Hüttenerzeugnisse als Stützpunkte böotöbhslär Hypothese von Gem v. TERN ö B 6 Anzeige der Gründung des mittelrheinischen geologischen Vereins von Museumsinspector Dr. F. Sandberger 12 Ueber die Heilwirkungen der Thermen zu Ems von Hofrath Dr. Spengler . E E E £ ö 48) Ueber. eine Theorie der äusseren Sinneserscheinungen von Prof. Zenneck .° . e n er a! Ueber Wesen und Bedeutung der Paläontologie von Dr.. Guido Sandberger . 2 . L o . 26 Einladung des Maschinenmeisters Heusinger zu Castel & y . h B h o B Ü ra Zweite Sitzung. : Ueber die Geschichte der Entwickelung und den gegenwärtigen Zustand der K. K. en Reichsanstalt in Wien von W. Haidinger, K. K. Sectionsrath . e . 34535 Festrede zur zweihundertjährigen Jubelfeier. der K. Leop. Karol. AKondemio den Befüuforschen, von Dhinnnei. einalrath Dr. Jäger . 5 ? a e e B - ; - i 2 6 d 2.88 Begrüssung der Versammlung im Namen der Leop. Karol. Academie- von Prof. Nees von man ...48 Ankündigung eines an die Anwesenden zu vertheilenden Programms der Academie und Verkündigung der neu ernannten Mitglieder derselben von Prof. Nees von Esenbeck . R 3 £ . I or 0) Erwiederung der Begrüssung Schweinfurts von Pfarrer Emmert . Fi FAaE B . . 5 50 Ueber die Stellung der Mediein zur Lösung der socialen Frage von Dr. Posner . 2 R - n .,.50 Wahl des Ortes: und der Geschäftsführer der 30. Versammlung > - ß e n a Z e Bi) Dritte Sitzung. Ueber monographische Behandlung des botanischen Materials von Dr. Schultz, Aiponl- 5 Ueber das Mainzer Tertiärbecken von F, Voltz “ E Pak 5 & 2 . “ ur, 91 Ueber das Bedürfniss einer systematischen Eintheilung der a und die ee noch fehlenden Fächer von Prof. Zenneck un: i er: C £ Such a Bd Sala - 56 vi Ueber den Kampf des Staates gegen die Epidemie und Danksagung Namens der Leop. Karol. Academie an die Versammlung wegen Entscheidung ihrer Lebensfrage von Prof. Nees von Esenbeck Ueber Erweiterung des naturwissenschaftlichen Vereinslebens von Prof. Rossmässler Abschiedsrede von Prof. Dr. R. Fresenius . a Dank, im Namen der Versammlung ausgesprochen, von Dr. Berfelden r A . I. Sections - Versammlungen. 1. Section für Physik und Mathematik. Erste Sitzung. Ueber die vergrössernde und verkleinernde Wirkung optischer Instrumente von Prof. Schröder. Ueber den Hind’schen neuen Stern im Ophiuchus von Lichtenberger Einige Versuche über die Abweichung der Geschosse von Prof. Magnus 5 Vortrag über die Interferenzerscheinungen feiner und regelmässiger Wellensysteme A Flüssigkeiten von Dr. Poppe Zweite Sitzung. Vorzeigung des von ihm neu construirten Apparates, jede Locomotive unmittelbar als grossartige Dampf- electrisirmaschine zn benutzen, von Prof. Schwerd Ueber die Darstellung der Newton’schen Farbenringe durch Centrifugalkraft von Prof. Eisenlihe Ueber Luftelectrieität von Oberlehrer Dellmann a 5 a a r - 2 B Ueber einen Apparat, um das Freiwerden der Wärme beim Erstarren des Wassers zu zeigen, von Prof. Müller Ueber die eleetrische Leitungsfähigkeit des Silbers von Assistent Langsdorf Kurze Nachricht über einen von Prof. Nörrenberg ausgeführten Versuch von Prof. M üller Dritte Sitzung. Ueber Formeltafeln von Schulrath Müller Ueber Beobachtungen betreffend die Theorie des Biene von Dr. Fliedner Ueber die mögliche Ursache des Festwerdens der Glaubersalzlösung beim Umrühren von \ Prof. Kreiaste Ueber ein neues Verfahren Stewart’s in der Daguerreotypie von Reallehrer Schübler Ueber eine optische Inversion mit freiem Auge von Prof. Schröder Vierte Sitzung. Ueber die Morphologie der Wolken von Dr. Schimper Ueber die Geruchsverhältnisse electrisirter Gase von Prof. Zack 2.. Section für Chemie umd Pharmaeie. Erste Sitzung. Wahl der Präsidenten Zweite Sitzung. Ueber das Nitroprussidnatrium von Dr. Overbeck 5 A r 2 Ueber die Ursachen des Leuchtens mancher Körper beim Erwärmen von Prof, Schrötter Ueber das Verhalten von Eisen und Zink zu Quecksilberchlorid von Prof, Böttger Ueber Jodreactionen von demselben 5 E b 5 A Ueber die Entwickelung der chemischen Industrie in Oestreich von Dr. von Bey el Dritte Sitzung. Ueber die thierischen Fette von Prof, Heintz Ueber Verkohlung des Holzes durch Wasser von Prof. Eis er Ueber Darstellung des Tellurs von Prof. Schrötter R Ueber Zersetzungsproduete organischer Basen von Prof. Hofmann Seite 62 74 74 76 78 79 81 8 85 86 88 9 9 95 95 99 100 100 100 101 101 101 101 102 105 105 105 105 106 106 106 IX Vierte Sitzung. Ueber Verbesserung der Titrirungsmethoden von Dr. Mohr Ueber die Anwendung des Leuchtgases'bei der Elementaranalyse von Dr, Hofmann Fünfte Sitzung. Ueber Anthranilsäure, Benzaminsäure und Carbonidsäure von Dr, Gerland r { Ueber den gegenwärtigen Stand unserer Kenntnisse von den mitteln entwickeln können, von Prof. Schlossbe rger Giften, welche sich in thierischen Nahrungs- Ueber Verflüchtigung von Metalloxyden im Fayenceofen von Wim pf Ueber die Bereitung des Digitalins von Dr. Walz Ueber das auf galvanischem Wege dargestellte Silbersuperoxyd von Prof. Böttger Ueber das untersehwefligsaure Silberoxydnatron von demselben > Ueber den Stickstofigehalt organischer Körper von Medicinalassessor Winkler Sechste Sitzung. Ueber das Saponin und die Chioeoceasäure von Overbeck Ueber die Laurent’schen Imide von Prof, Schlossb erger Verlesung eines Vortrags von Prof. Fehlin g über Rübenfuselöl . 3 , n b N 5 Weitere Besprechungen hierüber von Prof. H. Rose ‚ Prof. Böttger, Prof. Schödle r, Dr. Mohr und Prof. Schlossberger , 3. Section für Mineralogie, Geognosie und Geographie. Erste Sitzung. Ueberreichung verschiedener Druckschriften e . Ueber eine Schwefelbildung in neuester Zeit von Dr, Zimmermann Uebersicht der geologischen Verhältnisse des Herzogthums Nassau von Dr. Fridolin Sandb erger Ueber die Gattung Scaphites mit Demonstrationen von Dr. J, Ueber fossile Menschenzähne von Prof. Dr. Kurr Müller Weitere Bemerkungen hierüber vom Sectionspräsidenten Dr, Hermann von Meyer r F Ueber das Vorkommen fossiler Crustaceen in der Saarbrücker Steinkohlenformation von Dr. J ordan Ueber versteinerte Insectenreste im Steinkohlengebirg von Saarbrücken von Fr. Goldenberg ö h Ueber die bisherige Thätigkeit der mineralogischen Section des Vereins für Naturkunde in Nassau von Mini- sterialassessor Odernheimer Vorlegung mehrerer Hefte des Werkes: „die fossilen Mollusken des Tertiärbeckens von Wien“ und Be- sprechung des Plans dieses Werkes von Bergrath Franz Ritter von Hauer Zweite Sitzung. Ueber den sogenannten strahligen Chlorit vom Büchenberge bei Elbingerode am Harz von Dr. Karl List ‚„ Ueber das Vorkommen von Kieselzinkerz im Lager des Altenbergs von Bergdirector Max Braun TR „ Ueber die geognostischen Verhältnisse der Umgegend von Algier, Koleah, Blidah und Medeah nebst einem Gebirgsprofil von Oberbergrath Schwarzenber g Einige Bemerkungen hierzu von Bergdirector Braun Vorlegung der ersten Hefte des Werkes: „Systematische Beschreibung und Abbildung der Versteinerungen des rheinischen Schichtensystems in Nassau, mit einer kurz gefassten Geognosie dieses Gebietes und mit steter Berücksichtigung analoger Schichten anderer Länder“, herausgegeben von Dr. Guido Sand- berger und Dr. Frid. Sandberger Ueber Kreidepetrefacten von Dr. Müller . . Ueber die von der K. K. geologischen Reichsanstalt ausgeführte geologische Karte von Unterösterreich von Bergrath Franz von Hauer . - 5 . Ueber die Steinkohlenflora von Radnitz in Böhmen von Dr. € onstantin von Ettingshausen . . u Seite 107 114 114 114 116 116 116 116 116 117 118 119 120 120 121 122 122 122 122 122 123 126 127 129 132 132 143 148 x Seite Ueber den Parallelismus der Diluvialgebilde und erratischen Phänomene in der Schweiz, dem Norden 'von'ı.i Europa und Nordamerika von Dr. E. Desor .. » 7 e B a > M = .: 149 Ueber fossile Weintrauben von Salzhausen von Prof. Dr. al Enke pr 4 5 e 3 2 1 155 Dritte Sitzung. Ueber die Analogieen der fossilen Land- und Süsswasserfauna des Mainzer Beckens‘ mit, der lebenden der Mittelmeerländer von Dr. F. Sandberger / ® = . 155 Einige Bemerkungen über die geognostische Stellung des Makiteph De von a Dr. von Klipstein 158 Entgegnung hierauf von F. Voltz . n - 2 158 Weitere Besprechung dieser Frage von F. Volle, er von en Su En Frid, ee 158 Ueber vulkanoidische Gesteine und erratische Trümmer von W. K. J. Gutberlet B P 159 Ueber die Wirbelthierversteinerungen des neu entdeckten ms Schiefers von Cirin in Fee von Dr. Hermann von Meyer . = . n R e 5 3 b .. 162 Vorzeigung von natürlichen und künstlichen Krystallen von Dr. Jordan h : Fr er N 7 ...163 Vorschlag zur Entwerfung einer neuen Art Landkarten von Prof. Forchhammer 2 > o .. 163 Vorlegung eines von ihm erfundenen neuen Messinstrumentes von Dr. Guido Bauonger 3 ® .. 165 Commentar zu den 12 Vegetations-Ansichten ‚aus den Schlesischen Gebirgen von F, G. Kittlitz.. , 165 Vorzeigung’von Abbildungen und den ersten Textbogen des Werkes „Die Gasteropoden der Gosaugebilde von Dr. Fr. Zekeli“ durch Bergrath Franz von Hauer . 7 5 > 5 © . 167 Vorzeigung einiger Versteinerungen aus der Wetterau und kurze Erläuterung deeiken von Karl Rössler 167 Bemerkungen hierzu von Bergrath von Hauer . e e . £ . ® . . 167 Ueber die Steinkohlenpflanzen von Stradonitz bei Beraun in Böhmen von Di. Const. von En Hasen 167 Vorzeigung einiger interessanten Mineralien aus der Bergstrasse von Fr. Voltz . 5 . . . . 168 Vierte Sitzung. Vorlegung einiger Arbeiten des Salineninspectors Ludwig aus Nauheim durch Dr. F, Sandberger . . 169 Vorlegung und Erläuterung interessanter nassauischer Mineralien und Zee Hüttenproducte von Dr. F. Sandberger. & = a e R s "169 ‚ Vorlage der: „Note sur l’emploi des caracteres aletnien nun, de monuvements De du Eh pour &tablir le synehronisme des formations geologiques“ des Prof. Dumont aus Lüttich durch Dr. F. Sandberger 170 Mittheilung über die PREBENNE im grossen Dismal-Swamp im ARSIE ‘des H. L. Lesquereux durch E. Desor . E B . Pa 772 Vorlage von Entwürfen zu einer ee Karte des Rhöngebirges von ni bench . e . 173 4. Section für Botanik, Land- und Forstwissenschaft. Erste und zweite Sitzung. Ueber die Cassiniaceen von Dr. C. H. Schultz, Bip. sr £ N e 5 5 5 . b . 266 Ueber Moospflanzen von Th. Gümbel & a ö ö e 5 5 s «267 Ueber die Bedeutung der ae ie für a er u von Prof, Dr. Hoffmann . a . «268 Bemerkungen hierzu von Dr, C. Schimper . EN RE Antrag des Dr. Wirtgen und Dr. Schultz, Bip., die nes der Trlussechiete zu a 5 . .. 269 Vorlage seltener Pflanzen nebst Erläuterung von Dr. Wirtgen . 269 Bemerkungen über C. F. v. Gärtners letztes Werk und Vorzeigung PN Früchte von en uetıe‘ Dr. Jäger . EN En - Sn > - n 2 Eee a b a . 270 Ueber Toxomatik etc, von Dr. TEEN 5 e ° s E - A . . h ä A . 270 Auserordentliche Sitzung. Versammlung der xheinischen Botaniker zur Besprechung über die Erforschung dieses Gebietes . - ..., 271 Dritte Sitzung. Ueber Präparate für Pflanzenphysiologie von Fr. Hofmeister . B . c R P u c -ı 272 xl Seite Ueber, Präparate, von Spiralgefässen‘ von Prof. Dr. Rossmässler.; H b k R » 273 Ueber die Wärmeentwicekelung an den Blumen der Vietoria regia yon Prof. Dr. nen x $ . 273 Vorzeigung gekochter Kartoffeln. mit rothen Pilzen von Direetor Dr. Thomä d hun k 2 . 275 Ueber den Character der tertiären Flora von Dr. v. Are. sen » e 6 b R . % 1,275 Ueber fossilen Wein von Prof. A. Braun . y - E e a .: 275 Ueber die Fortpflanzung der Orchideen durch lan von Dr. RT ö 5 2 4 a .. 225 Ueber den Bau der Euryale ferox von Prof. Dr. Lehmann . . x ° E F e 2 “280 Ueber harmonisch organische Verbindung von Philosophie und Empirie, von Prof. Dr. v. Leonhardi -. 280 Physiologische Bemerkungen über Fructificationsreihen der Alpen von Prof. Dr. A. Braun . 5 > +: 280 Vorlage kritischer Eifelpflanzen von Dr. Wirtgen .. & F . e } £ N f 4 ., 280 Ueber Cirsium und deren Bastarde von Dr. Schultz, Bip. . 5 n 5 e a 5 N 3 «: 281 Uebergabe getrockneter Pflanzen etc, von M.dJ. Löhr. . 1 - r . 5 F b* - Ä .. 281 Vierte Sitzung. ? Vorlage einer Rinde, als Chinasurrogat empfohlen, von Di Walz. R ) B F # - E “281 Ueber ‚die Gattung Mentha von Dr. Wirtgen . 5 . 281 Ueber die Nothwendigkeit monographischer Arbeiten über ehe Familien re age Er he 282 Ueber den Talg einer, Euphorbiacea von Berthold Seemann P s E ie 4 - 1 283 Ueber Holzkerne als Basis von Nodaliden und über Cinetorien' von. Dr. Schin mper ® ö = $ 283 Ueber die geflecten. Pulmonarien der Gattung Hieracium von Dr. Schultz Bip. . » F a . 283 Ueber einen zur Gattung Sclerotium gehörigen Pilz von Dr. Brandis . a . . . s E 283 Ueber Tillandsia usneoides von demselben e fe = [ ei 4 E .: 285 Ueber den Schaden, welchen Ambiguella roserana stiftet von Dr. Dietrich . e . e . - . 286 Ueber kritische Pflanzen der Pfalz von Dr. G, F. Koch (eingesendet) _. . s . : a 1 = 287 Fünfte Sitzung. Ueber Kartoffelkrankheit von Dr. Gümbel S . 3 288 Ueber Zusammenhang und Bedeutung der Formen, Eickafess em Zaukklatilorten von Prof. Dr. Leo Bi Par 288 Ueber Cuscuta von Dr. Schultz Bip. “ . P = 2 : % ? & .' 288 Constituirung des: Vereins zur Erforschung der Flora, des Bheiidchiofer > $ A Y fi 3 e .. 289 Uebergabe getrockneter Pflanzen von Löhr ä > 5 e \ h . 4 i } 3 e 1 289 5. Section für Zoologie, Anatomie und Physiologie. Erste Sitzung. ü i Ueber die galvanischen Leitungswiderstände der thierischen Gewebe von Prof, Dr. Eckhard . = . 174 Ueber die physikalischeu Motive der Gesellung in der Bewegung der fliegenden Thiere von Dr. Schimper 174 Ueber Nervenstruetur, über die Primitivfasern und die Bedeutung der Aschencylinder von Prof. Stannius 174 Zweite Sitzung. Vorzeigung verschiedener anatomischer Tafeln, Wachspräparate und Gypsbüsten von Prof. Weber, Ulrici und von Launitz . 6 o . ä 5 5 - 5 . a h . 174 Ueber das Rückenmark von Dr. Stillin g e 174 Ueber die Abhängigkeit des Rückenmarks vom Gehirn bei. den Migmashioren in ie Bpraiih von Eaw. Eis 175 Ueber den Ursprung desjenigen Theils des sympathischen Nerven, welcher am Halse aufwärts steigt und zur Iris geht von Prof, Budge BUBEIERAET h ung ar as sl - . 175 Ueber die Methode der Zählung der Blutkörperchen von Prof Wietordt J ” D g . R . 176 Ueber die Tastkörper von Prof. Gerlach li 2 a e . 176 Ueber die Rolle, welche Leber und Milz bei der Rückbildung spielen von Dr. Jac, AMeisach ot 3 = 17 Ueber die Wintereier von Brachiomus urceolaris von Dr. Weisse . . o 2 segge e Discussion hierüber von Prof. Leuckart, Dr, Moleschott nnd Prof, Dr. win 5 5 . “ .. 177 x Seite Vorlegung von 4 Probetafeln eines im Druck befindlichen Werkes über die Orthopteren von Dr, Fischer durch Senator von Heyden . & ” . . N s # n H b 377 Ueber die Anatomie der Oniscoiden in franz, Bpraclid von "Prof, erbeten t . g r T 477 Dritte Sitzung. Ueber die Schädelmessung nebst Vorzeigung eines von ihm dazu construirten Instrumentes von Schulrath Dr. Müller 3 . e 5 : a Ueber die Beziehungen iedhin ealiigt a Coückphn von Prof irekae L h . 178 Ueber die Entwickelung der farbigen Blutkörperchen bei entleberten Fröschen von Dr. J. Mole sehe . 178 Ueber die Schelligkeit des Blutumlaufs, an einem lebenden Pferde gezeigt von Prof. Dr. Hering : . 178 Ueber den Entwickelungsplan der Wirbelthiere von Dr. Rem 1 Se B 178 Ueber die physiologischen Gründe der Verschiedenheiten in der Fruchtbarkeit der Thiere von Pröf, Be c k art 180 Vorzeigung einer Reihe von Kuochenpräparaten, um die Veränderungen der Knochen nach Durchschneidung der Nerven zu erläutern von Dr, Schiff k R . H £ a - A 1 E J . 180 Ueber zwei fossile Zähne von Obermedieinalrath Dr. Jäger . y 2 .. 180 Vorzeigung von Wachspräparaten, die Entwickelung 'von rana empor Aukstatleniif von Dr. Ziegler . 181 Verzeigung mehrerer Knochenpräparate von Prof. Dr. Weber - z H f i R ® R . 3181 Ueber den Bau der Raupenhaare von Prof, Will . - % 2 18t Vorlesung eines Aufsatzes von Prof, Meyer über den eigenthümlichen Bau der Schleimhaut "ass Dünndarms von Rhinoceros indicus durch Prof. Nasse . R H N e 2 g ur A 3 . 181 Vierte Sitzung. Ueber die chemischen Verschiedenheiten des Gehirns im Thierreich und in den verschiedenen Altersstufen von Prof. Schlossberger : : B 5 S 3 . 181 Ueber die Durchschneidung der Kückenmiiliiswiäkth 4 in nz) Pen vou Dr. A. Waller 2 5 . 181 Ueber Zuckerbildung in der Leber von Dr. J. Moleschott . B ; E 3 5 : ’ 4 . 181 Discussion hierüber von Dr. Falk, Remak und Prof. Nasse 2 2 : n } 3 h 181 Ueber die Contraetion des Ganglienstranges beim Blutegel von Dr. kyehnnk 3 . & $ a 4 . 181 Ueber das Verhalten der Knochen nach Durchschneidung der Nerven von Prof. Nasse R 4 . 183 Discussion hierüber von Dr, Schiff, Prof. Baum, Prof. Nasse, Dr. Waller und Dr. Reha - . 183 Ueber den Einfluss der Nerven auf die Gefässe der Zunge von Dr. Schiff . 2 2 P n I . 183 Vorlage verschiedener in Wiesbaden gesammelter Inseeten von Prof. Kirschbaum . . 3 \ . 184 Ueber die Metamorphose der Inseeten von Prof. Leuckart . . . . 5 = n 184 Ueber die Entwiekelung von buceinum undatum und purpura lappillus unter Vorssigimg von Präparaten und Abbildungen von Dr. Calwer nebst Entgegnung von Prof, Leuckart h n 184 Ueber das Entstehen und das chemische Verhalten der Pflanzenzellen im De zu einigen riechen Zellen von Dr. Hermann Schacht $ 4 184 Ueber die Eintheilung der Wirbelthiere in parallelen Berieis a wie er Ei in Orgekühren (raum dr) von Karl Lucian Prinz Bonaparte B B 2 .. 187 Ueber die Möglichkeit, rothe oder blaue Cocons zu halle in ae. Sprache” von Prof. 7 aIe . S . 188 Fünfte Sitzung. Ueber einige Ergebnisse einer Untersuchung über die physiologischen Bez des Wassers von Dr. C. ThisBalki«tvs osle)l be .. 189 Ueber den Einfluss der Tempereitr auf Ansekechuiliens Negran in franz. Smadde von Dr. ä Waller . 391 Ueber die Extremitäten des Menschen und der Säugethiere in franz. Sprache von Prof. Joly r & 191 6. Section für Mediein, Chirurgie und Geburtshülfe. 1. Abtheilung für Mediein und Chirurgie. Erste Sitzung. Vorlage von verschiedenen Broschüren . 5 5 5 . . 5 5 S o . - . 192 XI Ueber einen Verein für gemeinschaftliche Arbeiten zur ne der wissenschaftlichen Heilkunde von Prof. J. Vogel . a B - e : . . . P R a P . . Ueber die Verfertigung neuer zweckmässiger Ohrkatheter von Prof Ban e s . . R e e |. Ueber den Typhus in Aegypten von Prof. Griesinger . r er ‘ x . - . . Schlussvortrag des Sectionspräsidenten Dr. Gröser . . # Ueber den von Prof. Vogel vorgeschlagenen Verein von Dr. Beneke Zweite Sitzung. Ueber den günstigen Erfolg von Collodiumbestreichungen bei gichtischen Gelenkanschwellungen von Dr. Schultz Vorzeigung mehrerer Instrumente zur Untersuchung des Ohres von Dr. Schmalz 2 Ueber den Liquor hämostaticus Pagliari von Prof. Dr. Heyfelder und Prof. Dr. Sedillot Vorzeigung und Erläuterung eines Instrumentes zur Staphyloraphie von Prof. Dr. Sedillot Ueber die Diagnose der Schwämmcehen, Aphthen und der Diphtherite von Dr, Höfle . B Ueber den organischen Wiederersatz der Defecte des harten Gaumens durch Knochensubstanz von Dr. Pähring Ueber die Amputation in den Metacarpalknochen von Prof Dr. Adelmann. Ueber die Reseetion der Gelenkenden von Prof. Dr. Roser Dritte Sitzung. Erzählung eines besonderen Falles von Typhus und Operation der Laryngotomie von Oberstaabsarzt. Dr. Ebhardt. 4 Ueber die Tracheotomie von Dr. Braun A Ueber einen Fall von angeborner Missbildung des Es von Dr. Heyfelder jun, Ueber ausgedehnte Resectionen in der ganzen Dicke der Tibia von Prof. Dr, Robert . - Ueber Entfernung eines fibrösen A der Rachenhöhle mittelst Operation vom Gesichte aus von Geh. Rath Prof. Wutzer B Ueber die überschätzte Gefährlichkeit dei grünen ksseniktirbe von Hofrath Dr. Kraihnidr “ Ueber Resection bei Gelenkeiterung von Prof. Roser 5 Ueber Zusammentreffen von Exophthalmos mit Anschwellung der Schilddrüse Aut mit HiäbetghhErple von Prof. Naumann Vierte Sitzung. Ueber ein höchst seltenes Hautleiden von Regimentsarzt Dr. Mahr 4 Vorzeigung eines Präparates von Miliartubereulose der chorioidea von Prof, EL: ö Ueber den Einfluss der Raumverhältnisse auf Erkrankungen des.Fötus von Prof. Dr. Hohl Ueber den phosphorsauren Kalk in physiologischer und therapeutischer von Dr. Beneke Ueber die Bevergern’sche Erde von Dr. Brosius junior Ueber die örtliche Anwendung des Secale corn. gegen Ele catkantgalyie, von PR Men Ueber das Vorkommen von Entozoen im Blute der Pfortader von Prof. Griesinger Skizze der topographischen Verhältnisse Wiesbadens und dessen Umgebungen von Dr. Braun Fünfte Sitzung. Ueber das Vorkommen von grünen Stühlen von Dr. Friedlieb Ueber Speckeinreibungen bei Scharlach von Prof. Schneemann Ueber einige neue oder verkannte inländische Heilpflanzen von Dr. ahrulie . Ueber das Verhalten der aus Gesundheitsrücksichten in Italien sich aufhaltenden Bang, von Geheime. rath Alertz Ueber Colonitis chronica von ee eäidanatrath Küster 2. Abtheilung für Geburtshülfe und Frauenkrankheiten. Erste Sitzung. Ueber die Anwendung des Mutterkornes bei Geburten von Med.-Rath Dr. Ricker Beobachtungen bei künstlicher Frühgeburt von Dr. Schneemann 1* Seite 238 238 XIV Zweite Sitzung. Geschichte einer Extrauterinalschwangerschaft von Dr. Genth Ueber Ausstossung der Knochen eines Fötus durch den Mastdarm von Dr. Ten Ueber eine ungewöhnliche, fehlerhafte Lage eines Kindes von Dr. Cunz Discussion über die Anwendung des Chloroforms in der Geburtshülfe Behandlung der Placenta prävia von Prof. Schneemann Dritte Sitzung. Ueber die Entfernung der Nachgeburt von Prof. Schneemann Ueber den Gebrauch eisenhaltiger Bäder bei Disposition zu Fehl- und Frühgeburten von Dr. BE Ueber Geschwülste und Cystenbildung in der Beckensphäre von Prof. Martin und Med.-Rath Schneemann Ueber Abscessus mammae von Dr. Lamby Ueber Behandlung der Mastidis mittelst Collodiums von Prof. Martin 7. Section für Psychiatrie und Anthropologie. Erste Sitzung. Ueberreichung einer Schrift von Dr. Parigot „Therapeutique naturelle de la folie“, durch Dr. Rieken Beschreibung der Herzogl. Nass. Irrenanstalt zu Eichberg von Dr. Snell Vorlage verschiedener Fragen von Med.-Rath Dr. Mansfeld und Discussion darüber Zweite Sitzung. Ueber die Nahrungsverweigerung in psychischen Krankheiten von Dr. Richarz Discussion über die Fütterungsmethoden Ueber Anästhesie der Haut bei Geisteskranken von Dr. Snell = ee hierüber Dritte Sitzung. Ueber die abnormen Sensationen von Dr. Erlenmeyer . Besprechung über die Frage, welche Einflüsse die politischen Eadaise er letzten Tale auf die Zahl en Form der Seelenstörungen ausgeübt haben Ueber den Werth der Phrenologie von Obermed.-Rath Vor Nachträge. A. Section für Botanik ete. . B. Zur ersten allgemeinen Sitzung, FE otum Er Prof, Dr. ee ener - II. IV. Anhang. Programm der neunundzwanzigsten Versammlung Einladung zur neunundzwanzigsten Versammlung Tagesordnung der neunundzwanzigsten Versammlung Alphabetisches Verzeichniss der Mitglieder und Theilnehmer - . Seite 239 239 239 239 239 239 240 240 240 240 241 242 242 244 250 251 252 264 264 266 289 291 293 294 296 I. Allgemeine Sitzungen. Erste allgemeine Sitzung. Am 18. September 1852, Morgens 9'/, Uhr, wurde die neunundzwanzigste Versammlung deut- scher Naturforscher und Aerzte in dem festlich geschmückten grossen Saale des Kurhauses von dem ersten Geschäftsführer, Professor Dr. R. Fresenius, mit nachfolgender Rede eröffnet: Hochzuverehrende Herren! Kraft des mir durch die 28te Versammlung zu Gotha übertragenen Amtes habe ich die Ehre, an diesem Orte die 29te Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte zu eröffnen. Meine Herren, ich begrüsse Sie zunächst feierlich und freundlich im Namen unseres Landes, welches die Versammlung zum ersten Male betreten hat, — im Namen der Stadt, deren Einladung sie so willig gefolgt ist, — im Namen der Nassauischen Naturforscher und Aerzte, welche sich von derselben Anregung und Belehrung in reichem Masse versprechen. — Sein Sie uns willkommen, sein Sie uns herzlich willkommen! Meine Herren, wir, die Geschäftsführer, sehen mit Freuden, dass die hiesige Versammlung eine der am stärksten besuchten ist, wir bemerken mit grösster Befriedigung die vielen ‚Gäste aus Nord und Süd, aus Ost und West; aber in diese frohen Gefühle will sich fast auch einige Beklemmung mischen, ob wir.im Stande seien, die Hoffnungen zu erfüllen und die Erwartungen zu befriedigen, mit welchen Sie hierher gekommen, ob wir es vermögen, den Obliegenheiten allen nachzukommen, mit welchen Sie uns betraut haben. Wenn wir aber dennoch den Muth nicht sinken lassen und mit froher Zuversicht die Ver- sammlung begrüssen, die so viele Heroön der Wissenschaft in ihrer Mitte hat, so geschieht es, wie im Vertrauen auf Ihre Nachsicht, so in dem dankbaren Bewusstsein, dass wir von allen Seiten bereitwillig, umfassend und kräftig unterstützt worden sind und werden; zunächst von Seiner Hoheit dem Herzoge, der jede Gelegenheit benutzt, seine Liebe zu Wissenschaft und Kunst zu bethätigen, sodann von dem Herzoglichen Ministerium, welches stets bereit ist, Grosses und Nützliches zu fördern, von dem Gemeinderathe Wiesbadens, von unsern Fachgenossen und Freunden, wie endlich von den ehrenwerthen Bürgern dieser Stadt. Wir ergreifen die Gelegenheit, für diese mächtige Unterstützung unsern tiefgefühlten Dank öffentlich auszusprechen. Meine Herren, das Land, welches Sie betreten haben, hat Gott reich gesegnet. Es ist be- grenzt von Deutschlands schönstem Strom, dem Rhein, bespült vom Main, durchzogen von der 1 2 Lahn und bietet von Berg und Thal den schönsten Wechsel dar. Herrliche Wälder bedecken seine Höhen, an den Südgehängen reift die süsse Traube und Nassaus Ebenen sind wie fruchtbare Gärten zu schauen. — Aber nicht nur auf ihrer Oberfläche, auch in ihrem Schoosse hat uns die Mutter Erde gütig bedacht. Reiche Erzgänge, unerschöpfliche Thonlager, herrlicher Marmor , mächtige Braunkohlenflötze sind ihre verborgenen, aber leicht zugänglichen Gaben und endlich, um das Mass voll zu machen, entsendet sie aus ihrer Tiefe, dem Lande zum besonderen Segen, eine Fülle der besten Mineralwasser und Heilquellen. Unter diesen Verhältnissen mag es natürlich erscheinen, wenn Ackerbau, Weinbau, Forstwirth- schaft, Bergbau und mancherlei Gewerbe erblühten, und wenn sich der Arzneikunde würdigste Vertreter um die Heilquellen sammelten, als um eben so viele Brennpunkte ärztlicher Thätigkeit. — Anders war es mit der Pflege der Naturwissenschaften. — War es die hohe Bewunderung vor der Schönheit der Natur in ihrer Total-Entfaltung, welche von einer Zergliederung derselben, von einer speciellen Erforschung ihrer Theile abhielt, wie das Auge des Botanikers erst die Pracht einer herrlichen Blüthe lange bewundert, ehe seine Hand sie zu zerlegen vermag, oder war es ein anderer Grund, aber abgesehen von einzelnen hervorragenden Leistungen muss die Naturforschung in Nassau ein Kind der neueren, ja in mancher Beziehung der neuesten Zeit genannt werden. Wie wir nun im Leben des Mannes drei Altersstufen unterscheiden, von denen das Jünglings- alter den Beginn macht, die frohe Zeit des Ringens und Strebens, da die Brust noch von Hoffnung schwillt, da uns kein Weg zu weit und keine Höhe zu steil scheint, so hat auch die Entwickelung der Wissenschaft in einem Lande Altersstufen. Bei uns nun sind die Naturwissenschaften im frischen Jünglingsalter und wir tragen nicht Leid darüber; denn wir vergessen gern des noch geringen Be- sitzes in der Freude über den erwachten Thatendrang, wir suchen durch Begeisterung zu ersetzen, was uns an Erfahrung fehlt, wir achten die schönen Anfänge der Vergangenheit, freuen uns der Gegenwart und hoffen auf die Zukunft. Ihnen, meine Herren, musste ich dieses Bild entrollen, auf dass Sie, die Sie grossentheils aus Ländern kommen, in denen die Naturwissenschaften schon lange gepflegt und zur Blüthe gebracht worden sind, Ihre Erwartungen und Anforderungen unseren Verhältnissen anzupassen nicht versäu- men wollen. Meine Herren, auch die Stadt, in der wir weilen, ist nicht stiefmütterlich von der Natur be- dacht. — Gelehnt gegen Norden an schützenden Bergeshang, erschliesst sich ihr nach Süden die weite Ebene nach dem Rhein, und wie ihr hierdurch ein besonders mildes Clima zu Theil geworden, so bietet auch ihre Umgebung eine Mannigfaltigkeit von Naturschönheiten, wie sie nur wenig Städten gegeben ist. — Weitberühmt, seit Jahrtausenden bekannt und schon von Plinius beschrieben, sind ihre Thermen, und wie sie dem Arzte als treffliches Heilmittel dienen, so bieten sie dem Geologen, dem Physiker und Chemiker eine grosse und würdige Aufgabe zu Beobachtung und Forschung dar, — dem Kranken aber sind sie helle Hoffnungssterne in der Nacht der Leiden, und wer zählt die Tausende, die hier Genesung fanden und dankerfüllt von unsern Quellen schieden. Aber es ist nicht allein das Land schön und die Stadt mit ihren Thermen merkwürdig, son- dern es kommt noch ein Drittes hinzu, es sind auch ihre Bewohner gastlich und bieder. Dies, meine Herren, will ich nicht durch historischen Beweis erhärten; meine Mitbürger haben sich den Beweis selbst vorbehalten, er soll nicht mit Worten, er soll durch die That geführt werden. 3 Wohl sind andere Länder mächtiger, und andere Städte von reicheren Mitteln, in drei Stücken aber will sich Nassau, will sich Wiesbaden nicht übertreffen lassen: in der Freudigkeit, in der es diese hochansehnliche Versammlung empfängt; in der Willigkeit, mit der es bereit ist, ihre Zwecke zu fördern und in der Anerkennung der Ehre, welche ihm durch ihren Besuch zu Theil geworden ist. — Möge es Ihnen bei uns gefallen; mögen die Zwecke auf’s beste erreicht werden, welche der grosse Stifter unserer Versammlung, welche ihre Erweiterer und Förderer im Auge hatten, — möge sie dazu beitragen, dass sich Natur- und Heilkunde immer fester aneinander schliessen, denn sie bedürfen einander, wie die Pflanze des Bodens nicht entbehren kann, in dem sie wurzelt, auch wenn ihre Ranken weithin ragen, auch wenn ihre Blüthen schön und ihre Früchte herrlich sind; — möge sie dazu beitragen, die einzelnen Zweige der Naturwissenschaft in innige Verbindung mit einander zu bringen, denn die Natur ist ein Ganzes und so auch die Naturwissenschaft, — möge durch den Gedankenaustausch so vieler ausgezeichneter Männer Bewährtes erhalten, Zweifelhaftes entschieden, Widerstreitendes aufgeklärt, Falsches beseitigt, Neues an’s Licht gebracht werden, auf dass das Banner der Wahrheit immer freier und freudiger sich entfalte, welches als ihr Heer- und Feldzeichen jede Wissenschaft vorantragen muss. Mögen neben dem scharfen Verstand, auch Herz und Gemüth Früchte ernten, indem alte Freund- schaften sich befestigen, neue sich knüpfen, -— indem heitere Erinnerungen zurückgerufen und frohe Hoffnungen erweckt werden. Möge endlich die Versammlung weithin ihre Strahlen senden, Licht und Leben verbreitend durch die Gaue des Vaterlandes und darüber hinaus, möge sie dem Auslande darthun und zeigen, dass die Männer deutscher Zunge allezeit einig sind, wenn es gilt, die Achtung zu erhalten, Achtung zu erwerben der deutschen Wissenschaft. 2. Der zweite Geschäftsführer, Dr. Braun, verlas hierauf die Statuten der Gesellschaft. Statuten der Gesellschaft der deutschen Naturforscher und Aerzte. $. 1. Eine Anzahl deutscher Naturforscher und Aerzte ist am 18. September 1822 in Leipzig zu einer Gesellschaft zusammengetreten, welche den Namen führt: Gesellschaft der deutschen Naturforscher und Aerzte. $. 2. Der Hauptzweck der Gesellschaft ist: dem Naturforschern und Aerzten Deutschlands Gelegenheit zu verschaffen, sich persönlich kennen zu lernen. $. 3. Als Mitglied wird jeder Schriftsteller im naturwissenschaftlichen und ärztlichen Fache betrachtet. $. 4. Wer nur eine Inaugural-Dissertation verfasst hat, kann nicht als Schriftsteller ange- sehen werden. $. 5. Eine besondere Ernennung zum Mitgliede findet nicht statt und Diplome werden: nieht ertheilt. - $. 6. Beitritt haben Alle, die sich wissenschaftlich mit Naturkunde oder Medicin beschäftigen. $. 7. Stimmrecht „besitzen ausschliesslich die bei den Versammlungen segenwärtigen Mit- glieder. $. 8. Es wird Alles durch Stimmenmehrheit entschieden. 1 > 4 $. 9. Die Versammlungen finden jährlich und zwar bei offenen Thüren statt, fangen jedesmal mit dem 18. September an und dauern mehrere Tage. $. 10. Der Versammlungsort wechselt. Bei jeder Zusammenkunft wird derselbe für das nächste Jahr vorläufig bestimmt. $. 11. Ein Geschäftsführer und ein Secretär, welche im Orte der Versammlung wohnhaft sein müssen, übernehmen die Geschäfte bis zur nächsten Versammlung. $. 12. Der Geschäftsführer bestimmt Ort und Stunde der Versammlungen und ordnet die Ar- beiten, wesshalb Jeder, der Etwas vorzutragen hat, es demselben anzeigt. $. 13. Der Secretär besorgt das Protocoll, die Rechnungen und den Briefwechsel. $. 14. Beide Beamten unterzeichnen allein im Namen der Gesellschaft. $. 15. Sie setzen, erforderlichen Falls, und zwar zeitig genug, die betreffenden Behörden von der zunächst bevorstehenden Versammlung in Kenntniss, und machen sodann den dazu bestimmten Ort öffentlich bekannt. $. 16. Es werden in jeder Versammlung die Beamten für das nächste Jahr gewählt. Wird die Wahl nicht angenommen, so schreiten die Beamten zu einer andern; auch wählen sie nöthigenfalls einen andern Versammlungsort. $. 17. Sollte die Gesellschaft einen der Beamten verlieren, so wird dem Uebrigbleibenden die Ersetzung überlassen. Sollte sie beide verlieren, so treten die Beamten des vorigen Jahres ein. $. 18. Die Gesellschaft legt keine Sammlungen an, und besitzt, ihr Archiv ausgenommen, kein Eigenthum. Wer Etwas vorlegt, nimmt es auch wieder zurück. $. 19. Die etwaigen geringen Auslagen werden durch Beiträge der anwesenden Mitglieder gedeckt. $. 20. In den ersten fünf Versammlungen darf nichts an diesen Statuten geändert werden. Leipzig, am 1. October 1822. Im Auftrage der Gesellschaft der Geschäftsführer Dr. Friedrich Schwägrichen, ord. Professor der Naturgeschichte. der Secretair Dr. Gustav Kunze, ausserord. Prof. der Medicin. 3. Nach Vortrag der Statuten richtete der zweite Geschäftsführer die Anfrage an die Versanm- lung, ob ein Mitglied derselben einen Antrag auf Abänderung der Statuten zu machen wünsche. 4. Hofrath Dr. Textor von Würzburg beantragt hierauf, dass die Versammlungen in der ersten Hälfte des Septembers stattfinden möchten. Dieser Antrag wurde von der Versammlung nach kurzer Discussion abgelehnt. 5. Der zweite Geschäftsführer trug ein Schreiben des Präsidenten der kaiserlich Leopoldinisch- Carolinischen Academie der Naturforscher, Professor Nees von Esenbeck vor, worin derselbe den Antrag an die Versammlung zu stellen bittet, dass ihr die Feier ihres 200jährigen Stiftungs- festes inmitten derselben gestattet werden möge. Dieselbe sollte sich auf einen Vortrag des Obermedieinalrath Jäger von Stuttgart über die Geschichte der Academie und einen kurzen Vortrag des Professors Nees von Esenbeck selbst, als Präsidenten derselben beschränken. Der Antrag wird zur Abstimmung gebracht und einstimmig angenommen. 5) 6. Darauf spricht Professor Nees von Esenbeck Namens der Academie seinen Dank für die Genehmigung des Antrages aus. i 7. Der zweite Geschäftsführer verliest den Bericht der Majorität der für die Errichtung eines Denkmals für Oken in Jena in der achtundzwanzigsten Versammlung niedergesetzten Commission (Kieser und Huschke), wie folgt: In der zweiten allgemeinen Sitzung der Versammlung der deutschen Naturforscher und Aerzte zu Gotha am 20. September v. J. trug Professor Heyfelder aus Erlangen darauf an: n Neben dem in Jena zu errichtenden ehernen Denkmale für Oken demselben ein lebendes Denkmal zu begründen, nämlich durch Verpflichtung aller Theilnehmer der Versammlung der Naturforscher und Aerzte zu jährlichen Beiträgen, der kaiserl. Leopoldinisch-Caroli- nischen Akademie der Naturforscher ein selbstständiges Dasein und einen festen Sitz in Jena zu schaffen, worauf dann die Grossen, die Reichen, ihre Beihülfe zu weiterem Ge- deihen dieses Instituts angeregt fühlen müssten. Durch Beschluss jener Versammlung wurden Geh. Hofrath Kieser und Prof. Heyfelder be- auftragt, unter Zuziehung eines dritten Mitgliedes eine Commission zu bilden, welche die geeigneten Vorarbeiten zur Ausführung des Vorschlages unternehmen und bei der nächsten Versammlung deut- scher Naturforscher und Aerzte mit bestimmten Vorschlägen vor die Versammlung treten möchte. (S. Tageblatt der 28ten Versammlung deutscher Naturf. und Aerzte. Gotha, 22. September 1851. Nr. 3. S. 18, 19.) Diesen ehrenvollen Auftrage gemäss, und nachdem Geh. Hofrath Huschke als drittes Mitglied der Commission gewählt worden, hielten die Mitglieder derselben sofort am 22, September v. J. in Gotha eine Sitzung, in welcher unter dem Präsidio des Geh. Hofrath Kieser einstimmig beschlos- sen und zu Protokoll genommen wurde: „einstweilen abzuwarten, welche Eröffnungen in dieser Beziehung der Herr Präsident Nees von Esenbeck auf der Schweinfurter Conferenz der Adjuneten der Akademie am 22. Oktober jenes Jahres machen werde, und sodann das ferner Nöthige zu verabreden.“ Ferner wurde in dieser Commissions-Sitzung beschlossen, von diesem Sitzungsprotocolle dem Herrn Präsidenten Nees von Esenbeck abschriftliche Mittheilung zu machen, welches von Jena aus am 25. September v. J. geschehen ist. Auf Betreiben des Prof. Heyfelder einigten sich die Jenaischen Mitglieder der Commission am 12. December v. J., dem vorstehenden Commissionsbeschlusse vom 22. September v. J. gemäss, von Neuem dahin: „Seitens der Commission vorerst eine Mittheilung des Beschlusses des Adjuncten- collesiums, die Fundationsfrage betreffend, abzuwarten; welche protocollarische Niederschrift dem Prof. Heyfelder am 15. December v. J. mitgetheilt wurde. Soweit die Verhandlungen im verflossenen Jahre. Seitdem ist nun auf jene Mittheilung des Commissionsprotokolles an den Herrn Präsidenten Nees von Esenbeck der Commission von demselben weder. eine Erwiederung, noch eine Benach- richtigung über die Eröffnungen des letzteren auf der Schweinfurter Conferenz, noch ein Beschluss des Collegiums der Adjuncten der Akademie, die Fundationsfrage betreffend, zugegangen. Die Com- mission findet sich daher in Verlegenheit, indem ihr die Bedingungen und Materialien zu einer 6 ferneren Berathung und gutachtlichem Berichte fehlen. Sie steht auf demselben Standpunkte, wie am 22. September v. J., indem sie, aller ferneren Vorlagen ermangelnd, auch nicht im Stande ist, weitere Vorschläge über jenen Antrag des Professor Heyfelder der hochgeehrten Versammlung zu machen. Wenn hiermit unser Commissorium beendiget sein möchte, so glaubt die Majorität der Commis- sion jedoch, im Interesse des altehrwürdigen Instituts der freien deutschen kaiserlichen Leopoldinisch- Carolinischen Akademie, der wir theils als Director ephemeridum, theils als Adjuncten des Präsi- diums, theils als Mitglieder anzugehören die Ehre haben, folgende allgemeine Bemerkungen hinzu- fügen zu müssen. Ist gleich der bisherige Bestand und die Wirksamkeit der Akademie so lange für gesichert zu halten, als die königl. preussische Regierung fortfährt, mit der bisherigen die Naturwissenschaften fördernden Liberalität die Akademie durch eine jährliche zur Herausgabe ihrer Acten bestimmte Summe zu unterstützen; so würde es doch allerdings für die Förderung der deutschen Naturwissen- schaft sehr erspriesslich sein, wenn, dem Antrage unseres Collegen gemäss, es gelingen könnte, wie es auch in England Sitte ist, die Mitglieder der Akademie, so wie hohe und mit Glücksgütern gesegnete Gönner der Wissenschaft, zu einem bestimmten jährlichen Geldbeitrage zu verpflichten, um die bereits vor länger als 2 Jahren von den Adjuncten der Akademie genehmigte zeitgemässe Reorganisation der Akademie (S. Nova Acta der Akademie Vol. 23. P. 1) in’s Leben zu rufen und dadurch neben der selbstständigeren und gesicherteren Existenz ihr auch eine ausgedehntere und fruchtbringendere Wirksamkeit zu verschaffen. Allein die Commission kann, nachdem Versuche der Art bei den höchsten deutschen Behörden bisher resultatlos geblieben sind, ihren Zweifel nicht zurückhalten, dass vor Einigung der politischen Interessen Deutschlands eine Einigung der deutschen wissenschaftlichen Interessen zu ermöglichen sein werde, noch auch gegenwärtig sich der Hoffnung hingeben, durch fixirte Beiträge der Mitglieder der Akademie oder Geschenke grossherziger Mäcenaten der Wissenschaft einen sicheren und hin- länglichen Fond zu schaffen, wie ihn der obengenannte Reorganisationsplan voraussetzt. Den ferneren Antrag, die freie deutsche Akademie in Jena zu fixiren, muss die Commission aus mehreren Gründen einstweilen unbedingt verwerfen. Mit dankbarer Anerkennung der bisherigen uneigennützigen Unterstützung, welche die königl. preussische Regierung seit Jahren der Akademie geschenkt hat, kann daher die Commission hier nur den Wunsch öffentlich aussprechen: dass einerseits die Akademie durch fernere Leistungen in ihren Actis sich fortdauernd dieser Unterstützung würdig bezeigen, und andererseits die königl. preussische Regierung sich nicht durch temporäre Ereignisse in ihrer bisherigen Huld irre machen lassen möge. Ueber den Antrag des Herrn Collegen Heyfelder sieht daher die Commission in ihrer Majorität sich genöthist, den Vorschlag einer Vertagung des Endbeschlusses auszusprechen. Jena, 19. August 1822. Dr. Kieser. Dr. Huschke ad majora. Prof. Heyfelder. 8. Professor Heyfelder verliest hierauf den Minoritätsbericht in dieser Sache. 9. Geheimerrath von Leonhard sprach sodann „‚über Hüttenerzeugnisse als Stützpunkte geo- logischer Hypothesen“. 7 Schlacken, die Neben-Erzeugnisse hüttenmännischer Arbeit, würdigte man lange keiner beson- deren Beachtung. Als nutzlos und unbrauchbar wurden sie über die Halden gestürzt, nachdem das Metall ausgeschieden, wie Bergleute sich in ihren Gruben befreien vom tauben belästigenden Gestein. Erging es nicht, in gewisser Beziehung, Laven unserer Vulkane, wie den Schlacken? Waren die Geschicke beider nicht ungefähr die nämlichen? Herrschten nicht fast dieselben Vorurtheile? Kaum liefen vier Jahrzehnde ab, dass wir, und alles Ernstes, belehrt wurden: ‚‚Laven seien einfache Individuen, denen eine Stelle im oryktognostischen Systeme keineswegs zu versagen.“ Der Geognosie liess man das Recht, jene Feuer-Gebilde unter den Gebirgsarten zu betrachten. Sie habe sich übrigens, so hiess es, bei Laven ausschliesslich mit deren Lagerungs-Verhältnissen zu beschäf- tigen; und dennoch sind diese Beziehungen, wie man weiss, höchst zufällige; als jüngst Ent- standenes ruht Lava hier auf fruchttragendem Boden, dort auf den vielartigsten älteren Formationen. So gut wie unbeachtet blieben, was in Wahrheit auflallend, Giuseppe Gioeni’s Verdienste um Laven-Kenntniss; und der Mann schrieb 1790. Man übersah, dass Haüy bereits vor fünfzig Jahren auf rechtem Wege gewesen, das Ungleichartige des Gesteins zu erweisen. Nur von schlacki- ger und schaumiger Lava war die Rede. Jeden Eindruck verfehlten des unsterblichen Dolomieu wiederholte Warnungen. Dennoch hätten wohlgewählte Handstücke — wie sie leicht zu erhalten durch Fachmänner aus Neapel oder Catania — zur Entscheidung hingereicht. Nicht länger würde man im Unklaren geblieben sein, nicht einzig und allein an Schlackiges geglaubt haben und an Schaumiges. Wenige lernten des eifrigen Geologen Moricand lehrreiche Sammlungen, seit 1816 zu Genf aufgestellt, durch Selbstansicht kennen; die Meisten hörten vielleicht nicht davon reden. Unter Umständen wie diese, möchte man’s beinahe als Höhnerei der Natur nehmen, dass sie sich ins Spiel gemischt; das Ihre beitragend zur Entscheidung der Streitfrage. ,Trefflich weiss die Natur zu analysiren‘“, so lauteten des ehrenhaften Grossmeisters der Geologen unserer Tage gewich- tige Worte. Ich erinnere an den Magneteisen-Sand der Westküste Italiens: er ist eine, in ihre Elemente geschiedene Lava. Mit gebührendem Danke sind der Chemiker Bemühungen zu erkennen, von Bergman — dem ersten, welcher Laven untersuchte -—— bis zu Kennedy, Dufrenoy. Loewe, Rammelsberg und Andern. Aufrichtig gestanden haben jedoch, in meinen, Augen, neben den Arbeiten jener ver- dienten Forscher, Natur-Analysen ebenfalls hohen Werth: chemische Zersetzungen von Laven durch Naturkräfte. Aus Erdtiefen emporgestiegene wässerige Dämpfe, denen hohe Temperatur zustand, die beladen waren mit diesen und jenen Säuren, durchdrangen unsere Feuer-Gebilde und griffen solche an, bald in höheren Graden, bald in geringeren. Man rede nicht ein: es gehörten die denk- würdigen Thatsachen, deren ausführliche Schilderung hier keineswegs am Orte wäre, der Neuzeit an; die sprechendsten Belegstücke meiner Sammlung wurden entnommen von einem Strome, den der Vesuv 1792 ergoss. Hergänge, wie die angedeuteten, erklären zugleich das seltsame Phänomen vom Aetna, vom Vesuy und besonders vom Stromboli, einem Hagel gleich, ausgeschleuderter loser Augit-Krystalle. Allerdings ist jene Zeit vorüber, wo man, und in mehr als einer Hinsicht, sehr beschränkte, irrige Vorstellungen von Laven hatte. Ich weiss, dass es sich heutzutage nicht mehr um solche Meinungen handelt. — Wesshalb hielt ich mir erlaubt, so weit auszuholen, ehe ich auf meinen 8 eigentlichen Gegenstand komme? Warum ich von Thatsachen rede, die keineswegs als neue Ent- deckungen zu betrachten? Man wolle es nicht übel deuten, der Grund liegt ganz nahe; es sind keine unzeitigen Abschweifungen, ich gerieth nicht auf Nebenwege. Wenige Worte dürften hinreichen, uns zu verständigen. So lange man in Hüttenerzeugnissen nur Schlackiges sah, Glasiges und Schaumiges, und nichts wusste von ihrer chemischen Mischung, als was gewöhnliche Silber-, Blei- oder Kupfer-Proben etc. ergeben, so lange wurde die ihnen zustehende hohe Bedeutung misskannt. Denkenden Hüttenmännern war es übrigens keineswegs entgangen, dass Schlacken-Charaktere abhängen von der Beschaffenheit angewendeter Beschickung, dass ein mehr oder minder guter Schmelzungsgang mit gewissen Eigen- thümlichkeiten dabei sich bildender Schlacken im Verbande steht, dass ihr Aeusseres Zeugniss gibt von der Neigung früher zu erstarren, oder später, dass man auf solche Weise beurtheilen lerne, wie “die Processe von Statten gehen. Schlacken sind nicht das, wofür man sie früher gehalten, keine „zufälligen Verbindungen meh- rerer Stoffe, keine ungeregelten Gemische von Erden und Metalloxyden, welche zwar immer wieder aufgefunden würden in diesen und jenen Schmelzerzeugnissen, in quantitativer Hinsicht aber endlose Verschiedenheiten zuliessen“. Untersuchungen der Schlacken waren nichts weniger, als undankbare Geschäfte, und noch dürfen wir unsere chemischen Kenntnisse derselben keineswegs als vollständige bezeichnen. Nur im Vorbeigehen sei es vergönnt, auf werthvolle Erfahrungen hinzuweisen, welche wir Berthier und Vivian verdanken, so wie auf Bredberg’s wichtige Untersuchungen aus dem Jahre 1822. Die Folge wird lehren, in wiefern diese Mittheilungen achtbarer Forscher unsern Ab- sichten nicht unbedeutenden Gewinn brachten. Ich bescheide mich, dass seit langer Zeit krystallinische Gebilde unter glasähnlichen Abfällen bei hüttenmännischem Verfahren, namentlich beim Kupferausschmelzen, bei der Eisenbereitung u. s. w. beobachtet wurden. Aber es weckten solche Erscheinungen nicht die Theilnahme, welche ihnen gebührt. Allerdings zeigten sich viele Krystalle sehr klein, es bedurfte, für nicht zweideutige Be- stimmungen, ausdauernder , unverdrossener Beharrlichkeit, andere dagegen waren mitunter so gross, dass Augengläser überflüssig, um das Verschiedenartige ihrer Gestaltung zu erkennen. Wenden wir uns — ohne bei dem zu verweilen, was von Fleuriau de Bellevue geschehen und von Dartigues — sogleich erfolgreicheren, wichtigeren, mehr versprechenden Untersuchun- gen zu. Unbestreitbare Verdienste erwarb sich vor Allem Hausmann, was man freudig anerkennen und rühmen muss. Mit redlichem Streben bot er, 1816, die erste zusammenhängende Arbeit über den Gegenstand, behandelt mit Sachkenntniss, Umsicht und Klarheit, erschöpfend in ihrer Art. Von ihm, der die Bahn brach, ging in Deutschland hauptsächlich der Gedanke aus: metallurgische Erfahrungen anzuwenden auf Erklärung geologischer Phänomene. Hausmann’s Leistungen schlossen sich zunächst die von Mitscherlich an, jene von Sefström, Starbäck und Koch. Unvergessen darf auch Vauquelin’s Analyse eines Schmelz- feuer-Erzeugnisses nicht bleiben; sie kann als früheste gelten. Die wissenschaftliche Besründung einer Theorie der Schlackenbildung ist Mitscherlich’s Werk. Betrachten wir das bis jetzt an uns Vorübergegangene als erste Phase. Zahlreiche Versuche, 9 die man, nicht ohne grosses Vergnügen, nach und nach zum Ganzen sich verbinden sieht, gewähren sehr erwünschtes Anhalten. Indem die chemische Kunst alle ihr gebotenen Mittel verwendete, wurden manche scheinbare Widersprüche gehoben. Mehr und mehr Aufmerksamkeit erregten Mineralienbildungen auf feurigem Wege, bei Vorgängen in Hochöfen, durch allmähliges Erkalten in angemessenen Verhältnisseu zusammengeschmolzenen Materials, oder aus Dämpfen, durch Emportreibung und Verflüchtigung. Wie wichtig erweiset sich der Temperatureinfluss auf die Mischungsverhältnisse? Vorhandene Verbindungen, entstanden nach bestimmten Proportionen, wurden umgewandelt zu neuen, eleichfalls auf bestimmte Art zusammen- gesetzten Verbindungen. Was man als Entglasung von Schlacken und Gläsern zu bezeichnen pflegt — sagt Karsten, der gründliche, um diese Lehre hochverdiente Forscher — ist nur ein verein- zelter Fall der, durch Temperaturunterschiede bewirkten, Mischungsänderungen; vollständiger sind solche Phänomene nachweisbar bei metallischen Verbindungen, zumal bei denen des Eisens mit Kohle. Farbe, Härte, Festigkeit, Eigenschwere, Schmelzbarkeit und chemisches Verhalten ändern sich, durch Temperaturverschiedenheiten, bei ganz gleichbleibenden quantitativen Mischungsverhält- nissen, so auffallend, dass man geneigt sein würde, grosse Abweichung in Menge und Beschaffenheit der Bestandstoffe anzunehmen, wenn Analysen und unverändert gebliebene Eigenschwere nicht jeden Zweifel entfernten. Raum, Ruhe, Freiheit der Bewegung gehören für die, zu regelrechten Ganzen sich ordnenden, Massentheilchen zu den vorzugsweise wichtigen Bedingnissen, zu den nothwendigsten Erfordernissen, um wohl ausgebildete Krystalle entstehen zu lassen; so bedeuten uns Chemiker. Unwandelbaren Gesetzen sind Hergänge der Art unterworfen. Je allmähliger die Zurückführung des Feuerflüssigen in starren Zustand, um desto mehr werden Krystallisirungen begünstigt. Bleiben Verhältnisse und Bedingungen die nämlichen, so sehen wir genau dieselben Formen wiederkehren. Wer erinnert sich nicht mit uns der merkwürdigen Entdeckung Reaumur’s, der scharfsinnig ausgedachten Versuche von James Hall und ihrer glücklichen Anwendung auf Hutton’s Lehre? — Sehr augenfällige und vollwichtige Beweise des Einwirkens allmähliger Abkühlung auf glasige Massen gewähren Obsidianströme. Die Kenntniss hierhergehörender, entscheidender Thatsachen verdanken wir Leopold von Buch. — Höchst anziehend und belehrend sind Breislak’s und Aikin’s Berichte über Aenderungen an Glasgeräthen durch Lavenergüsse hervorgerufen während der Vesuvi- schen Katastrophe von 1794. Bei dem Brandunglück, das vor zehn Jahren Hamburg heimgesucht, wiederholten sich die Erscheinungen, welche man in Torre del Greco kennen gelernt. Unendlich viel zur Förderung der Sache leisteten Chemiker, deren Wissen das innerste Wesen der Fossilien zu erschliessen versteht. Sie schmolzen Bestandtheile zusammen, Elemente, wie solche sich bei Analysen gewisser Mineralien ergaben, und stellten so diese Substanzen her, regelrechte Gestalten mit krystallinischem Gefüge. Nicht selten unterscheidet allerdings ein eigenthümliches Etwas solche Kunstgebilde von Naturwesen. Das lässt sich nicht läugnen. Auch glaube man nicht, dass die Sache unbedingtes Vertrauen fand, dass sie unangefochten geblieben. Wir kennen alle Einwürfe. Zweifler, denen die Behauptung als sonderbar und unbegreiflich galt, unterliessen nicht, jene Erfahrungen der Chemiker zu verdächtigen. Von starrsinnigen Verehrern Neptuns zumal, und von ihren Glaubensüberläufern, wurde eingeredet und mehrfach behauptet: nie vermöge die Kunst fremde Kräfte zu schaffen, wie solche beim Entstehen natürlicher Verbindungen wirksam gewesen. 2 10 Abändernde Umstände verwechselten die Gegner mit Gesetzen. — Hängen die vielartigen Erscheinungen, wie wir solche wahrnehmen, von Umständen ab, welche beim Gerinnen, beim Festwerden, beim Erstarren eintreten, so musste wohl die Nachahmung natürlicher Hergänge, ihres oft sehr Verflochtenen ungeachtet, möglich bleiben. Dargestellte Krystalle mannigfachster Art beweisen das nicht Erhebliche, das Unbegründete und Ungerechte angeregter Zweifel. Die Macht chemischer Wahlverwandtschaften darf bei künstlichem Verfahren nicht weniger als natürliche gelten, wie jene, wodurch die Zusam- mensetzung der Verbindungen in der Natur bedingt wird; in Laboratorien und im Erdschoose walten die nämlichen Gesetze. Senarmont’s, Durocher’s, Ebelmen’s, Daubr&e’s und Gaudin’s Arbeiten sollen nicht unerwähnt bleiben. Die merkwürdigen Thatsachen, welche sie dargethan, ergeben, dass man nie voreilig sein soll beim Aburtheilen und Entscheiden. In verschiedener Weise wusste die Natur — vielleicht keineswegs selten — ähnliche, selbst die nämlichen Erzeugnisse hervorzubringen. Es führt uns dieses Betrachtungen zu, über die Kieselerde von Ceyssat in Auvergne und über Niederschläge in Wasserleitungsröhren der Bäder von Mont-Dore, im Gegensatze der Kieselerde als Hütten- eTZeUSgnIss. Nach der vielartigen Beschaffenheit von Erzen, der Rohstoffe für Schmelzprocesse, nach dem Verschiedenen des Verfahrens, stehen den sich bildenden Schlacken und den ausgeschiedenen oder dargestellten Producten bald diese Eigenschaften zu, bald jene. Mannigfache Silicate, gediegene Metalle, mit Sauerstoff verbundene, oxydirte und oxydulirte, durch Schwefel und Säuren vererzte, Kieselerde, Kohlenstoff, Schwefel, gewisse Salze u. s. w.: ein wundersam Mannigfaltiges aus Hüt- tenmannsarbeiten hervorgegangen. Und dennoch darf es nicht überraschen, nicht befremden; Umstände ohne Zahl vereinigen sich, um höchst Verschiedenartiges entstehen zu lassen. Ich will nicht missverstanden sein: alle Schlacken dürften auch gewisse gemeinsame Eigen- schaften besitzen. Bei der weiteren Ausführung sollen die Ursachen klar werden; für jetzt nur zwei Thatsachen: sämmtliche Schlacken zeigen Gleichartiges der Masse, und Leichtflüssigkeitsgrade, hin- reichend die ausgebrachten Metalltheile, vermöge deren grösseren specifischen Gewichtes, niedersinken zu lassen. Schlacken haben geringere Eigenschwere wie das durch Schmelzung zu gewinnende Erzeusniss; dieses ist reines Metall, oder eine Verbindung desselben mit Kohle, Schwefel u. s. w., jene bestehen, in den meisten Fällen, vorherrschend aus Erdarten. So begreift man, dass unter Umständen, wie die augedeuteten, über flüssigem Schmelzgut eine Schlackendecke sich bildet, als Schutz gegen Feuereinwirkung und gegen atmosphärische Luft. Unter die Schlackeneigenschaften, welche wir demnächst besonders hervorzuheben und mit zweckgemässer Ausführlichkeit zu besprechen gedenken, gehören: Färbung und Farbenzeichnung, Eigenschwere und Gefüge. Ueber letzteres Verhältniss machte neuerdings Lossen — ein glücklicher Beobachter und ebenbürtiger Richter — sehr werthvolle Mittheilungen. Dabei werden Bimsstein- und Obsidian-Aehnliches zur Sprache kommen, die Deville’schen Versuche nicht unberührt bleiben etc., ferner die Oberflächengestaltung, vielartigen Stoff zu keineswegs uninteressanten Beobachtungen darbietend, u. s. w. u. Ss. w. Unter den Hüttenerzeugnissen, welche mir bekannt geworden, sind manche jener kleinen Zahl wichtiger Mineralien ähnlicher, die wesentliche oder besonders bezeichnende Gemengtheile mehr und weniger allgemein verbreiteter Felsarten ausmachen. Dahin: Quarz, Feldspath, Glimmer, Magneteisen, 11 Augit, Olivin, Graphit, Granat, Idokras u. s. w. Andere Schmelzfeuer-Producte lassen sich auf Erz- Lagerstätten vorhandenen Gebilden vergleichen. So: metallisches Silber, metallisches Kupfer, Roth- Kupfererz, Kupferkies und Kieselkupfer; metallisches Eisen, Eisenoxyd und ‚Eisenkies; metallisches Zink, Blende und Galmei; metallisches Blei, Bleiglanz, Mennige, Molybdän- und Phosphor-saures Blei und Blei-Vitriol; metallisches Zinn und Zinnerz; metallisches Wismuth; Arseniknickel, Arsenik- blüthe und Realgar; Antimonglanz , Antimonblüthe und Antimonnickel; Chromoxyd; Cyan-Stickstoff- Titan u. s. w. Diesen Gebilden steht, aus geologischem Gesichtspunkte, hohe Wichtigkeit zu. Wenn auch in verjüngtestem Massstabe deuten sie an, wie die Natur wirkte in ihren geheimnissreichen Werkstätten, nach grossartigster Weise, mit tiefgreifender Gewalt. Jene Substanzen müssen, dafür giebt es der Gründe nicht wenige, ein neues Feld öffnen zu Erwägungen und Forschungen , zu Beobachtungen und Versuchen. Ihnen gebühren bei künftigen geologischen Hypothesen, indem man vom Bekannten dem Unbekannten sich zuwendet, bedeutende Rollen. Sie gelten uns als deren Hauptstützen zum Ergänzen mangelhafter Beobachtungen, zum Deuten vielartiger Phänomene,- zur Beseitigung unerwie- sener Wagesätze, nutzloser Grübeleien und Phantasiespiele. Wir haben nähere Aufklärung darüber zu hoffen : ob das Grundgebirge unseres Planeten, dessen Gestalt einen flüssigen Zustand voraussetzt, im Wasser gelöst war, oder ob die Erdtemperatur einst so hoch gewesen, dass die Bestandtheile gewisser Felsmassen im geschmolzenen Zustande sich befanden? — „Alles“, sagt der gefeierte Verfasser des Kosmos, der Forscher vom umfassendsten Genie, „was mit unsern geologischen Vermuthungen über die Bildung der Erdrinde und die Umwandlung der Gebirgs- arten zusammenhängt, hat ein unerwartetes Licht dadurch gewonnen, dass man den glücklichen Gedanken gehabt, die Schlackenbildung in unsern Schmelzöfen mit der Entstehung natürlicher Mineralien zu vergleichen, und künstlich diese aus ihren Elementen wiederum zusammenzusetzen.“ Ausser den Hüttenerzeugnissen, welche Felsarten-Gemengtheilen ähnlich, und Gebilden, wie solche auf Erzlagerstätten vorkommen, giebt es noch andere, ganz eigenthümlicher Art, entstanden durch Schmelzfeuer. Bis jetzt gelang ‚es nicht, sämmtliche, durch Kunst geschaffene, Mineralien im Gebirge nachzuweisen. Mehrere Schlacken dieser Art ergaben sich indessen, bei chemischen Analysen, als bestimmte Verbindungen; sie haben ihre Formeln, wenn dieselben gleich mit der Mischung irgend eines bekannten Mineralkörpers nicht zu reimen sind. Indessen sieht die vorschreitende Wissenschaft ihre Entdeckungen keineswegs als geschlossen an. Ohne Zweifel gelingt es, früh oder spät, auch solche Wesen in der Natur noch aufzufinden. Hatte man bis zur jüngsten Zeit Ahnungen von Alo- trichin, Misenit und Dimorphin? Der Neapolitaner Scacchi — ein Forscher mit regem Eifer für sein Fach erfüllt, dessen Gründlichkeit das beste Lob gebührt — lehrte uns jene Substanzen kennen; es sind Bildungen aus Krateren der Phlegräischen Felder aufsteigender Dämpfe. Ist’s nicht wunderbar, dass neuerdings Shepard in Aerolithen und in Meteoreisenmassen Nord-Amerika’s — räthselhafte Körper, über deren chemische Elemente Berzelius einst so grosses Licht verbreitete — Mineral- substanzen nachwies, welche mit in Gebirgsarten und sonst vorkommenden nichts gemein haben, die man in der Erdrinde nicht kennt.. So unter anderen: Apatoid, Sphenomit, Dyslytit, Jodolit, Chladnit, Chantonnit, Schreibersit u. s. w. Manche derselben gehören recht eigentlich zum. Wesen gewisser bi} 12 Atrolithe: der Chladnit, ein Tri-Silicat von Magnesia, macht über zwei Drittheile des Steines aus, der, im März 1843, bei Bishopville fiel. Ich sprach aus vollster, innerster Ueberzeugung‘, sehr entfernt, anders Gesinnten feindselig in den Weg zu treten, Meinungen zu bekämpfen, die ich auf ihrem Werth oder Unwerth beruhen Jasse. Es wäre ein grosser Irrthum, wollte man glauben, ich buhle um Parteigänger, aus eitlem Ruhme mühe ich mich, meiner Sache Anhänger zu gewinnen; auch gebe ich solchen Besorgnissen nicht Raum. Alles was ich wünsche, ist, die Rechte der Hüttenerzeugnisse zu vertreten, der Schmelzfeuer mit ihren ändernden, umwandelnden, schaffenden Wirkungen; Vorurtheile suche ich’ zu beseitigen, welche hin und wieder gegen jene Producte auftauchen, um ihr Verdienst in Schatten zu stellen. Hat man nicht längst. die nahen und vielseitigen Beziehungen erkannt zwischen Geologie und Bergbau? Gilt dieser nicht, und mit gutem Grunde, als ergiebigste Quelle mehr vollständiger Erfahrungen für unser Wissen? Ihm verdanken wir eine Fülle von Beobachtungen, das Gesetzmässige des Erdrinden- Baues beurkundend. Ohne die bergbauende Welt zu kümmern im Besitze wohl erworbener Rechte, strebe ich, durch parteilose Erörterungen, der schmelzenden Welt die Aufmerksamkeit der Geologen mehr und mehr zuzuwenden. Von Anbeginn fühlte ich das Schwierige der mir gestellten Aufgabe. Fern vom selbstsüchtigen Gedanken, sie genügend gelöst zu haben, werde ich dem prüfenden Urtheile sachkundiger Richter demnächst die Arbeit vorlegen, bei welcher ich unverdrossen, mit wahrem Jugendmuthe, weile. Diese Worte dienen ihr als einleitende Bemerkungen. Um bei Gegenständen, wo Reichthum, Fülle von Anschauung unentbehrlich, klare und gründliche Einsicht zu erlangen in den Zusammenhang der ‚Erscheinungen, um das Ganze einigermassen voll- ständig zu machen, auch, in gerechter Würdigung des Erforschten, mein Wissen zu erweitern, um neue Thatsachen ermitteln, Untersuchungen anstellen, viel versprechende chemische Analysen anregen zu können, richtete ich Wünsche an ehrenwerthe Fachgenossen, zumal an Hüttenmänner des In- und des Auslandes. Ich erbat mir geneigte Unterstützung durch Mittheilung belehrender Handstücke von Schlacken und von andern Schmelzerzeugnissen, durch nähere Angaben über Beschaffenheit der Roh- stoffe, der Zuschläge, des Brennmaterials, über Art und Weise, wie das Feurig-lüssige starren Zu- stand erlangte. Emsig bemüht, rastlos thätig, wie ich es gewesen, wurde mir bereits das Glück zu Theil, von nicht wenigen Seiten die werihvollsten Beiträge zu erhalten; selbst die obersten Berg- werks-Behörden mehrerer deutschen Staaten vergönnten mir ihre einflussreiche Vermittelung. Oeffent- liche Anerkennung soll demnächst den gütigen Gebern werden; möge es ihnen gefallen, bei ferneren interessanten Vorkommnissen meiner und meines Unternehmens freundlich zu gedenken. Ausser Hüttenprodueten werde ich bemerkenswerthe Erzeugnisse anderer Schmelzfeuer jeder Art dankbar entgegenehmen. Meine „Wünsche und Bitten“ gelten desshalb auch Besitzern und Vorstehern von Porcellanfabriken , Glashütten u. s. w. 10. Dr. F. Saindberger, Museums-Inspector aus Wiesbaden zeigt hierauf die Gründung des mittelrheinischen geologischen Vereins im Auftrage des Ausschusses desselben der Versammlung an. Zweck des Vereins ist die Herstellung geosnostischer Detailkarten im Massstabe von 1: 50,000, welche das Kurfürstenthum und das Grossherzogthum Hessen, das Herzogthum Nassau und die ein- geschlossenen Gebietstheile von Frankfurt und Homburg umfassen sollen. Bis jetzt besteht der Verein 13 aus etwa 20 Mitgliedern, welche entweder durch unmittelbare Theilnahme an den Arbeiten, oder durch Beiträge zur Deckung der Kosten die Zwecke desselben fördern. Eine ausführlichere Darle- gung verspricht der Redner in der mineralogischen Section zu. geben. Zum Schlusse vertheilt der- selbe eine Anzahl Abdrücke der Protokolle der seitherigen Versammlungen des Vereins. 11. Hofrath Dr. Spengler aus Ems spricht über die Heilwirkungen der Thermen zu Ems. Wenn ich mich anschieke, verehrteste Herren, vor dieser hochansehnlichen Versammlung von Männern der Wissenschaft über die Thermen zu Ems, woselbst ich als Badearzt angestellt zu sein die Ehre habe, zu sprechen, so weiss ich recht gut, dass ich mir ein schwieriges Thema gewählt habe, aber dass es auch Viele sein werden, die schon mit einem gewissen Kopfschütteln diese An- kündigung aufnehmen, weil es eben fast unmöglich sei, über Heilquellen, und speciell über das welt- berühmte Ems etwas Neues und einer solchen Versammlung Würdiges vorzubringen. Allerdings, meine Herren, werde ich Ihnen nicht welterschütternde Theorien vorlegen, nicht werde ich Ihnen staunens- werthe Neuigkeiten bieten, nein, ich bringe nur einen bescheidenen Gruss meiner Najade, die nicht zurückbleiben will hinter ihrer Schwester dahier, Sie willkommen zu heissen, Sie, die Sie Sich zur Aufgabe gemacht haben, die Gesetze der Natur zu erforschen und den Leiden der presshaften Menschheit ihr Leben zu weihen. Selbst ein Theil jener ewigen Kraft, die das Leben stets wieder verjüngt, spendet schon Jahr- hunderte meine Najade den Labebecher dem hilfesuchenden Kranken, und dankbar verehren alljährlich Tausende ihre segensreichen Wirkungen; mit nie ermüdender Freigebigkeit nimmt sie in ihrem Schoosse Alle auf, und reicht an ihrem Busen Allen die Schaale Aesculaps. Sie, meine Herren, und meine Najade verfolgen also ein Ziel; was natürlicher, als dass sie durch ihren Diener Ihnen freundlichst Willkommen in den Gauen des Taunus zuruft. Aber neben den Himmel haben die Götter die Hölle gesetzt, und aus Einem Becher trinkt man Leben und Tod. Desswegen möge es mir vergönnt sein, ein paar Minuten Ihre Aufmerksamkeit in Anspruch zu nehmen, und ich hoffe, Ihre gütige Nachsicht wird mir erlauben, einige Worte zu Ihnen zu sprechen: über die Heilkraft der Mineralquellen zu Ems. Brunnenärzte fallen nicht selten in den Fehler, ihren Quellen eine möglichst vielseitige Wirkung zu vindiciren. Viel erspriesslicher aber für den Kranken und für die Aerzte ist es, genau zu specia- lisiren, welchen Krankheitsgruppen, und unter welchen Umständen und Verhältnissen sie ihnen ent- sprechen. Lieber eine sichere Wirkung in wenigen Krankheitsfällen, als eine unsichere, zweideutige in vielen. Ich gehöre nicht zu jenen Brunnenärzten, die ihren Brunnen als einzige Panacee gegen wo möglich alle Krankheiten anpreisen, sondern ich möchte gerne die Summe der für Ems sich eignenden Krankheitsformen einschränken, und in dieser Hinsicht eher zu viel, als zu wenig thun. Jeder Brunenarzt muss die hochwichtige Wahl zwischen den verschiedenen Brunnenorten möglichst erleichtern, und zwar nicht mehr dadurch, dass er nach.alter, nicht sehr lobenswerther Weise, aller- lei Schönes von den vortrefflichen Wirkungen erzählt, was wir schon längst wissen, — oder dadurch dass er uns die als eine zweite erweiterte Ausgabe des alten Brunnengeistes anzusehenden, aber jetzt glücklicher Weise veralteten Tiraden von feiner und inniger Mischung der natürlichen Mineralwässer, von ihrer eigen gearteten Wärme und dergleiehen in einer neuen Weise gedrechselt vorführe, — als vielmehr dadurch, dass er uns möglichst gedrängt, scharf und empirisch angebe, wie sein Brunnen bei den verschiedenen Krankheitszuständen , bei welchen man nach der chemischen Analyse 14 an ihn denken konnte, theils wirklich nützt, theils sich indifferent verhält, theils schadet, dass er uns auf diese Weise die Indicationen, welche wir uns empirisch bilden können, aposteriorisch berich- tige und präcisire. — Die Mineralquellen sind zu betrachten als zusammengesetzte Arzneimittel, zu deren Kenntniss keine andere Wege führen, als Erfahrung und Experiment. Diese beiden Richtungen sind wissen- schaftlich auszübeuten, und alle Deductionen müssen auf dem soliden Boden der modernen Naturwis- senschaften ruhen; durch ihren frischen Geist belebt, sollen nicht mehr die Ammenmährchen vorkom- men, wie in dem Heer von Brunnenschriften, und die Beobachtungen sollen nicht entstellt werden durch Beigabe von kokettirendem, wissenschaftlichem Flitterstaat. Die Emser Quellen gehören wegen des bedeutenden Vorwaltens des doppelt kohlensauren Natrons zu den erdig-alkalischen Thermen, zu den Natronthermen, die warm von 15 bis 30 °R. getrunken werden. Sie enthalten ausserdem als Hauptbestandtheile: Kohlensäure, kohlensaure Magnesia, koh- lensauren Kalk, salzsaures Natron, salzsaure Magnesia, salzsauren Kalk und sehr wenig schwefelsaures Natrum. Die übrigen Bestandtheile sind zu unbedeutend, um als wirksam betrachtet werden zu kön- nen. Allein diese Bestandtheile sind hinreichend, um den alten Brunnengeist, sowie alle mystischen und hypothetischen Wesen, die die Stoffarmuth der Quellen ersetzen sollen, entschieden zurückzu- weisen und zu verbannen. Die Alkalien, das Natron sind vorneigende Bestandtheile der Emser Ther- men, und unter den verschiedenen Arzneimitteln sind unstreitig die Alkalien diejenigen, welche am geeignetsten sind, in Bezug auf ihre Wirkung auf den Organismus als rein chemisch wirkend hin- gestellt zu werden. So ist es die säuretilgende und verflüssigende Wirkung der Alkalien im Allgemeinen, die der Erklärung der Wirkungsweise unsers Emser Wassers zu Grunde gelegt wird. So wenig sich nun die verflüssigende und säuretilgende Wirkung läugnen lässt, so wenig lässt sich auch in Abrede stellen, dass so manche Krankheiten, gegen welche unser Wasser in Anwendung gebracht wird, uns ihrer inneren Natur nach zu wenig bekannt sind, als dass wir allein nur in den bezeichneten Beziehungen ihre Heilwirkungen finden könnten. Die Zeit liegt hinter uns, wo man in den pharmacologischen Schriften an die Stelle der physiologischen Wirkung eitle Theorie setzte. Die Arbeiten der besseren, neuen Autoren haben bewiesen, dass man die physiologischen Wirkungen der Mittel streng empirisch studiren kann, und dass hier eine kritische Empirie die beste Theorie zu der therapeutischen Benutzung liefert. Betrachte ich nun nach diesen Prämissen unsere Quellen in ihrer Totalität als ein Arzneimittel vom klinischen Standpunkte aus, so ist es hauptsächlich nur eine grosse Krankheitsklasse, gegen die sie Hilfe gewähren. Wie die andern Arzneimittel ihre Wirkung hauptsächlich, nur bei Einer Krank- heitsform entfalten, wie Mercur gegen Syphilis, Jod gegen Scrofeln, China gegen Wechselfieber , so die Natronthermen zu Ems gegen die chronischen Catarrhe, ohne dass damit das Feld ihrer Wirksamkeit gänzlich abgeschlossen wäre. Wie nämlich jene Mittel in einer Menge von andern Krankheiten noch mit Nutzen angewendet werden und Heilung bewirken, so auch das Emser Wasser. Eine genügende Erklärung der Wirkung bin ich freilig nicht im Stande zu geben, denn sie ist bis jetzt eben so wenig möglich, als die, warum und wie Mercur in der. Syphilis und China im Wechel- fieber wirkt. Alle Heilungen, die Ems bis jetzt bewirkt hat, lassen sich in die Rubrik der chronischen Ca- tarrhe zurückführen, und von diesem Gesichtspunkte aus betrachtet, wird es erst klar, warum in so 15 vielen, scheinbar ganz identischen Fällen Ems einmal hilfreich ist, das andremal nicht. Nur die chronischen Catarrhe sind durch Ems heilbar. Die symptomatische Mediein hat aber alle Symptome und alle Folgeerscheinungen der Catarrhe als selbstständige Krankheiten beschrieben, und desshalb ist z. B. das Asthma, das, wenn es in Folge chronischer Brustkrankheiten entstanden, in Ems heil- bar ist, so oft in Ems nicht geheilt worden, weil es eben ein Asthma war, als Symptom ganz an- derer Krankheiten, die auf einer ganz anderen anatomischen Basis beruhten,, als auf Schleimhautca- tarrh. Desshalb sind anatomische Diagnosen jetzt nothwendig. Die Catarrhe sind Hyperämien der Schleimhäute und ihres Follicularapparates mit veränderter Ernährung derselben, und veränderter Secretion. Wird ein solcher Zustand chronisch, so führt er zu Hypertrophien, Infiltrationen des submucösen Zellstoffs und Verödung und Erweiterung der Follikel zu Epithelialauflagerungen , zur Verschwärung, zur Erschlaffung des submucösen Zellgewebes und der Muskelbündel, wodurch passive Erweiterungen in dem Canal oder der Höhle entstehen. Betrachten wir nun die anatomische Ausbreitung der Schleimhäute, wie sie die Digestions- und Respirationsor- gane auskleidet. mit ihren Seitenprovinzen der Ohren- und Augenschleimhaut, und der der Kiefer- und Stirnhöhlen, wie sie einen Ueberzug bildet über die Harn- und Geschlechtswerkzeuge, wie die Milchgänge und der äussere Gehörgang von Schleimhaut ausgekleidet sind, denken wir an die vielen Sympathien, die die Schleimhäute mit anderen Organen haben, so werden dadurch eine Masse von Erscheinungen bedingt sein, die durch gestörte Function und Secretion hervorgerufen werden. Aus- serdem erscheinen bei Schleimhauterkrankungen eine Menge Reflexbewegungen in den physiologisch mit den Schleimhäuten verbundenen Muskelparthien. Bei der Empfindlichkeit der kranken Schleim- haut kommen diese Refiexbewegungen nicht nur auf äussere Einwirkungen leicht zu Stande, sondern auch spontan. und zwar anfangs in häufigen Wiederholungen, in Folge der einfachen Irritation des Theils, später bei Ansammlung. des Exsudats in grösserer Menge, oder bei redivivirenden Hyperämien. Sodann kann die ganze Constitution partieipiren; solch’ chronische Catarrhe sind meist schwere die ganze Oeconomie störende Affecetionen; es entsteht allgemeines Uebelbefinden, Abmagerung, Pro- stration und abendliche Exacerbationen. Durch diess Alles werden eine Masse von Krankheitsbildern entstehen können, wie sie auch die ontologische Mediein geschaffen hat. Ja, man kam so weit, dass man die Lokalaffektion ganz übersah, und die Krankheiten auf’s verschiedenste klassifieirte zu den Profluvium, zu den Retentionen, den Catarrlıen, Blennorrhöen, rheumatischen, gastrischen, idiopathi- schen Fiebern, ja selbst zu den Krankheiten der Nerven rechnete. Dadurch gab es dann eine Masse Verwechslungen, und es sind Zustände der verschiedensten Art in Ems behandelt worden, aber nur die chronischen Catarrlıe fanden Heilung, die übrigen noch so analogen Fälle waren Ursache, dass Ems seinen: wohlbegründeten Namen auch für Heilung der Catarrhe fast verloren hätte. — Freilich gibt es auch Catarrhe, die in Ems nicht geheilt werden können, weil überhaupt nicht. Es gehören dahin die, welche mit jeder bedeutenden Bluterkrankung einhergehen, mit Bright’scher Krankheit, mit Scorbut,. ‘mit seeundärer Syphilis, mit Säuferdyskrasie und dergleichen, da sie ihre stete Erneuerung dem chemisch veränderten Blute verdanken, das Ems nicht zur Norm führen kann; eben so wenig werden die Catarrhe hier geheilt, die ihren Grund in eentraler Erkrankung haben. Ist aber die ursprüngliche Dyskrasie, die primitive Krankheit gehoben, und demnach der Catarrh “geblieben, indenı dieser habituell geworden, als selbstständige Krankheit sich habilitirt hat, dann erst passt Ems. 16 In der ersten Reihe der in Ems heilbaren Catarrhe stehen die Catarrhe der Respira- tionsschleimhaut; es sind diess jene Krankheiten, denen Ems sein hauptsächlichstes Renommee verdankt. Die verschleppten, acuten Catarrhe ohne dyskrasische Basis, ohne Struetur- und Textur- veränderung gestatten die beste Prognose. Sind aber pathische Ablagerungen Ursache der steten Reizung der Respirationsschleimhaut, so ist die Prognose ungünstiger. Ist gar Fieber dabei vorhan- den, so ist unser Wasser contraindieirt. Ist übrigens der Process der pathischen Ablagerung zu Ende, und bleibt dann noch ein chronischer Catarrh als substantive Krankheit zurück, so kränkeln die Patienten noch eben so fort, als bei der vorher stattgefundenen Krankheit, die Kranken können sich nicht erholen, so dass nach der Meinung der Laien, die ursprüngliche Krankheit fortdauert, ja sogar fortschreitet; in diesem Falle heilt Ems zwar nicht die ursprüngliche Krankheit, sondern die secundäre, durch die lange Dauer und grosse Intensität endlich substantiv gewordene. Und wie auf der einen Seite das pathische Produet Veranlassung zu stets erneuten Catarrhen gab, so gibt wiede- rum der lang dauernde Catarrh Ursache zu neuen Ablagerungen pathologischen Produkts, das nach dem Gesetze der Analogie-Bildung bald den Charakter des ersten Exsudats annimmt. Es ist dess- halb auf jede Hyperämie, auf jeden sich in die Länge ziehenden Catarrh bei solchen Anlagen die grösste Sorgfalt zu verwenden. Heilen wir nun diesen Catarrh, so verhindern wir auch das Weiter- greifen des frühern pathologischen Processes z. B. Tuberkeln. Wir heilen also in Ems nicht Tuber- keln, nein wir heilen den chronischen Catarrh, den gefährlichen Begleiter, Nachfolger und Anstifter der Tuberculose. Ems ist eben so wenig ein sicheres Mittel gegen Tubereulose, wie die früher ge- priesenen Speeifica, es gibt überhaupt kein Mittel, von dem wir mit nur einiger Sicherheit sagen könn- ten, dass es tubereulöse Ablagerung zu beseitigen oder zu lösen vermöchte, dass es die Dyskrasie tilgen könne, oder auch nur auf Verkleinerung oder Vernarbung der Cavernen wirken dürfte. Wann und wie Ems Hilfe leisten kann, geht aus dem Vorhergehenden hervor, und wenn wir diese Grund- sätze festhalten, wird es unnöthig werden, den Kranken zur Probe nach Ems zu schicken. Wie ich nun hier das Beispiel der Tubereulose gewählt habe, so geht es mit dem Emphy- sem, den Bronchialerweiterungen, der Heiserkeit, dem Keuchhusten etc., und es fallen somit alle jene Krankheiten der symptomatischen Schule, und alle das wirre Durcheinander von Krankheits- und Symptomen-Namen, von veralteten und neuen Krankheitstiteln von selbst weg. Wenn wir genaue anatomische und physiologische Diagnosen machen, so können wir überall die Worte verbannen, denen die Begriffe fehlen, und die gerade darum so entsetzlichen Wirrwarr und so unsägliches Unglück in die Badelitteratur gebracht haben. Die zweite grosse Reihe der in Ems heilbaren chronischen Catarrhe sind die der Digestions- schleimhaut. Diese überzieht die Mundhöhle und die Zunge, Gaumen und Speichelgänge, die Höhle des Schlundkopfs, bekleidet die Speiseröhre, den Magen und Darmkanal, die ‚Gallengänge, die Gallen- blase und den Duei. pancreat. und wird unter dem gemeinschaftlichen Namen der Gastrointestinal- schleimhaut zusammengefasst. Welche grosse Rolle diese seit Broussais in der Pathologie spielt bedarf nicht der Erwähnung; ihre Erkrankungen sind sehr häufig, und die so sehr gewöhnlichen Catarrhe der Digestionsschleimhaut bilden ein sehr wichtiges Feld für. die Emser Thermen. Hier hat denn wieder die symptomatische und ontologische Medicin eine Masse von Namen erschaffen, dass jeden ein wahrhaftes Grausen befällt, Stockungen in den Eingeweiden des Unterleibs, trägen Umlauf des Bluts durch die Pforte oder erhöhte Venosität, Abdominalplethora, fliessende, versteckte und 17 Schleim-Hämorrhoiden, Anschoppungen, Verhärtungen, wahre und falsche Infarcten, Schleimanhäufun- gen, Dyspepsie u. s. w. Analysiren wir diese Zustände näher, so redueiren sich wieder die, gegen die Ems hilfreich war, auf die chronischen Catarrhe, und die Unsicherheit des Heilerfolgs liegt auch. hier wieder indem Mangel anatomischer Diagnosen. Allein die chronischen Catarrhe der Fauces, des Magens, des Zwölffingerdarms, des Dünndarms, die chronische Typhlitis und Colitis, der chro- nische Catarrh des Rectums, das sind die Krankheiten, die unter jenen mystischen Namen begriffen werden, und für den Gebrauch von Ems passen. Durch yorausgegangene, Hyperämien und häufige Catarrhe wird das Gewebe des Magens und Darmkanals verhärtet, und zwar nicht nur die Schleim- haut, ‚sondern auch das submucöse Zellgewebe. Diese Verdickung und Verhärtung, die zu so man- nichfachen: Unterleibsbeschwerden Anlass geben, werden am besten durch das Natron von Ems zur Schmelzung und Aufsaugung gebracht. Darauf beruht die viel gepriesene Wirkung des Emser Was- sers, dass es den Appetit verbessere, dadurch wird der stets begleitenden Abmagerung Einhalt ge- than, und die lästigen Symptome von Kopfschmerz, Schläfrigkeit, Eingenommenheit, Verdriesslichkeit, hypochondrische Stimmung schwinden, nicht weil Ems gegen Hypochondrie gut ist, sondern weil es die chronischen Catarrhe des Intestinums heilt. - In nächster Verbindung mit dem Darmkanal stehen noch die beiden grossen Drüsen des Unter- leibs, die ihr Secret in ‚den Darmkanal ergiessen, die Leber und das Pancreas. Die Gallenblase, der gemeinschaftliche Gallengang, der Leber- und Gallenblasengang und selbst die Gallencanälchen sind mit einer Schleimhaut umkleidet und desshalb den Affectionen des mucösen Systems unterworfen, wie sie auch häufig an den Erkrankungen der Darmschleimhaut Theil nehmen. Und gerade darauf möchte ich besonders aufmerksam machen, dass Ems eben ein vortreffliches Mittel ist in jenen Leberkrankheiten, die durch die Affectionen der zur Leber gehörigen Schleimhäute be- dingt sind. Diese sind meistens chronischer Natur, sehr häufig durch Krankheiten der Nachbarorgane hervorgerufen, z. B. vom Magen, namentlich vom Duodenum, und vom übrigen Darm, indem die meis- ten chronischen Darmkrankheiten mit Abnormitäten in der Leber sich complieiren. In den meisten dieser Krankheiten haben sich kohlensaure Alkalien, namentlich kohlensaures Natron mit viel war- mem Wasser von Nutzen gezeigt, und die Formen, in denen Ems besondern Vortheil bringt, sind eatarrhalische Entzündungen der Gallenblase und des gemeinschaftlichen Gal- lengangs, wie sie’ nicht selten selbstständig. vorkommen und häufig; durch Gallensteine oder eine zu reizende Galle hervorgebracht werden. Hier ist unser die Gallensecretion förderndes Natronwasser in Verbindung mit den warmen Bädern vortrefflich ; ausserdem in der Polycholie, Fettleber und bei Gallensteinen. Eben gegen die Fettleber, wie sie so häufig und namentlich bei Tuber- eulösen vorkommt, sind unsere warmen Natronquellen nützlich, indem sie zu stärkerer Gallensecretion antreiben, und vielleicht eine Verseifung des Fetts in der Leber bewirken. Da unsere Quellen nun die chronischen Catarrhe der Luftwege, des Magens, die Fettinfiltration der Leberzellen bei Tuberceln heben, leisten sie allerdings wichtige Dienste in dieser Krankheit; sie verbessern die Constitution, die Ernährung, und tragen so indirect zum Stillstand, ja zur Heilung der Tuberculose bei. Die dritte Classe der hierher gehörigen Krankheiten sind die chronischen Catarrhe der Harnwerkzeuge und Genitalien. Die Schleimhaut der Blase, zuweilen die der Harnleiter und Nierenbecken ist ebenfalls der Blennorrhe unterworfen, so wie auch eine nicht seltene Erscheinung der Catarrhus urethre ist. Sind diese Leiden nicht syphilitischen oder dyskrasischen Ursprungs, 3 18 und ist es noch nicht bis zur Verschwärung gekommen, so finden diese so lästigen Leiden in dem Einser Wasser ihr Heilmittel. In diese Categorie gehört nun die grosse Gruppe von Krankheiten, gegen die der Gebrauch von Ems speciell indieirt ist, und denen Ems einen nicht minder grossen Theil seines Ruhmes verdankt, wie in den Brustkrankheiten. Es sind diess die dem weiblichen Geschlechte eigenthüm- lichen Krankheiten. Zwar rühmen sich alle Mineralquellen mehr oder weniger Speeifica gegen diese Leiden zu sein: und ich gestehe gern jedem das Seine zu. Hier will ich nur versuchen, die Krankheitsfälle näher zu bezeichnen, die vor das Forum von Ems gehören. Hierher gehören denn nun vor allen die Blennorrhöen der Genitalschleimhaut, die nicht auf dyskrasischem und specilischem Boden wurzeln, der chronische Uterus- und Vaginal- catarrh, der idiopathisch auftritt, und wohl von dem symptomatischen, dem puerperalen, viru- lenten, metastatischen und constitutionellen zu unterscheiden ist. Diese secundären Formen erfordern die Behandlung des primitiven Leidens, und schwinden dann von selbst; doch gerade nicht immer tritt diess günstige Verhältniss ein, und oft wird die pathologische ‘Secretion des Uterus so zur Ge- wohnheit, dass sie selbst nach Entfernung der ursächlichen Krankheit fortdauert. In diesen Fällen zeigen sich nun geregelte Brunnencuren zu Ems um so wohlthätiger, als mit ihnen eine vollständige Umgestaltung der Lebensverhältnisse verbunden werden kann. Unsere Quellen haben eine nicht zu verkennende specielle Beziehung zum Uterinsystem, und empfehlen sich hauptsächlich da, wo man eine Vermehrung des Congestivzustandes beabsichtigt, wie diess so häufig bei Torpor, bei zäh flüssigem und kärglichem Secrete der Fall ist. Die Schleimhaut des Uterus steht in dem innigsten, anatomischen Zusammenhang mit der Sub- stanz desselben, so dass sich in Folge von Schleimhauterkraukungen sehr häufig auch Krankheiten der Substanz ausbilden, namentlich im Wochenbette. Gemeinlich datiren aus jener Zeit die chroni- chen Infarcten des Uterus, gegen die wir in Ems in der natürlichen, aufsteigendeu Douche, der s. g. Bubenquelle, eines der wirksamsten Mittel besitzen. Einer energischen und anhaltenden Wirkung weichen die bedeutendsten Indurationen, und die sie begleitende Dysme- norrhoe oder Amenorrhoe schwinden nach einem mehrwöchentlichen und geregelten Gebrauche. Mit dem Eintritte in die Pubertät übernimmt der Uterus die periodische Ausscheidung einer blut- haltigen Flüssigkeit, die bedingt ist durch Hyperämie des Eierstocks und Berstung eines Graaf’schen Follikels. An dieser Hyperämie nimmt namentlich die Schleimhaut der Tuben und des Uterus Theil, und dadurch wird zunächst die blutige Seeretion bewirkt. Dabei kommen eine Menge Störungen vor, und besonders sind es die vorher zenannten Krankheiten, der chronische Catarrh und die An- schoppungen des Uterus. die diese Abnormitäten in den Catamenialperioden bewirken. Es sind diess namentlich die s. g. Uterinkoliken, Dysmenorrhoe und torpide Amenorrhoe. Gegen diese Zustände, wenn sie nicht durch Anämie und Hydrämie bedingt sind, leisten unsere Quel- len vortrelfiiche Dienste, und vorzüglich die Bäder und die warme Douche. Diese Uterinkoliken kommen ferner noch bei vielen 'Uteruskrankheiten vor, namentlich bei Fibroiden, fibrösen Polypen, Aenderungen in der Configuration; in allen diesen Formen werden unsere Bäder mit dem besten Erfolg in Gebrauch gezogen, bilden aber nur eine wesentliche Unterstützung der sonst nöthigen Cur. Eine sehr häufige und höchst qualvolle Uteruskrankheit ist der Krebs. Die Hauptaufgabe bleibt 19 hier für den Arzt die Beschwichtigung des heftig peinigenden Schmerzes, der die Nächte schlaflos macht, und die Kräfte raubt. Unsre Bäder haben in diesen Fällen eine beruhigende Wirkung, die auf längere Zeit anhält, und das Opium weit hinter ‚sich lässt. Ebenso sind in letzter Zeit mehrere Fälle bekannt, wo sich diese Wirkung auch beim Carcinom der Mamma gezeigt hat. Unerwähnt kann ich nicht lassen den grossen Ruf, dessen sich Ems bei Sterilität erfreut; allein weder unser Wasser, noch unsre Bubenquelle hat dabei eine mystische Wirkung, sondern in- dem sie die geschilderten Krankheiten hebt, gibt sie die Möglichkeit der Conception. Es ist also selbstredend, dass auch nur in gewissen Fällen durch die Bubenquelle die gewünschten Mutterfreuden erlangt werden, und ich gestehe, dass diese Wirkung unsrer Quellen eine ihrer schönsten Tugen- den ist. i Diess sind nun die Krankheiten, die vom klinischen. Standpunkt aus in Ems geheilt wer- den. Es gibt aber noch eine Reihe von Krankheiten, gegen die man vom chemiatrischen Ge- sichtspunkte aus in Ems Hilfe sucht. Es sind diess jene Krankheiten, wo wir eine Säure als Krankheitsprodukt entweder vorfinden, oder eine Säure als Krankheitsursache wenigstens suppo- niren. Es ist ganz natürlich, gegen Uebel, die aus solchen Ursachen entstanden, die säuretilgenden Natronquellen zu Ems in Anwendung zu bringen. Es gehören dahin, Scrofeln, Gicht, Rheu- matismus, Gries und Stein im Harn, Hämorrhoiden, wo durch die allmählige Einverleibung einer reichlichen Menge von doppelt kohlensaurem Natron durch die Verbindung desselben mit den im Blute vorhandenen schädlichen Sioffen die chemische Mischung des Bluts zur gesunden Norm zurück- geführt werden soll. Aliein noch Niemand hat diese schädlichen Stoffe im Blut nachgewiesen. Denn, wenn es auch manchmal ‚eine saure Reaction des Blutes gibt, wie Scherer in puerperalen Exsudaten freie Milchsäure fand, wenn auch Verdeil eine eigene Lungensäure darstellte, so stehen die Thatsachen doch noch zu vereinzelt, als dass man für die Praxis Nutzen ziehen könnte, und dann enthalten ja die parenchymatösen Flüssigkeiten der Milz, Muskeln, Leber etc., sämmtlich freie Säure. Es ist daher die Existenz einer sauren Diathese im Blut nur noch Hypothese, obschon gewisse the- rapeutische Resultate dafür zu sprechen scheinen. Es hat daher unsre Quelle Nutzen gegen Scro- feln- und Gicht, jedoch nicht unter allen Formen, nicht in den exquisitesten Fällen, vielmehr als Vor- und Nachkur. Und sehen wir recht nach, so sind es meistens solche Fälle, wo eben das Schleimhautsystem, also wieder die chronischen Catarrhe, die vorwaltenden Symptome abgaben. Ausserdem ist auch der Begriff von Scrofulosis eben so wenig festgestellt, wie der von chronischem Rheumatismus und Gicht. Der Begriff dieser Krankheiten ist so mager, dass es vielleicht besser wäre, ihn vorläufig aus der Wissenschaft ganz zu verbannen. Alle philosophischen und aprio- tistischen Erklärungen krankhafter Prozesse „ wie sie die organisch-chemische Richtung in der Medicin versucht hat, sind zum grössten Theil in Nichts zerronnen, da man ohne Physiologie und pathologische Anatomie die Medizin nach subjectiv-chemischen Ansichten construiren zu können glaubte. Die An- wendung unsrer Thermen bei arthritischen Exsudaten beruht auf der Hypothese der harnsauren Diathese. Mag auch dadurch Magensäure gesättigt, Harnsäure gelöst erhalten werden, so wird da- durch doch nicht leicht ein Arthritiker geheilt. Das Hauptgewicht beruht auf der Diät, Bewegung, Umänderung des Verhaltens, und was je durch Lösen und Gelöstwerden erreicht werden mag, ge- schieht wohl am besten und unschädlichsten durch das erste aller Lösungsmittel, durch Wasser. Ebenso ist es bei überwiegender Bildung von Harnsäure bei Stein und Gries. Wir wissen, dass 6} Ehe 20 manche Blasenbeschwerden solcher Kranken öfters geschwunden sind, und hauptsächlich ist es der bei Steinbeschwerden so häufig vorkommende Catarrh der Blase, der Schmerzen und Krämpfe hervorbringt, und der auf den Gebrauch unserer Natronquelle schwindet. Doch giebt es Coneremente, die aus Phosphaten und Oxalaten bestehen, wo der Gebrauch unserer Quellen contra- indieirt ist, indem sich dadurch neue Schichten ablagern und die Steine grösser werden. Es sind darüber jedenfalls noch mehr Untersuchungen erst anzustellen. — Was nun die Hämorrhoiden betrifft, so ist dies ein sehr complieirter Zustand, der aus den verschiedenartigsten Krankheiten besteht, der Sündenbock so gar vieler Aerzte für oberflächliches Diagnosticiren und eine schlendrian- artige Therapie, dem fast jeder Arzt eine verschiedene Bedeutung und eine verschiedene Auslegung giebt; es ist daher am zweckmässigsten, diesen Ausdruck Hämorrhoiden der Laienmedicin zu über- lassen. Wie oft sind ausser andern Herzfehler, Klappenfehler Ursachen solcher Zustände, die Gicht und Hämorrhoiden genannt werden! Diese Kranken verschlimmern sich in Ems. Man muss daher anatomische Diagnosen machen, und nicht Worte wählen, denen die Begriffe fehlen ! Was nun die übrigen Dyskrasien betrifft, als Zuckerruhr, Wassersucht, Fettsucht, die man in Ems auch noch heilen will, so übergehe ich diese, da sie ins Reich der Fabeln gehören, und nur auf dem Papier Heilungen der Art existiren, als schöne Ausstaffirung einer regelmässigen Badeschrift. Die Heilungen sonstiger Kraukheitsformen hat Ems mit vielen andern warmen Bädern gemein; ich will sie nicht hier aufführen, da aus dem Vorhergehenden sich ergiebt, welche Formen hierher passen. Wenn ich die Grenzen der Wirksamkeit unserer Quellen nun viel enger gezogen, so ist doch innerhalb dieser Grenzen ein weites Feld geöffnet, und die Anhaltspunkte sind sicherer gegeben: das ganze System der Schleimhäute in seinen idiopathischen Entwickelungen, also die chronischen Catarrhe, stehen, um mit den verstandesrechien Aerzten zu reden, unter der Heil- wirkung der Emser Quellen. Wenn ferner pathologische Anatomie und Physiologie und klinische Beobachtung Hand in Hand gehen, und an die Stelle des von den Collegen mit Recht so oft ver- lachten Brunnenmysticismus treten, dann werden unsere Badeorte als grosse Kliniken zu be- trachten sein, und zwar, was die dringendste Forderung unserer Zeit ist. als physiatrische Kliniken. — Es liegt in der Natur der Sache, dass ich hier Manches erwähnen musste, was schon bekannt ist. Vor allem soll aber gegen den seit Jahren geübten Missbrauch geeifert werden, unsere Quelle als ein Heilmittel gegen alle möglichen Krankheiten anzugeben. Dieses Treiben ging in manchen Badeschriften so weit, dass die darin als Heilobjeete der betreffenden Quelle genannten Krankheiten ein förmliches Inhaltsverzeichniss eines Handbuchs der speciellen Therapie hätten abgeben können. Es mag wohl mancher Badearzt bei der Behandlung solcher Kranken eine Besserung haben eintreten sehen, und da er dieselbe nur auf Rechnung seiner Quelle setzte, so hatte er nichts Eifrigeres zu thun, als dieselbe für eine Panacee gegen die betreffende Krankheit auszugeben und auszuschreiben. Wir wissen aber heutzutage sehr gut, dass bei einer Badekur sehr viele an sich einfache, aber durch Zusammenwirken sehr heilsame diätetische, gymnastische und psychische Einwirkungen stattfinden, und die Brunnenärzte dürfen daher die Wirkungen ihrer Quellen nicht überschätzen und Heilresultate mittheilen, bei welchen auf Rechnung des Mineralwassers nur ein kleiner Antheil ge- 21 bracht werden kann. Dadurch ist gerade die Badeliteratur in so grossen Misskredit gekommen. Wahrheit und Gewissenhaftigkeit sind die nöthigsten Eigenschaften, Eigenschaften, die leider nur zu oft derartigen Schriften fehlen, seit die Heilquellen auch Gegenstand der Spekulation und der Coneurrenz geworden sind. Koketterie und Eifersucht sollen nicht andere Quellen herabziehen, nein durch scharfes Trennen, durch genaue Indieationen wird der wahre Werth nur erhöht und der angebornen Güte neuer Reiz verliehen. Wasser ist Modemittel geworden; wie aber kein Mode- mittel alle Hoffnungen erfüllt, so auch das Wasser nicht. Dennoch ist nichts auf Erden, was öfter nützen kann, wenn es zur Mode wird, als Wasser, op uiv @pısrov. Die Zeiten sind nicht fern, wo Quecksilber Modemittel war; jetzt sind es nebenbei Zaubermittel, geheimnissvolle Mittel, und über dem Wasser taucht der Glauben an Mirakel wieder auf! Ich habe nun versucht, möglichst scharfe Grenzen für die Wirkung unserer Thermen zu Ems zu ziehen, um dadurch Täuschungen zu vermeiden, die dem Heilung suchenden Kranken und dem Ruf der Quelle gleich nachtheilig sInd: und es sollte mich freuen, wenn es mir gelungen ist, die Gesichtspunkte klarer darzustellen, und die Fragen präciser zu formuliren. 12. Professor Zenneck aus Stuttgart hält folgenden Vortrag über eine Theorie der äusseren Sinneserscheinungen. Nichts ist so allgemein bekannt und so über alle Zweifel erhaben, als die Wahrheit, dass die fünf äussern Sinne zur Kenntniss der verschiedenen Körper, ihrer Wirkungen und daher auch ihrer Kräfte überhaupt dienen; bezieht sich aber ein jeder von den 5 Sinnen nur auf gewisse eigen- thümliche Wirkungen und Kräfte, so dass man gleichsam vermittelst derselben in 5 verschiedenen Welten lebt, oder giebt der eine Sinn von den Körpern wo nicht dasselbe, doch das mehr oder weniger Aehnliche an und berichtigt vielleicht nur der eine Sinn, was irgend ein anderer Sinn unvollkommen und undeutlich, ja sogar falsch darstellen mag? Die Antworten auf diese Fragen fallen noch jetzt nach den Ansichten, die man von dem Zusammenhang der Sinneserschei- nungen mit den Wirkungen der Körper und mit einander selbst hat, verschieden aus. So wird z. B. behauptet: der Tast- und Gehörsinn beziehen sich auf die mechanischen, der Geruch- und Geschmacksinn auf die chemischen und der Gesichtssinn mit dem Wärmesinn auf die dynamischen Eigenschaften der Körper, wie wenn die vorhergehenden Eigenschaften nicht auch Wirkungen gewis- ser Kräfte und sie also nicht auch dynamisch’ wären! Einer andern Ansicht aber zu Folge sind der allgemeine Gefühls- und’ der Gesichtssinn für allgemeine Naturerscheinungen (Wärme und Licht) und die andern drei Sinne zur Wahrnehmung von den bei den drei Hauptformen (Luft, Wasser und Festes) vorkommenden Erscheinungen (den Gerüchen, Geschmäcken und Widerstandserscheinungen nebst Schall) bestimmt, ungeachtet nicht jedes Gas riecht, noch jedes Wasser (oder Flüssige) schmeckt, noch das Feste (oder Starre) allein schallt und Widerstand leistet; noch wird von Andern Alles bei den fünferlei Sinneserscheinungen, mögen sie der Empfindung nach noch so verschieden sein, aus blosser Verschiedenheit der Schnelligkeit der Bewegungen erklärt, womit dieselben oder die sie hervorbringenden Körper mittelbar oder unmittelbar die Nerven reizen, also Alles nach mechanischen Gesetzen, die jedoch nur bei den Schallserscheinungen streng erwiesen, bei allen andern aber noch sehr hypothetisch sind. Ausser diesen drei Beispielen verschiedener Ansichten oder Theorieen von den fünferlei Sinnen könnten noch mehr als ein Halbdutzend angeführt werden; sie gründen sich aber weder auf eine vergleichende Analyse der fünferlei Sinnesklassen, noch auf die 22 verschiedenen Zustände und Combinationen der Kräfte, welche die Körper als solche con- stituiren, ungeachtet diese zwei Punkte bei einer Sinnentheorie vorzüglich berücksichtigt werden sollten. Jene (die Analyse) habe ich vor mehreren Jahren der Versammlung in Würzburg in einer Abhandlung*) über den Zusammenhang der Gefühlserscheinungen mit den vier anderen Sinnesklassen mitgetheilt und ich bemerke nur daraus, dass ich daselbst die Temperaturerscheinungen, die Cohä- renzerscheinungen, die Adhärenzerscheinungen, die Inhärenzerscheinungen uud die electrischen Er- scheinungen als ihre fünf Gattungserscheinungen aufgestellt habe. Was nun aber den zweiten zu berücksichtigenden Punkt (die allgemeinen Naturkräfte in ihren verschiedenen Zuständen und Com- binationen) betrifft, so erlaube ich mir aus der Physik und Physiologie folgende Sätze in Erinnerung zu bringen : 1) Als Grundkräfte oder primäre Naturkräfte sind nicht nur die Expansiv- und Contrac- tivkräfte, sondern auch die Schwerkraft zu betrachten, da sie so wenig als irgend ein soge- nanntes imponderables Agens ponderabel ist. 2) Auf der Verschiedenheit ihrer Verhältnisse in den Körpern beruht alle materielle Ver- sehiedenheit. 3) Wie die Schwerkraft von jedem Körper auf andere Körper wirkt, so wirken auch die Expansiv- und Contractivkräfte von ihren Produkten aus mehr oder weniger stark auf andere ihrer Umgebung, so dass ihre Wirkungen wo nicht von Nerven im normalen Zustand, doch sehr oft von sehr reizbaren Nerven (der Sensitiven nach Reichenbach)**) empfunden werden. 4) Manche Wirkungen der Körper nach aussen stammen wahrscheinlich nur von einer einzelnen primären Kraft her, wie z. B. die Wärme von der Expansiv- und die Kälte von der Contractivkraft, häufiger aber entstehen sie von irgend einer Combination der primären Kräfte in einem Körper, so dass solche combinirte Kräfte secundäre heissen können und ihre Wirkungen secundäre. Sie kommen vorzüglich bei Körpern vor, die ihrem Zerreissen starken Widerstand leisten und werden einer eigenthümlfehen Cohärenz- oder Cohäsionskraft zugeschrieben, ferner bei Körpern, die anderen mehr oder weniger stark anhängen, unter dem Namen von Adhäsionserscheinungen und bei Körpern, welche in andere eindringen und sie ganz oder zum Theil ihrer Substauz nach vereinigen, so dass diese Art von sekundären Wirkungen Auflösung heisst. 5) Die Wirkungen von mancherlei Kräften in den Körpern werden oft nur dann wahrgenommen, wenn diese durch irgend gewisse Mittel zur Thätigkeit aufgeregt werden, wie z. B. ihre Schalls- erscheinungen bei mechanischer Einwirkung auf ihre Cohärenzkraft, ihr Geruch bei ihrer Erwärmung, ihr Geschmack bei Aufregung ihrer chemischen Kräfte. Sie sind Wirkungen von sowohl primären, als sekundären Kräften und diese werden sehr oft für eigenthümliche gehalten, wenn sie auch schon bereits bekannten gleich sein mögen. 6) Werden verschiedene Sinne von denselben Körpern affieirt, so folgt daraus nieht nothwen- dig, dass diese verschiedenen Empfindungen von verschiedenen Kräften herrühren, so wenig, als man von dem verschiedenen Geschmack zweier Salze auf zwei verschiedene Säuren in ihnen absolut schliessen darf. #*) Siehe Friedreich, Jahrb. d. phil. med. Gesellschaft in Würzburg. 1830. **) Siehe die Dynamide. 1849. 23 7) Wie die Wirkung einer Kraft, wenn sie aufgeregt wird, oft anders als vorher erscheint, so kann diese Täuschung noch mehr stattfinden, wenn sich dieselbe in einem gesteigerten Zustand befindet, wie z. B. wenn die Wärmekraft eines Metalls bis zur sichtbaren Gluthkraft gesteigert wird, wenn das mit grösster Cohärenzkraft begabte Eisen durch mechanische Schläge magnetisch wird und wenn ein an sich geruchloses Gas durch Versetzung in electrischen Zustand riechend wird. Ob aber hier und bei andern Sinneserscheinungen die scheinbare Verschiedenheit ihrer Ursachen wirklich nur von den verschiedenen Zuständen herkomme, in. denen sich dieselben Kräfte befinden , so haben darüber die speciellen Gesetze ihrer Erscheinungsweisen zu entscheiden. Alles dieses vorausgesetzt, lässt sich nun vor allen Dingen keck behaupten, dass der Gefühls- sinn der Grundsinn von allen vier andern ist, freilich nicht, wie hier und da gelesen und gehört wird, insofern alle vier andern Sinnesklassen nur nähere oder entferntere Gefühlser- scheinungen wären, sondern weil olıne seine Widerstandsempfindungen keine äussere Natur, keine Unterscheidung von eigenen und von fremden äussern Körpern und vielleicht auch kein Selbst- bewusstsein stattfinden würde, und weil die Ursachen von allen auch durch die vier andern Sinne wahrnehmbaren Erscheinungen in denselben äussern Naturkräften liegen, welche seine Erscheinungen bei ihren Wirkungen auf die Gefühlsnerven hervorbringen. Denn dass 1) die Erscheinung der Wärme von einer Expansivkraft und die der Kälte von einer Contractivkraft der Körper herrühre und dass also ihre Temperaturveränderungen um so stärker sind, je mehr diese Kräfte auf irgend eine Weise aufgeregt werden, folgt unter Anderm hauptsächlich aus den Gesetzen der Raumveränderungen, welche Wärme und Kälte in jedem Körper hervorbringen, oder durch diese hervorgebracht werden; dass aber die Empfindungen von Wärme so oft mit denen des Lichts und die von Kälte mit denen der Finsterniss zusammen- treffen, hat schon längst, besonders seitdem die Strahlkraft der Wärme erwiesen ist, auf eine sehr nahe Verwandtschaft dieser Kraft mit der des Lichts geführt, die mit der Zeit sich wohl noch als eine Gleichheit des Ursprungs erweisen könnte. » 2) Werden die gleichartigen Theile eines Körpers, z. B. eine Saite, die unstreitig vermöge ihrer Cohärenzkraft mit einander zusammenhängen, in schwingende Bewegungen versetzt, so dass sie sich von einander zu entfernen streben, so wird eben diese Kraft in Thätigkeit gesetzt, um das ge- störte Gleichgewicht der Theile wieder herzustellen. Mit diesem Wechsel von Ein- und Aus- dehnungen innerhalb einer gewissen Zeit sind nun nach den Umständen die verschiedensten Klänge, Töne und Laute gepaart; wenn daher auch alle Gehörserscheinungen zunächst von diesem Wechsel der Theilbewegungen herrühren, so liegt doch die entfernte äussere Ursache davon in einer Aufregung der Cohärenzkräfte der Körper, welche in ihnen meistens durch mechanische Mittel bewirkt wird, da ohne diese Kräfte kein einziges Theilchen aus seiner veränderten Lage in seine ursprüngliche zurückkehren würde. Diese Kräfte beweisen übrigens ibre Thätigkeit auch ohne dass sie in ihrem Gleichgewicht durch Stösse gestört werden — bei Krystallisationsprocessen; hier sehen wir sie bei ihrem Ge- schäfte, flüssige Stoffe von gleichartiger Natur in starre verwandeln, sie nach gewissen Gesetzen zusammenreihen, ihren Produkten, je nach der Art der Stoffe, eine oder mehrere Axen ertheilen, deren Endpunkte (Pole) wenigstens sehr reizbare Augsnerven in tiefer Finsterniss (nach R.) Leucht- erscheinungen darbieten und in manchen Fällen mit einer Lebhaftigkeit bei diesen Processen 24 arbeiten, welche selbst für gewöhnliche Augen mit Lichtfunken begleitet sind, also in einem Zustand, der mehr als ein blos aufgeregter ist, der ehersein gesteigerter heissen dürfte. Diesen Erscheinungen der Krystallisations- oder Cohärenz- und Cohäsionskräfte sind aber nicht unähnlich die magnetischen. Zwar kommen diese vorzüglich nur bei eisenhaltigen Körpern vor, bestehen in oft sehr starken und sichtbaren Anziehungen und Zurückstossungen und ihre Kräfte wirken in ungleich grösseren Entfernungen, als die Kıystallisationskräfte bei ihren Processen; aber wie diese bei sehr vielen Stoffen, ausser den amorphen, thätig sind, so erstreckt sich die Wirksam- keit der magnetischen Kräfte, wenigstens (nach Faraday) als Diamagnetismus auf noch viele andere Körper als blos eisenhaltige, und wie die Axenbildungen der Krystalle auf eine Wirksamkeit nach der Längendimension und nach Polaritätsgesetzen hinweisen, so sind bekanntlich die. magnetischen Erscheinungen diesen beiden Gesetzen beständig unterworfen; wie ferner bei manchen Krystallisations- processen Lichterscheinungen auftreten, so werden solehe auch nicht selten von den magnetischen Kräften hervorgebracht und wie (nach R.) grosse Krystalle für sehr reizbare Augen Lichtscheine be- ständig ausströmen lassen, so sollen auch diese nie bei den magnetischen Polen fehlen; endlich, ‚wie ein Krystall innerhalb einer gleichartig flüssigen Masse ohne Verlust seiner Form und. Kraft die Kry- stallisation seiner Umgebung ungemein befördert, so trägt ein Magnet seine Kraft ohne Verlust an andere Körper über; wenn daher, wie nicht zu bezweifeln ist, die Krystallisationskräfte den Cohärenz- und Cohäsionskräften gleichzusetzen sind, so dürften ‘die bei dem cohärentesten Metall hauptsächlich vorkommenden magnetischen Erscheinungen, statt als isolirte Wirkungen gewisser eigen- ihümlicher Kräfte, eher auch als Erscheinungen der Cohärenzkräfte und zwar in ihrem sehr gesteigerten Zustand zu betrachten sein, und da die Gehörerscheinungen nach. dem Vor- hergehenden als Wirkungen der aufgeregten Cohärenzkräfte äusserer Körper aufgestellt worden sind, diese Wirkungen auf das mit einem spiralförmig gewundenen Nerven begabte Organ aber oft so mächtig sein können, so fragt sich noch, ob die Cohärenzkräfte hiebei nicht in ihrem gesteigerten Zustand, als magnetische Kräfte thätig sind? Wie dem aber auch sein mag, so erhellt aus dem Gesagten wenigstens ein inniger Zusammenhang zwischen den Cohärenz-, Gehörs- und magnetischen Erscheinungen. 3) Die in den Gefühlssinn fallenden Erscheinungen von Ankleben verschiedener Stoffe an sein Organ, oder an andere Körper, also die Adhärenz- und Adhäsionserscheinungen, sind zwar keine chemischen Verbindungen, aber doch Bestrebungen der Körper zu solehen. Nun lelıren die Gesetze der Geruchlosiekeit und Riechbarkeit, wie ich bei der Versammlung in Bonn *) ausein- andergesetzt habe, dass Geruchlosigkeit fast bei allen, selbst gasigen einfachen Stoffen und bei allen unorganischen zusammengesetzten Körpern auf der höchsten Stufe ihrer Verbindungen vorkommen, die Riechbarkeit aber bei den zusammengesetzten, wenn die Verbindungen ihrer Theile auf noch niederer Stufe stehen, z. B. bei den schweflichten, salpetrichten, phosphorichten Säuren ete., oder wenn sie sich, wie z. B. die ätherischen Oele leicht an der Luft zerstören, um in andere flüchtige Stoffe überzugehen; die Gerüche gründen sich also auf die blosen Bestrebungen, oder Ten- denzen der Stoffe zu chemischen Verbindungen und entstehen daher bei Aufregung der- selben Kräfte, welche die Adhärenz- und Adhäsionserscheinungen hervorbringen. Wenn aber *) S. Buchn. Rep. d. Pharm. (2. Reihe) B. v. 25 die Körper electrisirt werden, so entstehen bekanntlich Adhäsionen an andere, die, wie die Electri- eität, dem Gesetz der Fläche folgen, und ihre Tendenzen zu chemischen Verbindungen steigern sich ungemein, wenn sie verschiedenartiger Natur sind; sobald aber ihre Vereinigung eingetreten ist, so erlischt ihr electrischer Zustand ; es sind also die electrischen Ers cheinungen gleichfalls nur Erscheinungen von gesteigerten chemischen Tendenzen und da manche Stoffe, namentlich das geruchlose Sauerstoffgas nach neueren Versuchen durch bloses Electrisiren riechend werden, so liegt der Schluss sehr nahe, dass alle Gerüche nur Erscheinungen von ver- schiedenen electrischen Zuständen sein dürften, die freilich nur von dem feineren Ge- ruchsorgane unterschieden werden könnten. 4) Die Gefühlserscheinungen von Glätte oder Rauhigkeit, von Zart oder Grob bei starren Körpern und die Empfindungen von Scharf, von Stechen oder Brennen beim Eintauchen der Hand in manche Flüssigkeiten, wie z. B. in Säuren, selbst als Gase, kurz, die Inhärenzerscheinungen deuten wenigstens auf eine Ungleichheit der Theile, die von der Oberfläche mehr oder weniger nach Innen geht, bei Flüssigkeiten aber bestimmter auf eine in das Organ dringende chemische Thätigkeit. Ganz ähnliche Empfindungen entstehen nun auch bei dem Schmecken und ausserdem noch theils unächte Geschmäcke (der saure und laugenartige), theils ächte (wozu nur der süsse, salzige und bittere gerechnet werden können), alle aber nur, wenn die Stoffe nach ihrer Mischung mit der organischen Flüssigkeit zu chemischer Wirksamkeit aufgeregt von den Geschmackspupillen gleichsam betastet werden. Die Geschmackserscheinungen sind daher einerseits nach schon längst ge- fasster Ansicht Erscheinungen chemischer Processe und andererseits Erseheinungen aufge- regter Inhärenzprocesse , jedoch vermöge ihres vollkommeneren Organs, klarer, mannigfaltiger und intensiver, wie es gleichfalls von den Gehörserscheinungen als Wahrnehmungen gewisser Cohäsions- processe und von den Geruchserscheinungen als Wirkungen verschiedener Adhäsionsprocesse gilt. 5) Was sind aber die Gesichtsempfindungen und mit welchen Gefühlsempfindungen stehen sie als Wirkungen von Licht und Farbe auf das Sehorgan im Zusammenhang? — Dass Licht und Wärme sehr verwandt sind, ist gleich anfangs berührt worden und es sprechen auch sehr dafür ihre ähnlichen physischen Eigenschaften (Strahlung, Reflexion, Brechung, Polarisation), ihre gegen- seitige Hervorbringung, die Gleichheit ihrer Wirkungen bei gesteigerter Hitze etc. Aber das Licht ist nicht nur oft ohne Wärmewirkung wahrnehmbar, sondern erinnert auch mit seinen bestimmteren und mannigfaltigeren Polarisationsverhältnissen an die magnetischen Kräfte, die es auch mit seinem violetten Strahl hervorrufen kann, mit den Anziehungs- und Abstossungs- erscheinungen bei seiner Beugung und Reflexion an die eleetrischen Kräfte und durch die -che- mischen Gesetze, denen es bei seinen Brechungsverhältnissen folgt, an gewisse chemische Kräfte, bei deren gesteigerter Thätiekeit wie z. B. bei den Verbrennungsprocessen es bekanntlich auch sehr jeicht und schnell hervortritt; es scheint daher ausser der Wärmekraft noch andere Kräfte zu enthalten, deren Wirkungen , wie die der Wärme von dem Gefühlsinn wahrgenommen werden. Mag also auch die biäulicht-weisse Farbe der Metalle nicht mit ihrer grossen Cohärenzkraft, noch die gelblichte und bräunlichte so vieler organischer Stoffe, wie z. B. der Harze mit ihrer in flüssiger Form so starken Adhäsionskraft, noch die mehr oder weniger röthlichte Farbe so vieler Metalloxyde mit besonderer Inhärenzbeschaffenheit in Zusammenhang stehen, so folgt doch aus den Verhältnissen, 4 26 in denen jene gesteigerten Kräfte zu den obengenannten stehen, dass das Licht mit seinen so mannigfaltigen und oft räthselhaften Erscheinungen als Wirkung aller, sowohl primären als se- kundären Kräfte der Körper zu betrachten ist, und dass, wie sich im Schall die Wirkungen der Cohärenzkräfte, im Geruch die der Adhärenzkräfte und im Geschmack die der Inhärenzkräfte der Körper, so in dem Licht die Wirkungen aller materiellen Kräfte freilich oft wie jene in weit erösserer Vollkommenheit wiederholen; und hieraus folgt endlich, dass der Gesichtsinn mit seinen Erscheinungen sich dem Gefühlsinn zwar ohne Ansprüche auf Realität seiner Gemälde, aber als ein Sinn gegenüberstellt, der mit ungeheurer Tragweite in den ausgedehntesten, wie in den kleinsten Räumen seines Gebietes uns die Natur von ihrer ideellen Seite darstellt, wie folgen- des Schema zeigt. Schema des Zusammenhangs der 5 äussern Sinneserscheinungen. Reelle Seite: Gefühls-Erscheinungen. Temperatur- Cohärenz-, Adhärenz-, Inhärenz- | Gehörs-, Geruchs-, Geschmacks- Erscheinungen. | Magnetische-, Electrische-, Chemische. Polarisations-, Beugungs- und Brechungs- N Reflexions-Erscheinungen 2 des Lichts. \ Gesichts-Erscheinungen. Ideelle Seite. 13. Dr. Guido Sandberger aus Wiesbaden spricht zum Schlusse über Wesen und Be- deutung der Paläontologie. Die Gegenwart ruht auf der Vergangenheit. Dies gilt nicht nur für die Menschen- oder soge- nannte Weltgeschichte. Es gilt auch für die Entwickelungsgeschichte unseres ganzen Planeten mit allen seinen Geschöpfen: Thieren und Pflanzen. Auch der Erdball mit seinen Bewohnern hat seine Geschichte durchlaufen. Mit dem ersten Auftreten des Menschengeschlechtes, also mit dem Beginne der Weltgeschichte, ist die Entwickelungsgeschichte des Erdballs schon in ihr siebentes und jüngstes Stadium eingetreten. Diese jüngste Epoche unseres Planeten hat zwar auch bereits eine viel tausend- jährige Dauer erreicht, ist aber doch für die geschichtliche Entwickelung des Erdballs nur die kurze Gegenwart, welche einer langen, sehr langen Vergangenheit gefolgt ist. Hat sich auch innerhalb dieser jüngsten Epoche der Erdball mit und ohne Zuthun des Menschengeschlechts und seiner eigen- thümliehen Culturentwickelung in der Gestaltung von Einzelnheiten seiner Physiognomie und auch in Betreff der Verbreitung von Pflanzen und Thieren noch vielfach verändert, so sind doch alle diese in’s Bereich der Menschengeschichte fallenden Veränderungen im Vergleich zu seinen durch die Natur- wissenschaft nachweisbaren früheren Umbildungen im Grossen und Ganzen, verschwindend klein. Verstatten Sie mir, hochzuverehrende Anwesende, Ihre Aufmerksamkeit einige Augenblicke auf die Vorzeit unseres Planeten zu lenken und insbesondere auf diejenige Naturwissenschaft, durch 7 welche allein eine bestimmte Chronologie in die lange Kette von Ereignissen zu bringen ist, die über unseren irdischen Wohnplatz gegangen sind, ehe das Menschengeschlecht vorhanden war. Ich meine die Versteinerungskunde oder Paläontologie. Sie ist die jüngste unter den Naturwissenschaften und verdankt ihre Ausbildung zur selbstständigen Wissenschaft der allerneuesten Zeit. Denn ihre erstaunenswerth rasch vorangeschrittene Entwickelung fällt in die letzten Jahrzehnte. Um ihre Aufgabe vollständig zu lösen, hat sie mit ganz besonderen Schwierigkeiten zu kämpfen. Die paläon- tologischen Forschungen machen Schritt vor Schritt die Hinzuziehung und Berücksichtigung fast aller übrigen vaturwissenschaftlichen Diseiplinen nöthig, ohne deren Beihülfe irrige Ergebnisse kaum zu vermeiden wären. Die Versteinerungskunde bedarf zunächst der Physik, einschliesslich der Chemie, indem sich diese mit den Grundeigenschaften der Materie als solcher oder, wie man sich auch oft ausdrückt, mit den Kräften befasst, welche der Materie als solcher einwohnen, und indem sie die Wirkungen und Gegenwirkungen der Stoffe untersucht, ohne sich dabei um die natürlichen Indivi- duen oder Einzelwesen als solche zu kümmern. Sie ist für die Paläontologie mindestens ebenso wichtig, wie für die übrigen speciellen Naturwissenschaften,, welche sich mit individualisirten Natur- dingen, belebten oder unbelebten, beschäftigen, mögen diese auf ihre specifischen Eigenschaften weiter zu untersuchenden Individuen Weltkörper heissen, mögen es Mineralkörper sein, welche sich zu Krystallgestalten abgeschlossen haben, oder lebendige Pflanzen und Thiere. Bei den letzteren tritt mit dem Lebensprineip erst eine noch schärfere Individualisirung ein. Das Individuelle, das Ein- zelwesen kann aber nie in seinen Eigenthümlichkeiten verstanden werden, wenn man die Grundeigen- schaften der Materie überhaupt, die Gesetzmässigkeit ihrer Wirkungen als solcher nicht kennt. Pkysik (und Chemie) ist also die allgemeine Naturwissenschaft. Zoologie, Botanik, Mineralogie, Geologie und Kosmologie und wie man noch mit specielleren Benennungen den reichen Stoff der naturge- schichtlichen Fächer weiter bezeichnen mag, alle bedürfen wesentlich der Physik als Grundwissen- schaft. Nur darf diese hohe Wichtigkeit der letzteren nicht dahin missverstanden ‘werden, als gingen diese specielleren Zweige der Naturwissenschaft oder wenigstens die Quintessenz der in ihnen er- mittelten Gesetzmässigkeiten, so z. B. das Physiologische, in der Physik von Rechtswegen auf. Es sei denn, dass man wieder, wie es die Alten thaten, Physik als den Inbegriff aller Naturwissen- schaften, als die Naturwissenschaft nehmen will. Dann würde man sich aber sehr gegen den heu- tigen wissenschaftlichen Sprachgebrauch versündigen müssen. Bei den unorganischen Naturkörpern aller Art, also bei dem, was man mit dem Namen des Mineralreiches bezeichnet, hat sich ohnehin die Physik und Chemie der Mineralogie schon fast allzu freundschaftlich annehmen wollen, und hätte ihr am liebsten nur die trockene, ganz äusserliche Speciesbeschreibung und Verfertigung systema- tischer Register überlassen. Hin und wieder hatte es sogar schon den Anschein, als wolle sie der Mineralogie die Mühe ersparen, über die Entstehung der Mineralien, Zersetzung und Umbildung, Pseudomorphose und Verwitterung und über viele andere der interessantesten, nur bestimmten ein- zelnen Mineralspecies, nicht aller Materie als solcher zukommenden Eigenschaften sich zu verbreiten. Es kann übrigens andererseits auch nicht in Abrede gestellt werden, dass gerade bei den unorgani- schen Naturkörpern zur Zeit die Entscheidung darüber noch sehr oft schwer ist, welche Eigenschaften und Kräfte als speeifisch, welche als allgemein und der Materie rein als solcher zukommend anzu- sehen seien, dass es daher nicht zu verwundern ist, dass gerade hier gewisse Grenzstreitigkeiten zwischen verschiedenen naturwissenschaftlichen Fächern sich zeigen. Mögen aber auch zweierlei 4* 28 Diseiplinen ein und dasselbe Material, jede in ihrer Weise betrachten, so wird unsere Kenntniss von den zu behandelnden Naturdingen dadurch nur erweitert werden. Einseitigkeiten in der Betrachtung werden sich von selbst ausgleichen. Doch ich kehre zur Versteinerungskunde zurück und habe nach den eben gegebenen Andeutungen nur noch specieller ihre Stelle im Bereich der übrigen Natur- wissenschaften zu bezeichnen. Die Versteinerungskunde oder Paläontologie hat die Thiere und Pflanzen der Vorwelt kennen zu lehren. Während nach bisherigem Brauch unsere, des Menschen lebendige Naturgenossen, die Thiere und Pflanzen der Jetztwelt so ziemlich der ausschliessliche Gegenstand der Zoologie und der Botanik gewesen und geblieben sind, so hat die neue Wissenschaft es mit den Organismen der vorhistorischen Zeit zu ihun. Es ist schon einfach aus dem eben Gesagten einleuchtend, dass man recht wohl die Paläontologie als Theil der Zoologie und Botanik ansehen kann. Sie ist die Zoologie und Botanik der urweltlichen Organismen. Sie zerfällt auch schon von selbst ihrer Materie zufolge in zwei Theile, welche man mit den zwei besonderen Namen der Paläozoologie und Paläophytologie belegt hat. Will man bei der Eintheilung der gesammten Naturwissenschaft streng den Begriff der Qualität durchfüh- ren und das vereinigen, was verwandt ist, so hat man nicht blos Weltkörper und Weltkörper in einer und derselben Wissenschaft, der Astronomie, zu betrachten, man muss auch Thier bei Thier, und Pflanze bei Pflanze lassen, mögen sie zu unserer, des Menschen Mitwelt gehören oder in die räthselhafte Vorwelt hinauf ragen, von der kein menschliches Zeugniss mehr vorhanden ist. Streng hieran festhaltend könnte man also die Selbstständigkeit der Paläontologie mit Fug und Recht in Ab- rede stellen. So gut man aber die Chemie, diesen selbstständig gewordenen Ausläufer und Spröss- ling der Physik, nicht wohl mehr mit dieser zu einem Ganzen wird zusammenschmelzer können, ebenso wenig wird es gelingen, die Paläontologie mit der Botanik und Zoologie zu vereinigen, zumal da deren eigenes Material aus der Mitwelt an sich schon beträchtlich genug ist, indem die verschie- denen Arten, welche beide umfassen, schon in die Hunderttausende gehen. Auch würde ihnen die junge Wissenschaft nach sehr detaillirter Zählung zur Zeit bereits mehr als 26,000 weitere Arten zu überweisen haben. Zoologie und Botanik lassen daher der Paläontologie einstweilen gern ihre Selbst- ständigkeit. Die Versteinerungskunde muss sich aber ihrerseits in steter und inniger Beziehung zu den Ergebnissen der Zoologie und Botanik halten. Auch mit der Geognosie, der Lehre von den Fels- arten und deren Lagerung an unserer Erdoberfläche, steht sie in engstem Zusammenhange. Die Versteinerungen sind dem Boden und den Felsschichten entnommen und tragen oft zum grossen Aerger des Forschers, dem die Aufgabe geworden ist, die zerstückelten Reste zu untersuchen und wieder in organischen Zusammenhang zu bringen, nur allzu zahlreiche und deutliche Spuren ihrer näheren Herkunft an sich. Sie sind nach der Natur ihres Vorkommens, sowie nach ihrer eigenen gegenwär- tigen Substanz mit dem Mineralreiche innig verschmolzen, so wenig sie ihrer ursprünglichen Ent- stehung nach damit zu schaffen haben. Sie treten in den Kreidegebirgen in Stein- und Braunkohlen- bildungen, in Corallrag u. s. w. felsenmassen- und schichtenbildend auf. Wir sehen schon aus diesen vorläufigen Andeutungen, dass die Paläontologie, wenn man sie als eigene selbstständige Wissenschaft anerkennt, eine mittlere Stellung innerhalb der naturgeschichtlichen Disciplinen der Geologie, Mineralogie, Botanik und Zoologie einnimmt. Wir werden über ihr Verhält- niss zur Geologie, über ihre Unentbehrlichkeit für diese, als der Entwickelungsgeschichte des Erd- körpers, noch reden müssen. 29 Will man das Wesen und die Bedeutung der Paläontologie richtig würdigen, so hat man für's Erste daran fest zu halten, dass sie, rein und selbstständig aufgefasst, die Zoologie und Botanik der urweltlichen Organismen ist. Es wird dann zunächst bei der paläontologischen Forschung nach allen den Punkten zu fragen sein, nach welchen man bei einer gründlichen Untersuchung von Pflanzen und Thieren der Jetztwelt fragt. Daran reiht sich dann bei der Versteinerungskunde noch alles das an, was die Besonderheit des Erhaltungszustandes der vorliegenden Thier- oder Pflanzenreste und die relative Bildungszeit, die geologische Epoche, aus welcher sie stammen, mit sich bringt. Man fragt aber unter Berücksichtigung der physikalisch-chemischen Verhältnisse bei Thieren und Pflanzen der Jetztwelt, wenn wir ihre ganze Natur kennen lernen wollen, 1) nach ihrem inneren und äusseren Bau, der Gestalt der Organe, nach dem typischen Totalhabitus; man fragt 2) nach der von diesen Organen und deren eigenthümlicher Zusammenstellung abhängigen Lebensthätigkeit, nach der ganzen Entwickelungsgeschichte, man fragt, wie sie Das geworden. was sie jetzt sind; man fragt endlich 3) nach Heimath, Verbreitung und Naturumgebung; man will wissen, wo kommt ‚eine Art vor, geographisch genommen, wie weit verbreitet sie sich, ist sie häufig, welche Begleiter hat sie, aus denen wir das Totalbild der Naturumgebung entnehmen können, in welcher sie lebt oder gelebt hat. Für ‚alle noch jetzt lebenden Thiere liesse sich sogar noch nach den biologischen (oder, wenn man will, auch nach den psychologischen) Verhältnissen fragen, ohne deren gleichzeitige Erörterung die allseitige Betrachtung der ganzen Natur einer gegebenen Species streng genommen nicht abzuschliessen sein dürfte. Man wird übrigens, bei niederen Thieren zumal, nicht immer in der Lage sein, auch auf diese schwierige Frage Auskunft geben zu können. Da sie aber für die Thiere und Pflanzen der Vorwelt von selbst wegfällt, lassen wir sie hier ganz auf sich beruhen. Es wird auch Solchen, die mit der Paläontologie vertraut sind, schon bedenklich vorkommen, dass ich die vorhergegangenen Fragen, welche oft bei Arten jetztlebender Thiere und Pflanzen nicht Punkt für Punkt befriedigend beantwortet werden können, auch für die einzelnen Arten der Versteinerungen gelhan wissen will. Es ist auch mir nicht unbekannt, dass es leichter ist zu fragen, als zu antworten. Auch erwarte ich begreiflicher Weise nicht, dass selbst der geschickteste und umsichtigste Paläontolog bei allen oder auch nur bei den meisten als Arten erkennbaren Versteinerungen alle angedeuteten Punkte untersuchen und die vorgelegten Fragen beantworten könne. Aber das glaube ich wenigstens , dass die Allseitigkeit und Gründlichkeit in der paläontologischen Forschung nur gewinnen kann, wenn man sich selbst scheinbar entlegenere Punkte, welche für die scharfe Untersuchung der Thiere und Pflanzen der Gegenwart unmöglich übergangen werden dürfen, auch für die Versteinerungen, soweit als irgend möglich, zu ermitteln bemüht. Es ist diess weder ein müssiges, noch auch ein undankbares Geschäft; vielmehr liegen zur Zeit schon ausreichende thatsächliche Beweise des Gegentheils von verschiedenen Paläontologen vor. Es ist aber hier weder der Ort dazu, noch dar! ich so unbescheiden sein, die Zeit und Ihre Geduld in Anspruch zu nehmen, um auf Speeialitäten der Paläontologie einzugehen. Nachdem ich schon in dem vorher Gesagten im allgemeinen die Stellung der Paläontologie unter den übrigen Naturwissenschaften, ihre Aufgabe und ihr Wesen angedeutet habe, bleibt mir für meinen heutigen Zweck nur noch kurz zu erörtern übrig, welche Bedeutung die Versteinerungskunde an sich habe und welche hauptsächlichsten Ergebnisse sie für verschiedene verwandte Wissenschaften und für das praktische Leben zu bieten vermöge. Es ist nach dem, was ich schon bemerkte, die Aufgabe der Paläontologie, an der Hand der 30 Zoologie und Botanik, d. h. gestützt auf die sichere und allseitige Erkenntniss der lebenden Thiere und Pflanzen, wie sie mit dem Menschen gegenwärtig den Erdball bewohnen, möglichst klare Einsicht in die ganze Organisation der Thiere und Pflanzen der Vorwelt zu gewinnen, eine umfassende Kenntniss zu erlangen von den zahlreichen Gattungen und Arten urweltlicher Organismen, welche sich aus den mehr oder minder wohlerhaltenen Resten der verschiedenen Schichtenablagerungen herausstellen. Eine zweite sich unmittelbar daran anschliessende Aufgabe der Paläontologie ist es, unter Zuziehung und Beihülfe der Geognosie sicheren Aufschluss darüber zu erlangen, welchen Charakter Fauna und Flora in jeder bestimmten Epoche der Entwickelungsgeschichte der Erde oder, was dasselbe ist, in jeder geologischen Periode dargeboten hat. Daraus ergibt sich dann im An- schluss -an die Thiere und Pflanzen der Jetztwelt mit ihrer bestimmten Verbreitung über die heutige Oberfläche unseres Planeten ganz von selbst eine vollständige Geschichte der organischen Schöpfung von dem sicher nachweisbaren ersten Erscheinen lebender Wesen überhaupt bis zur heutigen Thier- und Pflanzenwelt, den Naturgenossen oder Compatrioten des Menschengeschlechtes. Die Versteine- rungskunde hat uns also zugleich von dem successiven ersten Auftreten und ebensowohl von dem Erlöschen der einzelnen Thier- und Pflanzengattungen und Arten Rechenschaft abzulegen. Dafür lässt sich nun freilich keine menschliche Chronologie geben. Nach menschlichen Jahren kann ja von manchen Thieren und Pflanzen der Jetztwelt nur mühsam die Lebensdauer des Individuums er- mittelt werden, und diese ist für viele Arten noch nicht einmal annäherungsweise festgestellt. Bei den organischen Wesen der Urwelt lässt sich für die Lebensdauer der Individuen begreiflicher Weise gar kein sicherer Massstab finden. Für die Dauer allmählig aufgetauchter und wieder erloschener Gattungen und Arten haben wir einen zwar ziemlich zuverlässigen, doch nur sehr relativen Massstab, den geologischen. Die geologische Chronologie beginnt aber erst mit dem ersten Erscheinen der Organismen auf der Erde. Alles, was vorher, laut vorliegenden Thatsachen, geschehen sein muss, liest gewissermassen in mythischem Dunkel. Die Versteinerungen in Verbindung mit den Lagerungs- verhältnissen der sie umschliessenden Gesteinsschichten sind es, welche uns also überhaupt einen einigermassen sicheren Blick in die räthselhaften Verhältnisse der Vorwelt eröffnet haben. Die Paläontologie hat die Aufgabe, die vor vielen Jahrtausenden begrabenen und in Stein umgewandelten Zeugen organischen Lebens gleichsam wieder zu erwecken und zu beleben, die seltsamen Thier- und Pflanzengestalten wieder vor unsere Augen zurückzuführen, uns diejenigen Wesen aufzuweisen, welche dem menschlichen Geschlechte und seiner lebendigen Mitwelt im Besitze des irdischen Wohnplatzes lange vorhergegangen sind, welche uns Spätgeborenen in Wahrheit die Stätte bereitet haben. Es ist wohl nicht zu verwundern, dass eine Wissenschaft, welcher diese Aufgabe gesteckt ist, welche , gestützt auf sicher erkannte naturwissenschaftliche Thatsachen, eine befriedigende Lösung von Fragen zu geben unternimmt, welche ihrer Natur nach jeden denkenden Menschen im höchsten Grade fesseln müssen, ich sage, es ist nicht zu verwundern, dass diese junge Wissenschaft schon seit den wenigen Jahren ihres Bestehens ein hohes Interesse bei den Gebildeten für sich erweckt hat, dass sie bei mehreren Nationen, zumal bei den Engländern, geradezu angefangen hat, Lieblings- und Modestudium zu werden. Doch sind es diese Ursachen keineswegs allein, welche auf die Versteine- rungskunde auch Solche hingelenkt haben, denen ein ausschliesslich wissenschaftliches Interesse vielleicht ferner gelegen haben würde. Die Paläontologie hat nämlich auch einen bedeutsamen 31 praktischen Einfluss zu äussern besonnen, seitdem man erkannt hat, dass das Vorhandensein gewisser charakteristischer Versteinerungen, oft nur ein. mangelhafter Ueberrest eines Muschelthieres, zum Leitstern dienen kann, um zu erkennen, ob in der gegebenen Gesteinmasse oder in zunächst gele- genen Schichten des Erdreichs nutzbare Mineralstoffe als Erze, Steinsalz, Gyps, lithographischer Stein, feinkörniger Marmor u. s. w. vorhanden sein könne oder nicht, ob in der Nähe der Schicht, welcher wir eine solche Versteinerung entnommen haben, Stein- oder Braunkohlen zu hoffen seien oder nicht. Denn auch Letzteres, zu wissen, dass aller Wahrscheinlichkeit nach diese oder jene nutzbaren Stoffe in einem gegebenen Distriete nicht zu finden sind, ist demjenigen von Wichtigkeit, der nach dem einen ‚oder anderen gerade sucht. In den Stein- und Brauukohlen aber haben wir überdiess zugleich die Versteinerungen selbst, als nutzbare, mächtige Massen vor uns, welche bekanntlich bergmännisch gewonnen werden und für holzarne Gegenden eine ganz besondere Wohlthat sind. Die praktische Wichtigkeit der Bekanntschaft mit den Versteinerungen hat zwar schon manchem weiterblickenden Bergmann und Industriellen zur Erschürfung nutzbarer Lagerstätten gute Dienste geleistet. Doch sind es immer noch Wenige, welche, im Besitze der dazu nöthigen Kenntnisse, diese gemachte Erfahrung erfolgreich auszubeuten wissen. Im Alterthume und Mittelalter hatten sich Einzelne, welche überhaupt auf solche Dinge achteten, vergeblich abgemüht, die Entstehung von verschiedenen versteinerten und lose daliegenden See- muscheln und Seeschnecken mitten auf dem Festlande und zum Theil auf hohen Bergen, die Ent- stehung von Knochen- und: Holzresten im aufgegrabenen Erdreiche zu erklären, oder wenigstens ausfindig zu machen, wie die oft sehr auffallenden Thier- und Pfilauzengestalten an diese merkwürdi- sen Fundstellen gekommen sein könnten. Sie sprachen von Zusus naturae, die Natur oder unter- irdische Mächte wollten mit dem Menschen ihr unheimliehes Spiel treiben und ihn äffen. Man stellte sich später einen nisus formativus oder eine »ös plastica vor, eine bildende Kraft der Erde, welcher nur ‘die Unterstützung der lebenschaffenden Sonne fehle, um wirkliche Thiere und Pflanzen statt der todten Steinbilder zu erzeugen. Agricola, der gewöhnlich als der Gründer der Mine- ralogie angesehen wird, sprach von dem Steinsafte, der Knochen und Holz durchdrungen habe. Noch in gar nicht so fernliegender Zeit, vor etwa 150 Jahren, war die sonderbare Annahme von der aura seminalis entstanden, von der samenhaltigen Luft, welche den Versteinerungen ihr Dasein gegeben haben sollte. Ganz anders und zum -Theil schon sehr richtig sehen Robert Hooke, Füchsel und William Smith die Versteinerungen an. Namentlich machten sie schon alle drei darauf aufmerksam, dass in den Versteinerungen ein Mittel gefunden sei, um gewisse Schichtenglie- der unter sehr verschiedenen anderweitigen Verhältnissen und in sehr entlegenen Gegenden als iden- tische oder geologisch-gleichartige wiederzuerkennen. Smith wusste ganz besonders die praktische Seite dieser Entdeckung mit Scharfsinn und Geschick bei bergmännischen Unternehmungen auszu- beuten. Er hatte sicher erkannt, dass die Reste von untergegangenen Thier- und Pflanzenschöpfungen in verschiedenen geologischen Epochen in den Gesteinmassen begraben worden sein müssten und dass sie in denselben nicht bunt durcheinander lägen und zufällig vertheilt seien, dass vielmehr gewisse Formen stets nur in gewissen Schichten unabänderlich wiederkehrten. Jede Species behaupte also ihre bestimmte Stellung in der Reihe der geschichteten Gesteine. Auf diese seine Unter- suchungen der fossilen Reste gestützt, veröffentlichte Smith, nach zwanzigjähriger Arbeit, im Jahre 1815 die erste geologische Karte von England und einem Theil von Schottland. Was seitdem 32 in dieser Richtung in England geschehen ist, muss ich unerwähnt lassen und darf es auch als ziemlich allgemein bekannt voraussetzen. Geologie und Paläontologie gehen, unbeschadet ihrer Selbst- ständigkeit, zur Zeit Hand in Hand. An England haben sich aber seitdem ausser dem praktischen Amerika auch manche Staaten des europäischen Continents, darunter auch mehrere deutsche, ein treffliches Muster genommen. Ich würde die Grenzen eines Vortrags weit überschreiten und fürchten, die Geduld der hoch- zuverehrenden Versammlung allzusehr auf die Probe zu stellen, wenn ich in irgend welche spe- ciellere Erörterungen über Versteinerungen eingehen und Ihnen die Methode der wissenschaftlichen Paläontologie an concreten Beispielen auseinander setzen, wenn ich Ihnen nachweisen wollte, wel- ches die vielen einzelnen Schwierigkeiten sind, mit denen eine gewissenhafte Untersuchung der oft in so ungünstigem Erhaltungszustande befindlichen fossilen Reste zu kämpfen hat, wenn ich die neuere, wenn gleich noch keinen grossen Zeitraum umfassende, Geschichte der Paläontologie auch nur flüchtig durchlaufen wollte. Es wäre sonst noch gar vieles Wichtige beizubringen. Nur darauf erlaube ich mir noch kurz hinzuweisen, dass in dem Augenblicke das Studium der ältesten und tiefsten Gebirgsablagerungen, in welchen sich Versteinerungen vorlinden, die paläo- zoische Formation aller Orten eifrigst betrieben wird. Einestheils bietet sicherlich die erhöhte Schwie- rigkeit besondere Aufforderung, auch hier Licht zu schaffen, anderntheils gewährt es auch einen ganz eigenthümlichen Reiz, es hierbei mit den ersten Wesen, welche unseren Planeten überhaupt bewohnt haben und also gewissermassen mit der Entstehung des organischen Lebens auf der Erde zu thun zu haben und die Organisation der frühesten Geschöpfe zu enträthseln. Auch unsere rheinischen Lande, der grössere Theil von Nassau, die Eifel und Westphalen stellen ein reiches Contingent zur paläozoischen Fauna und Flora. Ich schliesse mit einem Ausspruche Alexander von Humboldt’s über die Bedeutung unserer Wissenschaft : „Paläontologische Studien haben der Lehre von den starren Gebilden der Erde, ‚wie durch einen belebenden Hauch, Anmuth und Vielseitigkeit verliehen.“ 14. Ueber den Antrag des Hofraths Textor aus Würzburg auf Verlegung der Versammlung in die erste Hälfte des Septembers wird abgestimmt und derselbe abgelehnt. 15. Dr. Schultz aus Deidesheim beantragt hierauf, dass weder in den allgemeinen noch in den Sectionssitzungen ein Vortrag gehalten werden dürfe, der schon gedruckt sei. 16. An der Discussion, welche hierüber stattfindet, betheiligen sich F. Sandberger, Dr. Kü- ster, Dr. Göschen. Die Versammlung nimmt den Antrag des Dr. Schultz an. 17. Der zweite Geschäftsführer verliest sodann eine Einladung des Maschinenmeisters Heusin- ger zu Castel, eine von ihm nach neuem Princip konstruirte Lokomotive in Augenschein zu nehmen. Sodann kündigt derselbe an, dass eine Festschrift der Leopoldinisch-Carolinischen Akademie zur Einsicht aufliege. 18. Die Sectionen werden hierauf von ihren Einführern in die ihnen bestimmten Lokale geleitet. j 33 Zweite allgemeine Sitzung. Die zweite allgemeine Sitzung im Cursaale wurde am 21. September, um 10°, Uhr, von dem ersten Geschäftsführer eröffnet. 1. W. Haidinger, k. k. Sectionsrath,, Director der k. k. geologischen Reichsanstalt in Wien, hält einen Vortrag über die Geschichte der Entwickeluug und den gegenwärtigen Zustand des genann- ten Institutes. Meine Herren! Ich beabsichtige eine kurze Darlegung der Geschichte der Entwicklung und des ge- genwärtigen Zustandes der k. k. geologischen Reichsanstalt in Wien und Oesterreich zu geben, deren Di- rection mir anvertraut ist. Es ist dies gewiss eine Pflicht des Dankes für die grosse Theilnahme, welche ich persönlich in Beziehung zu meinen zahlreichen Freunden gefunden habe, nicht nur in Wien, son- dern auch ausser dieser Reichshauptstadt, und auch ausserhalb Oesterreich überhaupt. Correspondent de facto von mehr als hundert Gesellschaften und Instituten, Mitglied von mehr als einem halben Hundert derselben, begegne ich hier alten treuen Freunden, aber auch hochverehrten Männern, mit welchen ich persönlich nur durch die Schrift in Berührung war. Diesen und andern theilnehmenden Freunden möchte ich in raschen Zügen dasjenige aus der Geschichte des neuen wissenschaftlichen Aufschwunges in Oesterreich vorführen, wovon ich zunächst Zeuge war, und wovon die k. k. geolo- gische Reichsanstalt selbst einen Antheil bildet. Mögen Sie, meine Herren, freundlichst entschuldigen. wenn ich der nahen Berührung wegen meine Person vielleicht mehr als nothwendig hervorhebe. Ich habe nun das dritte Mal den Genuss, einer Versammlung. deutscher Naturforscher und Aerzte beizuwohnen. Das erste Mal in Prag 1835, ins Privatleben zurückzezogen. Das zweite Mal in Gratz 1843; seit drei Jahren erst in Staatsdienste getreten, in der Einrichtung des k. k. montanistischen Museums: noch allein beschäftigt, konnte ich nur Ergebnisse meiner eigenen Studien mittheilen, deren Basis, dieses Museum selbst, im Jahre 1835 durch den Fürsten von Lobkowitz für meinen ver- ehrten Lehrer Mohs gegründet, später unter dem Freiherrn von Kübeck, schon damals die Theil- nahme mancher von und nach Gratz durch Wien durchreisender Freunde in Anspruch nahm. Allein zu jener Zeit gab: es in Wien noch keine kaiserliche Academie der Wissenschaften, keine k. k. geologische Reichsanstalt, noch stand Kreill nicht an der Spitze der seitdem errichte- ten meteorologisch-magnetischen Central-Anstalt, Hyrtl hatte noch das k. k. Museum der verglei- chenden Anatomie nicht gebildet, Frauenfeld noch nicht den Grund zu dem zoologisch-botanischen Vereine gelegt, der nun unter dem Fürsten von Khevenhüller als Präsident blüht; so mancher anderer günstiger Entwickelungen nicht zu gedenken, die sich seither unerachtet der Nachtheile einer kurz vorübergegangenen stürmischen Zeit in den Vordergrund. gestellt. haben, wie unter andern die Thatkraft und Wirksamkeit der k. k. Gesellschaft der Aerzte. Die gegenwärtige dritte Versammlung besuchte ich im Auftrage des k: k. Ministeriums für Lan- deskultur und Bergwesen in Wien für die k. k. geologische Reichsanstalt. Es ist mir heute vergönnt, mehr über die Erfolge Anderer zu berichten, während meine eigenen Arbeiten in dem natürlichen Verhältnisse des Fortschrittes im Leben nach einer gewissen Periode, mehr zurücktreten. Mein hochverehrter Freund und Begleiter in Wiesbaden, der k. k. Herr Bergrath Franz Ritter von Hauer war erst im Wintereurse nach der Versammlung in Gratz an das k. k. montanistische Museum gekommen. Er und einige andere «leichgesinnte junge Männer traten im November 1845 ] 34 zusammen, um sich gegenseitig die Ergebnisse ihrer Studien mitzutheilen. Ich übernahm es, die Schritte zur Bildung einer Privatgesellschaft für Naturwissenschaften zu leiten. Ich werde hier nicht der zahlreichen, aber immer erfolglosen Vorarbeiten zur Gründung einer vom Staate ausgehenden Academie der Wissenschaften, seit der Zeit von Leibnitz, derjenigen unter der Regierung der un- vergesslichen Kaiserin Maria Theresia, bis zu den Bemühungen eines v. Littrow, der Freiherren v. Jacquin und Hammer-Purgstall, v. Schreibers und Anderer hier ausführlich erwähnen. Nun war der Vorschlag ein anderer, die Bildung eines Privatvereines. Die Herren v. Ettingshau- sen und Schrötter, den ich mich heute freue in der Versammlung anwesend zu sehen, besprachen mit mir zuvörderst die Grundideen. Zwei Versammlungen der ersten -naturwissenschaftlichen Nota- bilitäten Wiens folgten. Hier machte sich aber wieder bereits die Idee der ‚‚vom Staate ausgehenden Gesellschaft‘‘ bemerkbar, und Professor Endlicher gab eine neue Schrift zu diesem Zwecke ein. Indessen dauerten die Versammlungen von Freunden der Naturwissenschaften fort, es erschienen im Mai die ersten Sitzungsberichte in der Wiener-Zeitung. Ich machte einstweilen auf meinen eige- nen Namen die Einladung zu einer Subscription von 20 fl. jährlich, zur Herausgabe von „Naturwis- senschaftlichen Abhandlungen“, gewissermasen den Denkschriften der zu bildenden Gesellschaft, wäh- rend die Sitzungsberichte in der Wiener -Zeitung ebenfalls später gesammelt herausgegeben werden sollten. Ich habe im Verlaufe der Zeit, glänzend unterstützt durch zahlreiche Gönner und Freunde der Naturwissenschaften, von den höchsten Schichten der Gesellschaft beginnend, die Herausgabe von vier Bänden „Abhandlungen“ in 4° von 7 Bänden „Berichte“ in 8° besorgt. Das hier vorliegende Exemplar ist für die neugebildete mittelrheinische geologische Gesellschaft bestimmt. Durch eines jener in der Geschichte so häufigen Zusammentreffen von Ereignissen auf ein ein- ziges Datum war meine Einladung zur Subscription in der Wiener Zeitung an demselben Tage, dem 30. Mai 1846, dem hohen Geburtsfeste Seiner Majestät des Kaisers Ferdinand erschienen, an welchem dieser sütige Monarch den Allerhöchsten Entschluss fasste, die seit so langen Jahren gewünschte Academie der Wissenschaften in's Leben treten zu lassen, was auch am 14. Mai 1847 ausgeführt worden ist. Es war nun ein lange gefühltes Bedürfniss befriedigt, und gewiss hat man von allen Seiten mit Vergnügen die Entwickelung des Einflusses der Academie auf das wissen- schaftliche Leben in Wien und Oesterreich anerkannt, unter den aufeinanderfolgenden Präsidenten, dem Freiherrn von Hammer-Purgstall, und gegenwärtig unserem treffliichen Baumgartner, zu- gleich k. k. Minister der Finanzen und des Handels, sowie unter den Generalseeretären v. Ettings- hausen und Schrötter. Bereits im k. k. montanistischen Museum hatten meine jungen Freunde und ich möglichst unser Augenmerk auf die geologische Kenntniss des Landes gerichtet. Namentlich war auch eine geolo- gische Uebersichtskarte der Oesterreichischen Monarchie ausgeführt worden, die ferneren Arbeiten zur Grundlage dienen konnte; den Druck derselben in Farben besorgte das k. k. militärisch-geogra- phische Institut. Sie wurde in der Versammlung in Aachen 1847 vorgelegt. Die neu gegründete Kaiserliche Academie der Wissenschaften nahm sich auf den Antrag meines hochverehrten Collegen Partsch und den meinen der Interessen der Landesdurchforschung lebhaft an. Die Herren von Hauer und Hörnes reisten mit Subvention der Academie im Jahre 1848 in England, Frankreich, Deutschland, im Jahre 1849 in mehreren Kronländern des Oesterreichischen Kaiserstaates. Allein die Erfordernisse zur Bereisung der Monarchie und zur Vollendung oder Herausgabe von 35 Karten hätten die, wenn auch an sich beträchtlichen Fonds der Academie doch zu sehr in Anspruch genommen. Hier war es, wo gerade zu der wünschenswerthesten Zeit, das k. k. Ministerium für Landeskultur und Bergwesen in’s Mittel trat, und die erforderlichen Kräfte zur Disposition stellte. Seine Majestät der Kaiser Franz Joseph I. gründeten am 15. November 1849 die k. k. Geologische Reichsanstalt auf den Antrag Allerhöchst Seines Ministers Herrn Edlen von Thinnfeld, und geruhten mir am 29. November die Direktion derselben anzuvertrauen. Die jährlich zu veraus- gabende Dotation beträgt 31,000 fl. C.-M., zur ersten Einrichtung wurden 10,000 fl. bestimmt. Die Herren Bergräthe v. Hauer und Czjzek, Archivar Graf Marschall und Assistent Foetterle in Wien bildeten das Personal der Anstalt, Herr M. V. Lipold wurde als zeitlicher Geologe berufen. Nahe drei Jahre sind seitdem verflossen, über deren EIEHRELEe ich nun berichten, so wie einige der letztern vorzeigen kann. Begreiflich ist die Haupt-Aufgabe einer geologischen Anstalt die geologische Untersuchung und Entwerfung der geologischen Karten desjenigen Landes, für welches dieselbe bestimmt ist. Viele andere Aufgaben reihen sich um dieselbe herum, wie um einen. Mittelpunkt an. Der Flächeninhalt von Oesterreich beträgt in runder Zahl 12,000 Quadratmeilen. Man muss suchen, Unternehmungen dieser Art so einzurichten, dass grössere Arbeiten, wie Karten, doch innerhalb eines Menschenalters abgeschlossen werden, während dessen der Zustand von Kunst und Wissenschaft doch nicht gar zu sehr verschieden ist. Es ist also ein Zeitraum von dreissig Jahren festgestellt, so dass 400 Quadrat- meilen Bereisung und Karten auf das Jahr kommen. Als Basis für die Aufnahmen werden die Sec- tionen der Militäraufnahmen des k. k. Generalquartiermeisterstabes zu 400 Klaftern auf den Zoll oder 3,8000 der Natur in leicht ausgeführten Copien benützt. Zur Vervielfältigung werden die Ergebnisse sodann auf die in dem k. k. militärisch-geographischen Institute herausgegebenen Specialkarten zu 2000 Klaftern auf den Zoll oder */,44000 der Natur übertragen. Eine Anzahl derselben soll als Ge- schenk vertheilt, andere gegen Ersatz der Erzeugungskosten auf Bestellung geliefert werden. Die Eigenthümlichkeit unserer Verhältnisse lässt es indessen nicht zu, eine eigentliche Auflage dieser geo- logischen Karten zu machen, weil diess ein bei Weitem zu grosses Kapital in Anspruch nehmen würde. Die Reihenfolge der Aufnahmen der Kronländer ist zum Theile von dem Vorhandensein der Spe- eialarten zu 2000 Klafter auf den Zoll abhängig, und wurde dergestalt bestimmt, dass Niederöster- reich den Anfang machen sollte, dem sodann Oberösterreich folgt, und damit die erste ‚Generalstabskarte abschliesst. Dann folgen Salzburg, Tyrol, Lombardei, Venedig, jede mit einer einzelnen, Inneröster- reich mit einer Gesammtkarte für Kärnthen, Steyermark, Krain, Görz, Triest, Istrien, alle im Maasse von 2000°, nur die Lombardie und Venedig in dem von 1200° oder Ygg,s00 der Natur. Ferner nörd- lich Böhmen, Mähren und Schlesien. Sämmtliche Karten, mit Ausnahme von Böhmen sind publicirt, letzteres noch nicht vollständig. Die Herausgabe der Karten aller anderen Kronländer ist noch nicht begonnen. Damit die Karten derselben der geologischen Anfnahme nicht fehlen, geruhten Seine Majestät der Kaiser die Dotation des k. k. militärisch-geographischen Institutes, zur vollständigen Landes-Aufnahme und Herausgabe der Karten neuerdings um eine Summe von 50,000 fl. jährlich zw erhöhen. Aber die geologische Kenntniss der östlichen Alpen in Oesterreich, Steyermark , Salzburg, erfor- derte im Jahre 1850 eine vorläufige Uebersichtsreise, an welcher die Herren von Hauer, Czjzek, Lipold, Kudernatsch, Ehrlich, Simony, Stur, Prinzinger und andere Theil nahmen. 5* 36 Auch Herr Prof. Emmrich hatte einen Durchschnitt bereist. Der Zweck war, in mehreren Rich- tungen möglichst genau verzeichnete Durchschuitte, oder eigentlich Systeme von parallelen Durch- schnitten zu erhalten, was auch gelang. Die Verzeichnung geschah mit gleichen Höhen- und Ent- fernungs-Verhältnissen. Einer derselben in fünf parallelen Blättern von Herrn M. V. Lipold in Salzburg ausgeführt, liegt hier vor. Im zweiten Jahre erst ging es in Niederösterreich selbst erst an’s Werk, unter der Leitung der Herren Lipold nördlich der Donau, Czjzek südlich der Donau gegen Osten, Kudernatsch südlich der Donau gegen Westen. Die Ergebnisse ihrer Aufnahme, auf die 2000 Klafter-Karte übertragen, habe ich heute das Vergnügen vorzulegen. Aber schon nach der ersten Uebersichtsreise des Sommers 1850 waren unsere, den neuen Ver- hältnissen entsprechend aufgesammelten Vorräthe an- mineralogischen, geologischen und paläontolo- gischen Gegenständen so sehr angewachsen, dass die Zuweisung einer neuen Localität für Studien und zur Aufstellung beinahe eine Lebensfrage wurde. Sie ist auf das günstigste unter einer eigent- thümlichen Verkettung von Verhältnissen durch die Miethe des fürstlich Lichtenstein’schen, ehe- mals Rasumovsky’schen Palastes auf der Landstrasse gelöst, welche wir dem k. k. Ministerium für Landeskultur und Bergwesen verdanken. Der Sommer 1851 beschäftigte die Herren von Hauer und Foetterle, mit wenig Ausnahmen, in der Uebertragung der Sammlungen aus dem älteren Lokale in das neue, und beginnenden Einrichtung des letzteren, in den nahe an fünfzig Räumen, von wel- chen mehrere Prachtsääle der Aufstellung, andere Räume den Vorräthen, andere endlich den Arbeiten gewidmet sind. Während des gegenwärtigen Sommers ist unsere Hauptaufgabe Oberösterreich. Herr M. V. Lipold hat nebst Herrn Prinzinger das Salzkammergut, und zunächst anliegende Landestheile, Herr Joh. Kudernatsch die Gegend südlich von Linz, Herr Bergrath Joh. Czjzek, begleitet von Herrn D. Stur die Gegend an der Enns, Herr Dr. €. Peters das Mühlviertel nördlich von der Donau; die Herren von Hauer und Foetterle nebst F. von Lidl vollendeten die an Oesterreich südlich angrenzenden Theile von Steyermark auf den Specialkartenblättern. Selbst während eines im Ganzen doch so raschen Fortganges der eigentlichen geologischen Un- tersuchung, musste es aber zugleich unsere Sorge sein, ohne erst die Endergebnisse abzuwarten, von den Theilerfolgen Nachricht zu geben, um auch anregender auf ein theilnehmendes Publikum zu wir- ken. Diess wurde durch Sitzungen in den Räumen der k. k. geologischen Reichsanstalt erzielt, in welchen die wichtigern Vorkommnisse aus der Geschäftsführung besprochen, und von deren Inhalt in der Wiener-Zeitung Bericht erstattet wurde. Die Sitzungen finden jede Woche, den ganzen Win- ter hindurch öffentlich statt. Während des Sommers werden Monatsberichte über die Arbeiten ge- geben. Die Sitzungsberiehte, aber auch mancherlei andere Mittheilungen werden in dem Jahrbuche der k. k. geologischen Reichsanstalt gesammelt. Es erscheint vierteljährig in Heften zu etwa 180 Sei- ten mit Tafeln. Zwei Bände für 1850 und 1851 sind vollendet. Sie liegen gleichfalls zur Ansicht vor. Von diesem Jahrbuche werden nahe an tausend Exemplare theils gratis vertheils an die k. k. montanistischen Aemter, an Behörden und Lehranstalten in der k. k. Monarchie, theils werden sie an wissenschaftliche in- und ausländische Institute und Gesellschaften versandt, von welchen ihrerseits wieder Rücksendungen in Aussicht stehen. Umfassendere Werke wurden zur Herausgabe der paläontologischen und der ausführlicheren, 37 geologischen Mittheilungen unternommen, von welchen es mir gleichfalls grosses Vergnügen gewährt, Mehreres der hochverehrten Versammlung vorzulegen. Herr Dr. Moritz Hörnes, Custos-Adjunkt an dem unter der Direction unseres Partsch neuorganisirten k. k. Hof-Mineralien-Cabinete, unternahm die Herausgabe der fosillen Molusken des Wiener Tertiärbeckens; zwei Hefte derselben sind bereits erschienen, jedes zu 5 Tafeln und dem zugehörigen Text; die ersteren, sowie alle unsere Druckar- beiten, trefflich in der unter ihrem energischen Director, dem k. k. Regierungsrath Auer, artistisch anerkannter Weise so hoch stehenden k. k. Hof- und Staatsdru:kerei ausgeführt. Herr Dr. Constan- tin v. Ettingshausen, mit Herrn v. Hauer und mir in Wiesbaden anwesend, als Geologe für die Phytopaläontologie der Anstalt gewonnen. unternahm die Bearbeitung der Tertiärfloren als ein zusammengehöriges Werk; die Flora des Wiener Beckens (5 Tafeln) ist in der Vollendung begriffen. Ausser diesen beiden Werken, und mit ihnen die Quartpublikationen bildend, erscheinen ,,Ab- handlungen der k. k. geologischen Reichsanstalt“, deren erster Band nahe vollendet ist, und folgende einzelne Mittheilungen in drei Sammlungen enthält: 1) Geologie. Dr. A. E. Reuss: das Egerland und das Gebiet von Asch. 1 Karte. 2) Zoo-Paläontologie. @) Johann Kudernatsch: die Ammoniten von Swinitza. 4 Tafeln. 5) Dr. Friedr. Zekeli: die Gasteropoden der Gosaugebilde.. 24 Tafeln. 3) Phyto-Paläontologie. @) Palaeobromelia. 2 T. 6) die Wealden-Flora. 5 T. ce) Beiträge zur Oolith- und Liasflora. 5 T. .d) Die Flora von Stradonitz in Böhmen. 3 T. Sämnt- lich von Herrn Dr. v. Ettingshausen. { Die meisten derselben, mit Ausnahme von Zekeli’s Gosau-Gasteropoden. und Ettingshau- sen’s Flora von Stradonitz, liegen vollendet hier vor. . Abgesondert wurden noch herausgegeben: Der Katalog der Bibliothek des k. k. Hof-Mineralien- Cabinets, von Herrn Director Partsch, und die Fortschritte der Mineralogie von 1844-1849 von Dr. 6. A. Kenngott. Einer der Punkte, durch welche die geologische Kenntniss des Landes am meisten mit den Be- dürfnissen des Lebens zusammenhängt, ist die chemische Zusammensetzung der vorgefundenen Ge- genslände. Der k. k. geologischen Reichsanstalt gehört ein eigenes agronomisch-chemisches Labora- iorium an, unter der trefflichen Leitung des Herrn Doctors Franz Ragsky. in welchem allerlei chemische Arbeiten, die sich auf die vorkommenden Fragen beziehen, und zum Theil von dem hohen Ministerium selbst gestellt werden, zur Ausführung kommen. In einem andern Theile der Lokalität werden durch Herrn Patera hüttenmännisch-chemische Arbeiten ausgeführt. Dieses ist die Uebersicht der Thätigkeit des neuen Instituts. Wir haben uns indessen noch in manchen anderen Arbeiten der Mitwirkung theilnehmender Freunde zu erfreuen, wie der Herren Aca- demiker Heckel in der Abtheilung der Fische, und Professor Reuss in den fossilen Polyparien. Entomostraceen, Foraminiferen; des Herrn E. Suess in den fossilen Brachiopoden, der an mehreren Orten des Kaiserreiches in. der letztern Zeit gebildeten naturwissenschaftlichen oder speciell geologi- schen Vereine in Innspruck, Gratz, Brünn, Pesth, Laibach, Hermannstadt nicht ausführlicher zu ge- denken, mit welchen wir, wenn auch unabhängig von einander, doch für denselben Zweck zu wirken uns bestreben. Mit einem Worte möchte ich auch noch beifügen, dass diese Skizze überhaupt nur die Thätigkeit der k. k. geologischen Reichsanstalt bezeichnete, nicht die der geologischen Forschun- gen und Arbeiten überhaupt, unter welchen die der italienischen Forscher, eines De Zieno, Pasini, 38 Catullo, Massalongo, der Villa, Curioni, Balsamo-Crivelli, Cornali u. s. w. so manches günstige Er- gebniss geliefert haben. Vor allen hätte ich dann der grossen Arbeiten Barrande’s erwähnen müssen, dessen erster Band, die Trilobiten Böhmens, nun der Vollendung nahe ist. Ich müsste befürchten, weit über den Raum der gegenwärtigen Ansprache hinaus zu gehen, wollte ich in die Ausdehnung, Natur und Art der Aufstellung unserer Sammlungen eingehen. Meine verehrten Freunde und Reisegefährten, Bergrath v. Hauer und Dr. v. Ettingshausen werden Manches davon in den Sectionssitzungen besprechen. Unsere sämmtlichen Sammlungen aber in dem schönen Central-Museum in Wien, und unsere Arbeiten daselbst den theilnehmenden Freunden vorzuführen, die uns mit ihrer Gegenwart beehren: wollen, wird uns stets das reinste Vergnügen gewähren, und ich lege dazu meine angelegentlichste Einladung vor. 2. Obermedicinalrath Dr. Jäger aus Stuttgart erörtert in folgender Festrede zur 200jährigen Jubelfeier der kaiserlich leopoldinisch-carolinischen Akademie der Naturforscher die geschichtlichen Momente des Ursprungs und Fortgangs derselben. Hochverehrte Versammlung ! Durch das Wohlwollen der Herzogl. Nassauischen Regierung, durch das freundliche Entgegen- kommen der zu Gotha für die diesjährige Versammlung der Naturforscher und Aerzte Deutschlands ernannten Geschäftsführer und durch den ehrenden Beschluss dieser hochverehrten Versammlung selbst ist es der kaiserlich leopoldinisch-carolinischen Akademie der Naturforscher vergönnt, die Feier ihres 200jährigen Bestandes in der Mitte dieser hochansehnlichen Versammlung zu begehen, welche so viele Gönner und Freunde der Naturwissenschaften in sich vereinigt und daher vorzugs- weise geeignet ist, die Lebenselemente der Akademie zu erfrischen, um ihr fröhliches Gedeihen zum: Heile der Wissenschaft aufs neue für kommende Generationen zu sichern. Indem ich zuerst den tiefgefühlten Dank im Namen der Beamten und Mitglieder der Akademie für diese Vergünstigung ausspreche, scheint es angemessen, die Akademie selbst in diese hochver- ehrte Versammlung durch eine seschichtliche Erinnerung an ihre Entstehung, ihre Entwickelung und ihre Leistungen einzuführen, wobei ich mich zugleich auf die ausführlicheren Angaben beziehe, welche in der vor beinahe 100 Jahren von Buchner*) herausgegebenen Geschichte der Akademie und in den in einzelnen Bänden ihrer Schriften **) und sonst ***) mitgetheilten Nachträgen enthalten sind. Nach der treffenden Bemerkung des jetzigen Präsidenten der Akademie in der Vorrede zu dem 23. Bande der von ihm redigirien Reihe ihrer Schriften charakterisirt sich die Zeit nach dem west- phälischen Frieden von der Mitte des siebenzehnten Jahrhunderts an durch ein merkwürdiges Asso- ciationsstreben zur Beförderung der Wissenschaften nicht blos in Deutschland, sondern fast in allen Theilen Europas. Es hat sich dieselbe friedliche Entwickelung für Kunst und Wissenschaft nach *) Academiae Saeri Romani Imperii Leopoldino-Carolinae Naturae Curiosorum historia conseripta ab ejusdem Praeside Andrea Elia Buchnero. Halae Magdeburgieae. Litteris et Impensis Joh. Just. Gebaueri. Anno MDCCLYV. **) Vergangenheit und Zukunft der kaiserlich Leop.-Carol. Akademie der Naturforscher aus dem 1. Theile des 23. Bandes besonders abgedruckt von Dr. C. G. Nees von Esenbeek, Präsident der Akademie. ***) Beilage zu Nr. 55 der Allgemeinen Zeitung vom 24. Februar 1852. Darstellung der Entstehung der kaiserlich Leop.-Carol. Akademie der Naturforscher und Wünsche für ihre Erhaltung und weitere Ausbildung. 39 Beendigung des siebenjährigen Krieges und in noch viel ausgedehnterem Massstabe in Folge der Wieder- kehr des europäischen Friedens zu Anfange dieses Jahrhunderts in der Menge von Vereinen wieder- hoit, welche fast für alle Zweige der Wissenschaft und Kunst und des industriellen Lebens sich gebildet haben. e Ihre Entstehung verdankt die Akademie 4 Aerzten (Bausch, Fehr, Mezger und Wohlfahrt), welche in der damaligen freien Reichsstadt Schweinfurt am 2. Januar 1652 (auf Verlangen von Bausch) einen Verein gründeten, dem sie durch einen kühnen Geist den Namen Academia Naturae Curiosorum gaben und in die zugleich entworfenen Statuten den Keim ihrer weitern Entwickelung legten. Wir verdanken zwei Mitbürgern dieser Stadt (Pfarrer Emmert und v. Seg- nitz), welche durch die Uebergabe der von ihnen verfassten Flora dem Andenken der Stifter der Akademie ein würdiges Opfer gebracht haben, einige nähere Nachrichten über dieselbe. Mit dem Wahlspruche Nunguam otiosus, welchen der Siegelring .der Mitglieder trägt, wurde die Thätigkeit ‚der einzelnen Mitglieder herausgefordert, indess in dem Verkehre unter denselben und in den Be- kanntmachungen dieser Akademie mehr der Charakter eines Privatvereins unter der Leitung eines Präsidenten beibehalten wurde. Es konnte diesem dabei eine unabhängigere Stellung eingeräumt werden, als dies sonst gerade bei Privatvereinen der Fall ist, indem seine Wirksamkeit blos auf die Förderung der wissenschaftlichen Interessen der Gesellschaft gerichtet sein konnte, welche noch keiner Verwaltungseinrichtung bedurfte. Unter Kaiser Leopold I. (1677) erhielt die Akademie eine Erweiterung ihrer Gesetze und Pri- vilegien mit dem Namen Sacri Romani Imperii Academia Naturae Curiosorum, welchem im Jahre 1687 der Beinamen Caesareo-Leopoldina beigefügt wurde. Von Kaiser Karl Il. wurden 1742 die alten Privilegien der Akademie bestätigt und sie führt seit dieser Zeit den Namen Leopoldino-Carolina. Die Akademie und ihr Präsident machten indess von den ertheilten Privilegien nur einen sehr mässigen Gebrauch. Durch die ihren Schriften bewilligte unbedingte Pressfreiheit und ein Privilegium für den Verlag derselben und gegen den Nachdruck war die Akademie zu einer unter unmitielbarem kaiserlichem Schutze stehenden Freistadt der Naturwissenschaften geworden, welche unter einem Präsidenten und einem Collegium von 12 bis 16 Adjuncten eine der bürgerlichen Verfassung der freien Reichsstädte einigermassen ähnliche Ver- fassung hatte. Die einzelnen Adjuncten wurden von dem Präsidenten ernannt uud von dem Collegium der Adjuncten bestätigt, von welchem einer als Director ephemeridum die Herausgabe ihrer Schriften besorgte. Nach dem Tode des Präsidenten wurde sein Nachfolger durch die Adjuneten und aus ihrer Mitte für die Dauer seines Lebens gewählt. Das Vermögen der Akademie bestand ausser einem kleinen ‚Stiftungskapital blos*) in ihrer Bibliothek, welche bald durch Geschenke, durch den Austausch ihrer Schriften und einzelne Ankäufe einen nicht unbedeutenden Werth erlangt hatte, wie sich aus dem im Jahre 1700 erschienenen Verzeichnisse derselben und dem beigefügten Plane ihrer Aufstellung, so wie aus den Verzeichnissen der Geschenke ergibt, welche die einzelnen Bände der Acta enthalten. Da *) Eine Naturalien- und Kunstsammlung, wie sie in früheren Zeiten gebildet worden war, vertrug sich nicht mit dem wandernden Character des Instituts, und würde nur in der Realisirung der Idee eines Nationalmuseums an einem bestimmten Orte eine Deutschland würdige Entwickelung erhalten können, ohne Beeinträchtigung des für die Verbreitung der Cultur so. wünschenswerthen Bestands einer grösseren Zahl kleinerer Museen. 40 die Akademie mit ihrem Eigenthume dem Wohnsitze des Präsidenten folgte, so war die Benützung der Bibliothek für die ausserhalb des Wohnsitzes des Präsidenten wohnenden Mitglieder sehr erschwert. Wenn auch dieser Nachtheil jetzt, nachdem an vielen Orten Deutschlands öffentliche Bibliotheken sich gebildet haben, weniger empfindlich sein mag, so ist er dennoch sehr fühlbar, indem die Bibliothek der Akademie zerade an ausgezeichneten naturhistorischen Werken einen reicheren Vorrath, als manche öffentliche Bibliothek besitzt. Es ist daher eine Einrichtung beabsichtigt, um die Bibliothek der Akademie ihren Mitgliedern zugänglicher zu machen, als dies bisher der Fall war. --- Die haupt- sächlichste Wirksamkeit der Akademie bestand bis zum Schlusse des verflossenen Jahrhunderts in der Unterhaltung des wissenschaftlichen Verkehrs unter ihren Mitgliedern und in der Bekanntmachung ihrer Beobachtungen und einzelner wissenschaftlicher Untersuchungen. Ausser mehreren abgesonderten Abhandlungen erschienen in fortlaufender Reihe 50 Quartbände der Schriften der Akademie mit den sogar wiederholt bearbeiteten Inhaltsverzeichnissen. Die am Schlusse des vorigen Jahrhunderts eingetretenen Bewegungen der Zeit hemmten die Thätigkeit der Akademie und sie erwachte erst aufs neue nach einem Zwischenraume von 26 Jahren unter dem damaligen Präsidenten v. Wendt in Erlangen, und der jetzige Präsident Nees von Esenbeck übernahm 1818 die Herausgabe einer neuen Reihe der Schriften der Akademie, deren Zahl bis heute auf 37 Quartbände gestiegen ist. Die dieser letzten Periode vorangegangenen Schriften der Akademie sind fast durchaus in latei- nischer Sprache geschrieben. Es darf indess als eine Anerkennung ihres Inhalts und des Interesses, ihn auch dem Laien zugänglicher zu machen, angesehen werden, dass erst noch vor beinahe 100 Jahren eine deutsche Uebersetzung der ersten (von 1670 bis 1792 herausgegebenen) 20 Bände der Schriften der Akademie erschienen ist*), da .in dieser Zeit die Kenntniss der lateinischen Sprache unter Gelehrten nicht minder allgemein verbreitet war, als ihr Gebrauch bei wissenschaft- lichen Abhandlungen. Er hat sich zum Theil bis in die neuesten Bände der Acta erhalten, indess in diese neben den in deutscher auch einige in französischer Sprache geschriebene Abhandlungen aufgenommen wurden. Der Inhalt der früheren Schriften der Akademie bestand grossentheils aus kurzen, häufig in Briefform verfassten Mittheilungen, zumal über einzelne zufällig dargebotene Beobachtungen aus dem Gesammtgebiete der praktischen Mediein und der Naturwissenschaften. In der zuvor genannten deutschen Uebersetzung sind die ohnediess sparsamen Abhandlungen mathematischen und physikalischen Inhalts, so wie manche Mittheilungen unglaublichen Inhalts weg- gelassen, jedoch ist der damals noch in Ehren gehaltene Stein der Weisen und manche wundersame Deutung und Abbildung insbesondere von Missbildungen von Thieren und Pflanzen nicht übergangen. Wenn daher in dieser Beziehung allerdings zuweilen eine weniger lebhafte Phantasie und eine schärfere Kritik dem ersten Beobachter zu wünschen gewesen wäre, so haben doch die auf mehrere Tausende sich belaufenden Beobachtungen über einzelne Krankheitsfälle und deren Behandlung, über Missbil- dungen und über die Anatomie des Menschen und der Hausthiere, und einzelner Organe im gesunden und kranken Zustande, einen bleibenden Werth, so wie einzelne naturhistorische und anatomische Untersuchungen über Thiere und Pflanzen aus allen Klassen eine Menge jetzt noch brauchbarer Belege *) Sie wurde verlegt zu Nürnberg von den W. N. Endtnerischen Üonsorten und Engelbrechts Witiwe; und später von Felix Schwarzkopf vom Jahre 1755 bis 1771. 41 für die physiologische und pathologische; so wie für die vergleichende Anatomie gewähren. Das Interesse für letztere wurde hauptsächlich durch die aus anderen Erdtheilen mitgebrachten Thiere angeregt, von welchen manche schon in der zweiten Hälfte des siebenzehnten Jahrhunderts in dem Thiergarten zu Wien längere Zeit lebend erhalten wurden. Die Beobachtungen darüber wurden auch wohl in Verbindung mit den in den Schriften der Londoner und Pariser Akademie enthaltenen Unter- suchungen in besonderen Werken *) gesammelt, in welchen die damalige Kenntniss der vergleichen- den Anatomie gleichsam in einzelnen Beispielen dargelegt ist. Wenngleich die Botanik in der frühe- ren Periode der Akademie mehr in Beziehung zu der Materia medica betrieben wurde, so bilden dennoch auch physiologische Fragen, z. B. über das Geschlecht und über den Schlaf- und Wach- zustand der Pflanzen den Inhalt mehrerer Abhandlungen zu Ende des siebenzehnten Jahrhunderts und die zuerst in den Transactionen der Londoner Societät erschienene Anatomie der Pflanzen von Grew wurde in lateinischer Uebersetzung in die Schriften der deutschen Akademie aufgenommen. Die Mineralogie entbehrte damals noch einer festeren chemischen Grundlage und wenn auch den Krystallformen hin und wieder grössere Aufmerksamkeit gewidmet ist, so fehlte es doch während des ersten Jahrhunderts der Akademie an der messenden Schärfe der Beobachtungen, welche über- diess dem grösseren Theile der Mitglieder ferner lagen, als die in Menschen und Thieren vorkommenden steinartigen Concremente, welche als pathologische Produkte das Interesse des Arztes mehr in An- spruch nahmen, übrigens auch in einzelne Lehrbücher der Mineralogie jener Zeit aufgenommen wur- den. **) Es finden sich daher auch nur selten genauere Angaben über die geognostischen Verhältnisse einzelner Orte oder ganzer Länder und die allerdings häufigeren Beobachtungen über fossile Pflanzen _ und Thiere stützen sich mehr auf die Aehnlichkeit im äusseren Ansehen, als auf genauere Unter- suchungen, für welche die Hülfsmittel fehlten oder nur in schr beschränktem Maase zu Gebote standen, während jetzt England, Frankreich und Deutschland ihre geologischen Gesellschaften haben, deren Mitglieder wir zum Theil in unseren Reihen begrüssen dürfen. Bedenkt man, mit welchen Schwierigkeiten die Naturforscher Deutschlands insbesondere noch im Laufe des siebenzehnten Jahrhunderts zu kämpfen hatten, nicht blos für die Herbeischaffung der Naturprodukte aus anderen Theilen der Erde, sondern auch für die genaue Untersuchung und Dar- stellung durch Abbildungen, und bedenkt man auf der anderen Seite den reichen Zufluss neuer Gegenstände aus Ländern, die erst in neuerer Zeit entdeckt vder durchforscht werden, bedenkt man dabei, dass damals die Verbindung zwischen den Bezirken eines Landes oft mehr erschwert war, als jetzt die Verbindung sogar zwischen den durch Meere geschiedenen Ländern, bedenkt man ferner die Vortheile, welche die Verbesserung, der Instrumente für die Genauigkeit der Untersuchung, so- wie die Photographie, Lithographie und der Farbendruck für die Darstellung der untersuchten Gegen- stände gewährt, bedenkt man endlich die grossen Vortheile des jetzt so sehr erleichterten persön- lichen und schriftlichen Verkehrs unter den Männern der Wissenschaft und die Möglichkeit der *) Dahin gehören die 1681 erschienene Anatome Animalium von Blasius, welcher 40. Jahre später das Thea- trum anatomieum von Valentin folgte. #*) In der yon einem ungenannten., Verfasser zu Paris im, Jahre 1755 erschienenen Histoire naturelle eelaircie dans une de ses parties lOryetologie z. B. sind die Pierres, qui eroissent dans les Animaux et les Vegetaux als eine besondere Klasse aufgeführt. 42 Benützung der neuesten wissenschaftlichen Produkte, welche durch den Buchhandel überhaupt und durch die ausgezeichnete und liberale Einrichtung des deutschen Buchhandels *) insbesondere ver- mittelt wird, so muss man den Muth und die Ausdauer der ‘Männer bewundern, welche. ohne diese Hülfsmittel der Förderung der Wissenschaft sich hingaben, wenn es oft auch nur durch Auffassung einzelner Beobachtungen geschehen konnte. Uebersieht man in dieser Beziehung die Liste der 1500 Mitglieder, welche die Akademie: seit ihrem Anfange zählt **), so ergibt sich, dass neben manchen Gönnern und Freunden der Natur- wissenschaft aus allen Ständen bis gegen das Ende des vorigen Jahrhunderts vorzüglich Aerzte und besonders solche Aerzte der Akademie sich anschlossen, welche vermöge ihrer amtlichen Stellung als Physici einzelner Bezirke veranlasst waren, neben dem ärztlichen Berufe zugleich den physischen Verhältnissen der Bewohner überhaupt und den Bedingungen derselben ihre Aufmerksamkeit zuzu- wenden und durch diese Erfordernisse der Medicinalpolizei, so wie der in Deutschland zuerst mehr ausgebildeten gerichtlichen Arzneikunde wenigstens zeitweise auf die Beschäftigung mit, den damit in Verbindung stehenden Zweigen der Naturwissenschaft geleitet wurden, mit welchen jetzt der Arzt bei der Stellung, die er bei den Schwurgerichtsverhandlungen einzunehmen hat, um so mehr vertraut sein muss. — Andere Mitglieder hatten sich neben dem ärztlichen Berufe irgend ein Lieblingsstudium z. B. die Botanik gewählt, dessen Früchte sie in den Schriften der Akademie niederlegten. Eine nähere Verbindung der Naturwissenschaft mit dem ärztlichen Berufe wird selbst dadurch. unterhalten, dass die Apotheken die allgemeinsten Niederlagen ausländischer Naturprodukte waren und ihre Besitzen, reich geworden durch ihren Betrieb, nicht selten die ihnen dargebotene günstige Gelegenheit benützten, mehr oder weniger ausgedehnte Sammlungen solcher Naturprodukte anzulegen, wofür das bekannte Werk Seba’s ein ehrenwerthes Zeugniss giebt. Selbst auf manchen Universitäten bestand die. Ein- richtung, dass ein Lehrer der praktischen Mediein des Winters Anatomie oder Chemie, und des Sommers Botanik vorzutragen hatte, oder dass derselbe Lehrer. von der einen Lehrstelle zu der an- dern stiftungsmässig besser dotirten überging. Die entschiedenere Sonderung der einzelnen naturwissenschaftlichen Fächer für sich und von. der praktischen Medicin erscheint ebendesshalb weniger als eine: Folge äusserer Einrichtungen, als der allmähligen Ausbildung und Ausdehnung der einzelnen Zweige der Naturwissenschaft selbst, welche nicht leicht mehr durch einen einzelnen gewältigt werden konnten, sondern eine mehr specielle Beschäftigung erforderten..***) Nichts destoweniger darf der einzelne, einem mehr praktischen *) Vergleiche darüber a) Justus Perthes Leben. I. Bd. pag. 94 und folg.; b) Beilage’ zu Nr. 217 der allge- meinen, Zeitung pag. 4. „die Organisation des deutschen: Buchhandels.“ **) Die ersten 600 Mitglieder sind in der Geschichte der Akademie von Buchner, die später ernannten in dem einzelnen Bänden der Aeten aufgeführt. ##) Die Zutheilung der einzelnen Fächer an verschiedene Lehrer geht daher aus der Ausdehnung jedes einzelnen als ein Bedürfniss nämlich für die Universitäten hervor, wobei nur ihre Zertheilung in kleinere Zweige für den Lehrer und den Studirenden zu vermeiden ist, um für letzteren insbesondere die Zersplitterung seiner Zeit und den Verlust des natürlichen Zusammenhangs der einzelnen Fächer zu vermeiden. Auf der andern Seite wird die zweckmässige Aufeinanderfolge des Studiums der einzelnen Fächer gerade wegen ihrer grössern Ausdehnung für den Studirenden von um so grösserer Bedeutung und insbesondere ein bestimmterer Abschluss der sogenannten Hülfsfächer vor dem Beginne der vorzugsweise praktischen Fächer: Bei dem Studium der 43 Berufe hingegebene, den «damit in Verbindung stehenden Zweigen der Naturwissenschaft nicht ent- fremdet werden. Dazu wird wesentlich» beitragen, wenn: dem auf eine mehr gesönderte Berufsthätigkeit Angewiesenen jezuweilen Gelegenheit'gegeben wird, sich ‘an die früheren naturwissenschaftlichen Stu- dien zu erinnern oder ihrer Förderung einige Erholungsstunden zu widmen. Es sind in dieser Be- ziehung die Botanik und wohl auch die Petrefactenkunde von manchen Aerzten vorzugsweise gepflegt worden , wofür ‚auch schon. die älteren Schriften der Akademie mehrfache Belege liefern. *) Mit dem Ende des achtzehnten Jahrhunderts schliesst sich das erste Tausend der Mitglieder der Akademie, von welchen jetzt nur wenige mehr unter ‘den Lebenden sind, ‘die meisten aber noch mehr. oder weniger von den am Schlusse des: vorigen Jahrhunderts eingetretenen politischen Ereig- nissen und den fast gleichzeitigen Bewegungen in der Wissenschaft berührt wurden. So wenig in mancher Beziehung die Zeitereignisse der Förderung der Wissenschaft günstig sein mochten, so begleitete denn doch die Revolution in Frankreich ein unerwarteter Aufschwung der Naturwissenschaften. Die Neugestaltung der Chemie und die ihr bald sich anschliessende galvanische Electrieität führte auf eine Reihe von Entdeckungen in den damit in’ mehr unmittelbarer Verbindung stehenden Fächern, so wie auf eine Rückwirkung auf die übrigen Theile der Naturwissenschaft, welche zugleich durch’die nach allen Seiten unternommenen wissenschaftlichen Reisen einen reichen Zufluss an Material erhielten. Der thatsächlichen Erweiterung derselben gingen nicht nur die für einzelne Fächer unternommenen Sammelwerke der Literatur, sondern auch die von einzelnen Forschern unteınommenen Versuche einer philosophischen Begründung des innern Zusammenhangs der Natur und ihrer Erscheinungen zur Seite. Die Gestalt der ‚Wissenschaft hatte sich ‘somit in realer und idealer Hinsicht verändert, als nach einem Zwischenraume von 26 Jahren die Akademie unter der Leitung des jetzigen Präsidenten nach Anregung seines Vorgängers aufs neue im Jahr 1818 ihre Thätigkeit und zwar unter günstigen Auspieien begann. Bei dem Uebergange derselben in die königl. preussischen ‘Staaten ‘wurden ihre Statuten und ihre freie selbstständige Stellung unter dem Protectorat des Monarchen selbst anerkannt. und durch namhafte Zuschüsse es möglich gemacht, den Schriften der Akademie mehr die Bedeutung der von stehenden Akademien herausgegebenen Schriften zu verschaffen und sie in ihrer äusse- ren Ausstattung ihnen weniestens gleich zu stellen. Die nova Acta enthalten neben den einzelnen Beobachtungen, mit welchen die Reihe ihrer Vorgänger begann, mehr oder weniger umfassende Untersuchungen über Gegenstände aus fast allen Gebieten der Naturwissenschaft. Da indess die Physik, Chemie, Mineralogie und Geognosie, so ‚wie ‚die praktische Mediein durch zahlreiche Zeit- schriften vertreten sind, so konnte für die beschreibende Naturgeschichte hauptsächlich der wirbel- losen Thiere und der Pflanzen wie sie theils die Ergebnisse einzelner Reisen, theils die übersichtliche letzteren ist jedoch der Bedentung jener fortwährend Rechnung zu tragen, theils um ihre praktische Anwen- dung in’ vielen Fällen zu sichern, theils um der vielleicht mehr ausschliesslich praktischen Thätigkeit, welche (lie Laufbahn des einzelnen mit sich bringen mag, die wiünschenswerthe Erfrischung und wissenschaftliche Richtung zu erhalten. In Beziehung auf Paläontologie verdient die Bemerkung G. Cuviers in seinen Recherches sur les Ossemens fossiles 'T. I. pag. 118 angeführt zu werden, welche zur Erklärung so mancher über fossile Ueberreste in den Actis der’ Akademie enthaltener Beobachtungen dient. L’Allemagne est sans eontredit le pays de !’Europe ou on a trouvd le plus d’os d’Elephans fossiles non pas peutetre par ce quelle en recele plus que les autres eontrees mais par ce qwil m’y a dans cet empire aucune contree sans quelqwWhomme instruit et capable de re- eeuillir et de faire comnaitre , ce qui 8’y trouve d’interessant. 6* 4 Darstellung einzelner Familien und Gattungen gewährte, mehr Raum gewonnen werden, so wie für die Untersuchungen über Physiologie und Pathologie des Menschen, der Thiere und der Pflanzen und die damit in Verbindung stehenden anatomischen und mieroscopischen Darstellungen, wozu noch die vielfachen Untersuchungen paläontologischer Gegenstände kommen. Die Acta blieben darin ihrem ursprünglichen Charakter eines Privatvereins getreu, sofern darin vorzugsweise solche Beobachtungen und Untersuchungen aufgenommen sind, zu welchen die Herbei- schaffung des Materials auch dem einzelnen Forscher gelingen mochte. Dabei war jedoch die allgemeinere Verbreitung der Acta durch ihren ziemlich hohen Preis gehemmt und es wird daher eine Einrichtung zu treffen versucht werden, durch welche sowohl die Erwerbung der vollständigen Acta, als der verschiedene Fächer betreffenden Abtheilungen*) und auch einzelner Abhandlungen er- leichtert wird, wie dies auch bisher schon ausnahmsweise geschehen ist. Indem die Herausgabe der Nova Acta. wie wir hoffen, für die Zukunft durch den Verschleiss derselben grossentheils gesichert werden wird, werden die Untersuchungen, welche die hohen Regierungen und einzelne Gönner der Akademie gewähren, theils zu reicherer Ausstattung der Acta selbst, theils zu Förderung von Unter- suchungen, welche einen grösseren Aufwand an Zeit und Geld erfordern, theils für Preisaufgaben oder zu’ Reisestipendien verwendet werden können. Bei letzteren dürfte zugleich Bedacht darauf genommen werden, dass die Mitglieder der Akademie, so wie öffentliche Institute oder die betreffenden Regierungen sich durch Actien verhältnissweise Ansprüche auf die Ergebnisse solcher Reisen erwer- ben können. auf eine Weise, welche, wie wir hoffen, auch die Theilnehmer für einzelne Abthei- lungen befriedigen wird, wie dies einem während fünfundzwanzig Jahren in Esslingen bestandenen Privatvereine gelungen ist. Wir haben es mit grossem Danke gegen den jetzigen Präsidenten zu erkennen, dass er sich den vielfachen Arbeiten. welche seine Stelle mit sich brachte und insbesondere der Redaction der *) In dem ersten, 1818 unter dem Präsidium von Wendt bearbeiteten Bande ist der Inhalt in die Abtheilungen I. Botanik, Il. Zoologie, worunter auch eine anatomische Abhandlung und eine Abhandlung über den fossilen Schädel eines Dachses begriffen ist, II. allgemeine Physik, IV. Mediein getheilt. In dem zweiten Bande ist jedoch diese Abtheilung nach Fächern nicht mehr beibehalten und diess ist auch in den folgenden Bänden nur insofern geschehen, als einzelne Bände ausschliesslich emem Fache, z. B. der Botanik gewidmet sind. Wenn letztere überhaupt in den Actis mehr begünstigt erscheinen sollte, so kann sich die Wissenschaft nur zu dem Antheile Glück wünschen, welchen der Präsident selbst an den betreflenden Abhandlungen genommen hat. Es dürfte indess die Einreihung der Abhandlungen in mehr getrennte Abtheilungen vielleicht dazu dienen, eine verhältnissweise gleichförmigere Berücksichtigung der verschiedenen Zweige der Naturwissen- schaft zu veranlassen, wie sie pag. 44 $. 2 der Vorrede zu dem 23. Bande der Noya Acta aufgeführt sind. Es dürften indess diese Abtheilungen bei der Ausführung der in Vorschlag gebrachten Maasregel einige Modi- fieationen erleiden. Es ist nämlich die Mathematik und der mathematische Theil der Physik, so wie die Astronomie fast ganz in den neueren Bänden der Acta verschwunden und selbst die Chemie und Mineralogie nur durch wenige Abhandlungen repräsentirt. Es dürften daher vielleicht folgende Abtheilungen in Vorschlag zu bringen sein: 1]. Naturgeschichte; a) Zoologie, b) Botanik, ce) Mineralogie mit Einschluss oder mit Bevor- zugung der Geognosie und Paläontologie. II. Naturwissenschaft; a) Physik und Chemie der unorganischen Körper, b) Physik der organischen Körper, a. Anatomie, 5. Physiologie, e. Pathologie mit vorzugsweiser Berücksichtigung der mehr bildliche Darstellungen erfordernden Physik der organischen Körper. Es dürfte daher vielleicht auf die bei den Wanderversammlungen der deutschen Naturforscher und Aerzte als zweckmäs- sig erfundene Abtheilung in Seetionen Rücksicht zu nehmen sein. 45 Acta mit seltener Aufopferung seit mehr als dreissig Jahren unterzogen hat, allein es kann diess nichf gerade unter allen Umständen ohne eine entsprechende Entschädigung erwartet werden. Dabei erfordert die Billigkeit, dass den Beamten der Akademie Gelegenheit gegeben werde, von ihrer Stelle abzutre- ten, wenn ihre eigenen Verhältnisse, oder die Verhältnisse der Akademie diess wünschenswerth machen. Wenn es daher dem Geiste der Zeit und den Verhältnissen, welche bei dem Beginne der Akademie zu berücksichtigen waren, entsprechen mochte, den Präsidenten und sofort durch ihn die Adjuncten der Akademie auf Lebensdauer zu wählen, so dürfte im Kreise der Beamten derselben die Frage zur Erörterung kommen, ob es nicht den jetzigen Verhältnissen und Ansichten mehr zusagen würde, dass zu einer zeitweisen Ernennung der Beamten Veranlassung gegeben werde, und dass die öconomische und literarische Verwaltung der Akademie überhaupt in bestimmten Zeitabschnitten an das Licht der Oeffentlichkeit namentlich unter Fachgenossen trete, welche bei den Wanderver- sammlungen der Naturforscher und Aerzte Deutschlands sich einfinden und damit Kunde geben, dass sie an den wissenschaftlichen Bestrebungen überhaupt und im deutschen Vaterlande insbesondere lebhaften Antheil nehmen. Durch den zeitweisen persönlichen Zusammentritt der Beamten der Aka- demie und durch die gleichzeitige Vereinigung eines grösseren Theils der ihr im In- und Auslande angehörigen Mitglieder dürfte wohl die allgemeine Theilnahme für ihre Zwecke vermehrt und diese durch den mündlichen Verkehr gefördert werden, indess auf der andern Seite wohl auch eine gün- stige Rückwirkung der Akademie auf diese wandernde Versammlungen zu erwarten sein dürfte. Indem damit die Akademie ihre ursprüngliche Grundlage des freien Verkehrs unter ihren Mitgliedern festhält, wird sie ihre ursprüngliche Bestimmung. nur um so vollständiger neben den stehenden Akademien erfüllen können, welche kurz nach ihrer bescheidenen Gründung und während ihres zeitweise etwas schwankenden Bestands im In- und Auslande zum Theil auf den Ruf der Regierungen sich gebildet haben. Vergleichen wir die Verhältnisse der stehenden Akademieen und der Akademie der Naturforscher, so treten uns bei aller Aehnlichkelt der Zwecke denn doch einige wesentliche Unterschiede entgegen, welche bei der Frage ihres Nebeneinanderbestehens und ihrer gegenseitigen Ergänzung und somit ihres gleichzeitigen Bedürfnisses für die Förderung der Wissen- schaft und der Naturwissenschaft insbesondere ins Auge zu fassen sind. Die stehenden Akademieen umfassen in ihren verschiedenen Klassen, wie noch mehr die Uni- versitäten in ihren verschiedenen Fakultäten und Lehrfächern die verschiedenen Wissenszweige. Selbst in der mathematisch-physikalischen Klasse der siehenden Akademien wird meist den eigentlich physikalischen Fächern (Physik, Chemie, Astronomie, Mechanik) vorzugsweise Rechnung getragen und zwar mit Recht, weil die dazu erforderlichen Hülfsmittel nur selten im Besitze des einzelnen Gelehrten in genügender Vollständigkeit sich befinden. Dasselbe gilt von den Arbeiten im Felde der Zoologie, Botanik und Mineralogie, welche die ausgedehnte Benützung reicherer Sammlungen oder zoologischer und botanischer Gärten oder von Seiten der betreffenden Regierungen den Besitz von Colonien, oder die Anordnung grösserer Reiseunternehmungen, oder die Verbindung mehrerer Regie- rungen für einen bestimmten Zweck bedürfen, wie z. B. für die Errichtung magnetischer Stationen in verschiedenen Theilen der Erde. *) *) Die neueren Bände der Acta enthalten indess die meteorologischen Beobachtungen, welche auf der Sternwarte zu Jena im Einklange mit den anderen meteorologischen Stationen angestellt worden sind, deren Errichtung Alexander v. Humboldt vorzüglich vermittelt hat. Ebenso haben die Ergebnisse der Reisen mehrerer 46 Die Akademie der Naturforscher stellt dagegen nur eine Klasse der stehenden Akademien oder vielmehr nur eine Abtheilung derselben in Verbindung mit den dem Berufe des Arztes angehörigen Studien dar; sie ist ihrer ganzen Stellung nach vorzugsweise auf den Kreis von Wirksamkeit be- schränkt, den sich der einzelne Naturforscher selbst schaffen kann. Wenn daher eigentlich erobernde Entdeckungen, welche der Wissenschaft eine andere Gestalt geben, mehr aus dem Schoose der stehenden Akademien oder der Universitäten hervorgegangen sind und hervorgehen werden, so hat dagegen die Akademie der Naturforscher schon in ihrem Beginne mehr durch ihre Extension gewirkt, indem sie die in allen Theilen Deutschlands zerstreuten Kräfte für die Gewinnung einer thatsächlichen Grundlage der Wissenschaft durch einzelne Beobachtungen sammelte. Sie hat indess auch an inten- siver Wirksamkeit und einer dem gediegenen Inhalte entsprechenden reicheren Ausstattung gewonnen, wie sich dies wohl aus der Vergleichung der früheren Reihen ihrer Schriften mit den unter dem jetzigen Präsidenten erschienenen erweisen liesse, wenn ich mir hier erlauben dürfte, diesen Beweis zu liefern, der uns beim Aufschlagen jedes einzelnen Bandes entgegentritt. Wenn wir auch zur Zeit einer Smithson’schen Stiftung*) entbehren, so werden die Hülfsmittel für die Erreichung der Zwecke der Akademie denn doch durch die allgemeiner gewordene Ueberzeugung von ihrer Bedeutung für die Förderung der Wissenschaft sich vermehren; sie wird selbst, wie wir hoffen, als ein Be- dürfniss für die Staatsregierungen anerkannt werden, wenn sie die Unterstützung der Akademie in manchen Fällen in Anspruch nehmen können, welche für ihre Erledigung specielle Kenntnisse er- fordern, wie sie am ehesten unter den Speeialitäten einer grösseren und weit verbreiteten Gesellschaft zu finden sein dürften. Das erhabene Beispiel der königl. preussischen Regierung wird auch andere hohe Regierungen veranlassen, der Akademie nicht blos zeitweise**), sondern regelmässige Unter- stützungen zukommen zu lassen und ihr eine grössere Zahl von Gönnern zuführen, um die Erwei- terung ihrer Wirksamkeit für die Wissenschaft und für die Lösung einzelner Aufgaben im allgemeinen Interesse möglich zu machen. Wenn wir indess der Liberalität vertrauen, mit welcher die Benützung öffentlicher und Privat- sammlungen anderer wissenschaftlicher Hülfsmittel im In- und Auslande jetzt gestattet wird, und die freie Verbindung in Anschlag nehmen, durch welche jetzt auch dem Einzelnen alle Länder und verdienstvoller Naturforscher , wie namentlich Meyens eine glänzende Aufnahme in den Acten gefunden un die Herausgabe der im Jahre 1845 erschienenen topographischen und naturwissenschaftlichen Reisen dureh Java von Junghuhn hatten sich der besonderen Unterstützung der Akademie, und ‚ihres; Präsidenten zu erfreuen. Nach den im Eingange des ersten Bandes der Smithsonian Contributions to knowledge. Washington 1848 pag. IV. enthaltenen Notizen über diese Stiftung soll von dem jährlichen Einkommen derselben von beiläufig 800,000 #. die Hälfte für die Erweiterung und Verbreitung der Kenntnisse unter den Menschen mittelst Ori- ginaluntersuchungen und Bekanntmachungen, die amdere Hälfte zu allmähliger Bildung einer Bibliothek und von Museen und einer Kunstsammlung verwendet werden. , **) Solche zeitweise Unterstützungen haben Se. Majestät der König von. Würtemberg wiederholt gewährt und.auech die würtembergischen Stände haben ihre Geneigtheit zu namhaften Beiträgen für die Akademie ausgesprochen. (Verhandlungen der würtemb. Kammer der Abgeordneten vom 4. Dee. 1851. Bericht der Finanzkommission.) Sollten wir nicht ebenso auf die Theilnahme anderer Fürsten und Stände oder der hohen Bundesyersammlung, für das allgemeine deutsche Institut, und voraus der kaiser]. österreichischen Regierung für das nrsprünglich kaiserliche Institut hoffen dürfen ? 47 Meere der Erde geöffnet sind, so dürfen wir wohl für den reichen Zufluss an Material für die Arbeiter auch: des einzelnen Naturforschers unbesorgt sein. Der politische Verband, welcher in einer früheren Periode der Akademie zwischen Deutschland und mehreren stammverwandten Völkern bestand, hatte auch‘ der kaiserlichen Leopoldinisch-Carolini- schen Akademie eine grössere Zahl von Mitgliedern aus den betreffenden Ländern zugeführt. Die Verwandtschaft der Sprache hat jedoch auch nach Lösung des politischen Verbandes die engere wissenschaftliche Verbindung erhalten; es hat sogar unsere literarische Nationalität die Grenzen Deutschlands weit: überschritten. Wir dürfen demnach wohl hoffen, dass diese als ein Ver- bindungsmittel zwischen entfernten Völkern zu gemeinsamer Förderung der. Wissenschaft und der Naturwissenschaft insbesondere dienen werde. Es hat indess die Bedeutung, welche den Natur- wissenschaften als fornellem Bildungsmittel*) zukommt, und die Bedeutung mehr: Anerken- nung gefunden, welche die Fortschritte der Naturwissenschaft für den Fortschritt der Humanität*) überhaupt haben. Wir können: darauf die Hoffnung auf die Theilnahme aller Gebildeten für die För- derung der Zwecke der durch historische Erinnerungen, wie durch ihre Leistungen altehrwürdigen kaiserlichen Akademie der Naturforscher als eines freien deutschen Instituts gründen. An ihren Fort- bestand und ihre weitere Entwicklung glauben wir daher auch. gestützt auf die Erfahrung von zwei Jahrhunderten, die Hoffnung knüpfen zu dürfen, dass sie diese Verbindung der Wissenschaft und Humanität festhalten, dass sie dem aufkeimenden Talente Schutz und Aufmunterung gewähren und in-ihren Mitgliedern den innern Drang erhalten werde, aus dem Treiben des täglichen Lebens zu- weilen wenigstens in die geheiligten Haine der Wissenschaft sich zurückzuziehen. um hier im Um- sange mit-ihr und ihren Priestern -zu weilen und in ihrer Weisheit Stärkung für die eigene Arbeit zw.suchen. Die Opfer, welehe der Einzelne auf ihrem Altare niederlest, sollen nicht blos zur Er- haltung der leuchtenden Flamme der Wissenschaft dienen, sondern auch als Leuchte für die Erhal- tung des eigenthümlichen Charakters der deutschen Naturforschung und für die Belebung des wissen- sehaftliehen und gemüthlichen Verkehrs unter den Mitgliedern der Akademie selbst und mit den Gelehrten ‚der verschiedenen Länder der Erde und damit zugleich zu Belebung des Wetteifers zwischen den Gelehrten verschiedener Nationen. Wenn der Tempel der Wissenschaft so zugleich zum Tempel der Liebe zum Vaterlande und zur Ehre des Vaterlandes und der geistigen Cultur überhaupt geweiht wird, wie könnten wir zweifeln, dass nicht alle,. welchen die Wissenschaft und das Vaterland theuer ist, dem freien Geiste huldigen werden, der über die irdischen Interessen und Meinungen sich er- heben und eim Schutzgeist bleiben wird des reinen‘ Strebens nach Wahrheit, die in den’Wundern der Natur im ewigen Lichte glänzt. Mögen seine Strahlen auch‘ die Bahn der Naturforscher kommender Jahrhunderte erleuchten und: sie des’ heutigen Tages sich freuen, an’ welchem wir dankbar unter den *) Der Verfasser bezieht sich in dieser Hinsicht auf eine von ihm zur Feier des Geburtsfestes des Königs Wil- helm von Würtemberg' 1841 gehaltenen Rede, über den relativen Werth der Naturwissenschaften für die formelle. Bildung, so wie auf die von Prof. Fries in Upsala erörterte Streitfrage: „Sind die Naturwissenschaften ein Bildungsmittel* aus dem Schwedischen- übersetzt von Professor Horn- schuh. 1844. **) Bei der Versammlung der Naturforscher und Aerzte Deutschlands in Aachen 1848 hat der Verfasser sich über dieses Verhältniss in einem Vortrage in der zweiten allgemeinen Sitzung ausgesprochen. Siehe amtlicher Bericht über diese’ Versammlung pag. 26. 48 Augen so vieler‘ Günner und Freunde eine neue Aera der Akademie beginnen, die in fruchtbarem Verkehre mit anderen wissenschaftlichen Vereinen wachsen möge zur Förderung der Wissenschaft und Humanität, zur Ehre des Vaterlandes und zum Wohle der Menschheit. 3. Professor Nees von Esenbeck begrüsst die Versammlung im Namen der Leopoldinisch- Carolinischen Akademie mit folgenden Worten : Ich bin seit’ 1818 Präsident der Akademie und war’s mit ganzer Seele und aus allen Kräften, — so darf und kann ich mir’s auch nicht versagen, nach der eigentlichen Festrede, die unser Jäger zur Feier des nun zurückgelesten zweiten Jahrhunderts der k. L. C. Akademie gesprochen hat, noch ein Wort aus dem eigenen vollen Herzen hinzuzufügen. Der Rückblick auf ein Jahrhundert, oder gar auf zwei Jahrhunderte der Menschengeschichte kann mit Recht ein göttlicher genannt werden in dem Maase, wie das Wirken der Menschen in diesem Zeitraum als ein gemeinschaftlich vorbewusstes auftritt, d. h. nach einem vor Jahrhunderten ausgesprochenen Ziel und Grundsatze seinen geschicht- lichen Lauf verfolgte. Das ist der Gesichtspunkt, aus welchem der Rückblick auf die Geschichte und den Verlauf einer Association seine besondere Bedeutung gewinnt: es ist, als werde in die Zeit ein junger Gott geboren, der da schon weiss, was er will und was er soll, -— was wir Andere nicht wissen uud erst erleben müssen, — ein Geist, der seinen Willen vorbewusst vollbringt, durch ein Jahrhundert. Jetzt sind’s 200 Jahre, 8 Monate, 21 Tage, da sassen Bausch, Fehr und die Andern in dem Hause zu Schweinfurt, das Ihnen der Titel unseres Programms zeigt, und beriethen und beschlossen über einen Verein, der, wie sie sich deutlich genug ausdrückten, die Heilkunde auf Wahrheit, die Wahrheit auf Naturforschung gründen, den Augiasstall der Medicin von hohlen Theorieen reinigen und das Licht der Forschung in die trübe Autorität der medieinischen Tradition mit der Macht eines Stromes hereinleiten sollten, — einen Rhein- und Mainstrom des allbeleuchtenden Lichts. Was sie wollten, hielten sie an die Vorlagen der Zeitbedingungen und prüften die Mittel, welche diese ihnen zu Gebot stellten. Das war ein Blick einer Menschenkorporation in die Zukunft Europa’s. Der Redner vor mir hat uns gezeigt, was Deutschland dieser Willenskraft einverleibt und unter- worfen hat. Wir können Summen und Bilancen ziehen zwischen dem Gedanken und dem Leben des Gedankens. Nur durch das fortkräftige Wollen ist der Gedanke mehr als Gedanke, — ist er lebendig in der Menschheit, ist er in menschlichen Gestalten ein Wesen, — ein Dasein. Blicken wir auf unser Stiftungshaus zurück! Sie sehen ihm die Last der Jahre an, wie mir. Es steht gebückt und grau da. Aber es bewahrt treu und fest die Pfänder des lebendigen Verkehrs, die in ihm bewahrt werden; es ist das Pfandhaus der Stadt Schweinfurt, und gibt den Armen, die ihr Gut hinein legen, seine Zinsen. — Wir sind auch nur die Zinsen der Einlage, die unserer Väter Voraussicht einst hier niedergelegt hat. -- Wenn wir nicht reiche Zinsen eines grossen Willensacts vom 1. Januar 1652 sind, so sind wir wenig oder nichts. — In diesem Augenblick vielleicht fällt das Haus unserer Geburt; die Eisenbahn stürzt es nieder und pflügt mit ihrer Schienen-Schaar seinen Grund. Giebt’s einen herrlicheren Moment für uns zu diesem Rückblick ? Ja, der Mensch hat sich seitdem einen schönen Theil der Natur unterworfen, wie ihm gebührt; er sendet den Dunst des Wassers vor sich her und bahnt seinen Weg und reitet auf seinem Rücken. Ihr Väter, — Bausch und Fehr, — und ihr Alle, die ich frage, ibr Alten sprecht, seid nicht 49 allzu bescheiden, — sprecht, — habt Ihr nicht mitarbeiten helfen, das Dampfross zu. satteln und zu zügeln? Ich dank’ Euch im Namen dieser Versammlung. Ich bin Euer später Enkel. und führe das Wort, das Ihr mir geliehen habt, und bringe Euch und Eurer Stadt mit. ihrer frischen Jugend das Wort der Jetztzeit, das lautet: „Wir wollen schon sorgen, dass die Hundert Jahre nach uns noch grössere Herren der Natur sind.‘ Was mir dieses Wort einflüstert, darf ich Euch nicht verschweigen. Man ergreift ein Moment des Augenblicks im Bewusstsein und legt von diesem aus eine bestimmte Richtung in die noch dunkle Bahn der Zukunft. So nehm’ ich denn ein gewichtiges Wort auf, das mir von Hoher Stelle zuge- kommen und zur Mittheilung geeignet ist. Ein Weniges genüge zur Verständigung über die Bedeutung dieses Wortes. Die Gründer unserer Akademie gründeten ihr Werk, wie der Geist ihnen gebot, ohne Mittel und ohne etwa auf Actien zu speculiren. — ,Ist's von Gott, so wird’s bestehen, wo nicht, so wird es untergehen.‘‘ So, ohne Geld und Gut hat die Akademie gelebt bis in die neuere Zeit. Werke wie die, .die sie liefert, haben lange nichts weiter bedurft. Es ging vorwär's mit ihnen, es fand sich ein Ver- leger, der that das Uebrige. Aber einen Boden hatte die Akademie, auf dem sie stand, den des h. r. Reichs, — den hielt sie heilig, und war stark durch ihn. Ihr Fortschritt führte sie jedoch endlich in neuere Zeiten, in denen sie eines Guts bedurfte, das sie sich in 200 Jahren noch nicht hatte erwerben können. Ihre Werke forderten Opfer an Geld. Es fehlte aber auch nicht zum glücklichen Anfange an Mitten, die ein intelligenter Staat gab und nur hinzusetzte: „so lange ihr fortfahrt im rechten Naturfleisse.““ Die Zuschüsse des preussischen Staats von jährlichen 1200 Thalern zur Herausgabe der Acta dauern fort bis zu diesem Tage und werden, wie wir hoffen, nicht versiegen, so lange der deutschen Naturforscher Kraft nicht versiegt. Ausser dieser Thatsache lag aber die Zukunft der Akademie in ihrer Stellung zum Allgemeinen, was das ganze übrige Deutschland anbelangt, noch ohne Stimme vor uns. Die Akademie ist geduldet, sie ist begünstigt, — aber sie kann nicht sagen, dass sie einheimisch sei. Da kommt mir nun das Wort in die Gedanken, das ich als eine Anspielung auf unsere Zukunft betrachten möchte. Einer unserer Collegen theilt uns mit, dass der k. k. österreichische Staat der Akademie, wenn sie je des k. preussischen Geldzuschusses verlustig gehen sollte, die gleiche Unter- stützung in Aussicht stelle. Auf meine pflichtmässige Anfrage hierüber erhielt ich von Sr. Excellenz, dem k. k. österr. Staatsminister Grafen Thun, unterm 7. September Folgendes: „Ew. habe ich die Ehre zu bestätigen, dass ich allerdings den Adjuneten der k. L. C, Akademie, Herrn Fenzl, ermächtigt habe, die zuversichtliche Erwartung auszusprechen, Se. Maj. der Kaiser von Oesterreich werde allergnädigst bewilligen, dass in dem Falle, dass bei einer. etwa eintreffenden Neuwahl die Existenz dieses von Deutschen Kaisern aus dem Hause Oesterreich gegründeten Instituts in Frage gestellt werde, der bisher von der k. preuss. Regierung gewährte Unterstützungsbeitrag, jährlich 1200 Thlr., von der k. k. österr. Regierung dargebracht würde, vorausgesetzt, dass die Akademie nicht vorher wesentlich alterirt werde.‘ — Sie werden, wie ich hoffe, in dieser erhabenen Mittheilung mit mir einen Schritt vorwärts für die Akademie auf vaterländischem Boden, oder doch einen Vorläufer desselben erblicken, in welchem einer der grössten deutschen Staaten für sich und die Mitstaaten seine aktive Theilnahme an dem 7 50 Fortbestande der Akademie, und zwar ohne jede beschränkende Bedingung, auf den Fall veränderter Verhältnisse verheisst, also die Sphäre der Akademie über jede, nicht deutsche Schranke hinaus anerkennt. So gewiss nämlich nicht zu denken ist, dass der preussische Staat durch seine 32jährigen Hülfsleistungen, die er der Akademie gespendet, den hochfliegenden Aar der Naturforschung etwa habe für sich einfangen wollen, so gewiss dürfen wir erwarten, dass wir einer baldigen Be- rücksichtigung der hier angeregten Frage bei der hohen Bundesversammlung, betreffend die Stellung der Akademie im ganzen Vaterlande, entgegensehen dürfen, deren Resultat kein anderes sein kann, als eben das, was die k. k. österr. Regierung in dem angeführten Schreiben grossmüthig ver- heissen und Preussen seit 1819 ebenso grossmüthig gewährt. dabei aber nur noch nicht für nöthig gefunden hat, eine nähere Bestimmung über seine Ansicht von dem bleibenden Verhältnisse der Akademie zur Gesammtheit des deutschen Reichs auszusprechen oder anzuregen. — 4. Der Redner theilte ferner der Versammlung mit, dass ein Programm für die Feier, die ge- schichtlichen Momente der Akademie und die Beschreibung der Wiege der Gesellschaft, einen Bericht über das Florengebiet der Stadt Schweinfurt enthaltend, zur Vertheilung an die Anwesenden bereit liege und kündigte an, dass folgende Gelehrte zur Erinnerung an die zweite Säcularfeier zu Mitgliedern der Akademie ernannt worden seien, und dem Brauche gemäss die beigefügten Namen erhalten haben: 1) Professor Fresenius von Wiesbaden (Ellis); 2) Doctor Braun von Wiesbaden (Brown); 3) Pfarrer Emmert von Zell bei Schweinfurt (Fehr); 4) 6. von Segnitz aus Schweinfurt (Wohl- fahrt); 5) Dr. Mappes aus Frankfurt a.M. (Senckenberg); 6) Professor Dr. Brücke von Wien (Rudolphi); 7) Dr. A. Schmidt von Heidelberg (Vogel); 8) Professor Dr. Schenk von Würzburg (Heller); 9) Professor Dr. Virchov von Würzburg (Doellinger); 10) Professor Dr. Koch von Berlin (Ledebour); 11) Professor Dr. Andral von Paris (Frank); 12) Obergerichtspräsident Dr. Fuelle- born von Marienwerder (Roeschlaub); 13) Seutin, Chirurgien en chef de P’höpital de St. Pierre, Brüssel (Seultetus); 14) Ritter Dr. v. Fridau aus Graiz (Scopoli); 15) Staatsrath von’-Meyer, Secretär der k. Akademie zu St. Petersburg (Trinius); 16) Professor Dr. Sedillot zu Strassburg (Heister). 5. Pfarrer Emmert bittet um das Wort und erwiedert den Gruss der Leopoldinisch-Carolini- sehen Akademie, welchen Nees von Esenbeck an die Stadt Schweinfurt ausgesprochen. 6. Dr. Posner, Redacteur der medicinischen Centralzeitung, spricht über die Stellung der Mediein zur Lösung der socialen Frage. 7. Nachdem hierauf Mittheilungen über einige Einläufe gemacht worden waren, wird zum Schluss über den Ort der nächsten Versammlung berathen. 8. Professor Dr. Heyfelder aus Erlangen schlägt Tübingen vor. 9. Medieinalrath Dr. Göschen von Berlin schliesst sich dem Vorschlage des Prof. Heyfelder an, ebenso Dr. Schultz Bipont. von Deidesheim. 10. Durch absolute Stimmenmehrheit wird Tübingen als Ort der nächsten Versammlung bestimmt, und Prof. Hugo Mohl und Prof. Bruns zu Tübingen zu Geschäftsführern erwählt. 11. Dr. Schimper aus Schwetzingen sprach hierauf den Wunsch aus, dass die einzelnen Sectionen Fragen über schwierigere Gegenstände der Wissenschaft aufstellen möchten, deren Beant- wortung auf der nächsten Versammlung mitgetheilt werden solle. Der Antrag wurde jedoch abgelehnt. 12. Um 1 Uhr wird die Sitzung durch den ersten Geschäftsführer geschlossen. 51 Dritte allgemeine Sitzung. Nachdem die Sitzung am 25ten September, Morgens 10%, Uhr, durch den ersten Geschäftsführer eröffnet worden war, wurden die folgenden Vorträge gehalten. : 1. Dr. C.H. Schultz Bipont., Hospitalarzt von Deidesheim, entwickelt auf historischem Wege, dass bei dem ungeheuren Material, welches sich seit Linne@s Tode verzehnfacht hat, blos auf monographischem Wege Etwas erspriessliches, unserer Zeit würdiges geleistet werden kann. Er glaubt, dass zehn Monographen innerhalb zehn Jahren im Stande wären, die uns bekannten Pflanzen zu bearbeiten. Dazu sei aber ein Mittelpunkt nothwendig, reich ausgestattet mit Hülfsmitteln, wie 2. B. Gärten, Bibliotheken, Herbarien. Es wäre der deutschen Nation, als einer zu solchem Studium sich besonders eignenden, würdig, wenn die deutschen Regierungen diesen Gegenstand auferiffen, und eine solche Anstalt, mit den gehörigen Mitteln ausgerüstet, in’s Leben riefen. Dazu würde sich eine im Mittelpunkte des lebhaften Verkehrs des eivilisirten Continents liegende Stadt, wie z. B. Mainz besonders eignen. Den Ausgangspunkt für das Ganze könnte am besten die deutsche Academie bil- den, welche einer zeitgemässen Verjüngung entgegensieht. 2. Da Präsident Nees von Esenbeck noch nicht anwesend war, so hielt F. Voltz aus Mainz einen Vortrag über das Mainzer Tertiärbecken. Hochverehrte Versammlung! Sie sind aus Ost’ und West’, aus Nord’ und Süd’ zur freundschaftlichen Vereinigung an den schönen Rheinstrom gekommen. Das Andenken an. denselben wird hoffentlich auch in der Ferne so- bald nicht bei Ihnen erlöschen. Sie haben die stolzen Dämpfer majestätisch seine Wellen durch- schneiden gesehen, Sie haben die Anmuth seiner Ufer bewundert und sich an dem edlen Safte seiner Reben erfreut. Sie sahen die Emsigkeit der Bewohner des schönen Landstrichs, den der herrlichste deutsche Strom durchfliesst und haben Gelegenheit gehabt, ihre Biederkeit kennen zu lernen. Als Naturforscher ist ihnen der Reichthum an Formen aus allen Naturreichen, welchen die hiesige Ge- gend bietet, theils schon bekannt gewesen, theils ist er Ihnen bekennt geworden, und gewiss hätte sich die Naturforschung, selbst wenn sie sich nur mit der Erforschung der Produkte der Erdober- lläche begnügte, hier ein günstiges Plätzchen erwählt. Aber auch der Boden, auf dem die herrlichen Reben gedeihen und die schönen Formen des Thierreichs wohnen, ist reich an Stoff zur Forschung und verbirgt eine ganze Schöpfung in sich, die in sehr vielfacher Hinsicht von der jetzigen abweicht. Erlauben Sie mir, dass ich vor Ihnen kurz ein Bild dieser untergegangenen Organisation entwerfe, welche von der unseren zwar relativ nicht sehr entfernt liegt, aber doch durch einen Zeitraum von vielleicht Jahrhundertiausenden getrennt ist. — Ich weiss wohl, dass in dieser, durch die ausgezeich- netsten Männer Deutschlands gezierten Versammlung, sich Kräfte finden, welche dieser Aufgabe besser gewachsen wären, als ich. Aber ich weiss auch, dass gerade diese am ersten Nachsicht schenken, Ich spreche also hier weniger für die unter Ihnen, deren specieller Beruf oder Lieblingsfach es ist, sich der Untersuchung der früheren Erdenbewohner zu unterziehen, als vielmehr für die, welche ne- ben der Cultivirung anderer Zweige der Naturwissenschaft doch noch Interesse für jene haben. Sie alle wissen, dass unserer jetzigen Erdgeschichtsepoche eine ganze Anzahl anderer voraus- gegangen ist, innerhalb welcher sich das Thier- und Pflanzenreich in allmähliger Entwicklung auszubilden begann, und zwar von der niedersten Stufe bis zu der höchsten, welche es jetzt erreicht 7* 52 hat, emporhob. Man kann diese Zeiträume füglich in drei grosse Gruppen vereinigen, die man dem Namen der primären, secundären und tertiären belegt. An letztere schliesst sich dann als vierte, die Jetztwelt. Die erste umfasst den Zeitraum, welcher noch keine organisirten Wesen besass, während die zweite solche zuerst hervorbrachte und zu einer Vollendung emporhob, welche in ihrem Total- charakter noch ganz von dem der jetzigen abweicht, der erst in der Tertiärzeit sich auszubilden begann. In der zweiten oder secundären Epoche haben wir als kürzere Zeiträume die der Grau- wacke-, Steinkohlen-, Zechstein-, Trias-, Jura- und Kreidebildung zu unterscheiden. Es gehört nicht zu meiner Aufgabe, Ihnen ein Bild unserer Rheingegend in allen diesen Zeiträumen zu entwer- fen. Erlauben Sie mir nur zu.sagen, dass in der Juraepoche ein grosses Meer fast ganz Europa bedeckte, dass dieses Meer bevölkert war von einer grossen Anzahl riffebauender Korallen, und einer ungeheuren Menge derjenigen Weichthiere, welche man als Kopffüsser, Schnecken und Muscheln un- terscheidet. Neben ihnen lebten sehr verschieden gestaltete Fisch- und Eidechsenarten, deren Bau von dem unserer jetzigen sehr abweicht und als höchste Stufe der Wirbelthiere finden wir Spuren der niedersten Säugethiere. Am Ende dieser Periode müssen grosse Erhebungen und Senkungen des Bo- dens stattgefunden haben, wie sie noch heut’ zu Tage beobachtet werden. Denn in der Kreidezeit finden wir zwar im Allgemeinen noch denselben Charakter der Thier- und Pflanzenformen, aber die Vertheilung des Wassers ist nun eine ganz andere geworden. Statt der grossen zusammenhängenden Oceane finden wir nun Binnenmeere, die von den frühern abgetrennt sind und dieses zeigt sich noch vie] auffallender in der Tertiärzeit. — Ein solcher von dem früheren Jurameere abgeirennter Arm war auch die Gegend, welche zwischen Basel und Bingen der Rhein durchströmt, und die in der geo- logischen Welt den Namen des Mainzer- oder mittelrheinischen Tertiärbeckens führt. Gerade hier in unserer Gegend war diess Binnenmeer am breitesten, indem es sich vom Donnersberg bis in den Vo- selsberg erstreckte. Ein Busen reichte sogar bis in die Nähe von Marburg. Anfangs noch mit Salz- wasser gefüllt, beherbergte es eine grosse Anzahl von Thieren, deren lebende Verwandte fast sämmtlich ‘dem Meere angehören. In der Gegend von Lörrach, Alzei, Geisenheim und an. einigen Punkten der Wetterau finden wir noch gegenwärtig die. Reste dieser Geschöpfe. Es sind meist Schnecken und Muscheln, von denen von Weinheim bei Alzei mehr als 200 verschiedene Arten durch Alex. Braun bekannt geworden sind. Ausserdem sind die Zähne einiger Hai- und anderer Fischarten sehr häufig, seltener die Ueberreste einer Schildkröte und eines grossen Meersäugethieres, der Halianassa Collinii, welche einige Achnlichkeit mit dem jetzt in dem indischen Meere lebenden Dugong hatte. Landbewohner sind sehr selten und ausser dem Anthracotherium hat man bis jetzt fast noch kein einziges Landthier in diesen Schichten gefunden. Was nun die Beschaffenheit dieser letzteren selbst betrifft, so sind es meistens Sand und sandige Mergel, selten und zwar über dem Sande stellt sich eine plastische Thonbildung ein, die an manchen Stellen Lager und kleine Nester von Braunkohlen und bituminösem Holze führt. Die Pflanzen, von welchen dieses herrührt, konnten jedoch bis jetzt noch nicht genauer bestimmt werden. — Während des Absatzes dieser Schichten hatte das Wasser des See’s noch keinen besondern Ab- fluss,. denn das Rheinthal von Bingen abwärts war noch nicht vorhanden. An den niedersten Stellen floss das Wasser über das jetzige Rheingebirge und grub sich allmählig ein tieferes Bett. Da jenes auf der Nordseite steil abfällt, so muss dort ein Wasserfall gewesen sein, der im Laufe des langen Zeitraumes das Gebirge in ähnlicher Weise durchnagte, wie dies noch heut zu Tage der Lorenzostrom 53 am Niagarafall (hut. — Neckar, Main, Nahe und vielleicht noch andere Flüsse führten damals schoir ihre süssen Gewässer dem See zu, und so konnte es nicht fehlen, dass bei dem gleichzeitigen Ab- fluss des salzigen Wassers allmählig eine Umwandlung des letzteren zu halbsalzigem, halbsüssem hervorgebracht werden musste. In solchem Brackwasser konnten aber natürlich die seitherigen Meer- geschöpfe nicht mehr existiren, daher starben sie aus und eine Fauna trat an ihre Stelle, wie wir jetzt ähnliche an den Mündungen grosser Ströme oder in den Etangs Südfrankreichs sehen. Zugleich werden die Ablagerungen kalkig. — Eine locale Erscheinung zwischen diesen beiden Perioden ist eine Süsswasserbildung bei Hochheim. Dort ist nämlich ein eigenthümlicher, dichter, mit Kieselkalk- knollen angefüllter Kalk, welcher nur Land- und Süsswasserkonchylien enthält. Vielleicht dürfte er das Produkt von sehr kalkhaltigen Quellen sein, welche dort zu Tage traten. In den Schichten der Brackwasserbildung finden wir eine ziemliche Anzahl von Mollusken, meist Schnecken. Wenn jedoch in den tieferen Schichten noch einige Muscheln vorhanden sind, so ver- schwinden diese doch nach oben immer mehr, so dass zuletzt nur noch drei Arten übrig bleiben: Tichogonia Brardii, Mytilus Faujasii und Cyrena Faujasii; aber diese drei sind in ausserordentlicher Menge vorhanden. Die beiden letzten bilden sogar eigene Schichten, welche sich an vielen Orten des Beckens nachweisen lassen. Noch interessanter als die Conchylien sind die Wirbelthierüberreste, welche aus dieser, wegen der ausserordentlichen Häufigkeit einer kleinen Schnecke, der Litorinella acuta, Litorinellenkalk genannten Abtheilung, durch das Verdienst von Deutschlands grösstem Kenner der fossilen Wirbelthiere, H. v. Meyer, bekannt wurden. Sie wurden grösstentheils bei Weissenau, "/s Stunde von Mainz, bei Gelegenheit des Eisenbahnbaues zu Tage gefördert. Leider ist es jetzt nicht mehr möglich, diese Sachen dort zu erhalten, indem die Fundstelle dort nicht mehr zugänglich ist. Eine sehr ausgezeichnete Sammlung derselben befindet sich in dem Mainzer Museum. Merkwür- dig ist die Armuth an Fischen, wovon man bis jetzt nur wenige Arten gefunden hat, darunter die Perca moguntina. Reichlicher sind die Amphibien und Reptilien vertreten. Vielleicht 24 Froschar- ten und eine Anzahl von Salamandern lebten an den Ufern des früheren See’s, zu denen noch eine Menge von Eidechsen und Schlangen kommt. Von letzteren will man sogar bei Offenbach, wo eben- falls diese Bildung entwickelt ist, versteinerte Eier gefunden haben. Auch Crocodile waren hier einheimisch, wie die grosse Menge von Zähnen und anderen Körperüberresten beweist, die bei Weis- senau vorkam. Doch erreichte das grösste dieser Crocodile erst die Hälfte der Grösse des jetzt im Nil lebenden. Schildkrötenüberbleibsel finden sich ziemlich oft und an verschiedenen Orten. Auch die befiederten Sänger des Waldes liessen damals schon ihren harmonischen Gesang in den tebüschen der Ufer ertönen, der freilich noch kein menschliches Ohr erfreute. Herr v. Meyer hat bei Weissenau etwa 24 verschiedene Vogelarten erkannt. Darunter befinden sich raben- und sperlings- artige, sowie Schnepfe, Feldhuhn und Storch, also lauter Formen, die noch jetzt, aber in anderen Arten bei uns gefunden werden. Eine interessante Entdeckung wurde ebenfalls bei Weissenau ge- macht, indem man daselbst zwei versteinerte Vogeleier fand, die auf einen Vogel von der Grösse eines Wasserhuhns und eines Goldammers schliessen lassen. Leider entriss uns das Ausland diese Kostbarkeit, sie schmücken das brittische Museum zu London. Bei den Säugethieren fehlten hier natürlich die Ueberreste der Halianassa Collinii. Dagegen kommt nun eine grosse Menge Landsäugethiere, namentlich Dickhäuter, Wiederkäuer, Fleischfresser und eine ganze Anzahl kleiner Nager zum Vorschein, die vorher ganz fehlten. Unter den Dickhäu- 54 tern sind mehrere Rhinocerosarten, deren Zähne bei Weissenau und mehreren andern Orten gefunden werden. Sie sind gewöhnlich sehr schön erhalten und schliessen sich den Typen der lebenden, ein- hörnigen an. Auch ein Tapir und mehrere schweinsartige Thiere haben ihre Knochen hier zurück- gelassen. Besonders häufig und von grossem Interrese sind die Zähne und Knochen eines kleinen Diekhäuters von der Grösse eines Kaninchens, des Microtherium. Unter den Wiederkäuern sind mehrere Hirscharten ohne Geweihe, Palzomeryx, wovon man, 4 Arten von Weissenau, Wiesbaden und Mombach kennt. Fleischfresser verrathen sich ebenfalls durch ihre Ueberreste. Namentlich’ sind es mehrere wieselartige Thiere. Insektenfresser kennt man eine ganze Reihe, wie Mäuse, Maulwurf, Igel. Diese Aufzählung der hauptsächlichsten Thierarten wird genügen, um der hochgeehrten Ver- sammlung ein allgemeines Bild von dem thierischen Leben. der damaligen Zeit in unserer Gegend zu geben. Sie werden aber dabei die Insekten und Gliederthiere, welche in der Jetztzeit durch ihre Menge die Fluren und Wälder beleben, vermissen. Man kennt auch in der That erst ganz wenige. Einige Gehäuse von Phryganeenlarven, eine Libelle und Spuren von Käfern aus den Gattungen Opatrum und Amara sind alles, was bis jetzt hier gefunden worden ist, während doch andere Tertiärgebilde so reich an diesen -Thierklassen sind. Vielleicht ist hier den späteren Forschern noch ein Fund auf- bewahrt. — Die Anwesenheit der erossen Dickhäuter, welche eben wärmere Gegenden bewohnen, zeigt uns an, dass das Klima damals noch höher gewesen sein muss, als das jetzige. Ich erwähnte schen vorhin, dass aller Wahrscheinlichkeit nach das Rheinthal unterhalb Bingen durch das abflies- sende Wasser des Tertiärsee’s ausgegraben worden ist. In diesem Zeitraum nun muss der Abfluss schon sehr stark gewesen sein, denn wir finden nun die höchsten Stellen des Beckens von Wasser entblösst. Die jetzige Wetterau war am Ende dieser Periode trocken gelegt, und es entstand bald auf dem schlammigen, fetten Boden eine üppige Vegetation, welche das Material zu den Braunkohlen- lagerstätten lieferte, die jetzt jener holzarmen Gegend von so grossem Nutzen sind. Es sind meistens Nadelhölzer, Ahorn, Birken, Weiden und merkwürdiger Weise auch Reben. Im ganzen eine Vege- tation, welche sich in ihrem Totalhabitus der nordamerikanischen nähert, während die Thiere, na- mentlich die Conchylien, mehr den Mittelmeertypus an- sich tragen. Während des ganzen Zeitraumes, den ich Ihnen soeben zu schildern versuchte, fanden um den Rand des See’s vulkanische Ausbrüche statt. Eine lange Zeit andauernde Thätigkeit schob die enor- men Basaltmassen des Vogelsberges zu Tage. Zu gleicher Zeit waren mehrere Ausbrüche in dem Taunus, zumal hier ganz in der Nähe und am Rochusberg bei Bingen und auch der Odenwald mag manchmal erzittert sein, als die feurige Masse der Basalte von Heppenheim, Auerbach, Darmstadt und andere seine granitischen Massen durchbrachen. Diese Thätigkeit dauert den nun folgenden Zeit- raum hindurch fort, namentlich in etwas grösserer Entfernung am Siebengebirg und; in der Eifel und als schwache Nachwirkung derselben dürfen die Erdbeben betrachtet werden, welche noch jetzt bis- weilen unsere Gegend heimsuchen. Vielleicht datiren selbst die Quellen „yon Wiesbaden, Ems und andere daher ihre Enstehung,. a ; ; Da wir schon oben sahen, dass das reine Meereswasser allmählig zu Brackwasser umgewandelt worden war, so werden Sie Sich auch nicht wundern, dass dieses allmählig ganz versüsst wurde, und zuletzt nur noch ein Süsswassersee übrig blieb. Die Geschöpfe, welche im, Brackwasser gelebt hatten, starben nun auch aus und wir. finden in den: Ablagerungen der letzteren Periode keine der 55 früheren Mollusken mehr. Dagegen erhalten sich noch die Landbewohner, wie Palzomeryx und Rhinoceros eine Zeit lang. — Die Ausdehnung des See’s ist nun aber bedeutend kleiner gewor- den. Er beschränkt sich fast gänzlich auf die grosse Ebene zu beiden Seiten des Rheinstroms, in wel- cher die Städte Mannheim, Worms, Darmstadt und Frankfurt liegen, und einzelne Arme greifen als Buchten in das früher gebildete, nun aber trocken gelegte Land auf dem westlichen Ufer. Eine solche Bucht erstreckte sich von Worms aus gegen Nordosten bis dahin, wo jetzt die Dörfer Eppels- heim, Dintesheim und Hangenweisheim liegen. Wie sich überhaupt in den Buchten eine grössere Menge Sand, Gerölle und der dem Meere zugeführten Körper absetzt, als in dem offenen Ocean, so war es auch hier im Kleinen. Diese Eppelsheimer Bucht ist ausgefüllt mit mehreren Schichten von sröberem Gerölle und Sand. Zur Gewinnung des letzteren sind schon seit langer Zeit in der Umgebung der genannten Dörfer offene Sandgruben angelegt. Aus diesen kannte man Knochen schon seit langer Zeit. Den Herrn von Klipstein und Kaup war es indessen vorbehalten, hier zum erstenmale systematisch zu sammeln. Ihre Bemühungen wurden mit dem slänzendsten Erfolge gekrönt. Denn 36 neue Säugethierarten waren der Lohn ihrer Arbeit. Sie bilden jetzt den Hauptschmuck des Mu- seums zu Darmstadt, Erlauben Sie mir, Ihnen nur wenige derselben hier anzuführen. Vor allen ist das Riesenthier oder Dinotherium zu erwähnen. Man hatt& schon mehrmals einzelne Körpertheile dieses Thieres gefunden, bis es Herrn von Klipstein gelang, den ganz wohl erhaltenen Schädel zu entdecken. Dieser hat 3‘, Fuss in die Länge, 2 Fuss 1 Zoll in die Breite. Das Thier hatte in jedem Ober- und Unterkiefer 5 Backzähne mit ausgezeiehneten Querhügeln. Schneide- und Eckzähne waren im Oberkiefer nicht vorhanden. Dagegen ragten aus dem Unterkiefer zwei grosse hakenför- mig nach unten gekrümmte Stosszähne hervor, deren Masse nicht die Struktur des Elfenbeins, son- dern nur concentrische Faserung zeigt. Sie haben mit Recht Aufsehen erregt, da kein Thier der Jetztwelt etwas ähnliches zeigt. Die Nasenlöcher sind gross und die Nasenbeine fehlen. Der Mangel der letzteren lässt, wie bei dem Elephanten auf einen grossen Rüssel schliessen. Die Ansichten, ob das Dinotherium ein Land- oder Seethier gewesen, sind lange verschieden gewesen. Jetzt neigt man sich immer mehr der Ansicht Kaup’s zu, der es sogleich für ein Landthier erklärte. Seine Grösse war enorm, denn es erreichte mindestens 20 Fuss. Man kennt jetzt seine Reste aus fast allen Welt- theilen und hat mehrere Arten unterschieden. So ein Dinotherium indicum, vom Fuss des Himalaya, dem unseren an Grösse fast gleichkommend. Ein zweites wichtiges Rüsselthier war das Mastodon. Sein Geschlecht ist, wie das des Dino- therium aus der Reihe der jetzt lebenden Säugethiere verschwunden. Es gleicht in vieler Beziehung unsern jetzigen Elephanten. Den Zähnen nach zu urtheilen, nährte es sich meist von Sumpfpflanzen etwa wie das jetzige Nilpferd. Ein drittes, bei Eppelsheim vorkommendes Dickhäutergeschlecht, war das der Rhinocerosse, wo- von man mehrere Arten dort kennt. Ferner kommen mehrere Schweine nebst einem Tapir dort vor. — Interessant sind ferner die katzenartigen Raubthiere, deren Reste bei Eppelsheim begraben liegen. Es sind ihrer drei: Felis aphanista, an Grösse dem jetzigen Löwen entsprechend, F. ogygia, dem Gepard an Grösse gleich, und F. antediluviana von der Grösse des letzteren, aber schlanker an Gestalt. Auch ein Vielfrass, Gulo diaphorus, dessen Verwandte sich jetzt ganz nach Norden gezogen haben, hauste zur damaligen Zeit in den Uferwäldern und stellte wie der nordische Vielfrass der Jetztwelt dem Rennthier, dem ausgestorbenen Verwandten des letzteren, dem Cervus Guettardi nach. 56 Von Hirschen gab es überhaupt sieben verschiedene Arten. — Auch das Pferd weidete in den üppigen Prärien des jetzigen Deutschlands in grossen Heerden', wie tausende bei Eppelsheim gefundene Zähne beweisen. Unter den kleineren Thieren sind besonders mehrere Nager, welche Eppelsheim geliefert hat, wie Ziesel, Hamster und mehrere mäuseartige Thiere. Sie sehen aus diesen wenigen Andeutungen dass die Thierwelt von damals der zur Zeit des Brackwassersee’s noch ähnlicher war, als der der heutigen. Diese erscheint auch erst, nachdem jene fast gänzlich ausgerottet war und zwar scheint ihr Untergang durch eine plötzliche Fluth veranlasst worden zu sein. Was der Grund dieser letzteren gewesen, darüber sind die Meinungen getheilt und es ist nicht meine Absicht, hier darauf einzugehen. Meine Arbeit ist vollendet. Sie haben hoffentlich aus dem Gesagten entnommen, dass auch die Untersuchung des rheinischen Bodens grosses Interesse hat. Tausende von römischen Kriegern liegen auf diesen Ebenen begraben und aus den Steinen, welche ihre Kameraden über ihren Aschenkrügen errichteten, suchen die Alter- thumsforscher Lücken in der Geschichte der Völker auszufüllen, der Niebelungen Lied gibt noch heute vaterländischen Dichtern Stoff zu ihren Gesängen. Burgunder und Hunnen haben hier ihr An- denken zurückgelassen und die erste Cultur der deutschen Volksstämme ging von hier aus. Wenn nun alle diese Thatsachen das Interesse eines jeden Gebildeten mächtig in Anspruch nehnien, so durfte ich wohl voraussetzen, dass auch eine kurze Notitz über die vor Jahrhunderttausenden hier lebenden Wesen Ihnen nicht ganz unangenehm sein dürfte. 3. Professor Zenneck von Stuttgart spricht über das Bedürfniss einer systematischen Einthei- lung der Naturwissenschaften und die darin noch fehlenden Fächer. Ehmals, wo die Naturkunde kaum ihr mystisches Gewand abzulegen begann und kaum einige griechische Denker alles aus 3 bis 4 Elementen zu. erklären versucht hatten und selbst spä- ter, wo die ganze Naturwissenschaft immer noch nur in kurzer Beschreibung von einigen gebrauch- ten Mineralien, Pflanzen und Thieren, und in einer sehr oberflächlichen Art von Physik und Astro- nomie bestund, war kein Bedürfniss vorhanden, diese jetzt so ausgedehnte ünd tief gehende Wissenschaft in grössere und kleinere Fächer zu theilen. Erst als im Laufe mehrerer Jahrhun- derte die Erde und der Himmel über ihr von verschiedenen Gegenden aus genauer durchforscht, die Beobachtungen und Experimente immer mehr angehäuft und von der Metallurgie, dem Ackerbau und der Viehzucht, der Thierheilkunde und Mediein, den schönen und mechanischen Künsten und den ver- schiedenen Gewerben, welche alle auf Benutzung der Naturprodukte beruhen, tiefere Kenntnisse der Natur gefordert wurden, erst dann trat das Bedürfniss ein, das Gebiet der reinen Naturwissenschaft in gewisse Fächer abzutheilen und so bildeten sich nach und nach, so zu sagen von selbst die Na- men von Naturphilosophie, von Mineralogie und Krystallographie, Botanik und Pflanzenphysiologie, Zoologie, von Mechanik, Physik und Chemie, von Anatomie, Physiologie, von physikalischer Erdkunde, Geognosie, Geologie, Meteorologie, Astronomie und Naturökonomie. Diese Fächer und ihre Namen sind seitdem noch jetzt überall geltend, ungeachtet die Wissenschaft in neuerer Zeit bekanntlich sehr grosse Fortschritte gemacht und selbst Manches von diesen Fächern, wie z. B. die Zoologie in meh- tere untergeordnete Fächer zerfallen musste; sie sind noch geltend, ungeachtet man bei manchem naturwissenschaftlichen Gegenstand oft nicht weiss, oder wenigstens streitet, zu welchen Fächern er zu rechnen sei, wie z. B. die Lehre von den äusseren sinnlichen Erscheinungen, (ob sie zur Physik oder 57 Physiologie gehören), ja selbst bei manchem angenommenen Fach in Verlegenheit kommt, eine bestimmte Definition, wie z. B. von der Physiologie zu geben; sie sind immer noch jetzt geltend, ungeachtet manche Fächer theils, wie z. B. die physikalische Gegraphie und die Geognosie, in einander überge- hen, theils Gegenstände enthalten, welche eigene neue Fächer bilden sollten, und eben desswegen, weil sie wegen ihrer Verborgenheit von den alten Fächern noch sehr wenig beachtet werden, ‘auch keine Fortschritte machen. Dieses ganze noch jetzt angenommene Fachwerk der reinen Naturwissen- schaft kann daher, wie mir scheint, nicht mehr genügen und sollte durch eine ganz andere Clas- sification aller naturwissenschaftlichen Theile ersetzt werden. Eine solche hier auseinander zu setzen und gleichsam die ganze Karte dieses Gebietes mit allen ihren grösseren und kleinern Län- dereien und Theilen vorzulegen, ist nun nicht meine Absicht; um aber wenigstens auf einige Gegen- den, welche auf diesem Gebiete kaum oder gar nicht angebaut werden, d. h. auf die noch fehlen- den Fächer der neuen /empirischen Naturwissenschaft aufmerksam machen zu können, erlaube ich mir nur die Grundzüge von meiner Eintheilung der reinen empiri- schen Naturwissenschaft kurz anzugeben, und dabei die Gründe anzuführen, worauf sich die Eintheilung stützt. I. Eintheilung der rein empirischen Naturkunde. 1) Alle unsere Kenntnisse von der Natur bestehen ursprünglich aus Nichts anderem, als aus äusseren Eindrücken, äusseren Sinneserscheinungen; das Kind und der uncultivirte Mensch hal- ten sogar Alles anfangs für lauter Erscheinungen oder Wirkungen ihres Ichs und sie kommen nur nach und nach zum Bewusstsein von äusseren Körpern und von einem Unterschied zwischen diesen selbst und ihren Wirkungen auf die Sinne. Der erste Gegenstand der reinen empirischen Natur- wissenschaft betrifft also die Sinneserscheinungen, und dieser erste Theil kann Erscheinungs- kunde (Phaenomenognosie) heissen. Sobald aber diese Unterscheidung von äusseren Körpern und ihren Wirkungen eingetreten ist, so findet der beobachtende Mensch bald, dass unter diesen äusseren Körpern die meisten für sich unbeweglich, wenig veränderlich und von seinem eigenen Körper sehr verschieden, kurz: leblos sind und dass diese leblosen Körper beständig auf ihn, sowie auf andere einzelne ihm ähnliche Körper (Pflanzen und Thiere) einwirken, ja! sogar die Fortdauer seines Lebens, sowie die Existenz dieser andern Körper, vermöge der Gleichheit ihrer Elementarstoffe bedingen. Diese leblosen (oder, wie man sie jetzt heisst, unorganischen) Körper bilden also den nächsten zweiten Gegen- stand der Naturwissenschaft und die bereits davon handelnden Lehren der Mineralogie, Mechanik, Physik und Chemie gehören zu ihrem II. Theil unter dem Namen Stoffkunde (Hylognosie). Von den belebten (oder organischen) Körpern, welche sich der Beobachtung darbieten, sind nun die Pflanzen nicht nur wegen ihrer Fixität leichter zu beobachten, als die Thiere, sondern auch, insofern sie den meisten Thieren, wie dem Menschen selbst unmittelbar zur Nahrung dienen, ist ihre Kenntniss die Grundlage von der Kenntniss der Natur der letzte. Ihre Lehren: die Bo- tanik, Pflanzenchemie und Pflanzenphysiologie gehen daher als II. Theil als Pflanzenkunde (Phy- tognosie) dem IV. Theil der Thierkunde (Zoognosie), welche die Zoologie, Zoochemie und Zoo- physiologie begreift, voran. Der menschliche Körper, so wichtig auch seine Kenntniss ist, und so frühzeitig er auch wenigstens nach seinen äusseren Verhältnissen, beobachtet wurde, so fordert doch für die tiefere 8 58 Eihisicht in seine Natur die vorher genannten Theile der Naturwissenschaft und seine Lehren, wozu "die Anatomie, "Physiologie und Anthropozoologie gehören, sind daher erst in dem V. Theil als Kunde vom menschlichen Körper (Antropognosie) zusammen zu fassen. Dass der Boden, auf dem sich der Mensch mit den Thieren bewegt, ein abgeschlosssenes, frei "im Weltraum schwebendes Ganze — den Erdball bildet, wissen wir erst, seitdem sich sein Ge- schlecht überall hin verbreitet und seine Beohächtilüßtn bis zu andern Weltkörpern ausgedehnt “hat; die physische Geographie, die sogenannte Geognosie und Geologie, die Meteorologie und die "Lehren von einer allgemeinen Naturökonomie sind daher neuere naturwissenschaftliche Zweige, de- nen man den Namen Erdkunde (Geognosie im weiteren Sinne) als dem VI. Theil der Naturkunde beilegen kann. Und, wenn die Gestirne auch schon seit den ältesten Zeiten em Hauptgegenstand der Nätur- beobachtung waren, so liefert diese doch erst in neueren Zeiten seit der grossen Vervollkommnüng der nöthigen Hülfsmittel und seit der Entdeckung der wichtigsten Gesetze die richtige Weltan- 'schauung und, was bisher Astronomie hiess, möchte jetzt als Tetzter VI. Theil richtiger Stern- kunde (Astrognosie) heissen. Die gesammte rein theoretisch-empirische Naturkunde zerfällt daher nach ihren 7 Knie, du. ’ständen meiner Ansicht nach in 7 Theile, I. Erscheinungs-, II. Stoff-, IN. Pflanzen-, IV. Thier-, V. Menschen -, VI. Erd-, VII. Sternkunde. 2) Nun sollte ein jeder von diesen 7 Theilen uns über die Natur, wie sie früher war, sich ‘jetzt zeigt und künftig auftreten wird, belehren; allein dieses ist kaum bei dem VI. Theil (der Erdkunde) vermöge der organischen Denkmäler der Vorzeit in der Erde und der noch sehr unsichern metebrolögischen Vorausbestimmungen der Fall, und die Geschichte der Weltenbildung, welche bei dem VII. Theil (der Sternkunde) aufgestellt wird, ist im Grunde doch noch nicht mehr als eine schöne Hypothese. Bei aller weitern Eintheilung der naturwissenschaftlichen Haupttheile in ihre Fächer kann man sich daher für I.. V. und VIl. wegen unserer Unwissenheit in dieser Hinsicht nur "An den gegenwärtigen Zustand der Natur halten, hier aber bei allen sieben Hauptgegenständen "fragen: was ist dieser oder jener Gegenstand an sich und in Vergleichung mit andern, und ist er ein wirklicher Körper, oder nur eine Wirkung von Körpern? — wie erklärt er sich mit allen sei- ‘nen Wirkungen? — und was für Zweckverhältnisse können bei ihm stattfinden? — und die “Naturwissenschaft hat auch bereits bei allen ihren sieben Theilen die Antworten auf viele Punkte von diesen dreierlei Hauptfragen geliefert. Ein jeder von ihren Theilen zerfällt daher in 3 Hauptfächer: . A. ein beschreibendes (oder naturhistorisches, graphisches) als Antwort auf die Ite Frage. B. ein erklärendes (physikalisches, dynamisches), als Antwort auf die 2te Frage, C. ein betrachtendes (oder teleologisches, scopisches), als Antwort auf die 3te Ka so dass z. B. der VI. Theil (die Thierkunde, Zoognosie) aus: 1) einer Beschreibung der verschiedenen Thiere nach einer gewissen Ordnung (Zoographie); 2) einer Erklärung ihrer Lebenserscheinungen, (Zoodynamik); 3) einer Betrachtung der Zweckverhältnisse ihrer Organisation (Zooscopie) besteht. 3) Von diesen drei Hauptfächern sollte nun das Beschreibende bei jedem der sieben Theile zwei untergeordnete Fächer enthalten, wovon das eine angäbe, wie der zu beschreibende Ge- genstand unmittelbar den Sinnen erscheint, und was für Täuschungen, die überall häufig 59 sind, bei ihm vorkommen, das andere Fach aber, wie er vermöüge näherer Untersuchung wirklich beschaffen ist; allein dieses Unterscheidungsprineip ist nur bei dem YIL Theil, ‚wo, die Sternbe- schreibung allein die Raumsverhältnisse betrifft, anwendbar und wird auch schon längst angewandt, das beschreibende Hauptfach der sechs andern Theile muss daher nach andern. Rück- sichten und zwar das des I, Theils nach der Sinnenzahl, das des II. und VI. zunächst nach den, drei Hauptformen , Gas- liquide und starre Formen, der Körper und das der III., IV. und V. Theile nach der Bestimmungsweise ihrer Gruppirungen in untergeordnete Fächer zerfällt werden. So lässt sich auch das erklärende, Hauptfach der Theile nur bei dem 1I., IU., IV., V. und Vi. Theil nach den theils allgemeineren, mechanischen, physikalischen (im. weitern Sinn) und chemischen Kräften, theils nach den organischen Kräften, welche zur Erklärung zu dienen haben, in seine untergeordneten Fächer trennen, dasselbe Fach des I. Theils hingegen nach den bei der Erklärung der Sinneserscheinungen geistig thätigen Kräften und das Hauptfach des VII. Theils, wo von keinen organischen Kräften die Rede sein kann, nur in die untergeordneten Fächer der Mechanik und der Physik der Gestirne theilen. Das dritte (betrachtende Fach) kann, da die von uns bei den Naturgegenständen angestellten Betrachtungen sich entweder blos auf die yon der Natur selbst bezeichneten Zwecke, oder auf den Nutzen des einen wissenschaftlichen Theils für andere Theile, oder auf das Leben des Menschen und seine Kultur beziehen können, in dreierlei untergeordnete Fächer getrennt werden, von denen aber das der Naturzwecke auf der sichersten Grundlage beruht. I. Aufführung der fehlenden besondern Lehrfächer. Geht man nun die von mir angenommenen sieben Haupttheile (Gegenstandsfächer) mit ihren drei Haupt (oder Begriffs-) Fächern durch, so findet sich, dass manche Fächer der reinen empirischen Naturwissenschaft als besondere und wie die andern als für sich bestehende Fächer noch fehlen. Denn es fehlt der I. Theil — die Erscheinungslehre (Phänomenognosie) oder ‘die Lehre von den äusseren sinnlichen Erscheinungen :— nach allen ihren Beschreibungs-, Erklärungs- und Betrachtungsfächern, als ein mit der Naturgeschichte, Physik, Chemie und andern in einer Linie stehender besonderer Theil. 1) Manches davon wird zwar in physikalischen, naturhistorischen und physiologischen Schriften beschrieben, nirgends aber wird angegeben, dass alle Unterscheidung von bloser Erscheinung und Körper von dem Gefühlsinn ausgehe, noch dass in diesen ‚Sinn fünf scharf bestimmtere Gattungen von Wahrnehmungen fallen, nämlich die der Temperatur, der Cohärenz (Zusammen- hang des 6leichartigen), der Adhärenz (Anziehung des Ungleichartigen), der Inhärenz, (Be- schaffenheit der Oberfläche nach ihren Verhältnissen von Glätte, Zärte etc.) und die der Electriei- tät, noch dass die dreierlei Hauptformen der Körper (die gasige, liquide und starre), auf deren Scheidung ‚alle chemische Darstellung berubt, nur verschiedene Begränzungsstufen sind, auf welche sich die Körper nach ihrer verschiedenen Natur mehr oder weniger leicht stellen können und die unmittelbar nur durch den Gefühlsinn als Cohärenz und Raumsinn wahrnehmbar werden. Für die Gehörserscheinungen fehlt es allerdings nicht an 'besondern akustischen Lehr- büchern , aber die verschiedenen Töne gelten darin imner noch als wirkliche Arten, während sie doch nur Scheinarten sind, ihre Harmonie wird immer noch einer psychischen Rechenkunst 8* 60 der Oscillationsgeschwindigkeiten zugeschrieben und über die Natur der Klänge und ihre Harmonie wird keine Auskunft gegeben. Die Fragen über die Geruchs- und Geschmackserscheinungen, ihre Classification, ihre Unterscheidungs- und Gebrauchsweise, ihre Gesetze und ihr Wesen werden von dem Physiker und Chemiker, wie wenn sie nicht vor ihr Forum gehörten, an den Physiologen gewiesen und wie beant- wortet er die Fragen? — Er tischt einige Geruchs- und Geschmacksarten bei der Erklä- rung ihrer Organe auf, aber in weitere Erklärungen lässt er sich nicht ein. Nicht so steht es mit den Gesichtserscheinungen, da diese in den optischen Schriften nach allen Seiten beschrieben und erklärt werden, doch finden sich auch noch in ihnen manche Ansichten, die, wie z. B. über das Sehen der Diekedimension, über das Aufrechtstehen, über die Farbenharmonie und selbst über die Natur des Lichts theils entschieden falsch sind, theils noch sehr bestritten werden können. 2) Ob und wie die fünferlei Sinneserscheinungen unter sich zusammenhängen, was ihre gegenseitige Bedeutung sei und welcher Rang einer jeden gebührt, ist bis jetzt kaum von Seiten der Naturphilosophen (dynamischer und atomistischer) zur Sprache gekommen; und wenn sie auch den Gefühlsinn dabei eine Hauptrolle spielen liessen, auf das Wärmegefühl das Licht, auf die Cohärenz den Schall und auf die Electrieität den Geruch bezogen, so war das, abgesehen von der Unvollständigkeit dieser Beziehungen, nur eine Vermuthung, die sich auf keine empirische Gesetze stützte, wie Solche jetzt nachzuweisen sind. 3) Dass die äussern Sinne den Verkehr des Geistes mit der äussern Sinnenwelt bezwecken, ist eine längst ausgemachte Sache ; warum aber statt fünf nicht blos ein einziger, etwa ein blos feinerer Gefühlsinn gegeben ist und in wiefern diese und jene andern Sinne diese und jene Funktionen des- selben zu vervollständigen haben, wird selbst in sogenannten teleologischen Schriften nicht, wie es sein sollte, ausgeführt. Es ist also auch von dieser Seite her die Sinnenlehre noch ziemlich mangelhaft, ungeachtet auf ihr doch alle naturhistorischen Terminologieen und Erklärungen beruhen ; wenn aber diess, wie es nicht unwahrscheinlich ist, von dem zerstreuten Zustand ihrer Sätze herkommt, so dürfte ihre Erhebung zu einem eigenen selbstständigen Fach, Phänomenognosie genannt, nicht unnöthig er- scheinen. II. Das Gleiche möchte nun auch bei dem II. Haupttheil der Naturwissenschaft (der Hylognosie) von einigen ihrer Fächer gelten. Wenigstens besteht ihr beschreibendes Fach (die Hylographie) nur in einer Darstellung der meistens starren unorganischen Naturprodukte (der Mineralien), während es doch ausser ihnen noch eine solche Menge von gasartigen Körpern und so viele von organischen Körpern abstammende leblose Stoffe, z. B. organische Säuren, Aethyloxyde, Xyloide, Cyanide, Proteinoide, Alkaloide ete., giebt, dass beide gleichfalls, wie die Mineralien, je zu einem Ganzen verbunden und klassifieirt sein sollten, damit auch sie, wie diese, bei ihrer grossen Anzahl dem Verständniss, dem Gedächtniss und ihren industriellen sowie ihren pharmac. med. An- wendungen näher gebracht würden. Allerdings finden sich beide Parthieen von leblosen Stoffen in den physikalisch-chemischen Schriften beschrieben und ihre Zahl vermehrt sich alljährlich, aber diess gilt auch von den Mineralien, und doch giebt es schon lange her eine Mineralographie als 61 eigenes Fach, warum sollten also eine Pneumatographie und eine Organogenegraphie als besondere Fächer überflüssig sein ? Die Physik, die sich als ein Theil der erklärenden Hylognosie immer mehr von ihren beiden Schwestern, der Mechanik (im weitern Sinn) und der Chemie mit Recht als besonderes Fach abtrennt , handelt jetzt oft in besonderen Fächern von der Wärme, dem Magnetismus und der Electrieität, von dem Schall und von dem Licht, aber überhaupt nie von den Gerüchen, noch von den Geschmäcken und noch viel weniger in besonderen Schriften ; denn Cloquet’s Osphresiologie ist wohl eine anatomisch-medieinische Abhandlung, aber keine Physik der Gerüche und die sogenann- ten gastronomischen Schriften sind nur hochtrabende Kochbücher ; es fehlt also in der Physik noch an einer Osphretik (Geruchserklärung) und an einer Geustik (Geschmackserklärung) als untergeord- nete Fächer. Was aber nicht sowohl der Physik, als vielmehr dem dritten Hauptfach der Hyglognosie, dieser Lehre von den leblosen Körpern noch gänzlich mangelt, das ist die Betrachtung der Zweck- verhältnisse dieser Naturkörper. Kant hat sie zwar (in seiner Critik der Urtheilskraft) aus der Naturwissenschaft verwiesen, weil nur diejenigen Körper, deren Existenz auf dem Begriff von Zweck- verhältnissen beruhe , wie es bei den organischen Körpern allein der Fall sei, als Naturzwecke be- trachtet werden könnten; allein so gewiss eine Organisation nicht ohne Zweckverhältnisse ihrer Theile zum Ganzen gedacht werden kann, so gewiss ist es auch, dass sie zu ihrer Existenz der ausser ihr vorkommenden leblosen Körper bedarf, dass die Beschaffenheit von diesen auf ihr Be- dürfniss berechnet sein muss und dass also auch bei den unorganischen Körpern, wie bei den orga- nischen wenigstens in Bezug auf diese die Rede sein kann. Fehlt es daher auch noch, vielleicht wegen der Kant’schen Ansicht, an diesem Fach in der Naturwissenschaft, oder wird diese Natur- seite kaum nur in einigen theologischen Schriften (freilich etwas anthropomorphisch) betrachtet, so sollte dieselbe doch vermöge des angegebenen Grundes vom Naturforscher als besonderes Fach (als Hyloscopie) bearbeitet werden. Bei dem III. Theil (Phytognosie), dem IV. (Zoognosie) und V. (Anthropognosie) fehlt kein unter- geordnetes Fach ihres ersten Hauptfachs (des beschreibenden), noch ihr drittes Hauptfach (das be- trachtende, die Scopie), indem dieses Fach wenigstens einen Theil der Physiologie ausmacht, aber bei ihrem zweiten Hauptfach (der Dynamik) ist eines seiner untergeordneten Fächer — die Erklä- rung der mechanisch-physikalischen Lebenserscheinungen — (Mechanicophysik) bei allen diesen drei Theilen wo nicht oft ganz fehlend, doch wenigstens mehr oder weniger unvoll- kommen gegeben und nirgends als besonderes Fach vorkommend, während die Chemie (Chymik) und die Erklärung der organischen Processe (Organik) überall als eigene Fächer auftreten und selbst der thierische Instinkt und die psychische Seite bei den Erscheinungen der menschlichen Organisation in besondern Schriften abgehandelt werden. Bei dem VI. Theil (der Geognosie im weiteren Sinne — Erdkunde) ist zwar a. das Fach von dem vergangenen Erdzustand (Geogenetik) an der sogenannten Geognosie und Geologie gegeben, und ebenso ist auch 6. das Fach von dem jetzigen Erdzustand (Geothetik) mit seinen untergeordneten Fächern: 1) der Beschreibung (als Geographie in weiterem Sinne), 62 2) der Erklärung des Zusammenhangs der verschiedenen Erderscheinungen (als Geody- namik) und selbst mit 3) der Betrachtung der Naturzwecke auf der Erde (Geoscopie), wenigstens als Lehre von dem Naturhaushalt im allgemeinen gegeben; aber bei dem beschreibenden Fach fehlen noch als eigene Unterfächer die allgemeinen (d. h. über die gesammte Erdfläche sich verbreitenden) Topographieen der Gebirgsarten , der ein- fachen Mineralien, und die der verschiedenen Luftzustände in allen verschiedenen Erdgegen- den, auch ist das erklärende Fach (geodynamische) unter den Lehren der Physik und physikalischen Geographie zu suchen und so zerstreut, dass es diesem Gegenstand sehr an dem allgemeinen Zusammenhange fehlt; c. endlich wird zwar hier und da von der künftigen Witterung eine Vorausbestimmung gegeben, diese ist aber wohl nur ein versuchtes Bruchstück, aber kein ganzes Fach von dem ganzen künftigen (als Geoprognostik) Erdzustand. ! Bei dem VI. letzten Theil (Astrognosie), der mit seiner Methode, vom Schein zur Wirklichkeit überzugehen ‚der gesammten Naturwissenschaft, die überhaupt den Schein zu zernichten hat, zu musterhaftem Vorbilde dient, könnten, wie bei dem vorherigen Theil (Geognosie im weitern Sinn), gleichfalls ähnliche Fächer aufgestellt werden, aber ausser den allgemeinen Fächern der Astrographie (welche der jetzigen sphärischen und zum Theil der physischen Astronomie entspricht) und der Astrodynamik (welche die jetzige theoretische Astronomie und einen Theil der physischen enthält) noch andere Fächer festsetzen zu wollen, dürfte bei dem Missyerhältniss der ihnen zum Grund liegenden Ideen zu den Kräften des menschlichen Geistes ein zu vermessener Vorschlag sein. Wenn aber bei den sechs vorhergehenden Theilen der reinen empirischen Naturwissenschaft kein solches Missverhältniss stattfindet und wenn von ihnen, mehreren Bemerkungen zufolge , der I. Theil (Phänomenognosie) noch ganz als besonderes Fach fehlt, bei dem II. Theil (Hylognosie) die Fächer von den Gasarten und organischen Stoffen (Pneumato- und Organogenegraphie), sowie das yon den Zweckverhältnissen unorganischer Körper (Hyloscopie), bei dem IIl., IV. und V. Theil (Phyto- Zoo- und Anthropognosieen) die Fächer der mechanisch-physikalischen Erklärungen, und bei dem VI. Theil (Geognosie im weitern Sinne) die allgemeineren Topographieen der unorganischen und organischen Körper und das Fäch von der Naturökonomie (Geoscopie) theils fehlen, theils noch so unvollkommen gegeben sind, so möge der Naturforscher wenigstens auf sie seine Blicke wenden und auch diese Gegenden seines ausgedehnten wissenschaftlichen Gebietes mit eben der Umsicht und Beharrlichkeit anbauen , mit der es überhaupt und besonders auch von so vielen verdienstvollen Männern dieser Versammlung bearbeitet wird. 4. Präsident Nees von Esenbeck sprach hierauf über den Kampf des Staates gegen die Epidemie, woran er eine Danksagung an die Versammlung Namens der Leopoldinisch-Carolinischen Akademie für die im Schoose der Versammlung stattgefundene Entscheidung ihrer Lebensfrage knüpfte. Der Staat will die Wohlfahrt aller seiner Bürger dadurch gründen helfen, dass er Jeden ohne Unterschied gegen das, was ihn daran hindert, verwahrt und ihn so in den Stand setzt, sein Heil auf Erden selbst zu suchen, wie’s Jedem ziemt. e Schutz also gegen die Hindernisse der Wohlfahrt aller Staatsbürger ist der Zweck des civilisirten Staats. Gewährt er diesen, so geschieht das Weitere von selbst. 63 Der Staat schützt, so sagt man, zuvörderst seine Provinzen und deren Bewohner im Besondern “durch die Polizei, im Allgemeinen durch’s‘Heer. Bleiben 'wir bei diesem Letzteren stehen, so können unsere grössern ‚Staaten mit stolzer Zuver- sicht 'auf ihre 'Heere zeigen, 'und auf’ihre wachsamen Diplomaten, und auf ihre Grenzwachen und Festungen aller Art: und sprechen : „seid ruhig und freuet Euch des Lebens, meine Bürger! Ihr sollt friedlich und glücklich Euer 'Brod verzehren. wenn Ihr’s habt und Eure Felder bauen, wenn Ihr ‘Felder habt, und Euern 'guten Herren ‘dienen, ‘wenn Ihr eine ‘Herrschaft oder gar eine gute habt. ‘Ein Feind soll’s nur ‘versuchen, Euch ‘daran zu hindern, Eure Felder abzufouragiren oder Euch Euer Brod zu vertheuern oder gar aufzufressen; — diese da schützen Euch mit ihrem Leben.“ Das Volk ‘der Staatsbewohner, das die Sache populär ansieht, ‘wird diese Rede mit Vergnügen hören, aber doch ein wenig kopfschütteln und sprechen: „.das soll Alles sein? Brod und Dienst- herrschaft und die Ochsen ‚die den Acker bauen, sind des Lebens höchstes “ut noch nicht.“ „Das Leben selbst steht‘ doch höher, als alle jene ‘Güter, und wär’ es selbst des Menschen ‘höchstes Gut auch nicht. ‘Aber wer-mir an’s Leben kommt, der thut mir doch weher, als wer mir’s ‘Brod verkümmert, "denn daran ist man ohnehin schon auf dieser sündigen Welt gewöhnt; der Feind 'aber ‚der als Heeresmacht in’s Land rücken kann, ist so eivilisirt, wie unser Landesheer und bringt noch Geld in’ Umlauf und lässt uns sogar oft sein Kommisbrod mitgeniessen.‘ „Wenn aber Gefahren anrücken, die unser Leben schuld- und rettungslos bedrohen, die den -Vater neben’ der Mutter mit allen’ seinen Kindlein kalt und teuflisch würgen, die nicht wie Dragoner vierschrötig auftreten, sondern wie Geister in den Lüften schweben und aus dem Boden kriechen ? ‘Hat der‘ Staat auch da seine Spione weit über ‘die "Grenzen, ‘seine Wächter und Festen auf der Grenze und sein schlagfertiges Heer sieggewohnt dicht an der Grenze ?“* „Dafür-habe ich meine Aerzte‘, spricht der Staat und gebietet Schweigen. Doch des, Volkes Stimme hat noch einen Einwand und kann ihn. nicht unterdrücken : „‚Warum 'hat'der Staat, der sich so gut auf’s Organisiren versteht, das Heer seiner ‘Aerzte so schlecht. orga- nisirt und führt in einer solchen unmündigen Weise den Krieg gegen eine Seuche, die Tausende "hinweggerafft, ehe der Dirigent des Gesundheitswesens nur ‚eine ‘Silbe von ihrem Dasein weiss, ohne ‘dass man weiss, wo dieser Dirigent sei, und ohne dass Aerzte da seien, um zu helfen, Apotheken und Apotheker, schöne geräumige luftige transportable Lazarethe, Wärter und treffliche Krankenkost, “und Alles, wie’s nur ein Fürst haben könnte? ‘Wer eine Armee so schlecht in’s Feld führte, wie “ler ’Obergeneral des Gesundheitswesens die seine. der ‘würde eine schmachvolle Niederlage über die "Andere erleiden.‘ Es wird dem Volk Stille geboten und seine Unwissenheit ihm eingeschärft. „Die Aerzte, die Alles wissen und studirt haben, die in diesem Stück die wahren und einzigen Berather des Staats "sind und sein müssen, sind weit entfernt, zu Extravaganzen zu rathen, die doch zu nichts helfen. Gegen die rechten Epidemien, wobei etwas schlechthin Ungreifbares mitwirkt, und: womit sich nie ein Arzt abgeben wird, weil'er mehr zu thun hat, hilft gar nichts; man muss- nur dem: Volk nicht Angst machen, sich selbst im Stillen helfen, so gut’s geht, — die Reichen mit gutem Rath präserviren und übrigens Gott vertrauen und geduldig abwarten.“ So die Aerzte? ‘Und wer will dem Staate seine schlechte Taktik, seine Anarchie in diesem Stück noch länger zum Vorwurf machen, wenn seine Räthe von Beruf und Fach ihn also berathen ? 64 Das Volk hört’s! Es ist stets gerecht und verstummt bei der Frage. Sein Schmerzruf dringt noch einmal zum Himmel, sein „Weh“ über die Aerzte des neunzehnten Jahrhunderts mit seinen Eisenbahnen, Dampfgewalten, seiner Herrschaft über Magnetismus, Electricität, Wind und Wetter! Wird wohl das Jahrhundert stumm bleiben! Nein! Es hat etwas zu.antworten und will ant- worten. Seine Rede beginnt mit harten Worten. Ihr Trägen am Geiste, Ihr Reichen, die ihr den Werth .des Menschenlebens nach Geldsummen abmesst und überall sprecht: es kostet zu viel! Ihr, denen das Himmelreich ewig verschlossen bleibt, — Ihr habt nicht das Wort, wo ich spreche — Ich das neunzehnte Jahrhundert in meinen besten Jahren. Hat der Staat einmal erklärt, dass er auf diesem Schlachtgebiete für das Wohl der Bürger unbeholfen geblieben, weil er von den Aerzten schlecht berathen sei, so müssen wir ihm freilich zuerst die Unterrichtsanstalten vorrücken, die er leitet und so in Zucht zu halten weiss, dass es der Wissenschaft ganz unmöglich wird, lebendig und praktisch zu werden. Das Jahrhundert selbst wird ihm zu Gemüthe führen, dass er, statt Jeden, der von ideellen Aufgaben des Lebens spricht, aufzumuntern, zu deren Realisirung die Bahn zu brechen und mit offenen Augen jeden Lichtblick in das Gebiet des Fortschritts, wo er sich zeigt, aufzufassen und den geeigneten Gliedern des Volks zur Nachachtung und Wiederverfolgung zu empfehlen, — wie Jedermann, der seinen Vortheil kennt und sucht, zu thun pflegt, — vielmehr am Prineip einer Stabilität haftet, Jeden, der auf sittliche oder materielle Fortbildung dringt oder gar Ideen zu ver- folgen antreibt, mit der Zwangsjacke bedroht, und als verzückten Enthusiasten von sich weist. Wer als Arzt wohl fahren will, wird sich das merken und seinem Gewerbe um des Lohnes willen schweigend nachgehen. k Wir wollen um der Aerzte willen, die jetzt leben, gern glauben, dass es so sei, weil sie ja doch während ihrer Studien mit der Wissenschaft in Berührung kamen. j Was aber dem Staat einigermassen zur Entschuldigung dient, kann dem Arzt jetzt nicht in gleichem Maasse zu Gute kommen. Man muss ihm Folgendes vorhalten, was er wissen muss, und ihn dabei erinnern, dass er nur um seiner Wissenschaftlichkeit willen geehrt sei und der Wissenschaft mehr dienen müsse, als einer Staatsgewalt. Das achtzehnte Jahrhundert hat bei seinem Abschlusse dem neunzehnten eine Offenbarung hin- terlassen für die Ewigkeit, mit welcher eine ganz neue Denkweise beginnt, nämlich die ideale und schaffende, statt dass bis dahin dem europäischen Menschengeschlecht nur die empirisch- rationale gegeben war. Das ideale Denken schafft sich das Gebiet seiner Bekenntniss und seines lebendigen Wirkens und geht den empirischen Bedingungen des wahrhaft menschlichen Daseins voraus. Das empi- risch-rationale Denken erhält das ganze Gebiet seines menschlichen Inhalts und Wirkens als ein erfahrungsmässiges Geschenk der Weltschöpfung, von welchem es sich als schlechthin ab- hängig betrachtet. Dieses letztere Denken beherrschte bisher die Wissenschaft und durch die Universitäten und Schulen die Welt. Es huldigt ausschliesslich der sogenannten Erfahrung und — schmäht die Ideen als unpraktisch und als Hirngespinnste, 65 Das schärfste Beispiel dieses grellen Gegensatzes gibt uns die heutige Schulmediein, die an diesem Widerspruch mit den Ideen der Vernunft zu Grunde geht. Sie mag schmähen, wie sie will, — immer streckt sie dabei die Hand unwillkürlich nach der Idee aus, während sie sich hochmüthig von ihr abzuwenden sucht. Wenn man fragt, was Erfahrung sei, so verweist sie uns auf die Natur, die ja Jeder vor sich habe, und sehen, hören u. s. w. könne und müsse. „Die Aerzte“, heisst es, „beobachten eben die Natur als den Gesammtgegenstand der Erfahrung, und was ihnen diese Beobachtung gezeigt hat, das wissen sie gewiss, was sie ihnen aber nicht oder noch nicht gezeigt hat, das wissen sie nicht oder noch nicht. Will man von ihnen die Wege der Wahrheit erfahren, so müssen sie als solche die Sinne nennen‘, und fügen weiter hinzu: „und die Folgerungen aus diesen Beobachtungen, — mit deren Wahrheit und Falschheit es sich gerade so verhält, wie mit der Wahrheit oder Falschheit der sinnlichen Beobachtung, welche in letzter und höchster Stelle die Grundlage aller empirischen ärztlichen Wahrheit ist und bleibt.“ Da nun die Erfahrung auf Einzelheiten der Natur zurück. und wieder von diesen ausgehen muss, so bliebe die Hauptfrage die: womit soll die Erfahrung anfangen und womit aufhören ? Wo aber diese Frage verlautet, da weist der gewöhnliche empirische Arzt sie als eine Schwin- delei ab; die Welt, als das Unendlichvielfache müsse man nehmen, wie sie sich gebe, — sie gebe sich ohne Gesetz des Gebens, und so müsse man eben ihre Gaben auch nehmen, genau betrachten und, wenn’s angehe, mit Dank gegen den Schöpfer gebrauchen. In’s Innere der Natur aber dringe kein erschaffner Geist, und Alles lasse sich nicht erfahren. r Dazu schüttelt die neue Denkweise den Kopf; die alte aber verhöhnt sie dabei und schmäht sie. Führen wir sie einmal zusammen auf einem Gebiete, wo die Mediein recht eigentlich zu Hause sein soll, auf dem der Epidemien, und zwar der Kürze wegen, nur unter einigen wenigen Formen derselben. Als die Blattern in Europa auftraten, was thaten die Aerzte? Sie nahmen das Ungethüm an und fürchteten sich schier nach seinem Ursprunge zu fragen. Sie studirten die Wirkungen des Blattergifts, die Symptome und den Verlauf der Ansteckung u. s. w. bis zum Tod oder zur Genesung, nach den pathologischen Erscheinungen, die sie begleiteten. Die Frage: Woher und wie entstand solches Miasma in der Menschheit? Kann man ‘es durch äussere Schirmmittel abwehren? Kann man ihm ein Präservativ im Leben entgegensetzen, das Ding, das man Blattergift nennt, neu- tralisiren? Wo sitzt eigentlich in der Welt ausser uns das Miasma, wenn’s da ist? In der Luft? Wie ist’s darin? Die Chemie, die Kenntniss des Luftkreises und der ganzen elastisch-flüssigen Welt lag noch, wie man sagt, in der Kindheit. Man konnte auf solche Fragen nur antworten: „Das kann Niemand wissen! Man konnte nur zusehen, die Kranken pflegen. Man lernte endlich die Krankheit durch Impfung rechtzeitig der Pflege übergeben, um die Zahl der Unempfänglichen vermindern zu helfen. Endlich kam Jenner und erleichterte dieses Un- empfänglichmachen, indem er es wohlfeiler und gefahrloser machte, zugleich aber auf ein wei- teres Gebiet hinaus in ein allgemeineres versetzte. Hätte Einer früher Sanitätsmassregeln im Grossen gefordert, so hätte der Staat geantwortet: „ich habe kein Geld und wer solche ungeheure Summen von uns fordert, der muss andere Gründe vorbringen.“ Auf Jenner’s Wink musste jeder Bürger bei Strafe seinen Impfschein haben. 9 66 Jenner war der Gipfelpunkt der Blatterschutzwehr. Er zeigte auf die Tiefe der epidemischen Macht hin, — auf den Widerstand durch Unempfänglichmachung. Den andern Widerstand, den Angriffskampf gegen die erkannten Schwächen des Miasma und die Anwendung seiner natürlichen Feinde in Luft, Wasser und dem Thier und Menschen selbst zu seiner Vernichtung, durft man nicht einmal denken, es lag noch allzufern. *) Der Weg zur lb aber war empirisch betreten; sie wussten’s nur nicht. Jetzt sind sie sogar wieder in der Impfung in der strengen Beobachtung ihrer Methode, der Sicherungskennzeichen und deren sorgfältiger Prüfung, faul geworden; die Impfscheine schützen nicht mehr, weil sie falsch und oft gewissenlos sind, — man schiebt’s aber der Krankheit und den Schutzpocken in die Schuhe, weil die Kuhpockenlimpfe faul geworden sei. „Man müsse sich eben nicht fürchten; die wiederkehrenden natürlichen Pocken seien noch lange nicht so gefährlich als die Cholera, die man auch vor allen Dingen nur nicht fürchten müsse.“ Wir sind hierbei allmählig um ein Gutes älter geworden und schreiben 1852. Die Cholera rückt wieder an. Ihre Natur ist epidemisch. Sie ergreift ohne Widerstand; sie tödtet mit reissender Schnelle. Wir fragen die empirische Heilkunde nach der Natur und Heilmethode der Cholera. Die Aerzte haben schon manche Epidemie an sich vorüber gehen lassen. Aber sie sind noch ganz ohne wirkliche heilkünstlerische Ansicht dieser Krankheit. Sie spielen mit Theorien und charlatanisiren mit Mitteln, oft seltsamer Art und von widersprechendem Charakter. Die Aerzte können keinen Cholerakranken im eigentlichen Sinne heilen und haben noch keinen geheilt, so wenig, als sie die natürlichen Pocken geheilt. Cholera und Pocken thun das Ihrige und der Arzt thut das Seinige, das heisst: er sieht zu und lässt je nach dem Verlauf Dieses oder Jenes thun. Aber Heilen, d. h. sich dem schädlich Wirksamen thätlich widersetzen, eine sogenannte Ansteckung, oder wie man’s nennen will, geradezu aufheben, das kann er nicht. Ein Beispiel für viele! Bei der letzten Cholera-Epidemie in Kalisch machten tüchtige Aerzte, die während dieser Zeit über 500 Kranke zu verfügen hatten, methodisch und absichtlich parallelle Beobachtungen mit den berühmtesten Mitteln und Methoden, welche uns die bisherige Therapie empfiehlt. Sie verfuhren strenge, denn es war ihnen um Wahrheit zu thun. Das Resultat war: Bei jedem der berühmten Mittel und dessen erprobtester Anwendung starben gleichviele Kranke, nämlich die Hälfte. Aber auch ganz ohne Arzneien, übrigens unter völlig gleichem Regim in Nahrung , Getränke, Temperatur u. s. w. behandelt, starben von gleichheftig Erkrankten ebensoviele, nämlich die Hälfte. Die Nachrichten vom Verlauf dieser Krankheit in Polen und im Grossherzogthum Posen gaben im Mittel dasselbe Verhältniss. „Das weist auf ein höheres Gesetz hin, welches die Empfänglichkeit, den Verlauf und den Aus- gang dieser Krankheit beherrscht“, sagte mein Freund, als er mir dieses mittheilte. Andere Aerzte, die sich nicht gern in Choleradistrikte begeben, aber sonst unter den Augen des Staats vielen Muth zeigen, sprechen: „Nur nicht fürchren, nicht bange machen! das ist Alles *) Für die Augen der nackten Empirie nämlich; denn eigentlich war mit der Entdeckung der Kuhpocken bereits ein, den Menschenblattern fremdes äusseres Agens, ein Medieament, von der Kuh genommen, als Schutz- mittel herbeigezogen. 67 nicht so schlimm. Die Cholera ist nicht ansteckend; man lebe, esse, trinke wie’s beliebt, nur fürchte man sich nicht und denke stets: die Aerzte, wenn man sie findet, werden gleich bereit sein, das Ihrige zu thun.“* ‚ Das ist die empirische Wahrheit über die Cholera. So weit haben sie unsere Lehrstühle und unsere Praxis gefördert. Die Schule fügt hinzu: ‚‚Mehr kann man nicht wissen und noch weniger thun. Hier lasse man die Hydroiatrie und die Homöopathie quaksalbern !“* Aber der Vernunftgedanke demonstrirt: so ist's, aber so soll es nicht sein oder bleiben. Die Zeit muss ihre Mittel betrachten, ihren Naturfortschritt als Maasstab anlegen und fragen: ‚‚was ist da herauszubringen? was zu thun ?* Und der Staat muss sprechen: „Ich sorge zunächst zwar wieder für der Geister Heil und Frommen und darf da die Millionen nicht sparen.‘ „Dann aber sorge ich auch pflichtmässig für das Leben und Gesundbleiben Aller im Reich, und spare da die Millionen auch nicht.‘ ‚Nun kommt erst mein Kriegsheer an die Reihe, und käme ein Krieg, so wird auch nicht gespart werden.‘ „Für die Kunst endlich wird die reine Demokratie sorgen.‘ „Und so wird’s uns wohlgehen und wir werden lange leben auf Erden. Amen!‘ „Nun aber sage Du auch, Du Idealist, was Du weist, dass wir sehen, ob wir’s vollbringen.“ Der Vernunftgeist aber spricht: So geschwind gehts bei Euch freilich noch nicht. Ich will aber Fragen thun an alle Welt, und der Staat soll sprechen: ‚‚wer’s trifft, der sollhaben.‘“ Und dann will ich sagen, wo ich ein Glöcklein habe läuten hören, und der Staat soll dort Glocken giessen lassen, die mit Zungen reden können. Ich will die Geschichte, die Geographie und die Ethnographie der Länder zu Rathe ziehen lassen, um den Ausgangspunkt des wandernden Uebels zu erfahren und der Staat soll fleissige und kundige Missionsärzte dorthin auf Kundschaft schicken, und die sollen Nachrichten ausspioniren und in Verbindung bringen. Der Electromagnetismus soll die Luft erforschen und die Physiker sollen Prämien erhalten. Vor Allen aber sollen die Aerzte tüchtig belohnt wer- den, denn ein Arbeiter ist seines Lohnes werth, aber sie sollen auch wohl exereirt werden und der General im Medieinal-Collegium des Reichs soll sie kommandiren zum Fortschritt, wär’s auch vor der Hand nur zur Noth und zur Nothhülfe. Die Epidemien sind empirisch unbegriffen, weil das Allgemeine, das ihnen zum Grunde liegt, nur aus seinem Grunde, d. h. philosophisch aus der Naturidee begriffen werden kann. Wer dieser Idee voll und mächtig ist, ist allein im Stande, die empirischen Momente, in welchen sich Ideen der Naturereignisse zu. erkennen geben, zu erfassen, das höhere Verständniss, das in ihnen liegt, zu ahnen und in rechter Weise zum Bewusstsein zu führen, ohne die gemeine Furcht, in leere Hirngespinnste zu verfallen. Die Hirngespinnste sind für ihn noch weniger als Spinnen- gewebe. Aus der Erfahrung der medicinischen Praxis in Epidemien leitete sich, obwohl in einem sanz anderen, stofflichen Gegensatze, eine Idee ab, die wir schon oben berührten, nämlich die der Vor- beugung durch Aufhebung der Empfänglichkeit für die epidemische Einwirkung. Dieses ist das erste Moment, — der passive Widerstand. 9* 65 Mit wachsender Erkenntniss der Natur des rein epidemisch-kontagiös-miasmatisch- u. s. w. Ein- wirkenden geht endlich der aktive, auf jene Einwirkung selbst gerichtete Widerstand hervor. Wenn nun das rein Epidemisch-Einwirkende nothwendig ein Allgemeines sein und sich als solches auf seinem Gebiete ankündigen muss, so versteht es sich von selbst, dass nur der Unverstand darauf verfallen könnte. unmittelbar in Bezug auf dieses die Aufhebung des Einflusses zu bezwecken. Das ist aber die Basis, auf welcher allein unsere Aerzte die idealen Ansprüche an die Bekämpfung der Epidemien gründen, und so vorschnell das Ganze verlachen. Fassen wir als Beispiel ein richtiges Moment aus dem Gebiete der ursprünglich reinen, d.h. tellurischen Epidemieen. Fast in allen Choleraepidemieen haben die Physiker eine starke Abnahme der Ziehkraft des Magneten in den von der Cholera befallenen Distrikten bemerkt: ein Magnet in Kalisch z. B., der normal 5 Pfd. trug, {rug in diesen neuesten Choleratagen nicht einen Schrank- schlüssel. Wir erinnern dabei an Pohls frühere Beobachtungen in Breslau u. a. Die Mediein nahm’s als Curiosum, ohne praktischen Werth. Für sie, wie sie ist, -— Allerdings. Darum fiel auch niemand ein, die Staaten ernstlich anzugehen, dass sie neben den verdienst- lichen Anstalten zur vergleichenden Beobachtung des Erdmagnetes, Beobachtungslinien zur Bestimmung seiner Schwankungen in Bezug auf den Gang der Epidemien überhaupt und der Cholera insbesondere gründen und diese Aufgabe als eine Staatsaufgabe betrachten möchten. Das mitleidige Lächeln der Aerzte bei einem solchen Gedanken sagte zu deutlich, dass sich der Staat um solche unpraktische Einfälle nicht zu bekümmern brauche, die nur Geld kosten würden. Es steht aber mit einem magnetischen Schwanken das electrische in engster Verbindung und jedes von beiden ist nur der Widerschein des Andern; die Wechselausgleichung der möglichen Unterschiede beider aber durch den Chemismus wird offenbar in der Differenz aller irdischen Stoffe und aller organischen Körper der Erde, welche die magneto-elektrischen Prozesse der Erde als ihren Lebensprozess stetig darstellen, und in diesen alle Körper der Erde je nach ihrer Art und Ausgleichungsbestrebung einerseits, und der Qualität (magneto-electrischen Differenz) aller Körper, als Reiz-Arznei-Nahrungsmittel u. s. w. andererseits verschiedentlich verweben.*) Der Mensch aber kann die ganze Geschichte der Lebensschwankungen der Erde im Ganzen, wie im Einzelnen, zum Bewusstsein bringen. Wir haben also im menschlichen Lebensprozess zwei einander entgegengesetzte materialisirbare trössen vor uns, die sich verhalten wie + — M: + — E., und auf die sich alle Einwirkungen der Erde in all ihr Lebendiges reduciren lassen müssen. Sollte sich das nicht der Beobachtung unterwerfen lassen? Und sollte die Erweiterung und richtige Auffassung dieser Beobachtungen nicht die speculative Auffassung der Epidemien praktisch berühren, auch ohne noch von der Empirie spekulaiiv verstanden zu sein ? Wenn nun aber einem Arzte noch weiter an der Hand der idealen Betrachtung das Verständniss der Epidemien zugänglich geworden wäre, und er den Muth gefasst hätte, vom Staate um jeden *) Wir dürfen nicht unterlassen, au dieser Stelle auf ein Werk aufmerksam zu machen, das eben erschienen und uns erst in diesem Augenblick zu Gesichte gekommen ist, nämlich: „die wissenschaftliche Grundlage der Mediein von Fülleborn. Berlin bei Heymann, 1852. Dieses Werk führt nämlich, von direet entgegen- gesetzten Bestimmungen der prineipiellen Prämissen ausgehend, dennoch gerade auf dieselbe Idee. Man ver- gleiche daselbst S. 13 und $. 232. 69 Preis den ersten Feldzug gegen die Cholera z. B. zu fordern, würde er nicht dann seinen lächelnden Collegen aus der alten Welt deutlich zu machen suchen müssen: dass eine Empirie doch eigentlich auch hier vorhanden, aber freilich von anderer Art sei, — nicht zerstreut und von Gott verlassen, wie die alte, sondern social und heilig und in Gottes Namen gemeinnützig ? Denn wenn alle Verhältnisse der Körperwelt unter sich und mit der lebendigen Menschheit auf ihrem Grundverhältnisse beruhen. so müssen, wo dieses sich ändert, der Natur dieser Verän- derung gemäss, sich auch alle Materien in sich. alle organischen Wesen überhaupt und namentlich alle Menschen in ihrer Natur, und alle Organe des Menschen in ihrer Reactionsweise nach Aussen ändern. k Diese Aenderungen sind Gegenstand der Beobachtung, -— die man nicht mit der Erklärung verwechseln darf. Sie sind zu erkennen, aber nicht sogleich zu begreifen. Man muss im Entstehen und vor dem Entstehen der Epidemie ganz einfach. aber eifrig beobach- ten: 1) ob und welche leichte und leicht zu übersehende Veränderungen in dem Befinden, der &e- nussfähigkeit u. s. w. der Menschen überhaupt. und der Empfindlicheren insbesondere. — der „Vorempfinder“, — vorgehen. Der Arzt, der Staat, müssen diese Vorfühler hegen und pflegen. Man muss nicht schelten und spotten,. wenn Einer sagt: „‚mir fliesst das Wasser im Munde zusam- men, und ich muss spucken ein halb Jahr vorher, ehe die Cholera kommt.“ Man muss im Gegen- theil die Berichte der electromagnetischen Linie aufschlagen und vergleichen: Man muss, wenn Leute nach sonst beliebten und unschädlichen Speisen, (Fischen, Rüben. Salat,) oder den bekannten Gegensätzen in Speisen und Getränken, (z. B. Kaflee und Milch, rothem oder weissem Wein u. dergl.) öfter unwohl werden. nicht sagen: „ihr werdet Euch überfressen habe‘, sondern sie bitten , sich zu beobachten. Man muss expresso nach Hahnemanns Vorgang mit den Lebensmitteln, Getränken und Arzneistoffen in geeigneter Weise experimentiren, und besonders das Gegensätzliche, das sich gerade in dieser epidemisirten Zeit herausstellt, wohl in’s Auge fassen. Dann wird man bald einen tieferen Blick in die Art der Umwandlung des Lebens, welche sich herausstellt, thun und sagen können: welche Speisen, welche Getränke, welches Verhalten über- haupt unter der herrschenden Naturconstellation dem gleichzeitig mit und durch dieselbe local gegen- sätzlich umgestimmten Menschenleben gegen die frühere Erfahrung nachtheilig,. oder umgekehrt gut und heilsam geworden seien. Hiebei mag denn der Arzt sein Wissen von dem Gegensätzlichen in der Natur und besonders im Menschenleben hervorsuchen und leuchten lassen. Er ist hier schon auf dem Wege, dem krankmachenden Einfluss den gesundmachenden entgegen- zusetzen, den alten Lebensprozess in allen Organen so umzubeugen, dass er mit dem durch die Constellation veränderten in Harmonie bleibt. d. h. unafficirbar ist und bleibt, bis er wieder in die alte Spur einlenken muss, was sich dadurch kenntlich machen wird. dass die neu eingetretene Lebensweise nicht mehr, wohl aber wieder die frühere zusagen wird. Er kann und muss den Leuten sagen: so müsst ihr essen, trinken, schlafen, euch kleiden etc. Er muss die Antidota in seinem Arzneischatz verstehen und richtig und reichlich anzuwenden wissen; er muss aus der Schnelligkeit ihrer Wirksamkeit, oder dem Nachlassen oder gar Umschlagen dersel- ben, die Schwankungen der Aussenwelt zu beurtheilen wissen. Er wird Homöopath werden, wenn er’s noch nicht war. Er wird der Hydroiatrie Rechnung tragen. Er wird die Polizei umlagern und 70 mit gründlichen speeulativen Beweisen ihr Gewissen, das sie hat, und ihre Sorgen für sich selbst erwecken, dass sie gewisse Speisen und Getränke mit ihrer Gewalt vom Markte verbanne, bis er, der Arzt, der im Geheimniss der Natur steht, den Bann zurücknehme; er wird vom Staat im Namen der Menschheit fordern, dass er die Zufuhr der Heilnahrung und der Zuthat, im Fall sie die nach der Jahreszeit gewöhnliche, wenn diese schädlich geworden, im Preise übertreffen sollte, auf seine Kosten reichlich decke. Er muss endlich laut rufen: .‚es gilt den Feldzug der Humanität gegen den Tod, die Frucht unserer schlechten Civilisation unserer alten, noch herrschenden Rohheit. Der Kranke, der vom Erkranken Bedrohte, ist das Hauptaugenmerk, die Verbannung der Pest aus unserm Lande ist das einzige Ziel des Staats in diesem Augenblick, — sich’re Grenzbewachung gegen die Krankheit, wo sie sich nöthig: zeigen sollte, ohne Rücksicht auf Schaden oder Vortheil des Handels! *) „Lasst die Bedrohten in köstlichen Landlazarethen wohnen, auf bestem Lager ruhen, völlig frei bleiben von Noth, Kummer um die Ihrigen, gut gespeist, getränkt, gekleidet werden, aber Alles unter Aufsicht !* Er wird endlich nicht erschrecken, wenn ihm Vieles misslingt, wenn ein Heer Schwachköpfe lacht und viele Reiche ihn von ihrer Kundschaft ausschliessen, und wenn ihm endlich der Staat das Ohr versagt und der Finanzminister antwortet: er habe kein Geld und für den Anfang sei Alles zu viel und zu marktschreierisch. Seine Antwort muss sein und bleiben: „‚Die Idee fordert immer das Grosse und Ganze, wie Christus forderte, dass der Mensch Gott gleich sei an Vollkommenheit.‘“ Das Maas des Zurückbleibens ist Euere Sache; es wird Zeugniss geben von Euerer Kraft oder Euerer Schwäche, Euerer Einsicht ®der Euerer Beschränktheit, von Euerer Stellung in der Menschheit. Diese wenigen flüchtigen Züge zur Bezeichnung des Gesichtskreises für die Betrachtung der Epidemien muss hier genügen. Auf diesem Boden wird, wenn er einmal urbar geworden, die po- sitive Befreiung des Menschen von der Uebergewalt der Natur eintreten, das gesunde Volksleben weiter wachsen und die Mediein des neuen Zeitalters von der Philosophie wieder als Priesterin in den Tempel zurückgeführt werden, der ihre wahre Heimath ist. Zur Typik der Epidemien im Subject. Als das Subject nehmen wir hier den Menschen nach seiner lebendigen Thierheit, wie sie zwischen den polaren Grundkräften der Erde als organische Individualität sich selbstbildend realisirt. Gesund oder krank ist dieses Subject hienach dem Typus aus einem Gegensatze des Gleichen und seiner unendlichen Gleichung zur Einheit, worin das, was man seine lebendige Existenz oder Wirklichkeit nennt, besteht, unterworfen und dieser Typus wiederholt sich an ihm, wie im Ganzen, so in allen Theilen und allen Theilen der Theile, dem Charakter des Ganzen, wie eines jeden seiner Theile gemäss, in’s Unendliche. Die Grundgegensätze verhalten sich im Erdenleben = Magnetismus, Electrieität und Erdleib, im Animalischen —= Auflösung, Bildung und Thierleib (Menschenleib). Betrachten wir hier nur einen der vielen Lebensgegensätze, — den der serösen oder Schleimhäute, und *) Contagien und Miasmen als Produkte des kranken Körpers entwickeln sich fast bei allen Krankheiten in gewissen Stadien. Man muss sie studiren und zu Versuchen benutzen; denn die meisten Träger von Conta- gien sind antagonistische Heilmittel in Epidemien. 7 zwar diesen Gegensatz nur im Allgemeinen. Das System der Schleimhäute trägt in sich den Gegensatz der Respirations-Schleimhäute, der After-Schleimhäute und der Bauch- oder Nah- rungs-Schleimhäute, und diese drei zusammen stellen wieder den ganzen Leib, seiner concreten Substanz nach , dar. } Die Respirations-Schleimhäute begreifen die Schleimhäute der Nase und des Mundes, der Luftröhre und der Lungen (ebenfalls, gleich den übrigen, im Trinitätstypus), in sich, und entsprechen dem Typus der Eleetricität. Die Afterschleimhäute begleiten den Dickdarm und umfassen das Pfortadersystem ; sie entsprechen dem Magnetismus. Die Bauehschleimhäute stellen sich ganz dar als Gyrencomplex des Dünndarms, welcher sich verhält wie das Gehirn auf seinem Gebiet, und ebenso das Bildungthätige, zwischen Werden und Existenz Schwebende des ganzen Menschenleibes in sich trägt, wie das Eichen das ganze leib- werdende Flüssige eines Thierleibes ist. Setzen wir nun, dass durch eine tellurische, locale, folglich krankhafte, Schwankung der Grund- kräfte der Erde in dem Charakter dieser Systemsphäre eine entsprechende, d. h. gegensätzliche oder umkehrende Schwankung in den drei Polarsystemen der Schleimhäute des menschlichen Körpers, als die aufgeforderte Krankheit geweckt sei. so wird diese zunächst in dem electrischen Gebiete und zwar in dem äusserlichsten Pol desselben, in den Schleimhäuten der Nase erwachen, *) es wird ein Schnupfen mit starker sensibler Reaction (Niesen, wässriger Exeretion mit Schmerz in den Gesichtsknochen und im Rachen, entstehen, welcher seinen tellurischen Ursprung durch die tief- gehende Mitleidenschaft des sensibeln Systems, (Kopfschmerz, Mattigkeit, Andeutung des Nerven- fiebers u. s. w.) verräth und entweder gar nicht auf die Lungen übergeht und dann in dem Gebiete der Brustschleimhäute keine Krisis macht, sondern bald in dem hervortretenden Gegenwirken der After-Schleimhäute, als in einem zweiten Krankheitsstadium , erlischt, — oder, indem er sich. auf ‚die Lungenschleimhäute ausdehnen , gefährliche nervöse Peripneumonien, Lungenschlag, — bei Kindern Croup oder Erstickungszufälle anderer Art, hervorruft. Das Erwachen der Gegenbewegung im Aftersystem ist als normal anzunehmen und. der gute Beobachter wird auch stets die Spur derselben finden. Wie aber die Hauptgegensätze, Nase und After, im raschen Antagonismus stehen, so kann auch der gleichmässig tellurisch bewegte magne- tische Pol, gleichsam wie im schnellsten Verlaufe der ersten Stadiums, das Aftersystem im oben angegebenen Sinne gegensätzlich, d. h. eleetrisch umstimmen, wodurch dieses System der Schleimhäute, — schleimabsondernd mit sensiblem Charakter (Krampf, Schmerz) als Schleimruhr,, in den verschiedensten Maasen der Ausdehnung, des Verlaufs u. s. w. bis zur Leber- affection — ebenso fortschreitet, wie dagegen dieses zweite Stadium, wenn es, nach deutlich sewordenem erstem Stadium hervortritt, als ein kritisches oder antagonistisches Heil- bestreben der Natur jenes erste (katarrhalische) Stadium, als Krankheit für sich betrachtet, zu heben scheint, wohl auch, in gewissem Betracht, wirklich heben hilft. Während. der tellurischen Schwankung harmonisch entgegengerichteter Erhebung im Brust- und *) Wir können hier, wie sich von selbst ergiebt, die einzelnen entsprechenden Momente nur bezeichnen, nicht aber ausführlich nachweisen oder ableiten. 12 Aftersystem, und insbesondere während des Hervortretens des Ruhrtypus, liegt das Bauchsystem in passiver Ruhe, und es muss sich finden, dass der eigentliche Verdauungsprozess seine Aussenseite, den Stuhlgang als Auswerfen des Tellurisch-Fremden, gänzlich oder fast gänzlich aufgibt, wie denn bei solchen Zuständen, gleich den angeführten, auch wenn sie einen ganz verschiedenen Charakter haben, der Stuhlgang immer erst nach der Hebung der selbstischen Afterentleerung, verhärtet oder sonst verkümmert, in einem neuen Stadium zum Vorschein kommt. Bleiben wir aber hier bei dem Einfluss des allgemeinen tellurischen Gegensatzes in seinem Drit- ten, — dem, die flüssige Menschensubstanz bildenden Dünndarme und dessen Schleimhäuten — stehen, so müssen wir erkennen, dass aus dem, seinem Lebensbilden geradezu widersprechenden Prozess seiner polaren Systeme auch in ihm selbst, als dem Centrum des Bildungsprozesses der Men- schensubstanz, zunächst ein Zurücksinken in Indifferenz, dann aber der schnelle Uebergang aus die- ser in das Gegentheil des schaffenden Bildens hervorgehen müsse. Das Wesen des schaffenden Bildens (der Reproduction) bezeichnet sich durch das Hervorireten und sich Gleichbleiben des Leibes als einer stetig — aus sich gebildet — existirenden Masse. Die Umkehrung des Prozesses wird sich demnach in der Vernichtung des substanzschaffenden Prozesses, d.h. in der Per- manenz und Fortbildung der Auflösung oflenbaren. Die nächste Umwandlung des Prozesses ist in diesem Falle nur zu denken als eine umgekehrte Chylification, welche ihr Produkt, die ani- malische Substanz, statt es aus dem Auflösen des Tellurischen (der Nahrung) in sich, als ihr äus- serlich werden, zu fixiren (das ursprünglich Tellurisch-Aeussere als Chylus oder flüssigen Thierleib im Lebenswechsel zum Stehen zu bringen und als das darzustellen, was man den Thierleib nennt), umgekehrt in der Richtung zur Auflösung des gebildeten Leibes in den Auflösungsprozess zum Aeusserlichseienden strebt, also den Widerspruch in sich selbst zu realisiren, das Leben als ein Auflösen seines Bestehens (als unbedingies Selbstauflösen oder Darstellen des Todes aus dem Lebendigen) zu erschaffen bestimmt ist. Man sieht schon aus der hier versuchten Bezeichnung des mit der oben angegebenen Entfaltung des tellurischen Gegensatzes hervorgehenden Prozesses, dass in ihm eigentlich das active Streben selbst in einem organisch-plastischen Organe ausgedrückt ist, und dass ein solches Erkranken des Darmsystems, wie das angeführte, schon in seinem Ursprunge ein Sterben in und aus der Thiersubstanz ergeben müsse, — dass folglich diese dritte Stufe, als Krankheitsstadium betrachtet, vielmehr mit dem Tode beginne und diesen selbst als das Prinzip des Sterbens im Quell der lebendigen Substanz zur Erscheinung bringen müsse. Die Krankheit, welche wir hier auf dem Standpunkte der Epidemie entwickelt haben, würde also im Gebiete der Reproduction dadurch ausgezeichnet sein, dass ihr drittes Stadium schon als Todeskampf begünne, wenn es rein aus dem Ineinandersein der beiden Polarsysteme hervorginge, und dass seine Genesungsfähigkeit sich nur verhalten könne, wie das Maass der eingetretenen Diffe- renz zwischen Brust und Aftersystem dividirt durch 2*) d. h., dass höchstens auf gleiche Theile des Genesens und des Sterbens in solchem Falle zu rechnen sei. Wir haben hiermit aus der reinen Auffassung der Idee in der Epidemie eine Krankheit entwickelt, welche sich unter den gegebenen Bedingungen in ihrer reinen Form, und abgesehen von der unend- lichen Vielseitigkeit der in allen Systemen wie im Ganzen sich immerdar hervorhebenden Wiederho- Fahr ar 73 lungen der gleichen oder ungleichen Gegensätze, darstellen muss. Wir haben dieses Bild entworfen, ohne ein äusseres Vorbild vor Augen gehabt zu haben. Fragen wir nun nach einer diesem Typus sich nähernden Form epidemischer Krankheiten aus der Erfahrung, so finden wir zuvörderst zwar keine nosologische Bestimmung, die eine solche Krank- heit zeichnete, wohl aber finden wir drei Krankheiten verzeichnet, deren jede für sich einem der angedeuteten Stadien mehr oder weniger gleicht, die aber durch die Aerzte nur auf entfernte Weise und nicht als ein Krankheitstypus miteinander in Beziehung gebracht worden sind. Dem Stadium der Brustreaction entspricht diejenige Krankheitsform, die zu manchen Zeiten als ein epidemischer Catarıh oder heftiger Schnupfen mit allgemeiner Verbreitung, plötzlichem An- sriff bei Abwesenheit aller Gelegenheitsursachen, mit heftigem Niesen ete., Angriff aller Schleim- häute der Nase, der Augen u. s. w., mit Fieber, sensibler Schwäche u. s. w. entsteht, bei vielen Menschen sehr lange Zeit Schwäche, Kreuz und Gliederschmerzen zurücklässt, u. s. w. Diese Form des Catarrhs hat sich erst in neuerer Zeit bemerklicher gemacht, man hat sie Anfangs bedeutender Aufmerksamkeit gewürdigt, Influenza auch Grippe genannt. Sie zieht von Ost gen West. Einst wollte man bemerkt haben, dass sie Vorläuferin anderer Krankheiten, z. B. der Cholera, sei. Jetzt nennen die Aerzte sie Schnupfen oder Catarrh schlechtweg. Das hindert uns aber nicht, die Bemerkung beizufügen, dass bei gewissen Formen der Grippe- Epidemien, die allein hierher gehören und sich auch sonst durch eigenthümliche Züge charakterisi- ren, zum Schlusse der sogenannten Krankheit Schleimabsonderungen aus dem After mit Symptomen von Schleimruhr,, auch wohl von Schleimhämorrhoiden eintreten, womit die eigentliche catarrhalische Affeetion sich verliert und häufig auch volle Genesung eintritt. Der Besuch der Bäder heilt hier vor- trefflich, weil er, beiläufig den Aufenthalt änderte. Der unmässige frequente Schnupfen in der Stadt Breslau vom Frühling des Jahres 1852 hatte consequent den Mastdarm-Catarrh der Aerzte im Gefolg und dieser wich nicht nur selbst Tinet. Veratri 3 der Homöopathen, wie man uns erzählt, sondern heilte auch, besonders abwechselnd mit Tinet. rhois toxicodendri, den Schnupfen! Was nun das dritte Stadium anbelangt, so stimmt unsre Beschreibung desselben schon ziemlich mit der sogenannten asiatischen Cholera überein, wie sie die Aerzte liefern. Die eigentliche, genau zu definirende Grippe, die epidemische, ebenfalls näher zu unterschei- dende, meist später erscheinende Schleimruhr und die Cholera sind also, epidemisch betrachtet, eine Krankheit in ihren drei Stadien, und dieses zu wissen, kann dem Arzt und dem Kranken nütz- lich, für die diagnostische Betrachtung fruchtbringend sein, und besonders zeigen, wann und wo man vorbeugend und heilend einzuschreiten hat. n Um die tiefe Uebereinstimmung des dritten Krankheitsstadiums des rein plastischen Systems der Schleimhäute (der eigentlich sogenannten Cholera) mit der in seiner Idee liegenden Bedeutung kenntlicher zu machen, wollen wir an das characteristische Symptom: die tonischen Krämpfe mit zermalmenden Schmerzen erinnern, an welche sich der drückende Brustkrampf reiht, als liege die Wucht des Weltalls auf der Brust des Agonirenden. Das ist der Widerschein des Un- tergehens des plastischen Systems in der Vollständigkeit der totalen Systeme des ganzen Menschen- leibes: des Muskel- des Nerven- und des Lungenleibes. Der Muskel, das elektrische Organ des organisch realisirten Unterscheidens im Gleichen zum Gegensatze, drückt die Umkehrung in der Function des plastischen Systems tellurisch aus durch sein 10 74 Zurücksinken in das magnetische Moment, d. h. in die Contraction, ohne die dadurch harmonisch zu weckende Extension; er wird gleich der eleetrochemischen Kette, wenn ihre Pole, vereint, freien Magnetismus aussprechen und das wesentlich wechselbewegte Lebenssystem zur Ruhe bringen. Das Gegentheil tritt ein im Nerven, welcher das stetig und grenzenlos Bewegte, — worin also kein Bewegtes vom andern durch ein Intervall des Anders- oder Nichtbewegtseins unter- schieden, sondern das Bewegende im Bewegten endlos ununterschieden ist, und umgekehrt, — die absolute Ruhe der Bewegung, also das magnetische Moment im Thierleben realisirt, und die reale Bewegung nur noch als Möglichkeit in seinen beiden Polen, als dem Ausdruck der Indivi- dualisirung und in der Verbindung des einen Pols mit dem Unterschiedenen, dem Muskel in sich trägt. Durch die Schliessung der Kette im Muskel bei'm Ersteren wird der Muskelpol des Nervs fixirt, dadurch von seinem Central- oder Empfindungspol unterschieden, mithin äusserlich polari- sirt und sein gleichnamiger Pol, der Muskelpol, wie im eleetromagnetischen Prozesse nach der Schlies- sung der Kette, in seiner Bedeutung so umgedreht, dass der eigentliche Centralpol des Nerven mit der Bedeutung des peripherischen Muskelpols in das Centralwesen tritt, womit die Stetigkeit der Be- wegung im Nerven in die unendliche Unterscheidung des Electrismus übergeht. Der Ausdruck der Declination der unendlich bewegten Nervenpolarität heisst Schmerz und dieser erreicht seine abso- lute Höhe in der Umkehrung der Pole, welche ideal gleich ist dem realen Herausreissen des Nervs aus seinem Ausgangspunkt durch die Muskular-Anziehung der tonisch festgestellten Muskelpolarität. Während die Krankheit noch mit Krampf und Schmerz den Auflösungsprozess der Lebens- substanz begleitet, reflectirt sich dieser auf's Ganze durch das Untergehen der organischen Polarität in der Bewegung des Herzens, mit welchem sich ebenso die elastisch-Hüssige Lebenssubstanz durch ihren organischen Prozess selbst nach Aussen kehrt und so lange mit dem Minimum des Einathmens ausathmet, bis das Athmen selbst mit dem Herzschlag absolut erloschen und im Tellurischen zur Ruhe gekommen ist, — wie wir dieses auch plastisch bei der tropfbar flüssigen Thiersubstanz in dem um- gekehrten Auflösungsakte des plastischen Prozesses des Darmkörpers eintreten sehen. 5. Professor Rossmässler von Leipzig spricht über Erweiterung des naturwissenschaftlichen Vereins-Lebens. 6. Der erste Geschäftsführer zeigt hierauf noch einige Einläufe an. Dann nimmt derselbe mit folgender Rede Abschied von der Versammlung: Hochzuverehrende Herren Der Abend unserer Versammlung ist herangekommen, unser Tagewerk ist vollendet. Wie nun der Wanderer, wenn der Sonnenball untersinkt, seine Schritte hemmt und sich ihrer letzten Strahlen freut, so lassen Sie auch uns noch einen Augenblick umschauen und uns der letzten Strahlen freuen, welche die scheidende Versammlung entsendet, — und wie der denkende Mensch am: Abend seine Blicke zurückschweifen lässt auf den Tag, und sich Rechenschaft gibt über sein Thun, so lassen Sie auch uns zurückblicken und uns klar bewusst werden, was wir vollbracht und was wir erfahren haben. Meine Herren, wir sind, so dünkt mir, nachdem wir ein Jahr lang rüstig gestiegen waren auf dem Wege zum Gipfel des Wissenschaft, einmal wieder stehen geblieben, die Vorangeeilten haben gewartet auf die Nachkommenden , Alle haben sich gesammelt und haben einen Augenblick mit ein- ander ausgeruht. Der Eine hat dem Andern gesagt und gezeigt, was er gefunden und wahrgenom- 75 men, was er gedacht und gethan, und indem so die Beobachtungen und Erfahrungen der Einzelnen Gemeingut Aller wurden, haben Alle gewonnen, und der Blick an dem diesjährigen Ruhepunkte war wieder weiter und freier als der früherer Haltpunkte auf der Bahn der Wissenschaft. — Wohl wis- sen wir Alle, dass der Gipfel unerreichbar und der Pfad dahin unendlich ist, .aber diess schwächt unsern Muth nieht und lähmt nicht unsere Kraft, denn wir sehen nur die Bahn, welche wir zurück- gelegt haben; der Pfad, welcher aufwärts führt, verliert sich bald in Nebel und der Gipfel ist uns ganz verborgen. — So erscheint denn — ihr zur Freude — einer jeden Zeit ihr Standpunkt als der höchste Punkt, denn den höheren ahnt sie nur, aber sie kennt ihn nicht. Wie nun rüstige Bergsteiger, welche zum ersten Male eine Höhe erklommen haben, Kreuz oder Stein setzen, als ein Denkmal des errungenen ‚Sieges, und wie sie es gerne schmücken mit Zeichen und Inschrift, den Nachkommenden zur Erinnerung, was die Ersten auf der Höhe gefühlt und gedacht, so haben auch Sie auf der Höhe der Wissenschaft, welche Sie erreicht, durch Ihr Tagen dahier ein bleibendes Denkmal gestiftet und ihm durch Wort und That eine Inschrift eingegraben, die noch nach Jahrhunderten unseren Nachkommen sagen wird, was man in unserer Zeit von dem grossen Räthsel Natur gewusst, geglaubt und geahnt hat. Meine Herren! Bei der Aufführung eines Baues, sei es ein Wohnhaus oder Denkmal, müssen Viele zu einander stehen und einträchtig sich einander helfen, und Keinem gebührt der Ruhm, ihn allein oder hauptsächlich vollführt zu haben, denn der Plan zum Bau ist noch nicht der Bau selbst, ‚ie Fundamente sind wichtig, aber sie sind nur die Träger der Mauern, und diese würden zerfallen ohne schützendes Dach; nur durch das Zusammenwirken gelingt die Vollendung. — So ist es auch in der Wissenschaft, der Eine macht den Plan, der Andere führt ihn aus; Der trägt Steine herbei, Jener fürt sie zusammen; Der legt feste Grundlagen, ein Anderer baut darauf ragende Mauern und durch das vereinte Streben gelingt das Ganze. — Wer nun von diesen der Grösste ist, ob der, welcher die Natur in ihrer Gesammtheit zu erfassen sucht, oder der, welcher sie zergliedert; ob der, welcher ihre Produkte kennen zu lernen strebt, oder der, welcher ihre Gesetze zu finden bemüht ist; ob der, welcher ihre Wissenschaft in reiner Form erfasst, oder der, welcher sie anwendet zum Nutzen der Menschheit: ob der, welcher forscht, oder der, welcher lehrt, — meine Herren, darüber haben Sie nicht fruchtlosen Streit geführt, wie diess wohl die Vorzeit gethan, Sie haben vielmehr den Beweiss geliefert, dass Sie das Geheimniss kennen, welches den Bau der Wissenschaft wahrhaft fördert; Sie haben Gebrauch gemacht von Ihrer Kenntniss, Ihrer Arbeit zum Nutzen, Andern zum lehrreiehen Beispiel; diess Geheimniss ist enthalten in drei kurzen Worten, aber sie sind inhalts- sehwer, sie sind leicht zu behalten und werden doch so oft vergessen, möchte sie Ihr Beispiel tief in jeden deutschen Busen graben, sie heissen: Rintracht mächt stark. Ja meine Herren und lieben Freunde, wir sind hier zusammen gewesen aus allen deutschen Gauen, wir haben unsere liebe Muttersprache gehört in, allen ihren Mundarten, ‚aber kein Misston kat unsere Eintracht gestört. — Wir haben zwar gekämpft, aber. der Kampf hat uns innerlich wicht entzweit, er hat unser Streben nicht gehindert, er hat es gefördert; denn‘ Kampf, muss. sein, unser Leben selbst ist ja ein Kampf und nur im Kampf ist Leben, aber die Triebfedern des Kampfes dür- fen nicht sein Eitelkeit, Selbstsucht, Neid und wie sie alle heissen des wahren. Menschenglückes 10* 76 hässliche Feinde, sie müssen von anderer. sie müssen von hoher Art sein. Sind sie unausgesetzte Liebe zum Guten und redliches Streben nach Wahrheit, und wird der Kampf geführt zwar mit schar- fen Waffen, aber mit der Mässigung und Würde, welche Männern geziemt, dann veredelt er sich und wenn er ausgefochten, reicht der Sieger dem Besiegten die Freundeshand. Meine Herren! So waren die Kämpfe; welche Sie geführt haben, möchte die Wissenschaft an- dere nie aufzuweisen haben. — Meine Herren, Erkennen Sie in diesem unserem einträchtigen Zu- sammenwirken, in dem edlen Kampf der Geister nach dem Wahren und Guten mit mir eine Frucht des grossen Einflusses, welchen die Pflege der Naturwissenschaften auf Humanität und Gesittung be- reits gehabt haben. erkennen Sie darin mit mir das schöne Morgenroth, welchem auch der Tag ein- müthigen Zusammenwirkens aller deutschen Brüder folgen wird. Meine Herren. wie rasch sind uns die Stunden des Zusammenseins geschwunden, rasch wie ein wohl volbrachter Tag, noch lebt in uns der Eindruck der Freude, die wir empfanden, als wir uns begrüssten und nach längerer oder kürzerer Frist zum ersten Male wiedersahen, der Schüler den Lehrer, der College den Collegen, der Freund den Freund, und schon naht die schmerzliche Abschieds- stunde und mischt Wehmuth unter die Freude. Sie kehren jetzt wieder heim nach den kurzen Tagen des Festes. zur langen Winterarbeit, Ihrer harrt der Lehrstuhl und Schreibtisch, Ihrer harrt die grosse Zahl der Hülfesuchenden und Kranken, wir aber müssen uns wieder gewöhnen an ödere Strassen und stillere Stunden und auch unserer wartet die Arbeit; so möge uns denn die Erinnerung an unser frohes Zusammensein die frohe Mitgabe sein. welche Jeder mit heim nimmt, möge sie uns erheben und kräftigen zu neuem Wirken. Wiesbaden wird des Ehrentages nicht vergessen. an welchem Sie hier eingezogen sind, mögen auch Sie ihm ein gutes Andenken bewahren. Leben Sie wohl, leben Sie herzlich wohl; möge sie der Vater alles Guten froh und gesund in die Heimath geleiten. 7. Professor Heyfelder von Erlangen spricht darauf den Dank der Versammlung in fol- senden Worten aus: Hochansehnliche Versammlung ! Wie in einer früheren Sitzung gesagt wurde, sind es vor allem unsere Hochschulen, von wel- chen wir ein achttägiges Asyl für unsere Wandergesellschaft zu verlangen pflegten. Die deutschen Universitäten, meine Herren, sind vielleicht die einzigen Institute, um welche wir von den Nationen jeder Zunge beneidet werden, und nieht ohne Stolz spreche ich es aus, dass ich es als ein Geschenk des Himmels ansehe. an einer deutschen Hochschule als Lehrer zu sein und ihr meine Kräfte widmen zu können. Wenn wir bei der Wahl eines Orts für die 29. Versammlung deutscher Natnrforscher und Aerzte Wiesbaden gegenüber den Universitäten den Vorzug gaben, so war es die Ueberzeugung, dass diese Stadt und ihre Umgebung den Universitäts-Instituten aequivalente Schätze bewahre. Ihre Lage in der Nähe des Rheinstroms, ihre Thermen, die grossartigen mit jedem Comfort ausgestatteten Bäder, in welchen Tausende jährlich Genesung und eine neue Jugend. finden, der Ueberreichthum an Natur- schönheiten und an naturhistorischen Seltenheiten — in und ausser den Cabineten — dies alles hat uns nach Wiesbaden gezogen, aber auch die Ueberzeugung, dass die gastfreundlichste Aufnahme uns nicht fehlen werde. 7] Mit grossen Ansprüchen sind wir nach Wiesbaden gekommen. Was wir gefunden, hat unsere Erwartungen weit hinter sich gelassen, und die Tage des Neroberges, der Platte und die herrliche Rheinfahrt werden ewige Silberblicke der Erinnerung für uns bleiben. Unsere alljährlich wiederkehrenden Zusammenkünfte haben immer dadurch sich charakterisirt. dass neben ernsten wissenschaftlichen Forschungen und Besprechungen auch der heiterste Frohsinn sich kund gab, ja dass selbst der Scherz unter der Schellenkappe nicht fehlte; und wir dürfen das Zeugniss uns geben, dass nach beiden Richtungen auch diesmal Genüge geschehen. Was die diesjährige Versammlung für die Wissenschaft und durch diese für die Civilisation ge- leistet, können wir als fruchtbringend bezeichnen. — Waren doch alle Zweige unserer Wissenschaft in würdigster Weise vertreten und scheidet ja auch jeder von uns mit dem beseligenden Gefühle, dass hier neue Ideen angeregt, Wakrheiten begründet, Irrthümer ausgelöscht worden sind. Ja, meine Herren, die Naturwissenschafi greift fördernd in alle Zweige des Lebens ein, sie schafft und ebnet die Wege der Civilisation, sie ist die Alma mater, an deren Brüsten wir alle getrunken. Noch bleibt mir die angenehme Pflicht. Seiner Hoheit dem Herzoge, dessen erhabener Sinn für die Naturwissenschaft schon durch die Fülle der seltensten Pflanzen des Erdballs in den grossartigen und in ihrer Ausstattung unübertroffenen Glashäusern des Biebericher Parks sich documentirt, unsern ehrerbietigsten Dank zu erstatten. für die uns enädigst ertheilte Erlaubniss, in dem herrlichen Nassauer Lande zusammenzutreten. Unsern tiefgefühlten Dank allen Behörden und den Männern. durch deren harmonisches Wirken die vortrefflichen Einrichtungen geschaffen wurden, welche uns zu unsern Zwecken gelangen liessen. Endlich wende ich mich an Sie, meine Herren Geschäftsführer, um Ihnen im Namen der ver- sammelten Collegen unsern innigsten Dank auszusprechen für die Mühen und Opfer, die Sie unserm Zusammensein dargebracht. Möge das stolze Gefühl des gekrönten Erfolgs Ihrer Bestrebungen und die Ueberzeugung unserer anerkennenden Dankbarkeit Ihnen einiger Ersatz für die dargebrachten Opfer sein. Wenn wieder die Traube reift, sehen wir uns in dem herrlichen Schwabenlande wieder. Möge auch nicht Einer fehlen! Also auf Wiedersehen in Tübingen ! n. 7. Der erste Geschäftsführer schliesst darauf die Versammlung. 18 2u. Sections-V ersammilungen. E. Section für Physik und Wathematik. Erste Sitzung. Montag den 20. September. Präsident: Schulrath Dr. Müller. Secretäre: Professor Schröder, Dr. Greiss. 1. . Zuerst sprach Professor Schröder über die „vergrössernde und verkleinernde Wirkung optischer Instrumente“ Folgendes: Der Rand einer Lupe, eines Oculars oder eines Spiegels begrenzt stets den durch eine Lupe, ein Ocular, oder einen Spiegel sichtbaren Theil des Objeets. Es projicirt sich daher stets dieser Rand auf das Gesichtsfeld, und diess ist der Grund, wesshalb beim Sehen mit einem Auge das Object, oder respective dessen Bild, stets hinter der Lupe, dem Ocular oder Spiegel erscheint, selbst dann, wenn ein vor denselben entworfenes physisches Bild betrachtet wird. Obwohl diese Projection des Lupenrandes u. s. w. auf das Gesichtsfeld eine augenscheinliche Thatsache ist, welche nicht unbemerkt bleiben kann, so ist sie doch niemals hervorgehoben, und zur Erklärung der andern Thatsache benützt worden, dass das von einer Lupe oder einem Spiegel entworfene physische Bild eines Objects, wenn es mit einem Auge betrachtet wird, stets hinter der Lupe oder dem Spiegel erscheint. Ebensowenig ist versucht worden, den Beweis zu liefern, dass der Linsen- oder Spiegel- rand in jeder möglichen Lage des Objects und des Auges stets das Gesichtsfeld begrenzen müsse. Dieser Beweis wird nun mit Hülfe einer sehr einfachen Construction in völliger Allgemeinheit geführt. Dieselbe Construction giebt zugleich eine sehr einfache und elementare Entwicklung der vergrössern- den oder verkleinernden Wirkung jeder möglichen Combination von Linsen oder Spiegeln für jede mögliche Lage des Auges und des Objectes an die Hand. Diese Entwicklung soll im Folgenden gege- ben werden. 719 Die scheinbare Vergrösserung drückt das Verhältniss der Sehwinkel aus, unter welchen ein Object erscheint, wenn es durch das Instrument, und wenn es direet mit freiem Auge betrachtet wird, während Objeet und Auge in beiden Fällen sich am nämlichen Ort befinden. Die absolute oder wahre Vergrösserung drückt das Verhältniss der Sehwinkel aus, unter welchen ein Object erscheint, wenn sein Bild mit Hülfe des Instruments und das Objeet selbst mit freiem Auge beidemale in der deutlichen Sehweite, oder allgemeiner, in gleicher Entfernung vom Auge betrachtet werden. Was man bisher gewöhnlich Vergrösserung eines Fernrohrs nennt, ist die scheinbare Vergrösserung; und was man bisher gewöhnlich Vergrösserung einer Lupe oder eines Mikroscops nennt, ist die wahre Vergrösserung. Aber es ist von Interesse für beiderlei Arten von Instru- menten sowohl die scheinbare als die wahre Vergrösserung zu kennen und zu discutiren. Nennt man nun für irgend eine Combination von Linsen und Spiegeln, oder allgemein von optischen Elementen b,, D,, b, ... .. bn respective die Abstände der Bilder des ersten, zweiten, dritten bis n ten Elements vom Mittelpunkt dieser Elemente, und a,, a2, a2 -:... a, die Abstände des ersten, zweiten, dritten ....nten Elementes (Linse oder Spiegel) von ihren respectiven Objeeten oder Bildobjecten, und ist O der Abstand des Auges vom Object, B der Abstand des für das Auge sicht- baren Bildes vom Auge, so ist für jede beliebige Combination von Linsen oder Spiegeln, und für jede beliebige Stellung des Auges und des Objectes die scheinbare Vergrösserung oder V, D, SID: bn | a a und die wahre Vergrösserung oder Vw Veen a Tr a Es findet weder Vergrösserung noch Verkleinerung statt, wenn V, oder V, den Werth 1 haben; es findet Vergrösserung statt, wenn V, oder V, grösser ist als 1, und es findet Verkleinerung statt, wenn V; oder V, respective kleiner sind als 1. Die Discussion dieser Formeln in ihrer Anwendung auf Linsen oder Spiegel, auf Fernröhre oder Mikroscope, berichtigt einige bisher verbreitete Irrthümer, und liefert die Erklärung mehrerer bisher theils nicht beachteter, theils nicht gehörig gewürdigter Thatsachen. Die vorgerückte Zeit erlaubte jedoch nicht, auf die Discussion obiger allgemeiner Ausdrücke für die einzelnen Instrumente einzugehen, und Prof. Schröder begnügte sich daher mit ihrer allge- meinen Herleitung. Bei der nach beendigtem Vortrag stattfindenden Discussion wurde von verschiedenen Seiten Bedenken dagegen erhoben, dass die mitgetheilte Formel in speciellen Fällen von erheblichem Vortheil sein werde. 2. Hierauf hielt Herr Liehtenberger „über den Hind’schen neuen Stern im Ophiuchus“ folgenden Vortrag: Es ist den hochverehrten Herren noch im Andenken, dass im Frübjahr 1848 — ich glaube am 28. April — von dem berühmten Planeten-Entdecker Hind, Astronom an der Privatsternwarte des Lord Bishop in Regents-Park in London, im Sternbilde des Schlangenträgers zwischen 2 und n, oder näher zwischen 20 Fl. und n, auch ein sogenannter neuer Stern (Fixstern) aufgefunden wurde, der erste wieder seit dem von Anthelme 1670 im Fuchse. Derselbe erschien dazumal von fünfter so Grösse, in lebhaftem röthlichen Lichte schimmernd , war folelich mit guten Augen frei, oder doch schon mit einem schwachen Opernglase zu sehen. Er erregte zu dieser Zeit die Aufmerksamkeit vieler Astronomen , namentlich wurde er öfter von Professor Argelander beobachtet, der auch zu etlichen Malen Notizen darüber in den astronomischen Nachrichten (Nr. 651 und 672) gab. Bald begann er jedoch an Lichtstärke abzunehmen, so dass er schon im Herbste desselben Jahres auf die 6—7te Grösse herabsank , dabei auch merklich von der früheren feurigen Färbung verlor. Professor Argelander wollte ihn zwar im Frühjahr 1849 wieder etwas zunehmend gefunden haben, was aber der fernere Verlauf nicht bestätigte. Er wurde nun meines Wissens von den Astronomen nur so lange noch verfolgt, als er in Kometensuchern noch zu sehen war, etwa bis Herbst 1849, dann von den meisten — wie ich aus dem Munde selbst einiger dieser Herren zu vernehmen Gelegenheit ge- habt habe — theils aufgegeben, theils weit weniger mehr beachtet; sogar der Entdecker selbst widmete ihm später, wie aus einem Briefe, den ich von ihm besitze, hervorgeht, nicht mehr die consequente Aufmerksamkeit. Diess trieb mich nun um so eifriger an, die meinige zu verdoppeln, ihn, so oft Zeit und Umstände es erlaubten, zu beobachten, und zwar so wie die fort abnehmende Lichtstärke es erforderte, mit immer stärkeren optischen Kräften. So sah ich ihn denn im beständigen Vergleich mit benachbarten Sternen nach und nach unter 10ter Grösse herabsinken, bis zuletzt im J. 1851 sogar nur auf beiläufig 12ter Grösse, so dass er nur bei ganz günstiger Luftbeschaffenheit, nahe dem Meridian und mit Vergrösserungen von 60—90 eines guten, bezüglich des Objeetivs 29‘, Tubus noch zu be- merken war. Nach meinen diesjährigen Beobachtungen, zuletzt im Juli und August, hat er diese Helliekeitsstufe beibehalten, wenigstens ist eine weitere schwache Abnahme nicht wohl zu bemessen, wie es denn überhaupt misslich ist, für Sterne unter 10ter Grösse noch mit einiger Sicherheit Grössen- klassen anzugeben. Meine Beobachtungsresultate habe ich von Zeit zu Zeit in der kleinen astronom. Zeitschrift des Dr. Jahn: „‚Unterhaltungen für Freunde der Astronomie ete.‘““ betitelt, mitgetheilt; die letzte vom vorigen Jahr ist in Nr. 40 dieses Jahrgangs enthalten. Das Merkwürdigste indessen, was ich seit den letzten beiden Jahren an besagtem Stern glaube wahrgenommen zu haben, ist — täusche ich mich nicht sehr —- eine allmählige relative Ortsver- änderung; da ich jedoch nicht im Besitze grosser und fester Messinstrumente bin, die solche subtilen Verrückungen zu bestimmen vermögen, so kann ich erst in längerer Zeit nach Distanzen-Schätzungen von einigen der nächststehenden Sterneu Gewissheit erlangen, worüber aber wohl noch erst ein Jahr wird vergehen müssen. Desswegen wage ich auch jetzt noch nicht die Sache anders, als blosse Ver- muthung hinzustellen , bin inzwischen gerne erbötig, wo es verlangt werden sollte, meine Gründe für letztere darzulegen. Man hat anfänglich von einigen Seiten geglaubt, jenen Stern mit dem Keppler'schen neuen von 1604 am östlichen Fusse des Schlangenträgers als in Wiedererscheinung identifieiren zu dür- fen; dagegen stritt aber der noch bedeutende Abstand dieses von obigem, so wie eine in diesem Fall anzunehmende beispiellose Periodieitätsdauer und eigene Bewegung. *) Ebenso meinten Einige, es könme der jetzige Stern auch der an dieser Stelle in Flamsteed’s Katalog vorkommende und später vermisste Nr. 52 Serpentis — diesen ebenfalls als periodisch veränderlich angenommen — *) Die bis jetzt beobachtete stärkste eigene Bewegung im Raume eines Fixsternes ist bekanntlich die von Nr. 61 im Schwan, und beträgt jährlich pptr. 5 Bogensekunden. E g1 sein; es ist unterdessen aber nachgewiesen worden, dass. ein, solcher niemals existirt hat, und die Verzeichnung in jenem Katalog auf einem. blossen Irrthum beruht.’ Sei. dem, ‚wie, ihm. wolle, jedenfalls verlohnt es der geringen Mühe, dem Hind’schen noch alle Aufmerksamkeit zuzuwenden ‚. so lange er nicht ganz wieder verschwunden ist, und werde ich meinestheils wenigstens, der ich ihn nun schon im fünften Jahre beobachte, darin nicht ablassen. Die anfängliche Positions-Bestimmung des Hind’schen Sternes, so wie noch sonstige auf ihn sowohl, wie frühere neue Sterne Bezug habende historische Notizen, sind als durch anderweite Mittheilungen, ganz besonders derer in des Frhr. v. Humboldt’s Kosmos Ill. B. I. Abtheilung ent- haltenen, als bekannt vorauszusetzen. Noch nehme ich gern Veranlassung und sei es mir vergönnt, auf die vorhin schon erwähnte kleine astronomische Zeitschrift des Dr. Jahn*) aufmerksam zu machen und dieselbe dem Wohl- wollen und der Unterstützung auch der Gelehrten von Fach zu empfehlen. Ich rechne es meinem verehrten Freunde Jahn als ein besonderes Verdienst an, dass er sogar mit Opfern und Kämpfen den Anfang und den Grund zu einem Organ gelegt, das die Aufgabe hat, fortlaufende Nachrichten, vorzüglich über die erhabene Wissenschaft des Himmels, auch unter einem grösseren wissbegierigen Publikum zu verbreiten, und damit einem bis vordem noch sehr mangelhaft befriedigten Bedürfniss in besserer Weise abzuhelfen, was aber noch weit mehr der Fall sein könnte, wenn sich das Blatt einer grössern unterstützenden Theilnahme auch von Seiten der wissenschaftlich Höhergestellten, und die es nicht verschmähten, auch auf populäre Interessen Rücksicht zu nehmen, zu erfreuen hätte. Nähere Anzeigen und Proben davon erlaube ich mir hier vorzulegen. Ferner produeirt der Vortragende: 1) ein Exemplar einer neuen Gattung Fernröhre mit soge- nanntem orthoscopischem Ocular aus dem Atelier des Erfinders, Karl Kellner in Wetzlar, und hebt im Vergleich mit einem daneben gelegten gewöhnlichen Fernrohr nach Fraunhofer’scher Construction und von gleicher Objectivöffnung die sehr bedeutenden Vorzüge des ersten gegen letzteres hervor; 2) einen einfach construirten (portativen) Fernrohrträger zum Gebrauch auf Reisen und Excursionen nach seiner, des Vorlegenden, Idee, mit hinzugegebener Erläuterung. 3. Professor Magnus zeigte einige erläuternde Versuche zu seiner Abhandlung „über die Abweichung der Geschosse.‘ 4. Nachmittags 3 Uhr trat die Section abermals zusammen und Dr. Poppe hielt „über die Interferenzerscheinungen feiner und regelmässiger Wellensysteme tropfbarer Flüssigkeiten und ihre Beobachtung durch das Interferenzoscop‘“ nachstehenden, von Experimenten begleiteten Vortrag: Der Gegenstand, auf den ich Ihre Aufmerksamkeit hinzulenken mir erlaube, betrifft zunächst ein Verfahren, die stehenden Figuren und Interferenzgebilde feiner und regelmässiger Wellensysteme tropfbarer Flüssigkeiten mit Hülfe eines Apparates zur Anschauung zu bringen, dem ich den Namen Interferenzoscop beigelegt habe. Hieran soll sich die Mittheilung einer in jüngster Zeit von mir entdeckten Methode knüpfen, auch die Bewegungen der primären oder direkten Wellensysteme in allen Phasen ihrer gegenseitigen Durchkreuzung und Einwirkung bequem zu beobachten und mit den Augen zu verfolgen. *) Unterhaltungen für Dilettanten und Freunde der Astronomie ete. in wöchentlicher Erscheinung bei H. Hunger in Leipzig. Preis per Jahrgang 3 Thlr. 11 82 Die Professoren Heinrich und Wilhelm Weber haben bekamntlich das grosse Verdienst, zuerst ausführlichere Beobachtungen und Versuche über die Interferenzerscheinungen bei Flüssiekeitswellen angestellt und den Weg zur weitern Verfolgung dieses interessanten und für die Wissenschaft so wichtigen Phänomens angebahnt zu haben. Da mich aber das gewöhnliche Verfahren, die Interferenzen auf einer Quecksilberfläche zu erzeugen, nicht vollständig befriedigte, so suchte ich das Quecksilber durch Wasser zu ersetzen, wobei mir eine raschere und feinere Wellenbewegung, als die, welche gewöhnlich zu Grunde gelegt wird, wünschenswerth erschien, um die Linien der Interferenzwellen und stehenden Wellen bestimmter und schärfer hervortreten zu lassen, und ihre Analogie mit dem bekannten Lichtinterferenz- und Beugungsphänomen noch augenscheinlicher zu machen. Ich construirte demgemäss einen Apparat, in welchem durch eine einfache mechanische Vorrichtung an beliebigen Stellen einer Wasserfläche regelmässige und rasch auf einander folgende Undulationen erregt werden konnten. Mein erster Apparat bestand aus einem flachen, ungefähr einen Fuss im Geviert haltenden Wasser- behälter. Als Mechanismus zur Erzeugung eines feinen Wellenschlages diente ein Rad mit schrägen Zähnen, gegen welches der Haken eines Sperrhebels durch eine Feder gedrückt wurde. Dieser Hebel bildete den Arm einer quer über den Behälter sich erstreckenden horizontalen Achse, welche, wenn man das schräg gezahnte Rad mittelst einer Kurbel drehte, durch den einfallenden Hebel in sehr schnelle Oscillationen versetzt wurde. An diese Achse befestigte ich in horizontaler Richtung entwe- der einfache Drähte , deren abwärts gebogene Enden senkrecht in’s Wasser tauchten, oder Drähte, welche als Träger regelmässiger Polygone oder sonst gestalteter in die Wasserfläche eintauchender Figuren dienten. Wenn nun die Achse auf die erwähnte Weise in Schwingung gesetzt wurde, so konnte man zwar innerhalb der mit ihr auf- und niederschwingenden Polygone jene eigenthümliche Kräuselung der Wasserfläche, als Folge der Interferirung der Wellen bemerken, ohne jedoch die eigentliche Physiognomie der Erscheinung als geometrisches Gebilde deutlich zu erkennen. Nachdem ich zuerst den Versuch gemacht, die Interferenzfigur durch das direkte Sonnenlicht auf eine nahe Papierfläche zurückzuspiegeln , wobei aber wegen der Zerstreuung der reflektirten Strahlen nur ein vermischtes, sehr undeutliches Bild zu Stande kam, fiel mir als das geeignetsie Mittel die Brechung der Lichtstrahlen in der Flüssigkeit ein. Da jeder Wellenberg offenbar in dem Sinne eines Convex- glases wirkte, so musste er die einfallenden Sonnenstrahlen in der entsprechenden Fokaldistanz in eine Brennlinie vereinigen, während jedes Wellenthal in dem Sinne eines Konkavglases eine Zer- streuung der Lichtstrahlen bewirkte. Befände sich nun unter dem Niveau des Wassers eine weisse Fläche in der gehörigen Brennweite, so würden die von den Bergen der Interferenzfigur aufgefange- nen Strallenbündel auf dem weissen Grunde zu hellen Lichtlinien vereinigt erscheinen, während die von den Interferenzthälern aufgefangenen Strahlen zwischen diesen Lichtlinien sich zerstreuten und nur eine matte Beleuchtung hervorbrächten. Ich liess daher den Boden des Behälters durchbrechen, eine mattgeschliffene Glastafel einkitten, und beobachtete die transparenten Interferenzlinien und stehenden Wellenfiguren in einem unter dieser Glastafel angebrachten unter 45° geneigten Spiegel. Mit dieser Einrichtung, meine Herren, finden Sie das Interferenzoscop bereits im 79. Bande von Poggendorf£f’s Annalen der Physik und Chemie S. 437 beschrieben. Seit jener Zeit ist es mir nicht nur gelungen, auf den Grund fortgesetzter Beobachtungen und Versuche das Interferenzoscop wesentlich zu vervollkommnen, sondern auch in Verbindung mit einem 33 andern Apparat, auf den ich nachher zurückkommen werde, neue, in der That überraschende Er- scheinungen hervorzubringen, in welchen sich die Natur der feinsten Undulationen in höchst an- schaulicher Weise vor den Augen des Beobachters entfaltet. Ein wesentlicher Vortheil der neueren Einrichtung besteht zuvörderst darin, dass die Undulationen nicht, wie früher, von der Anzahl der . schrägen Zähne und der Umdrehungsgeschwindigkeit des erwähnten Rades, sondern nur von den isochronischen Schwingungen elastischer Drähte abhängig sind, wodurch ein höchst regelmässiger Wellenschlag und in Folge dieses eine reinere Interferenz entsteht. Das jedesmalige Einfallen des Hebelhakens in die Zähne des Rades erschüttert nämlich ganz einfach den in die Achse eingespann- ten Draht, und macht ihn in einer vertikalen Ebene vibriren. Dabei lässt sich die Drehung des Rades so reguliren, dass der Hebel einfällt, bevor die durch sein unmittelbar vorhergehendes Ein- fallen erzeugten Oscillationen des Drahtes aufgehört haben. Eine weitere Vervollkommnung, welche zur Erhöhung der Reinheit der Erscheinung, sowie zur Bequemlichkeit der Handhabung des Apparates und zur Erleichterung der Beobachtungen wesentlich beiträgt, besteht in der Anbringung eines Uhrwerkes, wodurch das schräggezahnte Rad eine aus freier Hand schwer zu erreichende gleich- mässige Drehung erhält. Ich habe es ferner zweckmässig gefunden, die mattgeschliffene Glastafel durch eine gewöhnliche durchsichtige Glasscheihe zu ersetzen, die man mit einem Bogen feinen Postpapiers bedeckt, wenn man die Lichtstrahlen von oben einfallen lässt, um die Interferenzbilder im Spiegel zu betrachten. Will man jedoch die letzteren über dem Wasser auffangen , so nimmt man das Papier ab, und leitet das Licht zuerst auf den Spiegel, der es von unten herauf durch die Glasscheibe in’s Wasser reflektirt. Die Figuren erscheinen alsdann oberhalb der Wasser- lläche transparent auf einem mit dünnem Postpapier überzogenen Rahmen, der sich in die gehörige Fokaldistanz stellen lässt, und können nun recht bequem beobachtet werden. Was die mit Hülfe des Apparates zu erzeugenden mannigfaltigen Interferenzbilder oder stehenden Wellenfiguren selbst anbelangt, so beschränke ich mich darauf, nur einige derselben hier anzudeuten. Befestigt man z. B. zwei elastische Drähte so an die horizontale Achse, dass ihre rechtwinkelig abwärts gebogenen Enden in das Wasser tauchen, und setzt sie auf die beschriebene Weise in Vibration, so entsteht zwar um den Schatten jedes der wellenerregenden Drahtenden eine Reihenfolge koncentrisch sich ausbreitender feiner Lichtkreise, die jedoch wegen ihrer ungemein raschen Auf- einanderfolge und Fortbewegung auf der Netzhaut des beobachtenden Auges einen Eindruck von zu kurzer Dauer hervorbringen, um zur Wahrnehmung zu gelangen. Dagegen erblickt man in dem Spiegel als Ort der Interferenz dieser sich schneidenden Kreiswellen ein System unbeweglicher Hyperbeln, die sich symmetrisch um die vibrirenden Punkte als um Brennpunkte legen, und deren Hauptachsen je um eine ganze Wellenlänge differiren. Man ist alsdann im Stande, die Entfernungen der in der Verbindungslinie beider Brennpunkte liegenden Scheitel von einander mit dem Zirkel zu messen, und daraus die Breite der ursprünglichen Wellen zu bestimmen. Aus dieser und aus der durch Versuche zu ermittelnden Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Wellen könnte dann wieder die Vibrationsgeschwindigkeit der Drähte berechnet werden. Besonders rein und deutlich erscheinen jene hyperbolischen Lichtlinien, wenn man an beide Zinken einer Stimmgabel feine Nadeln befestigt, diese in’s Wasser taucht, und die Stimmgabel in Schwingung setzt. Eine Drahtspitze in einiger Ent- fernung von einer geraden Schiene und gleichzeitig mit ihr schwingend giebt ein System von Para- beln, welche den wellenerregenden Punkt zum gemeinschaftlichen Brennpunkt haben. Zwei gegen 11* 34 einander geneigte gerade Schienen geben als Interferenzfigur eine Reihe gleich weit von einander abstehender gerader Lichtlinien, welche derjenigen Linie parallel sind, welche den von beiden Schienen eingeschlossenen Winkel halbirt. Dieser letztere Versuch erinnert an die Interferenzstreifen des Fresnel’schen Spiegelversuchs, und kann als Veranschaulichungsmittel desselben dienen. Die Wellenfiguren, welche wir innerhalb des Schattens oscillirender Polygone auf den transpa- renten Grund projicirt sehen, erinnern an die Klangfiguren. Bei dem Quadrate erblickt man ein Gitter von Quadraten, bei dem gleichseitigen Dreiecke ein Netz von Dreiecken, bei dem regulären Sechseck ein Netz bienenzellenartig an einander gereihter regulärer Sechsecke, deren jedes in seiner geometr. Mitte einen Brennpunkt enthält. Eigenthümlich ist die Interferenzfigur des regulären Achteckes. In der Mitte des Polygonschattens bemerkt man nämlich einen hellen Punkt, der von einem Brennkreis umgeben ist; dieser Kreis wird von einem regelmässigen Achteck umschlossen, welches eine solche Stellung hat, dass die durch seine Ecken gezogenen Radien die Seiten des schwingenden Polygons halbiren. Jede Seite dieses Achteckes bildet die Basis eines Fünfeckes mit abgerundeten Ecken; sämmtliche 8 Fünfecke endlich sind von einem System paralleler Schlangenlinien umgeben. Eigen- thümlich und interessant ist ferner die stehende Wellenfigur der Ellipse. Es würde zu weit führen, wollte ich die Beschreibung der mannigfaltigen, durch Vibration geschlossener Figuren hervorgeru- fenen Erscheinungen noch weiter ausdehnen, da Sie die Gelegenheit haben werden, dieselben an diesem Apparate selbst zu beobachten. Die Anstellung der Versuche erfordert eine gewisse Sorgfalt, indem die Reinheit der Interferenz- bilder von mancherlei Umständen abhängt, deren nähere Erörterung hier wohl zu weit führen würde. Nur so viel sei hier bemerkt, dass der Erfolg zum grossen Theil von der korrekten Adjustirung der an die Achse befestigten Gegenstände abhängt, und dass es am besten ist, die letzteren vollständig untergetaucht schwingen zu lassen, so dass ihre obere Kante überall gleichmässig 1 bis 1°/, Milli- meter unter dem Wasserniveau steht. Als Beleuchtungsmittel benützt man am besten das Sonnen- licht, und zwar wo möglich die Strahlen der Mittagssonne, oder man bedient sich einer Lampe mit intensivem Lichte, aber nicht zu breiter Flamme, die man unter Berücksichtigung der Divergenz der Strahlen in passender Entfernung aufstellt. Nachdem ich dahin gelangt war, durch mein Interferenzoscop die Interferenzen der feinsten Undulationen optisch bequem darzustellen, und zugleich die Befriedigung hatte, den Vorgang der Lichtinterferenzen in einem andern Medium anschaulich vergegenwärligt zu sehen, blieb mir nur noch eines zu wünschen übrig. Ich erwähnte oben, dass bei einer so feinen und raschen Vibration die primären, d. h. die von den Erregungsstellen direkt ausgehenden Wellen wegen der Unfähigkeit unserer Netzhaut, den Eindruck einer so rasch vorübergehenden Erscheinung in ihren Einzelheiten aufzunehmen und zum Bewusstsein zu bringen, nicht sichtbar sind. Der Wunsch, auch diese sichtbar zu machen, um den Vorgang der Wellendurchkreuzung selbst mit den Augen verfolgen und hinsichtlich der Wellenbreite , Fortpflanzungsgeschwindigkeit u. s. w. sichere Beobachtungen anstellen zu können, leitete mich auf den Gedanken, den Lichteindruck der fort- schreitenden Wellensysteme dadurch auf der Netzhaut zu fixiren, dass ich zwischen das Auge und den Spiegel eine kreisrunde Scheibe brachte, die ich mit zwölf von der Peripherie bis gegen die Mitte sich erstreckenden radialen Einschnitten versah und in Rotation setzte. Das Resultat entsprach vollkommen meiner Erwartung, ja übertraf sie, indem ich eine solche Bestimmtheit und Klarheit 85 der Erscheinung, die bei Sonnenbeleuchtung besonders befriedigend hervortritt, nicht erwartet hätte. Ich will den Effekt dieser neuen Anordnung an einem einfachen Beispiele näher erläutern. Man denke sich, die Spitzen zweier an die Zinken einer Stimmgabel in der Richtung ihrer Länge befestig- ten Nähnadeln seien senkrecht in die Oberfläche des Wassers getaucht, und die Stimmgabel werde nun in Schwingung gesetzt, so wird man ohne rotirende Scheibe die bereits erwähnten Hyperbeln in regelmässiger Gruppirung zwischen den Schattenpunkten beider Nadelspitzen transparent im Spiegel erblicken, während die von den Spitzen ausgehenden sehr feinen Kreiswellen unsichtbar sind. Bringt man aber zwischen die Interferenzfigur und das Auge jene Scheibe, so sieht man bei einer bestimm- ten Rotationsgeschwindigkeit der Scheibe jede der Nadelspitzen von einer Menge feiner koncentrischer gleichweit von einander. abstehender und unbeweglicher Wellenkreise umgeben. Die ganze Erschei- nung liegt alsdann in einer Weise vor Augen, wie sie sich in der Wirklichkeit darstellen müsste, wenn beide Wellensysteme in irgend eineni Momente ihrer gegenseitigen Durchkreuzung plötzlich erstarren würden. Die Interferenzkurven sind verschwunden und in lauter helle, die Durchkreuzungs- stellen beider Wellensysteme bezeichnende Punkte aufgelöst, weiche man bei verminderter Umdrehungs- geschwindigkeit der Scheibe in hyperbolischen Bahnen von der Mitte aus nach beiden Seiten fortrücken sieht, während die Kreise langsam und gleichmässig sich ausbreiten. Bei schnellerer Umdrehung der Scheibe sieht man sämmtliche Wellenkreise scheinbar von Aussen gegen ihre Mittelpunkte zurück- schreiten. Wenn man die unteren Enden der Stimmgabel selbst unter Wasser bringt, durch Anklopfen mit einem leichten Hammer in Schwingung setzt, und die Geschwindigkeit der Scheibe so regulirt, dass die Wellen von den Erregungsstellen aus langsam fortzuschreiten oder ganz still zu stehen scheinen, so sieht man die zahllosen sich kreuzenden und interferirenden Wellenkreise in gewissen Richtungen von leeren wellenlosen. Streifen strahlenförmig wie durchschnitten. Leitet man das Licht auf dem umgekehrten Wege zuerst durch die rotirende Scheibe auf den Spiegel und von diesem aufwärts durch das Wasser auf den transparenten Papierrahmen, so projieirt sich das ganze Phänomen der primären Wellenbewegung rein objeetiv auf das Papier. Bei Polygonen sehen wir alsdann die stehenden Wellengebilde in eigenthümlicher wechselnder Gestaltung bald als Berg, bald als Thal vor unsern Augen sich entfalten. Ich erwähne schliesslich, dass Mechanikus Fritz in Frankfurt a.M. die Anfertigung meines In- terferenzapparates übernommen hat. Aus seiner Werkstätte, die ich bestens empfehlen kann, ist bereits eine Anzahl solcher für Universitäten und polytechnische Lehranstalten bestellter Apparate hervorgegangen. Das Interferenzoscop, welche Sie vor sich.sehen, ist für St. Andrews in Schott- land bestimmt. Zweite Sitzung. Mittwoch den 22. September. 1. Morgens um 8 Uhr versammelte sich die Section auf dem Bahnhofe der Taunus-Eisenbahn, wo Professor Schwerd an-einer von der Direction- der Taunus-Eisenbahn bereitwilligst zur Verfügung gestellten Locomotive ‚einige Versuche anstellte, die zeigten, dass bei Anwendung eines von ihm construirten Apparates jede Locomotive unmittelbar als grossartige Dampf-Electrisirmaschine benutzt werden könne. S6 2. Um 11 Uhr tritt die physikalische Section, nachdem sie vorher den Vorträgen der chemischen beigewohnt hatte, wieder zusammen. Der Präsident, Schulrath Müller, fordert zur Wahl eines Präsidenten für die heutige Sitzung auf. Es wurde durch Acclamation beschlossen, dass Herr Schulrath Müller das Präsidium fort- führen solle. 3. Professor Eisenlohr sprach hierauf „über die Darstellung der Newton’schen Farbenringe durch Centrifugalkraft‘‘ Folgendes: Schon vor einigen Jahren gerieth ich auf den Gedanken, die Newton’schen Farbenringe durch Centrifugalwirkung darzustellen. Die Versuche, die ich machte, sind in der sechsten Auflage meines Lehrbuchs der Physik pag. 275 beschrieben. Ich muss dabei bemerken, dass unser unermüdlicher Freund Böttger schon im Jahre 1838 auf der 16ten Versammlung der Naturforscher und im zwei- ten Hefte seiner neuen Beiträge pag. 51 gezeigt hat, wie wesentlich die Luftleere zur Erhaltung der dünnen Häute der Seifenbrühe ist. Bei der Anstellung der oben erwähnten Versuche ist das Wanken der an einem Faden hängen- den und rotirenden Glasphiole meistens sehr störend, wesshalb ich nun einen besonderen Apparat dazu construirt habe. *) Er besteht, wie ein Centrifugalapparat, aus einem horizontal liegenden Rade, welches mittelst einer Kurbel um seine verticale Achse gedreht wird, und durch einen Schnur- lauf ein kleineres Rädchen in schnelle Umdrehungen (400 bis 600 in einer Minute) versetzt. Die Achse dieses Rädchens geht durch eine metallene Hülse, die unten auf demselben Brett festgemacht ist, welches die zur Aufnahme der Achse des ersten Rades bestimmte Hülse trägt. Das obere Ende der Achse des kleinen Rädchens läuft in einen viereckigen Zapfen aus. Dieser passt in das gleich- geformte Loch einer Messingplatte, welche mitten auf den Boden einer Glasphiole gekittet ist. Diese enthält etwas Seifenbrühe und ist luftleer. ‘Auf den mit einem guten Propfen verschlossenen Hals dieser Phiole ist ein Metallplättchen gekittet, welches in der Mitte eine runde Vertiefung hat. Diese Vertiefung, die Längenachse der Phiole, das Loch der Bodenplatte und die Achse des kleinen Rades liegen in einer vertikalen und geraden Linie. Um der Phiole noch einen Halt zu geben, steht eine senkrechte Säule in etwa vier Zoll Entfernung neben dem kleinen Rädchen. An dieser lässt sich ein messingener Arm in lothrechter Richtung verschieben. Dieser Arm trägt an seinem freien Ende eine stählerne Spitze, welche senkrecht über der Achse des kleinen Rädchens nach unten gerichtet ist, und in die Vertiefung eingelassen wird, die das Metallplättchen auf dem Propfen hat. Sobald diess geschehen, stellt man den Arm an der Säule durch eine Klemmschraube fest, und nun kann die Phiole um ihre lothrechte Achse gedreht werden. Die Phiole, aus weissem reinen Glase, ist am besten unten wie eine Halbkugel gestalteı und nach oben kegelförmig verjüngt. Die Seiten des Kegels sollten möglichst gerade sein. Der Durch- messer der Phiole beträgt zwei bis drei Zoll, ihre Länge sechs bis acht Zoll. Sie enthält ganz reine Seifenbrühe (”/, Drachme Seife auf 1°/, Loth Wasser), und wird entweder durch Sieden, wo alsdann im Anfang ein Ueberschuss von Wasser vorhanden sein muss, oder mittelst der Luftpumpe luftleer gemacht. Im letzten Fall wird sie, wenn die obige Menge Wasser und Seife darin ist, unter den Recipienten auf einen passenden Ring gestellt. An den durch die Stopfbüchse des Recipienten *) Der Apparat wurde bei dieser Gelegenheit vorgezeigt. 57 gehenden starken Draht ist ein auf die Phiole passender Propfen schwach angekittet. So bald die Luftverdünnung ihren höchsten Grad erreicht hat, drückt man den Draht herab, und verschliesst dadurch die Phiole, deren Mündung dem Propfen gegenüberstund. Nachher wird dieser Propfen noch mit Harz oder Siegellack überzogen. Nachdem noch oben und unten die vorhin beschriebenen Messing- platten angekittet sind, wird die Phiole geschüttelt, bis sich eine oder mehrere Querhäute aus Sei- fenbrühe in dem konischen Hals derselben gebildet haben. Man stellt sie nun so auf den viereckigen Zapfen der Achse des kleinen Rädchens, dass derselbe in das gleichgeformte Loch der an den Boden der Phiole gekitteten Messingplatte passt, und senkt die Spitze des Arms, wie oben gesagt, in die Vertiefung über dem Propfen herab. Dreht man nun, so begiebt sich die Seifenbrühe von der Mitte an den Rand. Die Häute stellen sich senkrecht zur Achse, und werden in ihrer Mitte immer dünner. Die dadurch im reflectirten Lichte entstehenden Farbenringe sind anfänglich nicht scharf begrenzt; bei längerem Drehen werden sie aber immer bestimmter, die Farben der zweiten und ersten Ordnung treten mit aller Pracht hervor, und nach einiger Zeit zeigt sich das Weiss dieser Ordnung in der Mitte der Ringe. Bald entsteht in dem Centrum desselben ein schwarzer Punkt, der sich bei fortwährendem Drehen zu einer schwarzen:, vollkommen scharf begrenzten Kreisfläche ausdehnt. Oft entsteht auch der schwarze Punkt in der Mitte von dem Gelb der ersten Ordnung, und breitet sich darin weit aus, ohne dass das Weiss merklich hervortritt. Auch ändert das Weiss der ersten Ordnung seine Farbe nicht merk- lich, wenn man die Blase in einer schiefern Lage betrachtet. Diese Erscheinungen führen zu der Vermuthung,, dass die Haut, welche als schwarzer Fleck erscheint, nur eine einzige Schichte von Atomen enthält, während die daran srenzenden dickeren Häute aus zwei, drei, vier und mehreren solchen Schichten bestehen. Natürlich kann nur an dem Rand der einfachen Schichte die Farbengrenze sehr scharf sein, indem die Differenz der Dicke im Verhältniss zur ganzen Dicke viel grösser ist beim Uebergang von einer auf zwei, drei Schich- ten, als z. B. beim Uebergang von zehn auf eilf oder zwölf Schichten. Sobald man aufhört zu drehen, so senken sich natürlich die an den Rand getriebenen Flüssig- keitstheilchen wieder nach der Mitte, und bilden im Anfang eine unebene Oberfläche, welche wie marmorirtes Papier die mannigfaltigsten Mischfarben zurückwirft. Nach und nach ordnen sich aber vermöge der Schwere die Flüssigkeitstheilchen wieder, die Haut wird in der Mitte am dicksten, und es bilden sich die Ringe nach. einer, der vorigen entgegengesetzten Richtung und Farbenreihe aus. Wenn der schwarze Kreis durch langes Drehen oder langes Warten sehr gross geworden ist, weil die Haut nur noch eine sehr geringe Menge Flüssigkeit enthält, so kann man nach aufhörendem Drehen eine Erscheinung sehen, welche die Richtigkeit der Theorie dieser Ringe, wie sie E. Wilde in neuerer Zeit dargestellt hat, bestätigt. Befindet sich nämlich der Apparat in der Nähe eines Fen- sters, so spiegelt sich auf dem ganz schwarzen Kreise das Fensterkreuz ab, und man sieht deutlich diejenigen Stellen des Schwarz heller, an welchen das Bild der erleuchteten Scheiben zurückgewor- fen wird. Es ist also der Gangunterschied der an der Vorder- und Hinterseite einer möglichst dünnen Schichte zurückgeworfenen Lichtwellen nicht eine halbe Wellenlänge, sondern es erscheint uns dieser Kreis nur desshalb dunkel, weil das reflectirte Licht sehr schwach ist, und man durch die Haut auch die dahinter liegenden Gegenstände sieht. Nach dem Entstehen sehr grosser schwarzer Kreise lösen sich bei dem Aufhören der Drehung 85 am Rande, wohin die Flüssigkeit gedrängt worden ist, einzelne Flüssigkeitsschichten ab, bilden oft kleine, einfarbige Kreise, und indem sie von verschiedener Dicke sind, entsteht dann zuweilen eine auf sehr niedliche Weise mit Kreischen der lebhaftesten Farben erster Ordnung besprenkelte schwarze Fläche. Alle diese Kreischen sind scharf begrenzt, bis sie sich mit einander zu einem grossen Kreise vereinigen, wo dann zuweilen, wenn die Haut in der Mitte nicht tief gesenkt ist, ein Kreis von einer einzigen, am häufigsten von der gelben oder weissen Farbe entsteht. Dieser farbige Kreis schwebt auf der dunkeln Haut, wie ein auf dünnes Glas gelegtes glänzendes Metallplättchen, und zeigt sich beim Schiefhalten der Flasche als sehr leicht verschiebbar. Wenn man homogenes Licht auf die durch Centrifugalkraft entstehende concave Flüssigkeitslinse fallen lässt, so zeigen sich die hellen und dunkeln Kreise ungemein schön und deutlich. 4. Hierauf hielt Oberlehrer Dellmann „über Luftelectricität‘‘ folgenden Vortrag : Der Gegenstand, über welchen einleitungsweise ein kurzer historischer Bericht erstattet werden soll, ist bereits zweimal in dieser Versammlung zur Sprache gekommen; 1842 in Mainz habe ich selbst, mich beziehend auf einige Abhandlungen in Poggendorff’s Annalen, ein neues Eleetrometer gezeigt, und 1844 hat Dr. Kohlrausch in Bremen einen Vortrag gehalten über „das Dellmann- sche Electrometer‘“ und Versuche damit angestellt. Dr. Kohlrausch hat das Instrument damals» laut des Berichts der Bremer Versammlung, dringend zum Gebrauche beim Experimentiren mit Elec- trieität von sehr geringer Spannung und den Physikern die Verbesserung desselben empfohlen. Im Jahre 1847 erschien die erste Abhandlung von Dr. Kohlrausch über „das Dellmann’sche Electrometer“ in Poggendorff’s Annalen. Seit dieser Zeit sind dieser Abhandlung noch acht andere von demselben Verfasser gefolgt, welche alle das in Rede stehende Instrument und dessen Anwendung namentlich zum Studium der Säule zum Gegenstand haben. Diese Abhandlungen gehören zum Besten, was die Literatur über Ele:trometrie aufzuweisen hat, ja sie übertreffen zum Theil alles Frühere bei Weitem. Die wichtigen Entdeckungen, welche Herr Kohlrausch mit dem Instrumente gemacht hat, sind den Physikern bekannt. Kirchhoff hat die Messungen von Kohlrausch be- nutzt, die Theorie der Säule auch durch mathematische Entwicklungen zu erweitern. Diese schönen Arbeiten ermunterten mich, den von mir verlassenen Gegenstand wieder aufzu- nehmen. Da Kohlrausch gezeigt hatte, wozu sich das Instrument besonders eigne, nämlich zum Studium der Electrieitäts-Quellen mit unendlichem Zufluss, also zum Studium der Säulenspannung und der Luftelectrieität, Kohlrausch aber den ersten Gegenstand mit ausgezeichnetem Erfolge zu bearbeiten angefangen, so entschloss ich mich, den andern Gegenstand vorzunehmen, die Luftelec- trieität. Muss man aber mit einem Messinstrument häufig beobachten, so erfordert dasselbe, will man durch zu grosse Arbeit nicht bald muthlos werden, Leichtigkeit in der Behandlung. Diess und auch noch die Erwägung, dass die Construktion, welche Kohlrausch demselben gegeben, zu schwierig in der Herstellung und Anwendung sei, um ihm eine weitere Verbreitung und damit eine grössere Benutzung für die Wissenschaft zu sichern, bewogen mich, erst eine zweckmässigere Con- struktion desselben zu suchen. Indem ich mit der Lösung dieser Aufgabe beschäftigt wär, erhielt ich vom Staate den Auftrag, die Beobachtungen über Luftelectrieität im Dienste des königl. preuss. meteorologischen Instituts zu machen, aber auch wo möglich den ganzen Apparat so einzurichten, dass er auf andern Stationen gleichfalls eingeführt werden könne. Beide Aufgaben sind als voll- kommen gelöst zu betrachten. Die Lösung der ersten, die Vereinfachung des Instruments, ist in einer 89 Abhandlung enthalten, welche in den nächsten Tagen die Presse verlassen wird. Die Lösung der zweiten Aufgabe wird in demselben Journal, Poggendorff ’s Annalen, nächstens in zwei Abhand- lungen erscheinen; die erste wird den Beobachtungs-Apparat beschreiben, die zweite wird die Beobachtungs-Resultate mittheilen und dieselben discutiren. Ueber diese Resultate hier noch einige Worte. Bekanntlich sind erst seit 1844 einigermassen genügende Beobachtungen der Art in Kew und Brüssel und seit 1850 in München gemacht worden; von diesen sind die Brüsseler und Münchener nach demselben Prinzip angestellt. Die von der Brüsseler Akademie gekrönte Preisschrift von Duprez weist klar nach, dass alle früheren Beobachtungen unzureichend sind, eine Einsicht in die Gesetzmässigkeit dieser Erscheinungen zu gewinnen, und dass Beobachtungen mit festen Sammel- Apparaten, wie ein solcher zuletzt noch von Dr. Romershausen empfohlen worden, wegen Man- gelhaftigkeit der Isolirung niemals die Garantie gewähren können, dass sie den wahren electrischen Zustand der Atmosphäre angeben. Die Brüsseler Beobachtungen aber leiden an dem bedeutenden Mangel, dass sie täglich nur einmal gemacht werden. Obgleich ich mich im Ganzen glaubte an die Brüsseler Beobachtungsweise anschliessen zu müssen, geboten doch die Verhältnisse mannigfache Abweichungen. Ich wollte jedenfalls mein eigenes Messinstrument benutzen, weil es eine noch grössere Genauigkeit der Messung versprach, als das Peltier’sche Eleetrometer. In Brüssel und München ist der Sammel-Apparat mit dem Messinstrument verbunden, und das Ganze wird auf ein Thürnchen des Observatoriums gebracht, dann wieder herunter getragen, und unten erfolgt die Messung. Mein Messinstrument ist in der Art nicht transportabel, und ein Thürmchen stand mir nicht zu Dienste. Meine Wohnung war entschieden ungünstig, da das gegenüberstehende und das zweit- anstossende Haus bedeutend höher sind. Nach einiger Ueberlegung wurde es für zweckmässig erach- tet, eine isolirte metallene Kugel zum Sammeln der Eleectrieität mittelst einer tannenen Stange in die Höhe zu bringen, oben mittelst eines Winkelhebels, welcher an die metallene Stütze der Kugel schlägt, und mit einem Drahte angezogen wird, zu laden, dann die Kugel herunter zu lassen und isolirt zum Messinstrument zu bringen. Durch einen Ueberträger wird die Electrieität der Kugel dem Messinstrumente mitgetheilt. Schönbein hat darauf hingedeutet, dass der Sauerstoff der Atmosphäre durch Sonnenlicht und Electrieität in den Ozon-Zustand übergehe, und die Wichtigkeit des Ozons für’s organische Leben ist schon mehrfach anerkannt. Quetelet deutet auf die auffallende Abnahme der Luftelectricität in den ersten sieben Monaten des Jahres 1849 hin und auf die gleichzeitige Erscheinung der Cholera in Belgien. Die Electricität, deren Wichtigkeit für das ganze Naturleben in dem Grade mehr aner- kannt wird, wie man sie mehr kennen lernt, wird auch als Luftelectrieität mehr Interesse gewinnen, wenn man sich bemüht, Licht über dieses bisher dunkle Gebiet zu verbreiten. Nach den Kreuznacher Beobachtungen, welche seit Mitte Januar d. J. regelmässig Morgens 6, Nachmittags 2 und Abends 10 Uhr, ausserdem aber so oft, als es die Verhältnisse des Beobachters gestatten, angestellt werden, haben bis jetzt folgende Resultate geliefert. Die Luft ist fast immer + electrisch, nur bei Regen, namentlich im Anfange desselben, fast immer — electrisch. Auch bei Annäherung eines Gewitters zeigt sich die Luft, selbst wenn das Gewitter noch ziemlich fern ist, -— electrisch. Nur selten, namentlich bei starkem NO, zeigt sie sich bei ziemlich heiterem Wetter — electrisch, sonst bei heiterem Wetter immer —+- electrisch. 12 9” Die Regentropfen sind beim Anfange eines Regens selbst oft electrisch, also nach dem Vorhergehen- den meist — electrisch. Die Lufteleetrieität ist Mitte Winter am stärksten, Mitte Sommer am schwächsten. Das Verhält- niss aber ist nicht so gross nach den bisherigen Kreuznacher Beobachtungen, als nach den Brüs- selern: nach mehrjährigen Brüsselern wie 13: 1, nach erstern wie 169,1: 114,1. Uebersicht. 6 Uhr M. 2 Uhr N. 10 Uhr A. Mittel. Januar 109,3 242,4 156,9 169,5 Februar 113,5 151,0 156,7 140,4 März 127,2 162,2 162,3 150,6 April 137,2 140,3 107,7 128,4 Mai 160,7 79,7 101,8 114,1 Juni 140,2 94,2 122,9 119,1 Juli 135,9 105,0 115,3 118,7 August 161,6 127,6 158,6 149,3 September 161,9 137,9 140,9 146,9 Die Einheit bei diesen Zahlen ist die Spannung eines Elementes einer Zink-Kupfer-Säule. Der Unterschied zwischen diesen Resultaten und den Brüsselern liegt also zum Theil darin, dass in Brüssel nur einmal täglich, Nachmittags 1 Uhr, beobachtet wurde; indess ist doch auch das Ver- hältuiss der 2 Uhr-Beobachtungen zu Kreuznach im Winter und Sommer nur ungefähr wie 3:1. Die Lufteleetrieität ist eine wirkliche Electrieität der Atmo&häre, wie Peltier pere behauptet, und nicht eine Erdelectrieität, wie Peltier fils meint. Nach des Letzteren ‚Ansicht müsste sich meine Kugel durch Mittheilung laden , sie müsste von der Erde aus durch den Beobachter und den Draht, mit welchem der Winkelhebel angezogen wird, nach oben in die Kugel strömen, was nicht der Fall ist. Die Kugel ladet sich durch Vertheilung, bringt also die entgegengesetzte Electricität der Atmosphäre herunter. Ueber den Ursprung der Luftelectrieität müssen länger fortgesetzte Beobach- tungen und neue Versuche Aufschlüsse geben. Die Lufteleetricität zeigt auch nach den Kreuznacher Beobachtungen ein zweifaches Maximum und Minimum täglich, und zwar das Maximum kurz nach Aufgang und Untergang der Sonne; über die Lage der täglichen niedrigsten Stände wage ich noch kein entschiedenes Urtheil. Bei stiller Luft ist, die Spannung der Luftelectrieität weit weniger variabel, als bei starker Luftströmung. Bei heiterem Himmel ist die Spannung derselben im Allgemeinen grösser, als bei bedecktem. Nebel erhöht die Spannung derselben. Ihre Spannung nimmt zu mit der Höhe. Nur die freie, nicht mit irdischen Gegenständen in Berührung gekommene Luft zeigt sich electrisch. Bei einem Brande am 17. September Abends, dessen Rauchsäule fast genau in. Bogenform ‚und langsam sich nach der Beobachtungsstelle hinzog, stieg die Spannung von 149 in wenigen Minuten bis auf 383; nach 17 Minuten war sie wieder bis 250,7 gesunken, sie stieg aber wieder ein, paar Mal nach neuem Aufflackern. sank dann wieder, bis sie 1 St. 32 Min. nach dem ersten Messen nur noch 120 war. Man wird also in einer Stadt, der vielen rauchenden Schornsteine wegen, keine eleetrischen Beobachtungen machen dürfen. 9 Ouetelet hat auf den Zusammenhang zwischen Lufteleetrieität und Luftdruck hingewiesen; derselbe möchte sich leicht aus dem Zusammenhang zwischen Luftdruck und Himmelsbedeekung erklären lassen. 5. Professor Müller spricht über einen Apparat, welcher dazu dient, um das Freiwerden der Wärme beim Erstarren des Wassers zu zeigen. Bei einem Kryophor beobachtet man, dass beim’ Eintauchen der einen Kugel in eine Kältemischung das Erstarren in der andern nicht allmählig, sondern plötzlich erfolgt, woraus sich schliessen lässt, dass das Wasser vor dem Erstärren unter 0° erkaltet war. Bringt man nun ein Thermometer in diese Kugel, so muss beim Versuch allmählig das Thermometer unter Null sinken, und beim Erstarren wieder auf Null steigen. In der That gelingt der Versuch vollkommen. Ein solches Kryophor ist aber schwierig herzustellen und sehr zerbrechlich. Man kann desshalb auch eine einzige Kugel mit entsprechend langer Glasröhre anwenden, in welcher ein Therinometer angebracht ist, dessen Gefäss in das Wasser der Kugel eintaucht; ist der Apparat gehörig luftleer, und taucht man die Kugel in eine Kältemischung von 6—8°, so sieht man das Thermometer ebenfalls bis auf 4—5° unter Null sinken, und dann beim Erstarren bis auf Null wie- der steigen. Der Versuch wurde mit dem gewünschten Erfolg angestellt, misslang jedoch, als das Instrument in eine Kältemischung von 15° unter Null getaucht wurde, weil hier die Erstarrung schon an den Wänden des Gefässes eintrat, ehe die ganze Wassermasse die Temperatur des Gefrierpunkts angenommen hatte. i Daran knüpfte Professor Müller einige Bemerkungen über Hagelbildung. Er theilte mit, dass bereits vor mehreren Jahren Herr Vogel aus Frankfurt a.M. brieflich ihm die Ansicht mitgetheilt habe, dass wohl auch der Bläschendampf der Wolken unter den Nullpunkt erkalten könne, ohne dass das Wasser erstarre, und dann auf einmal eine massenhafte Eisbildung stattfinden könne, wenn ein Graupelkorn durch eine solche Wolke herabfalle. Dieselbe Ansicht habe kürzlich auch Nöllner in Homburg in einem Briefe an ihn ausgesprochen. Professor Müller theilt auch eine Beobachtung mit, welche sehr zu Gunsten jener Ansicht spricht. Im Winter 1844 auf 45 fiel nach langem Thauwetter zu Freiburg ein Regen, welcher alle Steine mit Eis überzog. Ja, ein aus einem warmen Zimmer genommener Regenschirm wurde in kurzer Zeit mit einer dieken durchsichtigen Eisschichte überzogen. Offenbar waren die Regentropfen unter 0° erkaltet, und erstarrten beim Auffallen. 6. Assistent Langsdorf verbreitete sich „über die electrische Leitungsfähigkeit des Silbers“ in folgendem Vortrage : ' Die Hauptschwierigkeit, an welcher bis jetzt der Versuch, die Angaben verschiedener Physiker über den Rlectrieitätsleitungswiderstand der Metalle mit einander zu vergleichen, gescheitert ist, be- steht in dem Mangel eines festen, überall leicht zugänglichen Normalmaasses. Obgleich es dem Wesen der Sache nach keinen Unterschied macht, ob man sich als Grundlage zur Messung ‚elecirischer Leitungswiderstände eines bestimmten Drahts bedient, von dem genaue Copieen zu erhalten sind, oder ob man einen. Draht von bestimmtem Metall in einem bestimmten Zustand der Atomlagerung hierzu verwendet, so hat doch ein Anhalt der letztern Art den Vorzug grösserer Unveränderlichkeit und Zugänglichkeit. . Wenn hiernach der Normal-Etalon von Jakobi für den Verkehr von Akademien jedenfalls ein 122 92 bedeutendes Erleichterungsmittel des gegenseitigen Verkehrs darbietet, so scheint es dennoch wün- schenswerth, ihn durch ein natürliches, d. h. überall leicht darstellbares Maass zu ersetzen. Das Bestreben, ein solches Maass aufzufinden, war für mich die Veranlassung zu einer Arbeit, welche‘mich zu einigen Resultaten geführt hat, die mir allgemeineres Interesse darzubieten scheinen, und die ich mir daher erlaube, Ihnen in Folgendem vorzulegen. Die Metalle, von welchen man bis jetzt als Einheiten für den electrischen Leitungswiderstand ausgegangen ist, sind chemisch reines Kupfer und Silber, letzteres im geglühten Zustande. Die Ver- suche von Riess und Lenz beziehen sich auf ersteres, während der jüngere Becquerel das ge- glühte Silber vorzieht. Das Silber scheint unter allen Metallen durch seine leichte Darstellbarkeit in chemisch reinem Zustande, durch seine Leichtschmelzbarkeit und die Eigenschaft, sich selbst in der Glühhitze nicht zu oxydiren, vorzugsweise dazu geeignet, für den galvanischen Leitungswiderstand als Maass zu dienen. Dass das Glühen den Leitungswiderstand des Silbers vermindert, hat bereits Becquerel der Jüngere bemerkt und für das Verhältniss der Leitungswiderstände des geglühten zum ungeglühten Silberdraht den Werth an gefunden, Ich bin jedoch zu dem Resultat gelangt, dass eine bestimmte Verhältnisszahl für die Leitungswiderstände des Silbers in diesen beiden Zuständen sich um desshalb nicht angeben lässt, weil man es einerseits ganz in der Hand hat, durch fortgesetztes ‚Ziehen den Leitungswiderstand des Silberdrahts bis auf verschiedene Höhepunkte zu treiben, und andererseits für das Glühen ganz bestimmte Vorschriften gegeben werden müssen, wenn man einen Draht von unveränderlicher Beschaffenheit erhalten will. Ehe ich jedoch diess näher ausführe, liegt es mir ob, Ihnen meine Instrumente und meine Beobachtungsart in wenigen Worten darzulegen. Es waren diess ein Stromregulator mit Argentan- draht bezogen mit zwei Rollen, wovon die eine mit Messung umhüllt die beliebige Verkürzung des Drahts gestattete, während auf der andern das einzuschaltende Drahtstück isolirt aufgewickelt, und so der Strom nach Belieben regulirt werden konnte. Die Magnetnadel der Tangentenboussole ist an einem Coconfaden aufgehängt und daher sehr empfindlich; die Theilung gestattet noch die Ablesung von Zwanzigstel-Graden. Meine Beobachtungsmanier war die, dass zuerst die Drähte, deren Leitungswiderstand bestimmt werden sollte, auf eine Holzrolle aufgewickelt, bei Ausschluss des Regulators eingeschaltet, der Aus- schlagwinkel beobachtet und nun nach Ausschluss des Drahtes so viel Regulatordraht eingeschoben wurde, dass wieder derselbe Ausschlag entstand. Mein Bestreben bei der Darstellung des Silberdrahts ging vor Allem dahin, die gewaltsame Ver- dichtung, welche mit dem Ziehen verbunden ist, durch wiederholtes Glühen möglichst aufzuheben, und eine natürliche Gruppirung der Atome zu ermöglichen. Einen Draht von ganz bestimmtem Leitungswiderstande erhielt ich durch folgendes Verfahren: Nachdem ich mich der vollkommenen Cohäsion der Silbermasse durch mehrmaliges Umschmelzen des aus chemisch reinem Chlorsilber erhaltenen Regulus versichert hatte, wurde das in die Form ausgegossene Silber zu einem Draht ausgeschmiedet. Gewöhnlich ist bei den ersten Durchzügen öfteres Glühen schon des leichteren Ziehens wegen unerlässlich. Hat der Draht durch öfteres Ziehen eine solche Dicke erlangt, dass man ihn, ohne ihm zu schaden, auf eine Rolle wickeln kann, so 93 geschieht letzteres öfters, um den abgestreiften Ring in einem Kohlenfeuer gleichmässig zu glühen. Hat er eine schwache Rothglühhitze erlangt, so wird er allemal möglichst schnell in kaltem Wasser abgeschreckt. . Je mehr man sich der Oeffnung nähert, durch welche der Draht zuletzt gezogen werden soll, um so öfter glüht man ihn; vor dem zweitletzten Durchzuge 3— 6 mal hinter einander. Dann wird er zweimal durchgezogen, und zum Beschluss wieder 5—6mal recht gleichmässig geglüht und abgeschreckt. Eine sichere Kontrolle, um sich zu überzeugen, ob ein öfters geglühter Draht in seinem Zusam- menhang nicht nothgelitten hat, welche übrigens bei der so eben vorgeschriebenen Behandlungsweise ganz überflüssig ist, besteht darin, ein Stück des Drahtes durch die folgende Oeffnung des Zieheisens zu ziehen. Etwaige rissige Beschaffenheit zeigt sich dann sofort dadurch, dass der Draht in kleine Stücke berstet. Der so behandelte Draht, mag er nun so dick oder so dünn sein, als er will, zeigt stets denselben unveränderlichen Leitungswiderstand. Weiteres Glühen hat keinen Einfluss mehr auf ihn, insofern nicht durch entstehende Risse die Integrität des Drahts beeinträchtigt wird. Die Einfachheit dieses Resultats lässt es auf den ersten Anblick unbegreiflich erscheinen, . dass man nicht schon längst zu demselben gelangt ist. Die Sache verhält sich jedoch ganz anders, wenn man die Schwierigkeiten näher kennt, welche mit der Darstellung eines wohlgeglühten Silberdrahts verbunden sind, wenn man einen andern, als gerade den oben vorgezeichneten Weg einschläst. Schon im Aeussern zeigt sich zwischen Silberdraht, der oft hinter einander gezogen und solchem, der zwischen den einzelnen Zügen geglüht worden ist, ein bedeutender Unterschied. Die auf der vor Ihnen stehenden Rolle aufgewickelten Proben werden Ihnen diess am besten zeigen. Die beiden matten Drähte sind beide nahezu im geglühten Normalzustande befindlich. Drückt die Zahl 1000 den Leitungswiderstand aus, welcher sich als Mittelwerth von zehn verschiedenen ausgeglühten Drähten herausgestellt hat, so beträgt der Leitungswiderstand des dickeren 992, wäh- rend die Zahl 1007 dem Leitungswiderstand des dünneren entspricht. Diese beiden Drähte repräsen- tiren zugleich die grössten Abweichungen, in positivem und negativem Sinne, welche überhaupt bei der obigen Behandlungsart vorkommen, so dass die äussersten Grenzen der Abweichung eines be- liebigen Normaldrahts von dem wahren Mittelwerth + „t, betragen. Durch Anwendung mehrerer Drähte lässt sich natürlich der wahre Mittelwerth bis zu einem beliebigen Grad der. Genauigkeit bestimmen. Um Ihnen den Gang anschaulich zu machen, welchen der Leitungswiderstand eines Drahtes zu nehmen pflegt, der im Allgemeinen nach der obigen Vorschrift behandelt worden ist, den man aber, anstatt ihn nach dem letzten Durchzug noch 3--Amal zu glühen, durch ebensoviele successive Oeff- nungen gezogen hat, erlaube ich mir, Ihre Aufmerksamkeit auf die obere Curve*) dieser Tafel zu lenken. Die Anzahl der Glühungen ist dabei immer als Abscisse eingetragen, während die Leitungs- widerstände die Ordinaten repräsentiren. Wir sehen, wie der Leitungswiderstand bei den ersten *) Der Redner hatte die beiden erwähnten Curven auf einer Wandtafel verzeichnet. 94 Glühungen rasch abnimmt, um sich nach 18—20 Glühungen auf einen nahezu unveränderlichen Betrag festzustellen, indem nahezu zwanzig weitere Glühungen keine wesentlichen Veränderungen! mehr hervorbringen. Der so eben betrachtete Draht war, wie oben angegeben, anfangs immer zwischen einer gewissen Anzahl von Durchzügen wieder einmal geglüht und abgeschreckt und. dadurch allemal in den ge- schmeidigen Zustand zurückversetzt worden, der durch die letzten Ziehungen wieder verloren ging. Zieht man dagegen einen Draht beständig fort, so wird er sehr hart und glänzend, und: verhält sich dann beim Glühen hinsichtlich seines Leitungswiderstandes so, wie die untere Fig. der Tabelle graphisch darstellt. Nach den ersten I—2 Glühungen steigt nämlich der Leitungswiderstand sehr be- deutend. Einen charakteristischen Fall der Art repräsentirt die untere Curve, bei welcher der Höhen- maassstab ungefähr dreimal kleiner ist, als bei Fig. 1. Bei fortgesetztem Glühen nimmt der Leitungswiderstand wieder ab, und sinkt bis zu. einem‘ ge- wissen Punkte. Glüht man so lange fort, bis der Leitungswiderstand nicht mehr abnimmt, und. unter- sucht dann den Draht näher, so zeigt derselbe durch seine ganze Masse, eine concentrische. krystal- linische Struktur. Man bemerkt hier und. da kleine Risschen, und bei dem Versuch, : den Draht nochmals durchzuziehen, erhält man vor dem Zieheisen nichts, wie kurze (etwa zolllange) Bruchstücke. Dieser Uebelstand zeigt sich in um so höherem Grade, je dicker der Draht war, und je dichter man,ihn gezogen hatte. Um daher auch bei starker anfänglicher Verdichtung einen dieken Draht zu. erhalten, der gleich- wohl so viele Glühungen vertragen kann, als nöthig sind, um ihn in den normalen Zustand zu ver- setzen, darf man das Glühen nur bis zu einem gewissen Punkt fortsetzen, und dann: wieder einige Durehzüge damit vornehmen. Dies ist in dem Fall, welchen. Fig.; 2 repräsentirt, wirklich geschehen. Der weitere Gang der Abnahme des Leitungswiderstandes bei fortgesetztem Glühen ist nun der, wie ihn bereits Fig. 1 zeigt, die man daher als Fortsetzung von Fig. 2 betrachten kann. Eine sichere Kontrolle, um sich zu überzeugen, ob ein öfters geglühter Draht in seinem Zusam- menhang nicht nothgelitten hat, welche übrigens bei der oben. vorgeschriebenen Behandlung ganz über- flüssig ist, besteht darin, ein Stück des Drahts durch die folgende Oeffnung des Zieheisens zu ziehen. Etwaige rissige. Beschaffenheit zeigt sich dann sofort dadurch, dass der Draht in kleine Stücke bricht. Es bedarf wohl keiner Erwähnung, dass in diesem ganzen Verhalten des chemisch reinen Silberdrahts die Begründung des oben angegebenen Verfahrens zur Darstellung eines vollkommen aus- geglühten Drahts liest, indem es darauf ankommt, gleich anfangs durch häufiges Glühen den Draht, locker und geschmeidig zu erhalten. Was das speeifische Gewicht des ausgeglühten Silberdrahtes beiriflt, so habe. ich durch genaue Wägungen gefunden, dass bei 3—6maligem 6Glühen -von. Silberdraht: über der Spirituslampe und nachherigem Abschrecken Drähte von den verschiedensten Dimensionen und. specifischen Gewichten stets dasselbe specifische Endgewicht,, nämlich 10,429, erhielten. Es ergiebt sich hieraus eine weitere grosse Bequemlichkeit bei der Anwendung von ausgeglüh- tem Silberdraht als Normalmaass. Man braucht nämlich, um Drähte von verschiedenem Durchmesser auf denselben Querschnitt zu reduciren. bloss das Gewicht der Einheitslänge (z. B. des Meters) mit dem Leitungswiderstand der Einheitslänge zu vervielfachen. 9 ich erlaube mir nun noch, Ihnen zum Schluss folgendes Resume meiner Untersuchung zu übergeben‘: 1) Der Leitungswiderstand eines Silberdrahts 'sinkt durch 'wiederholtes Glühen stets auf ein absolutes Minintum, das vön der Dicke des Drahts unabhängig ist. Dieses gilt jedoch nur insofern, als man (dafür gesorgt hat, dass der Draht vollkommen geschmeidig geblieben ist. und nirgends Risse bekommen hat. 2) Die Entstehung von Rissen beim Glühen lässt sich dadurch vermeiden, dass man zwischen je drei bis vier Glühungen den Draht ein bis zweimal durchzieht. 3) Ein $Silberdraht wird durch fortgesetztes Glühen über die erwähnten Grenzen um so eher brüchig, je dicker er ist. 4) Ein ungeglüht durch viele Oeffnungen gezogener Silberdraht erhält durch die ersten Glühungen einen bedeutend vergrösserten Leitungswiderstand, der aber bei fortgesetztem Glühen sich wieder vermindert. Die anfängliche Vergrösserung des Leitungswiderstandes ist um so bedeutender, je dicker und je dichter der Draht war. Hierzu kommen noch folgende Wahrnehmungen : Bei einem nahe im Normalzustand befindlichen Silberdraht wird die durch mehrere Durchzüge bewirkte Vergrösserung des Leitungswiderstandes schon durch ein bis zwei Glühungen wieder auf- gehsben , und endlich: Ein einmaliges Ziehen bewirkt bei einem im Normalzustand befindlichen Silberdrahte nur eine sehr geringe Vergrösserung des Leitungswiderstandes. Es dürfte wohl keinem Zweifel unterworfen sein, dass für andere Metalle, z. B. Kupfer, ganz ähnliche Verhältnisse stattfinden, und dadurch namentlich die jetzt vorhandenen Untersuchungen über den Leitungswiderstand der Metalle bei höherer Temperatur noch bedeutender Modifikationen fähig sein. 7. Endlich gab noch Professor Müller eine kurze Nachricht über einen von Professor Nör- renberg in Tübingen ausgeführten, ungemein einfachen Versuch, welcher beweist, dass die Richtung der Schwingungen des durch eine Turmalinplatte polarisirten Lichtes mit der optischen Axe des Turmalins zusammenfällt. Dritte Sitzung. Donnerstag den ‚23. September. 1. Die, Sitzung wurde. mit nachstehendem Vortrage. „über Formeltafeln überhaupt und über eine Tafel: von allgemeinen Formeln für die Krystallographie insbesondere“ von Schulvaih Müller eröffnet: Wir sind es im Gebiete der Mathematik längst gewohnt, dass, wo ein häufiger (rebrauch von einer und derselben Function beliebiger‘ Zahlen stattfindet, Einer die Arbeit über sich ninimt, für alle auf einander folgenden Zahlen diese Function zu berechnen, und. die Resultate für den Gebrauch zusammenzustellen. Eine solche Tafel ein für allemal berechneter Werthe ist um so willkommener, mit je mehr ‚Schwierigkeit und Zeitaufwand ‚die sorgfältige Berechnung jedes Sonderwerthes verbunden ist. Ja wir können sagen, dass ein grosser ‚Theil unserer Fortschritte in der Mathematik auf der 96 Vorausberechnung solcher Tafeln beruht. Diese sind daher fast so alt, als die Wissenschaft, und haben sich mit jedem weiteren Vordringen theils vervollkommnet, theils bedeutend vermehrt. Weit später hat sich noch ein anderes jenem ähnliches Bedürfniss gezeigt. Es sind nämlich in den verschiedenen Zweigen der Wissenschaft die allgemeinen Beziehungen zu einer solchen Zahl angewachsen, dass das Gedächtniss des Einzelnen nicht mehr im Stande ist, sie zu behalten und zu rechter Zeit zum Gebrauche vorräthig zu haben. Die meisten derselben sind in den verschieden- sten Werken zerstreut, und Jeder wird es an sich selbst erfahren haben, wie lange er bisweilen in seinen eigenen Büchern suchen musste, um das wiederzufinden, was er im Augenblicke für seine Zwecke brauchte. Weit grösser ist aber noch der Uebelstand, dass die eigene Bibliothek im Allge- meinen ja nur einen kleinen Theil des zu Tage geförderten Materials enthält, und dass der gesammte Schatz des Gefundenen nur äusserst wenigen Mathematikern zugänglich ist. Wie vieles längst Ermit- telte wird aus diesem Grunde wieder auf’s Neue aufgesucht — und wie viel Zeit und Kraft, die auf Neues und aus dem Vorlandenen uud vergraben Liegenden Hervorgehendes verwendet werden könnte, seht dabei ohne Nutzen für die Wissenschaft verloren. Diesem Mangel ist bis jetzt nur noch zu einem sehr kleinen Theile abgeholfen worden, wovon die Gründe nahe genug liegen. Es reicht, bei sehr umfassenden Kenntnissen, zu einem solchen Unter- nehmen kaum noch ein Menschenleben aus; und wer hierzu vielleicht den Muth und die Geduld be- sässe, der befindet sich nicht in der gewiss seltenen Lage, das erforderliche Material zur Verfügung zu haben, und in der Unabhängigkeit, seine ganze Zeit hierauf verwenden zu können. — Für die Geometrie und Trigonometrie besitzen wir bekanntlich eine derartige Formelsammlung von Ad. Burg. Integraltafeln sind vor längerer Zeit von Meier Hirsch gegeben worden. Eine umfassendere geordnete Sammlung hat früher Fr. X. Moth herauszugeben beabsichtigt, allein das Unternehmen scheint leider nicht zu Stande gekommen zu sein. — Ich führe noch beiläufig an, dass wir z. B. bis zu diesem Augenblick noch nicht einmal eine geordnete und übersichtliche Zusammenstellung aller bis jetzt bekannten Eigenschaften der Kegelschnitte besitzen, obwohl diese Curven auch für die angewandte Mathematik von so grosser Wichtigkeit sind. Ich habe mir erlaubt, diesen Gegenstand hier zur Sprache zu bringen, weil mir Versammlungen, wie die unsrigen, besonders dazu geeignet zu sein scheinen, solche, wie ich glaube, dringenden Bedürfnisse in's Auge zu fassen, und zu deren Befriedigung anzuregen und mitzuwirken. Wir haben ein Beispiel an England, wo in ähnlichen Vereinen Unternehmungen zu Stande gekommen sind, welche der Einzelne schwerlich jemals in Gang gebracht hätte. Was ich eben im Grossen bemerkt habe, das findet seine Anwendung auch in engern Kreisen, namentlich da, wo die Mathematik als Hilfswissenschaft erscheint. Hier ist demjenigen, der ihrer augen- blicklich bedarf, während ihn gerade andere Dinge vollständig in Anspruch nehmen, oft selbst eine kleine Erleichterung und die Ersparniss einer Zwischenuntersuchung willkommen, sobald er nur das Gewünschte leicht und sicher auffinden kann. Einige krystallographische Bestimmungen, die mir vor längerer Zeit vorkamen, regten diesen Gedanken auf’s Neue bei mir an, und veranlassten mich, das gerade für diesen Zweck Gebrauchte mir zu verallgemeinern und zu vervollständigen, um für ähnliche Fälle das Erforderliche gleich in Bereitschaft zu haben. So wurde ich gleichsam von selbst darauf geführt, für en ganz beliebiges Parallelepipedon, sowie für dessen Gegenkörper das Okta@der, mir die gegenseitige Abhängiekeit 97 der Lagen und Grössen der verschiedenen Axen, sowie der Diagonalflächen gegen einander durch Gleichungen in einer gewissen Vollständigkeit zusammenzustellen, gehörig zu ordnen und mir das Ganze als Parallelepipedometrie zu bezeichnen, da ja auch’ die hier allein zulässigen Okta@der zu den Parallelepipeden gehören. Es versteht sich von selbst, dass hier unter den Diagonalflächen der obigen Gestalten auch die sechseckigen mit einbegriffen sind, welche je 6 Kanten des Parallel- epipedons gleichzeitig halbiren, indem somit auch das hexagonale System in den Kreis der Unter- suchung eintritt. Die verehrte Versammlung hat nicht zu fürchten, dass ich sie mit einer Reihe von Formeln behelligen werde, deren Mittheilung hier sehr am unrechten Orte wäre. Es ist vielmehr bloss meine Absicht, einige Andeutungen über den von mir eingeschlagenen Weg zu geben, und im Fall die Arbeit der Veröffentlichung werth erscheinen sollte, hierüber noch weitere Belehrung zu empfangen. Da der Untersuchung ein ganz beliebiges Parallelepipedon zu Grunde gelegt ist, so gelten die entwickelten Formeln für alle Krystallsysteme. Man hat alsdann für jedes besondere System den Be- stimmungsstücken nur die entsprechenden Werthe beizulegen, um durch eine leichte Umformung das Gesuchte zu erhalten. Diess gewährt den Vortheil, dass das Ganze sich in einen verhältnismässig engen Raum zusammen drängen lässt, und hierdurch das Aufsuchen des Verlangten zugleich sehr erleichtert wird. Vor Allem scheint mir die Brauchbarkeit einer solchen Sammlung von der Bezeichnung der dabei vorkommenden Stücke abzuhängen. Gelingt es nicht, solche Zeichen aufzufinden, welche der Mineralog leicht und sicher verstehen und behalten kann, ohne immer wieder nach der zu Grunde gelegten Gestalt hinsehen zu müssen: so dürfte für ihn eine solche Formeltafel fast werthlos bleiben, weil er dann schon viel Zeit verlöre, bevor er sich in den Gleichungen zurecht fände. Ich habe daher allen Fleiss auf die Erreichung dieses nächsten Zieles verwendet, und erlaube mir, gerade diese hier mitzutheilen, damit ich vielleicht hierüber ein Urtheil vernehme. Soll ein Zeichen, wo es ihrer viele giebt, leicht verständlich und doch . sein, SO muss seine Hauptcharakteristik auch ohne Figur dem Auge sichtbar werden, sobald man nur die 6rund- bezeichnung der Gestalt sicher inne hat. Es wird hierbei schon viel gewonnen, wenn wir consequent. die kleinen deutschen Buchstaben für Punkte, die kleinen lateinischen für Linien, und die grossen lateinischen für Flächen verwenden, indem dann der Leser schon aus der Gattung jedes Buchstaben die Art der Grössen erkennt, auf an sie sich beziehen. N Für Winkel, Kreuzungen, Neigungen, Flächenwinkel (Kanten der Mineralogen) neue Symbole einzuführen, ist, wenn deren viele vorkommen, sehr misslich, weil damit das Gedächtniss ohne Noth belastet wird, und zugleich das innere Verständniss der ganzen Gestalt verloren geht. Weit einfacher und natürlicher erscheint es, jene Lagengrössen durch Nebeneinanderstellung derjenigen Linien oder Flächen auszudrücken, durch welche sie bestimmt sind. Dadurch wird zwar das Symbol com- plieirter, allein es kommt nach meiner Ansicht gar nicht darauf an, wie einfach und kurz ein solches erscheine, sondern wie leicht verständlich dasselbe sei, und in welchem Grade es den Leser einer Formel in den Stand setze, deren Bedeutung unabhängig von der Figur zu erkennen. Aus diesem Grunde wird es auch zweckmässig sein, für Grössen, welche einer und derselben Gruppe angehören, stets denselben: Buchstaben zu gebrauchen, und die Grössen selbst so durch 13 98 Marken zu unterscheiden, dass diese wiederum dem Wesen der Gestalt entnommen sind, und daher über ihre Bedeutung nie in Zweifel lassen. Endlich ist es noch nöthig, alle Formeln auf eine solche Gestalt zu beziehen, in welcher Alles, wovon man ausgeht, positive Werthe der Winkelfunctionen giebt, so dass in der Normalfigur nur spitzige Winkel und Flächenwinkel vorkommen. Mit Rücksicht hierauf sind, wobei ich mich der Kürze halber auf das sechsflächige Parallelepi- pedon beschränke, die zunächst in Betracht kommenden Stücke in folgender Weise bezeichnet worden. Die die Normalecke einschliessenden Flächen des Parallelepipedons sind A’, B‘, C’, und ihre Ge- genflächen A”, B“, C”; die durch .A’B/C/, A/B/C“, A‘B“C/, A“B‘C’ bestimmten Scheitel sind DATE, bir inielns und die diesen gegenüberliegenden Scheitel d“ r AR ph“ ; a ; so dass d/a‘, db‘, d/c‘ die Kanten der Normalecke sind. Die Bezeichnung der Flächenwinkel des Parallelepipedons ergiebt sich nach dem -Obigen von selbst, indem die der Normalecke B‘C’, C’A’, A'B‘ sind u. s. w. Das Parallelepipedon hat bekanntlich drei Flächenaxen, vier Eckenaxen und sechs Kanten- axen, welche sämmtlich im Schwerpunkt des Körpers halbirt werden. Von den Flächenaxen, welche durch die Schwerpunkte je zweier Gegenflächen AAN, B'B", cc" sehen, und den drei Zonen des Parallelepipedons parallel und gleich sind, werden darnach die Hälf- ten mit a, b, c, ferner die Hälften der vier Eckenaxen sämmtlich, um an die Ecke zu erinnern, mit e bezeichnet, und je nachdem sie durch die Scheitel Don ER2T pH“ r ala gehen, mit den Zeigern versehen, was die Zeichen $ & ze ,„ En , Eau giebt. Die Hälften der sechs Kantenaxen endlich sind, um an die Kanten zu erinnern, sämmtlich mit k zu bezeichnen. Da .diese einzeln den Diagonalen in den Flächen des Parallelepipedon parallel und gleich sind, so müssen sie zu Zeigern die entsprechenden Flächen erhalten. Es gehören aber jeder solchen Fläche zwei verschiedene Diagonalen an. Desshalb muss man noch diejenigen, welche durch den Scheitel der Normalecke gehen, als die ersten mit einem Striche, die drei andern aber mit zwei Strichen bezeichnen. Dies giebt kKu,klı, ku, ki, ke, k'%, Wie wir im Parallelepipedon dreierlei Axen unterscheiden, ebenso giebt es darin dreierlei Diago- nalflächen, nämlich 8 dreieckige, 6 viereckige und 4 :sechseckige. ; : Von den dreieckigen sind je zwei einander parallel und congruent. Sie entsprechen den Ecken des Parallelepipedons , werden daher alle mit E bezeichnet, und durch die den Ecken zukommenden Buchstaben unterschieden Ey, Evo, Eu, Eu, Ey, Es, Eu, Ear. 99 Die vier mit diesen paarweise parallelen Sechsecke können durch Fr , Fe , Fo, Fu ausgedrückt werden. Die 6 viereckigen Flächen entsprechen den Kanten oder Flächenaxen des Parallelepipedons, sind also nach diesem mit K zu bezeichnen, und müssen noch, je nachdem sie durch die Kanten der Normalecke gehen oder nicht gehen, einmal oder zweimal bestrichen werden. Darnach erhält man die Symbole Ki e K’, a K' ä K’, 5 K’. e K”.. Dies wäre demnach in den Grundzügen die hier anzuwendende Symbolik, die mir bis jetzt am entsprechendsten erschienen ist, und die den oben gemachten Ansprüchen an eine solche genügen dürfte, weil sie verständlich ist, sobald man sich nur die Bezeichnung der Scheitel und Flächen des Parallelepipedons gemerkt hat. Es kämen sonach in Betracht: dreierlei Arten von Axen, ausser den Hauptflächen dreierlei Ar- ten von Nebenflächen, ferner die Winkel, unter welchen erstens die Axen jeder Gattung einzeln, zwei- tens je eine Axe der einen Gattung je eine einer andern Gattung, sowie die Flächenwinkel, unter welchen erstens die Flächen jeder Gattung einzeln, zweitens je eine Fläche der einen Gattung je eine der andern einander schneiden; endlich noch die Neigungen der verschiedenen Axen gegen die verschiedenen Flächen. Hierfür nun wären die Gesetze der Abhäneiskeit dieser Stücke in geordneter Weise und. ohne Angabe der Berechnungsweise zusammenzustellen, wenn sie für den Ausübenden wirklich brauchbar sein sollen. Wie man für die Combinationen zu verfahren habe, muss ich hier, um nicht zu ermüden, über- gehen. Eine sehr allgemeine Formel für die Flächenwinkel, unter welchen zwei combinirte Flächen einander schneiden, habe ich vor einiger Zeit in Poggendorff’s Annalen (CXXXIV, S. 539 ff.) mitgetheilt. Täusche ich mieh nicht, so wird eine in solcher Vollständigkeit entworfene Formeltafel noch Veranlassung zur Untersuchung von Beziehungen geben, die bisher unbeachtet geblieben, und doch für die Krystallographie von Wichtigkeit sind. 2. Dr. Fliedner erwähnt zuerst kurz seine bereits in Poggendorff’s Annalen Band 85 be- kannt gemachten Beobachtungen zur Theorie des Sehens, und theilt dann weitere Versuche mit, die jene ersten bestätigen und ergänzen. Er macht auf die Strahlengestalt der Sterne und überhaupt leuch- tender Punkte, sowie auf andere damit zusammenhängende Erscheinungen aufmerksam, und beschreibt insbesondere die Erscheinungen an seiner „Durchmesserscheibe“. Er schliesst daraus, dass die von einem Lichtpunkt in’s Auge fallenden Strahlen nicht nach einem einzigen Punkte zu gebro- chen werden, dass vielmehr jedem durch die Pupille gehenden Durchschnitt des Auges eine besondere Brennweite entspricht, also die bezüglichen Brennpunkte eine „Brennstrecke“ bilden, welche je nach der Entfernung des leuchtenden Punktes hinter oder vor die Netzhaut fällt, oder von ihr durch- schnitten wird. Er deutet sodann an, dass sich alle sogenannten Irradiationserscheinungen auf die Lichtzerstreuung im Auge zurückführen lassen, und dass die seither angenommene und besonders von Plateau vertretene Theorie derselben auf mangelhafter Beobachtung und unrichtigen Schlüssen be- zuhe, in welcher Beziehung er auf eine demnächst in Poggendorff’s Annalen erscheinende Fort- 13 * 100 setzung des obigen Aufsatzes verweist. Daran knüpft er die Mittheilung von Beobachtungen über Farbenerscheinungen, welche in dem Nichtachromatismus des Auges ihren Grund haben, und die oben angedeutete Theorie des Sehens bestätigen, und erwähnt schliesslich die Anwendbarkeit seiner Durch- messerscheibe für ein Optometer. 3. Professor Heintz hält einen Vortrag über die mögliche Ursache des Festwerdens der Glau- bersalzlösung beim Umrühren, welchen derselbe mit Versuchen begleitete. 4. Reallehrer Schübler machte eine Mittheilung über ein neues Verfahren der Daguerreotypie des Herrn Stewart, der die Schnelligkeit des Verfahrens zur Darstellung der Bilder auf Glas so- weit vervollkommnet hat, dass sogar bewegte Gegenstände abgebildet werden können. 5. Professor Schröder hält schliesslich „über eine optische Inversion mit freiem Auge‘ fol- genden Vortrag: Wenn man sich im Anblick einer hohlen Matrize eines Kopfes oder einer Figur, wie sie zur Dar- stellung von Basreliefs benutzt werden, eine Zeit lang versenkt, so geht sie für die Wahrnehmung in das Basrelief, in die Patrize über. Es gelingt diess jedoch nur, wenn die Matrize, sei es in Gyps, Wachs oder sonst einem Material in gehörige Entfernung vom Auge gehalten wird, und um so besser und leichter, je feiner sie ausgeführt ist. Es gelingt auch nur bei solchen Formen, welche Köpfe, menschliche Figuren u. s. w. darstellen, überhaupt die Vorstellung eines plastischen Objectes hervor- zurufen geeignet sind; es gelingt nicht bei blossen Ornamenten. Die hohle Kopfform mit ihrer Schat- ten- und Lichtvertheilung weckt hier die Vorstellung des plastischen Kopfes aus demselben Grunde, aus welchem diess bei einem guten Gemälde der Fall ist, nur ist die Täuschung bei der Matrize eine viel vollkommenere, weil sie nicht bloss, wie ein Gemälde, eine matte Nachahmung der natürlichen Schatten- und Lichtverhältnisse, sondern den wirklichen Schatten und das wirkliche Licht selbst ent- hält. Schon insofern ist diese Invers:on von Interesse, Aber das Merkwürdigste bei derselben ist, dass ein Kopf, eine Figur u. s. w., welche bei Betrachtung einer Matrize erhaben gesehen wird, stets in einer Art verklärter Beleuchtung erscheint. Diese Verklärung ist besonders bei einiger- massen zarten Gypsformen etwas so Ueberraschendes und Reizendes, dass mir noch Niemand,. den ich darauf aufmerksam gemacht habe, den Ausdruck des lebhaftesten Vergnügens über diese Erschei- nung schuldig geblieben ist. Die Erklärung dieser Wirkung wird nun auf eine sehr einfache Weise durch eine leichte Con- struction gegeben, durch welche ich nachweise, dass, wenn die Matrize erhaben gesehen wird, Schat- ten und Licht in dem nunmehr erscheinenden Basrelief so vertheilt erscheinen, dass sie nur möglich sind, wenn das Licht aus dem Innern des Körpers in einer gegebenen Richtung gegen seine opake Oberfläche kommend vorgestellt wird. Die Beleuchtung einer opaken Überfläche von Innen heraus hat diese Wirkung des scheinbaren Selbstleuchtens oder der Verklärung aber nothwendig zur Folge. Diese Wirkung ist jedoch eine so überraschende, dass es mir erlaubt scheint, die neuere Glasmalerei ausdrücklich auf dieselbe aufmerksam zu machen. Will man auf durchscheinendem Glase, etwa für Kirchenfenster bestimmt, verklärte Gestalten darstellen, so ist in der Weise, wie eine zarte hohle Gypsform der betreffenden Figur dem freien Auge erhaben erscheint, die wirksamste Vertheilung von Schatten- und Lichtverhältnissen vollständig vorgezeichnet. 101 Durch Demonstrationen mit einigen zarten und schönen Gypsen bringt Professor Schröder die erwähnte Inversion jedem Einzelnen zur Anschauung. Ausführlicher findet sich seitdem der Gegenstand durch den Verfasser behandelt in Poggen- dorff’s Annalen der Physik und Chemie. Bd. 87, p. 306—312. Vierte Sitzung. Freitag den?24. September. 1. Dr. Schimper zeigte einige Zeichnungen über die Morphologie der Wolken, sowie eine ausgezeichnete Wirkung eines von ihm beobachteten Blitzstrahles an einer Glasscheibe. 2. Professor Zenneck zeigte seine Einrichtungen 1) zur Auffassung der siebenerlei Gasarten, welche er seinen Versuchen zur Bestimmung ihrer Geruchsverhältnisse (nach dem Electrisiren) unterwarf; 2) zum Electrisiren dieser Gase, bestehend in einem mit 2 Glashahnen versehenen Cy- linder von 7—S8 Cubikzoll und in 2 gegenüberstehenden Platindräthen,, (Electrisircylinder) ; 3) zur Erhaltung der Gerüche, welche ein und das andere Gas (nach dem Electrisiren) lie- fern kann. Die Einrichtung besteht in @) einer Gasspritzröhre von Glas und 5) einem Geruchrohr (von Leder oder Pappe), welches dem einen Hahnen anbefestigt wird, so dass, wenn die Spritzröhre dem andern Hahnen aufsitzt, das Gas des Cylinders durch sie in das dem Geruchsorgan aufgesetzte Lederrohr und von hier dem Organ selbst zuge- führt wird. EI. Section für Chemie und Pharmacie. Erste Sitzung, Samstag den 18. September. 1. Es wurde beschlossen, dass Präsident und Vicepräsident für jede Sitzung besonders, dagegen beide Secretäre für die ganze Dauer der Versammlung gewählt werden sollten und wurden gewählt für Montag den 20. September Professor Schrötter zum Präsidenten, Professor Will zum Vice- präsidenten, sowie Professor Mettenheimer und Dr. Casselmann zu Secretären. Zweite Sitzung, Montag den 20. September. 1. Die Verhandlungen begannen mit einem Vortrage des Dr. Overbeck über das Nitroprussidna- trium, worin er nachzuweisen suchte, dass das Salz Stickoxyd und nicht Stickoxydul enthält, indem er darlegte, dass die reine Lösung des Salzes durch direkten Sonnenschein unter Bildung von Ber- linerblau und Stickoxyd zersetzt wird, und anführte, dass er den Gegenstand nächstens in Poggen- dorff’s Annalen ausführlicher behandeln werde. Professor Will bemerkte hierzu, dass auch seine Erfahrungen, namentlich die Einwirkung des Salzes auf Quecksilberoxyd, womit es sich in Eisenoxyd, Cyannatrium, Cyanquecksilber und Stickoxyd 102 zersetzte, bestätigten, dass das Nitroprussidnatrium in seiner Constitution Stickoxyd und nicht Stick- oxydul enthalte. 2. Hierauf trug Professor Schrötter vor „über die Ursachen des Leuchtens man- cher Körper beim Erwärmen. * Der Zweck meines Vortrages ist die Darlegung der Ursache des Leuchtens, welches man an mehreren Körpern beobachtet, wenn sie in einem finstern Raume bis zu einer gewissen Temperatur erwärmt werden. Anfangs war es nur meine Absicht diese, am Phosphor längst bekannte, ja sogar an. keinem andern Körper so auffallend hervortretende Eigenschaft, über deren Erklärung die Natur- forscher immer noch verschiedener Meinung sind, zu erforschen, wozu ich durch mehrere, gelegent- lich bei andern Arbeiten mit diesem Körper gemachten Beobachtungen, veranlasst wurde. Nachdem mir dies aber für den Phosphor gelungen war, lag der Gedanke nahe auch zu versuchen, ob nicht andere Körper ähnliche Erscheinungen und zwar aus demselben Grunde, zeigen. Diese Vermuthung hat die Erfahrung bis jetzt für den Schwefel, das Selen und Arsen bestätiget. Alle die genannten Körper leuchten bei einer bestimmten Temperatur, die niedriger ist als jene, bei welcher das Verbrennen derselben eintritt und erleiden dabei eine Oxydation, welche die Ursache dieses Leuchtens ist. Hierbei werden eigenthümliche Verbrennungsproducte gebildet, welche von denen verschieden sind, die beim gewöhnlichen Verbrennen derselben entstehen. Ich werde mich aber für jetzt blos auf das Verhalten des Phosphors beschränken und die Rich- tigkeit des obigen Satzes einstweilen nur für diesen beweisen. Berzelius erklärte sich bekanntlich für die Ansicht, dass der Phosphor nur durch Verdunstung leuchte und stützte sich dabei auf die für richtig angenommenen Thatsachen, dass der Phosphor auch im Torricelli’schen Vacuum und in Gasen, die keinen freien Sauerstoff enthalten, leuchte, jedoch nur so lange bis der Raum für die in demselben herschende Temperatur mit Phosphordunst gesättiget ist *). Fischer**) suchte zu zeigen, dass diese Thatsachen, und somit auch die daraus gezogenen Schlüsse unrichtig seien, und dass, wenn der Phosphor leuchte, dies immer nur der Oxydation, nie aber bloser Verdunstung zuzuschreiben sei. Fischer behauptet nämlich: der Phosphor leuchte weder im Torricelli’schen Vacuum noch in Gasen, die wirklich absolut frei von ungebundenem Sauerstoff sind; dass ferner eine sehr geringe Menge Sauerstoff genüge, das Leuchten des Phosphors durch lange Zeit zu erhalten. Hierauf machte Marchand***) eine Reihe von Versuchen bekannt, welche zum Zwecke hatten, zu zeigen, dass der Phosphor sowohl durch blose Verdunstung, als auch durch Oxydation leuchte, und dass bei den Versuchen Fischer’s fremdartige Einflüsse die Ursache des Nichtleuchtens des Phosphors in sauerstoflfreien Gasen wären. Nach Marchand leuchtet der Phosphor ohne Unterbrechung fort, wenn Gase, denen kein freier Sauerstofl' beigemengst ist, über denselben wegströmen. *) Siehe dessen Lehrbuch der Chemie. 5. Aufl. 1843, Bd. I, 8. 195. **) Erdmann’s Journal für prakt. Chemie, Bd. 35, S. 342, 1845. =#*), Erdmann’s Journal für prakt. Chemie. Bd. 50, S. 1, 1850. 103 Marchand liess aber mehrere Punkte in Fischer's Arbeit ganz unerörtert, auch lässt sich gegen seine Versuche Manches einwenden, so dass durch sie die Frage noch keineswegs entschieden ist. Meine Versuche, welche zur endlichen Aufklärung dieses Verhaltens dienen sollten, wurden in einem vollkommen finsteren Raume angestellt, und ich war jedesmal mit einem oder zwei Beobach- tern so lange in demselben, bis das Auge für sehr schwache Lichtreize empfänglich war. Diese Versuche sind folgende: Unter der Glocke der Luftpumpe leuchtet der Phosphor anfangs etwas stärker, dann aber leuchtet er beim weiteren Verdünnen unverändert fort. Ist das Barometer bis auf 1 Millim. herab- gesunken, so erhebt sich, ungefähr 10—15 Minuten nachdem man zu Verdünnen aufhörte, eine leuchtende Flamme von dem Phosphor. Diese erfüllt bald, indem sie sich an den Wänden der Glocke verbreitet, den ganzen innern Raum derselben mit einer leuchtenden, undurchsichtigen, bläulichen Atmosphäre, durch welche man nicht einmal die Phosphorstange erkennen kann. Eine halbe bis eine Minute später zieht sich diese leuchtende Atmosphäre wieder um die Phosphorstange zusammen, welche: dann noch einmal erscheint, und alles bleibt nun dunkel, selbst wenn man die Glocke erwärmt. Verdünnt man, nachdem der Phosphor zu leuchten aufgehört hat, noch länger fort, so sieht man nur ein ‚abwechselndes Leuchten in den beiden gläsernen Cylindern bei jedem Kolbenhube. Eine höchst geringe Menge Luft in die Glocke gebracht, bewirkt, dass sich die Glocke für eine kurze Zeit mit einer leuchtenden Atmosphäre füllt, ein schöner Versuch, der sich drei bis viermal wieder- holen lässt. j Wäre hier die Verdunstung allein die Ursache des Leuchtens, so müsste dasselbe sich wenigstens momentan in der Glocke bei jedem Kolbenhube zeigen, da es in dem Cylinder sichtbar ist, was nur geschehen kann, wenn Phosphorgas in denselben tritt, das der in der Glocke verdunstende Phosphor abgibt. Aus der Oxydation erklärt sich die Erscheinung ohne Schwierigkeit. Da nämlich der Phos- phor, um zu leuchten, sehr wenig Sauerstoffes bedarf, und neben freiem Sauerstoff kein Phospnorgas bestehen kann, ohne sich sogleich zu oxydiren, so leuchtet der Phosphor selbst bei starker Luftver- dünnung eine zeitlang unverändert fort. Endlich aber muss die Menge des Sauerstoffes so abnehmen, dass die Menge des sich bildenden Phosphorgases überwiegt, dann wird sich dieses in dem Raume verhreiten, dabei noch die letzten Antheile von Sauerstoff unter Leuchten aufnehmen, und so die Erscheinung , welche eben beschrieben wurde, hervorbringen. Um die widersprechenden Angaben über das Verhalten des Phosphors im Torricelli’schen Vacuum aufzuklären, wurde diesem, damit die Verdunstung darin möglichst stark sei, ein Raum- inhalt von ungefähr 265 Cub. Cent. gegeben. Der in denselben gebrachte Phosphor zeigte aber nicht die geringste Lichterscheinung, und zwar selbst dann nicht, als er in der möglichst schief gehalte- nen Röhre, wobei sich das Vacuum auf etwa die Hälfte verminderte, bis zum Kochen erhitzt, und diese rasch in die verticale Stellung gebracht wurde. Der Phosphor sublimirte hierbei bis in den obersten Theil der Röhre und legte sich daselbst in dünnen glänzenden Blättchen an. Der Phosphor kann also sehr lebhaft verdunsten, ohne zu leuchten, und gerade dieses negative'Resultat ist be- weisend, während ein durch einige Zeit fortdauerndes Leuchten immer noch durch die Annahme von etwas vorhandener Luft hätte erklärt werden können, also nicht entschieden für die Verdunstungs- Ansicht gesprochen haben würde. Als Phosphor in eine von innen befeuchtete, durch Quecksilber abgesperrte Glocke gebracht 104 "wurde, in der sich etwa 800 Cub. Cent. reinen, durch Electrolyse erzeugten Wasserstoffgases befan- den, leuchtete er durch etwa eine Viertelstunde. Als nun die Glocke mit heissem Wasser umgeben, und so die Temperatur in derselben bis auf S0—90° C. erhöht wurde, zeigte sich nicht das mindeste Leuchten, obwohl hiebei eine so lebhafte Verdunstung des Phosphors stattfand, dass die Wand der- selben mit feinen Kügelchen von sublimirtem Phosphor bedeckt war. Auch dieser Versuch ist, als ein negativer, vollkommen entscheidend gegen die Verdunstungsansicht. Das anfängliche Leuchten rührt offenbar von einer geringen Menge Luft her, die bei einer so grossen Glocke vollkommen. zu beseitigen ganz unmöglich ist. Da Marchand behauptete, der Phosphor leuchte ununterbrochen , selbst in Gasen „ die keine Spur von freiem Sauerstoffe enthalten, wenn diese nur darüber fortströmen, so mussten die Versuche auch unter diesen Umständen angestellt werden. Ich verwendete hiezu Wasserstoffgas, und zwar sowohl durch Electrolyse, als auch auf gewöhnliche Weise mittelst Zink und Schwefelsäure darge- stelltes. Das durch Electrolyse erzeugte Gas strömte aus einer Bunsen’schen Flasche durch eine daran gekittete horizontale Röhre, und die Einrichtung war so getroffen, dass der ganze Apparat, ehe die Wasserzersetzung begann, mit Flüssigkeit gefüllt war, so dass das Gas gar keine Luft, son- dern nur Wasser zu verdrängen hatte. Auch war keine Kautschukröhre als Verbindung gebraucht, sondern der ganze Apparat bestand gewissermassen aus einem Stück. Der Phosphor leuchtete nicht im geringsten, selbst dann nicht, als er bedeutend erhitzt wurde. Bei dem Versuche mit auf gewöhnliche Art bereitetem Wasserstoffgase war die Einrichtung so getroffen, dass das Gas zuerst durch Aetzkali, Schwefelsäure etc. vollkommen gereinigt und ge- ruchlos gemacht war, und dann in eine etwa 2 Meter lange Röhre trat, deren erste mit dem Ent- wickelungs-Apparate verbundene Hälfte sorgfältig gereinigte und vorher in Wasserstoffgas erhitzte Kupferdrehspähne enthielt, während sich in der zweiten Hälfte, die mittelst einer abgebogenen Röhre durch Wasser abgesperrt war, der Phosphor befand. Dieser Theil der Röhre ragte durch eine durch- bohrte Thüre in das finstere Zimmer, während der andere Theil, so wie der ganze übrige Apparat ausser demselben sich befand. Der Phosphor leuchtete noch fort, selbst, nachdem das Gas länger als 6 Stunden ununterbrochen durch den Apparat strömte, und würde sehr wahrscheinlich so lange fortgeleuchtet haben, als Phos- phor in der Röhre vorhanden war. Als aber das Kupfer bis zum schwachen 6lühen erhitzt war, verlöschte der Phosphor sehr bald, liess man dasselbe aber wieder erkalten, so fing er auch sogleich mit der früheren Lebhaftigkeit zu leuchten an. So lange das Kupfer erhitzt wird, d. h. Sauerstoff aufnimmt, also während der Phosphor nicht leuchtet, leuchtet der Kork, durch welchen das in das Wasser getauchte Rohr , geht, an seiner inneren Fläche, bei raschem Gasstrome leuchten auch die entweichenden Gasblasen; so wie aber das Kupfer erkaltet und der Phosphor wieder leuchtet, ist auch am Korke kein Leuchten mehr wahrzunehmen. Wenn nämlich der Phosphor nicht leuchtet, so kann der wegströmende Was- serstoff Phosphorgas aufnehmen, an der inneren Fläche des Korkes befindet sich aber, durch Diffusion, immer eine dünne Schichte Sauerstoff, welche das Leuchten desselben verursacht. Sobald aber der Phosphor zu leuchten beginnt, consumirt er selbst die geringe Menge des in dem Gase enthaltenen Sauerstoffes, und bis zu dem Kork gelangt kein Phosphorgas mehr. Dieser ganze Versuch ist für sich so sprechend und so entscheidend gegen die Ansicht, dass 105 es ein Leuchten durch Verdunstung gebe, dass er keiner weiteren Erläuterung bedarf, er zeigt aber auch ganz deutlich die Ursache, welche Marchand zu einem falschen Schlusse verleitete. Da derselbe nämlich hinter der mit Platinschwamm gefüllten Röhre , welche die Beseitigung der kleinen Menge von dem Wasserstoffgas beigemengten Sauerstoffe durch Wasserbildung bewirken sollte und wohl auch bewirkte, noch eine Chlorcaleiumröhre anbrachte, was mindestens die Anwendung von zwei Kautschukröhrchen und vier Korken erfordefte: so war dadurch hinreichend Gelegenheit für Zu- tritt von Sauerstoff gegeben, um das in seinen Versuchen unausgesetzt fortdauernde Leuchten zu erklären. Was die übrigen Einwendungen Marchand’s gegen Fischer’s Versuche im Ganzen genommen betrifft, so muss ich hierüber auf meine Abhandlung selbst verweisen. Jedenfalls glaube ich, ist man nach dem hier Angeführten zu dem Schlusse berechtiget: dass es nicht zweierlei Ursachen für das Leuchten des Phosphors gibt, sondern dass dieses ganz allein der Oxydation desselben zuzu- schreiben ist; es ist der erste Grad der Verbrennung, deren dieser Körper fähig ist, bei dem die sogenannte phosphatische Säure, entweder ein Gemenge von unterphosphoriger Säure und Phosphor- säure, oder eine bestimmte,‘ jedoch sehr leicht in diese beiden Körper zerfallende Verbindung, gebildet wird. 3. Alsdann folgte Professor Böttger mit einem Vortrage über das Verhalten von Eisen und Zink zu Quecksilberchlorid, worin er experimentell zeigte, dass beim Zusammenkommen von 4%, Gewichtstheilen Sublimat, 1 Gewichtstheil Eisen und 2 Gewichtstheilen Wasser sich unter starker Erhitzung Eisenchlorür, Calomel und Eisenamalgam, ebenso bei 1 Gewichtstheil Zink, 4 Gewichts- theilen Quecksilberchlorid und 2 Gewichtstheilen Wasser Zinkamalgam sich erzeuge. Die beste Mischung zur Darstellung des Eisenamalgams ist 1 Gewichtstheil Eisen, 2 Gewichtstheile Queck- silberchlorid und 2 Theile Wasser unter Hinzufügung von einigen Tropfen Quecksilber. 4. Hierauf trug derselbe über Jodreactionen vor und wies nach, dass alle starken Salpeter- säuren, am meisten die rothe rauchende Jod als Chlorjod enthalten, was sich durch Schwefelkoh- lenstoff leicht nachweisen lasse, und machte darauf aufmerksam, dass die Versuche von Chatin, durch welche derselbe in allen Wässern, in der Luft, in allen Erdarten etc. Jod gefunden haben will, ebenso die Methode Winklers den Leberthan auf Jod zu prüfen, da Salpetersäure bei beiden in Anwendung käme, verdächtig erscheinen möchten. 5. Alsdann sprach Dr. v. Seybel über die Entwickelung der chemischen Industrie in Oester- reich und ihren gegenwärtigen Standpunkt. Mit eintretender Pause wurden die Verhandlungen aufgehoben, damit nach der Pause die Mit- glieder der Section an den Verhandlungen der physikalischen sich betheiligen konnten. Später trat die Section wieder zusammen, um zu beschliessen, dass am Dienstag den 21. Sepiember vor der allgemeinen Sitzung um 8 Uhr eine solche der chemischen Section statt- finden sollte. Dritte Sitzung. Dienstag den 21. September. Zum Präsidenten wurde Professor Will. zum Vicepräsidenten Professor Hofmann von Lon- don gewählt. 1. Professor Heintz trug über die thierischen Fette vor, wies dabei auf die Grundidee der Trennung verschiedener Fettsäuren durch partielle Fällung hin, und zeigte, dass er nach dieser 14 106 Methode im Wallrath eine Stearinsäure haltige Säure, Palmitinsäure, sodann eine neue Säure, Cetinsäure — (yo Hz, 0, — krystallisirend, bei ungefähr 54° schmelzend, sodann eine wahrschein- lich mit Myristinsäure identische, C,; H,; O,, bei etwa 44° schmelzend, endlich eine wahrscheinlich mit Coeinsäure identische, C,; H,, O,, gefunden habe. Das Verseifen des Wallraths geschah durch Kochen mit alkoholischer Kalilösung, so dass man schliessen kann, dass jene Säuren im Wallrath präexistiren. Auch das Aethal ist untersucht worden. Die frühere Methode der Darstellung des Aethals hat sich als ungenügend gezeigt, um ein ganz reines Product zu erhalten. Das Aethal enthält einen indifferenten, bei gewöhnlicher Temperatur flüssigen Körper, der jedoch nicht wie Glycerin in Wasser löslich ist und gemäss der Formel C,; H,; 0, zusammengesetzt ist. Das Aethal selbst, wenn es mit Kalikalk in der Hitze behandelt wird, liefert nicht eine chemisch reine Substanz, die Aethalsäure, sondern ein Gemisch von Palmitinsäure und Stearinsäure. Das Aethal selbst muss demnach aus einem Gemisch zweier Aethalkörper bestehen, denen gemäss der weiter unten angegebenen Zusammensetzung der Stearinsäure die Formel C,, Hz, 0, und C,,; Hz, 0, zukommt. Aus dem Hammelfett kann eine Säure erhalten werden, deren Schmelzpunkt genau 69,02 ist, und welche durch Umkrystallisiren und partielle Fällung nicht verändert wird. — Ohne Zweifel ist diese Säure Chevreul’s Stearinsäure. Die Analysen derselben stimmten mit den Redtenbacherschen überein. Jedoch nach Berechnung mit Hülfe des neuen Atomgewichts des Kohlenstoffs kommt dieser Säure die Formel C,, H;, 0, zu, eine Formel, welche sich auch durch die Analyse der neutralen Salze ergiebt, welche mit der grössten Sorgfalt dargestellt worden waren, so dass man der wirk- lichen Neutralität gewiss sein konnte. Der Aether der Stearinsäure schmilzt bei 33,°7 und besteht aus 65; H,, 0, + C,H, 0. Die zweite Säure des Hammelfetts — früher Anthropinsäure genannt — ist nur ein Gemische von Palmitinsäure und Stearinsäure, welche beide ein eigenthümlich krystallisirendes, constant bei 56,°6 schmelzendes Gemische bilden. Auch die Margarinsäure ist ein blosses Gemische von etwa 10 p. €. Stearinsäure mit 90 p. €. Palmitinsäure, was sich durch directe Mischung dieser Säuren, sowie auch durch partielle Fällung der Margarinsäure erweissen lässt. Die bisher untersuchten thierischen Fette, das Menschenfett und das Hammelfett, bestehen daher ausser aus Olein, aus Stearin und Palmitin. 2. Professor Schödler machte sodann eine Mittheilung über Verkohlung des Holzes durch Wasser, und vertheilte an die Mitglieder ein Exemplar verkohlten Holzes. Hierzu bemerkte Professor Schrötter, dass in Steiermark in einer verlassenen Grube das Holzwerk, welches 90 Jahre vorher eingesetzt werden war, in eine vollständige Braunkohle verwandelt worden war, ferner Professor Hofmann, dass in England die hölzerne Belegung einer Hochdruck-Dampfmaschine in 9 Jahren in Braunkohle verwandelt worden. 3. Professor Schrötter machte eine Mittheilung über Darstellung von Tellur im Grossen nach der von Föwe angewandten Methode. 4, Professor Hofmann aus London beschrieb einige neue Versuche über die Zersetzungsproducte 107 der organischen Basen. Er theilte mit, dass sich das Tetramethylammoniumoxyd durch: Destillation in Trimethylamin und reinen Methylalkohol spaltet, und dass das Propylamin nichts anderes ist, als Trimethylamin. . Vierte Sitzung. Mittwoch den 22. September. Nachdem Professor Hofmann aus London zum Präsidenten, Dr. Mohr aus Koblenz zum Vice- präsidenten ernannt worden war, eröffnete 1. Dr. Mohr die Sitzung mit einem Vortrage „über Verbesserung der Titrirungsmethoden“, wobei er eine Anzahl verbesserter Büretten vorzeigte und zum Beweise der Vollkommenheit, welcher diese Methoden nach seiner Behandlungsweise fähig sind, eine Sodaanalyse ausführte. „Meine Bemühungen, dem Titrirverfahren und insbesondere der Alkalimetrie eine besondere Voll- kommenheit und Schärfe zu geben, betreffen theils die Apparate, theils die Methoden. Von den Apparaten hat bis jetzt die Gay-Lussac’sche Bürette die meiste Anwendung gefunden und sich überall verbreitet. Dieses vortreffliche Instrument hat jedoch gewisse Mängel, welche von dem- selben in seiner jetzigen Gestalt untrennbar sind und sich bei jedem: Gebrauche desselben fühlbar machen. Zunächst ist es schwer, das Instrument genau bis an. 0 zu füllen, indem.man aus einer grösseren Flasche ausgiesst, und schwerlich auf das erstemal gerade die richtige Höhe trifft. Man hat zu viel eingegossen und muss etwas ausgiessen. Während man aber die Bürette neigt, verliert man das Ablesen, und giess leicht zu viel oder zu wenig aus. Im ersten Falle muss man Flüssigkeit hinzu- fügen, im zweiten Falle das Ausgiessen nach Gutdünken wiederholen. Erst mit einiger Mühe erreicht man mit der Probeflüssigkeit den Anfangspunkt der Theilstriche. Während des Versuches bleibt die Bürette geneigt und indem man. sie mit ihrer Ausflussöffnung über dem Probirglase hält, kann man letzteres schütteln und die Arbeit fortsetzen. Wenn aber die Erscheinung erst nach einiger Zeit eintritt, wie das Absetzen des Chlorsilbers, oder wenn man da- zwischen erhitzen muss, wie bei der Titrirung kohlensaurer Alkalien, des Traubenzuckers etc., so muss man die Bürette zurücklaufen lassen und aufrichten. Beim, Fortsetzen des Versuchs ist es nun schwierig, sogleich mit einzigen Tropfen anzufangen, und war man nahe an dem Sättigungspunkt, so kann durch starkes Einfliessen dieser Punkt überschritten werden und die ganze Operation ver- loren gehen. Ein anderer Nachtheil ist der, dass man während des Giessens die Quantität der verbrauchter Flüssigkeit nicht ablesen kann. Diess ist besonders nöthig bei Wiederholung desselben Versuches. Gesetzt, man habe bei einem ersten Versuche 32,3 Cub. Cent. verbraucht, so kann man bei der Wiederholung ohne Weiteres 32 Cub. Cent. zusetzen, und die letzten 0,3 €. €. mit der grössten Aufmerksamkeit hinzutröpfeln. Bei der geneigten Lage der Bürette ist aber das Ausgiessen von genau 30 C. €. ganz unthunlich, da man nicht sehen kann, wie viel ausgeflossen ist, theils weil die Theilstriche die Oberfläche des Wassers unter Winkeln schneiden, theils auch, weil während des iessens die dünne Röhre gefüllt ist, während des Messens aber leer sein muss. Ich habe nun versucht, diese Uebelstände in der einfachsten und sichersten Art zu vermeiden, und den Apparaten eine solche Gestalt zu geben, däss sich möglichst Viele dieselben darstellen 14* 108 können, ohne in der Glasblasekunst grosse Uebung zu haben; was bei den Gay-Lussac’schen Büretten nicht ganz der Fall ist. Nach mehreren Versuchen, Ventile und gläserne Hähne anzuwenden, habe ich von diesen Mitteln abgestanden. Die Operation geht mit Hähnen sehr leicht und sicher, allein ich konnte mir keine so gut verschliessende verschaffen, dass ich die Röhre mit Probeflüssig- keit von einem Versuche zum andern stehen lassen konnte. Die Hähne von Geisler in Bonn sind ausgezeichnet; sie schliessen wasser- und luftdicht für lange Zeit, allein bei Anwendung krystallisir- barer Körper, wie von Kleesäure und Aetznatron, bildete sich um die Lilie des Hahnes immer eine Effiorescenz, die Lilie hob sich etwas in ihrem Rohre und Tropfen kamen durch. Es gelang mir durch einen glücklichen Griff, den theuren gläsernen Hahn durch eine Vorrichtung zu ersetzen, welche jede beliebige Zeit absolut luft- und wasserdicht schliesst, welche sich durch einen Hände- druck beliebig öffnen lässt und welche endlich beinahe nichts kostet. Es ist dies ein kleines Stück- chen vulcanisirter Kautschukröhre, die durch eine kleine Klammer aus Messingdraht geschlossen wird. Die Enden dieser Klammer, welche ich Quetschhahn nenne, sind nach den entgegengesetzten Seiten unter rechten Winkeln umgebogen und mit Druckplättchen versehen, so dass, wenn man gegen die beiden Enden drückt, sich die Klammer öffnet und nach Willkühr einen einzigen Tropfen oder einen vollen Strahl durchlässt. Das Prinzip der Art des Oeffnens ist auch bei den Platinzangen angewendet, die man bei Löthrohrversuchen gebraucht. Wenn man sie nicht anrührt, so sind sie geschlossen und nur beim Drucke öffnen sie sich. Das Maassrohr ist eine gerade, möglichst cali- brische und in 5tel Cub. Cent. getheilte Glasröhre, welche unten etwas verengt ist, um in die Kautschukröhre zu passen. Ein kleines Stückchen Glasröhre bildet den Ausfluss unter dem Quetsch- hahn. Diese Vorrichtung dürfte im chemischen Laboratorium wegen ihrer Einfachheit und Unzer- störbarkeit vielfache Anwendung finden. Man kann sie bei dem Zündlampen statt des Hahnes ge- brauchen, bei Gasometern, um das Gas zu reguliren, wobei man durch ein zwischengelegtes Keil- chen von Holz auch einen beständigen Durchgang veranlassen kann; zum Abfliessenlassen von Wasser in Kühlgeräthschaften, zum Abfliessenlassen durch Heber, an deren äusserm Ende das Quetschhahn sich befindet, bei Aetznatron, Ammoniak, Schwefelsäure, Salzsäure, Analysenproben und dergleichen. Eine zweischenkliche Heberröhre in eine gefüllte Flasche gestellt, verwandelt diese gleichsam in eine mit einem gläsernen Hahn versehenen Flasche. Eine Flasche mit Schwefelsäure bleibt gleichsam im Zapfen, wenn man die Röhre gefüllt drinnen stecken lässt, und man kann jederzeit kleine und srosse Mengen Schwefelsäure aus dem Ballon nehmen. Der Quetschhahn hat den Vorzug, nicht nachzutrippen, denn er schliesst sich von selbst, wenn man ihn loslässt. Die mit dem Quetschhahn versehene Messröhre befindet sich in einem beliebigen Stative senk- recht angebracht, dass man ihr jede Höhe geben kann. Beim Gebrauche füllt man die Röhre bis über den O Punkt mit der Probeflüssigkeit, öffnet den Quetschhahn einen Augenbiick ganz, um die Luft aus der Ausflussröhre zu verdrängen und lässt jetzt genau bis an 0 ablaufen. Zu diesem Zwecke bringt man das Auge auf die Höhe von 0, fasst den Quetschhahn zwischen Daumen und Zeigefinger der rechten Hand und drückt leise. Man sieht jetzt oben die Flüssigkeit langsam sinken; so bald dte nach unten gerichtete Concavität der Flüssigkeit den Theilstrich, wie der Kreis eine Tangente berührt, lässt man den Hahn los, und im selbem Augenblicke steht auch die Flüssigkeit stille und bleibt wochenlang bei O0 stehen, wenn man von oben die Verdunstung verhütet. Die Probierröhre ist jetzt normal gefüllt und man geht zum Versuche über, welches im Sitzen geschieht, 109 während man das Anfüllen der Röhre im Stehen besorgt. Man hat nun die gewogene Substanz im einem passenden Glase und lässt durch Drücken des Quetschhahns die Flüssigkeit hinzutreten. Man hat beide Hände zur Disposition, denn lässt man den Hahn los, so ist es von selbst geschlossen. Man kann also die Operation des Titrirens beliebig fortführen. Man kann unterbrechen, die Flüssig- keit erwärmen, beim Lichte besehen, schütteln, ohne durch die Bürette gehindert zu sein. Man kann jeden Augenblick die Menge der verbrauchten Flüssigkeit ablesen, und bei Wiederholung sogleich nahe an die Grenze der zuerst gefundenen Menge gehen, um die Operation dann tropfenweise zu Ende zu bringen. Diese Ausfliessbürette ist zu allen Probeflüssickeiten anzuwenden, mit Ausnahme des übermangansauren Kalis. Dieses wird durch das kurze Stück der Kautschukröhre zersetzt und dadurch in seiner Mischung verändert. Bei diesem Körper bediene ich mich einer nach Art des Stichhebers oben und unten eingezogenen Glasröhre, welche von unten an bis zu ®%, ihrer Länge in , oder “,o Cub. Cent. graduirt ist. Da man bei diesem Peagens die Erscheinung augenblicklich sieht, und ein Erwärmen gar nicht vorkommen kann, so ist man in wenigen Minuten mit jeder Operation fertig und so Jange kann man die Saugbürette in der Hand halten. Es lässt sich dieser compendiöse Apparat bei allen Titrirungen bequem anwenden, welche augenblicklich die Wirkung zeigen. Ueber seine zweckmässige Form werde ich an einer andern Stelle ‘das Nöthige mittheilen. Bei weitem die wichtigste Anwendung der Titrirmethode in der Chemie findet bei der Alkalime- trie statt, und der Weg dazu ist erfolgreich von Gay-Lussac und Deseroizilles eingeschlagen. Es fehlte dieser Methode wegen der unsicheren Wirkung der doppeltkohlensauren Alkalien die nöthige Schärfe, und die Urprobeflüssigkeit wurde aus einem in seiner Zusammensetzung nicht überall gleichen und nicht leicht zu controllirenden Stoffe, dem Schwefelsäurehydrat dargestellt. Ich habe nun gesucht, einen solchen Körper zu finden, welcher im trockenen Zustande eine immer gleiche Zusammensetzung hat, und aus dem man durch eine einzige Wägung im Stande ist, eine sich immer gleiche Probeflüssigkeit herzustellen. Ich giaube eine solche in der mit 3 At. Wasser krystallisirten Kleesäure gefunden zu haben. Die Gründe für die Wahl sind folgende. Die krystalli- sirte Kleesäure ist an der Luft unveränderlich, sie verwiltert und zerfliesst nicht. Die feuchte Klee- säure trocknet an der Luft zu dieser Verbindung aus, und die in der Wärme getrocknete zieht bis dahin Wasser an. Man hat also, wenn die Säure einmal richtig dargestellt ist, keine Befürchtung einer Veränderung zu hegen. Die Kleesäure ist nicht flüchtig, und ihre Lösung hält sich ohne zu schimmeln, unbestimmt lange. Andere feste Säuren, wie Weinsäure und Citronensäure, sind dem Verderben in der Lösung ausgesetzt. Die Kleesäure ist stark sauer und ihre Wirkung auf das Lakmuspapier fast so intensiv, wie die der Schwefelsäure selbst. Die Lösung der Kleesäure, welche ich anwende, hat für alle Alkalien dieselbe Stärke, nämlich 1 At. zu ein Litre gelöst. Diese jetzt allgemein angenommene gleich bleibende Stärke der Probeflüssigkeiten rührte, wie ich glaube, ursprünglich von John Jo- seph Griffin in Glasgow (jetzt in London) her, welcher sich sehr erfolgreich mit der Alkalimetrie beschäftigt hat. Es werden demnach 63 Grm. krystallisirte Kleesäure in die Titrirflasche gebracht, diese °/, mit destillirtem Wasser gefüllt, und durch Umschütteln die Lösung bewirkt, sodann die Flasche bei 14° R. scharf bis an die Marke im Halse gefüllt und dann noch einmal innig gemischt. Dieser sauren Urflüssigkeit muss eine alkalische entgegengestellt werden, welche ihr ganz gleich- werthig ist, d. h. welche die saure Flüssigkeit zu gleichen Volum akkurat sättigt. Als eine solche 110 Flüssigkeit habe ich anfänglich und lange Zeit Ammoniak angewendet, allein die Flüchtigkeit dieses Alkalis ist ein wesentliches Hinderniss seiner Anwendbarkeit. Bei jedem Oeffnen der Flasche, sowie besonders beim Eingiessen in die Bürette oder Probierröhre reisst sich Ammoniak los, was man schon durch den Geruch wahrnimmt. Noch zuverlässiger bemerkt man diess, wenn man eine Flasche längere Zeit im Gebrauch gehabt und öfter geöffnet hat, wo dann eine grössere Menge des Ammoniaks als ein gleiches Volum zum Sättigen der Säure nothwendig ist. Dadurch wird die Anwendung des Ammoniaks ganz unsicher und ich habe dasselbe ungern, wegen der Leichtigkeit, womit es rein und kohlensäure frei dergestellt wird, verlassen. An die Stelle des Ammoniaks habe ich Aetznatron an- sewendet. Man macht diesem Alkali gerne den Vorwurf, dass es leicht Kohlensäure anziehe. Allein das Ammoniak zieht auch Kohlensäure an, nur sieht man das kohlensaure Ammoniak nicht efflores- eiren, weil es beim Eintrocknen sich verflüchtigt. Um auch das Anziehen von Kohlensäure durch das Aetznatron zu verhindern, habe ich eine einfache Vorrichtung construirt, welche diesem Zwecke vollkommen entspricht. Es ist unmöglieh, eine Flasche so zu verschliessen, dass nicht bei eintre- tender Temperatur- und Barometerwechsel Luft in die Flasche ein und austrete. Statt zu versuchen, diess ganz zu verhindern, was unmöglich, lass ich die Luft frei in die Flasche eintreten, lege ihr aber einen Körper in den Weg, welcher die darin enthaltene Kohlensäure vollständig absorbirt. Ich verschliesse die Flasche durch einen Korkpropfen, in welchen eine gewöhnliche Chlornatriumröhre eingesteckt ist. Dieselbe ist jedoch, statt mit Chlornatrium, mit einem fein geriebenen Gemenge von Glaubersalz und Aetzkalk gefüllt. Diese Röhre ist nach aussen mit einem dünnen Glasröhrchen ganz offen. Die innere Luft kann sich so mit der äusseren in’s Gleichgewicht setzen, ohne dass eine Spur Kohlensäure hinzutritt, weil dieselbe bei der nothwendig sehr langsamen Bewegung vollständig ab- sorbirt wird. Ich bewahre so nicht nur die Probeflüssigkeit, sondern auch einen Vorrath von Aetz- kali, Aetznatron, Kalkwasser, Barytwasser. Eine Flasche Barytwasser, welche schon ‘/, Jahr se offen dasteht, hat noch nicht das dünnste Häutchen gezogen, oder die Wände mit einem weissen Anflug besetzt. Bei der Aetznatronprobeflüssigkeit ist es von besonderer Wichtigkeit, jede Spur von Kohlensäure fern zu halten, weil dadurch das plötzliche Umschlagen der rothen Farbe der Lakmus- tinktur in’s Blaue, und somit die Schärfe der Analyse beeinträchtigt wird. Das Aetznatron wird nun so titrirt, dass beim Mischen desselben mit einem gleichen Volum der Probekleesäure der letzte Tropfen Natron die Farbe aus Roth in Blau verwandelt. Dies gelang jedes- mal durch einen einzigen Tropfen, wenn keine Kohlensäure in dem Gemische vorhanden war. Beim Titriren kohlensaurer Alkalien verfahre ich nun in der folgenden Art. Ich wäge von dem geglühten und wasserleeren Alkali Y,, Atom in Grammen ab, von Soda 5,32 Gram., von Pottasche 6,92 Gram. Da die Probeflüssigkeit in 1000 C. C. ein Atom Kleesäure enthält, so würden 100 C. €. dieser Flüssigkeit genau Y,, Atom eines jeden Alkalis genau sättigen. Das Alkali bringe ich mit etwas Lakmustinktur in eine kleine Kochflasche und lasse einen Strahl Probesäure hinzu, welche das Alkali unter Aufbrausen zersetzt. Die Farbe geht allmählig aus Blau in Violett über, und das Aufbrausen wird schwächer. Ich bringe nun die Flüssigkeit zum Kochen und lasse noch mehr Probesäure hinzu, bis die Farbe vollkommen zwiebelroth geworden ist; dann lasse ich noch Probesäure im Ueberschuss bis zu den nächsten vollen 5 oder 10 C. €. hinzu. Das Alkali ist nun entschieden übersättigt, durch Kochen, Schütten und Hineinblasen und zuletzt An- saugen mit einer Glasröhre wird die letzte Spur Kohlensäure entfernt. Der Sättigungspunkt des 111 Alkalis ist jetzt um 2 bis 5 C. €. überschritten, und diess muss genau bestimmt werden. Ich fülle jetzt eine in Yo €. C. getheilte Handpipette bis an den Nullpunkt mit Probenatron, und lasse dasselbe iropfenweise in die rothe Alkaliflüssigkeit fallen, indem diese immer umgeschwenkt wird. Die Farbe geht jetzt rasch aus hellvoth in violett und dann plötzlich in klares Blau über. Man misst jetzt die verbrauchten Cub. Cent. Aetznatron ab, zieht sie von den verbrauchten Cub. Cent. Probesäure ab, und der Rest giebt ohne Weiteres die Procente an chemisch reinem kohlensauren Alkali. Das Resultat ist, wenn die Instrumente richtig sind, so genau, als die Kleesäure, auf der Alles beruht, die richtige Zusammensetzung C, 0; + 3 Ag. hatte, und dessen kann man sich vorher versichern. Es ist nicht möglich, durch die Säure allein den Sättigungspunkt zu treffen, weil sich bis zum letzten Augenblicke Kohlensäure entwickelt. Eine bereits roth gefärbte Flüssigkeit lässt sich durch Zerstörung des doppelt kohlensauren Alkalis wieder blau kochen. Man würde viel mehr Mühe haben, zwischen jedem Säurezusatz zu kochen und zu probieren, als wenn man den Sättigungspunkt einmal entschieden überschreitet, die Kohlensäure ganz wegtreibt, und dann mit dem gleichwerthigen Natron rückwärts titrirt.‘* Dr. Mohr wog hierauf 2 Grm. trocknes kohlensaures Natron ab, und führte eine Titrirung auf die beschriebene Weise aus, wobei sich 2,003 Grm. kohlensaures Natron ergaben. Sodann fuhr er fort: „Hat man kohlensäurefreie Alkalien oder Oxyde, so kann man direkt mit der Säure bis zum Rothwerden der Lakmustinktur gehen. So kann man trotz des entstehenden Niederschlages Zinkoxyd, gebrannten Kalk, reine Magnesia, Kalkwasser, Barytwasser ohne weiteres quantitativ bestimmen, und .zwar mit grosser Schärfe und Schnelligkeit, weil die vielen Zufälligkeiten einer analytischen Operation mit Fällen, Auswaschen, Trocknen und Glühen ausgeschlossen bleiben. Statt dass man das Alkali im Atomgewichte nimmt, kann auch jede beliebige Menge desselben abwägen und mit Tabellen den Werth desselben aus der Titrirung berechnen. Diese Tabellen sind einfach die Producte aus dem 1000sten Theil des Atomgewichtes mit den ganzen Zahlen 1 bis 9. Denn da die Probeflüssigkeit im Litre 1 Atomgewicht enthält, so enthält 1 Cub. Cent. gerade Yo Atomgewicht. 1 Litre Probesäure sättigt 1 At. = 53,2 Grm. wasserleeres kohlensaures Natron; 1 Cub. Cent. sättigt also 0,0532 Grm. und die Tafel hat also die folgende Gestalt: . Wasserleeres V erbrauchte kohlensaures Na- Wasser leere Essigäther. Probeflüssigkeit. t Essigsäure. j Ton. 1 | .0,0532 0,051 0,088 2 | 0,1064 0,102 | 0,176 3 0,1596 0,153 0,264 4 0,2128 0,204 | 0,352 etc. | etc. etc. etc. re et A 1 Ze a Zee In Ba pe nes ln a en Bere | Jede Berechnung ist nur eine Addition im Sinne der zuerst von Poggendorf eingeführten Tafeln. 112 Will man den Ammoniakgehalt eines Salzes titriren, so destillirt man denselben mit Wasser und überschüssigem Aetzkalk in eine mit Lacmustinctur rothgefärbte, gemessene Menge von Probe- säure etwa 200 bis 300 C. C. Diese Säure muss während der Destillation roth bleiben. Wenn sie alles übergehende Ammoniak verschluckt hat, titrirtt man den nicht gesättigsten Theil der Säure mit Probenatron zurück, zieht die C. C. des Natrons von denen der Kleesäure ab, und berechnet das Resultat nach den Tabellen. Diese Operation ist schon anderweitig empfohlen worden, allein in der vorliegenden Form ist sie viel schärfer, weil man die Kleesäure viel besser wägen und in richtiger Zusammensetzung haben kann, als die sonst angewendete Schwefelsäure oder gar die halb flüchtige Salzsäure. Die Acidimetrie ist noch einfacher, weil dabei keine kohlensäure interveniren kann. Man ver- setzt die gewogene Menge Säure mit Lakmustinetur zum Lichtrothen, und titrirt sie mit Aetznatron blau. Die verwandelten €. C. berechnet man nach den Tabellen, wenn man von der Säure nicht gerade das Gewicht von Y,, Atom genommen hat. Ich habe in dieser Art eine vortreffliche directe Analyse der zusammengesetzten Aetherarten gefunden. Es sollte z. B. Essigäther analysirt werden, welcher Weingeist und Schwefeläther enthalten kann. Man wägt den Aether ab- und versetzt ihn mit Lacmustinetur, wobei man sieht, ob er freie Säure enthält. Diese titrirt man mit Probenatron blau und bemerkt die verbrauchten ‚C. C. oder wenn es nicht auf Bestimmung der Säure ankommt, gibt man von nun an einen Ueberschuss von Probenatron hinzu. Da man das Atomgewicht des Aethers kennt, so kann man die zur Zersetzung nöthige Menge Aetznatron vorauswissen, und nimmt davon etwas mehr als nothwendig wäre, wenn der Aether chemisch rein wäre. Das Atom Essigäther, aus welchem 3 Atom Essigsäure entstehen kann, wiegt 88. 8. 8 Essigäther ist aquivalent mit 100 €. €. Probenatron und 4, 4 Essigäther ist aquivalent mit 50 €. €. Probenatron. Ich wäge also 4, 4 oder 8, 3 Gramme des zu prüfenden Essigäthers ab, bringe ihn ohne Verlust in ein starkes Glas, füge dazu 60 oder 120 €. €. Probenatron, verschliesse das Glas mit einem gu- ten Kork luftdicht und verbinde den Kork mit einer starken Schleife. Das Glas wird nun an einen warmen Ort gestellt, oder in Wasser gelegt, welches allmählig zum Kochen erhitzt wird. Nach einer halben Stunde ist der Aether vollständig zersetzt und die Flüssigkeit noch blau. Ich titrire nun mit der Probesäure den nicht gesättigten Theil des Probenatrons. Wenn z. B. 120 €. C. Probenatron zu gekommen sind, und nach der Zersetzung des Essigäthers nur 29, 5 C. C. Probesäure zum Roth- färben des Gemenges verbraucht wurden, so sind bereits 120—29,5 = 90,5 C. €. Probenatron durch den Essigäther gesättigt gewesen, denn ohne dies hätte ich 120 C. €. Probesäure verbrauchen müs- sen. Der Essigäther enthält 90,5 Procent wasserleeren, chemisch reinen Essigäther, wenn dazu 8,8 Grm. in Arbeit genommen waren. Statt solche Flüssigkeiten abzuwägen bestimme ieh das speeifische Gewicht derselben und messe sie dann mit der Pipette ab. Das absolute Gewicht ist gleich den genommenen €. C. multiplieirt mit dem specifischen Gewicht. Gesetzt der Essigäther habe das specifische Gewicht 0,89, so wiegen 5 C. C. desselben 5mal 0,89 —= 4,45 Grm. Dies ist namentlich bei Wiederholung viel angenehmer als das Wägen, welches bei flüchtigen Flüssigkeiten mit Verlust verbunden ist. Nach einer andern yon mir versuchten und ganz gelungenen Methode bestimme ich zugleich das absolute und specifische Gewicht der zu analysirenden Menge Flüssiekeit, und zwar ohne Gefahr vor Verdunstung und Ver- lust. Eine 10 €. €. Pipette, welche bis zu einem Striche mit destillirtem Wasser von 14° R. ge- 113 füllt davon genau 10 Grm. fasst, versehe ich miteinem einfachen Schlusse aus vulkanisirtem Kautschuck. Die Pipette hat unten eine weitere Röhre und oben einen langen Hals, in welchem der Strich ist. Ueber die enge Röhre schiebe ich ein 'dreiseitiges Metallblättchen mit einem Loche in. der ‘Mitte, welches auf der Anschwellung der Pipette sitzen bleibt. An die drei Enden des Blättehens werden messingene Elastiques befestigt, welche unten‘ wieder ein gleich grosses, undurchbrochenes Metall- blättchen tragen, auf dem ein Stückchen Kautschuck angebracht ist. Dieser Apparat ist auf einer guten Wage tarirt; er hängt an einer Schlinge. Ich sauge nun die Flüssigkeit an, lasse bis an den Strich auslaufen und spanne die Elastiques unter den ‘Ausfluss der Pipette und lasse sie nun anziehen. Die Spitze der Pipette drückt sich durch den Zug der Elastiques in das Kautschuck, und ein vollständiger Schluss findet statt. Ich wäge dann genau den Inhalt der tarirten Pipette mit: Grammen aus. Die erhaltene Zahl drückt das absolute Gewicht in Grammen, und das specifische Gewicht zu Wasser —= 10 aus. Man hat also das Komma eine Stelle links zu setzen, um das specifische Gewicht für Wasser —= 1 zu haben. Die Pipette bringe ich dann über das Glas, worin die Probe gemacht werden soll und Iosch sie darin ablaufen, wobei kein Verlust statt finden ai da die Pipette oben durch den Zeigefinger, un- ten durch Kautschuck geschlossen ist. Die Pipette läuft einfach ab, ohne dass sie ausgespült wird, weil sie auch auf Ablauf (&coulement). graduirt ist. Eine andere Methode Säuren zu titriren besteht in der Anwendung eines chlorsilberhaltigen Am- moniaks. Die Erscheinung ist gerade wie bei der vortrefflichen Titrirmethode Liebig's bei Blausäure; die Flüssigkeit bleibt klar und im. letzten Momente .der Sättigung findet eine Trübung durch ausge- schiedenes Chlorsilber statt. Das chlorsilberhaltige Ammoniak ist genau auf die Probesäure titrirt, so das bei gleichen Vo- lumina der letzte Tropfen Säure eine bleibende Trübung veranlasst. In jedem Falle muss die Säure zum Ammoniak, und nicht umgekehrt geführt: werden, weil sonst von vornherein ein Niederschlag entstehen würde, der sich erst bei bedeutender Uebersättigung mit Ammoniak lösen würde.. Das Probeammoniak stellt man sich so dar, dass man etwa 170 C. C. flüssiges Ammoniak von 0,96 in eine Liireflasche bringt, und darin etwas frisch bereitetes und noch feuchtes Chlorsilber auflösst, dann die Litreflasche bis an den Strich mit: destillirtem Wasser von. 14 ° R. anfüllt. Es muss jetzt geprüft werden, indem es noch etwas zu stark ist, Man saugt 10 C. C. heraus und bringt sie in eine sehr klare Flasche, dann lässt man aus, der in "4. €. €. getheilten Pipette die Probekleesäure hineinfallen, indem man gegen Ende ‚damit tropfenweise vorgeht und zwischen jedem Tropfen um- schüttelt, um zu sehen, ob die örtlich entstandene Trübung sich im Ganzen wieder löst. Um dies deutlich zu sehen, muss die Flasche sehr klar. und rein sein, und einen ganz schwarzen Hintergrund haben. Man legt desshalb ein schwarzes Papier unter oder hält die Flasche gegen eine dunkle Stelle im Zimmer, ‘etwa gegen den Schatten unter einem Tische. Man kann die bleibende Trübung auf einen Tropfen genau sehen. War das Ammoniak ‘zu stark, so hat man ausser den ersten 10 C. C. Säure noch einige Zehntel C; C. mehr Säure verbraucht. "So vielman im Ganzen verbraucht hat, ‚so viel muss das übrige Ammoniak für jede: 10° €, .C. durch Verdünnung mit Wasser werden. Gesetzt, man hätte 1000 €. C. Ammoniak: gemischt, und davon 10 €. C. zur ersten-Probe genommen, so dass also noch 990 €. €. übrig. bleiben. Es fand sich nun, dass zu 10 C. C. Ammoniak gerade 11 C. €. Probe- säure verbraucht wurden. Es müssen also 10 €. C. zu 11 €. C. verdünnt werden, wenn. sie sich 15 114 zu eleichen Volumina gerade sättigen sollen; es müssen also zu den 990 C. €. Ammoniak noch 99 €. €. Wasser zugefügt werden. j Das Chlorsilberammoniak bewahre ich in gut schliessenden Glasflaschen mit Glasstöpsel, auf. Es wird immer nur mit Pipetten angesaugt und darf nicht in Büretten eingegossen werden. Die Anwendung dieser Methoden auf die einzelnen in der Technick und Chemie vorkommenden Körper, so wie die Beschreibung der Art und Weise, wie es mir gelungen ist sehr genau getheilt Röhren darzustellen und vorhandene nach ihrem richtigen Inhalt zu corrigiren, muss ich mir an einer andern Stelle mitzutheilen, vorbehalten. 2. Hierauf machte Professor Hofmann eine Mittheilung über die Anwendung des Leuchtgases zur Verbrennung organischer Substanzen bei der Elementaranalyse und beschrieb den Apparat, wel- cher zu dem Ende in seinem Laboratorium angewendet wird. Es wurde sodann die Sitzung geschlossen, um den Mitgliedern Gelegenheit zu geben an den Verhandlungen der physikalischen Section Theil zu nehmen, zugleich aber mitgetheilt, dass die Sit- zung am 23. September, um 8 Uhr Morgens, sehr präcis beginnen werde. Fünfte Sitzung. Donnerstag den 23. September. 1. Es wurde Hofrath Wöhler zum Präsidenten, Dr. Mohr zum Vice-Präsidenten gewählt, worauf Dr. Overbeck einen Vortrag über die Ketone hielt, insbesondere über Cocinon, Myriston, Laurostearon, welche ihm Anknüpfungspunkte lieferte für die Betrachtung der Wichtigkeit der Rei- henentwicklung in der organischen Chemie und wobei er erwähnte, dass das Ausführliche über diesen Gegenstand nächstens in Poggendorffs Annalen abgehandelt werden werde. 2. Dr. Gerland sprach über Anthranilsäure, Benzaminsäure und Carbonidsäure. 3. Professor Schlossberger verbreitete sich in längerem freien Vortrage über den gegen- wärtigen Stand unserer Kenntnisse von den Giften, welche sich in thierischen Nahrungsmitteln ent- wickeln können unter specieller Berücksichtigung des Wurstgiftes, und knüpfte daran Mittheilun- gen über seine eigene Theorie von demselben und seinen Analogen, die er wenigstens in vielen Fällen für organische Basen erklärte. Er wies zuerst die ausserordentliche und erschreckende Häufickeit des Giftes in Schwaben nach, und schätzt die Zahl der durch dasselbe in den verflossenen Jahrhunderten bewirkten, zum Theil lebensgefährlichen Erkrankungen auf mindestens 500, die Zahl der Tödtungen auf 150. Es dürfte hienach das Gift in Schwaben mehr Verheerungen anrichten, als alle Mineral- und Pflanzengifte zu- sammengenommen. Das ganze übrige Deutschland hat lange nicht so viele Vergiftungen durch Würste aufzuweisen als Würtemberg allein; im eigentlichen Auslande sind sie unerhört, so dass in den aus- gezeichnetsten Giftlehren desselben (Orfila, Christison), alle Angaben darüber schwäbischen Beobach- tern und deutschen Bearbeitern des Gegenstandes entnommen sind. Er erklärt diese auffallende Erscheinung, die sich übrigens auch in Schwaben fasst ausschliess- lich auf Leber- und Blutwürste und deren mannigfache Modifikatiosen beschränkt zeigt, aus Fehlern bei der landesüblichen Methode in der Anfertigung, Räucherung nnd Aufbewahrung dieser schon nach der Natur der zur Füllmasse angewandten Materialien der Selbstentmischung am meisten ausgesetzten Würste; er weisst statistisch nach, dass bei vielen die meisten ‘Vergiftungen dieser Art 115 in das Frühjahr, beinahe gar keine in den Spätsommer, Herbst und Monat Januar fallen; beschreibt dann die sinnlich wahrnehmbaren Veränderungen an den giftigen Würsten, die allerdings nicht sehr auffallend erscheinen, und gewöhnlich nicht die Merkmale der stinkenden Fäulniss darbieten. Hierauf geht er zu den Wirkungen auf den menschlichen Organismus über, hebt den Un- terschied derselben von typhösen Prozessen hervor, wie sie durch eigentliche Fäulnissgifte bewirkt werden, und weist dabei nach, dass die Thiere ungleich weniger, oft gar nicht von dem Wurstgift und ihm ähnlichen schädlichen Nahrungsmitteln affieirt werden (nach eigenen und fremden Beobach- tungen). Endlich kummt er auf die Theorien über die Natur dieser Gifte zu reden, womit er eine Kritik der bisher gemachten Isolirungsversuche verbindet. Es geht daraus hervor, dass bis jetz das Gift in keiner Weise rein dargestellt ist, dass die Hypothesen, welche das Gift in Metallgiften, Blau- säure (Emmert), Verwechslungen der Gewürze, Weltherschem Bitter, Rauchbestandtheilen, endlich der vielbesprochenen sogenannten Fettsäure suchen, durchaus unhaltbar seien; glaubt, dass die neueste von Liebig aufgestellte Ansicht, wonach das schädliche Prinzip ein sogenanntes Umsetzungsgift wäre, damit.entkräftet werden könne, dass es nach Buchner, Schumann, und beim giftigen Käse nach Sertürner in heissem Alkohol löslich ist und seine Wirksamkeit behält, dass selbst gebratene und gesottene Würste nach beigebrachten Belegen noch entschieden giftig wirkten, also die Siedhitze dasselbe nicht zerstört, dass endlich seine Symptome beim Menschen sich wesentlich von den Vergiftungen durch eigentlich faule Substanzen unterscheiden, namentlich die Sekretionen nicht profus, sondern vermindert sind, nnd die Fäulniss der durch Wurstgift Getöd- teten äusserst langsam (im Gegensatz zu typhösen Prozessen) vor sich geht. Nach Schlossbergers eigener Theorie erzeugen sich bei der Verderbniss von Würsten und ähnlichen Fett- und protein-reichen Alimenten giftigen Basen, neben fetten Säuren und Ammo- niak. Er nimmt es schon & priori als erwiesen an, dass flüchtige Basen dabei entstehen, nach dem allgemeinen in der neuesten Zeit aufgefundenen Gesetze (Stenhouse), dass überall, wo aus thierischen Stoffen sich Ammoniak ‘erzeugt, dasselbe von seinen organischen Wiederholungen, d. h. flüchtigen Al- kaloiden, begleitet sei. Ammoniak nun ist in den giftigen Würsten und ohnedies in den Käsearten in Menge enthalten. Soche Basen mögen nun, je nach den Modifikationen in ihrer Bildung, bald un- schädlich sein, wie z. B. in den gewöhnlichen Käsearten bald sehr giftig wirken, etwa nach Analogie der 3 flüchtigen Pflanzenammoniake (Coniin, Nicotin, Spartein). Uebrigens wäre es denkbar, dass diese giftigen Basen nicht flüchtig wären, oder wenigstens in ihren Salzen weniger flüchtig sich ver- halten, nach Analogie des phosphorsauren und schwefelsauren Ammoniaks. Leider sind über die meisten ternären Basen fast noch gar keine physiologischen Versuche an- gestellt worden, daher sehr zu solchen aufzufordern ist. Es ist wahrscheinlich, ‘dass auch in den giftigen Schwämmen solche Basen auftreten, vielleicht finden sie sich auch im Leichengift, im Fisch- gift, ja in den Miasmen, soweit man in diesen Ammoniak glaubt als Träger nachweisen zu können. Gar häufig wurden solche Basen bisher bekanntlich mit Anımoniak verwechselt, mit dem sie gewöhn- lich zusammenauftreten und so viele Eigenschaften theilen. Die speciellen Mittheilungen, eigene Beobachtungen und Versuche, welche dieser gedrängten Skizze zu Grunde liegen, wird Professor Schlossberger in einer umfassenden Abhandlung in dem Sten Hefte des Archivs für physiologische Heilkunde 1852 veröffentlichen. 15* 116 Der Präsident, Hofrath Woehler drückte am Schlusse des Vortrags dem Redner den Dank der Versammlung für die interessante und ideenreiche Abhandlung aus. 4. Hierauf folgte Wimpf von Weilburg über Verflüchtigung von Metalloxyden im Fayenceofen, worin er mittheilte, dass Eisenoxyd, Chromoxyd, Kobaltoxyd und Manganoxyd, wenn sie unter der Glasur eingebrannt werden sollen, sich verflüchtigen, sowie dass Kobaltoxyd und Manganoxyd sich auf die Nachbargegenstände im Ofen niederschlagen. — Ein Zusatz von Thonerde hindert, Zinkoxyd be- fördert die Verflüchtigung. —- Die Hitze in dem in Rede stehenden Ofen ist 80 bis 90° Wedgwood und der Brand dauert 24 Stunden. 5. Nach der Pause sprach Dr. Walz über die Bereitung des Digitalins, welche in der Kürze veröffentlicht werden würde. 6. Auf denselben folgte Professor Böttger mit einem Vortrage über das auf galvanischem Wege dargestellte Silbersuperoxyd, worin er zuerst über die Methode Mahlas sprach und ergänzend -hin- zufügte,. dass eine concentrirte Lösung des Silbersalzes anzuwenden, wie Mahla vorschreibt, nicht gerade umumgänglich nöthig sei, indem selbst bei Anwendung von verdünnten Lösungen an der Anode unter gleichzeitiger Entwickelung von Sauerstoflgas sich dieser interessante Körper in grosser Menge bildet. Bei Behandlung des Silbersuperoxyds mit Ammoniak entwickelt sich Stickgas und Silberoxyd- ammoniak lösst sich auf. — Wird die letztere Lösung, wenn sie kein freies Ammoniak enthält, mit umgefähr gleichviel Wasser verdünnt, und eine Auflösung von Traubenzucker und Aetzkali hinzuge- fügt, so scheidet sich ein schöner reiner Silberspiegel ab. Wird die Lösung des Silberoxydammo- niaks zur Trockne verdampft und der Rückstand weiter erhitzt, so erfolgt die Explosion vollkommen gefahrlos. 7. Derselbe sprach über das unterschwefligsaure Silberoxydnatron, und die Eigenschaft seiner Lösung ohne galvanisehe Batterie ein Metall durch blosses Eintauchen zu versilbern. Vorzüglich. eig- net es sich zur Versilberung: von Eisen und Stahl, zur Versilberung von Kupfer und Messing wendet man besser eine Lösung von zwei Gewichtstheilen des Salzes mit einem Gewichtstheil Salmiak an. Das Salz wird dargestellt, wenn eine Auflösung von salpetersaurem Silberoxyd in überschüssi- gem Aetzammoniak mit einer concentrirten Lösung von unterschwefligsaurem Natron und sodann die Flüssigkeit mit Alkohol vermischt wird, wobei es: niederfällt und zur vollständigen Reinigung. mit Weingeist gewaschen wird. Er hat einen zuckersüssen Geschmack, bleibt in festem Zustande durch Insolation völlig unverändert, zersetzt sich aber in Lösung sehr bald. Professor Böttg er erläuterte diese Mittheilungen durch Versuche. 8. Sodann sprach Medieinalassessor Winkler über den Stickstoffgehalt organischer Körper; wobei er darlegte, dass die Destillationsprodukte vieler sehr stark riechender organischer Stoffe, wie Mo- schus, Kamillenblüthe, die rothen Blätter des Papaver rhoeas, Pfeffermünze etc. Wein, wenn sie mit einer Lösung von Kalikalk behandelt werden, Ammoniak und eine flüchtige, stickstoffhaltige Basis liefern, die mit der Säure, welche sich mit dem Kalk verbunden hat, wieder zu der Substanz ver- einigt werden kann und dann einen Körper bildet, welcher den Geruch der ursprünglichen Substanz vollkommen besitzt und bezieht sich in dieser Beziehung auf eine Abhandlung. im Jahrbuche der Pharmacie. 117 Sechste Sitzung. Freitag den 24. September. Zum Präsidenten wurde erwählt Heinrich Rose aus Berlin, und zum Vicepräsidenten Dr. Mohr aus Coblenz. 1. Zuvörderst trug Overbeck „über das Saponin und die Chiococcasäure‘‘ Folgendes vor: Dass das Saponin bei Einwirkung verdünnter Säuren und Alkalien in. der Hitze ein Zesetzungs- product giebt, welches Fremy zu den Säuren rechnet, und Aesculinsäure nennt, ist bereits bekannt. Dass das Saponin aber als zweites Zersetzungsproduct Traubenzucker giebt, dass es gerade auch in diesen und obige Substanz zerfällt, wurde bisher nicht beobachtet. Das zu den Versuchen dienende Saponin wurde zunächst durch Auskochen der officiellen Seifen- wurzel mit Weingeist von 80%, erhalten.” Beim Erkalten hatte es sich in weissen Flocken ausge- schieden, die auf einem Filter gesammelt, zwischen Papier gepresst, und dann zur Entziehung: des beigementen Fettes wiederholt mit Aether behandelt wurden. Die letzte Reinigung geschah durch mehrmalige Digestion der weingeistigen Lösung mit Thierkohle.. Das letzte farblose Filtrat hinterliess das Saponin beim langsamen Verdunsten als eine schön weisse, leicht zerreibliche Masse. Beim Zusatz von verdünnter Schwefelsäure oder Salzsäure zu der. wässrigen Saponinlösung findet keine Trübung statt. Aber beim Erwärmen’ scheidet sich alsbald. eine Gallerte aus. Ist nicht hinreichend Wasser vorhanden, um dieselbe suspendirt zu ‚erhalten, so gesteht die ganze Flüssigkeit zu einer steifen Gallerte. - j Eine hinreichend verdünnte wässrige Lösung einer grösseren Menge Saponin wurde mit verdünn- ter Schwefelsäure ungefähr 5 Minuten gekocht, die ausgeschiedene Gallerte auf einem Filter gesam- melt und so lange ausgesüsst, bis das Filtrat keine Reaction auf Schwefelsäure mehr gab. Das Filtrat gab, nach Entfernung der Schwefelsäure durch kohlensauren Baryt, bei freiwilligem Verdunsten einen süssen Syrup, aus dem sich Krystalle von Traubenzucker ausschieden. Dieselben wurden in Wasser gelöst, die Lösung mit Kali und Kupfervitriol versetzt ‚giebt schon in der Kälte eine reichliche Ausscheidung von Kupferoxydul. Obige Gallerte wurde zur weiteren Reinigung in Natron gelöst, aus dieser Lösung durch Salz- säure wieder gefällt. Da indess diese Operation keinen wesentlichen Nutzen zu versprechen schien, so wurde eine ‚andere Reinigungsmethode gewählt. Nach mehrmaliger Digestion der weingeistigen Lösung mit Thierkohle erschien die Substanz für die Analyse geeignet. Beim Verdunsten der wein- geistigen Lösung blieb sie in hornartigen Blättchen zurück, die sich leicht von der Schale loslösen und zu einem weissen Pulver zerreiblich sind. Die. Mittheilung über die Elementenanalyse beider Substanzen behält sich der Verfasser für spätere Zeit vor, und wird sein hauptsächlichstes Bemühen zunächst darauf gerichtet sein, sie in krystallisirter Form zu erhalten. Durch die gefundene Spaltungsweise tritt das Saponin in nähere Beziehung zum Salicin und Phloridizin. Wie hier das Saliretin, so scheint auch dort die sogenannte Saponinsäure besser den indifferenten Substanzen angereiht zu werden. Schon Fr&emy führt an, dass seine saponinsauren Salze durch kohlensaure Alkalien leicht zerlegt werden. Ich habe ferner gefunden, dass, wenngleich das Saponin in dem ursprünglichen gallertartigen Zustande ziemlich leicht löslich in ätzenden Alka- lien ist und aus dieser Lösung durch Säuren wieder fällbar, andererseits dagegen die Einwirkung, 118 der wässrigen Alkalien auf die pulvrige Säure selbst beim Kochen nur eine unvollständige ist; dass ferner ihre weingeistige Lösung durch eine gleichfalls weingeistige Lösung von neutralem essigsauren Bleioxyd nicht gefällt wird, Auf der andern Seite wird bekanntlich die wässerige Saponinlösung durch basisch essigsaures Bleioxyd gefällt; schon Barytwasser bringt in ihr einen Niederschlag her- vor. Man sieht also, dass man consequenter Weise alsdann auch das Saponin selbst den Säuren zuzählen müsste. Statt aber die Zahl der organischen Säuren unnöthiger Weise um eine neue zu vermehren und dieser letzteren somit einen wohlausgeprägten Charakter aufzudrücken, den sie nicht besitzt, scheint es angemessener, sie vorläufig noch, wie das Saponin, den indifferenten Substan- zen beizuzählen, und dürfte der Name Saporetin vielleicht nicht unpassend sein. Ueber Chiococcasäure wurde von Overbeck mitgetheilt, dass es ihm gelungen, dieselbe als eine geschmacklose Substanz darzustellen, welche im Uebrigen die von jener bekannten physikalischen Eigenschaften besitzt. B 2. Professor Schlossberger trägt eine neue Ansicht „über die Laurent’schen Imide‘ vor. Schon in der ersten Auflage meines Lehrbuchs der organischen Chemie hatte ich versucht, - die exceptionelle und scheinbar abnorme Constitution der Laurent’schen Imide dahin zu verändern, dass man dieselben als normale Nitrilsäuren interpretire und auf diese Art aus ihnen eine Reihe von Körpern bilde, die zu den bisher bekannten Nitrilen sich in derselben Weise verhielten, wie die Amidsäuren zu den Amiden. Es ist mir über diesen Deutungsversuch bisher weder ein zustimmendes noch verwerfendes öffentliches Urtheil bis jetzt bekannt geworden; dagegen habe ich mit Vergnügen wahrgenommen, dass später Kolbe ebenfalls das Gezwungene der Laurent’schen Ansicht von seinen Imiden gefühlt, und wenn auch nicht auf dieselbe, doch auf analoge Weise dieselbe zu vereinfachen gestrebt hat. Man kann sich a priori aus den sauerstoffsauren Ammoniumoxydsalzen durch Austreten von Wasseratomen eine doppelte Reihe von je viererlei Verbindungen der Reste aus dem Ammoniumoxyd und aus der Sauerstoffsäure hervorgend denken, nämlich: A. Aus neutralem Ammoniumoxydsalz: B. Aus saurem Ammoniumoxydsalz : RO® + NH?%0. ROSNH*?O + RO°HO. 1. RO®NH® (sog. wasserfreies Ammonsalz) 1. RO®NH®-+-RO3HO (Ammonsäure) 2. RO?NH? (neutrales Amid) 2. RO®NH?+-RO®°HO (Amidsäure) 3. RO NH (neutrales Imid) 3. RO NH +4RO°HO (Imidsäure) 4. RN (neutrales Nitril). 4. RN + RO®°HO (Nitrilsäure). Bis jetzt fehlen in diesem Schema in der neutralen Reihe (A) nur die Rubrik 3 (die Imide), dagegen in der sauren Reihe die Rubriken 1, 3 und 4. Laurent und einige Chemiker nach ihm hatten Verbindungen kennen gelehrt, welche durch Verlust von 4 Atomen Wasser aus den sauren Ammoniumoxydsalzen, oder was im Resultat dasselbe ist, durch Verlust von 2 Atomen Wasser aus den Amidsäuren hervorgehen, und denen daher die allgemeine Formel R?0°NH zukommt. Auffallen- derweise hat meines Wissens bis heute Niemand diese Körper, denen einigermassen saure. Eigen- schaften zuzukommen scheinen, als die sauren Nitrile betrachtet, sondern man hat sie, wie schon aus ihrem gebräuchllichen Namen ‚‚Imide“ hervorgeht, als Verbindungen des hypothetischen ächten Imids mit der wasserfreien Säure angesehen, also als RONH +4 RO®. Die merkwürdige Thatsache, dass bis jetzt solche Körper nur von Säuren erhalten werden konnten, welche als Anhydride bestehen 119 können, schien zu Gunsten dieser Deutung zu sprechen. Allein nach Gerhardt’s neuesten Unter- suchungen scheint es wahrscheinlich, dass man vielleicht noch von allen organischen Säuren die Anhydride zu isoliren lernt; und auf der anderen: Seite dürfte wenigstens vorläufig die nachstehende Interpretation der Laurent’schen Imide viel einfacher und um so annehmbarer erscheinen, als sie eine schöne Uebereinstimmung zwischen den Amiden und Nitrilen herbeiführt. Man denke sich diese sog. Imide als Verbindungen der neutralen Nitrile mit 1 Aep. Säurehydrat, also das Camphimid als eine Verbindung von Camphonitril mit Camphersäurehydrat. Wir erhalten so eine durchgreifende Parallele zwischen den neutralen und sauren Ammoniumoxydsalzen,, den neu- tralen und sauren Amiden, den neutralen und sauren Nitrilen. Dagegen fällt merkwürdigerweise das ganze Mittelglied der Imidverbindungen völlig aus. Uebrigens bleibt diese Kluft auch nach Laurent’s Hypothese, indem kein Analogon einer Verbindung mit einem Anhydride in der Reihe der Amide und Nitrile bisher bekannt ist. Nur mit den sog. wasserfreien Ammonverbindungee liesse sich die Laurent’sche Auffassung seiner Imide parallelisiren, insofern man sich erstere als Verbindungen von NH® mit wasserfreier Säure denkt. Uebrigens liessen sich diese Ammonverbindungen auch als Paarungen des normalen Ammoniumoxydsalzes mit dem entsprechenden Amid ansehen: 2 (SO®NH?) = SO®NH?O + SO?NH?. 5, Bestätigen sich die sauren Eigenschaften der seither Imide genannten Körper, namentlich ihre Neigung, sich mit gewissen Basen .zu verbinden, so giebt unsere Deutung eine genügende Erklärung, da sie ja 1 Aeq. Säurehydrat in ihnen voraussetzt, nicht aber die bisher übliche, da ja die Anhydride keine eigentlichen Säurecharaktere mehr besitzen. Kolbe hat die Laurent’schen Imide als Paarungen von Cyanverbindungen mit 1 Aeq. Säure- hydrat zu interpretiren versucht, und gleichfalls die sauren Eigenschaften derselben als ein Moment zu Gunsten dieser Deutung angeführt. Er betrachtet z. B. das Camphimid als CyC!°H!* + C?0°H0, nach der ilım eigenthümlichen Auffassung von den gepaarten Oxalsäuren und gemäss seiner interes- santen Vergleichungen der neutralen Nitrile mit den Cyanverbindungen der Alkoholradicale etc. Wie nach ihm aus einem neutralen Ammoniumoxydsalz oder einem neutralen Amid als Endproduet der Wassereliniination eine neutrale Cyanverbindung hervorgeht, so lässt er aus einem sauren Ammonium- oxydsalz oder auch einer Amidsäure eine mit Säurehydrat gepaarte Cyangruppe entstehen. Uebrigens gesteht Kolbe selbst zu, dass man bei der Verfolgung dieser seiner Hypothese auf bedeutende Schwierigkeiten stosse; man würde dadurch z. B. bei den Anilen zu sehr künstlichen und vielfach rein hypothesischen Annahmen genöthigt. Nach meiner Interpretation würden diese Schwierigkeiten ganz vermieden; die Anile wären (den Laurent’schen Imiden durchaus entsprechend) Verbindungen von Anilinnitrilen (welche freilich bisher noch nicht für sich dargestellt werden konn- ten) mit Säurehydrat; also Suceinanil wäre Suceinanilinuitrilsäure, d. h. eine Verbindung von Suc- einanilinnitril mit Bernsteinsäurehydrat. Ich empfehle diese Deutung der experimentellen Kritik besonders derjenigen Chemiker, die sich mit den sogenannten Imiden beschäftigt haben. 3. Hierauf wurde folgender Vortrag des Professor Fehling verlesen, welcher hatte abreisen müssen. Ich erhielt im vorigen Sommer aus einer Rübenzuckerfabrik, in der die Rübenmelasse gebrannt wird, ein Rübenfuselöl, welches aus den zur. Reinigung des Spiritus verwendeten Holzkohlen abge- 120 schieden war. Dieses Fuselöl enthält verschiedene freie flüchtige Fettsäuren (Caprinsäure, Capril- säure etc.) und ein neutrales Fett, welches beim Verseifen mit Kali reine Caprinsäure (HO C,, H,s 05) gab. Das unverseifte Fett war durch Destillation theilweise zersetzt, seine Analyse gab sehr annähernd die Formel C,, H,, O,, oder vielleicht C,; H,, O,; nach der ersten Formel würde das Fett caprin- saures Lipyloxyd sein (Cs His O0; . C; H, 0). Es war mir wegen Mangel an Material nicht mehr möglich, aus der verseiften Masse Glycerin abzuscheiden, doch gab ein Tropfen des Fetts, auf dem Platinblech erhitzt, unzweifelhaften Acroleingeruch. Ich hoffe bald neue Quantitäten dieses Fuselöls zu erhalten. | j Vor einigen Monaten erhielt ich von Dr. Dingler in Augsburg ein sogenanntes Weinbeerenöl, welches in Leipzig im Handel zu haben sei und für Rumfabriken gebraucht werden soll. Dieses Oel verhält sich nun genau, wie das vorige und ist ganz wie dieses zusammengesetzt; die nach der Elementaranalyse zusammengesetzte Formel liegt näher an C,; H,, O,, als C,; H,, 0,. Es eibt beim Verseifen auch reine Caprinsäure. In England soll in neuerer Zeit ein Whiskyöl in den Handel kommen, um dem rohen Branntwein den Geruch des irischen Whisky’s zu geben. Dieses Oel ist, wie Professor Hofmann mir sagte, reines pelargonsaures Aethyloxyd, dessen Säure aus Rautenöl (Caprinaldehyd) durch Salpetersäure von gewisser Concentration erhalten wird. Dieses Produet ist also ein Kunstproduet, während das erste von mir untersuchte Produet, wie ich sicher weiss, keineswegs ein Kunstproduet ist, und auch das sogenannte Weinbeerenöl ist wohl ein natürliches Product, vielleicht durch Destillation von Wein- hefe erhalten. 5. Es gab dieser ‘Vortrag Veranlassung zur weiteren Besprechung des behandelten und ähnlicher Gegenstände, an welchen sich Professor H. Rose, Professor Boettger, Professor Schödler. Dr. Mohr und Professor Schlossberger betheiligten. JEE. Section für Mineralogie, Geognosie und Geographie. Zum ersten Präsidenten wurde Sectionsrath Haidinger aus Wien, zum zweiten Dr. Hermann von Meyer aus Frankfurt a.M. ernannt, zu Secretären Professor Dr. Dunker aus Kassel und Dr. Guido Sandberger aus Wiesbaden. Im Verfolg der Sitzungen mussten noch zum Ersatz für Dr. Dunker zunächst Prof. Dr. von Klipstein aus Giessen und nach dessen Abgange Friedrich Volz aus Mainz erwählt werden. Erste Sitzung. Montag, den 20. September. Präsident: Dr. Hermann von Meyer. Sectionsrath Haidinger war durch Unwohlsein noch verhindert. Von Druckschriften werden der Section vorgelegt oder übergeben : 1) von Klipstein: Geognostische Darstellung des Grossherzogthums Hessen u, s. w. Nordwest- liche Hauptabtheilung. 1. Distriet: Südliches Hinterländer Gebirge. Frankfurt a.M. 1852. 121 2) Dr. Fridolin Sandberger: Geognostische Zusammensetzung der Gegend von Weilburg. Separatabdruck aus Heft VII. Abtheil. 2 der Jahrbücher des Vereins für Naturkunde im Herzogthum Nassau. Eine Anzahl Exemplare wurden’ vertheilt. 3) Wilh. Dunker und Herm. von Meyer: Paläontographica. Beiträge zur Naturgeschichte der Vorwelt. Band Il. Lieferung 6. 4) Dumont zu Lüttich: Observations sur la constitution geologique des terrains de l’Angleterre, compares A ceux de la Belgique. Ueberreicht im Auftrag des Verfassers von R. A. C. Austen. 5) R. A. €. Austen übergibt der Section seine beiden Abhandlungen: a) On the superficial accumulations of the coast of the English Channel and the changes they indicate; b) On the Valley of the English Channel. 6) Dr. I. Müller: Monographie der Petrefacten der Aachener Kreideformation. Abtbeilung 2. Bonn 1851. 7) Herm. von Meyer: Zur Fauna der Vorwelt. Saurier des Muschelkalks. 3. Lieferung. Ehe die wissenschaftlichen Vorträge begannen, stellte der Geheime Bergrath von Carnall aus Berlin den Antrag, dass die Section, wie es bisher geschehen, genehmigen möge, dass an den Vorstand der deutschen geologischen Gesellschaft eine Abschrift des wissenschaftlichen Theiles des Protokolls der mineralogischen Section mitgetheilt werde, behufs der Veröffentlichung in der Zeit- schrift der genannten Gesellschaft. Der Antrag wird angenommen. — Gehalten wurden die nachfolgenden Vorträge: 1. Dr. Zimmermann aus Hamburg: „Ueber eine Schwefelbildung in neuester Zeit.‘ Am südwestlichen Rande der Stadt Hamburg ist bei Gelegenheit eines Siehlbaues ein Lager natürlichen Schwefels entdeckt worden, das augenscheinlich erst in den letzten Jahrhunderten ent- standen ist. Hinter der Kehrwieder-Strasse nämlich, zwischen dieser und dem Wall befand sich ein Kanal, Fleeth genannt, in welchen sich viele Kloaken aus den Wohnungen des Kehrwieders ergiessen, und der, weil er häufig einen üblen Geruch verbreitete, jetzt zugeworfen wird. Um aber den Kloa- ken wieder Abfluss zu verschaffen, ward parallel dem Kanale auf dem Wall ein gemauertes Siehl angelegt. Als der hiezu gegrabene Stollen bis 18 Fuss Tiefe eröffnet war, entwickelte sich aus dem Boden eine so grosse Menge Schwefelwasserstoffgas, dass die Arbeiter erkrankten, Schwindel und Augenentzündung bekamen, und ihre silbernen Uhren, ihr Geld geschwärzt wurden, und sie desshalb halbstündlich abgelöst werden mussten. Die Baubehörde ersuchte daher den Apotheker Ulex, das Siehl zu untersuchen, um wo möglich die Ursache der schädlichen Gasentwickelung zu erforschen. Ulex fand nun, dass das Gas sich aus einer grauen Erdschichte entwickelte, welche in der Tiefe von 18 Fuss ein 3 Fuss mächtiges Lager bildete, das an zwei Stellen des Walles, jedesmal in der Länge von 150 Fuss durchschnitten war. Er erkannte diese Erdschichte sogleich als eine Schwefelerde, die aus einem innigen Gemenge von Schwefel und Gyps bestand, und worin sich eine grosse Menge kleiner Schwefel-Rhomboeder auskrystallisirt fanden. Der ursprüngliche Boden dieser Lokalität, ein Theil des Grasbrooks, ist Marschland, worin sich aufeinanderfolgend Holz- und Muschelschichten finden. Der Wall besteht aus aufgefahrener Erde, die einst aus einem Kanal gewonnen wurde. Ausserdem ward beim Graben des Siehles eine so grosse Menge Knochen herausgefördert, dass wochenlang täglich an 1000 Pfd. fortgeschafft wurden. Der Kanal hatte seit Jahrhunderten jeglichen Abraum in sich aufgenommen und dadurch fortdauernd 16 122 einen Heerd für die Bildung von Schwefelwasserstoff abgegeben, der in die lockere Erde des Walls eingedrungen, dort zur Absetzung des Schwefels Veranlassung gab. Ausserdem ward auch aus der Schwefelerde mit Hülfe von siedendem absolutem Alkohol Leichenfett (Adiposir) ausgezogen, und dadurch bewiesen, dass hier Fleisch, welches wahrscheinlich den Knochen angehangen, in Verwesung übergegangen war. Unter den Knochen fanden sich nämlich auch menschliche Knochen, und nach einer Sage wurden hier, bevor der Wall aufgeworfen war, Tausende von Seeräubern hin- gerichtet und eingescharrt. An eine Verschüttung des Schwefels ist nicht zu denken; denn 1) ist die Masse desselben zu gross und zu weit ausgedehnt, 2) kommt der Schwefel in jener Form im Handel gar nicht vor, und 3) haben die niedlichen kleinen Krystallgruppen, die theils die leeren Räume ausfüllen, theils durch die ganze Masse zu Millionen vertheilt sind, ganz den Charakter der Bildung an Ort und Stelle. ' Schwefelwasserstoff war also genügend vorhanden, um Schwefel und jene Krystalle zu erzeugen; denn theils entwickelte es sich aus der faulen Gährung im Boden selbst, theils lieferte die parallel daneben liegende Kloake, der Kanal, dasselbe in hinreichender Menge. Luft blieb im lockern Boden nicht ausgeschlossen, und so zersetzte sich der Schwefelwasserstoff auf doppelte Weise, theils Schwefel und Wasser pildend, theils zu Schwefelsäure sich oxydirend, die vom Kalk der Knochen aufgenommen, Gyps bildete. 2. Dr. F. Sandberger aus Wiesbaden giebt eine Uebersicht der geologischen Ver- hältnisse des Herzogthums Nassau unter Vorlage vollständiger Suiten von Felsarten aus diesem Gebiete. Hinsichtlich der paläozoischen Schichten verweist er auf die in dem naturhistorischen Mu- seum aufgestellte Sammlung, welche die Grundlage der von ihm und seinem Bruder gemeinschaftlich bearbeiteten „‚Systematischen Beschreibung und Abbildung der Versteinerungen des Rheinischen Schichtensystems in Nassau‘ bildet. Die tertiären Schichten und Versteinerungen berührt er eben- falls nur kurz und verspricht dieselben in einem spätern Vortrage ausführlicher zu erörtern. Die plutonischen Gesteine der Feldspath-, Porphyr- und Diabas-Reihe behandelt er weitläufiger, ebenso die vulkanischen und macht bei den ersteren auf die in ihrer Begleitung auftretenden Erzgänge und mächtigen Eisensteinlager, bei letzteren noch besonders auf die Reihenfolge, in welcher sie hervor- getreten sind, aufmerksam. Trachyt ist unter letzteren das älteste Gebilde, er wird an mehreren Stellen des Westerwaldes von Basalt durchbrochen, dessen verschiedene Varietäten einander ebenfalls wieder, wie es scheint, in bestimmter Reihenfolge durchsetzen. Das jüngste vulkanische Gebilde Nassau’s ist der von den rheinischen Vulkanen abstammende Bimsstein, der im westlichen Theile des Landes oft sehr mächtig auftritt und bis in die Gegend von Marburg in Kurhessen noch vorkommt. 3. Professor Dr. J. Müller aus Aachen: ‚‚Ueber die Gattung Scaphites mit Demonstrationen.“ 4. Professor Dr. Kurr aus Stuttgart: „Ueber fossile Menschenzähne.“ 5. Der Präsident knüpft daran noch Bemerkungen, dass die sämmtlichen bisher gefundenen Reste von scheinbar fossilen Menschenknochen noch nicht sicher als diluvial oder gar als tertiär zu betrachten seien, sondern recht wohl postdilnvial sein könnten. k 6. Dr. Jordan aus Saarbrücken: „Ueber das Vorkommen fossiler Crustaceen in der Saarbrücker Steinkohlenformation‘ mit Vorzeigung der wichtigsten Exemplare. Im Saarbrücker Kohlengebirge sind bis jetzt 4 neue Gattungen fossiler Krustenthiere aufgefun- den worden, von denen die erste bereits im Jahre 1847 in den Verhandlungen des naturhistorischen 123 Vereins für die preussischen Rheinlande beschrieben und mit dem Namen Gampsonyx fimbriatus belegt wurde. Sie stammt aus den Thoneisenstein-Ablagerungen bei Lebach, wurde aber später auch zu Schwarzenberg bei Birkenfeld und im Murgthale gefunden und von Prof. Bronn näher bestimmt. Die merkwürdigste Eigenthümlichkeit dieser zarten Kruster besteht in der Verbindung eines aus gleichartigen Ringen zusammengesetzten Körpers, dem der Amphipoden ähnlich, mit einem fünf- fächerigen Schwanze, wie er den spätern langschwänzigen Dekapoden zukommt. Die drei übrigen Gattungen sind bis jetzt nur in einzigen Exemplaren bei dem Bau der Eisen- bahn zwischen Saarbrücken und Neunkirchen in einem rauhen Thoneisenstein aufgefunden worden, welcher lagerweise in den mit Kohlenflötzen wechselnden Schichten von Schieferthon und Kohlen- sandstein vorkommt. Das erste Exemplar, vom Tunnel bei Friedrichsthal, besteht aus grossen, mit Stacheln besetzten, meistens von einander getrennten Gliedern, welche auf eine Verwandtschaft mit Limulus hinweisen. Die beiden letzten Exemplare, aus dem Eisenbahn-Schacht bei Jägersfreude, gehören der Ord- nung der Phyllopoden an und stehen unter den fossilen den Trilobiten am nächsten, oder müssen diesen selbst beigezählt werden. Das vollständieste Exemplar ist mit einer mit feinen Granulationen besetzten Schale bekleidet und besteht aus dem Kopf- und Schwanzschilde, aus sieben dazwischen liegenden Ringen. An dem Kopfschilde sind weder Augen noch eine Glabella zu unterscheiden. Auch an den übrigen Ringen findet keine deutliche Grenze zwischen den mittleren und den Seitentheilen statt, sondern das gewölbte Mittelstück geht allmälig in die flacheren Seitentheile über; der linke Rand der Ringe ist grösstentheils abgesprengt und dadurch ein schöner blattförmiger Kiemenfuss an dem fünften Ringe blossgelegt worden. Die auffallende Verschmälerung des siebenten Ringes und des Pygidiums, sofern die vorliegenden Umrisse wirklich die natürlichen Ränder sind, deutet einen Uebergang der Trilobiten zu den späteren Phyllopoden an. Das andere Exemplar ist nur in fünf Ringen vertreten; alles Uebrige fehlt. Die Ringe sind deutlich in Mittel- und Seitenstücke geschieden. Auf jedem Mittelstücke bemerkt man zwei stachel- förmige Hervorragungen,, deren Spitze trichterförmig eingedrückt ist. Sodann wurden der Versammlung die bei dem Eisenbahnbau in reicher Menge angetroffenen Früchte aus der Gattung Trigonocarpum und ein Archegosaurus von Lebach vorgelegt, 7. Fr. Goldenberg aus Saarbrücken: „Ueber versteinerte Insectenreste im Stein- kohlengebirge von Saarbrücken.“ Wer die mannigfaltigen Beziehungen kennt, welche die Insecten sowohl an die übrige Thier- welt, als auch an das gesammte Pflanzenreich knüpfen, der wird einsehen , dass diese Thierformen als Verkündiger der Beschaffenheit des Bodens und der klimatischen Verhältnisse des Landes be- trachtet und somit zum Studium der Geschichte unserer Erde von grosser Bedeutung werden können. Ja, man kann wohl mit vollem Rechte behaupten, dass die Enthüllung der Insectenwelt einer der ältesten Erdepochen uns neue Blicke eröffnet in jene frühen Schöpfungstage, indem diese Thierwelt selbst noch in ihrer Leichengestalt ein deutliches Bild ihres frühern Lebens gewährt und im Stande ist, Zeugniss abzulegen von jenen wechselvollen Tagen, wo Mutter Erde selbst revolutionäre Ge- sinnungen hegte und sich geneigt zeiete, ohne Zustimmung ihrer friedlichen Bewohner jeden Augen- blick ihre Verfassung zu ändern. Auf’ ‚dem Continente siad bis jetzt nur im Kohlengebirge von Wettin Insectenreste mit Zuver- 16* 124 lässigkeit nachgewiesen worden und zwar sind es nur Flügel von Blatta-Arten, die man dort entdeckt hat. Es ist uns gelungen, im Kohlengebirge von Saarbrücken eine Reihe von fossilen Insecten auf- zufinden. Da dieselben fast lauter verschiedenen Familien und Gattungen angehören, so sind sie im Stande, uns das Bild dieser ältesten Luftathmerfauna in ihren Grundzügen vor unser geistiges Auge zu bringen. Es zeigt uns dieses Bild, dass gleich den Pflanzen der Kohlenzeit, auch diese Insecten Gattungen und Arten gebildet haben, die in der Jetzwelt nicht mehr vorhanden, und deren Verwandten nur unter den Tropen anzutreffen sind. Indem ich nun dazu übergebe, der hochverehrten Versammlung die merkwürdigsten Formen meiner Entdeckung vorzulegen, geht meine Ansicht hauptsächlich dahin, auch andere Forscher zu veranlassen, diesem wichtigen Zweige der Naturwissenschaft ihre Aufmerksamkeit zu schenken, damit immer mehr und mehr das Dunkel schwinde, das noch auf den ältesten Erdepochen liegt. Ich kann dabei es aus eigener Erfahrung bestätigen, dass auch auf diesem Gebiete der Spruch seine Anwen- dung findet: „Wer suchet, der findet.‘ Der erste Flügel, den ich die Ehre habe, hier vorzulegen, ist der Oberflügel eines Thieres, welches, wenn nicht einer Gryllaeris selbst, doch zweifelsohne einem dieser Gattunz nahe ver- wandten Thiere angehört hat; denn der Bau des ganzen Geäders stimmt in allen wesentlichen Punk- ten, sowohl mit den lebenden, als auch mit den tertiären überein. Nach dem Oberflügel,zu urtheilen, hat dieses Thier eine ungewöhnliche Grösse gehabt, wie sie weder bei lebenden, noch anderen fossilen Arten angetroffen wird. Ich fand diesen Flügel schon im Jahr 1840 in den Hangenden eines wenig mächtigen Flötzes, das an der Fischhach unweit Saarbrücken zu Tage geht. Alle Be- mühungen, an dieser Stelle noch andere Theile dieses Insects aufzufinden, sind bis jetzt ohne Erfolg geblieben, dagegen hatte ich das Glück, im vorigen Jahre an verschiedenen anderen Punkten unseres Kohlengebirges noch fünf Insectenreste zu entdecken, welche sämmtlich anderen Familien angehören. Eines der merkwürdigsten Vorkommnisse dieser Art ist das Erscheinen von Termiten in der Kohlenzeit. „Es ist diese Ihre Entdeckung‘, bemerkt Oswald Heer, dem ich meine Entdeckung in getreuen Abbildungen mittheilte, „von grösstem Interesse, indem sie zeigt, dass diese grossen Pflanzenzerstörer schon in 50 früher Zeit auf der Erde erschienen sind.“ — Es lassen sich an dem aufgefundenen Exemplare ausser den vier Flügeln auch noch mehrere andere Körpertheile, namentlich die Beine deutlich erkennen, und alle diese Stücke sprechen bei genauer Prüfung und Vergleichung mit lebenden und fossilen Thieren dieser Art für einen Termiten. Allerdings ist dieser Termit auf- fallend gross, doch hat nach Professor Oswald Heer eine neue Art, die derselbe kürzlich von Radobaj erhalten, dieselbe Länge der Flügel. Weiter kann ich hier einen Unterflügel im Original vorzeigen, der unzweifelhaft einem Thier aus der Familie der Sialiden angehört hat, welches zunächst nach dem Bau der Hauptadern mit Corydalis und Chauliodes, zwei amerikanischen Gattungen, verwandt war, durch den sehr merk- würdigen Bau des Zwischengeäders jedoch ein eigenes Genus bildet, welches zwar zu den Sialiden gehört, aber eben durch dies sein Zwischengeäder einen höchst merkwürdigen Uebergang zu den Libellen macht. Ferner wurden von mir noch zwei ausgezeichnete Arten von Blatten und ein Rest eines Käfers entdeckt. Von diesem und jenen bin ich indessen nur im Stande, Ihnen getreue Abbildungen zu zeigen. da der Transport der Originalstücke wegen ihrer Zerbrechlichkeit mir zu gefährlich schien. 125 Die zwei abgebildeten Kohlenblatten weichen von denen der gemässigten und kalten Zone ganz ab, und stimmen mehr mit denen der wärmeren und heissen Zone überein; doch haben sie nicht diese scharf abgesetzte, kurze area analis. Sie weichen aber auch von jenen darin ab, dass alle Adern des genannten Nahtfeldes in den Nahtrand auslaufen, während diese bei denen der Jetztwelt theilweise in die an die area interno-media stossende Randlinie münden. In dieser Beziehung stimmen die Kohleninsecten mit einer Art überein, welche Prof. Oswald Heer im Lias entdeckt hat, und die viel näher an die Kohlenarten, als an die der Jetztwelt sich anschliesst. Diese Kohlen- und Liasarten bilden wahrscheinlich ein eigenthümliches Genus, dem der Name Blattina bleiben kann, welchen Professor Germar auf sie anwendet. Von dem Käfer, den ich in der Steinkohlenformation aufgefunden habe, kann ich Ihnen eben- falls nur ein Abbild geben, und zwar nur ein unvollkommenes, indem noch: viele Theile des Körpers im Steine stecken und ich bis jetzt noch nicht Zeit gefunden habe, diese versteckten Theile blos zu legen. Desshalb dürfte es auch noch gewagt erscheinen, aus dem vorliegenden die Gattung zu be- stimmen, wozu dieser Käfer gehört hat. Das Vorgetragene mag hinreichen, um eine Vorstellung zu gewinnen von dem Umfange und der Physiognomie der Insectenfauna der Kohlenperiode. Ich möchte jetzt noch Ihre Aufmerksamkeit auf einige interessante Pflanzenreste aus der Steinkohle von Saarbrücken lenken. Ich bin im Stande, vier Species von ächten Lycopodieen theils in Abbildungen. theils im Original der verehrten Versammlung hier vorlegen zu können. Dieselben scheinen sämmt- lich baumartig, im Uebrigen aber unsern Lycopodieen in allen Stücken vollkommen ähnlich gewesen zu sein. Wie den Lycopodieen der Jetztwelt finden sich die Sporenfrüchte der fossilen Lycopodieen einzeln, winkelständig oder zu mehreren in gipfelständigen Fruchtkätzchen zusammengedrängt, dabei stimmen diese Sporenfrüchte in Grösse und Gestalt genau mit unsern jetzt lebenden Lycopodieen überein. Für den Kenner der fossilen Flora, namentlich der des Steinkohlengebirges, bedarf es wohl nicht der Bemerkung, wie wiehtig das Auffinden ächter Lycopodieen in der Steinkohlenformation für die Entscheidung der Streitfrage über die Stellung der sogenannten Lepidodendreen im System ist. Die ausgezeichnetsten Kenner fossiler Pflanzen waren bis jetzt der Meinung, dass im Kohlengebirge und selbst in noch jüngeren Formationen noch kein Lycopodium vorhanden gewesen sei. Adolph Brongniart bemerkt darüber in seiner neuesten. Uebersicht der fossilen Pflanzengattungen 1849 (Tableau des genres de vegetaux fossiles): „Les plantes reellement analogues aux Lycopodes actuels sont peu nombreuses a letat fossiles: Je n’en connais meme aucune, qui par ses dimensions et la disposition de ses feuilles puisse e@tre comparee avec quelque certitude aux especes du genre Lycopodium proprement dit; car la pluspart des plantes, qu’on a indiquees comme Lycopodites, sont probablement ou des parties superieures de jeunes rameaux de Lepidodendron, ou des rameaux de Coniferes. „Ainsi Ja pluspart des Lycopodites a rameaux dichotomes, du terrain houiller, paraissent dans le premier cas; les especes A rameaux pinnes, distiques, sont &videmment des Coniferes du genre Walchia. La pluspart des especes des terrains plus recents, du lias ou du calcaire oolithique, parais- sent dans ce dernier cas; tels sont particulierement les Lycopodites Williamsonis et patens. Parmi ceux ci, il y a cependant une espece, qui a tous les caracteres d’un Lycopode ou plutöt du genre Lelaginella etc. 126 „Je ne connais aucune espece, qui ressemble aux vrais Lycopodes, tels qu’ ils sont actuellement limites, ni au genre Tmesipteris.‘* Schliesslich habe ich der verehrten Versammlung noch eine höchst interessante fossile Frucht- form vorzulegen, die ich für die Reproductionsorgane der Sigillarien halte. Es herrschte über die Stellung der Sigillarieen im System die verschiedenartigsten Ansichten. Brongniart zählt sie zu den gymnospermen Dicotyledoneen, Unger zu der Klasse der Selagineen, Corda vergleicht sie mit Euphorbien ete. Nicht eher bis wir die Reproductionsorgane der Sigillarien kennen, lässt sich mit Gewissheit ausmachen, welchen Pflanzenformen der Jetztwelt sie am nächsten stehen. Durch vieljährige Beobachtungen und Nachforschungen über diese Pflanzenreste an den Orten ihres Vorkom- mens ist es mir gelungen, Exemplare aufzufinden,, die alle Theile dieser Gewächse in ihrem natür- jichen Zusammenhang zeigen. Mit den Stämmen und Blättern der Sigillarien fand ich an den ver- schiedensten Punkten unsers Kohlengebirges und zwar häufig in Schichten, die nur Sigillarienreste aufzuweisen hatten, Früchte, die in allen Beziehungen eine sprechende Aenlichkeit mit den Früchten unserer Isoeten besitzen. Wie diese, so sitzen auch diese fossilen Früchte auf den erweiterten Thei- ien der Blätter in Hüllen und bestehen theils aus Sporen-, theils aus Körnerfrüchten, die sich nur durch ihre Grösse etwas von den ähnlichen Fruchttheilen unserer Brachsenkräuter unterscheiden ; sonst aber auch noch darin denselben gleichen, dass sie an Querfäden angeheftet waren, die sich an einigen Exemplaren deutlich wahrnehmen lassen. Diese fruchttragenden Blätter sitzen jedoch an einer Längsachse in Form einer Aehre. Nach dieser Fruchtform und Fruchtstellung zu schliessen, hätten die Sigillarien ein Uebergangsform von den Isoeten zu den Lycopodieen gebildet. Ich kann für diese Ansicht der geehrten Versammlung hier nur zwei Exemplare vorlegen, von denen das eine die aus- gefallenen kuglig tetraädrischen Sporenfrüchte mit ihren erhabenen Reifen; das andere die frucht- tragenden Blätter zeigt, wie sie an einer Achse zum Theil noch angeheftet sitzen. Ich besitze in meiner Sammlung eine ganze Reihe von Exemplaren, die in der Art, wie sie mit den bekannten Theilen der Sigillarien zusammen vorkommen, die hier ausgesprochene Ansicht auf das vollkommenste bestätigen. 8. Ministerialassessor Odernheimer aus Wiesbaden „über die bisherige Thätigkeit der mineralogischen Section des Vereins für Naturkunde in Nassau. Nachdem der nassauische Verein für Naturkunde in den ersten Jahren seines Bestehens die nächste Aufgabe in Gründung eines naturhistorischen Museums und Erweckung naturhistorischen Sin- nes im Lande finden musste, diese Aufgabe auch mit den verfügbaren Mitteln befriedigend gelöst hatte, wurden in den letzten Jahren, neben Fortsetzung der schon früher begonnenen wissenschaft- lichen Bearbeitung des in dem Museum dargebotenen Stoffes, die Zwecke des Vereins hauptsächlich auf naturhistorische Erforschung des Landes gerichtet, und zur Erweichung derselben Sectionen ar- beitender Vereinsmitglieder mit einer angemessenen Stellung innerhalb des Vereins gebildet. Ich erlaube mir nun in wenigen Worten gewissermassen Rechenschaft abzulegen, was in dieser Beziehung von der mineralogischen Section bisher geschehen, oder zum Theil vorbereitet worden ist. Zunächst wurde auf Veryollständigung der von Herzoglicher Regierung in früheren Jahren ver- anlassten und dem Museum übergebenen reichhaltigen Sammlungen Nassauischer Vorkommnisse hin- gearbeitet, da die Kenntniss des Heimathlichen als das Wesentlichste erschien. Das Streben in dieser Richtung führte zu interessanten neuen Aufschlüssen bisher im Herzogthum nicht bekannter Minera- 127 lien und zur genaueren Kenntniss der geognostischen Verhältnisse; besonders ist eben das Gebiet der Versteinerungen durch Einsendungen von Seiten der Sectionsmitglieder reichlich ausgestattet worden- Das bekannte prachtvolle Petrefactenwerk der Drr. Guido und Fridolin Sandberger gibt Zeugniss von dem Reichthum unseres Landes in dieser Beziehung. Im Museum des naturhistorischen Vereins werden Sie, meine Herren, Gelegenheit gefunden haben, die Nassauischen Petrefacten in ziemlicher Vollständigkeit aufgestellt zu sehen. In den hier herumzugebenden Heften der Jahrbücher des Vereins für Naturkunde wollen die Herren‘ die Ueberzeugung schöpfen, dass, wenn auch nichts Ausserordentliches dargeboten wird, doch in dem oben angegebenen Sinne, mit Liebe zur Wissenschaft Einiges gearbeitet worden ist. Sie finden in diesen Heften mehrere geognostische Beschreibungen einzelner Landesdistricte, na- mentlich der Umgegend von Wiesbaden und der Umgegend von Weilburg, sodann fortgesetzte Ver- zeichnisse der im Lande vorkommenden Mineralien, namentlich neuere Funde. Eine sehr wesentliche Unterstützung ihrer Arbeiten hat die mineralogische Section durch die vielfachen chemischen Analysen von Mineralien und Mineralwässern gefunden, welche von Professor Dr. Fresenius dahier und Dr. List zu Göttingen ausgeführt worden sind. Wenn auch nur wenige Mitglieder der mineralogischen Section des Nassauischen Vereins für Naturkunde Zeit und Musse finden, sich schriftlichen Bearbeitungen zu unterziehen, so sind doch die übrigen bemüht, Beiträge zur näheren Kenntniss des Landes zu liefern. Dies gilt namentlich von den Nassauischen Staats- und Privatbergbeamten und Grubenbesitzern, welche durch den in unserem Lande weit verbreiteten Bergbaubetrieb häufig in den Stand gesetzt werden, werthvolle Mittheilungen zu machen. Die Arbeiten der Section sind in dieser Weise in nicht geringem Grade gefördert worden. Jährlich versammeln sich sämmtliche Sectionen, abwechselnd in verschiedenen Landestheilen. Diese Sitzungen haben schon vielfach anregend gewirkt, indem dadurch isolirt arbeitende Männer für die allgenieinen Bestrebungen gewonnen worden sind. und manche andere den Naturwissenschaften mit erneuter Liebe sich gewidmet haben. Die nächste Versammlung der Sectionen findet. künftiges Jahr in den ersten Tagen nach Pfing- sten zu Königstein im Taunus statt, wozu die nahewohnenden Beförderer der Naturwissenschaften freundlichst eingeladen werden. 9. Bergrath Franz Ritter von Hauer legte der Versammlung die ersten zwei Hefte und meh- rere Probetafeln des dritten Heftes des Werkes: Die fossilen Mollusken des Tertiärbeckens von Wien unter der Mitwirkung von P. Partsch, bearbeitet von Dr. M. Hörnes, herausgegeben von der k. k. Reichsanstalt vor und besprach den Plan und die Art und Weise der Ausführung dieses Werkes. In demselben sollen über 500 Arten von fossilen Mollusken, welche man gegenwärtig aus dem Wiener Becken kennt, in genauen Beschreibungen und naturgetreuen Abbildungen dargestellt werden. Leider besitzen wir, obgleich die Literatur über die Fossilien gleichzeitiger Ablagerungen in andern Becken ziemlich gross ist, wenige Werke mit guten Abbildungen, und es war daher eine Hauptsorge des Verfassers in dieser Beziehung hinter den neuesten Erscheinungen der französischen Lithographie nicht zurückzubleiben. In wie weit diess den Kräften der k. k. Hof- und Staatsdruckerei in Wien 128 gelungen sei, möge der Mann vom Fache selbst beurtheilen. In Betreff des Textes hat sich Dr. Hörnes bemüht, nebst einer genauen Beschreibung, eine vollständige Literatur jeder Species zu ge- ben, um die Verbreitung derselben in den übrigen Tertiärbecken nachweisen zu können. Aus diesen genauen Literaturstudien mit Zuhülfenahme der reichen Sammlungen des k. k. Hof-Mineralien-Cabinetes und der k. k. geologischen Reichsanstalt hat sich ergeben, dass die Procentenberechnungen, worauf sich die Unterscheidung zwischen eocen, miocen und pliocen stützt auf meist irrigen Grundlagen beruht und dass bei den Tertiärbildungen in paläontologischer Beziehung nur eine Trennung in co een einerseits und mio- und pliocen andererseits angenommen werden dürfe. Um Verwechslungen zu vermeiden schlägt Dr. Hörnes vor, für die nur vereint betrachteten Mio- und Pliocen-Ablage- rungen den Namen neogen*) anzunehmen. Man zählt gegenwärtig namentlich die Ablagerungen von Asti, Castell’ arquanto, Sicilien u. s. w. zu der sogenannten Pliocen-Formation; allein im Wiener Becken kommen die charakteristischen Versteinerungen derselben Epoche mit den für ächt miocen gehaltenen Versteinerungen aus der Touraine von Bordeaux, Turin u. s. w. in einer und derselben Schichte zugleich vor. Diese Beobach- tung ist übrigens nicht neu, auch Reuss wurde bei seinen Arbeiten über die Polyparien und Ento- mostraceen des Wiener Beckens zu denselben Resultaten geführt; ebenso bezweifelte schon Philippi in seinem trefflichen Werke über die Mollusken Siciliens das wirkliche Bestehen der Mio- und Plio- cen-Ablagerungen, als getrennte über einander gelagerte Schichtencomplexe. Zu den interessan- testen Belegen dieser Ansicht gehört ferner der Umstand, dass sich fast sämmtliche Tertiärverstei- nerungen des Wiener Beckens, welches stets für Miocen gehalten wurde, in einer ganz jungen Ab- lagerung zu Cypern wiederfinden, ebenso stimmt der grösste Theil der Sicilianer Versteinerungen mit den Wiener Arten überein. Alle diese Verhältnisse wird Dr. Hörnes am Schlusse des ganzen Wer- kes in Tabellen, welche die Vergleichungspunkte sämmtlicher Tertiärbecken Europas enthalten soll, nachweisen. Man hat den Einwurf gemacht: „wenn sich wirklich Miocen- und Pliocen-Versteinerungen im Wiener Becken vereint vorfinden, so werden sich wahrscheinlich daselbst beide Ablagerungen vorfin- den und es bedarf nur einer genaueren geologischen Untersuchung, um diese Verhältnisse im Wiener Becken nachzuweisen.“ Allein Dr. Hörnes ist durch genaues Studium der einzelnen Ablagerungen (Jahrbuch der k. k. geologischen Reichsanstalt II. 4te Abth. p. 93) zu dem Resultate gelangt, dass sämmtliche mehr oder weniger versteinerungsreiche Schichten im Wiener Becken mit geringen Aus- nahmen gleichzeitig abgelagert wurden, und dass sich für mehrere Schichten nachweisen lasse, dass sie zugleich miocen und pliocen sind, d. h., dass sich in denselben eben so viele Repräsentanten der Miocen- als der Pliocen-Epoche befinden. Die Unhaltbarkeit der Trennung dieser beiden Forma- tionen hat ’Orbigny bei der Bearbeitung seines Prodrome am besten gefühlt, indem er trotz seiner starren Ansicht, dass keine Art sich in 2 Formationen finden könne, gezwungen war, so manche Species in beiden Formationen zugleich anzuführen. Die Beibehaltung dieser Trennung ist etwas Gezwungenes in der Natur durchaus nicht Bestehendes. Alle hierher gehörigen Ablagerungen hängen so innig zusammen, dass überall ein langsamer Uebergang (wie schon Michelotti beobachtete) wahrzunehmen ist. Auffallend dagegen bleibt jedenfalls die grosse Verschiedenheit der Fauna der *) veog — neu, jung; yiyvouce — entstehen, werden; mit Beziehung auf die neueste Entstehung dieser Schichten. «4 129 Eocen- und Miocen - Ablagerungen, so dass von 500 Arten sich kaum 5 wirklich eocene Arten im Wienerbecken finden. Während die Eocen-Fauna direkt auf ein wärmeres Klima hindeutet, kommen in den Mio- und Pliocen-Ablagerungen neben Arten, welche noch gegenwärtig im mittel- ländischen Meere leben, Arten mit rein ostindischem Habitus vor, welche unter den gegenwärtigen klimatischen Verhältnissen in der Breite des mittelländischen Meeres nicht mehr zu leben im Stande wären. Zweite Sitzung. Mittwoch, den 22. September. Präsidenten: Sectionsrath Haidinger und Dr. Herm. von Meyer. Von dem Secretär der Section, Dr. 6. Sandberger, wurde Namens des Apothekers Ferd. Oswald in Oels eine Suite Gypsmodelle von Ptychodus latissimus aus dem Plänerkalke von Teplitz, als zum Verkaufe bestimmt, der Section vorgelegt. 10. Dr. Karl List aus Göttingen: „‚Ueber den sogenannten strahligen Chlorit vom Büchenberge bei Elbingerode am Harz.‘“ Am Büchenberge bei Elbingerode am Harz findet sich ein Mineral, welches von Jasche im ersten Bande seiner „kleinen mineralogischen Schriften‘ als strahliger Chlorit aufgeführt ist. Es bildet schmale Gangtrümmer oder Lagen in einem dunkelgrünen Gestein, das vorläufig mit dem vielumfas- senden Namen des Schalsteins bezeichnet werden muss, und ist gewöhnlich von Kalkspath begleitet. Seine Farbe ist im frischen Zustande dunkellauchgrün, hat aber oft eine durch Oxydation des darin enthaltenen Eisenoxyduls bewirkte Neigung ins Braune. Es ist glasglänzend, in’s Perlmutterglänzende; Härte = 2,5. Die Textur ist blättrig, mit einer Anlage zum Strahligen; die Blätterdurchgänge stehen auf den Begrenzungsflächen :mehr oder weniger rechtwinklig. Vom gewöhnlichen Chlorit unterscheidet es sich besonders dadurch, dass es von Säuren sehr leicht zersetzt wird; schon in der Kälte wird es von: Salzsäure unter Gallertbildung vollständig aufgeschlossen. Vor dem Löthrohr ist es schwer und nur an den Kanten zum dunkeln Email schmelzbar. Es war nicht leicht, für die Analyse Material zu erhalten, welches zugleich noch vollkommen frisch und vom Muttergestein vollständig befreit war. Ich habe dazu solche Parthien gewählt, die zwischen Kalkspath eingewachsen waren, und die noch anhaftenden Kalkspaththeilchen durch Di- geriren des Pulvers mit verdünnter Essigsäure entfernt. Die Analyse ergab folgende Zusammen- SEtZUng : Kieselsäure 23,776 mit 12,345 Sauerstof' 1,6 Thonerde 16,432 „, 7,680 E3 1 Eisenoxydul 40,366 „, 8,960 33 \ Talkerde 3,100 , 1,640 39 Kalkerde 0,783 „ 0,211 53 11,066 1,5 Kali ; | Natron 0,081 „ 0,021 5 Wasser 1352590] ;,.::,12. 2334. 1,6 99,633 17 130 Für das Sauerstoff-Verhältniss zwischen SiO,;, Al,0;, RO und HO kann man 1,5:1:1,5:1,5 annehmen, wornach das Mineral im Wesentlichen aus 3Si0,, 2Al,0,;, 9Fe0, 9HO besteht. In dem Folgenden ist die hiernach berechnete procentische Zusammensetzung aufgestellt und zur Ver- eleichung in der gefundenen Zusammensetzung sämmtliche Basen RO als Eisenoxydul berechnet. | 38i0,, 241,0,, 9Fe0,9HO | _ strahliger Chlorit. | Kieselsäure | a AA Te | 2 67422:900 Thonenilenn. engsten BESTE Er 825 Eisenoxydul | 50.004 Erg u Wasser | 12. .312..2483253 100,000 100,000 Wegen des geringen Kieselsäuregehaltes lässt sich hieraus keine einfache Formel aufstellen. Wollte man nach Analogie der von Varrentrapp und v. Kobell für den gewöhnlichen Chlorit und den Ripidolith gegebenen Formeln in dem strahligen Chlorit einen Theil der Basen RO als Hydrat ansetzen, und z. B. die Formel (8Fe0 2Si0, + 2Al,0, SiO,) + 3 (2Fe0 3H0) wählen, so möchte die Annahme eines Eisenoxydulhydrats wohl wenig Wahrscheinlichkeit haben. Naturgemässer dürfte die Ansicht sein, dass die Thonerde als electronegativer Bestandtheil vorhanden sei, wornach das Mineral die wasserhaltige Verbindung eines Silicates mit einem Aluminate wäre: 3 (2RO SiO,) + 3R0 241,0, + 9 HO wie früher Aehnliches von Berzelius und Rammelsberg für Chlorit und Ripidolith augenom- men wurde. Zweckmässiger als durch eine bestimmte Formel lässt sich indessen das Verhältniss, in welchem der strahlige Chlorit zu den übrigen chloritartigen Mineralien steht, durch eine einfache Vergleichung der in denselben enthaltenen Atome der einzelnen Bestandtheile tabellarisch darstellen. Es enthält der |sio, R,0,| RO | HO | R,0, = | RO TTr———n Epichlorit 6 2 9 9 nach Rammelsberg. A1, 0, „ Fe,0,| Mg0 , Fe0 Aphrosiderit 4 3 9 6 nach F. Sandberger. Al, 0, Fe0 ,Mg0 Ripidolith means nach ee 4 3 9 ) Al, 0; 9 Fe,0, MgO D) Feo0 Thuringit £ Ti nach demselben, 4 2 9 9 Fe, 0; Fe0 Chlorit 4 2 9 9 |Al,O, , Fe,0,| MgO ,FeO nach demselben. Strahliger Chlorit.| 3 2 9 ) Al,0, Fe0 , Mg0 131 Da hiernach der strahlige Chlorit eine besondere Species der Chloritreihe ist, so schlage ich für ihn den Namen Metachlorit vor — der Stelle wegen, die er in der obigen Zusammenstellung einnimmt. — Der von Jasche a. a. Orten beschriebene Holzasbest vom Büchenberge ist eine faserig- blätterige Abänderung von Metachlorit und im frischen Zustande damit völlig identisch. Vor Kurzem hat Sillem in Leonhard und Bronn’s Jahrbuch für 1851 Pseudomorphosen von Chlorit nach Kalkspath beschrieben, die sich am Büchenberge bei Elbingerode finden sollen. Wie nun der Chlorit am Büchenberge kein eigentlicher Chlorit ist, eben so wenig scheinen mir hier wirkliche Pseudomorphosen vorzuliegen. Nach Allem, was ich von diesem Vorkommen sowohl bei Bergmeister Preus auf dem Büchenberge und bei Borde in Elbingerode, welchen ich das Material für meine Untersuchung verdanke, als auch bei Sillem selbst gesehen habe, scheint mir den Gebil- den, welche der Letztere für Pseudomorphosen anspricht, eine andere Deutung gegeben werden zu müssen. Wie schon oben bemerkt, findet sich der Metachlorit gewöhnlich in Begleitung von Kalkspath, und ist häufig mit diesem auf die Weise verwachsen, dass er im Innern desselben dünne Lagen bildet, die bald den Blätterdurchgängen des Kalkspaths parallel laufen, bald sie in verschie- denen Winkeln schneiden. Der Kalkspath findet sich in allen Graden der Frische und Verwitterung: vollkommen farblos, gelblich, durch höhere Oxydation von im frischen Zustande in ihm enthalte- nen kohlensauren Eisenoxydul, ganz matt und erdig; wo er endlich durch Verwitterung ganz + fortgeführt ist, finden sich hohle Räume, die von den Lamellen des Metachlorit begrenzt und mit einem dünnen Ueberzuge von Eisenoxydhydrat ausgekleidet sind. Da sich die Lamellen des Metachlorit in verschiedenen Winkeln schneiden, so entstehen innerhalb dieser hohlen Räume oft Gebilde, welche bei oberflächlicher Betrachtung an gewisse Kalkspathformen erinnern können. Dass diese es sind, welche Sillem für Pseudomorphosen gehalten hat, geht aus seinen eigenen Worten hervor. Er be- schreibt: „‚verschiedene Rhomboeder des Kalkspaths, welche in Chlorit umgewandelt sind; zum Theil umschliessen sie noch einen Kern von Kalkspath, zum Theil sind sie im Innern hohl und bei einigen sind Lamellen des Chlorits in die Spaltungsrichtungen des Kalkspaths eingedrungen. Der blätterige Chlorit ist schwärzlichgrün und grösstentheils überzogen mit einer dünnen Rinde Eisen- oxydhydrat.‘“ Würde ein von Metachlorit durchwachsenes Stück Kalkspath mit Essigsäure behandelt, so würde dieselbe Erscheinung hervortreten. Sillem glaubt ferner eine beginnende Pseudomorphose von Chlorit nach Kalkspäth zu besitzen, in einem deutlichen Rhomboeder, welches zum Theil mit Chlorit gemengt sei, im Uebrigen aber noch aus Kalkspath bestehe. Von demselben Fundorte besitze ich ein Stück Kalkspath, welches in der Mitte durch eine fast vollkommen ebene Fläche in zwei Theile geschieden ist, von denen der eine schwach gelblich, der andere, mit dem Muttergestein in Berührung gewesene durch eingemengten erdigen Metachlorit dunkellauchgrün gefärbt ist. Es würde leicht sein, hieraus Spaltungsstücke zu schlagen, auf welche genau die Beschreibung passen würde, welche Sillem von seiner beginnenden Pseudomorphose giebt. Dennoch kann ich eine solehe in meinem Stücke nicht erkennen; viel un- gezwungener scheint sich seine Eigenthümlichkeit durch die Annahme zu erklären, dass der Kalk- spath sich aus einer Flüssigkeit ausgeschieden hat, in deren unterem Theile Metachlorittheilchen suspendirt waren, welche vom Kalkspath bei. seiner Bildung eingeschlossen werden mussten, wie. wir Aehnliches bei künstlichen Krystallisationen wahrnehmen können. 172 132 Bei der grossen Wichtigkeit, welche die wirklichen Pseudomorphosen für chemisch-geolo- gische Forschungen haben, können wir nicht vorsichtig genug bei der Beobachtung solcher Erschei- nungen verfahren. die auf Pseudomorphosen hinzudeuten scheinen. 11. Bergdirector Max Braun aus Aachen macht auf den grossen Reichthum von Kieselzinkerz im Lager des Altenbergs bei Aachen aufmerksam und zeigt ausgezeichnet hemimorphisch ausgebildete Krystalle von daher vor, wobei der erste Präsident bemerkt, dass er schon früher, freilich minder ansgezeichnete Krystalle der Art in der dortigen Gegend gesammelt und untersucht habe. 12. Oberbergrath Schwarzenberg von Cassel: „über die geognostischen Verhältnisse der Umgegend von Algier, Koleah, Blidah und Medeah.‘“ Nebst einem Gebirgsprofi. (Vergl. Tafel 1.). Eine Reise, die ich im Jahre 1849 nach Algier unternahm, gab mir Gelegenheit, die 'geog- nostischen Verhältnisse der Umgegend dieser Stadt, vorzugsweise aber der Umgegend von Koleah, Blidah und Medeah, sowie des Theils des Atlas, welcher zwischen Blidah und Medeah liegt, frei- lich nur während des mir zu Gebote stehenden kurzen Zeitraums von etwa 34 Tagen, kennen zu lernen und darf ich wohl wagen, hier einige Mittheilungen darüber zu machen, da meine Beobach- tungen von denen Anderer in einigen wesentlichen Punkten abweichen, und eben durch diese Mit- theilung vielleicht Veranlassung gegeben wird, dass Geognosten, welche dieses schöne, so interessante Land bereisen, die abweichenden Beobachtungen prüfen und über deren Richtigkeit entscheiden. Die Unsicherheit und Schwierigkeiten, womit das Reisen in Algier verbunden war, sind die Ursache, dass bis jetzt nur noch wenige Geognosten mit der Untersuchung der geognostischen Beschaffenheit dieses Landes sich befasst haben, so dass, so viel mir bekannt, bis jetzt vorzugsweise nur französische Gelehrte, welche die französische Regierung zur Untersuchung des Landes dorthin schickte, es theilweise kennen gelernt und auch beschrieben haben, Arbeiten, die mir selbst nur insoweit bekannt geworden sind, als ich durch die Güte des Generals Daumas, dermalen noch Departements-Chef im Kriegsministerium für die Algierischen Angelegenheiten, den bis jetzt nur erschienenen 1. Band des Werkes von Henri Fournel, ingenieur des mines en chef, betitelt: Richesse minerale de P’Algerie, welcher auf Kosten der Regierung im Jahre 1849 herausgegeben wurde, zunächst aber nur die geognostischen Verhältnisse der Provinz Constantine speciell beschreibt, während der zweite Band für die Beschreibung der Provinz Algier und der dritte für die der Provinz Oran bestimmt sind, zum Geschenk erhielt. Dann sind im vorigen Jahre naturhistorische Bemerkungen als Beiträge zur vergleichenden Geog- nosie auf einer Reise durch die Eifel, Tirol, Sicilien und Algier von Dr. Eduard von Eichwald (kaiserl. russ. wirkl. Staatsrath) zu Moskau und Stuttgart erschienen, in deren Besitz ich in diesem Frühjahre gekommen bin. Nähert man sich nach Ueberschiffung des mittelländischen Meeres der Algierischen Küste, so entzückt schon, vom Meere aus gesehen, die prachtvolle Kette der Berge des Atlas mit ihren herr- lichen Formen das Auge, was in noch viel höherem Grade der Fall ist, wenn man in der Nähe zugleich die Abhänge der Berge von einer herrlichen Vegetation bedeckt sieht, und die im hohen Grade romantischen Schluchten, Thäler und Gipfel dieser Gebirgskette besucht, die die reizendsten Fernsichten auf das schöne Land und das mittelländische Meer und die Ansicht einer interessanten südlichen Alpen-Vegetation darbieten. 133 Der Atlas bildet nur eine Keite von Bergen, welche am atlantischen Ozean beginnt und bis zur kleinen Syrte (Golfe de Cabes) ziemlich in der Richtung von Westen gegen Osten (genauer von WSW gegen ONO) zwischen der Küste des mittelländischen Meeres und der Grenze der Wüste Sahara sich fort erstreckt. Fournel, der während der Jahre 1843 bis 1846, also in einem vierjährigen Zeitraume, die zeosnostischen Verhältnisse des in Algier liegenden grossen Theils des Atlas (zwischen der Maroca- nischen und Tunesischen Grenze auf eine Länge von 10'/, geographischen Graden sich erstreckend) untersucht und eine gründliche Kenntniss und Uebersicht des Landes gewonnen zu haben scheint, giebt in seiner Einleitung zum ersten Band. noch folgende übersichtliche Beschreibung der topogra- phischen Verhältnisse dieses Gebirgszugs: Der Atlas bildet nicht zwei verschiedene und ungleiche Bergketien, wie Ptolemaeus solche unter dem Namen grosser und kleiner Atlas bezeichnet, er bildet nur eine einzige Kette, welche, wie oben angegeben, streicht und gelegen ist. Eine Reihe von hohen Gipfeln, als der Quansiris, der Zakkär, die Pies, der Muzaia und der Beni-Salah (letzterer 1418 Mir. hoch), der Jurjurra (Djerdjera, 6450 Pariser Fuss hoch), der Toumiät, der Djebel-Mt’äia, der Djebel-Sidi-R’gheis (Djebel Sidi-Rer’eis) und die Spitzen des Auris-Gebirges bilden die höchsten Punkte dieses Gebirgs- stocks des Atlas, welche wohl schwerlich die Höhe von 2500 Metr. (circa 8700 Fuss) über den Spiegel des mittelländischen Meeres oder über der Wüste Sahara, welche nur 75 Metr. (260 Fuss) über dem Meeresspiegel liegt, überschreiten werden. Dieser Gebirgszug wird in seinen Hauptmassen durch grosse Ebenen unregelmässig getheilt, und sind die Abhänge von Thälern und tiefen Schluchten (ravins) zerrissen. In horinzontaler und senkrechter Projecetion bildet die Wasserscheide zwischen dem mittelländischen Meer und der Sahara eine winklige Linie. Hinsichtlich der geognostischen Verhältnisse des Landes im Allgemeinen wird bemerkt, dass ein schmales Land von krystallinischen Gesteinen aus Granit, Gneis, granatführendem Glimmerschie- fer, Thonschiefer, opalführendem Porphyr, Diorit und andern Hornblendegesteinen, endlich von krystal- linischen körnigen Marmor einen Theil der Algierischen Küste bildet, und dass an diese Gesteinsmassen die zwei Abtheilungen des Kreide-Gebirgs abweichend sich in der Art gelagert haben, dass die Lager der oberen Abtheilung bis zum Ufer des mittelländischen Meeres vortreten, während die der unteren Abtheilung die Hauptmasse des Atlas (in der Provinz Constantine) bilden. Diese geologische Einförmigkeit, sagt der Verfasser, wird nur dadurch unterbrochen, dass die verschiedenen Lager der Kreideformation mit einander wechseln und durch Parthien von Tertiär- Gebirge gedeckt werden, welche zur mittleren Etage (Miocen) gehören, welche hier und da vor- kommen, selten in grosser Ausdehnung und in Einschnitten und Vertiefungen der Kreideformation abgelagert sind und am Fuss des Atlas den Saum der Sahara bilden. Sie kommen über dem Terrain suprapliocene vor, und scheinen der Subappeninen-Formation analog zu sein, sind theils horizontal, theils geneigt gelagert und liegen häufig unmittelbar auf den krystallinischen Gesteinen, wie in der Nähe von Algier. An gewissen Punkten, wie in der von Gegend Algier, Arzew und Oran finden sich an der Grenze des allerjüngsten Terrains bedeutende dolomitische Massen. — So einfach auch diese geologische Zusammensetzung erscheine, so werde sie doch durch viel Hebungen von Granit und anderen eruptiven Gesteinen complieirt. 134 Nachdem ich im Vorstehenden eine Uebersicht über die geognostischen Verhältnisse des Landes im Allgemeinen nach Fournels Beschreibung gegeben habe, gehe ich zur Aufführung meiner eigenen Beobachtungen in dem von mir oben bezeichneten Distriet über und wende mich, indem ich mich auf das anliegende Gebirgsprofil (S. Taf. F.) beziehe, zunächst in die Gegend von Blidah. Dieser Ort liest unmittelbar an der Grenze der grossen Ebene Metidja, am Fusse des Atlas, an der Ausmündung eines aus dem Atlas tretenden kleinen Thales, worin der Fluss Oned el Kebir, welcher die Stadt und die nächste Umgegend mit Wasser versieht, fliesst, in einem etwas höheren Niveau, als das der Ebene. Man kann daher, wenn man auf die Plattformen der Dächer der Stadt tritt, bei der klaren und heiteren Luft, weit und breit sich umsehen und zunächst, nach Süden hin- gewendet, an den ganz nahe gelegenen herrlichen Bergformen des Atlas sich erfreuen, welcher zwar einen durchlaufenden Hauptrücken bildet, worauf hier Ain Telazid (aus einigen Häusern bestehend, welche früher als Station eines Militärpostens im Gebirge dienten, jetzt zur Wohnung eines Telegra- phisten und Wärter der hier liegenden Eis- und Schneegruben benutzt werden) und der hohe Pie der Beni Salah liegen; nach der Ebene hin jedoch seine Ausläufer aus aneinander gereihten parabolisch geformten Bergen, die sich auch aufeinander thürmen, aussendet, an deren Abhängen tiefe Schluch- ten eingerissen sind, in denen vorzugsweise eine üppige Vegetation durch die darin stehenden kräf- tigen Orangen-, Feigen-, Oel- und Johannisbrodbäume, unter deren Schatten die Zelten der Kabylen verdeckt liegen, sich zu erkennen giebt. Wer mit den Bergformen der verschiedenen Gebirgsformationen nur einigermassen bekannt ist, wird alsbald die Formen des Uebergangsgebirges hier wiedererkennen, woraus denn auch, wie die nachstehenden geognostischen Beobachtungen ergeben, meiner Ansicht nach unzweifelhaft, die Berge des Atlas hier bestehen, wenn gleich von Eichwald in seinem oben angezogenen Buch S. 361 die Meinung ausspricht, dass die Berge des Atlas bei Blidah und Medeah aus Lagern, welche zur Kreideformation zu zählen, zusammengesetzt seien. Die geognostischen Exeursionen, die ich von Blidah aus nach dem Atlas und zwar nach dem Pie der Beni Salah in das Thal des Oued el Kebir und nach der Ausmündung des Chiffathals aus dem Gebirge machte, ergaben folgende Resultate: Die Berge des Atlas bei Blidah bestehen aus Uebergangsgebirge und zwar vorzugsweise 1) aus Thonschiefer, welcher dann und wann aber nur selten in Grauwackenschie- fer übergeht. Meistens wechseln im Thale des Oued el Kebir, ebenso am Eingange des Thales der Chiffa, worauf ich später zurückkomme, bläulichgraue und rauchgraue Lagen von Thonschiefer und kalkigem Thonschiefer (nicht sehr ausgezeichnet geschichtet), während der Kamm des Gebirges, sowie der Pic der Beni Salah mehr aus reinem schiefer- und grünlicht-grauem Thonschiefer besteht, welcher dünnschieferig und in rhomboedrischen Stücken abgesondert sich zeigt, zuweilen auch Gänge von Quarz führt. Im Ganzen finden sich deutliche Glimmeraussonderungen in diesen Thonschiefermassen nicht so häufig, als dies sonst der Fall ist. 2) Aus Kalkstein in nicht sehr mächtigen Schichten zwischen dem Thon- und Kalkthonschie- fer von asch-, rauch- und schiefer-grauer Farbe, dichtem und splitterigem Bruch, zuweilen von Gängen und Adern von Kalk- und Braunspath durchsetzt. Man findet ihn im Thale des Oued el Kebir and nicht weit vom Eingang in das engere Thal der Chiffa. 135 3) Aus Grauwackenschiefer von dunkel-bräunlich-grauer Farbe, sehr feinkörnig, fast innig gemengt, so dass die Gemengtheile mit Ausnahme kleiner Glimmerblättchen nicht mehr zu erkennen sind, mit Thonschieferlagern hier und da im Chiffathal wechselnd. 4) Aus Quarzfels von körniger Beschaffenheit mit durch Eisenoxydhydrat gefärbten kleinen Flecken von unregelmässig abgesonderten Stücken, mit Eisenoxydhydrat auf den Klüften. Derselbe kommt vor beim Telegraphen bei Ain Telazid, zwischen Thonschieferlagen. Sämmtliche Lager zeigten bei ihrer Untersuchung, so weit diese in der kurzen Zeit möglich war, keine Versteinerungen, was die Bestimmung ihrer Stelle in der geognostischen Classifi- cation des Uebergangsgebirges erschwert. Alle aber zeigten ziemlich dasselbe Streichen, welches die Längenerstreckung der Atlaskette besitzt und hatten ein steiles Einfallen und zwar auf dieser nördlichen Seiten des Atlas gegen N. Besonders steil war das Einfallen auf dem Kamm des Gebirges unweit des Telegraphen des Ain Telazid und am Pic ‘der Beni-Salah, wo die Schichten fast auf dem Kopfe stehen. Felsenbildung zeigte sich in geringem Maasse am Kamm des Gebirges, während in dem die Schichten und die Hauptkette fast rechtwinklig quer durchschneidenden Thale der Chifla, die steilsten Felsen von bedeutender Höhe die Thalwände begleiten, und diesem Thal, worin die Chiffa in schauerlicher Tiefe wildbrausend über Felsen und Felsblöcke stürzt, ein so wild roman- tisches Ansehen geben. Wendet man von Blidah aus seinen Blick gegen Westsüdwest und Ostnordost, so sieht man in die fruchtbare mehrere Meilen breite Ebene der Metidja, welche parallel dem Gebirgszug des Atlas fortstreicht und von der Küste durch einen nur wenig über die Ebene sich erhebenden Bergzug den Sahhel getrennt ist. Der Anfang dieses niedrigen 50 bis 100 Metr. über den Spiegel des mittel- ländischen Meeres sich erhebenden und die Küste bildenden Bergzugs liest zwischen Cherchel und Koleah, wenn nicht noch weiter westlich, und nimmt seinen Lauf parallel mit der Kette des Atlas streichend, über Koleah, welches am südlichen Abhange desselben gelegen ist, bis in die Gegend von Algier, wo es sich an die Anhöhe anschliesst, woran diese Stadt und deren Forts (die Casba und das Kaiserfort) gelegen sind. Schon die Form des Terrains spricht dafür, dass die Ebene durch Alluvial- oder Diluvialmassen, der die Ebene von der Küste trennende Rücken aus festeren Massen gebildet ist. Eine Excursion von Blidah in die Ebene der Metidja gab dann auch bald die Ueberzeugung, dass Geschiebe und Gerölle, aus den Gesteinen des Atlas bestehend, diese Ebene bilden, und dass diese Geschiebe, wenigstens bei Blidah, bis zum Uebergangsgebirge vortreten, während dieses eine bis zwei Meilen östlich von Blidah bei Sumar durch ein mächtiges Sandsteinlager von den Geschieb- massen getrennt wird. Der Sandstein, feinkörnig, von lichtgrauer und isabellgelber in’s röthliche fallender Farbe aus Quarz und wenig Kieselschiefer-Körnchen und einem kalkigen Bindemittel be- stehend, ist sehr fest und bildet mehrere niedrige Rücken, welche rechtwinkelig von der Haupt- richtung der Atlaskette ablaufen, ist gegen das Uebergangsgebirge abweichend mit flachem, nörd- lichem Einfallen der Schichten gelagert und schien bei näherer Untersuchung hinsichtlich seiner petrographischen Beschaffenheit mit keinem der mir bekannten Flötzsandsteinen Aehnlichkeit zu haben, während ich ihn auf den ersten Blick für einen Quarzsandstein ansprach, wie er zuweilen in den tertiären Gebilden der Braunkohlen-Formation sich findet. Zu einer Entscheidung darüber, welcher Formation er zuzurechnen sei, war hier nicht zu kommen, und nur die jenseits des Atlas am Pic 136 von Nador gemachten Beobachtungen, worauf ich später zurückkomme, so wie auch die Beschrei- bungen von Fournel eines in der Provinz Constantine am Uebergangsgebirge angelagerten angeblich quarzigen Sandsteins, auf welchen unmittelbar ein Molasse (welcher die Geschiebmassen der Metidja analog sein mögen) liegen soll, sprechen dafür, dass dies ein tertiärer Sandstein ist. Uebrigens wird er hier in mehreren Brüchen gewonnen und als Baustein verwendet. Verfolgt man den Weg von Blidah nach Koleah , so trifft man in der Ebene selbst stets die Geröll- und Geschiebmassen, bis man den Bergzug Sahhel erreicht. Die Untersuchung der geognostischen Zusammensetzung dieses Bergrückens ergab nun, -dass derselbe, den petrographischen Eigenschaften nach zu urtheilen, aus der älteren Flötzkalk- Formation (Kupferschiefer-Gebirge) besteht. Am Südabhange der Anhöhe, woran Koleah liegt, fanden sich nämlich folgende Gebirgslager : 1) Ein poröser gelblich weisser Kalkstein mit erdigem Bruch und unregelmässig ab- gesondert, einer Varietät des Rauchkalks ähnlich und wenig Bittererde enthaltend. 2) Ein Lager von bräunlich-rothem bolartigem fettem Thon, in dem sich hier und da auch kleine Geschiebe- von anderen Gesteinsarten fanden. 3) Ein Lager von Rauchwacke in rundlichen und eckigen Stücken mit rauher Oberfläche in einem Thon wie Nr. 2 liegend. Die einzelnen Stücke bestehen aus einem festen Kalkstein mit splittrigem Bruch von isabellgelber in’s gelblich-graue übergehender Farbe, etwas Bittererde ent- haltend. 4) Asche aus einem feinen gelblich-weissen Pulver von .köhlensauerem Kalk bestehend, welches etwas Bittererde enthält. 5) Stinkstein aus dichtem bituminösen thonhaltigen Kalkstein mit feinsplittrigem Bruch von rauchgrauer Farbe mit gelblich grauen Flecken bestehend, welcher angeschlagen einen starken bitu- minösen Geruch zeigt. Oefters setzen kleine Gänge von Kalk- und Braunspath in ihm auf. Die Lagerung dieser Massen übereinander schien der Reihenfolge zu entsprechen, wie ich sie eben aufgeführt habe, so dass das zuletzt gedachte Lager an diesem südlichen Abhang des Sahhels zu unterst lag. Streichen der Schichten war dem der Schichten des Uebergangsgebirges am nördlichen Abhang des Atlas parallel, während auch das Fallen in nördl. Richtung gegen das Meer hin gerichtet war, jedoch viel flacher sich herausstellte. Bei der Ausdehnung dieser Excursion von Koleah über den Sahhel in nordwestlicher Richtung fand ich am nördlichen Abhang dieses Bergzugs nach dem Meere hin, wo in einer höchst reizenden und vortheilhaften Lage die im Jahre 1848 von der französischen Regierung gegründeten Straf- Colonien Bou Isma&l (Castiglione) und Tefschoun gegründet sind. 6) Den Zechstein in Felsen anstehend und aus einem aschgrauen festen, viel Bittererde ent- haltenden Kalkstein bestehend, mit splittrigem Bruch, welcher öfters Kalkspath in Adern ausgeson- dert und kleine Parthien von Kupfer- oder Schwefelkies enthält, übrigens geschichtet und abgeson- dert sich zeigt mit wenig geneigtem Fallen. In der zunächst der Stadt Koleah gelegenen Colonie Bou Isma@l treten unter dem Felsen dieses “esteins schöne Quellen zu Tage, welche die Colonie mit fliessendem Wasser versehen. 137 Zur Wasserversorgung der zweiten Colonie hatte man mit der Abteufung eines Schachtes be- gonnen und in dem Schacht - 7) einen viel Bittererde enthaltenden Mergel von licht-gelblich-grauer Farbe mit erdigem Bruch angehauen, welcher in eckigen Stücken abgesondert ist und auf den. Klüften mit Schwefel- oder Kupferkies überzogen war. Wenngleich dieser Mergel dem bituminösen Mergelschiefer gar nicht ähnlich ist, so wäre es doch möglich, dass er zum Zechstein gehörig, denselben vertritt, wie denn auch ähnliche, dieser Formation angehörige — ich erinnere nur an die Frankenberger Flötzformation — vorkommen. Fasst man hiernach die sämmtlichen Beobachtungen über die am Sahhel vorkommenden Gesteins- lager zusammen, so möchte, wenngleich Versteinerungen in diesen Lagern nicht beobachtet wurden, es wohl nicht zu bezweifeln sein, dass dieser Bergzug wirklich aus der Zechsteinformation besteht. Ob Fournel’s bedeutende Dolomitmassen (siehe die oben angeführte allgem. geosnostische Ueber- sicht von Algerien), welche in der Nähe von Algier, Arzew und Oran an der Grenze des allerjüng- sten Tertiärgebirges vorkommen sollen, hierzu gehören, will ich nicht entscheiden, da die speciellere Beschreibung derselben in dem ersten Bande seines Werkes noch nicht enthalten ist. Verfolgt man jedoch den südlichen Abhang des Sahhel in der Richtung nach Algier, so treten an diesem bis in die Nähe der Stadt die oben beschriebenen Massen von dunkelroihem Thon und Asche, die besonders leicht sich zu erkennen geben, zu Tag, und ist somit die Fortsetzung dieser Formation bis oberhalb Algier unzweifelhaft. Wie die beschriebenen Gebirgslager an den bei Algier hervortretenden Lagern des Uebergangs- gebirgs angelagert sind, vermochte ich nicht zu beobachten , da das Terrain allenthalben mit Ve- getation bedeckt und die unzähligen Aloöähecken um die oberhalb der Stadt gelegenen zahlreichen Gärten es unmöglich machten, hier das Terraiu specieller zu untersuchen. Die Stadt selbst und ihre Forts (die Casba und das Kaiserfort), wie bereits oben erwähnt, liegen auf gneisartigen- oder Glimmer- und Thonschiefermassen (ebenfalls zum Ueber- gangsgebirge und zwar, nach dem petrographischen Charakter zu schliessen, zu den ältesten Lagern 'gehörig), welche hier nochmals hervortreten und in der Umgebung des Hafens am Meeresufer, sowie an der Höhe der Casba westlich davon Felsen bilden. Das Gestein besteht aus Schichten von einer gneis- oder glimmerschieferartigen Masse von lichtaschgrauer, in’s silberweise fallender Farbe, worin nur hier und da der Quarz deutlich ausgeschieden ist, sowie aus einem grünlich-grauen, durch den vielen ausgeschiedenen Glimmer stark glänzenden Thonschiefer, der durch dunkelbraun gefärbte Quarzabsonderungen vielfach durchsetzt wird. Ausserdem kommt mit diesen Lagern ein zu dieser Formation gehöriger dichter marmorartiger Kalkstein vor, von dunke) aschgrauer Farbe, mit lichtgrauen und graulich weissen Flammen, die dem Gestein oft ein gebändertes Ansehen geben, mit splittrigem Bruche. Häufig enthält derselbe kleine Parthien von Schwefelkies. Er bricht übrigens in grossen Stücken, so dass derselbe als Baustein verwendet und in den Umgebungen der Stadt zu diesem Zwecke gebrochen wird. ° j Ich kehre nun nach Blidah zurück, um von da den Weg im Thal der Chiffa weiter nach Medeah und Muzaia zu verfolgen. , Verlässt man Blidah, um nach dem Thal der Chiffa zu gelangen, so nimmt der Weg dahin, 18 138 stets über Gerölle und Geschiebe, eine westliche Richtung vor dem Gebirge her, bis man etwa nach einer Stunde die Ausmündung dieses Thales nach der Ebene hin erreicht. Wie schon oben angeführt, durchschneidet das Thal den durchlaufenden Rücken der Atlaskette und zugleich das allgemeine Streichen der Schichten rechtwinklig. Es ist daher natürlich, dass das Thal, welches die reissende Chiffa mit starkem Gefälle durchbrausst, sehr eng und von steilen, mit Felsen besetzten Abhängen eingeschlossen ist, so dass die prachtvolle, wenn auch nicht breite Strasse, welche man mit Be- nutzung bedeutender Heeresabtheilungen zur Arbeit, in diesem Thale herauf nach Medeah geführt hat, grösstentheils aus den Felsen gesprengt werden musste. Oft führt die Strasse hoch am Berg- abhang her, weil-in der Thalsohle es an Raum dazu fehlte, und man sieht‘ dann einige 100 Fuss tief die Chiffa unter sich toben, während die Gipfel der Berge einige Tausend Fuss hoch sich über uns erheben. Das Aussprengen der Strasse aus dem Felsen hat die Schichten gehörig zu Tage gelegt und wie schon. oben angegeben, bestehen dieselben aus wechselnden Lagern von Thonschiefer, Kalk- Thonschiefer, untergeordneten Lagern von Kalk- und Grauwackenschiefern mit einem steilen Einfallen in nördlicher Richtung. Oefters erscheinen die Thon- und Kalk-Thonschiefer verwittert, nehmen alsdann eine gelblich braune Farbe an und zerfallen ‘theilweise. Ein solcher verwitterter gelblich brauner Thonschiefer steht am sogenannten faulen Felsen an, an dessen Fuss die Strasse eingeschnitten ist und die Veranlassung gegeben hat, dass die ganze sehr hoch sich erhebende Felsparthie in Bewegung gekommen ist, so dass bei nassem Wetter die Passage auf der Strasse hier gesperrt werden muss, da in solcher Zeit die herunterstürzenden Felsblöcke die Passage gefährlich machen. Alle die erwähnten Schichten wechseln auf dem ganzen Weg im Chiffathal, bis man die Hälfte des Weges von Blidah nach Medeah (la grande Halfe des voyageurs), so wie das in der Nähe lie- gende Lager, wo ein grosser Theil der am Chausseebau früher beschäftigt gewesenen Militärmann- schaften untergebracht war, passirt hat. Es legt sich alsdann in grösserer Mächtigkeit an: 1) Ein graulich schwarzer Uebergangs-Kalkstein von fein splittrigem Bruch mit ausgesonderten Parthien von Kalkspath und Anthraconit, Häufig enthält derselbe Korallenversteine- rungen und zwar Stromatopora (concentrica?), welche in den Silurischen Schichten vorkommt. 2) Ein krystallinisch körniger Kalkstein von röthlich weisser Farbe, mit unregel- mässigen Drusenräumen hier und da durchsetzt, nur in geringer Ausdehnung sich findend; endlich östlich von der Strasse im tieferen Niveau 3) ein schöner krystallinisch körniger gelblich-, fast schneeweisser Kalkstein (Marmor), den man hier auch gebrochen zu haben scheint. Diese Schichten haben hier schon ein entgegengesetztes steiles Einfallen in südlicher Richtung angenommen und setzen so noch mit Thon und Kalkschiefer-Schichten wechselnd fort, bis die Strasse das fortwährend ansteigende enge Thal der Chiffa mit dem Uebergangsgebirge verlässt und in einen weiteren Theil des hoch gelegenen Thals tritt. das sich hier am Fusse des Pic von Nador bei seinem Ursprung verzweigt. Schon die plötzliche Veränderung der Berg- und Thalformen und das weitere, geöffnete Thal, das vor den steil abfallenden Abhängen des Atlas sieh herzieht, lassen auf die Veränderung der 139 geognostischen Beschaffenheit der Gegend schliessen, die sich dann auch bei näherer Betrachtung alsbald zu erkennen giebt. R Es liegen nämlich zunächst an den Schichten des Uebergangsgebirgs: 1) Ein Lager von einem aschgrauen und bläulich-grauen Thonmergel, welcher theils im feuchten Zustande plastisch, theils schiefrig auftritt, amı Wetter leicht verwittert und im Wasser vollständig erweicht. Oefters kamen Spuren von Muschelschaalen-Stückchen darin vor, die jedoch bei ihrer Unvollständigkeit nicht zu bestimmen waren. 2): Ein grünlich-grauer, häufig auch ockergelb sich zeigender plastischer Thon und Mergel mit eckigen und runden Stücken eines dichten ockergelben , feinsplitirigen, thonhaltigen Kalksteins, auf dessen schiefrigen Absonderungen Braunstein-Dendriden vorkommen. 3) Lager von gelbem Sand, welcher den vorerwähnten Mergellagern zunächst, auch schwache Lager von. berggrünem Sand enthält, Untergeordnet zwischen den Thon- und Mergellagern findet sich 4) Ein Lager von erdiger Braunkohle, was in der Nähe der Strasse zu Tage ausgeht und es für die französische Regierung wohl der Mühe werth erscheinen lassen möchte, durch Bohrungen nachzuforschen, ob zwischen oder unter diesen tertiären Massen sich nicht ein bauwürdiges Braun- kohlenlager finde, da die eben beschriebenen Massen, ihrem petrographischen Charakter nach zu urtheilen, mit denen, welche im nördlichen Deutschland, namentlich in Kurhessen (in der Provinz Niederhessen) die mächtigen Braunkohlenlager decken, vollkommen übereinstimmen. Ebenso wie Dr. Philippi die eben gedachten Lager (in seinen Beiträgen zur Kenntniss der Tertiärversteinerungen des nordwestlichen Deutschlands. Cassel 1844. Druck und Verlag von Theo- dor Fischer daselbst) für analog mit der Subappeninenformation erklärt, so stimmt dies auch mit der oben aufgeführten Schilderung der allgemeinen geognostischen Verhältnisse Algeriens von Fournel überein, indem er die auftretenden tertiären Gebilde, welche den Saum der Sahara bilden und wie hier unmittelbar an das Uebergangsgebirge sich angelagert haben, gleichfalls für analog mit der Subappeninenformation hält. Wendet man beim Austritt aus dem engen Thal der Chiffa seinen Blick gegen Westen, so finden sich die oben beschriebenen Tertiärmassen, namentlich der dunkelgraue Mergel in der Richtung nach Muzaja hin vor den Bergabhängen des Uebergangsgebirgs fortgesetzt und wurden dieselben auch später von mir bei Muzaia selbst in dem oberen Theile der Gegend gefunden. Südlich vom Ausgang des Chiffathales nach Medeah hin erblickt man dagegen den Pic von Na- dor, der in einem hohen steilen Felsen nochmals kühn sein Antlitz gegen den Atlas wendet, während der südliche Abhang desselben sanfter gegen Medeah hin sich verflächt, wie dies auch bei dem un- teren nördlichen Abhang nach der Chiffa hin der Fall ist, wo die eben beschriebenen Lager der Tertiärgebilde verbreitet sind. Schon die Form dieses Berges, aus der Ferne gesehen, lässt auf das südliche Einfallen der Schichten und darauf schliessen, dass die oben erwähnten tertiären Gebirgslager, die Schichten des festen Gesteins des Nadors unterteufen, was die nähere Betrachtung denn auch ergiebt. Das Gestein nun, woraus der Pic besteht, hat im ersten Anbliek ganz das Ansehen eines der Braunkohlenforma- tion angehörigen Quarzsandsteins oder Quarzfels, ergiebt sich aber bei näherer Untersuchung als ein Sandstein von isabellgelber, ockergelber, gelblich- brauner, zuweilen auch graulich- weisser Farbe, 18* 140 in welchen streifenweise auch Aussonderungen von Eisenoxydhydrat einen dichtern Sandstein gebildet zu haben scheinen, bestehend aus Quarzkörnern und einem reichlichen kalkigen Bindemittel, so dass er in Säuren sehr stark brausst und sich vollständig mit Rücklassung der Sandkörner auflösst. Zu- weilen wird er so feinkörnig, dass er einen splitterigen Bruch annimmt und kaum noch die Sand- körner erkennen lässt, wesshalb er von E. von Eichwald (Siehe Seite 371 seines Werkes), auch für Kalkstein bezeichnet, aber doch mit Recht für einen Molassen-Sandstein gehalten wird, der an die Subappenninen-Bildung grenze, wenn gleich er letztern hier gar nicht beobachtet zu haben scheint. Von Eichwald gibt auch an, dass er ganz mit unbestimmbaren Muscheltrümmern ange- füllt sei, wovon ich nur Spuren bemerkt habe. Uebrigens fällt dieser Sandstein flach, wie schon erwähnt, in südlicher Richtung ein und wird hier gebrochen und in Medeah als Baustein verwendet. Eine Vergleichung dieses Sandsteins mit dem bei Sumar unweit Blidah vorkommenden lässt an einer Identität beider nicht zweifeln und spricht also auch dafür, dass letzterer zu den tertiären Ge- ‚bilden zu rechnen sei. Die Anhöhen westlich und östlich vom Pic bestehen wahrscheinlich aus demselben Gestein. Hat man die Höhe von Nador erreicht, so sieht man in die Hochebene der unendlichen Sahara aus der nur in der Süd- und Süd-Ost-Richtung noch niedrige Bergrücken sich erheben, welche jedoch wie die Sahara selbst aus Gebilden der Tertiär-Formation bestehen sollen, wozu auch die Steinsalzberge, welche zwischen Boghar und Znina liegen, gehören mögen. Auf den Schichten des Sandsteins am Nador ist ein feiner, gelblich-weisser und ocker- gelber Sand abgelagert, worauf die Stadt Medeah liegt und woraus die umgebenden Hügel beste- hen, welcher dem, der in der Wüste verbreitet ist, gleichen soll, wenn gleich er auch nicht dasselbe feine Korn besitzt. — Durch dienstliche Verhältnisse verhindert, war ich genöthigt, meine Reise weiter gegen Süden zu unterbrechen und meinen Rückweg anzutreten. Ich folgte desshalb nochmals dem Laufe der Chiffa von der Hochebene von Medeah herabsteigend, bis zu einem Seitenthal der Chiffa, was mich nach Muzaia aux mines führte. Auch in diesem Seitenthal, nach und nach ansteigend, fanden sich nur die im Vorhergehenden beschriebenen, an der Chiffa sich findenden Kalk- und Thonschiefer, bis dieselben, da wo die Hoch- ebene anfängt, auf der Muzaia aux mines liegt, durch die oben beschriebenen zur Subappenninen- Formation gehörenden Mergel gedeckt werden. Auch hier haben diese tertiären Gebilde das Terrain ausgeglichen und bilden die Hochebene, auf welcher ein grosses kasernenartiges, gegen die Angriffe der Araber gehörig befestigtes Gebäude die Bergbeamten, sowie 150 Bergleute der nahe gelegenen Kupfergrube beherbergt, in dessen Nähe zugleich eine zweckmässig eingerichtete Aufbereitungsanstalt für die Erze gelegen ist. Die Grube liegt etwa eine halbe Stunde von diesem Gebäude an einem steilen Bergabhang des Atlas am Eingang eines kleinen Thales und baut auf einem im Uebergangs-Thon und Kalkschiefer aufsetzenden Ganggewebe von Fahlerz, welches als Gangart Schwerspath und Spatheisenstein, in oberer Teufe, ausser diesen auch Brauneisenstein begleitet, welche öfters vun Spuren von erdigem Kupferblau und Kupfergrün überzogen sind und Drusen von schönen Pharmakosiderit-Krystal- 141 len (Würfelerz) enthalten. Das Fahlerz kommt häufig bunt angelaufen, derb, krystallisirt und eingesprengt vor und soll nach der von dem Bergbeamten mir mitgetheilten Analyse enthalten: Schwerel HABEUIEBREUN UN. 27525 AutimonOT N ERRNERTT ABEND 95T 2 Kupfer? RER IE ET? EISEHIEAE RABEN 2266 ZEIT E BUNDES PR ID Summa . 9,21 Ferner Silber . . . ED 109 0:01 Ausserdem sollen in manchen Erzen Nickel selbst an 5 Procent gefunden sein. Die Wasser wer- den durch im Thale angesetzte Stollen, wodurch der Gang auch in unteren Teufen abgebaut wird. gelöst, während ein grosser Theil der Erze, wie schon erwähnt, durch Steinbruchsarbeiten zu Tage geschafft wird. Nach geschehener Aufbereitung zu Muzaia werden die Erze in Säcke verpackt und so zur Verar- beitung auf nassem Wege in grossen Quantitäten nach Marseille geschafft. Der Gang scheint übri- gens von Westen gegen Osten zu streichen, und soll die im Chiffathal liegende Kupfergrube auf der Fortsetzung desselben, freilich mit wenigerm Glück bauen, als dies in Muzaia der Fall ist. Ein Zweifel über die Natur der Gebirgsart, worin der Gang aufsetzt, kann meiner Meinung nach kaum erhoben werden, wesshalb ich nicht einsehe, warum von Eichwald darüber S. 385 seines Buches so unbestimmt sich ausspricht. *) Das wäre das Wesentlichste, was ich zur Schilderung der geognostischen Verhältnisse der zu beschreibenden Gegend und zur Berichtigung der von v. Eichwald darüber ausgesprochenen An- sichten anzuführen habe, und ich schliesse daher mit der Hoffnung, dass weitere geoenostische Un- tersuchungen Algeriens — eine Anregung dazu zu geben, würde dem Zwecke dieses Vortrags ent- sprechen — meine Ansichten bestätigen werden. 13. Bergdireetor Braun, welcher gleichfalls die eben besprochenen Gegenden besucht hat, schliesst sich zwar im Ganzen den von Schwarzenberg entwickelten Ansichten und Beobachtungen *, Ein ganz ähnliches Vorkommen des Kupiererzes ‚scheint sich auf ‚Sieilien, südwärts von S. Lucia im Kalk- schiefer von Fiume di Nisi zu finden, und wahrscheinlich gehört es derselben Zeit an, wie das des Col de Muzaia; jenes sicilianische Vorkommen gehört nach Paillette zum Schiefergebirge, dem Kalk - und Thon- schiefer, der unmittelbar auf dem Glimmerschiefer liegt und wahrscheinlich von der Kreide oder dem Jurakalk überlagert wird. Die Formation in der die Gänge des Col von Muzaia vorkommen, gehören nach Burat zur oberen Abtheilung der Kreide, und das’ Schiefergebirge findet sich an der Küste von Algier in gleicher Ausdehnung. — Es gehtyalso hieraus hervor, dass von’Eichwald durch die Bestimmungen von Burat, welcher die Thonschiefer und Kalkthonschiefer am nördliehen Abhang des Atlas gleichfalls zur Kreideforma- tion gehörig betrachtet hat, (siehe N. Jahrbuch von Leonhard und Bronn 1848, 5. 229 fl.) sich hat irre führen lassen. Die nach der eben eitirten Notiz von Burat in Trümmergesteinen am nördlichen Abhang des Atlas beobachteten Versteimerungen (Auster, Spondylen und Rudisten) gehören dem bei Blidah anstehendeu Schiefer- gebirge gewiss nicht an. 142 an, bemerkt aber, es sei ihm bekannt, dass man in einigeu der besprochenen Schichten echte Kreide- Versteinerungen aufgefunden habe. 14. Dr. Guido Sandberger aus Wiesbaden macht unter Eine des Textes und der litho- eraphirten Tafeln des zugehörigen Atlas, Mittheilung des von ihm und seinem Bruder herausgegebenen vergleichend-monographischen Werkes „Systematische Beschreibung und Abbildung der Versteinerungen des Rheinischen Schichtensystems in Nassau; mit einer kurzgefassten Geognosie dieses Gebietes und mit steter Berücksichtigung analoger Schichten anderer Länder.‘ Ins- besondere legt er die soeben fertig gewordene fünfte Lieferung der Section vor. Soweit das Werk bis jetzt reicht, hat der Text 168 Seiten in Quart; der Atlas umfasst 25 lithographirte Tafeln. Die Abbildungen, welche dem Texte stets etwas vorausgehen müssen, stellen bis jetzt 19 Arten Krustenthiere, 8 Arten Annulaten, 75 Cephalopoden-Species mit zahlreichen Varietäten, 14 Arten Pteropoden und 27 Arten Gasteropoden dar. Zu den Cephalopoden ist der Text bis auf einige Ortho- ceras-Arten complet. Eine sehr beträchtliche Zahl von Arten ist neu. — Der Redner weisst noch kurz darauf hin, dass das Werk nicht ausschliesslich das bezeichnete engere Gebiet und die nächsten davon geognostisch nicht abtrennbaren Nachbarbezirke nach ihren paläontologischen und geognosti- schen Verhältnissen einer sorgfältigen Untersuchung unterzieht, dass vielmehr durch die umfassendsten Vergleichungen von Originalstücken analoger Schichten anderer Länder, aus der Eifel, aus Westphalen, vom Harze, aus dem Fichtelgebirge, aus Thüringen, Belgien, England, Frankreich‘, Russland, Nordame- rika u. s. w. es in seinen Ergebnissen über die mittleren Schichten der paläozoischen Formation, über das Rheinische oder Devonische Schichtensystem überhaupt Licht zu verbreiten sucht und dass es da- durch also für die Paläontologie und Geologie überhaupt wesentliche Beiträge zu geben bestimmt ist. — Nach diesen kurzen Mittheilungen über Plan und gegenwärtigen Stand des Unternehmens fügt der Redner noch einige Bemerkungen über die Gattung Pleurotomaria hinzu, von welcher schon eine nicht unerhebliche Anzahl von Arten in der neusten Lieferung abgebildet ist. Er spricht sich namentlich dahin aus, dass die beiden äussersten Grenzen der Gattung in den bisher als selbststän- dig betrachteten beiden Gattungen Porcellia und Murchisonia zu finden seien und dass diese in der Gattung Pleurotomaria aufgehen müssten. — Endlich theilt er der Section noch mit, dass alle besser erhaltenen Original-Versteinerungen der paläozoischen Formation, welche der besprochenen Monographie des Rheinischen Schichtensystems zu Grunde lägen, in systematischer Anordnung im hiesigen naturhistorischen Museum dermalen vereinigt seien. Die Mitglieder der Section fänden dort die eigene Sammlung der Verfasser, die des naturhistorischen Vereines und einzelne Prachtstücke befreundeter Privaten zusammengestellt, um das Material zu der besprochenen Arbeit leichter über- schauen zu können. 15. Dr. Müller von Aachen zeigt eine Reihe ausgezeichnet gut erhaltener verkieselter Krei- depetrefacten (Grünsand) vor und hebt namentlich dessen Reichthum an Gasteropoden hervor. Zum Schluss weisst derselbe an mehreren Beispielen nach, wie sehr vorsichtig man bei Benutzung D’Orbigny’scher Arbeiten zu Werke gehen müsse, da man in Rücksicht der geographischen sowohl, wie auch mancher anderen Angaben D’Orbigny’s öfters grossen Ungenauigkeiten begegne. Hierauf legte derselbe im Auftrage des Dr. Debey von Aachen, dessen Zeichnungen der fossilen Flora der dortigen Kreidegebilde vor und lud die Herren, die sich besonders dafür interessirten, ein, die- selben näher zu betrachten. 143 16. Bergrath Franz von Hauer aus Wien „über die vjon der k. k. geologischen Reichsanstalt ausgeführte geologische Karte von Unter-Oesterreich.“ M. H. Die Karte, die ich Ihnen hier vorzulegen die Ehre habe, ist das Ergebniss der Unter- suchungen, welche von Seiten der k. k. geologischen Reichsanstalt in Wien im Sommer des Jahres 1851 ausgeführt wurden. Sie ist auf Grundlage der k. k. Generalquartiermeisterstabskarte in dem Maassstabe von 2000 Klaftern auf einen Zoll oder Y,ss000 der Natur entworfen. Abgesehen von der geognostischen Karte des Beckens von Wien und der Gebirge, die dasselbe umgeben, von P. Partsch: einer Uebersichtskarte, die — von dem Verfasser allein zu einer Zeit ausgeführt, wo wissenschaft- liche Bestrebungen noch sehr wenig Anerkennung und noch weniger materielle Unterstützung fanden, ein unvergängliches Denkmal seines rastlosen Fleisses bilden wird, waren vorher nur zwei kleinere Landstreeken des Gebietes unserer Karte im Detail bearbeitet worden. Es sind die nächsten Umge- bungen von ‚Wien, über welche Bergrath J. Czjzek im Jahre 1848 eine seognostische Karte mit Unterstützung aus den von Sectionsrath Haidinger zur Herausgabe der naturwissenschaftlichen Abhandlungen gebildeten Fonds veröffentlichte, dann die Umgebungen von Krems (Blatt Nro. 10 der vorliegenden Karte), welche ebenfalls Bergrathi Czjzek im Jahre 1849 im Auftrage der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in Wien, bearbeitete, und deren Drucklegung von Seiten der kaiserl. Akademie der Vollendung entgegen geht. Mit Ausnahme dieser zwei Landstrecken wurde das ganze übrige Terrain im Detail begangen und aufgenommen, und zwar bearbeitete M. V. Lipold in Gesellschaft des Heinr. Prinzinger die Strecke nördlich der Donau; Joh. Kudernatsch den westlichen Theil des südlich von der Donau gelegenen Gebietes bis zum Meridian von Mariazell, den übrigen Theil aber Bergrath Czjzek mit Dionys Stür. Nur an der Aufnahme der Umgegend des Sömmerring haben Franz Fötterle und ich einigen Antheil. sowie auch die Aufnahmen in den an Oesterreich angrenzenden Theilen von Ungarn in der Umgegend von Oedenburg und Güns, die ich in Gesellschaft des Dr. Moritz Hörnes und Ferdinand Lidl im diessjährigen Frühlinge ausführte, bereits auf unserer Karte eingetra- gen sind. Unstreitig der schwierigste Theil der Aufgabe bestand in der Ausscheidung und Eintheilung der verschiedenen Formationsglieder, in welche der Wiener Sandstein und der Alpenkalk zerfallen. Die Reihenfolge der einzelnen Gebilde. wie ich sie, gestützt auf die vielen trefflichen Arbeiten. eines v. Buch, Boue, Emmrich, W. Fuchs, v. Klipstein, Lill v. Lilienbach, Murchison, Partsch und so vieler Anderer, und hauptsächlich nach paläontologischen Merkmalen von dem Be- sinne der neueren Untersuchungen durch die k. k. geologische Reichsanstalt aufzustellen versucht hatte, *) wurde durch die Bearbeitung einer grösseren Reihe von Durchschnitten im Sommer 1850 beinahe durchgehends als richtig bestätigt; es handelte sich nun darum, in dem zu untersuchenden Landstriche, jedem vorkommemden Gestein die entsprechende Stelle in dieser Reihe anzuweisen. Die Aufgabe wurde gelösst; nichts blieb unbestimmt, und wenn, wie wohl zu erwarten, in der Folge der Zeit sich die eine oder die andere unserer Bestimmungen als unrichtig erweisen wird, so möge das Wort des grossen Meisters „‚Irren ist besser als zweifeln“ auch uns zur Rechtfertigung dienen. *) Sitzungsberichte der kais. Akademie der Wissenschaften, mathem, naturw. Classe 1850. 1. Abth. $. 274 und Jahrbuch der k. k. geologischen Reichanstalt 1850. 1. Heft. 8. 17. 144 Vier und fünfzig verschiedene Gesteinsarten sind auf der Karte theils durch Farben, theils durch Zeichen unterschieden. Erlauben Sie mir, hochverehrte Herren, die Reihe derselben, sowie die Far- benerklärung sie enthält, durchzugehen, theils um einige der Eintheilungen zu rechtfertigen, theils um interessantere neuere 'Thatsachen, welche unsere Untersuchungen in Betreff einzelner Glieder in der letzten Zeit zu Tage gefördert haben, mitzutheilen. Ohne weitere Bemerkung übergehe ich die Alluvialgebilde, bei welchen 2) Alluvium selbst, 2) Torf und 3) Kalktuff unterschieden sind. Als Diluvialgebilde sind 4) Löss, erratische Blöcke und 5) Schotter bezeichnet. Ein in- teressantes Vorkommen zahlreicher erratischer Blöcke wurde von Lipold in der Umgegend von Waid- hofen an der Thaya aufgefunden. Eckige, jedoch mit abgestumpften Ecken und Kanten versehene Blöcke eines porphyrartigen, sehr festen Granites von grauer Farbe, oft von ansehnlicher Grösse, liegen hier auf weite Erstreckung über dem Gneiss. Weiterhin folgen die Gesteine der Tertiärformation des Wiener- und des St. Pöltner-Linzer Bek- kens. Die neueren geologischen Untersuchungen und mehr noch, die genauen paläontologischen Ar- beiten über diese so fossilreichen Schichten, die Dr. M. Hörnes unternahm, bestätigen in vollem faasse die von D’Orbigny bei Untersuchung der :Foraminiferen und von Reuss bei Untersuchung der Korallen dieser Gebilde wahrgenommene Thatsache, dass die Fauna der Miocengebilde mit jener der Pliocengebilde in ihnen vereinigt vorkommt, so dass man sich genöthigt sehen wird, diese Ge- bilde zu einer Formation zu vereinigen, für welche Dr. Hörnes den Namen der Neogenformation vorschlägt. Folgende Glieder dieser Formation sind auf unserer Karte unterschieden. 6) Süsswas- serkalk, 7) Schotter und Conglomerat, besonders im flachen Lande oft sehr schwierig von Diluvial- schotter zu unterscheiden; 8) Menilitschiefer, östlich von Meissau von Bergrath Czjzek aufge- funden, 9) Leithakalkconglomerat, 10)Leithakalk, 11) Sand und Sandstein, 12) Tegel. Mit den folgenden Gliedern beginnt die Reihe der eigentlichen alpinen Gesteine. Als der Eocenfor- mation zugehörig, erscheinen 13) der Nummulitensandstein und i4) dr Nummulitenkalk- stein. Nur eine kleine Parthie der auf früheren Karten als Wiener Sandsieine bezeichneten Gesteine, nördlich von Klosterneuburg, dann die aus Nummulitgesteinen bestehenden Hügel nordöstlich von Stocke- rau konnten hierher gezählt werden. Die erstere, weil Bergrath Czjzek darin Korallen, an jene der Nummulitenformation erinnernd, gefunden hatte, die letzteren des reichlichen Vorkommens von Num- muliten und Eocenfossilien wegen, die darin beobachtet wurden. Die Gosau oder obere Kreideformation tritt in drei, in unserer Karte nur nach petrographischen Merkmalen unterschiedenen Gesteinsarten auf, und zwar 15) als Mergel und Sandstein, 16) als Kalkstein und 17) als Conglomerat. Eine geologische Bedeutung hat diese Trennung nicht, denn die neueren Untersuchungen des Professor Reuss in der Gosau selbst und bei St. Wolfgang *), so- wie die noch nicht publicirten des Dr. C. Peters in der Gams bei Weisswasser u. s. w. haben es unwiderlegbar dargethan, dass die sämmtlichen Gesteine der Gosauformation einen, in geologischer Beziehung ganz zusammenhängenden Schichteneomplex bilden, in welchem nur die petrographische Beschaffenheit nach lokalen Verhältnissen wechselt. Die Conglomerate, die festen Sandsteine, blau- grauen Kalksteine und die Hippuritenkalke sind den Mergeln eingelagert, und zwar in keiner bestimm- *), Jahrbuch der k. k. geologischen Reichsanstalt 1851. Heft 4, 8. 52. 145 ten Ordnung, sondern regellos und in sehr verschiedenem Niveau. Was die geologische Stellung der ganzen Formation betrifft, so erkennt RKeuss in ihr nur ein Aequivalent des böhmischen Pläners und der Chloritischen Kreide, also des D’Orbigny’schen Systeme turonien, während Zekeli gele- gentlich der Bearbeitung seiner ‚‚Gasteropoden der Gosauformation“ einer Abhandlung, deren Druck nahezu vollendet ist, und seiner Monographie des Geschlechtes Inoceramus*) Formen aus dem Sy- steme turonien und senonien erkannt zu haben glaubt. Nicht nur nehmen die Schichten der Gosauformation an den schon früher bekannten Lokalitäten, z. B. in der Umgegend der neuen Welt, westlich von Wiener Neustadt einen weit grösseren Flächen- raum ein, als ihnen die früheren Karten anweisen, es wurden auch sehr viele neue Punkte ihres Vorkommens aufgefunden. Am bemerkenswerthesten darunter ist ein nur wenig unterbrochener Zug dieser Gesteine, der nahe an der Nordgrenze der Kalkalpen von Perchtoldsdorf über Alland, Alten- markt, Lilienfeld, bis gegen Lehenrott zu, fortläuft. Als untere Kreide oder Neocomiengebilde sind in unserer Karte aufgeführt 18) Mergel und Sand- stein, 19) Aptychenschiefer. Die Einreihung der Hauptmasse des in Niederösterreich vorfindlichen Wienersandsteins zum Neocomien, angesichts der zahlreichen Beobachtungen an anderen Orten, denen zu Folge dieses Gebilde Eocenformation zuzuzählen wäre, und angesichts des Urtheiles vieler der ersten Geologen über diesen Gegenstand, wird, wir können es nns nicht verhehlen, auf lebhaften Widerspruch stossen. Und doch blieb bei gewissenhafter Berücksichtigung der in dem Gebiete un- serer Karte beobachteten Thatsachen keine andere Wahl. Nachdem sich gezeigt haute, dass die im Inneren der Kalkalpen und an der Nordgrenze derselben auftretenden Sandsteinschichten mit Alpen- kohlen und mit Lias und Keuperpflanzen ungezwungen von dem eigentlichen Fucoidensandstein ge- trennt werden konnten, wäre die Bestimmung des Alters dieser letzteren ganz zweifelhaft geblieben, hätte nicht Bergrath Czjzek ausgedehnte Züge von weissen Aptychenschiefern entdeckt, welche mit voller Evidenz den Sandsteinschichten eingelagert sind. Sie sind begleitet von rothen Mergeln, welche sowie die Schiefer selbst, oft Hornsteine führen, und sind besonders im östlichen Theile der Karte, wo die Sandsteinzone am breitesten ist, zahlreich zu beobachten, wurden aber auch bis zur westlich- sten Grenze der Karte verfolgt. Sie enthalten an vielen Stellen Aptychen, mitunter Formen, die dem echten Aptychus Didayi gleichen, oft aber auch solche, die man zu Apt. latus und Apt. lamellosus stellen möchte, dann Belemniten, und stehen auch öfter in Verbindung mit Crinoidenkalken. So ge- ring auch die Zahl dieser Fossilien ist, so entschieden machen sie es unmöglich, die weissen Kalke und die mit ihnen unzertrennlich verbundenen Sandsteine zur Eocenformation zu stellen. Sie liessen wohl nur die Wahl zwischen der Jura- und Neoconienformation, und von diesen hatte wohl die letz- tere noch mehr Wahrscheinlichkeit für sich, da mit Sicherheit festgestellt ist, dass ihr beträchtliche Parthien der in den Karpathen auftretenden Sandsteine und Schiefer zufallen. Ich erinnere hier nur an die durch Hoheneggers sorgfältige Untersuchungen genauer bekannt gewordenen Schiefer von Teschen, dann an die Entdeckung des Professor Zeuschner, der in dem Karpathensandstein bei Wieliezka den Belemnites, bipartitus und andere bezeichnende Neocomienfossilien auffand. Uebrigens ist es wohl unzweifelhaft, dass weiter westlich in den Nordalpen, insbesondere aber in den Südal- pen und in den Karpathen ausgedehntere Parthieen der Wiener- und Karpathensandsteine und des *) Jahresbericht des naturwissenschaftlichen Vereins in Halle 1851. 8. 79. 19 146 Macigno der Eocenformation zufallen werden, als diess in dem Gebiete der vorliegenden Karte der Fall ist. ’ Als Wealden 20) sind die Schiefer und Sandsteine bei Zöbing nordöstlich von Krems,‘ die in früheren Karten als rother Sandstein figuriren, bezeichnet. Pflanzenabdrücke, die Bergrath Czjzek in derselben auffand, wurden von Dr. Constantin von Ettingshausen als vollkommen überein- stimmend mit den echten Wealdenflanzen aus Norddeutschland erkannt, und um das bisher ganz isolirte Vorkommen auch auf der Karte getrennt zu halten, wurde die Bezeichnung als Wealden beibehalten. Zu den jurassischen Gebilden übergehend, stossen wir 21) zunächst auf den alpinen Oxford, die Etage der Terebratula diphya und des Ammonites tatrieus. Wenn hier, wie anderwärts eine Tren- nung dieses Gliedes von den Neocomiengebilden sehr schwierig ist, so ist andererseits auch nicht in Abrede zu stellen, dass einzelne Fossilien desselben in die nächst tieferen Schichten, in den rothen Lias hinübergreifen; es gehören dahin der Ammonites Hommairei und der Ammonites tatrieus selbst, welche Dionys Stür*) in den rothen Liaskalken bei Enzesfeld unweit Wien auffand. Doch bleibt die Fauna im Ganzen eine so konstante, dass eine Festhaltung des Gebildes und Trennung desselben von den benachbarten auf dem Gebiete der Karte durchgeführt werden konnte. Das eine Exemplar der Terebratula diphya selbst, welches Ehrlich am Hals bei Neustift aufland,”“) ist das einzige geblieben, welches bei unseren bisherigen Aufsammlungen zu Tage gefördert wurde, aber andere bezeichnende Versteinerungen, darunter am häufisten die Aptychen, wurden an vielen Stellen aufge- funden. Parthien dieser Kalke, die sich durch einen besonderen Reichthum an Crinoiden auszeichnen, wurden als Crinoidenkalk 22) ausgeschieden. Uebrigens darf hier nicht übergangen werden, dass Eduard Süss in seiner Abhandlung über Terebratula diphya **) durch sehr beachtenswerthe Gründe es wahrscheinlich zu machen sucht, dass die in Rede stehenden Schichten nicht dem englischen Oxford, sondern einer etwas tieferen Etage der Juraformation zu parallelisiren sind. Als Lias sind auf der Karte drei verschiedene Gebilde bezeichnet, und: zwar 23) grauer und rother Kalkstein (Adnetherschichten), 24) dunkler Gervillienkalk. (Rössener Schichten) und 25) Sandstein und Schiefer. Das erste und oberste dieser Glieder, bezeichnet durch eine grosse Anzahl echter Lias. Ammoniten, nimmt weite Strecken in der nördlichen Hälfte des Gebietes der Kalkal- pen auf unserer Karte ein; sehr viele der hierher gehörigen Gesteine sind zu Dolomit umgewandelt. Mehr untergeordnet treten die Gervillienschichten, mit welchen hier nur sehr selten die sogenannten Amatheen- mergel zusammenhängen, auf. Längst bekannt ist die grosse Anzalıl von Liasfossilien, welche diese Schichten enthalten. — Sehr wichtig ist das dritte Glied, die Sandsteine und Schiefer. In zahlrei- chen Zügen in der nördlichen Hälfte der Kalkalpen und am nördlichen Rande derselben auftretend sind sie die Träger der sogenannten Alpenkohle und führen die zuerst durch Haidinger aufgefunde- nen, später durch Unger mehr bekannt gewordenen Pflanzenreste, die zum Theil der Lias, zum Theil der Keuperformation angehören. Dem entsprechend wurde auch das Gebilde bald als Lias, bald als Keu- per bezeichnet, und unter dem letzteren Namen ist es in meinen Eingangs eitivien Abhandlungen aufgeführt. In unserer Karte ist es Lias genannt, hauptsächlich weil es an einigen Stellen in einiger *) Jahrbuch der k. k. geologischen Reichsanstalt 1851. 3. Heft, S. 19. **) Ehrlich, geognostische Wanderungen im Gebiete der nordöstlichen Alpen. S. 27. ***) Sitzungsberichte der kais. Akademie der Wissenschaften, mathem. naturw. Classe. Bd. VIII, S. 553. 147 Verbindung mit den Gervillienschichten beobachtet wurde. So findet sich in der Gosau bei Waidhofen zwischen zwei Kohlenflötzen eine Schichte mit den Fossilien der Gervillienschichten eingebettet. Zunächst unter den Liasgebilden folgen 26) der Hallstätter Kalk und 27) der Dachstein- kalk, beide auf unserer Karte schon zur Trias gezählt und in meiner oben angeführten Abhandlung als oberer und unterer Muschelkalk bezeichnet. Manche neuere Beobachtungen und insbesondere Ent- deckungen, die Lipold erst im Laufe des diesjährigen Sommers gemacht hat, weisen darauf hin, dass das letztere dieser Gebilde in einer nähern Beziehung zum Lias steht, als wir früher angenommen hatten. In den rückwärtigen Theilen des Zinkenbachthales bei St. Wolfgang fand Lipold kürzlich in echten Gervilliaschichten zahlreiche Exemplare der Dachsteinbivalve und nach den übereinstimmen- den Beobachtungen von Bergrath Czjzek und Lipold sind den Dachsteinkalken fossilienreiche Schichten eingelagert, die eine echt liassische Fauna darbieten. Unter den Terebrateln dieser Schich- ten erkannte E. Süss eine grössere Anzahl von Arten, die auch in den Gervillienschichten vorkom- men. Bestätigen sich diese Beobachtungen, so wird es wahrscheinlich, dass die Hallstätterschichten mit ihrer höchst eigenthümlichen Fauna, unter und nicht über den Dachsteinkalken liegen müssen, wenn gleich die bisherigen, übrigens nicht zahlreichen und nicht sehr sicheren Beobachtungen da- gegen zu sprechen scheiken. \ Die. Hallstätter und somit auch Cassianer Schichten, auf deren Analogie mit den Gervillien- schichten Emmrich wiederholt aufmerksam macht, mit diesen wirklich zu verbinden, scheint uns dagegen unstatthaft. Zwar fand ich schon vor zwei Jahren in dem Reiflinger Steinbruch, der den vielbesprochenen,, im Stifte Admont aufbewahrten Ichthyosaurus platyodon lieferte, einen Ammonites Aon und zahlreiche Exemplare von Monotis salinaria, also bezeichnende Fossilien der Hallstätter und Cassianer Schichten, und ebenso erhielt ich aus dem doleritischen Sandstein der Venetianer Alpen gemeinschaftlich mit A. Aon ein Bruchstück eines Equisetum, wohl zu Equisetum columnare gehörig; allein die Fauna beider Schichten im Ganzen ist doch eine durchweg verschiedene. Von den zahl- reichen Cephalopoden der Hallstätter-Cassianer Schichten wurde keine einzige in unseren Gervillien- schichten wieder gefunden, und eben so kommt nach Süss genauen Untersuchungen keine einzige der zahlreichen Brachiopoden-Arten beiden Gebilden gemeinschaftlich zu. Die der Gervillienschichten sind echt liassisch, die der Cassianerschichten tragen einen ganz abweichenden Typus. Mag demnach auch eine oder die andere Art später noch aufgefunden werden, die beiden Gebilden gemeinschaftlich zukömmt, so wird man doch bei der schon so grossen Zahl der bekannt gewordenen, jedem eigen- thümlichen Fossilien ihre Verschiedenheit anerkennen und den Gervillienschichten ihre Stellung in der Liasformation, den Hallstätter-Cassianer Schichten jene in der Triasformation belassen müssen. Innig und zwar oft durch Wechsellagerung mit einander verbunden sind die folgenden zwei Glie- der, nämlich 28) der schwarze Kalk und 29) der bunte Sandstein; die untere Abtheilung der Triasformation bildend.. Sie “treten in. mehreren parallelen Zügen im Innern der Kalkalpen auf und bilden auch beständig die Grenze derselben gegen die Grauwackenformation. Der bunte Sandstein ist, wie Bergrath Czjzek nachgewiesen hat”), der Hauptiträger der Gypslager der Alpen, und beinahe .*) Jahrbuch der k. k. geologischen Reichsanstalt 1851. 1. Heft, Seite 27. 192 148 überall, -wo.er. auftritt, hat er seine wenigen, aber. bezeichnenden Fossilien: Myacites ‚Fassaensis, Posidonomya Clarae, Naticella costata u. .s. w.- geliefert. Aus der Grauwackenformation sind. 30) Sandstein und Sohlaipzs und 31) Kalkstein unterschieden. Petrefacten haben diese Gebilde in dem untersuchten Landstriche nicht geliefert. Weiterhin folgen 32) Thonschiefer, 33) Talkschifer,. 34) Glimmerschiefer, 35) Amphibolschiefer, 36) Gneiss, 37) Weissstein, 38) körniger Kalk, 39) Diorit, 40) Syenit, 41) Granit, 42) Serpentin und 43) Basalt. Ohne in ein weiteres Detail in Betreff dieser Gebilde, welche im Südosten der Karte im Leitha- und Rosaliengebirge,, dann "bei Mölk und nördlich von der Donau weitgedehnte Parthien einnehmen, einzugehen, sei es nür ge- stattet, auf die sehr beträchtliche Ausdehnung des Serpentines, bei Bernstein, wie er von Bergrath Czjzek daselbst umgränzt wurde, dann auf ein neues Vorkommen von Basalt am Pauliberg ‚und Lindberg bei Landsee, südwestlich von Oedenburg, welches ich in. Gesellschaft von Dr. Hörnes "auffand, aufmerksam zu machen. Noch sind endlich auf der Karte besonders bezeichnet: Dolomit und Rauchwacke, Gyps, Kohle, Graphit, Eisensteine, Gänge und Stöcke, Porzellanerde und Töpferthon. 17. Dr. Constantin von a a aus Wien sprach „über,die Steinkohlenflora von Radnitz in Böhmen.‘ Diese Lokalität, welche nicht nur die ausgezeichneisten und merkwürdigsten Pflanzenfossilien, die sich aus jener fernen Periode der Erdbildung erhalten haben, lieferte, sondern auch überhaupt zu denjenigen Lokalitäten von fossilen Gewächsen gehört, die zuerst die Aufmerksamkeit der Natur- forscher auf sich gezogen haben, wurde insbesondere durch die Untersuchungen des Grafen von Sternberg näher bekannt. Die Reichhaltigkeit der Steinkohlengruben von Radnitz an fossilen Pflanzen und ihren hohen Werth für die Paläontologie erkennend, veranstaltete Graf Caspar von Sternberg durch seine Bergleute fortwährende Aufsammlungen daselbst. Die schönsten Exemplare übergab er dem böhmischen Nationalmuseum zu Prag, wo nun eine prachtvolle Suite dieser Fossilien in einem eigens dazu bestimmten Saale zur Schau aufgestellt ist. Leider ist aber nur ein verhält- nissmässig geringer Theil dieser Schätze durch Sternberg und später durch Corda bearbeitet und der Veröffentlichung übergeben worden. Im Auftrage der k. k. geologischen Reichsanstalt in Wien hat nun Dr. v. Ettingshausen sämmtliche Steinkohlenlokalitäten der Radnitzer Mulde im Sommer des Jahres 1851 untersucht und war durch die ihm zu Theil gewordene Unterstützung der Bergwerksbesitzer daselbst, namentlich von Seiten des Grafen von Wurmbrand, so glücklich, ein Material für das Museum der k. k. geologischen Reichsanstalt zu acquiriren, welches die Schätze des Prager Museums an Vollständigkeit und Schönheit übertrifft. Auf Grundlage dieses Materials zu Wien und Prag ist es nun möglich geworden, ein ziemlich umfassendes und vollständiges Bild der zu Radnitz begrabenen vorweltlichen Vegetation zu entwerfen. Dr. v. Ettingshausen bereitet soeben eine Monographie dieser Flora vor, für welche bis jetzt schon 29 lithographirte Tafeln aus- geführt sind, von denen er eine Anzahl zur Ansicht vorlegte. Die fossilen Arten gehören zu den Familien der Calamiteen, Neuropterideen, Sphenopterideen, Pecopterideen, Protopterideen, Rhächio- pterideen, Gleicheniaceen, Marrattiaceen , Diplotegiaceen, Stigmarien, Sigillarieen, Diploxyleen, Lepi- dodendreen, Lycopodiaceen, Cycadeen, Haemodoraceen, Palmae und Abietineen. Besonders hob Dr. v. Ettingshausen die Häufigkeit'des Vorkommens der Lepidodendron-,Calamites- und-Stigmaria- 149 arten hervor, welche in dieser Flora die übrigen Gewächsformen auffallend verdrängt zu haben scheinen. So finden wir hie Klasse der Filices zwar in sehr verschiedenartigen Formen vertreten, jedoch die Individuenzahl:der Arten meist sehr beschränkt. Nur von wenigen Arten fanden sich im Ganzen mehr als I—5 Exemplare. Die Annularien und Sphenophylien erscheinen hier gleichfalls höchst selten und von den den übrigen oben erwähnten Familien, als den Diploxyleen, Lycopodiaceen, Cycadeen, Haemodoraceen, Palmen und Abietineen sind es nur einzelne Arten, die in wenigen Bruch- stücken zufällig und dann nie mehr wieder aufgefunden wurden. Von den Lepidodendronarten kamen einige in ganz vorzüglich erhaltenen Exemplaren zum Vor- schein. So fanden sich von dem ausgezeichneten Lepidodendron Sternbergii Lindl. et Hutt. mehrere vollständige, mit Blättern dicht besetzte Aeste; von einer neuen Art, dem Lepidodendron brevifolium Ettingsh., nebst zahlreichen, dem Namen zugehörigen Fragmenten, beblätterte Aestchen mit daran sitzenden Endknospen und Fruchtzapfen; und von einer ebenfalls neuen und sehr charakteristischen Art, dem Lepidodendron Haidingeri Ettingsh. , beblätterte Aeste und Zweige. Was nun das Vorkommen der Calamiten betrifft, so dürfte es wohl keine Lokalität der Stein- kohlenformation geben , wo uns diese eigenthümlichen Gewächse in einer grösseren Massenhaftiskeit und Mannigfaltigkeit ihrer Formen entgegentreten, wie dies hier der Fall ist. Diese Lokalität ist es daher vorzüglich, welche uns über die Entwickelungsreihe und den Habitus der Calamitätengewächse den vollständigsten Aufschluss giebt; und sehr bemerkenswerth sind die zahlreichen Uebergänge der verschiedenen Formen der sogenannten Asterophylliten in die Astformen der Calamiten einerseits und in die Volkmannien andererseits, wodurch sich die Ersteren als die bebiätterten Aeste und Zweige, die Letzteren als die ährenförmigen Fruchtstände der Calamiten erweisen. Dr. v. Ettingshausen zeigte eine grosse Anzahl von Abbildungen und mehrere Exemplare von Calamiten-, Asterophylliten- und Volkmannienformen zum Beleg seiner Ansichten vor. 18. Dr. E. Desor aus Neuchatel: „Ueber den Parallelismus der Diluvial-Gebilde und erratischen Phänomene in der Schweiz, dem Norden von Europa und Nord- Amerika.“ Die Diluvial-Gebilde und insbesondere derjenige Theil, den man als das erratische Phänomen zu bezeichnen pflegt, iragen ein so eigenthümliches Gepräge, dass man sich nicht wundern soll, wenn sie sich einer besondern Aufmerksamkeit erfreuen in allen Ländern, wo sie anzutreffen sind. Wem sollten die Granitblöcke der norddeutschen Ebene nicht auffallen, und welcher Reisende in der Schweiz hat sich nicht gefragt, wie die Geissberger (alpinischen Blöcke) auf den Gehängen des Jura wohl dahin gekommen sein mögen! Gesellt sich nun noch dazu eine besondere Form des Bodens „ wie in der Schweiz und in Scandinavien, wo die Felsen, auf denen die Blöcke ruhen, auf eine eigenthüm- liche Weise abgescheuert, geglättet und gefurcht sind, so entsteht natürlich die Vermuthung, dass beide räthselhafte Phänomene denselben Ursprung haben müssen. Da nun in der Schweiz, wo die meisten Theorien entstanden sind, die erratischen Erscheinungen der Art sind, dass sie in mancher Hinsicht auf aussergewöhnliche, heftige und plötzliche Einwirkungen zu deuten scheinen (so z. B. bestehen die Diluvial-Anhäufungen meist aus grobem ungeschichtetem Geröll mit einschliessenden Findlingen, welche unzweifelhafte Spuren von heftiger Wirkung zeigen), so hat man bei jedem Versuch , die erratischen Phänomene der Schweiz zu erklären, zugleich die Erklärung auf das ganze Gebiet der Erscheinungen übertragen wollen. 150 Dies ist namentlich der Fall mit der Gletscher-Theorie gewesen. Als Anhänger der Charpen- tier’schen Theorie, war es mir daran gelegen, zu wissen, ob dieselbe sich wirklich auf dem weiten Felde von Nord-Amerika, das ich zu durchwandern berufen war, ebenso beweisen würde, wie in der kleinen Schweiz. Die Schilderungen von Hitchcock und seine unbedingte Annahme der Glet- schertheorie für den nordöstlichen Theil der Vereinigten Staaten liessen es sogar erwarten. Bevor ich indess die Prüfung des nordamerikanischen Gebiets begann, hielt ich es für rathsanı, zuerst die Diluvial-Phänomene des nördlichen Europa’s in Augenschein zu nehmen. Ich beabsichtige, Ihnen heute eine ganz kurze Uebersicht der Erscheinungen in den drei Hauptgebieten vorzulegen, wobei ich mich natürlich auf die allerhervorragendsten werde beschränken müssen. Die Hauptphänomene, auf die sich die Gletschertheorie stützt, nämlich einerseits die grossen Findlinge, und andererseits die Abrundung, Glättung und Streifung der Felsen, sind bekanntlich in Scandinavien ebenso ausgeprägt, wie in der Schweiz. Auch ist der erste Eindruck ganz zu Gunsten der oben genannten Theorie. Neben diesen zwei Hauptphänomenen giebt es aber auch andere , die, obgleich äusserlich mit denen der Alpen übereinstimmend, dennoch bei näherer Untersuchung sich als bedeutend abweichend darstellen. Zu diesen gehören unter andern jene langgestreckten Hügel von Sand und Geröll, die °Asar, welche man für Moränen angesehen hatte. In der That, es lässt sich in ihrer äussern Form eine gewisse Aehnlichkeit mit unseren Mittel- und Seiten-Moränen nicht verkennen, und der Umstand, dass sie mit Findlingen überstreut sind, würde diese Ansicht noch bekräftigen, wäre nicht der überwiegende Umstand, dass sämmtliche °Asar aus geschichtetem Ma- terial, nämlich aus abwechselnden Schichten von Sand, Geröll und Thon bestehen, welche letztere sogar Ueberreste von Marinen-Muscheln enthalten; damit ist aber der Beweis geliefert, dass die °Asar nicht wie die Moränen der Gletscher, in ihrer ganzen Masse fortbewegt worden sind, sondern dass sie an Ort und Stelle entstanden und in successiven Perioden unter Wasser abgelagert worden sein müssen. *) Mithin kann also der Transport der erratischen Blöcke, welche auf ihrem Gipfel ruhen, nicht gleichzeitig mit der Furchung und Glättung des Bodens stattgefunden haben, wie es die Gletschertheorie will, sondern beide Phänomene sind durch eine lange Zeit periodisch getrennt, wäh- rend welcher Scandinavien vom Meer bedeckt war. Hierin besteht aber ein Hauptunterschied zwischen den Diluvialgebilden des Nordens und denjenigen der Alpen; denn wenn es auch nicht erwiesen ist, dass das Gletscherphänomen das letzte geologische Ereigniss auf dem Schweizer Boden ist, so kann man doch als ausgemacht annehmen, dass er seit jener Zeit nicht vom Meer eingenommen worden ist. In Scandinavien dagegen muss man, wie ich es anderwärts gezeigt habe (Bulletin de la Soe. zeol. de France Tom. 4. 1846), wenigstens drei Perioden in der erratischen oder Diluvial-Zeit an- nehmen: *) Als ich das Glück hatte, in Gesellschaft von Loven, Siljeström und mehreren anderen schwedischen Gelehrten den "Asar von Stockholm zu besichtigen, habe ich keinen Anstand genommen, Berzelius auf seine ceategorische Frage, ob dieser °Asar eine Moräne sei oder nicht, zu antworten, es sei keine. Damit habe ich aber durchaus nicht behaupten wollen, es gäbe keine Spur von früheren Gletschern in Schweden. Wenn Berzelius später (n Leonhard und Bronn’s Jahrbuch) daraus den Schluss gezogen hat, dass „mit dieser meiner Erklärung die Gletschertheorie in ihrer Anwendung auf Sceandinavien zu Boden gefallen sei*, so war dies seine eigene persönliche Ansicht, für welche ich auf keine Weise verantwortlich sein kann, 151 1) die Periode der Streifung und Glättung der Felsen, 2) die Periode der Ablagerung des geschichteten Diluviums mit seinen einschliessenden Muschelır und der Bildung der °Asar, während welcher das Land vom Meer bedeckt war, 3) die Periode der Erhebung der Scandinavischen Halbinsel, welche den Uebergang zu der historischen Periode macht. Wie in Scandinavien, so können auch in Nordamerika dem Schweizer Geologen die abgerundeten Felsen mit ihren parallelen Furchen und Streifen am Meeresufer und besonders an den Buchten und Flussmündungen der Küste von Neu-England nicht entgehen. Sie erinnern ihn gar lebhaft an die ähnlichen Formen in den Thälern und an den Berggehängen des Heimatlandes. Indess ist doch die Aehnlichkeit noch grösser mit Scandinavien, namentlich der Küste entlang. Zwar sind die Diluvial- gebilde grösstentheils unregelmässig, ohne deutliche Schichtung, und daher mit .den sogenannten Gletscherbildungen der Schweiz ziemlich übereinstimmend; auf der andern Seite aber sind sie, wie in Schweden von °Asarähnlichen Hügeln (Indian Ridger genannt) durchzogen, die also auch hier auf eine Wasserbildung hindeuten. Ausserdem kommen auch in den Thälern und entlang den Küsten von Neu-England in Canada regelmässige Schlammbildungen mit Versteinerungen lebender Arten vor, welche man ihrer höchst regelmässigen Schichtung wegen Anfangs für Tertiärbildungen hielt, wahrscheinlich weil man von der Voraussetzung ausging, die Diluvialgebilde überhaupt müssten nothwendig unregelmässig und heterogen sein. Bald jedoch überzeugte man sich, dass dieselben, anstatt älter zu sein, als die gröberen Gebilde (das sogenannte eoarse Drift), im Gegentheil aller Wahrscheinlichkeit nach jünger sind, dass sie mithin eine besondere Periode in der Diluvialepoche repräsentiren. Da ausserdem ihre Zusammen- setzung eine ganz eigene ist (meist Thon und Lehm), welche auf eine sehr ruhige und regelmässige Ablagerung ‚hindeutet, so habe ich vorgeschlagen, diese eigenthümliche Meeresbildung, da sie be- sonders im Thal des St. Lorenzostroms entwickelt ist, mit dem Namen der Laurentinischen Formation zu bezeichnen, welcher Namen bereits in die amerikanische Nomenclatur übergegangen ist. Ich habe anderwärts*) die Grenzen dieser Formation angegeben, welche sich südlich bis in die Gegend von New-York und westlich bis den Hintergrund des Antonioscees erstreckte, so dass zu jener Zeit-der Niagara sich wahrscheinlich direct in dem eindringenden Tiord stürzte. Wir haben mithin auch hier, wie in Schweden, den deutlichsten Beweis von dem Vorhandensein des Meeres bis zu einer Höhe von mehreren hundert Fuss; und da diese Laurentinische Formation gleichfalls, wie die Diluvialbildungen von Scandinavien, mit erratischen Blöcken überströmt ist, so muss man wohl daraus schliessen, dass auch hier der Transport der Blöcke von dem Frietionsphänomen ganz unabhängig ist und zu einer viel spätern Zeit stattgefunden haben muss, da sich zwischen beide Momente die ganze Zeit einschaltet, die zur Ablagerung der Laurentinischen Gebilde nothwendig war. Was nun den Parallelismus der Laurentinischen Formation betrifft, so lässt sich aus den darin enthaltenen Muscheln (welche nicht nur sämmtlich lebenden Arten angehören, sondern auch zum Theil specifisch identisch sind mit denen von Scandinavien, wie unter andern Tellina grönlandica, Saxicava rugosa etc.) mit ziemlicher Sicherheit der Schluss ziehen, dass sie von gleichem Alter ist, wie das Diluvium von Scandinavien und Norddeutschland; nur scheinen in Amerika Perioden von *) Bulletin de la Soeidte geol. de France. 152 vollkoıfimener Ruhe stattgefunden zu haben, während welcher sich gerade unsere Laurentinische Formation ablagerte. Jedenfalls müssen damals beide Continente tiefer im Meer versenkt gewesen sein, als jetzt. Dringt man weiter in’s Innere der Vereinigten Staaten, so verschwinden allmählig die gröberen Diluvialgebilde und werden durch regelmässig geschichtete Lager von Thon, Sand und Lehm ersetzt, welche sich über weite Strecken verbreiten und grösstentheils den fruchtbaren Boden der grossen Prairien ausmachen. Dadurch wird die Aehnlichkeit mit den Europäischen und Ost-Amerikanischen Gebilden immer geringer; man könnte sogar zweifeln, ob man sich noch im Bereich des Diluviums befindet, wenn man nicht von Zeit zu Zeit einem grossen Findling mitten in der Prairie begegnete. In manchen Bezirken sind sie sogar ziemlich häufig, namentlich in Illinois, wo sie unter dem Namen Grauköpfe (gray heads) bekannt sind. Auch jenes andere Haupteriterium des Diluviums, das Fric- tionsphänomen ist hier vorhanden. Polirte und gefurchte Felsenflächen kommen überall längs den Flüssen und Seen vor, namentlich am nördlichen und westlichen Ufer des Michigan-Sees. Anstatt aber von Nord-West nach Süd-Ost zu laufen, ist ihre Richtung hier überall von Nord-Ost nach Süd- West, so dass die Furchen in ihrer Gesammtheit, so weit sie bis jetzt bekannt sind, einen grossen Fächer darstellen, dessen Scheitel man wahrscheinlich in dem weiten bis jetzt noch unerforschten Bezirk nördlich vom Huron-See zu suchen haben wird. Bis vor kurzem wusste man nicht, ob jene weitverbreiteten Lehm- und Sandbildungen der west- lichen Staaten Marine- oder Süsswasser-Gebilde waren. Erst vor zwei Jahren gelang es meinem Freunde Whittlesey, unzweifelhafte Ueberreste von Süsswasser und Landschnecken im Lehme der Umgegend von Cleveland am südlichen Ufer des Erie-Sees zu entdecken. Diesen Lehm hatte er Anfangs wegen seiner Uebereinstimmung mit den jüngeren Gebilden des Rheinthals als Löss beschrie- ben. Als man aber später erkannte, dass dieselben Lehmgebilde, welche bei Cleveland (und auf dem südlichen Ufer des Erie-Sees überhaupt) nur einen engen Raum einnehmen, auf dem nördlichen Ufer, so wie den Huron-See entlang weite Strecken bedecken und also eine grosse Formation dar- stellen, da schien es uns, als könnten dieselben nicht länger einer Lokalbildung, wie der Löss des Rheinthales, untergeordnet bleiben, und wir schlagen daher’ für dieselben den Namen Alganquin- Formation vor, nach einem mächtigen Indianerstamm, die Alganquin, welche einst ihren Haupt- sitz in diesen Gegenden hatten. Aus der Verbreitung dieser Formation und der Höhe, bis zu welcher man sie antrifft (mehrere hundert Fuss über den Seen), geht hervor, dass zur Zeit ihrer Ablagerung sämmtliche Seen zusam- men (mit Ausnahme vielleicht des Antonio-Sees) ein grosses Binnenmeer von süssem Wasser bildeten, welches, anstatt sich wie gegenwärtig, nach Osten zu entleeren, seinen Haupt-, wenn nicht seinen einzigen Ausfluss nach Süden durch die Flussthäler des Wabash, Illinois ete. hatte. Noch ist dies nicht Alles. Das Flussgebiet des Mississippi schliesst ein zweites Süsswasser- becken von gleichem, wenn nicht grösserem Umfange ein. Auf beiden Seiten des Stromes kommen Lehmbildungen vor, die sich je nach den Oertlichkeiten 20 bis 50 engl. Meilen in’s Innere er- strecken und in welchen man ebenfalls, bei Galena und Dubuque, in einer Höhe von 160 Fuss über dem Meeresspiegel des Mississippi, Süsswasser-Conchylien gefunden hat. Ich habe dieselbe Lehm- bildung dem grossen Strom entlang bis an die Mündung des Missouri verfolgt, und wiederum den Ohio und dessen Zuflüssen entlang, wo sie überall die steilen Felswände bedeckt. Dieselbe soll namentlich 153 am Wabach sehr charakteristisch sein, wo ebenfalls dieselben Conchylien vorkommen, namentlich Paludinen. Obgleich die Grenzen dieses Beckens nur noch annähernd bekannt sind, so lässt sich dennoch aus dem bereits Bekannten schliessen, dass zu jener Zeit der nordamerikanische Continent eine Süsswasserfläche von solchem Umfang dargeboten haben muss, wie man sie weder in der Jetzt- welt, noch in irgend einer der früheren geologischen Perioden kennt. Die Findlinge fehlen eben so wenig in dem südlichen Becken, dem Ohio entlang, als weiter nach Norden. Ich habe erratische Blöcke über den ganzen südlichen Theil des Staates Ohio ange- troffen, und nach den Beobachtungen, die man bis jetzt gesammelt hat, kann man so ziemlich den Lauf des Ohioflusses von seinem Entstehen durch den Zusammenfluss des Alleehani und Manohaghela. bis zu seiner Mündung in den Mississippi, als die südliche Grenze der Verbreitung der Blöcke an- nehmen. Nur sehr wenige sollen den Fluss überschreiten. Die Verbreitung der Findlinge würde demnach, wie in Europa, einen ungeheuren Bogen beschreiben, und, was nicht minder beachtens- werth ist, sie scheinen an ihrer äussersten Grenze häufiger zu sein, als in der Mitte. Da aber gerade hier die Gebilde, auf denen sie ruhen, von solcher Beschaffenheit sind (Lehmarten, feiner Sand), dass sie eine sehr ruhige Ablagerung voraussetzen, so lässt sich auch kein anderes, als ein ruhiges Agens für ihre Transportation erdenken, etwa Flötzeis, welches um so zuverlässiger ist, als noch jährlich in den nördlicheren Seen und dem St. Lorenz entlang viele Blöcke auf diese Weise fortge- schafft werden. Wir kennen bis jetzt im östlichen Continent keine Bildung, welche dieser ausgedehnten Süss- wasserformation entspräche, es sei denn, sie würde in Sibirien nachgewiesen. Ist es zu wundern, wenn der europäische Geologe, nachdem er diese weiten Strecken durch- wandert und sich mit dieser grossartigen Entwickelung des geschichteten Diluviums vertraut gemacht hat, mit etwas veränderten Ideen über die Bedeutung der Diluvialperiode zurückkehrt? Der Haupt- eindruck, welcher sich bei uns in Europa an das Phänomen der erratischen Bildungen knüpft und welche allen unsern Theorien zu Grunde liegt, ist der, dass sie das Resultat von gewaltigen, zer- störenden Einwirkungen sind. In der Schweiz wird sogar die ganze Reihe der Erscheinungen, näm- lich die Glättung und Furchung der Felsen, die Anhäufung des Gerölles und der Transport der erra- tischen Blöcke als gleichzeitig, als das Werk eines einzigen Agens, des Gletschers betrachtet. Hier im fernen Westen tritt uns das Diluvium hauptsächlich als das Product der Zeit entgegen; es ist nicht mehr eine isolirte innormale Erscheinung, sondern eiue grosse Formation, die im weiten Becken regelmässig abgelagert, sich würdig an die vorhergehenden Formationen anreiht, als das Ergebniss einer langen und höchst interessanten Periode der Erdgeschichte. Und nun kehren wir einen Augenblick mit diesem erweiterten Begriff nach Europa zurück und sehen wir, ob es nicht vielleicht auch hier Erscheinungen giebt, die auf eine grössere Dauer der Diluvialperiode schliessen lassen, als man ihr gewöhnlich zuschreibt. Wir wollen hier nicht des nordischen Diluviums erwähnen, da es hinlänglich bekannt ist, dass die Scandinavische Halbinsel nach dem Frietionsphänomen längere Zeit unter Wasser gestanden haben muss, noch der norddeut- schen Ebene, die wahrscheinlich zu gleicher Zeit vom Meer überdeckt war. Aber auch im mittleren Europa fehlt es nicht an sedimentären Bildungen aus der jüngsten Zeit. Ich will nur auf den Lehm der Wetterau und auf die in unserer Nähe gelegene Lössiormation verweisen. Aus dem Vorkommen von Land- und Süsswasser-Conchylien in dem Löss des Rheinthales hat 20 154 man bekanntlich geschlossen, dass die ganze Formation ein Flussgebilde sei, und um diese Ansicht meteorologisch zu begründen und sie zugleich mit der Gletschertheorie zu vereinbaren, hat man an- genommen, der Löss sei zur Zeit der grossen Gletscher als Gletscherschlamm im Rheinthal abgesetzt worden, welches damals der Abzugskanal für den ganzen östlichen Rand des grossen Gletschers gewesen. Ich habe anderwärts schon auf die Schwierigkeit dieser Annahme hingewiesen und durch Bei- spiele an dem Mississippi gezeigt, dass ein Strom von zwölf Stunden Breite, wie damals der Rhein gewesen sein müsste, kein Strom mehr genannt werden kann. Der Abfluss einer solchen Wassermasse bei dem Fall des Rheinthals ist durchaus nicht im Verhältniss zu der Schmelzung eines noch so erossen Gletschers. Weit geeigneter liesse sich die Sache erklären, wenn man annimmt, das Rhein- thal sei damals ein See gewesen, der allmählig durch fortschreitende Deltabildung ausgefüllt worden, in der Art, wie dies heut zu Tage an der Mündung der Rhone in den Genfersee geschieht, wo bereits die ganze Strecke zwischen St. Maurice und Villeneuve ausgefüllt ist. — Noch ein anderes Bedenken lässt sich gegen die obige Ansicht erheben. Der Löss enthält bekanntlich eine Menge Säugethier- Ueberreste von ausgestorbenen Arten, worunter namentlich auch Elephantenknochen. Die Annahme einer Gleichzeitigkeit der Lössbildung mit der Ausdehnung der Gletscher setzt aber voraus, wie es in der That mehrere Geologen ausgesprochen hahen, dass die Elephanten aus einer früheren Zeit her sich während der Gletscherzeit forterhalten hätten. Während die ganze Schweiz, die Vogesen und der Schwarzwald mit Eis überzogen waren, sollen diese Thiere im Rheinthal, dem Rande der grossen Gletscher entlang, ihr Wesen fortgetrieben haben und auf diese Weise manche ihrer Skelete in die Lössbildung gerathen sein. Wie soll man aber annehmen, dass bei einem solchen Ereigniss, wie die Ausdehnung der Diluvialgletscher, welches so tiefgreifende Modificationen des Climas voraussetzt und zugleich die wesentlichsten Veränderungen in der Thier- und Pflanzenwelt hervorbrachte, serade die Rlephanten verschont worden wären ! Die grösste Schwierigkeit indessen liegt in dem Umstand, dass im Norden von Europa sowohl wie in Amerika, die Elephanten (Mammuth oder Elephas primigenius) nur in den allerjüngsten Gebil- den vorkommen. In Amerika namentlich kennt man sie nur in den Torfmooren und den Alluvial- bildungen, wo sie mit dem Mastadon (M. eiganteum) zusammen vorkommen. Wäre aber die obige Ansicht richtig, so müssten dieselben Thiere viel früher in der Schweiz und am Rhein existirt haben, als im Norden, da zwischen ihrem Auftreten an beiden Orten die ganze Periode der grossen Süss- wasser- und Marinebildungen des Nordens zu liegen käme, was durchaus nicht mit den allgemeinen Gesetzen der geologischen Verbreitung der Arten vereinbar ist. Nimmt man aber an, dass der Löss jüngeren Ursprungs ist, wie es überdiess aus den darin enthaltenen Conchylien hervorzugehen scheint, welche gleich den die Mastodonten in Amerika beelei- tenden, fast alle lebenden Arten angehören, so lässt sich der Parallelismus zwischen Mitteleuropa und dem Norden wenigstens theilweise durchführen. Der Löss erscheint uns dann als eine dem Wesen, wenn auch vielleicht nicht der Zeit nach der Alganquinformation von Nordamerika analoge Bildung. Er muss mithin jüngeren Ursprungs sein, als das Frietionsphänomen, welches man also nicht länger mehr an die letzten Ereignisse der Diluvialzeit wird anreihen können. Zu Gunsten dieser Ansicht lässt sich auch noch der weitere Umstand anführen, dass man auch in der Schweiz unzweifelhafte An- zeigen von grossen Wasserbewegungen und Niveauveränderungen nach der Eiszeit besitzt, wie dies 155 namentlich aus der Lagerung der von Pictet beschriebenen Säugethiere aus der Gegend von Genf hervorgeht. Sollte diese meine Ansicht sich bestätigen, so würden auch bei uns in Mitteleuropa die Diluvial- phänomene nicht länger als das Produkt eines einzigen Agens gelten können; wir würden ebenfalls, wie in Amerika und dem Norden von Europa (wenn auch in geringerem Maasstabe), die bisher als von Diluvialgletschern ausschliesslich abhängige Bildung auf mehrere Perioden zu vertheilen und auf mehr- fache Ursachen zurückzuführen haben. Zugleich werden bei beschränkterem Felde die verschiedenen Theorien um so besser und sicherer ihre Anwendung finden, wie denn kaum zu zweifeln ist, dass die verschiedenen Agentien, auf welche man sich zu ausschliesslich berufen hat, alle nacheinander thätig gewesen sind, während der verschiedenen höchst interessanten Phasen der quaternären Periode. 19. Professor Dr. Alex. Braun von Berlin: Ueber fossile Weintrauben von Salz- hausen, mit Vorzeigung von Abbildungen und natürlichen Exemplaren der Blätter, der Kerne und der eingetrockneten Beeren derselben. Derselbe fügte noch Einiges über andere dort vorkommende Früchte hinzu. Dritte Sitzung. Donnerstag, den 23. September. Präsidenten: Sectionsrath Haidinger und Dr. Herm. von Meyer. 20. Dr. Fridolin Sandberger aus Wiesbaden spricht „über die Analogieen der fossilen Land- und Süsswasserfauna des Mainzer Beckens mit der lebenden der Mittelmeerländer.“ Derselbe leitet den Vortrag mit einer Darstellung der Schichtenfolge dieses Beckens ein, wie sie von ilım im Wesentlichen bereits 1847 in der „Uebersicht der geologischen Verhältnisse des Herzog- thums Nassau‘ aufgestellt wurde und durch die darauf folgenden Arbeiten von Walchner und Voltz durchaus bestätigt wurde. Es finden sich von unten nach oben: 1. Meeressand von Alzei, Flonheim , Eckelsheim , Geisenheim. Untere Abtheilung. 2. Blauer Leiten (Cyrenenmergel) von Hochheim, Hattenheim , fast über ganz Rheinhessen verbreitet. 3. Süsswasserkalk (besser „Landschneckenkalk“) von Hochheim (lokal). 4, Cerithienkalk von Hochheim, Kleinkarben bei Hanau, ebenfalls in Rhein- hessen sehr allgemein verbreitet. . Litorinellenkalk. Mit Ausnahme eines Theiles der Westseite im ganzen Obere Abtheilung. Becken, nördlich bis Marburg und Cassel. \ | [>11 6. Braunkohlenletten mit den Braunkohlen der Wetterau, von Bommers- heim am. Taunus etc. 7. Blättersandstein von Münzenberg, Laubenheim, Wiesbaden. \ 8. Knochensand von Eppelsheim. Der Redner glaubt hier auf eine ausführliche Vergleichung des Mainzer Beckens mit anderen deutschen Tertiärbildungen verzichten zu müssen, welche er in einer eigenen Schrift zu behandeln 20 * 156 gedenkt. Nur so viel hebt er hervor, dass die Westerwälder und niederrheinische Braunkohlenbildung nach ihren Mollusken und Wirbelthieren das Aequivalent der Nr. 5—7 und die von Reuss und H. v. Meyer untersuchten Süsswasserbildungen Nordböhmens das von Nr. 3 des Mainzer Beckens sind. Zur Bestimmung des in einer geologischen Periode herrschenden Klimas hält er die Land- und Süsswassermollusken am meisten geeignet, da die meerische Fauna in verschiedenen Tiefen nach den dort herrschenden Abstufungen der Temperatur variirt, wie Forbes und Andere sehr genau nachgewiesen. In der ältesten bekannten tertiären Süsswasserbildung von Rilly bei Rheims finden sich Formen von tropischem Typus, z. B. die bloss in einer lebenden brasilianischen Art bekannte Gattung Megaspira u. s. w., anders im Mainzer Becken. Hochheim und Wiesbaden haben vorzugs- weise einen grossen Reichthum an Land- und Süsswasserformen aufzuweisen, welcher von Al. Braun, Raht und Thomae zuerst gesammelt und zum Theil beschrieben und abgebildet wurde. Jedoch ist bei weitem der grösste Theil dem wissenschaftlichen Publikum bis jetzt nur dem Namen nach bekannt und da keiner der Genannten die Bearbeitung des Mainzer Beckens vollständig zu geben beabsichtigt, so gedenken dies 6. und F. Sandberger nach Vollendung ihres Werkes über die paläozoischen Schichten Nassau’s durchzuführen. Vorläufig hat der Redner die erwähnte Hochheim- Wiesbadener Fauna mit lebenden Formen verglichen. was nur sehr unvollständig seither geschehen war. Er ist dadurch zu dem Schlusse gelangt, dass diese Fauna derjenigen der heutigen Mittelmeer- länder entspreche, jedoch nicht der Fauna eines einzigen derselben, z. B. Kroatien oder Spanien, vielmehr finden sich Formen hier vereinigt, deren Analoga gegenwärtig mitunter auf das eine oder andere einzelne Land beschränkt sind. Wo Identität mit lebenden Arien stattfindet, die auch im Rheinthale noch vorkommen, da ist der betreffenden Art eine Verbreitung durch ganz Europa eigen, z. B. Vertigo palustris, Limneus vulgaris, Helix pulchella. Von Cyclostomaceen fehlen die tropischen Helieinen gänzlich, an die grossentheils westindische Gattung Megalomastoma erinnert nur Cyclostoma Dolium von Hochheim, dagegen steht €. bisulcatum genau in der Mitte zwischen den mittelmeerischen €. sulcatum und C. costulatum, €. labellum Th. gehört zu der ebenfalls mittel- meerischen Gattung Pomatias und erinnert durch seine Farbenreste an C. maculatum. Strophostoma, das Analogon von Anastoma unter den Heliceen, existirt lebend nicht mehr und fossil in anderen Arten nur bei Bordeaux und Buxweiler. Acme subtilissima A. Braun etc. ist analog der lebenden Ä. fusca Walk. Von Vitrina ist eine sehr schöne Art, V. intermedia Reuss von Hochheim bekannt, die zur Gruppe der V. beryllina gehört, eine andere, mit V. elougata nahe verwandt, besitzt der Redner von Buxweiler bei Strassburg. Von den sehr zahlreichen Helixarten herrschten bei Hochheim die ächt mittelmeerischen Gruppen der Helix verticillus und serpentina vor, bei Wiesbaden ein Ana- logon der H. splendida, die H. Moguntina Desh. Von der Gruppe der Helix verticillus ist vorzüglich H. verticilloides A. Braun, H. amplificata Th. und Helix discus Th. hervorzuheben, letzte eine Caro- collenform der Gruppe, wie sie die lebende H. acies Partsch aus Kroatien darbietet. H. subcellaria Th. repräsentirt mehr die H. olivetorum, als die ächte cellaria, auch aus der Reihe der H. nitidosa und lucida finden sich Arten bei Hochheim. Helix deflxa A. Braun von Hochheim, äusserst vielge- staltig, repräsentirt die H. muralis, serpentina, globularis Italiens und ist durch ihre schönen und vortrefflich erhaltenen Bandvarietäten noch von besonderem Interesse.. Helix subcarinata A. Braun. Th. ist ungemein ähnlich der italienischen H. serpentina Fer. und war, wie diese, innen schwarz. Helix phacodes Th. und H. lapicidella A. Braun sind die Analoga der lebenden H. lens und lenticula, 157 von denen letztere gegenwärtig bis zu den Azoren hin vorkommt. Helix Rahtii steht sehr nahe der H. scabriuscula, die Gruppe der Helix rotundata ist durch H. disculus A. Braun, analog H. solaria, H. multicostata Th. analog H. rotundata vertreten. H. pulchella: weicht nur als Varietät von der lebenden ab. H. plicatella Reuss steht der lebenden H. triaria, H. Brauniorum und H. Mattiaca der lebenden H. desertorum Arabiens und Aegyptens ungemein nahe. Die Gruppe der H. obvoluta ist durch die behaarte fossile H. drepanostoma A. Braun (involuta Th.) am nächsten mit H. angieyra stimmend, vertreten. *) Helix Lefebvriana ist durch die ebenfalls mit Haargruben bedeckte H. Arnol- dii Th. (= lepidotricha A. Braun) von Hochheim und endlich die Gruppe der H. personata durch eine einzige zahnlose, sehr deutlich Behaarung zeigende Form, H. oseulum Th., wovon H. villosella desselben Autors nur eine Varietät, analog der lebenden H. corcyrensis, repräsentirt. (rezahnte Formen dieser Gruppe kommen im Mittelmeergebiete nur sehr selten vor. Arten, welche an nord- amerikanische erinnern, hat der Redner unter den Helices nicht finden können. Bulimus ist nach Ausschluss der kleinen von Braun hierzu gezählten auf eine Art, B. gracilis Th. beschränkt, welche dem B. noctivagus Parr. verwandt ist. Von Achatina findet sich keine einzige Art, wenn man diese Gattung in der neueren scharfen Begränzung festhält, in welcher sie nur tropische Arten umschliesst, sondern lediglich europäische Formen aus Untergattungen des früheren grossen Genus Achatina A. Sandbergeri und subsulcosa Th. sind ungemein nahe verwandt mit A. (Glandina) Poireti des Mittel- meeres,. ebenso A. subrimata Reuss und Jubricella Th. der A. (Glandina) folliculus desselben Land- strichs. Unter den Clausilien sind durch zwei fossile Arten, Cl. bulimoides A. Braun von Wiesbaden, Offenbach, Oppenheim die dalmatinische Gruppe der Cl. macarana, almissana ete., wenn auch in einer die lebenden noch sehr übertreffenden Grösse, durch Cl. exarata, die von der lebenden nicht zu unterscheiden ist, die scharffaltige Gruppe, welcher dieselbe angehört, beide characteristisch für einen Theil des Mittelmeergebietes, sehr schön repräsentirt. Pupa Dolium antiguum A. Braun steht in. der Mitte zwischen P. Dolium und P. con;ca, P. variabilis von Hochheim ist nur eine schlankere Varietät der lebenden. Von P. quadrigranata, eryptodonta, retusa, bigranata stehen die drei ersteren den lebenden P. triplicata, unidentata, edentula so nahe, dass sich eine specifische Trennung kaum durchführen lässt, P. bigranata ist vollkommen mit der lebenden gleiches Namens identisch. Vertigo palustris, schon oben aufgeführt, bietet neben mehreren, lebend nicht bekannten Varietäten, zugleich auch die lebende Normalform. V. tiarula und trigonostoma, kleine, ungemein zierliche Arten sind der V. Venetzii nahe verwandt. Von Aurieulaceen ist nur die Gattung Carychium bis jetzt in zwei, dem lebenden C. minutum nahe stehenden Arten vertreten, C. antigquum von Wiesbaden und €. minu- tissimum von Hochheim, letzteres durch seine Kleinheit (nur 1 mm.) besonders auffallend. Limneen finden sich im Mainzer Becken nur wenige. L. vulgaris erwähnte ich schon früher, L. subpalustirs Thomae steht sehr nahe dem lebenden L. palustris, L. parvulus, wie A. Braun bemerkte, den klein- sten Varietäten von L. fuscus (disjunctus). Von Planorbis bietet P. parvulus Reuss von Hochheim ein Analogon des P. cristatus, P. Kraussii v. Klein, Pl. declivis und dealbatus A. Braun von Wies- baden gehören der Gruppe des P. complanatus an. Paludina lenta ist sehr nahe der P. unicolor Oliv. aus der Levante verwandt. Litorinella (— Paludestrina und Paludinella) bietet neben der auch *) Auch die Gruppe der Helix incarnata fehlt nicht, die sehr seltene H. punctigera Th. von Wiesbaden bietet. eine behaarte Form derselben, welcher die freilich kleinere lebende H. Iurida Ziegl. entspricht. 158 lebend noch in ungeheurer Menge z. B. in Südfrankreich vorkommenden L. acuta, noch eine Reihe ausgestorbener Arten, unter denen L. amplifieata mit fast schlangenförmiger. Umbiegung des letzten Umgangs sehr bemerkenswerth ist. Melania ist im Mainzer Becken nur durch eine zweifelhafte, Me- lanopsis durch zwei sehr schöne Arten repräsentirt, von denen M. callosa A. Braun von M. buceinoi- dea nur sehr wenig abweicht. Besonders schön findet sich dieselbe mit erhaltener braungrauer Epi- dermis im Letten zu Niederbieber bei Neuwied. Endlich ist noch Neritina marmorea A. Braun in mehreren Varietäten, wovon einige der N. fluviatilis, andere mehr der N. Velascoi Grlls gleichen, nicht sehr selten, vielleicht auch nur als eine der zahlreichen Varietäten der N. fluviatilis selbst an- zusehen. Die seltsame Form der N. valentina Graells ist im Mainzer Becken nicht, wohl aber in dem Wiener durch'N. Pachi Partsch, repräsentirt. Endlich fehlt auch im Mainzer Becken Aneyclus nicht. A. Mattiacus A. Braun, wahrscheinlich identisch mit A. decussatus Reuss, ist ein schönes Analogon des lebenden A. lacustris. Endlich ist die sehr häufige Tichogonia Brardii von der T. eochleata aus den Bassins von Antwerpen vielleicht nicht einmal specifisch verschieden und also wenigstens auch europäisch. Den hier entwickelten und durch Suiten lebender und fossiler Arten näher erläuterten Analogieen hätte sich noch manches Andere hinzufügen lassen, worauf der Redner aber der kürze der Zeit we- gen verzichten musste. Auch scheint ihm durch die Nachweisung fast sämmtlicher für die. Mittel- meerfauna charakteristischer Gruppen von Land- und Süsswasserschnecken der Beweis seiner Ansicht hinreichend geliefert. Er schliesst daher mit der Bemerkung, dass ‚„‚wenn eine so grosse Analogie der fossilen Fauna auch ungefähr zleiche Lebensbedingungen voraussetzen lasse, in dem Mainzer Becken zur Zeit des Absatzes des erwähnten Schichten, ein mit dem der heutigen Mittelmeerländer nahe übereinstimmendes Klima geherrscht haben müsse.‘ 21. Professor Dr. von Klipstein knüpft daran noch einige Bemerkungen über die geognostische Stellung des Mainzer Beckens und sieht die Braunkohlen des Mainzer Beckens alle als übereinstim- mend und nicht als zweien Etagen angehörig an. . 22. F. Voltz aus Mainz. M. H. Als Mitglied des mittelrheinischen geologischen Vereins ist mir die Anfertigung der geologischen Karte von Rheinhessen zugefallen, und ich habe Gelegenheit gehabt, eine grosse Anzahl-von Beobachtungen über die hier in Frage stehende Angelegenheit zu sammeln. Aber alles, was ich gesehen, widerspricht der eben gehörten Ansicht des Professor v. Klipstein geradezu. — Dr. Sandberger hat Ihnen schon vorhin erwähnt, dass wir in dem Mainzer Becken zwei Hauptabtheilungen zu unterscheiden haben: eine untere reine Meeresbildung und eme obere Brackwasserablagerung. Die Meeresbildung ist bei weitem am häufigsten sandig, zuweilen, aber viel seltener, als man bisher glaubte, stellt sich plastischer Thon ein. An den Stellen, wo dieser auf den seitherigen Karten angegeben ist, befindet sich meist ein sandiger Mergel. Dieses Gebilde nun ist das, um welches es sich hier handelt. Es enthält lauter Meeresthierüberreste und unter diesen sind hauptsächlich drei, welche sowohl durch ihre Menge und geographische Verbreitung, als auch durch den Umstand bezeichnend sind, dass sie nie weder in den unteren Lagen vorkommen, noch auch in die oberen hinaufsteigen: Cyrena subarata Bronn, Buccinum cassidaria Bronn und Murex conspicuus Al. Braun. Diese Leitversteinerungen sind in den Wetterauer Braunkohlen bis jetzt nur an einer einzigen Stelle zwischen Rossdorf und Ostheim bei Hanau gefunden worden und die Herrn in Hanau besitzen noch davon. Dieses sind die einzigen Braunkohlen der Wetterau, welche dem unteren blauen Letten des Mainzer Beckens angehören. Alle übrigen liegen über dem Litorinellenkalke. Man 159 kann sieh durch Folgendes davon überzeugen. Zwischen Laubenheim und Weisenau unfern Mainz be- deckt den Litorinellenkalk eine Lage plastischen Thon’s, über ‘welchem Sand und plattenförmige Sand- steine und dann wieder eine Thonschicht folgen.» In den Sandsteinen sind Blätter von Pflanzenarten ganz so, wie sie in den Wetterauer Braunkohlen getroffen werden. Es sind Quercus, Juglans und andere Arten. — Bei Münzenberg in der Wetterau ist ein ganz ähnlicher Sandstein mit denselben Pflanzen und dieser enthält ausserdem die für die oberen Schichten des Litorinellenkalkes äusserst charakteristische Cyrena Faujassii Desh. in Menge. Unter ihm liegt Litorinellenkalk und über ihm die Braunkohle. — Bei Salzhausen liegt ebenfalls die Braunkohle auf einem Sandgebilde. Was nun die weitere Verbreitung des Litorinellenkalkes betrifft, so muss ich auch hierin v. Klipstein widersprechen. Durch die Thätigkeit der Herren, welche unsere Sectionen in der Gegend von Giessen bearbeiten, ist bei Klimbach, woher v. Klipstein aus der Blätterkohle Süsswasserlische und Käfer bekannt gemacht hat, der Litorinellenkalk nachgewiesen worden. Ebenso zwischen diesem Orte und Amöneburg, von wo man schon lange die Versteinerungen kennt. Auf diese Weise ist also der Zusammenhang der rheinischen Brackwasserbildungen mit denen der Wetterau und des Amö- neburger Beckens vollständig bewiesen. Die Stellung unserer Braunkohlen kann gewiss keinem Zweifel unterliegen, wenn man bedenkt, dass sie Süsswasserbildungen sind, man kennt daraus Süsswasserfische, Frösche und Insekten, dage- sen kein einziges Meeresthier, während die tieferen Schichten entschieden meerischen Ursprung haben. Eine grosse Menge von mir aufgenommener Durchschnitte bestätigt das von mir Gesagte. 23. Herm. von Meyer spricht sich mit Berufung auf die Säugethiergattungen: Palaeomeryx, Anthracotherium, Hyotherium, Microtherium dahin aus, dass er wenigstens von dieser Seite her nur eine einzige Hauptbildung annehmen könne. 24. Dr. Frid. Sandberger und Dr. von Klipstein sprechen noch kurz über diese Frage. Es wird aber die Erledigung der Sache, als hier zu weit führend, abgeschnitten. 25. W.K. J. Gutberlet aus Fulda. gibt Mittheilungen „über vulkanoidische Gesteine und erratische Trümmer.“ M. H. Ein Vortrag hier lag nicht in ıneiner Absicht; ich wurde zu demselben von einigen der geehrten Anwesenden veranlasst, als ich diesen einige für das hiesige Museum bestimmte Handstücke aus den ältern Vulkangebilden der Rhön vorlegte; ich bitte desshalb zuvor um Ihre gütige Nachsicht. Mein Wolinort Fulda liess mir für geologische Studien wenig Wahl und ich richtete daher meine Beobachtungen hauptsächlich auf die Vulkanoide des genannten Gebirges. In frühern Mittheilungen in dem Jahrb. v. Leonhard und Bronn und in einem Vortrage auf der Versammlung der Natur- forscher zu Aachen im Herbste 1847 habe ich die auf der Rhön beobachteten Altersfolgen der vulka- noidischen Gesteine besprochen. Sie sind folgende: 1) Die älteste Periode des Phonolithes I, des eigentlichen Klingsteines. 2) Die Periode des ältern-Basaltes oder des Basaltes I, auch Hornblendebasalt genannt, weil er sehr oft durch porphyrartig ausgesonderte Hornblende einen sehr ausgezeichneten Charakter erhält. 3) Die Periode des sogenannten jüngern Phonolithes, des Phonolithes II, oder des trachy- tischen Phonolithes, dem nach hoher Wahrscheinlichkeit die meisten Trachyte angehören. Einzelne Glieder, wenn nicht alle, scheinen sich den Andesiten dureh Oligoklas anzuschliessen, welcher von Professor G. Rose u. a. in der Grundmasse der Trachyte am Drachenfels aufgefunden wurde. 160 4) Die Periode des jüngeren Basaltes, von welchem sich bereits jetzt schon eine ältere und eine jüngere Reihe wieder unterscheiden lässt. Diesen vier Perioden schliessen sich nach allem Scheine, aus Gründen, welche ich hier nicht entwickeln kann, noch folgende an: Eine Periode des Dolerites und Anamesites, eine Periode der Nephelingesteine und die noch ge- genwärtig in ihrer Entwickelung begriffene und fortdauernde Periode der Leucitgesteine. Die mit den vier ältern Gruppen in Verbindung stehende Gebirgserhebung und Schichtenstellung schilderte ich an dem angeführten Ort schon im Allgemeinen; seit jener Zeit habe ich vier. Erhe- bungslinien der erwähnten vulkanoidischen Gesteine aufgefunden, von welchen die wichtigste diejenige ist, deren nördlicher Theil dem Laufe der Ulster folgt, der südliche aber sich‘ unter massenhaftent- wickeltem Basalte verliert. Die zweite ist der vorigen parallel und 3—4 Stunden westlich von ihr entfernt, sie ist durch die trachytischen Ausbrüche bezeichnet. Eine dritte fällt in die Längenachse des Süsswasserbeckens, welches sich vor den vulkanoidischen Ausbrüchen aus der Gegend von Bi- schofsheim bis nordwärts von Kaltennordheim erstreckte, sie ist wenig kenntlich, da die Basalte das ganze bezeichnete Terrain bedeckten. Die vierte wird durch den bunten Sandstein am Sommerberge bei Ostheim durch die unmittelbar östlich an Fladungen vorüberstreichenden Hohenzüge von buntem Sandstein und durch die isolirt auftauchenden Verbreitungen beider Gebilde bei Erbenhausen und Kaltennordheim scharf bezeichnet. Hier und da z. B. am Sommerberge wurde der Sandstein durch den Muschelkalk hindurch empor geschoben, während letzterer ein tieferes Niveau beibehielt. (Taf. I, Fig. 2.) Ehe ich zu dem Hauptmoment meiner Untersuchungen zu den Einschlüssen in den vulkanoidi- schen Gesteinen und den damit in Verbindung stehenden geologischen Phänomenen übergehe, erlaube ich mir an den Vortrag des Desor in der gestrigen Sitzung über die erratischen Erscheinungen in Nordamerika anknüpfend, von wandernden Blöcken aus den Gesteinen der erwähnten Erhebungszeiten zu reden, welche das Phänomen der Findlinge zum Theil und eben das von Desor erwähnte erklä- ren dürfte. Desor sprach entschieden die Ansicht aus, dass die nordamerikanischen erratischen Massen nicht durch Gletscher transloeirt sein könnten, enthielt sich aber jeder Angabe einer erklären- den Ursache. Dieser Gegenstand hat mich viel beschäftigt, und es sei mir daher vergönnt, meine Ansicht über ihn hier auszusprechen, da einer weiteren Ausführung seither die Verhältnisse entgegen treten. Ich glaube sämmtliche erratische Erscheinungen auf ihren Ursprung zurückgeführt zu haben, aber längst musste ich die herrschende Ansicht aufgeben , alle diese Erscheinungen aus einer Ursache ableiten zu können. Von vornherein unterscheide ich drei Arten von 'erratischen Trümmern nach der Art ihres Transportes. Zu der ersten Art von Findlingen rechne ich die durch Eis translocirten, de- ren ursprüngliches Vehikel Gletscher sind, welche im Binnenlande auf dem Hochgebirge an ihrem unteren Rande abschmelzen und die bekannten Gletscherwälle bilden, in den aretischen Regionen aber von dem Festland gegen das Meer vortreibend, wie bekannt oft in das Meer stürzen und in diesem als schwimmende Eisberge ihren Inhalt als Felsgetrimmer wärmern Breiten zuführen. Doch dieser so oft besprochene Gegenstand bedarf keiner weiteren Erwähnung. Die zweite Art der Fortbewegung von Findlingen ist eine allmählige, wenig in die Augen fallende, ich gehe bei ihrer Schilderung von den Thatsachen im Kreise meiner Erfahrung aus, welche mich allmählig zu einer allgemeinen Auffassung der erratischen Massen führten. Es gehen in der Rhön von hochgelegenen Phonolith- und Basaltmassen massive Trümmerströüme weit in die Thäler hinab und hier 161 sogar über söhlige Flächen hinweg. Der Phonolith zeigt dieses sehr ausgezeichnet an der westlichen Seite des Abtsrödergebirges und an der Nordostseite der Milsenburg. Besonders an letzterem Orte liegen auf den von den Felsarten des bunten Sandsteines und des Röthes gebildeten schiefen Ebenen des Terrains die Phonolithtafeln flach auf, die grössern Begrenzungsflächen mit jenen parallel, ohne in den widerstandleistenden Boden einzusinken. Die in dem letzteren enthaltenen, gerundeten Theile, zumal die Kieselkörner bilden ein System von vielen kleinen Rollkugeln, auf welchen die Blöcke für den Augenblick nicht wahrnehmbare Bewegungen abwärts machen, nach Jahrtausenden aber grosse Strecken durchwandern, indem das den Boden durchseihende Wasser chemisch auflössend oder me- chanisch wegführend, die Oberfläche unterwaschend, für Momente den Schwerpunkten die Unter® stützung raubt und so eine allgemeine nach unten gehende Bewegung über den ganzen Mantel einer Berggestalt hinweg veranlasst, wie jede nicht aus Fels bestehende und nicht von Rasen bedeckte Bo- denfläche, jeder Hohlweg an den sanftesten Abhängen im Frühjahr. und nach jedem anhaltenden Regen besonders auflallend beweiset. Dabei bewirkt die aus der anziehenden Kraft der Erde und dem Stosse der‘ abwärtstreibenden Erdtheile hervorgehende resultirende Kraft auf der selbst im san- digsten Boden jedem Einsinken widerstandleistenden geneigten Terrainebene hebend auch .die Blöcke, und diese erhalten sich auf der Oberfläche in ähnlicher Weise, wie grössere Körper beim Frucht> und Samenreinigen oder beim Waschen der Erze und des Goldes an der Oberfläche erscheinen. Dieses Phänomen beobachtet man noch auffallender, wenn, wie oben angegeben, oder in den Rinnbetten von Flüssen ein solcher rollender Untergrund von dem eindringenden Wasser einen Theil der leichter Beweglichkeit dieses Körpers erhält, und es erklärt sich hieraus die Erscheinung, dass selbst in we- nig geneigten Flussbetten sandige und schlammige Stellen bei grösseren Fluthen mit den grössten Geschiebblöcken bedeckt werden u. s. w. Es bilden sich Drehpunkte, um welche der bewegliche Boden und die so leicht verschiebbare Umgebung, die Last, Felsstücke und Geschiebe drehet, (zuwei- len in Oscillationen versetzt, bei Geschieben mit Löchern), nach einer ähnlichen Wirkung, wie die Wasser in Dünen, an Hafendämmen und im Petersburger Pflaster Hebungen veranlassen, in welchen Fällen freilich auch meist noch der hydrostatische Druck hinzukommt. Hier dürfte wohl kein Ein- drücken einzelner Massen in den Grund vorkommen, was nicht zu verwechseln ist mit Ueberschüt- tungen derselben durch Geröll-, Sand- oder Schlammbänke, sondern hat ein Streben nach oben oder ein Schweben gewissermassen über der Bodenfläche statt. Viel grossartiger tritt die Bewegung der Basalltrümmergrenze auf der östlichen Seite der Rhön hervor, im Thale von Fladungen, Stetten, Oberelzbach u. s. w.; dort sind in Thon eingehüllte Ba- salte weit über den fast horizontalen durch Muschelkalk und Röth gebildeten Grund im Sinne der Wasserläufe fortgetrieben. Weit bedeutungsvoller werden diese bewegenden Kräfte auf dem Meeresgrunde, besonders an jähen, steil in das Meer abböschenden Küsten, in ganz ähnlicher Weise dürften die grosse Felstrüm- mer auf dem geneigten Meereserund gegen die Tiefe und im horizontalen Sinne leicht und auf weite Strecken vorrücken. Alle Schwierigkeiten in der Erklärung des Phänomens verschwinden, wenn man bedenkt, dass schon eine geringe Geschwindigkeit der gegen den Meeresgrund gerichteten Strö- mungen das grössere specifische Gewicht der Gesteine, welches im Ganzen 3 selten übersteigt, gänz- lich aufheben kann. Auf diese Weise können z. B. Felstrümmer von der Küste des Biskay’schen Meer- busens bis in die Tiefe der bis heute noch nicht ergründeten Wasser gelangen. Kommt zu diesen 21 162 und andern hier übergangenen Ursachen noch eine von der Küste gegen das Meer vorrückende Er- hebung des Meeresgrundes, so entstehen wiederholt neue stark abböschende schiefe Ebenen und die zeitweilig zur Ruhe gelangten Blöcke müssen von neuem tiefer und seitwärts wandern. Die schönen Beobachtungen Darvins in Patagonien finden hierin ihre volle Erklärung; auch dürften manche Stel- len der englischen Küste vielen Aufschluss gewähren, über Abwärtsgleiten von Felsgetrümmer in das Meer. In analoger Weise ist eine Verschiebung erratischer Massen von dem Centralpunkt der Alpen- erhebung aus nach allen Richtungen hin denkbar, vorzüglich gegen Norden und südwärts; wozu die in und auf den Geröllmeeren zwischen den Berner Alpen und dem Jura, zumal in der Gegend von Solothurn schwimmenden Blöcke die Belege nach grossem Maasse geben, in jener geologischen Zeit als der Schweizerboden nur in wenigen Gegenden den Meeresspiegel überragte, und ehe noch die Hochgebirge aufwärts in die Eisfläche der Atmosphäre versetzt waren, indem die Erhebung des alpi- nen Terrains gewiss allmählig geschah. Das über den Meeresspiegel erhabene Gerölle war von diesem Zeitpunkt an der obengedachten Bewegung durch Landgewässer und der gleitenden Bodendecke unterworfen. In welchem Maasse die- ses statt gefunden haben kann, beweisen die schönen Beobachtungen Desor's. Wie weit solche Wirkungen in urweltlichen, wenig entwickelten Stromgebieten denkbar sind, dafür bietet der Gang der Ueberschwemmungen des Mississipisystems Anhalt. Eine dritte Ursache hat nach vieler Wahrscheinlichkeit eine Art Pseudofindlinge geschaffen. Auf der Rhön werden an einzelnen Stellen Phonolithblöcke auf schmalen Spalten durch die Sedimente gekeilt und erscheinen nach Wegführung der zuweilen spärlich aufgetauchten Reibungstrümmer und vorgeschrittener Verwitterung der sedimentären Umgebung als Findlinge; zufällige Feld- und Strassen- aufräumungen liessen jedoch erkennen, dass sie entweder durch später aufsteigende Phonolithe oder Basalte in den Sandstein und Muschelkalk geschoben wurden. In ähnlicher Weise können plutonische Gesteine in Gegenden der Schweiz und des südlichen Frankreichs durch vulkanoidische Gesteine, welche so oft die Atmosphäre nicht erreichen, die Sedi- mentdecke gehoben haben. Die in kubischem Sinne erfolgende Abwitterung erklärt die scheinbar ur- sprünglich scharfen Kanten. Der Inhalt dieses Gegenstandes hat mich gegen meinen Willen von dem ursprünslichen Thema weit abgelenkt, das herannahende Ende der Sitzung nöthigt mich nur kurz einige Punkte desselben zu berühren. Nämlich das Vorkommen des glasigen Feldspathes der Rhön in Basalten und Trachyten beweiset, dass ein Theil derselben seinen Ursprung in Phonolithbruchstücken hat; die merkwürdige- ren geologischen Beziehungen der Olivineinschlüsse muss ich nach nun abgelaufener Zeit ganz uner- örtert lassen. 26. Dr. Herm. von Meyer legt eine Abhandlung von Vie. Thiolliere in Lyon und ihm selbst über die Wirbelthier-Versteinerungen des neuentdeckten lithographischen Schiefers von Cirin in Frank- reich vor, welcher in jeder Beziehung grosse Uebereinstimmung mit dem lithographischen Schiefer von Sohlenhofen in Bayern besitzt. Er bemerkt dabei, dass er unter den kürzlich in diesem Schie- fer zu Cirin aufgefundenen Reptilien die für Frankreich ersten Ueberreste von Pterodactylus gefun- den habe. Er erbietet sich ferner in der Pause eine Reihe von ihm angefertigter Zeichnungen über fossile Wirbelthiere zu erläutern. 165 97. Dr. Jordan aus Saarbrücken zeigt: 1) Zinkoxyd in prachtvollen Krystallen aus der Füllung des Hochofens zu Fischbacher Schmelze bei Saarbrücken; 2) Antimonoxyd (natürliches) von Jensa in der Gegend von Constantine in zwei krystallogra- phisch verschiedenen Species, von denen die eine nur mit der bekannten Antimonblüthe übereinstimmt, die andere in Octa@dern krystallisirt und ein ausgezeichnet schönes Mineral darstellt; 3) einen Rothkupfererzkrystall von Chessy, dessen eine Hälfte nur von Dodekaederflächen,, die andere von vorherrschenden: Octa&derflächen und nur angedeuteten dodekaedrischen begrenzt wird ; 4) haarförmiges Schwefeleisen aus dem Saarbrücker Kohlengebirge; 5) die von Bromeis untersuchte und unter dem Namen Osteolith in den Annalen der Chemie und Pharmacie beschriebene, amorphe, phosphorsaure Kalkerde. 28. Professor Forchhammer aus Kiel erbittet sich, damit in der geologisch-geographischen Section die Geographie nicht ganz leer ausgehe, die Aufmerksamkeit der Versammlung auf einige Minuten. Er wünsche einen Vorschlag zu machen zur Entwerfung einer neuen Art Land- charten. Die Chartographie sei in neuerer Zeit ausserordentlich vervollkommnet. Doch sei nicht zu verkennen, dass die Jahreszeit, in der die Ingenieure ihre Vermessungen machen und die Physionomie des vermessenen Landes zu jener Zeit einen grossen Einfluss habe auf das Bild, welches die fertige Charte von einem solchen Land enthalte. Es sei in den meisten und detaillirtesten topographischen Charten die Sommerphysionomie des Landes wiedergegeben, weil in der Regel im Sommer die Ver- messungen gemacht würden. Es sei das auch ohne Zweifel ganz richtig, theils weil diese als die dauerndere und mehr normale zu betrachten sei, theils weil ein Kundiger mit einiger Phantasie sich wenigstens im Allgemeinen nach einer guten Sommer-Charte auch die Winterphysionomie des Landes werde construiren können. Jndessen werde doch eine solche Construirung nach der Phantasie ihre srosse Beschränkung haben und der geographischen und topographischen Nachhülfe bedürfen. Als Beispiel lege er hier die von ihm nach den Vermessungen seines Reisegefährten Spratt, Lieutenants in der englischen Marine, herausgegebene Charte der Ebene von Troia vor. Dieselbe. sei aufgenom- men im Sommer. Allein es seien in derselben alle kleinen Bette und Vertiefungen, welche sich das Wasser der winterlichen Ueberfluthungen seit undenklichen Zeiten bald tief im Boden ausgehöhlt, bald in breiten Flächen nur leise in den Boden eingedrückt habe, angegeben. Weil es aber nicht möglich ist, die wechselnden Physiognomien zumal eines im Laufe des Jahres so grossen Veränderun- gen unterworfenen Landes auf Einem Blatt darzustellen, sei eine Beschreibung der Charte beigegeben, welche die höchst eigenthümliche Physis jenes Ländchens darstelle. Wenn man sich vergegenwärtige, dass an der flachen Küste der Ebene, an dem Ausfluss des Simonis, jener gewaltige Strom, der Hellespont, in’s Mittelmeer mündet, der im Grunde nichts anderes sei, als ein mächtiger Fluss, der alle Flüsse und Bäche, die sich in’s Assow’sche, Schwarze und Marmormeer ergiessen, in sich ver- einigt, dass ferner derselbe Südwind, welcher die Wolken um den Ida sammelt, und ungeheure Regenmassen über das Stromgebiet des Simonis ausgiesst, dass dieser selbe Wind das Aegäische Meer gegen die Mündung des Hellespont aufthürmt und die reissende Strömung desselben über die Ebene hinauftreibt, werde man sich eine Vorstellung machen können von den gewaltigen und plötz- lichen Veränderungen, denen das Aussehen jenes Ländcehens unterworfen ist. Wie es hier versucht ist, auf der Charte selbst wenigstens zum Theil die Sommer- und Winterphysivgnomie zu vereinen, 2l8 164 so liesse sich ohne Zweifel auch auf Charten von anderen Gegenden in der Beziehung noch mehr leisten. Es sei z. B. was wir den Nil nennen, im Grunde nur das kleine Nilbett. Aegypten selbst, von der libyschen bis zur arabischen Wüste, sei nichts anderes, als das grosse Nilbett, welches der Fluss zur Zeit der hohen Gewässer vollständig ausfülle, mit Ausnahme der inselartigen Höhen, auf denen die Städte und Dörfer liegen. Es würde von nicht geringem Interesse sein, eine Charte zu besitzen, welche diesen Zustand genau darstelle, hier freilich die Sommerphysionomie, denn unsere Charten von Aegypten sind Wintercharten. Er wolle jetzt zu seinem Vorschlag kommen. Es sei nämlich der, dass man ganz nach Weise der Landcharten auch submarine Landeharten mache. Von einzelnen Meeren, namentlich vom Mittelmeer besitze man so zahlreiche Vermessungen der Höhen und Tiefen, die alle auf dasselbe Niveau redueirt wären, dass es nicht schwer sein könne, darnach eine ziemlich detaillirte Land- charte des Bodens des Mittelmeeres zu entwerfen. Die englische, französische und öster- reichische Admiralitäit mache kein Geheimniss aus ihren Vermessungen. Vielleicht existirten auch Vermessungen italienischer Staaten. An vielen Orten kenne man auch die Natur des submarinen Bodens, so dass selbst geologische Verhältnisse in einer solchen Charte angegeben werden könnten. Natürlich müsste wenigstens die Küste des Meeres in eine solche Charte mit aufgenommen werden, Sie würde sich dann zugleich um so brauchbarer für Seefahrer erweisen. Denn wenn schon ein erfahrener Schiffer an der Natur des Ufers einen Gnomon habe für die muthmassliche Fortsetzung desselben unter dem Meer, so werde ihm eine solche Charte, die ein Bild des submarinen Bodens gebe, in vielen Fällen nützlicher sein, als eine genaue Angabe der einzelnen Tiefen in Zahlen. Wirkliche Schwierigkeiten scheine die Aufgabe nicht zu bieten, da es für eine vervollkommnete Chartographie vollkommen gleichgültig sei, ob Wasser oder Luft den Boden der zu entwerfenden Charte decke. Schliesslich benutzte Professor Forchhammer die Gelegenheit, um eine interessante Notiz über die Erfindung der heute so viel gebrauchten, vielleicht auch für die Wissenschaft brauchbarer zu machenden Stromcharten mit Darstellung der Ufer im Profil mitzutheilen. Es war im Jahre 1811, als die Frau von Adlerflücht aus Frankfurt die erste Charte der Art vom Rhein zwischen Bingen und Coblenz entwarf. In einem Rheinnachen liess sich Frau von Adlerflücht den Rhein hinabrudern und zeichnete während einer mehrtägigen Fahrt unter nicht geringen Beschwerlichkei- ten bei der. damals noch so unvollkommenen Beförderung, die Ufer mit ausgezeichneter Geschicklich- keit und Treue. Das Original dieser ersten Zeithnung befindet sich in den Händen des Schwieger- sohnes der Erfinderin, des Baron von Thinen-Adlerflücht in Frankfurt a.M. Der erste litho- sraphirte Abdruck erschien in der Cotta’schen Buchhandlung. Auf die Bemerkung eines Mitgliedes, dass auch schon früher auf Landcharten einzelne Gegenstände im Aufriss vorkämen, erwiderte Prof. Forchhammer: Allerdings, allein es sei von der Peutinger’schen Tafel an bis in die spätere Zeit meistens nur eine Folge und ein Beweis der Ungeschicklichkeit und daher auch die Ausführung höchst unvollkommen. Dagegen sei hier mit Bewusstsein und Absicht auf eine sehr sinnreiche Weise dem Rheinfahrer auf jedem Punkt der Reise ein vollständiges Bild dessen gegeben, was er in Wirk- lickeit vor sich sehe. Jene früheren Versuche hätten keine Nachbildung hervorgerufen. Aber seit der ersten Zeichnung der Frau von Adlerflücht gäbe es kaum einen schiffbaren Fluss in Deutschland, von dem nicht eine Profilcharte nach jenem Muster vorhanden sei. 165 29. Dr. Guido Sandberger aus Wiesbaden legt das von ihm erfundene neue Messin- strument der Section vor, mit welchem für kleinere,‘ besonders naturhistorische Gegenstände direete gehaue Verticalmessungen von Vertiefungen und Erhöhungen vorgenommen werden können, und erläutert dasselbe. Es sei geeignet, um Dicke und Abdachung aller möglichen kleineren biconcaven und biconvexen, planconeaven und planconvexen, convex-concaven Körper direct zu messen. Es habe daher dem Redner besonders bei der Conchyliometrie vielfach gedient, um Nabeltiefen und Gipfel- oder Scheitelhöhen von Schnecken, die Dieke und Abdachungsverhältnisse convex-concaver Muschelklappen und Aehnliches zu ermitteln. Die Abbildung und nähere Beschreibung des Instrumentes findet sich in Poggendorff’s Annalen der Physik. Band 85. S. 97. Taf. I. Fig. 12 A und 12 B. 30. F. 6. von Kittlitz aus Mainz: M. H. Da viele von Ihnen schon gestern während der Pause die Güte hatten, von meiner hier vorliegenden Arbeit Notiz zu nehmen, so kann ich heute um so kürzer sein und insbesondere den Versuch eines erläuternden Commentars zu den Bildern auf’s Kürzeste fassen. Die zwölf „Vegetations-Ansichten aus den Schlesischen Gebirgen‘“ sind von mir hauptsächlich darum mit möglichster Sorgfalt aufgenommen worden, weil sie uns an einige der gewiss schon äusserst selten gewordenen Stellen führen, wo noch jetzt der Charakter der ehe- maligen deutschen Urwälder wenigstens den Hauptzügen nach zu erkennen ist, da ihn sonst überall die Cultur, und zwar die, wie es scheint, in Deutschland besonders thätig betriebene Forst-Cultur, fast bis zur Unkenntlichkeit verwischt und umgeändert hat. Was die übrigen sieben radirten und ceolorirten Blätter betrifft, so gelten sie als vorläufige Proben einer beabsichtigten grössern Sammlung der Art von wenigstens 18 Nummern, mit ganz kurzem erläuterndem Texte, deren Publication unter dem Titel: „Naturscenen aus Kamtschatka“ zu den mir zunächst vorgesteckten Aufgaben gehört. Hoffentlich wird die Einreihung dieser Gegenstände unter die hier verhandelten nicht befremden können, da sie selbst von den paläontologischen Studien eigentlich nur insofern abweichen, als es eben die natürlichen Zusammenstellungen organischer Gebilde der Jetztwelt sind, mit welchen sie sich beschäftigen. Ich darf hier nicht ausführlicher auf die Bedeutung der Pflanzen-Physiognomik und der natur- wissenschaftlichen Landschaftsmalerei eingehen: besitzen wir doch darüber Schriften, wie die (zum Theil schon sehr alten) von Alex. v. Humboldt und die neueren von Schleiden, — aber ich möchte es wagen, hier einige Worte anzuknüpfen an das, was insbesondere im zweiten Theile des Kosmos mehrfach über den Beruf der neueren Landschaftsmalerei gesagt wird und bereits so viel- seitigen Anklang gefunden hat. Wenn die Malerei bisher unter dem streng methodischen Titel der Iconographie gewöhnlich nur als eine willen- und fast gedankenlose Dienerin der Naturwissenschaften betrachtet werden konnte, so haben die dort ausgesprochenen Ideen das erfreuliche Ziel, sie in diesem ihrem Berufe zu emaneipiren und ihr eine mehr oder weniger unabhängige Stellung in der Reihe jener Wissenschaften selbst zu verleihen. Sie können daher nur auf’s freudigste begrüsst werden von Leuten, die, wie ich, von jeher sich bestrebt haben, in diesem Sinne zu arbeiten. Physiognomik der Natur ist ein Studium, welches in der That nur dem Zeichner und Maler 166 mit Erfolg möglich ist, und gleichwohl seinen scharf begrenzten Platz unter den geographischen Wissenschaften in Anspruch nehmen darf. Aber man hat sich gewöhnt, gewissermassen diese Physio- snomik der Natur für eins anzusehen mit der Pflanzen-Physiognomik , welche doch selbsiredend nur einen Theil derselben ausmachen kann. Geologische Fragen sind es zunächst, von welchen das Leben und Vorkommen der Pflanzen in der Regel abhängt, und gewiss nur in einzelnen Fällen wird eine characteristische Abbildung der mit Pflanzen bedeckten Erdoberfläche möglich sein, ohne irgend- wie mit jenen Fragen in Berührung zu kommen, ohne entweder zu Tage liegende Felsen, oder Sand- strecken, oder die Formen entfernter Gebirge zeigen zu müssen. Aber es würde auch gewiss nur eine sehr unvollkommene Darstellung des auf zwei Unterlagen entwickelten organischen Lebens sein, wenn der Darsteller sich darin auf die festgewurzelten Pflan- zen beschränken wollte. Ich muss mich hier eines ‚ältern Ausspruchs von Bory St. Vincens erinnern, welcher die Schwierigkeit hervorhebt, mit denen der Naturforscher zu kämpfen hat, indem die aus ihren Tummelplätzen aufgescheuchten Thiere sich alsbald durch die Flucht unsichtbar machen, während die Pflanzen geduldig zurückbleiben. Darf nun wohl die zur Wissenschaft erhobene Physio- snomik der Natur solche Schwierigkeiten unbesiegt lassen ? Das Leben der Thiere, insofern es ausser dem Wasser stattfindet, hat das der Pflanzen eben so zur natürlichen Unterlage, wie diese selbst die unorganischen Stofle; es dient eben so wie sie zur Bezeichnung gewisser Theile der Erdoberfläche und bietet dem Auge des Beobachters die überraschendsten Scenen dar. Gewiss bedarf es keiner weitläufigen Auseinandersetzung, um die Wichtigkeit der von den Landschaftsmalern schon aus rein ästhetischen Gründen so oft angewendeten Thierstaffagen darzuthun, vorausgesetzt freilich, dass sie naturhistorisch richtig aufgefasst sind, und nicht etwa, wie jes allerdings nur zu oft der Fall ist, den Gesetzen der Natur förmlich Hohn sprechen. Welch’ gründliches Studium ist aber erforderlich, um Verstösse der Art gehörig vermeiden zu können? Diese zoologische Seite der naturhistorischen Landschaftsmalerei nimmt eine tiefere Bekanntschaft mit dem Leben der Thiere um so mehr in An- spruch, als der Künster alles Darzustellende der Art aus sich selbst wiedergeben muss und nicht, wie bei den stillstehenden Pflanzen, sich in vielen Fällen auf ein blosses Abbilden der vorhandenen Gegenstände beschränken kann. Das Auge des Naturforschers im strengsten Sinne des Wortes muss also ganz besonders derjenige anwenden, der in seinen malerischen Beiträgen zur Physiognomik der Natur die oft so grossartigen Scenen des Thierlebens würdig hervorheben will, es darf aber im Allgemeinen keinem fehlen, dem es irgendwie um dergleichen Beiträge zu thun ist. Eine Hauptaufgabe wird dabei stets für ihn sein, seine Arbeiten mit kritischer Strenge auf wirk- liche Naturgegenstände zu beschränken; nur so verbleibt er in den gerade hier so leicht überschreit- baren Grenzen der Wissenschaft. Je weiter sich von Tage zu Tage die menschliche Cultur über den Erdboden verbreitet und so das ihm von der Natur selbst angeleste Gewand umändert, um so wür- diger erscheint offenbar das Bestreben, dasselbe mit Sorefalt zu studieren und der Nachwelt im Bilde aufzubewahren. Soll das aber in dem nöthigen Zusammenhange möglich sein, so versteht sich von selbst, dass fremdartige Elemente durchaus fern zu halten sind. Das Leben der Menschen gehört aur insofern mit in diese Studien, als es in unmittelbarer Berührung mit der noch unveränderten Natur steht; und es kann nicht schwer halten, die Grenzen in dieser Hinsicht wahrzunehmen. 167 31. Bergrath Franz von Hauer aus Wien legte 24 lithographirte Tafeln und die ersten Bogen des Textes des Werkes: ,‚Die Gasteropoden der Gosaugebilde von Dr. Fr. Zekeli“ zur Ansicht vor und bemerkte , dass dasselbe in wenigen Wochen in dem ersten Bande der „Abhandlungen der k. k. geologischen Reichsanstalt‘‘ erscheinen werde. Nahe an 200 verschiedene Arten Gasteropoden hat der Verfasser unter den Fossilien des Gosau- thales selbst und der übrigen Lokalitäten in den österreichischen Alpen, an welchen sich Schichten der sogenannten Gosauformation vorfinden, unterschieden. Nur 24 derselben sind von anderen Lo- kalitäten ausser den Alpen bekannt, und von diesen gehören 2: dem Gault, 12 dem D’Orbigny’schen Etage turonien und 10 dem Etage Senonien an. Alle übrigen sind den Gosaugebilden eigenthümlich. Unter ihnen finden sich neben den Formen, welche im Allgemeinen die Kreide bezeichnen, Nerinea, Actaeonella, Rostellaria, Pterocera, auch solche, die in ihrem Habitus lebhaft an Tertiärarten erinnern, so wurden einzelne Arten der Geschlechter Tritonium, Cypraea, Ovula, Marginella, dann sehr viele Cerithien, die mit solchen aus jüngeren Bildungen Aehnliehkeit besitzen, aufgefunden. Eine genaue Vergleichung hat übrigens dargethan, dass sich diese Aehnlichkeit auch nicht ‘bei einer Art bis zur wirklichen Gleichheit steigert, so dass von einem Uebergehen der Kreidegebilde in das Tertiäre bei den Gosaugebilden keine Rede sein kann. Als ein auffallender Charakter muss es bezeichnet, werden, dass über die Hälfte der Cerithienarten mit dicken Schwielen auf einzelnen Umgängen ver- sehen sind und dass sich beinahe alle durch reiche Verzierungen der Schale auszeichnen. Eine Reihe von Formen, die man früher ebenfalls den Cerithien zuzählte, und als deren Typus etwa das €. conicum Sow. betrachtet werden kann, vereinigt Dr. Zekeli zu dem neuen Geschlechte Omphalia. Es unterscheidet sich durch einen deutlich ausgesprochenen Nabel, dann durch eine Spalte an der Lippe, ähnlich jener der Pleurotomarien, Murchisonien u. s. w. und kann als besonders be- zeichnend für die Gosaugebilde betrachtet werden. 32. Karl Rössler aus Hanau lest von ihm in der Zechsteinformation der Wetterau aufgefun- dene Versteinerungen vor und erläutert sie kurz. 33. Bergrath von Hauer fügt über diesen Gegenstand im Auftrage des Prof. Dr. Geinitz zu Dresden noch eine Specialnotiz bei, worin dieser die Benennungen der bis jetzt aus der Wetterau durch Rössler ihm mitgetheilten Arten angiebt. 34. Dr. Constantin von Ettingshausen aus Wien sprach über die Steinkohlenpflan- zen von Stradonitz bei Beraun in Böhmen. Die fossile Flora dieser Lokalität zeichnet sich durch die Mannigfaltigkeit der Filices aus, deren Arten fast durchaus in beträchtlicher Individuenzahl vertreten erscheinen. Interessant sind die hier vorkommenden neuen Formen von Asplenites, welche an manche Aspleniumarten der tropischen Inselfloren, namentlich der Koralleninseln der Südsee erinnern. Annularien und Sphenophyllen fehlen dieser Flora keineswegs; erstere gehören hier sogar zu den häufigeren Pflanzenformen. Bemerkenswerth ist ferner das Vorkommen einer Meeresalge, einer neuen Chondritesart, die dem Chondrites antiquus Sternb. aus der Uebergangsformation analog ist. Ganz vorzüglich aber charakterisirt diese Flora eine eigenthümliche, dem Habitus nach mehr den Palmen oder den Pandaneen, dem Stammbau nach jedoch den Lycopodiaceen und Lepidodendreen näher verwandte Pflanze, welche sich in besonderer Häufigkeit vorfindet, nämlich Cordaites borassifolia Ung. Bei dem Vorwiegen der Filices vermissen wir in dieser Flora die Lepidodendreen, Sigillarien 168 und Stigmarien, also die eigentlichen Kohlenbildner. Die Calamiten sehen wir nur in einer einzigen Art vertreten. Es scheinen sonach, wie Dr. v. Ettingshausen auch an mehreren anderen Loka- litäten der böhmischen Steinkohlenformation beobachtete, die Filices und die genannten Kohlenbildner sich gegenseitig auszuschliessen oder wenigstens zu verdrängen; und es müssen wohl verschiedene lokale Vegetationsbedingungen dieser Entscheidung zu Grunde liegen. Ferner sprach Dr. v. Ettingshausen über das Vorkommen Wealdenformation in Oesterreich. In der Umgebung von Krems in Unterösterreich ist schon seit Langem ein muldenförmig und voll- kommen isolirt auftretendes Sandstein- und Schiefergebilde bekannt, welches man nach seinen petro- graphischen Charakteren der Formation des alten rothen Sandsteins zuweisen zu müssen glaubte. Die Sandsteine sind von lichterer, mehr grauer oder röthlich-grünlicher Farbe und wechsellagern mit dunkelgrauen bis schwarzen, leicht spaltbaren Schiefern. Von Versteinerungen war keine Spur auf- zufinden. Erst durch die sehr fleissigen und genauen Untersuchungen und Aufnahmen, welche Berg- rath Czjzek für diese Theile Unterösterreichs einleitete, wurde ein Vorkommen von Pflanzenfossilien in den eben erwähnten Schiefern entdeckt. Die Untersuchung derselben, welche Dr. v. Ettings- hausen vornahm, ergab die entschiedene Uebereinstimmung derselben mit den Pflanzenformen der norddeutschen- Wealdenschichten. Bemerkenswerth ist, dass eine Reihe von Lokalitäten in Mähren und Schlesien hauptsächlich durch die Forschungen von Hohenegger in Teschen aufgefunden wurde, welche sämmtlich Pflanzenreste der Wealdenformation enthalten. An einigen dieser Lokalitäten finden sich mit den Pflanzenresten, die aber im Ganzen ziemlich selten sind, Thierreste, welche den Neo- comien bezeichnen, als: Scaphites Jvanii D’Orb., Ptychoceras Puzosianum D’Orb., Ammonites recti- costatus D’Orb., Ammonites Astierianus D’Orb. Durch diese Thatsache ist die nahe gegenseitige Beziehung der Wealdenformation zu den Bildun- gen des Neocomien mit Bestimmtheit ausgesprochen und es kann kaum einem Zweifel mehr unter- liegen, dass die Erstere die Land- und Süsswasserbildung, die Letztere die Meeresablagerungen ein und derselben Epoche umfasst. v. Ettingshausen hat die sich hierauf beziehenden Thatsachen in einer eigenen Schrift, welche unter dem Titel „Beitrag zur näheren Kenntniss der Flora der Wealdenperiode“ in dem ersten Bande der Abhandlungen der k. k. geologischen Reichsanstalt erscheint, festgestellt. Ferner legte v. Ettingshausen einige seiner Arbeiten über die Pflanzenfossilien der Kreide- und die Liasformation Oesterreichs, und zum Schlusse die Tafeln zu dem nun baldigst erscheinenden zweiten Hefte seiner „‚Tertiärfloreh der österreichischen Monarchie“, welches die fossile Flora von Häring in Tyrol (mit 30 lithographirten Tafeln) enthält, vor. 35. Friedr. Voltz aus Mainz zeigt einige interessante Mineralien von Auerbach an der Berg- strasse vor. 169 Vierte Sitzung. Freitag, den’ 24. September. Präsidenten: Sectionsraih Haidinger und Dr. Hermann von Meyer. 436. Dr. Fridolin Sandberger aus Wiesbaden legt einige ‘Arbeiten des mittelrheinischen geologischen Vereins vor, dessen Gründung er im Auftrage des Ausschusses. desselben bereits in der ersten Öffentlichen Sitzung angezeigt und seinen Zweck im Allgemeinen bezeichnet hatte. Beide Arbeiten sind vom Salineninspector Ludwig zu Nauheim, Ausschussmitglied für das Kurfürstenthum Hessen.. Die eine Karte mit kurzen Erläuterungen umfasst die Gegend zwischen Fulda, Frankfurt am Main und Hammelburg. Mit Ausnahme der Jura- und Kreide-Formation ‚sind alle übrigen auf derselben, zum Theil durch eine grosse Zahl verschiedener, mit Farben bezeichneter Schichten vertreten, der Farbendruck sauber und klar und die ganze Arbeit ein werthvoller Beitrag zur Kenntniss dieses Landstrichs. Die zweite vorgelegte Karte ist die ganz detailirt ausgeführte geognostische Bearbeitung der Section Friedberg der grossh. hessischen Generalstabskarte. In gleicher Weise liegen bereits vor die Sectionen: Allendorf a. d. Lumda, Büdingen-Gelnhausen, Hünfeld , ; Schlüchtern, Weilburg, Brückenau , Giessen, Wiesbaden-Castel , Schotten, Höchst, Fulda-Gersfeld , Hanau-Offenbach , Fauerbach-Usingen , Bieber, , Lohrhaupten, Bingen, Mainz, Wimpfen, sowie ein grosser Theil von Kurhessen, als Ergebniss langjähriger Untersuchungen des Oberbergraths Schwarzenberg. Der Ausschuss besteht aus: Hauptmann Becker und Obersteuerrath Ewald zu Darmstadt, Salineninspector Ludwig zu Nauheim, Herm. v. Meyer zu Frankfurt und F. Sandberger zu Wiesbaden. Die Sammlungen des Vereins werden vorläufig zu Darmstadt aufbewahrt, wo auch die Geschäftsführung ihren Sitz hat. Mit besonderem Danke hat der Verein die ihm von der landgräflich hessischen Regierungen und mehreren Privaten gewordene Geldunterstützung und das schöne Geschenk anzuerkennen, welches ihm Sectionsrath Haidinger in der zweiten öffentlichen Sitzung mit den sämmtiichen Veröffentlichungen der Freunde der, Naturwissenschaften und der k. k. geologischen Reichsanstalt zu Wien gemacht hat. Zum Schlusse vertheilt der Vortragende eine Anzahl Abdrücke der Protokolle der seitherigen Versammlungen des Vereins zu Frankfurt und Friedberg, 37. W. K. J. Gutberlet aus Fulda macht die Mittheilung, dass das Verbot des Verkaufs der kurhessischen Generalstabskarte aufgehoben und solche jetzt im Buchhandel zu haben sei, 38. Dr. Fridolin Sandberger aus Wiesbaden legt eine Reihe interessanter nassauischer Mineralien und krystallisirter Hüttenproducte vor und erläutert dieselben. Es sind folgende: Antimon- nickel (Ni Sb), krystallisirt in Höhlungen des Bleisteins zu Ems und Holzappel, Augit in sehr deut- lichen Krystallen, Schlacke des Flammofens der englichen Kupfer-Bergbaugesellschaft zu Nanzenbach bei Dillenburg, Eisenchrysolith, Frischschlacke von Nisterthal bei Hachenburg, zum Theil noch mit 22 170 der ursprünglichen gelbgrünen Farbe und’ ungemein scharfer Ausbildung der Krystalle; ferner von natürlichen Mineralien: Bleilasur (Linarit) und Smaragdochaleit als ganz neue Bildungen in oberer Teufe von Ems und Braubach, antimonsaures Bleioxyd von Oberlahnstein und Holzappel, über zollgrosse Krystalle von Pyromorphit von Ems und schwefelgelbe und weisse Varietäten dessel- ben Minerals von Dernbach bei Montabaur, endlich Carminspath und ausgezeichnete Bournonitkrystalle von Horhausen. Als besonders merkwürdig hebt derselbe das Vorkommen regelmässiger Verwachsungen von Augit und Hornblende im Basalt von Härtlingen und eine neue Combination des Manganspath’s (spitzes Rhombo@der und Endfläche) von Oberneisen bei Diez hervor. 39. Derselbe lässt eine von Berggeschworenen Grandjean zu Marienberg entworfene geognostische Karte von Nassau eireuliren. 40. Demselben war ausserdem von Professor Dumont zu Lüttich nachfolgende Note zur Vor- lage übergeben worden. Wegen Kürze der Zeit konnte sie nicht mehr zum Vortrage kommen. Note sur l’emploi des caraeteres geometriques r&esultant de mouvements lents du sol, pour €tablir le synchronisme des formations geologiques. Diverses methodes sont employees pour etablir le synchronisme des masses minerales formees sur des points plus ou moins @loignes de la surface du globe. Parmi ces methodes, la seule qui soit rigoureuse est l’observation de la continuit€ des couches d’un point & l’autre; mais comme ceite observation n’est pas possible lorsque les couches sont interrompues d’une maniere quelconque, on cherche ä y suppleer par les caracteres geometriques, mineralogiques ou paleontologiques qu’elles presentent dans les differentes parties que l’on compare. Les caracteres geometriques, surtout ceux qui consistent dans les dispositions particulieres de terrains produites par les mouvements successifs ou simultanes que le sol a subis avant, pendant on apres la formation des couches, ont souvent une precision que n’ont pas en general les autxes earacteres. Ces mouvements ont lieu d’une maniere plus on meins lente ou brusque. Les mouvements brus- ques ont forme des chaines de montagnes et redresse fortement les couches suivant des zones d’une etendue souvent tr&s considerable. La discordance que l'on observe entre la stratification de divers syst@mes de couches zedressees annonce que le soulövement de ces systemes n’a pas eu lieu en meme temps et permet de determiner rigoureusement leur date r&lative, ce qui a conduit Mr. de Beaumont ä reconnaitre, que chaque soulevement avait eu lieu parallölement ä un grand cercle du globe, que les soulövements suecessifs avaient suivi des grands cercles differemment orientes et que, enfin, „lorsque les soulevements dont l’äge n’est pas identique affectent des direetions semblables ou peu diffe- rentes, ils ont lieu ä des p&eriodes g&eologiqwes tr&s-Eloignees.“ D’apres cette theorie du celebre geologiste frangais, on pourra done reconnaitre, par la direc- tion des couches, si leur soul&vement sur des points &loignes a eu lieu ou non aA la meme Epoque. Lorsque les ‚couches presenteront une direction parallele A un meme grand cercle de la sphere, la probabilite, que leur soulevement a eu lieu en meme temps, sera tres-grande, et cette probabilite 171 augmentera d’autant plus que ces couches seront plus. pres d’etre. dans le prolongement les unes des autres; lorsque, au contraire, les couches que l’on comparera suivront respectivement des grands cercles differents, on devra eroire que leur soulevement a eu lieu & des Epoques differentes. Mr. de Beaumont ayant maintenant reconnu 22 soulevements brusques successifs, on a, dans le temps Ecoule depuis l’origine des depöts Neptuniens jusqu’ä l’Epoque actuelle, 22 dates relatives fixes limitant autant de periodes pendant chacune desquelles seront formes des depöts contemporains sur divers points du globe. Les soulevements brusques ont donc laisse dans les masses minerales, des caracteres qui permet- tent de synchroniser les parties des soulevements observes sur des points eloignes et par consequent, les depöts qui se sont formes pendant les periodes intermediaires; mais ces caracteres ne nous donnent que des limites ou des points de repere dans la serie, des temps et dans la serie generale des formations, sans nous fournir les.moyens de soudiviser le temps compris entre deux r@volutions suc- cessives et de synchroniser les diverses parties des depöts formes dans lintervalle de ces r&volutions. Les mouvements plus ou moins lents qui ont eu lieu.& toutes les epoques geologiques d’une ma- niere pour ainsi dire continue et en divers sens, ont, au contraire, produit dans la disposition des roches des partieularites, qui permettent d’apprecier toutes les phases de ces mouvements et l’ordre sui- vant lequel ils se sont succede: ainsi par exemple, les abaissements du sol ont produit des deborde- ments; les mouvements ascensionnels ont determine les retraites des mers; les mouvements ‚oscilla- toires ont produit, suivant leur direction et leur amplitude, des modifications dans la disposition des depöts successifs; les changements dans la direction des mouvements ont amen€ des changements dans la direction des cötes etc. Quoique les mouvements lents ne se soient pas etendus sur des espaces aussi considerables que les soulövements brusques, ils ont souvent laiss& des traces non equivoques sur des longueurs de plusieurs centaines de lieues. Or, lorsqu’en des localites differentes, on constate que divers mouvements lents se sont succede dans le meme .ordre, en presentant les’ memes circonstances, On peut souvent en con- clure, quils ont ete produits simultanement; que l’elevation ou l’abaissement observ& en un point correspond a l’elevation ou A-P’abaissement observe dans l’autre; que les mouvements, qui ont eu lieu d’un cöte.d’un axe d’oscillation, sont correlatifs aux mouvements ou sens inverse, qui se sontmanifestes de Fautre, et que, par consdquent, les couches, qui se sont deposees? de part et d’autre, pendant ces mouvements- simultands, sont contemporaines, ‘quelles que soient d’ailleurs les differences mineralo- giques ou paleontologiques, qu’elles peuvent presenter. J’ai constate depuis longtemps que le sol de la Belgique s’etait progressivement abaisse par rap- port au niveau de V’oc&an, pendant la formation des eouches landeniennes, et qwä dater de l’epoque ypresienne, il avait subi un double mouvement ascensionnel et de baseule, jusqu’a la fin de Yepoque tongrienne. Comme ces mouvements du sol de la Belgique ont pu s’etendre au delä des limites de ce royaume jusqu’en Aneleterre, et que nous voyons les effets de ce mouvement se reproduire dans ce der- nier pays jusque dans leurs plus petits details, on‘ doit conclure que ces mouvements sont corr&- latifs, et que, par consdquent, les depöts qui se sont formes pendant leur durde sont contemporains. Ainsi on peut dire, que le systeme landenien en Belgique et le plastic clay en Angleterre sont con- temporains, puisqwils ont Pun et Fautre et€ formes pendant un certain abaissement simultane des 22% 172 deux pays; que l’argile d’Ypres et l’argile de Londres ont commence äse former A l’epoque oü.le mouvement pr&ec&dent changea pour devenir ascensionnel etc. La methode que je signale ici fournira, si on la suit convenablement, des resultats independants des caracteres mineralogiques et paleontologiques presqu’aussi certains que ceux que l’on obtient par Vobservation de la continuit€ des couches. Je m’en suis servi ayantageusement en Aoüt 1851, pour etablir le synchronisme des formations tertiaires de la Belgique et du Nord de la France, et en Octobre de la m&me annde pour determiner celui des depöts tertiaires de l’Angleterre et de la Belgique. On trouvera des faits relatifs a cette derniere determination dans les Observations sur la con- stitution g&ologique des terrains tertiaires de P’Angleterre, compar&s ä ceux de la Belgique, que jai lus ä la seance de l’Academie Royale des sciences des lettres et des beaux arts de Belgique le 5 juin dernier. 41. E. Desor aus Neuchatel macht im Auftrag des H. L. Lesquereux Mittheilung über die Torfbildung im grossen Dismal-Swamp. j Dieser ungeheure Sumpf liegt, wie sie wissen, westlich von Norfolk und erstreckt sich von der für westlich über den ganzen Saum der sich zwischen der Fichten-Region und dem Lagunen-Rand hinzieht. Nun gehören diese Lagunen zu den sogenannten oberen Lagunen und das Meereswasser dringt niemals zu denselben, oder wenn Sie wollen, es sind Steinköhlenbecken im Embryonalzustand. Der Boden derselben besteht durchweg aus Torf und zwar so dick, dass ich es vergebens versucht habe mit einem langen Rohr durch die Torfablagerung hier durchzudringen. Der Dismal-Swamp, wie andere ähnliche Moore, wird von tiefen Kanälen durchzogen, deren Ränder ebenfalls lediglich aus Torf bestehen. Es war dies kaum anders Zu erwarten, da die ganze Vegetation eine dem Torfmoor eigenthümliche ist, bestehend wie in der Schweiz, hauptsächlich aus Sphagnum, von denen sich nebst den europäischen Arten mehrere Species vorfanden, welche diesem Continent eigenthümlich sind. Als- dann sind die Rohrarten die nächsthäufigsten. Sie wachsen überall bis zu einer Höhe von ’8—12 Fuss und stehen so dicht, dass man sich kaum anders als mit dem Beil in der Hand einen Weg durch dieselbe bahnen kann. Indess ist doch ihre Basis, so dicht sie auch stehen mögen, immer mit Sphagnum bedeckt, weiches sich in einen dichten Teppich ausbreitet, sobald auf irgend eine Weise die Rohrstauden gelichtet werden. Ausserdem fand ich eine Menge anderer Gesträuche, besonders An- dromeden, ein dichtes Gewebe von Schlingpflanzen, worunter viele dornige: Smilax, Reben; über diesel- ben ragt ein weiter Dom von hohen herrlichen Bäumen hinaus: Tulpenbäume und Magnolien 100-150 Fuss hoch, Ahorne, einige Coniferen, namentlich Juniperen und Fichten (Pinus Strobus), und am Rande des innern See’s in bedeutender Anzahl ein prächtiges Taxodium (T. distichum), ‘oder der sogenannte kahle Cypren der Amerikaner, den ich bis jetzt nirgends wo anders angetroffen habe. Der Sumpfsee, welcher 15 Meilen im Innern des Sumpfes liegt, führt einen schönen Namen für einen Botaniker (Drummond-See), aber seine Ufer sind. wo möglich noch schöner. Er hat ungefähr 6 Meilen im Umkreis und scheint ganz kreisförmig zu sein. Man kann ihm nur in Kähnen beikommen, denn sobald man sich ihm nähert, fängt das Wasser im Walde an zu steigen, oder, wenn Sie wollen, die Bäume senken sich, und man müsste von Baum zu Baum schwimmen, bevor man eine freie Aus- sicht gewinnen könnte. Ich fand Taxodien, von denen nur noch die Krone sichtbar ist, und andere, deren Stamm zur Hälfte im Wasser steckt. Einmal an den ofinen See gelangt, ist die Aus-. sicht herrlich, zwar nicht ausgezeichnet durch Mannigfaltigkeit, aber gerade die Einförmigkeit der 178 Ufer hat hier etwas 'Anziehendes, da sie mit der ganzen umgebenden Natur im Einklang steht. Die Tiefe des See’s beträgt nirgend mehr als 15 Fuss und überall ist der Boden mit umgestürzten Bäu- men bedeckt. Wo kommen dieselben her? Da ist auch nicht ein einziges Bächlein, das hineinfliesst. Auch hat er keinen anderen Ausfluss, als einen Kanal mit einer Schleusse zur Ernährung des gros- sen Kanals, der den Sumpf gegen Süden durchschneidet. Sein Niveau ist keinem Wechsel unter- worfen und doch ist es kaum zweifelhaft, dass der See sich erweitert. — Für mich hat die ganze Erscheinung nichts Ungewöhnliches. Wir haben es hier zu thun mit einem jener Lacustrinen-Tor£fbildun- gen, wie sie in den grossen Mooren von Scandinavien und Dänemark vorkommen. Wenn einmal die Decke, welche den unterirdischen See überzieht, zu schwer wird, so senkt sie sich leise und allmäh- lig, zuerst in der Mitte und dann nach und nach gegen die Ränder. Mir war die Erscheinung um so willkommener, als sie meine Ansicht über die Bildung der älteren Torf-Moore und somit auch der Kohlenablagerungen vollkommen bestätigt. Indess hatte ich auch hier mit Schwierigkeiten zu käm- pfen. Die Hitze nämlich war so gross, dass sogar mein Neger es nicht aushalten konnte. Diess als Antwort auf den Einwurf gewisser Leute, die da behaupten wollen, dass die Torf-Moore sich nicht über die kalten Zonen hinaus erstrecken, und dass die geographische Verbreitung der Kohlenbecken mit derjenigen der jetzigen Torf-Moore im Widerspruche steht. Ich behaupte dagegen, dass gerade in Nord-Amerika die geographische Uebereinstimmung zwischen den alten vegetabilischen Niederschlä- gen und den neuern Torfbildungen eine recht auffallende und von geologischem Standpunkte höchst wichtige ist. Die weitere Begründung dieses Thema’s werde ich ein andermal versuchen. 42. Professor von Klipsteims Prospecte (s. 0.) werden, seinem Wunsche gemäss, vertheilt. 43. W.K. J. Gutberlet legt Entwürfe zu einer geognostischen Karte des Rhöngebirges vor, welche Landestheile von Baiern, Kurhessen, dem Herzogthum Sachsen-Meiningen und Sachsen-Weimar umfasst. 44. Der erste Präsident, Sectionsrath Haidinger schliesst die Sitzung, worauf ihm Dr. Jor- dan aus Saarbrücken den Dank der Section für seine Geschäftsführung ausdrückt. IV. Section für Botanik, Land- und Forstwissenschaft. Die Papiere der vierten Section sind von den betreffenden Sectionssecretären nicht abgeliefert worden. Die Geschäftsführung ist daher zu ihrem Bedauern nicht in der Lage, die Verhandlungen derselben veröffentlichen zu können. — Sollte es gelingen, die Papiere während des Druckes noch zu erhalten (die bisherigen Schritte waren völlig erfolglos), so werden die betreffenden Mittheilungen am Schlusse des Berichtes gegeben werden. 174 V. Section für Zoologie, Anatomie und Physiologie. Vorbesprechung am 18. September. Nachdem Medicinalrath Dr. Müller von Wiesbaden die Section in das für sie bestimmte Local eingeführt hatte, wurde zur Wahl des Präsidenten geschritten. Dieselbe fiel auf Professor Stannius. Zu Secretären der Versammlung wurden darauf Dr. Schulz und Dr. Rullmann von Wiesbaden gewählt. Hierauf trennte sich die Section in zwei Unterabtheilungen, die eine für Zoologie, die andere für Physiologie und Anatomie, und es wurde die erste Sitzung für Physiologie ete. auf Montag den 20. September Morgens 8 Uhr; die erste für Zoologie auf 11 Uhr des nämlichen Tages anberaumt. Erste Sitzung. Samstag, den 18. September. Präsident: Professor Stannius aus Rostock. 1. Professor Dr. Eckhard aus Giessen hält einen Vortrag ,,‚über die galvanischen Leitungs- widerstände der thierischen Gewebe.“ i 2. Dr. Schimper aus Schwetzingen „‚über die, physikalischen Motive der Gesellung in der Bewegung der fliegenden Thiere.“ 3, Professor Stannius aus Rostock spricht hierauf über Nervenstructur, über die Primitiv- fasern und die Bedeutung der Achsencylinder. An der Discussion über diesen Gegenstand betheiligen sich Professor Dr. Eckhard und Dr, Leukart. Zweite Sitzung. Montag, den 20. September. Präsident: Professor Stannius. Professor Stannius eröffnete die Sitzung mit der Anzeige, dass Professor Weber aus Bonn anatomische Tafeln zur Ansicht ausgestellt habe, ferner Ulrici aus Braunschweig verschiedene ana- tomische Wachspräparate und endlich von Launitz mehrere Gypsbüsten. 4. Die Vorträge begann Dr. Stilling aus Cassel mit einer Darstellung der” feineren Structur des Rückenmarks und des Verlaufs der Nervenfasern in demselben. Derselbe zeigte an Quer- und Längsabschnitten des nach einer ihm eigenen Methode gehärteten Rückenmarks von Menschen und höheren Wirbelthieren : a) dass der Canalis spinalis durch die ganze Länge des Rückenmarks geht, und dass auch der Fortsatz des, Conus medullaris bis zu seiner Insertion hohl ist. b) Dass ein eigenthümliches Epithelium, dem Cylinder-Epithelium ähnlich, den ganzen Canalis spinalis auskleidet. Die einzelnen Cylinder dieses Epitheliums stehen sämmtlich horizontal, und mit ihren freien Enden kreisföürmig den Kanal begränzend, dergestalt, dass sie auf Querabschnitten des Rückenmarks einen vollständigen Kranz um den Canalis spinalis herum bilden. Die einzelnen Cylinder | | 175 haben eine keilförmige oder keulenförmige Gestalt, ‚ein breiteres ‚freies Ende, und laufen: in einen feinen Fortsatz aus, „welcher in die den Canalis spinalis umgebende Substantia grisea eintritt. Hier sieht man ihn oft in Verbindung. ‚mit Fortsätzen. ‚der multipolaren Nervenkörper kleinster Gattung, so, dass man annehmen ‚könnte, die Epithelialeylinder seien Fortsätze von solchen Nervenzellen, oder ständen in unmittelbarer. Verbindung ‚mit, ihnen. c) Die Substautia grisea um den Canalis spinalis-herum ist der Substantia gelatinosa vollkom- men gleich, nur. enthält sie nicht, wie: letztere, vereinzelte Nervenkörper grosser ‚Gattung. d) Vor der eben genannten grauen Substanz liegt die Commissura anterior als ein System voll- ständig sich kreuzender horizontaler Fasern, die aus derjenigen grauen Substanz entspringen, welche als Mitteltheil zwischen hinterer und vorderer srauen Substanz betrachtet werden kann. Aus‘ der rechten: Seitenhälfte des Rückenmarks geht eine Fasermasse vor dem Canalis spinalis her in den linken weissen Vorderstrang, aus der linken eine gleiche in den rechten weissen Vorderstrang. Die Durchkreuzung findet auf dem Boden der Incisura arterior statt. e) Hinter der grauen Substanz, welche ‚den Canalis ‚spinalis umgibt, liegt die Commissura pos- terior, aus parallelen horizontalen Fasern bestehend, gleichen Vorsprung ‚habend, wie die Fasern der Commissura arterior. f) In der gelatinösen Substanz kommen auch vereinzelte Nervenkörper grosser Gattung vor. g) Umbiegung von weissen Längsfasern in Querfasern der grauen ‚Substanz, und umgekehrt, fin- det ‚evident an den meisten Stellen des Rückenmarks und in allen Strängen statt. h) In den weissen Seitensträngen, zeigt sich ein starkes Netz von fast halbeirkelförmigen Quer- fasern, welche die halbmesserartig_verlaufenden ‚(so wie die weissen Längsfasern) ‚kreuzen, gleich einem Spinnengewebe. i) Alle radienartig verlaufenden Fasern der grauen Substanz in die weissen Seitenstränge biegen in Längsfasern um. 5. Edwin Lee aus London hält einen Vortrag in französischer Sprache über die Abhängigkeit des Rückenmarkes vom Gehirn bei den Mammiferen. 6. Professor Budge aus Bonn spricht über den Ursprung ‚desjenigen Theiles des sympathischen Nerven, welcher am. Halse aufwärts ‚steigt und zur Iris geht. Er bewies ‚durch Experimente, dass derselbe aus dem Rückenmarke selbst hervorgehe, und zwar von ‚dem Stücke, mit welchem das '2te und 3te Nervenpaar zusammenhängt. Er zeigt Frösche vor, an welchen blos die hinteren Wurzeln der genannten Nerven und andere, an welchen zugleich auch die vorderen Wurzeln der rechten Seite durchgeschnitten waren. An jenen war der Durchmesser der Pupille der ‚einen Seite nicht verschie- den von dem andern, an diesen hingegen war die Pupille an der verletzten Seite beträchtlich ‚enger. Da nun die vorderen Wurzeln nicht mit Ganglien versehen sind, wohl aber die hintern und da grade die letzteren ohne Einfluss ‚sich auf die Pupille zeigen, so muss man schliessen, dass die Verengerung der Pupille nicht von der Trennung der hinteren Wurzeln, also auch nicht von den Spinalganglien abhängt. — Frühere Versuche haben ausser Zweifel gesetzt, dass die Nervenbahn, auf welcher das Rücken- mark seinen Einfluss auf die Pupille ausübt, das N. sympathicus am Halse ist. — Aus den angege- benen Versuchen geht aber ‚unwiderleglich hervor, dass der betreffende N. sympathicus nicht aus den Spinalganglien, wie man vermuthen könnte, sondern aus dem Rückenmarke selbst hervorgeht. 176 Um nun zu erfahren, wie die Verengerung der Pupille nach Durchschneidung des sympathicus zu erklären sei, hatte Professor Budge bei Fröschen, die er gleichfalls vorzeigt, die beiden N. sympathici unterhalb des Gangli N. vagi durchschnitten und zugleich auf einer Seite den N. oculo- motorius. Man hätte vermuthen sollen, dass auf der rechten Seite, auf welcher beide Antagonisten des N. sympathicus und des N. oculomotorius durchschnitten waren, der Durchmesser der Pupille ganz derselbe wie im unversehrten Zustande geblieben wäre, und dass somit ein grosser Unterschied zwischen rechter und linker Pupille sich gezeigt hätte. Dem. war aber nicht so, vielmehr wa- ren beide Pupillen verengt. Allerdings schien die linke Pupille nun ein weniges enger zu sein, als die rechte, jedoch war der Unterschied sehr unbeträchtlich. — Da nun Prof. Budge fand, dass bei Fröschen nach dem Tode die Pupille sich beträchtlich verengte, so vermuthet er, dass der N. sympathicus, welcher der Erweiterung der Pupille vorsteht, ein exorbitantes Uebergewicht habe, und dadurch so lange eine Erweiternng bewirke, bis ein besonderer Reiz den N. oculomotorius treffe und die Verengerung der Pupille erzeuge. 7. Prof. Vierordt aus Tübingen theilt die Ergebnisse seiner Untersuchungen mit über die Fehlergrenzen seiner Methode der Zählung der Blutkörperchen, die ihn zugleich zu einer von Jedem leicht zu handhabenden und sichereren Technik, als die früher von ihm geübte, geführt haben. Das Volum des Blutes wird nämlich in einer kleinen Pipette bestimmt, worauf das Blut mit einem ebenfalls bekannten, viel grösseren Volum einer sehr concentrirten Lösung von arabischem Gummi durch Umrühren vermischt wird. Von diesem z.B. um mehr als das hundertfache verdünnten Blute lässt man nun in eine feine Capillare eine kleine Probe aufsteigen und bestimmt deren Volum unter dem Microscop. Der Inhalt der Capillare wird endlich auf ein Objektglas in der Art heraus- geblasen, dass man zugleich die Capillare über das Glas fortbewegt, wodurch ein feiner, sogleich festwerdender Streif sich formirt, in welchem die einzelnen Blutkörperchen mit Leichtigkeit gezählt werden können. - Zur Ermittelung der Fehlergrenzen der Methode wurden nun aus demselben verdünnten Blute zwei, drei oder vier Proben entnommen und deren Körperchen gezählt. Ein Theil der Zählungen ergab Differenzen von noch nicht 1 bis 2%,; in anderen vergleichenden Zählungen wurden Ab- weichungen bis zu 5°, erhalten und nur einmal eine Differenz von 10 %,. Die Zahl der gezählten Blutkörper belief sich in der Regel auf drei- bis achttausend. Eine solche Analyse nimmt zwei bis höchstens sechs Stunden in Anspruch. Als Mittel ergeben sich in einem Kubikmillimeter Blut 5,055,000 Körperchen. Einige Versuche scheinen dafür zu sprechen, dass während der Verdauung der procentige Körperchengehalt des Blutes etwas abnimmt. Die Resultate dieser Versuche, worüber der Versammlung eine übersichtliche Tabelle vorgelegt wird und die specielleren Cautelen der Technik werden in dem Archiv für physiologische Heilkunde veröffentlicht. Zugleich wurde ein auf einem Objectglas in obiger Weise ausgezogener Blutstreif zur mieroscopischen Betrachtung des Präparates vorgelegt. 8. Prof. Gerlach aus Erlangen spricht über die Tastkörper, über ihre Verbreitung, ihre Structur und erwähnt, dass er im Gegensatz von R. Wagner in allen Hauptpapillen Capillargefässe gefunden habe. 177 9, Dr. Jac. Moleschott aus Heidelberg spricht über die Rolle, welche Leber und Milz bei der Rückbildung spielen. Die Ergebnisse, zu welchen ihn seine Versuche geführt haben, lassen sich in folgenden Sätzen zusammenfassen : 1) Unversehrte Frösche athmen für gleiches Körpergewicht in gleicher Zeit mehr als zweimal so viel Kohlensäure aus, wie entleberte. 2) Die von entmilzten Fröschen unter gleichen Verhältnissen gelieferte Kohlensäure verhält sich zu der von unversehrten ausgehauchten wie 1: 1,39. 3) In der Leber und in der Milz wird die Rückbildung befördert. So erklärt sich die Anwesen- heit von Leucin in der Leber, von Hypoxanthin und Harnsäure in der Milz. Wenn man die Leber oder die Milz aus einem Thier entfernt, dann wird dadurch die Oxydation geschwächt, das Zerfallen der Baustoffe des Körpers verzögert. Daher Kleesäure im Muskelfleisch entleberter Frösche. 4) Obgleich unversehrte Frösche bedeutend viel weniger Kleesäure liefern, als entleberte und entmilzte, ist dennoch der Wärmegrad jener von dem der letzteren nicht verschieden. 10. Nach einer Pause eröffnete um 11 Uhr Dr. Weisse aus Petersburg die zoologische Sitzung mit einem Vortrag über die Wintereier von Brachionus urceolaris, und gab eine Darstellung seiner Beobachtungen über die Entwickelung der Euglena viridis. Ausserdem zeigte er fossile Infusorien von Uleaborg in Finnland vor. i In der darauf folgenden Discussion erwähnte‘ Professor Leuckart ähnlicher Beobachtungen, welche er selbst und Cohn gemacht haben, erklärt sich hierbei für die Ansicht, dass die Euglena vir. eine Alge sei und findet ihre Entwickelung analog der Entwickelung anderer einzelliger Algen. Dr. Moleschott erinnert an die von Gottlieb aufgefundene Thatsache, dass die Euglena einen dem Stärkmehl ähnlichen Stoff enthalte. Professor Dr. Will stimmt Professor Leuckart bei. 11. Senator von Heyden aus Frankfurt legt vier Probetafeln von einem unter der Presse be- findlichen Werke über die Orthopteren Europa’s von H. Dr. Fischer, Privatdocent an der Univer- sität Freiburg, vor. 12. Professor Lereboullet aus Strassburg hält einen Vortrag in französischer Sprache über die Anatomie der Oniscoiden. Er bemerkt, dass er an dem Ende der Organe, welche man bisher als Hoden betrachtet hat, andere unregelmässige Säcke gefunden habe, die er als die eigentlichen Hoden betrachtet. Bei den nämlichen Crustaceen fand er an der Basis der Schwanzanhänge einen Haufen kleiner Drüsen, welchen er die Absonderung der fadenziehenden Masse der Schwanzanhänge zuschreibt. Endlich zeigte Lereboullet drei Missbildungen von Hecht und Fröschen vor. 13. Professor Stannius schliesst ‘die Versammlung mit der Aufforderung zur Wahl eines Prä- sidenten für die nächste Sectionsversammlung. Die Wahl fiel auf Professor Nasse aus Marburg. Dritte Sitzung. Mittwoch, den 22. September. Präsident: Professor Nasse aus Marburg. 14. Schulrath Dr. Müller von Wiesbaden spricht über Schädelmessung und zeigt ein Instru- ment vor, welches er zu diesem Zwecke construirt hat. 23 178 15. Professor Leuckart von Giessen hält einen Vortrag über die Beziehungen zwischen Men- struatiön und Conception und findet auf statistischem Wege, durch Zusammenstellung und Vergleichung von Hochzeits- und Erstgeburtsterminen, eine neue Stütze für die Annahme, dass bei der Menstrua- tion, ünd ausschliesslich bei ihr, ein Eichen von dem Eierstock sich ablöse. Dass eine Conception nach mehreren Wochen nach Eintritt der Menses stattfinden könne, stellt derselbe in Abrede. Dagegen Zeigt er, wie ein Coitus kurz vor dem Eintritt der Menstruation immerhin befruchtend auf das nach- folgende Eichen einzuwirken im Stande sein möchte; wie diese durch manche unzweifelhafte Fälle sicher erwiesene Thatsache oftmals verkannt sei und dadurch zu manchen unbegründeten Einwürfen gegen die neuere Lehre von der Menstruation Veranlassung gegeben habe. “* 16. Dr. Jac. Moleschott schildert die Entwickelung der farbigen Blutkörperchen nach Beobach- tungen, die er bei "entleberten Fröschen angestellt hat. Bei entleberten Fröschen sind die farblosen Blutkörperchen ganz ausserordentlich vermehrt. Das Blut der verschiedensten Körpertheile enthält für je ein farbloses Körperchen im Durchschnitt zwei und ein halbmal weniger farbige Zellen, als bei unversehrten vorhanden sind. In dem Milzblut entleberter Frösche sind sogar mehr farblose, als farbige Körperchen enthalten. Auf je 1 farbiges kommen 1,6 farblose. Die Verwandlung farbloser Körperchen in farbige muss demnach mit besonderer Leichtigkeit in der Leber vor sich gehen. Daher ist Erkrankung der Leber oft Ursache von Leukaemie und Chlorose. Wenn die farblosen Zellen in farbige Blutkörperchen übergehen, spalten sich erst die einfachen grossen Kerne in zwei bis drei kleinere, die Kerne zerfallen nach und nach in Körnchen, die Körn- ehen werden fettglänzend und hämatingelb, und indem sie sich allmälig auflösen, entstehen farbige, kernlose Blutbläschen. Neben dieser Eniwickelung geht die Umwandlung der ursprünglich runden Form in die elliptische einher. Diese Formveränderung kann .vor und nach der Spaltung des Kerns erfolgen: e 17. Professor Dr. Hering von Stuttgart zeigt an einem lebenden Pferde sein Verfahren, die Schnelligkeit des Blutkreislaufs zu bestimmen: er infundirte mittelst eines mit einer schliessbaren Röhre versehenen Trichters eine Auflösung von 1 Drachme Eisenkalium-Cyanür in einer Unze Wasser in die linke Jugularvene des Pferdes, und nahm gleichzeitig aus der entgegengesetzten Jugularvene Blat- proben von 5 zu 5 Secunden. Am folgenden Tage wurde das aus den Blutproben ausgeschiedene Serum mit einem Eisensalze untersucht, wobei die der Zeit von 30-35 Secunden entsprechende Probe zuerst (so wie die folgenden) auf das Blutlungensalz reagirte. Hieran knüpfte Dr. Hering einen Vortrag, in welchem er, unter Verweisung auf seine in den Jahren 1827 und 1835 veröffent- lichten Versuche über die Schnelligkeit des Blutlaufs, die Resultate einer Reihe neuerer Versuche mittheilte, welche sich auf die Frequenz der Herzschläge, die Menge des circulirenden Blutes, dei Einfluss der Athemzüge, die Zeit des Durchgangs durch die Capillaren des grossen Kreislaufs u. s. w. beziehen und im Allgemeinen einen gewissen Grad von Unabhängigkeit des Kreislaufs an jenen Ein- flüssen beweisen. Die ausführliche Beschreibung dieser Versuche wird in dem Archiv für physiolo- gische Heilkunde von Vierordt für 1853 (erstes Heft) stattfinden. 18. Dr. Remak von Berlin spricht über den Entwickelungsplan der Wirbelthiere. Pander, Bär u. A. unterschieden bekanntlich im Keime des Hühnchens drei Blätter, ein seröses oder animales, ein Gefäss- und ein Schleimblatt. In der That sind drei Blätter nachweisbar. Doch 179 haben sie nicht die Bedeutung, welche ihnen bisher beigelegt worden. Das obere Keimblatt verdient nicht den Namen des animalen. Denn es liefert nicht sämmtliche Organe, welche man als animale zu bezeichnen pflegt. Seinen Leistungen entspricht vielmehr ‚der Name sensorielles Blatt (Sinnes- blatt). Denn von seinem Achsentheile schnürt sich das Medullarrohr, d. h. die Anlage des Rücken- marks und Gehirns ab. Aus dem letzteren wächst die Augenhlase hervor; der Stiel derselben wird zum N. opticus, die Blase selbst wird durch die von aussen eindringende Linse (Huschke) in eine doppelwandige sekundäre Augenblase umgewandelt. Die äussere Wand dieser Blase wird zur Choroidea und Stratum pigmenti, die innere zur Retina (Tunica nervea und Membrana Jacobi). Nach Abschnü- rung des Medullarrohres betheiligt sich das obere Keimblatt an der Bildung sämmtlicher Sinneswerk- zeuge. Die Linse und die Labyrinthblase schnüren sich von ihm ab; die Riechhöhlen und die Ge- schmackshöhle entstehen durch sackförmige Ausstülpungen des oberen Keimblattes. Die epitheliale Auskleidung dieser Höhlen ist ein Product dieses Blattes. Ebenso betheiligt sich dasselbe an der Bildung des Tastorganes, indem es als Hornblatt die zellige epidermidale Bedeckung desselben Jiefert. Demnächst bildet es auch bei den Vögeln die Federn, bei den Säugethieren die Haare, die Talg- und Schweissdrüsen,, die Thränen- und Brustdrüsen. In dieser letzteren Hinsicht, als drüsenbildendes Organ, kommt das obere Keimblatt mit dem unteren überein, welches als trophisches oder Nahrungsblatt, auch als Darmdrüsenblatt (Drüsenblatt) bezeichnet werden kann. Es wandelt sich nämlich in das Epithelium des Nahrungsrohres und in das zellige Parenchym der Darmanhangsdrüsen, der Leber, des Pankreas, der Nieren und in die epitheliale Auskleidung der Lungen um. Die epi- thelialen Bläschen der Schilddrüse und das Parenchym der Thymus sind Abschnürungsproducte des Drüsenblattes. — Das zwischen dem oberen und unteren Keimblatte befindliche mittlere Keimblatt nenne ich motorisches Blatt, weil es die Muskeln, sowohl die willkührlichen, wie die unwill- lichen, liefert. Der Achsentheil dieses Blattes bildet die Chorda und die Urwirbelplatten, welche in die bekannten Urwirbel zerfallen. Die letzeren wandeln sich zunächst in die sehr starken Spinal- ganglien und die Spinalnervenstämme um und bilden zunächst die Muskeln und Knochen der Wirbel- säule. Die an die Urwirbel grenzenden Seitentheile des mittleren Keimblattes (die Seitenplatten, Wolff’s Bauchplatten) spalten sich der Fläche nach; aus der Spaltung gehen die Hautplatten, die Mittel- oder Mesenterialplatten und die Darmfaserplatten hervor. Die Hauptplatien enthalten die An- lage der Unterhaut, d. h. der nerven- und gefässhaltigen Grundlage der Haut, deren galliger Ueber- zug durch das obere Keimblatt (das Hornblatt) gebildet wird. In Verbindung mit dem letzteren und mit Auswüchsen der Urwirbel (Rippenplatten) stellen sie die Bauchbrustwand und die Extremitäten dar. Die Mittelplatten sind das Muttergebilde der Geschlechtswerkzeuge und können desshalb auch Geschlechtsplatten genannt werden. Die Darmfaserplatten: bilden in Verbindung mit dem Drüsenblatte die Wand des Nahrungsrohres und zwar liefern sie sowohl die äussere Muskelschicht des Darmes, wie die muskulöse Grundlage der Schleimhaut. Von ihnen schnürt sich auch das Herz ab und in ihrem peripherischen Theile (Pander’s Gefässblatt) entstehen die ersten Gefässe. Bei beschuppten Amphibien, Säugethieren und bei Fischen zeigen die bisherigen Untersuchungen im Wesentlichen einen mit den Vögeln übereinstimmenden Entwickelungsplan. Sogar für das Ei der Batrachier,. dessen gesammter Inhalt sich in den Embryo umwandelt, ohne einen Gegensatz von Keim und Dotter zu bilden, haben sich überraschende Analogieen gezeigt. Die Nahrungshöhle entsteht nämlich dadurch, dass das Ei nach unten sich zusammenkrümmt (ähnlich wie der platte Keim des 23* 180 Vogeleies), wodurch die untere Fläche des Eies zur inneren Fläche der Nahrungshöhle wird. Gleich- zeitig lässt sich eine Spaltung des Keimes in drei Blätter, in ein sensorielles, motorisches und trophisches Blatt verfolgen. (Diese Entwickelungsstufen des Froscheies wurden durch vergrösserte Modelle erläutert.) ’ ’ 19. In einem Vortrage über die physiologischen Gründe der Verschiedenheiten in der Frucht- barkeit der Thiere ging Professor Leuckart von dem Satze aus, dass die jedesmalige Grösse der Fruchtbarkeit eben so wohl von der Menge des producirten Bildungsmateriales, als auch von den Bedürfnissen der einzelnen Formen bei der Entwickelung abhänge. Durch eine Reihe von Beobach- tungen, resp. Wägungen und Berechnungen, wiess derselbe nach, dass diese beiden Factoren in den einzelnen Thierarten die mannigfachsten Differenzen darbieten. Namentlich machte er darauf auf- merksam, dass bei verwandten Formen die kleineren Arten weit mehr Bildungsmaterial producirten, als die grösseren — auch vermöge der günstigeren mechanischen Verhältnisse bei der Bewegung mehr erübrigen könnten —, dass ferner auch die Art und Menge der Nahrung, Domestification, Le- bensweise u. s. w. auf die Grösse dieses Bildungsmaterials von Einfluss seien. Die hauptsächlichsten Verschiedenheiten in der Fruchtbarkeit aber resultiren trotzdem nicht sowohl aus der verschiedenen Menge dieses Bildungsmaterials, als vielmehr aus den Verschiedenheiten in den Bedürfnissen der Entwickelung, die sich theils nach der Organisation, theils auch nach dem Grade der Ausbildung richten , in dem die Thiere ihre Eihüllen verlassen. Nach einer Pause wird die zoologische Sitzung eröffnet. 20. Dr. Schiff von Frankfurt zeigte eine Reihe von Knochenpräparaten vor, um die Verände- rungen der Knochen nach Durchschneidung der Nerven zu erläutern. In den ersten Monaten nach der Lähmung werden die Knochen dünner, ihre Höhle verhältnissmässig weiter und die organischen Bestandtheile werden im Verhältuiss weniger aufgesogen, als die unorganischen. Der Stoffwechsel in den Knochen ist minder lebhafter, denn durch Krappfütterung werden die gelähmten Knochen weniger geröthet, als die andern. Es können in diesem Stadium gewisse Knochentheile ganz knor- pelig werden, so der Schenkelhals eines der Versammlung vorgelegten Oberschenkelknochen eines Hundes. Nach längerer Zeit nehmen die Knochen wieder an Masse zu, sie werden dicker und auch hier überwiegt die organische Materie. Beim Unterkiefer tritt dieses Stadium sehr schnell ein und die wahrscheinlich vorhergehende Verdünnung wurde noch nicht beobachtet. Bei den Schenkelknochen dauert es bis zum Eintritt dieser Periode bis zu zehn Monaten. Eigentliche Nekrose der Knochen wurde nach Nervenlähmung nur dann beobachtet, wenn noch andere äussere Schädlichkeiten, wie z. B. Druck hinzutraten. 21. Obermedicinalrath Dr. Jäger von Stuttgart spricht über zwei ihm sowohl als von mehre- ren Anatomen nicht bestimmbare fossile Zähne, von welchen a) ‚der eine aus der Molassablagerung in der Nähe von Sigmaringen herrührt und ein durch quergehende Schmelzlamellen ausgezeichneter Backzahn ist, der mit einem Milchzaln des Elephanten, wie ihn Blainville abbildet, oder mit einem vorderen Backzahn des Phacochäres (nach Hunter’s Abbildung) am meisten Aehnlichkeit zu haben scheint. b) Der andere Zahn rührt von den Bohnerzgruben bei Frohnstetten her: er gleicht im äusseren Ansehen ganz den übrigen Zähnen aus diesen Gruben, und denen, welche Referent früher aus den Bohnerzgruben von Neuhausen beschrieben hat; in der Art der Abreibung entspricht er den 181 unteren Eckzähnen der Paläotherien, in der Form mehr den Eckzähnen mancher Insectenfresser, namentlich des Tanrec durch die Zeichnung der Schmelzfläche auf der äusseren Seite, und eine tiefe bis zur Spitze gehende Rinne auf der innern Fläche weicht er aber von allen dem Ref. bekannten Zähnen ab. 22. Dr. Ziegler aus Freiburg zeigt Wachspräparate vor, welche die Entwickelung von rana temporaria darstellen, mit Hinweisung auf die von Prof. Eckert herausgegebenen icones physiologicae. 23. Prof. Weber von Bonn zeigte mehrere Knochenpräparate über die Entwicklung der Wir- belkörper des Körpers des hintern Keilbeins, der Lamina perpendicularis des Siebbeins und des process. mast. des ossis temporum vor. 24. Im Namen des Prinzen L. Bonaparte zeigt Dr. Schiff zoologische Tabellen und Tafeln vor. 25. Prof. Will aus Erlangen spricht über den Bau der Raupenhaare. Er beschreibt sie als Röhren mit durchsichtigen oder fein granulirtem Inhalte, in welche die Ausführungsgänge flaschen- förmiger Drüsen einmünden. Er schliesst aus seinen Versuchen, dass in der Röhre des Haares Ameisensäure enthalten ist. Er erläutert seinen Vortrag durch Vorzeigung von Präparaten. 26. Prof. Nasse verliest einen Aufsatz von Prof. Meyer in Bonn über den eigenthümlichen Bau der Schleimhaut des Dünndarms von Rhinoceros indicus und zeigt dazu gehörige Zeichnungen vor. Zum Präsidenten der nächsten Sectionssitzung wird Prof. Will aus Erlangen gewählt. Vierte Sitzung. Donnerstag den 23. September. Präsident: Professor Will aus Erlangen. 27. Professor Schlossberger spricht über die chemischen Verschiedenheiten des Gehirns in dem Thierreiche und in den verschiedenen Alterstufen. 28. Dr. A. Waller aus London theilt in französischer Sprache seine Beobachtungen mit über die Durchschneidung der Rückenmarkswurzeln. Er bemerkt, dass, wenn ein Spinalnerve jenseits sei- nes Ganglion durchschnitten wird, die peripherische Partie desorganisirt, während der centrale Theil der sensiblen Fasern normal bleibt. Wird er aber diesseits seines Ganglion durchschnitten, so bleibt der peripherische Theil der sensiblen Fasern normal, während der Theil der Wurzel, welcher mit dem Rückenmark zusammenhängt desorganisirt und atrophisch wird. Das peripherische Ende der vordern Wurzel dagegen desorganisirt, während das centrale Ende normal bleibt. 29. Dr. Jac. Moleschott unterstützt die von Bernard gelieferten Beweise, dass eine Zucker- bildung in der Leber stattfindet, mit der Thatsache, dass das Blut, die Muskeln, der Magensaft und der Harn entleberter Frösche keinen Zucker enthalten, während die Leber unversehrter Frösche regelmässig Zucker führt. Da Moleschott den Zucker im wässrigen Auszug der Leber nachweisen konnte, im alkoholischen dagegen nicht, so hält er es für wahrscheinlich, dass die Froschleber nicht Traubenzucker, sondern Milchzucker enthalte. An der Discussion über diesen Gegenstand betheiligen sich Dr. Falk, Dr. Remak und Pro- fessor Nasse. 30. Dr. Remak von Berlin spricht über die Contraction des Ganglienstranges beim Blutegel. Vor mehreren Jahren wurde von Mandl in Paris diese Contraction beobaehtet. Sie 182 wird nach meinen Wahrnehmungen durch Wurzelfasern bedingt, welche innerhalb der sehr dicken farblosen Scheide vereinzelt von einem Ganglion zum anderen verlaufen und stellweise sich zu Netzen mit einander verbinden. In der Wand der Ganglien fehlen die Muskelfasern beständig. Während der Zusammenziehung nehmen die Nervenröhren innerhalb der sich verkürzenden Scheide eine ge- schlängelte Lage an. Diese contractile Eigenschaft des Ganglienstranges hängt offenbar mit der be- deutenden Verkürzung zusammen, welche der Blutegel bei der Ortsveränderung erfährt. Aus diesem Grunde ist es wahrscheinlich, dass ähnliche accessorische Muskelapparate in Nervenscheiden unter ähn- lichen Umständen auch bei anderen Thieren vorkommen. Doch kat die bisherige Untersuchung bei Wir- belthieren, namentlich auch an den Zungennerven der Säugethiere, ein negatives Resultat gegeben. Ueber den Bau. der Nerveniasern und Ganglienkugeln. Als ich im Jahre 1837 die Axenfaser der Nervenröhren (das sogenannte primitive Band oder den sogenannten Axencylinder) be- schrieb, liess ich es dahingestellt, ob dieselbe, ein solider Körper oder selbst schlauchförmig sei. Später fand ich ein aus vielen feinen Fäden bestehendes Axenbündel in den Nervenröhren des Fluss- krebses (Müll. Archiv 1844, Tab. XII, Fig. S). Nach neueren Untersuchungen halte ich mich über- zeugt, dass auch die Axenfaser der Wirbelthiere während des Lebens schlauchförmig ist, und nenne sie desswegen Axenschlauch. Derselbe liegt der sogenannten Markscheide (Fettscheide) dicht an und schrumpft nach Einwirkung verschiedener Agentien zu dem Axencylinder der Autoren zusammen. Die sehr dünne aber feste Wand des Axenschlauches zeigt regelmässige Längsfaserung. In dem Kanale des Schlauches konnte ich keine feinere Fasern bemerken. Doch macht eine ‘Beobachtung an den frischen Ganglienkugeln der Spinalganglien bei Raja batis und R. clavata, die ich in Helgoland (1851) machte, sehr wahrscheinlich, dass die Nervenröhren der Wirbelthiere noch nicht die primitiven histo- logischen Bestandtheile der Nerven darstellen. An den -Ganglienkugeln, welche nach der Entdeckung von Robin und Wagner im Verlaufe der Nervenröhren liegen, verdünnt sich nämlich die dicke Fettscheide des Nervenrohres und es lässt sich als Fortsetzung derselben vielleicht nur eine ölige Substanz deuten, welche ich bei frischen Präparaten dicht unter der äusseren Scheide zuweilen ge- sehen habe, dagegen unterscheidet man sehr deutlich an jeder Ganglienkugel eine Fortsetzung der sogenannten Zellscheide des Nervenrohres und eine Fortsetzung der Wand des Axenschlauches; inner- halb der letzteren liegt die den Kern umgebende Substanz der Ganglienkugel, die nach Sprengung der beiden Scheiden in der Regel als fester Körper von kürnigem Gefüge erscheint. Nach Vivisection einer Raja batis und 24stündiger Aufbewahrung der Wirbelsäule in einer verdünnten Lösung von Chromsäure und doppelt chromsaurem Kali zeigte aber die Substanz der, Ganglienkugeln ein ‚sehr regelmässiges fasriges Gefüge. Und zwar liessen sich zwei Schichten von Fäserchen unterscheiden; die innere umgab concentrisch den Kern, die äussere Schicht verlief nach beiden Polen in den Kanal des Axenschlauches hinein. Doch konnte ich sie hier nicht weiter verfolgen. Falls jene Fäserchen nicht Leichenzustände, sondern während des Lebens vorhanden sind, dann dürfte es wahrscheinlich sein, dass sie mit der Wand des Axenschlauches verschmelzen und dessen fasrigen Bau bedingen, da sich in dessen Axe keine Fäserschen wahrnehmen lassen. Sollten sie aber Leichenzustände d.h. Gerinnungsformen sein, dann würden sie auf eigenthümliche Ströme im Innern der Ganglienkugel deu- ten. Bemerkenswerth ist, dass an den vielstrahligen Ganglienkugeln im Rückenmarke der Säuge- thiere sich ein ähnlicher fasriger Bau bemerklich macht, der sich in die Strahlen hinein verfolgen lässt. Andererseits ist hervorzuheben, dass die vielstrahligen Ganglienkugeln der Retina bei Säuge- 183 thieren im frischen Zustande wasserhell sind, durch Einwirkung von Sublimat, Alkohol und Chrom- säure dagegen ein trübes, zuweilen auch fasriges Ansehen erhalten. An den Ausläufern dieser Gang- lienkugeln, den zu Varicositäten sehr geneigten Nervenfaser der Retina ist fast immer längsstreifiges Ansehen deutlich wahrzunehmen. Ueber mikroskopische Ganglien an den Aesten des N. vagus in der Wand des Magens bei Wirbelthieren. Um für die Deutung der von mir im Herzen, in der Wand der Bronchien und des Kehlkopfes, in der Zunge, in der Harnblase, im Uterus gefundenen Ganglien weitere anatomische Anhaltspunkte zu gewinnen, hatte ich schon früher die Magenäste des N. vagus auf Ganglien untersucht. Doch ist es mir erst vor Kurzem bei Salamandra maculata geglückt, an den Aesten des N. vagus kurz nach ihrem Eintritte in die Wand des Magens Ganglien zu finden. Seitdem habe ich ähnliche Ganglien auch beim Frosch, bei der Taube (in der Wand des Drüsenma- gens), beim Schweine, beim Schaafe, bei der Katze, beim Kaninchen gesehen. In der darauffolgenden Discussion erwähnten Professor Leuckart und Professor Will ganz ähnlicher Contractionserscheinungen bei den: Insecten und an dem Nervenstrange der Naiden. 31. Prof. Nasse beschreibt das Verhalten der Knochen nach Durchschneidung der Nerven. Er beobachtete nur eine Verdünnung (auch Verlängerung) der Knochen, niemals Verdickung, wie sie Dr. Schiff in einzelnen Fällen bemerkt hatte. In den atrophischen Knochen fand er die Ab- nahme der anorganischen Bestandtheile bedeutender als die der organischen. Unter den ersteren sah er den kohlensauren Kalk in grösserem Maasse schwinden als den phosphorsauren Kalk. An der darauffolgenden Discussion betheiligten sich Dr. Schiff, Prof. Baum, Prof. Nasse, Dr. Waller und Dr. Remak. 32. Dr. Schiff hält einen Vortrag über den Einfluss der Nerven auf die Gefässe der Zunge, in welchem er folgende Punkte hervorhebt: 1) Weder die Durchschneidung des Zungenästes vom fünften Paare noch die, des Zungenfleisch- nervens bedinst für sich allein eine stärkere Injection der entsprechenden Zungenhälfte. 2) Hat man hingegen beide Nerven, entweder gleichzeitig oder in verschiedenen noch so weit auseinander liegenden Zeiträumen, durchschnitten, so röthet sich die entsprechende Zungenhälfte, die kleineren Gefässe werden, ehe sie in die Capillaren übergehen, erweitert. 3) Diese stärkere Injection ist durchaus unabhängig von den mechanischen Verletzungen, denen die Zunge nach Lähmung ihres Gefühlsnerven ausgesetzt ist. Sie ist auch unabhängig von der Un- beweglichkeit, denn lässt man einen der beiden genannten Nerven sich regeneriren, so schwindet diese Injection ungefähr eine Woche früher, als Spuren von Empfindung öder Bewegung zurückkehren. 4) Da der Tonus der Gefässe der Zunge vom Zusammenwirken dieser beiden Nerven abhängt, jedoch eine Primitivfaser in ihrer peripherischen Verbreitung nie im Stande ist, den Mangel einer andern zu ersetzen, so müssen nach des Referenten Theorie von der Function der Ganglien, im Innern der Zunge kleine Ganglien vorhanden sein, deren Wurzelfäden von beiden genannten Nerven ausge- hen und deren abgehende Nerven es sind, welche die Gefässe versorgen. 5) Referent hat sich von der Anwesenheit solcher Ganglien im vorderen Theil der Zunge über- zeugt, und legt von denselben Abbildungen vor. 6) Wenn man die beiden genannten Nerven durschnitten hat, so gehen alle Nervenfäden, die ir- gend mit den Ganglien in Verbindung stehen, seien es ein- oder austretende, in fettige Entartung über. 184 7) Wenn man nur den Lingualis durchschneidet, so finden sich unter den meistens fettig ent- arteten Wurzelfäden der Ganglien, auch einzelne breite doppelrandige wohlerhaltene Primitivfasern, die also dem noch thätigen Hypoglossus angehören müssen, und ein grosser Theil der dünnen aus- tretenden Fäden ist dann ebenfalls noch im normalen Zustande, während ein anderer Theil der aus- tretenden entartet ist. 8) Durchschneidet man den Hypoglossus, so finden sich in den Wurzeln der Ganglien verein- zelte entartete Primitivfäden, in den austretenden Stämmchen aber, konnten entartete Fäden gar nicht mit Bestimmtheit nachgewiesen werden. 9) Auch die unter 7 und 8 angegebenen Verhältnisse werden durch Abbildungen erläutert. 10) Wenn sowohl im Hypoglossus, wie im lingualis, vasomotorische Fäden verlaufen, so muss es möglich sein, diese beiden Nerven selbst dann mit einander zu einem Stamm zu verheilen, wenn auch sensibele und motorische Fasern nicht mit einander verwachsen können. 11) Diese Verheilung ist denn auch unter vielen zu diesem Zweck angestellten Versuchen einige Male aufs deutlichste gelungen, so dass die Narbe keine, merkliche Anschwellung bildete und man sich mit Sicherheit überzeugen konnte, dass keine andern Nervenfasern zu ihr hinzutraten. Ein solches Präparat wird vorgezeigt, in welchem der centrale Theil des Hypoglossus dem peripherischen Theil des lingualis so verwachsen war, dass sie den Anschein eines fortlaufenden Nerven bildeten. 12) In diesen Fällen sind die Nerven der Zungenhaut und der Zungenmuskeln in den vorderen zwei Drittheilen der Zunge entartet, die Nerven der Zungenganglien hingegen normal. Nur die grösseren Ganglien zeigten in ihren eintretenden Fäden noch einige entartete, in dem austretenden keine. : Es wird noch eine weitere Sitzung auf den 24. Morgens 8 Uhr anberaumt und Prof. Vierordt als Präsident für dieselbe gewählt. 33. In der zoologischen Sitzung legte Prof. Kirschbaum von Wiesbaden die von ihm in der Umgegend von Wiesbaden gesammelten Inseeten vor und verweisst hinsichtlich einer beträchtlichen Anzahl neuer Species auf die Arbeiten in den Jahrbüchern des Vereins für Naturkunde im Herzog- thum Nassau. 34. Prof. Leuckart sprach über die Metamorphose der Insecten. Er setzte den wesentlichen Charakter derselben in die Abwesenheit der Flugapparate und entwickelt aus der verschiedenen Be- ziehung dieser Organe zu der Lebensweise die physiologische Nothwendigwendigkeit der bekannten Unterschiede zwischen der sog. vollkommenen und unvollkommenen Metamorphose. 35. Dr. Calwer spricht über die Entwickelung von buccinum undatum und purpura lapillus unter Vorzeigung von Präparaten und Abbildungen. Professor Leuckart erwähnt, als Geg‘ satz zu der hier stattfindenden Entwickelung eines Embryo aus einer Menge mit einander verscikmolzener Eier, der Beobachtung von van Beneden, dass aus dem Ei der Tubularien nicht ein einfacher Embryo, sondern eine Mehrzahl von Embryonen hervorgeht. 36. Dr. Herm. Schacht spricht über das Entstehen und das chemische Verhalten der Pflan- zenzellen im Gegensatz zu einigen thierischen Zellen. Alle Pflanzenzellen entstehen innerhalb einer Mutterzelle; die Bildung einer neuen Zelle ausserhalb einer bereits vorhandenen Zelle ist im ganzen Pflanzenreiche nicht bekannt. Im 185 Thierreich nehmen einige Forscher, neben einer Bildung in Mutterzellen, hier und da noch eine Zwischenzellenbildung an. Das Urbild einer Pflanzenzelle lässt sich am en als rundes oder länglich rundes Bläschen bezeichnen, dessen äussere meistens ziemlich starke Membran aus Pflanzenzellstoff (Cellulose) besteht. Diese Membran ist in concentrirter Schwefelsäure auflöslich, sie wird von Aetzkali nicht angegriffen, durch Jod und Schwefelsäure in der Regel prächtig blau gefärbt. Unter der erwähnten stickstoff- freien, aus Zellstoffschichten bestehenden Hülle, der eigentlichen Zellenmembran, liegt ein zweites, sehr zartes, stickstoffhaltiges Bläschen, der Primordialschlauch, welcher sich überall der Zellenmembran dicht anschmiegt und desshalb in der Regel erst dann sichtbar wird, wenn chemische Reagentien, z. B. Alkohol, ein Zusammenziehen desselben veranlassen. Concentrirte Schwefelsäure löst diesen Primordialschlauch nicht, Aetzkali löst ihn leicht, Jod und Schwefelsäure färben denselben hochgelb; Zucker und Schwefelsäure färben ihn in günstigen Fällen röthlich. H. von Mohl entdeckte den Primordialschlauch, der seitdem für die Lehre der Zellenbildung äusserst wichtig geworden. Der Primordialschlauch umfasst den gesammten flüssigen und festen Inhalt der Pflanzenzelle. Der Zellenkern, welcher keiner jugendlichen Zelle zu fehlen scheint, liegt häufig in seiner Nähe, seltener in der Mitte der Zelle. Stärkmehl, Inulin, Dextrin, Zucker, Farbstoffe, Caoutchouc, Alkaloid, sie sind Erzeugnisse bestimmter Zellenarten. Jede Zellenart hat in der höheren Pflanze ihren bestimmten Bau, ihre bestimmte Anwendung und ihre ebenso bestimmte Function. Die höhere Pflanze lebt und ernährt sich durch die Wechselwirkung ihrer ungleich werthigen Zellen. Wenn sich im Innern einer Mutterzelle neue Zellen bilden, so kann dies auf zweierlei Weise geschehen: 1) ohne eine directe Theilung des Primordialschlauchs der Mutterzelle, durch sogenannte freie Zellenbildung und 2) durch directe Theilung des Primordialschlauchs der Mutterzelle. Bei der feinen Zellenbildung entsteht aus dem körnigen Inhalte der Mutterzelle auf noch un- bekannte Weise zuerst ein neuer Zellenkern; um letzteren bildet sich allmälig, ebenfalls aus dem Inhalte der Mutterzelle, ein Primordialschlauch, der sich mehr und mehr am Zellenkern, den er an- fangs eng umschliesst, abhebt. Der junge Primordialschlauch wächst gewissermassen, er umfasst bald ausser dem Zellenkern einen flüssigen Inhalt; jetzt beginnt die Abscheidung der aus Zellenstoff bestehenden Hülle, es entsteht die eigentliche Zellenmembran, welche, wie es scheint, in allen Fällen ein Secret des Primordialschlauchs ist. Die Zahl der Tochterzellen, welche auf diese Weise gleichzeitig in einer Mutterzelle gebildet werden, ist unbestimmt; man findet oft die verschiedensten Entwickelungsstadien der Tochterzellen neben einander; nur ein Theil des Inhalts der Mutterzelle wird zum Nutzen der letzteren verwandt, die Mutterzelle selbst dauert fort. Durch eine derartige Zellenbildung entstehen die Sporen der Pilze und Flechten, desgleichen, wie es scheint,’die Schwä- zmsporen der Algen. Die ersten Zellen im Embryosack und im Pellenschlauch der Phanerogamen bilden sich ebenfalls auf diese Weise, während die so entstandenen Zellen später zu Mutterzellen werden, welche nach der andern Weise Tochterzellen bilden. Die sogenannte freie Zellenbildung hat demnach im Pflanzenreiche eine sehr beschränkte Verbreitung. Die Theilung des Primordialschlauchs einer Mutterzelle zur Bildung neuer Zellen-geht vom Um- kreis der Mutterzelle aus. Der Primordialschlauch bildet bei einfacher Theilung eine Kreisfalte, ' ‘die immer tiefer ins Innere der Mutterzelle vordringt, bis endlich ihre Ränder sich berühren und eine vollständige Trennung des Gesammtinhalts in zwei Theile erfolgt ist. In der Regel bilden sich zwei, 24 186 seltener durch eine ähnliche Theilung des Primordialschlauchs, vier Tochterzellen innerhalb einer Mutterzelle. Ehe die Theilung des Zelleninhaltes erfolgt, entstehen durch Theilung eines vorhandenen Zellenkern so viel neue Zellenkerne, als später Tochterzellen vorhanden sind. Wenn der Primordial- schlauch während seiner Abschnürung fortdauernd Zellstoff abscheidet, so bildet sich, scheinbar von der Zellstoffwand der Mutterscheide ausgehend, eine aus diesem Stoff bestehende Scheidewand, welche in die noch nicht vollständig getheilte Mutterzelle hineindringt; wenn dagegen die Zellsfoffabschei- dung erst nach vollendeter Abschnürung des Primordialschlauchs beginnt, so fehlt diese Scheidewand. Die erste Zellstoffschichte der Tochterzellen trennt sich in bestimmten Fällen, z. B. bei der Bildung einiger Pellenkörner, als besondere Membran von den später entstandenen Schichten. Diese erste Zellstoffschichte ist in solchen Fällen Nägeli’s Specialmutterzelle. Bei der Zellenbildung durch Theilung wird der Gesammtinhalt der Mutterzelle zur Bildung der Tochterzellen vollständig verbraucht; die Wand der Mutterzellen wird in diesem Falle mit sehr wenig Ausnahmen sehr bald aufgelöst, die Mutterzelle geht unter; bei der feinem Zellenbildung lebt sie fort. Alle Tochterzellen einer Mutterzelle durch Theilung des Primordialschlauchs entstanden, stehen auf gleicher Entwickelungsstufe. Die Gestalt der Mutterzelle und die Richtung, nach welcher die Theilung in ihr erfolgt, bedingt die anfängliche Gestalt der Tochterzellen; die durch freie Zellenbil- dung entstandenen Zellen sind anfangs immer kugelförmig. Bei der Bildung der Sporen höherer Kryptogamen, desgleichen bei der Bildung der Zellenkörner theilt sich der Primordialschlauch einer kugeligen Mutterzelle in vier gleiche Theile, die Tochterzellen sind hier entweder kugelig, oder durch gegenseitigen Druck nach bestimmten Seiten abgeplattet. Die Holzzelle entsteht durch Längstheilung innerhalb einer langgestreckten Cambiumzelle, es bilden sich immer zwei Holzzellen, welche anfänglich fast die volle Länge ihrer Mutterzelle, aber nur deren halbe Breite besitzen. Eine andere ebenfalls lanzgestreckte Cambiumzelle derselben Pflanze theilt sich dagegen nach der andern Richtung, zwei Rindenzelle bildend, welche desshalb anfänglich fast ebenso breit, aber nur halb so lang als ihre Mutterzelle sind. Durch Theilung des Primordialschlauchs entstehen sämmtliche Gewebearten der höheren Pflanzen, desgleichen die vegetativen Zellen der Kryptogamen. Diese Art der Zellenbildung hat demnach im Pflanzenreich eine grosse Verbreitung. Die Pflanzenzellen sind, wenn sie Gewebe bilden, durch einen Verbindungsstoff, die Interzellu- larsubstanz, der sich chemisch anders als der Zellstoff verhält, verbunden. Der Interzellularstoff wird von concentrirter Schwefelsäure schwierig oder gar nicht angegriffen, von Aetzkali aufgelöst und durch Jod und Schwefelsäure weder blau, noch gelb gefärbt. In allen Pflanzengeweben kann man demnach, ausser dem Zellenkern und dem Inhalt der Zellen, noch drei chemisch verschiedene Theile, den Primordialschlauch, die Zellstoffmembran und den Interzellularstoff unterscheiden. In den meisten thierischen Geweben fehlen diese chemischen Gegensätze gänzlich. Das Vorkommen der Cellulose im Thierreich ward zuerst von €. Schmidt und bald darauf von Kölliker und Löwig bei den Aseidien und Salpen nachgewiesen; ich selbst*) habe gezeigt, dass dieser Zellstoff sich, wie im Pflanzenreich, durch Jod und Schwefelsäure blau färbt, zugleich aber die grossen Verschiedenheiten seines Auftretens im Thier- und Pflanzenreiche nachgewiesen. Im Mantel der Aseidien bildet der Zellstoff nicht wie im Pflanzenreich, die Wand der Zellen, er tritt *) J. Müller's Archiv für 1851. 187 vielmehr als Verbindungsstoff der letzteren auf; ‚der Interzellularstoff, welcher die Pflanzenzellen vereinigt, fehlt hier gänzlich. Im Mantel der Cynthia und in der Fleischschichte der Thetiumarten erscheint der ‚Zellstoff in Gestalt sich kreuzender Fasern, im Mantel der Phallusia, desgleichen bei Aleionidum gelatinosum ist er structurlos, die grossen Zellen, welche er in beiden Fällen umgiebt, besitzen ein aus thierischer Substanz bestehende, beim Erwärmen in Aetzkali verschwindende Membran. Naht man einem Blatt oder irgend einem zarten Pflanzentheile mit Aetzkali oder manirirt man Holzsplitter, desgleichen Rindentheile u. s. w. nach dem von Schulz angegebenen Verfahren (mit chlorsaurerem Kali und Salpetersäure), so wird der Interzellularstoff aufgelöst, die einzelnen Zellen, deren Wand aus Zellstoff besteht, trennen sich jetzt voneinander. Behandelt man dagegen zarte Schnitte durch den Mantel der Ascidien oder durch die Fleischschichte der genannten Spongien auf dieselbe Weise, so zerfällt der Schnitt nicht in seine Theile. Hier ist kein Pflanzen-Interzellularstoff vorhanden, der Zellstoff tritt hier selbst als Zwischenstoff auf; die wahrscheinlich aus stickstoffhal- tiger Substanz bestehende zarte Membran der thierischen Zelle entspricht etwa dem Primordialschlauch der Pflanzenzelle; bei Phallusia verhält sich dieselbe chemisch genau so, als der letztgenannte. Der Mangel der pflanzlichen Interzellularsubstanz unterscheidet demnach ein thierisches Gewebe, welches Cellulose enthält, an dem pflanzlichen Gewebe, dem die Interzellularsubstanz niemals fehlt. Die Gegenwart des Zellstoffs kann bei einzelligen Gebilden nicht für die pflanzliche Natur derselben entscheiden. 37. Carl Lucian, Prinz Bonaparte setzt seine Ideen über die Eintheilung der Wirbelthiere in parallelen Serien, oder, wie er sagt, in Orgelröhren (tuyaux d’orgue) auseinander und er gibt fol- gende Tafel seiner von ihm nach den neuen Data der Anatomie und Physiologie modificirten Classifi- cation dieser Vögel, Aves Sectio I. /nsessores. (Altrius.) Sectio II. Grallatores. (Pr&coces.) Ordo I. Psittaci. H. Accipitres. II. Passeres VII. Gralle., 1. Voluceres. 1. Struthionace=. 2. Oscines. 2. Gallinacex. IV. Columbe. 1. Inertes. VIH. Strutbiones. 2. Gyrantes. IX. ‚Galline. V. Gavie. X. Anseres. 1. Longipennes. 1. Lamellirostres. 2. Totipalmi. 2. Urinatores. VI. Herodii. j Der Prinz gibt hiernach eine vollkommene Liste der Arten von Larin®, welche er in natürlichen Gattungen auf folgende Weise eintheilt: 24* 188 Gaviae Sub-fam. 1. Diomedeine. . Procellariine. . Lestridine. Fam. I. Procellariide 0 3 4. Larin®. 5 6 Tribus I. Zongipennes. Fam. Il. Laride . . . . x . Rhyncopin®. . Sternin®. Conspectus Larinarum. Specierum numeros. Spec. numeros. I. Gabianus. Bp. M. Antarct . . . 1 VI. Leucophaius, Bp. Asiaor. Am.m.occ. 2 II. Larus L. VII. Blasipus, Bp. Am. ID. oe Lari: majores Cosmop- 2 Main Pong Adelarus, Bp. Afr.s.Am.m. . 3 Gavie: minores Cosmop. . . . . 4 IX. Xema, Bp. III. Gelastes Bp. Cosnı. Afr. s. Austr. 5 Chroicocephalus, Eyton. Cosmop. . . . 18 IV. Rhodostetia, Maegill. Arcte.. .. . . 1 Xema, Leach. Arco V. Pagophita, Kaup. Arcte.. .... 2 X. Rissa, Leach. Arie... 2. 28 28 58 Endlich benutzt der Prinz diese Gelegenheit, um einige neue Arten von Vögeln bekannt zu machen und bespricht besonders die Cyanocitta Jolyaea, welche er dem Professor N. Joly gewidmet hat, als ein Andenken ihres Zusammeutreffens in der neunundzwanzigsten Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte in Wiesbaden. Diese neuen Arten sind die folgenden: 1) Thalassidroma tethys, Bp. (noch minder als die pelagica ex Insulis Pallapagoes). 2) Chelidoptera albipennis, Bp. ex Cumana. Kleiner und schwärzer, als die einzige bekannte Art der Gattung. Abdomine intense castaneo; tectricibus alarum inferioribus candidis; remi- gibus primariis basis, seccundariis apice, latissime albis. 3) Cyanocitta Jolyaea, ex Amer. m. Similis C. viridi-cyanea, sed colore coeruleo splendidiore; fronte genisque late nigris; verlice et torque anyusto jugulari albo-coeruleis,; gula coerulea sub-cinerascente (nec nigra). 38. Professor Rossmässler spricht in seinem Vortrage den Wunsch aus, dass die Conchilio- logen die Anatomie der Thiere mehr, als es bisher geschehen, beachten möchten, um der in der Conchiliologie herrschenden Verwirrung zu steuern. 39. Professor Joly aus Toulouse theilt in französischer Sprache neue Erfahrungen mit über die Möglichkeit, rothe oder blaue Cocons zu erhalten, indem man den Seidenwurm mit Maulbeer- blättern nährt, die mit Krapp oder Indigo bestreut sind. 40. Professor Will verliest eine Mittheilung des Proseetor Faesebeck, dass die pathologisch- anatomische Sammlung des Dr. Cramer in Braunschweig zum Verkauf angeboten werde. 189 Fünfte Sitzung. Freitag, den 24. September. 41. Dr. C. Th. Falck von Marburg hält einen Vortrag „über einige Ergebnisse einer Unter- suchung über die physiologischen Wirkungen des Wassers.“ M. H. Wenn man darauf ausgeht, sich hinsichtlich der Wirkungen des Wassers zu unterrichten, so bleibt man ziemlich unbefriedigt, indem man die Schriften der Physiologen und Pharmakologen, oder wohl gar die der Brunnenärzte und Hydrotherapeuten durchmustert. Dieses beklagenswerthe Geständniss, welches schon mancher mit den Forderungen der Zeit vertraute Arzt vor mir abgelegt hat, ist für mich die Veranlassung gewesen, eine grössere experimentale Arbeit hinsichtlich des Wassers zu unternehmen und mit allen Mitteln der Experimentalkritik dahin zu streben, dass wenig- stens die physiologischen Wirkungen des Wassers möglichst umfassend sicher gestellt werden. Wenn ich es wage, das eine oder andere Ergebniss meiner Untersuchungen hier darzulegen, so ermuthigt mich der Gedanken, dass bei dieser Versammlung in der nächsten Nähe der weltberühm- ten kochenden Therme so Ort wie Zeit passend gewählt sein möchte, um die Aufmerksanıkeit der Physiologen und Aerzte auf’s Neue den Wirkungen des Wassers zuzuwenden. Um die Wirkungen des Wassers im Sinne der physiologischen Wissenschaften sicher zu stellen, erscheint es unumgänglich nothwendig, die Folgen der Wasserentziehung und die Einverleibung von Wasser nacheinander zu verfolgen. Nur wenn man in dieser Weise forschend vorwärts schreitet, wird es gelingen, eine befriedigende Aufklärung über die Wirkungen des Wassers zu schaffen. Was den Einfluss der Wasserentziehung auf den thierischen Organismus betrifft, so habe ich darüber zahlreiche Versuche angestellt. Die einzelnen Fragen, welche sich hier aufdrängen, sind offenbar verschiedener Art. Die wichtigsten darunter sind aber die, von welchem Einflusse die Wasserentziehung auf die Regung von Hunger und Durst, auf die Verdauung, die Chylo- und Copro- poese, die Sanguification, die Nutrition, die Se- und Excretion, die thierische Wärme, die Inner- vation und sensualen Thätigkeiten, die Locomotion u. a. m. sich erweise. Alle diese Fragen sind, wie man einsehen wird, von bedeutender Wichtigkeit und ihre gründliche Beantwortung wird nicht wenig dazu beitragen, uns die Wirkungen des Wassers zu enthüllen. Um mit meinem Vortrage die hier gesetzten Zeitschranken nicht zu überschreiten und um Ihre gütige Nachsicht nicht zu missbrauchen, muss ich davon abstehen, eine auf zahlreiche Versuche und Beobachtungen gestützte Beantwortung der beregten Fragen zu versuchen. Nur eine Frage mag mir gestattet sein zu behandeln, nämlich die Frage, in welchem Verhältnisse die Regung des Dur- stes zur Entziehung des Wassers steht. Wie Jedermann weiss, gibt es eine gesteigerte Regung des Durstes, bei welcher jede Einver- leibung von festen und trockenen Speisen unmöglich ist. Es mag erlaubt sein, diese Gradation des Durstes als Maximum des reinen Durstes zu bezeichnen, denn was darnach sich regt, ist nicht mehr reiner Durst, sondern eine Combination von Hunger und Durst. Wie ich erfahren habe, stellt sich dieses Maximum des reinen Durstes auch bei Hunden in bald kürzerer, bald längerer Zeit ein, wenn sie ausschliesslich mit trockener Speise, z. B. mit trockenem Zwiback gefüttert werden. Dem sorgsamen Forscher drängt sich dabei begreiflich die Frage auf, unter welcher innern Bedingung dieses Maximum des reinen Durstes erwächst. Ich glaube diese Frage dahin beantworten zu können, 190 dass bei Hunden dieses Maximum des Durstes sich regt, sobald dieselben durch die Nieren zweimal soviel Harn verausgabt haben, als sie in ihrem Körper an Blut besitzen. Man überzeugt sich von der Wahrheit dieses Satzes, wenn man zwei (junge) Hunde von glei- chem Alter, Geschlecht und Gewicht zur Untersuchung wählt. Entzieht man alsdann dem einen Hunde durch Oeffnen der Adern das Blut seines Körpers und sammelt von dem andern Hunde unter Anwen- dung der nöthigen Cautelen den Harn, während man trockne Zwiback zum Futter gibt, so wird man wahrnehmen, dass der durstende Hund vom Futter lässt, sobald er in Gewicht doppelt so viel Harn entliess, als der erste Hund an Blut lieferte. Bekanntlich ist nicht selten die Ansicht geltend gemacht worden, dass die Regung des Durstes auf einer Entwässerung des Organismus, auf Wassermangel im Organismus beruhe. Es schien mir nicht uninteressant zu sein, diese Ansicht weiter zu verfolgen, besonders um zu sehen, ob 'als Folge der Wasserentziehung alle Organe in gleicher Weise entwässert werden, oder ob die Entwässerung des Körperps nur auf Kosten einzelner Organe geschieht. Versuche, die an Hunden angestellt wur- den, und über 100 quantitative Bestimmungen des Wassergehaltes sämmtlicher Organe von 2 paar Hunden haben ergeben, dass in Folge von Wassercarenz die stärkste Entwässerung in der Zunge, den Speicheldrüsen, dem Gaumen, der Speiseröhre, dem Magen, dem Darme und in der Muskulatur Platz greift, während in dem Gehirne, den Augäpfeln, dem Herzen, den Nieren keine Veränderung im procentischen Wassergehalte aufkommt. Offenbar sind diese Thatsachen von der grössten Wichtig- keit, denn bei umsichtiger Verwendung derselben wird es möglich sein, eine befriedigende Erklärung der Phänomene des Durstes zu geben, die bis jetzt nicht gegeben wurde. War die Forschung bis zu diesem Punkte hinsichtlich der Regung des Durstes gelangt, so musste begreiflich noch ein Schritt weiter geschehen, und den dursterregenden Substanzen eine besondere Berücksichtigung geschenkt werden. Es musste begreiflich die Frage der Beantwortung nahe gebracht werden, ob die durstmachenden Substanzen, wie z. B. die Häringslacke durch Veranlassung einer Diurese, und somit durch indirecte Entwässerung des Körpers den Durst verursachen, oder ob diesel- ben durch directen Eingriff in die Nervenapparate die Regung des Durstes erzeugen. Ein sorgfältiges Studium der Harnausscheidung aus meinem Körper hat mich gelehrt, dass nach dem Genusse von Häringen keineswegs eine Diurese eintritt, und dass somit keine andere Erklärung der Durstmachen- den Substanzen unterbleibt, als die, welche annimmt, dass gewisse Substanzen durch direeten Ein- griff in die Nerven Durst erzeugen. Was die Wirkung des einverleibten Wassers betrifft, so habe ich zahlreiche Versuche und Be- obachtungen angestellt, um die Fragen zu beantworten, von welchem Einflusse das einverleibte Wasser auf die Verdauung, die Chylo- und Copropo&se, die Blutbildung und Ernährung, die Se- und Excre- tionen, die thierische Wärme u. A. sich erweist. Auch hier muss ich dem Berichte der gewonnenen Resultate die engsten Schranken setzen und so mag es mir gestattet sein nur eine Frage zu behan- deln, nämlich die so oft ventilirte Frage, ob bei Anwendung von Wasserbädern eine merkliche Menge von Wasser durch die unversehrten Hautdecken in das Blut übergeführt wird. Bekanntlich haben sich eben so viel Aerzte dahin ausgesprochen, dass eine Resorption von Wasser durch die unversehrten Hautdecken geschehe, als auf der anderen Seite von Vielen eine solche Resorption geläugnet wurde. Beide Parteien glauben trifiige Argumente für ihre Aussprüche und 191 Behauptungen erbringen zu können. Die eine Partei, welche die Resorption des Wassers durch die Hautdecken zulässt, stützt sich dabei auf die Wirkungen der Salben und Infrictionen, auf Wägungen des Körpers, die vor und nach dem Gebrauche von Bädern, vorgenommen wurden, sowie endlich auf eine angebliche vermehrte Ausscheidung eines dünnen, wässrigen Harns, welcher nach dem Gebrauche von Bädern zum Vorschein kommen soll. Die andere Partei, welche die Resorption des Wassers durch die Hautdecken negirt, stützt sich auf das Verhalten der Epidermis zum. Wasser, auf das Ver- halten der Gifte und Contagien zu den unversehrten Hautdecken, sowie auf eine Kritik, welche den Argumenten der Gegner die Schärfe zu nehmen bemüht ist. Im Angesichte dieser Controverse von hoher Bedeutung habe ich gegläubt, sorgfältige Versuche zur Entscheidung des streitigen Punktes anstellen zu müssen, und es ist mir in der That gelungen, den Beweis zu führen, dass die unverletzte Haut des Menschen nicht mehr Wasser aufzunehmen vermag, als die Epidermis in Berührung mit Wasser zum Aufquellen der Zellen’ nöthig hat. Die Versuche, deren Ergebniss ich mitgetheilt habe, lassen sich füglich in zwei Reihen ordnen. In erster Reihe habe ich directe Beobachtungen zu machen gestrebt, indem ich meine Arme stunden- lang in warmes Wasser senkte und zusah, ob eine merkliche Wassermenge eingezogen werde. Zu diesem Ende wurde ein gut graduirter Glascylinder bis zu einer bestimmten Marke mit Wasser gefüllt, und nach dem Baden des Armes der Spiegel der Flüssigkeit sorgfältig beobachtet, nachdem das am Arme haftende Wasser mit einem Spatel abgestrichen worden war. Als allgemeinstes Resul- tat aller dieser Bemühungen stellte sich heraus, dass bei dem stundenlangen Baden eines Arms nur 20—60 Tropfen Wasser verloren gehen, also sicher nicht mehr, als die aufgequollene Epidermis Wasser in ihren Zellen euthält. In zweiter Reihe habe ich indirecte Beobachtungen über die Resorption des Wassers durch die Hautdecken angestellt, und zwar so, dass ich den Gang der Harnausscheidung nach der Anwendung von Bädern verfolgte, und mit dem Gang der Harnausscheidung verglich, welche 15 Stunden nach einer Mahlzeit zum Vorschein kam. Auch diese Versuche und Beobachtungen ergaben als constantes und sicheres Resultat, dass nach dem Gebrauche von Bädern in keiner Weise .die Menge des ausge- schiedenen Harns gesteigert wird, sondern, dass der Harn in derselben Weise sich ergiesst, wie es der Fall ist, wenn längere Zeit Kein Wasser in das Blut eingetreten ist. Ehe ich mit meinem Vortrage zu Ende gehe, mag es erlaubt sein, noch eine Erklärung über das Ziel meiner Arbeit beizufügen. Ich gedenke keineswegs meine Untersuchungen auf die physio- logischen Wirkungen des Wassers zu beschränken, sondern sobald als möglich auf die Wirkungen der Salzlösungen auszudehnen. Hoffentlich wird mit einer solchen. Arbeit auch der Heilquellenlehre genutzt sein, die trotz der enormen Literatur noch in der Kindheit begriffen ist. 42. Dr. A. Waller aus London hält einen Vortrag in französischer Sprache über den Einfluss der Temperatur auf durchschnittene. Nerven. 43. Prof. Joly aus Toulouse hält einen Vortrag in französischer Sprache über die Extremitäten des Menschen und der. Säugethiere. In Gemeinschaft mit H. A. Lavocat, Prof. in Toulouse, hat er nachgewiesen : a) dass sich an dem Carpus und‘ Tarsus des Menschen zehn Knochen finden und dass diese beiden Regionen die Grundstützen der Hand und des Fusses sind; 192 b) dass ein vollkommener Finger aus zwei Carpus- oder Tarsusknochen, einem Metacarpus- ‘oder Metatarsusknochen, und drei Phalangen zusammengesetzt ist. c) dass bei allen Säugethieren, wie bei dem Menschen der Carpus und Tarsus aus zehn Knochen zusammengesetzt sind, und dass dieselben alle auf den fünffingerigen Typus zurückgeführt werden können. Ve. Section für Wedicin, Chirurgie und Geburtshülfe. In der vorbereitenden Sitzung am 17. September war der Beschluss gefasst worden, die VI. Section in zwei Abtheilungen, und zwar eine für Medicin und Chirurgie und eine andere für Ge- burtshülfe und Frauenkrankheiten zu trennen. J. Abtheilung für Medicin und Chirurgie. Erste Sitzung. Montag den 20. September. Präsident: Mediecinalrath Dr. Gröser von Mainz. Seeretäre: Hofrath Dr. Weisenthal von Wiesbaden und Medicinalassistent Dr. Kolb von Soden. Nach Eröffnung der Sitzung erfolgte durch den Präsidenten die Vorlage folgender Broschüren: 1) Fleckles, Brunnenärztliche Mittheilungen über die Thermen Karlsbads. 2) Wildberger, erster Bericht über die orthopädische Heilanstalt bei Bamberg. 3) Otterburg, Apergu historique sur la medicine contemporaine de l’Allemagne. Med.-Rath Dr. Schneemann aus Hannover beantragte für morgen den 21. September von 8 bis 10 Uhr eine weitere chirurgische Sitzung, welche angenommen wurde. Hierauf begannen die Vorträge: 1. Professor J. Vogel aus Giessen hielt einen Vortrag, in welchem er der Versammlung die Gründung eines „Vereins für gemeinschaftliche Arbeiten zur Förderung der wissenschaftlichen Heilkunde‘ anzeigte, und die Anwesenden aufforderte, diesem Vereine beizutreten. d Er entwickelte zuerst die Gründe, welche ihn und Andere zur Gründung eines solchen Vereins bewogen hatten. Immer bestimmter und in immer weiteren Kreisen macht sich das Bedürfniss gel- tend, der practischen Medicin eine eben so sichere Basis zu geben, als die ist, welche die Natur- wissenschaften in den letzten Jahren bereits gewonnen haben. Dieses Bedürfniss nach Fortschritt in der Medicin hat bereits, und gerade in der letzten Zeit manche treffliche Arbeiten hervorgerufen. Aber die noch zu lösenden Aufgaben sind so gross, dass die Kräfte des Einzelnen , sei er auch der fleissigste und geschickteste Arbeiter, und seien seine äusseren Verhältnisse noch so günstig, damit verglichen, verschwindend klein erscheinen. Dazu gesellt sich noch eine weitere Schwierigkeit. In dem Maasse, als sich die medicinischen Hülfswissenschaften erweitert haben, wird es für den Ein- 193 zelnen immer schwieriger, das gesammte Gebiet der Medicin zu beherrschen, — eine Schwierigkeit, die um so höher steigt, je complieirter das bei einer gewissen Untersuchung zu lösende Problem ist. Oft genug müssen physikalische, chemische, mikroskopischen Untersuchungen, Versuche an Thieren und Beobachtungen am Krankenbette gleichzeitig. zur Lösung einer und derselben Frage angestellt werden, und in solchen Fällen fehlen dem Einzelnen fast immer nicht blos die Zeit, sondern häufig genug auch die Kenntnisse und Hülfsmittel, welche nöthig wären, um allen Anforderungen zu genü- gen. Uederdies sind zur Lösung vieler medieinischer Probleme sehr zahlreiche, bisweilen Tausende von Beobachtungen nöthig, die ein Einzelner nicht anstellen kann, weil ihm theils die Zeit, theils die Gelegenheit dazu fehlt. Solche Betrachtungen haben beim Redner und bei denen, in deren Namen er spricht, den’ Plan: hervorgerufen, das was für den Einzelnen so schwierig, ja unmöglich erscheint, durch gemeinsames Arbeiten leichter, ja zum Theil erst. möglich zu machen, und wie bisher schon öfters zwei und mehr Forscher sich zu gemeinschaftlichen Arbeiten in den Gebieten der Chemie, Physiologie und Pathologie vereinigt haben, — so eine grössere, dauernde Vereinigung von: bisher vereinzelt wirkenden Kräften zur gemeinsamen Förderung der wissenschaftlichen Heilkunde zu bilden. Als Vortheile eines solchen Vereines dürften hauptsächlich folgende zu betrachten sein: 1) Gegenseitige wiesenschaftliche Anregung. der Theilnehmer durch mündlichen und schriftlichen Verkehr. } " 2) Hervorrufung und Beförderung von Arbeiten, welche ausserdem gar nicht, oder nicht in die- ser Weise erschienen wären. N 3) Gemeinschaftliche Feststellung der zunächst zu bearbeitenden Aufgaben, sowie der zu ihrer Lösung einzuschlagenden Wege anzuwendenden Methoden etc. 4) Erleichterung der Arbeit durch Arbeitstheilung und. gegenseitige Unterstützung bei der Ar- beit selbst. 5) Bildung eines gemeinschaftlichen Mittelpunktes, der es möglich macht, durch Zusammenwir- ken Vieler manche Probleme zu lösen, welche die Kräfte eines Einzelnen übersteigen. Die Aufgaben, deren Lösung der Verein sich zunächst vorgesetzt hat, sind etwa folgende; "Untersuchungen ‚über den Stoffwechsel im gesunden und kranken menschlichen Körper: über Urin, Fieces, Verhältniss der Einnahmen und Ausgaben des Körpers, — Veränderungen des Blutes etc. Möglichst genaue Feststellung der Methoden zur anatomisch-physikalischen Krankheitsuntersuchung (Maass, Gewicht, Grösse, Lage einzelner Organe.) Untersuchungen über Krankheitursachen, Einfluss von Klima, Witterung, Beschäftigung u. s. w., auch die Entstehung von Krankheiten. Möglichst genaue und ausgebreitete Prüfungen der Wirkungsweise: verschiedener Nahriieer und Arzneimittel auf Gesunde und Kranke, Schliesslich macht Redner darauf aufmerksam, dass ‘der Verein bereits gebildet und der Zweck der Ansprache theils der sei, recht Viele der Anwesenden zum Beitritt zu veranlassen, damit der Verein wo möglich sein Netz über das gesammte deutsche Vaterland ausbreite, theils der, zu weiteren Besprechungen und Berathungen über die zweckmässigste Organisation des Vereines aufzu- fordern. Die Versammlung beschloss, dass. diese Berathung über den Verein in einer besonderen Sitzung stattfinden solle, welche auf den Nachmittag des 20. September festgesetzt wurde, 25 194 2. Prof. Rau von Bern hielt einen Vortrag über die Verfertigung neuer zweckmässiger Ohr- catheter, mit Vorzeigung derselben. Die bisher üblichen hätten viele Nachtheile; die fessten seinen wegen ihrer bestimmten Krümmung nicht immer zu gebrauchen; die elastischen müssten durch einen Leitungsdraht fixirt werden und würden beim Herausziehen desselben leicht dislocirt, abgesehen davon dass diess Ausziehen selbst unangenehm empfunden werden. Darum habe man in neuerer Zeit ver- sucht, Ohrcatheter von Gutta Percha zu verfertigen, habe sie aber aufgegeben, weil sie leicht brechen. Die Ohrcatheter, die den Gegenstand des Vortrags bilden, bestehn aus einer Seidenunterlage mit auf- geschmolzener Gutta-Percha-Masse ; ihre Fabrication ist niedergelegt in eine Inauguraldissertation von Clemens. Sie besteht kurz angegeben darin, dass man die in Guita-Percha-Lösung, «(Alkohol mit 01. Tereb.) getränkte Unterlage auf eine Strieknadel zieht, sie mit Gutta-Percha-Papier umwickelt, dasselbe über einer Spiritusflamme erweicht, dann rund walzt, und so mit Umwickeln, Erwärmen und Walzen fortfährt, bis der Catheter die gehörige Dieke erreicht hat; endlich giebt man ihm durch einen eingeführten Drath die nöthige Krümmung, während die Masse noch ziemlich weich ist. Solehe Catheter haben den Vortheil, dass sie dauerhaft sind, nicht die Krümmung verlieren, sich adaptiren lassen und „angenehm“ empfunden werden; vor allem aber den, dass man sich binnen 5 Minuten einen Catheter von jeder erforderlichen Form mit Leichtigkeit machen kann; auch zu Dou- schen lassen sie sich gebrauchen. Auch Nasencatheter der Fabrikation sind den silbernen vorzuziehen, nur ist die Anfertigung derselben schwieriger. Prof. Vogel bestätigte, dass die Anwendung dieser neuen Ohrcatheter leichter sei, als die der festen, und dass sie namentlich den wesentlichen Vortheil hätten, dass man sie ‘jederzeit im Caliber ändern könne. 3. Prof. Grinsinger von Cairo hielt eine Vorlesung über den Typhus in Aegypten, den er nicht nur als Beitrag zur geographischen Pathologie, sondern als eine Erweiterung der Basen vom Typhus überhaupt betrachtet wünschte. Nach einer einleitenden Bemerkung, dass abgesehen von der Pest der Typhus in Aesypten in 3 verschiedenen Formen vorkommt, von denen die eine unserem gewöhnlieben Typhus mit Infiltration der Peyer’schen Drüsen etc. entspricht, aber nur selten vor- konmt; die andere mit dem von den Engländern beschriebenen Typhusfieber die meiste Aenlichkeit hat, während die dritte eine noch unbekannte und sehr interessante Form bildet, ging er zur Be- schreibung dieser dritten Form über, die er das biliöse Typhoid nennt. Krankheitserscheinungen. Die Krankheit verläuft schnell, in 6—14 Tagen, unter stürmischen Fiebererscheinungen, mit dem äusseren Bilde des Typhus, aber unterschieden durch grossen Wechsel, mehr Schwankung, und gefährlichen Zwischenläufe. — Sie beginnt mit einen, einige Tage lang fort- dauernden, unbestimmten Symptomencomplex, Mattigkeit u. s. w., wie auch bei uns; zuweilen stei- gern sich Gliederschmerzen bis zum Bilde eines acuten Rheumatismus. Schon in diesem ersten Zeit- raum findet man eine Schwellung der Milz, aber nur sehr mässig. Seine Dauer ist von 5—6 Tagen. — Dann tritt die Krankheit ins zweite oder ‚‚Uebergangsstadium.‘“ Das Fieber steigert sich immer, stürmisch, mit grosser Apathie; das Sensorium wird ergriffen, Ohrensausen, Harthörigkeit, Taumel. Bei genauer Untersuchung findet man schon jetzt eine Localisation als Brouchialcatarrh, oder aber besonders als rasch eintretende Schwellung der Milz bis aufs dreifache und mehr. Die Milzgegend ist empfindlich, desgleichen auch andere Stellen des Unterleibs. Gegen Ende des Stadiums zeigt auch die Leber eine geringe Schwellung, es treten profuse biliöse Ausleerungen und ieterische Erscheinun- 195 gen ein, letztere ‚besonders sichtbar bei heller Haut. Hiermit schliesst das Uebergangsstadium und die Krankheit tritt ins ‚dritte oder eigentlich typhöse ein, das Prostation, Delirien, rissige Zunge, unwillkührliche Ausleerungen , kurz das ganze Bild des Typhus zeigt. Die Milz schwillt noch mehr, bis auf’s Sechsfache, ‘geht aber dann wieder zurück; die Leber schwillt ebenfalls ab. Es bilden ‚sich neue Localisationen in den Lungen (lobuläre oder lobäre Pneumonie); es treten leicht Blutungen ein, aus Nase oder Darm. Die Ausleerungen sind durch die ganze Krankheit meist diarrhöisch, seltener nicht; in einzelnen Fällen stellen sich sehr‘ profuse gallige Ausleerungen nach oben und unten ein, besonders im Uebergangsstadium. Der Urin ‚ist anfänglich schwach sauer, im zweiten Stadium schwach alkalisch mit Phosphat-Sedimenten; im dritten eiweisshaltig; gegen. Ende der Krankheit finden harnsaure Ausscheidungen statt. Im dritten Stadium sind besonders auffallend die Schwan- kungen des Verlaufs, die in rascher Steigerung des Fiebers und der Milzanschwellung und in eben so raschen Remissionen binnen wenigen ‚Stunden sich. zeigen. So kommt. der 7., 8., 9. Tag der Krankheit heran und es erfolgt entweder der ‘Tod durch Entkräftung, ohne von einem. einzelnen Organe bedingt zu sein, oder es erfolgt von der Brust aus, oder endlich. die Kranken erholen sich wieder und zwar verhältnissmässig schnell. An intercurirenden Krankheiten kommen vor Pneumonie, Pericarditis ete. Welches sind nun die anatomischen Veränderungen, die diesen Krankheitserscheinungen ent- sprechen? Diese Frage versuchte Griesinger aus 92. oder 93 Sectionen zu beantworten, indem er den Leichenbefund auf der Höhe der Krankheit mittheilte. .Das äussere Bild ist das der Zer- setzung (Petechien), bei geringer Abmagerung. Im Gehirn findet sich Blutarmuth der Häute bis zur Anämie; die Unterfläche der Dura mater zeigt eine dünne, schleimige Exsudatschichte ; die Gehirn- substanz ist ebenfalls blutarm, ziemlich fest, compact; oft zeigt die Pia mater grössere oder kleinere’ Extravasate, theils als kleine Fleckchen, theils über ganze Windungen verbreitet. Im Schlund findet sich Catarrh, Schwellung der Mandeln und Mucosa; oder Croup der Pharynxschleimhaut mit Schwel- lung und Eechymosirung unter der Pseudomembran. Im Larynx manchmal dasselbe Geschwür auf der hinteren Wand, wie bei uns; es entseht durch ‚Ablagerung einer ‚croupösen: Exsudation mit Schmel- zung der Schleimhaut darunter und dringt zuweilen bis ‚auf die Knorpel. Manchmal, setzt sich der croupöse Process bis in die Bronchien hinein fort; ein andermal: zeigen die Lungen nur den Befund eines Catarrhs; ausserdem findet man. häufig lobuläre und lobäre Pneumonie, ‚oder hypostatische Splenisation. Die Pleura ist häufig mit ausgebreiteten. Ecchymosen oder mit einer dünnen klebrigen Exsudatschichte ‚überzogen , wie bei den Gehirnhäuten. Denselben Befund gibt das Pericardium, sehr häufig sind beide Blätter eechymosirt, seltener finden sich pericardische Exsudate, eitrige, trockene, fleckige 'ete.;; die Muskeln des Herzens sind schlaff und. blass; das Endocardium ecchymosirt, in seltenen. Fällen: Fibrinablagerung auf den Klappen. Das Blut ist dunkel, weich geronnen, im. Herzen meist sehr wenig. enthalten; auffallend ist die starke Aufzehrung ‚des Btutes für die geringe Krank- heitsdauer. Die Leber ist häufig mit einer dünnen Pseudomembran bedeckt, die als weiche, dünne, gelbe Fibrinschichte oder in Flocken abgelagert ist (leichte beschränkte Peritonitis) ; im Volum meist etwas vergrössert, die Ränder stumpf, die Hälse prall'gespannt; die Farbe hell, gelb in verschie- denen Nüancen, butter-, eitronen-, bis orangefarben, durch. verdünnte Galle, durchweg oder an ein- zelnen Stellen (gallige Tränkung); das Gewebe blutarm, schlaff, weich „‚schlappie“; die Galle in der Blase reichlich, schwarz, tleerartig zähe, in (der Leber selbst hell und dünn. Die wichtigsten 235 196 und constantesten Veränderungen bietet die Milz dar, und zwar ohne Ausnahme. In einzelnen Fällen ist sie mit einer mässigen Exsudatschichte überkleidet, wie die Leber, immer aber findet sie sich sehr ansehnlich geschwollen und zwei- bis sechsfach vergrössert, nach allen drei Richtungen gleich- mässig. Nur selten, in 5—6 Fällen, blieb dieser acute Tumor die einzige Veränderung, mit Brüchig- keit und Trockenheit der Consistenz; in allen andern Fällen fand sich ausserdem noch eine sehr evidente Milzentzündung und zwar in doppelter Form, entweder als gewöhnliche entzündliche Infiltra- tion, oder als Entzündung mit vorzugsweiser Affection (Entzündung) der Malpighischen Körperchen. In letzterem Falle zeigte sie im Durchschnitt eine Anzahl disseminirter, 'unregelmässig zerstreuter, stecknadelkopf- bis senfkorngrosser Exsudatkörner von graugelber Farbe, die in früheren Stadien fest und mürbe, in späteren erweicht und vereitert waren, eine Anzahl disseminirter Abscesse bil- dend (weintraubenartig gruppirte Säckchen voll Eiter). Die Mesenterialdrüsen sind manchmal höchst bedeutend geschwellt, markig infiltrirt, oder schlaf, in Streifen ete. infiltrirt; ihre Schwellung, ihr Zustand sind unabhängig von den Veränderungen auf die Darmschleimhaut. Hier und da sind auch die Drüsen des Plexus lumb. und sacr. bedeutend geschwellt, mit Ecchymosen durchsetzt und eben- falls ohne Affection der Organe, aus denen sie die Lymphe führen; dies erinnert an den Befund der Pest. Der Magen ist oft gefüllt mit dickem, tiheerartigem Blut (erinnert an den Befund bei gelbem Fieber), zeigt hämorrhagische Erosionen; oder er ist sehr blass, mit röthlichem Schleime bedeckt; in einzelnen Fällen findet man Croup über die ganze Magenschleimhaut. Der untere Theil ‚des Dünn- darmes ist häufig der Sitz eines pathologischen Processes, entweder eines catarrhalischen mit blasser Anschwellung der Drüsen, oder eines croupösen, der sich nur auf das untere Ende beschränkt, oder über das ganze Ileum erstreckt, oft auch auf den Dickdarm fortsetzt, ausserdem grosse gallige An- sammlungen. Im Diekdarm findet man auch getropfte runde Flocken von croupösem Exsudat, mit der Mucosa verschmelzend, zum Theil ‚‚verschorft“, oder einen der Dysenterie ähnlichen Befund. Die Nieren sind meist geschwollen, schlaff, blass, weisslich-gelblich mit rosenrothen Streifen durchzogen, durch ihre Schlaffheit und Fettgehalt an die Veränderungen der Leber erinnernd; in ihren Becken Catarrh, Die Blase bietet keine constanten Veränderungen. Am wichtigsten aus dem Befund ist mithin die Theilnahme der ‘grossen Drüsen des Unterleibs (Leber, Milz, Nieren, Mesent.) an einem acuten Krankheltsprozess, in der Weise, dass sie in das ganze Leiden eingreifen. Unter ihnen ist die Milz der ursprünglichste und bedeutendste Heerd, sie zeigt constant die bedeutende Schwellung, und fast constant die Infiltration oder Entzündung der Malpighischen Drüschen. Dieses letztere Verhältniss stellt eine Verwandtschaft der Krankheit mit unserem Typhus her, bei dem die Peyerschen Drüschen afficirt sind, ein den anatomischen Unter- suchungen den Malp. Drüsen völlig identisches Gebilde (Kölliker). Als weiteren Beweis für die Haupt- theilnahme der Milz kann man die ausserordentlich rasche Verzehrung der Blutmasse gelten lassen, die in der Milz zu Grunde ginge und auch die abnorme Gallenbildung erklärte; doch das sind nur Hypothesen. Behandlung. Die gewöhnliche, symptematische, ergab schlechte Resultate. Als nach den ersten 12 Sectionen sich das constante Leiden der Milz herausgestellt hatte und zum Gebrauch des Chinin aufforderte, war das rechte Mittel gefunden. Die schwersten Fälle liessen sich binnen 36—48 Stun- den in gefahrlose umwandeln und bald trat die Convalescenz ein. Die Milz schwoll rasch wie beim Wechselfieber ab und damit zugleich verloren sich die übrigen bedrohlichen Erscheinungen. Wenn 197 man das Chinin ganz im Anfange der Krankheit giebt, so schneidet es dieselbe weder ab, noch verkürzt es sie; sie verläuft, obgleich geschwächt, doch fort und fort und schien manchmal‘ sogar schleppender. Aber wahrhaft wunderthätig wirkt es in der Höhe der Krankheit. Die Dosis ist von 15-24 Gran täglich, ingetheilten Gaben von 3—4 gr. Wenn es ausgebrochen wird, kann man es mit dem besten Erfolg als Clystier geben, und‘in der letzten Zeit fand Griesinger die Verbindung des äusseren Gebrauchs mit dem’ inneren am hülfreichsten. Nothwendig ist noch, vor dem Gebrauch des ‚Chinin die vorhandenen galligen Ansammlungen im Dünndagm mit Sal amarum abzuführen. Auf die Frage von Prof. Heyfelder, in welchem Stadium der Epidemie Griesinger die Be- handlung mit Chinin angefangen habe, ob nicht, als sie dem Erlöschen nahe war? erwiederte Grie- singer, der Typhus habe nicht eigentlich als Epidemie, sondern während zwei Jahren ununterbrochen geherrscht, nur zeitweise fallend, zeitweise stehend, letzteres besonders im Winter. Hofrath Röser von Bartenstein machte die Bemerkung, dass das in Kleinasien herrschende gelbe Fieber ebenfalls dem Chinin weiche, wozu.Griesinger hinzufügte, dass dies vielleicht die- selbe Krankheit sei, wenigstens habe ‘er in Damiette sogenannte gelbe Fieber gesehen, die aber lange nicht „‚westindisch“ waren, sondern der von ihm beschriebene Typhus. Geh. Rath Alertz von Rom giebt an, dieselbe Krankheit als Febr. nery. typhoides in Rom mit Chinin glücklich ‘behandelt zu’ haben, weiss ‚aber von der Milz ausser Vergrösserung nichts bestimm- tes anzugeben, woraus Griesinger schliesst, dass es nicht seine Form sei. Staatsratı Spörer von Petersburg giebt eine Beschreibung des dort: vorkommenden Typhus ieteroides. Derselbe beginnt lange’ zuvor mit grosser Benommenheit und Abgeschlagenheit, später findet sich Milztumor, ieterische Färbung über die ganze Haut, gallig gefärbter Harn durch die ganze Krankheit. Die Section ergiebt ebenfalls‘ Anämie des Gehirns und der übrigen Organe, Ge- schwüre der Epiplottis, vor allem aber einen entzündlichen Zustand des Pfortarersystems und bedeu- tende Milzanschwellung, jedoch ohne Entzündung. Das Chinin hat in den schwersten Fällen nicht genützt, besser wirken Säuren, am besten Chlorwasser und in der Convalescenz salzsaures Eisen. Prof. Naumann von Bonn berichtet über zwei seltene Fälle von Typhus, die in demselben Jahre vorkamen, mit sehr wenig ausgeprägtem Darm und Brustsymptomen, dagegen mit frühzeitigen und ausgezeichneten Gehirnerscheinungen. Der Urin war fast durch die ganze Krankheit albuminös. Die Percussion der Milz ergab nur wenig Resultate, obgleich beide Kranke früher am Wechselfieber gelitten hatten. Sie starben nach einer rein exspectativen Behandlung unter zunehmendem Coma, der eine mit Erscheinungen des Mb. Brighti. Bei beiden fand sich eine ödematöse Infiltration der Beine bis über die Knie, und abgesehen vom übrigen Befund, Oedem der Milz. Dieselbe war vergrössert, bleich, ohne Spur von Entzündung, entleerte beim Druck eine Menge gelblich gefärbten Wassers. und zeigte dann ein blutloses flaxes Gewebe. Auf die Frage, ob die von Griesinger beschriebene Form nicht übereinstimme mit der Form, welche die Franzosen in Algier ebenfalls mit Chinin behandeln, bemerkt: Griesinger, dass sein ägyptisches biliöses Typhen allerdings Analogieen mit vielen anderen Krankheitsformen habe, z. B. mit dem Oberschlesischen Typhus von 1843, mit dem Prager Typhus von 1849 und 1850, mit den afrikanischen Fiebern, mit den amerikanischen; aber eine Identität sei nur dann anzunehmen, wenn derselbe Leichenbefund constatirt werde, d.h. die eigenthümliche Milzentzündung und der weitver- breitete croupöse Process, und dieses sei seines Wissens noch nirgends: mitgetheilt. 198 4. Der Präsident der Sitzung, Medicinalrath Dr. Gröser von Mainz beschloss dieselbe mit folgendem Vortrag: H. H. Als ich mir erwog: ob ich mir erlauben solle, nachfolgende flüchtig niedergeschriebene und nichts Unbekanntes enthaltende Worte an Sie, H. H., zu richten, begegnete mir zufällig Göthe’s Aeusserung: „Man muss sein Glaubensbekenntniss von Zeit zu Zeit wiederholen, aussprechen, was man billgt, was man verdammt, der Gegentheil lässt’s ja auch nicht fehlen.‘ Diese Mahnung befestigte meingn noch zweifelhaften Vorsatz — und so unterstelle ich denn einige Bemerkungen über die Medicin Ihrem gewichtigen Urtheile, dieselben Ihrer gütigen Nachsicht anempfehlend. e Mit dem Wunsche, einst Krankenhülfe gewähren zu können, begann ich vor 50 Jahren, ver- trauungsvoll in die Macht der Medicin, das Studium derselben. Ihr erstes Kapitel, die Anatomie, bot des Augenfälligen, Gewissen und Anziehenden zur völligen Befriedigung dar. Die Physiologie aber liess schon jene Ungewissheit und Meinungsverschiedenheit wahrnehmen, die demnächst in allen medieinischen Disciplinen sich kund gab und des Jünglings zuversichtlichen Glauben wankend machen musste. » Nun führte der Weg ans Krankenbett, welches vorzugsweise die Gültigkeit der übernommenen Vorschriften beurkunden sollte. Allein langer Zeit bedurfte es nicht, um einzusehen, dass in Beur- theilung gegebener Krankheitsfälle, in der Feststellung eines ihnen angemessenen Heilverfahrens, in der Erklärung der Wirkung der Arzneimittel u. s. w. nichts weniger, als Uebereinstimmung bestehe, ja, dass mıan selbst von dem Begriffe Krankheit im Allgemeinen noch sagen könne, was Augustinus einst von der Zeit sagte: „wenn man mich nicht fragt. so weiss ich, was sie ist. wenn ich aber Jemanden erklären soll, was sie ist, so weiss ich es nicht,“ Diese Ungewissheit und Verschiedenheit der Ansichten bestätigte sich mir denn auch in einer hierauffolgenden unter den mannigfaltigsten Verhältnissen mehrere Jahrzelinte hindurch fortgesetzten Ausübung der Medicin, in stetem Umgange mit einer grossen Anzahl von Faclgenossen, in dem Erlebnisse einer Reihe aufeinanderfolgender medicinischer Systeme: Humoralpathologie, antigastrische Methode, Brownianismus, Erregungstheorie, Contrastimulus, Broussaisismus, Homöopathie, Hydropathie, physiologische Mediein u. s. w. Wahrlich , ein solcher Erfahrungskreis, den gleich mir so viele durchwandert haben, sollte uns vor jeder Selbstüberschätzung warnen und Bescheidenheit anempfehlen. Begegnen wir aber solcher in den mehrsten Werken über Arzneiwissenschaft? Ausnahmen bereitwillig anerkennend, so muss man doch bekennen, dass in vielen derselben übermüthiger Dünkel herrscht, einseitiger Dogmatismus, lästige Weitschweifigkeit, falsche Erfahrung, lächerliche Cama- radera, und nicht selten eine Sprache, die uns einer babilonischen Verwirrung entgegen führt. „Nehmt, sagt ein geistreicher Schriftsteller, aus solchen Büchern weg, was nur Meinung, Un- gewissheit, System, Vermuthung, Streitigkeit, Träumerei, Hirngespinst, Lästerrede ist, und ihr werdet eine sehr bescheidene Bibliothek haben.‘ Diesen Unvollkommenheiten ungeachtet sind dennoch so viele rechtliche, erfahrene Aerzte selbst von dem wirklichen Nutzen der Mediein auf’s innigste überzeugt. Worauf gründet sich wohl diese Ueberzeugung? Zum Theil schon auf die tägliche Wahrnehmung, dass die Gegenwart des Arztes für sich allein dem Kranken eine Beruhigung, einen Trost gewähren 199 kann, der für ihn von dem wohlthätigsten Einflusse sein muss. Welcher beschäftigte Arzt hat nicht vielfältig Gelegenheit gehabt, wahrzunehmen, mit welchem zuversichtlichen, oft rührendem Vertrauen Kranke seiner Ankunft entgegenharrten, seiner Gegenwart sich erfreuten ? „Wunderbar, sagte mir ‚einst ein an Hypertrophie des Herzens und aller deren traurigen Folgen in höchstem Grade Leidender, wenn ich Sie von Weitem kommen sehe, so mindert sich schon meine Beängstigung, meine Brustbeklemmung und ich fühle mich erleichtert.“ Wie viel Aehnliches könnte ich anführen, wäre ich nicht überzeugt, dadurch nur Weiterfahrenen Allbekanntes zu wiederbolen. Diess ist fürwahr schon eine der schönsten Seiten des ärztlichen Wirkens, ein tadelloser Bürge seines wohlthätigen Einflusses, und Lamartine hat Recht, wenn er sagt: „La volonte de soulager est par elle m@me une puissance qui soulage. Un medecin doit eire bon, c’est plus de la moitie de son genie. Hierzu kommt nun ferner die durch die nüchternste Beobachtung getragene Erfahrung, dass das Krankenbett Fälle darbietet, in welchen die Hülfe der Medicin augenfällig ist. Niemand der. Gelegenheit hatte, viele Kranke zu beobachten, wird läugnen können, dass z. B. die langwierigsten gänzlich vernachlässigten Wechselfieber, dass die gefährlichsten Croupanfälle, dass augenblickliche Lebensgefahr drohende Blutflüsse, niederschmetternde Schlaganfälle, die höchsten Grade der Bleichsucht, die Sypilis mit allen ihren scheusslichen Folgen u. s. w. durch ärztliche Hülfe oft so gewiss beseitigt wurden, dass man von dem eigensinnigsten Sceptieismus beherrscht sein müsste, um die Thatsache zu läugnen. Wenn nun aber anerkannt werden muss, dass ärztlicher Beistand in gewissen Fällen sich hülf- reich erweisen könne, so wird man zugestehen müssen, dass dasselbe auch in noch andern Fällen stattfinden könne. Hierauf und auf die allgemein bekannte Thatsache, dass es Dinge giebt, welche nützlich und andere Dinge giebt, welche schädlich sind, gründet sich schon folgerecht — abgesehen von allen gelehrten Beweisen — des Arztes Vertrauen in die Möglichkeit seiner Hülfe und sein Streben immer mehr, seiner Wirksamkeit zugängiger Fälle aufzufinden. Bei solchen Forschungen müsste aber der Arzt der allergewöhnlichsten Beobachtungsgabe er- mangeln, sollte er nicht erkennen, dass dem Organismus das Vermögen inne wohnt, von vielen, mitunter sehr schweren körperlichen Störungen selbstthätig auf den Normalzustand zurückzukehren, ein Faktum, welches sich täglich bewährt. Es mangelte daher auch unter den Aerzten nie an Bekennern und Verehrern der Naturheilkraft. Die Mehrheit derselben jedoch war von den herrschenden Systemen so befangen, dass in gegebenen Fällen die Frage: was man von der Natur erwarten dürfe? nur allzuoft umgangen und unbedenklich die Hülfe der Kunst in Anspruch genommen wurde. Daher denn jene Menge der verschiedenartigsten mitunter sich geradezu widersprechenden Heilarten. Kein treflenderes Beispiel des Gesagten giebt es, als das ärztliche Verfahren im Typhus seit den letzten 50 Jahren, wo man nacheinander der Säften- fäulniss durch entleerende Mittel, Campher, China, Säuren, dann dem Schwächezustand, der Asthenie durch edle Weine, Reizmittel aller Art (Phosphor nieht ausgenommen), hierauf dem entzündlichen Zustande des Hirns durch Blutegel und Aderlässe, dann wieder der Bildung der Darmgeschwüre durch Quecksilber zu begeguen suchte ete., und alle diese so mannigfalligen Behandlungsweisen 200 rühmten sich mit zuversichtlicher Sprache: ‘treuer Beobachtung, wissenschaftlicher Pe und nicht selten der Abkunft von hochgefeierten ‘Männern. = Wird man da nicht an jenen Advocaten erinnert, der zu Venedig vor den Rathsherrn sagte: „Eure Excellenzen haben im vergangenen Monate also geurtheilt, in diesem Monat aber haben Sie in derselben Sache ganz entgegengesetzt geurtheilt, ma sempre bon! immer gut.“ Und was hat sich als Resultat von allem Dem ergeben? "Wohl nur‘, dass uns das Wesen des Typhus gänzlich unbekannt ist, die Genesung von demselben im Allgemeinen von «der Naturthätigkeit erwartet werden muss und diese nur durch Bekämpfung einzelner besondere Gefahr drohender Ver- hältnisse , so wie durch Anordnung eines zweckmässigen Verhaltens unterstützt werden kann. Gewiss aber findet in vielen Krankheiten ganz dasselbe statt und würde man immer am Kranken- bette erwägen, was die Natur vermag und ob sie wirklich der Kunsthülfe bedürfe, so würde unser Heilverfahren einfacher, minder lästig und heilsamer sein und mit Guy Patin würden wir IERHRDEn: „ad bene medendum, quam parca sed selecta et probata remedia!‘ Treffend sagt Kant: ,‚die negative ‘Arzneiwissenschaft ist der höchste Gipfel der Mediein. Es gehört dazu Selbstüberwindung des pedantischen Stolzes, ‘wo ein Jeder mehr seine Geschicklichkeit zu zeigen sucht, als dem Kranken zu helfen.‘ Wenn wir aber auch noch so zuversichtlich in die Heilkraft der Natur vertrauen, so giebt es doch der Fälle gar viele, in welchen ihr Unvermögen zu beklagen ist und es uns obliegt, Wege aufzusuchen, welche zu einem bessern Resultate führen.‘ Hiebei unterstützen uns ausser treuer Beobachtung und dem günstigen Zufalle, Versuche und die Ergebnisse der Wissenschaft. Versuche können zur Erweiterung der Medicin nicht entbehrt werden. Inhaltschwer mahnen uns “ aber zwei Worte des Hippocrates: „‚experimentum periculosum‘“ — der Versuch ist gefahrvoll. Für wen ist er’s? Für den, der mit vollem Vertrauen in unsere Kenntnisse, in unsere. Recht- lichkeit sich, d. h. die Herrschaft über, seine ganze Person unserer Pflege übergeben und der mit Recht entrüstet wäre, wenn er denken könnte, der Gegenstand leichtsinniger Versuche zu sein; und dennoch kommt dergleichen vor. 'Erklärte doch im vorigen Jahre in der Sitzung einer ausgezeich- neten gelehrten ‚Gesellschaft ein Arzt: ,‚Da die pathologische Anatomie der gummatösen Geschwülste noch so wenig bekannt sei, weil sie bei der Behandlung so schnell vergingen, dass man keine Ge- legenheit zur Untersuchung derselben finde, so habe er die Vorsicht getroffen, bei Uebernahme solcher Kranken für's Erste die Geschwülste abzutragen und demnächst erst die antisyphilitische Behandlung eintreten zu lassen.‘ „Ja! — sagt der Erzähler dieses Factums — es ist peinlich einzugestehen, und doch muss man es im Interesse der Standeswürde und vor Allem im heiligsten, Interesse der Kranken, dass 'bei einigen sonst ehrenwerthen Aerzten die’ Achtung gegen den unglücklichen Leidenden merklich gesun- ken ist und die beklagenswerthe Gewohnheit des Experimentirens‘ solche. Aerzte hinsichtlich. ihrer wahren Obliegenheiten erblinden lässt und zum Vergessen ihrer Pflichten verleitet.“ Dessen sollte man am Krankenbette stets eingedenk sein’ und daher vor allem die Gründe, worauf sich Versuche stützen und die Glaubwürdigkeit: jener, welche sie hervorgerufen haben, ernst- lich prüfen, damit wir nicht, wo man Nutzen von uns erwartet, Schaden bringen und uns Jenen beigesellen, von welchen der geistreiche Vig. d’Azir einst sagte: „‚Wor Allem: beseitige man vom Krankenbette jene Tollkühnen, die von ihrer Einbildung beherrscht, Versuche und Systeme wechselnd, 201 bald Blut in grossen Strömen vergiessen, bald feuerentzündende Mittel verschwenden, ein andermal in gänzlicher Unthätigkeit verharren und aus allem diesem Resultate ziehen, welche sie ihre Ent- deckungen nennen.‘ Man wird mir nun vielleicht verargen, noch so wenig von der Wissenschaft, ihren Leistungen und Fortschritten, ihrem grossen Einflusse auf die Medicin erwähnt zu haben und wird desshalb vielleicht Geringschätzung derselben von meiner Seite unterstellen. Diess wahrlich im Unrecht! Ich betheuere entgegengesetzte Gesinnungen, allein in eine kurze Zeitstrecke gegenwärtig eingeengt, kann ich nur unumwunden bekennen, dass nach meiner Ueberzeugung die Stellung des Arztes, wel- cher sich der Aufgabe unterzogen hat, Kranken Hülfe zu spenden, und dessen, der sich ausschlies- send der Kultur der Wissenschaft gewidmet hat, ein verschiedener ist. Diesem ist es vergönnt, in stiller Zurückgezogenheit, bei begünstigender Geistesstimmung, beim Schein der nächtlichen Lampe seinen Forschungen obzuliegen, die Objecte derselben, gleichwie zu enträthselnde Münzen hin und her zu wenden, deren Betrachtung nach Belieben zu verändern u. s. f., während jener zu einem unverzüglichen Handeln berufen ist, von welchem des ihm gegenüberstehen- den ebenbürtigen und brüderlichen Subjectes Wohl und Leben abhängt und bei welchem nebst der Stimme -des Verstandes und des Wissens auch die des Gemüthes und des Gewissens ihre Rechte haben, für ihn besteht die Nothwendigkeit, in jener Vereinigung der rationellen und empirischen Methode, die Baco als eine gesetzliche und unauflösliche Ehe bildlich bezeichnet, seinen Hort und am Krankenbette in geprüfter Erfahrung seinen Leiter zu finden; gleichwie der gefeierte Reil in ähnlicher Lage seinen Schülern sagte: „‚Jetzt, meine Herren, müssen wir unser System vergessen und uns dessen wie von einem Sonntagsrocke entkleiden.‘ Nun hat man zwar in unsern Tagen sich grösstentheils nicht mehr der Herrschaft eines beson- dern medicinischen Systems unterworfen, dagegen haben einzelne Hülfswissenschaften, Physiologie, Microscopie, organische Chemie, pathologische Anatomie sich berechtigt erachtet, die Aera einer neuen Mediein zu proclamiren und die älteren in Ungnade zu verabschieden, obgleich die wichtigsten physiologischen Lehren, der Zweifel und Widersprüche noch voll sind, und Maximus in Minimis das Wesen noch keiner Krankheit erspähet, die organische Chemie ‚noch keine nichtgeweinte Zähre vorgezeigt hat und kein praktischer Arzt bestimmen wird, dass die pathologische ‘Anatomie alles enthalte, was es an positivem Wissen in der Medicin giebt. Da nebstdem die ernste Frage sich uns aufdrängt,, was wohl, wenn unsere an Controversen so reiche Zeit wieder einen Schritt vorwärts gesetzt hat, von den dermaligen Ansichten noch Geltung haben würde, so fühlen wir uns zwar gern verpflichtet, das Streben jener hochachtbaren Männer, welche die genannten Fächer cultiviren, auf’s Ehrendste und Dankbarste anzuerkennen, auch so viel immer unsere Verhältnisse verstatten, an den Leistungen derselben uns zu betheiligen,, können aber in ihnen unsere Lehrer am Krankenbette durchaus nicht anerkennen; können nicht durch den oft so schnell erlöschenden Schimmer jedes Neuen uns zu voreiligem Handeln verleiten lassen; können nicht die von so vielen vortrefflichen Vorgängern auf uns vererbten Erfahrungen rathlos Preis geben, als sei die Frucht einer mehr als tausendjährigen Erfahrung der vorzüglichsten Aerzte einer tauben Nuss zu vergleichen, und können nicht zugeben,.dass man die Medicin nur nach dem beurtheile, was sie nicht vermag, ohne des vielen Guten zu gedenken, was sie wirklich leistet. 26 202 Unter solchen Verhältnissen ist es gewiss beklagenswerth, dass dem Wirken des praktischen Arztes am Krankenbette selbst von Wissenschaftsverwandten oft eine so verletzende Geringschätzung zu Theil wird, die Auri sacra fames nicht selten als vorzügliche Richtung der Mediein bezeichnet und sogar pflichtvergessen behauptet wird, ‚‚die Medicin habe sich nicht um die Erfolge der Therapie zu bekümmern.‘“ Solche Aeusserungen kann der wahre Arzt nur als beklagenswerthe Verirrungen anerkennen und, erfüllt von der Würde seines Berufes, mit Entrüstung zurückweisen! Er wird durch solche Urtheile weder seines moralischen Werthes, noch der Ueberzeugung seiner Gemeinnützigkeit sich verlustig erkennen und wird mit aller Hingebung auch fernerhin seinen leidenden Mitbrüdern Trost, Beistand und überhaupt jene Hülfe bringen, welche das beschränkte menschliche Wissen verstattet und in deren treuen Ausübung er den Zweck und die edelste Aufgabe seines Lebens erkennet. Möge dieser mein lauterer Herzenserguss mir ein freundliches Andenken von Ihnen bewahren! Als Medicinalrath Gröser seinen Vortrag geendet, dankte ihm die Versammlung mit schallen- dem Bravo und Applaus. Am Nachmittage des 20. September versammelte sich dem am Morgen gefassten Beschlusse ge- mäss im Sitzungssaale eine Anzahl von Mitgliedern zur Berathung des von Prof. Vogel gestellten Antrages. In Folge der in dieser Sitzung gepflogenen Verhandlungen, an welchen sich vorzüglich Dr. Göschen, Prof. Krahmer, Dr. Beneke und Prof. Vogel betheiligten, constituirte sich der Verein förmlich, es wurde eine gedruckte Aufforderung so wie ein vorläufiger Entwurf der Statuten unter die in Wiesbaden anwesenden Aertzte vertheilt und viele derselben treten dem Verein als Mit- glieder bei. Von Dr. Beneke in Hannover ist der Redaction folgender Aufsatz betreffs der Gründung dieses Vereins in Wiesbaden zugegangen. In Folge der von Dr. Beneke in Hannover in dessen Arbeit: „‚Unsere Aufgaben. Ein Versuch zur Anbahnung gemeinschaftlicher Arbeiten für dle rationelle Heilkunde. 1852“, gemachten Propo- sition, einen Verein von Aerzten zu bilden, der nach bestimmter Methode bestimmte der wissen- schaftlichen Heilkunde vorliegende Fragen zu bearbeiten bezwecke, trat am 22. September eine An- zahl von Mitgliedern der Versammlung zur Berathung des Gegenstandes zusammen. Prof. Vogel hatte an demselben Tage in der medicinischen Section bereits darauf aufmerksam gemacht, dass ein Verein für gemeinschaftliche Arbeiten in der Bildung begriffen sei, und hatte zur Theilnahme an demselben aufgefordert. Die Versammlung sprach sich jedoch dahin aus, dass man erst ein Näheres über Zweck und Aufgabe des Vereins zu erfahren wünsche, bevor der Gegenstand zur Discussion gelangen könne. Es fanden demnach neben vielen Privatunterredungen am 20. und 21. September im Locale der medicinischen und physiologischen Section Specialsitzungen statt und, wiewohl sich manche Herren gegen das beabsichtigte Unternehmen aussprachen, fand dasselbe doch bald hin- reichende Unterstützung, um zur Hoffnung der Ausführbarkeit zu berechtigen. Prof. Dr. Vogel von Giessen, Prof. Dr. Nasse von Marburg und Dr. Bleneke von Hannover wurden mit der Abfassung 203 eines kurzen Programms und eines Statutenentwurfes des zu bildenden Vereins beauftragt. Beide wurden am 23. September bereits den Mitgliedern der Versammlung mitgetheilt. Das Programm lautet folgendermassen: Die ausserordentlichen Fortschritte, welche in den letzten Decennien die Physik, Chemie, Histio- logie, Physiologie ete. gemacht haben, konnten nicht verfehlen, auch auf die practische Medicin einen bedeutenden Einfluss auszuüben. Sie mussten bei Allen, denen der Fortschritt der wissen- schaftlichen Heilkunde am Herzen liegt, den Wunsch hervorrufen, dieselben Methoden, welche in den eigentlichen Naturwissenschaften von so grossen Erfolgen begleitet waren, auch auf die Medicin anzuwenden und die letztere allmälig zu einer exacten Wissenschaft zu machen. Es fehlte nicht an Versuchen, diesen Wunsch zu verwirklichen und wir besitzen bereits eine Menge schätzenswerther Leistungen in der genannten Richtung. Manche jedoch, welche diesen Weg eingeschlagen und seit Jahren verfolgt haben, fühlten auf’s Lebhafteste, wie ausserordentlich schwierig ein solches Unternehmen ist, wie ungeheuer gross die Aufgabe den Kräften des Einzelnen gegenüber erscheint — denn darüber sind so ziemlich Alle einig, dass nicht durch einzelne glänzende Ent- deckungen, sondern nur durch fleissiges Beobachten und Untersuchen einzelner Fälle nach allen Richtungen , sowie durch Herstellung einer massenhaften Statistik das Ziel erreicht werden könne. Wir fassten zu diesem Zwecke den Plan, das, was für den Einzelnen so schwierig ist, durch ein gemeinsames Arbeiten leichter zu machen , und wie bisher schon öfters zwei und mehr For- scher sich zu gemeinschaftlichen Arbeiten in den Gebieten der Chemie, Physiologie und Pathologie vereinigt haben, — so eine grössere Vereinigung von bisher vereinzelt wirkenden Kräften zur ge- meinsamen Förderung der praktischen Medicin zu bilden. Als Vortheile einer solchen Vereinigung glauben wir hauptsächlich folgende bezeichnen zu dürfen: 1) Gegenseitige Anregung der Theilnehmer durch schriftlichen und mündlichen Verkehr; 2) Gemeinschaftliche Feststellung der zunächst zu bearbeitenden Aufgaben, sowie der zu ihrer Lösung einzuschlagenden Wege; 3) Erleichterung der Arbeiten durch Arbeitstheilung und gegenseitige Unterstützung bei der Arbeit selbst; 4) Bildung eines gemeinschaftlichen Mittelpunktes, der vereinzelte Arbeiten aufnimmt und auf gestellte Fragen Auskunft ertheilt. Als Aufgaben, deren Lösung wir uns zunächst vorgesetzt, bezeichnen wir vorläufig : Untersuchungen über den Stoffwechsel im gesunden und kranken menschlichen Körper: über Urin, Faeces, Verhältniss der Einnahmen und Ausgaben des Körpers -— Veränderungen des Blutes ete. Möglichst genaue Feststellung der Methoden zur anatomisch-physikalischen Krankheitsuntersuchung: (Maas, Gewicht, Grösse, Lage einzelner Organe). Untersuchungen über Krankheitsursachen, Einfluss von Klima, Witterung, Beschäftigung u. s. w. auf die Entstehung von Krankheiten. Möglichst genaue und ausgebreitete Prüfungen der Wirkungsweise verschiedener Nahrungs- und Arzneimittel auf Gesunde und Kranke. Möglichst genaue und zahlreiche klinische Untersuchungen einzelner Krankheitsformen und Krank- heitsfälle und statistische Zusammenstellung der Resultate. Bereits haben namhafte medicinische Schriftsteller und praktische Aerzte mündlich und schriftlich 26 * 204 ihre Zustimmung zu dem Unternehmen erklärt, wir haben nach sorgfältiger Besprechung vorläufig die (beiliegenden) Statuten entworfen und erlauben uns, Sie zur Theilnahme an unserem Verein aufzu- fordern. Im Falle Ihrer Bereitwilliekeit bitten wir Sie, an einen der Unterzeichneten sich gefälligst schriftlich über folgende Puskte erklären zu wollen: 1) Wollen Sie sich an unserem Verein im Allgemeinen betheiligen: durch Zahlung eines jährlichen Geldbeitrages, durch allgemeine Förderung seiner Zwecke, Zuführung von Mit- gliedern ? 2) Wollen Sie sich an den wissenschaftlichen Untersuchungen des Vereines bethei- ligen durch Uebernahme einer bestimmten Aufgabe, die ganz Ihrer Wahl überlassen bieibt? Wir bemerken schliesslich, dass als Organ des Vereines eine Zeitschrift (Archiv) nächstens ins Leben treten und eine noch speziellere Darstellung unserer Pläne, Vorschläge und Vereinbarungen über die bei den Untersuchungen zu befolgenden Methoden etc. bringen wird. Im Namen des Vereins für gemeinschaftliche Arbeiten zur Förderung der wissenschaftlichen Heilkunde. Wiesbaden, den 20. September 1852. f Dr. Jul. Vogel, Dr. H. Nasse, Professor der Mediein und Director der Professor der Physiologie medicinischen Klinik in Giessen. in Marburg. Dr. F. W. Beneke, praktischer Arzt in Hannover. Die Statuten waren in folgender Weise zusammengestellt: Entwurf der Statuten des Vereins zu gemeinschaftlichen Arbeiten für die wissenschaftliche Heilkunde. $. I. Es ist eine Anzahl von Aerzten zu dem Zwecke zusammengetreten, Aufgaben der wissen- schaftlichen Heilkunde gemeinschaftlich zu bearbeiten. $. 2. Der Verein führt den Namen: „Verein zu gemeinschaftlichen Arbeiten für die wissenschaftliche Heilkunde.“ $. 3. Die Aufgaben sollen durchaus eine directe Beziehung zur praktischen Heilkunde haben; sie sollen sich daher auf kein bestimmtes Gebiet derselben beschränken. $. 4. Die einzelnen Mitglieder des Vereins wählen sich selbst ihre Aufgaben; es soll jedoch alljährlich eine Reihe von Fragen aufgestellt werden, deren Beantwortung als besonders wünschens- werth erscheint. $. 5. Bei der Lösung der Aufgaben soll, so weit es möglich ist, eine bestimmte Methodik der Untersuchung eingehalten werden; es sollen vor Allem gleiche Maasse, Gewichte u. s. w. benutzt werden. Für die Bearbeitung einzelner Krankheitsbeobachtungen und Sectionsbefunde wird die Zu- grundlegung gemeinschaftlich festgestellter Schemata als wünschenswerth erachtet. $. 6. Mitglied des Vereins ist Jeder, der thätigen Antheil an den Arbeiten nimmt oder den Verein durch einen Geldbeitrag von mindestens einem Thaler jährlich unterstützt. $. 7. Die Geschäftsführung des Vereins wird von einem Vorstande und einem Secretär besorgt. $. 8. Findet sich eine grössere Anzahl von arbeitenden Mitgliedern, so sollen zur Erleichterung Beer 205 des wissenschaftlichen Verkehrs Fachsectionen, zur Erleichterung des geschäftlichen und persön- lichen Verkehrs Localsectionen gebildet werden. Jede derselben wählt sich aus ihrer Mitte einen Vorstand. $. 9. Für die Publication der vom Vereine ausgehenden Arbeiten wird ein Archiv eröffnet, welches in zwanglosen Heften erscheint. $. 10. Die Redaction des Archiv’s liegt dem Secretär des Vereins ob. $. 11. Das Archiv enthält neben den wissenschaftlichen Mittheilungen einen Anhang „Vereins- Nachrichten“, die den Bestand des Vereins, die zur Zeit in Angriff genommenen Arbeiten, Personal- veränderungen u. s. w. zur Kenntniss der einzelnen Mitglieder bringen. $. 12. Neben dem schriftlichen Verkehr hält der Verein wo möglich alljährlich ein- oder zwei- malige Zusammenkünfte, zu deren einer den Ort der „Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte‘‘ bestimmt wird. $. 13. Zur Deckung der Correspondenzkosten, geschäftlicher Auslagen, der Druckkosten für zu vertheilende Schemata, Unterstützung wissenschaftlicher Untersuchungen u. s. w. erlegt ein jedes Mitglied jährlich einen Thaler. Die Einkassirung dieser Beiträge wird von dem Secretär des Vereins, resp. dem Vorstande einer jeden Localsection besorgt und alljährlich Rechnung darüber abgelegt. Gegen 30 Mitglieder der medieinisch-physiologischen Section erklärten bereits schon während der Dauer der Versammlung ihren Beitritt zum Verein. Die Fortführung der Geschäfte wurde den obengenannten drei Herren übertragen. *) Zweite Sitzung. Dienstag, den 21. September. Präsident: Professor Dr. Heyfelder von Erlangen. Seceretär: Medicinalrath Dr. Haas von Wiesbaden. Von Druckschriften wurden übergeben: des Geheimen Hofraths Hauck Tagebuchblätter. Berlin 1852. 1. Zuvörderst hielt Dr. Schultz von Deidesheim einen kurzen Vortrag über den günstigen Erfolg von Collodiumbestreichungen bei gichtischen Gelenkanschwellungen und ‚machte sodann auf die Wirksamkeit des Pyrethrum romanum bei Wechselfieber aufmerksam. 2. Hierauf zeiste Dr. Schmalz von Dresden mehrere der von ihm zur Untersuchung des Ohres u. s. w. erfundenen Instrumente vor und erläuterte deren Anwendungsweise. 3. Prof. Dr. Heyfelder von Erlangen bemerkte sodann über den Liquor hz#mostaticeus Pagliari Folgendes: M. H. Ihnen sind aus der Pariser Gazette medicale die Resultate bekannt, welche Prof. Dr. Sedillot von der Anwendung der Pagliari’schen Flüssigkeit als blutstillendes Mittel erhalten, das dadurch constituirt wird, dass acht Unzen Benzo@harz, ein Pfund Alaun und zehn Pfund Wasser sechs *) Während des Druckes dieser Berichte erfahren wir, dass der Verein bereits 95 Mitglieder zählt; dass das erste Heft des von ihm zu publieirenden „Archivs“ bereits im März d. J., und dass neben dem Archiv ein Cor- respondenzblatt für die Vereins-Mitglieder erscheinen wird, welches achtwöchentlich über die Fortschritte des Vereins, die von ihm gestellten Aufgaben, seine Arbeiten u. s. w. berichtet. — 206 Stunden lang in einem gut glasirten irdenen Gefässe unter stetem Umrühren gekocht, nachher filtrirt und in wohlverschlossenen Kristallgläsern aufbewahrt werden. Ich habe die nach dieser Vorschrift bereitete Flüssigkeit in einer grösseren Anzahl Fälle von parenchymatöser Blutung und bei Blutungen aus grösseren Gefässen angewendet, aber nicht die gün- stigen Wirkungen, wie unser anwesender College Sedillot wahrgenommen, der unmittelbar nach mir das Wort über diesen Gegenstand nehmen wird. Im Allgemeinen möchte ich sagen, dass es mir nicht mehr als das Eiswasser geleistet, indess auch niemals nachtheilig auf die Wunden einge- wirkt hat. Uebrigens lasse ich nicht unbemerkt, dass Sedillot ja ebenfalls den in Strasburg be- reiteten Liquor hamostatieus Pagliari nicht immer so wirksam, als den aus Rom bezogenen gefun- den hat. Meine Beobachtungen bezüglich der blutstillenden Kraft stimmen also mit dem Sedillot’'schen nicht überein, was um so auffallender erscheint, als die Umänderung des Blutes in Bezug auf Farbe und Consistenz in den Fällen, wo ich Gebrauch von der Pagliari’schen Flüssigkeit machte, hier dieselben waren, wie Sedillot sie anführt. Prof. Dr. Sedillot von Strassburg ergriff hierauf das Wort und rühmte, indem er sich auf seine erwähnten Beobachtungen und spätere günstige Erfahrungen über die blutstillende Kraft der in Rede stehenden Composition bezog, deren Wirksamkeit: ein Versuch, die letztere zu beweisen, war - indess nicht von Erfolg begleitet. Es entspann sich demnächst eine Discussion über die locale Einwir- kung des Liquor hemostaticus auf blutende Gefässe, an welcher sich die Professoren Chelius, Blasius, Heyfelder und Stromeyer betheiligten. i 4. Prof. Dr. Sedillot zeigt nun sein Instrument zur Staphyloraphie vor, erläuterte dessen Gebrauchsweise und verbreitete sich über die wichtigsten anatomisch-physiologischen Momente, deren Berücksichtigung zur erfolgreichen Ausführung der Operation nothwendig ist. 5. Dr. Hoefle aus Heidelberg macht auf die bisher noch zu wenig beachtete Diagnose der Schwämmchen, Aphthen und der Diphtherite aufmerksam. Die Schwämmehen (Soor, Mehl- mund, Mehlhund, Muguet, Laetumina) sind nach Demselben ein von der Mund- und Rachenschleimhaut aus bis zur Cardia sich verbreitendes Exsudat mit Pilzbildung (ohne Eiterbestandtheile), welches auf die Schleimhaut nicht zerstörend wirkt; der Namen „Aphth@“ (,‚serpentia uleera oris“ Celsus) gebührt dagegen nur der von den Franzosen (Billard) ganz richtig als „‚stomatite folliculeuse‘“ unter- schiedenen Entzündung und Verschwärung der Schleimhautfollikel des Mundes, von welcher die Mundfäule (Stomacace) höchstens dem Grade nach verschieden ist. Die Bezeichnung „‚Diphtherite‘* endlich ist auf die, nicht von Pilzentwickelung begleitete, von der Mund- und Rachenhöhle aus auf die Luftwege (nicht auf die Speiseröhre) sich ausbreitende, unter dem Mikroskope die gewöhnlichen Bestandtheile des Eiters zeigende Exsudatbildung einzuschränken. 6. Dr. Bühring von Berlin hielt hiernach folgenden Vortrag über den organischen Wiederer- satz der Defecte des harten Gaumens durch Knochensubstanz. Alle bisherigen Leistungen im Gebiet der Uranoplastik, — (d. h. derjenigen plastischen Opera- tionsweisen, deren Zweck es ist, Spalten oder Löcher des harten Gaumens durch wirkliche Knochen- substanz zu verschliessen) — beschränkten sich lediglich auf die Versuche, bei Ausführung der Staphyloraphie auch den Theil der Gaumenspalte zu schliessen, welcher bis in die hintere Partie des harten Gaumens drang. -— Für diese Fälle hatte Dieffenbach den Vorschlag gemacht, die hori- 207 zontalen Platten der Gaumenbeine zu beiden Seiten des Defects einzufügen und die so theilweise isolirten Seitenstücke durch Silberdraht aneinander zu fügen. Davon aber, dass diese Operation je- mals zur Vereinigung der Knochenspalte durch die prima intentio geführt hätte, ist in der Literatur kein Beispiel verzeichnet. Wenn nun schon vor mir die Vereinigung der angeborenen, meist den hintern Theil des harten Gaumens betreflenden Spalten und Fissuren theils nur Vorschlag geblieben, theils, wo sie versucht wurde, nicht zum Ziel führte, so ist in Bezug auf die eigentlichen Defecte des harten Gaumens niemals daran gedacht worden, diese durch Knochensubstanz, (durch eine transplantatio ossium) — zu verschliessen. Um einen Beweis davon zu geben, welche Anstrengungen gemacht sind, defecte Gaumenpartien durch Weichtheile auszufüllen, führe ich den Versuch an, welchen ein- mal Blasius machte. Derselbe nahm bei einem Kranken, dem die Nase, nebst einem Theil des Gaumengewölbes zerstört war, einen Hautlappen aus der Stirn und transplantirte ihn von oben her auf die Ränder des Defeets. Der Lappen vereinigte sich nicht mit seinem neuen Boden. Das Herüberziehen der derben, durch kurzes Bindegewebe mit der Gaumendecke verbundenen Schleim- haut konnte nur in den seltensten Fällen und zwar bei kleinen Löchern zum Ziel führen, und so sah man sich fast ausschliesslich auf die Cauterisation der Defectränder beschränkt. — Das Resüme aber aller Erfahrungen auf diesem Gebiete war, dass man mit unsäglicher Geduld und Ausdauer bis- weilen dahin gelangte, kleine Oeffnungen nach Jahr und Tag geschlossen zu sehn, und dass bei grösseren der Gaumenpfropf oder die Gaumenplatte die einzigen Hülfsmittel für diejenigen blieben, welche das Unglück traf, ein Stück aus ihrem Gaumen verloren zu haben. Aber alle Obturatoren sind für den Kranken nur mangelhafte Aushülfsmittel. Wer in späteren Lebensjahren durch Syphilis ein Stück aus seinem Gaumengewölbe eingebüsst hat, fühlt sich unend- lich viel unglücklicher, als wenn sein Antlitz durch den Verlust der Nase verstiümmelt ist. Es ist die Verstümmelung der Sprache, dieses unmittelbaren geistigen Bandes zwischen den Menschen, welche den Kranken in Verzweiflung setzt. Dazu kommt, dass sein Uebel den Blicken der Menge entzogen ist. Er schwebt in einer ewigen Furcht vor Entdeckung, in jeder Miene seiner Umgebung glaubt er den Verdacht zu lesen. Wenn er, mit seinem Obturator versehen, auch gut und normal auslautet, so quält ihn doch das Bewusstsein, dass seine Sprache nur eine erborgte ist. Die Seelen- marter, in welcher er sich fortwährend befindet, macht ihn zum Visionär. Er schafft sich peinigende Situationen und Ereignisse und denkt mit Schrecken blos desshalb an seinen Tod, weil man an sei- ner Leiche noch die Gaumenplatte entdecken könnte. Das Gesagte gilt besonders von geistig begab- ten Menschen. Es ist nicht übertrieben, ich habe diese Seelenstimmung immer gefunden. — Diese psychische Seite des Leidens ist von grosser Wichtigkeit, weil sie besonders der’ Opera- tion das Wort spricht, und jeder Leidende dieser Art, auch wenn wenn er mit dem besten Obturator versehen ist, sich ihr gern und willig unterwerfen wird. Um von der verzweiflungsvollen Seelenstimmung der am Ganmendhfens Leidenden eine unmittel- bare Anschauung zu geben, wollen Sie mir gestatten, Ihnen die betreffende Stelle aus einem an mich gerichteten Brief des zuletzt von mir Geheilten mitzutheilen: „Den Werth ihrer Operation kann nur der ganz begreifen, der die Leiden vor, und die Freude nach derselben empfunden hat. Die Qualen, denen ich unterworfen war, sind unnennbar. Es war mir, wie einem unerkannt, scheinbar im Glücke lebenden, entlaufenen Galeerensträfling, der mit 208 Sorgfalt sein Brandmal zu verbergen strebte, der stets zu fürchten hatte, dass dessen Entdeckung ihn in die Schmach zurückstiesse, zu welcher er verdammt gewesen. Rings in der Welt keine Hülfe! Es könnte im Laufe der Zeit der Augenblick eintreten, in welchem der Entlarvte den Men- schen, selbst den Angehörigen ein Gräuel erscheinen würde. Nirgends Trost! Was half es, sich durch Sprüche aufrichten zu wollen, wie Seneca’s: „homo sum et nil humani ete.“, oder sich durch ähnlich Leidende, selbst auf den höchsten Stufen der menschlichen Gesellschaft stehende be- ruhigen zu wollen; wie durch das Beispiel des grossen Talleyrand, von dem ich gelesen, dass er bei seiner offenen Morgentoilette das Mundwasser wie ein Wallfisch zur Nase wieder heraussprudelte 2 Das Gespenst war durch nichts zu bannen. — Nun dagegen die Freude, welche von Sixtus V., da er im Conclave die lange heuchlerisch getragene Krücke abwerfend, auf den päpstlichen Stuhl zu- schritt, nicht lebhafter empfunden sein kann, als von mir, wie ich die goldene Brücke habe abwer- fen und, ein Begnadigter, in den weiten Freudensaal des Lebens wieder eintreten können!“ Bei diesem Kranken habe ich zuerst mein Verfahren so modifieirt, dass das Gelingen der prima intentio mindestens ebenso gesichert ist, wie bei anderen plastischen Operationen unter den günstig- sten Umständen, und zwar gesichert durch folgende Momente: 1) Durch innige Berührung sehr breiter Wundflächen. 2) Durch die gegebene Möglichkeit, den Contact dieser Wundflächen lange Zeit hindurch sichern zu können, ohne nöthig zu haben, sich der immer durchschneidenden, unsicheren, Substanz rauben- den Ligaturen von Seide oder Draht, oder irgend einer Sutur zu bedienen. 3) Durch die für plastische Zwecke so ausserordentlich günstige Beschaffenheit des zu verpflan- zenden Materials, und endlich ‚4) Durch die doppelten breiten Ernährungsbrücken desselben. ich werde nun die Operation, wie ich sie zu Anfang Mai dieses Jahres an dem bereits genann- ten, 48 Jahre alten Herrn ausgeführt habe, mittheilen. Derselbe hatte vor 16 Jahren durch syphilitische Zerstörung fast den ganzen vordern Theil sei- nes Gaumengewölbes eingebüsst. Von seiner Seelenstimmung habe ich durch seine eigenen Worte eine schwache Anschauung gegeben. Den Defect deckte er mit ‘einem schön gearbeiteten Obturator, bevor irgend eine lebende Seele, wie er glaubte, nur eine Ahnung von seiner Verstümmelung hatte. Diese Gaumenplatte hatte er vom Tage der Anlegung an, niemals entfernt gehabt, er trug sie also ununterbrochen 16 Jahre lang. Dabei hatte er in diesem ganzen langen Zeitraume mit eiserner Con- sequenz wöchentlich 3 Mal von der Nase aus vermittelst eines an einem knieförmig gebogenen Stiele befestigten Pinsels die Ränder des Loches von oben her (von der Nase aus) mit Cantharidentinctur betupft. Er hatte dies, wie einen Cultus, bei verschlossenen Thüren getrieben, und sich davon wäh- rend jenes ganzen langen Zeitraums durch gänzliche Erfolglosigkeit nicht abhalten lassen. Als ich mit vieler Mühe den Obturator entfernt hatte, sank meine Hoffnung in Bezug auf das Gelingen der Operation bedeutend. Der Defeet war von einem Umfang, wie ihn dies Modell hier darstellt.“) Der ganze vordere Theil der Gaumendecke fehlte, und die Seitenränder des Loches waren unmittelbar von den Alveolarfortsätzen begrenzt. Die an die Stelle des Defects zu versetzenden *) Dr. Bühring zeigte hierbei ein Wachsmodell vor, welches ein eiföürmiges Loch von der Grösse einer starken Haselnuss in dem harten Gaumen enthielt. 209 Knochenpartien mussten seitlich von den Alveolarprocessen abgesprengt werden, da links und rechts von der Oeffnung nichts vom horizontalen Theil des Gaumengewölbes mehr vorhanden war. — Vor dieser Absprengung aber trug ich Sorge, mit einem kleinen, stark auf der Fläche nach der Wölbung des Gaumens gebogenen Messer, nicht blos die scharfen, dürftigen Ränder des Defects wund zu ma- chen, sondern auch die Abschälung der oberen Schleimhautschicht in einem breiten Umkreis um die Oeffnung herum fortzusetzen; (durch die rothe Farbe habe ich die Ausdehnung der Abschälung ange- deutet). Nachdem dieser breite Wundsaum zu bluten aufgehört hatte, setzte ich die Spitze meines schnabelförmig gebogenen Meisselmessers zuerst an der rechten Seite, eine Linie vom Halse des ersten Backenzahns entfernt, schräg gegen die innere Wand des Alveolarprocesses und trieb das Messer längs der Zahnwurzeln durch die Knochensubstanz, bis seine Spitze bis in die Nasenhöhle gedrungen war. Ein starker Blutstrom aus der Nase bezeichnete dessen Ankunft in dem unteren Nasengange. Diese Seitenincision erweiterte ich durch Vor- und Zurückschieben des Messers nach vorn bis gegenüber dem ersten Schneidezahn, nach hinten bis in die Gegend des dritten und vierten Backenzahns. Ebenso wurde auf der linken Seite verfahren. Jetzt wurden diese Seitenbrücken, die sich mit ihren Flächen gegenüber standen, zunächst mit der Fläche des ‚Messers so viel als möglich gegeneinander gedrängt, bis die Seitenwunden hinlänglich klafften, um ein Paar dachförmig zuge- schnittene Holzplatten in dieselben hineintreiben zu können, stark genug, die den Defeet zunächst umgebenden Wundflächen in unmittelbare Berührung zu bringen. Es muss noch erwähnt werden, dass vor Einbringung der Keile vom Defect aus durch jede Seitenineision das Ende eines feinen Blei- drahts geführt war, welcher nun jene von aussen rings umgab, theils um ihre Lage zu sichern, theils aber, um die inneren Flächen der dachförmigen Holzstücke nach Belieben gegen die zu ver- drängenden Brücken wirken lassen zu können. Auf diese Weise berührte die Drahtschlinge nirgends organische Gebilde, während die abgesprengte organische Substanz dadurch nach Belieben und auf allen Punkten gleichmässig zu dirigiren war. Unter der Mittellinie des Gaumengewölbes wurden die Enden zusammengedreht. (Dies Modell stellt den Moment der Operation dar, wo die Holzplatten zuerst eingeführt sind und der Draht lose zusammengedreht ist). Jetzt lagen die Seitenbrücken an der Stelle des früheren Defects mit dem. wundgemachten Theil ihrer Fläche innig aneinander. Nach vollständiger Schliessung desselben lagen die gesammten Flächen der Seitenbrücken aneinander. Die Operation war nun vollendet. Die von den Holzkeilen nach aussen nicht ganz erfüllten Räume der Seitenineision wurden mit Charpie ausgefüllt, und von unten her gegen das Gaumenge- wölbe ein Charpiebausch gelegt, welcher vermittelst der Einspeichelung fest klebte ‘Der Kranke befand sich nach der Operation so wohl, dass er weder unmittelbar nachher, noch in den folgenden Tagen nöthig gehabt hätte, das Bett zu suchen. Die tägliche Revision der aneinander gebrachten Gebilde liess dieselben frisch und von lebendi- gem Aussehen erscheinen, so dass die Keile 6 Tage lang ununterbrochen liegen bleiben konnten. Erst am 7ten Tage entfernte ich dieselben, so wie den Bleidraht, und überzeugte mich nun von der auf allen Punkten zu Stande gekommenen’ organischen Vereinigung der vom Alveolarprocess nach der Mitte des Gaumengewölbes verdrängten Partien. In die weit klaffenden Seitenöffnungen wurde num Charpie gebracht, welche mit Digestivsalbe dünn bestrichen war, um jetzt hier zu üppigem Granulationprocesse anzuregen und die Neubildung und Vernarbung zu beschleunigen. Durch die nun auch hier rasch fortscheitende Cicatrisation wurde 27 210 der nicht wundgemachte Theil der Schleimhautllächen der Seitenbrücken, welcher während der Wir- kung der Keile, wie eine Leiste vom Gaumengewölbe nach unten herabragte, wieder nach aussen gegen den Alveolarrand hingezogen. Dieser äussere Rand konnte sich nun aber nicht an seine ur- sprüngliche Stelle dicht oberhalb des Halses der Zähne begeben, sondern legte sich viel höher hinauf gegen den Alveolarprocess. So wurde durch die jederseits wieder nach aussen gezogenen Flächen der Brücken der horizontale Theil des verloren gegangenen Gaumengewölbes mit vollkommen norma- ler Conformation gebildet. Am l4ten Tage nach der Operation waren die Seitenöffnungen ganz mit Granulationen ausgefüllt, der Defect durch einen derben Narbenstrang vollständig geschlossen, und der Kranke, dessen Freude sich nicht beschreiben lässt, reiste ab. Acht Wochen später schrieb er mir den Brief, aus welchem ich eine Stelle mittheilte. Erst jetzt bietet diese Operation die Garantie der Sicherheit des Gelingens. Sie kann mit der- selben Zuversicht auf Erfolg unternommen werden, wie die Operation der Hasenscharte, ja ich möchte sagen, dass hier die Changen noch günstiger sind, weil die zu vereinigenden Gebilde, an und für sich zu plastischen Zwecken in hohem Grade geeignet, weder von Nähten durchbohrt, noch von Ligaturen eingeschnürt und strangulirt werden. Ein sanfter, gleichmässiger Flächendruck, durch ein mildes Material, durch Holz oder Elfenbein bewirkt, hält sie so lange an einander, bis ihre Verschmelzung vollständig geworden. Hiermit ist endlich auch das Problem gelöst, die angebornen Bildungsfehler des harten Gaumens, den Wolfs- und den Löwenrachen zu heilen. Mr. John Gay in London hat bereits meine erste Operationsart, über welche im November v. J. in einer Sitzung der Medical Society of London be- richtet - wurde, bei angeborener vollkommener Trennung der Oberkieferhälften ausgeführt. Da er sich aber noch der Ligaturen bedient, so glaube ich nicht, dass er sogleich ein günstiges Resultat erzielt hat. | Es gab dieser Vortrag zu weiteren Besprechungen des Gegenstandes Veranlassung; Prof. Stro- meyer war der Ansicht, dass doch nicht in allen Fällen die Obturatoren zu entbehren seyen: als die zweckmässigsten empfahl er die O tto’schen. 7. Prof. Dr. Adelmann aus Dorpat sprach sodann über die Amputation in den Meta- carpalknochen Folgendes: Ich stelle als ein Gesetz in der Operationslehre den Satz auf: „dass die Exartieulaiion der einzelnen vier letzten Finger aus den betreffenden Metacarpalknochen zu verwerfen und an Stelle derselben die Amputation eines Theiles des betreffenden Mittelhandknochens auszuführen ist.“ Die Gründe meiner Behauptung sind folgende: a) Es verleiht die Abwesenheit eines Fingers zwischen den nebenstehenden einen hässlichen Anblick, der namentlich in höheren Ständen noch mehr auffällt. Nicht minder unangenehm ist der Vorsprung des unteren Kopfes vom zweiten oder fünften Mittelhandknochen nach der Exarticulation des Zeige- oder Kleinfingers. b) Die Lücke nach der Exarticulation des dritten oder vierten Fingers ist dem Operirten‘ bei kräftigem Zugreifen hinderlich, und der vorstehende untere Kopf des zweiten und fünften Mittel- handknocheus setzt den Träger desselben manchen unvermutheten Stössen und Quetschungen aus. e) Der Lappen, welcher bei der Exartieulation des dritten und vierten Fingers zur Bedeckung des blosgelegten Mittelhandknochens gebildet werden muss, mag er nun von Oben (v. Walther), von 211 Unten (Rust, Seoutetten), oder von beiden Seiten genommen werden (Rossi), ist nach seiner An- legung auf den Knochenkopf manchen Fährlichkeiten unterworfen und kann Eitersenkung in die Fascien bedingen. Auch ist die Bildung solcher Lappen im Vergleiche zur Amputation der Mittel- handknochen mit grösserem Zeitverluste verbunden. Man hat wohl behauptet, dass kürzere oder längere Zeit nach der Exarticulation des dritten oder vierten Fingers der untere Metacarpalkopf atrophisch und somit die Lücke zwischen den übrig gebliebenen Nachbarfingern kleiner würde. Allein diese Behauptung ist durch sichere Beobachtungen noch nicht erwiesen; im Gegentheile habe ich Gelegenheit gehabt, Menschen zu beobachten, bei welchen nach 25 Jahren eine solche Atrophie nicht eingetreten war, sondern die beiden Nachbar- finger sich gegeneinander gekrümmt hatten, so dass ibre Spitzen sich beinahe berührten. Es wurde dadurch das Ergreifen von Gegenständen nur beschwerlicher, und wenn bei einem solchen Zustande die Atrophie des unteren Metacarpalkopfes auch einträte, so würden die beiden Fingerspitzen über- einander zu liegen kommen und zum Ergreifen noch hinderlicher sein. Aus diesen Gründen habe ich seit einer Reihe von Jahren die Exarticulation des dritten und vierten Fingers verlassen und übe nur noch die Amputation im betreffenden Mittelhandknochen nach der Zang’schen, von mir etwas modifielrten Methode aus, wie folgt: — Patient sitzt auf einem Stuhle; ein Gehülfe comprimirt mit einer Hand die Oberarmarterie und hält mit der andern den kleinen Finger (bei Amputation im vierten Mittelhandknochen) oder beide letztere Finger des Patienten nach aussen. Ein zweiter Gehülfe fixirt mit einer Hand den Unterarm nahe am Handgelenke, mit der zweiten Hand zieht er den Zeigefinger (oder Zeige- und Mittelfinger) ab. Der Operateur fasst mit der linken Hand den wegzunehmenden Finger, setzt mit der rechten Hand ein schmales Messer (z. B. eine Catline) mit der Spitze auf die seiner rechten Seite ent- sprechende Fingercommissur so auf, dass die Spitze des Messers etwas rechts, das Heft links ge- richtet wird und trennt mit einem Zuge die Weichtheile nahe längs des Metacarpalknochens nach aufwärts bis ungefähr zur Mitte desselben. Derselbe Schnitt wird hierauf auf der andern Seite des Metacarpalknochens mit gekreuzten Händen wiederholt, nur mit dem Unterschiede, dass derselbe die Höhe des ersteren um einige Linien überragt. Durch diese Handhabung vereinigen sich beide Schnitte in der Palmarfläche in einen spitzen Winkel; die beiden Dorsalschnitte bleiben hingegen durch eine Hautbrücke getrennt. Diese Brücke wird mit einem Scalpelle schief zerschnitten, darauf das Instru- ment platt unter die Strecksehne gelegt und dieselbe durch Umwenden der Schneide von Unten nach oben getrennt. Sogleich wenden die Gehülfen die Palmarfläche dem Operateur zu, welcher auf die- selbe Weise die Beugesehnen durchschneidet. Nun wird in einen der Schnittränder eine Bleiplatte geschoben und von der andern Schnittklaffung aus mittelst einer Metacarpalsäge der Mittelhand- knochen von unten nach aufwärts schief durchsägt. Dann nähert man beide Nachbarfinger, wodurch sich die Palmarwundränder von selbst aneinander legen. Die Dorsalwundränder werden mit drei Knopfnähten vereinigt, wovon eine in die neu zu bildende Commissur gelegt werden muss. Zuletzt umwickelt man die Finger und die untere Hälfte der Hand mit einigen Heftpflasterstreifen, nachdem man die Nähte durch ein gefenstertes Wundläppchen oder Goldschlägerhäutchen geschützt hat. Eine Mitella hält die Hand in die Höhe. In sieben derartigen Operationen, welche ich entweder selbst verrichtete oder von meinen Schülern habe verrichten lassen, ist der Erfolg für die Patienten immer günstig gewesen und sie Bee 212 konnten später ihre verschiedenen Beschäftigungen (Wäscherin, Kutscher, Fischer, Bauer) bequem verrichten. In einigen Fällen war die Narbe so fein, dass Manche‘ verleitet wurden, zu glauben, solche Operirte seien nur mit 4 Fingern geboren. Die vollständige Vernarbung der Wundränder erfolgte in 3, 10, 15, 25, 27, 34 und 47 Tagen; die langsameren Heilungen fanden ihre Ursache theils in vorausgegangenen Quetschungen der ganzen Hand, oder in starker Anspannung und Verdünnung der Dorsalhaut durch Enchondrom, oder in un- vorsichtigen Handbewegungen, wodurch die erste Vereinigung ganz oder theilweise vereitelt wurde. Nachblutungen traten zweimal ein: einmal dürch ungestüme Bewegungen, einmal durch das verabsäumte Anlegen der Heftpflasterstreifen. In allen Fällen hörte die Blutung nach der innigen Berührung der Wundränder auf, obgleich öfter die Handgefässbogen verletzt worden waren. Die meisten Patienten gingen nach der Operation, die für sich eine und mit dem Verbande zehn Minuten dauert, umher, nur bei zweien stellte sich heftigeres Wundfieber ein. Dr. Trautwein aus Kreuznach hatte die Güte, mir einen Fall aus seiner Praxis mitzutheilen, in welchem er dieselbe Operation ausführte. Er betraf einen Schneider, welcher an der äusseren Fläche des zweiten Phalanx’s des rechten Goldfingers eine Exostose trug, die für ihn hinderlich und schmerzhaft wurde, weil er bei seinem Geschäfte den Faden über diese Stelle ziehen musste. Dr. Trautwein berechnete ganz richtig, dass eine Exarticulation zwischen dem zweiten und ersten Phalanx dem Patienten nicht nur keine Bequemlichkeit bereiten, sondern hinderlich sein würde; dasselbe würde der Fall bei einer Exarticulation aus dem betreffenden Metacarpalknochen gewesen sein. Aus diesem Grunde verrichtete er die Amputation im Mittelhandknochen und schuf in kurzer Zeit dem Patienten eine zarte Hand, deren Mittelfinger ohne Beschwerde die Function des wegge- nommenen vierten versah. In der nun folgenden Discussion betonte besonders Geh. Rath Chelius, dass der Knochen in schiefer Richtung abgesägt werden müsse, wodurch -derselbe die Form eines Klarienettenmundstückes erhält und die Annäherung der unverletzten Metacarpalknochen begünstigt. Hofrath v. Textor wünscht die Operation dadurch zu vereinfachen, dass er die Trennung des Metacarpalknochens anstatt mit einer Säge, durch eine Knochenscheere zu verrichten räth, womit Prof. Adelmann jedoch nicht übereinstimmt, weil man mit einer Scheere wohl leicht einen Knochen quer, nicht aber so gut schief durchschneiden kann, ganz abgesehen von der leicht möglichen Splitterung. Professor Dr. Robert bemerkt: Ich habe in meiner chirurgischen Clinik fünfmal die Abnahme ganzer Finger im Mittelhandgelenk vornehmen müssen. In drei Fällen habe ich die von meinem Freunde Adelmann empfohlene Methode angewendet, kann ihm jedoch in allen Punkten des Vor- zugs nicht beistimmen. Was die schnellere Heilung anbetrifft, so muss ich diese geradezu bestreiten. Durch schräge Absägung des Kopfes des Metacarpalknochens verlegt man die durch die Amputation entstehende Wunde an eine Stelle, deren anatomische Verhältnisse bei weitem eher eine diffuse Fascien und Sehnenscheidenentzündung mit allen ihren üblen Folgen, Eitersenkung ete. begünstigt. Auch die durch dieses Verfahren mögliche Annäherung der benachbarten Metacarpalknochen ist eine natürliche und bringt nothwendig eine Zerrung in den Gelenkrändern hervor. In den drei von mir operirten Fällen trat in keinem eine Reunio per primam intentionem auf. Wahr ist es, dass nach der Heilung eine nach vorstehender Methode operirte Hand so schön geworden ist, dass man sich 213 oft besinnen muss, ob der Operirte vier oder fünf Finger hat. Allein die Verlegung der Wunde gegen die Handfläche, die Verletzung der entsprechenden Bündel der Facia palmaris bedingen eine so schmale Hand, dass sie für Arbeiter, die eine breite Handfläche nöthig haben (z. B. Bäcker), sich weniger eignet, als wenn man den Kopf des Mittelhandknochens nicht mit wegnimmt. Es mag sich daher jene Methode mehr eignen, wo man eine ästhetische Hand und diese da, wo man mehr eine Arbeiterhand zu schaffen hat. Prof. Marchand von Strasburg machte einige Bemerkungen über die Anheilung des Lappens nach Exarticulationen, die Prof. Adelmann nicht bekämpft hatte. .Schliesslich macht Dr. Adelmann noch darauf aufmerksam , dass consequent der Indication grösserer Nützlichkeit und Schönheit der Hand auch an dem Zeige- und Kleinfinger, anstatt einer Exarticulation immer eine schiefe Amputation des betreffenden Metacarpalknochens verrichtet werden sollte, wozu der Scoutetten’sche, von Malgaigne modifleirte Ovalairschnitt am häuflgsten anzuwenden sei; womit die Versammlung einverstanden zu sein schien. Auf die Bemerkung, dass die Scoutetten- sche Ovalairmethode in Deutschland Langenbeck’sche genannt werden solle, antwortete Geh. Rath Chelius, dass diess nicht der Fall sei, indem Langenbeck wohl an einzelnen Theilen diesen Schnitt angewendet, keineswegs aber, wie Scuutetten, auf alle Gelenke verallgemeint habe. 8. Schliesslich warf Prof. Dr. Roser von Marburg die Frage auf, ob die Resection der Gelenk- enden nicht das Mittel abgeben könne, Eiterungen in Gelenken zu günstigem Ausgange zu führen und redete dieser Operation das Wort. An der längeren Erörterung über ihre Zulässigkeit bei violenten und bei dyscrasischen Gelenkvereiterungen und über deren Behandlungsweise überhaupt, participirten die Professoren Dr. Textor, Dr. Adelmann, Dr. Heyfelder, Dr. Stromeyer und Dr. Spörer von Petersburg. Roser empfahl die Operation namentlich in solchen Fällen, wenn die Kranken wie z. B. bei Tumor albus die Amputation verweigern. Textor kann Roser’s Vorschlag nach seinen Erfahrungen nicht das Wort reden, während Dr. Adelmann dafür spricht. Prof. Stromeyer will die Resection vorzugsweise auf violente Verletzungen des Kniegelenkes beschränkt und bei dys- erasischen Gelenkleiden nichts davon wissen, weil er diese auf andere Weise zu behandeln und zu heilen gelernt hat. Er verwirft bei solchen Gelenkleiden namentlich alle Eiterung befördernden Mittel, warnt vor dem Oeffnen und Sondiren solcher Gelenkaffectionen und spricht von 43 glücklichen Fällen, die er im verwichenen Jahre beobachtet hat. Chelius redet dagegen dem operativen Ver- fahren bei akuten Gelenkvereiterungen, namentlich dem Eröffnen von Gelenkabscessen dringend das Wort. Schliesslich bemerkt Prof. Dr. Robert Folgendes: Da die bisherige Discussion die von dem verehrten Redner aufgestellte Frage wenig beachtet hat, indem hauptsächlich nur von Erscheinungen gesprochen wurde, welche bei Kniegelenkresectionen zu beobachten sind, so erlaube ich mir mitzutheilen, dass ich den Gedanken Roser’s bereits ausge- führt habe. Im Frühjabre dieses Jahres kam ein Mann zu mir, der seit einem halben Jahre schon von andern Aerzten an Hämopio@ in Folge von Lungentuberculose behandelt worden war. Es ent- wickelte sich im Monat Mai eine tubereulöse Entzündung in seinem rechten Ellenbogengelenk, ohne dass die Brustsymptome sich verringert hätten. Er hatte so heftige Schmerzen, eine so bedeutende Anschwellung des Armes, dass ich eine Incision bis zu dem Gelenke für nothwendig erachtete und da ich dabei die Gelenkknorpel durch unter der Knorpelplatte abgelagerte Tuberkeln bereits zerstört 214 fand, so schritt ich zur totalen Resection des Ellenbogengelenkes. Die Heilung des Ellenbogenge- lenkes ist gegenwärtig bis auf eine kleine Fistel jetzt vollendet. Seine Brustsymptome sind so voll- kommen zum Stillstande gebracht, dass sieh der Patient für vollkommen geheilt hält. Dritte Sitzung. Mittwoch, den 22. September. Nachdem von 8—10 Uhr eine vereinigte Sitzung mit den Physiologen in Section V. stattgefun- den hatte, wurde um 10 Uhr die medieinisch-chirurgische Sitzung eröffnet. Präsident: Professor Dr. Heyfelder von Erlangen. Secretäre: Hofrath Weisenthal von Wiesbaden, Dr. Bertrand von Schlangenbad. 1. Die Reihe der Vorträge eröffnete Oberstabsarzt Dr. Ebhardt von Wiesbaden mit der Er- zählung eines Falles von Typhus, wo im Stadium der Convalescenz wegen eingetretenem Oedema glottidis die Operation der Laryngotomie erforderlich wurde. Der Kranke überstand sie glücklich, nur hatte sie den Uebelstand zur Folge, dass in dem halben Jahre bisher die eingelegte Canule nicht weggelassen werden kann, ohne dass Erstickungszufälle entstehen. Der betreffende Kranke wurde der Versammlung vorgestellt, er sprach laut und deutlich genug, um von Allen in dem Sitzungssaale verstanden zu werden, befand sich auch im Uebrigen völlig wohl. 2. Der practicirende Arzt Dr. Braun von Wiesbaden führte einen ganz ähnlichen Kranken vor und hielt folgenden Vortrag: - M. H. Ich nehme mir gleichfalls die Ehre, Ihnen einen durch die Tracheotomie Operirten vor- zustellen, welcher ebenfalls die Canule noch trägt, um zugleich über die Entfernung derselben Ihren gütigen Rath einzuholen. Vorher jedoch gestatten Sie mir, über die Tracheotomie im Allgemeinen einige Worte zu sprechen und zu versuchen, diese Operation, welche in Deutschland selten geübt wird, für die Praxis Ihnen mehr zu empfehlen, Fragen wir vorerst nach den Gründen, warum diese Operation bei uns so wenig accereditirt ist, während sie jenseits des Rheines so oft und mit so gutem Erfolge ausgeübt wird, so liegen dieselben theils in uns, in dem ärztlichen Stande, theils in dem Vorurtheil oder vielmehr in der Abneigung des Publikums. Was die Aerzte betrifft, so lassen sie sich gar zu leicht von dem ersten ungünstigen Erfolge abschrecken. Wohl jeder Arzt versucht ein- mal in seiner Praxis eine Tracheotomie bei einem Kinde in dem letzten Stadium des Croup, wozu er, um zu helfen, aus Verzweiflung greift. Die Operation misslingt meistens und dieser erste un- glückliche Versuch schreckt ihn für alle Zukunft ab. Dass aber die Öperation in solchen Fällen häufiger misslingt, als es sein müsste und als es in Frankreich geschieht, liegt theils in dem Mangel an Uebung, theils in dem Mangel an den nöthigen Instrumenten. Die Tracheotomie ist eine zierliche und schwierige Operation und erfordert zu ihrem Gelingen, wie alle solche, Uebung; ebenso ist eine Anzahl geeigneter Instrumente nothwendig, welche, wie Trousseau, der Meister in dieser Operation sagt, den Erfolg sichert. Wenn,man, wie es häufig geschieht und auch bei uns hier schon geschehen ist, erst operirt und dann zu dem Instrumentenmacher schickt, so ist gewiss durch eigene Schuld das Leben des Operirten gefährdet. Ich werde nachher die Ehre haben, Ihnen anzugeben, wodurch man die Ausführung der Operation sich erleichtern kann und welche Instrumente 215 nöthig sind, um das Gelingen derselben zu befördern. — Ein anderer Grund, dass die Tracheotomie so selten bei uns zur Ausführung kommt, liegt in der Abneigung des Publikums gegen dieselbe. Wenn eine Mutter, m. H., alle die Jammer- und Schreckensscenen durchgemacht hat, welche die schauderhafte Krankheit des Croup mit sich führt, so giebt sie sehr schwer ihr sterbendes Kind noch zu einer Operation her, welche dem Halsabschneiden gleicht und bei welcher man ihr nur eine schwache Hoffnung auf letzte Rettung machen kann. Ist freilich das Kind todt, so bereuet sie, die Operation nicht zugegeben zu haben, dann aber kommen Vetter und Basen um sie zu trösten und sagen aus, dass in jenem glücklichen Fall es gar kein Croup gewesen, oder dass das Kind zu früh operirt worden sei, oder dass die Operation im letzten Stadium des Croup auch nichts mehr helfe, wie diess alles dieser oder jener Doctor ausgesagt und wie in der That wohlgeneigte Collegen zu thun pflegen. Unter solchen Umständen, eigenes Misstrauen, Mangel an Uebung und der nöthigen Instrumente, Widerstand und Abneigung von Seiten der Eltern, gewöhnt man sich daran, nicht zu operiren und lässt die Kinder am Croup sterben. — M. H. Ich habe einmal diese Operation von Trous- seau in Paris mit glänzendem Erfolge ausführen sehen. Ich habe mich dadurch bestimmen lassen, mir die nöthigen Instrumente zu der Operation anzuschaffen und bin in der Lage, Ihnen zwei Fälle von Erfolg mitzutheilen. Ich hoffe, dass vielleicht einer oder der andere meiner Herren Collegen sich dadurch bestimmen lässt, die Operation ebenfalls in seiner Praxis zu versuchen. — Was vorerst die Indieation zu dieser Operation betrifft, so wissen Sie, dass sie verschieden gestellt worden ist. Für mich besteht die Indication zur Operation da, wo durch ein Hinderniss in den Luftwegen der höchste Grad der Erstickungsnoth vorhanden und der Tod durch Asphyxie unvermeidlich ist. Die Indication der ausgebildeten Croup verwerfe ich, da Fälle nicht so selten sind, und ich habe sie selbst gesehen, dass Kinder mit ausgebildetem Croup wieder genasen. Dagegen halte ich die Operation auch für da indicirt, wo eine Complication mit Lungenentzündung vorhanden, insofern durch die‘ Anwesenheit der Pseudomembran die Erstickungsnoth bedingt ist. — Die Stelle, wo man operiren soll, hat ebenfalls verschiedene Ansichten hervorgerufen. Man hat zuweilen die Laryngotomie bevorwortet. Sie ist leichter, der Kehlkopf besser zu finden und zu fixiren und weniger Gefahr, grosse Arterien zu verletzen. Dagegen hat sie den Nachtheil, dass, wie Trousseau anführt, in der Regel sehr heftige Entzündung mit Eiterinfiltration und Necrose des Knorpels darauf folgt und dass sie ferner nicht ermöglicht, nach den tieferen Parthien der Trachea zu gelangen, was besonders bei dem Croup von grosser Wichtig- keit. Die Tracheotomie verdient daher den Vorzug. — Bei der Ausführung dieser Operation besteht die grösste Schwierigkeit darin, den Einschnitt richtig zu machen, um auf die Mitte der Trachea zu ge- langen. Man möchte geneigt sein, ohne den Versuch gemacht zu haben, diese Schwierigkeiten nicht so hoch anzuschlagen; allein der Hals ist oft an und für sich dick bei vollsaftigen Kindern, es ist entzündliche Anschwellung,, seröse Infiltration, selbst Emphysem vorhanden, Blasenpflaster und Blut- egel waren gesetzt worden und haben die Anschwellung noch vermehrt, dabei ist das Kind unruhig und Larynx und Trachea bewegen sich durch die Athmungsnoth beständig stürmisch auf und ab. Trousseau räth daher, mit Feder und Tinte den Weg zu bezeichen, welchen das Messer zu durch- laufen hat. Ich finde dieses nicht praetisch, denn wenn man mit der Feder zeichnen kann, kann man auch mit dem Messer schneiden. Das beste Mittel, die Mitte der Trachea zu treffen, besteht darin, den Kehlkopf aufzusuchen, denselben zu fixiren und von dort an den Einschnitt abwärts zu thun. Es ist von wesentlichem Vortheil und erleichtert die späteren Hergänge der Operation, dass 216 ; keine grösseren Arterien und Venenstämme durchschnitten werden, es ist desshalb rathsam, den Einschnitt mit Vorsicht zu ihun und allmälig tiefer vorzudringen, indem man die grösseren Gefässe bei Seite schiebt und durch stumpfe Haken hält. Ich durchschneide —5—6 Ringe des Trachea mit dem Dieffenbach’schen Sehnenmesser. Ich führe alsdann die Pince dilatatrice von Trousseau ein, um die Trachea offen zu halten. Durch ihre Hülfe wird es möglich, die vorhandenen Pseudomem- brane, Schleim und Blut, vermittelst kleiner Bürstchen und Schwämmchen aus der Trachea zu ent- fernen. Meistens bildet sich unter dieser Manipulation ein heftiger Hustenreiz, welcher die Entfer- nung der genannten Hindernisse bedeutend erleichtert. Hierauf wird die Canule eingeführt. Es ist nothwendig, dass dieselbe eine Grösse habe, welche dem Alter des Kindes, der Dicke des Halses und der Grösse der Wunde entsprechend sei, damit die Respiration frei von statten gehe, der Schleim leicht entfernt werden könne und die Nachbehandlung ohne Störung sei. Um diesen Zweck zu er- füllen, sind mehrere Canulen von verschiedenem Kaliber und verschiedener Länge nothwendig. Ich besitze deren fünf, worunter eine doppelte. Letztere von Trousseau, und auch von ihm empfohlen, hat mir nicht die gerühmten Vortheile gewährt. Diese Vortheile sollen darin bestehen, dass zur Ent- fernung des Schleimes die innere Canüle herausgezogen werden kann, ohne dass man die äussere zu entfernen braucht; allein ich fand, dass bei dem Herausziehen und Reinigen sich Schleim in der äusseren Canüle ansammelte, welcher beim Wiedereinführen der innern zurückgeschoben wurde, am unteren Rand derselben sich anhäufte und bald zu Verstopfungen Anlass gab. — Sobald die Canüle eingeführt ist, beginnt das Kind in der Regel frei und tief zu athmen. Es gelangt zu sich, seine Gesichtszüge werden natürlich und ruhig und es sieht sich mit Verlangen nach seinen Angehörigen um. Im Vergleich zu den schauderhaften Scenen, welche vorausgegangen sind, ist dieses ein schöner rührender Augenblick, welcher leider nicht immer von Dauer ist. — Die Canüle wird so oft ge- wechselt, als Schleim sich in derselben angehäuft und Athmungsnoth eintritt. Auch bei Hindernissen in der Trachea muss die Canüle zurückgezogen und das Hinderniss vermittelst Schwämmchen u. s. w. entfernt werden. Bei dem Wechseln der Canüle ist die Pinge dilatatrice von grossem Nutzen, da in den ersten Tagen die Ringe der Trachea sich beim Zurückziehen der Canüle wieder schliessen. Die Anhäufung von Schleim in der Canüle lasse ich durch öfteres Eintröpfeln von Zuckerwasser so viel als möglich verhüten und wenn er sich gebildet hat, durch kleine Schwämmchen entfernen. — In der Nachbehandlung habe ich von Einstreuen des Calomel oder Eintröpfeln einer Höllensteinlösung stets sehr heftige Reitzung gesehen. Ich beschränke mich darauf, den Zustand des Fiebers und der Kräfte entsprechend zu behandeln. (Der Redner zeigt die oben angeführten Instrumente der Versamm- lung vor.) — M. H. Die beiden gelungenen Fälle der Tracheatomie, welche ich die Ehre habe, Ihnen mitzutheilen, wurden an zwei Patienten vollzogen, welche nicht in meiner Praxis waren und wo ich zur Ausführung der Operation hinzu gezogen wurde. Man wird also nicht sagen können, dass die Operation aus Vorliebe für dieselbe zu früh unternommen wurde. Der erste Fall befand sich in der Elisabethienanstalt unter der Behandlung des: Hofrath Dr. Weisenthal. Ein Knabe von 4 Jahren litt seit fünf Tagen an Croup, catarrhalische Symptome waren mehrere Tage vorausgegan- gen. Nach Anwendung und Erschöpfung aller zu Gebot stehenden Mittel war die Athmungsnoth auf den höchsten Punkt gestiegen und Asphyxie in der Ausbildung begriffen. Nach der in obiger Weise ausgeführten Operation erholte sich das Kind vollständig. Den neunten Tag konnte die Canüle ent- fernt werden und nach 14 Tagen war die Wunde geschlossen. Leider kann ich Ihnen den Operirten 217 nicht vorstellen, derselbe ist europamüde in diesem Herbst nach Amerika ausgewandert, ein Beweis für sein Wohlbefinden. — Der zweite Fall ist der Operirte, den Sie hier vor sich sehen. Derselbe litt im Frühjahre des verflossenen Jahres an einer Grippe, welche durch Vernachlässigung in Typhus überging. Bereits in das Stadium der Reconvalescenz übergegangen, bildete sich eine Heiserkeit aus, zu welcher sich steigende Athmungsnoth gesellte. Wir dachten anfangs an ein Oedema glottidis, allein die Ocular- und Manualuntersuchung des Kehlkopfes zeigte denselben in normalem Zustand. Zur Nachtzeit trat die grösste Erstickungsgefahr ein und wir waren genöthigt zur Operation zu schreiten. Dieselbe, an und für sich leicht durch die Grösse und Magerkeit des Halses, wurde ge- fahrdrohend durch bedeutende Blutungen. Der Kranke erholte sich allmälig. Die Versuche die Canüle zu entfernen, missglückten gänzlich. Sobald wir versuchten, die Wunde zu schliessen, trat Athmungsuoth ein. Der Kranke konnte mit Leichtigkeit ausathmen, aber beim Einathmen verschloss sich der Kehlkopf wie durch eine Klappe. Offenbar befand sich im Kehlkopf eine polypöse Excrescenz, welche jene gänzliche Verschliessung bewirkte. Es muss hier bemerkt werden, dass Patient früher wiederholt an syphilitischen Affectionen gelitten. Unsere Behandlung war hauptsächlich gegen eine syphilitische Dyserasie gerichtet und bestand in lange fortgesetzter Anwendung von Decoctum Zittmanni, Jodkali u. s. w. Oertlich wurde häufige Aetzung mit Höllenstein und Sublimat- lösung u. s. w. angewendet, so wie mannigfaltige Veränderungen an der Canüle vorgenommen, jedoch alles dieses ohne wesentlichen Erfolg. Der Patient möchte nun gerne heirathen, jedoch vorher seine Canüle loswerden und Sie werden ihn und uns, meine Herren, zum wärmsten Dank verpflichten, wenn Sie uns für eine erfolgreichere Behandlung Ihren Rath wollen zu Theil werden lassen. Prof. Stromeyer machte den Vorschlag, am Eingange der Canüle eine Ventileinrichtung zu treffen, welche die Inspiration erlaube, aber nicht die Exspiration, um so allmälig die Stimmritze zu erweitern, die wenigstens in dem einen von Dr. Ebhardt vorgeführten Falle verengert gefunden worden. ‘Dr. Ebhardt bestätigte, dass er von einem ähnlichen Verfahren, das in zeitweisem Ver- schliessen der Canüle bestand, einige Besserung gefunden habe. Geheimerath Alertz von Rom hoffte eine günstige Wirkung durch Cauterisation der Kehlkopf- schleimhaut mit Argent. nitr. zu erzielen. Dr. Braun hat dieselbe bei seinem Kranken ohne allen Erfolg versucht. Weitere Vorschläge zur Hebung der Beschwerden in den beiden vorliegenden Fällen wurden nicht gemacht und es entspann sich eine Discussion über die Operationsmethoden selbst. Zuerst verwahrte Staatsrath Spörer von Petersburg sich und seine Collegen gegen den Vorwurf der Trägheit oder Fahrlässigkeit betreffs des Entschlusses zur Operation. Sodann sprach Professor Adelmann von Dorpat über Verbesserungen an den Instrumenten, namentlich über die Pince coupante et dilatatricee. Weiter sprach Dr. Röser über die Ursache der grossen Sterblichkeit nach Laryngotomie und Tracheotomie; Professor S&dillot über denselben Gegenstand, erklärte, dass er eben wegen dieser Gefahr die Operation beim Croup nur im äussersten Falle mache, wenn der Kranke in Todesgefahr ist und kein anderes Mittel übrig bleibt. Prof. Wutzer vermeidet die Gefahr die zumeist durch das Einlegen des fremden Körpers in die Trachea entsteht, am besten dadurch, dass er bei der Operation ein genügendes Stück aus der Trachea ausschneidet. Prof. Baum von Göttingen unternimmt, wie auch Sedillot, die Operation nur im äussersten Falle, wenn der Kranke ohne Bewusstsein daliegt; noch jedesmal kehrten gleich nach dem Einschnitt in die Luftwege Be- wusstsein und Kraft wieder; doch schritt in 4 Fällen von 5 der Croup weiter fort und tödtete durch 28 218 Bronchitis, nur 1 genas. — Schliesslich sprach Naumann über die Methode bei Oedema glottidis, bei Angina u. s. w. eine elastische Röhre in die Trachea einzuführen und rühmte dieselbe als sehr practicabel und erfolgreich, was von anderen der Zuhörer bestätigt wurde. 3. Dr. Heyfelder jun. von Erlangen hielt folgenden Vortrag über einen Fall von angeborner Missbildung des Fusses. M. H. Am Ende des verflossenen Sommersemesters hatte ich in der ehirurgischen Clinik zu Erlangen Gelegenheit, an einem 1'/, Jahre alten Bauernknaben, der sonst kräftig, gesund und wohl- ausgebildet, an der linken unteren Extremität ausser ‚der Missbildung des Klumpfusses folgende Ab- normität zu beobachten. An der Grenze des mittleren und unteren Drittheiles desselben befand sich in der Haut eine tiefe, kreisrunde Einschnürung, welche so eng und wenig beweglich erschien, dass man sie anfangs für mit dem Knochen verwachsen ansehen konnte. Die Weichtheile abwärts von der Strietur ange- schwollen, der Fuss unförmlich, theils durch bedeutenden serösen Erguss unter die Haut, theils durch starke Fettbildung im Unterhautzellgewebe. Die Zehen waren unter dieser Geschwulst verbor- gen, weniger entwickelt als an der andern Extremität; die Nägel nur unvollkommen vorhanden, an der mittleren Zehe nur angedeutet. Sehnen und Muskeln wegen der Fettablagerung und der Anschwellung nicht fühlbar, die Funk- tionen derselben aber nicht gestört, indem der Knabe fest auf dem Fusse stehen, das Tibiotarsal- gelenk, wie auch die Zehen bewegen konnte. Die Muskeln des Unterschenkels sind demnach wohl vorhanden, aber unter der Strietur entweder bis auf ein Minimum verdünnt, ‚oder abnormer Weise schon an dieser Stelle in Sehnen übergegangen. Die Tibia ist vollkommen ausgebildet, scheint aber unter der Strietur eine seichte Rinne zu tragen, wogegen die Fibula nur rudimentär vorhanden ist. Der Malleolus externus lässt sich durchs Gefühl deutlich nachweisen, ebenso das Capitulum fibulae, von welchem aus sich bis gegen die Strietur hin eine Knochenleiste verfolgen lässt, die dann wahr- scheinlich mit der Tibia verschmilzt, oder aber frei in ‚den Weichtheilen endet nach Analogie der rudimentären Fibula bei den Wiederkäuern. Beispiele von solchem rudimentären Vorkommen eines der Unterschenkel- oder Oberarmknochen finden sich in Otto’s Werk über Missgeburten (Monstr. sexcent. descript. anatom. Ad. Guil. Otto. Nr. 482); ähnliche ‚besprechen Göller, Friderici, Meckel, Rokitansky. Obgleich an der verengerten Stelle kein Gefässstrang zu fühlen, so ist doch aus der Funktion von Gefässen und Nerven auf ihr Vorhandensein zu schliessen. Es ist nämlich das Gefühl auf der deformen Extremität nicht weniger fein, als auf der andern, die Bewegung, wie schon bemerkt, nicht gestört; die Temperatur dieselbe, wie dort. Die Funktion der Venen allein scheint durch die Einschnürung etwas beeinträchtigt, daher die Anschwellung und Exsudation. Was die Entstehung der Strietur betrifft, so wurde uns von der Mutter des Kindes berichtet, bei der Geburt sei die Nabelschnur an der Stelle der Einschnürung um den Unterschenkel geschlungen und fest mit demselben verklebt gewesen. Dieser Bericht stimmt mit der Annahme überein, dass eine fest umschlungene Nabelschnur eine Amputatio naturalis zu Wege bringen, oder, was in diesem Falle stattgefnnden hatte, anbahnen könne. Ohne aber jene Annahme im Allgemeinen absprechen zu wollen, so scheint sie mir auf diesen Fall doch nicht anwendbar, sondern vielmehr diese Strietur Folge einer im Keim liegenden Fehlerhaftigkeit zu sein. Diese Fehlerhaftig- 219 keit des Keimes spricht sich nämlich noch ausserdem aus 1) in einer ähnlichen Abschnürung am rechten Daumen, welche wohl Niemand auf eine Nabelschnurumschlingung redueiren möchte; 2) in dem schon erwähnten Klumpfuss. Für das Vorkommen ähnlicher Abschnürungen an den Extremitä- ten zugleich mit anderweitigen, nicht bedeutenden Defermitäten spricht ferner die Erfahrung. So beschreibt Otto eine menschliche Missgeburt, welche genau dieselbe Strietur an beiden Unter- schenkeln und ausserdem Hasenscharte und Wolfsrachen zeigte (Nr. 498 a. o. 0.), und eine zweite, wo eine solche Abschnürung an einem Unterschenkel neben Hydrocephalus vorhanden war. So wünschenswerth und zeitgemäss es nun auch wäre, auf diese Krankengeschichte den Seetionsbefund wenigstens des Fusses folgen lassen zu können, welche uns über das Verhalten der Muskeln und Gefässe unter der Strietur aufklären oder unsere Vermuthungen über den Zustand des Knochenskeletts bestätigen könnte, so liessen wir uns doch weder durch unsere pathologisch- anatomischen Sympathien, noch durch Operationslust verleiten, das scheinbar unbrauchbare, jeden- falls sehr deforme Glied zu entfernen und ich muss es als eine weit erfreulichere Wendung bezeich- nen, dass ich nicht von Section, sondern von Therapie weiter sprechen kann. Da die Funktionen des Fusses unbekümmert um die Strietur und ungestört vor sich gingen, so weit es der Klumpfuss erlaubte, so beschloss man, diese Deformität zuerst zu heben. Die Achilles- sehne und Plantaraponeurose wurden durchschnitten, am dritten Tag die Scarpasche Maschine ange- legt und nach zwölf Tagen war eine merkliche Besserung in der -Stellung des Fusses eingetreten. Zugleich schwand durch die fortwährende Compression der Binden und Maschine die Geschwulst um die Knöchel um ein Bedeutendes, so dass jetzt der Knabe auf der Fusssohle auftreten kann und der monströse Umfang des Fusses auf einen mässigen Grad reducirt ist. Die Extremität ist demnach dem Gebrauche so weit als möglich wiedergegeben. Mit diesem günstigen Resultat für den Augenblick könnte man sich zufrieden geben. Aber dem gewissenhaften Arzte liegt daran, die Ursache und somit die Wiederkehr zu heben. Nun ist aber zu befürchten, dass bei später an- haltenden Gehversuchen oder andern Anstrengungen des Fusses die Anschwellung unterhalb der Strietur in demselben Grad wie früher zurückkehren werde. Ferner ist die Stelle der Strietur, wo die Tibia verdünnt ist, die Fibula fehlt und beinahe keine Weichtheile schützend den Knochen umgeben, bei irgend einer einwirkenden Gewalt zu Frakturen besonders geneigt. Aus beiden Gründen wäre -» eine Hebung der Strietur höchst wünschenswerth und ich würde sie auch ins Werk gesetzt haben, wenn ich gewusst hätte, wie. Der Vorstand unserer Clinik war abwesend, in der Literatur fand ich keinen Aufschluss darüber und so nahm ich mir vor, der medieinisch-chirurgischen Section zu Wiesbaden, in der so mancher alterfahrene Meister sitzt, meinen Fall vorzutragen und um Rath zu fragen: ob eine solche Strietur gehoben werden könne? Auf welche Weise sie gehoben werden könne ? 4. Prof. Dr. Robert, dermalen in Coblenz, machte folgende Mittheilungen von grossen aus- gedehnten Resectionen in der ganzen Dicke der Tibia. So sehr häufig partielle Resectionen des Schienbeins ohne Unterbrechung der Continuität wegen Caries und Nekrose und die Resectionen bei ceomplieirten Fracturen des Unterschenkels ausgeführt wurden, so selten sind die Fälle, wo man wegen organischen Knochenkrankheiten Stücke der ganzen Dicke dieses Knochens reseeirte. Unter den in der Literatur aufgeführten Fällen sind nur’ drei aus- führlicher mitgetheilt und haben daher auch nur einen wissenschaftlichen Werth. Moreaud. V. 28* 220 entfernte am 17. Juli 1793 ein Stück der Tibia des Huissiers Parisot. Eine Regeneration des Knochens trat nicht ein. Durch Verwachsung des oberen Sägefragmentes mit der Fibula war bei verkrümmtem und verkürztem Unterschenkel mit Hülfe eines Stocks ein Gehen auf dem äussern Theil der Zehen möglich. — (Moreau essai sur lemploi de la resection des os etc. Paris 1826. P. 74. Obs. XVL). Rklitsky sägte eine durch Erschütterung nekrosirte Diaphyse der Tibia oben und unten durch. Nach Exfoliation der Sägestellen erfolgte nach drei Monaten Heilung. (Riviere. Gaz. med. Tom. VII. 1840. Pag. 214.) — Ein dreiviertel Zoll langes Stück der Tibia, welche in Folge von mechanischer Einwirkung seit sechs Jahren nekrosirt und sklerosirt war, wurde in dem Hospital der barmherzigen Brüder zu Breslau einem 14jährigen gesunden Bauer ausgesägt. Der Technieismus bei der Operation lässt wohl einiges zu wünschen übrig. Das Periost wurde mit weggenommen und der Kranke starb drei Tage nach der Operation an Verblutung. (Günsburg. Zeitschrift — Erster Jahrgang. Pag. 236. Bericht ete. von Klose und Paul.) Unter dreiundsiebenzig Resectionen an den Extremitäten, welche ich während einer zehn- jährigen praktischen Thätigkeit zum grössten Theil in meiner durch eigene Mittel unterhaltenen chirurgischen Clinik an der Universität Marburg ausführte, kamen vier derartige Fälle vor. Ohne Sie, m. H., durch weitläufige Krankengeschichten zu ermüden, erlaube ich mir, eine kurze Mit- theilung dieser Fälle, da sie in Bezug auf die glücklichen Erfolge und durch die Einsicht, welche sie in den unter diesen Verhältnissen stattgefundenen Knochenregenerationsprocess gewährten, grosses Interesse darbieten. Der erste Fall betrifft die Wegnahme einer ganzen Diaphyse der Tibia an einem dreizehnjährigen Mädchen, welches gegen den festgefrorenen Rand eines Grabens mit dem Schienbein gestürzt und sich eine Contusion der Tibia, Verstopfung der Art. nutritia, Periostitis und Ostitis mit nachfolgendem partiellen nekrosirenden Process in: diesem Knochen zugezogen hatte. Als ich die Kleine bereits drei Monate nach dem Fall zuerst sah, hatte sie alle Symptome eines hektischen Fiebers und bedeutenden Decubitus. Ich entblöste den Knochen seiner ganzen Länge nach durch einen Einschnitt und nach Lostrennung des Periost’s sägte ich ihn oberhalb der Insertion des Knie- scheibenbandes mit dem Heine’chen Osteotom durch. Nach Lostrennung des Periostes an der innern Seite brach ich ihn aus seiner Verbindung mit der untern Apophyse heraus, da ich bei dem Alter der Kleinen auf eine noch knorpelige Verbindung dieser Stelle zu schliessen glauben durfte, ein Technieismus, der ohne Schmerzen und leicht vollführt werden konnte. Der auf diese Weise resecirte, Ihnen, meine Herren, hier vorliegende Knochen ist 8” 5‘ lang, die Länge der ganzen Tibia beträgt 9” 10°. Seine Circumferenz im Mittel 2,“ ist geringer, als an einer entsprechenden gesunden Tibia, sie ist atrophisch. Man unterscheidet drei verschiedene Arten von Knochengewebe an demselben, einen nekrosirten, einen vascularisirten (entzündeten) und einen neugebildeten (Osteophyt) Theil. Alle drei Arten sind sowohl durch ihr äusseres Ansehen, ihre Dichtigkeit, ihr mieroscopisches Verhalten und ihre chemische Zusammensetzung sehr wesentlich verschieden. In diese Verschiedenheiten weitläufiger einzugehen, verbietet die Zeit. Zu bemerken erlaube ich mir, als ein für die Praxis wichtiges Factum, dass nach blossgelegtem Knochen eine Metallsonde einen nach der Dichtigkeit verschiedenen Ton beim Aufstossen hören liess. Der nekrosirte Theil, von dem entzündeten nur durch einzelne Lakunen getrennt, nimmt zum grössten Theil die vordere Fläche in verschiedener Dicke und Breite, die obere Hälfte der inneren 221 äussern und nur einen kleinen Theil der hinteren inneren Seite des Knochens sowie alles spongiöse Gewebe ein. Sein Gewebe hat keine microscopischen Veränderungen eingegangen. In dem vascula- risirten übrigen Theil des Knochens sind die Gefässkanälchen lakunenartig erweitert und die Mark- höhlen sind zusammengedrängt, rund und granulirt, mit weiten Ausläufern versehen. Das Osteophyt liegt als dünne Platte theils locker, theils ganz fest dem entzündeten Knochen an. Der nekrotische Knochentheil enthält 61,66 %,, der entzündete 56,2%, und das Osteophyt "49,304 °/, unorganische Theile. Die Regeneration des Knochens, über welche ich mir am Schlusse einige nähere Bemerkungen erlauben werde, erfolgte in drei Monaten mit einer peripherischen Hypertrophie des ganzen kranken Beines und einer Längenhypertrophie des resecirten Knochens um Y, Zoll. Das Gehen wurde hier- durch nicht im mindesten beeinträchtigt. Es sind zwei Punkte, auf welche ich, m. H., Ihre Aufmerksamkeit vorzugsweise leiten möchte. Einmal bin ich von der modernen Behandlungsweise der Nekrose der Knochen abgewichen. Die Lehre, welche sich in dieser Beziehung von einem Buche in das andere fortgeerbt, ist, dass man die Ab- stossung. des nekrosirten Knochentheils und die Neubildung des neuen Knochens abwarten soll, ehe man zur Operation der Nekrose schreitet. In dem vorliegenden Falle habe ich keine Operation der Nekrose, sondern eine Resection eines Knochentheiles ausgeführt, in dem sich ein nekrosirender Process entwickelt hatte, ich habe nicht allein den nekrotischen, noch nicht vom lebenden Knochen getrennten Theil, sondern zugleich lebenden und neugebildeten Knochen entfernt. Dieses Verfahren war um so mehr gerechtfertigt, da es nicht wahrscheinlich war, dass bei so üblen allgemeinen Er- scheinungen dieser Process ohne Kunsthülfe zu Ende geführt werden konnte, unsere Kunsthülfe jedoch die sicherlich von vielen Chirurgen hier passend gefundene Amputation umgangen hat. Sodann möchte ich Sie auf die hier durch das Maass genau nachweisbare Längenhypertrophie des neugebildeten Knochens aufmerksam machen, eine Erscheinung, die kaum eine Erklärung zulässt und mit der peripherischen Hypertrophie zusammenfällt, welche offenbar Resultat der von Heine zuerst nachgewiesenen Erweiterung der Gefässstämme an den resecirten Gliedern und dadurch bedingte übermässige Ernährung ist. Die Längenveränderungen der Röhrenknochen bei Krankheiten sind über- haupt wenig von den Pathologen beachtet worden, nur Stanley macht auf Längezunahmen derselben aufmerksam, die aber bei vielen andern als bei den von ihm erwähnten Zuständen des Periost’s nach- weisbar sind. Durch das zweite, Ihnen, m. H., hier vorgelegte Resectionsproduct habe ich die Amputation des Oberschenkels direct umgangen , indem drei Aerzte bereits die Nothwendigkeit der Amputation schon ausgesprochen und der 16jährige Kranke in dieselbe bereits eingewilligt hatte, und sein von Marburg entfernt wohnender Vater mich nur zugezogen hatte, um dem Kranken das Bein zu erhal- ten. Der Kranke, ein für sein Alter sehr grosser Bauernbursche war ohne nachweissbare Ursache von einer Ostitis interna des oberen Kopfes des rechten Schienbeihs mit Expansion und Zerklüftung dieses Knochentheils (acuter Tubereulose) befallen, welche sich zuerst als Rose mit bedeutender Contractur im Kniegelenk manifestirte und demgemäss behandelt worden war. Zwei Monate nach dem Anfang der Krankheit entfernte ich ihm das obere Drittheil der Tibia bis zur Knorpelplatte, indem ich ihn an der untern Gränze des Kranken nach seiner Isolation vom Periost mit Heine's Osteotom durchsägte, den oberen Theil aber in einzelnen Fragmenten mit den Fingern herauslösen 222 konnte. Der Knochen ist an dem untern Theil sklerosirt, sehr fest; an der Peripherie von einem sehr dicken, äusserst lockeren Osteophyt bedeckt, im innern zeigen sich viele zerklüftete nekrotische Knochenfragmente des dichten und spongiösen Gewebes. Die Markhöhle war mit einer trockenen, eiterigen, käseartigen Masse ausgefüllt, welche den Knochen offenbar zersprengt hatte. Die Insertion der Kniescheibe blieb an einem Theil des Osteophyts sitzen. Die Regeneration des Knochens, dessen weggenommene Länge 7’ 3‘ und dessen Peripherie 6° misst, erfolgte in 11 Wochen und nachdem während des Heilungsprocesses die Contractur im Kniegelenk zweckmässig behandelt war, konnte der Kranke am Ende des vierten Monats sein Bein vollständig gebrauchen. Die Länge des Beines war hier nicht verschieden von dem gesunden. Der neugebildete Knochen war auch hier peripherisch hypertropisch. Einer grössern Laxität der seitlichen Gelenkbänder des Kniegelenks, wodurch eine anomale seitliche Bewegung des Unterschenkels möglich war, beugte ich durch eine eng anliegende Kniekappe vor. Der dritte Fall, welchen ich Ihnen, m. H., vorlege, betrifft eine Reseetion eines 7’ langen Stücks der Diaphyse einer Tibia, bei welchem dieselbe über der Resectionsstelle fracturirt gewesen war. Da ich bei dieser Operation die Fracturstelle nicht berührte, so gehört dieser Fall wohl auch hierher. Der Kranke, ein dem Trunke ergebener Bauer, hatte durch eine bedeutende Quetschung einen complicirten Beinbruch des rechten Unterschenkels erlitten, der mit bedeutendem Bluterguss verbunden war. Nachdem der Bruch beider Knochen bereits schon anfing, zu consolidiren,, sechs Wochen nach der Verletzung, entwickelte sich von der im obern Drittheil der Tibia befindlichen Bruchstelle nach abwärts eine sehr heftige Periostitis, die mit wiederkehrenden Fieberfrösten und bedeutendem Collapsus des Kranken begleitet war. Ein explorativer Einschnitt von der Bruchstelle aus nach dem Sprunggelenk durch die rosenartig angeschwollenen Weichtheile, legte den Knochen von dem mit Granulationen im Innern überdeckten Periost blos. Diese hatten schon auf die Ober- fläche des Knochens zerstörend eingewirkt, so dass dieser fast Bienenwabenartige Vertiefungen zeigte. lch sägte ihn unterhalb der Bruchstelle und oberhalb des Sprunggelenks mit der Heine’schen Ketten- säge durch. Die Regeneration des Knochens erfolgte nach drei Monaten vollständig mit peripherischer Hypertrophie und, da die Fibula gebrochen war, einer nur ’/, Zoll betragenden Verkürzung. Es verdient wohl dieser Fall desshalb besondere Aufmerksamkeit, da er eine Verletzung, Quetschung des Periost’s bis zu weiter Entfernung von der Bruchstelle zeigt, die durch die mecha- nische Einwirkung entstanden (der Kranke war mit dem Bein zwischen die Speichen einer einen hohen Berg herabfahrenden Chaise, auf welche er sich hinten auf gesetzt hatte, gekommen und diente so diesem Wagen eine Zeitlang als Hemmschuh), in ihren üblen Folgen bei dyscrasischer Grundlage des Patienten sich erst später entwickelte. Diese Quetschungen und Abschilferungen des Periost’s bei Knochenbrüchen sind eine noch wenig beachtete Erscheinung. Der vierte Knochen, welchen ich Ihnen, m. H., hier vorlege, ist das 1°, Zoll lange untere Ende einer Tibia eines 1ljährigen Knaben, welches durch Caries centralis fast vollkommen ausge- höhlt ist und mit dem Sprungbein partiell ankylosirt war. 9“ der Länge dieses Knochens gehören der Diaphyse und 9 der atrophischen Epiphyse an. Die Krankheit hatte sechs Jahre bestanden. Ich befolgte hierbei nicht die von Roux und Ried angegebene Regel, gleichzeitig bei diesen Re- seetionen die Fibula auf gleicher Höhe zu reseciren, und hatte, wie der Erfolg zeigte, dieses nicht zu bereuen. Der Theil, welcher der Diaphyse angehörte, regenerirte sich nämlich, während keine 223 Regeneration der Epiphyse eintrat. Die ‚hierdurch ‚gebildete Lücke wurde auf die Weise. ausgefüllt, dass der Fuss an der Fibula in die Höhe gezogen wurde, oder wenn man will, die Fibula bis zur Fusssohle herabstieg. Hierdurch wurde die Aushöhlung dieser fast um das doppelte vertieft. Die Beugung und Streckung des Fusses war beschränkt möglich. Der Knabe lief aber ohne ‚Stock. Zum ‚Schlusse dieser Fälle lege ich Ihnen, m. H., noch das Operationsproduct einer Resection der, Diaphyse der Tibia vor, welche ich kürzlich in Coblenz ausführte. Der Kranke, ein Knabe von 13 Jahren, von der Mosel gebürtig, litt seit einigen Monaten an einer Nekrose der ganzen Diaphyse des rechten Schienbeines , die sich chronisch entwickelt ‚hatte und verlief. An dem oberen Ende des nekrotischen Knochens hatte sich bereits eine Continuitätstrennung spontan ‚gebildet. Das Gehen war jedoch trotzdem möglich, da der lebende Knochen hier zapfenartig in die Markhöhle des nekrotischen Knochens eingriff, und mit Hülfe der etwas nach aussen gewichenen Fibula den Körper stützen konnte. Man sah bei jedem Tritte, wie das stark prominirende Köpfchen des Wadenbeins um 4, Zoll sich in die Höhe schob. Ich beschränkte, nach Blosslegung des Knochens und Erkennen dieser Verhältnisse, die Einwirkung meiner Säge darauf, dass ich den erwähnten Zapfen durchsägte und alsdann die 17 €. M. lange Diaphyse von dem lebenden stark granulirenden Knochen abbrach. Die Heilung dieses Patienten ist in vollem Gange. Bei der Behandlung der vorstehenden Operirten bin ich von dem gebräuchlichen Wege abge- wichen. Man empfiehlt gewöhnlich, eine Resectionswunde unmittelbar durch Nähte zu schliessen, nichts in die Wunde einzulegen und Kälte anzuwenden. Ich habe nichts von dem gethan. Eine so grosse Höhle , wie sie durch die Resection der Knochen in der Continuität gebildet wird, muss mit etwas, die Wundflüssigkeit absorbirendem, ausgefüllt werden, wenn sich nicht Blut, Jauche, Eiter in derselben ansammeln, oder die benachbarten Theile in dieselbe eindringen sollen. Ich habe daher stets die Höhle mit zarter Charpie gleichmässig ausgefüllt, die ich täglich ‘wechselte, und wenn dieses wegen dem festen Ankleben nicht ginge, sie wenigstens in der Wunde mit Chamillenthee ausgewaschen. Dureh dieses schon in den ersten Tagen gehörig Reinehalten der Wunde verhütet man die Fäulniss der Wundsecrete, des Blutes, des Serums, des Eiters. Nur diesem Umstande 'glaube ich es zu verdanken, dass ich nur in einem Falle meiner vielen Resectionen einen Patienten durch Pyämie verloren habe, und in diesem Falle war die Nichtbeobachtung dieser Regel nachweisbar. Die zweite Bedingung, welche ich skrupulös als nothwendig zur Heilung dieser Resectionswunden ansehe , welche in der Regel gar nicht oder nur unvollkommen erfüllt wird, ist die absoluteste Ruhe des operirten Gliedes. Zu diesem Zwecke wickelte ich ein operirtes Glied von der Peripherie bis über das nächste Gelenk oft sogar bis zum Rumpfe mit einer in Branntwein genetzten leinenen Binde ein: und schützte die Lage durch zwei über die benachbarten Gelenke weit hinausragenden Schienen. Hohe Lage, ob auf einer Unterlage oder Schwebe ist gleichgültig, knüpft sich hier an. — Um endlich die etwa durch die Operation gereizten Nerven zu narkotisiren, wende ich nach der Operation ‚sogleich ein narkotisches Cataplasma an. Ich lasse mich jedoch hierbei von dem Gefühl der Kranken leiten, die oft nur ein warmes Tuch, höchst selten Kälte wählten. Bei dieser Behand- lung beobachtete ich nie bedeutende Anschwellung, Entzündung oder gar Nervenreizungen und deren Folgen. Erst am dritten Tage fange ich an, die Wunde gelind reizend zu behandeln. Zu diesem Behufe befeuchte ieh die in die Wunde gelegte Charpie mit Tinet. opii erocat. und setze den narko- tischen Kräutern der warmen Ueberschläge allmälig aromatische zu. Dieses setze ich so lange fort, 224 bis die Wunde sich vellkommen mit Granulationen überdeckt hat und die etwaige Abstossung von kleineren Partikeln der Weichtheile und Knochen vollendet ist. Alsdann beschränke ich die Behand- lung der Wunde nur auf tägliches Baden in starkem Chamillenthee. Zur Zeit der Ueberhäutung be- tupfte ich die Wunde öfters mit Höllenstein. Bei dieser Behandlung ist mir nicht allein fast in allen Fällen Heilung erfolgt, sondern sie bot mir noch den Vortheil, dass sie mir eine tägliche Einsicht in den Heilungsprocess gewährte, dass ich Tag für Tag das Fortschreiten des. Knochenregenerationsprocesses beobachten konnte. Die Re- sultate, welche ich aus diesen Beobachtungen ziehen konnte, sind folgende: a) An den Röhrenknochen scheinen vorzugsweise die Diaphysen einer Regeneration fähig zu sein, während die Epiphysen sich unvollständig oder gar nicht regeneriren. b) Die Regeneration der Knochen findet stets mit peripherischer, zuweilen auch mit Längen- zunahme statt, nie mit durch den regenerirten Theil bedingte Verkürzung. Dieses gilt wenigstens für zweiknochige Glieder, den Unterschenkel. c) Die Regeneration der Knochen geht vorzugsweise von dem betreffenden Perioste aus. Ohne Periost wird kein brauchbarer Knochen gebildet. Dagegen garantirt die Anwesenheit und Erhal- tung des Periost’s nicht in allen Fällen die Bildung eines brauchbaren Knochens. d) Die zur Bildung des Knochens nothwendige Exsudation erfolgt nicht auf der freien Fläche des Periostes, sondern zwischen den Lamellen derselben. e) Sie erfolgt in der Mehrzahl der Fälle chronisch, so dass ein Zeitraum von drei Wochen erforderlich ist, ehe die durch den Substanzverlust des Knochens bewirkte Rinne ausgeglichen ist. In drei Fällen meiner ausgeführten Resectionen trat die Exsudation acut auf, d. h. sie füllte am drit- ten Tage die Grube so vollständig aus, dass sie die Oberfläche des Unterschenkels noch überragte. Das Exsudat war alsdann anfangs röthlich, gallertartig und durchlief bis zum Knochen alle Grade der Dichtigkeit und Festigkeit. Diese Art der Exsudation kam nur bei jugendlichen Individuen vor. f) An der Exsudation nahm nicht das Periost in seiner ganzen Peripherie Antheil. Die Exsudation geht von den innern hinteren und äussern hinteren Theilen des Periostes der Tibia aus, der vordere blos von Fascie und Haut bedeckte Theil nimmt daran keinen Antheil, sondern schwindet mit der Haut bis zur Basis des Exsudates, wo alsdann ein 'neuer Ueberhäutungsprocess des neuen Knochens beginnt. g) Die abgesägten Knochenflächen nehmen nur insofern Antheil an der Knochenregeneration, als sich von ihnen Granulationen entwickeln, welche die Lücke zwischen ihnen und dem Exsudate aus- füllen. Zuweilen ist dieses mit Exfoliation ihrer Flächen ‘verknüpft. h) Die Umwandlung des Exsudates in Knochensubstanz erfolgt centripetal von unten nach oben, so dass man das Exsudat oben noch einen gewissen Grad der Weichheit zeigt, es unten sich schon ganz hart anfühlt. Nach eben diesem Gesetze verläuft der Ueberhäutungsprocess. Professor Adelmann von Dorpat theilte den Fall eines Mädchens von 12 Jahren mit, an dem er, wegen doppelter Fractur der Tibia eine Resection von etwa 2/; derselben vornehmen musste, die eine Verkürzung um etwa 14,” zur Folge hatte. Professor Textor jun. von Würzburg sprach über eine von ihm unternommene Resection des ganzen Humerus in zwei getrennten Malen, die ganz ohne Verkürzung geheilt sei. Er erklärte sich zu der Ansicht, die Resection dürfe nicht eher gemacht werden, als bis der kranke Theil sich . 225 gelöst habe. Prof. Robert bemerkte, dass er sie schon desshalb früher mache, weil arme Kranke nicht Zeit hätten, so lange zu warten. 5. Geh. Rath Prof. Wutzer von Bonn theilte einen Fall von Entfernung eines fibrösen Polypen der Rachenhöhle mittelst Operation vom Gesichte aus mit. Der Fall betraf einen 15jährigen, sonst gesunden Knaben, bei dem sich vom Rachen aus eine Geschwulst gebildet hatte, die sich allmälig in die Nasenhöhle hinein drängte, diese entstellte und Schlingen wie Athmen erschwerte. Zu ihrer Entfernung führte Prof. Wutzer einen Schnitt von der Glabella bis an die Nasenspitze, löste die beiden Alae ab, durchschnitt das Septum cartilaginosum und die Lamina perpendieularis, entfernte letztere, sowie die Conchae inf. et med., zog das Afterproduct mit Haken vor, und trug es rasch mit in der Fläche gekrümmter Scheere und Messer ab. Auf diese Weise wurde das Gesicht wenig entstellt und namentlich das Palatum durum geschont. 6. Hofrath Dr. Krahmer aus Halle hielt einen Vortrag über die überschätzte Gefährlichkeit der grünen Arsenikfarbe. Namentlich sprach er gegen die Annahme, dass der Arsenik eine Verbin- dung mitiWasserstoff eingehe, und so als Arsenik-Wasserstoff auf die Zimmerbewohner schädlich wirke, oder auch als arsenigte Säure (durch Zersetzung des Wassers). Bunsen hat eine ganze Reihe flüchtiger Arsenikverbindungen bekannt gemacht, die seitdem bei den Aerzten, in deren Ge- hirnventrikel sie sich gezogen haben , zu einer sehr wichtigen Ursache von Erkrankungen geworden sind. v. Basedow namentlich führe Unglücksfälle der Art an, wo mehrere Personen unter Symp- tomen der Arsenikvergiftung erkrankt seien, ohne dass eine solche anders als aus der Zimmerfarbe zu erklären gewesen; auch habe das betreffende feuchte Parterrezimmer einen eigenthümlichen Knoblauch- oder Meerrettiggeruch gehabt. Dagegen wendet Hofrath Krahmer ein, dass das spur- weise Vorkommen von Arsenik überhaupt nicht einmal nachtheilig wirke, und dass eine Reihe von Untersuchungen an grüner Arsenikfarbe, die er mit Lehm, Milch u. s. w. gemischt und dem Durch- strich der Luft ausgesetzt hatte, ihm nie auch nur ein spurweises Vorkommen flüchtiger Arsenik- verbindungen in der Luft ergeben habe; so wie die chemische Untersuchung nach Verlauf von Jahren wenig oder gar keinen Mangel an dem zum Versuch gewählten Arsenik nachweisen konnte, indem auf 1000 Theile nicht mehr als 2 fehlten. 7. Prof. Roser sprach ‚über Resection bei Gelenkeiterung‘“ Folgendes: Es ist mir durch die Esmarch’sche Schrift über die Resectionen die Frage angeregt worden, ob nicht die Gelenkreseetionen hauptsächlich dadurch nützen, dass sie aus einer grossen vielbuchti- gen Eiterungsfläche, mit mehr oder weniger gehindertem Eiterabfluss, eine freie, einfache, den Eiter- abfluss erleichternde Wunde machen. Alles, was ich über Gelenkresectionen gesehen habe, hat mich zu der Ansicht geführt, dass es bei einem grossen Theil der Resectionen nicht sowohl auf die Ent- fernung kranker Knochenenden an sich ankommt, sondern wesentlich auf die Verwandlung der viel- buchtigen Eiterungshöhle in eine mehr einfache, offene, eiternde Grube. Solches geschieht aber durch die Resection und von diesem Gesichtspunkt aus ergibt sich der neue Satz: die Gelenkreseetion ist nicht nur bei Knochenaffeetion, bei cariöser Gelenkeiterung, sondern überhaupt bei schlimmer, gefährlicher Eiterung der Synovialhaut das rechte Mittel. Die Gelenkresection kann demnach als Mittel der Lebensrettung da empfohlen werden, wo eine schlimme Eiterung die Gelenke befällt. Sie ist auch, wie ich überzeugt bin, schon oft unter solchen Umständen gemacht worden. So z. B. bei traumatischen Gelenkeiterugen (im Ellbogengelenk) ohne Knochenverletzung, aber mit nachfolgender 29 226 Knorpelexfoliation hat man, wie ich mich aus Präparaten überzeugte, öfters reseeirt, d. h. man hat die nach Knorpelzerstörung blos liegenden Knochen unter dem Titel „cariös‘ abgesägt und günstige Heilungen erzielt. Ich nun schreibe diese Heilungen dem Umstand zu, dass man die buchtige, mit ungünstigen Knochenflächen versehene Gelenkhöhle in eine einfache, dem Heilungsmechanismus viel günstigere Eiterfläche verwandelte. Den neuen, hier gewonnenen Satz möchte ich zunächst auf das Kniegelenk angewendet wis- sen. ‚Das Kniegelenk ist das grösste, vielbuchtigste , die ungünstigsten Flächen für das Heilen einer Eiterung darbietende Gelenk. Seine Eiterungen sind von einer allgemein bekannten Gefährlickeit, Das Kniegelenk ist aber leicht zu reseciren, man braucht nur einen Querschnitt zu machen, wodurch die Sehne des Quadriceps oben und unten von ‚der Kniescheibe abgetrennt wird, so kann man ohne Verletzung wichtiger Gefässe oder Nerven, ohne Verletzung eines weiteren Muskels, die Gelenkköpfe absägen. Man erhält eine einfache Querwunde, deren Knochenflächen sich zu denen eines Kniege- lenks verhalten, ‚wie etwa 6—8 Quadratzoll zu 16—18. Die Eiterungsfläche wird also (die hier minder wichtigen Weichtheile nicht gerechnet) durch die Resection um mehr als die Hälfte redueirt und man kann a.priori wohl vermuthen, dass um ungefähr ebensoviel sich auch die Gefahr reducirt. Denn die Gefahr beruht auf der grossen Eiterung. Es erhebt sich jedoch gegen die Knieresection ein besonderer Grund, nämlich die Schwierigkeit der Coaptation, der Anheilung beider Knochen. Man weiss, dass gewöhnlich nach Knieresectionen eine grosse, bisher. fast immer unbesiegbare Neigung des obern Knochenendes zum Nachvorntreten beobachtet wurde. Diesem Uebereinanderschieben muss ‚also begegnet werden können, wenn die Knie- resection ein brauchbares Resultat geben soll. Nach meinen Erfahrungen nun kann das Uebereinan- derweichen auf leichte, einfache und bequeme Weise vermieden werden, wenn man die Malgaig- ne’sche Schraube anwendet. Ich.habe in zwei Fällen von Knieresection mich davon überzeugt. Zwar hat die damals in meiner Klinik plötzlich ausbrechende Pyämie die Rettung des einen Kranken ‚ver- hindert, aber ich kann doch die Versicherung geben, ‚dass die mechanischen Verhältnisse der Wunde und (der Knochenlagerung bei (dieser Methode die allergünstigsten waren’ und dass der Malgaigne’sche Apparat so gut wie gar keine Beschwerden oder Entzündungserscheinungen machte. Ohne die Pyämie, welche meinen einen Kranken tödtete (er bekam Phlebitis iliaca dextra nach linkseitiger Knieresection) und den andern elend machte, ich bin überzeugt, würde ich befriedigende Resultate erreicht haben. — Ich will nun, da der direete Erfahrungsbeweis nicht geführt ist, meinen Collegen nicht gerade zumuthen, dass sie statt der Amputation bei Tumor albus die Resection machen sollen, aber dies möchte ich doch schon jetzt allen Collegen ans Herz legen: bei den. nicht seltenen Fällen, wo.der in Lebensgefahr befindliche Knie-Patient die Amputation nicht zugibt, (wie diess noch bei meinen Patienten der Fall war) sollten sie die Resection machen und dann die Malgaigne’sche Schraube anwenden. Wer nur diese letztere einmal anwenden sah, muss sich von der Bequemlichkeit, Einfach- heit, sieheren Wirkung und Innoeuität dieses Apparats überzeugt haben. Ju meiner Klinik ist der Beweis dafür hinreichend geführt worden und ich bin überzeugt, dass der, welcher meinem; Beispiel zu folgen sich entschliesst, es nicht bereuen wird. 8. Prof. Naumann von Bonn hielt einen Vortrag über Zusammentreffen von Exophthalmos mit Anschwellung der Schilddrüse und mit Herzhypertrophie, und theilte 2 Fälle der Art mit. — Der erste betrifft einen 59jährigen gesunden Metzger, der in Folge von acutem Gelenkrheumatismus mit 227 später chronischem Verlauf'an Herzsymptomen zu leiden begann (Dyspnoe, Angst, Palpitationen), wo- zu sich später eine kropfartige pulsirende Geschwulst und dann Schmerzen in der Stirn, mit Stechen in den Augen und Vortreten derselben gesellten. Die Untersuchung ergab eine Anschwellung der Thyreoidea, Schwirren in den Carotiden, und einen hohen Grad von Hypertrophie des Herzens. Beide Augäpfel prominirten 5‘ vor den Augenlidern, die weit auseinander standen und nie ganz geschlos- sen werden konnten. Die Conjunctiva war sehr injicirt, die umgestülpten Ränder mit luxuriirenden Schorfen bedeckt, die etwa alle 14 Tage abfielen und nach 3—4 Tagen sich wieder erneuten. Zur Zeit der stärksten Schorfbildung konnte der Kranke Licht und Umrisse der Gegenstände unterschei- den, und mit Abfall derselben versank er stets in dunkle Nacht. Die Corneae waren eigenthümlich matt glänzend, die Pupillen verengt. Die Schorfe bestanden aus einzelnen Zellen (Epithelium), Körn- chen, amorpher Substanz und sehr vielem Fett. Die Therapie bestand innerlich in Digitalis und Säuren, äusserlich in Schröpfköpfen auf die Brust, warmen Fuss- und Handbädern. Dabei gelang eine auffallende Besserung des Zustandes, namentlich eine Abnahme der Anschwellung der Thy- reoidea, des Schwirrens, der Herzsymptome. Da stellte sich eine Pulsation rechts über dem Nabel ein, zunehmend mit wesentlicher Verschlimmerung aller Symptome, namentlich der Brust. Es wurden Eisumschläge angewendet, doch trat ein entzündlich scheinendes Gehirnleiden hinzu und er- folgte der Tod. Die Section ergab eine reine Hypertrophie der Schilddrüse (einfaches Gefüge der- selben ohne Cysten u. dgl.) mit Erweiterung sämmtlicher Arterien und dunkel zinnoberrothe Färbung; im Gehirn waren ebenfalls sämmtliche Arterien erweitert; die Bulbi fanden sich durch Fett vorwärts gedrängt. — Der zweite Fall betrifft ein Mädchen von 10 Jahren; sie ist weder chlorotisch, noch anämisch, und leidet an Ecclampsie, deren Anfälle sich regelmässig mit Exophthalmos verbinden. Die Untersuchung ergiebt eine excentrische Hypertrophie des Herzens, grosse Vascularität und vor Allem Erweiterung der Arterien bis in die feinsten Verästelungen. In der auf diesen Vortrag folgenden Discussion wurde über einen Fall von Exophthalmos in Folge von Intermittens larvata berichtet, der ohne Herzfehler bestanden hatte und in Genesung übergegan- gen war. — Geh. Hofrath Stiebel von Frankfurt sprach über die Rückgängigkeit des Exophthalmos da selbst starke excentrische Hypertrophie des Herzens mit Erweiterung des Brustkastens rückgängig werden könne, und erwähnte zweier Fälle der Art, wo ein Exophthalmos (der übrigens ohne Bethei- ligung der Sehkraft bestanden hatte) mit der Ermässigsung des Herzleidens ebenfalls schwand. — Geh. Rath Alertz von Rom sprach über den Einfluss von Herzkrankheiten auf Augenkrankheiten; er hat in Rom 2 Fälle von Staphyloma cornex pellucidum in Folge von Hypertrophie des Herzens beobachtet; ferner Hydrophthalmos. — Prof. Blasius von Halle bemerkte, dass die Sectionen nicht eigentliches Leiden des Bulbus bei Herzkrankheiten ergeben, sondern nur ein Vordrängen desselben durch Fett. — Dr. Falck hat einen ähnlichen Zusammenhang gefunden bei Blausäurevereiftung, also bei Lähmung des Herzens oder raschem Stillestand der Herzthätigkeit, wobei die Bulbi rasch und bedeutend aus der Orbita hervorgetrieben wurden. Demnach würde der Exophthalmos wahrscheinlich auch bei Herzhypertrophie auf einer Blutstaugung beruhen. Zum Schluss der Sitzung wurden noch 2 Kranke vorgeführt: der eine mit angebornem Mangel des Brustbeins; der andere mit Elephantiasis Graecorum. Zum Präsidenten für die nächste Sitzung wurde Geh. Med.-Rath, Prof. Dr. Wutzer von Bonn gewählt. 29* 2283 Vierte Sitzung, Donnerstag den 23. September. Präsident: Geheime Rath Dr. Wutzer aus Bonn. Secretäre: Hofrath Dr. Weisenthal aus Wiesbaden und Dr. Bertrand aus Schlangenbad. 1. Zunächst theilte Regimentsarzt Dr. Mahr aus Wiesbaden in der hier folgenden Krankheits- geschichte den Fall eines räthselhaften, jedenfalls höchst seltenen Hautleidens mit: Louise B., ein Kind unbemittelter Eltern zu Diez im Herzosthum Nassau, 1 J. 11 M. alt, seit Geburt gesund, zeigte im März 1846 ein Hautleiden, das sich wie ein Strich mit einem in rothe Tinte getauchter Federkiel gezogen präsentirte. Er fing an auf dem rechten Hinterbacken, und zog über die rechte Seite zur Herzgrube. Das Kind war damals zufällig brustkrank, und ich fand es nöthig unter Andrem ein Pechpflaster zu verordnen, welches grade das Ende des angegebenen Strichs deckte. So lange das Pflaster lag, so lange verbreitete sich diese Hautröthung nicht weiter. Als es abgefallen war, zog der rothe Strich fort nach der linken Seite und dann zum Rücken, und zwar immer nur zur Nachtzeit, wäh- rend er bei Tage sistirte. Die Zeichnung stellt den Lauf von 3 Tagen vor. und zwar von 2—3 die ersten, 3—4 der zwei- ten, 4—5 der dritten (von 1—2 ist nicht zur Demonstration genommen, da die Länge nach dem Bild nicht vollständig ersichtlich ist). Auf diese Art ging der Lauf der Hautröthe fort, sich bestän- dig durchkreuzend in ganz willkührlicher Richtung. Ich habe versucht mit dem Messer auszustechen, weil ich das Leiden für die Arbeit eines Thie- res hielt, — umsonst; ich habe mit Höllenstein geätzt — umsonst. — Das Uebel ging seinen Weg fort, indem die früher durchlaufene Hautstrecke nach und nach ablöste, mit leichter Abschuppung der Epidermis, und dann eine normale Haut darstellte, bis ich im Monat Juli mit Tart. emetie Salbe das Ende intensiv einreiben liess; das Leiden stand, und ging auch nach Heilung der Geschwüre nicht weiter. Das Kind war und blieb gesund, und hatte nur.leichtes Jucken während des Verlaufs dieses Hautübels geklagt. Zur Beurtheilung diene noch: \ 1) Die Möglichkeit einer Verschleppung aus einem aussereuropäischen Lande konnte nicht er- mittelt werden. 2) Das Kind hatte nach dem Hausgebrauch von Knoblauchsklystieren Spulwürmer nach oben und unten ausgegeben. 3) Das Gesammtbefinden war in Nichts alterirt. 4) Selbst die Umgegend des Strichs auf der Haut zeigte keine Entzündung. 5) Die klimatischen Verhältnisse sind ungefähr dieselben, wie hier in Wiesbaden. Dr. Mahr fragte schliesslich an, ob von einem der versammelten Aerzte eine ähnliche Beobach- tung gemacht worden sei. Keiner fand sich in der Lage, diese Frage zu bejahen; ebenso wenig war denjenigen Collegen, welche Dr, Mahr seiner Zeit das Kind selbst vorgeführt hatte, je etwas Aehn- liches vorgekommen. 2. Geheimerath Dr. Wutzer zeigte der Versammlung ein von Sanitätsrath Dr. Lamby aus Iburg mitgebrachtes Stück der von England aus (anstatt der Cataplasmen empfohlenen Spongiophy- 229 lien vor, welche in Hamburg käuflich zu erhalten ist. Sie soll sich vor den Cataplasmen durch Ein- fachheit und Bequemlichkeit der Anwendung, auch bei lang gebotener Fortsetzung derselben auch durch grössere Billigkeit auszeichnen. 3. Prof. Gerlach aus Erlangen zeigte ein Präparat von Miliartuberculose der chorioidea vor, die seines Wissens bisher noch nicht boobachtet worden ist. Der Fall betraf ein einjähriges Kind, bei welchem die Chorioidea beider Augen, die rechte jedoch in höherem Grade als die linke, in ihrer hinteren Hälfte von Tuberculose ergriffen war. Die zahlreichen, hirsekorngrossen Tuberkeln waren in das Stromagewebe der Chorioidea abgelagert und konnten den Blutlauf in derselben nicht in hohem Grade genirt haben, da die Injection der Membran vollständig gelungen ist. Inwieweit das Sehver- mögen durch diese Krankheit der Chorioidea beeinträchtigt war, konnte Prof. Gerlach nicht er- mitteln. — 4. Prof. Dr. Hohl aus Halle hält einen Vortrag über den Einfluss der Raumverhältnisse auf Erkrankungen des Fötus und begreift einestheils die mangelhafte Entwicklung desselben, in Folge deren das Kind zwar kleiner, aber doch sonst lebenskräftig zur Welt kommen kann, anderntheils die wirklichen Verbildungen des Fötus. Er verbreitet sich über die ursächlichen Momente dieser Erkran- kungen, welche in der Bauchhöhle, im Uterus, in der Wirbelsäule (Scoliosis und Lordosis) und im Becken liegen können und knüpft daran (mit Vorzeigung des Präparates) die Beschreibung eines Fötusskelettes, welches neben Spina bifida sehr auffallende Verkrümmungen und Abnormitäten darbot. Der Redner macht insbesondere auf die Verbildung der Rippen, des Beckens, (welches um seinen Querdurchmesser gedreht erscheint, so dass der Steiss nach vorn lag), auf die doppelte Spina bifida, auf das merkwürdige rudimentäre Kreuzbeim, aus einem halbmondförmigen mit den Hüftbeinen ver- bundenen Ring bestehend, endlich auf die Verkrümmung der Extremitäten, namentlich die Klumpfüsse, aufmerksam. Sehr in die Augen fallend ist, dass das Becken keine Höhle, sondern eine platte Scheibe bildet. Schliesslich theilte Prof. Hohl noch einiges über den Geburtshergang dieses Kindes und die schwierige Diagnose der vorliegenden Kindestheile mit. Kindesbewegung war in der ganzen Schwangerschaft nicht gefühlt worden. Dr. Benecke kann dem Redner nicht bestimmen, dass diese Missbildung die Folge der anhal- tend gezwungenen, eingeengten Lage im Uterus gewesen sei. 5. Dr. Benecke aus Hannover spricht hierauf in folgendem Vortrag über den phosphorsauren Kalk in physiologischer und therapeutischer Beziehung: M. H. Es sind jetzt 3 Jahre verflossen, seit ich mir durch eine kleine Broschüre unter dem Titel „der phosphorsaure Kalk in physiologischer und therapeutischer Beziehung‘, die Aufmerksamkeit des ärztlichen Publikums auf den phosphorsauren Kalk, als ein wichtiges und rationelles Heilmittel hinzulenken erlaubte. — Es wurden in dem Schriftchen eine Anzahl von Beobachtungen mitgetheilt, die die Veröffentlichung selbst rechtfertigten und zu der Annahme drängten, dass der phosphorsaure Kalk ein den Zellenbildungsprocess im menschlichen Organismus unter Umständen förderndes Heil- mittel sei. Ich habe seit jener Zeit die Beobachtungen sorgfältig fortgesetzt. Sie haben nur dazu gedient, mich in meiner frühern Annahme zu bestärken und das Vertrauen auf das Heilmittel wuchs in dem Maasse, als mir von vielen Seiten, schriftlich und mündlich, Bestätigungen meiner Beobach- tungsresultate zukamen. — Ich nannte das Mittel damals ein rationelles, weil wir im niedern Thier- reich nach €. Schmidt’s Untersuchungen, wie im Pflanzenreich den Zellenbildungsprocess nicht ohne 230 die Anwesenheit des phosphorsauren Kalkes vor sich gehen sehen, und weil ich, durch Vermuthung einer Analogie im höhern Thierreich auf meine Versuche hingeleitet, schliesslich den Satz als ein allgemeines Naturgesetz aufstellen zu müssen glaubte, dass überall der Zellenbildungsprocess an die Gegenwart von phosphorsaurem Kalk, neben den übrigen Integralen desselben, gebunden sei. — Allein ich habe mich nicht mit den Beobachtungen über die Wirkung des phosphorsauren Kalkes im kranken Organismus allein begnügt. Ich suchte weiterhin die Frage zu lösen: Ob denn in der That in jenen Zuständen, wo wir den phosphorsauren Kalk mit Nutzen anwenden, ein Mangel dessel- ben im Organismus nachweissbar sei? Die Antwort auf diese Frage habe ich in einem zweiten Schriftehen: „Zur Physiologie und Pathologie des phosphorsauren Kalkes‘‘ niedergelegt. Es stellte sich durch festgesetzte Untersuchungen zweifellos heraus, dass in all’ jenen Zuständen ein erheblicher Verlust von Erdphosphaten durch den Urin statt hatte, und wir fanden damit eine genügende Erklärung der Resultate therapeutischer Erfahrungen. Schliesslich handelte es sich um die Frage, welches die Ursache zu der pathologischen Aus- scheidung der Erdphosphate durch den Urin sei? und auch diese glaube ich in dem zweitgenannten Schriftchen schon beantwortet zu haben. Entgegen den Behauptungen von Schmidt und Liebig, glaube ich die Oxalsäure als diejenige Säure bezeichnen zu müssen, welche die Lösung und Elimina- tion der Erdphosphate vermittelt. Es ist die Oxalsäure ein stetiges Produkt der Stoffmetamorphose. Wird sie in abnormer Menge erzeugt, oder wird sie, wie es in der Norm der Fall ist, nicht zu Koh- lensäure oxydirt, so veranlasst sie die Ausscheidung einer mehr als normalen Quantität Erdphosphate und erscheint selbst in Verbindung mit Kalk im Urin. — In einem jüngst erschienenen Schriftchen „zur Entwiekelungsgeschischte der Oxalurie‘“ habe ich diese Verhältnisse näher zu begründen um in- soweit den Nachweis zu liefern gesucht, dass es die stickstoffhaltigen Blutbestandtheile sind, welchen die Oxalsäure ihre Entstehung verdankt. Die höchst interessante, uns in diesen Tagen von Dr. Mo- leschott mitgetheilte Thatsache, dass er im Fleische und Harn entleberter Frösche Oxalsäure in nicht unbeträchtlicher Quantität vorfand, steht hiermit im engsten Zusammenhange. Die Kürze der Zeit erlaubt mir nicht, hier auf die physiologischen Verhältnisse dieses Gegen- standes tiefer einzugehen. Aber um so mehr, als ich es für eine Aufgabe dieser Versammlungen halte, sich allemal nach Verlauf eines Jahres über den Stand dieser oder jener wissenschaftlichen Fragen, die ihre Lösung nur von einer vielseitigen und gemeinschaftlichen Beobachtung erwarten dürfen, erlaube ich mir an die verehrte Versammlung die Frage zu richten: Ob bestätigende Resul- tate in Betreff der Wirksamkeit des phosphorsauren Kalkes .erlangt sind und ob sich derselbe als Heilmittel bewährt hat. — Es geht aus den übrigen Mittheilungen schon hervor, dass ich ihn nicht für ein radicales Heilmittel bestimmter pathologischer Zustände halte, oben als pelliatinel, als einen pathologischen Verlust ausgleichendes Mittel glaube ich ihm einen hohen Werth vindieiren zu müssen. Ich lasse, nach wie vor, den phosphorsauren Kalk nur in kleinen Dosen nehmen und zwar alle- mal mit den Mahlzeiten; jedesmal eine kleine Messerspitze voll. — Die besten Erfolge habe ich ge- sehen in der Atrophie infantum und bei den bekannten Dentitionsleiden; sodann bei chronischen Ge- schwüren s. g. scrophulöser Kinder. — Ferner in den Entwicklungstudien der Lungentuberkulose, in- sonderheit bei leicht chlorotischen, jungen Mädchen. Bei ausgebildeter Tuberkulose wage ich nicht von Resultaten zu sprechen. Nach mündlichen Mittheilungen verschiedener Collegen, soll der Kalk auch bei profusen Menstruationen ein geeignetes Mittel sein. Ich selbst habe darüber keine Erfah- 231 rung. — Dagegen glaube ich den Kalk für solche schwangere Frauen dringend empfehlen zu können, die früher an scrophulösen Erscheinungen litten, der sich entwickelnden Lungentubekulose verdächtig sind, schon lange an Zahncaries leiden u. s. w. Ich werde den geehrten Herren sehr dankbar sein, wenn Sie das, was Sie über die Wirkungen des phosphorsauren Kalkes erfahren haben, mitzutheilen geneigt wären. — Es knüpft sich an diesen Vortrag eine Discussion, bei welcher sich zunächst Dr. Posner aus Berlin und Dr. Friedlieb aus Homburg günstig über die therapeutischen Erfolge des phosphor- sauren Kalkes aussprechen. Ersterer hat namentlich bei Atrophie der Kinder Gutes davon gesehen, während der Letztere grade hier, sowie gegen Dentitionsleiden der Kinder das Mittel weniger be- währt gefunden, dagegen sich ausgezeichneter Resultate bei verschiedenen Geschwürformen zu er- freuen hatte. Chronische Geschwüre an den Unterschenkeln sah er bei ganz kleinen Gaben des phosphorsauren Kalkes rasch heilen, und besonders und besonders interessant erschien ihm die durch dasselbe Mittel (zu 3 Gran 4mal täglich) bewirkte Heilung tiefer secundär syphilitischer Halsge- schwüre, welche dem methodischen Gebrauche verschiedener Quecksilberpräparate, dem 2maligen Gebrauche des Decoet. Zittm. und sogar der grossen Schmierkur widerstanden hatte. Auch Benecke bestätigte diese die Vernarbung syphilitischer Geschwüre befördernde Wirkung des phosphorsauren Kalkes. Dagegen vermögen andere Herren nicht in dieses der Calcar. phosph. gespendete Lob einzu- stimmen. Dr. Spöhr aus Petersburg hat namentlich in scrophulösen Krankheiten gar Nichts davon gesehen, auch Professor Dr. Blasius aus Halle hat in einer Reihe von krankhaften Zuständen, ge- gen welche das Mittel empfohlen wurde, nicht den mindesten Erfolg wahrgenommen, so z. B. bei Knochenbruch. Prof. Dr. Robert aus Coblenz spricht seine Erfahrungen üher den: phosphorsauren Kalk in folgenden Worten aus: Sehr bald nach der Empfehlung des phosphorsauren Kalkes durch meinen Freund Benecke habe ich denselben in vielen Fällen angewendet, ohne auch nur irgend einen Nutzen davon zu sehen. Ich führe namentlich mehrere Fälle von Spondytarthrocace, einen Fall von Phthisis pulmonalis, einen Fall von Caries des Sprunggelenkes, bei welchem ich in der Clinik des Geheimen Rathes Wutzer zu Bonn die Resection übte, an, wo die Anwendung des phosphorsauren Kalkes in ausgedehntester Weise statt fand, ohne dass ich eine Besserung der Krankheit gesehen habe. Giebt man ihn gar in Pulverform, so können die Kranken ihn nicht vertragen, sie klagen über Kratzen, Ueblichkeit, Schmerzen im Magen. Man muss ihn daher mit den Nahrungsmitteln vermischen. Ich kann von meinem Standpunkte aus nicht glauben, dass er im Stande ist, wie so eben angeführt wurde, Ge- schwüre selbst syphilitische zu heilen, ohne eine passende lokale Behandlung, und glaube daher, dass manche Beobachtung nicht ganz vorurtheilsfrei aufgefasst ist. Die schöne Art der Bearbeitung dieses Gegenstandes durch meinen Freund Benecke mag wohl hiervon die Ursache sein. Nachdem Dr. Benecke noch angefragt hatte, ob Einer der anwesenden Herren Erfolge des Kalkes bei profuser Menstruation gesehen, und diese Frage unbeantwortet geblieben war, wurde der bewegte Gegenstand verlassen und die Reihe der Vorträge durch 6. Dr. Brosius jun. von Burgsteinfurth fortgesetzt, welcher ein neues blutstillendes Mittel „die Bevergernsche Erde‘ vorzeigte und mit folgender Erläuterung begleitete. Sie findet sich bei Bevergern im nördlichen Westphalen, wo sie auf einem unfruchtbaren, festen, 232 niedrigen Sandboden hervorschwitzt; durch die Sommerhitze verhärtet sie zu einer Kruste, welche durch Regen wieder aufgelösst wird. Hauptbestandtheile sind: Eisenchlorid, Chlornatrium, reine Thonerde, schwefelsaure Thon- erde und schwefelsaures Natron, wahrscheinlich etwas Mangan. Schon diese chemische Zusammensetzung der Erde lässt ein hmostatische Wirkung erwarten, ‚welche denn auch durch die ‚Erfahrung hinlänglich nachgewiesen wird. Wirkung. Die oft augenblickliche Sistirung von selbst beträchtlichen Blutungen bei äusserer Anwendung des Mittels in Substanz oder Auflösung lässt uns als primäre Wirkung desselben eine dynamische annehmen, rasche Contraction der Arterienfaser. Die zweite, wohl auch gleichzeitige Wirkung ist eine chemische, Verdichtung des Blutes, welches seine Flüssigkeit verliert. Dr. Borggreve in Bevergern, ein gebildeter und erfahrener Practiker, welcher viele und die meisten Erfahrungen über das Mittel gewonnen hat, stellt die. letztgenannte Wirkung oben an. Er hat auch die Güte gehabt, mir eine beträchtliche Quantität der Erde zu übersenden und der verehrten Versammlung zu überlassen. Mischt man die Erde mit frischem, warmem Blute, so wird dieses dunkelbraun und eine feste, durchgängig gleichmässige Masse, welche den Wänden des Gefässes fest, wie ein Kitt, adhaerirt und beim Umstülpen des Gefässes nicht herausfällt. Man überzeugt sich durch diesen Versuch, dass die Erde die Coagulation des Blutes, die Senkung des Faserstoffs und der Blutkörperchen, ihre Trennung von dem Serum hindert. Auch mit letzterem allein gibt die Auffüsung der Erde, Lig. hz#mostat,, eine feste Masse, wie Borggreve sich überzeugt hat. In Wunden bildet die Erde mit dem Wund- sekret eine Paste, die innigst an den Wandungen jener anklebt. Lange, oft 14 Tage, bleibt die Masse mit den Wundrändern vereinigt; durch sich bildenden Eiter wird sie gelöst, worauf die Wunde rasch heilt (Borggreve). Wir sehen also, dass, da die Erde das Blut verdichtet und seine Flüssig- keit aufhebt, das nachfolgende Blut ein Hinderniss in seinem Strome findet und so einen Thrombus bilden kann. Versuch. Dr. Borggreve durchschnitt die Carotis eines Hammels und spritzte in die Arterie gegen den Blutstrom Lig. haemostaticus. Die Blutung stand. Es hatte sich tief in der Carotis ein Thrombus gebildet. Dr. Borggreve meint auch, dass das Chlornatrium der Erde, welches dieser eine reizende und augenblicklich Schmerz machende Wirkung verleihe, Entzündung der inneren Arterienhaut bedinge, welche dann mit beitrage zur Schliessung ihres Lumens. Es ist gewiss, dass die endliche Schlies- sung des Gefässes auf dem Wege adhzsiver Entzündung erfolge, nach jeder Thrombusbildung, ohne dass die Art des angewandten Stypticums dabei in Betracht kommt. Möglich aber, dass durch die Erde die Arteritis beschleunigt und gesteigert wird. Anwendung. Man benutzt sowohl das zerriebene Pulver in Substanz, als auch in concentrir- ter, bis zum Siedpunkte erhitzter, darauf filtrirter oder dekantirter Auflösung, welche den Liquor hzmostaticus bildet. Mit dem Pulver wird die vom Blute möglichst gereinigste Wunde ausgestopft und darüber ein einfacher Verband gelegt, welcher die Wegschwemmung des vom Blute angefeuchte- ten Pulvers hindert. Die Auflösung dient hauptsächlich zu Einspritzungen bei allen Blutungen aus Höhlen. Dr. Borggreve benutzte die styptische Erde mit schnellem Erfolge bei 233 1) Nasenbluten. Nach einer oder zwei Einspritzungen von Lig. hamostat. steht das heftigste Nasenbluten. Nach Entfernung von Nasenpolypen gelang es immer, durch mit dem Lig. angefeuch- tete Charpie die Blutung zu hemmen. 2) Metrorhagieen. Sie können, in welcher Art sie auch auftreten, durch Lig. hamostat. beschwichtigt werden. Bei Placenta pr&via wiederholt man nach jeder Blutung die Einspritzung. Bei Blutungen nach der Geburt macht man diese hoch in den Uterus. Auch Blutungen aus nicht schwangerer Gebärmutter werden durch das Mittel gehemmt. Hier muss natürlich an die Mutter- spritze eine feine Canüle geschraubt werden, welche durch den engeren Muttermund geführt wer- den kann. Dr. Borggreve, welcher bei uns als Geburtshelfer sehr bekannt und gesucht ist, versichert, dass er ohne den Lig. hzmostat. schon manche Wöchnerin würde verloren haben. 3) Arterienverletzungen. Die äussere Wunde wird mit der styptischen Erde tamponirt, und die Extremität eingewickelt. So wurden Blutungen aus selbst grösseren Arterien, radialis, ulna- ris, tibialis postica bei Menschen gestillt, nachdem Druckverband allein nicht ausgereicht hatte. Fälle. 1) Sistirung einer bedeutenden Blutung nach Exstirpation einer degenerirten Parotis, wo es nicht möglich war, eine Arterie zu unterbinden, und Druckverband nicht half. (Borggreve.) 2) Verletzung der A. ulnaris bei einem 10jährigen Knaben durch den Fall in eine Fensterscheibe. Die Arterie war in der Mitte des Vorderarms angeschnitten. Viele bedeutende Blutungen konnten durch Druck nur für kurze Zeit gestillt werden. Als Dr. Borggreve nach einiger Zeit hinzugeru- fen wurde, hatte sich in der Tiefe der Wunde schon Eiter gebildet, welcher nach Eröffnung dieser mit dem rhythmisch strömenden Blute entfernt wurde. Der Arm war bis an die Schulter stark ge- schwollen; die versuchte Unterbindung der A. brachialis gelang nicht wegen Tiefe der Wunde; nur um einen Nebenast wurde die Ligatur gelegt, ober ohne Nutzen. Jetzt stopfte Borgreve die Wunde am Vorderarme mit der styptischen Erde aus und wickelte die Extremität ein. Die Blutung kehrte nicht wieder. 3) Dr. Jehn, Kreisarzt in Hamm, heilte, wie Dr. Borggreve mir mittheilt, ein Aneurisma spur. der A. tibialis post. vermittelst der Bevergern’schen Erde. Dasselbe war durch einen Stich in die Arterie entstanden und hatte allen andern Mitteln getrotzt. 4) Ich selbst sah die Blutung aus einer bedeutenden Hieb- und Kopfwunde augenblicklich auf- hören, als letztere mit der Erde und Charpie ausgestopft wurde. Der Säbelhieb war mit Durch- schneidung von Aesten der A. oceipital.-einige Linien tief in das Seitenbein gedrungen. Die Blutung hatte schon eine Stunde lang gedauert bei fruchtloser Anwendung vieler Styptica, des Druck, der Charpie und endlich der Naht. Beginnende Schwäche mit Schwindel, Blässe, Zittern und Prösteln bezeichneten den starken Blutverlust. Das Mittel empfiehlt sich zugleich durch seine Billigkeit, da es ausser dem Betrage des Porto’s nichts kostet. 7. ‘Geh. Rath Alertz aus Rom theilt in kurzem Vortrage mit, dass er die örtliche Anwendung des Secale corn. gegen Schleimhautpolype bewährt gefunden habe. Er wurde auf diese Beobachtung . bei Gelegenheit der Exstirpation eines Rachenpolypen geführt, wo das zur Stillung einer alsbald eintretenden Blutung applicirte Mutterkorn nicht blos die Blutung sistirte, sondern auch den 30 234 zurückgebliebenen Polypen heilte, Das Mittel wird entweder rein oder mit Küchensalz vermischt angewendet. In einer sich an diesen Vortrag knüpfenden Discussion konnten keine bestimmten Anhaltspunkte gewonnen werden. $.. Professor Griesinger aus Cairo sprach über das Vorkommen von Entozoen im Blute der Pfortader., namentlich über eine in Aegypten vorkommende Art, deren Eier er bei Ruhr in enormer Anzahl in die Mucosa und Submucosa des Darmkanals niedergelegt fand und nur in seltenen Fällen vermisste. In der Nähe dieser Depots fand er apoplectische Herde, Eiterungen und Verschorfungen. Der Redner fordert die Gesellschaft zu ähnlichen Versuchen bei Ruhr auf und bemerkt, dass in einigen Fällen. sporadischer Ruhr in: Wien solche Depots von Eiern sich nicht gefunden hätten. Es schloss hierauf 9. Dr. Braun von Wiesbaden die Reihe der Vorträge mit folgender Skizze der topographischen Verhältnisse Wiesbadens und dessen Umgebungen, als Einleitung zum Besuche der dasigen Mineral- quellen, welche auf 12 Uhr festgesetzt war. M. H. Bevor wir nach Ihrem Beschluss unsere Wanderung nach den verschiedenen Mineralquellen und Badeetablissements antreten, gestatten Sie mir, Ihnen eine kurze topographische Skizze der näheren und ferneren Umgebung unserer Mineralquellen vorherzugeben, wodurch Sie in den Stand gesetzt werden sich besser zu orientiren. Zum grösseren Verständniss theile ich Ihnen eine Karte von unseren Mineralquellen, sowie eine zweite von den Mineralquellen des südlichen Abhangs des Taunus mit, muss jedoch bitten, dieselben mir später wieder zurückzugeben, da sie zu einem Werke über die Quellen von Wiesbaden gehören. — Die Quellen von Wiesbaden, m. H., bilden, wie Sie wissen, einen Theil von den vielen Quellen des Taunus und nehmen darunter den ersten Rang ein. Der Taunus, dieses Gebirg, welches in dem kleinen Raume zwischen Rhein, Main und Lahn einge- schlossen ist, ist das reichste an Mineralquellen der ganzen Erde. Wir zählen dermalen 164 Mineral- quellen. Unter dieser grossen Anzahl von Mineralquellen finden mancherlei Aehnlichkeiten und An- näherungen statt, welche theils in Uebereinstimmung der bedeutendsten Bestandtheile, theils in topographischer Lage, theils in geologischen Verhältnissen bestehen. Stift, welcher sich so viele Verdienste in früherer Zeit um die geognostischen Verhältnisse unseres Landes erworben hat, theilt dem entsprechend ‘die sämmtlichen Mineralquellen in 6 Züge ein. Zwei derselben finden sich am süd- lichen Abhang des Taunus. Der eine derselben, welcher die schwefelwasserstoffreichen Quellen von Weilbach, Nied und Frankfurt enthält, entspringt aus tertiären Bildungen und zieht sich längs dem Mainufer hin. Der zweite Zug, zu welchem unsere Quellen gehören, ist der grossartigste und be- deutendste des ganzen Taunus. Er erstreckt sich am Rande der steilen Abhänge des Gebirges hin und unffasst die Quellen von Nauheim, Homburg, Kronthal, Neuenhain, Soden, Wiesbaden, die Salzquelle im Eltviller Wald, und die Salzquelle bei Assmannshausen im Rhein. Dieser Quellenzug zeigt vorzugsweise die oben angeführten gemeinschaftlichen Eigenschaften. Dieselben bestehen in Folgendem : a) Die Gemeinschaft der bedeutendsten chemischen Bestandtheile, als des Chlornatriums des kohlensauren Kalks, kohlensaurer Magnesia und kohlensauren Eisens. b) Die Gemeinschaft der höheren Wärme im Vergleich zu den sie umgebenden gewöhnlichen , Quellen. 235 ce) Den gemeinschaftlichen Ursprung aus dem Taunusschiefer und die gemeinschaftlichen Verän- gerungen dieses Gesteines in der Nähe derselben, bestehend in Störungen der regelmässigen Lagerun- gen, Zerreissungen, Bildung von Sätteln und Mulden und eigenthümliche Erweichung in sogenannten faulen Gängen. d) Die Anwesenheit von plutonischem Gestein in der Nähe der Quellen. Diese Uebereinstimmung in den Erscheinungen in Verbindung mit der bedeutenden Depression des südlichen Abhanges, haben unsere Geologen, besonders Rolle und Horstmann, zu der hypo- thetischen Annahme bestimmt, dass durch eine Ruptur in den Steinmassen des Taunusschiefer, be- wirkt durch plutonische Kraft, sich dieser Quellenzug gebildet habe. Diese Bruchlinie des Gebirgs wird in ihrem Verlaufe bezeichnet durch das Hervortreten der Mineralquellen und des Basalts. Unsere Thermen liegen ungefähr in der Mitte von diesem Quellenzug. Die grösste Quelle ist der Kochbrunnen, er liegt am höchsten, ist am reichsten-an chemischen Bestandtheilen, an Wasser und an Wärme. Derselbe giebt 17 [_] Fuss Wasser in einer Minute und hat 55° R. Gehen wir von dem Kochbrunnen nach Westen in der Richtung der grossen Bruchlinie des Gebirges, so treffen wir die zweite Hauptquelle, den Adler. Derselbe giebt 6 [_] Fuss Wasser in einer Minute und hat 50° R. Gehen wir in derselben Richtung weiter, so treffen wir die dritte Hauptquelle, den Schützenhof mit 8 [[] Fuss Wasser und 40° R. und %, chemischer Bestandtheile weniger, als wie der Kochbrunnen. Diese Richtung weiter verfolgend treffen wir zuletzt die bedeutendste kalte Quelle, den Faulbrunnen, mit 10° R., 3 [7] Fuss Wasser und nur der Hälfte der chemischen Bestandtheile des Kochbrunnens. Unsere übrigen heissen Quellen stehen in demselben Verhältniss zum Kochbrunnen und zwar so, dass sie mit der Entfernung von demselben und von der oben angedeuteten Wasserlinie an Wärme und Wasserreichthum verlieren. Sämmtliche Thermalquellen sind von einem Kreis kalter Quellen umgeben, welche dieselben Bestandiheile der warmen nur in kleinerem Verhältniss enthalten. Aus dem Gesag- ten geht hervor, dass der Kochbrunnen die Hauptquelle ist, dass derselbe dem Punkte, wo die Therme aus der Tiefe der Erde hervortritt, am nächsten liest, dass die übrigen Quellen als Ver- zweigungen desselben zu betrachten, dass die Verminderung ihrer Temperatur ohne Verminderung der Bestandtheile dem längeren Lauf unter der Oberfläche der Erde zuzuschreiben und die Vermin- derung der Temperatur und Bestandtheile zugleich durch die Beimischung gewöhnlichen Wassers er- zeugt wird. Zum Trinken des Wassers wird meistens nur der Kochbrunnen, die Adlerquelle und der Faulbrunnen, zuweilen auch die Schützenhofquelle benutzt. Zu Bädern werden alle Thermal- quellen verwendet. Die Badetablissements befinden sich entweder unmittelbar über und an den Quellen, wie die 9 Badehäuser des Kochbrunnens, der Adler, der Schützenhof u. s. w., oder von der Quelle entfernt, wo das Wasser durch unterirdische Röhren hingeleitet wird, wie die vier Jahres- zeiten, der Nassauer Hof, der Bären u. s. w. Ueber die Badeinrichtungen selbst werden Sie, m. H., nach eigener Ansicht sich Ihr Urtheil bilden. (Der Redner explieirt die gegebenen topographischen Notizen durch die beiden vorgelegten Karten.) N 30* 236 Fünfte Sitzung. Freitag, den 24. September. Präsident: Geh. Rath Professor Wutzer von Bonn. Seeretäre: Hofratı Weisenthal von Wiesbaden , Dr. Bertand von Schlangenbad. 1. Nach Eröffnung der Sitzung um 8 Uhr ergriff Dr. Friedlieb von Homburg das Wort und sprach „über das Vorkommen von grünen Stühlen als pathisches Product in verschiedenen Krankheiten und als Arzneiwirkung.‘“ 1. Als pathologisches Product betrachtet, kommen dieselben vor: a) bei kleinen Kindern bei Säurebildung ; hier sind sie noch nicht erklärt, und das ange- nommene Gallenpigment in derselben noch nicht nachgewiesen; b) zuweilen im Typhus; c) in einzelnen Fällen oder Epidemieen von Cholerine, mit alkalischer Reaction und auf den Gebrauch von Säuren schwindend. 2. Als Wirkung von Arzneimitteln beobachtet man sie: a) nach dem Ge- brauch von Calomel; doch bedingt nicht der Calomel direct die Farbe, denn dieser lässi sich schon in den ersten Stühlen nachweisen, obgleich sie nicht grün sind. b) Während des Gebrauches von Marienbad, Homburg und anderen Mineralwässern, wo man sie dem Schwefeleisen zuschrieb. Von Anfang bis zu Ende zeigt sich eine dunkelgrüne Bouteillenfarbe, und etwa vom I6ten Tage an, 2—3 Tage andauernd eine grüne Färbung, täuschend den Calomelstühlen ähnlich. Diese letztere beruht nach Friedlieb’s genauen Unteisuchungen (mittelst Salzsäure) auf Vorhandensein von Galle. Dass Eisen die Färbung nicht bedingt, sieht man bei Icterus und Chlorose, wo viel Eisen in den Facces ohne grüne Färbung derselben enthalten ist. 2. Der von Prof. Hohl aus Halle angekündigte Vortrag über Speckeinreibungen bei Scharlach fiel wegen Abwesenheit des Redners aus. Statt seiner sprach Prof. Schneemann einige Worte über denselben Gegenstand. Ohne auf Specielleres einzugehen, wies er nur auf den schon allerseits anerkannten Nutzen der Speckeinreibungen bei Scharlach hin, indem durch dieselben die Sterblichkeit bis auf Y,, vermindert, die Dauer der Krankheit auf ‘Y, herabgesetzt, die Beschwerden zum grossen Theil gehoben und möglichster Schutz gegen Nachkrankheiten gewährt werde; — Gründe genug, dieselben allgemein einzuführen. 3. Dr. Schultz von Deidesheim hielt einen kurzen Vortrag „über einige neue oder verkannte inländische Heilpflanzen.“ Unter denselben nannte er: Erigeron canadense, ein scharfes Mittel gegen hydropische Affeetionen; es steht nahe der Lo- bilia inflata und wird als Thee zu 2—3 Drachmen auf 6 Unzen gegeben. Crepis fetida Linn., enthält Benzo@säure, ist hilfreich gegen Hysterie, namentlich hysterisches Erbrechen, ebenfalls als Thee zu 2—4 Drachmen auf 6 Unzen, oder als Extract. Chenopodium Vulvaria (fetidum), ähnlich dem Ch. ambrosioides, wirkt auch auch wie dieses, nur stärker, bei hysterischen und nervösen Affectionen. Lactuca virosa, ein allgemein scandalös verkanntes Mittel, statt dessen die Franzosen die L. scariola brauchen, während das Lactucarium am Niederrhein aus Sonchus arvensis, und sonst meist aus L. sativa bereitet wird. Dr. Schultz empfiehlt das Einsammeln des Saftes von der wilden Pflanze durch Einritzen. Ihre Wirkungen sind bekannt. Rhamnus Frangula, ein früher sehr gebräuchliches Mittel, das aber jetzt aus der Mode gekommen ist, weil es zu kräftig wirkt, nur von robusten, derben Bauern vertragen wird. Es wird gebraucht 237 als Abführ- und Wurmmittel. Aeusserlich als Waschmittel, von i Unze mit 1 Pfund Essig abgekocht erweist es sich hilfreich gegen Krätze. Geh. Rath Alertz von Rom fügt noch 2 Mittel hinzu: das Sedum sempervivum tat. wird in Italien gegen Hysterie, Uterinleiden und daher rührenden, krampfhaften Beschwerden gebraucht und die Herba Pauline hat sich als treffliches Mittel gegen Migraine bewährt. 4. Geheime Rath Alertz von Rom gab einige Winke darüber, wie Fremde, die ihrer Gesund- heit halber Italien und zwar Rom besuchen, sich zweckmässig zu verhalten haben. Er leitete seinen Vortrag mit einer Empfehlung an alle sterile und uteruskranke Frauen ein. Die Unfruchtbarkeit sei eine in Italien ganz seltene Krankheit, ebenso Schleimflüsse, Hypertrophia uteri u. del., und Nord- länderinnen, mit diesen Uebeln behaftet, besserten sich selbst ohne ärztliches Zuthun bloss ‚‚vom Spazierengehn und von der Luft,‘“ wozu die veränderte Lebensweise das ihrige beitrage. — Italien, „‚das Grab der Deutschen“ assimilirt die Fremden rasch, zum Theil schon die Kinder, die dritte Generation vollständig; selbst die Alten werden umgewandelt. Am schlimmsten kommen die Kinder weg, da die Pädiatrik sehr im Argen liest, und wenn die reiche Bevölkerung dagegen zu sprechen scheint, so liegt das einzig in der grösseren Fruchtbarkeit, wie schon erwähnt. Am wohlthätigsten zeigt sich der Einfluss Italiens beim höheren Alter; man altert zwar rasch, aber nur die äussere Hülle, denn die Lebensdauer selbst ist lang, — eine Folge der mässigen Lebensweise. — Der Fremde muss ausser der Annahme dieser Lebensweise sich noch de- und acelimatisiren. Die schlimmste Zeit dazu ist der Sommer, am besten der Herbst, und zum Einzug in Rom der Win- ter. (Zur Einleitung empfiehlt sich eine Traubenkur am Lago maggiore, besonders für Brustkranke.) Sodann accommodire man sich vor Allem der Kleidung der Italiener, trage Flanell vom September bis in den Mai, und selbst im Sommer und erfreue sich der Mäntel. Die Wohnungen sind nur schwer zu erheizen und die üblichen Mittel, Scaldini und dergleichen wirken nur in der Nähe und brennen mehr als sie wärmen; das beste Mittel die Zimmer im Winter zu erwärmen bleibt, die Fenster der warmen Sonne zu öffnen, und daher diene als erste Regel sich eine nach Süden gelegene Wohnung zu miethen. Dabei härte man die Haut ab, wasche sich täglich mit kaltem Wasser und mache Spaziergänge. Im Sommer erfordert das Verhalten andere Vorsicht: man hüte sich vor starkem Ge- hen, meide, wenn man erhitzt ist, den Schatten und den kühlen Trunk, am meisten aber hüte man sich vor der Abendluft, die durch ihre Feuchtigkeit und die vermehrte Ausdünstung des Bodens (malaria) die bösen italienischen Fieber ’erzeugt, zumal in’der Campagna von Rom und anderen sumpfigen Gegenden. Gegen diese Fieber schützt am besten eine gesunde Wohnung, ein guter ita- lienischer Mantel und die mässige italienische Lebensweise. Hinsichtlich der Diät halte man sich einfach an die italienische Kost und vor Allem — nochmals, an die Mässigkeit. Geh. Rath Wutzer fügte dem Vortrag noch hinzu, dass seiner Erfahrung nach, es den Kran- ken, die strenge Folgsamkeit üben, gut gehe, während Unvorsichtige oft zu Schaden kommen. Am schädlichsten sei der übermässige Besuch der vielen Kirchen und noch mehr der Museen, die beson- ders bei Brustkranken oft durch Erkältung Verschlimmerung bewirken. Hierauf könne man seine Kranken, die man nach Italien schickt, nicht genug aufmerksam machen. Geh. Rath Alertz beschloss den Gegenstand mit der Bemerkung, dass von den Kirchen St. Peter in Rom eine Ausnahme mache; er empfehle den Besuch desselben im Winter ganz besonders den Brustkranken, da wegen der enormen Räumlichkeit desselben die Luft immer eine gleichmässige 238 sei, und ausserdem der Stadttheil in dem er liegt, die Trastevere, sich zum Aufenthalt für Brust- kranke ganz besonders eigne. Nächst Rom rühmte er für diesen Art Kranke noch Pisa. (J. Clarke.) 5. Obermedicinal-Rath Küster von Cronthal hielt einen. Vortrag über ‚‚Colonitis chronica.“ ıEr theilte kurz 4 Fälle davon mit und resümirte hierauf die Krankheitserscheinungen. Anfangs treten meist gastrische Beschwerden auf; zu ihnen gesellt sich Fieber und Colik. Die Schmerzen sind stark, schlafraubend; es besteht eine hartnäckige, mehrere Tage andauernde Cohstipation, schmerz- hafter Abgang von Blähungen mit geringer Erleichterung. Die Untersuchung ergiebt an irgend einem Theile des Colon eine bedeutende Ausdehnung, die man als schmerzhafte Geschwulst wahrnimmt. Die Dauer der Krankheit ist eine lange, von 2 bis 3 Monaten. Die Behandlung besteht in ortlicher An- tiphlogose durch Blutegel oder Schröpfköpfe, die aber nur momentane Erleichterung gewährt. Besser und sogar gut wirken kalte Aufschläge, die anfänglich alle '/, Stunde, später seltener erneuert wer- den, wie es dem Kranken behaglich ist; und kalte Sitzbäder zu Y,—Y, Stunde. Zum Abführen dient 0]. Rieini, und wenn es nicht vertragen wird, Calomel oder kalte ‘Wasserklystiere. Hiermit wurde die Reihe der Vorträge geschlossen und nachdem der Vorsitzende der Versamm- lung in kurzen Worten seinen Dank für ihre Theilnahme an denselben und für das ihm dabei ge- schenkte Zutrauen ausgesprochen, und ihren aufrichtigen Gegendank angenommen, schloss er die Section fur dieses Jahr, und begab sich mit den Anwesenden zur letzten — Allgemeinen Versamm- lung in den Cursaal. II. Abtheilung für Geburtshülfe und Frauenkrankheiten. Erste Sitzung. Montag, den 20. September. Präsident: Medicinalrath Dr. Mappes von Frankfurt. Secretär: Professor Dr. Martin von Jena. 1. Med.-Rath Dr. Ricker aus Eltville sprach über die Anwendung des Mutterkorns bei Gebur- ten, indem er theils über die Unsicherheit der Wirkung des Mittels, theils über nachtheilige Folgen für das Kind klagte; ihm stimmten Med.-Rath Dr. Wegeler aus Coblenz und Hofmedicus Dr. Schnee- mann aus Hannover bei. Dr. Mappes und Dr. Martin theilten die Resultate ihrer Erfahrungen mit, welche günstig für das Secale cornutum waren, vorausgesetzt, dass dieses Mittel unter den ge- eigneten Indicationen und zur rechten Zeit gebraucht werde. Diese Ansicht theilten auch Professor Robert, Dr. Zais, Dr. Metz, Dr. Panthel, Dr. Bertrand und Dr. Weil. 2. Dr. Schneemann erzählt zwei Beobachtungen künstlicher Frühgeburt, welche durch die warme Uterusdouche eingeleitet war, die eine mit günstigem Erfolg für Mutter und Kind; die andere hatte ein todtes Kind ergeben. Dr. Ricker reihte daran die Mittheilung von drei: Fällen; in zwei Fällen folgte Endometritis puerperalis. Dr. Martin sah ebenfalls wiederholt Endometritis folgen. Letzterer hebt zugleich hervor, dass die Wirkung der Douche nicht immer vollständig sei, zumal bei Erstgebärenden trotz der besten Apparate und höheren Wärmegrade des Wassers. 239 3. Dr. Schneemann sprach hierauf Bedenken gegen die Frühgeburt bei Erstgebärenden aus, denen Dr. Mappes und Dr. Martin, letzterer mit besondrer Hervorhebung eleichmässiger Becken- enge entgegen trat. Zweite Sitzung. Mittwoch, den 22. September. e Präsident: Professor Dr. Martin von Jena. Secretär: Med.-Ass. Dr. Kolb von Soden. Zur Berichtigung des Protocolls der vorhergegangenen Sitzung bemerkte Dr. Wegeler, dass er nicht der bekannten unsicheren und nachtheiligen Wirkung des Mutterkorns, welche Med.-Rath Ricker hervorgehoben , beigestimmt, sondern dem von Med.-Rath Dr. Schneemann gestellten An- trag das Mutterkorn als wehentreibendes Mittel ganz aus der Geburtshülfe zu verbannen. Diesem letzten Antrag trat gegenwärtig auch Dr. Hochstätter aus Karlsruhe vollkommen bei. 1. Hierauf theilte Prof. Martin eine ihm von Dr. Genth überschickte Geschichte einer Extra- uterinschwangerschaft mit, die in einer Hernie cruralis, mit glücklichem Erfolge operirt, ihren Sitz hatte. 2. Dr. Lichner knüpfte hieran die Erzählung von Ausstossung der Knochen eines Fötus durch den Mastdarm. 3. Dr. Cunz erzählt den Fall von einer ungewöhnlich fehlerhaften Lage eines Kindes. Hierauf begann die Discussion über die Anwendung des Chloroforms in der Geburtshülfe. Prof. Hohl und Dr. Schneemann wollen dasselbe nur in einem einzigen Falle gerechtfertigt finden, nämlich bei der Wendung, und zwar Ersterer bei sensiblen, unruhigen Kreissenden, um dieselben in ruhiger Lage zu erhalten und Letzterer bei Rigidität des Uterus. Bei der Discussion betheiligten sich die DD. Robert, Bertrand, v. Röser und schliesslich bemerkt Prof. Martin, dass er nie Nachtheil, sondern eher Vortheil davon gesehen habe. 4. Prof. Schneemann bringt nun die Behandlung der Placenta previa zur Verhandlung und versichert noch langjähriger Erfahrung das bereits früher schon von ihm erprobte und veröffentlichte Verfahren so schnell als möglich die Wendung zu vollbringen, dringend seinen Fachgenossen empfeh- len zu müssen. Prof. Hohl stimmt ihm vollkommen bei, die Vortheile für Mutter und Kind hervor- hebend. Bei der gründlichen Discussion betheiligten sich noch Bertrand, Cunz und Panthel im Allgemeinen beipflichtend. Schliesslich erinnert Prof. Martin noch an die von Seifert empfohlene Kaltwasserdouche zur Stillung der Blutungen bei Placenta pr&via. Dritte Sitzung. Donnerstag, den 23. September. Präsident: Professor Hohl aus Halle. « Secretär: Badearzt Dr. Boschan aus Franzenbad. Der Präsident eröffnet die Sitzung, indem er die Anwesenden auffordert, über die wichtige Lehre der Entfernung oder Zurücklassung der Nachgeburt bei zeitigen Geburten ihre Erfahrungen mitzutheilen. 1. Med.-Rath Dr. Schneemann aus Hannover spricht sich mit Bestimmtheit für die Entfer- 240 nung der Nachgeburt aus. Er hält dieselbe für einen fremden Körper, dessen längere Anwesenheit auf das Gebärorgan als schädlicher Reiz wirkt, zu entzündlichen Auftritten und öftern Metrorhagien Veranlassung gibt, und die Rückbildung des Uterus verhindert. Prof. Dr. Hohl stimmt den ausgesprochenen Ansichten des Vorredners bei und widerlegt die Gegengründe der Lösung, welche von Anhängern des exspectativen Verfahrens aufgestellt werden. Med.-Rath Schneemann fügt nachträglich hinzu, dass die künstliche Lösung der Placenta wesent- lich erleichtert werde, wenn 'man dieselbe in der Seitenlage der Entbundenen vornehme, wobei die gewählte Hand stets dem Schenkel entsprechen müsse auf welchem die Kranke liest, und warnt vor der Rückenlage. — An der Discussion über diesen Gegenstand betheiligten sich Dr. Lange und Prof. Martin aus Jena, welche eleichfalls dieser Ansicht beistimmen. 2. Dr. Boschan aus Franzensbad hält hierauf einen kurzen Vortrag über den Gebrauch eisen- haltiger Bäder bei Disposition zu Fehl- und Frühgeburten, und spricht sich im Allgemeinen über die Gefährlichkeit eines Kurgebrauches während der Schwangerschaft aus. — Dieser Ansicht schliesst sich Dr. Friedlieb aus Homburg an. — An der weitern Discussion über diesen Gegenstand be- theiligen sich Dr. Schneemann, Dr. Lamby und Prof. Martin. Professor Martin aus Jena wünschte die Beobachtungen kennen zu lernen, welche die Anwe- senden über das Vorkommen von jenen Geschwülsten und Cystenbildungen in der Beckensphäre ge- macht haben dürften, deren Beseitigung vor Erledigung der Geburt nothwendig geworden sei. Er selbst erzählt zwei Fälle, welche von ihm beobachtet worden. In einem derselben trat spontane Er- öffnung der Geschwulst nach dem Mastdarme zu ein unter Entleerung einer grünlichen Flüssigkeit, Med.-Rath Schneemann theilt den Fall einer solchen fibrösen Geschwulst mit, welche von der hintern Wand des Mastdarms ausgehend die Scheide gänzlich ausfüllte, und erst nach Entfernung der Geschwulst konnte die Geburt ermöglicht werden. Dr. Lamby brachte die Behandlung des Abcessus mammz zur Sprache. 3. Professor Martin aus Jena entwickelte seine Behandlungsweise der Mastitis mittelst Collo- dium. Er bestreicht die ganze Brust mit Ausnahme der Warze, um Eiterung zu verhindern. Inner- lich gibt er Tart. emet. in grossen Gaben. Bei schon vorhandener Abcessbildung ist er unbedingt für Eröffnung des Abcesses und dann für Anwendung des Kiwisch’schen und später von Seutin empfohlenen Druckverbandes, während er denselben vor Entleerung des Abcesses und zur Beseitigung der Schmerzen für unwirksam, selbst nachtheilig erklärt. An der Discussion betheiligten sich Dr. Lange, Dr. Göschen, Dr. Boschan, Dr. Friedlieb, Prof. Hohl, Dr. Panthel ete., wobei namentlich Dr. Göschen auf die Nachtheile hinwies, welche bei Anwendung des Collodium durch Verdunsten des Schwefeläthers eintreten. 241 VE. Section für Psychiatrie und Anthropologie. Erste Sitzung. Montag den 20. September. Präsident: Director Snell von Eichberg. Secretär: Med.-Rath Mansfeld von Braunschweig. Zuerst überreichte ‚Dr. Rieken, Leibarzt Sr., Majestät.des Königs der Belgier, der Versammlung, eine Schrift, „welche: betitelt. ist: ‚ Therapeutique, naturelle, de la folie. „L’air libre ‚et. la‘ vie de famille dans la, commune de 6heel, par le Dr. J. Parigot, Professeur honoraire. de la facult€ des sciences ‚de l’universit& ‚de Bruxelles, Medeein, de l’hospice. d’alienes de la, .m&me ville, & la colonie de Gheel. & Bruxelles, chez J. B. Tircher, Paris, chez J. B. Bailliere, — Leipzig , chez C. Muquardt,;; 1852. 129. S.“ und machte folgende kurze Bemerkungen dazu: Diese ‚Schrift hat, .drei.Hauptzwecke zum. Gegenstande „ nämlich : a) Der Behandlung der Geisteskranken in freier Luft, das Wort zu reden.. Der Verfasser ver- steht hierunter, diejenige. Behandlung, bei welcher sie nicht in.einer geschlossenen. Anstalt abgesondert und,isolirt-leben;,.sondern, im; (Gegentheil, in der, Mitte der, gewöhnlichen Gesellschaft, unter. dem Ein- flusse.. vom, speeiell zu, diesem ‚Zwecke ‚organisirten. Familien. behandelt. werden. b) Alle Bedingungen und Umstände festzusetzen, welche diese Art von Behandlung erheischt, und die geringere Kostspieligkeit ‚derselben zu beweisen. €) Die Vortheile und Mängel der Irrencolonie zu Gheel zu schildern. In. ‚Beziehung auf den ersten Punkt räunıt der Verfasser ein, dass es ‘seltsam erscheinen kann, wenn er die Ansicht ausspricht, man könne. unbedenklich die Irren fast jeden Grades in Freiheit setzen, da doch die Behörden. in.allen Ländern sie unter dem einleuchtenden Vorwande, Unglücksfälle zu verhüten,, einschliessen lassen können; indessen führt er als Grund für seine Ansicht die That- sache an, welche sich seit Jahrhunderten in dem. berühmten Dorfe Gheel bestätigt hat, dass an acuter Tobsucht oder irgend einer Exaltation leidende Irre, welche in Ketten oder durch sonstige Zwangsmittel gefesselt in Gheel ankommen, ohne Verzug freigelassen‘, sich in der Regel unbeleidi- gend (inoffensifs) verhalten und keine Gefahr’ für: das’söffentliche ‘Leben darbieten. "Der Verfasser glaubt daher, dass man im Allgemeinen im‘ Vorurtheile'gegen (die Geisteskranken befangen' ist. ,;Im der» That,“ ‚sagt er in: einem Briefe an mich,» „wenn! man die,,Symptomatologie des Wahnsinnes mit einem Tastenbrette vergleicht, dessen«Griffe erlauben würden,, durch ihre, unendlichen ‚Combinationen alle speciellen' Fälle von»Geistesverwirrung darzustellen, so,.kann ‚man; beobachten, ‚dass.es unter. ‚allen diesen Combinationen stets nur eine)Art von Irrseinı giebt,«welche durch’ ihre, Folgen ‚gefährlich; wer- den ‚kann... Diese, Art ist >. Die ‚Verkehrtheit, ‚der, Thätigkeit des; Willens ;(perversion..de, l’activite vo- lontaire) ‚und in einigen Fällen .auch.die, der Thätigkeit. des, Instinets (activite instinetive), die Un- schädlichkeit,aller andern Störungen,,(lesions),, sowohl, .der. intellectuellen Thätigkeit Cactivite intellec- tuelle), als der sensitiven und sentimentalen Receptivität..(r&ceptivite:sensitive et sentimentale),, wird durch die ‚Ereignisse. in ‚Gheel bewiesen.“ ao f Nach dem Verfasser sind fast vier Fünftel ‚der,.Irren, ‚der ganzen Welt ohne. Noth. und Nutzen 31 1, 242 abgesondert; denn’ nach ihm 'soll‘in. der'ärztlichen‘ Praxis; die Isolirung nur darin ‚bestehen, die Um- stände und Ursachen zu entfernen, welche zur Entstehung des Wahnsinns mitgewirkt und ihn her- beigeführt haben, und seine Behandlung muss häufig die sein, die entgegengesetzten Umstände her- vorzurufen,, wie sie sich oft in. dem Leben der Landleute vorfinden. (Contraria contrariis.) Was den zweiten Punkt betrifft, so versucht der Verfasser das Ideal einer Bevölkerung zu ver- anschaulichen, welche, aus den verschiedensten Klassen der Gesellschaft zusammengesetzt, lediglich zum Zwecke haben würde, die Irren, sowohl Reiche als Arme, Heilbare oder Unheilbare, zu pflegen und in eventum zu heilen, — jeden, nach Maassgabe seiner Mittel und Neigungen. f Bei dieser Gelegenheit unterwirft der Verfasser die’ Frage einer genauen Prüfung, ob es am an- gemessensten ist, die Obsorge für die Irren religiösen Corporationen oder besondern Familien zu übertragen. Er spricht sich für die Obsorge durch die letzteren aus, da dieselbe ihrer Natur nach sich mehr dem normalen Leben der Mehrheit anpasst. Er stützt seine Meinung’ auf die Vorgänge, die in Gheel im Innern der Familien der Irrenpfleger 'stattfinden. Wir können in dieser. Beziehung nur auf die Schrift des Verfassers selbst hinweisen. Der dritte Gegenstand der Schrift ist die Beschreibung des Dorfes Gheel und seiner Irren- anstalten. Nach einem Schreiben an mich theilt der Verfasser die Geisteskranken ein, wie folgt: „La folie peut dependre d’une alteration inconnue de esprit soit d’une l&sion des Organes. Elle prive ’homme de la liberte de connaitre, de penser et d’agir, elle se manifeste par des symp- tomes, etc. Lesions de la receptivite sensitive Exaltation,, affaiblissement, abolition. per- | version. Lesions de la receptivit€ sentimentale ou Exaltation, affaibl., abolition, rupture d’equi- affective libre , perversion. Lesions de l’activite intellectuelle Exaltation, affaibl., abolition , perversion, j rupture d’equilibre. f Lesions de l’activit€ volontaire Exaltation, affaibl., abolition, perversion, Lesions de lactivite instinetive Exaltation, affaibl., abolition, perversion, Die Versammlung übergiebt die Schrift ‘dem: Sanitätsrath Dr. Droste aus. Osnabrück ‚zur 'ge- naueren Berichterstattung in einer der nächsten Sitzungen. Hierauf gab Dr. Smell eine genauere Beschreibung der von ihm dirigirten Herzogl. Nass.‘ Irren-, Heil- und Pflegeanstalt Eichberg , und verwies, unter‘ steter Bezugnahme auf den gestern von Seiten der Section der Anstalt abgestatteten Besuch, auf die von ‘ihm’ in’ der Zeitschrift für Psychiatrie gegebene Beschreibung der Anstalt, in dem ersten‘ Hefte des achten’ Bandes. Med.-Rath Dr. Mansfeld, welcher mit Bauconducteur Hitzinger sich auf einer Reise befindet zum Besuch von Irrenanstalten, um demnächst die Pläne zu der neuen für das Herzogthum Braun: schweig projectirten Irren-, Heil- und Pflegeanstalt zu entwerfen, legte hierauf der Versammlung folgende Fragen zur gefälligen Beantwortudg vor: 1). Welche Vergitterung oder Versicherung der Fenster ist die zweckmässigste,, und ist diese überhaupt oder nur bei einzelnen Abtheilungen erforderlich ? 243 Der grössere Theil der Versammlung sprach sich .für die Vergitterung der Fenster in allen Ab- theilungen aus. 2) Ist es zweckmässiger, die Zellen von oben durch einfallendes Licht oder durch gewöhnliche hochliegende Seitenfenster zu erhellen? Dr. Richarz will 2 Fenster in jeder Zelle haben, ein Oberlicht und ein gewöhnliches Seiten- fenster, welches die Aussicht ins Freie gestatte, auch den Vortheil biete, dass es die Communication und Lüftung erleichtere. Dr. Barkhausen bemerkt dazu, dass ein solches Fenster jedenfalls fest vergittert und ausserdem noch durch einen Laden verschlossen werden müsse. Die übrigen Mitglie- der hielten das Oberlicht für genügend und zweckmässiger als die hochliegenden Seitenfenster. 3) Müssen alle Zellen heizbar sein ? Alle Anwesenden stimmten darin überein, dass alle Zellen heizbar seien. 4) Ist es durchaus erforderlich, die Corridore der einzelnen Abtheilungen mit Spülgefässen (von Stein oder Eisen) und verschliessbarem fliessenden Wasser zu versehen ? Die grössere Mehrzahl sprach sich gegen die vielen Wässerröhren aus practischen Gründen aus. 5) Ist es zweckmässig, die Höfe der einzelnen Abtheilungen mit hohen Mauern zu umgeben? Dr. Snell sprach sich dafür und ausserdem noch für die Umgebung des ganzen Anstaltgebiets mit einer hohen Mauer aus. Dr. Erlenmeyer zieht aus bekannten Gründen eine hohe Mauer in einem tiefen Graben vor. Dr. Barkhausen hält einen hohen festen Plankenzaun in einem tiefen Graben für hinreichend. 6) Ist Gaserleuchtung für die Anstalt zu empfehlen ? Gestützt auf die mancherlei Unglücksfälle, welche durch Auflassen, Aufdrehen der Hähne an den Leitungsröhren u. s. w. entstanden sind, hält die Versammlung für Irrenanstalten die Gasbeleuch- tung nicht für zweckmässig. (Nicht maassgebend.) 7) Wie gross soll die Heil- und Pflegeanstalt sein bei dem durch amtliche Zählungen ermittelten Vorhandensein von 560 Irren im Herzogthum Braunschweig? Dr. Richarz sprach sich dahin aus, dass von 560 Kranken mindestens 200 untergebracht wer- den müssten. Dr. Erlenmeyer hält die Unterbringung der Hälfte sämmtlicher Kranken also 280 —300 für nöthig. $) Welches müssep die einzelnen Unterabtheilungen sein? Die ganze Versammlung spricht sich gegen die Abtheilungen nach der Form des Leidens aus. 9) Wie gross soll die Abtheilung der Tobsüchtigen und Unreinlichen sein? Dr. Erlenmeyer sprach sich dahin aus, dass wohl das richtigste Verhältniss sei, wenn diese Abtheilung für 25 °%, sämmtlicher Kranken eingerichtet werde. Die DDr. Snell und Richarz er- klärten sich nach ihrer Erfahrung damit einverstanden. 10) Welche Betteinrichtung ist für Unreinliche die beste? Dr. Erlenmeyer giebt zwei verschiedene Einrichtungen an, von denen die eine wegen ihrer Kostspieligkeit nur für Pensionäre, die andere aber für Normalkranke angewendet‘ werden könne. Die erste besteht darin, dass eine einfache oder doppelte Filzspalte von der Breite und Länge wie die Bettbreite und der Dicke eines halben preuss. Zolles über die Matratze gelest und in einzel- nen Fällen noch durch eine wasserdichte Unterlage das Bettwerk geschützt wird. Bios wasserdichte Unterlagen lassen entweder bei unruhigen Kranken den Urin doch ins Bett laufen, oder die Kranken 31* 244 liegen, wenn die Unterlagen das Wasser halten, förmlich in einem Weiher. Es sei ein Stoff nöthig, der den Urin auffange und hierzu habe sich am zweckmässigsten der Filz gezeigt, besonders wegen seiner grösseren Haltbarkeit. Die Unterbetten, Matratzen u. s. w. werden auf diese Weise vollstän- dig geschützt. Die zweite Einrichtung besteht darin, dass aus Eichenholz gefertigte Bettstellen, deren ganz eng gefügte und mit Oelfarbe angestrichener Boden von oben und unten nach der Mitte zu abschlüssig und dort mit einer Oeffnung versehen ist, täglich mit frischem Stroh oder Heu gefüllt und mit dem Betttuch überdeckt werden. Der Urin läuft durch die Oeffnung in ein untergestelltes Gefäss. Dr. Richarz schlägt die Gutta percha als Unterlage vor und erklärt, er wolle damit Versuche machen. Schliesslich empfahl Dr. Erlenmeyer zur täglichen Reinigung beschmutzter Wäsche das Was- serrad, welches Hofrath Schäfer in Zwiefalten zu diesem Zwecke construirt hat. 11) Welche Einrichtung der Abtritte ist die zweckmässigste ? Dr. Richarz hält es für besser, dass in einer Anstalt so wenig Abtritte wie möglich ange- bracht , dieselben aber durch recht zahlreiche Nachtstühle ersetzt werden. Dr. Erlenmeyer spricht sich für die gewöhnlichen Abiritte mit verengtem Abzugsrohr aus, dessen Wände am besten durch die Röhren aus Steingut, wie man sie besonders in mehreren Aem- tern des Herzogthums Nassau fabrieirt, gebildet werden. Dr. Snell empfielt statt deren die eichenen Röhren, welche sich in Eichberg bis jetzt vollstän- dig bewährt hätten. Dr. Richarz und Dr. Erlenmeyer empfehlen für die Abtritte noch die D’arcetische Röhren- einrichtung. Leibarzt Dr. Ricken empfahl als eines der besten Mittel zur Desinfection der Abtritte den Liquor von Dam, pharmacien de la Cour a Bruxelles. Sanitätsrath Dr. Droste empfahl nach den in Frankreich gemachten Frfahrungen als ein sehr zweckmässiges, die Reinlichkeit sehr förderndes Verfahren, die Kranken öfter und zwar zu ganz bestimmten Zeiten nach dem Abtritt zu führen. Mehrere Mitglieder der Versammlung sprachen sich für dies Verfahren aus, dessen Zweckmässigkeit sich ihnen durch Erfahrung bestätigt habe. Zweite Sitzung. Mittwoch, den 22. September 1852. Präsident: Dr. Snell von Eichberg. Secretär: Dr. Erlenmeyer von Bendorf. ® 1. Dr. Richarz, Director der Privat-Irrenanstalt zu Endenich, hält zuerst einen Vortrag „über die Nahrungsverweigerung in psychischen Krankheiten.“ M. H. Unter den Erscheinungen, welche die mit Seelenstörung verbundenen Krankheitszustände begleiten, möchte nicht leicht eine aufzufinden sein, welche in Beziehung auf ihre Natur und die dagegen einzuschlagende Behandlung, sowie wegen der immensen Wichtigkeit der daran sich knü- pfenden Folgen, in höherem Maasse das Interesse des psychiatrischen Praktikers in Anspruch zu nehmen vermag, als die Nahrungsverweigerung bei Geisteskranken. Die Ansichten der höchsten 245 i Autoritäten unseres Faches über das Wesen dieser Erscheinung und über die leitenten Grundsätze der Therapie sind keineswegs mit einander in Uebereinstimmung. Desshalb kann auch das geringste Scherflein zur Aufklärung dieses Gegenstandes aus der Quelle der Erfahrung und der darauf sich stützenden Reflexion den Fachgenossen nicht unwillkommen sein. Ich habe während einer 16jährigen psychiatrischen Praxis 10 Fälle von vollständiger Nahrungs- verweigerung von mehr oder minder langer Dauer beobachtet; daneben viele Fälle mehr oder minder heftigen Widerstrebens gegen den Genuss ven Nahrungsmitteln, die doch eigentlich von jenen nur dem Grade nach verschieden sind. Von allen 10 Fällen, die ich beobachtet habe, sind 4 völlig wieder hergestellt worden, sind 2 bei noch andauerndem gelinden Widerstreben gegen das Essen erheblich gebessert, 4 gestorben. Von den letzteren erlagen 2 unter den Erscheinungen des sogenannten Lungenbrandes, die zwei an- deren unter denen des typhoiden Marasmus. Ich bemerke von vorn herein, dass von meinen Beobachtungen und den daran sich knüpfenden Betrachtungen alle Fälle von solchen Blödsinnigen ausgeschlossen sind, bei denen nicht das Nahrungs- bedürfniss erloschen ist, sondern lediglich in Folge einer Lähmung der Verstandeskräfte eine Un- fähigkeit besteht, auch die zum Bewusstsein gekommene Empfindung des Hungers durch zweckmässige Bewegungen zu befriedigen, die Nahrung selbst sich zuzuführen, und die desshalb gefüttert werden müssen, und willig aber passiv sich füttern lassen. — Die Nahrungsverweigerung, von der es hier sich handelt, ist die Erscheinung activen und hartnäckigen Widerstrebens gegen die Einnahme und die Einflösung aller Nahrung, die, nicht selten in Verbindung mit einem Widerstande gegen andere natürliche Verrichtungen, als Trinken, Stubl- und Urinausleerung, in der Regel nicht für sich selbst als eine psychische Krankheitsform auftritt, sondern meist zu einer bereits bestehenden psychischen Krankheit als eine höchst bedenkliche Complication sich hinzugestellt. Die Melancholie ist die- jenige Grundform: psychischen Erkrankens, mit welcher diese Art von Nahrungsverweigerung sich am häufigsten verbindet: und zwar gehörten unter den 10 Fällen, die ich meinem Vortrage zu Grunde lege, 8 der Melancholie an, und 2 der Exaltation. Unter jenen Fällen melancholischer De- pression war in 6 die Melancholie mit Aufregung verbunden, und nur in zweien war sie ohne Auf- regung. Unter jenen $ Fällen von Melancholie war kein einziger ohne Wahnvorstellungen. Diese Wahnvorstellungen waren immer mit dem vorgeblichen Motiv der Nahrungsverweigerung in eine ge- wisse psychologische Uebereinstimmung gebracht, so wie auch andere Complicationen des Irreseins, z. B. die Hallueinationen, diesem wenigstens amalgamirt werden. Die Aufregung war, wie sie in der Melancholie immer ist, eine ängstliche, und der Wahn, dem entsprechend, meist der der Vergiftung, der Verfolgung und Lebensbedrohung durch andere, seltsamer Weise mitunter mit gleichzeitigem Bestreben der Selbstvernichtung. Als besonders bemerkenswerth und bedeutsam aber sind mir die- jenigen Wahnvorstellungen in mehreren der von mir beobachteten Fälle erschienen, denen augen- scheinlich eine sehr tiefe Alteration des Gemeingefühls und der demselben vorstehenden sensitiven Nerven und eine gänzliche Entfremdung des Ich’s von sich selbst zu Grunde lag. Solche Walnvor- stellungen waren häufig die von der physischen und absoluten Unmöglichkeit des Schluckens nicht nur, sondern überhaupt jeden Hinuntergleitens der Speisen, von der gänzlichen Verschiedenheit der Beschaffenheit des eigenen Körpers von dem anderer Menschen — ein anderes Mal entweder der Walın von dem 1000jährigen oder gar von Ewigkeit her dadirenden Alter der Person, und von der 246 Unmöglichkeit eines Endes einer solchen qualvollen Existenz, oder umgekehrt der Wahn der Abge- storbenheit des eigenen Leibes, der Nichtexistenz oder des blos schemenhäften Daseins seiner Selbst und der verzauberten Aussenwelt. Wo die Nahrungsverweigerung sich mit Melancholie ohne Auf- regung paarte, zeigten sich meist religiöse Wahnvorstellungen, z. B. von der persönlichen Unwürdig- keit zum Essen und andern Genüssen, oder auf Hallueinationen gegründete directe Verbote derselben, beides auf einer krankhaften ascetischen Büsserstimmung beruhend. Indem ich mich einer ausführlichen Schilderung der die Nahrungsverweigerung begleitenden, be- kannten einzelnen Erscheinungen enthalte, bemerke ich nur, dass es für die Praxis und insbeson- dere für die Behandlung von der allergrössten Wichtigkeit ist, zu unterscheiden, ob die Zunge, Lippen, Zähne mit Zahnfleischrand noch feucht sind oder trocken, resp. rissig und mit dunkeln Schorfen bedeckt; ob der meistens alsbald unangenehm werdende Geruch aus dem Munde einen fauligen, aashaften Charakter angenommen hat oder nicht. Wenngleich zwischen beiderlei Erschei- nungen keine ganz scharfe Trennung stattfindet, so bezeichnen doch die letztgenannten Symptome immer, wo sie in charakteristischer Ausprägung auftreten, den Anfang jenes zweiten gefährlichen Stadiums des der Nahrungsverweigerung zu Grunde liegenden Zustandes, wobei der Eintritt des so- genannten Lungenbrandes oder des typhoiden Marasmus, der häufig von einer Entzündung und bran- digen Zerstörung der Darmschleimhat bedingt ist, zu befürchten steht. Nie zeigt sich jenes Lungen- oder Darmleiden ohne jene charakteristischen Zeichen der Säfteverderbniss, nicht selten aber diese ohne jenes Lungenleiden. Die sogenannte Grangraena pulmonum, auf welche als eine häufige und meist tödtliche Folge der Nahrungsverweigerung zuerst in bestimmter Weise Guislain 1935 hingewiesen hat, und später in Deutschland Fischel, Hergt und Andere, tritt übrigens nicht immer bei Nahrungsenthaltung ein, während auf der andern Seite diese verderbliche Erscheinung in Irrenhäusern nicht selten auch beobachtet wird bei Kranken, namentlich stumpfen Blödsinnigen, bei denen von einem Versagen der Nahrung nichts wahrzunehmen ist, aber auch andere brandige Zerstörungen, Decubitus ete. nicht selten sind. Es folgt hieraus, dass die dem Lungenbrande zu Grunde liegende Blutzersetzung nicht blos aus mangelhafter Zufuhr von Nahrung entspringt, sondern vielmehr auch bei gehöriger Speisung in einer Unfähigkeit der Verdauungsorgane zur gesundheitsmässigen Ernährung ihren Grund haben kann. Eine solche Schwächung des Gehirneinflusses auf die Assimilation der Nahrungsstoffe findet nicht blos im Blödsinn statt, sondern auch und fast noch mehr in der Melancholie, ja bei jedem deprimirenden Affect. Demnach beobachtet man denn auch die Erscheinungen des Lungenbrandes mit tödtlichem Ausgange nicht selten bei Melancholischen, obwohl man ihnen, unter Verweigerung der freiwilligen Nahrungsaufnahme, durch künstliche aber nicht gewaltsame Fütterung eine zur Lebens- unterhaltung hinreichende Menge von Nahrungsstoffen beibringt. Um die pathologische Bedeutung und das Wesen der Nahrungsverweigerung bei Geisteskranken zu verstehen, muss man vorerst ganz und gar von der früher beliebten Ansicht abstehen, als ob dieselbe häufig in der Hauptsache eine rein psychische Erscheinung sei, etwa die Folge des bestimm- ten aus Lebensüberdruss hervorgegangenen Entschlusses, sich durch Verhungern zu tödten, oder um- gekehrt des aus dem Wahn der feindseligen Verfolgung durch Andere entsprungenen Vorsatzes, sich durch Nahrungsenthaltung vor Vergiftung zu schützen, oder endlich eine psychische Verkehrtheit un- bestimmter Art, eine Marotte, ähnlich so manchen andern Verirrungen des Begehrungsvermögens 247 Geisteskranker in seltsamen Trieben und Abneigungen. Vielmehr ist vor Allem an dem Satze fest- zuhalten,, dass. der hartnäckigen Nahrungsverweigerung meistens im Wesentlichen eine Erloschenheit des Nahrungsbedürfnisses zu Grunde liest, ein pathologischer Zustand der das Gefühl jenes Bedürf- nisses zum Sensorium leitenden und die Empfindung des Hungers in demselben vermittelnden Theile des Nervensystems, wodurch eben eine völlige Abneigung gegen alle Nahrung erzeugt wird. Fasst man die Melancholie als einen Zustand von Unterdrückung der Lebensthätigkeit des Organs des Vor- stellens auf, der in der Regel mit einer Verdunkelung der normalen Empfindungen und mit Hemmung gesundheitsgemässer Strebungen verknüpft ist: so wird es nicht schwer einzusehen, wie dieses Ge- müthsleiden, wenn es in einer gewissen Intensität auftritt, oder wenn es an Umfang zunimmt und steigt, sich auch mit einem Erlöschen der mächtigsten aller Lebensempfindungen und des mächtigsten Instinetes verbinden kann. Eine gewisse Verminderung der Esslust ist ohnehin der melancholischen Depression eigen, wie ein gesteigertes Verlangen nach Speisen am häufigsten bei dem entgegenge- setzten Zustande, bei der maniakalischen und narrenhaften Exaltation beobachtet wird. Bedenkt man dies, sowie die offenbar auf einem sehr bestimmten Gefühl beruhenden, wenn- gleich oft wahnhaften Behauptungen vieler Sitophobischen einer absoluten Unmöglichkeit zu essen, bedenkt man ferner, dass die Nahrungsverweigerung auch zur erethistischen Exaltation sich gesellen kann, — dass sie bei demselben Kranken oft plötzlich kommt und geht, ohne eine entsprechende Veränderung im Charakter seiner psychischen Krankheit, — dass man sogar Fortpflanzung derselben von einem Kranken auf andere durch den blossen Anblick und die Nachahmung beobachtet hat (Guislain); bedenkt man endlich, dass sie manchmal mit Gefrässigkeit wechselt: so kann man sich der Ueberzeugung nicht verschliessen, dass diese Erscheinung zwar am häufigsten als Compli- cation von Seelenstörung, und zwar von Melancholie auftritt, dass sie aber nicht wesentlich zu dieser gehört, sondern auch da, wo sie, wie meistens, in Folge einer psychisch motivirten oder nicht motivirten Gemüthsdepression erscheint, ein eigenthümlicher pathologischer Zustand ist, und dass dieser Zustand wesentlich als ein Nervenleiden und zwar aus physiologischen und pathologischen Gründen am wahrscheinlichsten als ein Leiden des N. vagus von torpidem Charakter entweder in seiner peripherischen Ausbreitung im Magen oder an seinem centralen Ursprung zu bezeichnen ist. Für ein Leiden des achten Paars als Grund der Sitophobie spricht sich auch Guislain in seinem neuesten Werke aus, wie früher Flemming ein solches Leiden als die Causa proxima der Präcor- dialangst bezeichnet hat. Versuchen wir nun auf Grund dieser Betrachtungen über die pathologische Begründung der Sitodhobie eine weitere Einsicht zu gewinnen in die Ursachen, welche zur Herbeiführung des die Nahrungsverweigerung so häufig begleitenden sogenannten Lungenbrandes einwirken. Wenn die An- nahme richtig ist, dass die Sitophobie wesentlich durch ein Leiden des N. pneumognasticus und zwar, was am plausibelsten ist, durch einen Zustand von Torpor desselben bedingt ist, so wird diese Einsicht sehr erleichtert. Eine Herabsetzung der Lebensenergie des N. vagus führt zunächst zu einer Abnahme der Esslust, und auf die Dauer durch Entziehung der Nahrung zu einer Ver- armung des Blutes an Protein-Bestandtheilen. Diese Entziehung von stickstoffhaltigen formativen Bestandtheilen des Blutes scheint indessen nicht die wichtigste Folge der Sitophobie und nicht die Hauptursache der Lungen-Gangrän zu sein. Viel wichtiger aber als den Einfluss, den eine Depotenzirung des achten Nervenpaares auf die 248 Verdauung ausübt, halte ich für die Erklärung der Entstehungsursachen des Lungenbrandes die Folgen , welche jene Depotenzirung auf die Respiration ausüben muss. Es ist eine feststehende Thatsache, dass deprimirte Gemüthszustände Verlangsamung und Unvollkommenheit des Athmens und des Herzschlags verursachen: sie thun dies offenbar durch Einwirkung auf den N. vagus vom Ge- hirne aus. Die Folge einer solchen Mangelhaftigkeit der Respiration muss eine Anhäufung des nicht verbrannten Kohlenstoffes im Blute sein. Nichts liegt näher, als dass ein solches Uebermaas von Kohlenstoff im Blute ausser andern Erscheinungen am ehesten eine Erkrankung desjenigen Organs verursacht, in dem jenes Uebermaass hätte verbrannt werden sollen, in den Lungen. Die allgemeine Erkrankung und Entmischung des Blutes also wird sich in den Lungen localisiren. Dem entsprechend stimmen alle Beobachter darüber überein, dass Lungenbrand nie vorkommt ohne Blutentmischung, und zwar bezeichnet Fischel diese Blutdyscrasie nach dem Sprachgebrauch der Wiener Schule als eine hypinotische. Ich komme zum letzten und wichtigsten Theil meines Vortrages, zur Darstellung des Einflusses, den die Nahrungsverweigerung auf die therapeutische Behandlung der mit ihr verbundenen Zustände von Seelenstörung haben muss. Um kürzer sein zu können, bekenne ich mich in Folge dieser Erfahrungen von vorn herein als einen entschiedenen Gegner der Aus- und Durchführung der gewaltsamen Fütterung im strengsten Sinne des Wortes. Ich stehe mit dieser meiner Ansicht nicht ganz isolirt. Bei meinen Studien über diesen Gegenstand habe ich eine vortreffliche Abhandlung über denselben gefunden im 1. Bd. der 2. Serie der Annales medico-psychologiques von einem italienischen Irrenarzte Dr. Andrea Verga, übersetzt von Dr. Lunir. Zu meiner Freude traf ich daselbst eine vollständige Bestätigung meiner Grundsätze der Behandlung, wenn ich auch nicht mit Verga darin übereinstimme, dass die Sonde ganz und gar entbehrt und verbannt werden könne. Verga erklärt die gewaltsame Fütterung für unnöthig und für gefährlich, immer aber für unzulässig und unstatthaft: Fast immer beobachtete er nach derselben tödtlichen Ausgang der Krankheit und in der Leiche die Zeichen schwerer orga- nischer Erkrankungen in Brust- und Unterleibsorganen. Nach meinem Urtheil ist in den meisten Fällen hartnäckiger Nahrungsverweigerung bei Irren nicht die Zufuhr von Nahrung die Hauptindica- tion, sondern die Anwendung solcher Mittel, welche den krankhaften Zustand der Verdauungsorgane zu beseitigen geeignet sind, wozu denn freilich in erster Linie die Einflösung zweckdienlicher Arzneien gehört. Erst in zweiter Reihe erscheint die Beibringung von Nahrung Bedürfniss, und auch dies nur so lange, als die Zunge noch feucht ist. Sobald aber die Zunge positiv trocken und der Athem stinkend ist, halte ich jedwede irgendwie bewerkstelligte Injection von Nahrungsmitteln für geradezu schädlich. Die für mich bei der Behandlung massgebenden Indicationen sind: a) die Kräfte zu schonen; b) das erloschene Nahrungsbedürfniss wieder zu erwecken ; c) die zweckmässige Nahrung zuzuführen , soweit dies ohne grosse Gewalt möglich ist. ' Die erste und wichtigste Indieation der Conservation der Kräfte schliesst gleich Anfangs die eigentlich foreirte Fütterung aus, indem dabei, sobald ein gewisses Mittelmaass überschritten wird, die Reizung und Aufregung des Nervensystems und der dadurch gesetzte Kräfteverlust stets beträcht- licher ist, als der durch die Nahrungszufuhr etwa möglicher Weise erlangte Gewinn — abgesehen 249 davon, dass solch heftige Aufregung immer ‚mit. einem starken Blutandrang zu Hirn- und Brust- organen verbunden ist, der die Gangraena pulmonum um so.eher herbeizuführen im Stande ist, — Zur Erfüllung dieser Indieation der Haushaltuug. mit den Kräften dient namentlich. die horizontale Lage, bei der man nur auf die Verhütung des Decubitus Rücksicht zu.nehmen hat, der übrigens bei der Nahrungsverweigerung in der Melancholie nur selten eintritt, dagegen häufig bei Lähmung und Blödsinn auch ohne Nahrungsverweigerung. -— Zur Erfüllung der zweiten und dritten Indication die- nen der Hinzutritt kühler Luft, kühle und kalte Bäder von '/, Stunde und länger, Bäder mit einem Zusatz von Königswasser, allgemeine oder örtliche Waschungen mit sehr verdünntem Königswasser, kalte Douchen, kalte Klystiere mit Essig. In soweit es ohne Anwendung der äussersten Gewalt ge- schehen kann, Einflössung von reichlichem kalten Wasser, insbesondere auch von. Kohlensäure hal- tigem Wasser, von säuerlichem Wein und von passenden Arzneimitteln. Zu diesen rechne ich, so lange die typhoiden Erscheinungen noch nicht entwickelt sind, als solche, die das erstorbene Nah- rungsbedürfniss wieder zu beleben im Stande sind, die rein bittern Mittel in starken Gaben, unter deneu ich dem Extr. quass. den Vorzug gebe, vor Allem aber das Kupfer, namentlich den Liquor cupri ammoniato-muriatieci Koechlini, ein Mittel, welches in Zuständen von Depression mit vermin- derter Esslust in der That an kräftiger Wirksamkeit seines Gleichen nicht hat. Sobald aber die Zunge trocken und der Athem stinkend geworden ist, beschränke ich mich auf ein infus. ipecac. mit Salzsäure. Da ich die blosse Enthaltung von Nahrung für sich nicht als die Ursache der Blut- verderbniss und des Lungenbrandes halte, sondern die typhoiden Erscheinungen und die Vernichtung des Nahrungsbedürfnisses als die ebenbürtigen Folgen desselben Grundleidens, so setze ich der Ab- neigung gegen die Nahrung immer nur eine abgemessene, ein ‚gewisses Maass nimmer überschrei- tende, übrigens mit dem Grade des Leidens in umgekehrtem Verhältnisse stehende Anstrengung entgegen, So lange die Zunge noch feucht, der Athem noch rein ist, wenn man sich sagen darf, dass rein psychische Motive in einem höhern Grade zur Verweigerung der Nahrung mitwirken, und so lange es mehr darauf ankommt, dem noch nicht tiefer erkrankten Organismus normale Lebens- reize zuzuführen: so lange biete ich ein ziemlich hohes Maass von moralischen und psychischen Be- mühungen auf, um dem Kranken Nahrung beizubringen, und lasse dann auch die Nahrung aus Fleischbrühen und Eigelb oder aus einer starken Lösung des hier besonders zu empfehlenden Liebig- schen Fleischextractes bestehen. Je mehr aber die typhoiden Erscheinungen vorwalten, desto mehr entziehe ich den Kranken die animalische Nahrung, und beschränke mich auf vegetabilische Schleim- suppen mit vegetabilischen Säuren, namentlich Citronensäure. Jeder weise Arzt wird natürlich zuerst alle moralische Einwirkungen aufbieten, um den Wider- stand des Kranken gegen die Einnahme von Nahrung und Arzneien zu überwinden. Zu diesen mora- lischen Einwirkungen zähle ich ‚ausser den gewöhnlichen Künsten der Veberredung, des verstohlenen Hinstellens der Speisen u. s. w. — Mittel, die meistens nicht viel nutzen, — hauptsächlich und aus einleuchtenden Gründen die Versetzung in eine Irrenanstalt. Aber auch die physischen Mittel, welche angewendet werden, um dem Kranken Nahrung und vor Allem Arzneien beizubringen, sollen nach meiner Ansicht nur in moralischer Weise wirken; sie sollen nie die Bestimmung haben, dem Wider- streben des Kranken ein endlich überwältigendes Maass von physischer Gewalt entgegenzusetzen — was, wo man es ausführen will, doch oft genug misslingt, oder wenn es gelingt, manchmal zu gefährlichen Verletzungen führt, zur Perforation des Pharynx, Einführung der Sonde und Injection 32 250 der flüssigen Speise in die Lufwege. Die Zwangsmittel sollen den Kranken zur Unterwerfung be- stimmen, indem derselbe durch den imponirenden Eindruck der Demonstration des Zwangsapparates im Verein mit dem Auftreten eines zahlreichen Wärterpersonales zum Nachgeben bestimmt wird, sei es, dass er in Folge dessen freiwillig auf natürliche Weise isst, oder dass er sich widerstandslos die Schlundsonde einführen lässt. Denn nicht blos bei blödsinnigen, sondern auch bei melancholischen Irren ist es nicht selten, dass dieselben sich oft Wochen lang nach der blossen Aufforderung zu essen jedesmal zum Füttern mit der Schlundsonde ganz passiv auf den Stuhl hinsetzen, wie zum Barbieren. (Verga.) ? Um nun zum Schlusse noch einige Worte über die Technik des Verfahrens zu sagen, so wird es aus dem Vorhergegangenen leicht ersichtlich sein, warum ich mich nur für einfache Apparate erklären kann. Leuret’s sogenannte verdauliche Sonde, die, durch die Nase eingeführt, liegen bleiben soll, während der Kranke natürlich in der Zwangsjacke gehalten wird, erkläre ich geradezu für ein barbarisches Mittel, das nur geeignet ist, den letzten Funken des Gefühls menschlicher Existenz in dem Schwerleidenden zu vernichten. Baillarger's bessere Sonde a double mandrin et a obturateur ist zu complicirt; in Fällen äussersten Widerstandes würde es ein Uebermass von Ge- walt erfordern, um dieselbe einzuführen, und in Fällen grösserer Nachgiebigkeit wird man mit ein- facheren Mitteln ausreichen. Um das Verfahren, welches ich bewährt gefunden habe, zu bezeichnen, werde ich hauptsächlich nur anführen, was ich unter allen Umständen vermeide. Ich ziehe immer die Fütterung durch den Mund derjenigen durch die Nase vor. Ich schreite aber nie zur gewaltsamen Eröffnung des Mundes, und wenn der Mund freiwillig geöffnet wird, der Kranke aber nicht schlucken will, so zwinge ich ihn nie dazu durch Zuhalten der Nase mit gleichzeitigem Anfüllen der Mund- höhle mit flüssiger Speise, wodurch der Kranke genöthigt werden soll, eher zu schlucken, als das Athembedürfniss unbefriedigt zu lassen. Immer soll man nur dieke, nie dünne Schlundröhren neh- men, zumal, wenn man durch die Nase füttert, wo man mit dünnen Röhren leicht in die Luftwege gerathen und in sie die Speisen injieiren kann. Ich mache die Injection ferner nur einmal des Tages, dann aber mit einer starken Dosis der für zweckdienlich befundenen Arznei- und Nahrungsmittel. In der hierauf stattfindenden Discussion sprachen über Fütterungsmethoden: Dr. Droste: Die Baillarge’sche Sonde mit den neuesten Verbesserungen sehr zu empfehlen. Dr. Snell: das Hergt’sche Verfahren durch Fixiren des Unterkiefer beider keine Vortheile vor der übrigen Methode ohne Schlundsonde, und könne ebenso Angst bei der Kranken- und Erstickungs- noth hervorrufen. Leibarzt Dr. Rieken: Zu versuchen in Irrenanstalten sei die Einspritzung von Nahrungsmitteln durch die Nase mittelst einer gewöhnlichen Spritze, allmälig und in Absätzen auszuführen. Dr. Erlenmeyer: Zu unterscheiden sei die Nahrungsverweigerung, je nachdem wirklich Appetit- losigkeit den Grund abgiebt, oder diess nicht der Fall ist. Die Appetitlosigkeit, welche meist als Symptom einer Anästhesie des Vagus auftritt, bedingt noch keine widersetzliche Zurückweisung der Nahrung. Diese Opposition sei erst Folge einer Wahnidee, welche aber noch mannigfache andere Ursachen haben, theils von andern Nerven, dem Glossophasyngeus, Olfactarius, theils von kunpro- versen Zuständen des Vagus herrühren könne, wie je bei Frauenzimmern Hyperästhesie des Vagus solcher Nahrungsverweigerung häufig zu Grunde liegt. Die Erfahrung bestätigt die Ansicht des Dr. Richard nicht, dass Nahrungsverweigerung immer auf Torpor des Vagus beruhe. Consequente 251 frühzeitige Fütterung sei, was die Behandlung betrifft, das Hauptmittel, um die so drohende Gefahr der Blutzersetzung und der Lungengangrän zu bekämpfen. Hierauf Bericht des Sanitätsrath Dr. Droste über das Werk Paregot’s: Therapentique na- turelle de la folie etc. 2. Sodann folgte ein Vortrag des Dr. Snell, Direetor der Heil- und Pflegeanstalt Eichberg: „über Anäthesie der Haut bei Geisteskranken.“ Auf die Lähmungserscheinungen bei Geisteskranken im Bereich der motorischen Nerven wurde in neuerer Zeit vielfach die Aufmerksamkeit gelenkt, und die Paralyse der Irren ist von vielen Sei- ten untersucht und beschrieben worden. Wenig Beachtung wurde dagegen den Alienationen ähnlicher Art im sensitiven Nervensystem zu Theil. Höchst wichtig und dem Experimente leicht zugänglich ist in dieser Beziehung die Empfindlichkeit der Haut der Kranken gegen sclhmerzerregende äussere Einwirkungen. Ich habe gefunden, dass bei psychischen Störungen eine vollständige Anäthesie der Haut gar nicht selten ist. Vor einiger Zeit wurde ich zufälliger Weise auf diesen Gegenstand auf- merksam gemacht. Ein Geisteskranker erlitt durch das Auflallen eines schweren Stück Holzes auf seinen Fuss eine bedeutende Verletzung der grossen Zehe, so dass der Nagel hinweggerissen wurde. Als ich den Kranken untersuchte, bemerkte ich zu meinem Erstaunen, dass diese sonst so schmerzhafte Ver- letzung kaum empfunden zu werden schien. Auf meine Frage versicherte der Kranke, dass er durch- aus keinen Schmerz an dem verwundeten Fusse fühle. Ich untersuchte nun auch andere Stellen der Haut desselben hinsichtlich ihrer Empfindlichkeit gegen Schmerz, und fand dieselbe überall vollstän- dig erloschen, Weder heftiges Kneipen, noch Verwundungen der Haut wurden irgendwie schmerzhaft empfunden. Durch diesen Fall aufmerksam gemacht, untersuchte ich in dieser Beziehung sämmtliche Kranken der Anstalt und fand, dass von 180 Geisteskranken (100 Männern und SO Frauen) 18 an vollständiger Anästhesie der Haut litten, und dass bei 6 anderen Kranken die Empfindlichneit der Haut gegen Schmerz sehr vermindert, aber nicht ganz aufgehoben war. Von jenen 18 Kranken ge- hörten 17 dem männlichen, und nur eine dem weiblichen Geschlecht an. Die 6 Kranken. bei welchen die Empfindlichkeit vermindert war, gehörten sämmtlich dem männlichen Geschlecht an. (Der Redner berichtet Näheres über diese 18 Kranke, durch Angabe des Alters, Geschlechts, der psychischen Krankheitsforn und des körperlichen Kräftezustandes, und fährt dann fort:) Sechs dieser genannten Kranken, welche vollständige Anästhesie der Haut zeigen. leiden an Blödsinn, drei an Melancholie, fünf an Wahnsinn; zwei sind epileptisch und zwei sind maniakalisch aufgeregt. Von den 6 Kranken, bei welchen verminderte Empfindlichkeit der Haut gegen äussere Eingriffe beobachtet wurde, leidet der eine seit 6 Jahren an Wahnsinn, zwei derselben leiden an Melancholie, zwei sind epileptisch und blödsinnig und einer leidet an periodischer Manie. Sämmtliche genannte Kranken gehören dem Bauern-. oder niederen. Handwerkerstand an. Nur einer ist ein Geistlicher und einer ein Lehrer. Wie aus dem Gesagten hervorgeht, erscheint die Anästhesie nicht bei einer bestimmten. Form von Geistesstörung, und wird auch namentlich nicht blos hei Depressionszuständen, sondern auch bei Aufregung bemerkt. Sämmtliche Kranken aber, welche das genannte Symptom darbieten, leiden an 32 * 252 einer tiefen geistigen Störung und geben wenig Hoffnung auf Wiedergenesung. Es ist die Anästhesie als ein sehr ungünstiges Symptom bei Geistesstörung anzusehen. Diese Alienation der Functionen der sensitiven Nerven bei dem Irrsein ist ohne Zweifel eine interessante und wichtige Thatsache, und es verdienen die derartigen Beobachtungen weitere Beach- tung und mehrseitige Prüfung. Es sind dieselben ein neuer Beweis der somatischen Basis der Gei- steskrankheiten (wenn diese überhaupt noch eines Beweises bedarf), und zeigen wie tief und vielfach das Gehirn- und Nervenleben bei Psychosen gestört erscheint und nach allen Richtungen hin Ab- weichungen vom Normalzustande darbietet. Es liegt hier noch ein weites Feld für physiologisch- psychologische Forschungen, welche uns in der Psychiatrie hoffentlich weiter führen werden, als sterile Systeme und Theorieen. Aus der sich heranreihenden Verhandlung ist Folgendes hervorzuheben : Dr. Richarz: in vielen der hier angeführten Fälle möge vielleicht nicht wirkliche Anästhesie vorhanden, vielmehr sowohl die Reizbarkeit als die Leitung der Nerven völlig normal sei, dagegen der Eindruck einer stattgefundenen Reizung im Gehirn in Folge der psychischen Störung nicht zu Stande komme. Die Frage des Dr. Griesinger, welchen Einfluss die Anästhesie auf die Walınidee der Kranken ausübe, beantwortet Dr. Snell dahin, dass er bei den von ihm beobachteten Kranken keinen solchen beobachtet habe. Dr. Grimm stellte die Frage, wie sich das Tastgefühl bei solchen Kranken erhalte? worauf Dr. Snell erwiderte, dass er darauf bezügliche Untersuchungen nicht gemacht habe. Auf die Frage des Dr. Richarz, wie sich diese Kranken gegen Kälte und ekelerregende Dinge verhielten, antwortete Dr. Snell, dass ein Theil dieser Kranken entschieden unempfindlich gegen Kälte und ekelerregende Dinge sei, dass aber bei Andern dies nicht bemerkt werde. Leibarzt Dr. Rieken theilte hierauf einen Fall von partieller Anästhesie mit, welcher zur Zeit der Confultation seit 6 Monaten an gänzlicher Unempfindlichkeit der linken Wange litt, vom Ohr- läppchen bis 1 Zoll vom Mundwinkel in der Breite von 2 Querfingern, im linken Drittheil der Zunge der ganzen Länge nach, im Ring- und im kleinen Finger der linken Hand, bei lästig salzigem Ge- schmack des Speichels. Die Motilität war nirgends verletzt. Das Uebel war eines Abends plötzlich entstanden, während der Kranke, der kräftig genährt und übrigens regelmässig lebend gewohnt war, jeden Abend 1', — 2 Litres Bier (sogenanntes Faro) zu trinken, sich plötzlich angerufen und beim Nacken gepackt wähnte. Die angewendeten Heilmittel fruchteten nicht; einen Monat später trat ein Schlaganfall mit nachfolgender Lähmung der linken Seite und fortbestehender Anästhesie; Besserung erfolgte nur vorübergehend, bis nach ungefähr °/, Jahren ein anderer Schlaganfall den Kranken tödtete. Sectionsbericht fehlt. Dritte Sitzung. Donnerstag den 23. September. Präsident: Dr. Snell von Eichbereg. Seceretär: Dr. Erlenmeyer von Bendorf. 1. Dr. Erlenmeyer hält einen Vortrag „über die abnormen Sensationen.“ Es ist keinem Zweifel unterworfen, dass die abnormen Sensationen unter allen Sinnestäuschungen 253 am häufigsten beobachtet werden. Man findet sie im höheren oder niederen Grade bei allen Nerven- kranken sowohl innerhalb als ausserhalb der Irrenanstalten. Die Kranken der ersten Reihe unter- scheiden sich von Letzteren, den Seelengestörten darin, dass jene die abnormen Sensationen als solche mehr oder weniger beurtheilen, als etwas in ihnen selbst Liegendes, Krankhaftes anklagen, und dieselben stets nur mit anderen Zuständen und Empfindungen vergleichen, während die Irren sie nicht mehr richtig beurtheilen und durchaus nicht für etwas Krankhaftes in ihnen Liegendes ausgeben und sie mit anderen. Zuständen und Empfindungen ohne Weiteres identificiren. Während eine blos hysterische Kranke angiebt, sie habe im Hals das Gefühl, wie von einer aufsteigenden Kugel, oder im Magen eine Bewegung, als wenn etwas Lebendes darin wäre, hält sich eine Irre nicht lange bei diesem Vergleich auf, sie hat eine Kugel im Hals, oder einen Frosch im Magen u. s. w. Der Irre ist schnell mit einer Erklärung fertig und webt aus einer abnormen Sensation eine ganze Wahnhistorie oft in der scharfsinnigsten Weise. Um meinen Vortrag in möglichst engen Grenzen zu halten. will ich hier blos die abnormen Sensationen, wie sie bei Seelengestörten beobachtet werden, besprechen und zuletzt die Bedeutung ins Auge fassen, welche sie für die Prognose der Seelenleiden haben. Bei einer genaueren Beobachtung solcher Irren, welche an abnormen Sensationen leiden. in welches Gewand des Wahns sie auch diese kleiden mögen, habe ich wahrgenommen, dass ein sehr grosser Unterschied unter diesen Kranken besteht hinsichtlich der Heilbarkeit ihres Seelenleidens. Es giebt darunter solche, die in kürzerer Zeit völlig geheilt werden, und auch Viele solche, welche die Irrenanstalten nie verlassen können; es giebt solche, welchen man es auf den ersten Blick schon ansieht, dass sie mit raschen Schritten dem Tode entgegen gehen und wieder solche, welche wohl- genährt und körperlich stark aussehen, wie die Gesundheit selber. Das Auffallendste dabei war mir der Umstand, dass oft Kranke von der verschiedensten Prognose ganz dieselben abnormen Sensa- tionen hatten, welche sie auch ganz in dieselbe Wahnidee hüllten. Nur Einzelne derer, die am häufigsten vorkommen, will ich hervorheben, es sind dies die abnormen Sensationea im Gebiete des Vagus. Wiederholt habe ich zu gleicher Zeit Kranke gehabt, die keinen Magen oder keine Speise- röhre zu haben behaupten, welchen der Magen ganz verwachsen war u. s. w., und die ganz in gleicher Weise die Nahrung verweigerten, deren Leiden aber einen ganz verschiedenen Aus- gang nahm. Lange Zeit schien es mir nach diesen Beobachtungen, dass die abnormen Sensationen gar nicht als Anhaltspunkte für die Prognose zu benutzen seien, indem es für den Verlauf des Seelenleidens ganz ohne Bedeutung sei, ob die Kranken an abnormen Sensationen leiden oder nicht; ich hielt dieselben für eine mehr zufällige Complication, wie deren bei Irren sehr viele vorkommen, ohne dass man aus denselben einen Schluss auf den Grad und die Heilbarkeit der Erkrankungen zu ziehen berechtigt ist. Vor allen musste ich aber nach diesen Beobachtungen an der Gültigkeit des alten, jedoch auch in neueren Handbüchern aus Abhandlungen wieder abgedruckten Satzes zweifeln, dass den Täuschungen des Gefühls stets eine schlimme Bedeutung beizumessen sei, weil sie stets auf eine tiefere Erkrankung des Gehirns schliessen liessen, wenngleich ich mir nicht verhehlen konnte, dass sehr viele Kranke mit sog. organischen Gehirnleiden mancherlei abnorme Sensationen darboten. Bei fortgesetzter genauer Beobachtung wurde es mir jedoch bald klar, dass unter den abnormen Sensationen eine grosse Differenz hinsichtlich ihrer Entstehung obwalte, dass sich dieselben darnach 254 in drei grosse Klassen eintheilen, und dass sich hierin ganz bestimmte Anhaltspunkte für die Prog- nose des Seelenleidens finden lassen. In dem Folgenden werde ich diese drei Klassen darzustellen mich bemühen, dann ihre Unterscheidungsmerkmale angeben, soweit es mir bis jetzt gelungen ist, dieselben aufzufinden, und daran in Kürze die Bedeutung der einzelnen Klassen für die Prognose anreihen. Zum besseren Verständniss bemerke ich, dass ich bei der genaueren Auseinandersetzung der abnormen Sensationen von den Wahnideen, welche der Kranke daran reiht, welche er als eine noth- wendige Erklärung der abnormen Sensation in jeden einzelnen Falle hinzufügt, ganz absehe, das diese uns ganz gleichgültig sein können, und auch wie sich weiter unten ergeben wird, wenig Werth ha- ben; sie sind etwas Secundäres, was nicht in den Organen des Gefühls, sondern der Vorstellung entsteht. Alle von mir bisher beobachteten abnormen Sensationen lassen sich auf zwei krankhafte Zu- stände des Nervensystems zurückführen. Die Reizbarkeit eines Nerven durch äussere Momente, sowie seine Leistungsfähickeit sind entweder gesteigert (Hyperästhesie) oder vermindert und zuweilen ganz erloschen (Anästhesie). Es lassen sich alle abnormen Sensationen hierauf zurückführen und ihre drei verschiedenen Klassen von einander unterscheiden, wenn wir die folgenden vier Gesetze aus der Ner- venphysiologie zu Rathe ziehen. 1) Eine jede Reizung der sensiblen Nerven in ihrer peripherischen Ausbreitung bringt ein Gefühl hervor, das sich je nach Art der Nerven in fünf verschiedenen For- men zeigt: a) Gefühl der Lust, b) der Unlust (Schmerz), c) des Hungers und Durstes, d) der Sät- tisung, e) der Wärme. 2) Dieselben Gefühle entstehen durch Reizung nach der peripherischen Aus- breitung projieirt wird (Gesetz der excentrischen Erscheinung), 3) durch die peripherische Reizung einzelner Nervenzweige können auch andere Zweige desselben, sowie benachbarter Nerven in Mitlei- denschaft gezogen werden (Gesetz der Association, Irradiation oder Mitempfindung). Die Reizung sensibler Nerven geht im Rückenmark auf die motorischen über, diese zur Bewegung anregend, ohne dass die Empfindung zum Bewustsein gelangt (Gesetz der Reflexbewegung). Es geht vor Allem hieraus hervor, dass durchaus nicht alle abnormen Sensationen, welche der Kranke in die Peripherie verlegt, auch wirklich in den Nervenausbreitungen ihren Ursprung haben, sondern dieselben können nach dem zweiten der eben angeführten Gesetze auch ebensowohl in den Nervenstämmen und selbst in den Nervencentren entstehen. Für die prognostische Bedeutung der abnormen Sensationen ist, wie sich später ergeben wird, die richtige Erkenntniss ihrer Ursprungs- stelle von grosser Wichtigkeit, wesshalb ich diese Eintheilung der abnormen Sensationen in drei Klassen, je nachdem dieselben 1) an der peripherischen Ausbreitung, 2) in dem Leitungsapparate und 3) in den Centralapparaten des sensiblen Nervensystems entstehen, hier beibehalten werden. I. Classe. Die abnormen Sensationen, welche durch krankhafte Zustände der peripherischen Nervenausbreitungen entstehen. Diese Klasse ‚ist offenbar am, meisten verbreitet und zerfällt wieder in zwei Abtheilungen, je nachdem die Energie der Gefühlsnerven exal- tirt und gesteigert (Hyperästhesie) oder deprimirt, vermindert und erloschen ist (Anästhesie). Beide Zustände werden meistens dureh die verschiedensten Krankheiten und Abnormitäten der betreffenden Organe, Dislocationen, welche die Nerven zerren, alte schlechte Cicatrisationen, Geschwüre drückende Geschwülste und andere Afterproducte hervorgebracht oder durch Association von anderen 255 Organen aus, welche gerade bei der peripherischen Hyperesthesie sehr lebhaft ist und bei anämischen Zuständen besonders häufig beobachtet wird. a) Die Hyperästhesien können in allen Nervenbalınen auftreten, sowohl in den Cereprospi- nalen als in den sympathischen, welche sonst der bewussten Leitung entbehren und nur besonders heftige Reize zum Bewusstsein gelangen lassen. Die Hyperästhesien sind je nach der Art der Nerven verschieden und zeigen sich in den oben dargestellten fünf Formen: z. B. in den Hautnerven als Jucken, Kitzeln, Formication, Hitze, Kälte, Schmerz; im Vagus dagegen viel seltner als Schmerz, sondern mehr als Gefühl von Zusammenschnürung, als Steigerung des Nahrungstriebes. Die Reiz- barkeit kann so gesteigert sein, dass die Nerven durch die geringfügigsten Reize sehr lebhaft affieirt werden, wodurch der Zustand des betreffenden Organes in ganz abnormer Weise empfunden wird. Sehr oft kommt es vor, dass nur einzelne Zweige eines Nerven ergriffen sind, während die übrigen welche sich in anderen Organen verbreiten, ganz frei bleiben können nach dem Gesetze der isolirten Leitung. Neuralgien peripherischen Ursprungs kommen sehr häufig vor bei Irren und geben zu den seltsamsten Wahnideen Veranlassung, die übrigens ganz gleich sind bei den centralen Neuralgien. Obenan stehen die Hautneuralgien in ihren verschiedenen Abstufungen. Am häufigsten wird ohne Zweifel besonders in den ersten Stadien der Erkrankung der Kopfschmerz beobachtet, der wohl zu unterscheiden ist von dem Kopfschmerz, welcher durch Reizung der sensiblen Gehirnparthien entsteht Eine andere in Irrenanstalten sehr häufig beobachtete Hautneuralgie ist der Zoster, welchen man früher den Exanthemen (Herpes) zuzählte, dem ich aber in einer jAbhandlung über Nervenkrankhei- ten in Göschen’s deutscher Klinik eine Stelle unter den Neuralgien angewiesen habe, für welche Ansicht sich seitdem schon mehrere unserer ersten Kliniker ausgesprochen haben. Gar nicht selten kommt ferner der Schmerz im Gebiete der Hautzweige des ischiadieus, sowie des Cruralis vor, des- sen Erkrankung besonders die der beiden Zweige Nervus saphenus minor und Internus als Ischias antica Cotunni bekannt. Solche Kranken klagen, sie würden von Thieren gebissen, der Arzt, ihre Stubengenossen oder Nachbarn wirkten durch Eleetrieität auf ihre Beine ein etc. etc. Diesen beiden Formen der Neuralgien sind viel häufiger peripherischen Ursprungs. wie ich mich durch die Behand- lung sehr oft überzeugt habe. In den oben erwähnten Aufsatze der Göschen’schen Klinik habe ich dies schon bemerkt und die Aetzung mit Argentum nitricum als dasjenige Mittel angegeben, welches mir am sichersten und schnellsten geholfen hat; was ich heute gestützt auf weitere Erfahrung nur son Neuem empfehlen kann. Formicationen kommen ebenfalls gar nicht selten vor als Vorboten der Neuralgien und zuweilen der Anästhesien. Sehr oft entstehen auch dieselben durch schlechte Narben. Jucken habe ich sehr häufig beobachtet, sowohl über die ganze Haut verbreitet (Hyprästhe- sie der gesammten Hautnerven), wovon weiter unten (Ill. Klasse) ausführlicher die Rede sein wird, als auch blos auf einzelne Stellen beschränkt, wo sich vor Allem die Uebergangsstellen der äusseren Haut in Schleimhaut auszeichnen, als Hyperästhesie des Nervi pudendohz@emorrhoidalis (After und Genitalien) und des Trigeninus (Nase), welche beide Erkrankungen aber &ewöhnlich seeundär sind, und nach dem Gesetze der Association von andern Orten aus entstehen. Die Wahnbilder, welche die Kranken daraus malen, brauche ich ihnen nicht erst aufzuführen, dieselben kommen zu häufig vor und sind zu bekannt. Unter den Hyperästhesie der inneren Nerven ist ohne Zweifel diejenige des Vagus bei Irren am meisten verbreitet. Dieselbe zeigt sich in den allerverschiedensten Formen (Zusammenschnüren, 256 Brennen, Neuralgie u. s. w.) und bietet gleichwie die der- folgenden Nerven um so mehr Mannigfal- tigkeit dar, weil beide gemischte Nerven sind, und sowohl sensible als auch motorische Fasern ent- halten. Eine krankhafte Steigerung ihrer Thätigkeit beschränkt sich selten auf eine dieser Bahnen, sondern befällt beide, die sensible und die motorische, wodurch gerade die Irren um so mehr in ihren Wahnideen bestärkt werden, weil sie nicht blos krankhafte Empfindung, sondern auch krank- hafte Bewegungen haben. Hieran reihen sich hinsichtlich der Frequenz die Hyperästhesien des sym- pathicus. Mit diesem Nerven ist früher viel Unfug getrieben und manche Mystification in ein wissen- schaftliches Gewand gehillt worden. Die Leitung des Sympathieus ist für die normalen ‘Vorgänge keine bewusste; nur aussergewöhnliche Zustände, pathologische wie physiologische (Schwangerschaft) werden zum Bewusstsein geleitet. Am häufigsten sind die Hyperästhesien der folgenden Unterleibs- geflechte, als des Plexus solaris, mesenterieus, hypogastrieus und uterinus. Wirkliche Neuralgien werden viel seltener beobachtet, während abnorme Gefühle sehr gewöhnlich vorkommen. Im Gebiete des Sympathieus sind Irradiationen nach dem Gesetze der Association sehr häufig. Die Wahnideen, der Kranke habe Thiere im Unterleib, die Hoden seien enorm gross geworden (die Neuralgie des Hodensacks ist als Hautneuralgie zu unterscheiden), die Kranke sei schwanger, nebst vielen andern, kommen hier gewöhnlich vor. Ueber den Schwangerschaftswahn habe ich mehrere interessante Beobachtungen gemacht und in andern Anstalten gesammelt, von denen ich nur einzelne hervorheben will. Bei Zeller fand ich eine Kranke, die schwanger zu sein schon viele Monate behauptete, ohne dass die Aerzte irgend eine Veränderung im Unterleib wahrnehmen konnten. Eines Tages entdeckte Zeller eine kleine Geschwulst in der Ovarialgegend , die rasch wuchs. Die Kranke magerte sehr ab und ging mit schnellen Schritten ihrem Ende entgegen; sie wird jetzt wahrscheinlich längst ge- storben sein. In meiner Anstalt habe ich vor mehreren Jahren eine Kranke behandelt, welche trotz regelmässiger Menses doch schwanger zu sein behauptete. Sie litt, wie dies so häufig bei Hyprä- sthesie der Unterleibsgeflechte, besonders des Plexus uterinus beobachtet wird, an Hyprästhesie des Nervus olfactorius und Glossopharyngeus, roch und schmeckte überall scharfe Sachen, Asa foetida ete. Sie rechnete regelmässig jeden Monat ihrer Krankheit zu der Zahl der Schwangerschaftsmonate hin- zu, und obgleich sie sonst ganz verständig war, so ging Sie doch viele Monate über die normale Zeit hinaus. Sie war von vielen Aerzten au verschiedenen Orten behandelt worden, und desshalb eine zusammenhängende Krankengeschichte nicht zu erhalten. Durch consequente Nachforschung bei ihren Aerzten erfuhr ich, dass sie früher an Gallensteinen gelitten hatte. Obgleich ich nie einen Kolikanfall oder ikterische Färbung bei ihr beobachtet hatte, so wirkte ich doch darauf hin. Sie erhielt Durand’s Mittel, doch ohne besondern Erfole. Nach zwei Monaten gingen plötzlich Gallen- steine ab, und von da an hörte -die ganze Schwangerschaftsidee auf. Es war hier offenbar das Uteringeflechte in Mitleidenschaft gezogen worden, von der Leber aus nach dem Gesetze der Association. b) Hierauf folgt die grosse Reihe der Anästhesien, welche bei Irren viel häufiger sind, als man gewöhnlich annimmt. Bei der Untersuchung muss nur grosse Sorgfalt angewendet werden, da gerade ‚ bei Irren Irrthümer sehr leicht möglich sind. Unter den peripherischen Anästhesien, von denen in diesem Abschnitt allein die Rede‘ist, kommt ohne Zweifel die Hautanästhesie am häufigsten vor, die über einzelne beschränkte Stellen der Ober- fläche des Körpers verbreitet ist. Es ist übrigens das Hautgefühl durchaus nicht nur ganz erloschen, 257 sondern in den meisten Fällen nur vermindert. Die-Innervation ist überhaupt bei den ‚meisten. Irren gestört, was sich bei der Haut durch verminderte Temperatur ‘der Hände und Füsse: deutlich .aus- spricht, ferner durch vermehrte Abschilferung der Epidermis, durch verminderte Transspiration, durch grössere Neigung zu Stasen u. s. w. Anästhesie, welche über grosse Hautflächen verbreitet ist, oder in zwei ganz verschiedenen Nervenbahnen vorkommt, ist meist centraleu Ursprungs, doch muss ich auch darauf aufmerksam machen, dass die rein peripherische Anästhesie zuweilen durch Association erfolgen kann. Die mancherlei Wahnideen yom ‚Fehlen ‚oder Zusammenschrumpfen ‚einzel- ner Theile sind bekannt, es sind dies Klagen, die offenbar auf Anästhesie der betreffenden. Nerven zurückzuführen sind. In zweiter Reihe hinsichtlich der Frequenz begegnen wir der Anästhesie des Vagus, welche sich bei der besonderen Natur dieses Nerven in einer doppelten Weise äussert, einmal in einer Vermin- derung oder Aufhebung des Gefühls der vom Vagus besorgten Organe, und dann in der Umänderung des Athmungs- und Nahrungstriebs. Dieser letztere kann in zweifelhafter Weise verändert sein, in- dem entweder das Verlangen nach Nahrung oder das Gefühl der Sättigung vermindert und.aufgehoben ist. Diese drei verschiedenen Erscheinungen kommen bei Irren so ziemlich gleich häufig vor, wie Sie gewiss einräumen werden, und geben zu mancherlei Wahnideen. Veranlassung. Die Fälle, wo neben dem Wahn des fehlenden Magens und anderer vom Vagus besorgter Organe der Nahrungstrieb vermindert ist, sind viel häufiger, als die zweite Reihe, wo die Kranken durch ein übermässiges, auf Erlöschen des Sättigungsgefühls hindeutendes Essen beweisen ‚wollen, dass der Magen sowie andere vom Vagus besorgte Organe fehlen und ihr ganzer Körper hohl und leer von Eingeweiden sei, Die Anästhesie des Vagus verursacht also in erster Reihe eine Verminderung des Nahrungstriebs,, 'es bilden sich in Folge dieser Anästhesie allerlei Wahnideen, welche dann bewirken, dass. der Kranke dem Einbringen der Nahrung Widerstand entgegensetzt und also zum Nahrungsverweigerer wird. Was nun das Vagusleiden speciell betrifft, so . kann es einen dreifachen Ursprung haben, es kann im Gehirn entstehen, es kann ferner der Stamm des Vagus und endlich die peripherische Ausbreitung desselben krank sein. In letzter Hinsicht mache ich. besonders darauf. aufmerksam, dass durchaus nicht immer die Magenfasern primär leiden, sondern dass sowohl die‘ des Oesophagus, als der Lungen etc. noch öfter zuerst erkranken, sowohl in der einen als in der andern Weise. Es theilt sich ‚die Erkrankung durch Association mit. Man: findet z.B... bei Pneumonien , ‚Tubereulosen und andern Lungenleiden der Irren als gewöhnliches,, oft als erstes Zeichen ‚die 'Appetitlosigkeit,. die in vielen Fällen auch zur Nahrungsverweigerung: wird. -Ebenso kaun ‚sich aber ‚durch Association ‚die Erkrankung der Magenzweige auf die Lungenzweige fortsetzen, wodurch Stasen. und Ausschwitzungen in den Lungen entstehen. Solche Erkrankungen kommen bei Anästhesie des Vagus. sehr ‚gewöhnlich vor, und ich "bin fest überzeugt, dass Sie alle schon solche Fälle beobachtet haben. Ausdrücklich bemerke ich, dass nicht ‘die Nahrungsverweigerung‘ an und für. sich diese. Lungenentzündung hervorbringt. II. Klasse. Wir kommen nach dieser kurzen Abschweifung zu denjenigen abnormen Sen- sationen, welche in dem Leitungsapparat entstehen. Hierher zähle ich nicht nur die Nervenstämme selbst, sondern ‘auch das Rückenmark , ‚weil dies blos für die. Reflexerscheinungen Centralorgan , für alle übrigen Nervenfunctionen' aber: blos leitendes Apparat ist. Die Nervenstämme rechnet man gewöhnlich zur peripherischen Ausbreitung, ich trenne sie hier von.derselben , weil auf 33 258 sie das Gesetz der excentrischen Projection Anwendung findet und sie sich überhaupt-in Bezug auf unsern Gegenstand gerade’ so verhalten , wie das Rückenmark, mit Ausnahme der eben angedeuteten Reflexerscheinungen. a) Die Hyprästhesien kommen hier ganz in derselben Weise vor, wie bei der. vorigen Klasse; in den Klagen des Kranken oder in seinen‘ Wahnideen, welche‘ sich auf ‚seine Gefühle basiren, ist auch gar kein Unterschied, indem die Eindrücke alle zufolge des ‚Gesetzes der excen- trischen Projeetion nach der Peripherie verlegt werden. Nur dann wird zuweilen die Jeidende Stelle richtig erkannt, wenn die krankmachende Ursache sich soweit über das Gebiet des Nervenstammes hinaus verbreitet, dass auch andere höher abgehende Nerven in ihrer peripherischen Ausbreitung affiecirt werden. Die Hyperästhesien entstehen am meisten in solchen Nerven, welche durch. Knochen- kanäle, fibröse Häute u. s. w. hindurchgehen, in denen mancherlei Abnormitäten auf die Nerven- stämme einwirken; sie entstehen ferner durch Geschwülste im Nervenstamme (Neurome) oder in seiner Nachbarschaft, in Folge entzündlicher Processe in den Nervenscheiden; im Rückenmarkskanal durch die verschiedensten pathologischen Processe der Wirbelknochen , der Rückenmarkshäute und des Rückenmarks. Mehrere hierher gehörige interessante Fälle habe ich schon. früher mitgetheilt und werde von Zeit zu Zeit immer noeh damit fortfahren. In den allermeisten Fällen erscheint die Hyperästhesie als Neuralgie, nachdem längere Zeit Kitzeln, Kribeln, Formication, Brennen, Kältegefühl u. s. w. vorausgegangen sind, woraus. ‚der Kranke die sonderbarsten Dichtungen componirt. Die Neuralgie erstreckt sich über alle ‚unterhalb der leidenden Stelle sich ausbreitende Nervenzweige, welche gewöhnlich nach und nach in Mitleiden- schaft gezogen werden. Es geht diese Ausbreitung zuweilen sehr rasch und hat selbst mitunter auf den Wahn einen Einfluss. So behandelte ich eine Dame , welche wegen Verschliessung der. Speise- röhre und des Schlundes die Nahrung verweigerte (Hyperästhesie des Vagus); nach ‚einigen Tagen gab sie an, dass alle Speisen, die sie genossen, ins Ohr kämen und dieses zerstörten. Bei einer Untersuchung des Gehörgangs mit dem Ohrenspiegel fand ich eine solche Reizbarkeit, ‚dass: die Kranke während der Einführung des Speculum fortwährend hustete. Es war. hier ‚offenbar ‚der. Ner- vus aurieularis, ein Zweig des Vagus, allmälig in Mitleidenschaft gezogen worden. Gar nicht. selten geht die Hyperästhesie in Anästhesie über. Da die motorischen Nerven die meisten sensiblen, wenig- stens von den Durchgangsstellen durch die knöchernen Hüllen der Centralorgane an, begleiten, so erzeugt diese Nachbarschaft auch eine Exaltätion ‘der motvrischer ‚Nerven. Wir sehen ‚daher bei solchen Kranken auch gewöhnlich Krämpfe in den betreffenden Nervengebieten z.B. ‚bei Hyperästhe- sie des Vagus: Krampf des Schlundes, der Glottis, Husten, Schluchzen, Herzklopfen, Ructus u. s. w. Im Rückenmark verbreitet sich bei der Nachbarschaft ‘der beiderseitigen Fasern die Krankheit '.ge- wöhnlich über beide Körperhälften und befällt sowohl die motorischen, als‘ die sensiblen Nerven. Die Hyperästhesie des Rückenmarks besonders der Damenwelt hat Ihnen gewiss Allen schon ‚sovlel zu schaffen gemacht, dass es Ihnen keine Freude bereiten würde, wenn ich Ihnen eine, wenn, auch kleine Reihe dieser Leidenshistorien ins Gedächtniss zurückrufen wollte. b) Für die Anästhesien gelten ganz dieselben Verhältnisse , die ich eben auseinander gesetzt habe. Die Motilitätsstörung fehlt selten dabei, sie zeigt sich Anfangs wohl als Krampf, geht aber zewöhnlich bald in Lähmung über. 6anz besonders mache ich aber darauf aufmerksam, dass bei der Motilitätsstörung der Willenseinfluss aufgehoben ist, während die Reflexbewegungen fortbestehen, 259 was in der vorigen Klasse sich umgekehrt verhält, indem dort der Willenseinfluss auf den Nerven- stamm fortbesteht, während die Reflexthätigkeit aufhört. Die Ursachen der Lähmung können sowohl in den knöchernen als in den häutigen Hüllen und auch in dem Nervenmark selbst liegen. Bei den Nerven ist diese letztere Erkrankung gewöhnlich die Atrophie, bei «dem Rückenmark Atrophie, Er- weichung , Continuitätsstörung, Afterproducte u. s. w. Obgleich in der Mehrzahl der Fälle bei diesen ebengenannten Leiden hintere und vordere, sowie auch die beiderseitigen Stränge leiden, und also auch die Störung der Sensibilität und Motilität auch beide Seiten betrifft, so habe ich doch hiervon schon Ausnahmen selbst beobachtet, indem eine Hälfte des Rückenmarks von der Krankheit ergriffen war. — Auch hier werden die Anästhesien nach aussen projieirt. Es kommt auch zuweilen eine zweifache Projection nach aussen in einem Nerven zugleich vor. An eineı bestimmten Stelle des Stammes ist die Leitung unterbrochen, als das beireffende Glied ist gefühllos; wirkt nun auf die Nervenfasern oberhalb dieser leidenden Stelle ein Reiz ein, welcher Schmerz hervorbringt, so wird dieser ebenfalls nach aussen projieirt. Sie haben also Anästhesie und Neuralgie in einem und dem- selben Gliede, welche Verbindung man die Anaesthesia dolorosa*) nennt. Nach dem, was ich Ihnen eben über die Ursachen gesagt habe, ist es erklärlich, dass das Leiden selten lange auf einem Standpunkt stehen bleibt, sondern allmälig immer weiter schreitet. Es werden immer mehr Nerven- fasern in Mitleidenschaft gezogen, woraus folgt, dass die Anästhesie immer von unten nach oben fortschreitet. Bei einiger Aufmerksamkeit auf die Klagen und Reden der Kranken kann man dies ganz genau erkennen, und oft viel besser, als durch die Exploration, bei der man von den Kranken gar leicht getäuscht wird, mit und ohne ihre besondere Absicht. Die UI. Klasse umfasst diejenigen abnormen Sensationen, welche durch krank- hafte Zustände der Centralorgane der Gefühlsnerfen entstehen. Es kommen auch hier wieder die beiden Formen Hyperästhesie und Anästhesie vor, doch ist ihr Verhältniss der Art, dass die erstere fast in allen Fällen bald in die andere übergeht. Die centrale Anästhesie ist ge- wissermassen als das Hauptleiden anzusehen, und die Hyperästhesie nur als ein Durchgangsstadium, als ein Vorläufer, der in nur wenigen Fällen nicht beobachtet wird. Es sind. meistens tiefere Er- krankungen des Gehirns, sog. organische Gehirnkrankheiten, welche die centrale Anästhesie hervor- bringen. Es lässt sich keine Gehirnkrankheit angeben, bei der eine oder die andere Form vorzugs- weise vorkäme; aber am deutlichsten ist die Entwicklung und Aufeinanderfolge zu beobachten bei der Gehirnatrophie, wie ich dies in meiner kürzlich erschienen Broschüre (Die Gehirnatrophie der Erwachsenen. Eine Skizze. Neuwied bei Heuser 1852) näher auseinander gesetzt habe. Es ist be- hauptet worden, dass bei der Gehirnerweichung die Neuralgien bedeutend vorherrschten, und man hat dies Zeichen förmlich für die Differential-Diagnose der Gehirnkrankheiten benutzt, doch muss ich bemerken, dass ich in Fällen von Afterproducten im Gehirn ebenfalls sehr häufig die heftigsten Schmerzen beobachtet habe. Aber auch diese können ebenso wie die Erweichung ganz ohne Neuralgie verlaufen. Es können alle Gehirnleiden, welche eine Lähmung erzeugen, auch die Ursache einer *) Es kommt gar nicht selten der Fall vor, dass die äussere Bedeckung eines Organes gefühllos ist, während im Innern furchtbare Schmerzen wüthen; ein Zustand, der von der eigentlichen Anaesthesia dolorosa zu un- terscheiden ist. Es können zwei ganz verschiedene Nerven, aber auch Zweige eines und desselben Nerven affıeirt sein. In meiner Anstalt habe ich dieses Leiden zweimal, beobachtet, einmal am. Hoden und einmal am Schenkel. — 33* 260 Neuralgie sein. Sowohl bei der Hyperästhesie als der- Anästhesie findet das Gesetz der excentrischen Projection Anwendung. Das Uebel schreitet allmälig von oben nach unten vorwärts, immer mehr Nerven in Mitleidenschaft ziehend, wobei die Erscheinungen nur nach dem Gesetze der Kreuzung zu beurtheilen sind. Selten bleiben die sensiblen Nerven allein leidend, es werden gewöhnlich sehr bald motorische Nerven ergriffen. Anfangs zeigt sich auch hierbei die Störung als Krampf und geht später in Lähmung über. Auch die Lähmung schreitet’ von oben nach: unten vorwärts. a) Die Hyperästhesie tritt als Kribbeln, Jucken, Brennen etc. auf und kann alle Stadien des Schmerzes durchmachen. Der Kranke wird verfolgt, er spricht beständig von Ermorden, von Dolch- stichen u. s. w.; bei gelinderem Schmerz von electrischer Einwirkung, von Nadelstichen und anderer feindlicher Berührung. Oft gehen diese Neuralgien dem Ausbruch der Seelenstörung lange voraus. Man ist gar sehr geneigt, dieselbe für rheumatisch auszugeben, wie es mir öfter in den eingelau- fenen ärztlichen Berichten vorgekommen ist. Auch. das Jucken, welches dem Irresein zuweilen vorausgeht, so dass die Kranken desshalb Hülfe suchen, ist, wenn es über grössere Körperstellen verbreitet vorkommt, meist centralen Ursprungs. Es wurde mir kürzlich ein Kranker angemeldet, von dem der ärztliche Bericht sagte, „dass er früher an rheumatischen Schmerzen gelitten habe, die sich aber nach der Anwendung von Schwefelbädern, welche wegen eines lästigen Hautjuckens in Gebrauch gezogen wurden, verloren hätten.“ Nachdem ich schon früher in dieser Hinsicht unange- nehme Erfahrung gemacht hatte, verweigerte ich die Aufnahme. Einige Monate später hörte ich, dass sich Zeichen der Anästhesie eingestellt hätten und der Kranke wird wohl nach den neuesten mir zugekommenen Berichten bald meine Prognose bestätigen. b) Die Anästhesie verbreitet sich, von einer Stelle ausgehend, meist sehr: bald über grosse Nervengebiete, in diesen jedesmal wieder die verschiedenen Vorstadien durchmachend, wie bei der ersten Erkrankung. So habe ich viele Kranke beobachtet, welche an Anästhesie des einen und an Neuralgie eines andern Nerven litten; später wurde dieser auch gefühllos und ein anderer schmerz- haft. Bei einzelnen Gehirnkrankheiten habe ich eine in ganz bestimmter Reihenfolge fortschreitende Anästhesie beobachtet, die man als Anesthesie generale progession der Paralysie generale progression zur Seite stellen kann. Der Kopf wird bei solchen kleiner, hohl, es ist nichts mehr darin, später sind die Augen ausgelaufen, die Nase ist ganz klein‘, der Mund. ist ganz eng, die Hände werden kleiner, der Körper werde hohl und leer und endlich werden auch die Beine kleiner. Augenblicklich habe ich wieder einen solchen Kranken in meiner Austalt. Folgendes bei den Erscheinungen möchte ich noch besonders hervorheben und um eine. nähere Auskunft Sie ersuchen.. Einmal habe ich an diesem Kranken bemerkt, dass das Gefühl der Kleinheit und des Geschwundenseins seiner Organe im Anfang sehr wechselte und oft auch in das .Gegentheil, das Gefühl der Grösse überging. Es kam dieser Wechsel oft an einem Tage. mehrmals vor. Wenn er klein ist und zusammengeschrumpft, lamentirt der Kranke auch jedesmal, ist traurig, weint und ächzt, seine Stimme ist schwach und zitternd, während er zur Zeit. der Grösse. höchst vergnügt und munter ist und Jedem mit lauter Stimme zuruft, dass er gross sei. Dieser Zusammenhang der Stimmung mit dem Gefühl lässt sich wohl am einfachsten als. ein causales ansehen, d. h. der Kranke ist traurig darüber, dass er so klein wird, doch habe ich manchmal bei genauer Beobachtung an der Richtigkeit dieser ‘Ansicht ge- zweifelt, wo es mir schien, als ob beide Zustände Folgen eines gewissen Verhaltens des Nerven- 261 systems seien; wenigstens war die trübe Stimmung zuweilen früher da, als das Gefühl der. Kleinheit oder Schwindens der Organe. Die Anästhesie der allgemeinen Bedeckungen kommt offenbar am häufigsten vor und viel häufiger, als man bisher annahm. Hierbei verweise ich nur auf den Vortrag unseres Präsidenten, der dies auf’s Klarste dargethan hat. Wenngleich bei der fortschreitenden Paralyse die Anästhesie der Haut als Vorbote oder Begleiter der Lähmung sehr gewöhnlich auftritt, so ist doch der von Croizaut aufgestellte Satz, dass solche Anästhesie jedesmal: Vorläuferin der allgemeinen Paralyse sei, jeden- falls zu gewagt, wie Ihnen ebenfalls aus dem gestrigen Vortrage wird klar geworden sein. Während bei den Krankheiten, welche die allgemeine Paralyse bedingen, das Leben selten manches Jahr mehr besteht, kann die Anästhesie, selbst die allgemeine Hautanästhesie viele Jahrzehnte dauern, indem sie durch Geisteskrenkheiten bedingt sein kann , welche das Leben weniger gefährden. Die Sensi- bilitätsstörung hat in dieser Hinsicht mehr Aehnlichkeit mit der Seelenstörung, während Motilitäts- störung schon eine tiefere Zerstörung des Centralorgans voraussetzt. Nachdem ich Ihnen nun diese drei Klassen der abnormen Sensationen in aller Kürze charakterisirt habe, komme ich zu dem zweiten Theile meines Vortrages, und will versuchen, Ihnen die Anhalts- punkte für die Unterscheidung der drei Kategorien anzugeben. Es ist. dies der wichtigste Theil für die Praxis. Im Voraus muss ich Ihnen aber gestehen, dass ich eine vollständige Diagnose dieser drei Klassen heute noch nicht bieten kann ; der Gegenstand ist zu Schwierig und erfordert noch mannigfache Studien und Forschungen. Was ich bis jetzt ermittelt habe, will ich hier mittheilen und behalte mir vor, durch weitere Arbeiten dieses wichtige Capitel mehr und mehr zu. ver- vollständigen. I. Klasse. Peripherische Hyperästhesie und Anästhesie erscheinen, wie schon an- gegeben wurde, sehr gewöhnlich in Folge von Verletzung, Druck, Zerrung-durch Dislocation, Ge- schwulst und andere fremde Körper, schlechte Narben und durch verschiedene krankhafte Processe, Entzündung , Uleration etc. einzelner Organe. Um nun diese Klasse von den beiden andern zu unter- scheiden, ist es also vor Allem wichtig, eine ganz sorgfältige Localuntersuchung zu instituiren, auf die überhaupt gerade bei Irren, die uns so. wenig über sich selbst sagen, wo wir also auf die ob- jeetiven Symtome fast ausschliesslich angewiesen sind, nicht oft genug aufmerksam gemacht werden kann. Bei einer solchen Verstimmung des Nervensystems wirken äussere Reize ganz anders, als bei gesunden Nerven. Manche interessante Beobachtung könnte ich hier mittheilen, wie die gewöhnlich- sten äussern Einflüsse abweichend aufgenommen werden, z. B. geringer Luftzug wie Nadelstiche etc., doch würde mich dies zu weit vom Ziele abführen. Die Reflexaction sowohl wie dle Association sind bei der Anästhesie vermindert und aufgehoben, ‚sowie bei der Hyperästhesie gesteigert. Vor Allem muss immer festgehalten werden, dass die Erkrankung, welche in der ersten Klasse wirklich peripherisch ist, in den folgenden Klassen nach‘ der Peripherie erlegt wird, wodurch die meiste Täuschung entstehen kann. Die positiven Symptome der ersten Klasse lassen sich kurz in folgenden Sätzen zusammenfassen: 1) Das leidende Nervengebiet, mag es von Hyperästhesie oder Anästhesie befallen sein, ist immer sehr beschränkt. Es nimmt selten der ganze Nerv daran Theil, gewöhnlich nur einzelne Zweige, öfter die benachbarten Zweige mehrerer Nerven. 2) Eine beiderseitige Erkrankung kommt fast gar nicht vor und nur zuweilen bei der Erkrankung der Mittellinie. 3) Die Krankheit macht selten Fort- 262 schrifte an Extensität, wenn sie auch Jahrelang besteht, was bei den folgenden Klassen, wenngleich es vorkommt, doch schon viel seltener ist. 4) Wenn auch die Reflexaetionen aufhören, so besteht doch der Einfluss des Willens fort. Ein solcher Kranker wird z. B. wegen peripherischer Anästhesie des Vagus nicht husten, aber er kann husten, sobald er einer gegebenen Aufforderung nachkommen will. 5) Die Motilität ist selten in Mitleidenschaft gezogen. II. Klasse. Die Erkrankung der Leitungsapparate charakterisirt sich durch folgende Symptome: 1) Es leiden die Nerven in grosser Ausdehnung, weil ihre gesammten Verzweigungen derselben unter- halb der kranken Stelle in ihrer Leitungsfähigkeit gestört sind. Je näher die Erkrankung dem Ge- hirn, um so mehr Nervenbahnen sind in Mitleidenschaft gezogen. 2) Die Krankheit bleibt selten auf einem Punkte stehen, sondern schreitet successiv weiter, sowohl an Ex- als an Intensität zunehmend. Gewöhnlich tritt zuerst Hyperästhesie in ihren verschiedenen Formen auf, geht aber bald in Anästhesie über. 3) Die successive Erkrankung verschiedener Organe nimmt einen ganz bestimmten Gang; die- selbe schreitet von unten nach oben fort. So lange das Gehirn nicht in Mitleidenschaft gezogen ist, kann man dies ganz genau beobachten, wenn erst die Beine und später die Arme u. s. w. afficirt werden. Dadurch kommt zuweilen die höchst interessante Erscheinung vor, dass bei Organen, welche von mehreren Nerven besorgt werden, der niedrige abgehende schon erkrankt ist, während der höher abgehende sich noch ganz normal verhält, oder dass der erstere schwerer leidet (Anästhesie), als der andere (Hyperästhesie), wovon ich oben schon Beispiele angegeben habe. 4) Die Reflexthätigkeit ist ungestört, dagegen der Willenseinfluss vermindert und aufgehoben. 5) Die Bewegung leidet fast in den allermeisten Fällen, da die Erkrankung sowohl im Nervenstamm als auch im Rückenmark sich selten auf die sensiblen Fasern beschränkt. Wir finden bei der Hyperästhesie als gewöhnliche Begleiter Krämpfe und bei der Anästhesie Lähmungen der betreffenden Organe. Mit dem Uebergange der Hyperästhesie in Anästhesie macht die Motilitätsstörung auch eine gleiche Veränderung durch. 6) Bei Rückenmarkserkrankung leiden gewöhnlich beide Körperhälften, da sich in dem Mark bei der Nähe der beiderseitigen Fasern die Krankheit gewöhnlich rasch verbreitet. Uebrigens muss ich be- merken, dass mir von den beiden letzten Sätzen einzelne Ausnahmen bekannt geworden sind, indem zuweilen bloss die hintern (Gefühls-), oder bloss die vordern (Bewegungs-) Stränge, oder bloss die einer Seite isolirt erkrankt waren. 7) Trotzdem alle Eindrücke nach der Peripherie projieirt werden, so ist es doch manchmal möglich, die leidende Stelle richtig zu erkennen, wenn nämlich die Er- krankung sich nicht blos auf den Nerven selbst beschränkt, sondern auch die Umgebung befällt, so dass die peripherischen Ausbreitungen höher abgehender Nervenfasern davon affieirt werden. 8) Wird die Leitungsfähigkeit aller Fasern durch irgend ein Nocens aufgehoben, welcher zugleich die nach dem Centrum verlaufenden Nervenfasern reizt, so wird sowohl die Anästhesie als auch die Hyperä- sthesie nach der Peripherie projicirt (Anaesthesia dolorosa). 9) Die Ernährung der betreffenden Organe leidet sehr gewöhnlich, besonders wenn die Ganglien in Mitleidenschaft gezogen sind. Diese Störung findet sich sowohl bei der Hyperästhesie, als bei der Anästhesie. 10) Sehr oft tritt die Anästhesie in besondern Anfällen auf, wo dann zum Unterschied von der folgenden Klasse die Inter- valle ganz frei sind. | If. Klasse. Die Erkrankung der Centralorgane bietet folgende Symptome dar: 1) Es leiden die verschiedensten Nerven gewöhnlich und oft in ganz verschiedener Weise und sehr oft nicht gleich- zeitig, sondern in einem gewissen Zeitraum und nacheinander. So erkennen Sie in dem interessanten 263 Falle, welchen uns Leibarzt Rieken mitgetheilt' hat, an, der Erkrankung der Gehörs- ‚und ‚der Gefühlsnerven ‚den centralen Ursprung des Leidens, obgleich die ganze Affection sich nicht über eine grosse Strecke ausbreitete. Schon oben habe ich‘ eines Kranken erwähnt, bei welchem sich 'Haut- jucken,, neuralgische Schmerzen und Anästhesie in ‚verschiedenen Bahnen zeigte, woraus ich auf eine centrale Erkrankung schloss. 2) Die Aflection ‚der verschieden Nerven ist wieder mehr einseitig nach den gewöhnlichen Kreuzungsgesetzen. Wenn beide Hemisphären leiden, z. B. bei Erkrankung des Pons Varolii, ist natürlieh auch die Anästhesie oder Hyperästhesie auf beiden Seiten vorhanden. Es sind mir auch schon Fälle vorgekommen, wo auf der einen Seite Anästhesie und auf der ‚andern Hyperästhesie vorhanden war. 3) Die Erkrankung schreitet allmälig weiter, sowohl an 'Ex- als an Intensität zunehmend. Diese successive Erkrankung hält auch hier einen bestimmten ‚Gang ein und ergreift meist ‚die einzelnen Organe in der Richtung von oben nach ‚unten. Der Uebergang der Hyperästhesie in Anästhesie erfolgt meistens viel rascher. 4) Die Bewegung leidet fast immer mit und zwar gewöhnlich ganz in ähnlicher Verbreitung, wie die Störung des Gefühlt, ‘auf ‚mehrere Nervengebiete oder über. eine ganze Körperhälfte ausgedehnt. 5) Noch besonders möchte ich erwäh- nen, dass sieh die centrale Neuralgie d. h. der eigentliche Hirnschmerz, durch alle Bewegung des Kopfes und überhaupt alle Thätigkeiten, welche eine Blutstockung im Schädel bedingen, als ver- stärktes tiefes Athemholen, Husten ‚und Riechen, ‚alle Anstrengungen ‚der Bauchpresse bedeutend steigert. 6) Es lässt sich bei der centralen Erkrankung viel häufiger Erblichkeit nachweisen. Mit diesen wenigen Notizen müssen Sie für diessmal zufrieden sein; übrigens glaube ich nicht, dass ich ein sehr wesentlicher Moment übergangen habe; es hätte sich die ganze Angelegenheit wohl noch etwas ausführlicher darstellen und die Unterschiede der drei Klassen an Beispielen er- läutern lassen, doch war mir dies aus den bekannten Gründen diessmal nicht möglich. So wäre ich denn an dem letzten Abschnitte angelangt und hätte, Ihnen die Anhaltspunkte dar- zulegen, welche die (drei Klassen der) abnormen. Sensationen für die Prognose der Seelenstöruag bieten. Ausdrücklich bemerke ich es, dass hier nur von der Prognose der Seelenstörungen die Rede ist, indem die, hiefür gültigen Sätze durchaus nicht auf. andere Verhältnisse als Lebensdauer u. s. w. bezogen werden können. Diese ganze Angelegenheit werde ich ‚kurz zusammenfassen, da ich verschiedene Möglichkeiten nicht alle einzeln durchgehen kann. Es wird Ihnen im Verlauf meines Vortrages klar geworden sein, welcher grosse Unterschied unter den Störungen eines und desselben Nerven besteht, und wie noth- wendig ‚es ist, die Ursprungsstelle des Leidens genau ausfindig zu machen. Eine abnorme Sensation, welche in der peripherischen Ausbreitung der Nerven oder in dem Leitungsapparate entsteht, kann allerdings eben so gut, wie die, welche einer Erkrankung, an dem centralen Ende ihre Entstehung verdankt, die. Begleiterin einer unheilbaren Seelenstörung sein, wie wir solche Fälle denn täglich bei unsern. Pflegekranken beobachten, aber die Ursache der Unheilbarkeit liegt hier nicht in der Er- krankung der: peripherischen Nervenausbreitung oder des Stamms, während die centrale Entstehung der abnormen Sensation eine tiefere Erkrankung des Gehirns voraussetzt. Im ersten Falle sind wir daher durchaus nicht zu einer ungünstigen Prognose berechtigt, während im letzteren Falle fast nie eine günstige Prognose gestellt werden kann. Ganz allgemein wage ich den Satz nicht hinzustellen, da ich in.der That einzelne Fälle erlebt habe, wo ein organisches Gehirnleiden vorhanden war, das sich nicht nur durch die abnorme Sensation centralen Ursprungs, sondern auch durch andere Symp- 264 tome deutlich bekundete, und dennoch die Krankheit eine günstige Wendung nahm. Nach dem was ich bisher beobachtet habe, scheint es mir nur eine Form von Gehirnkrankheiten zu sein, welche zuweilen einen günstigen Ausgang gestatten, nämlich die apoplectischen Ereüsse. Es würde auch hier zu weit führen, Ihnen die einzelnen Fälle vorzustellen, aber bemerken muss ich doch, dass einzelne darunter waren, welche ganz die Symptome des Fortschreitens allgemeiner Paralyse dar- boten und dennoch geheilt wurden. Sie sehen hieraus wieder, wie nöthig die grösste Vorsicht bei Aufstellung allgemeiner Behauptung in unserem Speecialgebiete ist. Wenn man die allgemeine Para- Iyse jedesmal von einer Gehirnatrophie herleitet, so irrt man ganz sicher, denn wir wissen aus mehreren tüchtigen Arbeiten, dass verschiedene Gehirnkrankheiten die Erscheinung der allgemeinen Paralyse erzeugen können. In einer kleinen Broschüre habe ich die Fälle von Gehirnatrophie von den durch andere Ursachen bedingten allgemeinen Paralysen zu trennen gesucht. Die Sache ist allerdings noch nicht abgeschlossen und bedarf noch fortgesetzter Bearbeitung. Sehen wir also von den apo- pleetischen Ergüssen ab, welche mir bisher als die einzige tiefere Erkrankung des Gehirns bekannt geworden ist, welche zuweilen eine Abweichung bietet, so lässt sich die prognostische Bedeutung der abnormen Sensation in folgendem Satze zusammenfassen: Während die Erkrankung der peripherischen Nervenausbreitung und des Leitungsapparates an und für sich keine ungünstige Prognose bedingte, lässt sich bei centraler Erkrankung die Unheilbar- keit der Seelenstörung mit Bestimmtheit aussprechen. Obermedicinal-Rath Dr. Vogler von Wiesbaden regte hierauf eine Besprechung über die Frage an, welche Einflüsse die politischen Ereignisse der letzten Jahre auf die Zahl und Form der Seelen- störungen ausgeübt haben. Die anwesenden Vorsteher von Irrenanstalten stimmen darin überein, dass die Zahl der Erkrankungen in der letzten Zeit grösser, als früher zu sein scheine, und die Herren Dr. Erlenmeyer und Dr. Richarz heben hervor, dass besonders die Selbstmorde in den letzten zwei Jahren zugenommen haben. Was die Art der Einwirkung der politischen Ereignisse ..auf ‚die Entstehung von Seelenstörung betrifft, so stimmen die anwesenden Irrenärzte darin überein, dass hierbei eine dreifache Weise zu unterscheiden sei, indem 1) beobachtet worden sei, dass die politi- schen Ereignisse bei Einzelnen eine Disposition zum Irrsinn hervorgebracht, 2) bei andern eine schon vorhandene Dispositioa bis zum Ausbruch gesteigert, während bei einer 3ten Reihe von Geisteskran- ken die politischen Verhältnisse nur den zufälligen Stoff für den aus andern Gründen entstandenen Wahn abgegeben haben. 2. Obermed.-Rath Vogler hält hierauf folgenden Vortrag ‚‚über den Werth der Phrenologie‘“: „ES könnte überflüssig erscheinen, die Aufmerksamkeit deutscher Aerzte auf die Gefahren zu len- ken, die der menschlichen Gesellschaft durch die Phrenologie in ihrer modernen Gestalt drohen, da wohl in Deutschland nur sehr wenige Gerichtshöfe zu finden sein dürften, die einen Mörder von völlig gesundem, gutem Verstande für unzurechnungsfähig halten möchten, weil nach dem Gutachten eines Phrenologen sein Organ des Zerstörungstriebes das des Wohlwollens um irgend einen Decimalbruch- theil an Ausbildung übertrifft.‘“ „Erwägen wir aber den Beifall und den Glauben, den dieses grösstentheils aus Hypothesen auf- geführte Gebäude gerade in den höheren Schichten der englischen und französischen Nation gefunden hat, so liegt die Möglichkeit nicht ferne, dass diese das Strafrecht lähmende Theorie auch in dem Theile des deutschen Volkes Eingang finden könnte, welcher vorzugsweise die Bänke unserer Ge- 265 schwornen. und) Richter. besetzt,, obwohl uns: einigermassen, die neulich. vor den Assissen: beobachtete Entrüstung einer ganzen, Gemeinde, über einen: Mörder aus ihrer Mitte tröstet, die, so gross. war,.dass: sie schwerlich durch: die Versicherung beschwichtigt. worden wäre, der Angeklagte sei; ganzı-ohne seine Schuld zu der That hingerissen worden, indem sein Organ des Zerstörungstriebes durch einen materiellen Krankheitsprocess bis zur Erzeugung der Mordmonomanie. entartet sei.‘ „Schon Pinels des Aelteren Lehre von: den. reinen: Erkrankungen des Willens. als Manie! sans delire bezeichnet, stiess bei den klarsten Köpfen der deutschen Strafrechtslehrer und Gerichtsärzte auf entschiedenen Widerspruch. Die reinen. Willenskrankheiten aber, welche nach der heutigen Phrenologie aus einer besondern Bildung des Schädels und äusseren. Gehirns hervorgehen, sind eben- so gefährlich für die Moralität, als; für den religiösen Sinn des Volkes, und).geben. die Gurgel des rechtlichen Mannes schonungslos dem Banditen Preis.“ ; „Muss nicht die Unterscheidung zwischen Tugend und Laster durchaus getrübt werden, wenn von einem gefallenen Mädchen zur Entschuldigung gesagt wird, die Organe verschiedener Tugenden, selbst der Sittsamkeit, seien bei ihm vorzüglich ausgebildet, aber es habe nicht anders handeln können, weil sie von dem des Geschlechtstriebes überragt worden seien 2° „Es ist betrübend und lächerlich zugleich, Personen höherer Bildung, die dem Pietismus huldigen, die neuere Phrenologie anpreisen zu hören, ohne dass solche Fromme auch nur ahnen, wie sie sich dadurch zum krassesten Materialismus bekennen und dem Glauben an eine allgütige und allweise Vorsehung Hohn sprechen.“ „Schon Gall behauptete ein Organ der Gottesverehrung. Wenn aber die edelsten Tugenden des Menschen, sowie die scheusslichsten Laster demselben bei der Bildung seines Gehirns: und' Schädels eingeimpft werden, ohne dass er es weiss und sich ihrer erwehren kann; wenn er plötzlich, zu einem’ Verbrechen hingerissen, zu seinem Schrecken oder zu seiner Beruhigung erfährt, dass: er es durchaus habe verüben müssen, weil sein Schädel und sein Gehirh. eine gewisse Bildung habe: dann ist ‚ohne Zweifel dem, der solches glaubt, jeder Grund und jeder Funken von ‚Glauben an Gott, Tugend und Unsterblichkeit benommen, und eine Lehre, die das lehrt, streut unter der Maske der Wissenschaft das verderblichste Gift aus, um die menschliche Gesellschaft zu zerstören.“ „Man könnte den Ausdruck zu hart finden: unter der Maske der Wissenschaft.‘‘ „Aber welche wissenschaftliche Haltpunkte hat eine Lehre, die noch nicht: darüber im Reinen ist, ob die Organe der Tugenden und Laster blos an der Aussenfläche des Gehirns, ‘oder auch: in der Centralfasermasse desselben zu suchen seien, wie Pinel der Jüngere behauptet, wodurch die äussere Untersuchung des Schädels, welche doch der Lebensquell der Phrenologie ist, zu einem Hirngespinnste wird 2“ „Und welche wissenschaftliche Grundlage hat 'ein System, welches von der Chirurgie: täglich Lügen gestraft wird 2?“ „Wir trepaniren täglich Knochenstücke weg oder sehen Gehirnmassen vereitern, welche nach der Phrenologie unserer Tage die edelsten und niedrigsten Gaben des Geistes und Herzens in sich schlies- sen, und wie selten sehen wir mit dieser Gehirnmasse eine Tugend oder ein Laster oder irgend’ eine Kraft des Geistes verschwinden! Und wenn wir es sehen, wenn wir ein solches Phänomen wahr- nehmen, so ist in der Regel eine weit natürlichere Erklärung zulässig, als die, welche die Phreno- logie uns bietet,“ 34 266 „Deutschland hat von jeher die Freiheit der Forschung geehrt. Eine Wissenschaft aber, welche körperliche Bedürfnisse des vegetativen Lebens zu den im Gehirn wurzelnden Trieben zählt, mit demselben Rechte etwa, als wenn dem Hunger und Durste diese Ehre widerfahren sollte, verdient diesen Namen nicht mehr.“ „Wir haben naturphilosophische und andere .Systeme entstehen und verschwinden sehen, allein eine Doctrin, die in ihren Folgen die öffentliche Moralität bedroht. verdient mit einiger Wachsamkeit beobachtet zu werden.‘ s Es wurde nach einer längern Discussion einstimmig die Ansicht ausgesprochen, dass die moderne Phrenologie jeder anatomischen und physiologischen Basis entbehre und dass namentlich auch die den Phrenologen geläufige Scheidung und Gliederung der verschiedenen Seelenvermögen eine durchaus unbegründete und unpsychologische sei. Nachträge. A. IV. Section für Botanik, Land- und Forstwirthschaft. (Vergleiche pag. 173.) Unmittelbar nach der am 18. September: 1852 abgehaltenen ersten allgemeinen Sitzung consti- tuirte sich der von dem ersten Geschäftsführer der Versammlung, : Dr. Fresenius, erlassenen Aufforderung zufolge, die Section im kleinen Saale des Kurhauses, wohin sie durch die Vorsorge der Geschäftsführung von Professor Dr. Medicus aus Wiesbaden eingeführt worden war, und schritt zur Wahl des Präsidenten für ie nächste Sitzung, welche durch Acclamation auf den Präsidenten der k. k. Leopold. Carol. Akademie, Professor Dr. Nees von Esenbeck aus Breslau fiel. Nachdem derselbe jedoch wegen Kurzsichtigkeit den Vorsitz abgelehnt hatte, wurde durch eine weitere Wahl Professor Dr. Lehmann von Hamburg zum ersten und Hospitalarzt‘ Dr. €. H. Schultz Bip. aus Deidesheim zum zweiten Vorsitzenden, sodann Pfarrer Emmert aus Zell bei Schweinfurt und Stadtphysikus Dr. Buck aus Hamburg zu Schriftführern der Section erwählt und die erste Sitzung auf nächsten Montag den 20. Sept. früh 8 Uhr bestimmt. Erste und zweite Sitzung. Montag, den 20. September. Präsidenten: Professor Dr. Lehmann aus Hamburg und Hospitalarzt Dr. €. H. Schultz Bipont. aus Deidesheim. Secretäre: Pfarrer Emmert aus Zell bei Schweinfurt und Stadtphysikus Dr. Buck aus Hamburg. Nach der vom ersten Vorsitzenden geschehenen Eröffnung der Sitzung sprach 1. Dr. €. H. Schultz Bipont. aus Deidesheim über die Cassiniaceen, mit welchem Namen er nach Henry Cassini die bisher als Compositen oder Syngenesisten bekannten Pflanzengattungen be- zeichnet. Er rechtfertigt diese Benennung und schlägt vor, die Cassiniaceen nach dem Vorgange 267 von Schleiden an die Spitze des Systems zu stellen, was er dadurch begründet, dass 1) diese Familie bei weitem die grösste Zahl umfasst, indem bis jetzt circa der zehnte Theil aller bekannten Pflanzen , ungefähr 10,000 Arten hierher gehören; 2) die Cassiniaceen sich über den ganzen Erdboden, in allen Zonen und an allen Standorten verbreiteten; 3) in der antediluvianischen Flora ‚keine Spur von denselben gefunden werde (Dr. v. Ettingshausen will zwar einen Pappus gefunden haben, allein Schultz hält es nicht dafür); 4) alle übrigen Familien fast ohne Ausnahme in der Familie der Cassiniaceen abgespiegelt seien. Dies letztere erläutert und beweist er durch Vorzeigung vieler höchst interessanter getrockneter Pflanzen, aus deren Ansicht sich diese Repräsentation in über- raschender Weise klar macht. Hierauf machte derselbe drei neue von ihm bestimmte Gattungen dieser Familie bekannt, welche er Erlangea, Heyfeldera und Kastnera nennt, und die zu der Tribus der Vernoniaceen Less. gehören. Er weist denselben folgenden Platz im Systeme an: Subtrib. I. Vernonieae DC. Divis. I. Euvernonieae DC. et C. H. Schultz Bip. Subdiv. IV. Erlangeae C. H. Schultz Bip. Erlangea €. H. Schultz Bip. Subirib. II. Liabeae Cass. Divis. I. Hectoreae €. H. Schultz Bip. Heyfeldera C. H. Schultz Bip. Divis. I. Euliabeae €. H. Schultz Bip. Kastnera €. H. Schultz Bip. Endlich machte er auch noch die Versanımelten mit zwei neuen Gattungen bekannt, denen er die Namen Willkommia und Kralikia giebt. ö 2. Th. Gümbel, Vorstand der Gewerbschule zu Landau, nn über den Aufbau der Moospflanzen und die Schwierigkeiten dieser Aufgabe. Er belegt seine Ansicht über Wurzelreproduction durch Beispiele von Phascum und Dieranum, erwähnt der ganz nackten Antheridien, welche sich bei Buxbaumia aphylla neben der Fruchtpflanze. finden, und hebt hervor, wie das Blatt von Dicra- num glaucum fähig sei, neue Pflänzchen zu treiben. Das Blatt ist also ebenso, wie das Wurzel- gebilde selbst, fähig, zu reprodueiren. Bei den Hypnen zeigt sich eine weitere Bildung, die soge- nannte Hypnumpflanze. Das Blatt geht in Antheridien über. Bei Barbula subulata wird oft keine Antheridienblüthe gefunden, während andere Exemplare voll davon sind; einige sind einhäusig, an- dere zweihäusig. Auf diese Weise zeigte er nach einem Rückblicke auf die bereits bekannten Er- scheinungen der Keime an den Moossporen die Entstehung des Moosblattes aus dem Wurzelgebilde und seine Befähigung, der Verjüngung zu dienen. Er macht hierbei auf die Entwickelungsfähigkeit der Blattzellen, besonders an der Spitze der Blätter aufmerksam und vergleicht das Wurzelgebilde mit seinen Brutfäden mit dem Blattgebilde. Das Moosstämmehen ist nur Wiederholung oder deren Verlängerung, was er nun durch eine Reihe von Beispielen unter Vorlage vieler erläuternder Zeich- nungen klar zu machen sucht und wobei er nur den Mangel einer schwarzen Wandtafel zu bildlichen Darstellungen bedauert, welchem Mangel aber für die weiteren Vorträge alsbald abgeholfen wurde. 3. Der nun folgende Antrag von Fr. Hofmeister aus Leipzig, die von 10—11 Uhr gewöhn- liche Pause wegen Kostbarkeit der Zeit ausfallen zu lassen, wurde vom Vorsitzenden dadurch 34* 268 beseitigt, dass eröffnet wurde, wie für diese Pause bereits besondere Beschäftigungen, namentlich eimige Pflanzenvertheilungen von Wirtgen und Schimper vorlägen, so dass diese Zeit daher keineswegs verloren gehe. 4. Professor Dr. Hoffmann aus Giessen sprach hierauf über die Bedeutung der Flussgebiete für Pflanzengeographie. Es wurde von ihm hervorgehoben, wie manche Formen durch ganz Deutsch- land verbreitet seien, wie z. B. Urtica urens, während andere nur seltener gefunden würden, aber dann über grosse Strecken verbreitet seien, wie z. B. Adonis aestivalis. Man gebe hiefür Klima und Boden als Ursache an. Allerdings bedingten gewisse Bodenformationen gewisse Floren; so liefere der Kalkboden z. B. gewisse Pflanzen. Dies werde jedoch von anderen geläugnet, denh es kämen auch Kalkpflauzen in Gärten auf anderem Boden gut fort, und jeder Boden enthalte die- selben Bestandtheile, nur seien die verschiedenen Substanzen in den verschiedenen Bodenarten in verschiedenen Verhältnissen enthalten. Klima und Boden seien daher nur Bedingungen des Vor- kommens, aber keine Ursache der Pflanzenverbreitung. Seeklima und Continentalklima scheiden sich in Europa gegen Nordwesten fortwährend. In botanischen Gärten werden viele Pflanzen gezogen, die sich an die klimatische Grenze nicht kehren. Der Vortragende leitet daher die Ausbreitung nach Nordwesten von den Flussgebieten ab. Eine andere Linie folgt der Richtung des Mittelgebirges gegen die norddeutsche Ebene, welche die erratischen Felsblöcke enthält, von denen man annimmt, dass sie aus Schweden gekommen. Man hat auf diesen Blöcken Moose aus den Kiölen in Norwegen ge- funden. Nun entsteht die Frage, olllinan S6 weit zurückgreifen darf. Am Rhein findet man Pflanzen von Basel bis Holland, die sich zum Theil wenig seitwärts, zum Theil sehr weit seitwärts verbreiten. Die Flora von Würzburg hat mehr Aehnlichkeit mit der von Basel und Kreuznach, als mit anderen näher gelegenen. Dies wird dadurch erklärt, dass der Rhein in der Gletscherzeit mit einer weit grösseren Wassermenge Schlagen u. del. mit sich brachte, und diesen sowie mancherlei Pflanzen viel weiter als jetzt verbreitete. Die sich ausbreitende Wassermasse war weit bedeutender und das Klima rauher, so dass die Gletscher weiter herabstiegen, als jetzt. Die Petrefakten liefern Beweise dafür. In der postterliären Zeit haben sich viele noch lebende Geschöpfe erhalten, warum nicht auch Pilanzen?2 Bei Cannstadt findet man Pflanzentheile, die auf jetzt noch lebende zu beziehen sind. Gewiss, die Pflanzen haben sich auf unsere Zeit herüber erhalten, darum kann man folgern , dass die Pflanzen, welche jetzt zerstreut bei Kreuznach, Würzburg u. s. w. vorkommen, den gemein- schaftlichen Heerd ihres Vorkommens in der Höhe haben und vom Niveau des früheren Wasserstan- des abhängen. Dafür, dass Pflanzenfrüchte sich auf dem Wasser lange erhalten, liegen Beweise genug vor. 5. Zu vorstehendem Vortrage macht Dr. C. Schimper aus Schwetzingen einige Bemerkungen, namentlich was die Verbreitung der Pflanzen durch erratische Felsblöcke betrifft, die er in der vor- getragenen Art als nicht gerechtfertigt erkennt, und dies zwar wegen der Beschaffenheit dieser Fels- blöcke und der Art ihrer Fortschaffung. Derselbe sprach sodann über eine Windhose, die er genau beobachtet habe, setzte deren Ein- wirkunz auf die Pflanzenwelt auseinander und bewies die Verbreitung von Pflanzensaamen durch den Wind. In der Vorzeit müsse es viele Windhosen gegeben haben und das könne sehr leicht auf die Verbreitung von Pflanzen von wesentlichem Einflusse gewesen sein. 269 6. Hieran knüpfte Dr. Wirtgen aus Coblenz einige Bemerkungen, indenı er erwähnte, auch er sei früher der Meinung gewesen, dass die chemische Beschaffenheit des Bodens nicht von so ent- schiedenem Einflusse sei. Er sei jedoch von dieser Ansicht abgekommen, und müsse der Bodenfor- mation doch einen grösseren Einfluss einräumen. Hierauf stellt er den Antrag: da die durch politische oder andere zufällige Grenzen umgebenen Floren der Länder, Provinzen oder Landschaften nur ein geringeres pflanzengeographisches Resultat ergeben, so möchten sich die aus dem Gebiete des Rheines anwesenden Botaniker zu einer genauen Erforschung und Bearbeitung der Flora dieses Gebietes vereinigen. f 7. Der erste Vorsitzende Professor Dr. Lehmann gab auf diesen Vorschlag zu bedenken, dass die gegenwärtig zu Wiesbaden versammelten Naturforscher über diese Frage nicht wohl entscheiden könnten, indem dies lediglich Sache der in diesem Gebiete wohnenden Botaniker sei. Die anwesende Gesellschaft könne nur den Wunsch aussprechen, dass es zeschehe. 8. Auf die nun vom zweiten Vorsitzenden Dr. €. H. Schultz Bip. gemachte Bemerkung, dass es zu wünschen sei, dass diese Sache für alle Flussgebiete Deutschlands in Anregung gebracht werde , und dass sich dann die Botaniker des Rheingebiets zu vereinigen suchen würden, erweiterte nun die Section den Antrag Wirtgen’s dahin, dass die Untersuchung und Aufstellung von Floren der einzelnen Flussgebiete Deutschlands durch vereinigte Kräfte der deutschen Botaniker gefördert werden möchte und überliess es sodann den in gegenwärtiger Versammlung besonders zahlreich vertretenen rheinischen Botanikern, in Bezug auf ihr Gebiet die weitern Schritte zu thun. Die Zu- sammenkunft der letzteren wurde auf Mittwoch früh 7 Uhr vor Beginn der gewöhnlichen Sections- sitzung festgesetzt. 9. Dr. Wirtgen hatle in der Pause eine Anzahl seltener, interessanter oder kritischer Pflan- zen aus dem Gebiete der Flora des Herzogihums Nassau aufgelegt und® an die Anwesenden vertheilt. Er hob nun die wichtigsten Merkmale derselben hervor und sprach seine Ansichten bei der darüber theilweise entstandenen Discussion aus. Es waren: 1) Sedum aureum Wirtg. vielleicht identisch mit Sedum elegans flor. franc. (das aber nicht Sedum elegans Lej. ist) oder mit S. Forsterianum Sm, ausgezeichnet durch die verkehrtkegelförmigen unfruchtbaren Stämmchen, die oben flachen an der Basis langzugespitzten gespornten Blätter , den Mangel der Bracteen, die eiförmigen Kelchblätter und den knäuelföürmig zusammengezogenen Fruchtstand; Sedum elegans Lej. hat kugelförmige un- fruchtbare Stämmehen und bei S. Forsterianum Sm. geschieht des auffallenden Mangels der Braeteen, sowie des lang zugespitzten Sporns der Blätter keine Erwähnung; vielleicht aber wären sie sämmt- lich unter einem gemeinschaftlichen Namen zu vereinigen, wenn man sie alle lebend verglichen hätte. Die Pflanze wächst häufig auf den Horchheimer Bergwiesen bei Coblenz und auf dem Fachbacher Berg bei Ems. 2) Ranunculus (Batrachium) fluitans Lam. und R. Bachii Wirtg. aus dem Saynthale bei Isenburg, ersteres mit 6—9 keilförmigen Blumenblättern, länglichen Fruchtköpfchen und langen Blüthenstielen, letzteres mit fünf verkehrt eifürmigen kleinen Blumenblättern, runden Fruchtköpfchen und kurzen Blüthenstielen. 3) Epilobium lanceolatum Seb. und Maury. durch die lanzettl. gestielten und entfernt gezähnelten Blätter von E. montanum L. verschieden; im Jahre 1837 zuerst bei Ems durch den verewigten Fr. Nees von Esenbeck und später von Wirtgen durch das ganze untere Lahnthal und an vielen andern Orten weit verbreitet gefunden. 4) Agrimonia odorata Ait. vom 270 Fachbacher Berge bei Ems. 5) Arabis 'sagittata DC. vom Michelskopf bei Horein. 6) Verbascum Schiedeanum K. und Verbaseum ramigerum K. aus dem Lahnthale und ein’ge audere Arten. 10. Bezüglich einer bei dieser Gelegenheit gemachten Aeusserung Dr. Wirtgens, dass es keine festen Species gäbe, sondern überall Uebergänge stattfänden, nalım der zweite Vorsitzende, Dr. €. H. Schultz Bip. Veranlassung zu der Bemerkung, dass dies allerdings bei einzelnen Gattungen der Fall sei, wie z. B. bei Hieracium, aber nicht bei andern nahe gelegenen, w. z. bei Crepis. Was das Erkennen der Arten erschwere, sei die Bastardbildung und die Herbstformen. So ist z. B. Hieracium atrovirens die Herbstform von Hieracium murorum. Er behält sich vor, auf diesen Gegen- stand später noch einmal zurückzukommen. 11. Obermedicinalrath Dr. Jäger aus Stuttgart übergibt nun einige Exemplare eines zum An- denken an den am 1. September 1850 zu Calw verstorbenen Botanikers Carl Fried. von Gärtner gehaltenen Vortrags und bemerkt dabei in Betreff seines letzten Werkes: „Versuche und Beobach- tungen über die Befruchtungsorgane der vollkommenen Gewächse und über natürliche und künstliche Befruchtung durch den eigenen Pollen“, dass jetzt beide Theile in der Schweizerbart’schen Buch- handlung zu Stuttgart um den auf die Hälfte des bisherigen Ladenpreises herabgesetzten Preis zu haben seien. Ferner übergibt derselbe eine Anzahl Exemplare eines Verzeichnisses verkäuflicher Pflanzensammlungen , welche R. F. Hohenacker in Esslingen anbietet. Da an der systematischen Be- stimmung derselben Dr. Steudel und Professor Hochstetter daselbst Theil genommen haben, und Hohenacker als sehr pünktlicher und gewissenhafter Mann bekannt ist, so glaubt O.-M.-R. Dr. Jäger diese Pflanzensammlungen mit Ueberzeugung empfehlen zu können. Endlich zeigt derselbe fossile Früchte aus dem Kohlensandstein von Saarbrücken vor, welche er von Dr. Jordan daselbst erhalten hat, zur Vergleichung mit zwei schon in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts eben daselbst gefundenen Früchten , deren Substanz aber eisenhaltiger ist, als jener. Bei dem gleichzeitigen Vor- kommen von baumartigen Farf* dürften die Früchte vielleicht Cycadeen oder Palmen zuzuschreiben sein, oder vielleicht einer mit Juglans oder Quercus analogen Pflanze, da diese Gattungen nicht nur mit den baumartigen Farn in Amerika vorkommen, sondern sogar in verhältnissweise vielen Arten, welche sich zugleich durch eine grössere Manniefaltigkeit der Formen auszeichnen. Andere Früchte, wie z. B. der Baryosma Tonga (Tongobohnen), welche einige Aehnlichkeit mit den fossilen zeigen, dürften schon deswegen nicht als analoga derselben anzunehmen seyn, weil die Familie der Legu- minosen zur Zeit der Steinkohlenablagerung noch wenig entwickelt war. Da keine andern Pflanzen- theile aufgefunden wurden, welche einen bestimmten Aufschluss über die Familie geben könnten, welcher diese Früchte angehört haben möchten, so empfehle er dieselben weiterer Untersuchung. 12. Dr. Schimper aus Schwetzingen verbreitet sich hierauf sehr ausführlich über Toxomatik, Conomatik, Clinomatik, Amyntrik, Lepantrik, Rhizostolik, Xerantik, Auxetik, Malastik und Deixio- logie, als eben so viele neue Doctrinen, welchen dieselbe und noch grössere Wichtigkeit und Allgemeinheit zukomme, als der 1829 zuerst vorgetragenen Phytotaxis und dem 1834 zuerst vorge- tragenen”System der Spirologik und deren Verzweigungen. Da jedoch dieser Vortrag nicht beendigt werden konnte, (weil die Zeit schon zu weit vorge- rückt war), so wurde die Fortsetzung der Sitzung auf Nachmittag 4 Uhr festgesetzt und in derselben der Vortrag des Dr. Schimper beendigt, welchen er durch Zeichnungen an der Tafel und Vorlegung vorzüglicher natürlicher Exemplare von Säumaugen, Nocheliden und Canabismus erläuterte. 271 Hierauf wurde der Antrag Dr. Wirtgen’s, die Flora des Rheingebiets betreffend, noch einmal besprochen und wiederholt zu dessen näherer Entwickelung und Festsetzung auf Mittwoch früh 7 Uhr zu einer ausserordentlichen Sitzung der sich für diese Sache interessirenden Botaniker eingeladen, und nun noch die Wahl der Vorsitzenden für die nächste Sitzung vorgenommen, welche wieder auf die bisherigen fiel. Ausserordentliche Sitzung. Mittwoch den 22. September. Früh 7 Uhr versammelten sich die Botaniker aus dem Gebiete des Rheins zur Besprechung über die Erforschung dieses Gebietes. Dr. Wirtgen leste vorläufig Bestimmungen als Basis weiterer Verhandlungen vor, welche beratihen und mit einigen Veränderungen angenommen wurden. Diese Bestimmungen sind folgende: A. Allgemeine. 1) Die Unterzeichneten vereinigen sich zur genauesten und vollständigsten Untersuchung der Flora des gesammten Rheingebiets in seiner weitesten geographischen Ausdehnung. 2) Es soll von jeder Pflanze beachtet werden: . der allgemeine geographische Standort; . die natürlichen Verhältnisse des Standorts überhaupt und . die geographische Beschaffenheit des Bodens insbesondere; . ie Höhenverhältnisse desselben ; . die Häufigkeit durch zu bestimmende Zahlen; die eiwa eintretenden Grenzen in jedem einzelnen Bezirke ; . die Zeit der Blüthenentwicklung und der Fruchtreife ; . bei Holzpflanzen die Zeit der Be- und Entlaubung; das absolute Nichtvorhandensein gewisser, sonst häufig vorkommender Pflanzen. 3) Die Formenunterschiede, so wie die Varietäten, namentlich in Bezug auf Bodenverhält- nisse, werden genau beachtet. 4) Die sporadisch auftretenden , besonders wenn sie mehrere Jahre ausdauern,, so wie das etwaige Verschwinden spontaner Pflanzen wird stets beobachtet. . 5) Koch’s Synopsis der deutschen und Schweizer Flora wird als Grundlage aller Bearbei- tungen angenommen. 6) Jährlich soll eine Klasse oder Unterklasse des natürlichen Systems möglichst erledigt werden. 7) Alle Mitglieder verpflichten sich, ihre Beobachtungen, Verzeichnisse, so wie alle dubiosen und ausgezeichneten Pflanzen an einem zu wählenden Centralpunkte, von welchem die Leitung des Vereins ausgeht, niederzulegen. Ausserdem bilden 10 Mitglieder einen Ausschuss, um den Dirigenten in seinen Arbeiten zu unterstützen. 9) Zugleich übernehmen die Mitglieder nach freier Wahl einzelne Familien oder Gattungen zur monographischen Bearbeitung. 10) Die Regensburger und die Berliner botanischen Zeitungen werden vorläufig als Organ für die allgemeinen Mittheilungen dienen. u mo sn Sim 8 —_ 272 B. Besondere. 1) Durch die genannten Zeitschriften wird diese Vereinbarung veröffentlicht und. wird: da-) durch an sämnmtliche im. Rheingebiet wohnende Botaniker der Wunsch: ausgedrückt, sich- bei diesem Unternehmen zu betheiligen und ihre Theilnahme dem Dirigenten oder einem Mitgliede des Ausschusses anzuzeigen. 2) Für das Jahr 1853 ist die Klasse der Thalamifloren möglichst vollständig zu erledigen und sind die Mittheilungen vor dem 1. Januar 1854 einzusenden. 3) Dr. Wirtgen aus Coblenz wird vorläufig mit der Leitung beauftragt. 4) Aus den Anwesenden wurden Dr. Schmidt aus Heidelberg, Dr. Brandis aus Bonn, Apotheker Fuckel aus Oestrich zu Ausschussmitgliedern erwählt; der Erklärung, der, übrigen aus entfernter wohnenden Botanikern Gewählten wird noch entgegen gesehen. 5) Monographische Arbeiten haben folgende Mitglieder übernommen und werden die dazu nöthigen Materialien denselben möglichst vollständig überwiesen: Dr. C. H. Schultz Bip. die Cassiniaceae (Compositae) ; Professor Dr. A. Braun in Berlin die vaskulären Cryptogamen; Dr. Schmidt in Heidelberg die Ranunculaceae, Berberideae, Fumariaceae, Papaveraceae, Dipsaceae und die Gattung Bromus; Dr. Brandis in Bonn die Cyperaceae; Apotheker Fuckel in Oestrich die Gramineae; C. Gräfe in Wiesbaden die Umbelliferae; Wagner in Dillenburg die Labiatae; Dr. Wirtgen die Scrophularineae, Verbasceae und die Gattung Mentha, letztere mit Dr. Schmidt; Gümbel in Landau die Laubmoose. Ausserdem erklärte Dr. €. H. Schultz, dass Fr. Schultz in Bitsch die Oroban- cheae und Dr. Koch in Wachenheim die Cruciferae zur Bearbeitung übernehmen würden. Vorstehende Uebereinkunft wurde mit dem heutigen Datum von folgenden anwesenden Herren unterzeichnet: Dr. J. A. Schmidt, Heidelberg. Dr. D. Brandis, Bonn. G. Röder, Frankenthal. W. v. d. Mark, Hamm. F. Emmert, Zell bei Schweinfurt. L. Fuckel, Oestrich. 6. v. Segnitz, Schwein- furt. H. Wagner, Dillenburg. Dr. Th. Wirtgen, Coblenz. Dr. Hofmann, Giessen. Dr. Me- dieus, Wiesbaden. Dr. €. H. Schultz Bip., Deidesheim. C. Gräfe, Wiesbaden. C. 6. Calwer, Stuttgart. Dr. K. Fr, Schimper, Schwetzingen. Dr. Rube, Darmstadt. Dr. A. Braun, Berlin. v. Massenbach, Wiesbaden. Herrmann, Biebrich. Oechsner, Aschaffenburg. Gümbel, Landau. Dr. Thomä, Wiesbaden. Dr. F. Sandberger, Wiesbaden. Dr. 6. Sandberger, Wiesbaden. Dritte Sitzung, Mittwoch den 22. September. Präsidenten: Professor Dr. Lehmann aus Hamburg und Hospitalarzt Dr. €. H. Schultz Bipont. aus Deidesheim. Secretäre: Pfarrer Emmert aus Zell bei Schweinfurt und Stadtphysikus Dr. Buck aus Hamburg. Nach geschehener Eröffnung wurde folgendes verhandelt: 1) Er. Hofmeister aus Leipzig sprach über Präparate für Pflanzenphysiologie und zeigte solche von Oschatz in Berlin vor, von welchen er viele an die Anwesenden vertheilte und dabei bemerkte, 273 dass der gewöhnliche Preis 18 kr., für schwierigere aber 27 kr. sei, wobei er sich zu etwaiger Be- sorgung derselben erbot. Hieran reihte sich: 2) ein Vortrag des Professors Dr. Rossmaesier aus Leipzig über Präparate von Spiralgefässen, wobei er erläutert, wie solche Präparate z. B. aus dem Kürbisblattstiel am leichtesten zu berei- ten seien. 3) Professor Dr. Lehmann aus Hamburg spricht über die Wärmeentwickelung an den Blumen der Vietoria regia. Wohl kaum habe in neuerer Zeit eine Pflanze so viel von sich reden machen, als die Victoria regia. Man habe eigene Glashäuser erbauet, um sie cultiviren zu können, und die blühende Pflanze habe Tausende von Personen herbeigezogen.*) Er lege desshalb ein schön getrocknetes Exemplar der Blume und Stücke eines Blattes für diejenigen vor, welche die Pflanze selbst vielleicht noch nicht gesehen, und werde zum Schluss an diesen dep Bau der Blume und des Blattes mit Hinweisung auf andere Nymphaeaceen erläutern. Er sei der Ansicht, dass diese Pflanze schon ihrer ungewöhn- lichen Dimensionen wegen unsere besondere Aufmerksamkeit verdiene. Er selbst habe Blätter ge- zogen, welche von 15-—16 Fuss langen Blattstielen unterstützt, 6 Fuss im Durchmesser hatten, und im Garten des Herrn Borsig zu Moabit bei Berlin habe man Blätter von 6—8 Fuss Durchmesser ge- sehen. In Hamburg trugen diese ein Gewicht von 97 , Pfund, und nahmen innerhalb 24 Stunden 11 Zoll im Durchmesser zu. Die Blumen hatten daselbst einen Durchmesser von 14 Y, Zoll, in Philadelphia sogar von 17 Zoll. Hierzu komme noch der Farbenwechsel der Blumen, welche am ersten Tage rein weiss, am zweiten schön rosa ist, und indem sie sich öffnet, einen Wohlgeruch ver- breitet, der das ganze Haus erfüllt, dem Geruch der Magnolia grandiflora zu vergleichen. Nicht zu gedenken der eigenthümlichen Nervatur und schönen Färbung der Blätter. Dass diese Blätter im Vaterlande nach der Behauptung der Eingebornen und der Erzählung des Capitain Hislop sogar gegen den Winter einen Durchmesser von 12 Fuss erreichen sollen, wenn das Wasser um 15 Fuss steigt, erwähnt der Redner, mit der Bemerkung, dass die eigenthümliche Nervatur und das Adergeflecht, sowie insbesondere die Plicatur der Blätter eine so grosse Ausdehnung kaum zulassen dürften, und dass die Blätter, welche Spruce im Vaterlande sah, auch im Winter nur einen Durchmesser von 6—8 Fuss hatten. Bei diesen Angaben, welche grösstentheils in verschiedenen Schriften sind besprochen worden, will sich der Redner indess nicht aufhalten, sondern die Aufmerksamkeit der Section nur auf ein Phänomen hinleiten, welches er zuerst im Herbst 1851 beobachtete und in der Hamburg. Garten- und Blumenzeitung (1851 pag. 488) zur Sprache brachte, nämlich auf die bedeutende Wärme in der Blume im Augenblick des Aufblühens. — Diese war 4—6°/, Grad Reaum. höher, als die Temperatur der umgebenden Luft. Nachdem der Vortragende das in der Hamburg. Garten- und Blumenzeitung am angeführten Orte Gesagte recapitulirt, bemerkt er zugleich, dass er ganz dieselben Erscheinungen auch im Laufe dieses Sommers beobachtete, dass die Blume ihre Temperatur selbst dann behielt, wenn man sie abgeschnitten oder die Temperatur des Glashauses auf ein Minimum hatte sinken lassen, und dass die grössere oder *) Im Hamburger botanischen Garten ward die blühende Pflanze 1851 von 7—8000 Personen in Augenschein ge- nommen, in Berlin im Juli d. J. am ersten Tage des Blühens nach öffentlichen Blättern von 4—5000 Personen. 35 274 geringere Lebenskraft, womit sich die Blume entwickelt, insbesondere auf den Grad der Wärme und die Dauer derselben zu influiren scheine. Der Redner geht sodann auf die in dieser Beziehung an anderen Gewächsen gemachten Beob- achtungen über, und erwähnt der verschiedenen Ansichten zur Erklärung dieser Erscheinung, seit Lamarck zuerst im Jahre 1789 seine bekannten Beobachtungen an Arum italicum machte. Er bespricht die Angaben und Ansichten von Bory de St. Vincent, Raspail, Hasskarl und Anderen, insbesondere die Schrift von van Beek und Bergsma: „.‚sur l’elevation de temperature des fleurs de Colocasia odora‘““ und die neueste grössere Abhandlung über diesen Gegenstand von de Vriese in Nederlandsch Kruidkundig Archif, Deel II. pag. 172 seg. De Vriese berechnet mit grosser Wahr- scheinlichkeit die Zalıl der Staubbeutel an einem Kolben von Cycas (wie er ihn in seinen Deseriptions des plantes nouvelles et rares du jardin de Leyde livr. II. hat abbilden lassen) auf 1,400000, und legt besonders Gewicht auf diese grosse Anzah] zur Erklärung der höheren Wärme. Bei Victoria aber sei die Zahl der Antheren keine ungewöhnlich grosse und diese Pflanze blühe während der Nacht, auch waren verschiedene andere dabei beobachteten Momente nicht mit. den bis jetzt. versuchten Erklärungen dieser Erscheinung in Einklang zu bringen, die der Redner besonders heraushebt. Er sei der Ansicht, dass hiebei chemische Untersuchungen, die er anzustellen nicht Gelegenheit gehabt habe, von besonderer Wichtigkeit sein dürften, und könne deshalb die Untersuchung über diesen Gegenstand noch nicht als abgeschlossen ansehen; er wolle vielmehr. zu weiteren Forschungen ganz speciell auffordern, wozu es an Gelegenheit nicht fehlen werde. Für diejenigen, welche diese Pflanze selbst eultiviren, und dazu ein eigenes Aquarium bauen wollen, füge er die Bemerkung hinzu, dass der Hamburger botanische Garten wahrscheinlich frische Samen reichlich werde abgeben können, und dass die kleine, 1852 in Hamburg erschienene Schrift von Eduard Löscher (erstem Gehülfen im Hamburg. botan. Garten) in Bezug auf die Cultur der Pflanze. besonders zu empfehlen sei. Aber auch derjenige, welcher kein eigenes Aquarium zu erbauen Gelegenheit habe, werde doch die Pflanze eultiviren können, denn nach einer brieflichen Mittheilung des Herrn Hofgärtners Nietner an den Inspector des botanischen Gartens zu Hamburg, blühete Vietoria auch in‘ einem Kübel. gezogen zu Schönhausen bei Berlin am 8. August d. J. Die Blätter hatten zwar nicht jene Dimensionen erreicht, wovon schon die Rede war, aber die Pflanze brachte doch eine vollkommene Blume, und versprach deren mehrere. Der Kübel, worin Herr Nietner seine Pflanze zog, war nur 6 Fuss lang und 4 Fuss breit; die grössten Blätter der vollkommen gesunden Pflanze hatten einen Durchmesser von 2’/, Fuss; die erste Blume von 7 Zoll. Herr Nietner glaubt dies Resultat durch häufige Erneuerung des Wassers, so wie besonders dadurch erzielt zu haben, dass er auf dem-Boden des Kübels einen Beutel mit gestossener Holzkohle und Hornspänen niedergelegt hatte, um die Fruchtbarkeit des Erdreichs zu erhöhen. Schliesslich bemerkt noch der Vortragende, dass er die Victoria nicht als einjährig betrachten könne, wie angenommen worden, da nur der ältere Theil des Rhizums beim Fortwachsen abstirbt, auch nach Paxton’s Angabe eine einzige Pflanze in England 140 Blätter und 112. Blumen hervor- brachte, welche sie nicht in einem Sommer getrieben haben kann. Die Versuche indess, sie in Deutschland durch den Winter zu bringen, sind bis jetzt nicht gelungen, in England aber hat sie nach einer Mittheilung des Herrn Smith (Curator des Gartens zu Kew ) bereits zwei „,seasons‘“ über- lebt. Jedenfalls ist es am zweckmässigsten, dies Gewächs als einjähriges zu ziehen, denn man erhält 275 davon alljährlich reichlich Samen, und abgesehen von den nicht unbeträchtlichen Kosten, welche die Heizung eines solchen Hauses während des Winters verursachen würde, ist, ein Glashaus, wie es Victoria verlangt, nachdem man das Wasser abgelassen hat, mit grossem Nutzen für Pflanzen zu gebrauchen, welche nur frostfrei gehalten sein wollen. Hiezu bemerkt Professor A. Braun, dass auch im Berliner Garten die Vietoria und Euryale reifen Samen gebracht hätten, und dass davon mitgetheilt werden könne. Ueber die Wärmeentwickelung bemerkt derselbe, dass sie durch Zersetzungen und Kohlensäurebildung zu erklären sein möchte. 4. Herr Dr. Thomä, Director zu Hof Geisberg bei Wiesbaden, zeigt gekochte Kartoffeln mit rothen Pilzen von Herrn Hoffmann aus Westphalen eingesandt vor. Bei der sich hierüber entspon- nenen Discussion sprechen Herr Prof. Dr. A. Braun aus Berlin, Herr Prof. Dr. Lehmann aus Ham- burg und Herr Dr. Schimper-ihre Ansichten aus. 5. Herr Dr. von Ettingshausen aus Berlin spricht über den Character der tertiären Flora und zeigt zur Erläuterung viele Formen derselben, welche in Oesterreich vorkommen, vor, wobei die noch lebenden Familien zur Vergleichung beigelegt waren. 6. Herr Professor Alexander Braun aus Berlin knüpfte hieran einen Vortrag über fossilen Wein, welcher in Form von Rosinen und Traubenkernen, ja selbst Stielen und Blättern in Braun- kohlenablagerungen gesellig mit Carpolites gregarius, falcatus und mehren andern bei Salzhausen vor- kommen und den Beweis liefern, dass es in der tertiären Zeit auch in unsern Gegenden wilde Reben gab; er nennt dieselben Vitis teutonica A. Br. 7. Dr. Schacht aus Berlin spricht über die Fortpflanzung der deutschen Orchideen durch Knospen- bildung, indem er folgenden Vortrag hält, und sulchen durch Zeichnungen anschaulich zu machen versucht: M..H. Es wäre Ihnen, und mir selbst nicht minder, gewiss ungleich erwünschter, wenn ich über die Keimung der Orchideen reden könnte. Alle Bemühungen, den frischen Samen.des Himantoglossum und der‘ Corallorrhiza zum Keimen zu bringen, blieben mir in diesem Sommer fruchtlos. Da jedoch auch die Vermehrungsweise der deutschen Orchideen durch Knospen mancherlei Interessantes darbietet, ‚so. erlaube ich mir Ihre Aufmerksamkeit auf selbige zu lenken. Der Embryo der Orchideen besteht bekanntlich aus einer kleinen galligen Kugel, welcher sowohl eine deutliche Anlage zur-Knospe als zur Wurzel fehlt; ein Keimlappen ist ebenso wenig vorhanden, desgleichen mangelt jegliche Spur eines Gefässbündel-Systemes. Junge Keimpflanzen findet man an günstigen Standorten , sowie in Orchideen-Häusern nicht selten; die ersten Stadien der Keimung, welche allein hier von: Wichtigkeit sind, hat bis jetzt noch Niemand verfolgen können. Mich seit Jahren mit dem Leben unserer heimischen Orchideen beschäftigend, will .ich hier nur von dem reden, was ich selbst untersucht, was ich selbst beobachtet habe. — Mir sind durch eigne Forschung drei wesentlich verschiedene Arten der Knospenbildung bekannt geworden. — Ich werde zunächst die einzelnen beobachteten Fälle kurz beschreiben und zum Schluss die drei Arten der Knospenbildung übersichtlich zusammenstellen. Wenn man die kriechende Wurzel, richtiger das Rhizom, der Cephalanthera zur Blüthezeit untersucht, so findet man in der Nähe des Blüthenschaftes eine spitz kegelförmige, meistens etwas gekrümmte Erhebung, es ist die Stammknospe, welche im nächsten Jahr den Blüthenschaft ent- wickelt. (Ich unterscheide zwischen Stamm- und Wurzelknospe, die Stammknospe bildet unter ihrer Spitze Blätter; die Wurzelknospe bildet keine Blätter, ihre Spitze ist mit einer :Wurzelhaube be- 35 * 276 kleidet. Die Stammıknospe entwickelt einen neuen Stamm, einen Zweig ‚oder eine Blüthe; die Wurzel- knospe erzeugt eine neue Wurzel.) In der Regel erscheint am Rhizom der Cephalanthera nur eine solche Stammknospe; an üppigen Exemplaren fand ich deren zwei bis‘ drei. Das überwinternde Rhizom trägt in diesem Falle im kommenden Jahr mehrere Blüthenschäfte. Die erwähnte Knospe hat ganz die Beschaffenheit einer ächten Stammknospe, sie entspringt in der Achsel eines schuppenartigen Blattes, ihre Spitze endigt mit einem Vegetationspunkt, unter welchem Blätter entstehen, welche als Deckschuppen die Knospe schützend umhüllen. — Für Cypripedium gilt dasselbe. Die zierliche, im Moos versteckte 60odyera bildet Ausläufer, welche am unteren kriechenden Theil des Stengels aus Axillarknospen entstehen, und selbst zu kriechenden Ausläufern werden, die ihrerseits in den Blattachseln wieder Stammknospen entwickeln. Die Endknospe des Ausläufers wird zur neuen, im kommenden Jahr blühenden Pflanze. Mit Wurzelhaar bekleidet nimmt der Ausläufer von Goodyera selbst seine Bodennahrung auf, erst. unter der zur künftigen Pflanze werdenden End- knospe entsteht eine kurze, dicke, abwärts steigende, cylindrische Wurzel. — Eine blühende Pflanze entwickelt in der Regel die Anlage zu mehreren Tochterpflanzen. — Sowohl das Rhizom der Ce- phalanthera, als der kriechende Stengel der Goodyera sterben von hinten her allmälig ab. Die sogenannte kriechende Wurzel der Corallorrhiza ist ein Rhizom. Es ist mit Blattnarben oder gar den Ueberresten abwechselnder, stengelumfassender Blätter versehen: Wurzelhaare treten büschelförmig an bestimmten Stellen hervor. Das Rhizom wächst nur nach einer Seite hin; es ver- zweigt sich vielfach und zwar in doppelter Weise, nämlich sowohl durch Bildung von Axillar- knospen als durch Theilung des Vegetationspunktes der Endknospen. Nach der nicht fortwachsenden Seite endigt es jederseits mit einer abgerundeten Spitze; hier fehlt der Vegetationspunkt und deshalb das Vermögen, sich nach dieser Seite weiter fortzubilden. Ob diese entwickelungsunfähige Spitze dem Wurzelende der Ophrys-Knolle vergleichbar ist, oder ob sie dem absterbenden Ende des Rhizoms der Cephalanthera entspricht, weiss ich nicht zu entscheiden, vermuthe jedoch das Letztere. Der Corallorrhiza fehlt jede Art der Nebenwurzel, das Rhizom selbst versieht den Dienst der Wurzel. Ein Mutter-Rhizom bildet die Anlage zu mehreren Tochterpflanzen, daher das in der Regel gesellige Auftreten unseres Pflänzchens. — Der unverhältnissmässig breite, schwach gewölbte Vegetations- punkt der Endknospe und dessen häufige Theilung sind anatomisch sehr interessant. — Das Rhizom stirbt von hinten her allmälig ab. Bei Sturmia und Malaxis bildet sich in der Achsel eines der untern schuppenförmigen Blätter des Blüthenschaftes eine Stammknospe, welche zur sogenannten Scheinknolle wird. — Meine Beob- achtungen sind hier wie bei Spiranthes, wo eine ähnliche Knospenbildung, jedoch ohne Scheinknolle, stattfindet, unvollständig. Epipogium Gmelini, in feuchten, alten Buchenwäldern heimisch, hat ein Rhizom der ‚Coral- lorrhiza ähnlich, doch breiter und mehr handförmig verzweigt. Dem Rhizom selbst fehlen die. Blatt- narben. Der Vegetationspunkt der Endknospe desselben theilt sich auch hier, durch seine Theilung entstehen die Lappen des Rhizoms, deren Endknospe sich ihrerseits wieder zu theilen vermag. Die Fortbildung des gelappten Rhizoms erfolgt hier einzig und allein durch die Endknospe, während bei Corallorrhiza ein Theil der Aeste aus Axillarknospen entsteht; daher die verschiedene Gestalt beider Rhizome: bei Epipogium mehr handförmig, bei Corallorrhiza einem gefiederten Blatte oder einem Hauptstamme mit alternirenden Seitenästen gleichend. Wenn sich der Vegetationspunkt einer End- 4 27 knospe bei Epipogium nicht mehr. theilt, so entwickelt sich die letztere zu einem. oftmals Fuss langen, mit alternirenden Blattschuppen besetzten Ausläufer. Ich habe zu Ende Juli und Anfang August blühende Exemplare beobachtet, deren Rhizom strahlenartig aus den Endknospen seiner Lappen nach allen Seiten Ausläufer getrieben. — In der Achsel einer jeden Blattschuppe der letztern findet sich eine länglich runde Knospe, welche der Länge nach durchschnitten noch keine Blattanlagen zeigt. Häufig fehlt dieselbe; man findet dann jederzeit die Stelle, wo sie sich abgelöst, nicht selten entdeckt man auch die kleine, nunmehr freie, weisslich gefärbte Brutknospe, von der Grösse eines starken Stecknadelknopfes. Die Brutknospe besteht aus einem mit Stärkmehl erfüllten Zellgewebe, dem jede Anlage des Gefässbündelsystems zu fehlen scheint. Aus der letztern. bildet sich allmälig ein junges Rhizom. Im August und September fand ich an mir bekannten Standorten fast alle Entwickelungs- zustände des letzteren. Dasselbe gewann bald ein gelapptes Ansehen, entwickelte sogar in einigen Fällen die besprochenen Ausläufer. Ich halte es nicht für wahrscheinlich, dass ein aus Brutknospen entstandenes Rhizom innerhalb eines Jahres zur Bildung eines Blüthenschaftes fähig wird. Die Keimlinge der Orchideen brauchen bekanntlich mehrere Jahre, ehe sie Blüthen entwickeln. Ich ver- muthe deshalb für Epipogium zwei Arten der Fortpflanzung durch Knospen; nämlich ausser der be- sprochenen Brutknospen-Entwickelung, noch eine Fortpflanzung durch die eine oder andere Endknospe des Mutter-Rhizoms. — Den letztern Punkt sicher zu stellen, bin ich leider nicht im Stande. — Das Rhizom des Epipogium, von mir. irrthümlich ia meinem neuesten Buch „die Pflanzenzelle““ Wurzel genannt, ist jedenfalls mehrjährig; es stirbt wie bei Cephalanthera und Guodyera von hinten her ab. Ich sah bisweilen zwei und mehrere Blüthenschäfte einer Pflanze angehörig. Das aus der Brutknospe entstandene, noch sehr kleine Rhizom zeigt gleich dem ältern den Gegensatz von vorn und hinten, es wächst nur nach der einen Seite fort, weil nur diese einen Vegetationspunkt besitzt, die andere Seite möchte vielleicht dem Wurzelende der Knolle yon Ophrys u. s. w. zu vergleichen sein ? Herminium Monorchis, bekanntlich zur Blüthezeit nur mit einer fast kugelrunden Knolle versehen, über welcher mehrere Nebenwurzeln hervortreten, bildet im Spätsommer (Ende August, Anfang September) neue Nebenwurzeln. Eine, seltener zwei derselben, entwickeln, sobald sie die Blattscheiden des Stengels durchbrochen haben, dicht über ihrer, mit einer Wurzelhaube versehenen Spitze, eine Adventiv-Stammknospe. — Indem sich der Theil zwischen der letzteren und der Wurzel- spitze überwiegend in die Breite ausdehnt, entsteht eine rundliche Anschwellung; es bildet sich die neue, für das kommende Jahr bestimmte Knolle. — Der übrige Theil der Nebenwurzel, welcher diese Knolle trägt, bildet sich ebenfalls, jedoch nicht nach der Breite, sondern nach der Länge aus; voll- ständig entwickelt, gleicht er den übrigen Nebenwurzeln. Die junge Knolle wird durch ihn oft 1 bis 2 Zoll von der alten entfernt. Für Samen-Exemplare, welche noch keine Blüthen gebracht, gilt ganz dasselbe. Die Knolle sowohl ale die Nebenwurzeln sind mit Wurzelhaaren bekleidet. An der ersteren erkennt man noch später sehr deutlich die Wurzelhaube. Wenn man die junge Knolle (Anfang Sep- tember) abschneidet, so bildet die Nebenwurzel, welcher sie genommen ward, keine neue Stamm- knospe, wohl aber entsteht sehr bald eine neue Nebenwurzel, welche in der beschriebenen Weise, wenn sie die Blattscheiden des Stengels durchbrochen, dicht über ihrer Wurzelspitze eine Stamm- knospe und durch dieselbe eine junge Knolle entwickelt. Die wahre Bedeutung der Orchis-Knolle ist demnach durch Herminium vollständig erklärt; sie entsteht in allen Fällen aus einer Nebenwurzel, welche dicht über ihrer Spitze eine Adventiv-Stamm- 278 h knospe bildet; sie hat deshalb die Bedeutung der Knospe und Wurzel gleichzeitig. Die Knollen der Orchis fusca und des Himantoglossum hireinum sind wie bei Herminium gebaut. Bei beiden ist die Tochterknolle von der Mutterknolle nur wenig entfernt; die Nebenwurzel, welche sie bildete, ent- wickelt sich hier nicht mehr in die Länge. Bei Ophrys mygodes ist dagegen die neue Knolle etwa um Y, Zoll von der alten entfernt. Nach dieser Eigenthümlichkeit der knollenbildenden Nebenwurzel richtet sich das geringere oder grössere alljährliche Fortschreiten der Orchideen-Pflanze von dem Orte, welchen sie vormals eingenommen; Herminium macht die grössten Sprünge. Bei denjenigen Orchideen, welche eine gelappte Knolle besitzen, z. B. bei Orchis maculata und ‘0. latifolia, desgleichen bei Habenaria und Gymnadenia, wo die Lappen der Knolle wurzelartig in die Erde wachsen, erfolgt die Entwickelung in derselben Weise, der Unterschied liegt hier nur darin, dass sich die Wurzelspitze der neuentstandener Knolle theilt. Jede Spitze der handförmig getheilten oder wurzelförmig verlängerten Knolle ist mit einer Wurzelhaube versehen, jede Spitze hat demnach auch’hier eine wahre Wurzelbedeutung. — Nach oben endigt eine solche Knolle in eine ächte Stamm- knospe. Die Bildung der neuen Knospe erfolet bei den meisten Orchideen im Frühjahre, noch vor der Blüthenentfaltung; so bei Orchis, Himantoglossum, Ophrys, Habenaria und Gymnadenia; im Herbst ist .die alte Knolle bereits abgestorben und meistens vollständig verschwunden. In der Knospe der im Frühling blühenden Orchideen ist die Blüthenähre schon im Herbst vollständig angelegt. Bei Her- minium bildet sich dagegen die neue Knolle erst im Spätsommer, kurz vor der Samenreife; deshalb findet man zur Blüthezeit nur eine Knolle, im Herbst dagegen deren zwei. Die Blüthenähre wird hier in demselben Jahre nur unvollständig angelegt. ‚Blicken wir jetzt rückwärts, so finden wir in der, durch ihren Formenreichthum überhaupt so interessanten, Familie der Orchideen auch für ‘die Bildung der Stamm- und Wurzelknospen im All- gemeinen viel Belehrendes. Wir sehen bei ihnen alle Arten der Stammknospen. Durch eine End- oder Terminalknospe verzweigt sich das Rhizom von Epipogium und Corallorrhiza. Bei‘ beiden theilt- sich der Vegetationspunkt (ein höchst seltener Fall, mir nur für Selaginella bekannt). Am Rhizom von Cephalanthera, am kriechenden Stengel von Goodyera sehen wir in.den Blattwinkeln Axillarknospen entstehen- Durch Bildung einer Neben- oder Adventivknospe entsteht aus der Wurzelspitze der Nebenwurzel die Knolle von Herminium, Orchis, Ophrys, Himantoglossum u. s. w. ‘° Mit Ausmahme der Palmen, welche wenigstens beim Keimen eine Pfahlwurzel entwickeln, sind, soweit mir bekannt, sämmtliche Monocotyledonen auf Nebenwurzeln angewiesen. — Wahre Neben- wurzeln entwickeln sich bei allen mit einer Knolle versehenen Orchideen entweder aus dem fortbil- dungsfähigen Zellgewebe unterhalb der Stammknospe, oder aus dem Stengel unterhalb der Basis eines Blattes, — Auch Cephalanthera besitzt wahre Nebenwurzeln:; dem kriechenden Rhizom der Corallorrhiza und des Epipogium fehlen dieselben. — Wie sich bei den beiden letztgenannten Pflanzen der Vegeta- tionspunkt der Stammknospe spaltet, so theilt sich bei den Orchideen mit gespaltener Knolle das Wurzelende der letzteren. — Die Erle zeigt schon als Keimling fast an jedem Wurzelzweige Anschwel- lungen, letztere bestehen aus verkümmerten oder abnorm ausgebildeten Seitenwurzeln, deren Wurzel- spitze Sich in’ ähnlicher Weise durch Theilung verzweigt hat. (Ich kenne bei den Dicotyledonen keinen andern Fall dieser Art.) Unter günstigen Verhältnissen wachsen bei der Erle diese Anschwel- lungen durch wiederholte Wurzelknospenbildung und Theilung der entstandenen Wurzeln zur Grösse — - I A a 279 einer Nuss und darüber. Ich möchte diese Anschwellungen der Erlenwurzel mit den bekannten Hexenbesen (bei der Tanne und Steinbuche nicht selten) vergleichen ; hier sind es Wucherungen durch Wurzelknospen, dort durch Stammknospen entstanden. Da Epipogium und Corallorrhiza ohne eine wahre Wurzel leben und vortrefflich gedeihen, so folgt daraus, dass bei gewissen Pflanzen auch andere mit dem Boden in Berührung kommenden Theile, wenn selbige mit Wurzelhaaren versehen sind, Bodennahrung aufnehmen können. Die Wurzelhaube scheint mir überhaupt nur zum Schutze der sich im Boden fortschiebenden Wurzelspitze zu dienen: würde sie fehlen, wie sollten die jüngsten zartesten Zellen der Wurzelspitze den Widerstand des Bodens ertragen? Bei Gymnadenia und Habenaria sehen wir die getheilte Knolle nach unten, selbst der Gestalt nach, als wahre Wurzel entwickelt; die handförmig getheilte Knolle der Orchis latifolia und maculata vermittelt den Uebergang von der rundlichen Knolle der Orchis fusca u. s. w. zu der tiefgespaltenen der Gymnadenia. Die Brutknospe des Ausläufers von Epipogium ist ein, aus gleichwerthigen Zellen bestehendes, eiförmiges Körperchen, aus ihm entwickelt sich allgemach ein junges Rhizom, mit Terminalknospe und Wurzelende versehen. Der Embryon der Orchideen ist, wie ich zu Anfang erwähnt, ein ganz ähnliches nur noch kleineres Zellenkörperchen. Sollte sich nieht aus ihm in ähnlicher Weise nach der einen Seite die Anlage zur Stammknospe, nach der andern Seite zur Wurzelknospe entwickeln? Alle jungen Keimlinge von Himantoglossum und Orchis, deren ich viele beobachtet habe, waren mit einer zwar sehr kleinen, aber normal gebildeten Knolle versehen. — Durch direete Versuche hoffe ich auch diesen Punkt künftig näher aufzuklären. Die Knollenbildung der Orchideen lehrt uns endlich, dass eine Adventiv-Stammknospe sehr wohl aus einer Wurzel entspringen kann. — Die Wurzel der Birke und Erle entwickelt häufig, wo sie frei zu Tage liegt, Stammknospen und aus letzteren Zweige. Durch die von mir untersuchten Orchideen haben wir somit drei wesentlich verschiedene Arten der Fortpflanzung durch Knospen kennen gelernt: 1) Eine Fortpflanzung durch gewöhnliche Stammknospen. Hieher gehören die Orchideen mit kriechendem Rhizom; als Cephalanthera, Cypripedium, Corallorrhiza; ferner diejenigen, welche Ausläufer bilden, als Goodyera, und endlich solche, welche eine Scheinknolle entwickeln, als Sturmia und Malaxis. j 2) Eine Fortpflanzung durch Brutknospen, welche am Ausläufer des Mutter-Rhizoms entstehen, sich frühe von demselben trennen und allgemach zur neuen Pflanze werden; als einziges mir bekanntes Beispiel: Epipogium' Gmelini.‘ 3) Eine Fortpflanzung durch Knollenbildung. Die junge Knolle entsteht aus einer Neben- wurzel, welche dicht über ihrer Spitze eine Adventiv-Stammknospe bildet. — Die Knolle der Orchideen zeigt deshalb nach oben einen Vegetationspunkt, von Blättern umgeben, nach:unten eine Wurzelhaube, sowie alle Eigenschaften einer wahren Wurzelspitze. Das fortbildungsfähige Gewebe beider Endpunkte steht durch Gefässbündel mit einander in unmittelbarer Verbindung. — Durch runde oder eiförmige Knollen vermehren sich die Gattungen Ophrys, Herminium, Himantoglossum und ein Theil der Orchis- Arten. Handförmig getheilte Knollen besitzt Orchis latifolia und 0. maculata. Tiefgespaltene, mehr wurzelartig ausgebildete Knollen finden wir bei Gymnadenia und Habenaria. 230 8. Professor Dr. Lehmann aus Hamburg spricht über den Bau der Euryale ferox, legt davon schön getrocknete Exemplare vor, und vertheilt frische im Wasser aufbewahrte Samen mit der Bemerkung, dass diese Samen sehr bald ihre Keimkraft verlieren. wenn man sie aus dem Wasser nimmt, oder das Wasser faul wird. Er erwähnt sodann einiger von ihm in der Hamburger Garten- und Blumenzeitung (Vol. VIII. pag. 369 seq.) beschriebenen neuen Arten der Gattung Nymphaea, wobei er Exemplare des Bogens dieser Zeitung vertheilt, worin sich die Beschreibungen befinden. Später macht er darauf aufmerksam, dass auch die Wurzelbildung zu Unterabtheilungen in dieser Gattung benutzt werden könne, und bespricht eine neue Gruppirung aller Arten der Gattung Nymphaea in zwei Hauptabtheilungen: — Staminibus appendiculatis und Staminibus inappendiculatis — wovon die erste Abtheilung in 4, die zweite in 3 Tribus mit verschiedenen Unterabtheilungen zerfällt. Dabei lest er die Beschreibungen und Exemplare von 12 neuen Arten dieser Gattung vor, nämlich von: N. Raja, N. pseudo-pygmaea, N. Leiboldiana, N. tropaeolifolia, N. undulata, N. bella, N. rhodantha, N. Maximiliani, N. sagittariaefolia, N. Passiflora, N. Fenzliana und N. violacea, deren Eigenthümlichkeiten er kurz heraushebt und die Beschreibungen baldigst abdrucken zu lassen verspricht. Der Vortragende bemerkt zugleich, dass es jetzt, da die Cultur der Nymphaeaceen in Aufnahme zu kommen anfange, die höchste Zeit sei, die Arten mit Sorgfalt festzustellen, bevor dies durch Bastardformen erschwert werde. Schon vor einigen Jahren und auch wieder neuerdings habe man in England einige Bastard- formen gezogen, und im Juli d. J. solle im Garten des Hr. van Houtte zu Gent ebenfalls eine dort entstandene Bastardform geblühet haben. Wohin aber eine solche Procedur führe, welche nicht verfehlen werde, bald Nachahmer zu finden, habe man an den Pelargonien, Fuchsien u. s. w. erfahren. Noch erwähnt der Vortragende, dass ein Reaum.- Thermometer in eine sich Öffnende Blume der Nym- phaea dentata eingesenkt, ebenfalls um 1—1°/, Gr. höher gestanden habe, als ein correspondirendes Thermometer einige Fuss davon entfernt. 9. Prof. Dr. von Leonhardi aus Prag bespricht vom Standpunkte der Einen Wissenschaft und einer harmonischen organischen Verbindung von Philosophie und Empirie aus: das pädagogisch und allgemein menschlich Wichtige der biologisch-morphologischen Botanik. Die materialistische Physiologie, die sich für die allein wissenschaftliche ausgiebt, bezeichnet er als die Lehfe von Mitteln zu einer Sache (dem Leben), die man !äugnet, während man sie zu erklären vorgiebt. Er hebt dabei als beachtenswerth hervor, dass gerade die drei Forscher, die für das physikalische Verständniss der pflanzlichen Gesammitorganisation, in der sich der früher für unbeschreiblich gehaltene Totalhabitus kund giebt, das Bedeutendste geleistet haben: E. Fries, C. Schimper und A. Braun daran fest- halten, dass die Pflanze ein Lebendes sei, nicht ein blosser Mechanismus. 10. Professor Dr. A. Braun aus Berlin gab zunächst physiologische Bemerkungen, namentlich über doppelte und mehrfache Fructificalionsreihen der Algen, sprach dann über eine auf Helgoland gefundene neue Gattung der Algen mit Codium verwandt, und von ihm Codiolum genannt, und zeigte endlich eine neuerlich bei Berlin erschienene Wanderpflanze: Matricaria discoidea DC. vor. 11. Dr. Wirtgen aus Coblenz legte eine Anzahl interessanter und kritischer Pflanzen aus der Flora von Coblenz und der Eifel auf, die er an die anwesenden Mitglieder vertheilt, nachdem er sie näher erläutert und bei mehreren auf bisher übersehene Merkmale aufmerksam gemacht hatte. Es waren folgende: Potentilla mierantha Ramond., Potentilla Fragariastrum Poir. und Potentilla collina Wib.; Polygala calcarea F. W. Schultz von Gerolstein in der Eifel; Verbascum Schottianum Schrad. 281 (nigro-floccosum, und floccoso-nigrum), Verbascum floccosum W. & Kit. und Verbascum mosellanum Wirtg. aus dem Moselthale ; Scerophularia Neesii Wirtg., Balbisii und Ehrharti Stey. ;; Calepina Corvini Desv., Hieracium caesium Fr. und Hieracium setigerum Tausch. von Coblenz (über welche sich Dr. Schultz Bip. ‘noch weiter aussprach) und mehrere andere. ; 12. Dr. €. H. Schultz Bipont., aus Deidesheim hielt einen Vortrag über Cirsium und deren Bastarde, worin er die Urarten in analytischer Form auf Vorzeigung getrockneter Exemplare erläuterte und so. die Bastarde erklärte. . i 13. M. J. Löhr aus.Cöln übergiebt eine Schrift: ‚Einige botanische Beobachtungen über Sper- gula pentandra L., Ranunculus arvensis und über das Vorkommen des Linum austriacum L. und eine Auswahl getrockneter Pflanzen zum Vertheilen. 14. Wurde das aus der gestrigen zweiten allgemeinen Sitzung anher übergebene Exemplar der Physiographie des Herzogthums Braunschweig und des Harzgebirges von W. Lachmann an-Wirtgen nach einstimmigem Beschlusse der Section behändigt. 15. Wurden folgende Schriften zur Ansicht eingesandt: P. Wirtgen, dritte Auflage seines Leitfadens für den Unterricht in der Botanik. J. D. W. Bayrhoffer, Einiges über Lichenen und deren Befruchtung. F. Emmert und 6. v. Segnitz, Flora von Schweinfurt, 16) Regierungsrath Schenck übergiebt Mittheilungen der Gesellschaft für Förderung der Seiden- zucht im Herzogthum Nassau und aus der Fabrik ‚der Filanda für Seidenbau zu Wiesbaden zur Vertheilung. Vierte Sitzung. Donnerstag den 23. September. 1. Professor Dr. Lehmann aus Hamburg trägt als bisheriger Vorsitzender vor, dass gestern wegen Kürze der Zeit die Wahl eines neuen Präsidenten unmöglich 'geworden sei: er beantrage daher, den Vorsitz für die heutige Sitzung in die Hände des Professors Dr. A. Braun aus Berlin zu legen, was einstimmig angenommen wurde. Der zweite Vorsitzende, Dr. Schultz Bipont. schlägt sodann als seinen. Nachfolger Wirtgen aus Coblenz vor. Da derselbe jedoch ablehnte, indem er im Begriff stehe abzureisen, so fand keine weitere Personalveränderung statt. 2. Dr. Walz aus Speyer legt eine Rinde vor, welche als Chinasurrogat empfohlen wurde; dieselbe ‚ist keinem Anwesenden bekannt; eben so’ eine als Gerbemittel empfohlene Schote, welche jedoch ganz, frei von ‚Gerbestoff ist. Endlich spricht er über chemische Untersuchung, ‚der Serophu- larien,;, welche ausser Digitalin ‘noch einen andern Stoff, den er Digitalosmin nennt, enthalten. Zur Fortsetzung, seiner Untersuchung bittet er um Einsendung getrockneter Digitalis grandiflora Lam. 3. Dr. Wirtgen aus Coblenz sprach über’ die Gattung Mentha und seine Studien an diesem schwierigen Geschlechte, wofür sich die Eintheilung nach dem Blüthenstande, wie es von den meisten Autoren geschehen, so wie die nach der: Gliederung der Blätter, wie es Fries, Bentham, Woods gethan , als durchaus unzulänglich bewiesen; (letzteres liess sich selbst an Pflanzen nachweisen, z. B. M. sylvestris, welche auf trockenem Boden in der Nähe der Mosel ungestielte Blätter, und nach- 36 232 dem sie bei’ hohem’ 'Wasserstande einige Wochen sehr feucht gestanden, Zweige mit 'gestielten Blättern getrieben hatten ; eben so hatten Exemplare von M. hirta Willd. von einem Bache bei Winningen gestielte und andere von einem trockenen Standpunkte nahe dabei, ungestielte Blätter.) Der‘ Vortragende glaubte früher hinreichend unterscheidende Merkmale an der Frucht und an der Behaarung der innern Seite der Blumenkronenröhre gefunden zu haben, wesshalb er die Früchte sämmtlicher ihm bekannt gewordener Arten , so wie vieler anderer als Species aufgestellter und als Varietäten oder Formen angesehener Menthen untersuchte. Es ergab sich aber nach genauer und vielfach wiederholter Untersuchung , dass die Früchte, ob sie glatt, punctirt, warzig oder bärtig seien, wohl zur Unterscheidung einzelner Arten, jedoch nicht als Eintheilungsgrund zu grösseren Gruppen dienen könnten. Entscheidender stellte sich die Beschaffenheit der Blumenkronenröhre heraus, die bei M. sylvestris, rotundifolia, piperita, pubescens Willd.,; gentilis Sm. innen kahl und bei Mentha nepetoides Lej. hirta Willd., aquatica, sativa und arvensis zottig behaart ist. ' Aber auch hier fand sich. dass die Haare bei M. odorata Sol. der glatten Varietät von M. aquatica oft noch kaum erkenn- bar wären, während Exemplare der M. gentilis eine anfangende sehr feine Behaarung zeigten. Es zeigte sich hier also deutlich, was der Vortragende bereits bei verschiedenen Gelegenheiten wieder- holt und nachgewiesen hatte, dass man sich wohl vergeblich bemühen möchte, scharfe und schnei- dende Unterscheidungsmerkmale zu suchen, indem die Natur keine Scheidewände, sondern Brücken baue. Eine weitere Schwierigkeit in der Untersuchung dieser Gattung entstand durch die Bastarde, von welchen aus M. sylvestris und aquatica, so wie aus letzterer und sativa mehrere vor- lagen. Ein merkwürdiges Beispiel einer Metamorphose wurde noch von einer kleinblumigen Form der M. rotundifolia mit langen Bracteen (aus der Gegend won Winningen) erwähnt, bei welcher sich an der Stelle der Staubfäden vier nüsschenartige Körper gezeigt hatten. Nachdem die ganze Reihe der aufgelegten Menthen noch einer näheren Betrachtung unterworfen wurde, vertheilte Wirtgen eine Anzahl der wichtigeren Formen an die Anwesenden. Dr. Schimper aus Schwetzingen bemerkt hiezu, wie .durch schattigen und durch sonnigen Standort an dem Ufer eines und desselben Weihers die mehr weibliche oder die mehr männliche Form von Mentha sylvestris nemorosa hervorgerufen werde, und dass ihm die seltsame Form der Mentha rotundifolia corollis minutis inclusis ebenfalls bekannt sei. M. sylvestris ist fähig, auf einem Stock die beiden gewöhnlicheren Modificationen zu bringen; eine Art geschlechtlicher Aus- wägung, welche bei Melissa Calamintha und bei Dracocephalum Moldavica sehr auffallend vorhanden, aber bisher übersehen worden sei. Es finden sich selır häufig Exemplare, welche ganz gross- und ganz kleinblumige weissliche Blüthen zugleich und in einer Gruppe vereinigt zeigen. 4. Professor Dr. Lehmann aus Hamburg bespricht die Nothwendigkeit menographischer Ar- beiten über schwierige Familien und Gattungen des Pflanzenreichs in Allgemeinen und nennt einige Gruppen , welche er nach einander monographisch zu bearbeiten sich vorgenommen hat, wobei er mit rühmender Anerkennung und mit Dank des ihm von allen Seiten bereits zugegangenen reichhaltigen Materials gedenkt. Als seine nächste Arbeit dieser Art bezeichnet er eine Revision der polymorphen Gattung Potentilla, welche als Supplement zum neuesten Bande der Acta Acad. Leop. Carol. natur. curios. erscheinen wird, sobald sämmtliche dazu gehörende Tafeln vollendet sein werden. Hierauf wurden zuerst die Genera der Potentilleae und ihre Charactere erörtert, worauf der Vortragende seine Eintheilung der Gattung Potentilla in kleinere Gruppen und Unterabtheilungen bespricht, indem 283 ex zugleich. über ‚den. Werth und, Unwerth desjenigen, was bis jetzt zu, Characteren. der Arten benutzt worden ‚ seine. Erfahrungen und Beobachtungen mittheilt.. ‚Bei. ‚der ‚Gruppirung ‚der. Arten ‚selbst be- zieht er sich auf die in seinem Pugillus IX. novar. et minus cognitar. stirpium, pag. 24—30 gegebenen Eintheilung , bezeichnet aus jeder der letzten Unterabtheilungen eine .oder mehrere ‚der bekanntesten Arten als Typus für dieselben , indem er: die dazu: gehörenden Abbildungen ‚bei der: Besprechung ab- gesondert vorlegt: und unter. .den. Anwesenden cireuliren lässt, soweit ‚dies die bereits, fertigen 56 Tafeln gestatten. 5. Berthold Seemann aus London zeigte den Talg einer Euphorbiacea, der Stillingia sebifera, vor, und bemerkte, dass dieses Pflanzenfett jetzt in grosser Masse nach. England eingeführt werde, ja dass einzelne Kerzenfabriken in ‚London jährlich ebensoviel für diese, Substanz ausgeben, wie: manche der ‚deutschen Königreiche Einkommen haben. Er zeigte ebenfalls die Samen einer Spernacoce vor, die eine. grosse Aehnlichkeit mit: Knöpfen haben und: von ‚den: Eingeborenen der Land- enge von Panama: Buton. de terciopelo ‘genannt werden. Er bemerkte ferner, dass. vom. 1. Januar 1853 an eine Zeitschrift für angewandte Botanik unter dem Titel: Bonplandia, welche von ihm re- digirt werden würde, erscheinen werde, und die hauptsächlich den Zweck habe, die vielen neuen Pflanzenerzeugnisse, welche in England bekannt würden, dem deutschen: Publicum bekannt zu machen. 6. Dr. Schacht, aus Berlin hatte vermittelst einer Zuschrift, an das ‚ Secretariat einen Protest gegen den gestrigen. Vortrag des Professors Dr. von Leonhardi zur Mittheilung an die Section eingesandt, weil er leider verhindert sei, persönlich zu erscheinen. Der Vorsitzende machte das Eintreffen dieser Protestation den Versammelten zwar bekannt, es wurde jedoch für angemessen erachtet, diesen, Protest dem Professor Dr.'v. Leonhardi zuzustellen, aber nicht öffentlich zu verlesen, um nicht durch eine weitere mündliche. Discussion ‚die ohnedies sehr, beschränkte Zeit für die noch rückständigen Vorträge zu verkürzen. 7. Dr. Schimper aus Schwetzingen wollte über Neerophyteuse oder fossiles Waclısen fossiler Pflanzen reden, hat aber ‚diesen Vortrag schon vor einem kleinen Kreise; gehalten und‘ wählt daher ein anderes rein botanisches Thema über Holzkerne als Basis von Nodaliden' und über Cinctorien, durch Vorzeigung von Exemplaren und Zeichnungen erläutert. Desgleichen über das Antherenblatt und dessen Entstehung durch Emergenz neuer Flächen’ von der Mittelrippe. 8. Dr. €. H. Schultz. Bipont, hielt einen Vortrag über die gefleckten: Pulmonarien der Gattung Hieracium, dann über. Bastardbildung der Piloselloideen derselben Gattung. Er: theilte ferner seine Ansichten über die, beste Art der Aufbewahrung der Pflanzensammlungen mit, sowie ‚über das Ver- hältniss der Anatomie und Physiologie zur systematischen Botanik. 9. Dr. Brandis aus Bonn machte einige Mittheilungen über einen zur Gattung Sclerotium ge- hörigen: Pilz, welcher sich gegen Ende des Monats März und Anfang April in den westlichen Theilen der Rheinprovinz in überraschender Menge gezeigt hatte. Er bezog sich hierbei auf die ausführlichen Mittheilungen, welche Geheimerath Nöggerath in der Kölnischen Zeitung vom. 29. Mai 1852 über diesen Gegenstand gemacht hat. Dieser Pilz stellt rundliche, aber etwas unregelmässige, flachgedrückte, schwarze, im trockenen Zustande unregelmässig, gerunzelte Körperchen von 1—6 Linien Durchmesser dar, welche auf der Unterseite fast stets in der Mitte eine kleine Vertiefung besitzen. Im Innern waren sie weiss und 36* 234 mehlig. Das Gewebe bestand aus unregelmässig in einander gewirrten verästelten verlängerten Zellen. Die nach aussen gerichteten Enden derselben hatten eine dunkelgrau gefärbte Membran. Von Sporen war keine Spur wahrzunehmen. Die Pilze fanden sich theils frei, oft in grosser Menge durch den Wind zusammengeweht (an einem Orte bei Jülich fanden sich auf den Quadratfuss 400—500 Körner), theils noch an ihrer ursprünglichen Bildungsstätte, nämlich auf Rüben, ferner auf abgestorbenen Stengeln und Blattstielen von Kohl und Reps, in der Regel ganz oberflächlich, bisweilen aber mehr oder weniger in die Unter- lage eingesenkt. Die Entwickelungsgeschichte des Pilzes wurde an einigen Exemplaren beobachtet, ‘welche sich auf einem schon mit ausgewachsenen Individuen besetzten Rübenstiele nach dem Wiederaufweichen desselben in Wasser bildeten. Die jungen Pilze waren beinahe farblos, durchscheinend, von einer zähgailertartigen Beschaffenheit, nach einiger Zeit zeigten sich dunkelgrüne Flecken auf der Ober- seite, welche allmälig den ganzen Pilz bedeckten und zuletzt ganz schwarz wurden. Zu gleicher Zeit wird auch der Pilz viel fester, und nimmt fortwährend an’ Grösse zu, bis er nach Verlauf von 4-6 Stunden seine vollständige Ausbildung erreicht hat. Die richtige Bestimmung dieses Pilzes ist nicht ohne Schwierigkeiten, indem von den bis zuletzt beschriebenen und abgebildeten Arten keine in allen Stücken mit unserem Pilze übereinkommt. Die Arten, welche bei der Bestimmung etwa in Betracht kommen könnten, sind: 1) Selerotium quereigenum. Berkeley British fungi pag. 222. Die von B. gegebene Beschreibung stimmt sehr gut mit unseren Exemplaren überein, aber das Vorkommen der Art (auf ent- rindeten, gefällten Eichen) ist ein ganz anderes. 2) S. varium Fries syst. mycol. II. p. 257. Berkeley 1. c. pag. 223. Die Art des Vorkommens ist dieselbe, indem diese Species nach Fries im Winter auf Stengeln und Rüben von Brassicaarten sich findet; vergleichen wir dagegen die von verschiedenen Autoren gegebenen Beschreibungen und Abbildungen , so ergeben sich sehr wesentliche Unterschiede. Nach Berkeley sind die jungen Pilze dieser Art flaumig, die unsrigen aber sind glatt. Die Grösse geht nach Berkeley bis zu 1 Zoll, nach Rebentisch prodromus florae neomarchicae gar bis zu 2 Zoll; und endlich sind mir niemals so unregelmässig gelappte Exemplare vorgekommen, wie der letzterwähnte Autor auf Tab. IV. Fig. 16 dieselben abgebildet hat. 3) S. Semen Tode; fungi Meklenburgenses seleeti Tab. I. F. 6. Fries ]. e. II. p. 249. Nach sämmtlichen Abbildungen und Beschreibungen ist diese Art stets regelmässig und zwar beinahe ganz kugelförmig, während unter unseren Exemplaren sich viele ganz unregelmässige befinden. 4) S. Brassicae Bolton: Geschichte der merkwürdigsten Pilze, aus dem Engl. von Willdenow. Tab. 119. Fig. 2. (nicht Fries ]. c. p. 259.) Bolton beschreibt die Entwickelungsgeschichte dieser Art, welche von anderen Autoren nur als- Varietät der vorangehenden angesehen wird, in folgender Weise. Zuerst ist der Pilz weiss, gallert- artig, durchsichtig und nicht grösser, als ein Senfkorn, dann geht er allmälig ins Rothbraune über. Ganz ausgewachsen kommt er an Grösse einer Linse gleich, und wird ganz schwarz. Man sieht, diese Beschreibung stimmt mit der von uns beobachteten Entwicklungsgeschichte in den Hauptpunkten überein; der wichtigste Unterschied besteht in der Farbenveränderung,, indem hier der Uebergang durch dunkelbraune, dort durch dunkelgrüne Statt findet. Indessen ist die Beschreibung von Bolton 285 zu unvollständig, um die Frage zu erledigen, ob der von ihm beschriebene Pilz wirklich als eine eigene Art angesehen werden kann. Fries und andere Autoren betrachten denselben in der That nur als Varietät, die sich besonders durch das Vorkommen auf Stengeln und Blättern von Brassica aus- zeichnet. ] Aus allem diesem geht hervor, dass man sagen kann, unser Pilz sei mit mehreren Selerotium- arten, namentlich mit S. varium und Semen Brassicae Bolton sehr nahe verwandt, von einer Ueber- einstimmung mit einer beschriebenen Species kann aber, wenn man genau sein will, nicht die Rede sein. Wem es Vergnügen macht, kann eine eigene Species daraus machen. Jedoch wird das Ver- dienst kein grosses sein, da Leveille in seinem vortrefflichen Me&moire sur le genre Sclerotium, Annales des sciences naturelles, Botanique, Sect. Il. tom. XX. p. 218 gezeigt hat, dass die meisten Sclerotien durchaus nicht als selbständige Gewächse angesehen werden können, vielmehr Nichts sind, als die erste Entwickelungsstufe eines höher organisirten Pilzes, z. B. einer Clavaria, eines Agaricus, in anderen: Fällen auch wohl nur eines Fadenpilzes (Penicillium). Freilich 'bleiben diese niederen Entwickelungsstufen, welche von Sporen und anderen Fortpflan- zungsorganen keine Spur besitzen, nicht selten auf dem ersten Stadium ihrer Entwickelung stehen, und dieses scheint bei diesem in so grosser Menge entstandenen Sclerotium durchgängig der Fall ge- wesen zu sein, denn bis jetzt ist es mir noch nicht gelungen, eine Entstehung anderer Pilzformen aus denselben zu beobachten, oder andere Nachrichten über eine solche einzuziehen. Fälle von einer ähnlich häufigen Entstehung ähnlicher Pilze werden mehrfach berichtet, z. B. erzählt Link in dem Magazin. der Gesellschaft naturf. Freunde, Berlin VIT., p. 45, dass Sclerotium calathiforme im Meklenburgischen zumal in regnerischen Sommern auf der Oberfläche der Erde in solcher Menge erscheint, dass man denselben für einen vom Himmel gefallenen Samen gehalten habe. Auch gehören hierher die Verwechslungen des Scl. Semen und varium mit den Samen von Brassica Napus und Rapa. (conf. Fries. ]. c. p. 258, wo andere Citate angegeben sind.) Von ganz anderer Art dagegen ist das reichliche Vorkommen wirklicher Samenkörner, namentlich von Veronica hederaefolia, von dem L. C. Treviranus in seiner Schrift: Ueber gewisse in Westpreussen und Schlesien, angeblich mit einem Gewitterregen gefallene Samenkörner, Breslau 1823, mehrere Bei- spiele aufzählt. Dieses Phänomen findet stets erst Anfang des Sommers, Ende Mai oder im Juli statt, nachdem die Samen dieses Unkrautes ihre vollständige Reife erlangt haben. Dr. Brandis erörterte ferner die Lebensverhältnisse von Tillandsia usneoides. Diese amerika- nische Pflanze lebt den übereinstimmenden Beschreibungen aller Reisenden zufolge während ihres ganzen Lebens, oder mindestens während der längsten Zeit desselben, frei an Baumästen oder andern Gegenständen hängend, ohne auch nur mit Haftwurzeln an denselben befestigt -zu sein. Man sollte hiernach gar keine oder nur ein Minimum von Aschenbestandtheilen‘ erwarten. Die Analyse zeigt aber, dass der Gehalt an unverbrennlichen Bestandtheilen nicht unbedeutend ist (3 bis 7 pet.). Die Quelle dieser Aschenmenge kann, bis wir andere Nachrichten über die Wachsthumsgeschichte dieser ‚ merkwürdigen Luftpflanze erhalten, nur in der Atmosphäre gesucht werden, und zwar theils in den unorganischen Bestandtheilen des Regenwassers, theils in den als Staub in der Luft schwebenden mineralischen Theilchen. Es knüpften sich hieran noch einige Bemerkungen über die durch die Analyse sich ergebende merkwürdige gegenseitige Vertretung der Basen, so wie über den in mehr- facher Beziehung eigenthümlichen anatomischen Bau dieser Pflanze. 236 Endlich forderte Dr. Brandis die Versammlung auf, eine Anzahl Zeichnungen anzusehen, welche die Vertheilung der wichtigsten Substanzen in den, Zellen des Samenkerns von Gramineen und Cruei- feren, so wie die Veränderungen , welche die letzteren, beim Keimen erfahren‘, erläutern sollten, so wie einige andere, welche gewisse, an den Blattansätzen wahrzunehmende Unterscheidungsmerk- male der Gattungen: Triticum, Hordeum, Secale, Avena darstellten. 10. Dr. Dietrich aus Leipzig spricht sodann über die Verderbniss durch die Ambiguella roserana, den Sauerwurm oder Heuwurm folgende Worte: Glückauf! Mit diesem Gruss der Berge grüsse ich die hochverehrte ‘Versammlung, nicht allein mit dem derer, die das Edelerz in ihrem reichen Schoosse, nein mit dem der noch begabteren, die. den Strom der silbernen Edelquellen in ihrer Tiefe, das Gold des. begeisternden Rebensafts auf ihren sonnigen Höhen tragen. Begleiten Sie. mich im Geiste durch die Rebenreihen , sehen Sie ihre süssen schwellenden Trauben, aber auch — die erkrankten — und diese eben sind es, worüber ich, der Sachse, nicht Belehrung geben, will, sondern Belehrung erbitte. Auch in Sachsen grünen Rebenberge, auch hier am Ufer der Elbe, von Pillnitz aus bis zur Seuselitz, ober- und unterhalb Dresden, reift die Traube. Sie blickt mit Ehrfurcht auf ihre Alınherrn , ihren, Stammbaum, es ist die des Rheins und der Mosel. Unter dem Krummstab des Hochstiftes Meissen wurde sie gepflanzt und Sachsens Fürsten begünstigten den ‚Weinbau, und Vereine bildeten sich zu seiner Veredlung. ‚Die Trauben haben auch hier ihre Feinde — einer ihrer gefährlichsten ist der kleine graue Sünder, den ich Ihnen vorzuzeigen die Ehre habe, gewöhnlich die Weinmotte, und als Raupe der Spitzkopf, und hier zu Lande der Sauerwurm genannt. Als Schmetterling legt er, zur Zeit der ersten Heuernte, seine Eier in die Ritzen der Wein- pfähle, in die trockenen Fasern des Rebenstocks. Er verpuppt sich. namentlich in ‚den. alternden Weinpfählen und ihren Fugen. Der Schmetterling ist Gift für ‚die Rebenblüthe und das Räupchen “nagt an der reifenden Beere, wie die Sünde an den Herzen. Die süsse Beere versauert, wird braun, verschrumpft, fällt ab und eine sauere Beere verdirbt die andere, so dass ganze Trauben verdorben und verloren gehen. Die Beobachtung seiner Natur gibt den Fingerzeig möglichst thunlicher. Ver- tilgung. Es ist Reinhaltung der Berge, Säuberung von trockenem Laub, wo die Puppe erwärmt und und sicher liegt, Reinigung, ja so viel möglich, selbst Abkratzen der Pfähle. Da er auch die Hollun- derbeere liebt, so leide man in der Nachbarschaft keine Hollundersträuche. Auch schone man die- jenigen Vögel, die in ihm ihre Nahrung finden. Einzelne Abbeerung der kranken Beere, ‚Bestreichung der Pfähle mit Steinkohlentheer, Räucherungen sind nur in einzelnen kleinen Anlagen anwendbar. Ein allgemeines, von allen Weinbergsinhabern anzustellendes Abraupen, eine durchs Ganze gehende Reinigung der Berge kann allein hier das Uebel bei der Wurzel fassen und hier ist der Ort, wo das Gesetz warnt und gebietet. Welche Vorkehrung haben die Rheingebirge gegen ihn, wie stimmen ihre Beobachtungen mit den unsern überein, dies ist meine ergebenste Frage und Bitte. -— Doch was soll ich Ihr Auge länger auf die erkrankte Traube lenken, die freundliche Herbstsonne ruft uns auf die grünenden Berge, über ihnen weile immer Gottes reicher Seegen, Kraft und Duft gebe, seine Sonne dem gekelterten Rebensaft, dem edelsten des Continentes, dass sein Rebenblut Muth und Frohsinn spenden. So schön, so wunderherrlich schön ist der Ueberblick des; Rheingaues, bald ja bald sind die schönen Stunden vorüber, wo. wir in ibm tagten — unser Dank ‚wird verhallen, wie das Echo des Lurleifelsen, aber ihr Bild wird uns bleiben, ein Lichtbild der Herzen. 287 11. Durch Prof. Marschall von Marburg liess M. J. L. Stoltz aus Lyon seine jüngste Schrift „Ampelographie Rhenane“ übergeben, um sie einem der Anwesenden, für den sie Interesse habe, zu behändigen. Dr. Schultz Bipont., dem sie angeboten wurde, lehnt solches ab, und es wurde daher dieselbe nach dem Beschlusse der Section der Pollichia zum Geschenke bestimmt. 12. Dr. 6. F. Koch von Wachenheim, Vorstand der botanischen Section der Pollichia, über- sendete folgende Abhandlung über kritische Pflanzen der Pfalz, seine Erfahrungen durch getrocknete Exemplare unterstützend. Am 5. August dieses Jahres fand ich an sumpfigen Stellen im Erlengebüsche des Burgthales bei Wachenheim zwei Formen von Lysimachiä vulgaris L., die ich für zwei gute Arten halten möchte, aber vorerst, bis ich dieselben im nächsten Jahre weiter werde untersucht haben, als Varietäten hinstellen will, um auf dieselben aufmerksam zu machen und dadurch ihre nähere Untersuchung zu veranlassen. — Die Form, welche man gewöhnlich bei uns findet, zeichnet sich aus durch eine grosse Verschiedenheit in der Form der Blätter; diese sind bald lanzettlich, bald eiförmig -länglich, bald eiförmig, sie stehen in 2-, 3- und 4zähligen Wirteln, auch ihre Grösse differirt sehr, sowie ihre Bekleidung, immer aber sind sie unterseits mehr oder weniger zottig, welche letztere Eigenschaft sie gewöhnlich mit dem Stengel gemein haben. Am oben erwähnten Orte fand ich eine Form, die durch auffallende Kahlheit characterisirt ist; unten ist der Stengel ganz kahl, allmälig erscheinen wenige wimperartige Härchen, untermischt mit mehr und drüsentragenden Härchen; beide nehmen nach oben immer mehr zu, bis sie gegen die Spitze des Stengels hin ziemlich zahlreich werden, namentlich die drüsentragenden, und zuletzt die Blüthenstielchen dicht bedecken. Die in 2- bis 3zähligen Wirteln stehenden Blätter sind durch gängig eifürmig etwas zugespitzt, unterseits mit sehr wenigen feinen kurzen weissen Härchen, die man mit blossem Auge fast über- sieht, versehen; auf beiden Seiten, aber auf der untern mehr, findet sich eine grosse Zahl feiner, kaum und fast nur auf. den Hauptnerven gestielter Drüschen. Stengel und Blätter sind im Vergleich zur zottigen Form sehr zart und die Blätter fast durchscheinend. Man kann diese beiden Formen also characterisiren: F Lysimachia vulgaris L. « villosa, caule et foliis subtus cano-villosis ; B. glandulosa, eaule subelabro, foliis utrinque glandulis breviter stipitatis munitis, ceterum glabris. Der Habitus dieser beiden Formen ist der Art, dass ich dieselben für Arten halten möchte. Bald nachdem ich die letztere Form gefunden, besuchten mich Dr. €. H. Schultz aus Deidesheim und C. v. Ettingshausen aus Wien; ich legte ihnen meine Pflanzen vor und beide meinten, dass hier specifische Natur verborgen sein möchte. In meines Freundes Schultz und in meinem Herbar, in welchem Lysimachia vulgaris von vielen Orten autliegt, fand ich nur die erste Form in ihren verschie- denen Nüancen, die ächte zweite Form nicht. Leider fehlen meinen während eines Krankenbesuches gesammelten Exemplaren die Ausläufer. — Ich gab hier, was ich in der Natur gesehen; ich hatte keine Zeit und Gelegenheit, die Litteratur näher zu vergleichen, und ersuche die Herrn Collesen, den Gegenstand ihrer Aufmerksamkeit nicht unwerth zu halten. Jasione perennis L. Im vorigen Spätjahre beobachtete ich bei Wachenheim in Kieferculturen der Vorberge zwei Formen dieser Pflanze, die sich durch ihre äussere Bedeckung sehr auszeichneten, und 288 hatte den Gedanken, ob es nicht zwei Arten sein möchten. Die Pflanze war damals schon zu weit vorgeschritten, als dass sie eine genauere Untersuchung zugelassen hätte. . Im August dieses Jahres stellte ich eine neue sorgfältige Vergleichung an und fand ausser der äussern Bekleidung keinen Unterschied; diese äussere Bekleidung ist aber: sehr auffallend und mag wohl das Merkmal: für zwei gute Varietäten abgeben; wir stellen diese folgendermassen auf: «. hirsuta, foliis omnino et caulibus ad medium usque pilis simplieibus albis hirsutis;; 3. glabra, foliis glabris, margine ciliatis, caulibus inferne tantum parce pilis simplieibus albis obsitis 1. totis glabris. Die erste Form bietet ein rauhes, starres Aussehen dem der mehr glatten und sanften zweiten Form gegenüber; auch fand ich die erste Form öfter einstenglig, wobei sich der Stengel jedoch oben in mehrere Aeste spaltet. Beide Formen wachsen durch einander und sind Uebergänge nicht sehr selten. Fünfte Sitzung. Freitag den 24. September. 1. Professor Dr. Alex. Braun legt mit allgemeiner Zustimmung der Section das Präsidium für heute in die Hände des Dr. Wirtgen von Coblenz: 2. Die von Dr. J. Ch. Herpin (de Metz) übergebenen Schriften sollen der hiesigen landwirth- schaftlichen Gesellschaft mitgetheilt werden? 3. Dr. Guembel aus Kaiserslautern trug vor, dass so viel auch seit einer Reihe von Jahren über die Ursache der Kartoffelkrankheit in Deutschland geschrieben worden, dieselbe zuverlässig bis heute bestehe, folglich .auch das Heilmittel nicht aufgefunden werden konnte. Dessen Vorschlag ging desshalb dahin, dass man durch Samen die Regenerirung der Saatkar- toffeln erwirken möge, und erbot sich, Kartoffelsamen aus Chili gratis an Freunde der Landwirth- schaft zu weiterem Versuche abzugeben, — wesshalb sich an ihn gewendet wurde. Bei der-sich hierüber entspinnenden Discussion ‚betheiligten sich Prof. Dr. Braun aus Berlin, Dr. Wirtgen aus Coblenz und Dr.Drescher aus Frankfurt. Es wurden verschiedene Vorschläge zur weiteren Beobachtung empfohlen. 4. Professor Dr. Freiherr vonLeonhardi aus Prag sprach über Zusammenhang und Bedeutung der Formen, besonders der Laubblattformen in sogenannten polymorphen Species. Er zeigt, wie die- selben verschiedene Reihen bilden, die sich zu einander verhalten, wie die Anfangsformen, die Haupt- formen und die Endformen des Laubblattes an Stengel oder Hauptast und an Zweig, und an deren Combinationen. Die Pflanzenwelt bietet demnach in den einzelnen Pflanzenstöcken in ähnlicher, Weise individuelle Charakterverschiedenheit dar, wie die Menschenwelt in den Einzelmenschen,, deren auch manche während ihres ganzen Lebens vorwaltend den Charakter der Kindheit, andere den des, reifen Alters oder den des Greises ausprägen. 5. Dr. €. H. Schultz, Bipont. theilt seine Beobachtungen über Cuscuta, namentlich ‚über .C. suaveolens Seringe mit, welche sich nur in sehr warmen Jahren, aber massenhaft, ganze Kleeäcker zerstörend, entwickelt. Er fügte noch bei, dass er dieses Jahr in Deidesheim, aber nur an sehr, vom 289 Wind geschützten Stellen die’Raupe von Sphinx Nerii beobachtet habe, welche auch nur in sehr 'heissen Jahren, bei uns z.B. 1834 in Mannheim, vorkommt. Es; entspann sich'hierüber eine Discussion, an welcher sich Dr. Schimper aus Schwetzingen, Dr. Drescher aus Frankfurt, Dr. Wirtgen aus Coblenz und Prof. Dr. Braun:aus Berlin betheiligten. 6. Zur Bearbeitung der‘ Flora des 'Rheingebiets in seiner weitesten geographischen Ausdehnung vereinigte sich eine grosse Anzahl der Anwesenden, setzte die Grundbestimmungen fest, nach welchen gearbeitet werden solle, und wählte Dr. Wirtgen aus Coblenz zum dirigirenden Vorsitzenden, 'an welchen die Arbeiten und Beobachtungen der einzelnen Mitglieder eingesendet werden sollen. 7. Loehr. aus Cöln übergab folgende getrocknete Pflanzen in mehreren Exemplaren zum Ver- theilen an die Mitglieder der Section: Sisymbrium acutangulum DC. von Verviers, Cerastium tomen- tosum L.' Limburg b. Eupen, Najas major Roth, in der ‘Mosel bei Trier, Elatine Alsinastrum L. Trier. Endymion nutans Dumont., Körenzig bei Jülich, Viola lutea Smith, Aachen, Silene gallica L., Saar- brücken, 'Crassula'rubens L., Trier, Erica einerea L., Dottendorf bei: Bonn, Rosa pomifera Hermann, Ahrthal. Hiermit schloss sich die fünfte und letzte ordentliche Sitzung der botanischen Section in der 29. Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte in Wiesbaden. B. Zur ersten allgemeinen Sitzung. (Zu pag. 6. Nr. 8.) Separatvotum des Prof. Dr. Heyfelder zu dem Berichte der Majorität *) der für die Errichtung eines Denkmals für Oken in Jena in der achtundzwanzigsten Versammlung der Naturforscher und Aerzte niedergesetzten Commission. M. H. Nach dem eben vernommenen Berichte könnte fast die Meinung Platz greifen, als wenn der im verflossenen Jahre durch mich im Namen zweier anderer Adjuncten der Kais. L, C. Ac. d. Nat. gemachte Antrag desshalb die Selbstfundirung der Academie als wünschenswerth hinstelle, damit die von der Königl. Preussischen Regierung ihr bisher gewährte Unterstützung überflüssig werde. Gegen eine solche Auslegung muss ich aufs Allerentschiedenste protestiren. Als Geh.-Hofrath Kieser und Genossen zur Subscription zu einem Denkmal für Oken auf dem Jena’schen Marktplatze aufforderten, drängte sich mir und meinen Collegen der Gedanke auf, ob für einen Forscher, wie Oken, es nicht würdiger sei, ein wissenschaftliches Institut zu begründen, wie solches für Sömmering und Blumenbach durch deren zahlreiche Verehrer und Freunde geschehen war. Indem wir in unserem im vorigen Jahre zu Gotha gemachten Vorschlage das in Verbindung *) Die Worte ad majora, welche auf pag. 6 zu dem Namen Dr. Huschke gesetzt sind, gehören zu Professor Heyfelder. 37 290 mit der vor 200 Jahren gestifteten Academie der Naturforscher brachten, waren wir 'nur von‘ dem Wunsche beseelt, dass auf diesem Wege neue Hülfsquellen für die Leopold. Carol. Academie gewonnen und ein grösserer Wirkungskreis ihr angebahnt werden möge. Wir wünschten, dass ‘über die Ver- öffentlichung gediegener Abhandlungen aus dem Gebiete der Naturwissenschaft und Heilkunde hinaus- gegangen werden. dass Preisfragen gestellt und Unterstützungen zu naturwissenschaftlichen ..Unter- suchungen gewährt werden könnten, um so nach dem Vorbilde der Pariser Academien und anderer gelehrten Institute "einen fördernden Einfluss ‘auf den Entwicklungsgang der ‚Naturwissenschaft und durch diese auf.die Civilisation zu üben. Die in solcher Weise auf der Bahn‘ der Subscription gewonnenen Mittel sollten , zum Andenken an den vor wenigen Monaten verstorbenen’ Begründer der deutschen Naturforscher-Versammlung, Oken- Preise und Oken-Stipendien' heissen, "und gewiss wäre ‚sein Name «dadurch mehr verherrlicht worden, als durch die beabsichtigte Büste aus Erz auf dem Marktplatze zu Jena. M: H. In unsern Zeiten haben jegliche, Fietionen ‚aufgehört, auf die denkenden Häupter: richten sich die Blicke, und die Welt wird bewegt. wenn eines solcher Häupter verschwindet. Als die Kunde von’ dem’ Tode Oken’s zu unsern Ohren drang, da war die Theilnahme eine allgemeine, weit über die Gränzen der'Gelehrtenwelt hinausgehende, denn man fühlte, ‚dass nicht allein die Naturwissenschaft einen ihrer würdigsten Priester verloren hatte, sondern auch, dass das Vaterland um einen Patrioten und die Welt um einen Biedermann ärmer geworden sei. Wenn Herr Kieser und Genossen ihren Majoritätsbericht mit dem Wunsche schliessen, dass einer- seits die Academie durch fernere Leistungen in ihren Actis sich fortdauernd der ihr namentlich von der König]. Preuss. Regierung gewährten Unterstützung würdig bezeigen, und andererseits die Königl. Preuss. Regierung sich nicht durch temporäre Ereignisse in ihrer bisherigen Huld irre machen lassen möge; so haben wir bezüglich des ersten keiner Sorge uns hinzugeben, solange das Präsidium der Academie und die Redaction der Acta, wie bisher, in der Hand eines Mannes bleibt, der von after- philosophischer Schwindelei sich frei erhalten, welche, wie jeder Unbefangene anerkennt, hemmend, aber nicht fördernd für Naturwissenschaft und Heilkunde sich gezeigt hat. In dem zweiten Theile fallen unsere Wünsche mit denen unserer Collegen zusammen, welchen übrigens ebenso gut, wie uns, bekannt ist, dass die Kais. Oesterreichische Regierung sich bereit erklärte, der durch ein Kaiserwort vor 200 Jahren hervorgerufenen Academie die nöthigen Geldmittel von dem Augenblicke an zu gewähren, wenn ihr von anderer Seite her dieselben geschmälert oder entzogen werden sollten. Anlagzenm Programm der neunundzwanzigsten Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte zu Wiesbaden. $. 1. Die Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte wird statutenmässig vom 18. bis 24. September hier abgehalten werden. $. 2. Ausländischen Gelehrten ist die Theilndahme an den Versammlungen gestattet und ist ihre Betheiligung an denselben sehr erwünscht. $. 3. Die Versammlung‘ besteht aus Mitgliedern und Theilnehmern. Mitglied mit Stimmrecht ist nach den $$. 3 und 4 der Statuten nur der Schriftsteller jm naturwissenschaftlichen und ärztlichen Fache; eine Inaugural-Dissertation berechtigt jedoch noch nicht dazu. — Theilnehmer ohne Stimm- recht kann Jeder sein, der sich mit den genannten Fächern wissenschaftlich beschäftigt. $. 4 Das Anmeldebureau befindet sich im Taunushotel, ‘gegenüber dem Bahnhof, und ist vom 15. September an Morgens von 7 bis 1 und Nachmittags von 4 bis $ Uhr geöffnet. 'Daselbst haben sich Alle, Mitglieder und Theilnehmer, persönlich zu melden, einzuschreiben und ihre: Legitimations- karten gegen Erlegung von 2 Thlr. pr. Cour. oder 3 fl. 30 kr. rhein. in Empfang. zu’ nehmen. $. 5. Auf dem Anmeldebureau wird sich zugleich die Logis-Commission befinden, um den ver- ehrten Gästen die nöthige Auskunft über Wohnungen zu ertheilen. Diejenigen Herren, welche Wohnungen vorausbestellen wollen, werden gebeten, sich desshalb früh- zeitig an die Gsschäftsführer zu wenden. $. 6. Herr Dr. 'philosoph. Fridolin Sandberger und Herr Dr. med. B. Huth waren so gefällig, die Secretariatsgeschäfte zu übernehmen. "Ausserdem hatte eine Anzahl von Freunden der Naturwissenschaft und Heilkunde die Güte, zu einem grösseren Comite zusammerzutreten, um die Geschäftsführung bei ihren Arbeiten zu unterstützen. Dieselben tragen eine blau: und orangefarbene Bandschleife. $. 7. Die allgemeinen Sitzungen werden am 18., 21. und 24. September im grossen Saale des Kurhauses abgehalten werden; dieselben dauern von: 9 Uhr Morgens bis 12%, Uhr Nachmittags, und ist der Eintritt nur gegen Vorzeigung der Legitimationskarte gestattet. 37% 292 $. Ss. Nur die stimmfähigen Mitglieder haben das Recht, in den allgemeinen Sitzungen Vorträge zu halten. Diese Vorträge müssen ein allgemeines wissenschaftliches Interesse haben, dürfen nicht zu lange ausgedehnt sein, und müssen mindestens Tags vorher bei den Geschäftsführern, wenigstens im Auszuge, abgegeben werden. $. 9. Der erste Geschäftsführer eröffnet die erste öffentliche Sitzung am 18. September mit der Bewillkommnung der Versammlung. Sodann verliest der zweite Geschäftsführer die Statuten der Gesellschaft, berichtet über etwa eingegangeneıDruckschriften und sonstige die Versammlung betreffende Correspondenz, und fordert zum Schluss die Sectionsführer auf, die unten genannten Sectionen mit den ihnen bestimmten Localen bekannt zu machen. $. 10. In der zweiten öffentlichen Sitzung erfolgt die Wahl des Ortes der nächsten Zusammen- - kunft durch absolute Mehrheit der stimmfähigen Mitglieder. $. 11. In der dritten öffentlichen Sitzung wird nach Beendigung der angekündigten Vorträge die Versammlung durch den ersten ‚Geschäftsführer geschlossen. $. 12. Nach dem Vorgange früherer, Versammlungen wird die Bildung folgender 7 Sectionen vorgeschlagen. Die neben jeder Section genannten Herrn werden die Section in ihr bestimmtes Local einführen und bis zur Wahl des Präsidenten, Vicepräsidenten und der Secretäre die nöthigen Ge- schäfte leiten. $. 13. Seetionen: 1. Seetion. ‚Physik; Mathematik und Astronomie. (Theater.) »Schulrath Dr. Müller. 2. Seetion. Chemie und Pharmacie. (Theater.) Dr. Casselmann. 3. Section. Mineralogie, Geognosie und Geographie. (Nassauer Hof.) Dr. G. Sandberger. 4. Seetion. Botanik, Land- und Forstwissenschaft. «(Kleiner Saal im Kurhause.) Professor Dr. Medicus. 5. Section. Zoologie, Anatomie und Physiologie. (Kleiner Saal in den 4 Jahreszeiten.) Medi- einal-Rath Dr. Müller. 6. Seetion. Medicin, Chirurgie und Geburtshülfe. (Grosser Saal in den 4 Jahreszeiten.) . Medi- einal-Rath Dr. Haas. 7. Seetion. Anthropologie und Psychiatrie. (Kleiner Saal in den 4 Jahreszeiten.) Ober-Medi- einal-Rath Dr. Vogler. $. 14. Die ‚Sitzungen der Sectionen finden am 20., 22. und 23. September von 8 Uhr Morgens bis 1 Uhr Nachmittags, mit einer Pause um 10 Uhr, statt. $. 15. Diejenigen Herrn, welche Vorträge halten wollen, sowohl in den allgemeinen, als in den Sectionssitzungen, werden dringend ersucht, ihre Vorträge vollständig oder im Auszuge noch während der Dauer der Versammlung .an das Seeretariat, beziehungsweise an die Bureaux ‘der Sectionen, zur Abgabe an die Geschäftsführer gelangen zu lassen; nur dann können diese für vollständigen und richtigen Abdruck -der Vorträge im amtlichen Berichte einstehen; sie werden die Manuscripte' nach Beendigung des Drucks den Verfassern auf Verlangen wieder zustellen. $. 16. Herr Buchhändler Chr. Wilh. Kreidel hat die Gefälligkeit vom 15. bis 24. September ine]. ein Auskunftsbureau zu errichten, in welchem die verehrten Gäste jede Auskunft über Sehens- würdigkeiten, Festlichkeiten ete. ete. erhalten können ; dasselbe befindet sich in der Ch. W.Kreidel- schen Buchhandlung, Langgasse Nr. 25. 293 $: 17. Alle diejenigen verehrten Mitglieder, welche Vorträge in den Sectionen zu halten wün- sehen, werden gebeten, dieselben Tags vorher ‘bis Nachmittags 2 Uhr, bei’ den betreffenden Sections- präsidenten anzumelden. — Letztere aber werden ersucht, deren Anzeige bis 3 Uhr Nachmittags in die Kreidel’sche Buchhandlung zu senden, damit sie in das nächste Tagblatt aufgenommen werden kann. $..48. Zun Bequemlichkeit der Gäste wird ein Lesezimmer, sowie ein Zimmer zum Briefschreiben, mit den nöthigen Materialien versehen, geöffnet sein. $. 19. Das Tagblatt wird jeden Morgen den Mitgliedern und Theilnehmern am Eingange der betreffenden Versammlungslocale gratis zugestellt. Dasselbe enthält die Liste der neu angekommenen Gäste, die Anzeige der zu haltenden Vorträge und der für den Tag beabsichtigten Festlichkeiten. $. 20. Es werden drei gemeinschaftliche Mittagessen im grossen Saale des Kurhauses stattfinden und zwar nach jeder öffentlichen Sitzung. Das Couvert kostet 1 fl. rhein. oder 17 Sibrersch. preuss. Damit den ‚einzelnen. Herrn möglichst, viele Gelegenheit zu persönlichen ‚Bekanntschaften gegeben ist, werden alle Mitglieder ersucht, an diesen Mittagsmahlzeiten regelmässig Theil zu nehmen. $. 21. Den Mitgliedern und Theilnehmern der Versammlung steht das hiesige Casino offen. $. 22. Zu den öffentlichen Versammlungen, sowie zu den allgemeinen Mittagessen und sonstigen geselligen Zusammenkünften der Gesellschaft haben Nichtmitglieder nach Zulässigkeit des Raumes Zutritt; die betreffenden 'Karten werden in dem Aufnahmebüreau ausgestellt. $. 23. Für die Mitglieder und Theilnehmer der Gesellschaft gilt überall die Legitimationskarte, welche dieselben daher bei sich zu tragen und auf Verlangen vorzuzeigen gebeten werden. Wiesbaden, im Juli 1852. Die Geschäftsführer der neunundzwanzigsten Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte: Professor Dr. Fresenius. Dr. Braun, prakt. Arzi. Einladung zur neunundzwanzigsten Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte zu Wiesbaden. Die Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte hat Wiesbaden für ihre diesjährige Zu- sammenkunft auserwählt und die Unterzeichneten mit ihrer Geschäftsführung betraut. Unsere Stadt, durch Eisenbahnen und Dampfschiffe leicht erreichbar, mit ihren schönen und geräumigen Localen, mit ihren Kunst- und Naturschätzen, ihren weltberühmten Heilquellen und ihrer reizenden Umgebung bietet einen ebenso günstigen als anziehenden Ort für diese Versammlung dar. Wir laden daher unsere Fachgenossen und sämmtliche Freunde der Naturwissenschaft in aller Form freundlichst ein und hegen die freudige Erwartung, dass die Betheiligung eine recht zahlreiche sein werde. Wir und unsere Mitbürger werden Alles aufbieten, dass sowohl die wissenschaftlichen als die geselligen Zwecke der 294 Versammlung nach Möglichkeit erreicht werden. — Die Versammlung wird vom 18. bis 25. September stattfinden. Das Anmeldebureau ist im Taunushotel, dem Bahnhofe gegenüber, und vom 15. September an Morgens von 7 bis 1 Uhr und Nachmittags von 4 bis 8 Uhr geöffnet. Wiesbaden, im Juni 1852. Professor Dr. Fresenius. Dr. Braun, prakt. Arzt. Tagesordnung der neunundzwanzigsten Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte zu Wiesbaden vom 17. bis 24. September 1852. Freitag den 17. September. Abendunterhaltung im Gasthaus in den, vier Jahreszeiten. Samstag den 18. September. Von 9—12‘, Uhr allgemeine Sitzung im: Kursaale. Um 2 Uhr gemeinschaftliches Festessen daselbst. Nach dem Essen Kaffee hinter dem Kursaale mit musi- kalischer Unterhaltung. Um 6%, Uhr Festvorstellung im Theater. Um 9 Uhr Reunion im Kursaale und Abendunterhaltung in den verschiedenen Gasthöfen. Sonntag den 19. September. Fahrt in den Rheingau. Abfahrt mit der Eisenbahn von Wiesbaden präeis 7‘, Uhr, Abfahrt von Biebrich mit dem Dampfboote präeis 9 Uhr. Landung bei Oestrich für die Besucher des Eichberges, Landung in Assmannshausen, Frühstück auf dem Nieder- walde, Mittagsessen in Rüdesheim um 3 Uhr. Rückfahrt von Rüdesheim um 5 Uhr. Um & Uhr Ball im Kursaale, veranstaltet von dem Quartettverein. Montag den 20. September. Von 8—1 Uhr Sectionssitzungen, mit einer Pause von 10—11 Uhr. Um 1 Uhr Mittagstafel in den verschiedenen Gasthöfen. Um 3 Uhr Fest auf dem Neroberge, veranstaltet von der Stadt Wiesbaden; Heimkehr vom Neroberge um 7 Uhr; Feuerwerk in der Nähe der Stadt. Um 9 Uhr Abendunterhaltung in den verschiedenen Gasthöfen. Dienstag den 21. September. Von 9—12%, Uhr allgemeine Sitzung im Kursaale. Um 2 Uhr gemeinschaftliches Festessen daselbst. Nach dem Essen Kaffee hinter dem Kursaale mit musikalischer Unterhaltung. Um 7 Uhr grosses Concert im Kursaale. Um 9 Uhr Abendunterhaltung in den ver- schiedenen Gasthöfen. Mittwoch den 22. September. Von 8—1 Uhr Sectionssitzungen, ‚mit einer Pause von 10—11 Uhr. Um 1 Uhr Mittagstafel in den verschiedenen Gasthöfen. ‚Um 3 Uhr Ausflüge nach dem Geis- berge, der Fasanerie, Chausseehaus, Nürnberger Hof, Schlangenbad, Biebrich, Mainz, Hochheim,‘ Weil- bach, Naurod, Sonnenberg. Um 8 Uhr grosser Ball im Kursaale. “ Donnerstag den 23. September. Von 8—1 Uhr Sectionssitzungen, mit einer Pause von 10— 11 Uhr. Um 1 Uhr Mittagstafel in den verschiedenen Gasthöfen. Um 2 Uhr Abfahrt nach der Platte. Seine Hoheit der Herzog haben geruht, eine Verabreichung von Erfrischungen daselbst zu befehlen. 295 Freitag den 24. September. Von 9—12'/, Uhr allgemeine Sitzung in Kursaale. Um 2 Uhr gemeinschaftliches Festessen daselbst. Nach dem Essen Kaffee hinter dem Kursaale mit musikalischer Unterhaltung. Um 6'/, Uhr Festvorstellung im Theater. Um 9 Uhr Reunion im Kursaale und Abend- unterhaltung in den verschiedenen Gasthöfen. Anmerkungen. 1) Etwa nöthige Abänderungen werden durch das Tageblatt bekannt gemacht werden. 2) Die Legitimationskarte berechtigt die Mitglieder und Theilnehmer ‘der Versammlung und die sie begleitenden Damen zu freiem Eintritte zu den Bällen und Reunions, Festvorstellungen im Theater, zum Concert, zur freien Fahrt auf der Eisenbahn und dem-Dampfboote am 19. Sept., ferner zur Zulassung zum Feste auf dem Neroberge und der Platte, sowie zum Zutritte zu den Sehenswürdigkeiten der Stadt. Die Karte ist am Eingange vorzuzeigen. Zu den Festvorstel- lungen im Theater können die Eintrittskarten von 1——-2 und von 4—5 Uhr an den betreffenden Tagen gegen Vorzeigen der Legitimationskarte an der Theatercasse in Empfang genommen werden. Damen, welche den allgemeinen Sitzungen beiwohnen wollen, erhalten besondere Karten für die Gallerien. 3) Um die Gäste nach Wunsch befriedigen zu können, ist die Einrichtung getroffen, dass die Karten zu den allgemeinen Festessen bei dem Portier des-Kursaales vor den allgemeinen Sitzungen, und die Karten zu den Mittagstafeln in den einzelnen Gasthöfen bei dem Portier des Schreib- zimmers in den Vierjahreszeiten in der Pause von 10—11 Uhr gelöst werden. 4) Zu den Fahrten nach den benachbarten Orten sind Wagen auf dem Theaterplatze und Markte gegen festgesetzte billige Preise zu haben. 5) Der Eingang zu den:allgemeinen Sitzungen im. Kursaale findet vom Garten aus Statt. 6) Das Schreibzimmer befindet sich in den Vierjahreszeiten. 7) Pedelle und Portiers tragen als Abzeichen eine weisse Rosette. v IV. Alphabetisches Verzeichniss der Mitglieder und Theilnehmer deutscher Naturforscher und Aerzte. bei der neunundzwanzigsten Versammlung. Nro. Name. Charakter. Wohnort. | blatt | Nro. SEO NND UIRWI- Abend, Edward, Abt, Achenbach, Adelmann, Adelmann, Alefeld, Alertz, Althauss, Altstätter, Arnoldi, von, Aronssohn, Auer, von, Austen, Rob., Bach, Barkhausen, Barkhausen, Bartenstein, Bassewitz, Baum, Baumann, Baumann, Baus, Bausch, Behr. Bene, Beneke, Bender, Bergemann, Actuar, Probator , Dr., Professor , Dr., Professor , General, Dr., Geh. Rath, Bergrath , Kaufmann, Procurator , Dr. med., Stiftsdame , Mitg]. d. geolog. Gesells. Gymnasiallehrer , Dr., practischer Arzt, Student, Dr. med., Landrath , Professor, Gastwirth,, Stud. med., Partieulier. Dr., Obermed. Rath, Etatsrath, Particulier,, Dr. med., Apotheker, Professor, Bellvelle in N.-Amer. Zwingenberg Wiesbaden Dorpat Würzburg Wiesbaden Rom Freiburg Wiesbaden «Wiesbaden Strassburg Wiesbaden London Boppard Braunschweig Detmold Hildburghausen Halle Göttingen Wiesbaden Wiesbaden Wiesbaden Wiesbaden Altona Hamburg Hannover Coblenz Bonn nNONOG@Ooman 297 Tag- Nro Name. | Charakter. Wohnort. blatt Nro. 29 Bergmann, Kaufmann, Wiesbaden 4 30 Berges, Dr., Apotheker, Elberfeld 36 31 Berkum, von Byster, 32 Bos, Advocat, Kampen in Holland 59 33 Berle, F., Kaufmann, Wiesbaden 18 34 Berle, E. Kaufmann, Wiesbaden 18 "35 Bernhardt, Revisions-Rath, Wiesbaden 6 36 Berthold-Seemann, Naturforscher, London 25 37 Bertram, J., Weinhändler, Wiesbaden 5 38 Bertram, Bauaccessist, Wiesbaden 4 39 Bertrand, Dr. med. Schlangenbad 24 40 Bertrand, Apotheker, Schwalbach 4 41 Beseler, von, Dr. jur., Wiesbaden 4 42 Bischof, Salinen-Director, Neusalzwerk 26 43 Bischof, G., Chemiker, Augsburg 8 44 Blasius, Professor, Halle 5 45 Bley, Dr., Medicinalrath, Bamberg 23 46 Blissenbach, Gutsbesitzer, Mainz 8 47 | Bock, Dr., Professor, Leipzig 17 48 Boczeck, Dr., Redacteur, Wiesbaden 3 49 Bode, Dr., Badearzt, Nauheim 38 30 Böcker, Dr., Kreisphysikus, Bonn 37 51 Bölsche, Buchhändler, Wiesbaden 4 52 Bogler, Collaborator, Wiesbaden 5 53 Bogler, Kaufmann, Wiesbaden 4 54 Bollmann, Wiesbaden 6 55 Bonaparte, Charl.L. Prinz, Paris 26 56 Borree, . Apotheker, Elbingerode 24 57 Bornemann, Dr., Student, Mühlhausen 24 58 Borutzky, Artillerieoffizier, Düsseldorf 17 59 Böttger, Dr., Prof. der. Chemie, Frankfurt a/M. 16 60 Boultbin, R.'M., Pfarrer, England 6 61 Brandis, Privatdocent, Bonn 98 62 Brandt, von, Rittmeister, Carlsruhe 16 63 Braubach, Dr., Professor, Giessen 79 64 Braun, Dr., pract. Arzt, Wiesbaden 4 65 Braun, Bergdirector, Aachen 27 66 Braun, Professor, Berlin 46 67 Brewer, Landherr, Ostindien 6 68 Brinkmann, Advocat, r Wiesbaden 25 69 Broche, Rentier, Malakka 24 70 Bromeis, Dr. phil, Kiel 27 71 Bromeis, Dr., Professor, Marburg 26 72 Brosius, Dr., Arzt, Westphalen 58 73 Bruce, Joy, Dr. med., Dublin 5 74 Brück, Landesecreditcas.-Dir.-R. Wiesbaden 5 75 | Bruch, Notar, Mainz ' 18 76 Brugmann, Buchhalter, Wiesbaden 7 38 298 Tag- Nro. Name. | Charakter. . Wohnort. | blatt | | Nro 77 Buch, von, Leop.. Kainmerherr, Berlin b) 78 Bucholz, Dr., Apotheker, Gotha 24 79 Budge, Jul.. Professor, Bonn 6 80 Buff, Dr.. Professor, Giessen 24 8 Bunk, Dr., Physieus. Hamburg 18 82 Busch. Dr. med., ‚ Limburg | #08 83 Busch, Dr., Kreisamtssecretär, | Wiesbaden | 07. 84 Büdinger, Rentier, Frankfurt a/M. 19 85 Büdinger, Kaufmann, Frankfurt aM. 24 86 Bühring. Dr., Arzt, Berlin 19 87 Büsgen. Kammerrath, Wiesbaden 7 88 Calwer, Forstassistent, Stuttgart 17 89 Carnall, von, Geh. Bergrath, Berlin 38 90 Casselmann, Dr., Chemiker, Wiesbaden ıl #88 91 Cazalis, , Partieulier, Cette 4 92 Chary, ‚ Kaufmann, Mainz 37 93 Chelius. ‚ Dr., Professor, Heidelberg 17 94 Chelius, \ Accessist, Schwalbach 17 95 Chelius, Fr., | Dr., Professor, Heidelberg 37 96 Clauder, ' Gymnasiallehrer, Wiesbaden 19 97 Collomb, Geolog, Paris 46 98 Constantinowitsch, ‚ Collegien-Assessor, Wilna 46 99 Cornils, Fr., | Dr. jur., Garding 8 100 Cramer, | Procurator, Wiesbaden 803 101 Cramer, ‚ Zahnarzt. ı Wiesbaden 8 102 Creve, | Dr. med.. , ‚Eltville 6 103 | Creve, J.C, | Arzt, Wiesbaden 8 104 Cuntz, ' Hofgerichtsrath, Wiesbaden 17 105 Cuntz. | Dr., Arzt, Heidelberg 20 106 Damerow, Prorector. ‘ Halle 47 107 Dechen, von. Berghauptmann, | Bonn | 38 108 Dehne, Med.-Rath, | Rüdesheim , 37 109 Dellmann, ı Oberlehrer, ‘ Kreuznach | #99 110 Dern, | Oberforstrath, ı Wiesbaden | #87 111 Dern, | Divisionsarzt, | Biebrich 17 112 Dervin, Badewirth, | Wiesbaden 5 113 Desor, Geognost, Neufchatel 18 114 Deuser, Stud. med. Bamberg \ 26 115 Dieffenbach, | Professor, Giessen |.7 116 Diehl, | Dr.. Gymnasiallehrer, Giessen ı °26 117 Diehler., | Stearinfabrikant, ! Offenbach | 208 118 | Dietrich. Restaurateur, | Wiesbaden | "24 119 Dietrich, von. Dr., Oberarzt. | Leipzig |. #85 120 Dietz, Oeconom, ‚ Amerika ‚18 121 Dingler., Dr., Chemiker, Augsburg Ba 122 Dörr, Dr., Bataillons-Arzt. Wiesbaden | #85 123 Dörr, Apotheker, Oberstein \ 37 124 Droste, Dr., Sanitätsrath, ı Osnabrück ı 16 299 | Tag- Nro. Name. Charakter. Wohnort. blatt | Nro. 125 Dubor. Particulier, Strassburg 8 126 Duclos, Ingenieur, Diez 18 127 Dümniler, Rentier, Wiesbaden 24 128 Duncker, Dr. med., Professor, Cassel 26 129 Ebenau, Bibliotheksecretair, Wiesbaden 4 130 Ebenau, Oberlehrer, Wiesbaden 5 131 Ebhardt, Dr., Oberstabsarzi. Wiesbaden 7 132 Eck, von Procurator, Wiesbaden 6 133 Eck, von Gutsbesitzer, Wiesbaden 19 134 Eckhard, Dr.. Professor, Giessen 24 135 | Eiffert, Amtssecretär, Wiesbaden 6 136 Eisenberg, Dr., Physikatsarzt, Wöllheim 79 137 Eisenlohr, Hofrath u. Professor, Kreuznach 37 138 Emden, Dr., Arzt, Frankfurt 37 139 | Emmert, Pfarrer, Zell 8 140 Engelmann, Dr., Sanitätsrath, Kreuznach 37 141 | Engels, Schrifsteller, Elberfeld 17 142 Epstein, Hüttenverwalter, Langheckerhütte 26 143 Erlenmeyer, Dr., Apotheker, Wiesbaden 4 144 Erlenmeyer, Dr. v. d.Irrenanstalt zu Bendorf 18 145 Eser, j Apotheker, Stadt am Hof 24 146 | Ettingshausen, von Geolog, Wien 25 147 Ewald, Obersteuerrath, Darmstadt 16 148 Eyring, Probator, Wiesbaden 7 149 Faber, Baurath, Wiesbaden 18 150 Fach, Architect, Wiesbaden 7 151 Falk, Dr., pract. Arzt, Marburg 24 152 Fay, Advocat, Wiesbaden 7 153 Fehlandt, Kaufmann, Hamburg 27 154 Fehling, Dr., Professor, Stuttgart 25 155 Fehr, Kaufmann, Wiesbaden 4 150 Feibel, F., Schneider, Wiesbaden 7 157 Feist, Dr., prakt. Arzt, Boppard 18 158 Feist, Dr., Medicinalrath, Mainz 37 159 Fichte, J. H., Dr., Professor, Tübingen 16 160 Fichte, E., Dr., Assistenzarzt, Tübingen 16 161 Fick, Professor, Marburg 25 162 Fischer, Buchhändler, Cassel 26 163 Flach, Direct. d. Gasgesellsch., Wiesbaden 3 164 Flach, Ingenieur, Wiesbaden 6 165 Fliedner, Dr. phil., Hanau 47 166 Focke, Jul., Kaufmann, Liverpool 6 167 Forchhammer, Dr., Professor, Kiel 25 168 Forell, Hauptmann, Wiesbaden 3 169 Forst, Bergaccessist, Dillenburg 20 170 Francke, Generalarzt, Breslau 79 171 Franque, von Dr., Obermed.-Rath, Wiesbaden 16 300 Tag- Nro. Name. Charakter. Wohnort. Blatt Nro. 172 Fresenius, R., Dr., Professor, Wiesbaden 3 173 Fresenius, Dr. jur., Frankfurt a.M. 18 174 Fresenius, Arzt u. Lehrer, Frankfurt a.M. 18 175 Freudenthal, Dr., Reg.-Arzt, Lüneburg 17 176 Freytag, Badewirth, Wiesbaden 6 177 Freytag, Revisor, Wiesbaden 6 178 Frickhöfer, Dr., Accessist, ldstein 19 179 Friedländer, Dr., Arzt, Leipzig 17 180 Friedlieb, Oberarzt, Homburg v. d. H. 27 181 Frisch, Professor, Stuttgart 18 182 Eritzs, Med.-Rath, Frankfurt 46 183 Fritz, Gutsbesitzer, Diedenmühle 46 184 Fritze, Dr. med., Haag 5 185 Fritze, Dr. ıned., Höchst 17 186 Fritze, Dr., Geh. Hofrath, Wiesbaden 25 187 Frohwein, Bergverwalter, Runkel 8 188 Fuchs, Chemiker, Neuwied 18 189 Fuckel, Apotheker, Oestrich 47 190 Funck, Dr. med. Frankfurt 58 191 Gallo, Dr., Med.-Assessor, Haiger 20 192 Garthe, Dr., Professor, Cöln 18 193 Gassner, Dr., Arzt, Mainz 36 194 Geiger, Procurator. Wiesbaden 7 195 Geiss, Handschuhmacher, Wiesbaden 3 196 Geissler, Dr. med., Königsberg 23 197 Genth, Dr. Arzt, Schwalbach 37 198 Genth, Dr. med., Biebrich 4 199 Gergens, Dr., Med.-Assistent, Wiesbaden 4 200 Gergens, Dr., Lehr. 'd. Nat.-Kunde, Mainz A 201 Gergens, Gutsbesitzer, Winkel 38 202 Gerhard, Legationsrath, Leipzig 17 203 Gerlach, Dr. Professor, Erlangen 15 204 Gerland, Dr. phil., Cassel 38 205 Germar, Oberbergrath, Halle 17 206 George, Dr., Kantonsarzt, Wolfenstein 15 207 Gerth, Bildhauer. Wiesbaden 6) 208 Geske, Apotheker, Altona 38 209 Giebeler, Bergaccessist, Weilburg 19 210 Giesse, Hofgerichtsrath, Wiesbaden 6 211 Gilsa, von, Rittmeister, Wiesbaden 8 212 Glaser, Kaufmann, Wiesbaden 4 213 Glösener, Professor, Liege 46 214 Göllner, Revisionsrath, Wiesbaden % 215 Görz, Dr., Arzt, Mainz 24 216 Göschen, Dr., Med.-Assessor, Berlin 18 217 Götz, Landwirth, Wiesbaden 5 218 Götz, Advocat, Eitville 7 219 Gohr, Kaufmann, 37 Biebrich 301 | Tag- Nro. Name. Charakter. Wohnort. blatt | Nro. 220 Goldenberg. Gymnasiallehrer, Saarbrücken 18 221 Goring, Rentier, Düsseldorf 17 222 Graefe, Rentier, Wiesbaden s 223 Graesinger. Professor, Cairo 8 224 Graevell, Dr. med., Berlin 25 225 Grandpierre, Dr., med., Usingen 26 226 Grass, von Forstmeister, Lorch 37 227 Greiss, Oberlehrer, Wiesbaden 3 228 Greuer, Apotheker, Dresden 23 229 Grimm, Dr., Physicus, Thedinghausen 37 230 Grimmel, Med.-Rath, Idstein 53 231 Groeser, Dr., Med.-Rath, Mainz 19 232 Groll, Bez -Thierarzt, Wiesbaden 3 233 Grossmann, Dr. med., Hofheim 20 234 Grotjahn, Dr. med., Schladen bei Goslar 26 235 Gruber, Physieus, Mosbach a. N. 59 236 Guckelberger, Dr. med., Stuttgart 8 237 Gümbel, Vorst. d. Gew.-Schule, Landau 15 238 Guembel, Dr., Staatsbeamte, Kaiserslautern 79 239 Gutberlet, Inspector, Fulda 47 240 Gutbier, Oberamtsarzt, Dresden 59 241 Haas, Med.-Rath, Wiesbaden 3 242 Haas, Rob., Dr., Publieist, Wiesbaden 18 243 Haas, Dr., Med.-Accessist, Dillenburg 15 244 Habel, C., Rentier, Wiesbaden 18 245 Habel, W.. Rentier, Wiesbaden 18 246 Hack, Steinhändler, Wiesbaden 6 247 | Haidinger, Sectionsrath, Wien 25 248 Halberstadt, Apotheker, Camberg 8 249 Hamilton, W., Secr. d. geol. Gesellsch., London 16 250 Hales-Hingston, Dr. med., Montreal in Canada 47 251 Hacket, Bergverwalter, Dillenburg 33 252 Harrey, Professor, Dublin 27 253 Hasenclever, Director, Aachen 27 254 Hauer, von, Bergrath, Wien 25 255 Hauff, Dr., Oberamtsarzt, : Kirchheim 59 256 Haupt, Dr. med., Nassau 6 257 Hauth, Director, Wiesbaden 6 258 Havemann, Badewirth, Wiesbaden 26 259 Heberle, Bergverwalter, Braubach 18 260 Heeser, Procurator, Wiesbaden 3 261 Hehner, Lehrer, Wiesbaden 6 262 Heine, Gutsbesitzer, Pilgenau 37 263 Heine, Dr., Hofrath, Cannstadt 18 264 Heintz, Dr., Prof. d. Chemie, Halle 16 265 Heintz, Dr., Med.-Rath, Stuttgart 19 266 Heitmann, Particulier, Cöln 8 267 Hemskerk, von Domainenrath, Wiesbaden 19 Name. 268 Hendel, 269 Henle, 270 Henoch, 271 Henry, 272 Herber, 273 Herborn, 274 Herborn, 275 Herget, 276 Herrmann, 277 Herrmann, 278 Herpin, 279 Herrich-Schäffer, 280 Herz, | 281 Herzmansky, 282 Herzog, 283 Hess, 284 Hess, 285 Hesse, 286 Heyden, von, 287 Heye, Louise, 288 Heyfelder, 289 Heyfelder, 290 Heyl, 291 Hilzinger, 292 Himly, 293 Hiepe, 294 Hirsch, 295 Hoechst, 296 Höchstätter, 297 Höfle, 298 Hönick, 299 Hofmann, 300 Hofmann, 301 Hofmann, 302 Hofmann, 303 Hoffmann, 304 Hoffmann, 305 Hoffmann. 306 Hofmeister, 307 Hohl, 308 Homberger, 309 Hooker, 310 Horstmann, 311 Horstmann, 312 Hummerer, 313 Hunsgen, 314 Huth, 315 Huth, 302 0. Wohnort. blatt Charakter. Nro. Minist.-Rath, Wiesbaden 19 Dr., Professor, Heidelberg 38 Student Wiesbaden 6 Kaufmann, Bonn 25 Apotheker, Wiesbaden 3 Oberappellger.-Rath, Wiesbaden 8 Bergaccessist, Obertiefenbach 16 Obersteuerrath, Wiesbaden 6 Pfarrer, Grävenwiesbach 16 Reallehrer, Biebrich 36 Doctor, Paris 24 Dr. med., Regensburg 24 Dr., Med.-Accessist, Eppstein 46 Controleur, Johannisberg 4 Dr., Apotheker, Braunschweig 24 Stud. med,, Mainz 19 Stud. med., Caub 37 Pfarrer, Schweinsberg 37 Senator, Frankfurt 19 Hildesheim 6 Dr. Professor, Erlangen 3 Dr. med., Erlangen > Bürgermeister, Weyer 19 Architeet, Braunschweig 18 Professor, Kiel 6 Apotheker, Wetzlar 24 Doctor, Bingen 36 Student, Obertiefenbach 47 Dr., Hospitalarzt, Carlsruhe 19 Dr., Privatdocent Heidelberg 37 Badewirth, Wiesbaden 26 Professor, London 25 Postmeister, Wiesbaden 7 Dr. med., Burg-Steinfurt 24 Dr., Professor, Giessen 23 Professor, Giessen 24 Dr., Arzt, Frankfurt 47 Stud. med., Darmstadt 16 Buchhändler, Leipzig 7 Professor, Halle 5 Dr., Arzt, Mainz 24 Doctor, Botaniker, London 27 Revisor, Wiesbaden 8 Assessor, Wiesbaden 6 Posiverwalter, Ramscheid 24 Kaufmann, Trarbach 47 Dr. med., prakt. Arzt, Wiesbaden 3 Dr., Med.-Assistent, Wallau 58 303 | Tag- Nro. Name. Charakter. Wohnort. blatt | Nro. 316 Jaeger, | Dr., Med.-Assistent, Wiesbaden 5 317 Jaeger, Dr., Obermed.-Rath, Stuttgart 7 318 Jaeger, Dr., Augenarzt, Wien 18 319 Jaeger, Forstmeister, Braubach 46 320 Janotha, Schlossverwalter. Weilburg 18 321 Janson, Dr. med., Frankfurt 59 322 Ibell, von Dr., Med.-Rath, Ems 36 323 Jelineck. Professor, Prag 46 324 Jhering, Professor, Giessen 58 325 Joly, Professor d. Zoologie. Toulouse 79 326 Jolly, | Dr., Professor, Heidelberg 88 327 Jordan, | Dr., Arzt, Saarbrücken 17 328 Joy, , ‚Chemiker, Boston 47 329 Isbert, ' Hofgerichtsrath, Wiesbaden. 6 330 dIsoard-Cauvenargues ; le Comte, Paris 26 331 Jung, Apotheker, Hochheim 26 332 Jung, Dr., prakt. Arzt, Kreuznach 26 333 Jung, Apotheker, Fritzwalk 23 334 Jung, Kaufmann, Wiesbaden 26 335 Käppel, Chemiker, Wiesbaden 3 836 Käsberger, Kaufmann, Wiesbaden 17 337 Käsebier, Kaufmann. Wiesbaden 7 338 Kahler, Dr. med., Hamburg 16 339 Kalk, pract. Arzt, Saarbrücken 16 340 Kanotay, Gutsbesitzer, Varasdin in Croatien 6 34i Kayser, Apotheker, Höchst 39 342 Keiler, Dr. med., Dresden 17 343 Kessler, Rentier, Frankfurt 38 344 Kilian, Mechanicus, Wiesbaden 19 345 Kirnberger, Dr., Arzt, Mainz 27 346 Kirsch, Dr., pract. Arzt, Wiesbaden 3 347 Kirsch, Gymnasiast, Wiesbaden 3 348 Kirsch, Minist.-Diurnist, Wiesbaden 18 349 Kirschbaum, Professor, Wiesbaden 3 350 Kittlitz, von, Capitain Mainz 20 351 Klein, Archivar, Wiesbaden 7 352 Klein, Baumeister, Düsseldorf 16 353 Klipstein, von, Professor, Giessen 26 354 Kloss, ' Dr. med., Frankfurt 39 355 Knapp, ‚ Stud. med., Dauborn 36 356 Koch, Fabrikant, Darmstadt 26 357 Koch, Dr., Med.-Rath, St. Goarshausen 16 358 Köhler, Dr. phil., Mainz 24 359 Kölges, Dr. Apotheker, Aachen 15 360 Köpp, Hofkammerrath, Biebrich 58 361 Köser, von Dr., Hofrath, Bartenstein 16 362 Kolarick, Dr., Reg,-Arzt, Mainz 20 363 Kolb, Dr., Med.-Assistent, Soden 20 Nro. 364 365 366 367 368 369 370 371 372 373 374 375 376 377 378 379 380 381 382 333 384 385 386 387 388 389 390 391 392 393 394 395 396 397 398 399 400 401 402 403 404 405 406 407 an Pr 411 Name. Kolb, Frau, Kolbe, Koester, Kopp, Krah, Krahmer, Krantz, Krauss, Kreidel, Krelage, Krempel, Krug von Nidda, Kruse, Küchler, Küster, Kurz, Lade, Lade, Lade, Lamby, Lamby, Lang, Lange, Langhof, Launitz, von, Laupus, Lea, Lebrecht, Lese, Lehmann, Lehr, Leiden, Lembach, Lembke, Leo, Leo, Leonhard, von, Leonhard, von Leonhardi, von Lernboullet, | Leube, | Leuckert. Leunis, | Levell, Charl, | I Lex, Lex, Lex, Leyendecker, | ! 295 Charakter. Med.-Rath, Professor, Apotheker, Dr. med., Hofrath, Dr., Professor, Dr., Apotheker, Professor, Buchhändler, Blumist, Kaufmann, Bergrath, Apotheker, Arzt, Med.-Rath, Dr., Professor, Dr. phil., Jurist, Architect, Dr., Sanitätsrath, Stud. med,, Procurator, Dr., Med.-Assistent, Bildhauer, Pfarrer, Rentner, Dr., Arzt, Medieiner, Dr., Professor, Registrator, Dr., Reg.-Arzt, Kaufmann, Rentier, Hofrath, Stud. med., Geh. Rath u. Professor, Doctor, Dr. phil., Dr., Professor, Apotheker, Dr., Professor, Professor, Capitain, Dom.-Rath, Gymnas.-Direetor, Probator, Commissionair, Wohnort. Wiesbaden - Marburg Schleswig Usingen Wiesbaden Halle Bonn Stuttgart Wiesbaden Haarlem Wiesbaden Siegen Königshütte Darmstadt Cronthal Stuttgart Wiesbaden Wiesbaden Wiesbaden Iburg Iburg Wiesbaden Runkel Hessen Frankfurt Preungesheim Philadelphia Mainz London Hamburg Wiesbaden Mainz Biebrich Riga Mainz Mainz Heidelberg Heidelberg Prag Strassburg Ulm Giessen Hildesheim Heidelberg Wiesbaden Wiesbaden Wiesbaden Wiesbaden 305 Nro. Name. Charakter. 414 Leyendecker, Reallehrer, 412 Lichtenberger, Oberbuchhalter, 413 Linaty, Professor, 415 Lindheimer, Chemiker, 416 Lindlof, Dr., Arzt, 417 List, Dr. phil., 418 Litzkau, Dr. med., 419 Löhlein, Hofapotheker, 420 Lohmeyer, Dr., Sanitätsrath, 421 Lohr, Pastor, 422 Lohr, Apotheker, 423 Lommel, Mineralog, 424 Loon-Behr, von, Oeconom, 425 Lorey, Dr., Arzt, 426 Lossen, Hüttenbesitzer, 427 Lossen, Dr. med., 428 Löw, von Hofgerichtsrath, 429 Löwe, Dr., Chemiker, 430 Löwenherz, Fabrikant, 431 Lucae, Dr. med., 432 Lücke, Professor, 433 Luck, Dr., Apotheker, 434 Lützler, Dom.-Rath, 435 Lützler, Notar, 436 Lugenbühl, Kaufmann, 437 Luthum, Doctor, 438 Märschel, Doctor phil., 439 Magdeburg; Präsident, 440 Magnus, Professor, 441 Mahr, Dr., Reg.-Arzt, 442 Mallespienne, von Gutsbesitzer, 443 Mansfeld, Dr., Med.-Rath, 444 Mappes, Dr., erst. Stadtphysicus, 445 Marchal, Professor, 446 Marck, von der Apotheker, 447 Marenbach, Bergmeister, 448 Martin, Professor, 449 Martiny, Dr., Apotheker, 450 Massenbach, von Secretair, 451 Massenbach, von Forstmann, 452 Maurer, Bäcker, 453 May, Gutsbesitzer, 454 May, Oberlieutnant, 455 Medicus, Dr., Professor, 450 Melior, Dr., Med.-Assistent 457 Menges, Dr., Candidat, 458 Merck, Apotheker, 459 Merck, Med.-Rath, Wohnort. Wiesbaden Neunkirchen b. Saarbrück. Frankfurt Darmstadt Göttingen Warschau Coblenz Sobernheim Paderborn Cöln Heidelberg Gendlingen Frankfurt Michelbach Kreuznach Wiesbaden Frankfurt Wiesbaden Frankfurt Göttingen Michelstadt Cöln Cöln Wiesbaden London Bierstein Wicker Berlin Wiesbaden Zweibrücken Braunschweig Frankfurt Strassburg Hamm Siegen Jena Gaualgesheim Wiesbaden Wiesbaden Wiesbaden Hammermühle Wiesbaden Wiesbaden Lorch Wiesbaden Darmstadt Darmstadt 39 Name. | 1 Mergler. { Merten, Metz, Mettenheimer, Mettenheimer, Mohr, Moleschott, Mollier, Morier, Morier, Moritz, Mosler, Müller, Müller, Müller, Müller, Müller. Müller, Müller, Müller, Müller, Münster, Musset, Nasse, Nathan, Naumann, Nebel, Nees von Esenbeck, Nemnich, Nemnich, Nemnich, Neubronner, Neuendorf, Netwald, Obermüller, Odernheimer, Oechsner, Oeffner, Orth, Overbeck, Overbeck, Pagenstecher, Metternich, ‘ Meyendorff, von Meyer, Meyer, von Meyer, Mielk, 306 Charakter. Apotheker, Rentier, Dr., Arzt, Dr., Arzt, Apotheker, Doctor, Doctor, Kaufmann, Naturforscher, Dr., Arzt, Apotheker, Dr,, Med.-Assessor, Dr., Privatdocent, Auditeur, Dr., Rentier, Capitain, Accessist, Stud. med., Apotheker, Sanitätsrath, Dr., Geh.-Rath, Apotheker, Schulrath, Apotheker, Dr., Med.-Rath, Dr., Gymnasial- u. Oberlhr., Dr., Professor, Inspector, Apotheker, Professor, Stud. miner., Dr., Professor, Dr., Geh.-Rath, Dr., Professor, Forsibeamter, Kaufmann, Accessist, Apotheker, Kaufmann, Dr., Professor, Gastwirth, Minist.-Assessor, Lehrer, Kaufmann, Med.-Assistent, Dr., Med.-Assessor, Doctor, Dr. med., Wohnort. Hachenburg Wiesbaden Heddernheim Frankfurt Giessen Mainz Russland Hamburg Frankfurt Mainz Hamburg Coblenz Heidelberg Wiesbaden England England Wiesbaden Giessen Apolda Witten a. d. Saale Homburg v. d. H. Bern Wiesbaden Schneeberg Wiesbaden Aachen Freiburg Hohenheimerhütte Marienberg Marburg Wiesbaden Bonn Giessen Breslau Java Cöln Wiesbaden Cronberg Wiesbaden Linz Wiesbaden Wiesbaden Aschaffenburg Wiesbaden Caub Lemgo Lemgo Wiesbaden ww . SS 00 0 a Name. Pagenstecher, Pahl, Panthel, Passavant, Pauscher, Peez, Peipers, Perkmann, Pim, Pistor, Plücker, Poppe, Porta, Post, Preuschen, von, Preuschen, von, Prieger, ’ Reichhold, Reissinger, Remack, Rettig, Reuss, Reuter, Reuter, Reymann, Richarz, Ridgard, Riecken, Riecken, Riehl, Riem, Ries, Rigand, de, Robert, Roche, Roeder, Rössler, von, Rössler, Rogers, { | Rommel, Roschan, Roser, 307 Charakter. Gymnasiast, Professor, Dr. med., Dr., Geh. Med.-Rath, Dr., Reg,-Arzt, Cand. jur., Dr., Kreisphysicus. Dr., Oberarzt, Kaufmann, Apotheker, Professor, Dr., Lehr. d. Math. u. Phys,, Professor, Apotheker, Dr. jur.; Hauptmann, Dr., Geh. Sanitätsrath, Dr. med., Chirurg, Arzt, Dr., Professor, Berg- u. Hütteninsp., Dr., Professor, Apotheker, Dr., Schriftsteller, Dr., Arzt, Docent, Gasthalter, Grubenbesitzer, Med.-Rath, Director, Dr., Botaniker, Dr. med., Botaniker, Dr., Leibarzt, Stud. med. Probator, Apotheker, Kaufmann, Particulier, Professor, Apotheker, Apotheker, Reg.-Rath, Kaufmann, Oberfinanzrath, Dr., Badearzt, Professor, Wohnort. Weilburg Tübingen Limburg Frankfurt a/M. Mainz Wiesbaden Solingen Mainz Dublin Mainz, Bonn Frankfurt a/M. Paris Göttingen Wiesbaden Delft Kreuznach Kreuznach Wiesbaden Mainz Leipzig Holzappel Bern Edinkoben Darmstadt Berlin Wiesbaden Limburg Wiesbaden Wiesbaden Düsseldorf Endenich England Brüssel Brüssel Wiesbaden Kreuznach London Strassburg® Coblenz Gleiwitz Frankenthal Wiesbaden Hanau Spanien Frankfurt Franzensbad Marburg 39* 308 Te Name. Rosenstein, Rosshirt, Rossmässler, Roth, Roth, Rottwitt, Rube, Rubner, Rudio, Rücker, Rücker, Rüppel, Rullmann, Rumpf, Ruof, Sabel, Sachs, von, Sack, Sackreuter, Sagemehl, sen., Sagemehl, jun., Sandberger, F., Sandberger, @., Sartorius, Sauceroth, Schacht, Schädel, Schär, Schauss, Scheidel, Schellenberg, Schenk, Schepp, Schiff, Schimper, Schirmer, Schlieppe, Schlichter, Schlichter, Schlinecomp, Schlipp, Schlossberger, Schlüter, Schmalz, Schmid, Schmidt, Schmidt, Schmidt, | | Charakter. Weinhändler, Professor, Professor, Apotheker, Dr., Arzt, Dr., Medicinalrath, Dr., Apotheker, Dr. med., Revisor, Maurermeister, Maurermeister, Dr., Med.-Rath, Dr. med., Dr. phil., Dr. med., Canzlist, Oeconom, Mineralog, Dr. med., Rentier, Rentier, Dr., Museumsinspector, Lehrer der Naturgesch., Particulier, Hofrath, Dr., Botaniker, Architect, Dr., Arzt, Badewirth, Kaufmann, Apotheker, Reg.-Rath, Apotheker, Dr., Arzt, Dr., Naturforscher, Kaufmann, Apotheker, Gasthalter, Accessist, Dr., Apotheker, Dr. Apotheker, Professor, Dr. jur., Dr., prakt. Arzt, Kaufmann, Lehrer, Hofapotheker, Agent, Wohnort. Wiesbaden Marburg Leipzig Herrstein Weilbach Hochheim Darmstadt München Wiesbaden Wiesbaden Wiesbaden Frankfurt Wiesbaden Giessen Strassburg Wiesbaden Wiesbaden Halle Frankfurt Wiesbaden Wiesbaden Wiesbaden Wiesbaden Mexico Stuttgart Berlin Wiesbaden Bremen Wiesbaden Frankfurt Wiesbaden Wiesbaden Dürkheim Frankfurt Schwetzingen Wiesbaden Mainz Wiesbaden Wiesbaden Düsseldorf Bingen Tübingen Wiesbaden Dresden Frankfurt Wiesbaden Freiburg Wiesbaden Name. 613 614 617 618 619 621 622 623 624 625 626 627 628 629 630 631 632 633 634 685 636 637 638 639 640 641 642 643 644 645 646 647 648 649 650 651 Schmidt, Schmidt, Schmidt, Schmitt, Schmölder, Schneemann, Schneider, Schneider, Schneider, Schnordt, Schnur, Schödler, Scholz, Scholz, Schönamsgruber,, Schreiner, Schröder, Schrötter, Schübler, Schühler, Schuhmacher, Schulz, Schulz, Schultz, Schuster, Schwabe, Schwandner, Schwarzenberg, Schweig, Schwerd, Schwerd, Seck, Seckendorf, von, Sedillot, Seebold, Segnitz, von, Seibert, Sengler, Seybel, Seubert, Seyberth, Seyberth, Seyffer, Siegl, Sicherer, Siemang, Snell, Snell, | Tae- Charakter. Wohnort. blatt | Seite. Gastwirth, Wiesbaden 3 Revisor, Wiesbaden 7 Dr., Privatdocent Heidelberg 8 Superintendent, Mainz 18 Kaufmann, Biebrich 6 Med,-Rath, Hannover 3 Dr., Professor, München 15 Dr., ‚Rechtsconeipient, München 15 Particulier, Siesen 16 Salinen-Director, Münster a. Stein 26 Oberlehrer, Trier 7 Dr. phil., Worms 17 Kaufmann, Mainz 3 Stud. med., Bonn 15 Offizier, Germersheim 27 Kriegscommissär, Wiesbaden 6 Professor, Mannheim 15 Dr., Professor, Wien 24 Reallehrer, Ems 15 Probator, Wiesbaden 7 Kaufmann, Frankfurt 16 Dr. med., Wien 7 Dr. med. Wehen 19 Dr., Hospitalarzt, Deidesheim 15 Revisionsrath, ' Wiesbaden b) Apotheker, Wermelskirchen 25 Oberamtsarzt,, Würzburg 8 Ober-Bergrath, 26 Med.-Rath, Carlsruhe 46 Professor, Speyer 37 Student, Speyer 37 Dr. med., Haintgen 79 Chemiker, Gera 87 Professor, Strassburg, 8 Privatmann, Weilbach 47 Candidat, Schweinfurt 20 Werkmeister, Wiesbaden 5 Dr., Professor, Freyburg 36 Chemiker, Wien 24 Dr., Chemiker, ! Carlsruhe 26 Gymnasiallehrer, Wiesbaden 16 Landwirth, Esch 58 Professor, Stuttgart 8 Dr., Reg.-Arzt, Mainz 20 Dr., Hospitalarzt, Heilbronn 6 Bibliothekar, Schaumburg 8 Dr. Director, Eichberg 15 Student, ! Giessen 15 Nro. Name. 310 Charakter. es 652 | Sonntag, 653 Souchay, 654 Spangeberg, 655 Spannagel, 656 Spengler, 657 Spiegelthal, 658 Spiess, 659 Spiess, 660 Spörer, 661 Stahl; 662 Stahl, 663 Stahl, 664 Stannius, 665 Stegmann, 666 Stein, 667 Stein, 668 Stein, 669 Stein, 670 Steinebach, 671 Steininger, 672 Stewardt, 673 Stiebel, sen., 674 Stiebel, jun., 675 Stifft, 676 Stifft, 677 Stilling, 678 Stilliger, von, 679 Stöss, 680 Stöst, 681 Stoll, 682 Strauss, 683 Strempel, 684 Strempel, - 685 Stricker, 686 Strobel, 687 Stumpf, 688 Textor, 689 Textor, von, 690 Thelemann, 691 Theveny, 692 Thiel, 693 Thilenius, 694 Thilenius, 695 Thomae, 696 Thomsen, 697 Thudichum, 698 Tippel, 699 Tischbein, Dr., Bat.-Arzt, Chemiker, . Dr., Oberstabsarzt, Studienlehrer, Dr., Hofrath, Dr., Oberstabsarzt, Doctor, Prorector, Dr., wirkl: Staatsrath, Canzlist, Stud. miner., Oberapp.-Ger.-Rath, Professor, Dr., Professor, - Bergmann, Bergmann, Buchdrucker, Bergmist.-Verwalter, Landoberschultheiss, Professor, Esq., Dr., Arzt, Dr., Arzt, Arzt, Oberapp.-Ger.-Rath, pract. Arzt,, Particulier, Chemiker, Dr. med., Collaborator, Kaufmann, Professor, Stud. jur., Dr. med., Oberappellger.-Rath, Maschinist, Dr., Hofrath, Professor, Inspector; Dr.. med., Dr.,. Arzt, Dr., Med.-Rath, Dr. med., Dr., Director, Dr., Professor, Dr., -Arzt, Domainenrath, Oberförster, Wohnort. Gera Frankfurt Mainz Dürkheim Ems Düsseldorf Frankfurt Wiesbaden Petersburg Wiesbaden Limburg Wiesbaden Rostock, Marburg Darmstadt Darmstadt Wiesbaden Diez Marienberg Trier, Edinburg Frankfurt Frankfurt Weilbach Wiesbaden Cassel Russland Wiesbaden Strassburg Hadamar Wiesbaden Rostock Rostock Frankfurt Wiesbaden Wiesbaden Würzburg Würzburg Biebrich Kreuznach Zeitz Höchst Soden Hof Geisberg England Giessen Wiesbaden Herrstein Nro. 700 701 702 703 704 705 706 707 708 709 710 711 712 713 714 715 716 717 718 729 720 721 «22 723 724 725 726 727 728 739 730 731 732 733 734 735 736 737 738 749 740 741 742 743 744 745 746 747 Name. Tosner, Trägel, Trapp, von, Trapp, Trautwein, Trepka, Trummer, Ueberfeld, Uhl, Ule, Ullmann, Vangerow, von, Mei, Vierordt, Vietor, Vietor, Vigelius, Vigelius, Vogel, Vogler, Vogler, Volz, Volz, Wachs, Wagner, Waener, Waldorf, Walther, Walter, Walz, Wasserschleben, Weber, Weber, Weber, Weber, Weseler, Weil, Weisse, Weissenthal. Weltzien, Wenderoth, Wenzel, Whinfield, Wieken, von, Wiener, Wiesbaden, Wiese, Wilhelm, 311 Charakter. Dr., Arzt, Med.-Accessist, Ministerialrath, Dr., Geh. Med.-Rath, Dr., Brunnenarzt, Hofgerichtsrath, Dr., Rechtsgelehrter, Rentier, Fabrikant, Doctor, Doctor, Professor, Dr., Hofrath, Professor, Landrath, Bergmst.-Verwalter, Hofgerichts-Assessor, Steuerrath, Dr, Professor, Dr., Ober-Med.-Rath, Gymnasiast, Lehrer, Müller, Dr., praet. Arzt, Notar, \ Colaborator, Dr., Arzt, Stukaturarbeiter, Dr. med., Dr., Apotheker, Professor, Dr. Professor, Hauptmann, Professor, Dr. med., Dr., Med.-Rath, Dr., Arzt, Dr., wirkl. Stäatsrath, Hofrath, Dr., Professor, Geh. Med.-Rath, Dr. med., Gentleman, Beamter. Stud. jur., Dr., pract. Arzt, Dr.. Oberappellger.-Rath, Apotheker, Wohnort. Berlin Reichelsheim Wiesbaden Homburg v. d. H. Kreuznach Wiesbaden Wiesbaden Frankfurt Osterode Halle Frankfurt Heidelberg Kupferzell Tübingen Hochheim Dillenburg Wieshaden Wiesbaden - Giessen Wiesbaden - Wiesbaden Mainz Wiesbaden Wittenberg. Niederolm Dillenburg Coblenz Wiesbaden . Königswinter Speyer Giessen Bonn Wiesbaden Göttingen Darmstadt Coblenz Zwingenberg Petersburg Wiesbaden Carlsruhe Marburg Mainz London Riga Heidelberg Kreutznach, Kiel Nassau | | Te: Nro. Name. Charakter. Wohnort. blatt | | Seite. 748 Wilhelmi, Procurator, Wiesbaden 3 749 Will, Dr. Professor, Erlangen 7 750 Will, Dr., Professor, Giessen 19 751 Willet, Dr., Med.-Rath, Biebrich 17 752 Willet, Bauaccessist, ldstein 25 753 Wimpf, Fabrikant, Weilburg 27 754 Willigen, van der, Dr., Professor, Deventer 46 755 Winter, Bergmeister, Weilburg 16 756 Winter, Advocat, Limburg 27 757 Wirtgen, Coblenz 36 758 Wittelshöfer, Dr., Redacteur, Wien 7 759 Wittmann, Dr., Arzt, Mainz 36 760 Wöhler, Professor, Göttingen 47 761 Wörner, Kupferarbeiter, Wiesbaden 6 762 Wolff, Dr. med., Frankfurt 27 763 Wolif, Dr., Arzt, Oberingelheim 38 764 Wolff, Stud. med., Hachenburg 19 765 Wuth, Dr. med., Wiesbaden 3 766 Wutzer, Dr., Geh. Med.-Rath, Bonn 47 767 Zais, Med.-Rath, Wiesbaden b) 768 Zenneck, Professor, Stuttgart 7 769 Zerbe, Med.-Assistent, Grenzhausen 25 770 Ziegler, Dr., pract. Arzt, Freiburg 16 771 ZiemietzKy,'von, Hauptmann, Mainz 6 772 Zimmermann, Dr. Arzt, Giessen 17 773 Zingel, Hof-Lithograph, Wiesbaden 19 774 Zintgraff, Techniker, Burgerhütte 79 775 Zöllner, Dr., prakt.’ Arzt, Aub in Bayern 15 716 Zollmann, Rentier, Wiesbaden 3 312 PROSPECTUS. Verlag von KREIDEL & NIEDNER in Wiesbaden. SYSTEMATISCHE BESCHREIBUNG UND ABBILDUNG DER WIRBELLOSEN THIERE MAINZER TERTIÄRBECKENS, soweit diese bisher noch nicht oder nur unzureichend veröffentlicht sind. Von DD. Guido und Fridelin Sandberger. Unter den europäischen Tertiärbecken zeichnet sich das von Mainz durch eine ausserordentliche Regelmässigkeit der Entwickelung seiner Schichtenfolge, sowie durch das Vorherrschen des brackischen Characters derselben sehr aus. In demselben liegt ein Reichthum von Land- und Süsswassereonchylien begraben, wie ihn bis jetzt kein anderes Becken aufzuweisen hat, Wiewohl nun ein grosser Theil dieser Fauna bereits von Alexander Braun und Thomae ‚bekannt wurde, so ist doch nur äusserst Weniges beschrieben und abgebildet, die Veröffentlichung dieser Reste aber um so wünschenswerther, als die ausgezeichnete Erhaltung derselben die genauesten Vergleichungen mit der lebenden Fauna zulässt und eine Reihe der interessantesten Beziehungen zwischen den Wesen der vorletzten Periode der Erd- bildung und denen der gegenwärtigen enthüllt. s Mehrfachen Aufforderungen zu Folge haben sich daher die Obengenannten entschlossen, nach Beendigung ihres Werkes „Systematische Beschreibung und Abbildung der Versteinerungen des rheinischen Schichtensystems in Nassau®, eine monographische Bearbeitung der fossilen Mollusken des Mainzer Beckens herauszugeben, welche neben ‘der Be- schreibung der Arten die Abbildungen aller neuen oder ungenügend abgebildeten auf 20 bis 25 Tafeln enthalten wird. Da eine Bearbeitung der fossilen Wirbelthiere des Beckens von H. v. Meyer und eine solche der fossilen Pflanzen desselben von Göppert ebenfalls in naher Aussicht steht, so würde der ganze Reichthum desselben etwa gleichzeitig dem wissenschaftlichen Publikum vorgeführt und die Kenntniss der deutschen Tertiärformation wesentlich erweitert werden. Einstweilen hat F. Sandberger durch die in gleichem Verlage erschienenen „Untersuchungen über das Mainzer Tertiärbecken und dessen Stellung im geologischen Systeme“ die allgemeinen Resultate bekannt gemacht, welche sich aus den bisherigen Arbeiten Anderer und seinen eigenen ergeben haben. Aus dieser Schrift wird man den Umfang und die geologische Wichtigkeit der tertiären Ablagerungen von Mainz bereits zur Genüge beurtheilen können. Zur Bearbeitung der wirbellosen Thiere werden den Verfassern ausser den reichen Sammlungen, welche von Thomae, F. Sandberger und Voltz zusammengebracht und in dem Wiesbadener Museum niedergelegt wurden, auch die des Herrn Professor Alexander Braun zu Berlin und des Herrn Berginspeetor Raht zu Holzappel, sowie andere kleinere zu Gebote stehen, deren Besitzer die Benutzung derselben für das vorliegende Unternehmen mit der dankenswerthesten Bereitwilligkeit verstattet haben. Die zur Vergleichung für das Wiesbadener Museum von den Herrn Nyst in Antwerpen, Bosquet in Maestricht, Delbos und de Grateloup in Bordeaux, der k. k. geologischon Reichsanstalt zu Wien, Herrn Sismonda in Turin, Reuss in Prag und Anderen erworbenen reichhaltigen Suiten aus den Tertiärformationen von Paris, Bordeaux, Belgien, England, Wien, Nordböhmen, Würtemberg, Magdeburg, Berlin, Meklenburg u. s. w., werden die sichere Feststellung der Arten nach Original-Exemplaren verbürgen. Für die Vergleichung mit der lebenden Schöpfung bieten die reichen Conchylien-Sammlungen des Wiesbadener Museums die Materialien in ausreichender Vollständigkeit. Ebenso steht die nöthige Literatur den Verfassern durch ihre ausgedehnten Verbindungen sehr vollständig zu Gebote. Ueber die Art der Bearbeitung wird das wissenschaftliche Publikum durch die bereits erschienenen Lieferungen des erwähnten Werkes über die paläozoischen Schichten Nassau’s hinreichend orientirt sein. Wir fügen noch bei, dass die 20 bis 25 Tafeln in Lieferungen A 5 Blatt nebst Text erscheinen werden, deren jede 3 Rthlr. kosten wird und dass die Vollendung des Ganzen beschleunigt werden soll. — Was die äussere Aus- stattung betrifft, so wird sie dieselbe sein, welche das mit Beifall aufgenommene grössere Werk der Herren Verfasser zeigt: Systematische Beschreibung und Abbildung der Versteinerungen des rheinischen Schichtensystems in Nassau. Mit einer kurzgefassten Geognosie dieses Gebietes und mit steter Berücksichtigung analoger Schichten anderer Länder. Derselbe Vorzug, dass alle darzustellenden Gegenstände unter steter Leitung der Verfasser, nach vorgelegten Originalien, von Künstlern abgebildet werden, welche Correetheit und Naturtreue mit aussergewöhnlicher Eleganz und Feinheit verbinden, wird auch dem hier angekündigten Werke zu Theil werden. Da die kostbare Ausstattung eine allgemeine Versendung nicht zulässt, so bitten wir, Bestellungen bald zu machen, die jede solide Buchhandlung des In- und Auslandes auszuführen im Stande ist. Die Namen der verehrlichen Subseribenten werden dem Werke vorgedruckt. Wiesbaden, Juli 1853. Kreidel & Niedner Verlagshandlung. JAHRBÜCHER VEREINS FÜR NATURKUNDE IM: HERZOGTHUM NASSAU, Herausgeg&ben von Dr. Fridolin Sandberger, Inspector des naturhistorischen Museums und Secretär des Vereins. In dem Jahre 1844 hat der Verein für Naturkunde im Herzogthum Nassau diese Zeitschrift zum Zwecke der Veröffentlichung der Arbeiten seiner Mitglieder über die naturhistorische Beschaffenheit Nassau’s gegründet. Bereits sind acht Hefte derselben erschienen und das neunte unter der Presse. Wiewohl diese Zeitschrift ausschliesslich der - Veröffentlichung von Mittheilungen über das Gebiet des Vereins bestimmt ist, so lässt doch sehon der bekannte Reichthum Nassau’s in naturwissenschaftlicher Hinsicht erwarten, dass mit der genaueren Kenntniss dieses Landes zugleich eine Reihe von Aufklärungen verbunden sind, welche in viel weitere Kreise reichen und ausserhalb unserer Grenzen von Interesse sind. Bei der Bearbeitung der einzelnen Abtheilungen werden zudem diejenigen, welche bis jetzt allgemein ungenügend bekannt sind, wie z. B. manche geologische Verhältnisse, einzelne Ordnungen der Insecten, in erschöpfend monographischer Weise behandel. Dem Verein für Naturkunde im Herzogthum Nassau sind daher schön gegenwärtig von einer grossen Zahl auswärtiger Gesellschaften die Schrif- ten derselben im Wege des Tausches zugekommeu, es liegt aber in seinem Interesse ebenso- wohlals in dem anderer Vereine, diese Verbindungen immer weiter auszudehnen und er wird daher jederzeit mit Vergnügen zu einem solchen Austausche gegen die Schriften anderer, hisher mit ihm nicht in Verbindung getretener Gesellschaften bereit sein. Es bedarf dazu nur einfach der Zusendung auf dem Buchhändlerwege durch die Verlagshandlung von Kreidel & Nieduer in Wiesbaden, welche auch die Uebersendung der Schriften des nassauischen Vereins vermitteln wird. — Im Wege des Kaufs können die Jahrbücher von derselben Buchhandlung & 1 fl. 12 kr. rheinisch per Heft ebenfalls bezogen werden. Aus der von Herm Dr. Thomae, damals Seeretär des Vereins herausgegebenen Reihe (1.5. Heft) wollen wir hervorheben : , €. Thomae. Fossile Conchylien aus den, Tertiärschiehten von Hochheim und Wiesbaden mit 3 Tafeln. (Heft 2. 1845.) 0. Thomae. Das unterirdische Eisfeld bei der Dornburg. Verzeichniss der im Herzogthum Nassau lebenden Weichthiere. ‚(Heft 4. 1849.) W. Bayrhoffer.. -Uebersicht der Moose, Lebermoos, und Flechten des Taunus. (Heft 5. 1849.) Aus der zweiten Reihe (Heft VI-—VII.): H. v. Meyer. Der Schädel des Hyotherium Meisneri aus dem Tertiärkalke bei Wiesbaden. (Mit 1 Tafel.) 6. Sandberger. Ueber einige schwierigere Punkte der Organisation der Goniatiten. (2 Tafeln.) €. List. Chemische Untersuchung des Taunusschiefers. BR. Fresenius. Chemische Untersuchung der Quellen von Wiesbaden, Ems, Schlangenbad, Nassauischer Kalk steine und Thone. . F. Sandberger. Ueber die geognostische Zusammensetzung der Gegenden von Wieshaden und Weilburg. (Mit geognostischen Karten und Profilen.) F. Rudio. Uebersicht der Phanerogamen und Gefässeryptogamen von Nassau. Schenck. Beschreibung (45) nassauischer Ameisenarten L. Vigelius. Verzeichniss der Schmetterlinge der Gegend von Wiesbaden. A. Schulz. Mikroscopische Untersuchung der wichtigsten Mineralquellen von Nassau. (2 Tafelı.) Wiesbaden im Juli 1853, Die Redaction der Jahrbücher. Berichtigung: Statt dem auf pag. 184 sub 33 Angeführten ist zu lesen: „Professor Kirschbaum aus Wiesbaden legt die von ihm in der Umgegend von Wiesbaden gesammelten In- secten aus den Familien der Bienen, Ameisen, Sphegiden, Wanzen und Cicaden vor, macht auf eine beträchtliche Anzahl neuer Speeies aufmerksam und verweist hinsichtlich der Beschreibung derselben auf die Arbeiten in den Jahr- büchern des Vereins für Naturkunde im Herzogthum Nassau.“ 15 G eg Bee 2 Klasung dis Arber u: Acccher- BA Mekapange Gehe OEZEBENE | 92 ER BEE 2.2:: Shape nalen un Ham re] Anlass dl, BEE Zi Hal Fame Kaldaliachen. Trk didser and. Ge zundeir 9 7 und Guchate. Fio.1. 5 One IE 2L. H_ 100. 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N EEE ER E :_ ee x Se sc E h * a EN | = i E DR E) iz „arm 22 ), s a ARRORTEÄA 2 m. a re Aw vr % 7 Serge ENT Y.,0 «as “ Er ger, w. h ERSTER ABSCHNITT. LAGE, GESCHICHTE UND UMGEGEND. DER STADT TÜBINGEN. Die Stadt Tübingen, welche diessmal die Ehre hat zum Sitz der jährlichen Naturforscherversammlung erwählt zu sein, liegt unter 26°, 42' 51‘ L. und 48° 31' 12' Br., 1048,8 Par. F. ü. d. M. in einem Sattel zwischen dem Schloss- und Oester- berg und deren Abhängen, welche das Neckarthal von dem kleinen Seitenthale der Ammer scheiden. Die südliche Seite der Stadt ist dem Neckar zugekehrt und lagert sich an den Terrassen eines Hügels, auf dem das Schloss Hohentübingen erbaut ist. Den Vordergrund bildet ein freies Feld, der sogenannte Werth, der von Wiesengrund bedeckt, mit verschiedenen Alleen, besonders einer uralten Lindenallee durchzogen ist. Weiterhin öffnet sich das waldige Steinlachthal mit der Aussicht auf die Strasse nach der Schweiz und die Kette der schwäbischen Alb. Auf der Kehrseite gegen Norden breitet sich die etwas enge zusammengedrängte Masse unansehnlicher Häuser in das stille grüne Ammerthal aus, schliesst aber mit dem neuesten und schönsten Theil der Stadt, dem Universitätshaus, Krankenhaus, Museum, botanischen Garten und der Häuserreihe, welche dort die Nähe der Universität ins Leben gerufen hat. Auf dieser Seite berührt der Fremde, welcher von Stuttgart herkommt, zuerst die Stadt und er mag sich nach dem Anfang ein ganz anderes Bild von dem Inneren derselben machen, als das ist, welches ihm die engen, unebenen Strassen und die alten wenig Eleganz versprechenden Häuser, gewähren. Noch immer ist nicht unwahr geworden, was der alte Zeiller in seiner Topographia Sueviae (Frankfurt bei Merian, 1643) von Tübingen sagt: „Gibt also es schöne Spaziergäng umb diese Statt. In selbiger aber ist es nit zum säubersten, sonderlich in dem unteren Theil, der Briel genannt, da die Weinhäcker und Handwerksleut wohnen.“ Macht das Innere der Stadt auf den Fremden einen etwas ungünstigen Eindruck, so ist dagegen das Aeussere, die Umgebung und Lage, geeignet wieder zu versöhnen, und Mancher hat dadurch eine unvertilgbare Anhänglichkeit an Tübingen gewonnen. Ehe wir aber uns in. der Umgegend umsehen, müssen wir die Geschichte der Stadt ein wenig kennen lernen. 1 * 4 Ueber ihr Alter und ihre ersten Anfänge haben wir keine sicheren geschicht- lichen Nachrichten. Ohne Zweifel war die Burg Hohentübingen Veranlassung, dass sich eine Stadt zwischen Schlossberg und Oesterberg hereindrängte. Auf der Burg aber hausten seit Mitte des 10ten Jahrhunderts die Grafen von Tübingen *), eines der mächtigsten schwäbischen Dynastengeschlechter, die in der Mitte des 12ten Jahrhun- derts die Pfalzgrafenwürde erlangten, und einen sehr ansehnlichen Complex von Gütern in Süddeutschland besassen, und zwar grösseren Theils Allode. Ums Jahr 1164 war die Umgegend von Tübingen der Schauplatz ‘einer Fehde mit den Welfen, in welcher Pfalzgraf Hugo von dem Hohenstaufen, Herzog Friederich IV von Schwaben, Beistand fand und ein welfisches Heer bei Derendingen schlug. Der Sohn des Siegers, Rudolph, stiftete ums Jahr 1187 das benachbarte Kloster Bebenhausen, an welches allmählig ein grosser Theil der pfalzgräflichen Güter kam. Die Pfalzgrafen geriethen in Schulden, und mussten selbst die Stadt und Burg Tübingen 1302 an Bebenhausen verpfänden, und 1342 an Würtemberg verkaufen, und behielten vom Schönbuch nichts als das Jagd- recht, was unser Uhland in seinem Gedicht „Der letzte Pfalzgraf“ besungen hat. Das Geschlecht zerfiel immer mehr und der letzte des Stammes starb im J. 1667 als ‘würtembergischer Schlosshauptmann zu Tübingen. Die Stadt blühte aber nun unter würtembergischer Herrschaft erst recht auf, und erhielt 1493 ein eigenes Stadtrecht, das für viele Städte und Dörfer der Umgegend rechtliche Norm wurde. Von der Blüthe der Stadt im fünfzehnten Jahrhundert gibt Zeugniss, dass sie aus eigenen Mitteln ums Jahr 1435 ein neues Rathhaus bauen, die Ammer, welche in der Nähe des Lustnauer Thors Sümpfe und Moräste bildete und die Stadt häufig mit Ueberschwemmungen heimsuchte, vermittelst Durchgrabung des Oesterbergs und eines gewölbten Kanals in den Neckar leiten, eine neue Stadt- mauer errichten, die noch jetzt stehende steinerne Neckarbrücke herstellen und gegen Ende des Jahrhunderts die jetzige Stadtkirche erbauen Konnte. Tübingen war wohl die bedeutendste Stadt der Grafschaft Würtemberg und konnte mit dem damaligen Stuttgart sowohl in Grösse als Wohlstand wetteifern, jedenfalls war es die grösste Stadt in dem Antheil der Uracher Linie, die von 1441 bis 1482 einen Theil der Grafschaft inne hatte. Es war daher natürlich, dass Graf Eberhard im Bart, der Besitzer des Uracher Antheils, als er sich 1477 zur Stiftung einer Universität entschloss, die Stadt Tübingen dazu wählte. In der Folge nahm aber die städtische Entwicklung einen Stillstand. Als eine Art Hauptstadt des Herzogthums Würtemberg erscheint Tübingen wieder unter der Regierung Herzog Ulrichs. Er hielt oft längere Zeit hier seinen Hof, ver- *) Siehe L. Schmid, Urkundliche Geschichte der Pfalzgrafen von Tübingen. Tübingen 1853. h) grösserte das Schloss, baute neue Schanzen, einen neuen Thurm an der nordöstlichen Ecke, auf welchem später das Observatorium eingerichtet wurde, darin einen pracht- vollen vertäfelten Saal, den jetzigen physikalischen Hörsaal, in den unteren Räumen grossartige Gewölbe, die zu geheimen Versammlungen bestimmt scheinen und noch jetzt wohl erhalten sind. Als es nach dem Aufstand des armen Konrads räthlich erschien, den vermög- lichen Bürgerstand für die Regierung zu gewinnen, wurden im J. 1514 Abgeordnete der Geistlichkeit, der Städte und Flecken zu einem Landtag nach Tübingen berufen und mit ihnen am 8. Juli ein Vertrag aufgerichtet, der die Grundlage der Verfassung des alten Herzoethums Würtemberg bildete. Als Herzog Ulrich sich später von der Execution des schwäbischen Bundes bedroht sah, versammelte er auf dem Schlosse den Kern seiner Ritterschaft und übergab ihm seine beiden Kinder Christoph und Anna zur Obhut. Bald darauf nahm aber das Bundesheer Tübingen ein, und die 62 Ritter, die mit einem Fähnlein Knechte die Besatzung des Schlosses ausmachten, übergaben nun die herzoglichen Kinder mit dem Schloss und der Stadt an den Bundes- rath. Auf einer Gedenktafel, die noch jetzt in dem grossen Bihliotheksaal aufbewahrt wird, sind die Namen jener Ritter verzeichnet. Nachdem der schwäbische Bund das Land Würtemberg gegen Ersatz der Kriegskosten an Erzherzog Ferdinand von Oester- reich verkauft hatte, war Tübingen öfters, einmal ein ganzes Jahr lang, die Residenz des Erzherzogs. Er begann einen neuen Umbau des Schlosses, den Herzog Ulrich nach seiner Rückkehr fortsetzte, und sein Sohn Herzog Christoph vollendete. Aus der Zeit Ulrichs stammt die Einrichtung des grossen Rittersaals, welcher die Mitte des jetzigen grossen Bibliotheksaals einnahm. Eine weitere Verschönerung erhielt das Schloss durch Herzog Friedrich I, der ums Jahr 1603 das äussere Portal erbaute. Während des 30jährigen Krieges wurde Schloss und Stadt zweimal eingenommen, im Jahr 1634 von den Oesterreichern und Baiern, im Jahr 1647 von den Franzo- sen. Als am Ende desselben Jahrhunderts französische Heere das südwestliche Deutsch- land verwüsteten, wurde auch Tübingen mehrmals schwer bedroht; einmal 1688 und wieder 1693. Beide Male war es ein Professor der Universität, Johann Osiander, der durch muthige Leitung der Vertheidigungsanstalten und schlaue Unterhandlung mit den feindlichen Befehlshabern die Stadt rettete. Mit diesen kurzen Andeutungen über die Geschichte Tübingens müssen wir uns hier begnügen und wenden uns nun zur Betrachtung der lieblichen Umgebung der Stadt. Die Hauptaussichtspunkte in nächster Nähe sind der Schlossberg und der Oesterbere. Der erstere westlich von der Stadt, die sich auf drei Seiten an den- selben anlehnt, bietet gegen Mittag die Aussicht auf das Neckarthal mit seinem Vor- 6 platz, dem Werth, auf Wiesen und fruchtbare Gefilde und eine Reihe von fünf Dörfern. Bei dem ersten derselben eröffnet sich das von waldigen Anhöhen umschlossene Steinlachthal, welches ein äusserst lieblich abgerundetes Landschaftsbild gewährt. Hinter den Hügeln, welche die Thaleinfassung bilden, entfaltet sich das Panorama der schwä- bischen Alb, von deren Spitzen sich westlich der Hohenzollern, weiter östlich die Salmandinger Kapelle, dann der alle überragende Rossberg besonders bemerklich machen. Auf der nördlichen Seite des Schlosses blicken wir in das Ammerthal, das sich durch frisches Grün seiner Wiesen auszeichnet, zwischen denen sich das Flüsschen so unbe- merkt hinschleicht, dass man nicht ahnt, welche Verheerungen es zuweilen in dem unteren Theil der Stadt anrichtet. Einige Dörfer und Höfe, die gegen Nordwesten hin zerstreut sind, beleben auch diese vom Neckarthal sehr verschiedene Landschaft. Vielleicht die beste Uebersicht der Tübinger Gegend gewinnt man von dem Abhang des jenseits der Ammer gelegenen Steinenbergs.. Gegen Nordosten bilden die neuen Universitätsgebäude und weiterhin das Dorf Lustnau einen Abschluss. Einen günstigen Standpunkt für die Rundschau der Umgebungen des. Schlossberges hat man auf dem Observatorium, dessen Boden 1220,6 Pariser Fuss über dem Meere liegt. Ein westlicher Ausläufer des Schlossberges, der sog. Spitzberg, den man in einer guten halben Stunde vom Schloss aus erreicht, gewährt eine noch weitere Aussicht, die gegen Westen Rottenburg, gegen Osten die äussersten Punkte der Alb, den Hohenstaufen und Rechberg, mit einschliesst. Der zweite der dicht bei der Stadt gelegenen Höhepunkte ist der Oesterberg am östlichen Ende derselben. Die höchste Spitze liegt 1350,3 Par. F. über dem Meere. Man übersieht auf derselben das Schloss und die ganze Stadt, sowohl auf der Neckar-, als Ammerseite, die beiden Thäler nach ihrer ganzen Länge und die Kette der Alb. In einem der Häuschen, die in den Weinbergen gegen den südlichen Abhang hin stehen, wohnte einst während seiner Studienzeit im J. 1750: Wieland; am Fusse des Berges liegt Ludwig Uhlands Haus mit seinem Garten, der bis gegen die Höhe des Berges sich erstreckt. Von den entfernteren merkwürdigen Punkten in der Umgebung der Stadt erwähnen wir hier nur die bekannteren. Der nächste, und durch geschichtliches so wie archi- tektonisches Interesse bedeutendste ist das Kloster Bebenhausen, das in einem Thale des Schönbuchwaldes an der Strasse nach Stuttgart gelegen, auf derselben zu Fuss in einer starken Stunde oder auf dem schönen Fussweg über die Waldhäuser Höhe in etwas kürzerer Zeit zu erreichen ist. Es wurde um das Jahr 1187 von Pfalzgraf Rudolph von Tübingen gestiftet und 1191 mit Cisterziensermönchen aus Kloster Schönau bei Heidelberg bevölkert. Die ursprüngliche Anlage des Klosters und der { Kirche ist romanisch, später wurden Neubauten in germanischem Stil hinzugefügt, besonders ein sehr zierlicher Glockenthurm mit kunstvoll durchbrochener Pyramide. Er stammt aus den Jahren 1407—9 und wurde in der neuesten Zeit schön re- stauriert. Beachtenswerth ist auch das sogenannte Sommerrefectorium, ein geräumiger Saal mit einem Sterngewölbe, das Spuren von reicher Verzierung zeigt und auf 3 sehr schlanken nur 1!/,' dicken achteckigen, palmenartigen Pfeilern ruht. Denen, die sich über die Gebäude und die Geschichte des Klosters genauer unter- richten wollen, ist „Klunzingers artistische Beschreibung der vormaligen Cisterzienser- Abtei Bebenhausen. Stuttgart, 1852* zu empfehlen. Diesem Schriftchen ist ein genauer Grundriss beigegeben. Bebenhausen ist der Geburtsort Kielmeiers, der am 22. October 1765 hier geboren wurde. Unweit von Bebenhausen an der Abdachung einer Hochebene des Schönbuchs gegen den Neckar, 1348 P. F. ü. d. M., liegt in einer weiten Waldlichtung mit umfassender Aussicht, 1'/; Stunde von Tübingen, die kgl. Domäne Einsiedel, ursprüng- lich ein Jagdschloss Herzog Eberhards im Bart, der später ein Chorherrnstift zu Sanet Peter hier gründete und mit den sogenannten blauen Mönchen, einer Art von, Brüdern des gemeinsamen Lebens, besetzte. Jetzt stehen nur noch die Reste eines späteren Jagdschlosses und die Wirthschaftsgebäude des kgl. Hofgutes. Eine der bekanntesten Anhöhen, 1465,1' üb. d. M., in der Umgegend von Tü- bingen ist diejenige, auf welcher die Wurmlinger Kapelle steht. Sie bildet das west- lichste Ende des Schlossberges, auf dessen Rücken ein Weg von etwa anderthalb Stunden durch den Wald zur Kapelle führt. Die ganz eigenthümliche Lage derselben auf der Spitze eines freistehenden Berskegels, verleiht der Gegend einen besonderen Reiz. Am Fusse lagern sich die Dörfer Hirschau und Wurmlingen, dessen Todte hier oben ihre Ruhestätte finden. Auf die Wurmlinger Kapelle bezieht sich Uhlands Gedicht „Droben stehet die Kapelle“, auch‘ Lenau, Kerner und Schwab haben sie besungen. Unter allen Höhen in der Nähe von Tübingen gewährt wohl dieser die weiteste und freieste Fernsicht. Nicht versäumen dürfen wir dem Fremden auch den Besuch des kleinen, aber oft sehr belebten Badeortes Niedernau zu empfehlen, das in einem tannenbewaldeten Seitenthal des Neckars 3 Stunden von Tübingen, äusserst freundlich, gelegen ist. Der Weg dahin führt über die bischöfliche Residenz Rottenburg, das alte römische Solieinium, wo man noch jetzt viele Spuren römischer Niederlassungen findet. Ueber Rottenburg, den Neckar hinauf, beginnen schroffe Anhöhen von Muschelkalkfelsen, durch die sich der Neckar eine Pforte in die Keuperlandschaft gebrochen hat; die 8 Gegend nimmt den Charakter des Schwarzwaldes an, harzduftende Tannenwälder bereiten eine gesunde Atmosphäre für erholungsbedürftige Badgäste und die Bade- gebäude am Ende des Dorfes blicken dem Ankommenden freundlich einladend ent- gegen. Die Mineralquellen sind von verschiedenem Gehalt, eine derselben ist schwach schwefel- und erdharzhaltig, zwei andere geben eisenhaltigen Säuerling. Im Süden von Tübingen lockt der Stammsitz der Hohenzollern zu einem Ausflug, der sich bequem in einem Tage machen lässt. Am Fusse des Hohenzollern, fünf Poststunden von Tübingen, liegt das Städtchen Hechingen, von dem aus man noch eine Stunde bis auf die Spitze des etwa 800 Fuss hohen Bergkegels (2663° ü. d. M.) zu gehen hat. Bis vor wenigen Jahrzehnten waren nur einige zerfallene Ruinen vor- handen, in deren Mitte der jetzige König von Preussen einen Thurm baute, von dem man die Aussicht geniessen konnte; ein kleines Zeughaus daneben enthielt eine Samm- lung mittelalterlicher Waffen. Jetzt aber beginnt eine neue grossartige Burg zu er- stehen, welche Friedrich Wilhelm IV auf dem Berge, der einst sein Stammschloss getragen, in mittelalterlichem Stile aufführen lässt. Die Aussicht ist gegen Süd- und Nordwesten, in die Ebene der Baar und gegen den Schwarzwald hin sehr weit und frei, im Süden und Osten durch die Alb begrenzt, entbehrt aber eines schönen Vordergrundes. Seitwärts von der Strasse nach Hechingen liegt das Dorf Nehren, in dessen be- nachbartem Walde sich eine grosse tausendjährige Eiche befindet, die wohl eines Be- suches werth ist. Das beliebteste Ziel für Ausflüge auf einen Tag ist der Lichtenstein, etwa 5 Stunden von Tübingen. Man macht den Weg dahin in der Regel über die ehemalige Reichsstadt Reutlingen, eine der ansehnlichsten, durch eine rege und wachsende Gewerbsthätigkeit ausgezeichnetsten Städte Würtembergs. Ihre Lage am Fusse der Achalm und umgeben von einem weiten Kranze von Albbergen, erinnert an Freiburg im Breisgau. Es verlohnt sich wohl der Mühe, den 2217’ ü. d. M. hohen Gipfel der Achalm zu besteigen, der eine sehr weite und mannigfaltige Aussicht bietet. In Reutlingen selbst ist die im Jahr 1343 vol- lendete gothische Kirche mit schlankem Thurme sehenswerth; innen findet sich ein schönes, das heilige Grab darstellendes, Skulpturwerk aus dem 15. Jahrhundert. Von Reutlingen führt eine gute Strasse in dem schönen mit Obstbäumen und Wald bewachsenen Echatz- thal in 2!/, Stunden über Pfullingen, Unter- und Oberhausen an den Fuss des Lichten- steins, und von da ein steiler, jedoch fahrbarer, Weg in 1 Stunde den Berg hinauf. Auf einem Felsenriff, das 800° hoch aus dem Thal (und 2516,2' üb. d. M.) empor- steigt. steht die an der Stelle einer alten Burg vor etwa 12 Jahren von Graf Wilhelm v. Würtemberg, nach Heideloffs Plan im Stil des 15. Jahrhunderts, erbaute neue u Burg, die äusserst niedlich und kunstvoll ausgeführt ist. Auf dem 120‘ hohen schlanken Thurm hat man die herrlichste Aussicht in das tiefe Thal, die Gebirgswelt der Alb und die freundlichen Gefilde des Unterlandes. Um den Eintritt sich zu sichern, thut man wohl, sich in Stuttgart von dem Grafen Wilhelm eine Einlasskarte zu erbitten. Vom Lichtenstein führt über Wald und Haide ein halbstündiger Weg zu der berühmten Nebelhöhle, einer sehr grossen, 540 Fuss langen und gegen 70 Fuss hohen Tropfsteinhöhle, die alljährlich am Pfingstmontag beleuchtet wird. Der Zugang zur Höhle ist mit einer Thüre verschlossen, zu welcher der Kronenwirth von Oberhausen, bei dem auch Fackeln zu haben sind, den Schlüssel besitzt. Die schönste Beschreibung sowohl der Nebelhöhle, als des Lichtensteins, findet man in W. Hauffs Erzählung „Lichtenstein“, die viel zur Celebrität beider beigetragen hat. Wer von Tübingen aus weitere Schönheiten der Alb geniessen will, dem empfeh- len wir besonders einen Besuch der Stadt Urach im Ermsthal; das schöne baumreiche Thal selbst, der Wasserfall, die Ruinen der Burg, der grüne Fels gehören zu den schönsten Partieen der schwäbischen Alb. Wer den poetischen Zauber dieser Gegend ahnen, oder die Erinnerung daran auffrischen will, der lese Eduard Mörikes Gedicht „Der Besuch in Urach“. ZWEITER ABSCHNITT. GESCHICHTLICHES ÜBER DIE UNIVERSITÄT UND DIE NATURWISSENSCHAFTLICHEN STUDIEN AUF DERSELBEN, Die Universität zu Tübingen wurde im Jahr 1477 gestiftet von jenem Grafen Eberhard im Bart, welcher später zur Herzogswürde erhoben wurde, ein Freund und Rathgeber Kaiser Maximilians I und einer der geistig bedeutendsten Fürsten des da- maligen deutschen Reiches war. Seine Mutter Mechthildis, eine geborene Erzherzogin von Oesterreich, eine sehr gebildete Frau, und seine Räthe Naucler und Johannes Reuchlin mochten ihn dazu bewogen haben. nach dem Vorgange anderer deutscher Fürsten in seinem Gebiete eine Universität zu errichten. Sie ist unter den jetzt bestehenden deutschen und österreichischen Universitäten im Alter die achte. Ihre Anfänge fallen in die letzte Zeit der Scholastik, neben der bereits Spuren des Humanismus sich zeigen. Erstere ist durch den letzten berühmten Scholastiker Gabriel Biel vertreten, letzterer durch den feinen Lateiner und Facetiendichter Heinrich Bebel, der 20 Jahre lang mit grossem Beifall in Tübingen lehrte. Auch der be- rühmte „Präceptor Germaniae“* Philipp Melanchthon begann hier seine akademische Laufbahn, war einige Jahre Privatdocent und wurde von hier nach Wittenberg berufen. Sein Lehrer, der Vater der Humanisten, Johannes Reuchlin war selbst vor seinem Tode noch ein halbes Jahr lang Professor der griechischen Sprache in Tübingen. Die neu erwachenden Naturwissenschaften fanden ihren Vertreter in dem berühmten Mathematiker, kunstreichen Mechanicus und Astronomen, dem Lehrer Sebastian Mün- sters, Joh. Stöffler, der seine Zeitgenossen durch die Prophezeiung einer Sündfluth auf das Jahr 1524 in so grossen Schrecken setzte, dass man in Frankreich bereits eine Arche Noäh zu bauen anfıeng. Seine Schrift über das Astrolabium galt den damaligen Astronomen als erste Quelle; Copernicus und Kepler haben seine Werke mit grosser Anerkennung benützt. Die Reformation, die der Universität ums Jahr 1535 von Herzog Ulrich mehr aufgedrungen als selbstthätig von ihr durchgeführt wurde, brachte ihr einen Mediciner, der zu den berühmtesten Namen der Tübinger Universitätsgeschichte gehört, Leonhard 1 Fuchs, geb. 1501 zu Wemdingen in der Oberpfalz. Er kam von Ingolstadt her, von wo er wegen des protestantischen Bekenntnisses vertrieben worden war, und begann seine Wirksamkeit mit einer gründlichen Reform der medieinischen Faecultät, verdrängte die Araber und ihre Commentare, empfahl das Studium.des Hippokrates und Galen und leitete nicht nur zu den Büchern, sondern auch zu unmittelbarer Beobachtung der Natur. Besonders in Botanik und Anatomie stellte er selbständige Untersuchungen an. Sein berühmtestes Werk ist die „Historia stirpium“, die zuerst 1542 lateinisch und im folgenden Jahr deutsch zu Basel erschien, viele spätere Auflagen, eine hol- ländische, zwei französische und eine spanische Uebersetzung erlebte. Das Werk ist mit Abbildungen von Pflanzen in schönen Holzschnitten ausgestattet, ein zweiter und dritter Band sollte nachfolgen und es war bereits eine grosse Anzahl feiner, sorgfältig ausgeführter Zeichnungen hiezu vorbereitet, von denen 196 Tafeln von Birnbaumholz auf der Tübinger Universitätsbibliothek sich befinden. Ein anderer Theil dieser Zeichnungen kam nach Zürich in die Gessnerische Sammlung. Die zahlreichen für jene Zeit bedeuten- den medicinischen Schriften von Fuchs, die freilich jetzt vergessen sind, bezeugen seine selbständige Auffassung und umfassende Gelehrsamkeit. Auch in den allgemeinen Univer- sitätsangelegenheiten spielte er eine wichtige Rolle, er war mehrmals Reetor, vertrat die Universität in Deputationen an den Herzog, vermittelte Geldzuschüsse, verfocht als eifriger Lutheraner die Interessen seiner Partei gegen die andere zum Zwinglianismus hinneigende, wobei er allerdings auch seinen Collegen durch Gewaltthätigkeit unbe- quem wurde. Wir finden ihn sogar eine Zeitlang als Vorstand des evangelisch- theologischen Seminars, das unter seiner Verwaltung erst recht zu gedeihen anfieng. Nach Leonhard Fuchs, der 1566 starb, finden wir geraume Zeit in der medi- einischen Facultät keine bedeutenden Namen mehr. “Die Universität bekam überhaupt eine vorherrschend theologische Richtung. Von namhaftem Einfluss war in dieser Bezie- hung die Gründung des theologischen Seminars, einer Anstalt, welche nicht nur der Universität Tübingen in früherer Zeit ihren eigenthümlichen Charakter verliehen hat, sondern auch für die ganze wissenschaftliche Bildung in Würtemberg bis in die neueste Zeit von grosser Bedeutung gewesen ist. Dieses Seminar oder Stift, wie man es in Würtemberg seit alter Zeit zu nennen pflest, wurde, als es nach der Reformation an gutgeschulten Geistlichen für den evangelischen Kirchendienst fehlte, 1537 von Herzog Ulrich errichtet, um Kirche und Schule mit tüchtigen Lehrern zu versehen, und im J. 1557 von Herzog Christoph erweitert, planmässig eingerichtet und mit der Aus- beute eingezogener katholischer Kirchengüter ausgestattet. In dieser Anstalt wurden nun nicht nur Theologie, sondern auch deren Vorbereitungswissenschaften, besonders Philologie und Philosophie fleissig studiert, und es ist daraus nicht nur der grösste Theil 2 * R der Kirchendiener und der Lehrer an den Gelehrtenschulen Würtembergs, sondern auch mancher in Wissenschaft und Leben berühmt gewordene Mann hervorgegangen. Der eigentlichen Theologen nicht zu gedenken, nennen wir hier den Astronomen Kepler, die Philosophen Schelling und Hegel, die Dichter Nicod. Frischlin und Hölderlin, die Historiker Planck und Spittler, den französischen Diplomaten Grafen Reinhard, den geistvollen Staatsmann und Schriftsteller Ph. Jos. Rehfues, den Orientalisten Julius Mohl. Keine deutsche Provinz hat wohl verhältnissmässig so viele Lehrer, über ihre Grenzen hinaus, geliefert als Würtemberg durch sein Tübinger Stift. Die eigentlichen Naturwissenschaften konnten in dem Studienplan der Anstalt keine Stelle finden, wohl aber die Mathematik, die als Vorbildungswissenschaft sogar mit Vorliebe gepflegt wurde. Es giengen von jeher aus dem Stift Mathematiker und Physiker hervor, die sich in ihrer Wissenschaft einen Namen machten. Einer der frühesten ist Mästlin, der Lehrer Keplers, zuerst Professor in Heidelberg und dann in Tübingen, wo er vom Jahr 1584—1631 als Lehrer wirkte. In seiner Jugend hielt er sich eine Zeit lang in Italien auf und soll dort, wie Gerhard Vossius erzählt, durch einen öffentlich gehal- tenen Vortrag seinen grossen Zeitgenossen Galilei *) für das System des Copernicus gewonnen haben. Er schrieb im Auftrag des akademischen Senats gegen den gre- gorianischen Kalender und brachte gegen denselben wirklich Einwendungen vor, deren Gewicht von den Vertheidigern des neuen Kalenders durch das angelegentliche Be- mühen einer wissenschaftlichen Widerlegung anerkannt wurde. Er gab aber seinen Widerspruch auf den Rath Keplers auf, der ihn überzeugte, dass seine Polemik un- praktisch sei, wenn er auch in der Sache Recht habe. Kepler selbst war auch ein Zögling des Tübinger Stifts, und hatte nach den Vorschriften dieser Anstalt philosophische und mathematische Fächer mit Eifer getrieben, ohne jedoch letztere zu seinem Haupt- studium zu machen. Er sagt selbst. er habe damals Mathematik und Astronomie studiert, weil es die Studienordnung so mit sich gebracht, nicht weil ihn ausserordent- liche Neigung zur Astronomie hingetrieben habe. Für diese Wissenschaft entschied er sich erst in Folge seines Lehramtes der Mathematik an dem Gymnasium zu Grätz, wohin ihn die würtembergische Regierung auf die Bitte der steyrischen Stände um einen tüchtigen Lehrer protestantischer Confession beordert hatte. Auch nach Kepler finden wir eine Reihe bedeutender Mathematiker, Physiker und Astronomen, die, aus dem Stift hervorgegangen, als Lehrer ihrer Wissenschaft *) Galilei selbst erzählt, er sei durch die Vorträge eines Deutschen in der Akademie zu Florenz zu dem copernicanischen System, das er früher für die grösste Thorheit gehalten, getrieben worden, sagt aber, dieser Deutsche habe, so viel er sich erinnere, Christian Urstisius geheissen und sei aus Rostock gewesen. 3 theils in Tübingen, theils im Ausland wirkten. So Wilhelm Schickard, ein Zeitgenosse und Freund Keplers, von 1619—1635 Professor in Tübingen, der in der Optik manche glückliche Entdeckungen machte, eine Anleitung zur Astrognosie schrieb und in meh- reren Schriften die wichtigeren astronomischen Entdeckungen seiner Zeit deutete; der Wolfische Philosoph Bilfinger, der zuerst Professor in Tübingen, dann an die neuge- stiftete Akademie zu Petersburg berufen, sich durch scharfsinnige Vertheidigung der Würfel des Cartesius, sowie durch seine Verdienste um die Kriegsbaukunst bekannt machte. Ein anderer damaliger Mathematiker an der Petersburger Akademie war Joh. Wolfgang Kraft, der in den letzten 10 Jahren seines Lebens Professor in Tübingen war und hier zuerst die Sternwarte einrichtete. Ferner Joh. Kies, Astronom der Akademie der Wissenschaften zu Berlin in den Jahren 1742—-54, dann Professor in Tübingen, Verfasser einer Reihe von Abhandlungen in den Schriften der Berliner Akademie, die von einer geistvollen Auffassung und einer vertrauten Kenntniss der Geschichte seiner Wissen- schaft zeugen. Er war ein beliebter Lehrer und aus seiner Schule giengen wieder manche selbst ausgezeichnete Mathematiker hervor. So sein Nachfolger auf dem Lehrstuhl der Mathematik in Tübingen, Christoph Fried. Pfleiderer, ein gelehrter Kenner der alten Mathematik. Früher Professor an der Militärakademie in Warschau und dort Lehrer Koseiuskos, liess er ein so gutes Andenken zurück, dass König Stanislaus zum Gedächtniss seiner Verdienste eine Denkmünze schlagen liess. Gleichzeitig mit ihm lehrte an der Militär- akademie ein anderer aus der Tübinger Schule hervorgegangener scharfsinniger Mathe- matiker und Philosoph, Joh. Christ. Schwab, der Herausgeber von Euklids Data. Von Pfleiderers Schülern war einer der ausgezeichnetsten sein Nachfolger in Tübingen, J. G. F. Bohnenberger, der als Astronom und Physiker rühmlich bekannt, seine Zu- hörer durch einen ungemein klaren lebendigen Vortrag anzog, den ersten Grund zu trigonometrischen Messungen in Würtemberg legte und die grosse Karte von Schwaben entwarf. Seine Verdienste um die Physik und namentlich um die Eleetricitäts- lehre sind allgemein anerkannt. Ein Zeitgenosse Bohnenbergers und Schüler von Kies und Pfleiderer war Joh. Fried. Wurm, der sich durch eine grosse Reihe von geogra- phischen Längenbestimmungen und chronologische Untersuchungen über alte Sonnen- und Mondsfinsternisse verdient gemacht hat. Ferner Wilh. Pfaff, Professor in Erlangen und früher in Dorpat, durch Untersuchungen über den Voltaismus und mehrere populäre Schrif- ten vortheilhaft bekannt. Ueberhaupt war die Pflege der Mathematik bei tüchtiger philologischer Vorbildung unter den Tübinger Theologen mehr als anderswo herge- bracht, so dass man eben desshalb im Auslande gerne Hauslehrer von Tübingen bezog. Es ist zu beachten, dass die Petersburger Akademie im Laufe des 18ten Jahrhunderts hauptsächlich von Tübingen aus mit Mathematikern und Naturforschern versorgt wurde. 14 Wir kehren wieder zur älteren Tübinger Universitätsgeschichte zurück. Jener Herzog Christoph, der dem theologischen Seminar die Einrichtung und Ausstat- tung verlieh, durch welche es für die kirchliche und wissenschaftliche Bildung in Würtemberg so wichtig geworden ist, hatte den Plan, als Gegenstück und Ergänzung auch eine Anstalt für Bildung höherer Staatsdiener in Tübingen zu errichten. Die Idee kam aber zu seinen Lebzeiten nicht zur Ausführung; sein Sohn und Nachfolger Herzog Ludwig nahm sie wieder auf und liess ein besonderes Gebäude, das Collegium illustre, dafür errichten, das 1592 feierlich eingeweiht wurde. Diese Anstalt, zur Aufnahme junger Herren von Adel bestimmt, hatte an allen Freiheiten und Privilegien der Universität Antheil, stand aber nicht unter dem Senat, sondern unter einem adelichen Oberhofmeister, der in des Herzogs Namen Verwaltung und Jurisdietion führte. Es wurden den Collegiaten eigene Vorlesungen über römisches Recht, Lehen- und Staats- recht, Politik, Geschichte und neuere Sprachen gehalten, wozu vier besondere Pro- fessoren, die zugleich Lehrer der Universität sein konnten, aber nicht mussten, ange- stellt waren. In Betreff der Frequenz gelangte die Anstalt bald zu grosser Blüthe; im J. 1599 zählte man 71 Collegiaten, worunter 11 Fürsten. Die innere Bedeutung kam aber der des theologischen Seminars keineswegs gleich, das Collegium illustre kann keine solche Reihe berühmter Zöglinge aufweisen, wie jenes, es war eine Cavaliersanstalt, in welcher allerhand ritterlichen Uebungen obgelegen, aber wenig studiert wurde. Nur kurze Zeit dauerte die Blüthe. Schon während des dreissigjährigen Krieges musste die Anstalt wegen Mangels an Zöglingen und Geldmitteln geschlossen werden, nachher wurde sie zwar wieder eröffnet, aber schleppte nur ein kümmerliches Dasein bis zum J. 1817 fort. Damals wurde sie ganz aufgehoben und das Gebäude nahm nun die Zöglinge des neuerrichteten katholisch-theologischen Seminars, des Wilhelmsstiftes, auf. Während des dreissigjährigen Krieges gerieth die Universität sehr in Zerfall, nahm aber nach demselben einen neuen Aufschwung und erlebte jetzt eine Glanzperiode. Nicht nur die theologische Facultät erhob sich wieder zu der früheren Bedeutung, der gelehrte Polemiker Joh. Adam Osiander, der unionseifrige feingebildete Kirchen- rechtslehrer und Kanzler ‚Joh. Matth. Pfaff, der Kirchenhistoriker Weismann, ein Vertreter spenerischer Richtung, sind die berühmtesten Namen in dieser Zeit. Auch die juri- dische Facultät hatte an W. A. Lauterbach einen Lehrer, dessen weitverbreiteter Ruf viele Studierende aus dem Auslande anlockte und das Tübinger Spruchcollegium zu einem der geachtetsten in Deutschland machte. Besonders aber begann gegen Ende des 17ten Jahrhunderts eine neue Epoche in der medicinischen Facultät mit Elias Rudolph Cammerer, der von 1663 —1695 in Tübingen lehrte, dem Schlendrian der 15 aus Hippokrates und Galen entnommenen Theorieen entgegentrat und dagegen auf ge- naue eigene Beobachtung einzelner Krankheitsfälle sowohl, als auf Untersuchung der physischen und psychischen Eigenthümlichkeit der Kranken drang und die pathologische Anatomie als Hauptmittel medicinischen Studiums empfahl. Sein Sohn Rudolph Jakob, von 1688 bis 1721 Professor in Tübingen, war in der Botanik der Vorläufer Linnes durch Begründung der Lehre von der Geschlechtlichkeit der Pflanzen, die er zuerst durch Versuche nachgewiesen und wissenschaftlich festgestellt hat *). Er brachte auch in Tübingen das Studium der Botanik in Aufnahme; unter ihm ward zuerst ein bo- tanischer Garten angelegt, wozu man die bisher von den Professoren benützten Gärtchen hinter den alten Universitätshäusern verwendete. Gleichzeitig mit ihm vertrat sein Bruder Elias, 1693—1734, die eigentliche Mediein und soll durch seinen skeptischen Prüfungsgeist sehr anregend gewirkt haben. Als geschickter Praktiker war Johannes Zeller, 1686— 1734, berühmt. Er war zugleich herzogl. würtembergischer und braun- schweigischer Leibarzt und wurde 1716 zur Niederkunft der Kaiserin nach Wien berufen. Ihm hatte Tübingen eine bessere Einrichtung des anatomischen Theaters zu danken, wozu schon seit den Zeiten des Leonhard Fuchs die jetzt niedergerissene Sanct Jakobskapelle beim Spitale diente. In einem Nebengebäude wurde ebenfalls auf Betrieb Zellers. ein chemisches Laboratorium eingerichtet und ein eigener Professor der Chemie angestellt. Dieser war Alexander Cammerer, der seine Schule in Turin ge- macht hatte. Man hoffte von diesem neu aufgenommenen Lehrzweige damals grossen Gewinn für die Mediein. Der strebsamste, wie es scheint, unter diesen Lehrern war ein junger ausserordentlicher Professor Joh. Georg Duvernoy aus Mömpelgard, ein Botaniker und Anatom, der aber bald Tübingen durch einen Ruf als Professor der Anatomie an die Akademie in Petersburg entführt wurde. Unter dieser Facultät begann der nachher so berühmt gewordene Albrecht Haller aus Bern seine naturwissenschaftlichen Studien. Er kam im Dee. 1723 als 17jähriger “ Jüngling nach Tübingen und nahm seine Wohnung bei dem Professor Duvernoy, der ihn, wie es scheint, auch in seinen Studien berieth. Die Gedächtnissrede der Pariser Aka- demie auf Haller erwähnt den Einfluss Duvernoys: der berühmte Anatom Duvernoy habe ihm den Geschmack für Anatomie beigebracht und ihn zu der schweren Kunst der Naturbeobachtung angeleitet. Von einem andern der damaligen Tübinger Lehrer, von Elias Cammerer, wird gerühmt, er habe Hallern den philosophischen Zweifelgeist einge- flösst, der auf die ersten Prineipien der Dinge zurückgehe und nur das zu glauben gestatte, was man gesehen oder untersucht habe. Minder günstig spricht Hallers *) In seiner „Epistola de sexu plantarum ad M. B. Valentinum. Tubingae, 1694.“ 16 Biograph, der Schweizer J. G. Zimmermann, von der damaligen medicinischen Faeultät in Tübingen. Nebenbei deutet der Biograph an, dass Haller selbst nicht sonderlich fleissig gewesen sei. Es habe ihm unter Anderem auch die Poesie viel Zeit wegge- nommen; in Tübingen sei damals Alles voll Poeten gewesen; Hallers Verse hätten bald den Beifall dieses dichterischen Volkes gewonnen. Der Richtung, welche die Cammerer angebahnt hatten, gehörte auch Burkhart ‘ David Mauchart an, der von 1726 bis 1751 Professor in Tübingen war. Er leistete in Anatomie, Augenheilkunde und Chirurgie Ausgezeichnetes und legte in seinen vielen Dissertationen einen reichen Schatz von Erfahrungen und feinen Beobachtungen nieder. Die auch gesammelt erschienenen Dissertationen über verschiedene Augen- krankheiten beurkunden eine für die damalige Zeit höchst seltene, exaete anatomische Auffassung und sind noch heute in vieler Beziehung lesenswerth. . Wie gegen Ende des 17ten Jahrhunderts die Familie Cammerer die Pflege der Naturwissenschaften und Mediein in epochemachender Weise vertritt, so beginnt gegen Mitte des 48ten Jahrhunderts eine Reihe ausgezeichneter Aerzte und Naturforscher aus der Familie Gmelin. Der erste derselben ist Joh. Georg Gmelin, der, wie viele Würtemberger, von der Petersburger Akademie aus seine Laufbahn machte. Kurz nach seiner Anstellung in Petersburg wurde von der Kaiserin Katharina II eine grosse naturwissenschaftliche Expedition nach Kamtschatka angeordnet, welcher sich Gmelin anschloss. Er kam zwar nicht nach Kamtschatka, sondern blieb in Sibirien, das er in einem beinahe zehnjährigen Aufenthalt, 1733—1743, gründlich durchforschte. Die Ergebnisse seiner Forschung legte er in seiner Flora sibiriaca, Petersb. 1747, und in seiner in 4 Bänden, Göttingen 1751, erschienenen Reisebeschreibung nieder. In seine Heimath zurückgekehrt, bekleidete er noch 6 Jahre lang die Professur der Chemie und Naturgeschichte in Tübingen, wo er unter Anderem eine Dissertation über die medicinische Wirkung der Rhabarber schrieb, deren Heilkräfte er zuerst gründlich untersuchte. Noch grösseren Ruf als Erforscher des russischen Asiens erwarb sich sein Neffe Samuel Gottlob, der, nachdem er in Tübingen studiert hatte, 1764 als 23jähriger Jüngling an der Akademie zu Petersburg angestellt und von der Kaiserin mit einer naturwissenschaftlichen Untersuchung der neuerworbenen südlichen Provinzen beauftragt wurde; er bereiste nun das Land der donischen Kosacken und das nörd- liche Persien, und später auch die Ostseite des kaspischen Meeres, gerieth aber auf der Rückreise in Gefangenschaft der Chaitaken und starb darin. Die Beschreibung seiner Reise bildet noch heutzutage eine wichtige Quelle für Kenntniss jener Länder, nicht nur in naturwissenschaftlicher, sondern auch in ethnographischer Beziehung. Für den Fall seiner Rückkehr ins Vaterland war ihm eine Professur der Botanik und 17 Chemie in Tübingen vorbehalten. Von Tübingen gieng auch der Göttinger Professor Joh. Fried. Gmelin aus, der sich durch mehrere botanische, mineralogische und che- mische Werke und namentlich durch seine Geschichte der Chemie bekannt gemacht hat. Er war der Sohn eines hiesigen Professors der Mediein Philipp Gmelin, Neffe Joh. Georgs, hatte hier seine Studien gemacht und war auch einige Jahre in seiner Vaterstadt Professor gewesen. Ein Sohn von ihm war der kürzlich in Heidelberg verstorbene Chemiker Leopold Gmelin, welcher ebenfalls einst hier studierte und bei Kielmeier Chemie hörte. Ums Jahr 1763 finden wir den Botaniker Joseph Gärtner aus Calw, der sic durch sein Werk, de fructibus et seminibus plantarum, so grosse Verdienste um die Pflanzenphysiologie erworben hat, als Proseetor der Anatomie in Tübingen. Er verliess jedochsdiese Stelle bald wieder, um sie mit einer Professur der Botanik in Petersburg zu vertauschen, und gab auch diese nach einigen Jahren auf, um sich in das Privat- leben in seiner Vaterstadt Calw zurückzuziehen. In Tübingen wurde gegen Ende des 18ten Jahrhunderts die Thätigkeit der medieinischen Facultät auf einige Zeit brach gelegt durch die Stiftung, der Karlsakademie in Stuttgart, die über ein Jahrzehnt lang, von 1781 —1794, die Lehrkräfte und Studierenden der alten Landesuniversität entzog. Einer der medieinischen Professoren, Wilhelm Plouequet, benützte die unfreiwillige Musse zu einer unglaublich fruchtbaren schriftstellerischen Thätigkeit, als deren Früchte besonders seine bekannten literar- historischen und gerichtlich medieinischen Schriften hervorzuheben sind. Eine neue Epoche der Universität und insbesondere der medicinischen Facultät beginnt nach Aufhebung der Karlsakademie im J. 1794. .K. F. Clossius, der Sohn eines zur Mediein übergetretenen Stiftlers, der als Schriftsteller und Arzt in Holland lebte, wurde nach kurzer militärärztlicher Laufbahn im J. 1792 als Professor der Ana- tomie und Chirurgie angestellt und brachte nicht nur in das Studium dieser Diseiplinen neues Leben, sondern gab auch zur Errichtung eines akademischen Krankenhauses den ersten Anstoss; freilich war es nur ein Zimmer und einige Betten im städtischen Lazareth, deren Ueberlassung er mit Mühe erkämpfen musste. Ein Plan zur Errichtung einer selbständigen Universitätsklinik mit 12 Betten, deren Kosten durch Beiträge vermög- licher Stiftungen und der studierenden Medieiner bestritten werden sollte, scheiterte an der Unmöglichkeit, die nöthigen Mittel aufzubringen. Eine glänzende Erwerbung machte aber die Universität an einem ehemaligen Zögling und Lehrer der Karlsakademie K. G. Kielmeier, der 1796 als Professor der Chemie angestellt, in der Folge auch Botanik, vergleichende Anatomie, Zoologie und Physiologie vertrat und bis zum J. 1817 in Tübingen als gefeierter und höchst anregender Lehrer wirkte. Aus seiner Schule gieng 3 18 eine Reihe von Naturforschern hervor, welche, durch seine Ideen angeregt, später die einzelnen Zweige der Naturwissenschaft in sehr gewinnreicher Weise selbständig pflesten. Wenn auch die philosophische Naturbetrachtung, als deren Mitbegründer er hauptsächlich anzusehen ist, von den späteren Naturforschern verlassen und zu einer exacten Untersuchung fortgeführt worden ist, so hatte doch Kielmeier mit seiner Weise für den damaligen Stand der Wissenschaft eine unläugbar grosse Bedeutung. Er vereinigte, wie einer seiner Schüler, Georg Jäger, in seinem Ehrengedächtniss in den Acta academiae caes. Leop. Carol. naturae curiosorum Vol. XXI. p. I von ihm rühmt, in seiner geistigen Entwickelung und in seiner Wirksamkeit als Lehrer zwei Grundeigenschaften, welche ihn auf die hohe Stufe, die er einnimmt, geführt haben: den Scharfsinn im Auffassen der Aehnlichkeiten und Verschiedenheiten, und das Geschick, wichtige Folgerungen daraus abzuleiten. Dadurch gelang «s ihm, die Vielartigkeit der Erscheinungen zur Einheit der Wissenschaft zusammenzufassen, und er wurde so ein Begründer der idealen Seite der Naturwissenschaft und insbesondere einzelner Theile derselben, welche erst durch spätere Forschungen ihre thatsächliche Grundlage erhielten. Seine Hauptstärke war die vergleichende Zoologie, und es wird ihm hauptsächlich das Verdienst zuerkannt, die Idee einer allgemeinen Thiergeschichte in Verbindung mit vergleichender Anatomie und Physiologie gefasst und ausgeführt zu haben. Alexander v. Humboldt, mit dem er in universeller Auf- fassung der Natur am meisten zusammentrifft, widmete ihm daher seine 1806 erschie- nenen Beobachtungen aus der vergleichenden Zoologie und Anatomie als „dem ersten Physiologen Deutschlands“. Bekannt ist es, dass Kielmeier auch auf Cuvier, mit dem er in der Akademie in Stuttgart in vertrauten freundschaftlichen Beziehungen stand, vielfach anregenden Einfluss geübt und im Gebiet der Zoologie manche Combinationen aus verhältniss- mässig wenigen Thatsachen zuerst gefasst, welche später Cuvier durch eine Menge eigener Untersuchungen für immer festgestellt hat. Auch liegt die Vermuthung nahe, dass Schelling, obgleich er Kielmeier nieht mehr zum unmittelbaren Lehrer hatte und auch später nicht in wissenschaftlichem Verkehr mit ihm gestanden ist, doch durch dessen Ideen, die durch mündliche Tradition und seine in vielfachen Abschriften eirculirenden Vorlesungen unter der strebenden Jugend verbreitet waren, zur Ausbildung seiner Naturphilosophie angeregt worden ist. Nicht nur Mediciner, sondern auch Studierende anderer Facultäten hörten bei Kielmeier Vorlesungen und wurden dadurch für das Studium der Naturwissenschaften gewonnen, und da Kielmeiers Wirksamkeit nicht auf literarischen Leistungen, sondern auf seiner persönlichen Lehrthätigkeit beruhte, so wurden nicht nur manche Studierende aus dem Ausland durch seinen Ruf nach Tü- ı 19 bingen gezogen, sondern auch auswärtige Gelehrte veranlasst, nach Tübingen zu kommen, ihn zu hören und seinen Rath zu suchen. Gleichzeitig und noch eine lange Reihe von Jahren nachher lehrte in Tübingen nicht minder anregend und fruchtbar J. Fr. Autenrieth, ein Zögling der Karlsakademie und dort Schüler Kielmeiers, der 1797 an die Stelle des frühe gestorbenen Clossius_ als Professor der Anatomie berufen wurde und während seiner langen Wirksamkeit bis zum Jahr 1835 beinahe alle Fächer der Mediein der Reihe nach vertrat, wo- durch er dann eine medieinische Bildung von seltener Vielseitigkeit gewann. Eine der bedeutendsten Leistungen seiner Zeit war sein Handbuch der empirischen Phy- siologie, das in den Jahren 1801—3 in 3 Bänden erschien. Auch in den patho- logischen Arbeiten Autenrieths tritt das damals häufig vernachlässigte Streben nach physiologischer Begründung der Mediein hervor. Als Lehrer wirkte er mit seinem lebendigen, freien Vortrag höchst anregend, und manche tüchtige, nachher berühmt gewordene Aerzte giengen aus seiner Schule hervor; auch aus dem Ausland wurde stets eine für Tübingen sehr bedeutende Zahl Studierender durch Autenrieths Ruf nach Tübingen gezogen. Wie weit sich Autenrieths Einfluss auch über Tübingen hinaus auf die medieinischen Ansichten seiner Zeitgenossen erstreckte, das sehen wir an Joh. Lucas Schönleins gedruckten Vorlesungen über Pathologie. Obgleich Schönlein nicht in Tübingen studierte, so ist doch in seiner Pathologie der Nachklang Autenriethischer Grundansichten unverkennbar. Autenrieth war nicht blos Theoretiker, sondern ein sehr geschätzter Praktiker, dessen Rath in schwierigen Fällen von nahe und ferne gesucht wurde; mit Recht galt er als einer der ersten Aerzte seiner Zeit. Um den klinischen Unterricht in Tübingen machte er sich besonders dadurch verdient, dass er die Er- bauung eines akademischen Krankenhauses zur Ausführung brachte. Es wurde unter seiner Leitung auf den Grundmauern der ehmaligen baufällig gewordenen Bursa an der Neckarseite der Stadt aufgebaut und eingerichtet, und 12 Zimmer für die auf- zunehmenden Kranken eingeräumt. Im J. 1805 wurde es eröffnet und Autenrieth besorgte mit kurzen Unterbrechungen bis zum Jahr 1831 den Unterricht in der me- dieinischen Klinik, deren stationäre Abtheilung freilich im Vergleich zu der ambula- torischen noch bedeutend zurückstand. Autenrieths Nachfolger, als Vorstand der Klinik, war F. G. Gmelin, ein Schüler Kielmeiers und Autenrieths, der 1805 als Professor der Naturgeschichte angestellt worden war, sich ‘später ausschliesslich der Mediein zugewandt und durch seine ver- ständig klaren, mit philosophischem Geiste geschriebenen Lehrbücher der Pathologie und Therapie einen Namen gemacht hatte. Er behielt die Leitung der medieinischen Klinik, die unter ihm eine weitere Ausdehnung erhielt, bis zum Jahr 1840, in wel- 3* 20 chem G. Heermann aus Heidelberg berufen wurde, der aber, von Anfang an kränklich, nur kurze Zeit in wirklicher Thätigkeit war und schon 1844 sein Grab bei der Pyramide des Cestius in Rom fand. Die Poliklinik wurde von der Besorgung des Krankenhauses ausgeschieden und .an H. Autenrieth, den Sohn J. F. Autenrieths über- geben. Während Heermanns längerer Abwesenheit besorgte die Klinik sein Assistenz- arzt €. A. Wunderlich, der 1841 in Verbindung mit Roser das Archiv der phy- siologischen Heilkunde begründet hatte. Er wurde 1843 provisorischer und 1846 definitiver Vorstand der Klinik, die jetzt in Folge der Errichtung des neuen Kranken- hauses eine weit grössere Ausdehnung erhielt. Im Frühjahr 1850 folgte er einem Ruf als Professor der Klinik nach Leipzig. Als sein Nachfolger wurde Dr. Georg Rapp aus Würzburg berufen. Bald nach Eröffnung des akademischen Klinikums im J. 1805 ward (1806) ein eigener Lehrstuhl der Chirurgie und Geburtshilfe errichtet und zunächst mit Ch. L. Hiller besetzt, aber nach einigen Jahren (1808) Ludw. Fr. Froriep dafür gewonnen, der kurz zuvor eine Entbindungsanstalt in Halle begründet und sich durch ein gutes Handbuch der Geburtshilfe bekannt gemacht hatte. Seine Wirksamkeit in Tübingen dauerte jedoch nur bis zum J. 1814 und sein Nachfolger wurde W. F. Ludwig, der jetzige kgl. Leibarzt und Staatsrath, welcher aber ebenfalls nur ein Jahr lang diese Stelle bekleidete. Auch G. A. Georgii starb schon 1819; nun wurden diese Fächer dem Professor L. S. Riecke übertragen, welcher bis zum J. 1843 die chirurgische und geburtshilfliche Klinik leitete, Diese beiden wurden jetzt getrennt und die erstere dem nunmehrigen Vorstand Professor Vietor Bruns aus Braunschweig übergeben. Die geburtshilfliche Klinik, der nach Erbauung des neuen Krankenhauses das ganze alte Klinikum eingeräumt wurde, theilte Riecke zunächst mit Franz Breit, der von Wien be- rufen, einige Jahre später die ganze Leitung der Anstalt übernahm, nachdem Riecke als Obermedieinalrath nach Stuttgart abgegangen war. Seit der Mitte der dreissiger Jahre begann ein durchgreifender Umschwung in den medieinischen und naturwissenschaftlichen Studien. Es drang immer mehr die Ueberzeugung durch, dass zu einem dem fortgeschrittenen Stand der Wissenschaft entsprechenden Unterricht mehr gehöre als gelehrte. und geniale Lehrer, dass man auch Gelegenheit zur Anschauung, eigenen Untersuchungen und technischer Einübung bieten müsse. Die Frucht dieser Einsicht war ein reger Eifer in Erweiterung und Vervollkommnung der Institute und Sammlungen, die allerdings gegen die anderer Uni- versitäten noch sehr zurück standen. Regierung und Stände kamen mit sehr aner- kennenswerther Bereitwilligkeit den Wünschen und Bedürfnissen der Universität ent- gegen und es ist wirklich in den zwei letzten Jahrzehnten für Hebung der Universität, 21 Vervollkommnung der Lehrmittel, Vermehrung der Lehrkräfte sehr vieles geschehen, so dass darin Tübingen nur gegen wenige andere deutsche Universitäten zurücksteht, manche übertrifft. Es wurde 1835 ein neues anatomisches Theater, zehn Jahre später ein neues Krankenhaus, ein neues chemisches Laboratorium, ein Haus für botanische Sammlungen erbaut, die Sternwarte neu eingerichtet, die Bibliothek, die zoologische und mineralogisch- geognostische Sammlung reichlicher dotirt und bedeutend erweitert, die Zahl der Lehrstühle ansehnlich vermehrt, und eine Reihe von Fächern, die früher ein Lehrer gleichzeitig zu vertreten hatte, an mehrere vertheilt. So wurde für Geologie und Mineralogie, die früher nur von einem Professor der medieinischen Facultät als Nebenfach vorgetragen worden waren, ein eigener Professor berufen, für die Chemie, besonders die organische, ein weiterer ausserordentlicher Professor angestellt, die Lehrfächer der Anatomie, Physio- logie und Zoologie, die lange Zeit in einem Lehrstuhl verbunden gewesen waren, zunächst an zwei, neuestens an drei Lehrer vertheilt, ebenso die Professur der Physik und Astronomie in zwei Lehrstellen getrennt, und es sind nun die medieinischen und natur- wissenschaftlichen Fächer so vollständig besetzt, als das wissenschaftliche Bedürfniss es erfordert. Im Zusammenhang mit Erweiterung der Sammlungen und Institute und Vermeh- rung des Lehrerpersonals entstand auch der Gedanke an Erbauung eines neuen Univer- sitätshauses, die nach langen Berathungen. wegen der zu wählenden Baustelle am Ende des Jahres 1340 begonnen wurde. Der Plan zu demselben rührt von Oberbaurath Barth her. Der Grundstein ward 1841 gelegt und im Herbst 1845” konnte es bezogen werden. Es enthält im rechten Flügel zu ebener Erde die Kanzlei der Universität, in dessen erstem Stocke eine Reihe Sitzungssäle und -Zimmer für den academischen Senat, die Facultäten und academischen Commissionen, und im zweiten die Prüfungslocale.. Die Mitte nimmt durch die beiden oberen Stockwerke durchgehend, die grosse Aula ein, zu ebener Erde findet sich vorne das Vestibule, hinten 2 Hörsäle. Der linke Flügel ist mit Ausnahme der Wohnung des Pedells dem Bedürfnisse der Vorlesungen gewidmet. Das Gebäude enthält im Ganzen 141 Hörsäle, worunter der grosse gemeinschaftliche Hörsaal 120 und der grosse philosophische SO Zuhörer fassen. Die Zahl der Hörsäle genügt, weil mancherlei Vorlesungen in den Localen der betreffenden Institute, und insbesondere die theologischen im evangelischen Stifts- und im katholischen Convietsgebäude gehal- ten werden. Unter dem Dache sind die Career. Der architektonische Charakter des Gebäudes ist der der Solidität, mit einfacher Elesanz der Ausführung, indem es durchaus von Stein errichtet ist, ohne Bewurf der 22 Aussenwände, der durch die Trefflichkeit des Materials und der Arbeit überflüssig gemacht wurde, welche sich auch überall an den Monolithen der Säulen, den Treppen und dem Quaderbau- der Glieder und Gesimse bemerklich macht. Im Innern sind die Gänge. die Hörsäle, die Kanzlei-, Prüfungs- und gewöhnlichen Sitzungszimmer in einfachen Farben- tönen gehalten; reicher sind die Sitzungssäle der Facultäten und des Senates decorirt; der Saal der grossen Aula gehört wie zu den grössten so zu den geschmücktesten seiner Gattung. - Die Wände bekleidet polirter Stuckmarmor bis zur Höhe des zweiten Stockes; von da bis zur Decke nehmen zwei Logen für die Musik und die Damen je die Mitte der beiden Seitenwände ein, deren leergelassene vier Eckflächen nach dem ursprünglichen Plane Fresken aus der Geschichte der Universität zieren sollten. Die fensterreiche Vorder- und Hinterwand geben dem Saale sein Licht; an seiner Vorderseite tritt man auf den Balcon, von welchem aus bei feierlichen Gelegenheiten die in dem weiten Vorhofe des Gebäudes versammelte Studentenschaft angeredet werden kann. Die Decke ist reich mit Ornamenten bemalt. Im Saale befindet sich auch die Fahne der Uni- versität mit dem Wappen derselben und der sechs Facultäten. Einen eigenthümlichen Schmuck einer Reihe von Zimmern bilden 125 gleichzeitige Oelbildnisse von Lehrern der Hochschule, beginnend mit dem ersten Kanzler der Uni- versität Nauclerus und, obwohl mit Unterbrechungen, bis zur neuesten Zeit herunter- reichend. Sie sind sämmtlich vor ungefähr 15 Jahren restaurirt und in gleichmässige Goldrahmen gefasst worden. Eine Anzahl von Gipsbüsten und -Figuren in dem im zweiten Stocke befindlichen Locale des Zeichnungsinstituts (Vorstand: Prof. Autenrieth, Wilhelmsstrasse 76D. Lehrer: Dr. Leibnitz, Neckarvorstadt 946) ist zu Lehrzwecken bestimmt. Das Universitätsgebäude hat endlich eine neue Zierde und die Hochschule eine werthvolle Sammlung in Folge testamentarischer Verordnung des Legationsraths v. Kölle vom J. 1847 erhalten, durch welche derselbe ihr eine Anzahl von 52 Gemälden vermachte, die er während langen Aufenthaltes in Rom und Paris erworben hatte. Sie sind seit 1850 in einem besonders dafür eingerichteten Zimmer aufgehängt, welches im Sommerhalbjahr jeden Donnerstag von 1—3 Uhr geöffnet ist, und können ausser- dem zu jeder Zeit auf Anmeldung bei. dem im Hause wohnenden Pedell gesehen werden. Gegenstand und Meister sind auf im Zimmer angebrachten Tafeln verzeichnet. Die Perle der Sammlung ist ein Studium von Corresgio zu einem pfeilspitzenden Amorin auf dessen grossem Bilde der Danae in der Gallerie Borghese zu Rom, Oel- skizze auf Papier, von Eigner in Augsburg restauriert. Ausserdem heben wir hervor ein treffliches kleines weibliches Bildniss von Cranach; das Bruchstück einer Auferstehung, welche dem Garofalo zugeschrieben wird, aber älter sein möchte; eine Anbetung der x 23 Könige, angeblich von Parmeggianino ; einen Ecce Homo von Schiavone; ein Christus- kind umgeben von Engeln, das dem h. Franeiscus erscheint, von einem unbekannten Meister, wovon ein guter alter Stich existiert; ein grosses Bildniss des Baronius von Leandro Bassano und eine Studie Luca Giordanos zu einem Kopfe von Gio. Batt. Vico, ausser einer Anzahl andrer, mehr oder minder schöner alter Porträtbilder meist aus italienischen Schulen. Unter den ganz wenigen neueren Bildern, welche sich vor- finden, ist eine Madonna mit dem Kinde zu nennen, nach einer Rothstiftzeichnung Rafaels in Thorwaldsens Besitz von Gegenbauer in Rom al fresco ausgeführt und kürzlich von dem Meister selbst encaustisch restauriert. Vorstand dieser Sammlung ist Prof. Fallati, Neckargasse 50. DRITTER ABSCHNITT. DIE WISSENSCHAFTLICHEN INSTITUTE DER UNIVERSITÄT, INSBESONDERE DIE NATURWISSENSCHAFTLICHEN UND MEDICINISCHEN. I. Die Universitätsbibliothek. Auf dem Schloss, Vorstand: Oberbibliothekar Prof. Farrarı. Erster Biblioth. Prof. Tareı. Zweiter Biblioth. Dr. Krürrer. Neckargasse 55. Auf dem Schloss. Münzgasse 96. Schon bei Errichtung der Universität wird wohl auf Anlegung einer Bücher- sammlung Bedacht genommen worden sein, wir haben aber keine Nachrichten von ihren Anfängen, als dass sie im Jahr 1534 mit dem Brand des Sapienzhauses ein Raub der Flammen geworden sei. Erst seit dem Jahr 1563 bildete sich aus Ver- mächtnissen und Geschenken eine neue Universitätsbibliothek, deren bedeutendster Be- standtheil die Bibliothek des im Jahr 1586 als Syndieus der Stadt Strasburg ver- storbenen Dr. Gremp, früheren Professors der Rechte in Tübingen war. Eine herzogliche, mit der Universitätsbibliothek nicht zu verwechselnde Bibliothek wurde von Herzog Christoph auf dem Schloss angelegt, die aber im J. 1634 bei der Einnahme desselben durch bairische Truppen nach München entführt wurde. Manche Bücher und Manuseripte, die nach älteren Nachrichten auf der Schlossbibliothek in Tübingen sein sollen, befinden sich daher nicht auf der jetzigen Universitätsbibliothek, sondern möchten wohl in der königl. Bibliothek in München zu suchen sein. Die Vermehrung der eigentlichen Universitätsbibliothek gieng nur langsam von statten. Es wurden in den Statuten vom J. 1601 100 fl. dafür ausgesetzt, aber auch diese bis zum J. 1751 nicht regelmässig verwendet. Erst mit dieser Zeit be- ginnt eine regelmässige Dotirung von etwa 800 fl., auch wird jetzt die Bibliothek einmal in der Woche von 2—5 Uhr des Nachmittags „„zum Besten derer Litera- torum und Studiosorum“ “ geöffnet, was vom J. 1774 an zweimal wöchentlich geschah. Da aber kein heizbares Lesezimmer vorhanden war und die unteren Räume des Univer- sitätshauses, in welchen die Bücher aufgestellt waren, nur wenig Licht hatten, so war 25 Winters die Benützung der Bibliothek sehr schwierig. Indessen wurde für ihre Ver- mehrung gesorgt, es wurden ganze Bibliotheken verstorbener Gelehrten angekauft, wie die des Geh.Raths Joh. Dan. Hoffmann und des Historikers Ludw. Timoth. v. Spittler, auch wurde aus den Bibliotheken der aufgehobenen Klöster Vieles, wenn gleich nicht immer Werthvolles, nach Tübingen abgegeben. Im Jahr 1819 ward die Bibliothek aus dem ungünstigen Lokal, das ihre Benützung so Sehr erschwerte, befreit, und der grosse Rittersaal in dem nördlichen Flügel des Schlosses dazu eingeräumt. Jetzt wurde auch ein Real- und Nominalkatalog durch den damals als Unterbibliothekar angestellten Juristen Clossius gefertigt und der jährliche Etat ansehnlich vergrössert. Noch immer aber blieben die Zugänglichkeit, der Büchervorrath selbst und die Mittel zu dessen zweckmässiger Vermehrung sehr mangelhaft. Eine neue Epoche für die Tübinger Universitätsbibliothek begann, als im J. 1836 Robert Mohl, welchem überhaupt die Institute viel zu verdanken haben, das Amt eines Oberbibliothekars übernahm und während seiner Verwaltung bis zum Jahr 1844 eine Reihe zweckmässiger Reformen durchzuführen begann. Der Geschäftsgang der Verwaltung wurde neu geordnet, die Anlage eines neuen Real- und Standkatalogs mit einer theilweise neuen Facheintheilung begonnen; ein weiterer Unterbibliothekar, zwei Gehülfen und ein zweiter Diener wurden angestellt, die Kanzleistunden des Bibliothek- personals auf 6 Stunden täglich, 9—12 Uhr Vormittags und 1—4 Uhr Nachmittags, festgesetzt, in welchen die Bibliothek für die Benützung zugänglich ist, die Räume durch Beiziehung der oberen Stockwerke im nördlichen und westlichen Flügel des Schlosses erweitert, und theils zur Bücheraufstellung, theils zu Kanzlei- und Lesezimmern eingerichtet. Der Etat für Bücheranschaffungen, der bis dahin nur 3600 fl. betrug, wurde allmählich bis auf 9000 fl. erhöht, und überdiess zuweilen bedeutende Ueberschüsse aus anderen Rubriken des Universitätsetats der Bibliothek zugewiesen. Dadurch wurde es möglich, nieht nur das laufende Bedürfniss von neu erscheinenden wissenschaftlichen Werken weit umfassender als früher zu befriedigen, sondern auch durch Anschaffungen auf antiquarischem Wege und Ankauf ganzer Bibliotheken die Lücken aus älterer Zeit einigermassen auszufüllen. Als Mohl im Jahr 1844 das Amt eines Oberbibliothekars niederlegte, wurde dasselbe dem Professor Adelbert Keller, der früher unter Mohl von 1837—41 Unter- bibliothekar gewesen war, übertragen. Unter seiner Verwaltung wurde 1847 das Lesezimmer vergrössert, ein zweites für die Professoren eingerichtet und nach Ueber- siedlung der zoologischen und mineralogischen Sammlung in das alte Universitätsge- bäude das ganze obere Stockwerk-des südlichen Schlossflügels der Bibliothek eingeräumt. In Folge davon wurde es dem 1850 eingetretenen Nachfolger Kellers im Amte eines 4 26 Oberbibliothekars Professor Fallati möglich, eine planmässige Aufstellung des gesammten Büchervorraths ins Werk zu setzen. Der für Bücheranschafflungen zu verwendende jährliche Etat, welcher zum Theil aus einem Antheil an den Inscriptionsgeldern bestehend, sich nicht jedes Jahr gleich bleibt, beträgt dermalen über 9000 fl., wozu noch Bücheranschaffungen aus den Fonds der Grempischen, Fleckischen, bischöflich Speirischen Stiftung und dem Etat des archäologischen Kabinets, sowie Depositionen der einzelnen Facultäten kommen. Die Verfügung dar- über steht nach organischen Bestimmungen vom Jahr 1850 theils dem Oberbibliothekar, theils den einzelnen Facultäten zu und ist in der Art vertheilt. dass die 6 Facultäten zusammen 10 Portionen von 400 fl. und zwar die medicinische und philosophische Facultät, die mehrere Fächer zu vertreten haben, je zwei Portionen verwenden, den Rest aber der Oberbibliothekar. Bei Ankäufen ganzer Bibliotheken, bei Anschaffung von Zeitschriften und Werken, die eine längere Reihenfolge voraussehen lassen. und in eini- gen andern Fällen, hat die Bibliothekkommission, welche aus gewählten Vertretern der ein- zelnen Facultäten und dem Oberbibliothekar gebildet ist, ihre Beistimmung zu geben. Früher wurde die ganze Summe des Etats von dem Oberbibliothekar und den einzelnen Facultäten in der Art verwendet, dass ersterem eine kleine Summe für die sogenannten allge- meinen Werke zugeschieden, die Hauptsumme aber in 18 verschiedene Rubriken nach gewissen Procenten vertheilt wurde, wobei nicht selten auf wichtige, an kostbaren Werken reiche Fächer, nur ganz kleine Portionen kamen, mit denen man keine grösseren Hauptwerke anschaffen konnte. Sowohl bei der früheren Einrichtung, als auch noch bei der jetzigen konnte verhältnissmässig am meisten für die theologischen und juridischen Fächer geschehen, aus dem Grunde weil die betreffende Literatur selten Kupfer- werke oder sonst durch die Ausstattung theure Bücher bringt. Bei der Theologie kommt noch der Umstand hinzu, dass die doppelte Facultät auch eine doppelte Portion in Anspruch nimmt. Die zahlreichen Fächer der medieinischen und philosophischen Facultät waren durch die früher unvermeidliche Zersplitterung im Nachtheil und sind es auch jetzt noch, ungeachtet der doppelten Dotirung jener beiden Facultäten, wegen der höheren Preise, besonders der naturwissenschaftlichen Werke, und der grösseren durch den Umfang und raschen Fortschritt jener Wissenschaften bedingten literarischen Pro- ductivität. Dem Oberbibliothekariat erwächst hieraus die Aufgabe, bei Verwendung der ihm überlassenen Summe die Lücken dieser Fächer vorzugsweise zu berücksich- tigen. Es wird bei dessen Erwerbungen darauf Bedacht genommen, die für gewisse Zweige der Wissenschaft unentbehrlichen Kupferwerke. Gesellschaftsschriften, ganze Reihen älterer und neuerer wissenschaftlicher Zeitschriften und überhaupt solche Werke anzuschaffen, deren Preise die Kräfte des Einzelnen übersteigen. Die Gesammtzahl 27 der auf der Bibliothek befindlichen Werke beträgt nach einer kürzlich vorgenom- menen Zählung in runder Summe 100,000. Sämmtliche Bücher sind nach der Ordnung der Hauptfächer und ihrer Unter- abtheilungen in 22 Sälen und Zimmern aufgestellt *). Es giebt 10 wissenschaftliche Hauptfächer mit mehr als 400 Unterabtheilungen; als 11te Hauptabtheilung schliessen sich die Würtembergica und als 12te die Manuseripte an. Die Reihenfolge der einzelnen Werke innerhalb der wissenschaftlichen Unterabtheilungen ist weder eine alphabetische noch wissenschaftliche, sondern eine zufällige, hauptsächlich durch die Zeitfolge der Anschaffung bedingte. Sie wird durch eine jedem Band aufgeklebte Nummer fest- gestellt, wobei auch die Bezeiehnung des Hauptfaches und der Unterabtheilung, wel- cher das Buch angehört, nicht fehlt, so dass die Aufsuchung ganz leicht und auch einem nicht wissenschaftlich gebildeten Diener möglich ist. Die Manuseripte sind nicht nach dem Inhalt, sondern nach Sprachen abgetheilt. Kataloge sind drei vorhanden: 1) ein Real- und Standkatalog, nach welchem die Bücher aufgestellt sind. Derselbe ist noch in der Ausarbeitung begriffen, umfasst aber bereits den grössten Theil der Bibliothek, nur die Jurisprudenz, die praktische Theologie und die kleinen Mischschriften fehlen noch. 2) Ein alphabetischer Katalog in 12 Foliobänden, zum Gebrauch des Publikums bestimmt, und 3) ein weiterer alpha- betischer, auf einzelnen Blättern, dem alleinigen Gebrauch des Bibliothekpersonals vorbehal- ten. Auch in beiden letzteren Katalogen sind die Fachbezeichnungen und die Nummer beigesetzt, so dass nach denselben der Standort sogleich aufgefunden werden kann. Für Dissertationen bestand früher ein besonderer Katalog, der jedoch nicht mehr fortgeführt wird, da die Dissertationen wie andere Bücher in den allgemeinen Stand- und Realkatalog aufgenommen werden. Seit zwei Jahren hat man angefangen, das jährliche Zuwachsverzeichniss drucken zu lassen. Auch ist der Plan gefasst, künftig jedes Jahr einen Theil des Realkatalogs dem Druck zu übergeben, und denselben schliesslich durch ein Register mit den Zu- wachsverzeichnissen zu verbinden. Um eine Vorstellung von der Gesammtmasse der Bücher und ihrer alljährlichen Vermehrung zu geben, fügen wir eine tabellarische Uebersicht des dermaligen Standes der Bibliothek nach ihren einzelnen Hauptfächern und des Zuwachses der beiden letzten Jahre bei. *) Eine besondere Druckschrift: „Die Aufstellung der königlichen Universitätsbibliothek in Tü- bingen. 1850,“ giebt hierüber nähere Auskunft, auch ist ein genauer Plan des ganzen Bibliotheklocals in dem Lesezimmer der Professoren aufgehängt. 4* 28 A. Gesammtzahl der Werke im Jahr 1851—1852, nach einer allmählig mit Uebergehung der Dissertationensammlungen vorgenommenen annähernden Zählung. F Gesammt- Folio. Quart. Octav. sun | A. Philosophie . 101 405 2,637 3,143 B. Mathematik und ES STE 429 2,030 2,820 5,279 €. Philologie b 764 1,647 4,617 7,028 D. Schöne Künste Du Wineschalten 5 336 973 3,587 4,896 E. Staats- und Cameral-Wissenschaften 230 639 3,717 4,586 F. Geschichte und ihre Hülfswissenschaften 1,724 4,273 8,424 14,421 G. Theologie 2,650 5,271 10,947 18,868 H. Jurisprudenz 3,770 4,446 8,356 16,602 J. Mediecin 239 2,113 8,132 10,484 K. Allgemeine re 420 1,804 3,744 5,968 L. Würtembergica . 745 1,376 1,358 3,979 M. Manuscripte . _ = = 1,526 aa 11,408 | 24,977 58,869 95,254 B. Zuwachs der beiden Jahre 1850-1852 an Werken und an Bänden. 1850 — 1851. | B A. B. C D. E. F. 6. H. I R. L. M. |Summe, Werke) 30 77 81 Spa 280 17221 129 28 | 103 44 — ' 1,156 Bände | 38 179 | 114 || 150 | 152.) 422 | 339° 214 | 203 | 202 48 — [2,061 1851 — 1852. Werke | 55 104 | 120 | 105 | 137 | 572 | 205 | 273 | 136 |. 184 38 5 1,934 Bände 63 181 | 169 | 275 | 404 |1100 | 334 | 490 | 345 | 540 42 5 13,948 Schon aus den Zahlen der oben gegebenen Uebersicht sieht man, dass die Fächer Geschichte, Theologie und Jurisprudenz am reichsten besetzt sind, Fülle der Literatur in diesen Fächern sowie aus ihrer vorzugsweisen Begünstigung hinlänglich erklärt. ist die deutsche, niederländische, französische und englische Geschichte am besten vertreten. reichlich ausgestattet, Die Naturwissenschaften sind, wie schon was sich aus der den oben angegebenen Gründen Unter den historischen Fächern oben angedeutet worden, minder zum Theil auch weil sich das Bedürfniss weniger dringend geltend machte; in neuerer Zeit wird jedoch dem vermehrten Bedürfniss entsprechend auf allmähliche Ausfüllung der Lücken nach Kräften Bedacht genommen. die Bibliothek bereits eine Reihe kostbarer und werthvoller Werke in diesem Gebiet. Auch besitzt 29 Von naturwissenschaftlichen Werken können wir im Fache der Astronomie die astronomischen Beobachtungen der Sternwarten von Bonn, Edinburgh, Greenwich, Königsberg und Mün- chen anführen; — in der Naturgeschichte der drei Reiche die schöne Ausgabe Buffons aus der königl. Druckerei; die Annales et memoires du museum d’histoire naturelle; d’Orbigny, Dietionnaire d’histoire naturelle; — in der Zoologie: Cuviers Rögne animal, dessen Ossemens fossiles, Histoire des mollusques, Histoire ‘des poissons; Spix Werke über die brasilianische Thierwelt; Smith, Zoology of South-Africa; Pennant, British zoology; Ehrenbergs Infusionsthierchen; die Werke über Schmetterlinge von Esper, Hübner, Ochsenheimer, Treitschke, Freyer; Dru Drury, Exotic entomology; Westwood, Arcana entomologiea; Dejean und Boisduval, Iconographie des coleopteres; Ratzeburgs Forstinsecten; Martini und Chemnitz, Conchyliencabinet in der neuen Bearbeitung von ‚Küster, Philippi u. A.; ‘Levaillant, Oiseaux d’Afrique, dessen Perroquets sammt der Fortsetzung von Bourjot Saint-Hilaire; Strickland und Melville, Beschreibung des Dodo; Geoffroy de Saint-Hilaire, Histoire des mammiferes; Richard Owen, Odontography, Description of the mylodon, British fossil mammals and birds, und fossil reptiles. Von botanischen Werken führen wir an: Curtis und Hooker, botanical magazine; Reichenbachs Iconographia botanica; Haynes Arzneipflanzen; Decandolle, Prodromus syst. nat. regni veget.; ‚Joseph Gärtners Werk de fructibus et seminibus plantarum sammt der Fortsetzung K. Friedr. Gärtners; Kerners ökonomische Pflanzen ;' Ventenat, Jardin de la Malmaison; Blume, Flora Javae; Brotero, Phytographia Lusitaniae; Bulliard, Herbier de la France; Burmann, Plantae americanae Plumierii; Cavanilles, Flora hispa- nica; Gmelin, Flora sibiriaca; ‚Jacquin, historia stirpium americanarum; Lamarck, Flore francaise; Ledebour, Flora rossica imprimis altaica; Loureiro, Flora cochinchinensis ; Martius Werke über die brasilianische Flora und über die Palmen; Oeders Flora danica; Pallas, Flora rossica; Raddius, Plantae brasilienses; Roxbureh, Plants of Coromandel; Royle, Botany of the Himalayan mountains and Cashmere; Ruiz y Pavon, Flora peru- viana et chilensis; Seubert, Flora azorica; Bonafous, Histoire du mais; Wedell, Histoire des quinquinas; Lambert, Genus pinus; Lindley, Orchideous plants und Genera and species of orchidaceous plants. Im Fache der Geologie und Petrefactenkunde sind nennenswerth: Agassiz, Mollus- ques fossiles und Poissons fossiles; Artis, Antediluvian phytology; Beudant, Voyage en Hongrie; Buckland, Reliquiae diluvianae; Deshayes, Coquilles fossiles; Dixon, Geology of Sussex; Dunker und Meyer, Palaeontographica; Dunker, Wealdenbildung; Eichwald, die Urwelt Russlands; Geinitz, Petrefacten des sächsischen Kreidegebirges; Heer, Insectenfauna der Tertiärgebilde in Croatien; Hisinger, Lethaea suevica; ‚Journal of the geological society in London; Koninck, animaux fossiles; M&moires de la Soeidte 30 geologique de la France; Michelin, Iconographie zoophytologique; Graf Münsters Beiträge zur Petrefactenkunde; Murchison, Verneuil and Keyserling, Geology of Russia; Aleide d’Orbigny, Coquilles fossiles, Pal&ontologie francaise, Cours &l&men- taire de pal&ontologie; Dale Owen, Geological exploration of Jowa, Visconsin and Illinois; Parkinson, organie remains; Pictet, Mollusques fossiles; Portlock, Geology of London- derry; Reuss, Versteinerungen der böhmischen Kreideformation und dessen geognostische Skizzen aus Böhmen; Römer, Versteinerungen des Oolithengebirgs und Kreidengebirgs ; Sandberger, Versteinerungen des rheinischen Schichtensystems; Scrope, Geology of central France; Graf Sternberg, Flora der Vorwelt. Von geologischen Karten die Carte geolo- gique de la France sammt den zwei Bänden Explication; die Carte geologique du Bas- Rhin von Daubree; die neue Carte geologique de la Belgique von And. Dumont. Von den naturwissenschaftlichen Werken, die sich bei der Geographie und der Geschichte einzelner Welttheile und Länder befinden, heben wir aus: Dumont d’Urvilles, Freycinets, Du Perreys, Laplaces Reisen um die Welt; Rüpells Reisen in Nubien und Arabien sammt Atlas; Gaimard, voyage en Islande; die Description de V’Egypte; Siebolds Beschreibung von Nippon und der Flora und Fauna dieses Landes; Jacquemont, Voyage dans l’Inde; bei Afrika Leopold Buchs Werk über die canarischen Inseln; Barker Webb und Berthollet, Histoire naturelle des iles canaries; die von der fran- zösischen Regierung herausgegebene Exploration seientifique de l’Algerie; bei Amerika finden wir Humboldt et Bonpland, Voyage dans l'interieur de l’Amerique; Aleide d’Orbigny, Voyage dans l’Amerique meridionale; Ramon de la Sagra, Histoire de l’ile de Cuba. Sehen wir uns im Fache der Mediein um, so finden wir in derselben etwa 60 grössere Reihen älterer und neuerer, deutscher, französischer und englischer medi- einischer Zeitschriften, in den Abtheilungen Anatomie und Physiologie und Patho- logie begegnen uns die anatomisch-physiologischen Werke von Arnold, Coste, Haller, Loder, Mandl, die über pathologische Anatomie von Albers, Auvert, Bourgery, Bu- jalsky, Cruveilhier, Gluge und Sandifort. Unter den Zeitschriften von allgemeinerem Inhalt befinden sich manche vorwiegend naturwissenschaftliche, wie z. B. Sillimans American journal, das Edinburger Philoso- ‚phical journal; im Ganzen kann man etwa 20 naturwissenschaftliche Zeitschriften rechnen. Ein reiches Material von einzelnen naturwissenschaftlichen Abhandlungen bietet sich dem Gelehrten in den Schriften der Akademieen und gelehrten Gesellschaften. Die der deutschen besitzt die Bibliothek grossentheils, von den übrigen europäischen wenigstens die wichtigsten, wie die der französischen, russischen, schwedischen, Turiner Academie, ferner die Philosophical transactions of the royal society of London, die Transactions of the linnean society und mancher anderen. BJ Unter den Manuseripten befinden sich nur wenige aus dem früheren Mittelalter, die meisten gehören den vier letzten Jahrhunderten an, eine Pergamenthandschrift einiger Dialogen Platos aus dem 13ten Jahrhundert ist das einzige ältere Stück von Bedeu- tung. Der werthvollste Theil der Handschriftensammlung möchten die orientalischen sein; es befindet sich eine ziemliche Anzahl Sanscrithandschriften, sowie auch äthio- pische und amharische darunter, welche die Universität theils als Geschenk, theils durch Vermittlung würtembergischer Missionäre bekommen hat. Eigentliche Prachtstücke und besondere Seltenheiten, sogenannte Cimelien, besitzt die Tübinger Bibliothek keine. Was die Benützung betrifft, möchte sie nicht leicht gegen eine andere öffent- liche Anstalt in Deutschland bedeutend zurückstehen. Einmal ist dieselbe durch die Liberalität der Einrichtungen sehr erleichtert und dann wird auch sowohl von Pro- fessoren als Studierenden, wie von auswärtigen Gelehrten reichlicher Gebrauch da- von gemacht. Das Lesözimmer ist von 9—12 und 1—4 Uhr täglich geöffnet, auf die letzteren Stunden ‘sind hauptsächlich die Studierenden angewiesen. Lehrer und Beamte der Universität, sowie andere in Tübingen angestellte Staatsdiener können ohne, besondere Erlaubniss und Bürgschaft Bücher entlehnen. Studierende bedürfen der Bürg- schaft von Seiten eines Universitätslehrers, die entweder für das einzelne Buch oder für das ganze Semester geleistet werden kann. Nichtmitglieder der Universität haben eine Erlaubniss von der Bibliothekeommission nöthie, Ausländern ertheilt dieselbe der akademische Senat. Als Beleg für die jährlich steigende Benützung führen wir einige Zahlen aus dem Ausleihregister der 5 letzten Jahre an. Die Zahl der ausgeliehenen und der verlangten Werke betrug 1848: 8027, resp. 10,331; — 1849: 8504, resp. 11,431; — 1850: 9970, resp. 11.658; — 1851: 10,122, resp. 10,556; — 1852: 12,488, resp. 13,022. Die täglich in die Lesezimmer abgegebenen Bücher sind hier nicht mit eingerechnet. II. Das Münz- und Antiquitätenkabinet. Auf dem Schloss. Vorstand: Professor Warz. Neckarhalde 154. Das Münz- und Antiquitätenkabinet befindet sich in dem nordöstlichen Thurm des Schlosses. Die Grundlage desselben ist eine Sammlung von Münzen und Bronce- statuetten, welehe der Universität durch ein Vermächtniss des würtembergischen Re- gierungsrathes, C. S. Tux, im Jahr 1798 zufiel. Die Münzen bestanden aus 2022 32 Stücken, darunter 17 griechische, 111 römische aus der Consularzeit und eine grössere Zahl aus der Kaiserzeit. Dazu kamen in neuerer Zeit eine athenische Broncemünze aus der Höhle bei Erpfingen, eine Sammlung altgriechischer Münzen von etwa hun- dert Stücken durch Schenkung von Professor Christoph Schwab in Stuttgart, ferner eine Anzahl von Münzen, die der Missionar Mühleisen auf einer Reise durch Italien sammelte. Unter den Broncestatuetten des Tuxischen Kabinets befindet sich eine von ausgezeichnetem Kunstwerth, in welcher Thiersch Aehnlichkeit mit den äginetischen Bildwerken erkannte und die Oberhofprediger Grüneisen zum Gegenstand einer aus- führlichen Untersuchung gemacht hat, in welcher derselbe die Gestalt als einen Am- phiaraos deutet, in dem Momente, wo er forteilend und die Rosse treibend den sich aufthuenden Erdschlund erblickt. Einen Bestandtheil des Antiquitätenkabinets bildet auch eine Reihe von Gips- abgüssen der bedeutendsten antiken Bildwerke, welche in den Fensternischen des grossen Bibliotheksaals aufgestellt sind. ® Der jährliche Etat des Instituts ist auf 150 fl. festgesetzt: III. Der botanische Garten und die botanischen Sammlungen. Vorstand: Professor Huco v. Monr. Universitätsgärtner: WırueLm HocHSTETTER. Wilhelmsstrasse 967. Im Garten. Der jetzige botanische Garten wurde in den Jahren 1805—1809 unter der Leitung Kielmeiers und Autenrieths durch den Gärtner Bosch (später Hofgärtner in Stuttgart) angelegt. Das ursprünglich etwa 10 Morgen umfassende Terrain an der Ammer ist aus dem zu dem Collegium illustre gehörigen Tummelgarten und einigen zu diesem Zweck erkauften Privatgärten gebildet. Die Anlage ist so eingerichtet,. dass die als Arboretum dienenden, im Sinne der Landschaftsgärtnerei angelegten Baum- gruppen auf eine gefällige Weise mit den zur Kultur der Freilandpflanzen dienenden Plätzen verbunden sind. Zweckmässig geführte Wege machen den Platz auch zu einem öffentlichen Spaziergang geeignet, der häufig benützt wird. An der Grenze des Gartens gegen die Ammer hin wurde ein Gewächshaus erbaut, welches in 4 Abthei- lungen von je 40 Fuss Länge getheilt ist und in dem oberen Stock die Wohnung des Gärtners enthält. Später wurden an den beiden Enden noch zwei weitere Flügel von je 40‘ Länge und 27° innerer Höhe zur Aufbewahrung grösserer Exemplare angebaut und ward zugleich ein in den Boden versenktes, von oben beleuchtetes Haus eingerichtet, das vorzugsweise zur Erziehung junger Pflanzen bestimmt ist. 33 Im Jahr 1835 wurde der neben dem botanischen Garten gelegene, nicht mehr gebrauchte Kirchhof von der Stadt erworben und zu Anlegung eines neuen Arboretums verwendet. Auf der andern Seite des Gartens gegen die Strasse hin wurde durch den Abbruch der Reitschule auch ein weiteres Stück Landes verfügbar und nun zur Kultur der einjährigen Gewächse, sowie zur Anlegung eines kleinen für Wasser- pflanzen bestimmten Bassins benützt. An Wasser fehlt es dem Garten "überhaupt nicht; denn einmal fliesst die Ammer mitten hindurch und setzt den Garten zuweilen theilweise unter Wasser, dann hat er auch eine etwas tiefe feuchte Lage, welche für die Kultur empfindlicherer Pflanzen nachtheilig ist und sie dem Erfrieren leicht aussetzt. Seit zwei Jahren ist eine Reorganisation des Gartens begonnen worden, die sich auf folgende Punkte hauptsächlich erstreckt: 1) Umpflanzung der perennirenden Freilandpflanzen, um eine bestimmte Ordnung einzuführen und das Ineinanderwachsen zu hindern. Zu diesem Behuf wurden 8 in kleine Quadrate zerfallende Gruppen gebildet, und in denselben die Gewächse nach dem natürlichen System von Jussieu vertheilt. Die Länder und Rabatten sind durch Holzpflöcke in der Art abgegränzt, dass zwischen zwei auf diese Weise bezeichneten Quadraten ein kleiner freier Zwischenraum bleibt, der es dem Arbeiter möglich macht, eine scharfe Trennung der Gewächse zu erhalten. Die sonst übliche Sonderung durch vertiefte schmale Wege wurde vermieden, da diese durch zu grosse Austrocknung der Erde oft schädlich wirkt. Die Gruppe für die Zwiebelgewächse ist mit Tufsteinplatten eingefasst und die verschiedenen Arten sind ebenfalls nach dem in Padua eingeführten Systeme durch Querplatten von einander geschieden. Für die ein- und zweijährigen Pflanzen sind zwei besondere Gruppen bestimmt, in welchen die einzelnen Arten nach alphabetischer Reihenfolge angesät werden. Die Bäume und Gesträuche des Arboretums stehen familienweise beisammen. Die ganze Sammlung der Freilandpflanzen nebst Bäumen und Gesträuchen besteht dermalen in 3000 Arten. 2) Was die Gewächshauspflanzen betrifft, so ist der Plan gefasst worden, die wichtigsten Familien in einer gewissen Reihenfolge zu berücksichtigen und es ist der Anfang gemacht mit der Zucht von Farren aus Samen, mit Erwerbung von Palmen, Cycadeen, Coniferen und Filiceen. Es sind so in den letzten zwei Jahren theils aus Samen gezogen, theils durch Tausch und Ankauf erworben worden von Palmen 24, Cycadeen 6, Pandaneen 3, Coniferen 50, Filiceen 90 Arten. Unter den selteneren Pflanzen heben wir folgende namentlich hervor: Pandanus odoratissimus (Jacquin), deutsch Schraubenbaum genannt, aus Ostindien, ein Exemplar von 20‘ Höhe, wohl eines der schönsten und grössten auf dem Continent; Alsophila 6) 34 villosa, ein baumartiges Farrnkraut; Vanilla planifolia, die Vanille; Nepenthes destilla- toria, Dionaea musecipula (Fliegenfalle), Hedysarum gyrans. 3) Besondere Aufmerksamkeit wurde auch der Erziehung tropischer Wasserpflanzen gewidmet, vorzugsweise der Vietoria regia, dann auch der Euryale ferox. Es ist eine Sammlung von 15 Arten von solchen tropischen Wasserpflanzen vorhanden. Vorerst waren die Vorrichtungen wegen der beschränkten Mittel nur sehr einfach, doch inso- weit von Erfolg, dass im Sommer 1852 die Victoria regia zu schönster und reichlichster Blüthe gebracht wurde. In dem letzten Sommer wurde ein grösseres Bretterhaus mit Glasfenstern für die Vietoria und die verwandten Pflanzen gebaut. In demselben ist ein mit Wasser gefülltes Bassin von 20 Fuss Durchmesser, ‘in dessen Mitte zwei Exemplare der Victoria regia thronen, um sie herum lagern sich die kleineren Gat- tungen, die Euryale ferox und verschiedene Arten der Nymphäen. Dicht neben dem botanischen Garten, an der der Stadt zugekehrten Seite des Universitätshauses steht das neue Gebäude, in welchem die Wohnung des Vorstandes des botanischen Gartens und die Herbarien sich befinden, mit denen bereits ein schöner Anfang gemacht ist. Es besteht 1) ein allgemeines Herbarium, dessen Grundlage die von Professor Hochstetter in Esslingen erworbene Sammlung bildet. Dieselbe enthält über 20,000 Arten und ist nun ganz nach Endlichers System geordnet. Neben einer beinahe vollständigen europäischen Flora enthält die Sammlung viele Pflanzen aus dem nördlichen Afrika, Nordamerika, Surinam, Brasilien, dem Cap der guten Hoffnung, Neuholland. Die sämmtliche Ausbeute der Reisenden des würtembergischen botanischen Vereins, insbesondere die von Schimper in Algerien, Arabien und Abessynien gesam- melten Pflanzen, die von Dr. Laurent in Afrika, die von Professor Moritz Seubert zu Karlsruhe in seiner Flora azorica beschriebenen Gewächse, die von Brotero in Chili gesammelten Pflanzen sind hier niedergelegt. 2) Ein würtembergisches Herbarium, das hauptsächlich von Apotheker Lechler stammt, bei dessen Auswanderung nach Chili es erworben wurde. Dieses erstreckt sich bis jetzt nur auf die Phanerogamen, indem die Kryptogamen in das allgemeine Herbarium eingeordnet sind. 3) Eine Sammlung von Hölzern, die jedoch bis jetztnur aus einigen Hundert Num- mern besteht, aber es befinden sich unter denselben die vom Cap der guten Hoffnung, die man einer Schenkung des Baron Ludwig verdankt; ferner Hölzer aus Brasilien und Venezuela, welche von Klauren und Karsten gesammelt wurden, und ist mithin manches Interessante hier zu sehen. 4) Eine Sammlung der vegetabilischen Arzneimittel, bei deren Anlegung Com- 30 merzienrath v. Jobst durch Auswahl aus seinen reichen Vorräthen mit grosser Ge- fälligkeit zu Hülfe gekommen ist. Der jährliche Etat des botanischen Gartens beträgt 4724 fl., wovon aber auch die Besoldung des Gärtners zu bestreiten ist. An eigenen Einnahmen bezieht der Garten 275 fl. aus Gartenerzeugnissen und etwa 800—1000 fl. Antheil an Inserip- tionsgeldern. IV. Die zoologischen und die mineralogisch-geognostischen Sammlungen. In der alten Aula (der früheren Aula nova). Der erste Grund zu einem Naturalienkabinet der Universität wurde ums Jahr 1802 durch Schenkungen der damaligen Professoren der medicinischen Facultät, besonders Kielmeiers, Autenrieths und später auch Frorieps, gelegt und demselben im J. 1803 ein Local zur Aufstellung im Schloss eingeräumt. Geldmittel erhielt es durch eine Schenkung des Freiherrn v. Palm von 2000 l., die grösstentheils zum Ankauf einer Mineraliensammlung des Bergraths Widenmann verwendet wurde. Der akademische Senat hatte 1000 fl. ausgesetzt, wovon die Zinsen zu Vermehrung der Sammlung be- stimmt wurden. Begreiflicherweise konnte damit nicht viel geschehen und die Sammlung schritt nur langsam vorwärts. Erst in den Jahren 1817 und 1818 erhielt der zoo- logische Theil eine namhafte Bereicherung durch Thiere aus der aufgehobenen könig- lichen Menagerie und das ornithologische Kabinet des verstorbenen Professors Gatterer in Heidelberg. Vorstand des Naturalienkabinets war seit 1805 Professor Ferdinand Gmelin. Als Professor W. Rapp im Jahr 1819 für Anatomie angestellt, auch über Zoologie und vergleichende Anatomie Vorträge hielt, sorgte er für die Vermehrung des betreffenden Theiles der Sammlung nicht nur so weit es die beschränkten Mittel erlaubten, sondern überliess ihr auch viele auf seinen Reisen erworbene Stücke. Ferdinand Gmelin, der neben seinen medicinischen Vorlesungen auch Mineralogie vortrug, besorgte die minera- logischen Anschaffungen. Ausserdem legte Professor Schübler eine Sammlung der verschiedenen Gebirgsformationen Würtembergs an, die eine grosse Masse von einzelnen Stücken enthielt. 1. Die zoologische und vergleichend-anatomische Sammlung. Vorstand: Professor W. v. Rapr. Conservator: GRÜNEISEN. Münzgasse 96, Münzgasse 96. Die zoologische und die vergleichend-anatomische Sammlung nehmen drei Stockwerke der ehemaligen Aula ein. Im obersten Stockwerk ist die Sammlung für verglei- 36 chende Anatomie aufgestellt; der osteologische Theil derselben zeichnet sich durch seinen Reichthum und durch die Seltenheit mehrerer Stücke aus. Es sind sechshundert und achtundfünfzig vollständige Skelete vorhanden, ohne die einzelnen Schädel und Knochenpräparate. Als seltene Skelete heben wir hervor: Pithecus Satyrus. Prosimia catta, nigrifrons. Stenops gracilis, kukang. Parado- xurus typus. * Trichechus rosmarus. Phoca groenlandica. Didelphis Azarae. Halma- turus giganteus. * Phoseolomys Wombat. Hystrix insidiosa. Bathiergus capensis. Coelogenys paca. Myopotamus coypus. Ö Bradypus. * Orycteropus capensis. * Da- sypus gigas. Myrmecophaga jubata, tamandua, didactyla. * Manis tridentata. * Echidna hystrix. * Ornithorynchus paradoxus. * Elephas indieus. Rhinoceros indieus. * Tapir americanus. Hyrax capensis. Tragulus javanieus. Cervus tarandus. * Bison americanus. Antilope gnu, addax. * Manatusamericanus. Delphinapterus albicans. Delphinus globiceps, delphis, leucopleurus.. * Monodon Narvalm. * Balaenoptera rostata. In der Sammlung von Säugthierschädeln verdient eine Seltenheit erwähnt zu werden. Es ist der Schädel eines Wallrosses, an welchem oben und unten Schneidezähne, Eckzähne und Backenzähne sich finden; der Schädel ist von einem fast reifen Fötus. Von den beiden Hippopo- tamusschädeln zeichnet sich einer durch seine ungewöhnliche Grösse aus. Sie sind beide vom Cap. Gypogeranus serpentarius. Sarcorhamphus papa. Perenopterus jota. Gypaetus barbatus. Buceros rhinoceros. Corythaix persa. Rhamphastos carinatus, vitellinus. Penelope marail. * Columba coronata. 2 Struthio camelus. * Casuarius indicus. * Rhea americana. * Otis houbara. Ciconia marabu. Seopus umbretta. Psophia agami. Ibis religiosa. * Dicholophus cristatus. Recurvirostra avocetta. Phoenicopterus anti- quorum. Diomedea exulans. 23 Anatiden. 5 Sturmvögel. Gymnopus aegyptiacus. Chelonia imbricata, esculenta. * Emys ornata. Cro- codilus biporcatus (sehr gross). ÜCrocodilus niloticus. Varanus biyittatus. Seincus gigas. Laemanctus longipes. Python tigris (sehr gross). Boa cenchris, constrietor, aquatica (murina). Deirodon scaber. 3 Trigonocephalus. Naja haje. 3 Bungarus. 2 Crotalus. Elaps corallinus. Hydrophis pelamis. Dactylethra capensis. Pipa suri- namensis. Proteus anguinus. Menopoma giganteum. Hundert und sechs Skelete von Fischen. Ueber die Sinneswerkzeuge, Verdauungsorgane, über die Organe der Respiration, des Kreislaufs, über die Fortpflanzungswerkzeuge u. s. f. über tausend Präparate. Sie sind nach einer physiologischen Ordnung aufgestellt. Die zoologische Sammlung nimmt das erste und zweite Stockwerk ein. Die 3 Säugthiere und Vögel sind mit wenigen Ausnahmen in sehr grossen, gemeinschaftlichen Glasschränken aufgestellt. Die Grundlage bildete die Gatterersche Sammlung, welche meist aus einheimischen Vögeln bestand, die aber nach und nach durch bessere, frischere Exemplare ersetzt wurden. Viele werthvolle Beiträge hat die Sammlung der Freigebigkeit des nunmehr verstorbenen Herrn v. Ludwig vom Cap zu danken. Durch wiederholte Sendungen des Herrn G. Kappler in Surinam erhielt sie eine Reihe sehr schätzenswerther Stücke aus fast allen Thierklassen. Viele afrikanische Thiere sammelten die Herren Schimper, Bopp, Krauss, v. Müller. Unter den Säugethieren führen wir als seltene Arten an: Pithecus Satyrus. Semnopithecus maurus, mitratus. Ateles pentadactylus. Nyc- ticebus javanicus. Stenops gracilis, kukang. Pithecia leucocephala. Macroscelides typieus. Proteles Lalandii. Felis Iynx, concolor, chaus. Phalangista fuliginosa, Cookii. Lemmus hudsonius. Bathiergus maritimus, hottentotus, capensis. Hystrix insidiosa. Bradypus 9 Stück. Dasypus gymnurus, * gigas, hydridus. Oryeteropus capensis. Myrmecophaga jubata, tamandua, didactyla. Manis tridentata, javanica, pentadactyla. Echidna hystrix. Antilope pygarga, mergens, oreotragus, melanotis, capreolus, tragulus. Delphinus hastatus, obsceurus. Manatus americanus (von Herrn Kappler in Surinam). Die zoologische Sammlung enthält über eilfhundert Vögel und 316 Reptilien, nämlich. 32 Arten von Schildkröten, 93 Saurier, 130 Schlangen und 61 Batrachier. Fische 481 Arten. Die meisten Fische sind in Weingeist aufbewahrt, in Glasflaschen mit eingeschliffenem Deckel. Unter den wirbellosen Thieren zählt die Sammlung 1271 Arten von Mollusken, worunter viele in Spiritus. In der wenig zahlreichen Klasse der Anneliden erwähnen wir den Microchaetus giganteus Rapp oder Lambrieus mierochaetus vom Cap, welchen Herr Prof. Krauss mitgebracht hat. Der Microchaetus ist das grösste Thier aus der Klasse der Anneliden, es hat eine Länge von mehr als sechs Fuss. Unter den Cru- staceen zeichnen sich besonders die seltenen capischen Arten aus. Die Sammlung enthält 132 Arten von Crustaceen mit Einschluss der Cirripeden, von denen mehrere in Weingeist aufbewahrt sind, wie Tubicinella, Diadema, Coronula, Otion, Cineras, Anatifa. Von der Insektensammlung verdienen die Schmetterlinge erwähnt zu werden; es sind 1251 Arten vorhanden in schönen, frischen Exemplaren. Von den exotischen Schmetterlingen sind die mexikanischen und surinamischen zahlreich vertreten. Endlich finden sich 116 Arten von Echinoderen; 114 Arten von Korallenthieren ; 145 Entozoen. 38 Sowohl über die zoologische als über die vergleichend-anatomische Sammlung ist ein vollständiger, mit Registern versehener Katalog vorhanden. Der jährliche Etat der zoologisch-vergleichend-anatomischen Eau beträgt 1400 fl., wovon aber auch der Gehalt für den Conservator bestritten werden muss. Im Gebäude befindet sich der Hörsaal für Zoologie und vergleichende Anatomie. Die Sammlung ist wöchentlich einmal dem Publikum geöffnet, und an vier Tagen in der Woche gegen Einlasskarten, welche bei dem Vorstand in Empfang genommen werden und auf ein Halbjahr gültig sind, den Studierenden. In der Anstalt findet sich noch, ausser dem Arbeitszimmer des Vorstandes, das Laboratorium für den Con- servator mit den nöthigen Einrichtungen zum Schmieden, Drechseln, Hobeln, Maceriren und zum Bleichen der Knochen; auch ein Trockenofen. Alle Räume sind hell, hoch, trocken und in gutem baulichen Zustande. Die Jahreshefte des Vereins für vaterländische Naturkunde 1847 enthalten einen Vortrag des Vorstandes der zoologischen und vergleichend-anatomischen Sammlung über den Zustand dieser Anstalten. 2. Die mineralogische, geognostische und Petrefaktensammlung. Vorstand: Professor QUENSTEDT. Bei der Stadtkirche 103. Seit der Anstellung Professor Quenstedts erhielt die bisherige mineralogische Abtheilung des Naturalienkabinets eine selbständige Stellung und planmässige ansehn- liche Vermehrung. Da in den mannigfaltigen Formationen des würtembergischen Flötzgebirgs, das besonders einen grossen Reichthum von Petrefakten birgt, ein besonders günstiger Boden ist, so konnte es auch bei beschränkten Mitteln den vieljährigen Bemühungen des Vorstandes gelingen, eine Sammlung herzustellen, die durch einen Reichthum seltener und merkwürdiger Exemplare selbst viele der grösseren Sammlungen Deutsch- lands übertrifft und dem Geologen eine werthvolle Ausbeute gewährt. Wenn das Tübinger Kabinet allerdings einen vorherrschend localen Charakter hat, so liegt eben darin sein eigenthümlicher Werth; es möchte schwerlich in Deutschland eine Sammlung existieren, welche die schwäbischen Formationen so vollständig und in so schönen Exemplaren darstellt. Der jährliche Etat, der vor dem Amtsantritt des gegenwärtigen Vorstandes nur 60 fl. jährlich betrug, wurde bei seiner Anstellung auf 250 fl. und später auf 670 fl. erhöht. Ausserdem wurden bei Gelegenheit werthvoller Erwerbungen noch hin und wieder ansehnliche ausserordentliche Zuschüsse gegeben. So wurde vor Jahren ein 39 Theil der seiner Zeit berühmten Sammlung des Oberamtsarztes Hartmann in Göppingen und neuerlich die ganze des jetzt verstorbenen Bergraths Hehl in Stuttgart, die be- sonders reiche Gebirgssuiten enthält. erworben. Die Sammlung ist in den unteren Räumen des alten Universitätshauses in zwei grossen Sälen aufgestellt, die geräumig und hell, Gelegenheit zu geordneter Aufstellung und bequemer Betrachtung bieten. Daneben ist der mineralogische Hörsaal und ein Zimmer für die Zubereitung und Reinigung der aufzustellenden Stücke. Um von dem Umfang der Sammlung eine Vorstellung zu geben, führen wir an, dass sie dritt- halbtausend (2500) Schiebfächer füllt, deren jedes mindestens 50 Stücke enthält. Ausserdem bilden den oberen Theil jedes Schrankes 250 Tische mit schiefer Glas- bedeckung, in welchen die schönsten Stücke jeder Abtheilung aufgelest sind, denen sich dann die verwandten in den Schiebfächern anreihen. Dazu kommen noch eine Anzahl Glasschränke, welche an den Wänden aufgestellt sind und in denen sich meist grössere Stücke befinden. Ein Hauptvorzug der Aufstellung ist die ausgezeichnete Sauberkeit und zweckmässige Zubereitung, welche das Eigenthümliche jedes Stückes deutlich hervortreten lässt und die Anordnung, die, so viel es der theilweise etwas beschränkte Raum zulässt, nach wissenschaftlicher Eintheilung durchgeführt ist. Dass die wissenschaftlichen Benennungen und die Fundorte beigeschrieben sind, versteht sich von selbst. Die Sammlung zerfällt in drei Abtheilungen: 1) die mineralogische, 2) die petrefac- tologische, 3) die geognostische. Die erste besteht aus 4 Schränken mit Glastischen und den entsprechenden Schiebfächern. Sie ist nach dem System des Professor Weiss in Berlin mit einigen Modificationen geordnet. Besonders schön und vollständig sind die Krystalle vertreten, wie denn überhaupt vorwiegend in krystallographischer Rich- tung gesammelt wurde. Auch findet man einen reichen Vorrath von Krystallmodellen, die sämmtlich unter Leitung des dermaligen Vorstandes vom Diener des Cabinets bearbeitet wurden. Den Glanzpunkt bildet aber die Abtheilung der Petrefacten, die zoologisch, be- ziehungsweise botanisch geordnet sind. Von den Säugethieren finden wir u. A. Knochen des Mammuth, des Mastodon, des Palaeotherium und des Dinotherium, von beiden letzteren eine grosse Menge Zähne aus der reichen Fundgrube bei Pfronstetten; von dem Dinotherium ein vollständiges Gebiss. Unter den Amphibien zeichnen sich die Saurier durch Exemplare von ausserordentlicher Grösse und Vollständigkeit der einzelnen Theile aus, und sind sehr schön aus dem Schiefer, in welchen sie eingeschlossen waren, herausgearbeitet. Sie stammen meistens aus der Umgegend von Boll in den Oberämtern Kirchheim und Göppingen. So ist z. B. ein schönes Exemplar von einem Ichthyo- U) saurus, im Lias Epsilon bei Ohmden gefunden, von 24 P. Fuss Länge hier zu sehen; "kleinere Exemplare noch vollständiger erhalten, wieder einzelne Knochen von noch grösseren. Unter Anderem ein Exemplar mit dem Jungen im Leib; ferner ein Te- leosaurus von 11 P. Fuss Länge, dem vornen und hinten etwa 7 Fuss fehlen, auf beiden. Seiten heraus gearbeitet. Reichlich sind auch die Fische vertreten, von denen mehrere 100 zum Theil sehr ausgezeichnete und seltene Exemplare vorhanden sind. Besonders sind mehrere Lepi- dotusarten aus dem Posidonienschiefer bei Boll und Holzmaden hervorzuheben, an denen man nicht blos die Schuppen erkennt, sondern die selbst, auf beiden Seiten herausgearbeitet, bis auf die innersten Theile blosgelegt sind. Von Weichthieren finden sich die Cephalopoden in grosser Massenhaftiekeit, besonders eine Unzahl von Am- moniten, eine ganze von schönen Ammoniten gebildete Pyramide ziert die Mitte des Saales. Viele Exemplare sind sehr wohl erhalten mit sorgfältig eingezeichneten Loben, die mitunter bis auf die Bauchseite sichtbar werden. Die Belemniten und Tere- brateln sind in zahlreichen Varietäten vorhanden; bei letzteren sind die innern Knochen- gerüste mit grosser Sorgfalt herausgearbeitet, was auch von den Schlössern der Bivalven zu rühmen ist. { Viele wichtigere Stücke finden sich in Quenstedts Monographien über die Cepha- lopoden, die Lepidoten und die Mastodonsaurier und in seinem Handbuch der Petre- factenkunde beschrieben und abgebildet. Die dritte Abtheilung der Sammlung ist die geognostische, in welcher nicht nur die würtembergischen Gebirgsarten, namentlich die Juraformationen der schwäbischen Alb, die Sandstein- und Granitbildungen des Schwarzwaldes, die verschiedenen Schichten _ des aufgeschwemmten Landes, sondern auch die Gebirgsarten anderer Gegenden Europas mit ihren eigenthümlichen Petrefaeten in geognostischer Ordnung aufgestellt sind. V. Das physikalische Cabinet. Auf dem Schloss. Vorstand: Professor REUScH. Auf dem Schloss. Der physikalische Apparat ist in dem nordöstlichen Eckthurme des Schlosses und in zwei Sälen aufgestellt. Bohnenberger und Nörrenberg sind die Gründer dieser Sammlung. Aus Bohnenbergers Zeit stammt ein grosses Normalbarometer, ferner einige ihm eigenthümliche Apparate, wie das Reversionspendel und die kleine Schwungmaschine M zu Demonstrationen über die Achsendrehung der Erde und die Praecession. In die Zeit Nörrenbergs fallen die Anschaffungen eines Frauenhoferischen Heliostats, dreier magnetelektrischen Maschinen von Pixii, Ettingshausen und Stöhrer, einer grossen Luft- pumpe von Deleuil, einer eigenthümlichen Sirene, einer Orgel u. s. w. Vom gegen- wärtigen Vorstand wurden angeschafft ein Mellonischer Apparat von Ruhmkorff, eine Diffractionsbank von Soleil, Apparate zur Polarisation und doppelten Strahlenbrechung u. A. Der jährliche Normaletat beträgt 850 fl.; im letzten Etatsjahr wurden 2712 |. verwendet. VI. Die Sternwarte. Auf dem Schloss. Vorstand: Professor ZEoR. Wilhelmsstrasse 951. Die Sternwarte wurde im Jahr 1752 auf Anordnung Herzog Karls und unter Leitung des damaligen Professors der Astronomie Georg Wolfgang Kraft, eines früheren Mitglieds und Professors der Mathematik und Physik an der Akademie zu Petersburg, auf dem nordöstlichen Eckthurm des Schlosses eingerichtet und mit einem in Paris verfertigten Quadranten, einer Pariser Pendeluhrund einem Fernrohr von 16 Fuss versehen. Bald nach Pfleidezers Anstellung wurde sie umgebaut, und im Jahr 1800 für Bohnen- berger ein Zimmer zu Beobachtungen und eine Wohnung eingerichtet, auch wurden mehrere neue Instrumente angeschafft, die zum Theil noch jetzt in Gebrauch sind. Eine aber- malige Erneuerung und Umbau fand im Jahre 1845 statt in Folge der Erwerbung eines Refractors. Die jetzige Sternwarte hat die Form eines Kreuzes mit einem mittleren und vier seitlichen Zimmern. Das westliche Zimmer ‚enthält die von unten herauf und die nach oben auf die Platform führende Treppe und dient als Vorzimmer. Das mittlere etwas erhöhte Zimmer mit. einem auf Schienen verschiebbaren Dache enthält den Re- fraetor, das Hauptinstrument der Sternwarte. Derselbe, von Merz und Maler in München, hat 6 Zoll Oeffinung und 8 Fuss Brennweite; dazu gehören 9 Münchener Oeulare von 84 bis 417maliger Vergrösserung, 5 orthoskopische von Kellner in Wetzlar mit ungefähr denselben Vergrösserungen, ein Kreismikrometer mit 100maliger Ver- grösserung und 7'/2‘ Halbmesser, ein Fadenmikrometer mit 5 Ocularen von 116 bis 428 maliger Vergrösserung. Der Refractor hat einen über Erwarten festen Stand, obgleich der Thurm, auf welchem die Sternwarte erbaut werden musste, eine beträchtliche Höhe besitzt. Zur Beurtheilung seiner optischen Kraft kann angeführt werden, dass 6 N er unter günstigen Umständen den fünften Stern im Trapez des Orion zeigt, und dass im vergangenen Winter der innere dunkle Ring des Saturn. das Durchscheinen der Saturnkugel durch denselben und die nach aussen concave Wölbung des Schattens des Planeten auf dem Ring sehr deutlich gesehen wurde. Im östlichen Zimmer befindet sich unter Meridiandurchschnitt ein tragbares Pas- sageninstrument von Ertel und Sohn in München mit einem gebrochenen Fernrohr von 19 L. Oeffnung und 18 Z. Brennweite, 2 Ocularen von 37 und Ö4maliger Vergrös- serung; Beleuchtung der Fäden durch das Objectiv. Im nördlichen Zimmer ist im ersten Vertikal ein älteres vierzehnzölliges Universal- instrument von Reichenbach und Ertel aufgestellt; es hat ein gebrochenes Fernrohr von 20 L. Oeffnung und 18 Z. Brennweite. Das südliche Zimmer dient zur Aufstellung der beweglichen Instrumente auf einem breiten gemauerten Pfeiler am südlichen Fenster. Von solchen sind zu nennen ein parallactisch montirter Kometensucher von Utzschneider und Frauenhofer von 34 L. Oeffnung und 2 F. Brennweite mit 3 Ocularen; ein parallactisch montirtes dialytisches Fernrohr von Plössl in Wien von 37 L. Oeffnung und 34 Z. Brennweite, mit 1 ter- restrischen, 4 astronomischen Ocularen und einem Kreismikrometer; ein achromatisches Fernrohr von Ramsden von 25 L. Oeffnung und 2'/z F. Brennweite, mit 2 terrest- rischen und 4 astronomischen Ocular von 35, 55 und 100maliger Vergrösserung; ein zwölfzölliges Aequatoreal von Utzschneider, Liebherr und Werner von 21 L. Oefi- nung, 23 Z. Brennweite, mit Fadenmikrometer; ein 3'/ezölliger Spiegelsextant von Troughton. Die Sternwarte besitzt eine neue Pendeluhr von Tiede, zwei ältere von Buzen- geiger und von Ageron, und einen Boxchronometer von Kessels; ein Reiseheberbaro- meter von Buzengeiger, ein dsgl. von A. Greiner in München, ein Thermometer, in Fünftelsgrade getheilt, von demselben, ein Thermometer von Baumann; verschiedene geodätische Instrumente, Messtische, einen Distanzmesser, ein Nivellirinstrument, ein Heliotrop von Steinheil, Maasstäbe, Stangenzirkel u. s. w., ‚eine Sammlung von Stern- charten, namentlich die der Berliner Akademie und Bishop’s Ecliptical Charts, Stern- verzeichnisse u. s. w. Zur Sternwarte gehört endlich noch ein grosser dreifüssiger Repetitionskreis von Reichenbach, welcher in einem besondern Häuschen mit Drehdach im Garten aufge- stellt ist. Der jährliche Fonds der Sternwarte beträgt 250 fl. nn 13 VII. Die chemischen Laboratorien. 1. Das neue chemische Laboratorium in der Wilhelmsstrasse. Vorstand: Professor Cur. GMELIN. Im Gebäude: Wilhelmsstrasse 966. Dasselbe wurde auf der rechten Seite des neuen Universitätshauses im J. 1846 nach dem Muster des von Baumeister J. P. Hofmann nach Liebigs Anleitung in Giessen ausgeführten und in einer besonderen Schrift beschriebenen Laboratoriums durch Bauinspector Barth erbaut. Das Hauptgebäude besteht aus zwei Stöcken, deren unterer für die Zwecke des Laboratoriums, der obere für die Wohnung des Vorstandes be- stimmt ist. Nach hinten hat es einen einstockigen Anbau, der mit dem Hauptgebäude in Verbindung steht und einen grossen Saal (analytisches Laboratorium), sowie einen grossen Hörsaal enthält. Der letztere hat amphitheatralische Bänke mit Raum für SO Zu- hörer, steht von drei Seiten ganz frei und ist ausserordentlich hell. In den für die praktischen Arbeiten der Studierenden bestimmten Räumen arbeiten unter Leitung des Vorstandes 25 Personen, zur Noth könnten auch 30 Platz finden. Ein fliessender Brunnen im Hofe führt mittelst einer Röhrenleitung 16 Arbeitsstätten Wasser zu. Der untere Stock enthält ausserdem die für die Wagen, Präparate und Aufbewahrung von Materialien nöthigen Zimmer. Unter dem Hörsaal befindet sich auch ein von dem- selben aus zugängliches Kellergeschoss, in welchem es nicht friert. Im Hofe ist noch ein kleines Laboratorium für Versuche mit stinkenden Gasen u. s. w. Der jährliche Etat. wovon ausser den Materialien für Versuche auch noch der Gehalt des Assistenten bestritten werden muss, beträgt 950 1l. 2. Das chemische Laboratorium auf dem Schloss. Vorstand: Professor ScHLOSSBERGER. Wilhelmsstrasse 951. Dieses war früher das einzige eigentliche Laboratorium der Hochschule und von mangelhafter Einrichtung jedoch ziemlich ausgedehnten Räumlichkeiten. Nach Ausbau des neuen chemischen Laboratoriums wurde es an Professor Schlossberger übergeben und von demselben den Anforderungen der Zeit und der neueren Richtung des che- mischen Unterrichts entsprechend auf Kosten des Staates eingerichtet. Es befindet sich in den unteren Räumen im südlichen Flügel des Schlosses und besteht aus einem grossen freundlichen und hellen Saale für 16 Praktikanten, einem anstossenden Hör- saale, einem Laborirzimmer für feuergefährliche Arbeiten und einem Wagzimmer. 6* 4 Es wurde seit seiner Erbauung von einigen Hundert Studierenden benützt. Ueberhaupt ist die Einsicht, dass ohne selbstthätiges Experimentiren die Chemie so wenig als die Anatomie ohne Präparirübungen gründlich erlernt werden kann, auch hier wie auf anderen Universitäten allgemein durchgedrungen. Es dürfte zu den Ausnahmefällen gehören, wenn ein Studierender der Mediein nicht im Laufe seiner Studienjahre, in einem der beiden Laboratorien oder oft auch in beiden einen Kurs praktischer Uebun- gen nimmt. Der Etat für das Laboratorium auf dem Schlosse beträgt 500 fl. 3. Laboratorium für Agricultur- und technische Chemie. Vorstand: Professor SıGwART. Neckarhalde 132. Dieses befindet sich ebenfalls auf dem Schlosse, wo es im Jahr 1837 in der südwestlichen Ecke neben der zu den Wohnungen gehörigen Waschküche eingerichtet wurde. Im Jahr 1816 wurde dem Professor Sigwart eine Summe von 200 fl. zu Anschaffung chemischer Instrumente mit der Bestimmung bewilligt, dass der ange- schaffte Apparat Eigenthum der Universität sein solle. Dieser Apparat wurde all- mählich theils auf Staatskosten theils auf Kosten Sigwarts vermehrt und letzterem nach dem Tode Professor Schüblers 1835 auch dessen Apparat, der ihm zu Vorlesungen über Agriculturchemie gedient hatte, provisorisch übergeben, nebst dem jährlichen Beitrag von 120 fl., welche für das agronomische Institut ausgesetzt waren; und jetzt erst ward das Laboratorium eingerichtet, mit dessen Verwaltung Prof. Sigwart 1838 definitiv beauftragt wurde. Der jetzige Etat beträgt 150 Al. VII. Die Anatomie. Vorstand: Professor LuscHkA. Wilhelmsstrasse 951. Der bescheidenen Anfänge der anatomischen Anstalt haben wir bereits bei Ge- legenheit der Universitätsgeschichte gedacht. Nachdem man sich lange Zeit mit der engen Sanct Jacobskapelle beholfen hatte, beschloss man endlich im Jahr 1832 nach langen. Verhandlungen über den Bau eines neuen anatomischen Theaters, ein eigenes Gebäude für diesen Zweck am nördlichen Abhange des Oesterberges, im ehemaligen Ploucquetischen Garten, aufzuführen. Der gewählte Platz war ganz geeignet dafür, 45 indem er abgesondert, doch ganz nahe bei der Stadt liegt, und beständigen Zugang frischer Luft gewährt. Zu Anfang des Winterhalbjahrs 1835 —36 wurde die neue Anstalt eröffnet und ihre innere Einrichtung, die nach dem Plane des Kreisbauraths Roth und den An- gaben des damaligen Vorstandes und Professors der Anatomie und Physiologie, Wilhelm Rapp, gemacht wurde, hat sich seitdem als ganz zweckmässig bewährt. Das Gebäude ist 115 Fuss lang, 52 breit und enthält im ersten Stockwerke ein geräu- miges, in seinen kreisförmigen Reihen mehr als 200 Personen fassendes Amphitheater. Dieses nimmt die ganze Breite des Gebäudes ein und erstreckt sich durch zwei Stock- werke. Seine Höhe beträgt 28 Fuss. Von drei Seiten erhält es Licht, besonders sind an der westlichen Seite drei grosse Fenster angebracht, welche zusammen 660 Quadratfuss einnehmen. Zur Seite dieses Amphitheaters gegen Westen befindet sich ein Hörsaal mit Tischen, in welchem die Vorlesungen über normale und patho- logische Anatomie, sowie über Physiologie gehalten werden. Auf demselben Stockwerk ist der anatomische Präparirsaal; an diesen stösst das Zimmer des Prosectors. Letzteres ist durch einen besonderen Gang mit dem Amphitheater in Verbindung gesetzt. Auf diesem Stockwerk befindet sich auch das Zimmer des Professors der Anatomie, ferner zwei Zimmer für die physiologische Anstalt, sowie für einen Theil der anatomischen Sammlung. Im obersten Stockwerk ist ein grosser von drei Seiten freier Saal einge- richtet, in welchem die Sammlungen für normale und pathologische Anatomie aufbewahrt werden. Sie wurden von Professor Clossius angefangen, dann von Froriep. Rapp und Arnold und dem gegenwärtigen Vorstand der Anatomie Luschka fortgesetzt. Die erstere zählt 645 Präparate, von welchen 97 zur Entwicklungsgeschichte des Menschen gehören. Die pathologische Sammlung zählt 1051 Präparate und 81 Missbildungen des Menschen und verschiedener Thiere. Im Erdgeschoss sind geeignete Räume für die Aufbewahrung der Leichen im Sommer und Winter. Die Zahl der eingelieferten Leichname beträgt jährlich im Durchschnitt 160, theils Strafgefangene aus Ludwigs- burg und Markgröningen, theils Selbstmörder und hingerichtete Verbrecher, so- wie ortsarme Personen, die auf öffentliche Kosten begraben werden müssten. Durch eine einfache Vorrichtung können die Leichname ganz bequem von der Leichen- kammer in das Präparirzimmer gehoben werden. Das Erdgeschoss enthält ferner einen Raum zur Aufbewahrung von Thieren, an welchen physiologische Versuche angestellt werden, und eine Wohnung für den Anatomiediener. Auch ist eine eigene Küche zu anatomischen Injectionen eingerichtet. An der Südseite des Gebäudes ist ein 24 Fuss langer Balkon angebracht und hinter dem Gebäude ein gegen 100 Fuss tiefer Brunnen gegraben und ausgemauert, nachdem es nicht gelungen war einen artesischen Brunnen 46 zu Stande zu bringen. Die nächste Umgebung des Hauses bildet ein geräumiger Garten, welcher auf passende Weise umschlossen ist. Der Gesammtetat der anatomischen Anstalt beträgt 2330 fl., wovon 1200 fl. auf die Transportkosten der Leichen fallen. Die Vorlesungen, die von dem ordentlichen Lehrer der Anatomie in der Anstalt gehalten werden, umfassen physiologische, pathologische, chirurgische und mikroscopische Anatomie und Entwicklungsgeschichte. IX. Das physiologische Institut. Im Anatomiegebäude, Vorstand: Professor VIERORDT. Neckarvorstadt 962. Seit Frühjahr 1853 ist in Folge der Trennung des Lehrfachs der Physiologie von dem der Anatomie ein besonderes physiologisches Institut ausgesondert worden, das aber in dem Anatomiegebäude seine Räume behalten hat. Zur Anstellung von Versuchen und Anschaffung von Apparaten sind jährlich 400 fl. bestimmt. Ausser- ordentliche Zuschüsse treten ergänzend ein. Das Institut hat schon jetzt eine ziemliche Sammlung von physiologischen Apparaten zur Verfügung, so dass nur wenige vermisst werden, welche für das unmittelbare Bedürfniss des physiologischen Unterrichts er- forderlich sind. Von Instrumenten sind etwa hervorzuheben. eine in der Fabrik von Rolle und Schwilgu@ zu Grafenstaden bei Strasburg zum Zweck der Wägungen des menschlichen Körpers gefertigte Wage; die Apparate zu Anstellung der Versuche über physiologische Electrieität, worunter auch ein grosser Multiplicator zur Untersuchung des Nerven- stroms; ferner sind mehrfache Apparate zu hämodynamischen Versuchen vorhanden. Zu Anstellung von Versuchen ist auch ausserhalb der eigentlichen Vorlesungen den Studierenden Gelegenheit gegeben. X. Die Kliniken. Das im J. 1805 unter Autenrieths Leitung erbaute akademische Krankenhaus, welches zugleich für innere und chirurgische Klinik und Geburtshülfe bestimmt, auch noch Wohnungen für die Vorstände abgeben musste, konnte den gesteigerten Ansprüchen 4 eines bedeutend erweiterten klinischen Unterrichts nicht mehr genügen; es wurde daher im J. 1842 von der Ständeversammlung die Erbauung eines neuen Krankenhauses beantragt und sofort von der Regierung ins Werk gesetzt. Unter Leitung der Vorstände der medieinischen und chirurgischen Klinik wurde dasselbe auf eine den Anforderungen der Gegenwart entsprechende sehr anständige Weise eingerichtet, und im Spätjahr 1846 dem Gebrauch übergeben. Das in edlem Stil erbaute Haus steht in der Nähe des neuen Universitätshauses hinter dem botanischen Garten, dem Licht und der Luft von allen Seiten zugänglich und bietet einen freundlichen einladenden Anblick. Der untere Stock enthält ausser der Wohnung für den chirurgischen Assistenzarzt und Assistenten, für die Krankenwärter und den Hausmeister die Küche, die Speise- und Leinwandkammer, die Badezimmer, das Auditorium der medieinischen Klinik, das chemische Laboratorium für den Dienst des Hauses und einige Reservezimmer für chirurgische Kranke, sowie ein Zimmer zur Aufbewahrung von anatomisch-pathologischen Präparaten. Der zweite Stock ist für die chirurgische, der dritte für die medieinische Abtheilung bestimmt, jede mit grösseren und kleineren vierzehn bis sechszehn Fuss hohen Krankenzimmern, nebst einigen weiteren Zimmern zur Reserve für Separatkranke, so dass in dringenden Fällen im Ganzen 100 Kranke aufgenommen werden können. Im dritten Stocke, auf dem Boden der medicinischen Klinik wohnen der medieinische Assistenzarzt und Assistent. Die Bettstellen sind grösstentheils eiserne, das Bettzeug besteht aus einem abgenähten Strohsack, einer Matraze von Rosshaar, einem Polster, Kopfkissen und wollenen Teppich mit Ober- und Unterleintuch. Die, welche es wünschen, bekommen auch Federdecken. Neben dem Hauptgebäude befindet sich. noch ein kleines Haus, das in dem un- teren Stockwerk das Secirzimmer, die Leichenkammer und die Waschanstalt, im oberen Stock noch zwei für ansteckende Kranke bestimmte Zimmer enthält. Das Krankenhaus ist reine Universitätsanstalt und es werden daher die Kosten, die sich auf 16—17,000 fl. jährlich belaufen, allein aus dem Universitätsetat be- stritten. Die Aufnahme der Kranken ist desshalb nur von den Vorständen abhängig, Niemand hat das Recht aufgenommen werden zu müssen, auch ist Niemand (wie etwa anderwärts Dienstboten, Handwerker, Ortsarme) gesetzlich darauf angewiesen, ‘seine Verpflegung in Krankentagen hier zu suchen. Nur freier Entschluss, bestimmt durch Armuth oder Vertrauen auf den Vorstand, führt die Kranken hieher. Arme werden, wenn sie ein Armuthszeugniss von ihrer Ortsbehörde beibringen, unentgeltlich aufgenommen, auch ohne dieses, wenn der Krankheitsfall für Unterrichts- zwecke besonders geeignet erscheint. Ausserdem wird ein Ersatz von 24 kr. bis 1 fl. täglich berechnet, je nachdem ein Kranker mit anderen in einem Zimmer liegt, oder 48 ein eigenes Zimmer mit eigener Bedienung anspricht. Die Einnahme von diesen zah- lenden Kranken ist in der chirurgischen Abtheilung durchschnittlich 200 fl. jährlich, das Minimum 134 fl., das Maximum 375 fl. Beide Abtheilungen der Klinik haben neben den Hauskranken auch noch eine Anzahl Ambulanten zu behandeln, die nur zu den Unterrichtsstunden erscheinen, um bei dem Institut Rath und Verordnung zu suchen. Ausser dem Vorstand sind in beiden Abtheilungen noch ein Assistenzarzt und ein Assistent und mehrere Kranken- wärter angestellt. Die Assistenzärzte werden aus der Zahl der jüngeren examinirten Aerzte mit 400 fl. Besoldung, freier Wohnung und dem Recht Vorlesungen zu halten je auf zwei Jahre ernannt, die Assistenten je auf ein Jahr aus der Zahl der Stu- dierenden. Letztere haben ebenfalls freie Wohnung und Heizung und ein Staatsstipen- dium von 150 fl. als Gehalt. 1. Die medicinische Klinik. Vorstand: Professor Gore Rarr. Assistenzarzt: derzeit Dr. BüoHser. Wilhelmsstrasse 960. Im Krankenhaus. Diese befindet sich, wie schon oben erwähnt, in dem dritten Stock des Kranken- hauses und hat 59 Betten in 5 Sälen und 6 kleineren Zimmern zur Verfügung. Ihre Kranken sind zum kleinsten Theile aus der Stadt zum grössten aus deren nächster Umgebung, seltener auch aus entfernteren Gegenden, weil acute und gefährliche Kranke in der Regel nicht mehr transportabel sind. Eine grosse Zahl der Ambulanten be- stand früher aus Krätzigen. Diese wurden aber seit einigen Jahren in der Regel aus- geschlossen, da dem Institut daraus eine bedeutende Ausgabe erwuchs, ohne ent- sprechenden Nutzen für Lehrzwecke. Die Frequenz der letzten Jahre war seit dem Amtsantritt des gegenwärtigen Vorstandes folgende: Hauskranke. Ambulante. Gesammtsumme. Todesfälle. 1850—51 461 1733 2194 20 1851— 92 355 1562 1917 43 1892 — 93 374 1560 1934 29 Die im Uebrigen günstige Zahl der Todesfälle kann weder bei der medieinischen noch bei der chirurgischen Abtheilung einen Anhalt für statistische Berechnungen geben, weil manche Kranke bloss in Aussicht auf einen interessanten Beitrag zur patholo- gischen Anatomie aufgenommen werden. 49 2. Die chirurgische Klinik. Vorstand: Professor Vıctor Bruns. Assistenzarzt: dermalen Dr. FıcHte. Neckarhalde 154, Im Krankenhaus. Die chirurgische Klinik nimmt den ganzen zweiten Stock des neuen Kranken- hauses ein und enthält ausserdem noch ein paar kleinere Reservezimmer in dem untern Stocke. Sie umfasst drei grössere Säle für männliche Kranke zu 6—8 Betten, einen ähnlichen Saal für weibliche Kranke und 4 kleinere Krankenzimmer mit 1 bis 4 Betten, welche nach Umständen für einzelne abzusondernde Kranke, für Kinder, für Augen- kranke und für Solche benutzt werden, die gegen vollen Ersatz ein Zimmer für sich allein zu haben wünschen. Ausserdem befindet sich noch in diesem Stock ein ge- räumiger Operationssaal mit stufenweise erhöheten Sitzen, welcher zugleich als Hörsaal bei den chirurgischen ı Vorlesungen benutzt wird; zwei Zimmer für die Sammlung chi- rurgischer Instrumente, Maschinen, Verbände und Gipsabgüsse besonders von Ver- krümmungen an den Gliedmassen; ein Wartezimmer für die ambulatorischen Kranken und ein Zimmer für den Vorstand der chirurgischen Klinik. Zu erwähnen ist noch eine erst seit dem Bezuge dieses neuen Gebäudes auf Kosten der Anstalt angelegte Sammlung anatomisch-pathologischer Präparate aus der chirurgischen Klinik, welche trotz der kurzen Zeit ihres Bestehens schon über 400 Nummern und darunter nament- lich zahlreiche instructive Präparate über Knochen- und Gelenkkrankheiten enthält. Die Kranken der chirurgischen Klinik sind theils Hauskranke, theils ambulato- rische Kranke. In das Haus aufgenommen werden vorzugsweise schwerer Erkrankte, bei denen eine fortgesetzte ärztliche Ueberwachung, Anwendung besonderer Apparate etc. zur Heilung nothwendig sind, und namentlich Solche, die sich einer grössern Operation unterziehen wollen. Kranke dieser Art kommen nicht nur aus der nähern und weitern Umgegend Tübingens zur Klinik, sondern auch aus allen, selbst den entferntesten Gegenden des Landes, theils aus eigenem Antriebe, theils von den Aerzten des Landes dahin gewiesen, von Letzteren besonders arme Kranke, bei denen der Erfolg der Operation vielfach noch so sehr von einer sorgfältigen Nachbehandlung und Verpfle- gung abhängt. Hieraus erklärt es sich denn auch, dass die Zahl der chirurgischen Kranken trotz der Kleinheit der Stadt Tübingen und trotz der im Allgemeinen viel geringern Anzahl chirurgischer Erkrankungen im Vergleiche zu medieinischen Kranken, dennoch nicht nur ziemlich hoch sich beläuft, sondern namentlich auch eine grössere Mannigfaltigkeit und grössere Anzahl von lehrreichen Fällen wichtiger Operationen überhaupt in sich schliesst,, als dieses bei vielen andern chirurgischen Kliniken und Krankenanstalten der Fall ist, selbst auch solchen, die eine ungleich grössere Ge- sammtzahl von Kranken jährlich aufnehmen. 7 50 In der chirurgisch-ambulatorischen Klinik, welche von dem gegenwärtigen Vor- stande eigentlich erst ins Leben gerufen, eines ungewöhnlichen Aufschwunges sich zu erfreuen gehabt hat, werden theils leichtere chirurgische Krankheitsfälle aus der Stadt und deren Umgegend in reichlicher Anzahl behandelt, theils bietet sie auch dadurch, dass sie vielfach von näheren und entfernteren Kranken als Consultatorium benutzt wird, genugsam Gelegenheit dar, seltenere und diagnostisch-schwierige Fälle zu ‚sehen. Ausserdem werden auch noch einzelne chirurgische Kranke in der Stadt und in den nächstgelegenen Dörfern in ihren Häusern von den Praktikanten der Klinik unter Auf- sicht des Vorstandes oder des Assistenzarztes behandelt. Der Zutritt zu dieser Klinik steht jedem Kranken unbedingt frei, nur wer aus ihr auch die Arzneien unentgeldlich erhalten will, hat ein Armuthszeugniss mitzubringen. Zum Belege des Gesagten mag es genügen, eine kurze Uebersicht über die An- zahl der in der stehenden und in der ambulatorischen Klinik behandelten Kranken zu geben. und zugleich eine summarische Hinweisung auf die wichtigeren Operationen, deren jährliche Anzahl noch fortwährend im Zunehmen begriffen ist. Die hier er- wähnten Operationen sind fast sämmtlich von dem Vorstande der Klinik selbst aus- geführt, nur einzelne leichtere derselben, so wie die hier nicht aufgeführten, gewöhnlich zur sogenannten kleinen Chirurgie gerechneten Operationen, als das Ausziehen von Zähnen, die Eröffnung von Abscessen, die Spaltung von fistulosen und sinuosen Ge- schwüren, die Application des Glüheisens, des Haarseils ete. wurden den Praktikanten der Klinik übertragen. Erwähnt sei hier noch, dass durch die verschiedenen Kranken der stehenden und ambulatorischen Klinik den Studierenden hinreichende Gelegenheit zur Erwerbung der nöthigen Fertigkeit in der chirurgisch-diagnostischen Technik, sowie in dem Anlegen von Verbänden, Apparaten etc. stets gegeben worden ist. Der nachfolgenden Uebersicht über die Gesammtzahl der in der chirurgischen Klinik seit dem Eintritte des gegenwärtigen Vorstandes behandelten Kranken ist zu- gleich die Anzahl der Todesfälle in den einzelnen Jahren beigefügt. Ambulante Kranke. Hauskranke. Gesammtzahl. Todesfälle. 1843 —44 98 138 196 6 1844—45 115 165 280 8 1845 —46 331 202 533 10 1846—47 414 258 672 9 1847 —48 522 279 801 10 1848—49 580 308 „ 888 14 1849—50 758 336 1091 17 1850 —51 189 331 1120 17 BJ 1851—52 980 323 1303 18 1852 —53 797 280 1077 15 Während die Frequenz in der Ambulantenklinik eine zunehmende Steigerung zeigt, die in dem Jahre 1851—52 ihr Maximum erreicht zu haben scheint, so zeigt die stehende Klinik vom Jahr 1846—47, dem Zeitpunkte der Eröffnung des neuen Krankenhauses an, nur unerhebliche Schwankungen in der Krankenzahl, die haupt- sächlich von der längern oder kürzern Anwesenheit der einzelnen Kranken und dem dadurch bedingten raschern oder langsamern Wechsel in der Besetzung der vorhan- denen Bettstellen abhängen. Durchschnittlich beläuft sich die Anzahl der in dem Semester vorhandenen täglichen Krankenzahl auf 36—40, beträgt zuweilen sogar auch noch mehr, während dieselbe in den Ferien der nothwendigen Ersparnisse zum Ein- halten des Etats wegen zeitweise auf 15, 10 ja 5 hinabsinkt. Unter den seit der Eröffnung des neuen Krankenhauses vorgenommenen Opera- tionen sollen hier nur folgende genannt werden; eine vollständige Aufzählung der früheren bis zu dem gedachten Zeitpunkte findet sich in dem bei dieser Gelegenheit ausgegebenen Programme *). Amputationen und Exartieulationen 68; darunter Amputationen des Oberschen- kels 28, des Unterschenkels 24; Exartieulationen aus dem Schultergelenk 1, aus dem Kniegelenk 2, aus dem Fussgelenk nach Syme 7, aus dem Fusswurzelgelenk nach Chopart 1, aus dem Mittelfussgelenk nach Lisfrane 1. Unter 37 Resectionen an den verschiedensten Knochen sind zu erwähnen: Re- section des ganzen Schulterblattes bis auf die Spitze des Processus coracoideus 1, Re- section des Unterkieferss 8. worunter 3 eines ganzen Seitentheils mit Auslösung im Kiefergelenke; Resection des Oberkiefers 1; des Caput femoris 1; des Kniegelenks 2; des Ellenbogengelenks 2; Resectionen an den Fusswurzelknochen 3. Diesen schliessen sich an zahlreiche Entfernungen von nekrotischen Knochenstücken, 8 Fälle von Pseudar- throsen durch verschiedene Operationen behandelt, u. A. auch durch Einschlagen von Elfenbeinzapfen, durch Reseetion der Bruchenden und durch Anlegung einer blu- tigen Nath an die abgesägten Bruchenden. Operationen an den Geschlechts- und Harnwerkzeugen: Steinschnitt 12, Stein- zertrümmerungen 4, Operation des Wasserbruchs 51, Castration 4, Harnröhrenschnitte d. Operationen an den Verdauungsorganen: Radicaloperationen von Leisten - und Nabelbrüchen 10, Herniotomieen 4, Mandelausrottungen 18, Lippenkrebs 20, Gaumen- *) Uebersicht über die in der chirurgischen Klinik zu Tübingen vom Frühjahr 1843 bis Spätjahr 1846 vorgekommenen Krankheitsfälle und Operationen nebst Mittheilung einer Auslösung des Ober- schenkels aus dem Hüftgelenke von Dr. Victor Bruns. Mit 3 Abbildungen. Tübingen 1847. 4. 7 52 näthe 2, Operationen der Ranulageschwulst 4, Hasenscharten 23. Lippenbildungen 9, Mundbildungen 3. Operationen an den Athmungsorganen: Luftröhrenschnitte 5, Paracenthese der Brusthöhle 6, Extraction von Nasenpolypen 15, Operation des Kropfes durch Einschnei- den 14, durch Ausschneiden, Abbinden, Wegätzen 3, Nasenbildungen, ganze und theilweise, 9. Endlich seien noch erwähnt von den übrigen Operationen die zahlreichen Exstir- pationen von Geschwülsten an den verschiedensten Körpertheilen (Balg-, Fett-, Faser-, Krebs-, Drüsengeschwülsten) 124, darunter 19 Abnahmen der weiblichen Brust, so wie die nicht minder zahlreichen Sehnen- und Muskeldurchschnitte, 133, welche am häufigsten bei Klumpfüssen, ausserdem aber auch bei sonstigen Verkrümmungen der Füsse, der Knie- und Hüftgelenke, der Finger, des Halses, Rückens ausgeführt wurden. Unter den Augenoperationen sind hervorzuheben: Staaroperationen 123; darunter Discisionen 19, Reclinationen 39, Extractionen des harten Linsenstaares durch den Horn- hautschnitt, meist nach oben 43, Entfernung des flüssigen Linsenstaares durch die Aspiration 8, Entfernung des Kapselstaares durch den Seleroticalschnitt 13, Pupillen- bildungen 13, nämlich 6 Iridotomieen und 7 Iridodialysen; Augenbildungen 5. Die Theilnahme an der Klinik von Seiten der Studierenden ist sehr erfreulich, sie wird von sämmtlichen inländischen Studierenden der Mediein und zwar von den meisten derselben 4, von nicht wenigen mit Hinzunahme ihres praktischen Vorbereitungs- jahres 5—6 Semester lang besucht. Die Anzahl der Zuhörer ist desshalb in der Regel über 50, ist auch schon bis auf 67 gestiegen, im Sommer 1848 fiel sie zwischen- hinein auf 30. Studierende. welche die Klinik in der angegebenen Zeitdauer besucht haben, können daher einen nicht unbeträchtlichen Schatz eigener Anschauung und Erfahrung in dem Gebiete der chirurgischen Krankheiten in die beginnende selbständige praktische Thätigkeit mit hinübernehmen. 3. Die Poliklinik. Im Gebärhaus (alten Klinikum). Vorstand: Professor AUTENRIETH. Assistenzarzt: derzeit Dr. GmELın. Wilhelmsstrasse 765. Im Gebärhaus 86. Die Poliklinik wurde bei der im Jahr 1839—40 vorgenommenen allgemeinen Organisation der klinischen Anstalten als besondere Anstalt ausgeschieden, in das frühere Klinikum oder das jetzige Gebärhaus sammt der Wohnung des poliklinischen Assistenz- arztes verlegt und mit ihrer Leitung Professor Autenrieth beauftragt. Ungeachtet ihr 33 Material ausschliesslich auf die kleine Stadt eingeschränkt ist und dasselbe noch mit den übrigen Kliniken theilt, beträgt die Zahl der jährlich darin behandelten Kranken von jedem Alter und Geschlecht zwischen 900 und 1200. Die am häufigsten vor- kommenden Krankheiten sind Entzündungen der Brustorgane, Lungen- und Intestinal- catarrhe, rheumatische und arthritische Beschwerden, Scropheln, Brechruhren der Kinder, Herzkrankheiten, Entzündung der Hirnhäute, Tubereulose. Typhus; von grösseren Epi- demien, die seit dem Bestehen der Anstalt in die Behandlung fielen, waren es einmal der Petechialtyphus, dreimal die Masern und Rötheln, einmal Bronchitis der Kinder und zweimal der Krampfhusten. Durch eine von milden Beiträgen unterhaltene, vom Vorstand gegründete Suppenanstalt, welche jährlich zwischen 3 und 4000 Portionen von kräftiger Suppe abgibt, wird auch die Krankenpflege berücksichtigt. Der Natur der Sache nach geht der Betrieb der Poliklinik das ganze Jahr hindurch fort, während der Ferien jedoch nach einem vom Vorstande mit der Stadt abgeschlossenen Vertrage vom 8. Septbr. 1840 auf Rechnung dieser letztern. Das gegen die Vornahme von Sectionen anfänglich herrschende Vorurtheil verschwindet in neuerer Zeit mehr und mehr und bei den meisten verstorbenen Kranken können jetzt auch die Sectionen ge- macht werden, wozu die Einrichtung, dass der Einfluss der Leichenbesorger durch eine für jede Section von der Universitätskasse ausbezahlte Geldbelohnung gewonnen und rege erhalten wird, viel beigetragen hat. Der Betrieb der Poliklinik selbst ist der, dass in der Stunde von 2 Uhr an die Anmeldungen der Erkrankten und ihre Vertheilung an die Praktikanten, so wie die Berichte und Besprechungen über die in der Cur befindlichen Kranken vorgenommen, die ambulatorisch erscheinenden unter- sucht und behandelt und die Verordnungen von einem Praktikanten in ein Buch ein- geschrieben werden, das nach beendigter Klinik in diejenige Apotheke gebracht wird, an welcher nach einem jährlichen Wechsel die Bereitung der Arzneien ist. In dasselbe Buch werden auch die in den Häusern verschriebenen Verordnungen eingetragen. Ausserdem sieht. um dem bei jeder Poliklinik eben so wichtigen als schwierigen ‘Punkt der Controle Genüge zu leisten, insoferne einerseits die Poliklinik den Uebergang zum selbständigen praktischen Handeln bilden soll und andererseits die Rücksicht auf den Kranken nicht aus dem Auge gelassen werden darf, der Assistenzarzt, und in schwereren Fällen der Vorstand selbst, täglich bei den Kranken in den Häusern nach. Nach mehrjährigem Durchschnitt ergiebt sich das Sterblichkeitsverhältniss wie 1 : 30. 54 4. Die geburtshülfliche Klinik. > Gebärhaus (Altes Klinikum 86). Vorstand: Professor Breır. Im Gebäude. Nach Erbauung des neuen Krankenhauses wurde das alte Klinikum ganz der geburtshülflichen Klinik eingeräumt, die unter Leitung des Professors Breit steht, welcher im Jahr 1847 für dieses Fach von Wien berufen wurde. Es stehen der Anstalt 28 Zimmer zu Gebot, von denen beinahe alle, bis auf vier, einen eigenen Ausgang haben, und es können darin 55 Betten gestellt werden. Diese ausgedehnten Räum- lichkeiten machen es möglich, bei ansteckenden Krankheiten und gefährlicheren Er- krankungen die nöthige Absonderung vorzunehmen und reinere Luft in den Kranken- zimmern zu erhalten. Auch ist es als ein Vorzug zu erachten, dass dem Vorstand eine Wohnung im Gebäude der Anstalt zugetheilt werden konnte, was ihn in Stand setzt die Geburten selbst zu überwachen und bei ausserordentlichen Vorfällen sogleich gegenwärtig zu sein. Ausserdem wohnt ein Haus- und Speisemeister und ein Assistent in dem Haus, auch sind 4 Zimmer für Praktikanten eingeräumt. Das regelmässige Wärterpersonal besteht aus einer Hebamme und zwei Wärterinnen. Die Zahl der seit dem Jahr 1830 bis zum Jahr 1847 aufgenommenen Schwangeren betrug 1500. Durch die oben erwähnte Einräumung des ganzen alten Klinikumsgebäudes und die entsprechende Erhöhung des Etats wurde es möglich, die Zahl bedeutend zu erhöhen. Sie ist nun seit 1847 folgende: 1847: 137; 1848: 150; 1849: 181; 1850: 166; 1851: 241; 1852: 217; vom Jan. 1853 bis Ende Juli 1853: 150. Gesammtzahl 1200. Die Schwangeren werden gewöhnlich 3—4 Wochen, bei grösserem Andrang 14 Tage vor der Entbindung aufgenommen und nach derselben 3—4 Wochen behalten. Die grösste Sterblichkeit unter den Wöchnerinnen war seit 1847 im Jahr 1849—50 während einer Puerperalfieber-Epidemie (welche gleichzeitig auch im Stuttgarter Kranken- hause herrschte) mit 8 Todesfällen; die geringste in den Jahren 1851 und 1852 mit zwei. Die mittlere Zahl der Praktikanten ist seit 1847: 26 per Semester; im Jahr 1848 sank sie auf 16; in den 4 letzten Semestern war sie 29, 32, 29, 31. Erwähnenswerth ist die seit 1847 begonnene pathologisch-anatomische Sammlung, die durch Verwendung des Vorstandes aus dem Wiener Leichenhaus mit seltenen Becken und Präparaten weiblicher Genitalien bereichert wurde und von den Aerzten des Landes ebenfalls eine Anzahl werthvoller Präparate in Beziehung auf Anomalieen des Eies zugeschickt erhielt. Die vorhandenen Stücke belaufen sich bereits auf mehr als 130. Auch steht dem Vorstande zu seinen Vorträgen das Kabinet der anatomi- HP) schen Anstalt zu Gebot, in welchem gerade für Geburtshülfe manches Interessante sich befindet. Der Etat des Gebärhauses beträgt 8000 fl. Xl. Die technologische Sammlung. Münzgasse 107. Vorstand: Professor Vorz. Neckarvorstadt 944. Nachdem in Folge der Gründung der staatswirthschattlichen Facultät die An- legung einer technologischen Modellsammlung unter der Leitung des zum Professor der Technologie ernannten Hofrathes Dr. Poppe beschlossen worden war, wurde nach vorübergehenden Einzelbewillisungen, welche im Jahr 1827—28 150 A. betrugen, ein jährlicher Etatssatz von 175 fl. festgesetzt. Derselbe wurde vom Rechnungsjahr 1837 —838 an auf 225 fl. erhöht. Im Jahre 1837 erhielt die Sammlung einen eigenen Diener, und wurde den Studierenden an einem Wochentage zum Besuche eröffnet. Mit der Berufung des Hofrathes Dr. Volz zum Nachfolger des abgetretenen Dr. v. Poppe im Jahr 1841 wurde der Etat der technologischen Modellsammlung auf 600 fl. gebracht und im Jahr 1842 um weitere 125 fl. vermehrt, so dass sich der- selbe seit dieser Zeit auf 725 il. beläuft. Es wurden aber noch weitere Jährliche 200 fl. für technische Excursionen und Reisen zur Verfügung des neuen Vorstandes bei seinem Dienstantritte gestellt; eine Maassregel, welcher die Sammlung ihren Haupt- gehalt zu verdanken hat. Zu diesen ordentlichen Mitteln kam im Jahre 1844 eine ausserordentliche Bewilligung von 2000 fl., welche bei der Industrieausstellung in Paris in demselben Jahre zu Ankäufen benützt werden konnten, und endlich hatte sich die Sammlung im Jahre 1851 einer ausserordentlichen Unterstützung von gleichem Be- trage zu Ankäufen in England während der Ausstellung der Industrie aller Nationen zu London zu erfreuen. Der wichtigste Schritt zu einer gedeihlichen Entwiekelung wurde aber im Jahr 1847 durch die Zuwendung eines eigenen Hauses, der früheren Dienstwohnung des Kanzlers der Universität, und durch Aufführung eines neuen Anbaues an dasselbe ge- than. Dadurch wurde es möglich, der Sammlung ihre jetzige systematische Aufstel- lung zu geben und die erforderlichen Afbeitsräume zu gewinnen; so dass aus einer blossen technologischen Modellsammlung durch die schon erwähnten Geldmittel, welche von sehr dankenswerthen Geschenken schätzbarer Gegenstände unterstützt wurden, eine technologische Sammlung entstehen konnte. 56 Die Anstalt besteht nun aus den Sammlungen und aus Arbeits- und Lehrräumen. I. Die Sammlungen sind: A. Sammlung für Maschinenwesen. — B. Sammlung für specielle Technologie. — €. Materialien- und Fabrikaten-Sammlung. — D. Die ethnographisch-technologische Sammlung. II. Die Arbeits- und Lehrräume sind: A) Die Werkstätte. — B) Die Laborirküche. — (C) Der Hörsaal und die Studienzimmer. Die Anzahl der zu I. A, B, C und zu II. gehörigen Inventarstücke betrug am Ende des Rechnungsjahrs 1851—52 1282 Nummern, wovon 685 im Werthe von ungefähr 9000 fl. von dem gegenwärtigen Vorstande angeschafft worden sind, der Rest aber aus der frühern Zeit stammt und zu etwa 1700 fl. anzuschlagen ist. Die ethnographisch-technologische Sammlung wurde im Jahr 1851 durch ein Geschenk der Basler Missionsgesellschaft mit 79 Nummern gegründet, und seither durch Gaben von Dr. v. Barth in Calw und andern Privatpersonen vermehrt, so dass sie bisher fast keine Geldmittel in Anspruch genommen hat. Sie hat den Zweck die geschichtliche Entwickelung der menschlichen Thätigkeitskreise in gewerblichen Dingen zur Anschauung zu bringen, und dadurch besonders die Vorträge über die Geschichte der Erfindungen zu unterstützen, welche der Vorstand von Zeit zu Zeit an der Universität hält. Das leitende Prineip des Sammelns ist, so viel wie thunlich, arbeitende Apparate, Werkzeuge und Maschinen in voller Arbeitsbeschaffenheit zu erwerben, da wo diess nicht geht, diesen Grad der Ausführung auf die Hauptmechanismen zu beschränken, und wenn auch hierin unverhältnissmässige Schwierigkeiten vorliegen, zu arbeitenden Modellen überzugehen, somit die nicht arbeitenden Modelle in letzte Reihe zu stellen; hinsichtlich der Darlegung des Arbeitsganges selbst aber die Fabrikate durch die ein- zelnen Stufen ihrer Fabrikation zum Verständniss zu bringen. Bei den Rohmaterialien ist der Gesichtspunkt des technischen Gebrauches aus- schliesslich festgehalten; bei den Fabrikaten das historische wie das mercantile Moment gleich sehr beachtet, so dass historischen Folgen, wie möglich vollkommen, Muster- karten und Mustersammlungen von verschiedenen Völkern, nebst Preiscuoranten gleiche Aufmerksamkeit gewidmet wird. Die Aufstellung selbst giebt durchaus das Bild des Ganges der Vorträge, in dem sie dieselben ununterbrochen begleitet. Möglichste Erleichterung der Benützung der Gegenstände, sowohl für die Vorlesung selbst, wie zum repetitorischen Studium der Zuhörer in der Sammlung sind dadurch erreicht. a So beginnt die Sammlung für das Maschinenwesen mit der Dynamie, der Lehre von den bewegenden -Kräften, geht zu den Bauelementen, und zwar zuerst zu den maschinistisch unorganischen, sodann zu den organischen, den Maschinenorganen, und 57 zu den Combinationen beider, schliesslich aber zu den maschinistischen Functionen derselben über. So zeigt die Sammlung für specielle Technologie die mechanische, die chemische, die mechanisch-chemische und die chemisch-mechanische Abtheilung; sie zeigt zuerst die einoperativen, monergatischen Gewerbe der beiden ersten Zweige, geht sodann zu ihren mehroperativen, polyergatischen Geschäften über, und schreitet von den Gewerben, welche auf den einfachsten primären Operationen beruhen, zu den zusammen- gesetzten fort, ein Gang, welchen sie auch bei den gemischten Abtheilungen befolgt. Die Sammlung der Fabrikate, als der Ergebnisse der Arbeit, ist in gleicher Rich- tung gehalten, und bildet somit die Parallele zu den Arbeitsgruppen. Die gleiche Reihenfolge findet sich ebenfalls in der ethnographischen Sammlung. Das entwickelte System scheint indessen für den fremden Beschauer nicht conse- quent durchgeführt, indem er Zusammengesetztes neben Einfachem u. dgl. bemerkt; allein dann ist eben nur ein gewisser Theil der Vorrichtung für den Lehrzweck bei der Aufstellung in das Auge gefasst, an einer zusammengesetzten Maschine nur ein einzelnes Organ, eine einzelne Gruppe, und die übrigen Theile sind als für denselben überflüssige Zuthat, als nicht vorhanden angesehen; ein unumgänglich nothwendiges Verfahren für eine Sammlung. welche ihre Mittel so sehr zusammenhalten muss, wie die unsrige. Beachtenswerthere Gegenstände der Sammlung sind folgende. A. Maschinenlehre: Dynamometer, nebst Gurtenprüfungsvorrichtung, boite de tension für den Dienst der französischen Marine von Reymondon-Martin in Paris. — Suspensions- Wasserrad von Althans, von Schmiedeeisen, von der Sayner-Hütte, /g der Ausführungs- grösse. — Watt’sche Dampfmaschine, arbeitendes Modell, Cylinder,. Steuerung und Pumpen von Glas, mit kupfernem Dampfkessel, '/s der wahren Grösse, von E. Bourdon in Paris. — Oseillirende Hochdruckmaschine mit veränderlicher Expansion, von einer Pferdekraft, von Frey in Paris. — Locomotive, arbeitendes Modell mit Tender, von Werkmeister Schill in Cannstatt, "ıo der wahren Grösse. — Electrischer Telegraph von Morse, mit Bunsen’scher Kohlenbatterie. — Pantograph von Gavard in Paris. — Helicograph zur Beschreibung von Spirallinien aus London. — Saugpumpe und Druck- pumpe von Letestu in Paris. — Rotationspumpe von Huck in Paris. — Centrifugal- pumpe von Gwynne aus New-York. — Tragbare Schmiedeesse von Doremus und Enfer in Paris. — Doppeleylindergebläs, Baumodell, "a der wahren Grösse, von Bernouilli und Rowlandson in Immendingen. — Ventilatorgebläse mit Tritt, Vs der wahren Grösse, aus der Werkstätte der polytechnischen Schule in Stuttgart. — Schraubenpresse mit Haltschlingen von vulkanisirtem Cautschue von Muir in Birmingham. — Amerikanische Kniehebelpresse von Gwynne. 8 38 Sammlung von Echappements oder Hemmungen des Uhrenbaues, 14 verschiedene Constructionen, von Fatoux und Detouche in Paris und von Hipp in Reutlingen u. Andern. B. Specielle Technologie: Baumwollen-Fein-Vorspinnstuhl mit Differenzialbewegung von Pfaff in Chemnitz. — Arbeitende Self-actor-mule für 48 Spindeln, von Sharp Brothers in Manchester. — Hechelnsortiment von Gussstahl für mechanische Flachs- spinnerei, von J. Ward in Lille. — Gill-Garnituren, eben daher. — Fabrikations- scale der mechanischen Flachsspinnerei in Urach. — Jaquard-Stuhl, 400". — Samm- lung von Weberschützen für das gesammte Gebiet der Weberei. Drahtstiftmaschine von Frey in Paris. — Scale der Tafel- und Mondglasfabrikation aus Gaildorf. — Polarisations-Sacharimeter nebst sämmtlichem Zubehör von Clerget in Paris. — Sammlung metallurgischer Oefen, 7 Modelle von Freyberg. — Sammlung von Förmerei- und Giessereivorrichtungen, 15 Modelle von Hannover. — 8 Tafeln Stufenfolgen der Anfertigung verschiedener Metallfabrikate der Industrieen zu Birming- ham, Sheffield und Manchester. — Sammlung feinerer und ungewöhnlicherer Werkzeuge der Metall- und besonders der Uhrenfabrikation aus Deutschland, der französischen Schweiz, Frankreich und England. C. Materien- und Fabrikaten-Sammlung: Sammlung von Holzarten von Professor Dr. Nördlinger; der Holzquerschnitte von demselben. — Sammlung der in England angewendeten exotischen Holzarten von Holtzapfel in London. — Holzmosaik-Fournure aus Hannover. — Sammlung der im englischen Handel‘ vorkommenden Gerbestofle von Curtis in London. — Gewebemuster der französischen Industrieausstellung von 1844. — Sammlung von Guttapercha-Fabrikaten. — Scherbensammlung der Fabrikation irdener Waaren und Porcellane. grossentheils aus der k. sächsischen Porcellansammlung im ja- panischen Pallast zu Dresden, enthaltend chinesisches Porcellan aus dem 12ten Jahr- hundert, gelbes Kaiserporcellan, japanisches, Böttcher’sches rothes und sonstiges Meissner Porcellan; solches von Ludwigsburg und Frankenthal; Majoliken. — Sammlung von Glasfabrikaten würtembergischer und englischer Industrie. — Berliner Eisengussschmuck. — Sammlung von Gegenständen aus hämmerbarem Gusseisen von Paris. — Sammlung und Musterkarten von Hand- und Maschinennägeln. Drahtstiften und Nieten. — Ma- schinenstecknadelsortiment von Palmer in Birmingham. — Sortiment schmiedeiserner, gezogener Röhren aus Paris. — Buntdruckscale der Typographia triumphans von Hirsch- feld in Leipzig, 19 Blätter. 59 XI. Die land- und forstwirthschaftliche Sammlung. Im Universitätsgebäude. Vorstand: Vacat. Diese erhielt ihre erste Entstehung mit der Gründung der staatswirthschaftlichen Facultät im Jahr 1817. In Ermangelung entsprechender Fonds und Fürsorge blieb sie jedoch längere Zeit höchst bedeutungslos und erfreut sich erst seit etwa 10 Jahren unter einer tüchtigen Behandlung, wie sie ihr besonders von Seiten der Professoren Knaus und Göriz zu Theil wurde, einer zunehmend günstigen Gestaltung. Ihrer Be- stimmung gemäss, ein Hülfsmittel zu Demonstrationen bei den von selbst auf enge Gränzen angewiesenen land- und forstwirthschaftlichen Vorlesungen für die Regiminal- und Cameralwissenschaft Studierenden zu gewähren, ist und bleibt sie indessen immer- hin von entsprechend beschränktem Umfang, und besteht vorzugsweise nur eines Theils aus Modellen von land- und forstwirthschaftlichen Geräthen, Werkzeugen und Maschinen, andern Theils aus kleinen Sortimenten land- und forstwirthschaftlicher Erzeugnisse. Diese beide finden sich jedoch in ziemlich reicher Auswahl vereinigt. Unter den ersteren, welche grösstentheils aus der Ackergeräthefabrik zu Hohenheim herstammen, sind besonders zu bemerken die Modelle von Ackerwerkzeugen aller Art, unter den anderen die Sammlungen von Getreidearten in Aehren, von landwirthschaftlichen Sä- mereien, Wollmustern, Holzarten und forstlichen Sämereien. Dabei ist die ganze Samm- lung nach einem wissenschaftlichen Plane aufgestellt. Der Etat beträgt 300 A. INHALT DES WEGWEISERS. ERSTER ABSCHNITT. Lage, Geschichte und Umgegend der Stadt Tübingen Lage S. 3. — Geschichte der Stadt bis zur Gründung der Universität S. 4. — Spätere Geschichte $. 5. — Der Schlossberg $. 5. — Der Oesterberg S. 6. — Kloster Bebenhausen S. 6. — Der Einsiedel S. 7. — Die Wurmlinger Kapelle S. 7. — Bad Niedernau $. 7. — Der Hohenzollern S. 8. — Die Achalm, Reut- lingen, Schloss Lichtenstein, die Nebelhöhle S. 8. — Urach S. 9. ZWEITER ABSCHNITT. Geschichtliches über die Universität und die naturwissenschaftlichen Studien auf derselben ; borsragks Stiftung und Anfänge der Universität _ ee eg S. 10. — Das theologische Seminar oder Stift S. 11. — Mathematiker, Physiker und Astronomen S. 12. — Das Collegium illustre S. 14. — Die medicinische Facultät seit dem Ende des 17. Jahrhunderts S. 14; — in der Mitte des 18ten, S. 16; — am Ende des 18ten, $. 17; — seit der Mitte der dreissiger Jahre des 19ten, S. 20. — Erweiterung der Institute und Sammlungen und neue Bauten für dieselben S. 20. — Das Universitätsgebäude $. 21; — in demselben das Zeichnungsinstitut und die Kölle’'sche Gemäldesammlung S. 22. DRITTER ABSCHNITT. Die wissenschaftlichen Institute der Universität, naturwissenschaftlichen und medieinischen. I. Die Universitätsbibliothek ; al: I. Das Münz- und Antiquitäten- abe Ta S E II. Der botanische Garten und die botanischen Bann ne IV. Die zoologischen und die mineralogisch-geognostischen Sammlungen 1. Die zoologische und vergleichend-anatomische Sammlung . 2. Die mineralogische, geognostische und Petrefaktensammlung V. Das physikalische Cabinet VI. Die Sternwarte e Vu. Die chemischen Tatiieatär re 1. Das nene chemische Laboratorium in der Wilhelmsstrasse 2. Das chemische Laboratorium auf dem Schloss 3. Das Laboratorium für Agrieultur- und technische Chemie insbesondere die VI. Die Anatomie et IX. Das physiologische Institut Je: X. Die Kliniken BE: 1. Die medieinische Klinik a ne 1 > 3) 2. Die chirurgische Klinik 3. Die Poliklinik . P 4. Die geburtshülfliche Klinik technologische Sammlung . . . - Baur. rar 3 c0,: Die land- und forstwirthschaftliche Bnmmäläne B ER S Seite 10 PROGRAMM DER DREISSIGSTEN VERSAMMLUNG DEUTSCHER NATURFORSCHER UND ÄRZTE IN TÜBINGEN. 8. 1. Mit allerhöchster Genehmigung Seiner Majestät des Königs wird die 30. Ver- sammlung der „Gesellschaft deutscher Naturforscher und Aerzte“ vom 19—24, Sep- tember dahier abgehalten werden. $..2 Die Theilnahme ausländischer Gelehrter an der Versammlung ist willkommen. $. 3. Die Versammlung besteht aus Mitgliedern und Theilnehmern. Mitglied mit Stimm- recht ist nach $. 3, 4 und 7 der Statuten jeder Schriftsteller im naturwissenschaftlichen und ärztlichen Fache, wozu jedoch diejenigen nicht gehören, welche nur eine Inaugural- Dissertation verfasst haben. — Theilnehmer ohne Stimmrecht kann Jeder sein, der sich wissenschaftlich mit einem Zweige der Natur- oder Heilkunde beschäftigt. 8. 4. Das Anmelde-Bureau befindet sich unweit der Post in dem Ladner’schen Hause in der Wilhelmsstrasse, und ist vom 17. September an bis zu dem Schlusse der Ver- sammlung täglich von Morgens 8 Uhr bis Abends 9: Uhr geöffnet. Daselbst haben sich Alle, Mitglieder und Theilnehmer, persönlich zu melden, einzuschreiben und gegen Erlegung von 2 fl. 42 kr. die Inseriptionskarte nebst der Festgabe, dem Programm und den bis dahin erschienenen Tagblättern in Empfang zu nehmen. Auswärtige Theilnehmer erhalten daselbst auch in dem Nebenzimmer von der Logiscommission die nöthige Auskunft über Wohnungen. 8. 5. Die allgemeinen Versammlungen werden am 19. 21. und 24. September in dem Festsaale des neuen Universitätsgebäudes gehalten, jedes Mal von 10—12 Uhr. Der Zutritt zu denselben steht ausser den Mitgliedern und Theilnehmern der Gesellschaft jedem Gebildeten frei. Den Damen sind die beiden Tribünen geöffnet. $. 6. Die erste allgemeine Versammlung wird in Abwesenheit des ersten von dem zweiten Geschäftsführer mit der Bewillkommnung der Versammlung eröffnet. In der zweiten öffentlichen Sitzung “erfolgt die Wahl des Ortes der nächsten Zusammenkunft durch absolute Mehrheit der stimmfähigen Mitglieder. In der dritten öffentlichen Sitzung wird nach Beendigung der angekündigten Vorträge die Versammlung durch den Geschäftsführer geschlossen. .7. Die Vorträge in den allgemeinen Versammlungen müssen ein allgemeines wissen- schaftliches Interesse haben, dürfen nicht zu lange ausgedehnt sein und müssen spätestens Tags vorher dem Geschäftsführer, wenigstens im Auszuge, vorgelegt werden. $. 8. Früherem Vorgange gemäss wird die Bildung der $. 7 verzeichneten Seetionen vorgeschlagen. Am Schlusse der ersten allgemeinen Versammlung werden die neben jeder Section genannten Herren die Mitglieder dieser Section in das ihnen bestimmte Sitzungslokal in dem Universitätsgebäude einführen und bis zur Wahl der betreffenden Präsidenten und Secretäre die nöthigen Geschäfte leiten. 8.9. Seetionen: I. Section. Mathematik, Physik und Astronomie. (Philosophischer Hörsaal nr. 3. zu ebner Erde.) Professor Dr. Reusch. II. Sectin. Chemie und Pharmacie. (Philosophischer Hörsaal nr. 7. im ersten Stock.) Professor Dr. Gmelin. II. Section. Mineralogie, Geognosie und Geographie. (Medicinischer Hörsaal nr. 8. im ersten Stock.) Professor Dr. Quenstedt. IV. Section. Botanik, Land- und Forstwissenschaft. (Juridischer Hör- saal nr. 6. im ersten Stock.) Professor Dr. Sigwart. V. Section. Zoologie, Anatomie und Physiologie. (Staatswirthschaftlicher Hörsaal nr. 4. zu ebner Erde.) Professor Dr. W. v. Rapp. u VI. Section. Mediein, Chirurgie und Geburtshülfe. (Gemeinschaftlicher Hörsaal nr. 9. im zweiten Stock.) Professor Dr. Breit. $. 10. Die Seetionssitzungen beginnen am 20. September in den $. 7 genannten Lokalen von 8—12 Uhr Morgens mit einer Pause um 10 Uhr. Die Bestimmung der Zeit und Dauer der Sectionssitzungen an den folgenden Tagen, am 21. 22. und 23. September, bleibt jeder einzelnen Section überlassen. Eben so bleibt auch die Ausscheidung einzelner Special-Sectionen z. B. für Psychiatrie, Chirurgie etc. aus der sechsten Section, oder die zeitweise Verlegung einzelner Sectionen in die entsprechenden Institutslokale der Bestimmung der betreffen- den Section vorbehalten. $. 11. Alle diejenigen Mitglieder, welche Vorträge in den Sectionen zu halten beab- sichtigen, werden gebeten, dieselben zu Anfang der Sitzung Tags vorher dem be- treffenden Sectionspräsidenten anzumelden. Die Herren Präsidenten und Secretaire der Sectionen werden ersucht, diese Anmeldungen jeden Morgen noch vor 10 Uhr, und die Protokolle der stattgehabten Sectionsverhandlungen sofort nach dem Schlusse der Sitzung in dem Wartezimmer des Pedells zu ebner Erde im rechten Flügel des Uni- versitätsgebäudes abzugeben, um dieselben in das nächste Tagblatt aufnehmen zu können. SM2. Sämmtliche in dem „Wegweiser durch die wissenschaftlichen, insbesondere natur- wissenschaftlichen und medicinischen Institute der Universität“ näher bezeichneten An- stalten und Sammlungen sind während der ganzen Dauer der Versammlung geöffnet. Ausserdem werden die betreffenden Institutsvorsteher es sich angelegen sein lassen, mit denjenigen Gästen, die es wünschen, gemeinschaftliche nähere Besichtigungen ihrer Institute vorzunehmen. $. 13. Zur Lectüre von Zeitschriften ete. sind die den ganzen Tag geöffneten Lese- zimmer der Museumsgesellschaft (in deren Gebäude 2 Treppen hoch) angeboten. $. 14. Im ersten Stock des rechten Flügels des Universitätsgebäudes ist ein Zimmer für die Theilnehmer der Versammlung zum Briefschreiben geöffnet und mit den nöthigen Materialien versehen. $. 15. Gemeinschaftliche Mittagsessen finden am 19. 20. 22. und 24. September um 1 Uhr in dem grossen Saale des Museums Statt. Der Preis des Couverts ist bei dem ersten Essen am Montage auf 1 fl. 30 kr. Rhein., bei den übrigen Mittagsessen. auf 1 fl. angesetzt, und wird jedesmal an der Tafel bezahlt. $. 16. Gesellschaftliche Zusammenkünfte finden jeden Abend vom 19—24. Sep- tember im Museum in den sämmtlichen Zimmern des ersten Stockes Statt, wobei nach der Karte gespeist wird. Auch schon am Vorabend der Versammlung den 18. Sep- tember werden die angekommenen Gäste eingeladen, sich hier einzufinden. 8. 17. Dienstag den 20. Abends um 7 Uhr Gesang der Liedertafel, — und Donnerstag den 22. Abends 7 Uhr Festball im grossen Saale des Museums. $. 18. Am Mittwoch den 21. September nach dem Schlusse der zweiten öffentlichen » Sitzung findet eine gemeinschaftliche Fahrt nach dem Bade Mi Alpha und Mittags- mahl daselbst Statt. Am Freitag den 23. September nach dem Schlusse der Sectionssitzungen gemein- schaftliche Fahrt nach Reutlingen nebst Mittagsessen daselbst und Spaziergang über die Achalm nach Ehningen. F 8. 19. Zu Spaziergängen in kleineren und grösseren Gesellschaften an den freien Nach- mittagen bietet die nächste Umgegend Tübingens vielfache Gelegenheit dar: Lustnau, Bebenhausen, Waldhorn, Weilheim, Oesterberg, Spitzberg, Wurmlinger Kapelle. Zu entfernteren, einen ganzen Tag in Anspruch nehmenden Ausflügen empfehlen sich das Schloss Lichtenstein, Urach und der Hohenzollern. Seine Erlaucht der Graf Wilhelm von Württemberg hat die Güte gehabt, eine Anzahl Einlasskarten zum Besuch des Schlosses Lichtenstein für die Theilnehmer der Versammlung und deren Angehörige dem Geschäftsführer zuzustellen, bei welchem dieselben in Empfang genommen werden können. $. 20. Um dem in $. 2 der Statuten ausgesprochenen Hauptzwecke der Gesellschaft: „den Naturforschern und Aerzten Deutschlands Gelegenheit zu verschaffen, sich per- sönlich kennen zu lernen“, möglichst nachzukommen, wird zu regelmässiger Thei- nahme an allen geselligen Zusammenkünften: an den gemeinschaftlichen Mittagsessen, den Abendgesellschaften und den Ausfahrten dringend eingeladen. Eine besondere Einladung ergeht dabei noch an die Damen der fremden Gäste und der Einheimischen, durch rege Theilnahme diese geselligen Zusammenkünfte zu verschönern. u 3 8. 21. Während der Dauer der Versammlung erscheint ein Tagblatt, welches jeden * Morgen den Mitgliedern und Theilnehmern der Gesellschaft am Eingange in das Uni- versitätsgebäude gratis zugestellt wird. Dasselbe enthält nebst dem Verzeichnisse der neu einlfexehriöhenen Gäste, die Anzeige der zu haltenden Vorträge und die Protokolle der gehaltenen Sitzungen. Ausserdem werden darin nähere Anzeigen über die für den Tag beabsichtigten Festlichkeiten, etwaige Abänderungen des Programms etc. zur Kenntniss gebracht werden. 8. 22. Für die Mitglieder und Theilnehmer der Gesellschaft gilt überall die Inscriptions- ; karte, welche dieselben daher bei sich zu tragen und auf Verlangen vorzuzeigen ge- beten werden. Tübingen im September 1853. Der Geschäftsführer der 30. Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte: Professor Dr. Bruns. Kanbhart der dreissigsten Versammlung Deutscher Naturforscher und Ärzte Tübingen. 18— 24. September 1853. ur eee onulaninsars\V i nsteäte vo sah Dan gobarnkims? Toıaansl | uoguidiit .s TR nn F : + x TAGBLATT der dreissigsten Versammlung deutscher Naturforscher und Ärzte in Tübingen. Sonntag 18. September 1853 Nro. 1. Statuten der Gesellschaft der deutschen Naturforscher und Ärzte. $. 1. Eine Anzahl deutscher Naturforscher und Ärzte ist am 18. September 1822 in Leipzig zu einer Gesellschaft zusammengetreten, welche den Namen führt: Gesellschaft der deutschen Naturforscher und Aerzte. $. 2. Der Hauptzweck der Gesellschaft ist: den Naturforschern und Ärzten Deutschlands Gelegenheit zu verschaffen, sich persönlich kennen zu lernen. $. 3. Als Mitglied wird. jeder Schriftsteller im naturwissenschaftlichen und ärzt- _ lichen Fache betrachtet. $. 4. Wer nur eine Inaugural-Dissertation verfasst hat, kann nicht als Schrift- steller angesehen werden. $. 5. Eine besondere Ernennung zum Mitgliede findet nicht statt und Diplome werden nicht ertheilt. $. 6. Beitritt haben Alle, die sich wissenschaftlich mit Naturkunde oder Me- diein beschäftigen. i Bi $: 7. Stimmrecht besitzen ausschliesslich die bei den Versammlungen gegen- wärtigen Mitglieder. 8. 8. Es wird Alles durch Stimmenmehrheit entschieden. $. 9. Die Versammlungen finden jährlich und zwar bei offenen Thüren statt, fangen jedesmal mit dem 18. September an und dauern mehre Tage. 4 $. 10. Der Versammlungsort wechselt. Bei jeder Zusammenkunft wird der- selbe für das nächste Jahr vorläufig bestimmt. $. 11. Ein Geschäftsführer und ein Secretair, welche im Orte der Versamm- lung wohnhaft sein müssen, übernelimen die Geschäfte bis zur nächsten Versammlung. $. 12. Der Geschäftsführer bestimmt Ort und Stunde der Versammlungen und ordnet die Arbeiten, weshalb Jeder, der Etwas vorzutragen hat, es demselben anzeigt. $. 13. Der Secretair besorgt das Protocoll, die Rechnungen und den Brief- wechsel. 8. 14. Beide Beamten unterzeichnen allein im Namen der Gesellschaft. $. 15. Sie setzen, erforderlichen Falls, und zwar zeitig genug, die betreffenden Behörden von der zunächst bevorstehenden Versammlung in Kenntniss, und machen sodann den dazu bestimmten Ort öffentlich bekannt. $. 16. Es werden in jeder Versammlung die Beamten für das nächste Jahr gewählt. Wird die Wahl nicht angenommen, so schreiten die Beamten zu einer andern; auch wählen sie nöthigenfalls einen andern Versammlungsort. $. 17. Sollte die Gesellschaft einen der Beamten verlieren, so wird dem Uebrig- bleibenden die Ersetzung überlassen. Sollte sie beide verlieren, so treten die Beamten des vorigen Jahres ein. $. 18. Die Gesellschaft legt keine Sammlungen an, und besitzt, ihr Archiv ausgenommen, kein Eigenthum. Wer Etwas vorlegt, nimmt es auch wieder zurück. $. 19. Die etwaigen geringen Auslagen werden durch Beiträge der anwesenden Mitglieder gedeckt. $. 20. In den ersten fünf Versammlungen darf Nichts an diesen Statuten ge- ändert werden. Leipzig, am 1. October 1822. Im Auftrage der Gesellschaft der Geschäftsführer D. Friedrich Schwägrichen, ord. Prof. der Naturg. der Secretair D. Gustav Kunze, ausserord. Prof. der Med., Gemeinschaftliches Mittagsessen am Sonntag. Den Herren Theilnehmern an der Naturforscherversammlung zur Nachricht, dass schon am Sonntag 18ten im Museum ein gemeinschaftliches Mittagsessen um 1 Uhr stattfindet. 5 Festessen. Die Theilnehmer an dem Montag 19. Sept. stattfindenden gemeinschaftlichen Mittagsessen im Museum wollen sich längstens bis Montag 10 Uhr in der im Museum (Eingang, links) aufliegenden Liste einzeichnen. Abgabe des Tagblatts. Das Tagblatt wird jeden Morgen, um die Zeit der Eröffnung der Sitzungen, am Eingang in das Universitätsgebäude den Mitgliedern übergeben. Während der übrigen Zeit des Tages ist dasselbe im Wartezimmer des Pedells im Universitäts- gebäude abzuholen. Die Blätter früherer Tage dagegen können nur im Anmelde- bureau erhalten werden. Diejenigen Herren, welche vor dem Schlusse der Versammlung abreisen, erhalten die übrigen Nummern des Tagblattes durch Buchhändlergelegenheit. In gleicher Weise wird der erst am 26. September erscheinende Sitzungsbericht vom 24. September verabfolgt. Wer diese Nachlieferungen zu erhalten wünscht, ist gebeten, in die zu diesem Behuf im Wartezimmer des Pedells im Universitätsgebäude aufliegende Liste seine Adresse einzuschreiben. Die Herren Secretäre der einzelnen Sectionen werden dringend ersucht, die Be- stimmungen des $. 11 des Programms genau einzuhalten. Exeursionen Damit die betreffenden Anordnungen rechtzeitig und in zufriedenstellender Weise getroffen werden können, bittet man die Herren Theilnehmer an der Mittwoch 21sten stattfindenden Fahrt nach Niedernau, sowie an dem, auf Freitag 23sten bestimmten Ausflug nach Reutlingen und auf die Achalm sich längstens bis Nachmittags 1 Uhr des vorhergehenden Tages in den,:im Anmeldebureau aufliegenden Listen ein- zeichnen zu wollen. Blos denjenigen Herren, welche sich rechtzeitig einzeichnen, kann eine sichere und unentgeldliche Fahrgelegenheit garantirt werden. Diejenigen Herren, welche diese Fahrten gemeinschaftlich in denselben Wagen zu machen gedenken, sind ersucht, sich gleichzeitig im Anmeldebureau einzuschreiben. Anzeigen Neuere Schriften über Tübingen und Umgegend. Zu haben in den Buchhandlungen von Osiander, Laupp & Siebeck, Fues, Zu-Guttenberg. Eifert Geschichte und Beschreibung der Stadt Tübingen. 1849. 342 Seiten. 1 fl. 30 kr. (Fues.) Klüpfel Geschichte und Beschreibung der Universität Tübingen. 1849. 532 Seiten. 1 fl.45 kr. (Fues.; Beschreibung der feierlichen Legung des Grundsteines zu dem neu zu erbauenden Universitätsgebäude in Tübingen. Mit einer Ansicht. 1841. 24 kr. (Fues.) R. v. Mohl Geschichtliche Nachweisungen über die Sitten und das Betragen der Tübinger Studirenden während des 16. Jahrhunderts. 24 kr. (Laupp.) Plan von Tübingen 1 fl. (Zu-Guttenberg.) Wanderungen in der Umgegend Tübingens. 24 kr. (Laupp; Zu-Guttenberg.) Schübler Verzeichniss der bei Tübingen wildwachsenden phanerogamischen Pflanzen. 40 kr. (Osiander.) Ansicht von Tübingen. Gross Roy. Fol. von Emminger. 1 fl. 45 kr. Colorirt 5 fl. Ansichten von Tübingen von der Ost- und Westseite. (Stahlstiche.) ä 1 fl. Gemalt 42 fl.24 kr. (Fues.) Ansicht von Tübingen mit 12 Randansichten. Schwarz 1 fl. (Fues.) Erinnerung an Tübingen. 11 Ansichten. 1852. Gebunden 2 fl. 42 kr. Einzelne Blätter A 18 kr. Porträts der Professoren W. v. Rapp, Gmelin, Bruns, Quenstedt. Graf Darstellung des alten schwäbischen Klosters Bebenhausen. Mit 11 Kupfertafeln. 1 fl. 40 kr. (Osiander.) Charte der Umgebungen von Tübingen und des mittleren Theils der schwäbischen Alb. In Mappe 48 kr. (Osiander.) n Specialkarte der schwäbischen Alb. In Mappe 1 fl. 20 kr. (Osiander; Zu-Guttenberg.) Vogt Die schwäbische Alb. Stuttgart 1853. 2 fl. 42 kr. Panorama der schwäbischen Alb vom Hohenstaufen bis zum Hohenzollern. Gez. von Emminger. Urach 1853. 2 fl. 24 kr. Color. 4 fl. 30 kr. ' Gratianus Die Ritterburg Lichtenstein. Landsitz Sr. Erlaucht des Grafen Wilhelm von Württemberg. 36 kr. (Zu-Guttenberg.) i Lichtenstein, Abbildung. Schwarz 2 fl. 24 kr. Color. 5 fl. (Zu-Guttenberg.) Niedernau, Abbildung. Schwarz 36 kr. Color. 2 fl. (Zu-Guttenberg.) Die 4 Jahrszeiten; Schwäbische Volkstrachten. A 1 fl. (schwarz) und 1 fl. 36 kr. (color.) (Zu-Guttenberg.) Die Pauperes und die Flösser bei Tübingen („Jockele sperr!“) A 15 kr. (Zu-Guttenberg.) Medieinische und naturhistorische Werke, welche, nebst vielen andern Werken aus diesen Wissenschaften, bei Antiquar J. J. Heckenhauer in Tübingen (Holzmarkt, in der Nähe der Stiftskirche) vorräthig sind : Alibert Clinique de l’hopital Saint-Louis, ou trait& complet des maladies de la Peau, avec beaucoup tab. col. gr. in fol. Par. 1833. fl. 50. — Okens Naturgeschichte. Mit Atlas vollständig mit allen Suppl. fl. 27. — Haller Elementa Physiologiae corporis hum. 8 Vol. et auctorium pars 1—4. gr. in 4. Laus. 1757—1782. fl. 13. 30 kr. — Hencke Zeitschrift für die Staatsarzneikunde 1—28r Jahrg. oder 1—56r Bd. und Ergänzungsbände 1—4 u. 6—37. fl. 44. — Handatlas sämmtl. medi- einisch-pharmaceut. Gewächse mit vielen sorgfält. illum. Taf. 2te Aufl. Jena 1849. fl. 10.48 kr. — Geiger Handbuch der Pharmacie. Vollständ. Exempl. in 5r Aufl. fl. 21. 36 kr. — Winkler phar- maceut. Waarenkunde 1—8te Lief. mit 42 ill. Kupfertafeln. 4. Leipz. 1845—46. fl. 4. 54 kr. — Hufeland Bibliothek der prakt. Heilkunde 1—31r Bd. u. 33—86r Bd. 1799 —1843. fl. 5. 24 kr. — Mann Deutschlands wildwachsende Arzneipflanzen 21 Lief. mit 126 ill. Taf. in Fol. Nebst Text. 2) Dessen ausl. Arzneipfl. in 69 ill. Taf. nebst Text in Fol. Stuttg. 1823—30. fl. 24. — Gräfe und Ba. T Walther Journal für Chirurgie und Augenheilkunde 1—26r Bd. nebst Generalregister über die, ersten 20 Bände und 1 Band Universalregister zum 1—10ten Bd. Berl. 1820—38. gez. noch nicht beschnitten fl. 27. — Rust Magazin für die gesammte Heilkunde 1—62r Bd. mit Kpfr. Berl. 1816— 1843. 11.50. — Rust Theoret.-prakt. Handbuch der Chirurgie mit Einschl. der syphilit. und Augen- krankh. 17 Bde nebst Registerband.. 1830—36. fl. 27. — Studer Lehrbuch der physikal. Geo- graphie und Geologie 2 Bde. Bern 1844—47. neu !/2 sdn. fl. 7. — Gehler physikal. Wörterbuch neu bearb. von Brandes, Gmelin, Munke, Pfaff, Littrow ete., vollst. in 19 Bdn. Leipz. 1825—45. Schönes Exempl. in /a sdn. fl. 66. — Hering Repertorium der Thierheilkunde 1—9r Jahrg. Stuttg. . 1840—48. fl. 6. 30 kr. — Annalen der Staatsarzneikunde von Schneider, Schürmeier, Hergt u. A. . 2r u. 3r Jahrg. compl. Ar Jahre." 1s, 3s u. 4s Stück und 5r bis 11r Jahrg. compl. Tüb. u. Freib. 1837—46. fl. 16. 12 kr. — Chirurg. Kupfertafeln herausg. von Froriep 1—96s Heft mit 487 Kupfer- taf. 4. 1820—1847. fl. 30. — Salzburger med. chirurg. Zeitung Jahrg. 1790—1835 nebst Ergänzungs- bänden 1—26 (zum Jahrg. 1824 fehlt der 1ste Bd). fl. 27. 30 kr. — Encyklopädisches Wörterbuch der medic. Wissenschaften, von Gräfe, Hufeland ete. 1—-30r Bd. Berlin 1828—-43. fl. 24. — Ochsenheimer Schmetterlinge von Europa 1—8r Bd (zum 6ten Bd fehlt die 2te Abth.) fl. 15.30 kr. Encyklopädie der gesammten Medicin im Vereine mit mehreren Aerzten herausg. von C. C. Schmidt. 10 Bde. 2te Aufl. 4. Leipz. 1843—49. fl. 22. 30 kr. — Masse Atlas complet d’Anatomie descrip- tive du corps humain. 3 Edit. avec 112 planches color. Par. 1846. fl. 9. 45 kr. — Plantae medi- cinales oder Sammlung officineller Pflanzen mit Beschreibung von Weyse, Wolters, Funke und Nees von Esenbeck etc., Ir u. 2r Bd mit 485 illum. Tafeln in Fol. Düsseld. 1828. fl. 44. Neue Schrift. Bei mir ist soeben erschienen und in allen Buchhandlungen zu haben: Licht und Schwere. Eine Aufstellung des allgemeinsten Naturgesetzes, von (6. Aug. Müller. Gr. 8. Geh. 18 kr. E. Riecker. Die L. Fr. Fues’sche Sortimentsbuchhandlung (Franz Fues) erlaubt sich, die HH. Naturforscher und Ärzte zur Besichtigung der in ihrem Locale, gegenüber der Post [Traube], aufgestellten grossen Anzahl deutscher und ausländischer, schön gebundener, Werke ergebenst einzuladen. In der Buchhandlung Zu-Guttenberg erschien: Hochstetter, Die Victoria regia. 1853. 40 kr. Mechanicus Keinath in Tübingen (gegenüber der Stiftskirche) empfiehlt folgende physiologische und physikalische Apparate: I. Dubois-Reymond’s electro- hair Sa 1) Multiplicator mit 4000 Windungen . . 2 c 3 2 AO, 2) Multiplicator mit 18,000 Windungen . . 77 fl. 3) Zuleitungs-Gefässe nebst Sicherheitsplatten, 4 Pidäinstreihn 4 Sen ee röhren und 2 gläsernen Handgriffen . - . . . . . b : . 27 fl. 24 kr. 4) Allgemeine Träger. . . > s e rate Abe 9 fl. 54 kr. 5) Stromzuführende Vorrichtung‘ mit 4 Platinenden A» 21 fl. 38 kr. 6) Vorrichtung zu Befestigung des lebenden Frosches, nebst 2 stromzufährenden Klemmen 18 fl. 42 kr. he Er . ? r %« IL. Apparate für das Athmen und den Kreislauf. Kymographion nebst Hämodynamometr . » > 2 me nen 77 fl. Hämodromometer nach Volkmann. . 2. 0m ee ee ne ee 16Ä 36 ker. Spirometer A ga" 1e 2" then tie) urn viheit ‚rang er I = 34 fl. II. Einige physikalische Apparate. 1) Multiplicator zu thermoeleetrischen Versuchen... . 0.0... 0. 804. Die dazu gehörigen Apparate . 5 e & » 2 14 fl. e 2) Einfach wirkende Luftpumpe mit 3 Verschiedene Batipieen o > . A . 1001. 3) Feine Analysen-Wage, ohne Gewichte IAORRTRRIEBIR ARE Mapa ‚7. =". 7. 88 fl. 2 + Exemplare obiger Apparate sind im hiesigen physiologischen Institut einzusehen. . D) Christian Erbe, Mechanicus in Tübingen (Holzmarkt Nro. 861 zunächst der Stiftskirche) empfiehlt: 1) Chemische und pharmaceutische Apparate. Analysenwagen von 50 fl. bis 120 fl. 'Hydrostatische Wage nach. Mohr 8 fl. 30 kr. Handwagen; Granwagen; Lampen nach Berzelius- und Fuchs; Aräometer. 2)'Medieinische und physiologische Apparate. Augenspiegel nach Helmholtz 12fl. Augenspiegel nach Ruete 18 fl. Hämodynamometer nach Poiseuille 9 fl. Schröpfstiefel 36 fl. Ausserdem eine Auswahl Loupen, Brillen, Fernröhren, Thermometer, Barometer. Inductionsapparat. Im Wartezimmer des Pedellen ist ein zu ärztlichen Zwecken dienender Inductionsapparat _ neuester Construction (von Mechanieus Schmidt in Halle a. d. S. zur Ansicht eingeschickt) ‚aufgestellt. Derselbe wird um 10 Thaler verkauft. (Nebst einer literarischen ‚Beilage von Fues Verlagsbuchhandlung.) Druck von H. Laupp jr. in Tübingen. TAGBLATT der dreissigsten Versammlung | deutscher Naturforscher und Ärzte in Tübingen. Montag 19. September 1853 Nro. 2. Tagesordnung. Morgens 10 Uhr: Erste allgemeine Versammlung im Festsaal des neuen Universitätsgebäudes. i 1) Eröffnungsrede des Geschäftsführers. d 2) Professor Quenstedt aus Tübingen: über die geologischen Verhältnisse Schwabens. t 3) Dr. Schultz aus Deidesheim: Ueber die Entwicklung der Natur- wissenschaften bis zur Mitte des 16ten Jahrhunderts. # 4) Aufforderung zur Bildung der Sectionen. Mittags 1 Uhr: Festessen im Museum. (Es ist für 300 Gedecke gesorgt.) Die Herren Präsidenten der Sectionen sind ersucht, unmittelbar nach # Constituirung der Seetionen, zur Aufzeichnung der am Dienstag stattfindenden Vorträge aufzufordern und die Listen sogleich in das Wartezimmer des Pedells zu schicken. P* Um die Arbeiten der HH. Secretäre möglichst zu erleichtern und den Druck ' der Sitzungsberichte zu beschleunigen, werden sämmtliche Redner dringend ersucht, ihre Vorträge in kurzem Auszug noch während der Sitzung, in welcher sie ge- - halten werden, den Secretären zu übergeben. Das zum Briefschreiben bestimmte und mit dem nöthigen Schreibmaterial - versehene Zimmer befindet sich im rechten Flügel des Universitätsgebäudes, eine Treppe hoch, nach hinten. 7 PR TE 10 Die technologische Sammlung und das physikalische Cabinet sind täglich von 10—12 Uhr und von 2—4 Uhr zu sehen. Die Gemäldesammlung und die lJandwirthschaftliche Sammlung, beide im Universitätsgebäude, werden durch den Pedellen geöffnet. Wartezimmer des Pedellen im Universitätsgebäude. der Theilnehmer an der Naturforscherversammlung. Erstes Verzeichniss 1) Herr Oberamtsactuar Eisenbach BUS MENMZSOCYHIBISEB EIS MSOH N UO SEIEN SYS Yıs Sy SsoSiy NY Universitätsgärtner Hochstetter aus Tübingen. Oberamtmann Kolb Obermediecinalrath Dr. v. Härlin aus Ulm. Professor Dr. Vierordt Buchhändler Laupp Bibliothekar Dr. Klüpfel Professor Dr. Breit med. cand. Seeger Buchhändler Aug. Ludwig aus Tübingen. Professor Dr. Quenstedt med. cand. W. Steudel Professor Dr. Luschka Professor Dr. Schlossberger Professor Dr. Walz Cornelio Coppinger y Samar aus Havannah. Oberamtswundarzt Dr. Franck med. cand. Aichele Oberjustizprocurator Pfeilsticker med. stud. E. v. Martens Professor Dr. Hoffmann Dr. L. Uhland Professor Dr. Palmer Oberjustizrath Finckh Dr. Justinus Kerner aus Weinsberg. Oberjustizassessor v. Holzschuher Professor Dr. W. v. Rapp Assistenzarzt der chirurgischen Klinik Dr. Fichte aus Tübingen. Anmeldung im aus Tübingen, 1 29) Herr Gerichtsactuar L. Hufnagel 30) 31) 32) 33) 34) 35) 36) 37) 38) 39) 40) 41) 42) 43) 44) 45) 46) 47) 48) 49) 50) 51) 52) 53) 54) 55) 56) 57) 58) 59) 60) 61) 62) 63) 64) 65) 66) 67) 68) 69) 70) EB TSF IE I EN DB EEE EEE EEE ET EEE IE I YES I “ Turnlehrer Wüst Buchhändler Siebeck aus Tübingen. s Fues jun. Professor Dr. Zech Optiker L. Beneche aus Berlin. Hofrath, pens. Professor Dr. v. Poppe Oberjustizassessor P. Gmelin Professor Dr. Sigwart Oberjustizrath Weber jur. stud. Hausch Rechtscandidat Eggmann Director des K. Gerichtshofs Freiherr v. Breitschwert aus Tübingen. Dr. G. Lührsen aus Hamburg. Assistenzarzt Dr. Gmelin ! Oberamtsarzt Dr. Krauss Buchhändler Osiander aus Tübingen. Professor Dr. Wolfers aus Berlin. Oberpostmeister Bienz jur. stud. Schneider jur. stud. Moser jur. stud. Weinland med. Dr. Kern aus Leipzig. Pfarrer Schmid aus Untertürkheim. Reallehrer Munz aus Freudenstadt. Rektor der Gewerbschule Fr. Gämbel aus Landau. Revisor Friederich aus Tübingen. aus Tübingen. aus Tübingen. . Decan Georgii Dr. Gustav Gärtner Oberbibliothekar, Professor Dr. Tafel Cameralamtsbuchhalter W. Schoffer jur. stud. L. Kielmeyer ) Professor Ch. F. Hochstetter aus Esslingen. Oberamtsarzt Dr. Hofer aus Biberach. Reallehrer Huzel aus Tübingen. Professor G. Oechner aus Aschaffenburg. Dr. Jäger aus Wien. Obermedicinalrath Jäger aus Stuttgart. Dr. Müller aus Homburg v. d. Höhe. Kameralverwalter Schall Assistenzarzt Dr. Büchner Dr. G. A. Spiess, practischer Arzt aus Frankfurt a/M. aus Tübingen. aus Tübingen. 12 71) Herr Dr. F. Wild, pract. Arzt aus Cassel. 72) 73) 74) 75) 76) 77) 78) 79) 80) 81) 82) 83) 84) 85) 86) 87) 88) 89) 90) 91) 92) 93) 94) 95) 96) 97) 98) 99) 100) 101) 102) 103) 104) 105) 106) 107) 108) 109) 110) 111) 112) SS YYNS 333 SEBEISZSPNS- SS SM SI S N UM NY NS DM NND HN Dr. Baur, pract. Arzt aus Tübingen. Professor Dr. Baum aus Göttingen. Professor Dr. Roser aus Marburg. med. stud. Fr. Hegelmaier aus Tübingen. jur. stud. Otto Knapp aus Stuttgart. med. stud. A. Günzler aus Tübingen. Apotheker J. N. Grote aus Braunschweig. Dr. med. C. F. Lohmeyer aus Göttingen. jur. ecand. A. Gutheinz aus Oberndorf. med. Refer. H. Werner Apotheker A. Winter Obertribunalrath J. G. Schäfer Vicekanzler Prof. Dr. Gerber Dr. A. Oppel phil. stud. J. Hauff Dr. med. Fallati „ Leibnitz Baron von Schilling jur. stud. Feyerabend aus Heilbronn. Professor Dr. Fichte aus Tübingen. Wirklicher Staatsrath Dr. J. Fr. Weisse aus St. Petersburg. Cameralamtsbuchhalter Rank aus Oberndorf. Assistent F. Rattenmann aus Tübingen. theol. Cand. J. R. Stochholm aus Dänemark. med. stud. Wenz ) ‚ aus Tübingen. Professor Dr. Pfeiffer Professor Dr. Haug Professor Dr. G. Rapp . Hüttenverwalter Klotz aus Ludwigsthal. Pupillenrath Schott med. cand. Pfeiffer Conservator Grüneisen med. stud. J. Kaut med. stud. Eisenstuck aus Esslingen. med. Dr. Ammermüller aus Stuttgart. med. Dr. Emmert aus Spaichingen. Ober-Justiz-Sekretär Kapff jur. stud. Seyferheld Oberjustizrath Gros aus Tübingen. Oberreallehrer Kommerell Kaufmann Mayer \ aus Tübingen. aus Tübingen. ELEELEEREDE NE 13 113) Herr Professor Dr. Warnkönig 414) 115) 116) 117) 118) 119) 120) 121) 122) 123) 124) 125) 126) 127) 128) 129) 130) 131) 132) 133) 134) 135) 136) 137) 138) 139) 140) 441) 142) 143) 144) 145) 146) 147) 148) 149) 150) 151) 152) 153) 154) SB SS 31 SS 3 Oberjustizrath Steudel Kaufmann L. Uhland Professor Schaaf Apotheker John , aus Tübingen. Amtmann Mörike I Gerichts-Actuar Frank Kanzleirath Rieger Professor Dr. Reusch Professor Dove aus Berlin. med. stud. Breithaupt aus Braunschweig. Hofrath Kapp ) Max Kapp ph. stud. Gänzler aus Tübingen. Professor Dr. Lachmann aus Braunschweig. Medieinalrath Schneemann aus Hannover. Dr. med. Stöss aus Strassburg. Oberamtsarzt Höring aus Ludwigsburg. Professor Frisch aus Stuttgart. Dr. Häring aus Mergentheim. Professor Neuber aus Wertheim. Professor Wiebel aus Hamburg. jur. stud. Mansholt aus Oldenburg. med. stud. Kieser aus Stuttgart. med. stud. Schroter aus Langenau. cam. stud. A. Hahn cam. stud. E. Hepp jur. stud. Bacher aus Stuttgart. med. stud. Martini aus Bauschlot (Baden). Oberbaurath von Bühler aus Stuttgart. med. stud. E. Zeller aus Tübingen. Oberjustizrath Schweiekhardt aus Ulm. Professor Seubert aus Carlsruhe. Professor Köstlin Literat Schlegel | aa med. Dr. Martini med. cand. Gruel med. stud. Breithaupt aus Braunschweig. Oberamtsarzt Dr. Steudel aus Esslingen. Dr. Stimmel aus Kennenburg. bei Esslingen. Dr. August de Bary | farm Dr. Anton de Bary aus Frankfur Y aus Heidelberg. aus Tübingen. aus Tübingen. 14 155) Herr Professor Greiss aus Wiesbaden. 156) 157) 158) 159) 160) 161) 162) 163) 164) 165) 166) 167) 168) 169) 170) 1714) 172) 173) 174) 175) 176) 177) 178) 179) 180) 181) 182) 183) 184) 185) 186) 187) 188) 189) 190) 191) 192) 193) 194) 195) 196) SSUNISS NND NYN DH N ua“ 1> Da - rt” Se» Dauer Der \ rk Seen Dot- TERT ern en: Duenn Se Des \ pr - TEesS jeR- VoznÖ Det Dee er Teer Particulier Merian aus Basel. Sanitätsrath St. Rheiner aus St. Gallen. med. cand. Groh@ aus Speyer. Kanzlei-Assistent v. Bräuning aus Tübingen. jur. stud. Binder von Wangen. jur. stud. Schomann aus Jever. Professor Zenneck | Apotheker Weissmann Kaufmann J. H. C. Meyer N Handlungscommis J. A. F. Meyer \ Dr. Zöller aus Frankenthal. „» Dürr aus Hall. Rector Pahl Redacteur Riecker Stud. Soutter von Morges. theol. cand. Haas aus Esslingen. Oberjustizassessor Gerold Professor Schüz Regierungsdirector Autenrieth aus Reutlingen. theol. stud. Baumann aus Tübingen. Oberförster v. Plieninger aus Bebenhausen. med. stud. Wunderlich aus Markgröningen. Professor Dr. Oehler aus Tübingen. » Reuschle aus Stuttgart. Apotheker Haller aus Tübingen. Dr. med. Otto Gärtner aus Stuttgart. Oberamtswundarzt Dr. Heinrich Faber aus Gmünd. Assistent E. Stoekmayer Ober-Justizprocurator Lang | aus Tübingen. Professor Dr. Gmelin Hofarzt Dr. Elsässer Chemiker Guido Schnitzer med. stud. A. Baur aus Tübingen. Legationsrath W. Gerhard aus Leipzig. Professor Seiz Dr. Ernst Stizenberger aus Stuttgart. aus Hamburg. | aus Tübingen. aus Tübingen. aus Stuttgart. aus Constanz. Hospitalarzt Dr. €. H. Schultz, Bipontinus aus Deidesheim. Professor Dr. Kurr aus Stuttgart. Heinrich Zeller aus Nagold. Professor Dr, Gugler aus Stuttgart. — Roux aus Paris. 15 197) Herr Professor Heyfelder aus Erlangen. 198) 199) 200) 201) 202) 203) 204) 205) 206) 207) 208) 209) 210) 211) 212) 213) 214) 215) 216) 217) 218) 219) 220) 221) 222) 223) 224) 225) 226) 227) 228) 229) 230) 231) 232) 233) 234) 235) 236) 237) 238) Meilizinalrath und Hofarzt Dr. Riecke aus. Stuttgart. stud. jur. Diefenbach aus Donaueschingen. Oberreallehrer Blum aus Stuttgart. Oberamtsthierarzt Vötsch aus Tübingen. Graf von Seckendorf Dr. Reuss aus Stuttgart. Hofrath Dr. Stoll Pfarrer Dr. Stoll aus Lustnau. Oberamtsarzt Dr. Müller aus Calw. Professor Dr. Weltzien Medicinalrath Dr. Molitor Geheimer Bergrath v. Carnall aus Berlin. Rentier F. Jagor aus Berlin. Professor Dr. F. Krauss Dr. Haussmann Pfarrer Roth aus Linsenhofen. theol. stud. Rost aus Jever. Dr. Gerland an der polytechnischen Schule in Stuttgart. Dr. Widenmann aus Ulm. Gerichtsactuariatsverw. Fr. Röcker aus Laupheim. med. stud. Klunzinger aus Stuttgart. Mediecinalrath Schweig aus Carlsruhe. Dr. Moll aus Neuffen. Kammerrath von Strombeck aus Braunschweig. jur. stud. Mangold aus Oehringen. Referendär Kieser aus Stuttgart. Rechtscandidat Kiderlen aus Ulm. Commerzienrath v. Jobst aus Stuttgart. Professor Virchow aus Würzburg. Medicinalrath von Hering aus Stuttgart. Kaufmann Carl Baur aus Tübingen. stud. chem. Emil Breunlin | tt Kanzleirath von Martens ; Professor Dr. Glocker aus Breslau. Professor Dr. Fehling aus Stuttgart. Hofzahnarzt Dr. Frisoni aus Stuttgart. Apotheker Dr. Märklin Maler Edinger Pfarrer Knapp aus Neckarthailfingen. Direktor Walz von Hohenheim. Professor Tscherning aus Hohenheim. aus Carlsruhe. aus Stuttgart. aus Tübingen. 16 | 239) Herr jur. stud. Gustav Schübler aus Tübingen. 240) 241) 242) 243) 244) 245) 246) 247) 248) 249) 250) 251) 252) 253) 254) 255) 256) 257) 258) 259) 260) 261) 262) 263) Optiker Böneche hat eine Anzahl Mikroskope aus der Werkstätte von Beneche & Wasserlein in Berlin zur Einsicht aufgestellt in dem „Prüfungszimmer“ (rechter Flügel, zweiter Stock, gegenüber (der Treppe im Universitätsgebäude. Derselbe ist an den Tagen der allgemeinen Versammlungen von 9—10 Uhr; an den Tagen der Sectionssitzungen dagegen während der Pause von 10—11 Uhr in ge- nanntem Lokal anzutreffen, erbietet sich aber, auf specielle Aufforderung seine Mikroskope zu jeder beliebigen Zeit vorzuzeigen. sy uw, SI SS NN, SE MN S I er Te BER > et sl jn- GERT We Ve N | Dr. Beneke aus Hannover. Dr. Hartmann aus Liebenzell. Kreismedicinalrath Dr. Seeger aus Ludwigsburg. Privatdocent, Director der Hebammenschule und der Gebäranstalt zu Berlin Crede. Oberamtsphysikus Faber aus Schorndorf. Dr. Landerer aus Göppingen. Dr. Munk aus Göppingen. Dr. Schabel von Ellwangen. Apotheker Zwink aus Göppingen. cam. stud. Kastropp aus Tübingen. Geheimerhofrath Dr. Stiebel aus Frankfurt a/M. Dr. Focke aus Bremen. Dr. Krell aus Plieningen. Graf von Beroldingen aus Stuttgart. Dr. Heidenhain aus Marienwerder. med. cand. Heidenhein aus Halle. Dr. Stocker aus Hassmersheim. Apotheker Dr. Leube aus Ulm. Generalmajor Freih. v. Troyff aus Stuttgart. Apotheker Jack aus Salem. Professor Liechtenstein aus Berlin. Professor Dr. Michaelis aus Tübingen. theol. stud. Mayer aus Esslingen. Präparator H. Plouequet aus Stuttgart. Anzeigen. Mikroskope. o * ? Druck von H. Laupp Jr. in Tübingen. TAGBLATT der dreissigsten Versammlung s deutscher Naturforscher und Ärzte in Tübingen. ; > Dienstag 20. September 1853 Nro. 3. Tagesordnung. Beginn der Sectionssitzungen um 8 Uhr. 4 Uhr: Mittagessen im Museum. 7 Uhr: Gesang der Liedertafel im Museumssaal. Angekündigte Vorträge in den Sectionssitzungen für den 20. September. I. Section für Mathematik, Physik und Astronomie. F r (Sitzungslokal: physikalischer Hörsaal, auf dem Schloss.) - . \ 1) Professor Wolfers: einige Mittheilungen über die 17 letzten Winter in Berlin. i 2) Professor Dr. Osann: 1) über das Nees’sche Lichtphänomen. 2) Beschreibung eines Apparats, um nichtleitende Flüssigkeiten durch den elek- trischen Funken zu zersetzen. 3) Ueber galvanokaustische und koniplastische Abdrücke. | 3) Professor Reusch: über einige Erscheinungen an rotirenden Flüssigkeiten, mit x Versuchen. 4) Professor'Dove: über einige stereoskopische Erscheinungen. Il. Seetion für Chemie und Pharmacie. 1) Professor Schlossberger: über die Zusammensetzung der Nervenmaterie. - 2) Dr. Leube, Apotheker: über eine eigenthümliche Selbstentzündung. j Derselbe: über die technische Verwendung zweier Kalksalze. 18 3) Dr. Ammermüller: wie ein Weg zu finden. wäre, um die chemische Verbin- dungskraft auf mechanische Kräfte zu reduciren. 4) Dr. v. Babo: über die Spannkraft des Wasserdampfs in Salzlösungen. III. Section für Mineralogie, Geognosie und Geographie. 1) A. v. Strombeck: über Auffindung des Gaults am Harz. 2) Oscar Fraas: über den obersten weissen Jura in Schwaben. IV. Section für Botanik, Land- und Forstwissenschaft. 1) Rector Gümbel: über die Entwicklungsgeschichte des gemeinen Mistels (Viscum album). 2) v. Martens: über Stapelia europaea. 3) Dr. C. H. Schultz: über Pyrethrum Fuchs. 4) Dr. med. Veesenmeyer: über die Vegetation an der Westseite des Truch- menen-Isthmus. 5) Professor Seubert: über einige morphologisch interessante Missbildungen. 6) Dr. A. de Bary: über die Schleiden’sche Befruchtungstheorie. Als Sitzungslokal der‘ Section wurde der botanische Hörsaal im botanischen Garten bestimmt, und die nächste Versammlung der Section auf Dienstag den 20sten um 10 Uhr festgesetzt. V. Section für Zoologie, Anatomie und Physiologie. (Die rein zoologischen Vorträge finden nach der Pause statt.) 1) Professor Luschka: zur Lehre von der Secretionszelle. 2) Dr. med. G. W. Focke: Microscopica. I. 3) Professor Vierordt: Einfluss der Aetherinhalationen auf den Blutdruck. 4) Med.Rath Hering: über den Einfluss der Nerven auf die Schnelligkeit des Blutlaufs. 5) Professor J. Vogel: über Blutanalyse. 6) Professor W. Rapp: über die Fische des Bodensees. , VI. Section für Mediein, Chirurgie und Geburtshülfe; 1) Faber: über Wuthkrankheit. 2) Ritter: über Empfänglichkeit des Menschen für Thierkrankheiten. 3) Elsässer: über weichen Hinterkopf. 19 Bericht über die erste allgemeine Sitzung, Montag 19. September. Der Geschäftsführer Hr. Prof. Bruns begrüsst die Versammlung. Er gibt eine kurze Uebersicht über die Geschichte der Universität Tübingen, insbesondere der medicinischen Fakultät. Sofort verliest der Sekretär eine Einladung der Gemeindebehörden Rottenburgs zum Besuche der Stadt. Hr. Badinhaber Raidt von Niedernau hat eine Anzahl Exemplare einer Denk- schrift über die Kur- und Badeanstalt Niedernau zur Vertheilung eingesandt. Hr. Medicinalrath Dr. Jäger aus Stuttgart macht eine Mittheilung im Namen der kais. Leopoldinischen Akademie der Naturforscher, die Aussetzung dreier Preise zu 200 Thlr. durch den Fürsten Demidoff, und die Verwilligung von 20 Louisdor zur Unterstützung, wissenschaftlicher Reisen durch den König von Württemberg. Hr. Prof. Quenstedt aus Tübingen spricht über die geologischen Verhältnisse Schwabens, Schwarzwald grosses Urgebirge von Gneis und Granit, freilich mit ge- ringem mineralischem Reichthum. Bunter Sandstein auf dem Granit, mit Nadelwal- dungen, der alte Sitz der Ure; diese sind längst verschwunden, aber ihre Gebeine finden sich noch in den Torfmooren. Dieser Sandstein ist ein wahres Kreuz für die Geologen; denn Tagelang muss man herumschweifen, man findet nichts. Dazu ver- deckt er uns die Steinkohlenformation, nach der man sich so sehr sehnte, und die ganz entschieden vorhanden ist, indem sie überall ihre schwarzen Spuren an den Tag schickt. Der Sandstein ist zum Theil Süsswasserbildung, und der Uebergang von Meereswasser in süsses Wasser bildet die Ursache unserer reichen Salzlager. Gehen wir über den Muschelkalk weiter, so haben wir eine ausgezeichnete Formation in der Lettenkohle, mit einem gewaltigen Reichthum an Versteinerungen, namentlich in dem schönen Keuperbusen Stuttgarts. Ueber diese Landformation folgt ein harter quarzreicher gelber Sandstein, noch ohne alle Spuren von Meeresbildungen. und darum noch nicht zum Jura zu rechnen. Wer den Jura kennen lernen will, muss nach Schwaben kommen, nirgends ist er schöner. Nicht blos Muscheln, nicht blos Ske- lette, ja auch Eingeweide, vom Schiefer aufgesogen, dienen uns hier zum Führer. Diese Schiefer namentlich bei Boll sehr häufig. Sofort der braune und der weisse ‚Jura geben die schönsten Exemplare, einzig in ihrer Art; aber nicht ohne grosse Mühe nach langem Suchen. Den Schlussstein des schwäbischen Jura’s. bildet der Sohlenhofer Schiefer. Dabei gedenkt der Redner Leopold von Buch’s mit dem Wunsche, die durch diesen gestiftete innige Vereinigung der Geologen möge durch seinen Tod keine Un- terbrechung erleiden. 20 Ueber den Jura hinaus bleibt nur noch das Schuttland Oberschwabens zu er- wähnen, das sich gleichfalls mit jedem andern an Reichthum messen kann. Hr. Dr. Schultz aus Deidesheim spricht: über die Entwicklung der Naturwissen- schaften bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts. Drei Zeitalter, 1) mündliche Ueberlieferung der Erfahrungen, 2) schriftliche Aufzeichnung 3) seit Erfindung der Buchdruckerkunst. Jetzt Anfang des 4ten Zeitalters, das der Dampfkraft. Zum Schluss wird zur Bildung der Sectionen geschritten. Die Section für Physik wählt zum Vorstand Hr. Prof. Dove aus Berlin, und bei dessen etwaiger Verhinderung Hr. Prov. Osann aus Würzburg; zu Schriftführern die Hr. Prof. Reusch und Zech von Tübingen. Die Section für Chemie wählt zum Präsidenten Hr. Fehling und zum Secretär Hr. Dr. Ammermüller aus Stuttgart. Die Section für Mineralogie u. s. w. wählt als Präsidenten Hr. Merian aus Basel, als Vicepräsidenten, Hr. v. Strombeck aus Braunschweig. Als Schrift- führer: die Hr. Hr. Fraas aus Laufen und Krauss aus Stuttgart. Die Section für Botanik u. s. w. wählt zu Vorständen Hr. v. Martens aus Stuttgart und Hr. Dr. Schultz aus Deidesheim. Secretäre: Dr. A. de Bary aus Frankfurt und Med. Refer. Steudel aus Tübingen. Section für Zoologie, Anatomie und Physiologie. Zum Präsidenten wird Prof. W. v. Rapp aus Tübingen, zu Secretären die Med. Cand. v. Martens und Jäger aus Tübingen erwählt. Section für Mediein. Zum Präsidenten wurde Prof. Virchow aus Würzburg, zum Schriftführer Hr. Cless jun. aus Stuttgart erwählt. Die Sternwarte ist am Dienstag von 3—5 Uhr geöffnet. Exceursionen Damit die betreffenden Anordnungen rechtzeitig und in zufriedenstellender Weise getroffen werden können, bittet man die Herren Theilnehmer an der Mittwoch 21sten stattfindenden Fahrt nach Niedernau, sowie an dem, auf Freitag 23sten bestimmten Ausflug nach Reutlingen und auf die Achalm sich längstens bis Nachmittags 1 Uhr des vorhergehenden Tages in den, im Anmeldebureau aufliegenden Listen ein- zeichnen zu wollen. Bios denjenigen Herren, welche sich rechtzeitig einzeichnen, kann eine sichere und unentgeldliche Fahrgelegenheit garantirt werden. Diejenigen Herren, welche diese Fahrten ‚gemeinschaftlich in demselben Wagen zu machen gedenken, sind ersucht, sich gleichzeitig im Anmeldebureau einzuschreiben. 7 % 265) 266) 267) 268) 269) 270) 271) 272) 273) 274) 275) 276) 277) 278) 279) 280) 281) 282) 283) 284) 285) 286) 287) 288) 289) 290) 291) 292) 293) 294) 295) 296) 297) 298) 299) 300) 21 Zweites Verzeichniss der Theilnehmer an der Naturforscherversammlung. 264) Herr Dr. Werner aus Vaihingen. Sr Jan SR SEE DS BEN en ET un HET IRQ} 3» Dr. Dicenta aus Hall. Dr. Apotheker Balluff aus Riedlingen. Decan Dr. Fraas aus Balingen. Dr. Dihlmann aus Friedrichshafen. Dr. Hartmann aus Aalen. med. stud. Zipfehli aus Rottweil. Apotheker J. Schönecker aus Gündringen. med. stud. Frieker aus Friedrichshall, Dr. Kern äus Unterweissach. med. stud. Renz aus Oberdischingen. Professor Dr. Baur aus Tübingen. Dr. Baur aus Weilheim uw/Teck. Dr. Mayer aus Heilbronn. Dr. Redenbacher aus Pappenheim. Oberreallehrer Kiess aus Reutlingen. Registrator Gebhardt aus Tübingen. Dr. Feyerlin aus Rippoldsau. Dr. Meding aus Paris. Dr. Simon aus Darmstadt. Apotheker Gmelin aus Rottenburg. Privatdocent Dr. Büchner aus Zürich. Dr. Köstlin aus Mezingen. jur. stud. Scheurlen aus Tübingen. theol. stud. Weiss aus Rottenburg. jur. stud. Märklin aus Stuttgart. Kaufmann Reuss aus Tübingen. Hofrath Dr. Zeller aus Winnenthal. Dr. Ritter aus Rottenburg. Bergrath Schübler aus Stuttgart. Dr. Schüssler aus Gönningen. Dr. Sailer aus Ulm. Privatlehrer Escher aus Stuttgart. Staatsrath v. Ludwig aus Stuttgart. - Kanzleiassistent Jeitter aus Tübingen. Dr. Zimmermann aus Tübingen. Dr. Cless aus Stuttgart. 22 301) Herr med. stud. Zink aus Ellwangen. 302) 303) 304) » 305) 306) 307) 308) 309) 310) 311) 312) 313) 314) 315) 316) 317) 318) 319) 320) 321) 322) 323) 324) 325) 326) 327) 328) 329) 330) 331) 332) 333) 334) 335) 336) 337) 338) 339) 340) 341) 342) BUBEN DS Sn ug Universitätsamtmann Stark aus Tübingen. Dr. Fehleisen aus Reutlingen. jur. stud. Sperr aus Tübingen. med. stud. Jäger aus Tübingen. stud. Hoffmann aus Stuttgart. Dr. Schrag aus Murrhardt. Dr. Calwer aus Stuttgart. Dr. Schleich aus Waldenbuch. Dr. Nittinger aus Stuttgart. Dr. Burkhardt aus Cannstatt. Professor Dr. Will aus Erlangen. Dr. Vöhringer aus Sulz a/N. Pfarrer Dr. Fraas aus Laufen. Dr. Zipfehli aus Rottweil. Dr. Müller aus Oberndorf. Professor Dr. Veesenmeyer aus Ulm. Dr. Schüz aus Calw. Professor Dr. Vogel aus Giessen. Professor Dr. Schnizlein aus Erlangen. Pfarrer Vischer aus Mundelsheim. pharm. stud. Martin aus Tübingen. Assistent Closs aus Tübingen. Professor Desor aus Neuschatel. Ingenieur Gerlach aus Sierre. med. cand. Gmelin aus Tübingen. Dr. Finkh aus Reutlingen. Dr. Pfeilstiker aus Kochendorf. jur. cand. Krauss aus Mergentheim. jur. cand. Habermaas aus Stuttgart. jur. stud. Flammer aus Tübingen. Oberamts-Physikus Dr. v. Springer aus Reutlingen. Stadtphysikus Dr. J. M. Mappes aus Frankfurt a/M. Dr. Bosch aus Hechingen. Medizinalrath Dr. Gfrörer aus Hechingen. Regierungsmedizinalrath v. Batzer aus Sigmaringen. Medizinalrath Dr. Koller aus Hechingen. theol. stud. Braun aus Tübingen. Revierförster Mehl von Einsiedel. Dr. Martin aus England. Rechtsconsulent Faber aus Neckarsulm. Finanzrath Eser aus Stuttgart. 23 343) Herr cam. stud. Klotz aus Tübingen. 344) 345) 346) 347) 348) 349) 350) 351) 352) 353) 354) 355) 356) 357) 358) 359) 360) 361) 362) - 363) 364) 365) 366) - 367) = 368) . 369) - 370) 371) 372) 373) 374) 375) Po 377) 378) 379) 380) 381) 382) 383) 384) ie EB DMNM BB .BIR BEN BY er. US Professor Dr. E. Meier aus Tübingen. Dr. Gussmann aus Markgröningen. Dr. Reinfelder aus Grunbach. Medizinalrath Dr. Plieninger aus Stuttgart. Repetent Zech aus Urach. Zahnarzt Bopp aus Stuttgart. med. stud. Ruess aus Ulm. Physikus Dr. Rehmann aus Haigerloch. Dr. E. Rehmann aus Donaueschingen. jur. stud. Schaaf aus Tübingen. Professor Osann aus Würzburg. Kaufmann Bräuning aus Tübingen. Kanzleirath Jäger aus Tübingen. Oberst im preussischen Ingenieurcorps Kühne aus Coblenz. Wirklicher Geheimenrath v. Billing aus Hechingen. Blankenburg, Ingenieuroffizier aus Hechingen. -theol. cand. Gössler aus Tübingen. Apotheker Scholl aus Böblingen. Privatdocent Dr. Carl Reclam aus Leipzig. Physikus Dr. Würth aus Mosbach. Dr. H. P. D. Reichenbach aus Altona. Dr. Heinrich Ellinger, Director der Irrenanstalt St. Pierminsberg. Apotheker W. Duttenhofer aus Rottweil. Assessorats-Verweser Firnhaber aus Tübingen. Oberamtsarzt Dr. Schüz aus Nagold. Privatdocent Dr. Schinzinger aus Freiburg. Studios. M. Schuller aus Tübingen. theol. cand. G. Binder aus Holzgerlingen. Studios. P. Hansen aus Schleswig. Candidat Rheinwald aus Tübingen. Professor Dr. Fein aus Tübingen. Oberamtswundarzt Wunderlich aus Böblingen. pens. Oberamtsrichter Kulmbach aus Böblingen. Apotheker Federhaff aus Calw. jur. stud. Carl Hepp aus Tübingen. Dr. L. v. Babo aus Freiburg. Dr. J. Frick aus Freiburg. . Geheimer Legationsrath Roser aus Stuttgart. Oberreallehrer Boger aus Oehringen. Dr. Lang aus Oehringen. Professor Dr. Dillmann aus Tübingen. 21 385) Herr Rechtscandidat Klinger aus Tübingen. 386) „ med. stud. Ebner aus Tübingen. 387) „ Dr. Fr. Ellinger aus Mergentheim. 388) „ Postassistent Breisch 389) „ Oberjustizrath Malzacher aus Tübingen. 390) „ Assessorats-Verweser Glocker 391) „ jur. stud. Hegler aus Heidelberg. 392) „ jur. cand. Hartmann aus Tübingen. 393) „ Dr. Reuchlin, Pfarrer aus Pfrondorf. ’ os 394) „ Apotheker Widenmann aus Biberach. 395) „ Rechtsconsulent Schübler aus Stuttgart. 7 a 396) „ med. cand. Beitter aus Münchingen. 397) „ Professor Dr. v. Volz aus Tübingen. ® 398) „ Oberjustizassessor Hirschmüller aus Tübingen. » 399) „ Oberamtsarzt Schwandner aus Welzheim. j 400) „ Lehrer Fehr aus Gunzenhausen. Ku 401) „ jur. cand. H. Glock aus Tübingen. 2 402) „ Professor W. Griesinger aus Stuttgart. 403) „ jur. cand. Herbort aus Stuttgart. ’ \ 404) „ Apotheker C. Scholl aus Stuttgart. u 405) „ Apotheker C. Oeffinger aus Nagold. Je « * 406) „ Apotheker H. Kreuser aus Stuttgart. 407) „ Prosector A. Fiek aus Zürich. 408) „ pharm. stud. Seefrid aus Göppingen. ul EN Anzeigen. # # > Mikroskope. _ a £ .r Ä Optiker Beneche hat eine Anzahl Mikroskope aus der Werkstätte von Beneche & Wasserlein in Berlin zur Einsicht aufgestellt in dem „Prüfungszimmer“ (rechter Flügel, zweiter Stock, gegenüber der Treppe im Universitätsgebäude. Derselbe ist an den Tagen der allgemeinen Versammlungen von 9—10 Uhr; an den Tagen der Sectionssitzungen dagegen während der Pause von 10-11 Uhr in Be nanntem Lokal anzutreffen, erbietet sich aber, auf specielle Aufforderung seine Mikroskope zu jeder beliebigen Zeit vorzuzeigen. ” 4 ae Petrefaktenverkauf. ” Jakob Hildebrand aus Dürnaufhat im mineralogischen Hörsaale neben der alten Aula Ai ausgesetzt: R er “ Allerlei einzelne Petrefakten aus der Juraformation, namentlich auch eine vollständige Suite, bestehend in über 800 Species mit 1570 Exemplaren für den Preis von 250 fl. Zugleich empfiehlt er seine Durchschnitte von Belemniten. u Christian Eitel aus Ehningen ist mit einer reichen Auswahl von Hamiten aus Braunem Jura Espilon hier angekommen. Verkauf im mineralog.- Hörsaal. h Unterzeichneter macht die ergebenste Anzeige, dass er eine Sammlung von Petrefakten aus dem obern weissen Jura, Süsswasserkalk und der Molasse aus der'Gegend von Ulm, namentlich auch eine schöne Suite Fische aus dem Tertiärthon von U.Kirchberg a. d. Iler hier in Tübingen, in einem Nebenzimmer der Geognostischen Sammlung (alte Aula) zum Verkauf ausgestellt bien und empfiehlt solche zu geneigter Abnahme. F. Gutekunst, Petrefaktensammler in Ulm. Druck von H. Laupp jr. in Tübingen. TAGBLATT der dreissigsten Versammlung deutscher Naturforscher und Ärzte in Tübingen. Mittwoch 21. September 1853 Nro. 4. Tagesordnung. Zweite öffentliche Sitzung: um 10 Uhr. 1) Prof. Dove: über den gegenwärtigen Zustand der Meteorologie. 2) Prof. Vierordt: über graphische Darstellung des menschlichen Pulses. 3) Dr. Fraas: über die älteste Bevölkerung der schwäbischen Alb. 4) Dr. Moll: über das Studium der Geschichte der Mediecin. 5) Wahl des nächsten Versammlungsortes. Nach dem Schluss der Sitzung: Fahrt nach Niedernau und Mittagessen daselbst. Die Abfahrt geschieht präcis 12 Uhr vom Universitätsgebäude_ aus. Die Theilnehmer haben ihre Fahrkarten im Wartezimmer des Pedells abzuholen. Angekündigte Vorträge in den Sectionssitzungen für den 21. September. l. Section für Mediein, Chirurgie und Geburtshülfe. Von 8—9 Uhr. 1) Roser, über chirurgische Gegenstände. 2) Heidenhain, Mittheilungen aus der Pathologie des Gehirns. 3) Dr. Baur, Vorzeigung eines pathologischen Präparats. Ayıny » eine geschlossene Pseudomembran, Product einer langwierigen Harn- verhaltung. 5) Dr. Krauss, die Urbewegung der Gesammthirnmasse. Eine Frage, be- ziehungsweise eine Bitte. 6) Professor Breit, über Krankheiten der Schossbeinfuge. 7) Dr. Reklam, der Grund des Antagonismus zwischen Haut und Darm. 8) Professor Dr. G. Rapp, Entstehung des zweiten Herztones. II. Section für Botanik, Land- und Forstwissenschaft. Von 8—10 Uhr. 1) Hr. Rector Gümbel, über die Moosfrucht. 2) Hr. Prof. Schnizlein, über die Gattung Blandonia. 3) Hr. Dr. Schultz, über Anthemideen, namentlich Anthemis Neilreichii Ortmann. 4) Hr. Dr. Veesenmeyer, über vorzuzeigende Pflanzen aus der Kirgisen- und Kalmükensteppe. 5) Mittheilungen des Schreibens von Hr. Dr. C. F. Schimper. III. Section für Mathematik, Physik und Astronomie. Von 8—9 Uhr. Professor Fiek aus Freiburg über Diffusion, Professor Wiebel aus Hamburg über die Temperaturverhältnisse von St. Thomä. Bericht über die Sectionssitzungen Dienstag 20. September. I. Section für Chemie und Pharmacie. I. Der Vorsitzende Prof. Fehling eröffnet die Versammlung und theilt mit, dass mit der physikalisch-mathematischen Section Verabredung getroffen werden soll, dass die beiden Sectionen zu verschiedenen Zeiten ihre Sitzungen haben, um sich gegenseitig besuchen zu können. Es werden desshalb die Sitzungen künftig auf dem Schloss in dem Lokal des Hr. Prof. Schlossberger stattfinden. I. Der Vorsitzende theilt von H. Commerzienrath v. Jobst in Stuttgart 1) ein Gelatin aus Meermoosen der chinesischen Meere, Agar Agar genannt, 2) ein blutstillendes Moos, Pingwan-Jan Gambi, zur Ansicht mit. II. Dr. Leube, Apotheker von Ulm, theilt einen Fall mit über eine eigenthümliche Selbstentzündung von mit Oel getränkten und damit gekochten Pflanzenrück- ständen. Aehnliche Fälle bei Baumwolle, Wolle, Hornspänen u. s.. w. werden angeführt. 27 IV. Derselbe empfiehlt eine Lösung von Chlorcaleium als ein nichtgefrierendes Feuer- löschmittel. VW. Derselbe empfiehlt als auf längere Erfahrung gegründet, die Anwendung des hydraulischen Kalks als ein Mittel gegen den Hausschwamm, und schreibt seine Wirkung der Eigenschaft zu, Feuchtigkeit zu absorbiren. VI. Dr. v. Babo zeigt einen Proportionalkreis vor, welcher erlaubt, jede organische Formel aus dem Resultat der Analyse direct abzulesen, und ebenso zur Aus- führung jeder chemischen Rechnung, wenn eine Genauigkeit von nur 0,1 % nöthig ist, ausreicht. VI. Prof. Schlossberger spricht über die chemische Zusammensetzung der Ner- venmaterie. Er macht zuerst auf eine merkwürdige bisher nicht beachtete Ana- logie zwischen den in Aether löslichen Gehirnmaterien und der Cholsäure (Gal- lensäure) aufmerksam; kommt dann gestützt auf eine Reihe von Analysen zu dem Ergebniss, dass der Chemiker das Gehirn als ein ganzes Organsystem “anzusehen hat, indem die einzelnen anatomisch unterscheidbaren Theile desselben so bedeutende Differenzen in der Quantität zeigen. Er wird das Detail seines Vortrags in seinem bald erscheinenden neuen Werke über vergleichende Thier- chemie im Zusammenhang darstellen. VIH. Dr. Weidenbusch spricht über eine Methode der Bestimmung des Blutlaugen- salzes. Die Bestimmung des Blutlaugensalzes ging von der Voraussetzung aus, dass ein in einer alkalischen Flüssigkeit, die frei von org. Substanzen ist, gelöstes Eisen von Blutlaugensalz stammen müsse. Dies Eisen wurde mit Salpeter verpufft in Salzsäure gelöst und mit einer titrirten Auflösung von 3 bas. phos- phorsaurem Natron versetzt, nachdem die Eisenlösung vorher mit Schwefeleyan- kalium gefärbt war. Die Entfärbung der Flüssigkeit deutet den Grad der Sät- tigung an. Die Methode zeist Schwankungen, die zu klein sind, als dass sie ihre technische Anwendung nicht zulässig machen sollten. v. Babo bemerkt dazu, dass die Bestimmung der Phosphorsäuren mit Eisen bis auf 4—5 °o ungenau ist, was Fresenius bestätigt. Zum Titriren empfiehlt Fehling das übermangansaure Kali. Für die Bestimmung des Eisens überhaupt spricht Fresenius dem Schwefelwasserstoff das Wort. IX. Dr. Ammermüller schlägt vor, die Spannkraft der Dämpfe von Wasser, Kohlensäure u. s. w. als Mittel zu benützen, um die chemische Verwandtschaft . nach Atmosphärendrucken zu bestimmen. X. Zum Vorstand der nächsten Sitzung wird Heinrich Rose gewählt. U. Section für Mathematik, Physik und Astronomie. Hr. Professor Wolfers aus Berlin spricht über die letzten siebenzehn Winter Berlins. Der Redner rechnet den Winter vom ersten bis zum letzten entschiedenen 28 Frosttage, und nennt streng einen solchen Winter, in welchem die Summe der nega- tiven Temperaturen während der ganzen Dauer desselben die der positiven übertrifft, nicht streng einen solchen. in welchem das Gegentheil stattfindet. Darnach sind unter jenen 17 Wintern 6 strenge und 11 nichtstrenge. Sodann setzt der Redner die Unter- schiede der strengen und nichtstrengen Winter auseinander, wornach in strengen Wintern weniger. in nichtstrengen häufiger Temperaturwechsel eintreten; in jenen nach der ersten Kälteperiode eine kürzere Krisis eintritt, aber so, dass die niedere Temperatur im Ganzen überwiegt, in diesen dagegen auf die erste Kälteperiode eine oder mehrere Wärmeperioden folgen. wobei die höhere Temperatur nach Dauer und Summe überwiegt. Eine Ausnahme bilden nur die drei Winter von 1842, 49 und 53, auf die der Redner noch näher eingeht. — An diesen Vortrag knüpft der Vorsitzende, Hr. Professor Dorn. einige Bemerkungen und hebt als Hauptaufgabe der Meteorologen ‘hervor, dahin zu wirken, dass die Beobachtungen möglichst rasch veröffentlicht werden, so lange der frische Eindruck der Gegenwart noch nicht verwischt ist. Professor Osann spricht über das Neef’sche Lichtphänomen. Er gibt einige Verbesserungen an dem Neef’schen Apparat an, wodurch die Erscheinungen deutlicher hervortreten, feiner Platindraht statt des zugespitzten Häckchens und Eisendraht für den Unterschied der Licht- und Wärme-Erscheinungen, und zeigt sodann die entspre- chenden Experimente vor. Der Redner geht sofort auf die Erklärung dieser Erschei- nungen über und zeigt. wie diese aus der srössern Expansibilität der positiven Elec- trieität einfach folgt, ohne dass er jedoch die Neef’sche Annahme eines Licht- und eines Wärmepols geradezu verwerfen will. Sodann zeigt Professor Osann eine Vorrichtung an dem Neef’schen Apparat zur Zersetzung nicht leitender Flüssigkeiten und gibt Andeutungen über die Erklärung einer solchen nicht electrolytischen Zersetzung. Professor Reusch zeigt die von ihm in Poggendorfs Annalen beschriebenen Er- scheinungen an rotirenden Flüssigkeiten vor; ferner ein Chronoskop von Hipp mit eigenthümlicher Hemmung durch eine schwingende Feder und einer besondern Vor- richtung zur genauern Messung der zu bestimmenden kleinen Zeittheilchen. Endlich spricht Professor Dove über einige stereoskopische Erscheinungen, ins- besondere die Entstehung des Glanzes. Dieser entsteht, wie durch stereoskopische Versuche nachgewiesen werden kann, dadurch, dass man zwei Flächen, die eine hinter . der andern erblickt. IH. Section für Mediecin, Chirurgie und Geburtshülfe. Hofarzt Dr. Elsässer aus Stuttgart zeigt seine Präparate über den von ihm in einer Monographie beschriebenen weichen Hinterkopf (Craniotabes rhachitica infantum) vor. Ueber die Krankheit selbst weiss er nichts Neues anzugeben; dieselbe verdiene die Aufmerksamkeit der Aerzte wegen ihrer Häufigkeit, ‘der Eigenthümlichkeit ihrer Zufälle und ihres Einflusses auf die Sterblichkeit in der ersten Periode der Kindheit. 29 Dr. Hauk von Berlin übersendet zur Vertheilung an die Mitglieder der medi- zinischen Sektion 100 Exemplare seiner „Notizen über das Alpenbad Kreuth.“ Oberamtsarzt Dr. Faber aus Schorndorf hält einen Vortrag über Wuthkrankheit, Rechtfertigung ihrer besonderen Natur, ihrer Contagiosität, ihres Unterschieds von Tetanus. Dr. Ritter von Rottenburg spricht über die Empfänglichkeit der Menschen für ursprüngliche Thierkrankheiten, die in neuerer Zeit auffallend häufiger geworden sei, als vor Alters. Für Ursachen dieser Erscheinung hält der Vortragende, dass durch Kuhpocken- impfung, durch Entziehung der Muttermilch und ausschliessliches Auffüttern des Säug- lingss mit Thiermilch der Mensch eine gewisse Empfänglichkeit für Thierkrankheiten erhalten habe, so wie dass durch Domestikation der Hausthiere diese dem Menschen in ihrem Organismus ähnlicher geworden seien. Professor Roser sprach über die Häufigkeit einer Klappenformation an den Ausführungsgängen der Abscesse. Er erinnerte, dass bei Eiteransammlungen, welche sich in die Lunge entleeren, keine Luft in die Eiterhöhle einzudringen pflegt, ebenso dass bei Abscessen der Bauch- höhle, welche sich in den Darm hinein eröffnen, meistens kein Darmgas oder Darm- inhalt in die Abscesshöhle hineinkommt; er machte darauf aufmerksam, wie nützlich für die Heilung diese Art Abscessklappen seien, indem sie das überschüssige Exsudat hinauslassen und zugleich keinem Zersetzung erzeugenden Gas u. s. w. den Eintritt gestatten. Dagegen gebe es andere schädliche Abscessklappen, nämlich solche die den Eiter nicht hinauslassen, die folglich eine immer wieder sich erneuernde Eiterung und Verschlimmerung mit sich bringen. Hier sei eine künstliche Beseitigung der Klappen indieirt und zwar, da sich das viel gebräuchliche Einlegen der Wieken häufig unzu- reichend erweise, das wiederholte Einschneiden und Erweitern mit dem Knopfmesser oder das Einlegen von Röhren, oder bei tiefen und gefährlichen Stellen die gewalt- same Erweiterung mit Kornzangen, Pressschwanm, Gentianawurzel u. dergl. Am Schlusse der Sitzung Einladung an die Mitglieder von Seiten der Herren Professoren Bruns, Rapp und Breit zu einem Besuche des Krankenhauses am Nachmittag. — Die Wahl eines Vorsitzenden für die nächsten zwei Tage fällt auf Professor Griesinger. Zuletzt Constituirung einer psychiatrischen und einer ge- burtshülfliichen Sektion. IV. Section fürMineralogie, Geognosie und Geographie. 1) A. von Strombeck aus Braunschweig hielt einen Vortrag über das Vorkommen des Gault bei Bodenstein im Braunschweigischen Amtsbezirke Lutter am Barenberg. Derselbe legte von dort mehrere organische Reste vor, namentlich Am- monites auritus Sow. in vielen Exemplaren, dann auch Hamites rotundus (maximus) Sow. und intermedius Sow., Belemnites minimus Lister und Corystes Stockesi Mant., 30 alles mit den Formen von Folkstone u. s. w. völlig übereinstimmend. Der Bodensteiner Gault gehört darnach zu dem oberen. Es wurde ferner nachgewiesen, dass der Gault, wenn gleich mit armer Fauna, in dem Hügellande nördlich vom Harze weit verbreitet ist. Somit tritt denn diese Etage der Kreide auch in Deutschland, wo sie bis dahin nur in geringen Spuren erkannt war, entschieden auf. Das Gault-Vorkommen bei Bodenstein, innerhalb des subhereynischen Quader- gebirges erregt aber ein um so grösseres Interesse, als sich darnach von mehreren der dortigen Kreidegesteine, deren Alter noch nicht fest stand, dieses genauer be- zeichnen lässt. Der Redner wies nach, dass der Flammenmergel den Bodensteiner Gault überlagert, daher jünger ist, als dieser, und zur oberen Kreide gehört. Der subhereynische Unter-Quader dagegen unterteufe jenen Gault. Es wurden ferner vom Herrn A. von Strombeck Versteinerungen (Amm. Nisus d’Orb. und Deshayesi Leym.) vorgezeigt, die aus den obersten Lagen des Hilsthons herrühren, und wonach diese dem Terrain Aptien d’Orb. (unterer Gault Ewald’s) ent- sprechen, während die tieferen Schichten charakteristische Hils-Versteinerungen ent- halten. Da nun der subhereynische Unter- Quader auf Hilsthon ruht, und mithin zwischen ihm und oberen Gault liegt, so muss derselbe dem Gault, und, wie aus anderen Umständen wahrscheinlich ist, dem unteren Gault zugehören. Der subher- eynische Unter-Quader ist daher im Alter ebenso verschieden vom Sächsischen Quader = (Cenomanien), als vom Quader des Teutoburger Waldes (= Neocomien). 2) Professor Dr. v. Glocker aus Breslau hält folgenden Vortrag über die Lauka-Steine. Die mineralögischen Kugelformen, über deren Entstehung die Ansichten noch getheilt sind, nennt er nach dem Fundorte die Laukasteine und finden sich in schö- nen Exemplaren bei Blansko in Mähren. Sie sind kugelrund, häufiger sphäroidisch, zuweilen mit Einbuchtungen, wodurch verschiedene Gestalten entstehen, ferner dick- ceylindrisch, öfters mit concentrischen Streifen, seltener 2, 3 und: mehrere verbunden, manchmal knollig. Sie sind immer massig, nicht ausgehöhlt, bald krystallinisch, klein- und feinblätterig, häufiger aber strahlig oder faserig, oft mit einem unkrystallinischen Kerne; die blättrigen haben die Kalkspathstruktur. Zuweilen zeigen diese Gebilde auch eine geradeschalige Absonderung. Die Laukasteine sind gewöhnlich weniger hart als Kalkspath, haben im Durchschnitt ein spee. Gewicht von 2,6, sind theils roth, theils grau und bestehen aus mit Thon und Sandkörnchen innig gemengten kohlensaurem Kalke. Sie liegen in einem horizontalgeschichteten, ziemlich mächtigen Mergellager, welches auf Grauwackekalk unmittelbar aufliest. Die Laukasteine sind durch eine Zusammenziehung des kohlensauren Kalkes um einen centralen Punkt ent- standen. Der Redner vergleicht sie noch mit den ähnlichen Formen der Imatrasteine aus Finnland, der Marlekor aus Schweden, der Gebilde von Thalheim in Siebenbür- gen, der sog. Morpholithe aus Egypten. . Prof. Dr. Quenstedt bemerkt hierauf, dass man derlei äusserlichen Formen zu viel Aufmerksamkeit schenke, und dass manche kugelähnliche Formen durch zu- fällige Umstände wie z. B. die Kugelformen um Versteinerungen herum oder um kleine Punkte von Schwefelkies und dergleichen entstehen. ar Via: PrWw) BEN 31 3) Desor aus Neufchatel über Jodführende Steine von Saxon. Auf dem linken Ufer der Rhone im Wallis wurde voriges Jahr eine sehr jod- haltige Quelle entdeckt, selbst der Fels sollte Jod enthalten. Es wurde bis vor wenigen Wochen darüber gestritten, indem die Einen Jod fanden, die Andern nicht. Das Resultat des Streites war die Entdeckung, dass dort eine intermittirende Jodquelle sich findet und dass der Fels von Rauwacke, gegen 40° mächtig, in seinen Höhlen eine gelblich-röthliche Substanz enthält, Jodmagnesium und Jodcaleium. Die wahrscheinlichste Erklärung dieser Quelle, die besonders bei Regenwetter stark auf Jod reagirt, ist wohl die Annahme von Auslaugung. Bergrath Schübler knüpft hieran eine Bemerkung über die chemische Zer- setzung des Jod. 4) Fraas aus Laufen über den obersten weissen Jura von Schwaben. Vor 14 Jahren hatte schon Quenstedt die Identität der schwäbischen Krebs- scheerenplatten mit dem Solnhofer Schiefer Baierns ausgesprochen. Diese Ansicht ist durch neuere Ausgrabungen bei Nusplingen glänzend bestätigt worden, indem dort ganz dieselben Petrefakten aufgefunden wurden wie dort. Eine Art Meerengel, ver- schiedene Eckschupper und Krebse, Ammoniten mit Aptychus dienen als Beleg. Hieran knüpft sich eine weitere Besprechung, an der sich v. Bühler und Quen- stedt betheiligen. 5) Prof. Quenstedt hat schon im Jahr 1835 unter den von Meyen nach Berlin gebrachten Fossilen aus Chili Planulaten auf schwarzem Schiefer untersucht und für jurassisch erklärt. Mit Rücksicht darauf und Herrn Bayles (in Paris) Beob- achtungen dürfte L. v. Buchs Ansicht, dass in Amerika der Jura fehle, mehr als zweifelhaft sein. d’Orbigny’s Angaben beweisen Nichts, indem bei ihm Verwechselung der jurassischen und Kreidefossile in Menge vorkommen. Desor bemerkt hiezu, dass Tschudi ächtes Neocomien aus Südamerika gebracht habe. Der Vorstand, Hr. Merian, lenkt die Aufmerksamkeit von Amerika wieder nach Schwaben und spricht über den Parallelismus der Glieder des obern weissen Jura in Schwaben mit den gleichzeitigen Gliedern in anderen Ländern. 6) Fraas spricht über die inneren Organe der Ammoniten, nämlich über Aptychus und Sipho, und zeigt an Belegstücken, mit welchem Unrecht Dr. Giebel in Halle die Aptychus vom Ammoniten trenne und die Ammoniten-Sipho’s gar nicht kenne. V. Section für Botanik, Land- und Forstwissenschaft. 1) Rectorr Gümbel über die Entwicklung der Mistelpflanze (Viseum). Er bestreitet die herrschenden Ansichten über die Verbreitungsart der Samen durch Vogel- excremente, und demonstrirt durch zahlreiche Exemplare aufbewahrter Entwicklungs- zustände folgende Bedingungen für die Entwicklung der Mistel: 1) junge Rinde, 2) einen Vogel, der die Samen beim Fressen durch den Schnabel verschnappt, 3) Feuchtigkeit und Wärme. Er beschreibt die Keimung und macht auf ganz ähnliches Verhalten der Samen von Myzodendron brachystachyum DC. aufmerksam. 2) Professor Schnizlein fügt hierzu einige Bemerkungen über, das Visein bei Loranthus europaeus, und über den Bau der Anthere von Viscum album, welche im Jugendzustand regelmässig 4fächerig und stets als mit einem Petalum verwachsen er- kennbar ist. 3) v. Martens spricht über das Vorkommen und die Charaktere von Stapelia europaea, vertheilt frische Exemplare dieser und verwandter Arten, so wie reife in Rom gesammelte Samen von Allium Appeloprasum. 4) Dr. Veesenmeyer redet über die auf seinen Reisen beobachtete Vegetation an der Westseite des Truchmenen-Isthmus, und legt zugleich eine ae, Samm- lung dort gesammelter Pflanzen vor. d) Professor Seubert demonstrirt einige morphologisch-interessante Missbildungen von Glyceria spectabilis und Rhaphanus sativus durch vorgelegte Exemplare und Zeich- nungen und knüpft daran Bemerkungen über viergliedrige Blüthenkreise bei Iris sam- bueina und Orchideen. nebst der Aufforderung zu sorgfältiger Beschreibung und Ab- bildung der Monstrositäten. 6) Dr. Anton de Bary theilt Beobachtungen über die Embryobildung bei Caema mit, nebst betreffenden mieroskopischen Demonstrationen. Die Embryobildung geht in zarten Verzweigungen, Anhängseln des Pollenschlauchs vor, welche zwar als Keim- bläschen in der Spitze des Embryosacks zu finden sind, dennoch aber ihre Entstehung aus dem Pollenschlauch nehmen. Dieselben scheinen die Behauptungen von Hofmeister für einige Fälle zu erklären und die Schleiden’sche Befruchtungslehre zu bestätigen. 7) Dr. Schultz sprach über die Gattung Pyrethrum. Fuchs theilte sie in 2 Untergattungen, Eupyrethrumund Anacycelus. Anacycelus formosus Fenzl., welchen Boissier zu einer eigenen Gattung Leucocyelus erhoben, vereinigt er sammt Santolina Lin. mit Achillea Lin. Zugleich zeigt und bespricht er Cirsium Gerhardti (C. lanceolato - eriophorum), seine Charaktere und sein neu entdecktes Vorkommen in Württemberg. Vorgelegt wurden während der Sitzung: 1) Von Hr. Rector Gümbel eine Sammlung pfälzischer Laubmoose, als Geschenk für das hiesige Universitätsherbarium bestimmt. 2) Eine Sendung lebender Exemplare von Ammophila arenaria, Eragrostis mega- stachya und Corispermum Marschallii, nebst darauf bezüglichem Schreiben von Herrn Dr. C. F. Schimper in Schwetzingen. 3) Hr. Oberamtsarzt Dr. Steudel legt den ersten Bogen seiner Synopsis Glu- macearum vor, nebst einer Anzahl Abbildungen unde Beschreibungen der Gattung Paspalum. v 4) Hr. Universitätsgärtner Hochstetter ae der Section Blüthen und Blätter der Victoria regia und Euryale ferox. VI. Section für Zoologie, Anatomie und Physiologie. 1) Professor Luschka spricht über die Secretionszellen. Die Bedeutung der Thierzelle als Seeretionsgebilde ist viel allgemeiner, als man dies anzunehmen gewohnt ist. Nicht allein entstehen durch Vermittelung von Zellen, die eigenthümlichen Produete der gemeinhin als Absonderungswerkzeuge bezeichneten Organe, — die Galle, der Harn, der Same, die Milch ete. — sondern auch normale Ausscheidungen auf verschiedenen Membranen und membranartig ausgebreiteten Theilen, und zwar durch Formelemente, welchen man bisher nur den Zweck des Schützens unterstellte. Auf der Schleimhaut des Magens und Darmkanales sind es die Cylinder- zellen, durch deren Vermittelung Schleim entsteht; während andererseits die Cerebro- spinalflüssigkeit. die Feuchtigkeit der grossen serösen Säcke, der Humor aqueus im Wesentlichen das Ergebniss der Schmelzung zu homogenen, wasserhellen Zellen meta- morphosirter Epithelialplättchen, darstellen. 2) Professor Virchow erinnert daran, dass die von Hrn. Luschka vorgetragenen Ansichten die schönste Bestätigung der Theorie von Söllinger sein würden, der das Secret als das Auflösungsproduct des secernirenden Organs betrachtete. So sehr nun auch diese Theorie für manche Drüsen z. B. die Generationsdrüsen, die Fettdrüsen anerkannt werden müsse, so erscheine es doch bedenklich, sie allgemein zu acceptiren. Die pathologischen Erfahrungen z. B. dass bei der ausgebildetsten Form der Fettleber, wo alle Leberzellen mit Fett erfüllt seien, keine wesentliche Zunahme des Fettes in der Galle vorkomme,. dass noch Harnstoff abgesondert werde, wo kein Epithel mehr in den Harnkanälchen sei, sprächen sehr gegen das allgemeine Vorkommen der Disso- Iution von Secretionszellen. Ueberhaupt könne man wohl kaum umhin, alle diejenigen Secretionen, wo die Secretstoffe schon im Blute präformirt enthalten seien, auf eine Transsudation zu beziehen. Nun gibt es freilich noch eine dritte Form von Secretion, wo allerdings specifische Stoffe im Seeret vorkommen, die nicht im Blute existiren, die also im Secretionsorgan entstehen müssen. Bei diesen bleibe aber noch eine dritte Möglichkeit übrig. Man könne annehmen, dass der speeifische Stoff durch die Thätig- keit des Organes gesichert werde, wie z. B. Schleim als Bestandtheil sowohl von Zellen, als von Intercellularsubstanz vorkomme. Allein hier müsse man in der wirk- lich abgesonderten Flüssigkeit den eigentlich secretorischen Theil, der den speeifischen Stoff enthalte, von dem transsudativen Theil, der hauptsächlich Wasser und Salze bringe, unterscheiden, und der Vorgang dürfe so aufgefasst werden, dass durch die Transsudation von Blutbestandtheilen die specifischen Stoffe aus den Geweben an die Oberfläche gebracht werden. Was die cerebrospinale Flüssigkeit betreffe, so sei sie wohl als ein Typus der transsudativen Absonderungen aufzufassen, da sie fast keim Albumin, sondern fast nur Wasser und Salze führe. Dass die Epithelialzellen des Aderplexus nicht aufgelöst werden. scheine daraus zu folgen, dass man die rothen Fetttropfen, durch welche sie sich auszeichnen, nicht bei Kindern, sondern in zuneh- mender Zahl und Grösse bei älteren Individuen finde, dass also die Lebensdauer der Zellen kaum kleiner anzunehmen sei, als die des Individuums. N 31 3) Medieinalrath Hering aus. Stuttgart theilte das Resultat von Versuchen über den Einfluss des Lungen-, Magen- und grossen sympathischen Nerven auf die Schnellig- keit der Bluteirculation mit, aus welchen hervorgeht, dass die letztere durch das Ab- schneiden der genannten beiden Nerven sehr wenig alterirt wird. Professor Vierordt bemerkt, dass möglicherweise diese Versuche einen Fehler einschliessen wegen Nichtberücksichtigung der Diffusion, welcher Einwand nur durch combinirte Injection zu beseitigen wäre. 4) Professor Julius Vogel aus Giessen sprach über einige Punkte der Blut- analyse und der Blutkrankheiten. Ausgehend von der Thatsache, dass die bisher geübten Methoden der Blutuntersuchung den Bedürfnissen der praktischen Mediein als zu mühsam und zeitraubend nicht entsprechen, theilte er einige andere Methoden mit, die einfach sind und dabei fast augenblicklich ein Resultat geben. 1. Quantitative Bestimmung der rothen Blutkörperchen oder genauer des Blut- farbestoffes aus der Farbe des mit Wasser verdünnten Blutes mittelst einer Blutfarben- skala. Eine solche Blutfarbenskala wurde vorgezeigt, ihre Bereitung und Anwendung erläutert und ihr Nutzen für die Beantwortung praktisch-medicinischer, physiologischer und pathologisch-anatomischer Fragen geschildert. 2. Eine sehr einfache, in wenigen Minuten ausführbare quantitative Bestimmung des Kochsalz- oder Chlorgehalts des Blutes und anderer organischer Flüssigkeiten durch Titrirung. Einige Bemerkungen sollten dienen, die Wichtigkeit dieser Bestimmung für die medieinische Praxis anschaulich zu machen. Der Gehalt des Blutes an Eiweiss und an Kochsalz steht nämlich in einem gewissen Antagonismus: bei Abnahme des Eiweiss im Blute nimmt der Kochsalzgehalt zu: so bei vielen hydropischen Zuständen, wo erst nach vorheriger Entfernung des Kochsalzüberschusses der Eiweissgehalt des Blutes seine normale Höhe wieder erreicht. Im Gegentheil lassen sich manche krank- hafte Zustände, welche auf einem Ueberschuss des Eiweiss im Blute beruhen, durch consequente Zuführung von Kochsalz ete. zum Blute beseitigen. So z. B. manche Formen der Scrophulosis, bei welchen die nützliche Wirkung so mancher kochsalz- haltigen Mineralwasser sich zum Theil auf diese Weise erklären lässt. Bei der darauf erhobenen Discussion betheiligen sich Professor Vierordt und Professor Georg Rapp von Tübingen. Nach 10 Uhr trennte sich die Sektion für Zoologie und Physiologie von der medicinischen. W. Rapp über die Fische des Bodensees.. Von den Fischen des Bodensees bietet besonders die Diagnose der verschiedenen Salmonen Schwierigkeiten dar. In der Zahl der Bodenseefische, die sich auf 26 beläuft, sind folgende Salmonen: Core- gonus lavaretus, Cuv. et Val. (Blaufelechen mit dem Gangfisch), Coreg. fera, Jur. (Sand- felchen), Coreg. hiemalis, Jur. (Kilchen). Thymallus gymnothorax, Val. Fario trutta (Lachsforelle), Fario lacustris (Silberlachs), Salmo umbla (Rothforelle, Röthel). Es fehlt aber die in einigen Nebenflüssen vorkommende Bachforelle (Salar Ausonii Val.), ebenso fehlt der Lachs (Salmo salmo, Val... | Es wurden die in grossem Format ausgeführten Abbildungen dieser Fische vor- 35 gelegt, welche für die Monographie der Bodenseefische, welche in kürzester Zeit er- scheinen wird, bestimmt sind. Hierauf wird Professor Will aus Erlangen zum Präsidenten für die nächste Sektionssitzung gewählt und die Versammlung beschliesst das zoologische Kabinet zu besuchen. . Die technologische Sammlung ist täglich von Morgens 10—1?2 Uhr und Mitags von 3—Dd Uhr geöffnet. Für den abwesenden Vorstand Prof. Reusch. Drittes Verzeichniss der Theilnehmer an der Naturforscherversammlung. 409) Herr Med. Dr. Schazmann aus Mundelsheim. 410) „ Pfarrer Kommerell aus Schopfloch. 411) „ jur. stud. Ernst Schwarzmann aus Wain. 412) „ Dr. med. Sicherer aus Heilbronn. 413) „ 5» 3. Nesensohn aus Friedrichshafen. 414) „ theol. stud. Klüsener aus Kniphausen. 415) „ Prof. Dr. Rose aus Berlin. 416) „ Chemiker Gustav Geiger aus Stuttgart. 417) ,„ Apotheker Ducke aus Wolfege. 418) „ Professor Hlasiwetz. 419) „ Professor Dr. Forchhammer aus Kiel. 420) „ Professor Grossmann aus Stuttgart. 421) „ med. cand. G. Elwert aus Tübingen. 422) „ med. stud. E. Josenhans aus Tübingen. 423) „ Apotheker Haug aus Freudenstadt. 424) „ Apotheker Gärtner aus Winnenden. 425) „ Oberamtsarzt Dr. Kapff von Neuenbürg. 426) „ Apotheker Wullen aus Münsingen. 427) „ Apotheker Fehleisen aus Neckarsulm. 428) ,„ Professor Fresenius aus Wiesbaden. 429) „ Apotheker Borst aus Eningen. 430) „ Dr. Weidenbusch aus Freudenstadt. 431) „ Dr. 6. F. Weber aus Giessen. 432) ,„ Oberamtsarzt Dr. Welsch aus Herrenberg. 433) „ Dr. Guckelberger aus Stuttgart. 434) „ Dr. Abt aus Eschach. 435) Herr Dr. Gustav Nar aus München. 436) 437) 438) 439) 440) 441) 442) 443) 444) 445) 446) 447) 448) 449) 450) 451) 452) 453) 454) 455) 456) 457) 458) 459). 460) 461) 462) 463) 464) 465) 466) 467) 468) 469) 470) 471) 472) 473) 474) 475) 476) Sy 783.3 SUSE NEN SS SER Sy U SN y So ıy u u BB IEHy 3,83 .370938 3.93 8 uy Oberamtsarzt Dr. Finkh aus Urach. Oberamtsarzt Dr. Lipp aus Horb. Inspeetor Gutberlet aus Fulda. Kreismedie.-Rath Dr. Baur aus Reutlingen. jur. stud. Haag aus Esslingen. Apotheker Kölle aus Ulm. Apotheker Neuffer aus Crailsheim. Gerichtsaktuar Gmelin aus Tübingen. Canzleirath Bullinger aus Tübingen. Dr. Bührlen aus Ulm. Dr. Baur aus Wiesensteig. Apotheker Kohler aus Wiesensteig. Carl Palm, prakt. Arzt aus Ulm. Professor Dr. Zukrigl aus Tübingen. Professor Dr. v. Schrader aus Tübingen. Apotheker Morstatt aus Cannstadt. Reallehrer C. Schepp aus Heidelberg. med. stud. Th. Günther aus Tübingen. Postmeister Heim aus Hechingen. Prof. Müller aus Freiburg. Dr. Köhler aus Stuttgart. Physikus Upmann aus Birkenfeld. Professor Riecke aus Hohenheim. Referendär Bacher aus Stuttgart. Physikus Frey von Bondorf. jur. stud. Silcher aus Stuttgart. Professor Holzmann aus Stuttgart. Hofrath Dr. Elsässer aus Stuttgart. Akademiker H. Abich aus St. Petersburg. Kaufmann Faber aus Stuttgart. Thierarzt Fricker aus Stuttgart. Gymnasiallehrer Goldenberg aus Saarbrücken. Professor Leyh aus Stuttgart. Baron v. Schartel aus Stuttgart. Apotheker Seeger aus Lorch. med. stud. Kaulla aus Stuttgart. Oberjustizrath Feuerbach aus Tübingen. Oberjustizrath Hahn aus Tübingen. Oberpolizeiarzt Dr. Behrend aus Berlin. jur. stud. Behrend aus Berlin. Apotheker Reinhardt aus Plieningen. 37 477) Herr Apotheker Mutschler aus Esslingen. 478) 479) 480) 481) 482) 483) 484) 485) 486) 487) 488) 489) 490) 491) 492) 493) 494) 495) 496) 497) 498) 499) 500) 501) 502) 503) 504) 505) 506) 507) 508) 509) 510) 511) 512) 513) 514) 515) 516) 517) 518) r)] A Bischoff aus Ludwigsburg. Professor Rothmund aus München. Dr. Baumgärtner aus Illertissen. Professor Reiff aus Tübingen. Oberhelfer Heberle aus Tübingen. Professor Dr. v. Baur aus Tübingen. Institutsvorstand Wüst aus Reutlingen. Reallehrer Nüssle aus Sigmaringen. Geheimer Hofrath v. Wächter aus Leipzig. Oberjustizrath C. Mayer aus Tübingen. theol. stud. Samuel Mills Warren aus Philadelphia. Dr. Carl Haussmann aus Wildbad. Dr. Bengel aus Merklingen. jur. stud. Leopold Löwenstein aus Pflaumloch. Oberamtsarzt Dr. Mayer aus Ulm. Forstrath Graf v. Mandelsloh aus Stuttgart. Dr. Gruber aus Mosbach. Oberamtsarzt Dr. Reiffsteck aus Ravensburg. Musikdireetor Dr. Silcher aus Tübingen. phil. stud. Daser | med. stud. Blumer theol stud. Maier theol. stud. Schlaich theol stud. Luppold phil stud. Stumpf jur stud. Gängel theol stud. Homm reg. stud. Nick theol. stud. Frey theol. stud. Bohnenberger theol. stud. Günzler cam. stud. Lang phil. stud. Conz theol. stud. Pressel jur. ref. Holland med. stud. Wiedenmann theol. stud. Brunner theol. stud. Lang jur. stud. Rommel cam. stud. Reuss theol. stud. Christlieb aus Tübingen. 519) Herr theol. stud. Mürdel 520) 521) 522) 523) 524) 525) 526) 527) $> et” Ta jnl- Var BE Rn en jur. stud. Schott med. stud. Faber theol. stud. Kämpf med. stud. Mench theol. stud. Weegmann theol. stud. Hahn cam. stud. Hiller med. stud. Tritschler 38 | aus Tübingen. Anzeigen. Gonchylien, Vogelbälge und Käfer im Gasthof Prinz Carl Nro. 20. Verzeichniss ausgestopfter Thiergruppen. Herr Conservator Ploucquet schickt der Redaction des Tagblatts folgende Bemerkungen über J. H. C. A. Meyer aus Hamburg. die von ihm ausgestopften, im botanischen Garten aufgestellten Thiere: „Der Zweck meiner aufgestellten Thiergruppen zur Besichtigung der Theilnehmer an der 30sten Ver- sammlung deutscher Naturforscher und Ärzte besteht einestheils darin, um die in naturhistorischen Sammlungen und Werken noch .so äusserst sparsam vertretenen Dunen, Uebergangskleider und Altersstufen von Vögeln in verschiedenen charakteristischen Stellungen und Akten zu zeigen, anderntheils bei Alten Vögeln mit jungen im Neste, ihre Besorgniss, Fütterung und Vertheidigung bei Angriffen von Raubthieren auf die Jungen im Neste zu zeigen, wozu die grösste Anzahl der Thiere 8 und 14 Tage bis 4 und 6 Wochen lang lebend gehalten worden sind, um an solchen ihre Stellungen im Leben genau beobachten zu können.“ Die Gruppen bestehen aus nachfolgenden Thieren : Nro. 1. 02 3% 4. 3. 6. 7. 8. 3 UAmnSueut Ss 3 SE 3) Saul [3 2 Gruppe von 3 Aquila fulva (Steinadler), 2 alte 3jährige Männchen und ein 5jähriges Weib- chen mit einer Antilope rupicapra mas (Gemse). Falco peregrinus mas (Wanderfalke) jun., F. buteo fem. (Mäusebussard) jun. F. palumbarius (Hühnerhabicht) mas jun. et fem. jun. milvus fem. (Milon) adult., F. peregrinus fem. jun. (Wanderfalke) et mas jun. „or. - _F. subbuteo ‚mas et ’fem..adult.. et mas et fem. jun. (Baumfalke). u F n F. n n n n n 4 n rn „ _F. buteo = n n ist, - n F. n n n n n 3 N rn ” F. rn L] n 9 n 3 n n „ F. apivorus % - u ee a n F. n n n n n 2 n n n FE. n n n n n 2 n n „ F.palumbarius „ n > a e » F. nisus 7 - ” II, 5 rn F. n n n n n 5 n n n F. n n n n n 4 bu) n n F. n r n n n 6 n n Sf. 3 es ung 3 . tinnunculus mas et fem. adult. mit 4. Jungen im Alter v.14—16 Tagen (Thurmfalke). « . „Raasin, £ „ 5,7u.9 „ (Mäusebussard). »410,140.16T. 2, n 19,21u.24 „ a E N CB „ 16u.21 T.(Wespenbussard), „ 30u.37 , . „ 42u.44 „ n 27 u.28 „ (Hühnerkabicht). „ 2 u. 3 T. (Sperber); „3,14u57 5 ae“ N „38,40u.4,° 7 A „8. 39 . . Zwölf Altersstufen von Strix flammea im Alter von 15 Tagen bis 5 Monat (Schleiereulen). . Gruppe von Strix flammea mas et fem. adult. mit 5 Jungen im Alter von 20-29 Tagen (Schleiereulen) und zweier Mustela foina mas et fem. adult. (Steinmarder). . Gruppe von Strix otus mas et fem. adult. (Ohreulen) mit 6 Jungen im Alter von 26—30 Tagen und zweier Mustela martes mas et fem. adult. (Edelmarder). n n . Gruppe von Strix aluco fem. mit 4 Jungen im Alter von 4 und 5 Tagen (Waldkauz). n 2 esta Aut EEE, ray ur2iH 5 und einer Mustela putorius mas (Iltis). P A NE, NER e „ von 41-44 Tagen (Waldkauz) mit einer Mustela putorius mas (Iltis). 4 Strix aluco fem. in einem Alter von 6% Wochen (Waldkauz). a Strix passerina mas et fem. adult. mit 6 Jungen im Alter von 6 Wochen (Käuzchen). Lanius exeubitor mas et fem. adult. mit 6 Jungen im Alter von 6 Wochen (der grosse Würger). Oriolus galbula mas et fem. adult. mit 4 Jungen im Alter von 6 Wochen (Goldamsel). Caprimulgus europaeus mas et fem. adult. mit 2 Jungen im Alter von 2 und 3 Tagen (Nachtschwalbe). Alcedo ispida mas et fem. adult. mit 6 Jungen im Alter von 6 Wochen (Eisvoge)). Parus caudatus mas et fem. adult. mit 12 Jungen im Alter von 5 Wochen (Schwanz- meise). Phasianus colchicus mas et fem. adult. mit 19 Jungen im Alter von %s, 1 und 2 Tagen (Fasan). Perdix cinerea mas et fem. adult. mit 18 Jungen im Alter von so eben zur Welt gekommene bis 1 Tag alte (Feldhuhn). Perdix cinerea fem. mit 5 Jungen im Alter von 9 Tagen (Feldhuhn). Perdix coturnix mas et fem. adult. mit 14 Jungen im Alter von 5 Minuten bis 1 Tag alt (Wachte)). Tetrao tetrix mas mit 6 Jungen im Alter von 3 Tagen (Birkhahn). Ardea cinerea mas et fem. adult. mit 4 Jungen im Alter von 35, 38, 40 und 4 Tagen (Fischreiher). Vanellus cristatus mas et fem. adult. mit 4 Jungen im Alter von 1 und 2 Tagen (Kibiz). Scolopax rusticola fem. mit 4 Jungen im Alter von 5 Minuten und 4 im Alter von 3 Tagen (Waldschnepfe). Scolopax rusticola fem. mit 4 Jungen im Alter von 16 Tagen (Waldschnepfe). Scolopax rusticola fem. mit 4 Jungen im Alter von 4 Wochen (Waldschnepfe). Fulica atra mas et fem. adult. mit 8 Jungen im Alter von 1 und 2 Tagen (schwarzes Wasserhuhn). Fulica chloropus fem. mit 12 Jungen im Alter von 1 und 2 Tagen (grünfüssiges Wasserhuhn). Rallus crex mas et fem. adult. mit 12 Jungen im Alter von 2 und 3 Tagen (Wachtelkönig). Podiceps minor, je mas et fem. im Herbst, Winter, Sommer und Jugend Kleid (kleiner Steissfuss). Zwölf Myoxus glis von verschiedenem Alter (Haselmäuse). Denjenigen Herren Naturforschern und Aerzten, welchen es in geognostischer oder medicinischer Beziehung interessant sein könnte, ihre Weiter-Reise von hier über Wildbad zu machen, diene zur Nachricht, dass bequeme Reisewagen dahin am Sonntag hier bereit sein werden, wenn sich mehrere Theilnehmer fänden und von ihrer Absicht vor morgen, Donnerstag, Abend Anzeige bei dem Präsi- $ ‘ ®@ dium der geognostischen oder medicinischen Section machen wollten. — Von hier nach Wildbad: Fahrzeit 9 Stunden. Preis für je 4 Plätze 12 fl. — Von da nach Baden-Baden über Herrenalb, Fahrzeit und Preis ebenso. Tübiugen den 21. September 1853. Am Mittwoch Abend, den 21. d.M. wird die bürgerliche Janitscharia-Musik eine Production im Saale des Herrn Traiteur Heckenhauer ihren Mitgliedern geben, woran Theil zu nehmen auch die anwesenden Herrn Naturforscher ergebenst eingeladen werden. Der Ausschuss. Neuere medicinische und naturwissenschaftliche Werke aus dem Verlage der H. Laupp’schen Buchhandlung — Laupp 8 Siebeck — in Tübingen. Beobachtungen über den CGretinismus. Eine Zeitschrift in Verbindung mit mehreren Ärzten etc. herausgegeben von Dr. Karl Rösch. 3 Hefte. gr. 4. brosch. compl. fl. 5.48 kr. — Rthlr. 3. 20 Ner. Bruns, Prof. Dr. V., Handbuch - praktischen Chirurgie für Ärzte und Wundärzte. Ppecioller Theil. I. Abtheilung Liefrg. 1, 2 & 3. 40 Bog. Lex.-8. broch. fl. 5. 42 kr. — Rthlr. 3. 12 Ner. Dieses Handbuch besteht aus einem Allgemeinen Theile in 2 Bänden und aus einem Spe- eiellen Theile in 6 Bänden. %. Der zunächst erscheinende Specielle Theil umfasst 11 Abtheilungen, von denen eine jede ein” selbständiges Ganzes darstellt. Chirurgischer Atlas. Bildliche Darstellung der chirurgischen Krankheiten und der zu ihrer Heilung erforderlichen Instrumente, Bandagen und Operationen. ]. Abthg. Tafel 1—8 nebst Erklärung. gr. Folio. fl. 4. 24 kr. Rthlr. 2. 20 Ngr. Der Atlas umfasst dieselben Abtheilungen, wie das Handbuch. und wird gleichzeitig mit demselben aus- gegeben. Atlas wie Handbuch können einzeln gekauft werden: auch ist jede Abtheilung des Handbuches, sowie des Atlasses für sich allein verkäuflich. In Bezug auf die nähere Ausführung dieses ebenso zeitgemässen als wichtigen amemmas verweisen wir auf den ausführlichen Prospect, welcher in jeder Buchhandlung gratis abgegeben wird. Bruns, Dr. Victor, Uebersicht über die in der chirurgischen Klinik zu Tübingen vom Frühjahr 1843 bis Spätjahr 1846 vorgekommenen Krankheitsfälle und Operationen nebst Mittheilung einer Aus- lösung des Oberschenkels aus dem Hüftgelenke. Mit 3 Abbildungen. gr. 4. broch. Rthlr. — 22 Neger. fl. 1. 4 kr. Luschka, Prof. Dr. H., der Nervus 5 ae des Mensphenk Eine Monographie. Mit 3 Tafeln Abbil- dungen. gr. 4. broch. fl. 3.20 kr. — Rthlr. — — Die Nerven in der harten A Eine anatomische Abhandlung. Mit drei Steindruck- tafeln. gr. 4. broch. fl. 2. — Rthlr. 1. 8 Ngr. — — Die Nerven des menschlichen Wirbelkanales. Mit zwei lithographirten Tafeln. gr. 4. broch. fl. 1. 36 kr. — Rihlr. 1. — — Die Structur der serösen Häute des Menschen. Mit 3 Tafeln Abbildungen. gr. 4. broch. fl. 2. 48 kr. — Rthlr. 1. 22 Ner. Oesterlen, Dr. Fr., Medizinische Logik. 33 Bog. gr. 8. broch. fl. 3. 48 kr. — Rthlr. 2. 10 Ngr. — — Handbuch der Heilmittellehre. Fünfte, ganz umgearbeitete Auflage. 68 Bog. Lex.-8. broch. fl. 9. — Rthlr. 5. 10 Ngr — — Handbuch der Eygieine für den Einzelnen wie. „Für eine Bevölkerung. (Zwei Lieferungen. gr. 8. broch. fl. 7. 30 kr. — Rthlr. 4. 15 Ner. — — Dasselbe, engl. geb. fl. 7. 54 kr. — Rthlr. 4. 22 Quenstedt, Prof. Fr. A., Handbuch der Petrefaktenkunde. 50 Bog. Lex.-8. Mit Atlas von 62 Tafeln, 2700 Abbildungen umfassend, nebst Erklärung und vollständ. Register. broch. Ladenpreis fl. 13. 30 kr. — Rthlr. 8. —— Hr Pe Würtembergs. Mit besonderer Rücksicht auf das Jura. 2te Auflage. 351/» Bog. gr. 8 5. 24 kr. — Rthlr. 3. 8 Ner. — E4pie Mastoonseieiie im grünen Keupersandsteine Württembergs sind Batrachier. Nebst 4 Kupfer- tafeln. gr. Fol. carton. fl. 4. 48 kr. — Rthlr. 2. 26 Ner. Roser, EL Dr. W., Handbuch der anatomischen Chirurgie. in 2ter "Auflage mit ca 80 Holzschnitten gedruckt. — — Allgemeine Chirurgie. 8. broch. fl. 3. 24 kr. — Rthlr. 2. Druck von H. Laupp jr. in Tübingen. , TAGBLATT der dreissigsten Versammlung deutscher Naturforscher und Ärzte in Tübingen. Donnerstag 22. September 1853 Nro. 3. Tagesordnung. Vormittags: Sectionssitzungen. Abends 7 Uhr: Festball im Museum. Angekündigte Vorträge in den Sectionssitzungen für den 22. September. I. Section für Chemie und Pharmacie. 1) Dr. v. Babo: über die Spannkraft des Wasserdampfs in Salzlösungen. 2) Prof. Heinrich Rose: über Einwirkung des Wassers auf borsaure und kohlen- saure Salze. 3) Prof. Fresenius: über Arabin. 4) Derselbe: über Trennung des Zinns von andern Metallen. 5) Dr. Gerland: über eine neue der Salicylsäure gleich zusammengesetzte Säure aus der Benzaminsäure. II. Section für Mineralogie, Geognosie und Geographie. (Die Sitzung beginnt um 8 Uhr.) 1) Dr. Stocker wird eine geognostische Specialkarte des untern Neckarkreises vorlegen. 2) Bergrath Schübler: über die neuesten geognostischen Aufschlüsse durch berg- männische Arbeiten in Würtemberg. 42 3) Oberbaurath v. Bühler: über Keuper-Kalke und weisse Jurapetrefakten unter Vorlegung von Profilen. 4) Professor Kurr: über Formätionsgrenzen. 8) Graf Beroldingen: Beitrag zur Flora der tertiären Formation Oberschwabens. 6) Dr. Redenbacher: über einige neu .aufgefundene Insekten in dem lithogra- phischen Schiefer. 7) Graf Mandelsloh: über Dolomit-Petrefakten von Ehingen. 8) Prof. v. Glocker: über pseudomorphen Schwefelkies, über Bernstein aus..der Quadersandsteinformation, über die Natur der sogenannten Bernerde und über Pflanzenreste aus dem Quadersandstein. III. Section für Botanik, Land- und Forstwissenschaft. 4) Dr. C. H. Schultz: über Anthemideen. 2) Professor Goldenberg: über vorweltliche Pflanzenformen aus der Saarbrücker Steinkohlenformation. 3) Rector Gümbel: über das Verhältniss unterirdischer verdickter Stengelglieder zum Oberwuchs. IV. Section für Mediein, Chirurgie und Geburtshülfe. - 4) Prof. Virchow: über syphilitische Periostitis und Hepatitis. 2) Dr. Reclam: der Grund des Antagonismus zwischen Haut und Darm. 3) Prof. Dr. G. Rapp: Entstehung des zweiten Herztones. 4) Dr. Schinzinger: über künstliche Hand. V. Section für Zoologie, Anatomie und Physiologie. 1) Dr. Reclam: über Magenbewegung. 2) Prof. Virchow: über Corpuscula amylacea. 3) Prof. Vierordt: über den Einfluss der Aetherinhalationen auf den Blutdruck. Die Zusammenkunft. ist um 8 Uhr im Local der medieinischen Section, nach der Pause (nach den erledisten physiologischen Vorträgen) im Local der zoologischen Section. 43 VI. Section für Mathematik, Physik und Astronomie. 1) .Dr. Fick: über Diffusion. 2) Prof. Wiebel: über die Temperaturverhältnisse von St. Thomas. 3) Prof. Reusch: über Guttapercha. Bericht über die zweite öffentliche Sitzung, Mittwoch 21. September. 1) Zum Versammlungsort der Naturforschergesellschaft für nächstes Jahr wird mit grosser Majorität Göttingen erwählt, und den Professoren Baum und Listing das Amt der Geschäftsführer übertragen. Eine Einladung von Dürkheim, welche durch Dr. Schultz geschieht, wird dankend abgelehnt. 2) Prof. Dove spricht über den gegenwärtigen Zustand der Meteorologie. 3) Professor Vierordt sprach über die graphische Darstellung des menschlichen Pulses. Er erinnert zunächst an die von allen Forschern eingestandene und oft beklagte Unzulänglichkeit der bisherigen Hülfsmittel, d. h. des Tastsinnes, wenn es sich um die Untersuchung feinerer Qualitäten des Pulses handelt. Er erwähnt, dass es ihm unlängst gelungen ist, mittelst eines Fühlhebels die minimalen Bewegungen der schwach comprimirten Arterie 10 bis 20fach vergrössert zu erhalten und dieselben auf ein an der Spitze des Fühlhebels mit gleichförmiger Geschwindigkeit sich vorbeibewegendes Papier anschreiben zu lassen. Proben der erhaltenen Pulscurven werden angezeigt zum Beweis, dass es nunmehr möglich ist, die Zeitverhältnisse der einzelnen Abschnitte eines Pulses, sowie viele andere Eigenschaften des Pulses mit Genauigkeit zu untersuchen. Die bis jetzt gewonnenen Erfahrungen beweisen unter anderem, dass die Zeiten der Ausdehnung und Zusammenziehung der Arterie im Mittel sich verhalten wie 100 zu 280. ein Verhältniss, welches enorm entfernt ist von der, durch viele neueren Physiologen gestützt auf die ganz anders zu interpre- tirenden Blutdruckeurven, behaupteten Gleichheit in der Dauer beider Pulsabschnitte. Die vorgelegten Pulseurven zeigen ferner auf den ersten Blick, dass die Zeitdauer der unmittelbar aufeinanderfolgenden Pulse auch im normalen Menschen nicht un- erheblich differiren, dass also der pulsus aequalis der Semiotiker nur eine relative Geltung haben kann. 4) Oberbergrath von Carnall spricht über die bergmännischen Verhältnisse des Goldes, Salzes und der Kohle. 5) Dr. Fraas spricht über die älteste Bevölkerung der schwäbischen Alb. 4 Bericht über die Sectionssitzungen Mittwoch 21. September. I. Section für Chemie und Pharmacie. 1) Professor Weltzien macht eine Mittheilung von einem Brief von Dumas in Paris über den im vorigen Frühjahr verstorbenen Chemiker Laurent. Professor Schlossberger hat sich erboten, Beiträge für die Wittwe anzunehnen. 2) Professor Heinrich Rose sprach über die Anwendung des Cyankaliums in der analytischen Chemie. Durch die redueirende Wirkung derselben werden sehr viele Metalle aus ihren oxydirten und geschwefelten Verbindungen ausgeschieden, aber nur aus den Verbindungen des Arseniks, des Antimons, des Wismuths, des Blei’s und des Zinks mit Sauerstoff und Schwefel können dieselben so ausgeschieden werden, dass man diese Ausscheidung bei qualitativen und selbst bisweilen bei quantitativen Unter- suchungen benützen kann. II. Section für Mineralogie, Geognosie und Geographie. 1) Dr. Faber aus Gmünd lest eine Anzahl ausgezeichneter liasischer Petre- fakten seiner Gegend vor nebst einem Profil der betreffenden Schichten. Daran knüpft Professor Kurr einige Bemerkungen über die locale Vertheilung gewisser Ammoniten- formen und über deren geschlechtliche Verhältnisse. 2) Prof. Desor aus Neufchatel hatte sich mehrere Jahre in der Nähe des Niagarafalls aufgehalten und zeigt einen genau aufgenommenen Plan des Falls nebst einem Profil der Schichten zwischen dem Erix und Ontario. Hieran knüpft er die Bemerkung, dass die Amerikaner von einem Zurücktreten des Falles reden, das nach Backwell jährlich 3‘. nach Lyele 1’ im Jahre betrage, wornach von einem gewissen Alter des Niagarafalls gesprochen wird. Seine Beobachtungen treten den genannten in der Art entgegen, dass er kaum einen Zoll oder nur Linien eines jährlichen Zu- rücktretens des Falles zugibt. Von dem Alter desselben oder dem einer gewissen Schichte zu reden, wird allgemein als eine der schwierigsten Fragen anerkannt. 3) Gerlach aus Sierre spricht über die Nickelerze im Val d’Anniviers, ein südliches Nebenthal des Rhonethals im Wallis. Nachdem der Redner die geognosti- schen Verhältnisse vorausgeschickt hatte, führt er an, dass ein Nickel- und Kobalt- erzgang in den grünen metamorph. Schiefern auftrete und dass die Erze, welche roth- und weissarseniknickel. sind und 28—30 ° Nickel und Kobalt enthalten, 49 Viertes Verzeichniss der Theilnehmer an der Naturforscherversammlung. 528) Herr med. stud. Bock aus Tübingen. 929) „ Revierförster v. Entress-Fürsteneck aus Balingen. 530) „ Gewehrfabriks-Verwalter Zobel aus Oberndorf. 531) „ Unteramtsarzt Dr. Wörz aus Waldsee. 532) „ Dr. Pflüger aus Creglingen. 533) „ Dr. Hein aus Tuttlingen. 534) „ Dr. Wunder aus Stuttgart. 535) „ Herrich, prakt. Arzt aus Ravensburg. 536) „ Eigenbrodt, prakt. Arzt aus Darmstadt. 537) „ Berthold Seemann aus London. 538) „ 6. W. Seemann aus Hannover. 539) „ Dr. Schweickhardt aus Tübingen. 540) „ Apotheker Hoser aus Metzingen. 541) ,„ KRechtsconsulent Nagel aus Balingen. 542) „ Dr. Theobald Kerner 5438) „ Dr. Kornbeck, 544) „ Apotheker Dr. Haidlin ) aus Stuttgart. 545) „ med. Dr. Fetzer 546) „ Dr. Elben 547) „ Professor Ecker aus Freiburg. ” 948) Dr. Erlenmeyer, Vorsteher des psychiatrischen Instituts zu Bindorf in Rheinpreussen. 549) „ Dr. Meier, Arzt aus Carlsruhe. 550) „ Medicinalrath und Physikus Dr. Volz aus Carlsruhe. 951) „ jur. stud. Albert Hailer aus Tubingen. . Anzeigen. Ein sehr interessantes Exemplar von einem versteinerten Fisch. species Ptycholepis bollen- sis, hat aus Auftrag zu- verkaufen J. I. Bossert, bei der Stadtkirche. (Europäische) Schmetterlinge zu verkaufen. Gegen 900 Arten in 2,500 Stücken, in 10 Kasten in 1 Schrank für 100 fl. bei Nördlinger, sen. * Dr. Schmidt in Metzingen, 1 Stunde von Reutlingen, ladet zum Besuche seiner Petrefakten- sammlung ein. Sie wird auch im Ganzen verkauft. Mineralien-Lager. Ich erlaube mir dasselbe zur gütigen Abnahme zu empfehlen; es befinden «sich darunter ‚noch manche schöne der jetzt selteneren Schwarzwälder Produkte; auch habe ich eine sehr interessante Versteinerung im Auftrag zu verkaufen. J. I. Bossert bei der Stadtkirche. Johannes Kohberger von Metzingen empfiehlt sich mit Petrefakten: Ichthyosaurus, Teleosaurus, Pentacrinites und Fische. Niederlage: Alte Aula. Der Unterzeichnete erleubt sich auf die von Herrn Prof. Dr. Reusch entworfenen Telegraphen- tableau’s aufmerksam zu machen. und nimmt Bestellungen hierauf mit Vergnügen entgegen. Ein Muster hievon ist im physikal. Hörsaal aufgestellt. Zuglelch sind galvanoplastische Fabrikate von mir dort aufgestellt, welche ich zum Ankauf empfehle. Der Gehülfe am physikalischen Cabinet der Universität Heinr. Dollinger. Im Laupp'schen Verlage (Laupp & Siebeck) ist früher erschienen: Jahresbericht über die Fortschritte der physischen Wissenschaften der Chemie und Mineralogie. Von Jacob Berzelius. Nach dessen Tode fortgesetzt von L. Svanberg. 30 Bände. Ladenpreis complet mit Register fl. 127. 36 kr. Rthlr. 73. 20 Ner. Da der letzte Herausgeber des Jahresberichtes durch zu viele andere Arbeiten ab- gehalten ist denselben fortzusetzen, schlossen wir mit dem 30, Bde das Werk und setzen den Preis theilweise auf unbestimmte Zeit herab. Der 1—16. Jahrg. ist nur zum vollen Ladenpreise von Rthlr. 23. 4 Ngr. fl. 40. 18 kr. zu haben. — Jahrg. 17—30 incl. Register statt ä Rthlr. 50. 16 Ngr. — fl. 87. 18 kr. jetzt & Rthlr. 25. 16 Ngr. — fl. 44. — Sämmtlichbe Jahrgänge 1—30 zusammen genonmen fl. 70. — Rthlr. 40. — Einzelne Jahrgänge und Hefte werden nur zum vollen Ladenpreise abgegeben. Im Verlage von L. Fr. Fues in Tübingen sind erschienen: Autenrieth, J. W. F. v., weil. Kanzler und Prof., und H. Fr., Dr. Prof., Gerichtlich-medieinische Aufsätze und Gutachten, auch u. d. T.: Forensia vonH.F.Autenrieth. Erster Theil, gr. 8. fl.3. 48 kr. Rthlr. 2. 7!/angr. — H. F., Rede über das Gedächtniss, gehalten bei der Austheilung der akadem. Preise am 6. Novbr. gr. 8. geh. 15 kr. — 5 ngr. Mohl, H. v., Dr. Prof. , Erläuterung und Vertheidigung meiner Ansicht von der Structur der Pflanzensubstanz. Mit 2 lithograph. Tafeln. gr. 4. geh. fl. 1. 30 kr. 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Mit ihnen finden sich Schwefel-, Magnet- und Arsenik-Kiese, welche die Nester von Nickel- und Kobalterzen umgeben. .4) Dr. Stocker aus Hasmersheim legt eine geognostische Speeialkarte des untern Neckarkreises von Heilbronn bis Heidelberg vor und führt an, dass in dem sehr entwickelten Sandstein, welcher auch durch viele Brüche aufgeschlossen ist, gewisse baumartige Bildungen vorkommen, welche Prof. Quenstedt für blose Zapfen erklärt. Die rauchgrauen Kalke zeichnen sich durch das Vorkommen von Malachit aus. Ferner erwähnt er das. ältere Vorkommen von faserigem Steinsalz und das Auftreten von Basalt. Von Diluvialablagerungen nennt er die Tuffe mit Scolopendrium, die Löse überfüllt mit suceinea oblonga, die Bohnerzablagerungen des Odenwaldes und endlich die Gerölle. y 9) Oberbaurath von Bühler von Stuttgart zeigt aus dem weissen Jura eine ungewöhnlich grosse Nerinea von Niederstotzingen und Gryphaea polymorpha Münst. von Blaubeuren in ausgezeichneten Exemplaren vor. 6) Prof. Dr. von Glocker aus Breslau spricht über Augitgesteine. Als neue Gebirgsarten führt er zuerst ein Staurolithgestein von Schömberg in Mähren und ein Granatgestein mit Vesuvian aus Blauda in Mähren an, alsdann das Vorkommen am- phibolischer und augitischer Gesteine aus Mähren, worunter sich besonders ein fein- körniges schwarzes Augitgestein mit zum Theil ausgeschiedenen kleinen Augitkryställchen auszeichnet und in welchem auch Pikrolith vorkommt. Ferner führt er ein neues Vor- kommen von Cerolit aus dem Uebergangsthonschiefer von Müglitz, dann vom Quarz von Lettowitz an ünd spricht über eine Umwandlung von Granat in Eisenoxydhydrat von Lissitz. Endlich zeigt er ein aus einem Eisenoxydalsilikat bestehendes schlacken- artiges Gestein vor, welches an vielen Orten von Schlesien, Mähren und Böhmen zerstreut gefunden worden ist. Herr Akademiker Abich aus Petersburg sagt, dass er auch ähnliche Gesteine in den preussischen Provinzen gefunden habe und führt na- mentlich an, dass gerade in jenen Gegenden sich Spuren uralter Schmelzprozesse finden. IH. Section für Botanik, Land- und Forstwissenschaft. 1) Rector Gümbel spricht über die Moosfrucht, und wird die Untersuchungen und Resultate darüber in den Leopoldinischen Akten bekannt machen. (Der erste Artikel ist bereits erschienen.) 2) Professor Schnizlein spricht über die Gattung Blandowia als eine der räthselhaftesten und interessantesten Pflanzen, die aber dennoch bei Endlicher fehle, und so verloren zu gehen drohe. Nach der jetzigen Kenntniss dürfte sie in Europa vermuthet werden. Wenn es wirklich der Fall wäre, dass die von Corda unter- suchte, durch Preiss in Oberitalien gesammelte Pflanze hieher gehört, so wäre die höchst merkwürdige Familie der Podostemmeen auch in Europa vertreten, der Vortra- gende fordert daher zur Wiederentdeckung und genauer Untersuchung dringend auf. 46 3) Dr. Veesenmeyer demonstrirt seine mitgebrachten Pflanzen der Kirgisen- und Kalmückensteppen. 4) Berthold Seemann macht Mittheilungen über das von ihm beobachtete Vor- kommen der Podostemmeen, in Bezug auf den Vortrag des Hrn. Professor Schnizlein. 5) Vorlesung des von Dr. Schimper in der gestrigen Sitzung eingesandten Schreibens. 6) Der Herr Vorsitzende theilt mit: 1) Aufforderung von Dr. Steudel zur Subscription auf Zollingers Catalogus plantarum. 2) Prospecte von Hohenackers verkäuflichen Herbarien. 3) Aufforderung zur ferneren Betheiligung am Kauf des Nees’schen Herbariums ; beides von Dr. Steudel. 4) Eine Anzahl Exemplare der Zeitschrift Bonplandia zur Vertheilung von Dr. See- mann. 5) Ein zweites Schreiben von Dr. Schimper. 6) Professor Oechsner vertheilt Exemplare der Vieia orbus und Osmunda regalis aus dem Spessart. 7) Auf Vorschlag des Vorsitzenden wird für die folgenden Sitzungen Dr. Berthold Seemann zum Präsidenten erwählt. IV. Section für Medicin, Chirurgie und Geburtshülfe. Professor Roser theilte eine neue Theorie über den Heilungsprocess beim Ein- schneiden der Harnröhrenstrieturen mit. Er zeigte, dass die Narbenzusammen- ziehung, wenn sie nach dem äussern Strieturschnitt in der Richtung vom Mittelfleisch zur Harnröhre hin wirkt, eine Erweiterung des verengten Theils der Harnröhre zu bewirken vermöge. Ebenso dass die Durchschneidung einer faltenförmigen oder klappen- artigen Strietur bei dem innern Strieturschnitt eine Narbenzusammenziehung in longi- tudinaler Richtung erzeugen könne, welche zur Ausgleichung oder Verminderung der Verengung zu dienen im Stande sei. Zugleich zeigte Prof. Roser die gestielte, geknöpfte und konisch verdickte Sonde vor, welche er als das vorzugsweise brauchbare Mittel zur Erkennung und Erweiterung der Strieturen anzuwenden pflegt. Prof. Roser sprach ferner über chirurgische Anatomie des Schenkelrings und Schenkelbruchs. Alle Schriftsteller hätten bisher den Schenkelkanal so dar- gestellt, wie er fälschlich erscheine, wenn man ihn durch Hinausdrängen des Fingers von innen neben der Schenkelvene hin nachzuahmen oder zu erzeugen suche. Die Schenkelbrüche treten aber nie oder fast nie durch diesen Kanal hinaus, sondern viel- mehr durch die erweiterte Lymphgefässöfinung, welche man am besten dadurch finde, dass man von aussen den Finger unter der Insertion der Plica hineindränge. 47 Diese Sache habe die praktische Wichtigkeit, dass bei solchem Verhalten der äussere Bruchschnitt, ohne Eröffnung des Sacks, viel leichter erscheine, als nach der bisherigen Anschauung, bei welcher man sich den Anfang der Schenkelbrüche als innerhalb der Cruralscheide liegend vorstelle. - Sofort wurde von Prof. Roser daran erinnert, wie nöthig es sei, die Nekrose am Schaft des Oberschenkels frühzeitig genug zu operiren, indem sich sonst das nekrotische Stück mehr und mehr in eine grosse und dicke Todtenlade einkapsele und dann immer schwerer herauszunehmen sei. Als die beste Operationsmethode für manche Fälle dieser letzteren Art habe sich ihm das gewaltsame Erweitern der Kloake mit einer spitzen Zahnzange, durch ge- waltsames Oeffnen derselben gezeigt. Man sei bei dieser Methode im Stande sei- nen Zweck rasch und ohne grosse äussere Wunde, ohne Verletzung von Arterien u.s. w. zu erreichen. Man könne auch dabei den Sequester mit der schneidenden Knochenzange zertheilen, um ihn besser heraus zu bringen. Prof. Rothmund entgegnete, dass er dem ÖOsteotom vor dem Verfahren mit der Zange den Vorzug gebe, indem man bei gehöriger Uebung in der Führung des Osteo- toms leicht und rasch damit zu Stande komme. Auch sei ein Knochenschnitt mit dem Osteotom wieder gefährlicher als die mit der Zange erzeugte Trennung. Prof. Roser erwiderte, dass er bei sehr vielfacher Anwendung der schneidenden Knochenzange nie Grund zur Unzufriedenheit mit diesem Instrument gehabt habe und dass er die Anwendung des Osteotoms nur ausnahmsweise praktisch finde. Med.-Rath Bauer aus Reutlingen erzählt die Geschichte einer Urinverhaltung bei einer Frau, wo der Katheter tief genug eindrang, aber nie Urin entleerte, auch nachdem die Punktion der Blase gemacht worden war. Die Sektion ergab eine die ganze innere Fläche der Blase auskleidende Pseudomembran, welche einen geschlossenen Sack bildete und das Hinderniss abgegeben hatte für ein erfolgreiches Katheterisiren. indem der Katheter stets zwischen der Blasenwand und der Pseudomembran eindrang. Oberamtsarzt Dr. Krauss aus Tübingen. Versuche über die Bewegungen der Gesammthirnmasse an einem Individuum mit einer Knochenlücke im Schädel — Hebung der Gehirnmasse bei einem Champagnerrausch, Stockung bei Chloroformirung und * Digitalisnarkose. Professor Breit: 1) Ein Fall von ausserordentlicher Erweiterung der Schossfuge. 2) Ein Fall von richtig diagnostieirter und durch deu Schnitt glücklich ge- heilter Entzündung und Eiterung der Schossfuge. Dr. Heidenhain machte einige Mittheilungen über die nach vorangegangener Sy- philis vorkommenden tieferen Veränderungen der Nervencentren, und machte unter Mitthei- > Jung einiger selbst beobachteten -Fälle darauf aufmerksam, wie es sich hier um Zustände handle, bei denen von einem specifisch syphilitischen Charakter nicht die Rede sei, wie namentlich die Knochen weder nach den pathologisch anatomischen Befunden irgend welche Veränderung zeigten. noch auch immer Sitz der heftigen Cephalalgieen wären, die als Vorläufer der später erfolgten Paralysen beobachtet werden. Dies seien meist 48 Neuralgieen, die in einem centralen Leiden ihren Sitz hätten, das späterhin bei fort- schreitender Veränderung auch die Paralysen veranlasste. Als Beweis dafür theilte er zwei Fälle mit, in deren einem sich eine grauröthliche Erweichung der rechten Hälfte der Varols-Brücke, in dem anderen eine Verdickung der häutigen Umhüllungen der medulla oblongata und des oberen Rückenmarktheils (Arachnitis chronica) vorfand. Nach gleichzeitiger Anführung einiger von Duchek in Prag mitgetheilter Fälle, empfahl er nach dem Vorgange Rombergs neben den allgemeinen Mitteln, das Kali hydriodicum nicht als ein etwaiges Specifiecum, sondern als ein solches, das die Resorption rück- bildungsfähiger Exsudate zu begünstigen geeignet sei. Die Wahl des Präsidenten für die nächste Sitzung fällt auf Hrn. Professor Baum von Göttingen. V. Section für Mathematik, Physik und Astronomie. Prof. Dove zeigt ein Reisebarometer vor, das seinem Zwecke vollkommen entspricht, von Greiner in Berlin. Prof. Osann spricht über galvanokaustische und koniplastische Abdrücke, zeigt Proben vor. Das Aetzen durch den galvanischen Strom, das noch nicht so, wie es verdiene, in die Praxis übergegangen sei, biete manche Vorzüge vor dem gewöhnlichen Aetzverfahren; die Platten werden schärfer geätzt, erlauben darum eine grössere Anzahl von Abdrücken, und das Verfahren sei viel rascher, in wenigen Minuten beendigt. Zinn eigne sich vorzüglich dazu. Die Kosten seien ganz un- bedeutend. Die koniplastischen Abdrücke dienen zur Abbildung von Münzen. Feines Pulver von reducirtem Kupfer wird durch eine Presse auf die Münze gedrückt; sodann der Abdruck gebrannt, indem er bis zur Weissglühhitze erwärmt wird. Dabei zieht sich der Abdruck zusammen, ohne dass die Zeichnung im Geringsten leidet, so dass die Abdrücke eine grössere Schärfe erhalten, als das Original. Diess Verfahren hat vor dem galvanoplastischen den Vorzug ern Schnelligkeit, und besonders dass an Münzen mit beiden Seiten abgebildet werden können. Prof. Reusch erläutert durch vier Tableaux die Einrichtung des Morse’ schen Schreibtelegraphen. Zum Schluss werden eine Anzahl Exemplare der Bonplandia an die Mitglieder der Section vertheilt. Die anwesenden Mitglieder des „Mereine für gemeinschaftliche Arbeiten zur För- derung der wissenschaftlichen Heilkunde.“ so wie diejenigen Collegen, welche s 3 für denselben interessiren, werden zu einer Zusammenkunft im Zimmer Nr. 10 park: dem Sitzungslokale der ehur chen Section) auf Donnerstag Morgen präcis 10 Uhr eingeladen. Neben der Berichterstattung über den Ablauf des ersten Vereins - Jahres werden die zunächst vorliegenden Vereins-Aufgaben zur Besprechung vorgelegt werden. der dreissigsten Versammlung deutscher Naturforscher und Ärzte in Tübingen. Freitag 23, September 1853 Nro. 6. Diejenigen Herren, welche Vorträge halten, sind dringend ersucht, ein Resume derselben noch während der betreffenden Sitzung den Secretären zu. übergeben. Tagesordnung. Vormittags: Sectionssitzungen. Nach dem Schluss der Sitzungen: Fahrt nach Reutlingen, Mittagessen daselbst und Spaziergang auf die Achalm. Die Abfahrt nach Reutlingen findet präcise 11 Uhr von dem Platze vor dem Universitätsgebäude Statt. Die Fahrkarten dazu können von 8—11 Uhr in dem Wartezimmer des Pedellen in Empfang genommen werden. Angekündigte Vorträge in den Sectionssitzungen für den 23. September. I. Seetion für Mathematik, Physik und Astronomie. Prof. Zenneek: über Einrichtung zur Beobachtung der Geruchsverhältnisse elec- trischer Gase. II. Section für Chemie und Pharmaecie. 1) Prof. Fresenius wird verschiedene Mittheilungen machen z. B. über die Natur der Blutlaugenschmelze u. s. w. 2) Prof. Schlossberger: über die unorganischen Bestandtheile der Knorpel. II. Section für Mineralogie, Geognosie und Geographie. 1) Dr. Oppel: über den mittlern Lias Schwabens. 2) v. Carnall: Bildung von Braunkohle in einem Hochdruckdampf-Kessel. 3) „ H Herausgabe der geognostischen Karte von Preussisch-Rheinland und Westphalen. 4) Prof. Glocker: über ein neu entdecktes Walkererdelager in Mähren und über Erze in den Geschieben bei Breslau. 5) Dr. Calwer wird eine’ geognostische Karte von Schwaben vorlegen. IV. Section für Botanik, Land- und Forstwissenschaft. 1) Prof. Schnizlein: Referat über Dr. Schimpers zweiten morphologischen Brief. 2) Dr. Schultz: über pfälzische Hieracien aus der Gruppe von H. murorum L. und H. praecox Schultz 'Bip- 3) Dr. Seemann: über Vereinigung der Passifloreen und Tumeraceen. 4) Rector Gümbel: über den Blüthenstand von Paeonia, Clematis und Rosa. 9) G. v. Martens: über den Ursprung der Krautsee. Derselbe: über die falschen Schwalbennester der Japanesen. 6) Dr. de Bary: über zweierlei Sporenbildung einiger Pilze. V. Section für Zoologie, Anatomie und Physiologie. 1) Prof. Luschka: über den Nervus spinosus. 2) Prof. Ecker: neurologische Bemerkungen. 3) Prof. Zenneck: über das Aufrechtsehen. VL Section für Mediein, Chirurgie und Gehurtshülfe. 1) Prof. Dr. G. Rapp: Entstehung des zweiten Herztones. 2) Dr. Schinzinger: über künstliche Hand. 3) Dr. Cless: über Luftentwicklung im Blute. 4) Prof. Bruns: über Gelenkentzündung, besonders über die von ihm sogenannte Arthrophlogosis deformans. 5) Dr. Ellinger: Einiges über den Gebrauch der Sonden. Er EAGLE UBER WERNER 53 Naehtrag zu dem Bericht über die zweite allgemeine Sitzung. Prof. Dove spricht über den gegenwärtigen Zustand der Meteorologie. Aus der Betrachtung der Monatsisothermen ergiebt sich, dass die bisherige Annahme, die Ge- sammtsumme der Wärme auf der ganzen Erde bleibe sich stets gleich, falsch ist; die Erde hat während unseres Sommers im Ganzen mehr Wärme, als während unseres Winters; der Unterschied in der mittlern Temperatur beträgt volle drei Grade. Die Ursache dieser Erscheinung ist die ungleiche Vertheilung von Land und Wasser auf der nördlichen und südlichen Hemisphäre. — Was die nichtperiodischen Wärme- phänomene in besondern Jahren betrifft, so hat sich evident herausgestellt, dass es im eigentlichsten Sinne weder strengen noch warmen Winter giebt. Der Temperaturüber- schuss in dem einen Erdtheil wird durch einen Mangel in einem andern und umge- kehrt compensirt. — Der Redner schliesst mit dem Wunsche, dass die verschiedenen meteorologischen Vereine in Deutschland sich zur Beantwortung gemeinsamer Fragen auf freundschaftliche Weise die Hand bieten mögen. Bericht über die Sectionssitzungen Donnerstag 22. September. I. Section für Mathematik, Physik und Astronomie. Dr. Fick aus Zürich spricht über die Hydrodiffusion ohne Dazwischenkunft von Membranen. Die Arbeit von Graham über denselben Gegenstand leide an Planlosigkeit, sei ohne einheitliches mathematisches Prinzip, und in Folge dessen auch nicht frei von Fehlern. Darum scheine eine neue Untersuchung keineswegs überflüssig. Es handle sich um Aufstellung des Gesetzes, nach welchem die Diffusion einer Salz- lösung an sich betrachtet vor sich geht. Dieses Gesetz ist kein anderes als das von Fourier über die Verbreitung der Wärme in einem Leiter. Wenn zwischen aufein- anderfolgenden Flüssigkeitsschichten eine Diffusion stattfindet, und die Concentration der einen ist a, der andern b, ihr Abstand d, der (Querschnitt der Schichte Q, K eine von der Natur der Substanz abhängige Constante, so geht während des Zeitdifferentials de d Hieraus ergibt sich dann, wenn x die Höhe irgend einer Flüssigkeitsschichte über dem Boden, y den Grad ihrer Concentration bezeichnet, folgende Differenzialgleichung: dy; K 1 dQ dy d’y at "\oax dt von der dünnern zur gesättigteren Schicht eine Salzmenge über = 51 aQ Ist der Querschnitt constant, so wird a 0, und man erhält die leicht zu x integrirende Gleichung dt dx? Der Redner setzt sodann auseinander, wie er seine Versuche angestellt hat, durch welche das vorstehende Gesetz bestätigt wird, und spricht zuletzt über die Bestimmung der Constante K für das Kochsalz. Professor Wiebel aus Hamburg gibt eine vorläufige Mittheilung über die in neuester Zeit vom naturwissenschaftlichen Verein in Hamburg auf der Insel St. Thomä an der westafrikanischen Küste im Golf von Guinea errichteten zwei meteorologischen Stationen. Diese Insel ist wegen ihrer Lage unter dem Aequator und ihres 7000 Fuss hohen Piks für meteorologische Beobachtungen besonders wichtig, und ist, wie der Vorsitzende bemerkt, schon längst von Leopold von Buch als der passendste Ort für eine solche Station bezeichnet worden. Es liegen bis jetzt nur Thermometerbeobach- tungen vom Monat Dezember 1852 vor; aber schon diese bestätigen auffallend die schon früher bekannte Thatsache, dass die Temperaturschwankungen auf dem Eiland ausserordentlich gering sind. Professor Reusch fügt seiner gestrigen Mittheilung hinzu, dass Mechanikus Dol- linger die vier Tableaux zur Erläuterung des Morse’schen Schreibtelegraphen um den Preis von 20 fl. anfertigt. Derselbe vertheilt im Auftrage des Verfassers einige Exemplare einer Abhandlung über Licht und Schwere von Müller. Derselbe zeigt sodann einige Versuche über Guttapercha. Wird Perlmutter auf in heissem Wasser weichgemachte Guttapercha aufgedrückt, so geht der Perlmutter- glanz über, der Versuch geräth ohne viel Umstände, nur muss der Druck nicht durch eine Schraube, sondern durch ein Gewicht hervorgebracht werden. Auch auf Holz lässt sich der Perlmutterglanz mittelst Leim übertragen. — Wird Guttapercha in heisses Wasser gelegt, so zieht es sich sehr bedeutend zusammen, und lässt sich dann, nach- dem es wieder erkaltet ist, ausspannen, wodurch es eine ganz andere Structur erhält, ausserordentlich homogen und von sehr bedeutender Kraft wird, in einen Zustand ge- langt, in welchem es erst für die Anwendung zu Riemen u. dgl. vollkommen: brauch- bar wird. Professor Dove zeigt einen Versuch über die Interferenz des Schalls. Professor Zech spricht über eine neue Art der Zeitbestimmung für bürgerliche Zwecke, die Reallehrer Eble angegeben hat. Professor Müller spricht über Diamagnetismus, insbesondere über die Versuche, die er begonnen hat, um die Weber’sche Theorie des Electrodiamagnetismus in ihren Consequenzen zu prüfen. Professor Holzmann beschreibt einen neuen Apparat zur Darstellung von Farbenmischungen von E. Groos in Karlsruhe. 2 Aral, 35 Il. Section für Chemie und Pharmacie. Dr. v. Babo theilt die Resultate einer Untersuchung über das Verhältniss der Spannkraft des sich bei einer bestimmten Temperatur aus einer Salzlösung entwickeln- den Wasserdampfes zu der Spannkraft des derselben Temperatur entsprechenden reinen Wasserdampfes mit und zeigt, dass dieses Verhältniss für die unter dem Siedpunkt liegenden Temperaturen stets dasselbe bleibt oder sich nur sehr wenig ändert, dass also auch diejenige Kraft, welche die Spannkraftsverminderung hervorbringt, dein Ge- setze zu folgen scheint, welches die Relation zwischen Temperatur und Spannkraft für den reinen Wasserdampf ausdrückt. Professor Fresenius macht Mittheilungen aus einer in seinem Laboratorium von den HH. Neubauer und Löwenthal ausgeführten Arbeit über Arabin. — Man erhält dasselbe, indem man reines arabisches Gummi in Wasser löst, Salzsäure zusetzt und dann Alkohol im Ueberschuss.. Die Fällung wird gut ausgewaschen, dann wieder in Wasser gelöst und auf gleiche Art gefällt. — Wiederholt man diese Operation noch zweimal, so erhält man ein Arabin, welches nur noch 0,0005 Grm. Asche hinterlässt. — Feucht und an der Luft getrocknet löst es sich in Wasser. Die Lösung — obgleich ganz salzsäurefrei — reagirt sauer, sie wird mit ihrem mehr- fachen Volum Alkohol gemischt — wenig getrübt. Setzt man aber eine Spur Salz- säure, Salpetersäure oder Kochsalz zu, so entsteht sogleich starke Fällung. — Bei 100° löst es nicht mehr in Wasser; es schwillt aber darin auf zu einer gallertartigen Masse. Bringt man diese auf ein Filter, so bleibt eine steife Gallerte zurück, eine wenig schleimige Flüssigkeit läuft durch. — Diese durch Alkohol und Salzsäure gefällt, liefert einen Körper, der — bei 100° getrocknet, in Wasser wieder löslich ist. — Arabinbleioxyd ist gleich zusammengesetzt, sei es, dass man Arabinlösung oder Bleiessig bei der Präcipitation vorwalten lässt, immer enthält der Niederschlag 30,5 bis 30,7 %, PCO. Bei 1000 getrocknetes Arabin ist C,, H,, Oı In der Bleiverbindung ist C,g Hjo O,, enthalten. Derselbe spricht über die von Hrn. Löwenthal in. seinem Laboratorium fortge- setzte Untersuchung über Trennung des Zinns von andern Metallen, wodurch dargethan wird, dass durch Fällung der sauren Lösungen durch schwefelsaures Natron oder sal- petersaures Ammoniak das Zinnoxyd mit Schärfe getrennt werden kann von den alka- lischen Erden. der Thonerde. dem Manganoxydul, Zinkoxyd, Nickel- und Kobalt- oxydul, Kupferoxyd, nicht aber vom Eisenoxyd und weniger genau vom Eisenoxydul, weil sich der oxydirende Einfluss der Luft nicht ganz vermeiden lässt. — Bei manchen Trennungen muss der Niederschlag nach dem Auswaschen durch Decantation mit Salpetersäure gekocht werden, um die letzten Spuren Metalloxyd auszuziehen. — Fresenius theilt ferner mit, dass er bei Analyse der Schwalbacher Mineral- wasser sehr gute Resultate erhalten habe durch Anwendung einer stark verdünnten Lösung des übermangansauren Kalis zum Bestimmen des Gehaltes an Eisenoxydul. 36 Es lässt sich durch diese rasche Methode namentlich vortrefflich feststellen, wie viel Eisen das Wasser einer Stahlquelle verbreite, bis es in die Badewanne gelangt. Professor H. Rose theilte seine Erfahrungen über den Einfluss des Wassers bei chemischen Zersetzungen mit. Er verglich die Wirkung desselben, wenn es als Base auftritt, mit der der kohlensauren Baryterde oder Kalkerde, und zeigte, dass die grösste Menge der Basen, welche durch letztere aus Auflösungen gefällt werden, auch durch Wasser niedergeschlagen werden könne. Wichtiger aber noch ist die Rolle, welche das Wasser spielt, wenn es als schwache Säure auftritt. Es treibt dann be- sonders durch die chemische Masse andere schwache Säuren, namentlich Kohlensäure, Borsäure und Kieselsäure aus ihren Verbindungen zum Theil aus, und gibt Veran- lassung zur Bildung von Verbindungen von Hydraten mit Carbonaten, Boraten und Silicaten. Der Redner machte ferner auf die Analogie anfmerksam, welche die koh- lensauren und die borsauren Salze, namentlich die alkalischen zeigen. Er zeigte endlich durch einen Versuch, dass in einer verdünnten Auflösung von Borax freies Natron- hydrat und freie Borsäure enthalten wäre, und dass letztere eben so wenig das Wasser aus dem Natronhydrate austreiben könne, wie die Kohlensäure aus einem kohlensauren Salze. Dr. Gerland theilt mit, dass sich aus der Benzaminsäure durch Einwirkung von salpetriger Säure eine neue Säure bildet, die mit Salieylsäure gleiche Zusammen- setzung hat, sich aber von derselben durch grössere Beständigkeit unter dem Einflusse der Wärme und chemischer Agentien unterscheidet. Die neue Säure krystallisirt nicht in der Form wie Salicylsäure, und gibt auch nicht so leicht krystallisirbare Salze wie diese. Mit Salpetersäure behandelt gibt die neue Säure eine Nitroverbindung, die leicht krystallisirt und ein schön krystallisirbares Kalisalz liefert. Die Beständigkeit der Benzaminsäure und dieser neuen Säure, im Gegensatz zu der leichten Zersetzbarkeit der Anthranilsäure und ihres Derivates der Salicylsäure erklärt derselbe dadurch, dass er die Benzaminsäure als Amidobenzo@säure, die An- thranilsäure als Carbonilidsäure betrachtet. Dr. Gerland theilt ferner mit, dass zwischen der von Zinin dargestellten und beschriebenen Benzaminsäure und der Carbonilidsäure Chancels nach seinen Unter- suchungen noch der Unterschied besteht. dass die letztere aus ihren Lösungen sich in Krystallen ausscheidet, die erstere aber in undeutlichen Formen. Herr Gerland hat jedoch die Benzaminsäure durch Krystallisation aus Wasser in denselben Krystallen erhalten und somit möchte die Identität beider Säuren vollkommen nachgewiesen sein. Dr. Gerland theilt ein neues Verfahren für Darstellung der Nitrobenzo@säure mit, welches schneller und bequemer eine reine Substanz ergibt. als der gewöhnlich befolgte. Benzo®säure mit Salpeter zusammengerieben und mit Schwefelsäure versetzt, wird in Nitrobenzoösäure umgewandelt, «ie durch Erwärmen sich als Oel von dem entstandenen sauren Schwefelsauren Kali abscheidet und beim Erkalten von diesem abgegossen werden kann. Durch Umkrystallisiren aus Wasser war sie vollkommen rein und frei von Benzo&säure und Binitrobenzoßsäure. Dieses Verfahren lässt sich vielleicht mit Vortheil allgemeiner anwenden. | 51 II. Section für Mineralogie, Geognosie und Geographie. 1) Professor Krauss tritt als Seeretär ab. An dessen Statt wird Dr. Op pel aus Stuttgart gewählt. 2) Bergrath Schübler von Stuttgart macht Mittheilungen über die neuesten Aufschlüsse durch bergmännische Arbeiten in Württemberg. a) Werden die Arbeiten erwähnt zur Verbesserung der Mineralquellen von Cann- stadt, namentlich des neuesten bis zum September 1853 fortgesetzten Bohrversuchs, bei welchem nun nach einem vorgelegten Profil 181‘ durchsenkt und die bunten Keupermergel erreicht sind. b) Ein Profil von Steinsalz bei Friedrichshall (zwischen Friedrichshall und Rap- penau, 25,000‘ lang) zeigt. wie bei der grossen Regelmässigkeit der Ablagerung un- seres schwäbischen Steinsalzgebirgs doch bemerkenswerthe Veränderungen der Schichten stattfinden, welche bei der Auslaugung einiger ganz nahe bei einander liegenden Bohr- löcher durch die Verschiedenheit der Quantität des Salzgehaltes sich zeigen. c) Ueber die Gänge im Granit des Schwarzwaldes wird bemerkt, wie ein völliger Uebergang vom Granit in den b. Sandstein statt findet, und wie die Thalbildung einen Einfluss auf das Verhalten der Gänge übt, wodurch sie als älter, denn die Gänge erscheint. Hr. von Carnall macht auf das ähnliche Verhalten zwischen Porphyr und Sandstein aufmerksam. Ferner bemerkt er, wie leicht Thal und Gang einerlei Ursache haben und Altersunterschiede nur schwer geltend gemacht werden können, womit Hr. Merian ebenfalls einverstanden ist. d) Ueber die wichtige Steinkohlenfrage theilt Herr Bergrath mit, was bisher von der Regierung geschehen ist und wie gegenwärtig eine Aktiengesellschaft im Begriff ist, neue Versuche zu machen. Die Wohlfeilheit der Saarbrücker Kohle in Württem- berg (19 Kreuzer das Pfund), die freundschaftliche Verbindung mit den Rheinlanden und mit Sachsen und der Austausch namentlich von Salz mögen zu grosse Hoffnungen, die sich auf die Entdeckung der Kohle gründeten, etwas herabstimmen. Hr. v. Carnale wendet dagegen die glänzenden Erfahrungen mit der Saar- brücker Kohle ein. Am Ausgehenden fand man dort, dass die Flöze mit 30 Grad zur Tiefe gehen, diess verändert sich aber der Art, dass sie je tiefer desto flacher werden und bei Duttweiler die 30 Grade sich in 8 Grade verwandeln. Man braucht daher sich vor der Mächtigkeit des bunten Sandsteins nicht so sehr zu fürchten, da dieses sich beckeneinwärts ganz anders gestalten kann. Was aber das Oekonomische anbelangt, so hatte man Anfangs im Saarbrück’schen grosse Furcht, die Menge der zu tagegeförderten Kohle werde die Preise der Art herabdrücken, dass die Gruben der Privaten aufhören müssten. Das ging aber ganz anders: je mehr Kohlen, je mehr Industrie, ja heutzutage kann man dort die Ansprüche gar nicht mehr befriedigen. Quenstedt freut sich. dass seine Ansicht über Kohle von Hrn. v. Carnall be- stätigt wird. Er führt aus dem Keuper und Lias Beispiele an, wo der am Ausgehen- den mächtige Sandstein in der Tiefe ganz flach wird und fürchtet den bunten Sandstein nicht wegen seiner Mächtigkeit, sondern weil man gar nichts von ihm weiss. Schon 58 wegen der Wissenschaft sollte doch einmal dieser Sandstein durchbohrt werden. Gerade die Analogie mit den Keupersandsteinen, die nur gegen den Schwarzwald hin mäch- tiger sind, lassen auch hoffen, dass es mit den bunten Sandsteinen ähnlich der Fall sei. 3) Hr. v. Bühler zeigt eine Suite von Kalken aus dem Keuper, die zu Strassen- beschläge auf dem Mainharder Walde benützt werden und zu hydraulischem Kalke sich vorzüglich eignen. Er legt zugleich aus dem grobkörnigen Sandstem eine Reihe von Fossilen vor, welche von Quenstedt für die Reste aus dem untern Bonebed erklärt werden. Hieran schliesst sich eine längere Besprechung über Süsswasser- und Meeresbildung im Keuper. Ein Beitrag von Hrn. Seeger aus Lorch ist hiezu nicht uninteressant. 4) Prof. Kurr spricht über Formationsgrenzen und sagt, jede Formation bestehe eigentlich aus einer Trias. Er hält für besser, die Lettenkohle nicht zum Muschel- kalk, sondern zum Keuper zu rechnen. Er führt besonders die Cicadeen und Farren- kräuter an, welche sich in dieser Formation auszeichnen und in zierlicher Bildung denen der Steinkohle nicht nachstehen. Er zeigt Abbildungen von solchen sowie von ein- zelnen andern noch unerklärten gleichfalls im Keuper gefundenen Pflanzen. 5) In der Pause um 10 Uhr ladet Quenstedt die Geognosten auf Freitag früh um 7 Uhr zu einer Exeursion ein, welche sich Abends mit der übrigen Gesellschaft in Reutlingen vereinigen wird. 6) Vertheilung der Zeitschrift Bonplandia von Seemann. 7) Graf Beroldingen zeigt einige fossile Pflanzen aus der tertiären Formation Oberschwabens vor, und knüpft daran Bemerkungen über die geognostischen Verhält- nisse in der Gegend von Ratzenried. 8) Gymnasiallehrer Goldenberg von Saarbrück weisst die Zeichnung einer räthselhaften Pflanze aus den dortigen Thoneisensteinen vor, welche er für eine voll- ständige Sigillaria reneiformis hält, worüber sich eine Discussion entspinnt, an welcher sich Quenstedt, Kurr und Desor betheiligen. Sie kamen endlich darin überein, dass es entweder der embryonale Zustand einer Sigillaria oder ein zerdrücktes Exem- plar derselben sei, woran sich der Wunsch schliesst, womöglich Originale bei Ver- sammlungen vorzuzeigen, wie es bei einigen Insecten, welche Herr Goldenberg vor- zeigte, der Fall war. i 9) Dr. Redenbacher zeigt mehrere neue interessante Insecten aus dem litho- graphischen Schiefer von Solnhofen, sowie ein Stück mit ausgezeichnet gut erhaltenen Fussknochen von Crocodilus priscus. 10) Graf Mandelsloh weist eine prachtvolle Apiocrinitenkrone aus dem Do- lomit von Ehingen vor und spricht über die Verbreitung des Dolomits auf der Alb. 11) Dr. Oppel vertheilt seine Arbeit über den mittlern Lias Schwabens und zeigt eine prachtvolle Suite seiner Lias-Ammoniten, welche die ungetheilte Bewunde- rung der ganzen Versammlung erhält. 59 IV. Section für Botanik, Land- und Forstwissenschaft. Prof. Sigwart erklärt von Hrn. Wundarzt Leopold eingesandte Faseiationen von Salix purpurea und Fraxinus excelsior. Rector Gümbel spricht, veranlasst durch eine von Hrn. Essig in Leonberg eingesandte abnorme Brut erzeugende Kartoffel, über künstlich erzielte Knospenentwick- lung. Die Knospen entwickeln sich stets in der Nähe der Gefässbündel; die Gefässe befähigen also das Gewebe zur Knospenbildung. Dr. Calwer vertheilt eine Schrift über die Verbreitung der Buche in Norwegen. Prof. Goldenberg spricht über einige charakteristische Pflanzen der Stein- kohlenformation zu Saarbrücken, namentlich über Sigillaria reniformis. Diese bis jetzt sehr mangelhaft gekannte und von Vielen in verschiedene Species gespaltene Art fand derselbe in einem nahezu vollständigen Exemplar, so dass er im Stande ist, fast sämmtliche Organe der Pflanze in Zeichnungen vorzulegen und anatomisch zu be- schreiben. Er fand auch Früchte dieser Sigillaria, welche in ihrer Struktur ganz mit denen unserer Isoetes-Arten übereinstimmen. Die 2zahl der Organe und die Potenzen von 2 herrschen in allen Organen der Wurzelvertheilung, Blattnarbenzahl und Nieten- zahl vor. Diese Sigillarien waren ohne Zweifel Sumpfpflanzen, und ein ganzes Lager davon wurde in der Nähe von Saarbrücken aufgefunden, welche alle senkrecht auf den Kohlenschichten stehen, zum Beweis, dass sie nicht angeschwemmt, sondern wirk- lich dort gewachsen sind. Er spricht noch weiter über. die neu, aufgestellte fossile Gattung Megaphytum. Ueber die Insekten der Saarbrücker Kohlenformation legt er noch Zeichnungen vor und giebt einige Bemerkungen darüber. Dr. C. H. Schultz hielt einen Vortrag über die Anthemideen, und theilt die- selben in folgende Abtheilungen: I. Pyrethreae, Früchte flach zusammengedrückt, geflügelt. I. Achilleae, Früchte zusammengedrückt,, gekielt. III. Dioteae, Früchte etwas zusammengedrückt, 4— 5 gekielt, mit der sie grössten- tbeils mützenförmig bedeckenden Blüthe verwachsen. IV. Coteae, Früchte vierkantig. V. Euanthemideae, Früchte verkehrt eiförmig, rund, 10 gekielt — gestreift. VI. Ormenideae, Früchte verkehrt eiförmig — keulenförmig rundlich, schwach gestreift, nicht gekielt, oben immer abgerundet, da die Blüthe wie eine Haube aufsitzt. 1) Fruchtboden mit Spreublättern und Haaren versehen — Cladanthus Cass. 2) Fruchtboden mit Spreublättern versehen —= Ormenis. A. Jährige Pflanzen. a) Blüthen alle gelb, strahlig: hierher gehören 2 Arten aus Algier, O. aurea Durien und OÖ. peduncularis Schultz Bip. b) Blüthen der Scheibe gelb, des Rands strahlig, weiss: O. fuscata Sch. Bip. und O. mixta DC. * 0 5 B. Ausdauernde Pflanzen: a) Blüthen strahlig, Strahl weiss: O. nobilis Gag. b) Blüthen alle röhrig: ©. piscimalis Schultz Bip. Cassini theilte seine Anthemideen ab: 1) nach dem Vorhandensein und Fehlen des Strahls der Blüthenköpfehen oder 2) des Pappus, 3) nach der Gestalt der Frucht. Schultz hingegen benutzt die höchst wandelbaren Merkmale von 1) und 2) nicht ein- mal zur Unterscheidung der Arten, sondern die Frucht, wie überhaupt sein System ein karpologisches ist. Einige nicht berührte ausländische Abtheilungen als Athanasieen und Lasiosper- meen werden später behandelt werden. Dr. Veesenmeyer legt eine weitere Sammlung von Steppenpflanzen vor. Der Brief und die Abhandlung des Herrn Dr. K. Chr. Schimper wurde aus Mangel an Zeit nicht vorgelesen, sondern dem Herrn Prof. Schnizlein zum Re- ferat in einer der nächstfolgenden Sitzungen übergeben. Rector Gümbel spricht über die Knollengebilde der Phanerogamen; er vergleicht, einleitend, den Vorkeim der Moose mit den beblätterten sterilen Wedeln derselben, geht von einer kurzen Betrachtung ihrer Dauerorgane auf die Betrachtung derer der Pha- nerogamen über, vergleicht zuerst den Stamm des Schnittlauchs mit dem der Irisarten, geht dann zur Betrachtung des Wurzelstocks von Asphodelus luteus, Gladiolus com- munis über, unterscheidet Nährwurzeln und Brutwurzeln, vergleicht die Brutwurzeln von Allium rotundum und Ficaria ranunculoides, Arum maculatum, und behält sich die Fortsetzung auf die nächste Sitzung vor. Zum Präsidenten für die nächste Sitzung (Freitag von 8— 11 Uhr) wird Herr Rector Gümbel gewählt. Herr Dr. C. H. Schultz kündigt die Vorlegung der ersten Centurie der Flora rhenana der Pollichia für die morgende Sitzung an. V. Section für Zoologie, Anatomie und Physiologie. Um 8 Uhr, vereinigt mit der medicinischen. Dr. Focke theilt, nachdem er als Haupterfordernisse für feinere mikroscopische Untersuchungen eine mässige Erleuchtung des Sehfeldes, gehörigen Umfang desselben und einen ungehinderten Zusatz von Flüssigkeit erlaubende Fokaldistanz bezeichnet, und sein zweiköpfiges Mikroscop, wodurch zwei Personen zugleich beobachten können, vorgezeigt hat, seine Beobachtungen über Diatomateen, namentlich Navieula (Pinnu- laria) viridis mit, woraus hervorgeht, dass sie Wasser in Bläschenform in ihren Körper aufnehmen, dass verschieden grosse Formen ohne Uebergänge sich finden, welche bis jetzt als verschiedene Arten angesprochen wurden, aber nach einer Beobachtung des Redners entstehen die grösseren durch Copulation wie einige niedere Algen aus den kleinern, was nur im Winter zu geschehen scheint: es hat also eine Art mehrere, 61 vielleicht 6 Jahre nöthig, um zur vollkommenen Entwicklung zu gelangen und zur Fortpflanzung fähig zu werden, welche bis jetzt noch nicht in ihrem Verlauf beob- achtet worden ist. Endlich führte die Wahrnehmung von einem schmalen Fenster im Kieselpanzer zwischen den breiteren auf den Schluss, dass auch dieses starre Gebilde ein Wachsthum zeigt. Professor Vierordt aus Tübingen spricht über den Einfluss der anästhe- tischen Mittel auf den Blutdruck im Arteriensystem des Hundes, unter Vor- legung einer Anzahl, mittelst des Kymographion erhaltener, graphischer Darstellungen. Es geht aus den angestellten Versuchen hervor, dass beim Inhaliren grosser Quantitäten von Aether oder Chloroform, der Mitteldruck sogleich sehr erheblich zu- nimmt, und zwar um !/s. '/;, ja in einem Fall fast um das Doppelte. Diese Zunahme ist besonders das Resultat der einige Augenblicke hindurch überaus energischen Athmungs- bewegungen. Die den Herzbewegungen entsprechenden Curven zeigen anfangs manch- mal eine sehr beträchtliche Erhöhung; nach wenigen Sekunden werden sie aber kleiner, ungleich, unregelmässiger. Bald nimmt der Mitteldruck ab, wobei der Einfluss der Athembewegungen suecessiv geringer wird. Im Zustand starker Narcosis ist der Mitteldruck um Y;, selbst die Hälfte geringer; die Herzceurven sind jetzt sehr niedrig (selbst 10—15mal niederer als normaliter), aber auffallend gleichmässig; der Einfluss der Athembewegungen ist vollständig oder fast vollständig geschwunden. Bei der Chloroformirung, wenn der Tod unverhofft schnell ‘erfolgt, kann .der Blutdruck fast augenblicklich auf ", des Normalen herabsinken, um, nach darauf folgender plötzlicher enormer Steigerung über das Mittel, in Folge einiger starken Respirationen, gegen die Zeit der Agonie die Hälfte oder ‘/; des Normaldruckes zu behaupten. Das den Hunden besonders gefährliche Chloroform bewirkt entschieden ein viel rascheres Sinken des Blutdruckes, als der Aether; es sistirt die Einwirkungen der Athembewegungen auf den Kreislauf viel schneller und macht im Zustand noch nicht vollendeter Narcosis unregelmässigere Herzeurven als der Aether. Er fordert auf, wegen der Gefährlichkeit der Chloroforminhalationen die von verschiedenen Aerzten vorgeschlagenen anderen Applicationsweisen zu wählen, welche minder schnelle Wirkungen bedingen, worauf Vogel aus Giessen auf die geringere Wirksam- keit der anderweitigen Applicationsweisen, und Stiebel aus Frankfurt auf die Schwierig- keit der Unterbrechung der Wirkung aufmerksam macht. Dr. Reclam legt der Versammlung ein Präparat über die normalen Bewegungen des Magens während der Verdauung vor. Nach vielen vergeblichen Bemühungen, das Resultat der Magenbewegung zu fixiren, war ihm dies endlich bei ausgehungerten Thieren gelungen, welche er mit verhältnissmässig wasserarmer Milch fütterte; das geronnene Casein verwandelt den Mageninhalt in eine festweiche Masse, deren Gestalt ein Abdruck der Bewegungen des Magens ist. An dem (getrockneten) Präparat er- kennt man mit Leichtigkeit und Sicherheit die Bewegungslinie, in welcher die Con- tractionen der Magenwände wirken. — Um nun den Einfluss dieser Bewegungen auf die Verdauung festzustellen, hat der Vortragende in einer Brütmaschine bei + 30’R. in kleinen Retorten Muskelfasern einer künstlichen Verdauung unterworfen, indem 62 durch passende Vorrichtungen bei der Hälfte der Retorten deren Inhalt in passender, gleichmässiger Bewegung erhalten, die andere Hälfte aber ruhig gelassen wurde. Das Resultat war, dass bei der Bewegung des Inhaltes die Verdauung schneller, bei der Ruhe langsamer vor sich ging; — der Grad der vorgeschrittenen Magenverdauung wurde aus der mikroscopischen Texturveränderung der Muskelfasern erkannt. — Dr. Reclam über den Grund des Antagonismus zwischen Darm und Haut. Der Vortragende knüpft an die vorläufigen Mittheilungen an, welche er 1851 der Versammlung zu Gotha von seinen Untersuchungen über das Verhältniss der Haut- . ausdünstung zu Fettresorption, Blutumlauf und Lymphbewesung gemacht hat. Bei Verfolgung dieser Arbeit ergab sich der ziemlich einfache Grund des Antagonismus zwischen den Oberflächen des Verdauungskanales und der Haut, welcher bis jetzt von allen Schriftstellern für unerklärbar bezeichnet wurde. Das Wechselverhältniss in der Secretion dieser Flächen wird bedingt durch eine vorzugsweise Stromsrichtung des Blutes in centrifugaler oder centripetaler Richtung; diese Hauptrichtung des Blut- stromes vermittelt der Druck der athmosphärischen Luft. Der Vortragende erläutert diese Sätze am Beispiele der Heilung eines Darmcatarrhes durch Erregung der Haut- secretion. — An den hierüber entstandenen Discussionen betheiligten sich hauptsächlich Prof. Virchow, Dr. Stiebel, Prof. Vierordt, Dr. Heidenhain und Prof. Griesinger. Virchow fand, dass die Corpuscula amylacea, welche sich im Ependyma der Hirnventrikel des Menschen finden, durch Jod und Schwefelsäure blau gefärbt werden, und so sich wie Pflanzen-Cellulose verhalten. Sie unterscheiden sich dadurch von allen ähnlichen Gebilden, namentlich auch von den Körpern des Gehirmsandes.. Man findet sie im Ependyma aller Ventrikel, in dem alten Ependyma der Rückenmarks- höhlen (Substantia centralis grisea Kölliker), sowie in der weichen Bindesubstanz der Sinnesnerven, namentlich des Olfactorius. Die Prof. Vierordt und Luschka laden die Mitglieder zu einem Besuch der physiologischen Anstalt und der Anatomie auf Nachmittags 3 Uhr ein, Nach der Pause Versammlung im Locale der zoologischen, Sammlung. Prof. Ecker von Freiburg wird zum Präsidenten für die nächste Sitzung gewählt. Prof. W. v. Rapp spricht über das Riesengürtelthier, Dasypus gigas, besonders in Beziehung auf einige osteologische Eigenthümlichkeiten, mit Vorzeigung von Schädel und Abbildung des Thiers. Der Präsident erinnert an mehrere Aehnlichkeiten zwischen der Anatomie der Edentaten, namentlich der Monotremen, und der der Vögel. Eduard v. Martens zeigt zwei deutsche Arten von Glomeris, Abbildungen verschiedener Limaxarten, lebende Exemplare von Lacerta viridis und Spermophilus eitillus vor. i Dr. Weisse zeigt Polyceystinen unter dem Mikroskop. Der Präsident, Prof. Will, theilt seine Entdeckung von Haaren im Innern der Tracheen der Käfer mit, welche in ihrer Anordnung genau nach den verschiedenen Familien und Gattungen abändern und durch ihr Aufsitzen auf den Spiralfasern der Tracheen die Existenz einer diese überziehenden eigenthümlichen Haut widerlegen. VI. Section für Mediein, Chirurgie und Geburtshülfe. Prof. Bruns stellt einen Kranken vor, bei dem im Jahr 1847 die Lisfrane’sche "Operation am rechten Fuss. und die Resection der Mittelfussknochen am linken Fuss gemacht wurden und hei dem sich jetzt auf den beiderseitigen Narben eine reichliche Nagelbildung findet. Prof. Rothmund spricht von gelungenen Versuchen seines Assistenten, Dr. Nuss- baum, Gläschen in die Cornea von Kaninchen einzuheilen, und fordert zu Versuchen an Menschen auf. i Derselbe zeigt sein Instrument zur Radicalheilung beweglicher Leistenbrüche vor. Prof. Luschka theilt die nähere Untersuchung des von Medicinalrath Dr. Baur vorgezeisten Präparats mit. Die derbe, in der Blase enthaltene: Haut zeigt unter dem Microscop ein Fasergerüste, das durch Exsudatkörper in verschiedenen Entwick- lungsstufen, und ausserdem durch Trümmer von Nerven durchsetzt ist, sie ist danach zu betrachten als die in ihrer Totalität von der Muskelhaut der Blase abgeschälte Schleimhaut der Blase. Derselbe zeigt eine Hernia eruralis interna dextra vor, deren Inhalt vom Process. verm. formit. gebildet wird, der in einem eigenen peritonealen Bruchsack enthalten ist. Prof. Virchow bezeichnet als charakteristisch für die syphilitische Hepatitis die Entwicklung eines neugebildeten gummosen Gewebs, und die Atrophie des normalen Lebergewebs. Diese zwei verschiedenen Processe sind am Schädel auf Knochen und Periosteum in der Weise vertheilt, dass am Knochen die Atrophie entsteht, und in die dadurch gebildete, besonders auf der innern Schädelfläche sehr deutliche Lücke sich die vom Periosteum ausgehende Neubildung hineinlegt. Diese neugebildete Masse stimmt ziemlich genau überein mit dem, was man den indurirten Grund des gewöhn- lichen: Chanker-Geschwürs nennt. und findet sich in ähnlicher Weise auch noch in andern syphilitisch erkrankten Organen. Dieselbe ist dem Bindegewebe an die Seite zu stellen, enthält aber ausser diesem noch zahlreiche Neubildungen , und erhält durch rückschreitende Metamorphose nach und nach ein narbenähnliches Aussehen. In der Leber kann durch solche schwielige Stellen in der Nähe von Gallengängen ein hart- näckiger Ieterus entstehen. im Gehirm kommt es auf die Localität der Ablagerung in der Nähe von diesen oder jenen Nerven an, welche Erscheinungen auftreten. Bei der Discussion darüber betheiligten sich Prof. Roser, Prof. Griesinger, Dr. Heidenhain, Prof. Bruns, Prof. Vogel, Prof. G. Rapp. 64 Dr. Beneke wünscht über die Diäten, die in Krankenhäusern und sonstigen Anstalten eingehalten werden, Notizen zu erhalten, namentlich mit Rücksicht auf den Stickstoffgehalt. Prof. Vogel wird zum Präsidenten für die nächste Sitzung gewählt. Bericht über die erste Sitzung der Kaiserl. Leopoldinisch-Carolinischen Akademie der Naturforscher am 22, September. Die Akademie hielt Morgens 7 Uhr ihre erste Sitzung, welcher die Adjunkten derselben, Obermedieinalrath v. Jäger, Prof. Will, Prof. Heyfelder, Dr. Schultz Bipont. und verschiedene Mitglieder beiwohnen. Herr Berthold Seemann wird zum Schriftführer erwählt. Herr Obermedicinalrath v. Jäger verliest ein Schreiben des Präsidenten Nees von Esenbeck, worin der letztere sein Bedauern darüber aus- drückt, dass ihn eine Augenentzündung verhindert, Tübingen zu besuchen. Die An- wesenden machen verschiedene Anträge, die Betheiligung der Mitglieder an der Aka- demie und deren Beziehung zur Bonplandia betreffend, und beschliessen, dieselben dem Präsidenten vorzulegen. Es wird ferner beantragt, eine Klasse von akademischen Mitgliedern, vorläufig ausserordentliche Mitglieder bezeichnet, zu schaffen. Mangel an Zeit verhindert, dass die Berathungen über den letzteren Gegenstand eine abgerundete Gestalt annehmen, und es wird beschlossen, am 23. September Morgens 7 Uhr die- selben fortzusetzen. Nachdem das Protokoll von den Herrn Adjunkten unterzeichnet ist, wird die Sitzung für geschlossen erklärt. Fünftes Verzeichniss der Theilnehmer an der Naturforscherversammlung. 502) Herr Studiosus Wachter aus Tübingen. 553) „ Oberamtsarzt Dr. Vogel aus Riedlingen. 554) „ Dr. med. Christmann aus Aulendorf. 555) „ Oberamtsarzt Dr. Hartmann aus Sulz. 556) Dr. med. Pfäfflin aus Lorch. n 8957) „ Professor Gerling aus Marburg. 958) „ med. Dr. Pfeilstiker aus Stetten. 559) „ Reallehrer Carl Tscherning aus Triest. 65 560) Herr Dr. med. Fricker aus Wildbad. 561) 562) 563) 564) 565) 566) 567) 568) 569) 570) 571) 572) 573) Stallmeister E. v. Falkenstein aus Tübingen. med. Dr. Tritschler aus Cannstadt. Oberamtsarzt Dr. Hafner aus Rottenburg. Geheimer Medicinalrath and Professor Wutzer aus Bonn. med. Refer. Mainzer aus Weikersheim. Hofapotheker A. Rüdiger aus Homburg. Kameralverwalter v. Pfizmaier aus Rottenburg. Wund- und Thierarzt J. Schanz aus Melchingen. Dr. Hartmann aus Sindelfingen. Profsssor M. Glösener aus Lüttich. Professor Fleischer aus Hohenheim. Dr. Faber aus Neckarthailfingen. med. Dr. Steudel aus Esslingen. Anzeigen. Aus dem Vermögensnachlass einiger verstorbenen Herrn Ärzte sind bei Unterzeichnetem zum Verkaufe ausgesetzt: 1 gänzlich neues vollständiges Amputations-Etui, Anschlag . . . . 221. 1 älteres Amputations-Etui samt Trepanations-Etui, Anschlag . . . 16 fl. 30 kr. 1 Sections- Etui, Anschlag . . . a IHR: 2 Geburtszangen, & 1 fl. 48 kr., und weiteres Sections-Etui. Anschlag 8 fl. Commissionär Kleinberger, wohnhaft auf dem Marktplatze. Lehrer Fehr aus Gunzenhausen empfiehlt seine prachtvollen europäischen Schmetterlinge, dann seine zahlreichen Land- und Meerconchylien zu geneigter Auswahl. Logie in der Post zur Traube. Druck von H. Laupp jr. in Tübingen. 896 10 TAGBLATT der dreissigsten Versammlung deutscher Naturforscher und Ärzte in Tübingen. Samstag 24. September 1853 Nro. @. Tagesordnung. Morgens 10 Uhr: Dritte öffentliche Sitzung. 1) Reetor Gümbel: über das Leben der Moose. 2) Dr. Moll: über das Studium der Geschichte der Mediein. 3) Prof. Dr. Veesenmeyer: über die Beziehungen der Pflanzenwelt zu den No- maden. Angekündigte Vorträge in den Sectionssitzungen für den 24. September. I. Section für Mineralogie, Geognosie und Geographie. 1) Dr. Oppel: über den mittlern Lias Schwabens. 2) v. Carnall: Bildung von Braunkohle in einem Hochdruckdampf-Kessel. B)u3 “ Herausgabe der geognostischen Karte von Preussisch-Rheinland und Westphalen. 4) Prof. Glocker: über ein neu entdecktes Walkererdelager in Mähren und über Erze in den Geschieben bei Breslau. 5) Dr. Calwer wird eine geognostische Karte von Schwaben vorlegen. II, Section für Botanik, Land- und Forstwissenschaft. 1) G. v. Martens: über den Ursprung der Krautsee. Derselbe: über die falschen Schwalbennester der Japanesen. 2) Dr. de Bary: über zweierlei Sporenbildung einiger Pilze. 68 II. Section für Zoologie, Anatomie und Physiologie. Dr. Schultz aus St. Petersburg: über Anatomie der Knopfnähte, Vorzeigung der von Prof. Pirogoff gefertigten Durchschnittsbilder gefrorner Leichen, und über Osteoplastik desselben. IV. Section für Mediein, Chirurgie und Geburtshülfe. 1) Dr. Ellinger: Einiges über den Gebrauch der Sonden. 2) Hofzahnarzt Dr. Frisoni: Mittheilungen aus dem Gebiet der Zahnheilkunde. 3) Prof. Wutzer: über Hypertrophie der Zunge. . Bericht über die Sectionssitzungen Freitag 23. September. I. Section für Mathematik, Physik und Astronomie. Professor Dove zeigt einen Apparat zur Hervorbringung der subjectiven Farben- erscheinungen. Professor Zenneck spricht über eine Einrichtung zur Beobachtung der Geruchs- verhältnisse elektrisirter Gase. Derselbe hat sieben verschiedene Gase untersucht, Sauerstoff, Wasserstoff, Stickstoff, Stickstoffoxydul, Kohlenoxydgas, Kohlensäure, doppelt kohlensaures Wasserstoffgas.. Von diesen zeigen nach der Electrisirung Wasserstoff und doppelt kohlensaurer Wasserstoff einen aromatischen Geruch. Kohlensäure ist vollkommen geruchlos, die übrigen von nur schwachem Geruch. Professor Holtzmann spricht über Versuche, die Grösse des Leitungswider- standes in einem durch den elektrischen Strom glühend gemachten Platindra''t zu be- stimmen. Die Versuche sind sehr einfach, man bringt den Platindraht in den Strom und schaltet zugleich eine Tangentenboussolle ein. Bei diesen Versuchen fand der Redner, dass ein Platindraht, dessen Leitungswiderstand kalt = 1 gesetzt wird, beim Schwachglühen einen Leitungswiderstand = 6,3 zeigt, beim Rothglühen 8,2, beim Hell- rothglühen 16,1, beim schwach Weissglühen 23,8. Diese Zahlen machen natürlich keinen Anspruch auf absoluten Werth wegen der Unbestimmtheit der Ausdrücke für die verschiedenen Zustände des Glühens, sie sollen nur als Anhaltspunkt dienen, um zu wissen, welchen Widerstand man ungefähr zu überwinden und wie man demgemäss die Säule zu construiren hat. 69 Derselbe spricht sodann über die mechanische Arbeit, die man braucht, um einen elektrischen Strom hervorzubringen. Wenn ein Magnet um einen geraden Leiter ge- dreht wird, so ist die Stromstärke S = -—_ wo „ den Magnetismus im magneti- schen Element, » die Winkelgeschwindigkeit, L den Leitungswiderstand bezeichnet, in den Weber’schen Einheiten ausgedrückt. Die Kraft, die ein Magnet auf einen Strom ausübt, der in gerader Linie an ihm vorbeigeführt wird, ist me ‚ wo r die Entfer- r nung des Elements von dem Strom ist. Der Strom wird also auf den Magnet, der um ihn herumgeführt wird, eine Kraft ausüben, die ihn in der entgegengesetzten Rich- tung herumführen würde, so dass bei jener Bewegung ein gewisser Widerstand zu überwinden ist. Wenn also der Magnet mit der Winkelgeschwindigkeit » um den Leiter gedreht wird. so wird hierzu eine Arbeit nöthig sein, die der Kraft mul- tiplieirt in den Weg gleich ist. Dieser Weg ist ro, also die Arbeit um S zu er- zeugen, 2uSw; der Radius des Kreises ist willkührlich, wie bekannt. Wenn man uw eliminirt, so wird der Ausdruck für jene Arbeit — S?L. Für die Anwendung ist es zweckmässiger. die Weber’schen Maasse in andere zu übersetzen. Der Redner hat diess gethan in die von Jakobi vorgeschlagenen. Als Einheit der Stromstärke dient derjenige Strom, welcher in 1 Minute 1 Kubikcentimeter Knallgas entwickelt, als Ein- heit des Leitungswiderstands, der in reinem Kupfer von 1 Meter Länge und 1 Milli- meter Dicke stattfindende, als Einheit der Kraft 1 Kilogramm, als Wegmaass 1 Meter. Unter diesen Voraussetzungen muss der obige Ausdruck noch mit den Coefficienten 0,0000176 multiplieirt werden. Dieselbe Formel bekommt man bekanntlich für die Wärmeentwieklung, welche ein elektrischer Strom S in einem Körper mit dem Lei- tungswiderstand L hervorbringen kann, so dass auch hier die Analogie zwischen me- chanischer Kraft und Wärme besteht. Professor Dove gibt eine kurze Notiz in Betreff der vielfach von ihm ange- stellten Vergleichungen seines Reisebarometers mit den Normalbarometern verschiedener Orte. Es ergibt sich hieraus das sehr befriedigende Resultat, dass die Barometer verschiedener Werkstätten als vollkommen identisch zu betrachten sind. Nur darf bei der Vergleichung keine Reduction wegen der Temperatur vorgenommen werden, son- dern man muss beide Instrumente so lange neben einander hängen lassen, bis sie gleiche Temperatur haben. Dieses Resultat ist interessant wegen des Rückschlusses auf die Identität der Maassstäbe und die Güte der Reiseinstrumente. Professor Reusch trägt die Grundzüge einer elementaren Entwicklung der sechs Grundgleichungen des Gleichgewichts vor. Professor Dove gibt eine neue Methode an, einachsige Glimmer von zweiachsigen ‚zu unterscheiden. Professor Gugler trägt einige nette Sätze über Analogie zwischen Ellipse und Parabel vor. Der Vorsitzende, Professor Dove, schliesst die Sitzungen der Section mit dem 70 herzlichsten Dank gegen die Mitglieder, und der Hoffnung, dieselben nächstes Jahr in Göttingen wieder zu sehen. II. Section für Chemie und Pharmacie. 1) Prof. Fresenius theilt Versuche mit, welche in der Absicht angestellt wur- den, um den Streit darüber zu entscheiden, ob sich bei der Blutlaugensalzfabrikation das Blutlaugensalz schon in der Schmelze findet oder nicht, wobei sich ergeben hat, dass die Schmelze nur Cyankalium und einige andere Salze, aber kein Blutlaugensalz enthält. 2) Derselbe theilt Notizen über den Unterschied zwischen gelbem und rothem Quecksilberoxyd mit. Das rothe Oxyd bildet sich bei heisser Fällung des Queck- silberoxyds, das gelbe bei kalter. Beide Niederschläge unterscheiden sich ausser der Farbe hauptsächlich dadurch, dass die Reactionen des gelben viel rascher sind als die des rothen; beide enthalten durchaus kein Wasser. — Hr. Rose bemerkt hiezu, dass er die Niederschläge ünter dem Mikroscop untersucht und gefunden habe, dass beide aus Krystallen bestehen, aber der gelbe Niederschlag aus viel kleineren als der rothe, und dass davon die Unterschiede herrühren. 3) Derselbe bestätigt die Bildung von rothem Bleioxyd (2 Blei auf 3 Sauerstoff) durch Behandlung einer Auflösung von gelbem Bleioxydul in Natronlauge mit ver- dünnter Lösung von unterchlorichtsaurem Natron, aber nicht im Ueberschuss. 4) Derselbe zeigt, dass wenn man auf gewöhnliche concentrirte Schwefelsäure etwas Salzsäure giesst, an der Berührungsstelle eine Trübung von Chlorblei entsteht, und dass diess ein sehr bequemes Mittel ist, um mit aller Schnelligkeit Blei in der Schwefelsäure nachzuweisen. 5) Prof. Schlossberger sprieht über den vorwiegenden Natrongehalt der Knorpel (im Gegensatz zum Kali); die Knorpel schliessen sich in der Beziehung an das Blut an, bilden einen Gegensatz zur Muskelsubstanz. Schlossberger weist ferner bedeutende Verschiedenheiten in der Reaction der Milch nach, wenn sie ganz frisch gemolken untersucht wird. Die des Menschen ist normal alkalisch; die der Kräuterfresser bald alkalisch oder neutral, bald sauer; die der Fleischfresser immer sauer. Endlich spricht er über seine Resultate bei der Analyse der sog. Hexenmilch (aus der Brustdrüse eines Knaben). Dieselbe enthielt ächte Milchkügelchen und Zucker. Damit werden die Sitzungen der chemisch-pharmaceutischen Seetion geschlossen. IH. Section für Botanik, Land- und Forstwissenschaft. Eine Beschreibung des Bades Imnau im Sigmaringischen wurde zur Vertheilung in mehreren Exemplaren von Herrn Dr. Heyfelder eingeschickt. 71 Ferner eine schriftliche Bearbeitung über Kartoffelfäule von Herrn Dr. Joseph Honorius Schneider, und eine gedruckte Abhandlung darüber von Herrn Dr. Gümbel in Kaiserslautern wurden beide zu einem Referat dem Herın Dr. Anton de Bary übergeben. Ein Schreiben des Herrn Dr. Wirtgen wurde vorgelesen, worin er seine Stelle als Präsident des Vereins zur Erforschung der Flora des Rheingebietes niederlegt, indem das Unternehmen jetzt durch die Gründung der Rhenania überflüssig gewor- den sei. Herr Prof. Schnizlein referirt über das zweite Schreiben des Herrn Dr. Schimper, und macht auf die stete Thätigkeit dieses ausgezeichneten Forschers aufmerksam. Die von Dr. Schimper mitgetheilten Nachrichten beziehen sich vorzüglich auf sogenannte Bildungsabweichungen an Blättern und Blüthenständen, auf ungewöhnliche Zu- stände von Organen oder deren Richtungen zu Licht und Schatten, auf den Bau der Wurzeln und auf die sogenannte Winterflora von Schwetzingen, in welcher Hinsicht Einsender gegen 400 Arten im vergangenen Winter beobachtet hatte. Sodann spricht Hr. Schnitzlein über die Zukunft der systematischen Nomenclatur in der Botanik, und kommt hiebei zu dem Resultat, dass die Linn@’sche Nomenclatur der 2 Namen als ein extremer Rückschlag auf die frühere zu betrachten sei, und dass es bei dem stets sich häufenden Material der Wissenschaft für die Uebersichtlichkeit eine Nothwendig- keit erscheine, eine neue Mitte zu suchen. Diese könne vielleicht darin gefunden werden, dass man, wie natürliche Familien, so auch Reihen von natürlichen Arten- formen aufstelle, unter welche dann mehrere der jetzt sogenannten Arten versammelt werden. Eine solche natürliche Form oder Reihe erhalte zwei Namen, wie bei L. die Species, aber den Beisatz des jetzt üblichen Namens, z. B. Calamintha vulgaris officinalis, Cal. vulg. Nepeta, Cal. vulg. adscendens etc. Ueber diese Frage sprachen noch Prof. Kurr und Dr. C. H. Schultz, die der Idee des Vorredners beistimmen, nur die Bezeichnung der Arten d. h. die gewöhn- lichen Artennamen, dann aber die Vereinigung dieser in möglichst scharf begrenzte Subgenera, diese wiederum in grosse Genera, nach der Methode von Fries und Koch für die beste Form halten. Dr. Schultz demonstrirt die Hieracien aus den Gruppen von H. murorum L. und H. praecox Sch. Er legt ferner eine Centurie der von der Gesellschaft Pollichia herausgegebenen Flora Rhenana exsiccata vor, und fordert zur Betheiligung bei der Herausgabe auf. Prof. Kurr trägt Beobachtungen über die Farbenerscheinungen beim Absterben der Blätter vor, und macht auf die constante Gesetzmässigkeit derselben aufmerksam, mit Anführung von Beispielen einiger Bäume. Dr. Seemann redet über den Unterschied der Passifloreen und Turneraceen. Derselbe ist nach seinen Beobachtungen unbegründet; weder das Wachsthum, noch die Fehler oder Vorhandensein von Nebenblättern ist ein Unterscheidungsmerkmal, und durch die neu aufgefundene Gattung Erblichia Seem. wird ein vollständiger Ueber- gang vermittelt. 12 Derselbe legt ferner eine vollständige, nach der Natur aufgenommene Ab- bildung und Analyse von Phytelephas vor. Rector Gümbel. Ueber den Blüthenstand der Rosaceen und Ranunculaceen. Indem derselbe von den Keimblättern der Urtica urens und Euphorbia zu dem Blatt- gebilde im Allgemeinen aufstieg, sprach er die Cotyledonarnatur des Blattes im All- gemeinen an, und verglich den Blüthenstand von Clematis Viticella mit einer jungen Pflanze von Euphorbia Helioscopia, verglich damit den Blüthenstand der Rose, der Paeonia, und ging dann über zur Verästelung und den Blüthenstand der Bryonia im Parallelismus mit der Weinrebe. Prof. W. v. Rapp, als interimistischer Vorstand des Universitätsherbariums rieth der Section von dem projectirten Besuch desselben ab, da es noch nicht geordnet und ein sachkundiger Führer nicht vorhanden sei. Die rückständigen Vorträge werden nach Beschluss in einer Morgen 8 Uhr an- gesetzten Sitzung erledigt werden. IV. Section für Zoologie, Anatomie und Physiologie. Hr. Prof. Luschka über den von ihm entdeckten Nervus spinosus. Derselbe ist ein selbständiger, rein cerebraler Zweig des dritten Astes vom Quintus, welcher aus diesem meist hart unter dem foramen ovale, zuweilen auch innerhalb oder noch über diesem, entspringt und ein ausschliesslicher Knochennerv, welcher sich im grossen Keilbeinflügel und im Felsenbeın verbreitet. Er tritt durch das foramen spinosum in die mittlere Schädelgrube und folgt dann dem Zuge der arteria spinosa. Dieser Nerv ist gänzlich verschieden von dem bisweilen aus dem ganglion oticum zur arteria me- ningea tretenden Fädchen, welches vorwiegend aus sympathischen Nervenfasern besteht und die Bedeutung eines Gefässnerven hat, wie es ja auch aus dem Gefässnerven- geflecht der carotis entspringt. Der nervus spinosus ist dagegen das Analogon eines Theils des vom Redner ebenfalls entdeckten Nervus sinuvertebralis im Spinaltheil des Nervensystems. Jeder Rückenmarksnerven gibt aus seinem vereinigten Stämmchen einen Nerven ab, welcher durch das foramen vertebrale zurückgeht und sich in zwei Fädchen spaltet, wovon das eine in der Haut der Blutleiter des Wirbelkanals, das andere in der Substanz der Wirbelkörper verbreitet; diesem letztern Fädchen entspricht der Nervus spinosus im Hirntheil des Nervensystems, dem andern der Nervus recurrens tentorii, der sich bis in die Wandung des torcular Herophili verfolgen lässt: der Nervus sinuvertebralis erklärt die verschiedenen abnormen oft ganz eircumseripten Sensationen, die durch Ueberfüllung der Blutleiter und Druck auf die Dornfortsätze entstehen. Prof. Luschka begleitet diesen Vortrag mit der Demonstration einiger Prä- parate. Prof. Ecker macht einige Mittheilungen über Untersuchungen, welche Dr. Bil- harz in Cairo über den Zitterwels angestellt hat und welche wohl demnächst veröf- fentlicht werden. Die wichtigste Thatsache, welche Prof. E. bestätigen konnte , wie 13 bereits in einer Mittheilung an die Göttinger Societät angezeigt ist, ist die, dass der, ungefähr 1''' dicke, elektrische Nerve nur eine einzige Primitivfaser von "oo — "a2''! enthält. Prof. E. beschreibt die dreifachen Hüllen der Nervenfaser, die mancherlei Aehnlichkeit mit den Hüllen Paeinischer Körperchen haben, ferner die Anordnung der Zellen des elektrischen Organs, in welche einen Blick zu thun Dr. Bilharz mit Hülfe der Chromsäure gelungen ist, und macht endlich auf die physiol. Wichtigkeit dieser Entdeekung aufmerksam, durch welche die Existenz von Nervenschlingen noch mehr verdächtig wird. Da nicht wohl anzunehmen, dass eine Nervenfaser in zwei Rich- tungen leitet, so wird eine centripetale Leitung vom elektrischen Organ aus- vollkommen unwahrscheinlich. Ueber das centrale Ende der Primitivfaser Aufschluss zu erhalten, ist bis jetzt nicht gelungen, doch zweifelt Prof. E. keinen Augenblick, dass sie von einer eben so kolossalen Ganglienzelle entspringt, dass also hier ein wahres mikro- scopisches Centralorgan vorliegt. Hiezu bemerkt Hr. Dr. Focke, dass die Beobachtung eines 4‘'' langen ganz durchsichtigen Entomostrakon, Polyphemus Irinotii n. sp., an welchem sich die Nerven bis zu einem Durchmesser von weniger als "/ıooo‘‘‘ am Ende des Darmkanals yerfolgen lassen, auch durchaus keine Endumbiegung der Nervenfasern noch eine Verbreitung an ein weiteres Organ wahrnehmen liess. Hierauf wurde die Sitzung der physiologischen Section geschlossen und die der medicinischen begann. V. Section für Medicin, Chirurgie und Geburtshülfe. Prof. Dr. G. Rapp, über Entstehung des zweiten Herztones. An der darauf folgenden Diskussion betheiligen sich ausser dem Vortragenden Prof. Vogel, Dr. Heidenhain. Dr. Schinzinger spricht über den künstlichen Ersatz amputirter, oder verküm- merter Extremitäten, zeigt eine von Instrumentenmacher Hausmann in Freiburg ge- fertigte künstliche Hand vor, welche durch einfache Construktion wahre Bewegungen der Finger und des Handgelenks erlaubt, ferner legt er eine Zeichnung vor, welche 2 künstliche untere Extremitäten darstellt, die Hausmann einer erwachsenen Frau, deren beide Unterschenkel völlig verkümmert und nach rückwärts standen, anfertigte, so dass dieselbe nur mittelst dieser künstlichen Füsse bequem ohne Krücken gehen kann. Dr. Cless erzählt 2 Fälle von plötzlichem Tod in Folge von spontaner Gas- entwicklung im Blut und gibt eine Uebersicht über ähnliche in der Litteratur vor- handene Fälle. — Die Prof. Vogel und Virchow knüpfen einige Bemerkungen daran an. Für die nächste Sitzung wird Prof. Roser als Präsident gewählt. Die Geburtshelfer bildeten 2 Mal besondere Sectionen. — In der ersten Ver- sammlung (am 20. September) zeigt Prof. Breit eine von ihm angegebene Modification LE: der Kopfzange, und eine gleichfalls von ihm angegebene Modification des Braun’schen Decapitationshackens; er theilt einen Fall mit, wo er die Decapitation mit dem Hacken vorzunehmen genöthigt war. — Ferner regte Prof. Breit eine Besprechung über die Behandlung der Placenta praevia an. Medieinalrath Schneemann aus Hannover vertheidigt die künstliche Erweiterung des Muttermunds bei Blutungen in Folge von Placenta praevia, und zwar soll die Erweiterung sogleich beim Auftreten der ersten Blutungen vorgenommen werden, sobald der Zeigefinger in den Muttermund geführt werden kann. Medicinalrath Schneemann hebt hervor, dass er schon im J. 1834 in seiner Uebersetzung von Rob. Le€, Untersuchungen über das Wesen und die Behandlung einiger der wichtigsten Krankheiten der Wöchnerinnen, von dieser Methode durchaus günstige Ausgänge mitzutheilen hatte, er verlor nämlich unter 17 auf diese Weise behandelten Fällen nicht eine Mutter, während er in zwei Fällen, wo er dem Tampon vertraute, den Tod eintreten sah. Schneemann’s Erfahrungen haben auch in sehr zahlreichen späteren Fällen die Vorzüge der künstlichen Erweiterung des Muttermundes dargethan. Schneemann theilt ferner mit, dass er in 4 Fällen die Transfusion vorgenommen hatte und darunter 2 Mal mit günstigem Erfolg. Hofrath Dr. Elsässer aus Stuttgart und Physikus primarius Dr. Mappes aus Frankfurt a. M. vertheidigen die Nützlichkeit des Tampons. Prof. Breit theilt einen im Wiener Ge- bärhause beobachteten Fall mit. wo in Folge der Tamponirung der Vagina eine noch während der Schwangerschaft tödtlich ausgegangene Metritis auftrat. Die zweite Versammlung wurde am 23. September gehalten. Dr. Mappes theilt 2 Fälle von Exstirpation der Gebärmutter wegen Krebs mit; in beiden Fällen war die Operation von tödtlichem Ausgang gefolgt. Prof. Breit zeigt ein von ihm angegebenes, mit einer Scheide bedecktes Messer zur Sectio caesarea vaginalis. Der- selbe theilt ferner einen Fall mit, wo er in Folge von Injection einer Lösung von Murias ferri zur Sistirung einer Metrorrhagie nach der Geburt den Tod eintreten sah. Physikus Dr. Mappes theilt seine Erfahrungen über die Wirkung der Ipecacuanha bei Blutungen nach der Geburt mit; er empfiehlt dieses Mittel als ein vorzügliches Haemostaticum. Auch Prof. Breit sah in sehr vielen Fällen von der Ipecacuanha bei Blutungen nach der Geburt günstige Erfolge. Bericht über die zweite Sitzung der Kaiserl. Leopoldinisch-Carolinischen Akademie der Naturforscher am 23. September. Laut gestrigem Beschlusse versammelt sich die Akademie 7 Uhr Morgens. Herr Berthold Seemann verliest das Protokoll der am 22. Sept. gehaltenen Sitzung; das- selbe wird mit einer kleinen Modification angenommen. Es wird beantragt, alle Jahre, anstatt alle 2 Jahre (wie in Schweinfurt beschlossen) akademische Sitzungen zu halten bei den deutschen Naturforscher-Versammlungen. Die Sitzung soll aber nur, wenn 75 unter dem Vorsitz eines Adjunkten gehalten, als gesetzlich betrachtet werden. Der Antrag wird angenommen. Die Versammlung drückt ihr Bedauern aus, dass der Präsident der Akademie, Nees von Esenbeck, abgehalten ist, dieser Sitzung beizu- wohnen, und hofft, dass der Himmel ihn lange erhalten möge, um zum Nutzen der Akademie und zur Förderung der Wissenschaft seine hohe Stelle auszufüllen. Der Adjunkt Mappes redet über die Verlegung der akademischen Bibliothek nach Frank- furt a/M und verspricht binnen Kurzem über die geeigneten Lokalitäten für die Samm- lung nach Breslau zu berichten. Die gestrigen Verhandlungen über die neu zu bil- dende Klasse von akademischen Mitgliedern, vorläufig als ausserordentliche Mitglieder bezeichnet, werden wieder aufgenommen. Der Adjunkt Mappes schlägt vor, den Namen „Ausserordentliche Mitglieder“ in „Förderer der Akademie“ zu verwandeln. Der Antrag wird einstimmig angenommen, so dass die Versammlung dem Präsidenten den Vorschlag macht: Man wünscht eine Klasse von Männern, die sich durch Bildung, Ehrenhaftigkeit und Interesse für Naturkunde auszeichnen, der Akademie zu associiren. Dieselben sollen den Titel „Förderer der Akademie“ erhalten, und die Verpflichtung übernehmen, die fortlaufenden Bände der Nova Acta und Bonplandia zu halten. Nachdem das Protokoll von den Herrn Adjunkten unterzeichnet worden, wird die Sitzung geschlossen. Sechstes Verzeichniss der Theilnehmer an der Naturforscherversammlung. 574) Herr Hofrath Dr. Veit aus Kupferzell. 575) „ Prosector Dr. G. Schultz aus Petersburg. 5976) „ Decan Hartmann aus Tuttlingen. 877) „ med. stud. Vörg aus'Giessen. 978) „ Professor Dr. Seitz aus München. Druckfehler. Tagblatt Nro. 5. S. 47. Z. 18 v. o. statt wieder gefährlicher I. minder gefährlich. Anzeigen . Von dem „Neuen Zeitbestimmungs-Werke“ des Reallehrers E ble in Ellwangen können Exemplare eingesehen werden und besorgt Bestellungen darauf j die Riecker’sche Buchdruckerei. Druck von H. Laupp jr. in Tübingen. — SE . 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