THE J. PAUL GETTY MUSEUM LIBRARY

ANNALEN DES VEREINS

FÜR

NASSAÜISCHE ALTERTUMSKUNDE

UND

GESCHICHTSFOESCHUNCt.

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ANNALEN DES VEREINS

FÜR

NASSAÜISCHE ALTERTÜMSKUNDE

UND

GESCHICHTSFORSCHUNG.

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ACHTUNDZWANZIGSTER BAND. 18 9 6.

MIT ZWEI LITHOORAPHIERTEN TAFELN.

WIESBADEN.

VERLAG VON RÜD. BECHTOLD & COMP.

1896.

Inlialts-Verzeichnis

des achtundz w^anzigsten Bandes.

Seite I. Die Herren von Beilstein und Greifenstein. Von Dr. W. Sauer. Mit

einer Stammtafel und einer Siejjeltafel (I) 1

II. Kleine Beiträge zur Genealogie des Hauses Nassau. Von Dr. W. Sauer 53

III. Regierungspräsident Karl von Ibell über die preussische Politik in

den Jahren 1830 und 1831. Von Dr. C. Spielmann 61

IV. Das Schloss zu Heftrich. Von Dr. W. Sauer 96

V. Nassauische Studenten auf Universitäten des Mittelalters. Von Fr. Otto 97

VI. Die "Wiesbadener Theaterfrage im Jeilire 1848. Von Dr. A. Schroeter 155

VII. Römische Münzen aus Wiesbaden und Umgegend im Altertums-Museum

zu Wiesbaden. Von Dr. E. Ritterling . . 181

VIII. Zwei Gesamtfunde römischer Münzen aus Heddemheim im Museum

zu Wiesbaden. Von Dr. F. Qu; Hing 245

IX. Die Pyxis des Wiesbadener Altertums-Museums. Von Otto Donner- ' von Richter. Mit einer Tafel (II) 287

X. Zwei Eberbacher Inschriften. Von Fr. Otto 296

XI. Das Recht des Bannes Maxsain, saec. XIII. Von Dr. W. Sauer . . . 299

XII. Zur Gefässkunde der vorrömischen, römischen und fränkischen Zeit in

den Rheinlanden. Von Dr. Adalbert Schroeter 301

XIII. Nachträge zu der Abhandlung: .,Die Herren von Beilstein und Greifenstein'',

S. 1 ff. Von Dr. W. Sauer 303

XIV. Vereins-Nachrichten.

Jahresbericht des Sekretärs (vom 1. April 1895 bis zum 31. März 1896) . . 305.

Darin Vorträge innerhalb des Gesamtvereins:

1. Vortrag. Florschütz: Bericht über die Generalversammlung der deutschen Altertumsvereine in Konstanz, S. 309; Ritterling: Hügel- gräber von Langenhain, S. 310. 2. Vortrag. Pallat: Die im Altertums-Museura befindlichen griechischen und italischen Thongefässe, S. 312. 3. Vortrag. Ruppel: Vorgeschichte der "Indogermanen, S. 313. 4. Vortrag. Schroeter: Die Wiesbadener Theaterfrage im Jahre 1848, S. 315. S.Vortrag. Lohr: Römische Bewaffnung, S. 316. 6. Vortrag. Tallat: Aufnahme der Reliefs der Marc-Aurcl- Säule, S. 317; Otto: Eberbacher Inschriften, S. 319. 7. Vortrag. Fischbach: Lorelei- und Loren- Mythen und Sagen, S. 319. 8. Vor- trag. Stern: Totenkultus der Egypter, S. 321. 9. Vortrag, l'allat: Auffindung des homerischen Troja, S. 322.

VI

Seite Vorträge der Historischen Sektion:

I.Vortrag. Meinardua: Die von Lehmann in Göttingen aufgestellte und begründete Auffassung vom Ursprung des Tjähr. Kriegs, S. 323. 2. Vortrag. Panzer: Über den Schmalkaldischen Krieg im Jahre 1546,8.324. S.Vortrag. Grimm: Geschichte und Bedeutung des Benediktinerklosters Bleidenstatt, S. 325. 4. Vortrag. Sauer: Adel in den Herrschaften Wiesbaden und Idstein, S. 326. 5. Vor- trag. Kolb: Geschichte des Herzogl. Xassauischen Offizierkorps (18U3 bis 1S66), S. 330. 6. Vortrag. Otto: Besuch der Universität Bologna durch Scholaren aus dem Gebiete des vormaligen Herzogtums Nassau, S. 336. 7. Vortrag. Grimm: Laien-Send, S. 337. 8. Vortrag. Otto: 1. Über verschiedene Persönlichkeiten aus Nassau am Ende des Mittelalters; 2. Bericht des Freiherrn L. v. Low über seinen Besuch bei Goethe, 8. 338. 9, Vortrag. Kolb: Hundert Grabdenkmäler und Epitaphien nassauischer Grafen und Fürsten in Wort und Bild, S. 338. 10. Vortrag. Otto: 1. Gelieimschreiber Karl V. Alexander v. Schweis's aus Herborn; 2. Das Buch des Wilh. Triphyllodacnus; 3. Erklärungen der Namen „Seeroben, Kohlkorb und Leberbcrg"', S. 340. 11. Vortrag. Meinardus: Wallenstein als Landesfürst, S. 341. Jahresbericht des Konservators (vom 1. Januar 1895 bis 31. März 1896) . . 343

Sendungen, die für den Verein bestimmt sind, beliebe man an den Verein, nicht an ein einzelnes Mitglied des Vorstandes zu adressieren.

DRÜCK VON RUD. BKCHTOf-D 4 COMP.. WIKSBADEX.

BLLHüRl CKERKI i UTHOGR. ANSTALT.

Die Herren von Beilstein und Greifenstein.

Von

Dr. W. Sausr^

Küaig'l. Archivrat und Staauarchivar zu Wiesbaden.

Nebst einer Stammtafel und einer Siegeltafel (Tafel I).

Südwestlich vou Dillenburg und Herborn, am rechten Ufer der Dill, im Gebiete des in die Dill mündenden Rehbachs und der in die Lahn gehenden Ulm, dann herübergehend auf das linke Ufer der Dill liegen, ursprünglich ein o-pschlossenes Ganze bildend, die Herrschaften Beilstein und Greifenstein; in ihrem vollen ursprünglichen Bestände waren sie wohl nicht die unbedeutend- sten unseres Heimatlandes. Nicht vollständig ist die Herrschaft Greifenstein später dem Hause Nassau eigen geworden ; ein Teil derselben war dem Hause Solms frühzeitig zugefallen. So liegt von den Hauptorten der Herrschaft, den Burgen Beilstein und Greifenstein, nur erstere innerhalb der Grenzen des vormaligen Herzogtums Nassau, während der nahe benachbarte Greifensteia selbst frühzeitig in den Besitz eines anderen benachbarten Dynastengeschlechts, der Grafen von Solms, gelangte.

Die Nachrichten über das Geschlecht, welches ursprünglich auf jenen Burgen sass und von diesen seine Geschlechtsnamen führte, sind dürftig; das- selbe ist in der Mitte des 13. Jahrhunderts ausgestorben. Durch Vererbung teils in weiblicher Linie gelangte die Herrschaft Greifenstein, von welcher das Haus Nassau damals schon Stücke an sich riss, an die edlen Geschlechter der Vögte von Hachenburg und der von Isenburg-Limburg.

Es soll nicht der Zweck dieser kleinen Untersuchung sein, eine möglichst erschöpfende Geschichte des Hauses Greifenstein und seines Gebiets zu geben. Vielmehr sollen nur die verschiedenen unter sich in verwandtschaftlicher Be- ziehung stehenden Häuser, welche nacheinander durch Vererbung in den Be- sitz von Greifenstein gelangten, ermittelt und innerhalb derselben die einzelnen Glieder bis zum Erlöschen des Hauses, soweit dies nach dem vorhandenen urkundlichen Material noch möglich ist, festgestellt werden. Den Gegenstand der Untersuchung bildet demnach die Geschichte L der alten Herren von Beilstein,

IL der Herren von Greifeustein, und zwar,

1

a) des alten Hauses Greifenstein,

b) des Hauses Hachenburg-Greifenstein mit der Fortsetzung Sayn- Greifenstein,

c) des Hauses Iseuburg-Limburg-Greifenstein.

in. Die Beilagen behandeln einige aus dem Hause hervorgegangene Nebengeschlechter, die Vögte von Hachenburg und die aus dem Stamme der Walpoden von der Neuerburg hervorgegangenen Ge- schlechter.

I. Die alten Herren von Beilstein.

Wie bereits bemerkt, liegt die Burg Beilstein, der Sitz dieses Geschlechts, südwestlich von Dilleuburg, in geringer Entfernung westlich von der Burg Greifenstein.') Dass das Geschlecht, welches sich nach der Burg auf diesem Berge nannte, als dem Ministerialenstande angehörig betrachtet wurde, hat wohl Arnoldi verschuldet; ihm folgte Wenck in dieser ihn irreführenden Angabe. Indessen hat Vogel die dynastische Qualität des Geschlechts er- kannt.^)

Wäre die Überlieferung, dass die Herren von Beilstein zu den edlen Geschlechtern zählten, nicht noch in viel späterer Zeit lebendig gewesen, so würde das Haus Nassau-Ddlenburg im 14. Jahrhundert schwerlich dazu ge- kommen sein, bei Einrichtung der Verwaltung der damals erworbenen, früher jenem Geschlechte gehörigen Ortschaften den Namen in der Herrschaft Beil- stein wieder aufleben zu lassen.

In der Zeugenreihe der Stiftungsurkunde des Klosters Schiffeuberg 1129 erscheint Kraft von Beilstein unter den Edlen als der letzte, hinter Hartrad von Merenberg, ebenso wie in der Zeugenreihe des Vertrags von 1226, Feb- ruar 24 Rudolf von Beilstein nach dem Rheiugrafen und vor dem dem Stande der Edlen angehörigen Petrus de Derne, wodurch er bestimmt als Nobilis er- wiesen wird.^) Diese Feststellung ist von Bedeutung für die Geschichte des Geschlechts.

Über die ältere Geschichte der Herren von Beilstein wissen wir nichts. Namentlich in Bezug auf den Ursprung desselben müssen wir uns auf eine Vermutung beschränken, deren Begründung im folgenden versucht werden soll.

Von dem Geschlecbte der Herren von Beilstein kennen wir

1. Krafto I.

als ältestes, von 1129 1141 nachweisbares Glied, den wir Krafto I. nennen wollen, aus zwei urkundlichen Erwähnungen.

') Über die Burgen vergl. Lotz, Baudenkmäler, S. 22. -') Miscell. S. 208, wo ein in den Jahren l.'iHO 1460 auftretendes Ministeriulengeschleclit nachgewiesen; dieses Geschlecht führte einen Kranich im Wappen. Wenck, Hess. Landesgeschichte III, 2S8, 2S9; Vogel, Beschreibung S. 727, Hingegen sieht wieder Conriidy, Annal. XXVI, S. 12:J Note 4; 127 Note :{ das Uesclilecht als dem niederen Adel angehürig an. •'; Schannat, Hist. Worniat. II, 106; Oudenus III, 1U47.

Als Zeuge erscheint derselbe in der Stiftungsurkuude des Klosters Scliiffen- berg 1129 und ebouso 1141 bei einer Schenkung für dasselbe Kloster.*) In ersterer l'rkiinde steht er unter den Edlen. Weiteres über ihn ist nicht bekannt.

2. Krafto IL, 1195—1229

ist Bürge des Grafen Walram von Nassau in dessen Vertrage mit dem Bistum Worms vom 6. Xoveniber llOö.^) Wir künneu ihn ebenso wie Krafto I. als zu dem Stande der Nobiles zugehörig betrachten; es liegt kein Grund vor ihn mit Conrady") für uiederadelig und als Burgmann zu Nassau anzusehen.

Aus einer undatierten Aufzeichnung erfahren wir, dass dieser Krafto mit seiner Tochter Irmengard dem neugegründeten Kloster Beselich eine Kornrente aus seinem Gute in Wilre, Oberweier bei Iladamar, geschenkt hatte, die er später mit der gleichen Prästation aus einem Gute zu Yinstere, Finstern- Eschenau bei Runkel, welches ihm Yulpert von Amelberg verpfändet hatte, vertauschte.')

Das Geschlecht war somit auch bei Hadamar und Runkel begütert.

Krafto n. machte die Schenkung an das Kloster cum Jilia siia Innen- r/arfh", es lässt sich vermuten, dass diese Schenkung die Aussteuer der Irm- gard bei ihrem Eintritte in das Kloster war. Wann diese Schenkung bezw. der Umtausch derselben erfolgte, lässt sich nicht feststellen ; vermutlich gegen Ende des Lebens Krafto 11. Dieser wird urkundlich zuletzt 1229 erwähnt als Zeuge in dem Erbvergleiche der Grafen Hermann und Philipp von Virneburg; hier folgt er in der Reihenfolge der Zeugen auf die Grafen von Solms.*)

Gegen 1230 mag Krafto U. gestorben sein, von ihm und seiner Tochter, sowie von Sühnen desselben ist weiter nichts bekannt; wir können annehmen, dass dieser Zweig des Geschlechts mit ihm erlosch,

3. Krafto IIL, 1234.

Fraglich bleibt es, ob wir einen ungenannten Ritter Krafto, der im Jahre 1234 im Begriffe, terram sancfam visltare, dem Kloster Seligenstatt eine Mühle bei W^iliuowe, Altweilnau, schenkt'), als Krafto III. dem Geschlechte zuzählen können, wenn auch manches hierfür zu sprechen scheint. Beziehungen zum Kloster Seligenstatt unterhielten später noch die Herren von Greifenstein, welche wir als Stammesgenossen und Erben des alten Hauses Beilstein anzusehen haben.

Gehörte dieser miles Krafto dem Geschlechte Beilstein an, so ist er doch nicht als ein und dieselbe Person mit Krafto II. zu betrachten.

*) Oudenus III, 1047, 1051. ^) Schannat, Ilist. Worraat. Urk. Xo. 9.-), S. 88; Kremer, Orig. Nass. 11, 209; Schliephake I, 468 mit falscher Datumsauflösung Novem- ber 13; Boo3, Urkundeiibuch von Worms I, No. 96; vergl. Conrady, Annal. XXVI, 123. ") Oonrady, Annal. XXVI, 123 Note 4; 127 Note 3. ') Ungedruckte Urkunde, vergl. Vogel, S. 753, 794. *) Günther, Cod. dipl. II, Xo. 69; Mittelrh. Urk.-Buch II, No. 382; Mittclrh. Rogg. II, No. lOlO. «) Ungodruckte Urkunde, vergl. Vogel S. S34.

i*

Krafto ni. nennt in der eben angezogenen Urkunde von 1234 den von Cranixperc seinen avunculus; dies kann rücksichtlich des Alters auf Krafto 11, nicht mehr bezogen werden.

Weitere Nachrichten über diesen Krafto sind nicht bekannt; er wird jen- seits des Meeres das Geschick so manches seiner Standesgenossen geteilt haben.

4. Rudolf, 1226,

ist der letzte, der uns mit dem Xamen von Beilstein begegnet.

Über seine Abstammung ist nichts bekannt. Ihn als Sohn Krafto IT. anzusehen, ist bedenklich, da wir urkundlich nur dessen Tochter Irmgard kennen. Es kann daher vermutet werden, dass er der Sohn eines unbekannten Bruders Krafto IL und vielleicht Bruder des eben besprochenen Krafto III. war.

Urkundlich genannt wird er einmal, als Bürge in dem Vertrage des Bischofs Heinrich von Worms mit Ilartrad von Merenberg vom 24. Februar 1226 wegen des pagus Nentherode, in welchem sein Stammsitz Beilstein lag; Hartrad von Merenberg wurde durch diesen Vertrag Lehnsmann des Bischofs wegen jenes Teiles der Burg zu Merenberg quam a Budolfo de Bilstein olini conqxi rare rat J°) Rudolf von Beilstein war somit in früheren Jahren Mit- herr auf der Burg Merenberg gewesen, deren alleiniger Herr Ilartrad von Merenberg durch Ankauf des Besitzes jenes wurde. Vermutlich wird bei Ge- legenheit des vor 1226 erfolgten Verkaufes dieses Ganerbenteils alles, was Rudolf sonst an Gütern und Rechten in der Herrschaft Merenberg besass, an Ilartrad übergegangen sein.

Mit dem Vorgesagten erschöpft sich, was wir an sicheren Nachrichten über das Geschlecht von Beilstein haben. Alle weiteren Fragen, namentlich aber die nich dem Ursprünge dos Geschlechts, können nur durch Vermutungen beantwortet werden. Bezüglich des Ursprungs des Geschlechts soll eine solche Vermutung im nachfolgenden aufgestellt werden, wenn auch im allgemeinen das Bedenkliche eines Versuchs, dunkle genealogische Fragen auf einem solchen Wege zu lösen, nicht verkannt werden soll, Jedeuftills aber soll dieser Ver- such nicht weiter gehen, wie die als unzweifelhaft sicher erkannten Verhältnisse es gestatten. Die älteren Genealogen, welche sich mit der Abstammung der edlen Geschlechter im Niederlahugau beschäftigten, sind samt und sonders durch die irreleitende Absicht, diese Geschlechter um jeden Preis in die Geschlechts- tafel des edlen salischen Grafenhauses einzufügen, weit über die Grenzen des Erlaubten geführt worden. Besser ist es, wir begnügen uns mit dem wenigen, was wir sicher wissen.

Es ist zunächst zu beachten, dass das Geschlecht nicht, wie angenommen

wurde, dem nieileren Adel angehört, sondern vielmehr dem Stande der Edlen.

Der Besitz desselben, für den wir auch den Namen Herrschaft Beilstein

einführen wollen, lag in jenem östlichen Teile des Niederlahngaues, der 993

bis 1008 unter einem Grafen Gerlach stand.") Der Hauptort dieses Teils des

"') Sohannat, Hist. Worm.it. II, HO. - ") Krenier, Orig. Na.s3. II, 97 ff.; Stumpf, ^0. 12.50, 124.J, 14yO.

XieJerlahugaues war NanthorisroJe, Xeutercd; diese Abteilung des Gaues bil- dete später den Uutergau Nenterode, den Kaienborger Cent, den Nassau später als seine Herrschaft Beilstein organisierte. Durch königliche Schenkung kam Nenterod in den Besitz der Bischöfe von Wornis, welche mit der Vogtei über den Gau die Herren von Merenberg belehnten. Die Hörigen im Kalenberger Cent waren fast sämtlich Eigentum des Bischofs von Worms; was ausserdem an nennenswertem Grundbesitz und Eigentum vorhanden war, gehörte den Herren von Beilsteiu. Diesen Beilsteioer Besitz schied nur der Kalenberger Cent, jener schmale Streifen Wormser Gebiets, der unter der Vogtei der Moren- berger stand, von dem Boden der engeren Herrschaft dieses letzteren Geschlechts, die möglicherweise erst von jenem Wormser Gebiete abgezweigt war.

Sollte die Annahme zu gewagt sein, dass die benachbarten Herren von Beilstein und von Merenberg Zweige eines und desselben Geschlechts waren?

Mit einer solchen Vermutung gehen wir einen Schritt weiter wie der vorsichtige Vogel, der sich auf die Bemerkung beschränkt''), dass „die Herren von Beilstein, welche sich den Dynasten anreihten, mit den von Merenberg in Verbindung standen". Vogel hat mit diesen etwas unbestimmten Worten gewiss nur seine Ansicht, dass beide Geschlechter eines Stammes seien, an- deuten wollen; Gründe hierfür gab er nicht an.

Über den Ursprung der Herren von Merenberg wissen wir nichts, über ihre ältere Geschichte wenig. Um den dunklen Ursprung aufzuklären, haben ältere Genealogen sieh in Hypothesen ergangen, denen jedoch jede urkundliche Grundlage fehlt. Manchen Anklang fand die von Kremer'^) und Wenck ver- tretene Ansicht, dass Hartrad, der Sohn des 1032 genannten Grafen Adelbert und Bruder des Erzbischofs Bardo von Mainz, der Ahnherr des Geschlechts sei, das Kremer seiner Neigung entsprechend auch an das salische Haus an- hängen wollte. Indessen haben Vogel und Stein längst mit Recht betont, dass eine Verbindung dieses Hartrad mit dem ältesten urkundhch feststehenden Merenberg nicht nachweisbar ist.'*) Die Hypothese ist hiermit beseitigt; be- züglich des Ursprungs des Hauses Merenberg kommen wir nicht über Hartrad I., der urkundlich 1129 zuerst bezeugt ist'^), hinaus. Das Jahr 1129 ist dasselbe, in welchem auch der älteste Herr auf dem Beilstein, Kraft, zuerst erwähnt wird.

Grössere Macht und Bedeutung wie die von Beilstein, mit welchen sie gleichzeitig zuerst auftreten, haben die von Merenberg anfänglich nicht gehabt. Ihre kleine Herrschaft war zum grössten Teile Lehen von Diez oder Worms. xVuf die Lage der beiden benachbarten Herrschaften im östlichen Teile des Nicderlahngaues ist bereits hingewiesen.

Ausser diesem können wir in zwei Fällen gemeinschaftlichen Besitz der Herren von Beilstein und Merenberg im Niederlahngau nachweisen. Gemein- schaftlicher Güterbesitz oder gemeinsame Erbfolge in Gütern kann für die hier in Betracht kommende Zeit gewiss nicht den unzweifelhaften Beweis für die

'"') Begehr. S. 7'J7. '') Kremor, Ori?. \ass. I, ls5; Wenck, Hess. Lamlcsgeschichte III, 278. "i Vogel, Beschr. 247; Stein, König Konrad S. 320; vergl. Drau dt, Forsch- ungen zur deutschen Gesch. XXIII, 401. '•) Gudenus III, 104.3,

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gemeinsame Abstammung von Geschlechtern erbringen, giebt aber immerhin einen höchst beachtenswerten Fingerzeig. Die beiden Fälle, welche hier in Betracht kommen, erscheinen besonders als solche, welche die Vermutung der Stammesgleichheit der Beilsteiner und Merenberger hinlänglich wahrscheinlich machen können.

Zunächst sassen die Beilstein auf dem Schlosse Mereuberg selbst in Gan- erbschaft mit den Merenberg. Rudolf von Beilstein verkaufte seinen Anteil an dem Schlosse Merenberg vor 1226 au Hartrad IV. von Merenberg.") Wie dieses semeinschaftliche Besitzvorhältnis sich bildete, vermögen wir mit Be- stimmtheit nicht aufzuklären; die Annahme der Stammesgemeinschaft dürfte die einfachste Lösung abgeben.

Nachfolger des alten Hauses Beilstein, oder, wie sich im folgenden ergeben wird, richtiger des Hauses Beilstein-Greifenstein, die Herren von Hachenburg- Greifenstein, finden wir noch in späterer Zeit in überraschender Weise im Mit- besitz Merenbergischen Stammgutes. Durch Urkunde vom 29. Januar 1267 verzichten Kraft IV. von Greifeustein und Hartrad V. von Merenberg zusammen auf das ihnen vermeintlich zustehende Recht an dem Besthaupt von den Hörigen des Stifts Wetzlar.") Auch in diesem Falle würde sich das Rechtsverhältnis durch Annahme der gemeinsamen Abstammung beider im Besitz befindlichen Geschlechter am einfachsten erklären.

Eine Seiteulinie des Hauses Beilstein-Greifenstein sind die Dynasten von Lichtenstein.'-) Beide Geschlechter, die Merenberg und Lichtenstein, führten dieselben Namen ; bei beiden Häusern kommen die Namen Konrad und Witte- kind wiederholt vor.

Eine weitere Stütze für die vermutete gemeinsame Abstammung der Häuser Beilstein und Merenberg würde die Gleichheit der Wappen beider geben können. Es ist schon vorhin die noch weiter zu erörternde Vermutung aus- gesprochen, dass das Haus Beilstein und das alte Haus Greifenstein dieselben sind; das Wappen des letzteren Geschlechts kennen wir, es ist dasselbe, wel- ches die von diesem Geschlechte abgezweigten Herren von Lichtenstein führten. EndUch ist dieses Wappen auf den seit 1255 auftretenden Kraft IV. von Greifenstein, aus dem Geschlechte der Herren von Hachenburg-Greifenstein, mit der Erbfolge in die Besitzungen des älteren Hauses übergegangen. Dieser Krafto IV. Vogt ;von Hacheuburg, welcher seit 1255 auf dem Greifenstein sass, hat das Hachenburger Stammwappen, die drei schiägrechts gestellten Rauten, aufgegeben und führt von da ab den alten Greifensteiner Schild wie die benach- barten Dvnasten von Lichtenstein.

Hinsichtlich der Erklärung des von den Greifenstein und Lichtenstein im Siegel geführten Wappenbildes gehen die Meinungen auseinander.

Das älteste uns erhaltene Siegel, ein Wappensiegel des Rudolf von Greifenstein, hängt an der im Original vorliegenden Urkunde des Genannten

'«) Schannat, Ilist. Wormat. U, 116; Wenck IIF, 2SS. - >V. Gu-lcnua V, 46; Mictelrh. Regg. III, 2239. - '") Vergl. über dieselben Vo-el, Ö. 2Jl.

vom Juli 1255.") Das Siegel ist abgebildet (anscheinend nach demselben IIolz- stock) bei Schaum, Gesch. von Solnis, Taf. IV, Xo. 23; Graf Solms, Geschichte des Hauses Soltns, Taf. I, Fig. 2; im „Herold" 1873, No. 3, wo Seyler das- selbe bespricht, ohne zu einer sicheren Deutung des Bildes zu gelangen, endlich auf dem Titelblatt von Himmelreichs Greifensteiner Chronik und hier Taf. I, No. 1. Hiernach ist auch wohl das bei v. Goeckingk, Taf 6 an zweiter Stelle gegebene Greifensteiuer Siegel gezeichnet. Auf den ersten Blick zeigt das Siegel vier von Kerblinien eingefas^te, mit den Spitzen so gegeneinander gestellte Blätter, dass der freie Raum des Schildes ein Kreuz bildet. Dies Bild hat verschiedene Deutungen gefunden.'") Ledebur erklärte die Blätter für ausgezahnte Windmühlenflügel. Seyler, der neben der berichtigten und ergänzten Abbildung des Siegels einen Abguss benutzen konnte, giebt zu, dass die Zeichnung die Meinung begründe, der Siegelstecher sei beauftragt gewesen, Blätter zu stechen. Hingegen zeige der Abguss mehrfache Fehler und Ab- weichungen des Zeichners. „Auf dem Original fehlt die gerippte Schattierung der Blätter, hier sind die Distanzen der Blätter regelmässig abgemessen, sie treten plastisch hervor und zeigen das Kreuz vertieft, dessen Arme ganz sym- metrisch gebildet sind. Ausserdem hat der Zeichner für den Holzstock die Beschädigungen des Originals am Rande und in der Umschrift ergänzt." Dass dieser Holzstock schon für das Buch von Schaum benutzt ist, sah Seyler nicht. Hiernach scheint Seyler, auch wenn er sich nicht bestimmt äussert, als das Wappenbild ein Kreuz mit gezackten Rändern anzusehen. Die Mit- teilungen über das Siegel bei v. Goeckingk (v. Grass), S. 6 sind nicht ganz genau; hier wird es unentschieden gelassen, ob der Schild „Beschläge" oder ein Kreuz aufweist. Endlich mag noch die Meinung von Gudenus angeführt werden, der ein Reitersiegel Krafts von Greifenstein an der Urkunde von 1283, sowie ein gleiches des Widekind von Lichtenstein-'), welches letztere auch mehrfach") abgebildet ist, beschreibt; in ersterem Falle ist das Wappenbild ^cnix composita ex 4 foliis denticulatis"- ^ im zweiten Falle „4 foUa denficulata posita ad modum

crucis"" .

Der Lösung der schwierigen Frage kommen wir wohl am nächsten, wenn wir der Ansicht von Seyler beitreten und das Wappenbild als ein etwas schräg gestelltes Kreuz mit gekerbten Rändern betrachten. Bei dem von v. Goeckingk Taf 10 abgebildeten Lichtensteiner Wappen glaubt man mit voller Deutlichkeit einen Schrägen als Wappenbild zu sehen. Wir können hierfür auch die Wappen der niederadeligen Geschlechter Mudersbach und Steinbach anführen, von denen ersteres vielleicht dem Hause Greifenstein entstammt. Beide führen einen an den Rändern gekerbten Schrägen.'') Haben wir vorhin auf Grund gemeinschaftlichen Besitzes die Herren von Merenberg und Beilstein-Greifenstein als eines Stammes angesehen, so können wir unter vorstehender Annahme be- züglich des Greifensteiner Wappens auch die Wappen beider Geschlechter als

^''i Gudenus II, 122; Mittelrh. Urk.-Buch III, Xo. 1305; vergl. Reinhard, Kl. Aus- führun;,'en XIII, 328. -' j Vgl. Seyler im , Herold- a. a. O. ^') Gudenus IT, 230, 253. - ") Schaum, Taf. IV, Xo. 24; Graf Solms, Taf. I, Fig. 3; .,IIerold'' 1873, Xo. 3. ") Bei V. Goeckingk sind die Schilde beider Geschlechter als achtmal geständert bezeichnet

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kongruent ansehen. Die Herren von Merenberg führten in grünem oder blauen Felde einen Schrägen, entweder allein und dies wohl ursprünglich oder später begleitet in jedem Winkel von je einem Kreuzchen oder von je drei Kreuzchen oder von je einer vierblätterigen Blüte oder in einem mit stehenden oder liegenden Kreuzchen bestreuten Felde.

Die einfache Grundform dieses Wappens ist vermutlich ein schräg gestelltes Kreuz gewesen, von welchem wir in den Wappen der Merenberg und Greifen- stein zwei Ableitungen haben, deren von der ursprünglichen Form abweichende Gestaltungen die Linien scheiden sollen. Durch Annahme dieser Vermutung ge- winnen wir für den zwischen Lahn und Dill belegenen Teil des Niederlahngaues ein Dynastengeschlecht, welches sich zunächst in die Aste Beilstein und Meren- berg verzweigte. Vielleicht können wir in der Vermutung noch weiter gehen und diesem Stamm als weiteren Ast ein drittes, benachbartes Dynastengeschlecht angliedern, die etwa seit 1158 nachweisbaren Herren von Runkel. Dies Ge- schlecht führte gleichfalls ein Kreuz im Schilde, allerdings ein aufrechtstehendes, dies vielleicht zur Andeutung der Scheidung. Zur Unterstützung dieser Hypo- these soll nochmals betont werden, dass die Gebiete von Runkel, Merenberg und Beilstein aneinanderstossend das Land zwischen Lahn und Dill einnehmen und sich unstreitig als Teile eines Ganzen darstellen. Weiter könnte auch darauf Gewicht gelegt werden, dass wir die Herren von Runkel und von Greifen- stein im Besitz von Weingütern in ein und derselben Gemarkung von Leudes- dorf' (Kr. Neuwied) finden, Güter, die sich vermutungsweise als ursprünglicher Stammbesitz ansehen lassen. Sifrid H. von Runkel schenkte nach 1200 dem Kloster Seligenstatt Weinberge zu Leudesdorf ■*); auf den Besitz der Herren von Greifenstein daselbst kommen wir im folgenden zurück.

Die Stammesgleichheit dieser Geschlechter mag hiernach als Vermutung ausgesprochen sein; der strikte Beweis ist freilich, wie nochmals betont werden soll, nicht zu erbringen.

Wir kehren zu Rudolf von Beilstein zurück.

Die vorhin angeführte urkundliche Erwähnung desselben im Jahre 1226 ist die einzige, in welcher er unter dem Geschlechtsnamen von Beilstein auf- tritt. Da jedoch in jener Zeit ein völliges und spurloses Verschwinden eines solchen Geschlechts in der Geschichte nicht wohl denkbar ist, wird es erlaubt sein, diesen Rudolf mit dem gleichzeitig auf der Nachbarburg Greifensteiu auftretenden Rudolf zu identifizieren, und dies um so mehr, als mit diesem Rudolf von Greifenstein die sichere Geschlechtsfolge des Hauses Greifenstein beginnt. Vor diesem Rudolf wird in einer Wormser Urkunde von 1160") als Zeuge ein Meribodo von Greifenstein erwähnt, von welchem wir nichts mehr als den Namen wissen und daher zweifeln müssen, ob wir berechtigt sind, ihn dem Geschlecht beizuzählen. Erst mit Rudolf gelangen wir hier auf sicheren Boden.

Stellen wir die Vermutung auf, dass Rudolf von Beilstein sich seit 1226 von dem Schlosse Greifensteiu nannte, so haben wir zur Begründung derselben, soweit eine solche möglich ist, zunächst auf das in jene Zeit fallende Vordringen

") Vogel, Archiv f, ÜO. ") Schaiinat, Hist. Wormat. II, SU; Reinliard, Kl. Au9- fiihrunj,'en XIII, 329; Vo^^el S. 249.

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des IIiuisos Xassau in den Erdehegau und den Kalenbergcr Cent zu verweisen. Graf Heinrich II. von Nassau war es namentlich, der dort die Besitzungen der kleineren Dynasten aufzusaugen suchte. Wenig zwar wissen wir von den Kämpfen, unter denen es dem Grafen Heinrich 11. gelang, hier im Lande zwischen Lahn und Dill festen Fuss zu fassen; es ist nur bekannt, dass diese sich gegen die Herren von Merenberg richteten, die hier der Übermacht der Grafen weichen mussten.'^®) Dass die Nachbarn der Herren von Merenberg, die von Beilstein, die wahrscheinlich zugleich auch deren Stammesgenoasen waren, nicht in diese Kämpfe verwickelt und auch durch die infolge derselben herbeigeführte Änderung der Verhältnisse nicht sollten betroffen worden sein, ist nicht denkbar. Bei dem durchaus zielbewussten und planmässigeu Vorgehen des Grafen Heinrich mussten dessen Stösse sich zuerst gegen die Dynasten von Beilstein richten, deren Land örtlich seine Besitzungen zunächst sperrte. Ebensowenig ist es zweifelhaft, dass diesem Vorgehen der Erfolg nicht fehlte; die an Macht schwächeren Beilsteiner werden ebenso unterlegen sein wie die Merenberg und ihre Niederlage sicher mit dem Verluste von Gebiet gebüsst haben. Schon damals wird es Nassau gelungen sein, festen Fuss im Beilsteiner Gebiet zu fassen und mit der Verdrängung der Herren desselben zu beginnen; schon damals werden die Dynasten von dem nunmehr gefährdeten Beilstein auf den abgelegeneren Greifenstein haben zurück- w'eichen müssen. Dass es den Grafen von Nassau, später der Linie Nassau- Dillenburg gelang, die gegen Beilstein, dann gegen Greifenstein, sowie auch deren Nebenlinien, die Herren von Lichtenstein gerichteten Pläne zur Ausführung zu bringen, wissen wir aus der Geschichte dieses Geschlechts; wir kommen hierauf zurück. Nassau-Dillenburg hat nicht geruht, bis es das Geschlecht auf dem Greifenstein vernichtet und dessen Gebiet an sich gerissen hatte, soweit nicht dem Nachbarhause Solms ein Anteil an der Beute überlassen werden musste. Auf Einzelnes soll hier nicht eingegangen und nur auf die bezeichnende Art der Erwerbung von Driedorf, welches die Greifenstein und Lichtenstein gemeinschaftlich besassen, hingewiesen werden.'^) Endlich können wir es als möglich betrachten, dass auch die kirchlichen Wirren, welche damals in jenem Landesteile zwischen Lahn und Dill durch Konrad von Marburg (f 1233) her- vorgerufen wurden, und in welche besonders der dortige Adel verwickelt war, ein Faktor gewesen sein können, der nachteilige Veränderungen für das bis dahin auf dem Beilstein sesshafte Geschlecht zur Folge hatte. Doch auch diese Annahme ist lediglich Vermutung.

II. Die Herren von Greifenstein.

a) Altes Haus Greifenstein.

Da wir nach dem Gesagten das ältere Haus Greifenstein als dasselbe mit dem Hause Beilstein und als dessen Fortsetzung ansehen, fahren wir in der Zusammenstellung der Lebensnachrichten über den uns bereits bekaunt ge-

^) Vergl. Vogel S. 309; Schliephake I, 443. ■•) Vogel S. 720.

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wordenen Rudolf von Beilstein, der fortab als Herr von Greifenstein auf- tritt, fort. Rudolf, der zuerst 1226 als Herr von Greifenstein genannt wurde, kommt urkundlich bis zum Ende des Jahres 1255 vor. Als Rudolfus de Grifen- stein erscheint er etwa 1227 in dem im 14. Jahrhundert geschriebenen Berichte über die Gründung des Klosters Marienstatt'^), die nicht richtige Namensform Ludolfus statt Rudolfus in diesem nicht gleichzeitigen Berichte kann keine Bedenken erregen. Rudolf soll 1237 zugleich mit dem Grafen Heinrich von Solms der Stadt Wetzlar in der Fehde, welche die Herren von Bicken auf Antrieb des Erzbischofs Sifrid H. von Mainz gegen dieselbe führten, beigestanden haben. Die Angabe ist den handschriftlichen Arbeiten des grätlich Solmsischen Rent- meisters Joh, Hayl zu Braunfels entnommen; dieselbe soll urkundlichen Quellen ent- stammen.-') Die Richtigkeit der Angabe muss dahingestellt bleiben. Im Juli 1255 schenkte er sein Gut zu Niederhusen dem Kloster Altenburg,^") Nach der Urkunde erfolgte die Schenkung ^consensu nnirersorum heredum meornm'^ , woraus wir abnehmen können, dass Rudolf keine direkten Leibeserben hatte und dass, wenn er überhaupt vermählt war, seine Gattin damals nicht mehr am Leben war. Wir irren nicht, wenn wir Rudolfs Verwandte und Erben unter den Zeugen der Urkunde suchen, nämlich Krafto, des Ausstellers Neffen, Johann den älteren von Dernbach, Ludwig von Mudersbach und den miles Eibelo. Endlich wird Rudolf selbst hier nobilis und senior de Grifeustein genannt, letzteres wohl in Rücksicht auf seinen als Mitherren und Erben auftretenden Neffen Krafto.

Über das an der Urkunde befindliche Siegel Rudolfs ist vorhin ausführ- lich gehandelt.

In einer weiteren, des Tagesdatums entbehrenden Urkunde von 1255 gestattete Rudolfus senior de Grifenstein seinem Lehnsmann, dem villicus Ludwig zu Wetzlar, seine Lehnsgüter zu Wertdorf an die Brüder von Wertdorf zu verkaufen.^') Zeugen des Aktes waren die edlen Herren Werner und Krafto von Lichtenstein, des Ausstellers Blutsverwandte, sowie der miles Eibelo.

Noch einmal, im Dezember 1255, erscheint der nobilis vir Rudolfus de Grifßnstcin als Zeuge''^); weitere Nachrichten über ihn liegen nicht vor. Wir können annehmen, dass er zu Anfang des folgenden Jahres gestorben ist, und zwar, wie schon bemerkt, ohne Kinder oder direkte Leibeserbeu zu hinterlassen.

Yon Brüdern Rudolfs, die ihn überlebten oder direkte Leibeserben hinter- liessen, wissen wir gleichfalls nichts, vielmehr ergeben die Urkunden, dass die Besitzunji-en Rudolfs in weiblicher Linie durch seine Schwester vererbten. Mit

o

ihm ist also das alte Haus Beilstein-Greifenstein erloschen.

-") Mittelrh. Urk.-Buch III, No. 34. -^) Hayl war seit 1567 Rentmeister in Braun- fels; 'lie in Frage stehende Arbeit ist abgedruckt von Kuoch in den .,Xacliricliten von den alten Grafen von Solms", Marburger Beiträge 1749, die ich nicht einsehen konnte. Hayls Angabe wiederholt bei ülmenstein, Gesch. von \Vetzlar I, 11><; Schaum S. 23; Abicht, Kreis Wetzlar I, 145 mit dorn Jahre 1327; Vogel S. 250; Himmelreich, Greifensteincr Chronik. 3") Gu<lenu8 II, 122; Mittelrh. Crk.-Buch III, Xo. 1305; vergl. Reinhard, Kl. Ausfülirungen XIII, 32S. ^i) Gudonus II, 121; Mittelrh. Regg. III, No. 1327; vergl Reinhard, Kl. Au^tführungon XIII, 331. '-) Wyss, Hess. Urk.-Buch I, Xo. 134; Mittelrh. Regg. III, No. 1247.

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Rudolfs Schwester, die jenen überlebte und an deren Kinder nach dem Tüde jener die Herrschaft Greifenstein fiel, war Guda, vermählt mit dem Edel- herrn Rorich Yogt von Ilachenburg.

Das Geschlecht der Yögte von Ilachonburg soll am Schlüsse in einem Exkurse besonders behandelt werden.

Rorich Vogt von Hachenburg war vermutlich der Sohn des Heinrich Vofffc von Westerburs:. Mit seiner Gemahlin Guda erheiratete er die Greifen- Steiner Güter in und bei Ilachenburg, nahm hiernach seinen Namen an und wurde Begründer des Geschlechts der Vögte von Hachenburg.

Die älteste Nachricht über Guda giebt der Bericht über die Gründung des Klosters Marienstatt, nach welchem Guda antiqna advocata soror dominl LndoJphi de Grifenstein den Mönchen ein Oratorium an der grossen Nister an der Stelle baute, wo der Abt Hermann den blühenden Hagedorustrauch fand.") Da der Klosterbau au der grossen Nister im Jahre 1227 von den Mönchen bezogen wurde, mag auch der Bau des Oratoriums in diesem Jahre begonnen sein. Weshalb dieser im 14. Jahrhundert verfasste Bericht die Guda y^antiqua adiocata"- nennt, ist nicht recht ersichtlich; am nächsten liegt die Erklärung, dass sie in dem Jahre, in welchem sie den Cisterziensern diese Schenkung machte, Witwe war, vielleicht auch geworden war. Mit dieser letzteren An- gabe stimmt es sehr gut, wenn Roriciis advocatus de Hachenburg^ der Guda Gemahl, in einer nicht mit Tagesdatum versehenen Urkunde von 1227 zuletzt genannt wird.^*) Wir können dann seinen Todestag nach der Eintragung im Nekro- logiura des Klosters Marienstatt zum 24. Februar: ^ohiit Roricus minor advocatus et Gilda uxor siia. Dedeninf nohis duas ciirias'^ auf den 24. Februar 1228 setzen. Diese Angabe des Nekrologiums ersetzt auch den fehlenden urkund- lichen Beleg für die Ehe zwischen Rorich von Hachenburg und Guda von Greifenstein.

Über Rorich, auf welchen wir in dem Exkurse über die Vögte von Hachenburg zurückkommen, wissen wir ausserordentlich wenig. Er wird als Nobilis bezeichnet und mit dem Beinamen parvus, parvus advocatus in Marien- statter Urkunden von 1215, April 25, 1215, Juni 25 und 1222, Februar 27 genannt."') Nicht genauer kennen wir den weiteren Lebenslauf seiner Gemahlin Guda. Nur eine urkundliche Erwähnung derselben liegt noch vor vom 7. Februar 1270^®) (1260 Kölner Rechnung), von da ab fehlt jede weitere Kunde. Als ihren Todestag kennen wir den 8. September aus der Eintragung im Marienstatter Nekrolog zu diesem Tage: „O^üV Guda quondani advocata de Hachenhurrj que legavit nohis anmiatim amam vini in Ludesdorf ad agoiduni anniversarium eius^ Mit aller Wahrscheinlichkeit können wir also den 8. Sep- tember 1270 als den Todestag der damals gewiss hochbetagten Frau ansehen. Mit ihr erlosch das Geschlecht Beilstein-Greifenstein auch in der weiblichen Descendenz.

33) Mittelrh. Urk.-Buch III, Xo. :34; vorgl. Lotz, Baudenkmäler S. 309. '^') Unje- druckte Urkunde. ^') Ungedruckte Urkunde; Mittclrli. Urk.-Burli III, Xo. '.V-\, 1^1. 3^) Ungedruckte Urkunde.

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Nach dieser Eintragung verfügte Gada zu Gunsten des Klosters über Gefälle und Güter des Geschlechts zu Leudesdorf. Vermutlich sind mit diesen Gütern nicht Stammgüter der Vögte von Hachenburg, sondern solche des Ge- schlechts von Greifenstein gemein*-; dieselben werden uns im folgenden noch öfters begegnen. Schon vorhin ist versucht worden, die Annahme der Stammes- gemeinschaft der Groifenstein und Runkel auch darauf zu stützen, dass wir letztere um 1200 im Besitze von Gütern zu Leudesdcrf finden.

Aus der eben angeführten, noch ungedruekten Urkunde von 1270, Februar 7 lernen wir die an diesem Tage noch lebenden Söhne aus der Ehe Rorichs von Hachenburg und der Guda kennen. Es Urkunden nämlich daselbst domhia Gilda adrocatlssa in Hachenburg et ßUi ipsius Hcnricus advocatus et Crafto dominus de Grißnstein. Söhne beider waren somit:

1. Heinrich Vogt von Hachenburg,

der uns mit seiner Gemahlin Irms-ard urkundlich seit 1244 bekannt ist. Wir kommen auf ihn in dem Exkurse über die Vögte von Hachenburg zurück.

2. Krafto IV. von Greifenstein,

der bereits 1255 seinem kinderlosen Oheim Rudolf von Greifenstein in des- sen Besitzungen gefolgt und dessen Geschlechtsuamen und Wappen ange- nommen hatte. Mit ihm beginnt das jüngere Haus Greifenstein, das Haus Hachen- burg-Greifenstein. Da wir uns mit seinem Leben eingehender zu beschäftigen haben, sollen der Übersicht halber zunächst die weiteren Geschwister dieser Brüder, soweit dies aus den Urkunden möglich, aufgeführt werden. Dass die Brüder Heinrich und Kraft noch mehrere Brüder und Schwestern hatten, ersehen wir zunächst aus einer Eintragung in das Marienstatter Nekrologium, wo es zum 31. Oktober heisst: „Ifein in vigilia Omniuni Sanctorum erit )nenioria Hey- denrici annigeri et Guda coniugum, domini Crajf'tonis de Gnjfenstein eiiisqne fratrum et sororuni et Conradl de Hei/ger et eins fratruni et soformn, de quibua hahenius diniidiani carratam vini in Lndesdorf. Dominus ablas dabit ipso die sex solidos conventiii ad consolacionem.^

Da die für diese Memorie bestimmte Prästation auf Gütern zu Leudes- dorf ruht, können wir nicht zweifeln, dass wir in dieser Eintragung die Greifensteiner Verwandtschaft in der Zeit nach dem, wie sich ergeben wird, etwa 1283 erfolgten Tode Kraftos IV. von Greifenstein zum Teil vor uns haben.

Es werden im Nekrologium genannt :

a) der armiger Heydenrich, vermutlich ein Dernbach, und dessen Frau Guda, über deren verwandtschaftlichen Beziehungen zu den Greifen- steiü eine Vermutung nicht zulässig ist ;

b) Krafto von Greifenstein, als welchen wir nur den hier in Rede stehenden Krafto IV. ansehen können;

c) Konrad von Haiger mit Geschwistern, Über die Art der Ver- wandtschaft Konrads von Ilaiger mit den Greifenstein, für die mehr- fache anderweitige urkundliche Andeutungen vorliegen, lässt sich

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eine sichere Vermutaug nicht begründen. Dass er Schwager Krafts IV. durch eine nicht bekannte Schwester desselben war, scheint ausge- schlossen.

Nach dieser Eintragung hatte Kraft also Brüder und Schwestern, von wel- chen wir bereits Heinrich kennen ; wie viele sonst vorhanden waren, ist nicht zu ermitteln. Urkundlich erscheint ein nicht mit Vornamen genannter frater ad- vocati de Hachenhur(/') 1248, Juni 27; diesen für identisch mit Kraft IV. zu halten, liegt ein zwingender Grund nicht vor.

Aus der Ehe des Rorich und der Guda von Hachenburg müssen dann ausser den genannten Söhnen mehrere Töchter hervorgegangen sein, da die vorhin mitgeteilte Eintragung des Marienstatter Nekrologiums zum 31. Oktober aus- drücklich sorores nennt. Die Ermittelung dieser Schwestern und die Losung der sich hieran knüpfenden genealogischen Fragen bleibt, da nur wenige ur- kundliche Nachrichten vorliegen, immerhin unsicher. Zu diesen Schwestern dürfte zunächst zu rechnen sein Elisabeth de Grifiustein, welche urkundlich 1276 als Kellerin im Kloster Seligenstatt erscheint.'*) Die Einordnung der Elisabeth an dieser Stelle der Stammtafel ist allerdings wegen des von ihr ge- führten Namens Greifenstein nicht unbedenklich, doch ist in der folgenden Ge- neration des Hauses kein Platz für sie, da sie als Kellerin des Klosters (1276) schon bejahrt gewesen sein muss.

Nach dem, wie sich ergeben wird, um 1283 erfolgten Tode Kraftos IV. finden wir, beginnend wiederum mit einem Krafto, als Herren von Greifensteiu ein bis 1408 weiter zu verfolgendes Geschlecht, welches das Wappen der Herren von Isenburg-Limburg, die zwei Querbalken, aber mit einem Turnierkragen als Beizeichen, im Schilde führen. Diese bisher von den Genealogen nicht ermittelte Succession eines jüngeren Zweiges des Hauses Isenburg-Limburg erklären wir am leichtesten aus der Ehe der N., einer Tochter des Rorich und der Guda von Hachenburg, mit einem Gliede dieses Hauses. Weder diese Tochter, noch deren Gemahl ist uns namentlich bekannt; als letzterer darf wohl Ger lach von Isenburg, der einmal im Jahre 1267 urkundlich erscheint, dessen Person aber sonst in Dunkel gehüllt ist, angesehen werden. Diese Annahme würde das Zurücktreten dieses Gerlach aus der Ge- schichte des Hauses Limburg genügend aufklären.

Die nähere Untersuchung dieser Frage mag ihren Platz bei der folgen- den Darlegung der Geschichte der Linie Isenburg-Greifenstein finden. Wir kehren zur Linie Hachenburg -Greifenstein zurück, zunächst zu

Krafto IV. von Hachenburg-Greifenstein (1255 ?). Den Beweis dafür, dass Krafto Sohn des Rorich Vogt von Hachenburg und der Guda von Greifenstein sowie jüngerer Bruder des Heinrich Vogt von Hachenburg war, haben wir schon im vorstehenden, namentlich aus den Urkunden von 1261 und 1270, Februar 7, auf welche wir auch im folgenden zurückkommen, er- bracht. Ebenso ist schon gesagt, dass er seinem kinderlosen Oheim Rudolf

■j Mittelrli. Urk.-Kucli III, No. 9ü4. ^'') Vogel, Arcliiv für Kirelicngeschichte I, 81,

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von GreifeDsteia im Besitze der Herrschaft Greifenstein folgte ; es scheint, dass der alte Rudolf seinem Xetfen und Erben frühzeitig den Mitbesitz von Greifen- stein eingeräumt hat. Der Erbe führte dann statt seines Hachenburger Stamm- wappens das Wappen seines Oheims, das Greifensteiner Kreuz.

Krafto IV, wird zuerst genannt im Juli 1253 in der Urkunde seines Oheims Rudolf senior de Gritinstein für Kloster Altenburg als Crafto nejws nieus; er bezeugt hier dessen Schenkung an das Kloster.") Xei^os ist hier nicht in Bedeutung von Enkel, sondern von Geschwisterkind, Schwestersohn zu nehmen.

Es ist dies das letzte urkundlich bekannte Auftreten Rudolfs; derselbe wird, wie wir bereits ausführten, bald darauf ohne Hinterlassung von Erben gestorben und Kraft in der Herrschaft gefolgt sein. Im Oktober 12G0 war er Zeuge iu der Einuug der Stadt Wetzlar.*") Zusammen mit seinem Bruder Heinrich Vogt von Ilachenburg verkaufte er im Januar 1261 dem Kloster Marienstatt Güter.*') Bürge für Siegfried von Wcsterburg in dessen Yer- fleiche mit dem Grafen Heinrich von Diez war er 1263, Juni 17.*^) Am 27. Dezember 1263 besiegelte er eine Urkunde des Ritters Bernard von Dernbach ; das hier erhaltene Bruchstück seines Siegels lässt mit Bestimmtheit erkennen, dass er das Siegel seines Oheims, das Kreuz von Greifeustein führte.") Mit der ausdrücklichen Bezeichnung als dominus und nohilis war er 1266, Januar 30 Zeuge in der Urkunde des Marquard von Lunysbach.**) Am 29. Januar 1267 verzichten er und Hartrad von Merenberg auf ihr vermeintliches Recht auf das Besthaupt der Hörigen des Stifts zu Wetzlar; von der Urkunde ist vorhin bei Erörterung der Frage der Stammesgemeinschaft der Häuser Merenberg und Greifenstein bereits Anwendung gemacht.**) Wie ebenfalls bereits erwähnt, urkundete er 1270, Februar 7 zugleich mit seiner Mutter Guda und seinem Bruder Heinrich Vogt von Hachenburg.'^) Am 13. September 1270 findet er sich unter den Vermittlern der Erbteilung zwischen Siegfried V. von Wester- burg und Heinrich I. von Runkel.'') Als Zeuge in einer Urkunde des Stifts Keppel ist er 1274, Oktober 22 angeführt.*') Ebenso findet er sich in dem Vertrage des Deutschordenshauses zu Sachsenhausen mit Heinrich von Herlis- heim wegen Langgüns 1282, März 6.*') Und endlich erscheint er als Zeuge in der Verzichturkunde der Herren von Haiger auf Byhl im März 1283; auf seinem an die Urkunde gehängten Reitersiegel zeigt der Schild das Greifen- steiner Kreuz.")

Diese Erwähnung Krafts IV. ist die letzte, bald darauf muss er ge- storben sein. Am 27. Oktober 1283 belehnt Graf Ludwig von Ziegenhain den

=•») Gudenus IT, 122; Mittelrh. Urk.-Buch IH, No. l;^ÜÖ. ^'0 Gudenus V, 46; Mittelrh. Regg. III, 1649; vergl. Hess. Archiv III, 2, S. 10. ") Ungedruckte Urkunde. *») Hammersteinsches Urkundenbuch No. 116. ") Ungedruokte Urkunde. '*) Wyas, Hess. Urk.-Buch I, No. 220. - '") Gudenus V, 46; Mittelrli. Regg. III, No. 2239; .Herold'- LH73, No. ;5. *") Ungedruckte Urkunde. '^) Lehmann, Westerburg 21; Schliephake II, 19.3. *") Philippi, Siegener Urk.-Buch No. 4;{. '") Baur, Hess. Urk.-Buch I, 2:i6. *") Gudenus II, 2:50 (cnix compoüta ex 4 foUis denticulatis) ; vergl. „Herold'* ls7:{, No. ■',. Dieses Siegel wurde bereits vorbin besproelien.

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Ritter Rupert von Buches mit Gütern zu Rodinbach , quae nlim hahchat Crnfto de Grißnstcbv''); als Gruud der Erledigung dieses Lehens können wir den Tod des bisherigen luhabers annehmen. Genauer können wir den Todes- tag nicht bestimmen; es kann derselbe mit Wahrscheinlichkeit in den Herbst 1283 gesetzt werden, wenn auch der 31. Oktober, zu welchem die Eintragung Kraftos in das Marieustatter Nekrologium erfolgt ist, nicht gerade als solcher anzu- sehen ist, da ausserdem die Memorien seiner Geschwister und anderer Ver- wandten auf denselben Tag gesetzt sind. Wir haben in dieser Eintragung, die im Wortlaute vorhin mitgeteilt wurde, die KuUektivmemorie der ganzen Anverwandtschaft vor uns.

Eine Gemahlin oder Kinder Kraftos werden in dieser Eintragung nicht erwähnt. Nehmen wir hierzu die weitere Thatsache, dass auch in keiner der von Krafto ausgestellten Urkunden dessen Gemahlin oder Kinder genannt werden, so können wir annehmen, dass er uuvermahlt geblieben und als solcher gestorben ist.

Mithin erlosch mit seinem Tode die von ihm begründete ältere Linie Ilachenburg-Greifenstein.

b) Das Haus Hachenburg-Greifenstein mit der Fortsetzung

Sayn-Greifenstein.

In dem von v. Grass herrührenden Artikel „Greifenstein" bei v. Goeckingk, Nass. Adel, S. 11, heisst es: „Später, zu Anfang des 14. Jahrhunderts, wes- halb ist mir unbekannt, nahmen die Herren von Greifenstein ein anderes Wappen an, nämlich in einem mit Lilien bestreuten Felde drei schrägrechts gestellte Rauten". Das Siegel ist daselbst Taf. 6, No. 9 abgebildet.

Dass dies nicht zu Anfang des 14. Jahrhunderts geschehen ist, auch die Beschreibung des Schildes nicht ganz zutrifft, wird sich gleich zeigen. Hier handelt es sich zunächst um die Klarlegung des von v. Grass nicht ermittel- ten Grundes des von ihm angenommenen Wappenwechsels. Ein eigentlicher Wappenwechsel liegt jedoch in diesem Falle nicht vor; ein solcher erfolgte allerdings, wie wir sahen, als der kinderlose Rudolf von Greifensteiu seinen Neffen Krafto, den Sohn seines Schwagers Rorich von Hachenburg, als Mit- besitzer und Nachfolger auf den Greifenstein nahm. Krafto von Hachenburg , nahm damals mit dem Namen Greifenstein auch den Greifensteiner Schild mit dem gekerbten Kreuz an.

Anders lag die Erbfolge bei dem Tode dieses gleichfalls kinderlosen Krafto IV. von Greifenstein ; hier folgten im Besitz der Herrschaft die nächsten lebenden erbfolgeberechtigten Verwandten und zwar, soweit ersichtlich, ein Vetter und eine Schwester des Verstorbenen. Beide, die letztere mit ihrem Manne, sassen seit dem Tode Krafts IV. in Ganerbschaft auf dem Greifen- steiu und bildeten hier das sich in zwei Stämme teilende Haus Hachenburg- Greifenstein unter Beibehaltung ihrer beiderseitigen Stammwappen.

^') (jrudenua II, 2:54. Die Belehnung wiederholte Graf öotfrid von Ziegenliain 1287, April IS; Uudeuus IV, 900.

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Als die ältere dieser Linien betrachten wir die den Mannesstamm des Geschlechts von Hachenburg weiterführende, die der

Herren von Hacheuburg-Greifenstein,

welcher alle diejenigen Glieder des Geschlechts zuzuzählen sind, welche den Rautenschild führten.

Als ältestes Glied dieses Stammes kennen wir :

1. Kraft 0, aus einer urkundlichen Erwähnung*-) von 1281 mciise Norenibrij in welcher der gleich zu besprechende Gerhard I. als ^olim Craftoms ßlius"' bezeichnet wird. Ob bereits er oder erst nach seinem Tode sein Sohn und dieser gleichfalls noch zu Lebzeiten Kraftos IV. in den Mitbesitz von Greifen- stein gelangte, ist nicht zu ermitteln, doch dürfte die letztere Annahme die wahrscheinlichere sein.

Es folgt dieser Sohn

2. Gerhard L, 1281 ?, tot 1325, der ebenfalls in dieser Urkunde zum erstenmale erwähnt wird ; er vergleicht sich hier zugleich mit den Brüdern Kraft V. und Rorich, deren consanytdtieus er genannt wird, mit dem Stifts- kapitel zu Bonn wegen der Güter im Kirchspiel Kroppach, welche das Stift von dem Hause Greifenstein erhalten hatte.

In diese Zeit wird ein für die Geschichte des Hauses folgenschweres Ereignis, eine angeblich um 1280 erfolgte erste Zerstörung der Burg Greifen- stein gesetzt. Im nachfolgenden, bei der Geschichte Krafts V., soll dieser Vor- gang besprochen und deshalb hier nur bemerkt werden, dass gegen die Richtig- keit dieser Annahme begründete Zweifel bestehen.

Wiederum mit den Vettern Kraft V. und Rorich gab Gerhard I. durch Urkunde von 1287, November 13 die lehnsherrliche Zustimmung zu dem Ver- kaufe eines Gutes zu Streithausen an das Kloster Marienstatt.") An der Ur- kunde hängt das dreieckige Siegel Gerhards, das älteste erhaltene dieser Linie; dasselbe zeigt in einem mit Lilien bestreuten Schilde die drei schrägrechts ge- stellten Rauten.**) Es ist dies dasselbe Wappen, welches sein Vetter Heinrich Vogt von Hachenburg und zweifellos auch sein Vater Kraft führten, obwohl letzteres in Ermangelung eines Abdruckes nicht zu erweisen ist.

Gerhard I, führte somit das Stammwappen der Vögte von Hachenburg. Wenn sein Vetter Heinrich im oberen Teile des durch die Rautenreihe ge- teilten Schildes drei, im unteren zwei, im ganzen also fünf Lilien im Schilde führte, Gerhard I. jedoch im oberen Teile des Schildes vier, im unteren sieben, im ganzen also elf Lilien, so wird diese Vermehrung der Beizeichen wohl nur den Zweck gehabt haben, die Unterscheidung der Linien zu erleichtern.

Gerhard verglich sich 1291 (1290), Januar 25 wiederum gemeinsciiaftlich mit den Vettern Kraft V. und Rorich von Greifenstein mit den Grafen von

^'^) Ungedruckte Urkunde. '''^) Ungedruckte Urkunde, bei Vogel S. 2.50, 693 und hiernach „Herold" 187:{, S. 48 irrig mit dem Jahre 1297. ''*; Abbildung bei v. Goeckingk, Taf. t;, No. 9, sowie hier Tuf. I, No. :{.

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Nassau-Dillenburg wegen Driedorf ; Kraft, mit Rorich, seinem Bruder, der Aus- steller des Vergleichs, bezeichnet hier Gerhard als ^utiser «gJe""); dieser er- scheint in der Reihenfolge als der letzte, da die Vettern Kraft und Rorich, wie wir sehen werden, durch Geburt höheren Rang wie er hatten. Im Jahre 1291 besiegelte Gerhard I. den Revers seines Vetters Rorich, als dieser den Herren von Falkenstein seine Burg Greifenstein - d. h. seinen Teil an der- selben — öffnete.^'') Aus einer Urkunde von 1294, Mai 3 lernen wir seine Gemahlin Agnes kennen; beide überlassen an diesem Tage dem edlen Manne Gerhard von Blaukenheim ihre Güter zu Bewingen (Kr. Dann) und begleichen alle Streitigkeiten mit demselben.") Etwa 1302 führte Agnes zugleich mit dem Edelherrn Johann von Dollendorf Klage gegen den Erzbischof von Köln wegen der Herrschaft Xeuerburg.^') Die Agnes betreffende Stelle der Klage lautet : „Ich Agnes Gerardis wif von Grifensteyn, eyu gerechte erve zu Nurberg, clagen, dat min herre der erchebischcf von Colne mich antweldich inde inervet des huses van Nurberg inde lant inde lüde inde man inde dinstman inde eich- gen inde erve inde alles des zu der herscafh van Nurberg gehört.** Agnes von Greifenstein bezeichnet sich hier als rechtmässige Erbin, was doch wohl als Miterbin zu verstehen ist, der Herrschaft Neuerburg "^), welche damals mit Lucie von Neuerburg, der Erbtochter Friedrichs von der Neuerburg und Covern, an den Edelherrn Johann von Dollendorf übergegangen war. Johann von Dollendorf ist in dem vorstehend bezeichneten Schriftstücke zugleich mit und neben Agnes Kläger gegen den Erzbischof wegen der Herrschaft Neuerburg. Sichere Anhaltspunkte zur Ermittelung der Abstammung der Agnes bieten auch diese Angaben nicht, doch können wir wohl die Vermutung aufstellen, dass sie einer nicht weiter bekannten Linie des Hauses Neuerburg angehörte und als solche neben ihrer Stammesverwandten Lucia, des Johann von Dollen- dorf Frau, als Miterbin der Herrschaft nach dem Tode des letzteren Besitzers, des Friedrich von der Neuerburg, auftrat. Eine weitere Aufklärung der Sache lassen die bisher bekannten Urkunden wohl nicht zu.*")

Aus der Ehe beider ging, wie hier vorweg bemerkt werden soll, ein Sohn, Gerhard, hervor; über ihn folgt das Nähere.

Mit den übrigen Gliedern seines Geschlechts suchte er, wohl gegen die. Dillenburger Grafen, wie wir sehen werden, Rückhalt bei dem Könige Adolf; 1297, Dezember 5 verpflichtete er sich zu Niedeck mit seinem Vetter Krafto, die Burg Greifenstein aus dem kölnischen Lehnsverbande zu lösen und vom König

^^) Reinhard, Kl, Ausführungen XIII, 327; Arnoldi I, 77; Vogel, Annalen I, 2, 2U ff.; Philipp! Xo. 58; „Herold" 1873, No. 36. "") Sauer, Xas8. Urk.-Buch I, Xo. 1132. *^) Original in Koblenz, vergl. Mittelrh. Regg. IV, Xo. 2281. "Weitere mir freundlichst mitgeteilte Urkunden des Staatsarchivs zu Koblenz aus dem Jahre 1307 betreffen Streitigkeiten zwischen den von Dollendorf und Blankenheini, ein weiteres Anzeichen für die verwandtschaft- lichen Beziehungen zwischen Agnes von Greifenstein und Johann von Dollendorf. =*) Klage- schrift Johanns von Dollendorf und der Agnes von Greifenstein, Staatsarchiv Düsseldorf. ^^) Herrschaft Neuerburg, Kr. Bidburg, Eifel; vergl. Eltester bei Simon, Gesch. von Isenburg II, 114. '^"i Auch Fahne, Salm-Reifferseheid I, 2, S. 30, s. v. Dollemlorf, giebt keinen Aufschluss.

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Adolf als (nassauisches) Lehen zu nehraen.*^') Der Lehnsvertrag wurde wegen des bald darauf erfolgten Todes des Königs Adolfs wohl nicht perfekt; wenigstens konnte er nicht verhindern, düss die Burg Greifenstein um 1298 von den Grafen vonNassau-Dilleuburg und Solms gebrochen wurde.") Hierdurch ging der Stamm- sitz des Geschlechts verloren; Gerhard und seine Angehörigen werden fortab ihren Wohnsitz auf einer kleineren, ihnen verbliebenen Burg gewählt haben.

Gerhardus nobilis de Grifenstein, Agnes uxor und beider Sohn Gerhard verzichten 1300, November 11 auf alles Gut, welches der Aussteller Eltern dem Kloster Marienstatt verkauft hatten, mit Ausnahme des Hofes Yvelberg. An der Urkunde hängt wohlerhalten das schon beschriebene Siegel Gerhards L; Agnes und Gerhard der jüngere erklären, kein Siegel zu haben.*^^)

In derselben Zeit, in den Jahren 1300 und 1302, wird Agnes, die Gattin Gerhards L, zugleich mit Kraft V. von Greifenstein in mehreren den Streit des Königs Albrecht und der Grafen von JüUch und von der Mark mit dem Erz- bischofe Wikbold von Köln betreffenden Urkunden genannt.^*)

Gerhard I. begegnet uns erst wieder nach einem längeren Zeiträume. In der mit der Jahreszahl 1316 versehenen, nach Trierer Rechnung von 1317, Januar 22 zu datierenden Urkunde verkaufen Gerhard I. von Greifenstein, Agnes, seine Frau und beider Sohn Gerhard dem Grafen Emicho von Nassau- Dillenburg alles Gut, was sie und ihre Eltern von altersher in Stadt und Kirchspiel Driedorf besessen haben, nämlich ihren Teil an Stadt und Gericht Driedorf, am Kirchspiel, am Zoll und an der Mühle, an den Vogtleuten, dem Yo-J-thafer und den Fastnachtshühnern und alle Gefälle, mit Ausnahme ihrer Mannen und des Mannguts, was diese zu Lehen haben, ferner mit Ausnahme der ihnen ausschliesslich verbliebenen Leute, ihres Zehnten und ihres Sonder- guts, welches sie ausnehmen und behalten wollen, für 250 Mark. Unter den Zeugen finden wir Christian von Seibach und Ludwig von Mudersbach, unter den Mitsieglern Simon von Kempenich und Reynard von Westerburg ohne Zweifel Verwandte der Greifenstein, wenn auch die Art der Verwandtschaft nicht zu ermitteln. Das an der Urkunde hängende, vorhin beschriebene Siegel Gerhards I. ist besonders schön erhalten.'^')

Arnoldi'^'') stützt auf den Umstand, dass Gerhard L nach dem Jahre 1317 nicht mehr erwähnt wird, die Vermutung, dass er um diese Zeit gestorben sei. Sicher ist, dass er im Jahre 1325, als Graf Engelbert von Sayn die Greifen- steiner Lehen erhielt, nicht mehr am Leben war. Der Tag seines Todes ist nach der Eintragung im Nekrologium des Klosters Marienstatt zum 23. Mai: j,ohiit Geranhis de Gri/fenstein q/d henefecit nohls'^ auf diesen Tag zu setzen.

Bezüglich seiner Gemahlin Agnes ist bereits die Vermutung ausgesprochen, dass sie dem Geschlechte der Herren von der Neuerburg angehörte. Das Wonige, welches die Urkunden über sie ergeben, ist im vorstehenden angegeben.

«'; Ficker, Überreste des Reichsarrhivs, No. 24; Schliephake ITT, :{0:{; Mlttelrh. Regg. IV, liCSS. '■■•^) V'ergl. Schliephake a. a. O. '■^j Ungedruckte Urkun<le. "') Diese Urkunden «lud von Lacomblet nicht aufgenoniinen. Gütige Mitteilung de^ Herrn Geheimen Archivrats Dr. lliirlcs«. ''■'•) ArnoLli i, '.»:!; Ahidit, Kreis W.'t/.lar, S. KC; „Herold" lsT:i, S. IS; ohen S. !(!. '•") Arnoidi 1, 2-'0.

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Als Solm Gerhards I. und der Agnes kennen wir Gerhard 11., 1300 bis 1317. Erwähnt wird derselbe zuerst in der vorhin angeführten Urkunde seiner Eltern für Kloster Marienstatt von 1300, November 11. Als Gerhard der jüngere bezeichnet genehmigt er 1317, Januar 22 den von seinen Eltern vor- genommenen Verkauf ihres Teiles von Driedorf an den Grafen Eniicho von Nassau, Wegen Mangels eines Siegels konnte er keine dieser beiden Urkunden besiegeln. Weitere Nachrichten über ihn haben wir nicht; auch er muss 1325, als Graf Engelbert in den Lehen des Geschlechts folgte, verstorben gewesen sein. Mit ihm erlosch diese Linie des Hauses, zugleich also auch das Geschlecht der Vögte von Ilachenburg, im Mannesstarame. Dass die äusseren Verhältnisse dieser Linie der Greifensteiner keine glänzende mehr waren, dürfen wir wohl aus dem auffallenden Umstände abnehmen, dass Urkunden von ihnen kaum vorliegen. Gerhard IL Gemahlin ist nicht bekannt; er hinterliess eine Tochter Agnes, die wir 1325 vermählt mit dem Grafen Engelbert von Sayn finden; der aus der Ehe entsprossene Sohn Johann von Sayn, auf den wir zurück- kommen, scheint das einzige Kind beider gewesen zu sein. Graf Engelbert von Sayn verglich sich am 3. Mai d. J. wegen der Worrasischen Afterlehen mit dem Grafen Johann von Nassau-Dillenburg; Graf Johann belehnte ihn mit Zustimmung seines Bruders Heinrich zu Mannlehen nach Wormser Lehnsrecht mit den Lehen in der Grafschaft Diez und Solms, die der verstorbene edle Mann Gerhard von Greifenstein zu Lehen getragen hatte, nämlich dem Kirchen- satz zu Schupbach, einem Drittel des Zehntens zu Schuwen, einem Viertel des Zehntens zu Holzhausen, der Hälfte des Zehntens und einem Hofe zu Buben- berge, wogegen Engelbert zu Gunsten des Grafen auf die Leute im Kalenberger Cent und in der Herborner Mark verzichtete und Burgmann zu Beilstein wurde; das Wittumsrecht an diesen Lehen wurde Engelberts Gattin, der „enkilu" des vorgenannten Gerhard (L) von Greifenstein, gesichert.") Graf Engelbert und seine Gattin Agnes belehnten 1332 den Romanus von Cramberg mit den Zehnten zu Schupbach und Holzhausen unter Genehmigung des Bischofs von Worms.**) Nachdem Graf Engelbert, der kein guter Wirtschafter gewesen zu sein scheint, im Jahre 1336 verstorben, schritt seine Witwe wann, ist nicht zu ersehen zur zweiten Ehe. Am 26. Juli 1354 erhob Agnes von Greifenstein, des Engelbrecht von Sayn Witwe, unter dem Siegel ihres Gemahls Ailf Protest gegen die Verpfändungen, welche ihr erster Mann ohne ihr Wissen und Willen mit ihrem väterlichen Erbe vorgenommen hatte'*); sie erklärte, nie zugegen gewesen zu sein, als ihr väterliches Erbe verkauft wurde, auch nicht um Rat gefragt zu sein oder ihr Siegel an eine Urkunde gehängt zu haben. Das an- gehängte Siegel dieses zweiten Gemahls Adolf liegt nur in einer Zeichnung

vor; dasselbe zeigt einen Maueranker, Umschrift: S. Ad Oclerhusin;

die Angabe Arnoldis'"), dass er Adolf von Oclerhausen geheissen, stützt sich hierauf. Agnes war 1363 noch am Leben"); weiteres wissen wir von ihr nicht.

") Ungedruckte Urkunde; vergl. Arnoldi I, 223; Philippi Xo. 166. ''') Reck, Isenburg S. 101. "'•') Das Original der ungedruckten Urkunde wird sioh im Königl. Haus- arehiv im Haag befinden. "") Arnoldi, MiscelL, s. v. (J reifenstein, "^ Günther, Cod. dipl. III, Xo. 4;).3.

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Des Grafen Engelbert Sohn, Johann von Sayn-Greifenstein, 1363 bis 1395, der letzte des Geschlechts, ist vorhin schon erwähnt worden. Die Zeit seiner Geburt ist nicht bekannt, wir können dieselbe nur nach dem Todes- jahre seines Vaters Engelbert 1336 ungefähr ansetzen. Johann von Sayn- Greifenstein tritt urkundlich zuerst im Jahre 1363 auf; es werden in diesem Jahre genannt „frauvre Marie von Dollendoif, Stiefmutter des Grafen Salentin von Sayn-Wittgcnstein, frauwe Agnese von Grifensteiu, Johann von Grifensteins müder".'-) Der „Junker von Grifenstein", also Johann von Sayn, belehnte 1383, März 30 Volpracht Liczilkolbe mit dem Zehnten zu Bergheim, wie seine Eltern ihn von des Junkers Vorfahren zu Lehen getragen."^) „Junker Johann von Sayn, den man nennt Grifenstein" verpfändete Heinrich von Grindauwe am 8. Februar 1387 zu Wiesbaden seine Hörigen zu Sayn, Wied und Homburg.'*) Am 6. September 1395 verkaufte er dem Grafen Johann von Nassau-Dillenburg seine Anrechte an Burg und Herrschaft Greifenstein, wozu Bischof Eckhard von Worms am 8. September d. J. seine Genehmigung erteilte."') Mit diesem Akte, der die Rechte des Hauses Xassau-DiDenburg an einem Teile der Herr- schaft Greifenstein abschliessend sicherte, verschwindet dieser letzte Sprosse dieser Linie für uns aus der Geschichte.

Hiermit haben wir die Linie Hachenburg- Greifenstein in der Descendenz Gerhards L bis zu ihrem Aufgehen in das Haus Sayn und ihrem Erlöschen mit dem Grafen Johann von Sayn-Greifenstein gegen das Jahr 1400 verfolgt.

Zur Ergänzung dieser Zusammenstellung sei bemerkt, dass bereits Allmenröder die Aufstellung dieser „Hachenburger Linie", wie er sie nennt, versucht hat'^), doch kennt derselbe nur

a) die Guda, des Rorich Vogt von Hachenburg Gemahlin,

b) die den Verkauf des Guts zu Streithausen betreffende Urkunde, ' welche er nach Vogel mit dem unrichtigen Jahre 1297 statt 1287

anführt,

c) einen Robert von Greifenstein, der jedoch, wie sich ergeben wird, dieser Linie nicht angehörte.

Gegen Ende des 13. Jahrhunderts treffen wir noch vier Glieder des Hauses, von denen eines sich durch sein Siegel als der Linie Hachenburg angehörig erweist. Bei den anderen ist die Zugehörigkeit zu dieser Linie nicht erweisbar, aber auch nicht bestreitbar. Bei der Lage der Sache und nach allen Um- ständen dürfte es aber das Richtige sein, auch diese Greifensteiner dem Hachen- burger Stamme anzuschliessen und überhaupt alle als Geschwister Gerhards I. anzusehen.

Es sind dies

3. Philipp von Greifenstein, 1297 1306, Domkanonikus zu Köln. Derselbe erscheint inl'rkunden des Kölner Domkapitels von 1297, 1299, 1302;

•■2) Günther, Co.l. -lipl. III, No. 4;t.-). ") Un^edruckte Urkunde. "*) Ungedruckte rrki.nde. ") Unf,'edruckte Urkunde; vergl. Arnoldi I, 2-'3; Ileldmann, Zeitschr. des Vorfii.s für Hossisdio (ieacliidite XX, :{To giebt den ö. Septeml.er an. ''■} Im ..Herold" 1S7:J, S. 18.

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aa der Urkiiade von 1290 ist sola Siegel erhalten. Dasselbe zeigt den Ilachen- burger Rautenschild; oberhalb und unterhalb der llautenrcihe je drei Lilien; Umschrift: S. Philippi de Grifensteyn.") Durch dieses Wappen ist seine Zu- gehörigkeit zum Stamme Ilachenburg erwiesen. Am 29. April 1306 war er Zeuge bei der Stiftung des Kullcgiatstifts zu Düsseldorf.'^) Im Xekrolo^'iuni des Kölner Domstifts ist sein Todestag nicht eingetragen.'")

4. Christian von Greifenstein, 1297 1305. Derselbe befand sich in den genannten Jahren im Streite mit dem Stifte S. Simeon zu Trier, dessen Weiuvorräte zu Höningen er raubte. Erzbischof Boemund von Trier schritt deshalb gegen ihn ein.'") Am 2. Dezember 1305 war er Zeuge in der Ehc- beredung zwischen Bruno IV. von Isenburg-Wied und der Gräfin Heilwig von Katzenelnbogen.") Weitere Nachrichten über ihn liegen nicht vor. Seinen Todes- tag verzeichnet das Nekrologium von Marienstatt zum 23. Januar mit der Ein- tragung: Ohiit CrisiiaiiNS nohilis de Gryßnstein qni mxlffnn farorabilis firif nohis. Yon einer Nachkommenschaft Christians ist nichts bekannt.

5. Wigand von Greifenstein, 1299 1328, elfter Abt des Klosters Marienstatt oriundus de Grifensteiu."^) Wann seine Amtsführung begann oder mit seinem Tode endete, ist nicht festzustellen. Als Abt nennen ihn die Urkunden des Klosters von 1299, Juni 28, 1309, 1312, 1317, 1321, 1327, August 2-2, 1328, August 5. Am 6. April 1337 erklären die Ritter Johann und Manegold von Mudersbach, Wigand von Mudersbach, Wigand Kornigel, dessen Bruder Eckart, Eberhard von Haiger und Heinrich, Conrads Sohn die wir wohl als des Abts Geschlechtsgenossen, Verwandte und Erben anzu- sehen haben dass die Güter zu Oberrod, Sunnenbach, Guntersdorf, Dapurch und Herborn Eigentum des Klosters Marienstatt aus der Erbschaft des Abtes Wigand seien.")

Endlich wird

6. Gertrudis de Gryffinstein , 1311, Juli 26 als Nonne zu Yilich genannt.^*)

c) Haus Isenburg-Greifenstein.

Yon diesem etwa um 1408 erloschenen Stamme des Hauses Greifonstein ist im vorstehenden schon kurz die Rede gewesen. Für die älteren Forscher war es in der That schwer, zu der Feststellung dieses Stammes zu gelangen; es ist dies keinem möglich gewesen. Die einzige bis vor kurzem bekannte Ur- kunde, welche sich auf diesen Stamm bezieht, genügte nicht, den Sachverhalt erkennen zu lassen. Es ist dies eine Urkunde von 1340, November 5, durch welche die Brüder Eberhard, Herr zu Liraburg und dessen Bruder Kraft auf

") Vergl. die Abbildung Taf. I, Xo. 4. '"; Lacomblet III, Xo. :{;»; Hammerstein- sches Urk.-Buch Xo. 219. "^j Mitteilung des Herrn Geheimen Archivrats Dr. Harloss. ^") Goerz, Regg. der Trierer Erzbischöfe, S. 60; Mittelrh. Regg. IV, Xo. 2672, 2735; Hammer- steinsches Crk.-Buch Xo. 184. ^M Fischer, Geschlechtsregister, ürk. Xo. 174, S. 206; Simon II, .S3. '-') Marienstatter Relation, Mittelrli. L'rk.-Bu-h HI, Xo. ?A. - " Unge- druckte Urkunden. ^') Lacomblet III, Xo. lO'.i.

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alle Ansprüche, welche sie bisher an die Herrschaft Greifenstein hatten, zu Gunsten von Xassau-Dilleuburg verzichten und dem Grafen dieserhalb gegen ihren Xeffen von Greifenstein dieser wird leider nicht mit Namen genannt beistehen zu wollen erklären.*') Arnoldi. der die ihm des Inhaltes wegen auffallige Urkunde abdruckte, beschränkte sich ohne Erfolg darauf, die Per- sonalien beider Limburger und den Rechtsgrund der von ihnen auf das Greifensteiner Gut erhobenen Ansprüche zu ermitteln. Beides ist ihm nicht gelungen. Die Frage, wie die Brüder Eberhard und Kraft in den Stammbaum des Hauses Isenburg-Limburg einzuordnen sind, die Ar- noldi zunächst erörtert, kann bei der vorliegenden Untersuchung unberücksich- tigt bleiben. Bei Beantwortung der zweiten Frage, auf welchen Grund diese Limburger ihre Rechtsansprüche an Greifenstein gestützt haben können, hilft Arnoldi sich mit der Annahme, diese Ansprüche hätten sich auf das Erbgut ihrer Mutter bezogen; als solche sieht er dann eine Grätin von Diez an, weil die Grafen von Diez in der Herrschaft Greifenstein begütert gewesen seien. Dieser durchaus willkürlichen Hypothese Arnoldis steht kein Beweismittel zur Seite; es wird von Arnoldi auch nicht erläutert, weshalb die Limburger hier ein angebliches Erbgut ihrer Mutter als Eigentum ihres Neffen von Greifen- stein bezeichnen, x^rnoldi hat durch seine Hypothese die Frage nicht gelöst.

Der neueste Forscher Hillebrand'*) ist hier über Arnoldis Ergebnisse nicht hinausgekommen und steht noch auf dessen Standpunkte, aber wie es scheint, widerwillig und nur gezwungen durch Mangel an urkundlichen Nach- richten. Es geniert ihn hier besonders, dass der „wichtigste Teil des Solms- ischen Archivs verbrannt ist." Der scharfsinnige Forscher wäre hier doch wohl auf die richtige Spur gekommen, wenn er die Bemerkung von Seyler über das Siegel Krafts von Greifenstein an einer Urkunde von 1301, Oktober 29 gekannt hätte.*') Freilich hat auch Seyler selbst es unterlassen, hier aus seiner Angabe, dass dieser Kraft nicht mehr den Greifensteiner Schild, sondern zwei Querbalken, bedeckt mit dem Turnierkragen, im Wappen führe, die nahe- liegenden Folgerungen zu ziehen; er beschränkt sich auf die kurze Beschreibung dieses Siegels.

Das von Kraft von Greifenstein geführte Siegel, von welchem eine grössere Zahl von Abdrücken erhalten ist, zeigt in der That das von Seyler angegebene Wappen, zwei Querbalken, von einem fünflatzigen Tur- nierkragen bedeckt; es ist das Wappen des Hauses Isenburg-Lim- burg und zwar, wie der Turnierkragen anzeigt, einer Nebenlinie des- selben.

Hierdurch erhalten wir eine andere und völlig zufriedenstellende Erklärung dafür, dass die Herren von Limburg 1340 den von Greifenstein ihren Neffen nannten.

") Arnoldi, Histor. Denkwürdigkeiten, S. 95; Philippi, Siegener Urk. -Buch Xo. 236, wo der Druck bei Arnoldi nicht verzeichnet ist. **) Hillebrand, Zur Cieschichte der Herrschftft Limburg; Programm des Gymnasiums zu Iladamar ls'.)2 !>.'{, S. 12. ") .jllerold" 1S73, S. 36. Die von Allmenrüder aus dem Wetzlarer Sfadtarchive im Regest zuerst mit- geteilte Crkunde jetzt auch bei Reimer, Hess. Urk.-ßuch II, 2, Xo. 8.

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Die Liuie des Hauses Groifenstoiu, welcher dieser Kraft und die weiteren, noch zu besprechenden Glieder angehörten, stellt sich somit als eine Linie des Hauses Ise uburg-Liraburg dar; die Liuie ist begründet durch •die Ehe eines Isenburg -Lim bürg mit einer dem Namen nach nicht bekannten Tochter des Rorich Vogt von Hachenburg und der Guda von Greifenstein.

Dieser Annahme, dass diese Linie Greifenstein aus dem Hause Iseuburg- Limburg hervorgegangen, widerspricht anscheinend eine in Farben ausgeführte Zeichnung des Wappens der Greifenstein in dem sogenannten Yasallenbuche der Stadt Köln. Die Nachbildung ist nur mit der Bezeichnung „Gritfenstein" versehen, doch kann wohl nur das Wappen Krafts von Greifenstein gemeint sein. Der Schild des Wappens hat zwei rote Querbalken in Silber, als Helm- schmuck zwei silberne Greifenköpfe mit roten Ohren.^') Sind die Farben durch den Wappenmaler richtig angegeben, so müsste Kraft der jüngeren Liuie Isen- burg, der sogenannten Niederisenburger Linie angehören, da die ältere Linie, somit auch das Haus Limburg, zwei schwarze Querbalken führte. Indessen ist die Darstellung nicht als zuverlässig anzusehen, wenn auch für die Zeich- nung des Schildes ein Siegel Krafts im Stadtarchiv als Vorlage gedient haben wird. Das Vasallenbuch gehört frühestens dem 16. Jahrhunderfc an; der Wappenmaler wird damals, dreihundert Jahre nach Krafts Lebenszeit, schwer- lich gewusst haben, welcher Linie des Hauses Isenburg derselbe angehört hat; er wählte bei Kolorierung des Schildes die ihm zufällig bekannten Isenburger Farben und geriet hierbei auf die unrichtigen. Der Helmschmuck ist höchst verdächtig, eine Vorlage für denselben hat der Maler nicht gehabt, sondern ihn zweifellos frei erfunden und mit den durch die Heraldik geforderten Far- ben versehen. Hier ist die Abbildung ein Werk des 16. Jahrhunderts. Nach allem diesem kann die Abbildung uns in unserer Meinung nicht wankend machen.

Kraft V, und Rorich von Isenburg-Greifenstein nennen Gerhard L, das Haupt der Linie Hachenburg-Greifenstein, ihren „cocsanguineus" und „neben"; wir folgern auch hieraus die nahe Stammesverwandtschaft.

Dass ein Isenburg-Limburg als Vater Kraftos anzusehen, scheint nach Lage der Sache zweifellos. Über die Person desselben fehlt jede urkundliche Nachricht, aber nach unserer jetzigen Kenntnis dieses Hauses kaun überhaupt nur einer in Frage kommen, Ger lach, Sohn Gerlach I. und der Grätin Ima- gina von Blieskastel.

Dieser Gerlach von Isenburg ist fast allen älteren Forschern völlig un- bekannt geblieben, erst Hillebrand hat einige wenige Nachrichten über den- selben zusammenstellen können.*') Urkundlich erwähnt wird er in den Jahren 1267 und 1273; in diesen Jahren soll er Lehnsmann des Herzogs (Johann) von Brabant geworden sein.^") Hillebrand bezeichnet es als auffallend, dass

^^) Xach Mitteilungen des Herrn EJ. Rosenkrantz, sowie des .Stadtarchivs Köln. ^') Programm des Gymnasiums zu Iladamar is;»2 93, S. 11, No. 5. '">) Butkens, Tropheeg de Brabant; Urüäner S. 16; Hillebrand a. a. 0.

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er in der Bestimmung seines Vaters Gerlach I. von 1279, Juli 4 über die Yerteiluug des Nachlasses und in dem Vertrage Gerlachs I. mit der Stadt Limburg von 1279, Oktober 17 neben seinen Brüdern Johann und Heinrich nicht genannt wird, sowie auch, dass bei Verleihung der weiblichen Erbfolge' in die Reichslehen durch König Rudolf 1285 dieses Recht nur Gerlach I., dessen Sohn Johann und dessen Descendenz erteilt wird. Für alles dieses sucht Hillebrand die Erklärung durch die Annahme, dass Gerlach vor dem Erlass der ErbordnuDg vom 4. Juli 1279 und zwar kinderlos verstorben war. Erstere Annahme mag richtig sein, der zweiten aber, dass Gerlach kinderlos gestorben sei, brauchen wir nicht beizutreten. Wir linden eine andere Lösung, wenn wir berücksichtigen, dass Gerlach durch seine Erbfolge in der Herrschaft Greifenstein und als Herr von Greifenstein von der unmittelbaren Verbindung mit seinem Stammhause losgelöst war und erbrechrliche Ansprüche an den Besitz desselben doch erst in letzter Linie geltend zu machen hatte. Erwägen wir dies, so sind wir auch wohl nicht gezwungen, seinen Tod vor den Erlass der Erbordnung vom 4. Juli 1279 anzusetzen; der vom Stamme abgeteilte Herr von Greifenstein kam hier nicht mehr in Betracht,

Da wir über dieses Gerlach Gattin, deren Namen wir nicht einmal wissen, ebensowenig unterrichtet sind, bleibt nichts anderes übrig, als diese unter den Schwestern Krafts IV., über die das Marienstatter Nekrologium zum 31. Oktober berichtet"), zu suchen und sie als Tochter des Rorich Vogt von Hachenburg und der Guda von Greifenstein anzusehen.

Da Kraft IV. von Greifenstein keine direkten Erben besass, werden diese beiden. Gerlach von Limburg und Gattin, zugleich mit Gerhard I. von Greifen- stein, dem Vetter Krafts IV. und der Gemahlin dieses Gerlach von Limburg, oder deren Descendenz, mit diesen zur Ganerbschaft und Erbfolge auf Greifen- stein gelangt sein. Als Kinder dieses Gerlach von Limburg und der N. von Hachenburg-Greifenstein kennen wir urkundlich die Brüder Krafto und Rorich von Greifenstein.

1. Kraft V. von Isenburg-Limburg-Greifenstein, 1284 1326. Bevor wir uns der Darstellung des sehr bewegten Lebens dieses Kraft zuwenden, haben wir eines schon vorhin bei Gerhard I. berührten Ereignisses zu gedenken, einer angeblichen, um 1280 angesetzten ersten Zerstörung des Schlosses Greifen- stein, der im Jahre 1298 die zweite endgiltige folgte.

Die um 1280 erfolgte Zerstörung wird von allen Forschern, welche die Geschichte der Greifensteiner behandelt haben, angenommen oder richtiger von dem einen dem andern nachgeschrieben; die Belege hierfür zusammenzu- stellen, können wir uns füglich ersparen. Nur Arnoldi scheint von Zweifeln nicht ganz frei gewesen zu sein; er berichtet zwar das Ereignis, bemerkt jedoch vorsichtig, dass Quellenbelege für die Richtigkeit desselben fehlen.'-) Ich glaube, dass wir hier weiter wie Arnoldi gehen und die Zerstörung des Schlosses 1280 mit ruhigem Gewissen aus der Geschichte der Greifensteincr streichen können. Quelle dieser Erzählung ist lediglich die von Knoch veröffentlichte Solmsische

•") Ver-1. oben S. 12. - ■"') Arnoldi I, 82, 219.

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Genealogie des Sulmsischcn Sekretärs M. Jijhann Ilayl aus Speyer'''); dessea Erzählung ist, wie bemerkt, bis jetzt von Fall zu Fall abgeschrieben worden.")

Selbst Abicht, dessen Buch sonst im gauzen brauchbar ist, findet kein Bedenken darin, dem Johann Hayl nachzuerzählen'^), dass die Grafen Otto von Nassau und Heinrich von Solms 1280 Greifenstein angegriffen und zerstört hätten, weil die Greifensteiner in dem Kampfe der Könige Adolf und Albrecht auf des letzteren Seite getreten seien. Es bedarf hier keiner weiteren Unter- suchung, um zu erkennen, dass Hayl, wenn er aus Versehen das Jahr 12S0 wirk- lich angiebt'"), doch nur das spätere Ereignis meint. Und mit dieser einen, iin Jahre 1293 erfolgten Zerstörung des Schlosses können wir uns fortab begnügen. Zur Unterstützung dieser Ansicht können wir uns ausserdem auf die Limburger Chronik beziehen, die nur eine gegen das Ende des 13. Jahrhunderts erfolgte Zerstörung kennt, wenngleich diese Angabe nicht ausschliesslich beweisend ist.*')

Wir dürfen also annehmen, dass Kraft V. von Greifensteia und seine Geschwister, namentlich sein Bruder Rorioh, nach ihres Vaters Tode in den ungeschmälerten Besitz von Schloss und Herrschaft Greifenstein, den sie mit ihren uns schon bekannten Ganerben teilten, eingetreten sind. Um welches Jahr dies geschah, wissen wir nicht.

Kraft V., dessen Geburt wir vor das Jahr 1260 ansetzen können, begegnet uns zum erstenmale 1284, Februar 5 als Zeuge in einer Urkunde des Klosters Thron."') Am 30. Dezember 1286 ist er Zeuge für Wittekind von Lichtensteiu bei dem Verkaufe von Daubhausen."') Mit seinem Bruder Rorich bürgte er 1287, Januar 28 für Eberhard und Johann von Haiger; er besiegelte die Ur- kunde auch für seinen Bruder."*") Am 13. November d. J. stellte er mit seinem Bruder Rorich und seinem Stamraesvetter die in vorstehendem schon mehrfach besprochene Urkunde'"') für das Kloster Marienstatt aus. Die Urkunde ist die älteste, an der ein Abdruck des Siegels Krafts, leider ein sehr beschädigter, erhalten ist. Das Bruchstück lässt jedoch erkennen, dass der gebrauchte Stempel dreieckig war; von dem Schilde ist soviel erhalten, dass zwei Querbalken deut- lich sichtbar hervortreten; von der Umschrift erhalten: . . . aft e Gr

Dass Kraft von den für den Mittel- und Niederrhein so bedeutsamen Vor- gängen des Jahres 1288 nicht unberührt blieb und namentlich am 5. Juni des Jahres bei Worringen mitfocht, können wir, auch wenn kein Quellenbeleg hier- für vorliegt, unbedenklich annehmen. Ebenso können wir annehmen, dass er mit seinen Burgmännern bei Worringen auf der Seite der Gegner des Erz- bischofs stand; seine Beziehungen zum Grafen Walram von Jülich und später zur Stadt Köln machen dies zweifellos. Am 11. Dezember 1288 war er auf

"') Knoch, Ungedruckte Nachrichten von den alten Grafen von Solms etc., in den Marburger Beiträgen 1749, I, S. 40. Über den Verfasser Joh. Hayl vergl. Ulmenstein, Gesch. von Wetzlar I, 118. ^*) Auch Schliephake ist hier zu nennen. "*~i Kreis Wetz- lar, S. 105. '■'") Hayls Handschrift im Archive zu Braunfels habe ich nicht eingesehen. Eine andere, gleichfalls bedenkliche Angabe Hayls wird unten besprochen. ^') Limburger Chron., edd. Wys8, S. 77. «*) Xass. Urk.-Buch I, Xo. 1022. - '^) Gudenus II, 253. ""') Wyssi Hess. Urk.-Buch I, 469. "") Ungedruckte Urkunde; Vogel S. 693 und Allraenröder, , Herold- 1873, No. 3 fal>ch mit 1297.

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der Burg Zülpich in ca.<fro Tulpntrnsi zugogon, wie Ritter Everhard von Haiger, sein Burgmann zu Greifenstein, den Hof zu Aumenau (bei Runkel) zu Lehen auftrug, er besiegelte die Urkunde."") Am 25. Januar 1290 schloss Kraft V., mit ihm sein Bruder Rorich und Gerhard y,unse (d. h. des Ausstellers Kraft) nehe'^ mit den Grafen Heinrich I. und Emich von Nassau-Dillenburg zu Wetzlar den für die Geschichte seines Hauses so bedeutsamen Vertrag wegen DrieJorf."'^) Der Vertrag kennzeichnet den nicht mehr aufzuhaltenden Zusammen- bruch der Machtstellung des kleinen Dynastengeschlechts; nur mit Mühe konnte es sich durch diesen Vertrag noch Rechte in seinem alten Besitztum sichern, dessen sein mächtigerer Nachbar zur Sicherung seiner Grenzen bedurfte. Aus- steller dieser schon vorhin kurz besprochenen l.'rkunde sind Kraft, sein Sohn Rorich und sein „nebe" Gerhard I. von Hachenburg-Greifenstein; hieraus haben wir schon vorhin entnommen, dass beide, Kraft und Gerhard Blutsverwandte, dass Gerhards Vater und Krafts Mutter eines Stammes waren. Aus dem Inhalte des durch Ludwig von Isenburg und die Städte Frankfurt, Friedberg, Wetzlar und Geluhausen zur Beilegung des bisher wegen Driedorfs geführten Krieges und der Streitigkeiten abgeschlossenen Vertrages heben wir zur Ergänzung des vorhin gegebenen Auszuges folgende Bestimmungen als die wichtigsten heraus:

1. Die Stadt Driedorf, die Mühle und den See dabei sollen beide Teile, Nassau und Greifenstein, fortab gemeinsam besitzen und einen gemeinsamen Vogt setzen,

2. die Grafen von Nassau sollen kein Recht an der Mühle zu Habichsdorf haben, sie sollen die beiden Burgen, welche sie zu Driedorf gebaut, abbrechen und keine von beiden Parteien soll dort furtab gegen die andere eine Burg bauen, 3. ausserhalb der Stadt Driedorf soll der bisherige Rechtszustand bleiben, 4. die bis dahin dort sesshaften Bürger bleiben; Zuzug von Hörigen erfolgt fortab nur mit Zustimmung der Herren, 5. Burgmänner sollen dort nur mit gegenseitiger Zustiranmng gesetzt werden, 6. das Besthaupt in der Stadt er- halten wie bisher die Greifenstein. Burgmänner und Gesinde sollen Niemanden darum beklagen, als vor der beiderseitigen Herrschaft, wenn dies not, 7. die Bürger sollen weder Zoll noch Ungeld geben, 8. wenn der Graf von Nassau oder umgekehrt der von Greifenstein mehr Leute dort hat, wie der andere, so soll gegenseitig ausgewechselt werden, bis jeder zu seinem Halbteil gekommen ist; will ein ausgewechselter Mann zu seinem Herrn wieder abfahren, so mag er es thuen, der Wechsel ist hierdurch annulliert, 9. bei etwaiger Fehde zwischen beiden Häusern soll Driedorf und die Einwohner neutral sein, 10. hat der Graf von Nassau allein Fehde, so darf er sich aus Driedorf wehren und darf herein; wollen die Greifensteiner dem Cregner des Grafen hierbei helfen, so dürfen sie dies nicht aus Driedorf, sondern nur aus ihren anderen Häusern und ebenso umgekehrt, 11. zur Beilegung etwaiger Streitigkeiten soll ein aus vier Rittern bestehendes Schiedsgericht bestellt werden, für welches jede

»"*) Kremer, Akadem. Beiträge, giebt die Urkunde III, 69 irrig mit dem Jahre 1208, welches von Vogel ö. LTjO, 706 übernommen ist; besser Laoombiet 11, N.J2, woselbst das Datum richtig gestellt ist; Mittelrli. Regg. IV, No. 1599. - "^ Über den nocii ungedruoktea Vertrag vorgl. Reinhard, Kl. Ausführungen XIII, :527 ; Arnoldi 1,77; IMiilippi, Siegener Urk.-Buch No. J8.

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Partei zwei wälilt. Den Vertrag besiegelten Graf Ileiniicli von Nassau, Kraft von Greifenstein, Graf Adolf von Nassau und die genannten Städte."')

Dies ist in Kürze der Inhalt des Vertrages. Dass bei Abschluss des- selben auch die Staramesvettern von Lichtenstein von Nassau die Nieder- rcissung der beiden Burgen zu Driedorf gefordert haben, wie Allin enröder'"') sagt, finde ich in dem Vertrage nicht. Im Anschluss au diesen Vertrag be- kunden die Städte Frankfurt, Friedberg und Wetzlar am 20. April 1290 die Loslassungen der beiderseits bei den vorhergehenden Fehden gemachten Ge- fangenen und der Kompensierung der gegenseitigen Braudschatzungen.'"")

Dieser Wetzlarer Vertrag, welcher dem Hause Nassau-Dillenburg unter Garantie mächtiger Herren und namentlich vier mächtiger Reichsstädte Rechte im Greifensteiuer Gebiet gesichert hatte, die alhnählich zur Unterdrückung der alten Herren führen mussten, wird unserem Kraft den Aufenthalt auf dem Greifenstein verleidet haben. Ausserdem mag sein abenteuerlicher, fehde- lustiger Charakter mit dahin gewirkt haben, dass er dem unsicher gewordenen Besitztume, an welches ihn keine Familientraditionen banden, bald den Rücken wandte und in die weite Welt zog, anderwärts sein Glück versuchend. Er wandte sich dem Niederrhein zu, die Verbindung mit dem Grafen von Jülich und der Stadt Köln, auf deren Seite er wohl schon bei Worringen gestanden, erneuernd. Am 29. März 1291 finden wir ihn in der Umgebung des Grafen Walram von Jülich als Zeuge in dem Vertrage desselben mit dem Erzbischofe Siegfrid von Köln.'"') Am 5. November 1292 besiegelte er als Herr des Niko- laus von Rockelingen der Stadt Köln des letzteren Quittung über eine Zahlung für geleistete Kriegsdienste; vielleicht rührt die Forderung noch aus dem Kriege von 1288 her, wo Nikolaus unter dem Kommando Krafts gestanden haben mair. Krafts dreieckiges Siegel ist hier wohl erhalten.'"^) Sein Dienstverhältnis zum Grafen Walram von Jülich wurde ein festes am 8. September 1295, als er dem Grafen gegen eine Summe von 100 Mark seinen Teil des alten Greifen- steiner FamiUenguts zu Leudesdorf census uostros et rineas qni et que pro cero alloälo tcnemus et habemns npiAd L'idistorp iacentes ^iiper ricninn zu Lehen auftrug.'*^') Sehen wir hier Kraft im Dienste des Grafen Walram von Jülich und in ein festes Lehnsverhältnis zu diesem treten, so ist es schwer aufzuklären, weshalb er zwei Jahre später ein Lehnsverhältnis zum Grafen Adolf von Nassau, dem damaligen Könige, dem er zusammen mit Walram von Jülich bei Worringen gegenüber gestanden hatte, einging. In dem zu Niedeck am 5. Dezember 1297 mit dem Könige Adolf abgeschlossenen Vertrage ver-

'"*) Zur Ergänzung der von Philipp! gemachten Angaben fügen wir bei, dass an dem dem Fürsten Hatzfeld gehörigen Exemplare dieser Urkunde die Siegel des Grafen Adolf von Nassau, Ludwigs von Isenburg und dreier Städte hängen, wie das fürstliche Archiv zu Traohen- berg mir mitteilte. Wie dieses Exemplar der Urkunde in das dortige Archiv gelangte, konnte auch dort nicht festgestellt werden. "'^i , Herold'- lb73, S. 36. ""') , Herold" a. a. 0. "") La com biet II, 907. >'^^) Ennen, Quellen III, Xo. 381 mit dem unrichtigen Tage November 6; Mittelrh. Regg. IV, Xo. 2084; Mitteil, aus dem Kölner Stadtarchive II, 4, S. 30, No. .580. "'■') Lacomblet II, Xo. 9.')-i, der im Regest Leudesdorf mit Leubsdorf bei Linz verwechselt; Mittelrh. Regg. IV, 2430,

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pflichteten sich die Vettern Kraft und Gerhard T. von Greifeusteiu, ihre Burg Greifenstein aus dem Lehnsverbandc, in welchem sie zum Erzstifte Köln ^aud, zu lösen und von ihm, d, h. dem Hause Nassau, zu Lehen zu nehmen und die Beurkundung hierüber biunen Jahresfrist beizubringen; unter den Bürgen war Heinrich von Isenburg."°) Schliephake meint, König Adolf habe hier die Absicht gehabt, einen Lehnsmann zur Stärkung seiner persön- lichen Macht zu gewinnen, jeloch sei der Vertrag wegen des bald darauf er- folgten Todes des Königs nicht perfekt geworden.'") Wir können nicht nur dieser Vermutung beitreten, sondern sogar auch annehmen, dass Kraft bei Aus- bruch des Kampfes zwischen König Adolf und x\lbrecht auf die Seite des letzteren gegen ersteren, seinen alten Gegner im Kampfe getreten ist und sicher nicht in dem Kriege, namentlich nicht in der Entscheidungsschlacht bei Göll- heira gefehlt hat, auch wenn wir dies nicht bestimmt erweisen können. Denn König Adolf Hess durch die Wetterauischen Reichsstädte die Burg Greifenstein zerstören. Wir erfahren dies aus dem 1301, Oktober 29 von Kraft den Städten gegebenen Reverse"'), keine Entschädigung für die von ihnen auf Veranlassung des Königs Adolf erfolgte Zerstörung seiner Burg zu fordern. An dieser Zer- störung mögen sich auch die übrigen Grafen von Nassau, sowie die von Solms beteiligt habej. Die Zerstörung selbst können wir hiernach etwa in den Juni 1298 setzen. Auf den Revers von L301 kommen wir zurück.

Diese Darstellung dürfte eher begründet sein, wie die Annahme von Vogel, dass Greifenstein damals wegen der von seinen Herren betriebenen W^egelagerei zerstört worden sei. Vogel glaubt dies daraus schliessen zu können, dass König Wenzel 1389 den Wiederaufbau der Burg deshalb verbot, weil durch sie die dort vorbeiführende Strasse nach Köln gefährdet sei.

Kraft war ebenso wie seine Stammesvettern vom Hachenburger Stamme durch die Zerstörung der Burg Greifenstein seines Stammsitzes beraubt; er kehrte nunmehr und für immer seiner Heimat den Rücken. Im September 1299 finden wir ihn in Köln ; am 5. und 6. September d. J. ist er Zeuge in Verträgen des Grafen Everhard von der Mark und des Grafen Gerhard von Jülich mit ilora Erzbischof Wikbold von Köln."^) Vermutlich hat er sich schon damals dauernd in Köln niedergelassen ; hier besass er, wie später genauer angegeben werden soll, das neugebaute Haus „Schoneweder" an der Glockengasse bei S. Columba; hier heiratete seine Tochter Irmgard den Kölner Patrizier Ritter Heinrich Hildeger Birklin, als dessen Witwe mit drei Söhnen wir sie im Jahre 1309, als sie zur zweiten Ehe mit dem Grafen Dietrich von Limburg schritt, antreffen. Doch Hess Kraft es nicht an Versuchen fehlen, wieder in den Be- sitz des zerstörten Schlosses zu gelangen. Am 20. Januar 1300 belehnte König Albrecht ihn und seine Erben beiderlei Geschlechts mit dem ihm (von Kraft) aufgetragenen Berge Greifenstein in quo qiiinuhtm casfnm/ situm fuerat mit der Bestimmung, dass Kraft und seine Erben in der dort neu zu erbauenden

"") Fioker, Überreste des Reichsaroliivs, No. 24: Mittelrh. Re;,'j,'. II, No. 2688. '") Schliephake HI, :5o:5. "'i ..Heruld" 1«73, S. :}ß; Reimer, Uess. Urk.-Buoh 11, 2, No. 8. "^j Lft com biet 11, No. V)Xi, 10J6; Mittelrh. Ro--. IV, No. 2'.J.U, 2<}33,

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Burg Reiclisburggrafen sein sollten; am 3. Juli 1304 wiederholte der Könio- zu Frankfurt, wohl auf Krafcs persönlich vorgetragene Bitte, diese Belehnuno-."*) Am 14. Oktober 1300 war er Vermittler und Mitsiegler des zu Mainz abge- schlosseneu Teilungsvertrages der Brüder Wilhelm und Diether von Katzen- elnbogen."') In demselben Jahre, am 11. November 1300, ordneten Crafto nohilis (Jominus de Grifensteijn et Tiobertxs ßlhis noster dieser wird hier zum erstenmale genannt ihre Beziehungen zum Kloster Marienstatt; sie leisten ob, wie zu vermuten, gegen Abfindung in barem Gelde, wird nicht gesagt Verzicht auf alles Gut, was sie uud ihre Eltern dem Kloster ver- kauft, mit Ausnahme bestimmter Gefälle aus dem dem Kloster benachbarten Hofe Yvelberg."") An der Urkunde hängt das im ganzen wohlerhaltene Siegel Krafts sein Sohn Robert führte noch keins ; dasselbe ist dreieckisr, 53 mm hoch und zeigt, wie im vorstehenden schon mehrfach angegeben, im Schilde zwei Querbalken, darüber einen fünflatzigen Turnierkragen ; von der Um- schrift ist erhalten: f . . . . llum Craftonis de Grifensthein; wir geben die Ab- bildung dieses Siegels auf Tafel I, No. 5. Dieses mit dem Turnierkragen bedeckte Wappen führt Kraft und seine ganze Descendenz. In dem Vasallen- buche der Stadt Köln ist Krafts Wappen tingiert: Zwei rote Querbalken in silbernem Felde, auf dem Helme zwei zugewendete silberne Greifenköpfe mit roten Ohren. W^ir haben schon vorhin darauf hingewiesen, dass diese Tin- gierung des Wappens durch den, dem 16. Jahrhundert angehörigen Kölner Wappenmaler nicht richtig ist, nach derselben hätte Kraft nicht der Limburger, sondern der Niederisenburger Linie angehört. Jene Tingierung rauss falsch sein und kann uns dieselbe nicht von der Annahme abbringen, dass die Linie des Hauses Greifenstein, der Kraft V. angehörte, dem Hause Isenburg-Limburg entstammte.

Es scheint, dass Kraft sich von dieser Zeit ab meistens in Köln aufge- halten hat. Er war daselbst am 1. Dezember 1300 thätig bei dem Schieds- sprüche in dem Streite zwischen dem Erzbischofe Wikbold und dem Grafen Everhard von der Mark, ebenso wurde er am 15. Dezember Treuhänder des Erzbischofs in derselben Sache.'^') In den folgenden, bis zum Jahre 1302 sich hinziehenden Verhandlungen war er weiter thätig, au mehreren der bezüglichen Urkunden ist sein Siegel erhalten."') In Limburg quittierte er am 4. März 1301 der Stadt Wetzlar über die Zahlung von 150 Mark und 26 Mark und einem Ferto Silber."') Das an dieser Urkunde erhaltene Siegel Krafts beschrieb Seyler nach einem von Allmenröder mitgeteilten Abgüsse; er macht darauf aufmerksam, dass Kraft die zwei Querbalken mit dem Turnierkragen führt, ohne dass er oder ein späterer Forscher den naheliegenden Schluss auf die Abstammung Krafts gezogen hätten.'-") Am 20. März 1301 quittierte er mit dem Grafen Everhard von der Mark und andern über den Empfang einer für

"*) Böhmer, Reg?., Alb. No. 2ö9; Schaum S. 276; .»Herold" 1873, S. 36; Mittelrh. Regg. IV, No. 2982. - "^^ Wenck I, 6, No. 104, S. 69. "»j Ungedruckte Urkunde. "^ Lacomblet II, 106."), 1067; Mittelrh. Regg. [V, No. :{093. "*') Die betreffenden Ur- kunilen sind von Lacomblet nicht verütfentliulit; Mitteilung des Herrn Geh. Arehivrat.s Dr. Harless. "") .,IIerold'' 1873, S. 36. '"-") Ebendaselbst; vergl. oben S. 22.

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den Erzbischof WikbolJ bestimmten Geklsumme.'") Am 27. August 1301 soll König Albreclit dem Grafen von Nassau 30 Mark jährlicher Einkünfte von Kraft von Greifensteiu versetzt haben.'") Sich an den Wetterauischen Reichs- städten Frankfurt, Friedberg, AVetzlar und Gelnhausen wegen der durch diese Städte auf Veranlassung des Königs Adolf erfolgten Zerstörung seiner Burg Greifenstein nicht rächen zu wollen und auf jeden Schadenersatz zu verzichten, gelobte Kraft durch Revers vom 29. Oktober 1301, au welchem des Ausstellers Siegel wohlerhalten ist.'-') Mit dieser Verzichtleistung mag die schon erwähnte nicht unbedeutende Geldzahlung der Stadt Wetzlar an Kraft vom 4. März 1301 in Zusammenhang stehen; ebenso die grösseren Geldzahlungen, welche dieselbe Stadt ihm am 7. und 22. Mai 1302 wiederum zu Limburg machte.''^) Ver- mutlich hat König Albrecht doch bewirkt, dass die Städte ihre That durch eine angemessene Geldentschädigung seines Parteigenossen und Mitkämpfers sühnten. Andererseits aber wies der König unter dem 3. September 1302 den Grafen von Nassau 30 Mark jährlich auf den Edlen Kraft von Greifenstein an; wahrscheinlich hatte König Albrecht die Herrschaft Greifenstein in Besitz ge- nommen und den Betrag auf die Einkünfte aus derselben angewiesen. Den Zusammenhang dieser Verhandlungen können wir aus Mangel an Nachrichten nicht weiter aufklären.'-^) Auf die Entschädigungen, die er empfing, kommen wir zurück. Zu diesen Entschädigungen gehörten wahrscheinlich auch die Reichs- ieheu im Gerichte von Morien, die ihm anscheinend persönlich und auf Lebens- dauer verliehen waren, wie im folgenden erörtert werden soll. Die Beträge, welche Kraft von den Wetterauischeu Städten als Entschädigung für die 1298 erlittenen Verluste in diesem Jahre erhalten hatte, ermöglichten ihm die pfand- weise Erwerbuno; eines Sitzes. Er streckte dem Erzbischofe von Trier einen otfeubar grösseren Geldbetrag vor, für welchen der Erzbischof ihm am 10. August 1302 zu Koblenz die Burggrafschaft Hartenfels nebst gewissen Einkünften zur Bestreitung der laufenden Ausgaben und dem Schultheissenamte zu Leudesdorf wo, wie wir wissen, Stammgüter der Greifenstein lagen verpfändete.'"*) Aus diesem Jahre bleibt noch zu erwähnen, dass Kraft als Vermittler in dem vorhin besprocheneu Streite seiner Verwandten Agnes von Greifenstein mit dem Erzbischofe von Köln wegen der Herrschaft Neuerburg auftrat.'-') Am 7. Mai 1305 wird er in einem Schiedssprüche des Grafen Gerhard von Jülich genannt.''*) Da;3 Kraft von Greifenstein in dieser Zeit darauf verzichtet hat, wieder in den Besitz seines Anteils an der Herrschaft Greifenstein zu gelangen, können wir nicht wohl annehmen. Seine etwaigen Bemühungen in dieser Beziehung müssen aber völlig erfolglos geblieben sein, so dass er, wie wir aus der gleich anzu- führenden Urkunde von 1314, Mai 11 erfahren, es vorzog, den Burgberg zu

•-•'; Lacomblet II, 1047; Ennen, Quellen III, No. 502, Geschichte der Stadt Köln II, 26"). '--) So Allmenröder im .jUerold" 1873, S. 36, angeblich aus dem Dillenburger Archive, welches jedoch diese Urkunde weder enthielt noch entliült. '-^) Regest „Herold" isT.j, S. 36, von Rsimer, Hess. Urk.-Buch II, 2, No. >* übersehen. '-'; ^Herold" lb73, S. 36. '"; .irnoldi I, 82, Illb, 127; Bühmer, Regg. Alberti Xo. 399; Philippi, Siegener rrk.-Hii.h Xo. >^•_^ '-■•) Mitteil, aus dem Kölner Stadtarcliiv II, 4, 46. '-') Mitteil, des ll'.Miii (ioh. .Vrcliivrat Dr. Ilarless. '-"; Ennen, Quellen 111, Nu. ■>-'.>.

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Greifensteia an den König Albrecht also vor 1308, Mai 1 zu verkaufen. Näheres über den Verkauf wissen wir nicht. Da die Geschichte der Herrschaft Greifeustein hier nicht eingehender dargestellt werden soll, mögen folgende kurze Angaben über die Gestaltung der Besitzverhältnisse genügen. Die Herrschaft ging zunächst in den Besitz von Nassau-Dillenburg über; die Grafen Heinrich und Johann wurden 1308, November 7 vom Bischöfe Emmerich von "Worms mit derselben belehnt'-*); wie diese Belehnung mit dem nicht lange vorher durch Kraft von Greifenstein erfolgten Verkaufe des Burgberges in Ein- klano- zu bringen ist, ist nicht ersichtlich. Des Königs Albrecht Erben be- haupteten den Burgberg als ihr Eigentum, verzichteten aber später auf denselben zu Gunsten des Hauses Nassau-Dillenburg, um dessen Beistand zu gewinnen. So überliess Herzog Leopold für den Fall, dass er oder sein Bruder Friedrich zum Könige gewählt würde, 1314, Mai 11, den Dillenburger Grafen den Burg- berg, den König Albrecht von Kraft von Greifenstein gekauft hatte.'^") König Friedrich wiederholte die Verpfändung am 2. April 1315 und am 28. April 1321.'^') So erteilte denn auch Erzbischof Heinrich von Köln den Nassauern am 23. August 1324, also noch zu Krafcs Lebzeiten, die Belehnung.'^-) Die weitere Geschichte der Burg mag hier unberücksichtigt bleiben, wir kehren zu Kraft zurück, um über eine eingreifende Veränderung in seinem bis zum Jahre 1309 in Köln geführten Familienleben zu berichten. Dass Kraft seit einer Reihe von Jahren Beziehungen zu Köln hatte, ist aus dem bisher Gesagten erinnerlich. Er besass in der Stadt Köln ein neugebautes, mit einem Erbzins belastetes Haus, genannt Schoueweder, gelegen „/« termino pontis sire campa- narum, cum area ante et retro, suhtus et siiperius, apiid puteum ruxta äomum dictum Vcdkhihurg versus sanctam Columbam.''^ Das Haus lag demnach in der Glockengasse. "^) Leider war über die Geschichte dieses Hauses nichts weiterea zu ermitteln. Es kann wohl angenommen werden, dass das Haus Eigentum der Kölner Patrizierfamilie Schoneweder war und durch Heirat einer Tochter dieses Geschlechts mit Kraft als Heiratsgut in dessen Besitz kam. Es bleibt eine solche Annahme jedoch lediglich Vermutung, da über die Gattin Krafts, wie wir sehen werden, keine Nachricht vorliegt.

Dieses Haus verkaufte er am 23. März 1309 an den dortigen Bürger "Werner, des Pantaleon von Mühlheira Sohn, und dessen Frau Drude.'"^) Viel- leicht können wir aus diesem Verkaufe entnehmen, dass Krafto damals Köln verlassen hat oder wenigstens verlassen wollte, zumal au dem Tage des Ver- kaufs, dem 23. März, wohl schon feststand, dass seine Tochter Irmgard'^') in- folge ihrer Verheiratung, die am 15. November jenes Jahres stattfand, ihrem Manne folgeu und Köln verlassen würde. Seinem Schwiegersohne und seiner Tochter ist er damals vielleicht auf deren Besitzungen in Westfalen gefolgt.

»-^) Ungedruokte Urkunde. *•''■') Philippi, Siegener Urk.-Buch No. 136. "') Da- selbst No. 139, löl; .,Horold'^ 1873, S. 48. '") Arnoldi I, 86; „Herold" 1873 a. a. 0. '^^) Sohreinsbuch der Stadt Köln ; nach freundlicher Mitteilung des Stadtarchivs daselbst. Auf Grund dieses ]5esitzes führt Fahne, Kölnische Geschlechter F, s. v. Greifenstein, Kraft auf, ohne seine Herkunft aufzuklären. "') Schreinsurkunde, Stadtarchiv Köln. '^^) Fahne, Külnisohe Geschlechter I, s. v. Birklin, nennt dieselbe irrig Iladwig.

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Im Jahre 1313 zog es ihn jedoch wieder an den Rhein; am 30. Juni d. J. erscheint er als Zeuge ia einer Urkunde des Erzbischofs Heinrich 11. von Köln.'^^)

Den letzten Abschnitt des Lebens unseres Kraft füllt seine Thätigkeit im Dienste der Stadt Köln; dieselbe begann am 25. Februar 1314. An diesem Tage wurde Krafc erblicher Edelbürger der Stadt gegen ein Rentlehen von 18 Mark jährlich mit der Yerptiichtung, der Stadt mit zwei Rittern und acht Knappen Kriegsdienste zu leisten."') Das an dieser Urkunde befindliche Siegel ist nicht mehr von dem vorhin beschriebenen dreieckigen Stempel, sondern von einem zweiten, kleineren, kreisrunden Stempel, dessen Abdruck alle weiterhin von ihm für die Stadt ausgestellten Urkunden aufweisen. Die Umschrift lautet: S. Craftouis de Grifenstein.'^') Auf diese Rente bezügliche Urkunden und Quittungen stellte Kraft dem Rate von Köln aus 1314, November 15; 1315, Oktober 20; 1316, November 13; 1317, Oktober 29; 1318, Januar 8; 1319, Dezember 21 (Anweisung derselben auf seinen Verwandten Konrad von Haiger); 1320, Juli 15 und November 5; 1321, September 18; 1324, November 12; 1325, November 29; wenigstens sind diese Urkunden erhalten.'^*) Die letztere Quittung ist von Interesse, da sie die letzte von Kraft vor seinem Tode aus- o-estellte ist. Am 28. Juni 1317 verüflichtete er sich zu Köln zur Beob- achtung des Landfiiedens'""); am 29. Oktober d. J. linden wir ihn bei dem Erzbischofe."") Das folgende Jahr zwang ihn zum Kampfe gegen den fried- brüchigen Fürsten. Als Helfer der Stadt Köln zog er mit seinem Verwandten Konrad von Haiger und acht anderen vor des Erzbischofs Schloss Brühl, von wo aus der Landfriede durch den Erzbischof gebrochen war. Er gehörte hier zu den Geschworenen des Landfriedens, einer mit der Leitung der gegen den Erzbischof zu treffenden Massregeln beauftragten Kommission."')

Am 15. August 1320 finden wir Kraft wieder bei dem Erzbischofe; am 8. November d. J. besiegelte er einen Schiedsspruch, Streitigkeiten Kölner Bürger betreffend."'')

Der Gehaltsquittungcn, welche er in dieser Zeit der Stadt Köln ausstellte, ist vorhin gedacht. Die letzte dieser Quittungen ist von 1325, November 29; die für das erste Halbjahr 1326 fällig gewesene fehlt. Kraft muss bald nach Ausstellung dieser Quittung gestorben sein. Da nämlich König Ludwig der Baier am 16. Juli 1326 das durch Kraft von Greifensteins Tod erledigte und dem Reiche angefallene Lehen „vom riche an dem gerichte und auch in den gerichten zu Morle" an Gotfrid von Eppenstein gab"'), können wir wohl an-

"") Lacomblet III, 124. *") Ennen, Quellen IV, Xo. 18 mit falschem Tage September 22 und ungenauer Angabe «ler Umschrift des Siegels; Mitteilungen a. d. Kölner Stadtarchiv 11, f), 18. - '•"'} Vorgl. die Abbildung Taf. I, No. 6. - '''') Mitteilungen aus dem Külner Stadtar.hiv II, 5, S. 19, 2:5, 26, 31, 36, 38, 41, 43, .^6, Ö9. - "") Ennen, Quellen llf, No. 43 mit falschem Tage; Mitteil. a. d. Stadtarchiv II, 5, 29, Siegel Krafts gut erhalten. - "'; Lacomblet III, 163. - '"j Ennen, Quellen IV, No. 60; Mitteil, aus dem Stadtarchiv II, :., 33; Ennen, Geschichte der Stadt Köln II, 291. - '") Lacomblet III, 124; Ennen, Quellen IV, '.tO. "*) Senckenber jr, Sei. Jur. I, llt.-); Reinhard. Kl. Au.s'führungcn \IIl, 327; Archiv für Hess. Geschichte I, r.i:., V, 121»; Bühmer, Regg. Ludov. Nu. ss7.

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nehmen, dass Kraft zu Anfang des Jahres 1326 gestorben war. Als verstorben bezeichnet ihn auch im allgemeinen eine in stadtkülnischen Angelegenheiten ergangene Bulle des Papstes Johann XXII. von 1329, Juli 27,'")

Dieses Lehens zu Morien haben wir schon vorhin gedacht und die Ver- mutung ausgesprochen, dass es ihm persönlich und auf Lebenszeit als Ent- schädigung für die im Jahre 1298 erlittenen Verluste gegeben sei. Von dem Zeitpunkte der Verleihung sowie von der Qualität dieses Lehens wissen wir freilich urkundlich nichts. Es liegt uns keine Angabe darüber vor, dass es ein erbliches Stammlehen des Hauses Greifenstein war''*^), was vermutlich doch der Fall gewesen sein würde, wenn es ein älteres Reichslehen des genannteu Hauses gewesen wäre. Dass es vielmehr ein Kraft nur persönlich und auf Lebens- zeit verliehenes Lehen war, wird dadurch wahrscheinlich, dass es nach seinem Tode für erledigt erklärt wurde, während noch direkte Nachkommen des Lehus- trägers, auf die es als Erblehen hätte übergehen müssen, am Leben waren. Hierauf stützt sich unsere Vermutung über die Qualität des Lehens.

Ehe wir zur Zusammenstellung der Nachrichten über die Nachkommen Krafts übergehen, gedenken wir kurz seiner Geschwister. Mit Sicherheit ist nur ein Bruder, Rorich von Greifenstein, nachzuweisen, dessen Lebens- nachrichten, um den Gang der Darstellung hier nicht zu unterbrechen, am Schlüsse folgen werden.

Von der Gemahlin Krafts V. wissen wir urkundlich nichts. Es wurde schon die Vermutung aufgestellt, dass sie dem Kölner Patriziergeschlechte Schoneweder angehörte. Durch sie würde dann Kraft Eigentümer des Hauses Schoneweder geworden sein, welches er 1309, März 23 verkaufte."') Ihr und ihrer Kinder Leben wird nach dem schweren Missgeschicke, von welchem das Haus Greifen- stein im Jahre 1298 betroffen wurde, kein freudiges mehr gewesen sein.

Von Kindern Krafts sind zwei, ein Sohn und eine Tochter, bekannt. Ersterer

2. Ropert L von Greifenstein 1300, 1303, wird urkundlich nur in diesen beiden Jahren genannt. Zunächst in der vorerwähnten, von seinem Vater 1300, November 11 für Kloster Marienstatt ausgestellten Urkunde, in welcher er ausdrücklich nobilis und Sohn Krafts genannt wird. Bald darauf war er Gefangener der Stadt Köln geworden, wie, ist nicht ersichtlich. Hier gelobte Roperfus miles filins nobilis viri domini Craßonis de Grifenstein der Stadt am 1. Februar 1303, am 24. Februar in die städtische Haft zurückzu- kehren und während seiner Beurlaubung den Frieden zu halten."') Da Rudolf von Reifferscheidt diesen Revers besiegelte, führte der wohl noch in jugend- lichem Alter befindliche Ropert keines.

Über Ropert wissen wir weiter nichts; wir können annehmen, dass er frühzeitig, anscheinend vor seinem Vater, gestorben ist und zwar mit Hinter- lassung eines Sohnes. Freilich liegt ein urkundlicher Beweis, dass der gleich zu besprechende Johann von Greifenstein des Ropert Sohn war, nicht vor;

"*) Ennen, Quellen IV, No. 154. "^) Wie Landau, Wetterau S, 50 anzunehmen scheint. '") Vergl. oben S. 31. "*) Ennen, Quellen III, 515; Mitteil, aus dem Kölner Stadtarchiv II, 4, 47.

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aber durch diese Annahme erhält die Stammtafel des Geschlechts die wahr- scheinlichste Gestaltung. Ruperts Gemahlin kijnnte eine Kölner Patriziertochter gewesen sein. Auch über diesen

3. Johann I. von Greifenstein, den wir also als Sohn Iloperts be- trachten, wissen wir äusserst wenig. Aus dem Umstände, dass wir überhaupt seit der Zeit Krafts Y. über die Glieder des Geschlechts nur noch äusserst dürftige Nachrichten haben, können wir wohl mit Recht auf dessen Zurück- gang und Verarmung schliessen.

Am 13. November 1330 verpflichten sich Johann von Greifenstein und sein Vetter, der Kölner Patrizier Ruprecht Kraft Birkelin nebst 13 anderen Rittern und Knechten, dem Grafen Dietrich von Kleve insgemein 200 Mark zu zahlen. Johann führt hier im Siegel das Wappen seines Grossvaters, den mit dem fünflatzigen Turnierkragen bedeckten Iseuburger Schild, zwischen den beiden Querbalken des Wappens aber roch eine Gleve oder Lilie als Bei- zeichen. Ist die vorhin ausgesprochene Vermutung richtig, dass des Johann I. Vater, Ropert L, vor seinem Vater Kraft V. starb, so können wir wohl an- nehmen, dass Johann dieses Wappen mit dem Beizeichen zu Lebzeiten seines Grossvaters Kraft V. von Greifensteiu führte, um sein verwandtschaftliches Verhältnis zu demselben zu kennzeichnen. Die Umschrift des Siegels lautet: t S. Johannis de Grifinsteyn.'") Derselbe Johann verpfändete 1333, April 27 an Godart von Jülich sein Gericht Verkenhoven; mit ihm siegelten sein Mage Syvard von Rennenberg, Domherr zu Köln, und sein Neffe Johann von Calmut. Das hier erhaltene Siegel Johanns ist dem vorhin beschriebenen gleich, nur fehlt das dort befindliche Beizeichen, zu dessen Beibehaltung nach dem Tode des Grossvaters Kraft keine Veranlassung mehr vorlag.''") Das ebengenannte Gericht Verkenhoven ist jetzt Frankeshofen im Kirchspiel Niederembt, Kreis Bergheim, Regierungsbezirk Köln ; es könnte das Heiratsgut der Frau Johanns gewesen sein. Aus der Verpfändung ist wohl abzunehmen, dass die Vermögens- lage Johanns keine glänzende war.

Weitere Nachrichten über Johann liegen nicht vor; von der Person seiner Frau und von seinen Nachkommen wissen wir nichts, doch möchten wir zwei Greifenstein, die etwa 40 Jahre nach Johanns letztem urkundlichen Vorkommen genannt werden, als seine Söhne betrachten. Es sind dies

4. Johann IL von Greifenstein, der 1370, März 20 mit Johann von Langenau des Heinrich Meynenvelder von Ehrenbreitstein Helfer gegen die Stadt Köln wurde.'") Die Urkunde ist durch Johann leider nicht besiegelt.

Schwierig bleibt die Deutung des von diesem Johann geführten Beinamens „von Steinenbach". Vermutlich soll dessen Wohnsitz bezeichnet werden; ist Steinebach bei Altenkirchen gemeint, so können wir dasselbe vermutungsweise als einen den Greifenstein verbliebenen Besitz ansehen, auf dem Johann sass.

"*) Vergl. die Abbildung Tat". I, Xo. 7. Die Urkunde in den Mitteilungen aus dem Külner Stadtarchiv II, :>, S. 7(;, No. 1311. Beziiglicb des Beizeichens verdanke ich Herrn Kd. Rosenkranz, xowic dem Külner .Stadtarchive Mitteilungen. ""» Vergl. Lac oni biet lll, -jr.H. .\bbihlung des Siegels Taf. 1, No. s. _ '•■', Miitcil. aus dorn Külner .Snidtarchiv, Heft T2, y. rt4, No. ÜO.

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Gleichfalls in der dortigen Gegend, in der Nähe von Marieustatt und Hachen- burg, scheint noch mit dem Überreste des Greifensteicer Guts angesessen ge- wesen zu sein der letzte des Geschlechts

5. Ropracht II. von Greifenstein, 1374 1408, den wir gleichfalls als Sohn Johann I. und Bruder des ebengenannten Johann IL ansehen. Über diesen Ropracht liegen folgende urkundliche Nachrichten vor. Am 25. Juli 1374 trat er in den Dienst der Stadt Küln.'^') Offenbar noch unverheiratet verpfändete er 1377, März 19 sein Haus Kleeberg bei Hachenburg für 150 Gulden an Arnold von Wilmerode.'"') Einen Streit mit dem Domkapitel zu Köln über Güter zu Husen im Kirchspiel Erpel legte er im Jahre 1384 bei."^) Am 19. Januar 1408 verkaufte er mit seiner Frau Xesa und seiner Tochter Elisabeth dem Kloster Marionstatt 6 Malter Molterfrucht, welche ihnen jährlich aus der Klostermühle zu Heuzerod zustanden, 2 Malter Hafer und viertehalb Weisspfennige, die ihnen jährlich aus des Klosters Hofe zu Streithausen fielen, sowie die Fischerei zu AVyngenroide ; Mitsiegler war Heinrich von Wederbach. "Vom Siegel Roprachts ist nur der untere Teil erhalten, doch sind die Isen- burger Querbalken deutlich sichtbar.'^'') Und am 30. Juli 1408''«) verkauften derselbe Ropracht von Gryffensteiu, Nesa, seine Frau und beider Tochter Elysa- beth dem Kloster Marienstatt eine Rente zu Walgenrod (Waldenroide), Mitsiegler war Johann von Bicken. An dieser Urkunde ist wie an der vorhin genannten von 1377, März 19 das Siegel Roprachts gut erhalten, es ist ein kleines, schlecht gearbeitetes Rundsiegel, wie solche bei dem niederen Adel geführt wurden. Ei zeigt dasselbe Wappen, wie Kraft und Johann es führten, den Isenburger Schild mit dem fünflatzigen Turnierkragen. Umschrift: S. Roprecht van Grifen- steyn.'"") AUmenröder irrt somit, wenn er diesen Ropracht der von ihm angenommenen Hachenburger Linie zuteilt.'"')

Mit dieser Urkunde enden die Nachrichten; Ropracht, der keine Söhne besass, war der letzte des Geschlechts von Greifenstein.

AUmenröder zwar kennt noch einen Kraft von Greifenstein, den er der von ihm als „Wetzlarer Linie" bezeichneten Linie zuzählt und ,1404 condomi- nu3 in Greifenstein" sein lässt."') Ersteres ist Yermutung Allmenröders, letzteres beruht auf Angabe des schon mehrfach genannten Sekretärs Hayl'""), nach welcher 1404 sich ein gewisser Kraft Mitherr von Greifenstein genannt haben soll. Spätere Bearbeiter'") der Geschichte Greifensteins nehmen an, dass

'") EnneiK Quellen V, S. 54, Xote 1. '^») ÜDgedruckte Urkunde. '^*) Mitteil, des Herrn Geh. Archivrats Dr. Harless. '^') Ungedruckte Urkunde; vergl. Vogel S. 693; „Herold" 1873, S. 48; Himmelreich, Grreifensteiner Chronik mit dem unrichtigen Jahre 1418. Nach dem Lagerbuche der Abtei Marienstatt ist die Fischerei in der grossen ^'ister zu Ehrlich bei Kroppach gemeint; dieselbe begann zu Wingert an der'.,8tump Eich" und endete zu Ehrlich am Steinsei nach einem Weistum von 1558. Diese Fisclierei wird zu den allen Besitzungen des Hauses Greifenstein bei Hachenburg gehören. ^^^) Himmelreich a. a. 0. mit 1418. '5'j Vergl. die Abbildung Taf. I, Xo. 10. '='') Heldmann, Gesch. des Gerichts Viermunden, Zeitschr. des Vereins für Hessische Geschichte 1895, XX, S. 360 setzt das Aus- sterben des Geschlechts irrig in das Jahr 1407. *''^) „Herold" is73, S. 48. """) Hayl a. a. 0. >«') «chaum S. 59; Graf Solme S. 27; vergl. auch Ileldmann, Ge.sch. des Gerichts Viermunden, Zeitschr. für Hess. Geschichte, X. F. XX, S. 360.

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demselben nur der Aufenthalt auf Greifenstein gestattet worden sei, da er nach Lage der Sache ein Besitzrecht dort nicht mehr habe ausüben können.

Die vorstehende Angabe Hayls wird keinen grösseren Wert haben, als die andere, die Zerstörung der Burg Greifeustein um 1280 betreffende, die schon vorhin in Zweifel gezogen werden rausste. Für die Existenz dieses Kraft um 1404 liegt nicht der geringste Beweis vor; jedenfalls ist er aus der Reihe der Greifensteiner zu streichen. An eine Verwechselung mit Kraft von Roden- hausen'") zu denken, scheint ausgeschlossen.

Dann haben wir noch der

6. Irmgard'") von Greifenstein, der Tochter Kraft V. und Schwester Ropracht I. zu gedenken.

Irmgard verheiratete sich in Köln mit dem dortigen Patrizier Ritter Hildeger Heinrich Birklin, der 1294 als Schöffe genannt wird. Aus der Ehe waren drei Söhne hervorgegangen: Hildeger, Ruprecht (Kraft?) und Kraft'^*), zu deren Gunsten die Mutter am 15. November 1309, vermutlich an dem Tage, an welchem sie zur zweiten Ehe mit dem Grafen Dietrich HI. von Limburg aus dem westfälischen Dyoastengeschlechte schritt, auf das ihr zustehende Nutzungsrecht an dem Gute ihres ersten Mannes verzichtete. Graf Dietrich HI. von Limburg hatte an demselben Tage seine Zustimmung zu dieser Verzicht- leistung gegeben. '"")

Die Söhne der Irmgard von Greifenstein aus ihrer ersten Ehe mit Heinrich Hildeger Birklin führten im Siegel einen gevierteten Schild, dessen erstes und viertes Feld das Wappen der Birklin, einen aufrechtstehenden Bären, dessen zweites und drittes Feld das Wappen Isenburg-Greifenstein, die mit dem Tur- uierkragen bedeckten Querbalken, hatten. So siegelte Ruprecht (Kraft?) an einer Urkunde von 1330, November 13.'"^) Diese Nachkommen Irmgards kom- men hier nicht weiter in Betracht.

Über Irmgard von Greifenstein habe ich Nachrichten aus der Zeit ihrer zweiten Ehe nicht ermitteln können. Die Kinder aus dieser Ehe sind hier gleichfalls nicht mehr zu berücksichtigen.

7. Rorich von Greifenstein. Nachdem wir somit die Nachkommen Krafts V. bis zum Erlöschen dieser von ihm gestifteten Linie verfolgt haben, bleibt noch dessen Bruder Rorich zu besprechen. Weitere Geschwister wie diese beiden sind nicht bekannt.

Rorich erscheint neben Kraft V., als dessen Bruder er ausdrücklich bezeichnet wird, 1287, Januar 28 als Bürge für Eberhard und Johann von Haiger, welche vermutlich in verwandtschaftlichen welchen, ist nicht zu er- mitteln — Beziehungen zu ihnen standen; für ihn siegelte, da er kein Siegel führte, sein Bruder.'")

'**) Vogel S. 251. '-^) Nicht Hadwig, wie Fahne, Köln. Geschlechter I, s. von Birklin. '"^j Vergl. die Stammtafel des Geschlechts Birklin in den Mitteil, aus dem Kölner Stadtarchiv, Heft 25, S. :if55. '",) Urkunden der Schreinsbücher; nach Mitteil, des Kölner Stadtarchirs. "'"',/ Mitteilung aus dem Kölner Stadtarchive II, 5, S. 76; siehe Abbildung Tuf. I, No. 'J. - "'•) Wyss, Hess. Urk.-Buoh I, 469.

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Mit seinem Bruder Kraft und seiuem Verwandten Gerhard 11. verkaufte er mit der schon früher besprochenen Urkunde von 1287, November 13 dem Kloster Marienstatt Güter; sein Siegel ist nicht erhalten,'^') Weiter schloss er mit beiden Genannten den ebenfalls schon erwähnten Vergleich mit Nassau- Dillenburg vom 25. Januar 1290."'^) Im Jahre 1291 wurde er Burgmann Philipps und "Werners von Falkenstein-Künigstein auf deren Burgen, ölfnete denselben seine Burg Greifenstein und wurde deren Helfer gegen den Erz- bischof von Köln und Sifrid II. von Westerburg, seinen Magen; über die hier angegebene verwandtschaftliche Beziehung ist nichts zu ermitteln.'"") Rorich besiegelte die Urkunde, da jedoch diese wie die vorhergehende bisher nur in Abschrift vorlieger, ist kein Abdruck seines Siegels bekannt.

Von Rorich von Greifenstein haben wir überhaupt keine weiteren Nach- richten; wir wissen nicht einmal, ob er die bald darauf erfolgte Zerstörung der Stammburg, die er noch 1291 bewohnte, sowie den hiermit verbundenen Zu- sammenbruch seines Geschlechts erlebt hat. Mit ihm schliessen wir die Nach- richten über dia Greifenstein,

III. Beilagen.

a) Die aus dem Hause Beilstein-Greifenstein hervorg-egangenen

Geschlechter.

1. Die Herren von Lichtenstein. Dass die Herreu von Lichtenstein ein Zweig des Geschlechts von Greifenstein sind, hat zuerst Gudenus, und zwar auf Grund der Gleichheit des Wappens beider Geschlechter, ausgeführt.'"') Die Geschichte und Genealogie dieses Geschlechts, welches urkundlich zwischen den Jahren 1229 bis 1357 auftritt, ist von allen bisher genannten Forschern behandelt oder wenigstens berührt, welche sich mit der Geschichte des Haupt- stammes beschcäftigt haben, namentlich hat Vogel in trefflicher Weise eine Übersicht über die Geschichte des Geschlechts gegeben.''") Die Regesten weniger bis dahin unbekannter Urkunden gab Allmenröder''^) aus dem Archive des Marienstifts zu Wetzlar. Das Wappen des Geschlechts, welches dem des Hauptstammes gleich war, ist bei von Goeckingk''*) beschrieben. Hier wird bemerkt, dass die Lichtenstein seit dem Anfange des 14. Jahrhunderts einen achtfach geständerten Schild führen. Da dieses Wappen das des Geschlechts von Mudersbach ist, kann ein Glied dieses Geschlechts durch Erbfolge in den Besitz der Herrschaft Lichtenstein gelangt sein.

Da zu diesen bisherigen Bearbeitungen bezw. Mitteilungen über die Geschichte des Geschlechts von Lichtenstein wesentlich Neues nicht beizubringen ist, kann von einer nochmaligen Darstellung um so mehr abgesehen werden,

*"'*) Ungedruckte Urkunde; A'ogel S. 250, 693 irrig mit dem Jahre 1297. ^•"'^) Ar- noldi I, 77; Philippi, Siegener ürk.-Bucli No. 58. ''"> Sauer, Xass. Urk.-Buch I, No. 1132. '"'j Gudenus II, 230. ''-) Vogel, Annalen I, 2, 222; Beschreibung S. 251 ; vergl auch S. 725, 728. '■^) , Herold- 1873, S. 48. ''*) v. Goeckingk S. 11.

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als nicht Dachzuweisen ist, wie und zu welchem Zeitpunkte die Lichtenstein sich von dem Stamme ob Beilstein oder Greifenstein abzweigten.

2. Die Herren von Mudersbach, von Greifenstein und von Stein- bach. Dass die von Mudersbach eines Stammes mit den Edelherren von Greifenstein seien, hat Gudenus'"') auf Grund der gleichen Wappen für mög- lich gehalten. Vogel war geneigt, dieser Meinung beizutreten. Aus dem Um- stände, dass das dem niedern Adel angehörige Geschlecht von Mudersbach im AVappen ein an den Rändern gekerbtes Kreuz führte, können wir eine Be- stätigung der ausgesprochenen Vermutung entnehmen, dass die Greifenstein selbst ein Kreuz im Wappen führten.

In dem vorliegenden Falle auf Grund des gleichen Wappens beider Geschlechter auch die gemeinsame Abstammung beider anzunehmen, geht zu weit. Es liegt kein Beweis dafür vor, dass die Mudersbach jemals zu den Edelgeschlechtern gehörten; sie waren immer dem niederen Adel angehörig. Als solche werden sie Burgmänner auf der Burg Greifenstein''^) gewesen sein und gleichfalls, wie dies häufig der Fall war, das Wappen ihres Herrengeschlechts angenommen haben. Von ihnen wird sich das dem niederen Adel angehörende Geschlecht von Steinbach abgezweigt haben, die seit 1271 in Steinbach, Amt Selters vorkommen'") und gleiches Wappen mit den Mudersbach hatten.

Mehrere Glieder des Geschlechts von Mudersbach, auf dessen Genealogie''*) wir hier nicht weiter eingehen können, führten den Namen Greifenstein, zweifel- los von ihrem Burgsitze daselbst. Von diesen sollen hier angeführt werden

Eibelo miles de Greifenstein, Bruder des Ludwig von Mudersbach.'"*) Urkundlich wird derselbe 1255, 1259, 1264, 1281 genannt.''") Das Nekro- logium des Klosters Marienstatt hat zum 1. Juli die Eintragung „Ohiit Eyhelo miles de Grifemtein cum fillis qui henefecerunt nobis.^ Ob der Name des Hofes Yvelberg bei Marienstatt auf seinen Namen zurückzuführen ist?

In welchem Zusammenhange mit ihm Manegoldus de Greifenstein steht, der 1274, Juni 2 Zeuge in der Urkunde Hartrads von Merenberg für das Deutschordeushaus zu Marburg ist'^'), kann nicht aufgeklärt werden.

Konrad Wüste von Greifenstein bezeichnet sich 1281, September 18 als Sohn des Ludwig von Mudersbach.'*')

Ob und wie endlich Kuno von Greifenstein, dem 1317 das Domkapitel vou Köln ein Haus daselbst verpachtete"*^), zu dem Geschlechte gehörte, oder ob er Bürger daselbst war, muss dahingestellt bleiben. Die in Frankfurt im 15. Jahrhundert vorkommende Familie Greifenstein war bürgerlichen Standes.

"') ir, 121. '^'"'j Die Zalil der Burgmänner auf Greifenstein wird klein gewesen sein. Urkundlich kennen wir als solchen noch den Ritter Everhard von Ilaiger 1288, La- corablet II, 852. '") Nicht 1270, wie Vogel S. 685, der daselbst ungeaclitet dieser Angabe die von Steinebacli von 1273 ab vorkommen lässt. '^*) Die früher von Vogel, Annalen I, 2 gesammelten Nachrichten über das Geschlecht können sehr erweitert werden. ''^) Wyss, Hess. Urk.-Buch I, No. 201. ""') Ungedruckte Urkunden, dann Gudenus II, 121,122; -Mittelrh. Urk.-Buch III, 1305; Wyss, Hess. Urk.-Buch I, 201; Mittelrh. Regg. III, 1327, 1649. - "") Gudenus IV, 924; Wyas, Hess. Urk.-Buch I, 303. '**) Ungedruckte Urkunde. '"'j Staatsarchiv Düsseldorf.

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Ebensowenig haben dem Ilorrengeschlechte angehört Kraft von Greifen - stein, des Erzbischofs Jacob von Trier Muudkoch, und dessen Sohn Simon, Dieses Mundkochs Namen Kraft autfallend zu finden, wie Allmeüröder'") will, liegt kein Grund vor.

b) Die Advocati de Hachenburg-, die mit denselben stammverwandten

Geschlechter und die Ausbreitung des Stammes der Walpoden von der

Neuerburg zwischen Rhein, Lahn und Dill.

Die Geschichte des edlen Geschlechts der Vögte von Hachenburg folgt hier im besonderen, weniger wegen der Bedeutung dieses Geschlechts und der einzelnen Glieder desselben, als weil hierbei Gelegenheit gegeben wird, einige Bemerkungen über eine grosse, vom Rhein über den Westerwald bis an die Sieg und die Dill ausgebreitete Blutsverwandtschaft adeliger Geschlechter zusammenzustellen. Es ist dies ein Stamm ursprünglich dem Stande der Edlen angehöriger, später zum niedern Adel gekommener Geschlechter, welche drei Schrägrechts gestellte Rauten im Wappen führten. Dieser Rauten- balken bildete die eigentliche Schildfigur; dass die einzelnen Zweige des grossen Stammes den Schild in den Farben und durch Beizeichen änderten, ist selbst- verständlich. Allen Geschlechtern, die zu dieser weitverzweigten Gruppe ge- hörten, ist der Yorname Roricus eigentümlich. Der Vorname Gerhardus findet sich häufig.

Mit Eltester, Rhein. Antiquar. I, 4, S. 534 bezeichnen wir diesen Stamm, dem wir übrigens eine viel grössere Verbreitung geben können wie Eltester, als den der Walpoden von der Neuerburg; wir betrachten dieses Geschlecht als den Urstamm der Gruppe teils wegen seines Alters, teils weil es das Wappen in einfachster Gestaltung und ohne jedes Beizeichen führte. Zwar liegt nur für w^enige dieser Geschlechter wie die Reichenstein, Virueburg und Hachen- burg — ein urkundlicher Beweis dafür vor, dass sie dem Stamme der Wal- poden angehörten, doch kann auch bezüglich der übrigen auf Grund der Wapp3n- gleichheit ein Zweifel darüber nicht bestehen. Die Annahme, dass diese Ge- schlechter als Ministerialen, besonders Burgmänner eines Edelgeschlechts dessen Wappen angenommen hätten, ist hier als ausgeschlossen anzusehen.

Eine erschöpfende Geschichte der Walpoden von der Neuerburg und der stammverwandten Geschlechter soll die folgende Untersuchung nicht geben, so lockend auch eine solche Aufgabe ist; dies würde hier zu weit führen. Es soll hier nur in der Zusammenstellung der hier in Betracht kommenden Ge- schlechter deren Verbreitung nachgewiesen werden. Auf den Nachweis der Verbreitung von Stämmen adeliger Geschlechter in einer ähnlichen Weise in anderen Teilen unseres Landes ist bisher zu wenig Gewicht gelegt worden.'^') Von den Geschlechtern, die im nachfolgenden aufgeführt werden, sind diejenigen

'■'*) „Herold" 1873, S. 48. '"^j Einzelne Bemerkungen macht Bodmann bezüglich der im Rheingau ansässigen Geschlechter. Die Wappengruppen Glimmenthai, Katzenelnbogen, Scharfenstein und Waldeck bespricht Seyler, Geschichte der Heraldik, S. 13-t; diese Zu- sammenstellung liesse sich, wie die vorliegende Untersuchung zeigt, erheblich vermehren,

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als die ältesten, d. h. am frühzeitigsten von dem gemeinsamen Stamme abgezweigten anzusehen, welche den Rautenbalken ohne jedes Bei- zeichen und den Schild einfach und ohne jeden Zierrat führen.

An die Spitze der Geschlechter stellen wir

1. die Walpoden von der Neuerburg, über welche namentlich Eltester im Rhein. Antiquar. I, 4, 534; Stramberg, daselbst in, 3, 730; Fahne, Kölnische Geschlechter und Salm-Reifferscheidt; Hermes, Die Neuerburg a. d.

Wied gehandelt haben.

Stramberg a. a. 0. betrachtet das Geschlecht als die Descendenz des urkundlich 1187 vorkommenden Lambertus de Nuereburch, eine Hypothese, die trotz der Bemerkungen von Hermes anspricht. Dass die Walpoden von der Neuerburg dem Herrenstande angehörten, bezweifelt v. Grass"*) ohne Grund. Das Geschlecht der \Yalpoden eröffnet urkundlich 1219 Eoricus miles de Nmver- hurg qui WaJpodo cognomiuafur.'^') Das Geschlecht siegelte mit den drei Rauten ohne Beizeichen.'^') Bei v. Goeckingk sind die Schildfarben nicht anf-egeben; vermutlich führten sie dieselben Farben wie die aus ihnen hervor- gegangenen Reichenstein, schwarze Rauten in Silber. Nach Angabe von Stram- ber'' ist das Wappen der Walpoden von der Neuerburg im Balduineum ab-

gebildet

2. Die Herren von Reichenstein, die, wie urkundlich festgestellt"'), aus dem vorgenannten Geschlechte hervorgegangen sind. Sie führten die Rauten schwarz in Silber, ursprünglich ohne Beizeichen, später begleitet von einem Stern oder in einem mit Schindeln bestreuten Felde.

3. Die Nobiles deVirneburg. Über die einzelnen Glieder dieses seit dem Anfange des 13. Jahrhunderts, wenn nicht schon seit dem Ende des vor- hergehenden, vorkommenden Edelgeschlechts, auf die wir hier nicht eingehen können, giebt das Mittelrheinische Urkundenbuch zahlreiche Urkunden; dasselbe haben behandelt Eltester im Rhein. Antiquar. I, 4, 534; Fahne, Kölnische Geschlechter I, s. v. Virneburg, H, s. v. Reichenstein; Fürsten von Salm- Reifferscheidt und Hermes a. a. 0. Dass sie consanguinei der Walpoden, ist

urkundlich bezeugt.

Bezüglich der Abstammung dieses Geschlechts hat dessen Namen Ver- wirrung angerichtet; selbst besonnene Genealogen haben dasselbe, durch den Namen irre geleitet, als einen Zweig der Grafen von Yirneburg in der Eifel oder wenigstens als ein Burgmannsgeschlecht dieser Grafen auf der Burg Virneburg angesehen. Selbst Eltester a. a. 0. sucht den Ursprung dieses Geschlechts in der Eifel.

Dieser irrigen Ansicht entgegen ist auf das Bestimmteste zu betonen, dass die Heimat dieser Edelherren von Virneburg nicht in der Eifel, sondern

'■") V, Goeckingk, Abgestorbener Nass. Adel. Da die nachstehend verzeichneten Geschlechter dort meistens besprochen sind, kann von einer weiteren Bezugnahme auf dieses Buch in jedem Einzelfalle al)gcsehcn werden. - "^) Vergl. die bezüglichen Urkunden im Mittelrh. Urk.-Buch. - ^ Vergl. Taf. I, Xo. 12. - '^«) Über dieses Geschlecht sind d.e bei den Walpoden angeführten Werke zu vergleichen.

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am rechten Rheinufer in der Xähe des Wiedbaches und von Wald- breitbach zu suchen ist. Irren wir nicht, so ist der Name des Stammsitzes dieses Geschlechts noch heute erhalten in dem Namen des Distrikts „an dem Firneberg" im Kirchspiel Rheinbreitbach, unterhalb Waldbreitbach und Linz.'**')

Das Wappen bilden drei schrägrechts gestellte Rauten, deren jede durch zwei Diagonalen geteilt ist, jedes der entstandenen Dreiecke ist durch einen Punkt ausgefüllt; der Schild ist durch Gitterwerk, dessen Vierecke wiederum durch einen Punkt gefüllt sind, damasziert. So siegelte Ernst von Yirneburg an der Urkunde des Düsseldorfer Staatsarchivs von 1256, Februar 26'*'), La- comblet II, S. 229, sowie an einer Urkunde des Koblenzer Staatsarchivs von 1275. Das letztere, von Straraberg im Rhein. Antiquar. I, 4, S. 535 be- schriebene Siegel ist abgebildet bei Seyler, Geschichte des Siegels, S. 281, Figur No. 256.

An diese Geschlechter schliessen sich östlich

4. Die Herren von Gevertzhagen, Gebhardshain'*'), so genannt von ihrem Stammsitze in der Gemarkung Görsbach bei dem Dorfe Gebhards- hain, Herrschaft Freusburg. Das Geschlecht kommt urkundlich seit etwa 1220 vor; es erlosch in dem Hauptstamme 1733, in der auch nach Sachsen ver- zweigten Linie Lützerode erst in neuester Zeit. Der Hauptstamm führte drei silberne rechtsschräge (mitunter auch linksschräge) Rauten in rotem Felde, die Nebenlinie Gevertzhagen-Lützerode die Farben ebenso, hingegen der nach Sachsen gekommene Zweig die Rauten silbern in blauem Felde.

Das älteste urkundlich bekannte Glied dieses Geschlechts ist der dominus Roricus de Gebeharteshain'"^); der Titel erweist die Zugehörigkeit zu dem Herren- stande.

Auf die Verwandtschaft des Geschlechts mit den Vögten von Hachenburg kommen wir zurück.

Wohl nicht richtig ist es, wenn Kröll'^*) ein in der Kirche des Klosters Marienstatt angebrachtes Wappen mit dem Rautenschilde diesem Geschlechte zuschreibt; es wird eher den Vögten von Hachenburg gehören.

Gebhardshain liegt etwa 1^4 Meile nördlich von Hachenburg, wir schliessen deshalb an die Herren von Gevertzhagen die Geschlechter, welche sich in und um Hachenburg und das nahe gelegene Kirburg gruppieren, nämlich

5. die Vögte von Hachenburg, welche zum Schluss eingehender be- sprochen werden sollen.

6. Die Herren von Kirburg. Von diesem bei v. Goeckingk fehlen- den Geschlechte, auf das wir bei den folgenden Langenbach zurückkommen.

^^) Doch ist es zweifelliaft, ob dieses Virneburg oder das linksrheinische in der eben- angeführten Urkunde von 1275 gemeint ist, durch welche Ernst von Virneburg, genannt von Blankenberg, an Wilhelm von Waldeck seinen Anteil an Gütern zu Virneburg verkauft, vergl. Mittelrh. Regg. IV, Xo. 244. '«') Vergl. Taf. [, No. 13. ''-) Vergl. Kroll, Die Pfarrei Gebhardshain; Fahne, Kölnische Geschlechter I, s. von Gevertzhagen. '") Lehmann, Dynasten von Westerburg, S. 112; Kroll .*>. 7S. '^*} S. 82.

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ist nur Johann in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts bekannt, weshalb es unsicher bleibt, ob er ein besonderes Geschlecht repräsentiert, oder ob sich unter seinem Xamen ein anderer Zweig des grossen Stammes verbirgt.

7, Die Herren von Langenbach, von dem Dorfe gleichen Xaraens nord- östlich von Kirburg. kommen vor 1261 1654 und führten 3 silberne Rauten in blauem, mit roten (?) Schindeln bestreuten Felde, also ein dem der von Gevertzhagen-Lützerode gleiches Wappen.

Das später in mehrere Linien geteilte Geschlecht trug Lehen von Xassau- Weilburg; Graf Philipp H. von Nassau -Weilburg belehnte mit denselben, wie sie Johann von Kirburg gehabt"^), 1450 die Hube von Hohenstein, später Graf Philipp in. den Philipp von Nassau zu Camberg. Hiergegen führten 1527 Gerhard von Langenbach und sein Sohn Johann Prozess, indem sie diese Be- lehnung als erschlichen bezeichneten und die Lehen als ihr Erbe forderten. Philipp von Nassau trat die Lehen ab und die von Langenbach erhielten 1527 die Belehnung mit dem Zehnten zu dem Altenkloster bei Marienstatt, dem Zehnten zu Morien, zu Nangkhusen (jetzt Neunkhausen), zu Morinhusen, zu Mariingen, zu Kirburg, zu Maden, in den Biecken bei Kirburg, den Hof zu Kirburg, genannt lunffer Truden hoff, den Johann von Kirpurg inne- gehabt hatte, die Vogtleute zu Daaden, Sassenroth, Nisterberg, Ober- und Nieder-Dreisbach, Holtzluge, Reinsdorf und zu Gersdorf niederwendig der Boelsbach und den Hof zu Niederselters bei Kirberg.

Dass unter diesen Lehen sich solche befanden, welche früher den Yögten von Hachenburg gehörten, ist nicht unwahrscheinlich.

Dass die Langenbach auch weiter Erben der Vögte von Hachenburg waren, wird durch anderweitige Güter derselben wahrscheinlich gemacht.''^)

Von dem Stamme Langenbach zweigten sich ab und waren im Besitz einzelner der vorgenannten Lehngüter

a) die von Langenbach-Mauden,' von dem Dorfe Mauden im Amte Freusburg, nicht aber im Seibacher Grunde, Kreis Siegen, wie V. Grass'^') angiebt, der das Geschlecht als ein selbständiges be- handelt. Von ihnen teilte sich ein weiterer Zweig von Müden, ge- nannt Steinrück, ab. Das Geschlecht führte die Rauten in einem mit Schindeln bestreuten Felde,

b) die von Langenbach-Sassenrode, vom Dorfe Sassenroth bei Alten- kirchen.

Christian von Sassenrode, den v. Grass"") als zu dem Geschlechte ge- hörig anführt und dessen Wappen, ein Schrägen, daselbst abgebildet ist, kann nicht zu diesem Geschlechte gehört haben.

8. Die Herren vonDers, die seit 1272—1508 vorkommen, führten die drei Rauten ohne Beizeichen; Farben sind nicht bekannt. Stammsitz ist das Dorf Dorschen bei Friedewaid, nahe bei dem vorgenannten Langenbach.

•3*) Vojjel S. «97 ; Heyn, Westcrwald S. 11^, 179. '^^) Aufgefülirt bei Heyn, Wester wald S. 179. '■") v. Goeckingk, s. v. Müden. '-"'; v. Uoeckingk, 8. v. Sassenrod.

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9. Die Herren von Imhauson. Wilhelm von Imhausen, der die Rauten in einem mit Schindeln bestreuten Felde führte, verpfändete 1445, Juli 9 seinen Hof zu Imhausen jetzt Emerzhausen bei Freusburg? an seine Brüder Heintze und Heinmann. Johann von Imhausen versetzte 1448, De- zember 7 denselben Hof mit Erlaubnis des Grafen von Sayn an Johann Kreye. Derselbe Johann und seine Frau Neesgin versetzen mit Erlaubnis des Grafen Gerhard von Sayn ihren Teil, d. i, die Hälfte, des Hofes zu Imhausen mit Odentorff ihren Magen, den Brüdern Heinrich und dessen Frau Katharine und Heynmann von Imhausen; Johann führt die Rauten in einem mit Lilien be- streuten Felde.

1454, Januar 6 werden die Brüder Heyntze und Heynmann von Imhausen von Sayn mit dem halben Hofe zu Imhausen, mit dem Xodenberge und mit vier Mark Geld zu Selters belehnt, anscheinend als Erstbelehnung. Mit den- selben Gütern und dem Burgsitz zu Freusburg wird belehnt 1476, Januar 6 Rorich von Imhausen und nach dessen Tode sein minderjähriger, unter Vor- mundschaft Jacobs von Müden stehender Sohn Johann.

Die Angabe von v. Grass'^^), dass die Imhausen 1421 den Trudenhof zu Kirburg besessen hätten, beruht auf dem Missverständnis der Angaben bei Vogel, S. 697.

10. Die Herren von Wilmerode, deren Sitz Willmenrod bei Wester- burg war. Sie führten die Rauten teils ohne Beizeichen, teils von einem Stern im linken Obereck begleitet.

Am weitesten südlich haben sich verzweigt die Schenken von Lieben- stein, die seit etwa 1300 auf der Burg Liebenstein bei Braubach erscheinen.

Sie führten drei schwarze Rauten in Silber, mit einem roten Turnierkragen bedeckt; nach den Wappenfarben stehen sie den Neuerburg oder Reichen- stein nahe.

Der östlichste Punkt, den das Geschlecht eingenommen hat, ist Seibach, Altenselbach im Grunde Sei- und Burbach im Kreise Siegen. Hier, nicht weit östlich von den vorhin genannten Sitzen Sassenroth, Derschen und Mauden Sassen in Seibach die Herren von Seibach, deren Abzweigung vom Haupt- stamrae urkundlich nicht nachweisbar ist, die aber sicher spätestens um die Mitte des 13. Jahrhunderts erfolgt ist. Ob die anzunehmende Niederlassung eines Zweiges der Walpoden oder eines aus diesen hervorgegangenen Geschlechts auf einer, mit selbständiger Gründung einer Burg verbundenen Eirwanderung in das Siegenerlaud beruhte, oder ob der erste in Seibach ansässige Walpode dort die Erbtochter eines bereits sesshaften Geschlechts beiratete, bleibt dunkel. Im Siegener Lande sind überhaupt alle Adel-^geschlechter als eingewandert anzusehen, für keines derselben ist der Ursprung im Lande nachzuweisen.^"") Dies trifft, wie das Wappen erweist, auch die von Seibach, welche drei schräg- rechts gestellte schwarze Rauten in goldenem Felde führten.

Die Herren von Seibach nehmen von allen Geschlechtern, welche aus der grossen Gruppe der Walpoden von der Neuerburg hervorgegangen sind, durch

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) V. Goeckingk, 3. v. Imhausen. -^"'^) Philippi, Siegener Urkundenbuch, S. XXXV.

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ihre eigenartige Entwicklung ein besonderes Interesse in Anspruch. Aus ihnen und auf der Burg zu Selbaeh hat sich frühzeitig eine sehr zahlreiche Ganerb- schafc gebildet, die uns als Korporation entgegentritt und welche bereits im Jahre 1288 ein eigenes Siegel mit der Umschrift: „f S. [unijversitatis . de . Selbac** führte: der durch Gitterwerk, dessen einzelne Felder durch eine Kugel gefüllt sind, damaszierte Schild zeigt die drei schrägrechts gestellten Rauten.-"')

Ganerbschaften dieser Art sind in Mittel- und Süddeutschland häufig; weiter nordwärts, z. B. in Westfalen, kommt eine solche nicht mehr vor.'"*) Besonders häufig finden sich solche im Bereiche des späteren Herzogtums Nassau; gerade die Ganerben von Seibach hatten als Muster die Ganerbschaft auf der Xeuerburg und auf dem Reichenstein, aus der sie hervorgegangen waren, vor sich. Philippi hat sich'"^) bemüht, den Ursprung dieser Ganerbschaft auf- zuklären, aber ohne Erfolg. Er meint, das Wappen derselben sei frei gewählt, wenigstens lasse sich nicht erweisen, dass es dem W^appen einer der in der Xähe wohnenden Dvnastenfamilien, welche auf die Ganerbschaft Eiufluss aus- übten (zunächst Sayn und Molsberg) nachgebildet sei; auch sei der Ursprung nicht nachweisbar. Letzteres ist gewiss soweit richtig, als es sich um urkund- liche Belege der Abstammung handelt; diese fehlen uns. Im allgemeinen aber dürfte durch Vorstehendes die Frage dahin gelöst sein, dass wir die Ganerben von Seibach als hervorgegangen aus der Gruppe der Walpoden von der Neuerburg anzusehen haben. Um die Mitte des 13. Jahrhunderts bauten die Walpoden die Ganerbenburg Reichenstein an der Wied bei Waldbreitbach, die 1256 fertig war sollte diese Zeit auch die Zeit der Errichtung ihrer weiter östlich belegenen Burg zu Seibach im Siegener Laude sein?

Die Zahl der Geschlechter, welche auf dieser Ganerbenburg sassen, belief sich auf zehn ; sie führten meistens den Stammnamen Selhach mit einem Bei- namen; im Schilde führten sie neben dem Rautenbalken ein nach den Zweigen verschiedenes Beizeichen. Der Name Rorich kommt bei ihnen, namentlich bei denen von Buvbach, öfter vor. Die einzelnen Geschlechter, auf die hier nicht weiter eingegangen werden kann, sind bei Arnoldi, v. Goeckingk hier nebst Abbildungen der Wappen und auch bei Philippi im Register zum Siegener Urkundenbuch verzeichnet.

Endlich sind noch vier zu der Gruppe gehörige Geschlechter zu verzeich- nen, die ihren Sitz an der Dill hatten, von denen es aber ungewiss ist, ob sie zu der Seibacher Ganerbschaft gehörten, nämlich

13. die Herren von Almesdorf, die ein Lehen im Amte Rennerod hatten; ihr Stammsitz könnte Amdorf bei Herborn gewesen sein. Sie führten 1342 die Rauten ohne Beizeichen,

14. ein zweites Geschlecht von Bicken, vermutlich mit dem älteren, nicht stammverwandten Geschlechte gleichen Namens zu Bicken, östlich von Herborn sesshaft und wohl durch Heirat dort zur Ganerbschaft gelangt. Sie führten rote Rauten in goldenem Felde,

*'"> Philippi a. a 0. uml dio Abbild, daselbst auf der Siogoltüfol No. l), mit imzutretfender Eigänzun;^'; nowie hier Taf. 1, No. 11. ~ -'') Philippi a. a. O. -"^) A. a. 0. S. XXXVI.

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15. die schon genannten Herren von Burbach, seit etwa 1300 vor- kommend, bei denen wir den Gesclilechtsnamen Rorich öfter finden. Sie führten die Rauten ohne Beizeichen, vergl. die Abbildung Taf. I, No. 14,

16, die Herren von Scheid, deren Sitz in dem zwischen Herborn und Dillenburg belegenen Niederscheid lag. Im Schilde führten sie neben den Rauten ein nicht weiter bekanntes Beizeichen.

Nach dieser übersichtHchen Darstellung der Verbreitung der Gruppe der Walpodeu kehren wir zur Geschichte der

Yögte von Hachenburg

zurück. Urkundlich kommen dieselben seit 1222, vielleicht seit 1215 vor; wie und wann sie sich von den Walpoden abgezweigt haben, ist nicht erweislich; aus den Urkunden scheint nur hervorzugehen, dass die Geschlechter Walpod, Virneburg und Gevertzhagen diejenigen der Gruppe waren, denen sie verwandt- schaftlich und rücksichtlich der Abstammung am nächsten standen.

Als ältestes Glied des Geschlechts kennen wir Roricus zu Anfang des 13. Jahrhunderts; doch dürfte eine Vermutung zulässig sein, welche es ge- stattet, das Geschlecht noch um eine Generation zurückzuverfolgen und als ältestes bekanntes Glied des Geschlechts den dominus Henricus advocatus de Westerburg, mit welchem sich sein Lehnsherr Sifried von Runkel zu Wester- burg etwa zu Anfang des 13. Jahrhunderts wegen mehrerer Streitfälle verglich^"*}, hinzustellen. Aus der Bestimmung in der Urkunde : Pncri achocati non nnhent extra Jamiliam domtnornm fiuorum nisi de commnni pafris (S'ifrkli) et ßlionnn Ucencia etc. können wir wohl den von Lehmann nicht weiter bestimmten wich- tigsten Streitpunkt entnehmen. Söhne Heinrichs oder wenigstens einer derselben hatte ohne Genehmigung seines Lehnsherrn eine Frau aus einem Geschlechte, wel- ches nicht zur Lehnsmannschaft Sifrids von Westerburg gehörte, geheiratet und sich dann, durch diese Heirat anscheinend zu selbständigem Besitz gelangt, der Lehnshörigkeit und Lehnspflicht gegen seinen Lehnsherrn entzogen, worauf der Lehnsherr in der nach dem Lehnsrecht zulässigen Weise gegen Heinrich Vogt von Westerburg und seinen Sohn vorging. Durch den Vertrag wurde der Streit geschlichtet, Heinrich und seine Söhne traten wieder in den Besitz ihrer Westerburgischen Lehen Borico et ßUis mis a padicipacione istorum non exclusls. Da nun der Wortlaut des Vertrages die Annahme zulässt, dass von den Söhnen des Heinrich Vogt von Westerburg der dort genannte Roricu8 eben derjenige war, der durch seine ohne Genehmigung des Lehnsherrn ge- schlossene Heirat den Streit veranlasst hatte, so kann die Vermutung gewagt werden, dass dieser Roricus und der mindestens seit 1222 urkundlich genannte Roricus advocatus de Hachenburg ein und dieselbe Person sind. Beiläufig sei hier darauf hingewiesen, dass sowohl der Vogt Heinrich wie auch der als Zeuge unter den Burgmännern von Westerburg genannte Roricus de

^"*) Lehmann, Dynasten von Westerburg, Urk. Xo. 2. Die undatierte Urkunde wird hier um 1220 gesetzt, was im allgemeinen richtig sein mag.

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Gebeharteshain die Bezeichnung dominus in der Urkunde erhalten, also dem Herrenstande angehörten.

Auf Grund dieser Vermutung betrachten wir also als ältestes Glied des Geschlechts

I. Hen'ricus advocatus de Westerburg. Ausser dem vorhin Be- merkten ist über ihn nichts bekannt. Nach der eben besprochenen Urkunde hatte derselbe mehrere Sühne; wir nennen zuerst

n. Roricus, der in der eben angeführten Urkunde unter den Söhnen des Vo"'tes Heinrich insofern eine Ausnahmestellung einnimmt, als ihm und seinen Söhnen ausdrücklich der Mitbesitz der Westerburgischen Lehen des Vaters gewahrt wird. Er ist zweifellos derjenige der Sühne, der durch er- heirateten Gutsbesitz eine besondere, mächtige Stellung errungen und in dieser sich dem Lehnsverbande gegen Westerburg entzogen hatte. Diesen Rorich können wir für ein und dieselbe Person mit dem um diese Zeit auftretenden Roricus advocatus de Hachenburg halten, dessen Gattin Guda von Greifenstein, des Rudolf von Beilstein-Greifenstein, letzten seines Stammes, Schwester war.-°^) Fülo-en wir bezüglich des Rorich hier den Andeutungen der angeführten Urkunde, so hatte derselbe mit seiner Gemahlin Guda den Besitz der Herren von Greifen- stein in und bei Hachenburg erheiratet. Alle urkundlichen Nachrichten über diesen nicht unerheblichen Besitz zusammenzustellen, würde hier zu weit führen; derselbe ging zum grossen Teile durch Schenkung an das Kloster Marienstatt über, zu welchem die Herren von Greifenstein enge Beziehungen unterhielten, wie ihre Eintragungen in das Nekrologium des Klosters neben zahlreichen Ur- kunden erweisen. Die Fischerei zu Ehrlich bei Kroppach, wohl das letzte Greifensteiner Gut bei Hachenburg, kaufte das Kloster 1408 von Ruprecht H. von Greifenstein.-"^)

Rorich Vogt von Hachenburg kommt urkundlich zuerst 1215 vor; sein Tod ist anscheinend 1228 erfolgt. Seine Witwe Guda erreichte ein erheblich höheres Alter; sie ist vermutlich 1270, September 8 gestorben. Die über beide vorliegenden urkundlichen Nachrichten sind bereits zusammengestellt^**'), ebenso die Nachrichten über die Kinder beider, sodass die folgenden Angaben nur Er- gänzungen des bereits Mitgeteilten bringen.

Eingehender ist noch zu besprechen

Heinrich IL, Vogt von Hachenburg, etwa 1220—1276, der älteste Sohn Rorichs und der Guda. Dass Rorich Vogt von Hachenburg um 1220, bei Abschluss des Vergleichs zwischen seinem Vater Heinrich L und Sifrid von Runkel bereits Söhne hatte, die aber anscheinend noch in jungen Jahren sich befanden, ist bereits angegeben."") Als den ältesten dieser Söhne betrachten wir Heinricli H. Henricus advocatus de Haggioberg erscheint urkundlich zu- erst 1244-°'), dann 1247, August 29.''") In einer Urkunde von 1248, Juni 27

*"*) Vergl. die Ausführungen oben S. 11 ff. - '"'") Vergl. oben S. 35. ""'') Vergl. oben S. 11. ^"') Oben S. 12. '^'"') Mittelrh. Urk.-Buch HI, No. 805; Mittelrh. Regg. III, 40:{; Ilammerateinäches Urkundenbucli No. s'.t. - -'") Günther, Cod. dipl. II, No. 119; .Mittelrh. Urk.-Buch lil, Xo. '.il2; Uegg. III, Xo, :,:}G.

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verbüro-en sich für den Aussteller, den burgravius Gerhardus de Landescrona, dessen consangmnci cuhocatus de Haclenherg et frater eins Ernestus de Virne- biirg et Henricus ßUus qnondani Chrhtiani; da der Druck'") die Namenreihe, so wie vorsteht, giebt, ist Ernst von Virneburg öfter als der Bruder des Advocatus ano-esehen worden; dies ist irrig und kann die Schwierigkeit leicht durch Setzung einer Interpunktion hinter eius gehoben werden. Es ist vielmehr hier von einem nicht mit Namen genannten Bruder Heinrichs die Rede, über welchen das Erforderliche bereits gesagt ist/") Am 26. Februar 1256 belehnte der Erzbischof von Köln den Walpoden von der Neuerburg und dessen Stammver- wandte mit der von jenem erbauten Burg Reichenstein im Kirchspiel Puder- bach ; als consanguinei werden neben andern genannt Ernst von Virneburg und der Advocatus de Haggeuberg.-'^) Mit Urkunde vom Januar 1261 verkaufen Henricus advocatus de HacJcinherch una cum uxore (niea) Iriiigarde et de cou- sensu et libera voluntate cohercdum sein Gut zu Todenberg an das Kloster Marienstatt.-''^) Die Urkunde ergiebt den Namen seiner Gemahlin Irmgard sowie den Umstand, dass beide zur Zeit der Ausstellung kinderlos waren und dass deren Kinder, wenn solche vorhanden gewesen, vor diesem Zeitpunkte (gestorben waren. Mit dem Kloster Marienstatt befand er sich übrigens in dieser Zeit im Streite, da Papst Alexander IV. durch Bulle vom 2. Februar 1261 mehrere Bonner Geistliche mit dem Schutze von Marienstatt gegen dessen Feinde, unter welchen der nobilis vir Hinricus advocatus de Hagenberg genannt wird, beauftragte.-''') Am 21. Juni desselben Jahres treffen wir ihn als Zeugen in einer Sayner Urkunde."*') Ebenfalls als Zeugen treffen wir ihn in dem Ver- gleiche Sifrids von Westerburg mit dem Grafen Heinrich von Diez.^") Als Dienst- mann der Gräfin Mechtild von Sayn erscheint er urkundlich 1264, Februar 27; als Bürge für den Grafen Johann von Sponheim-Sayn 1264, April 1 zu Bonn.-'") Als Zeugen finden wir ihn ferner 1267, September und 1268, Januar 25."') Am 7. Februar 1270 verkaufen domina Guda advocatissa in Haggenberg et filii ipsiiis Henricus advocatus et Crafto dominus de Grißnstein dem Kloster

Marienstatt Ländereien zu Hailstrut, darunter particulam que particule

Rorici et Hcrntanni de Gevcrzhan milituM equcdis existit et conpnrs."") Im Mai desselben Jahres war er Zeuge für den Grafen Gotfrid von Sayn, ebenso am 15. August desselben Jahres, wo er die Urkunde des Grafen besiegelt."') An dieser Urkunde ist Heinrichs Siegel erhalten; der Wappenschild zeigt die drei Schrägrechts gestellten Rauten, oben von drei, unten von zwei Lilien begleitet;

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) Mittelrh. Urk.-Buch III, No. 954. Zur Sache vergl, die weiter dort mitgeteilten, Ernst von Virneburg betreffenden Urkunden, das Register daselbst, sowie Mittelrh. B.egg. III, No. 1281. •'') Vergl. oben S. 13. - -'^) Lacomblet II, 424; Mittelrh. Urk.-Buch III, No. 1335, sowie die vorstehend bei Besprechung des Geschlechts von Reichenstein genannten Schriften. *'*) Vogel S. 704 mit dem Jahre 1260. -'^) Mittelrh. Regg. III, 1680. ^■8) Hüfer, Auswahl No. 5; Hammersteinsches Urk.-Buch No. 111; Mittelrh. Regg. III, 1703. -1') Ilammersteins'.hes Urk.-Buch No. 116; An dem in Marburg l.efindlichen Ori- ginal scheint ein Bruchstück seines Siegels erhalten zu sein. ^"') Günther, Cod. dipl. II, No. 203, 204. 2'^) Lacomblet II, .■)72, 576; Hammersteinschos Urk.-Buch No. 122. ■•") Vergl. oben S. 11. -''J Ungedruckte Urkunde,

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von der Umschrift erhalten: f S. Henri ti de Hachinberg. Abbildung

des Siegels ist auf Tafel I unter No. 2 beigegeben. Weiterhin wird Heinrich nur noch einmal genannt; er besiegelt eine ungedruekte Urkunde der Brüder von Steinenbaoh für das Kloster Marienst;itt vom 13. Deceraber 1271; hier ist sein Siegel stark beschädigt. Er dürfte bald darauf gestorben sein ; sicher aber hat er im Jahre 1276 nicht mehr gelebt, als am 4. Februar die Grafen von Sayn und die Herren von Molsberg ihre, langjährige Streitigkeiten beendenden Vergleiche mit dem Kloster Marienstatt abschlössen. Hätte er an diesem Tage noch gelebt, so wäre er mit Gewissheit unter den Zeugen zu erwarten gewesen. Sein Fehlen in der Zeugenreihe lässt seinen Tod voraussetzen.

Mit ihm starb das letzte männliche Glied des älteren Zweiges des Hauses Hachenburg; über seine Anverwandten und deren Nachkommen, die in den Besitz der Herrschaft Greifenstein kamen, ist gehandelt.'")

Über Heinrichs Gemahlin Irmgard ist die einzige vorhandene urkundliche Angabe vorhin angeführt. Aus jener Urkunde vom Januar 1266 ist dort ge- schlossen, dass Kinder aus dieser Ehe, falls solche gelebt haben, vor Ausstellung derselben gestorben waren. Als Kind beider dürfte eine Tochter Elisabeth an- zusehen sein, deren Todestag sich im Nekrologium des Klosters Marienstatt zum 3. Juni mit der Eintragung hndet: Obiif EUjzabeth ßlia advocafi in Hachen- herf] ([ue legavit omnia bona sua.

ni. Über Kraft, des Heinrich zweiten Sohn, den wir aus einer einzigen Erwähnunir im Jahre 1281 kennen, dessen Sohn Gerhard I. in den Mitbesitz von Greifenstein kam, vergl. oben S. 16.

Über den Sitz der Vögte von Hachenburg in der Stadt Hachenburg liegt keine Angabe vor. Vogel"') sucht ihn auf der urkundlich zuerst 1247 vor- kommenden Saynischen Burg; der Geschlcchtsname Advocatus de Hachenburg bringt ihn zu der Annahme, dass das Geschlecht bei seiner ersten urkundlichen Erwähnung als V()gte auf der Burg gesessen hätte und diese also schon da- mals Landesburg gewesen sei. Diese Annahme ist wohl nicht haltbar, wenn, wie vorhin ausgeführt, Rorich Vogt von Hachenburg den Namen Advocatus nicht von seiner Dienststellung in Hachenburg führte, sondern von seinem Vater Henricus advocatus de Westerburg übernommen hatte und ihn mit der Änderung des Westerburg in Hachenburg beibehielt, nachdem er durch seine Ehe mit Guda von Greifenstein die Greifensteiner Güter in und bei Hachenburg er- heiratet hatte. Hiernach wäre eher anzunehmen, dass die Advocati de Hachen- burg in Hachenburg einen besonderen Sitz neben der Landesburg hatten, deren Aufdeckung durch Lokalforschung vielleicht gelingt.

Kröll-'") giebt an, was Lotz entging, dass der Schlussstein des Gewölbes über der Orgel in der Klosterkirche zu Marienstatt das Wappen des Geschlechts

"«) Oben S. 15. -") S. r,90; Lotz ri. 202 folgt ihm. - -'-^ (Jebhardsliain S. 82;

vergl. oben S. 41.

Kleine Beiträge zur Genealogie des Hauses Nassau,

(Vergl. Annal. XYIIl, 233 ff.)

Von

Dr. W, Sauer^

Königl. Archivrat und Staatsarohivar zu Wieäbaden.

I. Linie idstein-Wiesbaden.

a) Graf Heinrich von Nassau-Wiesbaden, saec. XV.

Die Nachrichten, welche Yogel in der Beschreibung des Herzogtums Nassau, dann die neueren Genealogen wie Cohn, Behr u. a. über den Grafen Heinrich von Nassau -Wiesbaden, den Sohn des Grafen Walram (f 1393) und der Bertha von Westerburg, bringen, sind aus Hagelgans, Nassauische Ge- schlechtstafel S. 31 entlehnt. Menzel, Geschichte von Nassau, V, 106, Note äussert jedoch Zweifel bezüglich dieses Grafen Heinrich; er bemerkt: „Am lieb- sten hätte ich diesen Heinrich und seine Gemahlin Anna von Groningen (in Schwaben) ganz gestrichen, da ich nur bei Hagelgans S. 28, 31 und Joannis, Rer. Mog., I, 788 Nachrichten über beide gefunden habe. Hagelgans schöpfte aus Joannis und dieser aus einem alten Manuskript, das er zu charakterisieren unterlassen hatte. **

Diese Ausführung Menzels ist nicht zutreffend.

Zunächst hat Hagelgans nicht aus Joannis geschöpft, sondern vielmehr beide aus ein und derselben ihnen leicht zugänglichen Quelle, nämlich aus des Johann Andreae Genealogienbuch der Linie Nassau-Wiesbaden, wie im Folgen- den gezeigt wird.

Der weiter gegen Joannis erhobene Vorwurf, dass er es unterlassen habe, das benutzte Manuskript zu charakterisieren, ist gleichfalls hinfällig. Joannis macht aus der in Frage stehenden Handschrift an drei Stellen des ersten Bandes Mitteilungen, nämlich

1. teilt er S. 777', Note d, die Grabschrift des 1393 verstorbenen Grafen Walram mit, ohne Zweifel aus dem vorhin angeführten, hand- schriftlich erhaltenen Werke des Johann Andreae S. 58, wo dem Texte eine Abzeichnung des Grabsteins des Grafen Walram, an-

4

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scheinend von der Hand des Idsteiner Hofwappenmalers Heinrich Dors, beigegeben ist,

2. daselbst Note e; hier sind die Worte: „Grave Walram folget nach seines herrn Vaters todtfall in der Regierung und ward vermählt an Bertham Grävin von Westerburg anno 1374" aus Andreae S. 19 entlehnt, wie sich gleich ergeben wird.

3. S. TTS**, Note 1* mit den, den in Frage stehenden Grafen Heinrich betrelFenden Worten : „Nobis qnidein niisqiKun allhi occurrit quam in itianuscripfo se)ncl ifernmqne lam dicfo^ cidus prohide verha iu' rahit apponere : Grav Walram ward vermählt an Bertham, Grävin zu Westerburg. Bekamen zween Söhne, Adolfen und Heinrichen. Jezt- bemelter Heinrich nahm zum Ehegemahl Annen von Groningen; stürben beyde ohne Leibserben. "

Die hier von Joannis leise angedeuteten Zweifel an der Existenz des Grafen Heinrich haben Menzel anscheinend zu jener kritischen Bemerkung, gegen deren Begründung erhebliche Bedenken vorliegen, veranlasst.

Zunächst genügt die von Joannis gegebene Charakterisierung seiner Handschrift vollkommen, um dieselbe mit Leichtigkeit ausfindig zu machen und festzustellen. Joannis benutzte hier, wie schon bemerkt, das von Johann Andreae 1638 fertiggestellte „Nassaw -Wiesbad- und Idsteinisch Genealogien- buch" (handschriftlich im Königl. Staatsarchive). Dem Texte sind verschieden- artige Beilagen vorgebunden, namentlich Bruchstücke einer etwa gegen Ende des 16. Jahrhunderts geschriebenen Abschrift des „Rothen Idsteiner Genealogien- buches" und der von Konrad Lesch von Braunfels etwa um ebendieselbe Zeit verfassten Fortsetzung desselben.^)

Die Aufzeichnungen des Konrad Lesch über den Grafen Heinrich haben sowohl Joannis wie auch Hagelgans für ihre Mitteilungen über denselben vorgelegen.

Ausser der eben bezeichneten Abschrift der von Konrad Lesch verfassten Fortsetzung des Genealogienbuches liegt in Msc. A 43 des Kunigl. Staatsarchivs das von ihm eigenhändig geschriebene Konzept seines Werkes vor. Aus beiden, Konzept und Abschrift, folgt die in Betracht kommende Stelle hier:

Abschrift im Genealogienbuch des

Konzept des Konrad Lesch:

GrafF Walram volgt nach seines herrn vattern dotfal in der regierung und wert vermehelt an Berta grevin zu Westerbergk anno 1374. Diese bekhamen zweu son, Adolf und Hein- rich. Itzbemelter Heinrich nam zum Ehegemahel Anna von Groningen, stur-

Joh. Andreae: Grave Walram folget nach seines herrn vatters todtfall in der regierung und wardt vermehlet an Bertham Grevin zu Westerburg anno 1374, Bekamen zwei söhn, Adolfen und Heinrichen. Itzbemelter Heinrich nahm zum ehegemahl Annam von Groningen,

') Über Koiirad Le.scli sowie das sogenannte „Rotlic Idsteiner Genealogienhuoh'' vera^l. NVidinann, Niia.>uuiache Chroni-^ten, S. 'J2, 2.'{ ; Aiiiialen XVIII, ;{."), i^.

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ben beeJe ohne leibserben. Graf Walram starb anno 1393 und sein gemaliel Bertha anno 1418, ligen bede zu Itzstein in der pfarkirchen und verliessen iren Son Graf Adolfen im leben.

stürben beide ohne leibeserben. Grave Walram starb Anno 1393 und sein gemahl Bertha anno 1418. Liegen beide zu Itzstein in der Pfarkirchen begraben und verliessen ihren söhn Grave Adolfen im leben.

Da hierdurch Konrad Leseh, dessen ganz genaue und gründliche Kennt- nis der Geschichte des Hauses Nassau-Idstein nicht bestritten werden kann, als der Verfasser der Nachrichten über den Grafen Heinrich und die Quelle für Joannis und Hagelgans ermittelt ist, liegt keine Veranlassung vor, diesen Grafen aus der Stammtafel des Hauses zu streiclien. Ebenso ergiebt sich die weitere Annahme von Menzel, dass Hagelgans hier aus Joannis geschöpft habe, lüs hiufällig, da dem Idsteiner Archivar das Genealogienbuch jederzeit zur Hand war. Beide Forscher haben die Handschrift, aus welcher auch Hagelgans S. 28 einen Satz wörtlich abdruckt, direkt benutzt.

Wenn Joannis sagt, dass der Graf Heinrieh ihm sonst nirgends vorge- kommen sei, so weiss Hageigana S. 31 zu berichten: „Im Jahre 1450 wurde er von seinem Vetter, Graf Philipp zu Nassau- Weilburg ersucht und aufgemahnt, einen Heereszug nebst anderen und dessen Bruder und Schwager mitzuthuen. Ob und wie solches erfolgt, findet sich weiter keine Nachricht, woraus abge- nommen wird (d. h. von dem Verfasser Hagelgans!), dass er nicht lange ge- lebet und ohne Leibeserben abgegangen". Auf Grund dieser Angabe führen alle Genealogen, z. B. Cohn und Behr, den Grafen Heinrich als noch um 1450 lebend auf. Menzel a. a. 0. tritt aber auch hier Hagelgans entgegen und meint, dass „diese Mahnung nicht an diesen Grafen Heinrich gerichtet ge- wesen sein könne; Hagelgans habe den Fundort und sonstigen" Inhalt der Urkunde nicht angegeben."

In diesem Punkte scheinen allerdings die von Menzel ausgesprochenen Zweifel nicht unbegründet. Es ist mir gelungen, die Quelle, die Hagelgans benutzte, aufzufinden, nämlich ein Schreiben Philipps von Weilburg an seinen Bruder Johann von Saarbrücken von 1450, März 27 (Freitag nach Judica). Der Inhalt des Briefes ist dunkel; er behandelt Verhandlungen des Grafen Johann mit dem Erzbischofe von Trier, welche von Peter von Rittenhofen ge- führt werden, welche aber für die Pläne des Grafen kein Hindernis bilden sollen, und ein nicht weiter bezeichnetes kriegerisches Unternehmen. Graf Philipp schreibt seinem Bruder, „sein vetter Heinrich" habe Wiesbaden kürzlich verlassen, um sofort „by myn swager von Rodenmachern" und den von Am- berg zu gehen, um eine Einigung mit diesen zu Stande zu bringen. Nach dieser Verhandlung wolle sein „vetter Heinrich" sofort zu dem Herzog Friedrich, um diesen und „die andern" zu einer Zusammenkunft wegen des Zuges zu veranlassen; er Graf Philipp wolle mit den Linksrheinischen an dem- selben Tage ziehen.

Die in diesem Briefe zweimal auftretende Persönlichkeit wird vom Grafen Philipp einfach als sein Vetter Heinrich, der doch auch seines Bruders Johann

4*

56

Vetter war, bezeiclinet, es fehlt jede genauere Angabe über denselben, sodass wir in Ermangelung sonstiger Nachrichten in der Tbat nicht berechtigt sind, diese Stellen mit Hagelgans ohne weiteres auf den in Frage stehenden Grafen Heinrich von Wiesbaden zu beziehen. Dass Hagelgans aber noch w-eitere Angaben über diese dunkle Person gehabt haben sollte, machen seine eigenen Worte unglaubwürdig. Ist mit diesem Vetter Heinrich in der That ein Graf von Nassau gemeint, was übrigens nicht erwiesen ist, so kann nur an Graf Heinrich II. von Nassau-Breda (f vor 1450, November 19), gedacht werden, der seit dem Jahre 1448 mit dem Erzbischofe wegen der von dem Erzstifte rührenden Lehen in Vianden und Nassau in Streit lag und am 11. März 1450 mit dem Pfalzgrafen Friedrich und anderen Herren ein Bündnis mit einem Teile des Trierer Domkapitals eingegangen war, welches die Absetzung des Erzbischofs Jacob bezweckte.^) Der Inhalt des Briefes des Grafen Philipp von Weilburg vom 27. März 1450 passt vollkommen zu diesen Verhältnissen, sodass wir zu der Annahme berechtigt sind, dass mit dem dort genannten „Vetter Heinrich" dieser Graf Heinrich von der Linie Breda gemeint sei.

Mit dieser Annahme verlieren wir jede weitere Kenntnis von dem Leben des Grafen Heinrich von Nassau-Wiesbaden, dasselbe bleibt für uns völlig in Dunkel gehüllt und müssen wir uns damit begnügen, seinen Namen für die Stammtafel des Hauses gerettet zu haben.

Über des Grafen Heinrich Gemahlin Anna, aus dem Hause (Nebenlinie) der Grafen von Württemberg-Grüningen, war auch im Königlichen Haus- und Staatsarchiv zu Stuttgart nichts zu ermitteln.

b) Aufzeichnung über die Geburt der Kinder des Grafen Adolf IIL von Nassau-Wiesbaden und den Tod der Gemahlin desselben, der Gräfin

Marg-aretha von Hanau. 1504/)

1487, August 9. Anno millesimo quadringentesimo [octogesimo] septimo die Jovis nona Augusti sero post undecimam ex generosis et nobilibus Adolfo comite in Nassaw, domino in Wisbaden, generosissimi Augusti Maximiliani primi curtis magistro supremo et Marga- rete ex comitibus de Hanaw et Lichtenberg orta conthoralibus legitimis nata est Maria primogenita in arce Sonberg,^)

1490, Juli 19. Anno millesimo quadringentesimo nonagesimo die lune decima nona Julii hora septima nata est Anne ex hisdem parentibus in civitate Leiden provincie Ilollandie.^)

'') Ver^l. Arnoldi, Oranische Geschichte II, 169. ^) "Wenigstens vor 1507, da der Tüd des Grafen selbst nicht eingetragen. Die Aufzeichnung wird am gräflichen Hofe ent- standen sein, *) Der Geburtsort Sonnenberg bisher nicht bekannt. Ausserdem führt ilagel- gans noch eine zweite Tochter Anna auf, die frühzeitig gestorben sein soll. Den Beleg hier- für habe ich nicht gefunden. Behr setzt diese Anna in die erste Stelle in der Reilie der Kinder. ') Durch diese Angabo wird der Geljurtstag der Gräfin Anna festgestellt. Nach Hagelgans S. 3S, dem hier die neueren Genculugeii, namoiitlioh Hehr, folgen, war die- selbe um das Jahr 14K8 geboren.

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1492, April 26. Anno millesimo quadringontesimo nonagesimo secundo die Jovis viccsima sexta Aprilis hora i[uinta fere ex eisdem parentibus natus est Philippu3 primogenitus in Colonia Agrippina.®)

1504, Mai 26. Anno millesimo quingentesimo quarto vicesima sexte ilaii die Penthecostes sero infra sextam et septimam horas clausit ex- tremiim felicem recordationis nobilis ac generosa domina Margereta Comitissa in Nassaw et domina in Wisbaden ex Hauaw et Lichtenberg conthoralibus legitimis orta, cuius anima cum electis apud deura requiescat in sempiterna secula.

II. Alte Linie Saarbrücken.

1. Als den Geburtstag der Gräfin Elisabeth, Tochter des Grafen Johann IL und späteren Gemahlin des Herzogs Wilhelm von Jülich, geben die am Saarbrücker Hofe entstandenen Aufzeichnungen, so die Heinrichs von Nassau bei Kremer, Origg. Nass. H, 427, ausdrücklich den 10. Februar 1463 an. Da jedoch Elisabeth, wie urkundlich feststeht, am 12. Juni 1463 ihrem späteren Gemahl verlobt wurde, ist ersteres Datum von den späteren Genealogen bean- standet worden. So setzte Hagelgans S. 51 die Geburt um das Jahr 1458; KöUner, Geschichte von Saarbrücken, auf den 19. Oktober 1459, aber ohne anzugeben, wie er diesen Tag ermittelt hat. Die neueren Genealogen folgen meist Hagelgans, aber, wie es scheint, ohne Grund; Cohn und Behr geben das Datum nach Köllner.

Dass Elisabeth bereits in ihrem ersten Lebensjahre mit ihrem späteren Gemahle versprochen wurde, hat nichts Auffallendes; Fälle dieser Art stehen nicht vereinzelt da.

Dann haben wir für das Geburtsjahr 1463 weitere Zeugnisse, namentlich den Hausgenealogen Johann Andreae. Freilich hat Andreae die Aufzeichnung des Heinrich von Nassau benutzt, doch beruft er sich noch ausdrücklich auf die geschichtlichen Kollektaneen des Saarbrückischen Rats Samson Herzog, wenn er (im Saarbrücker Genealogienbuch) bei den Nachrichten über den Grafen Johann II. sagt: Anno 1463 ist ihm eine tochter geboren, montags Yalentini') getauft. Ist gewesen die Elisabeth, welche gleich im ersten Jahre irer geburt an Gülch versprochen wurde. Hiernach wird bezüglich des Geburtstages der Gräfin Elisabeth der obigen Angabe des Heinrich von Nassau zu folgen sein.

2. Nach dem Vorgang von Hagelgans findet sich fast in allen Stammtafeln als Geburtstag des Grafen Johann Ludwig der 19. Oktober 1472 angegeben. Alle vorliegenden handschriftlichen Quellen, wie Heinrich von Nassau, Johann Andreae u. a., geben übereinstimmend den 20. Oktober an; nur Köllner S. 222 hat diesen Tag aufgenommen.

") Auch des Grafen Philipp, des sogenannten Altherm, Geburtstag stand bisher nicht fest; Hagelgans S. 38 setzt die Geburt um das Jahr 1490; ihm folgt Behr, während Cohn das Geburtsdatum überhaupt fortlässt. ~) Februar 14.

o

58

Die Angabe von Hagelgans beruht offenbar auf einem Versehen; dem- nach ist in den Stammtafeln das Tagesdatum zu ändern.

Nebenbei soll hier die von Cohn in seiner Stammtafel wohl aus Versehen gemachte Angabe berichtigt werden, dass Töchter des Grafen Johann Ludwig Nonnen zu Ciarenthal bei Wiesbaden gewesen seien. Dieselben waren im Kloster Rosenthal bei GöUheim.

III. Linie Weilburg.

1. Nach Ilagelgans ist Graf Albrecht am 26. Dezember 1537 geboren. Hingegen giebt Johann Andreae den 14. Dezember an. Die Quellen für die widersprechenden Angaben sind nicht zu er- mitteln.

2. Graf Albrecht, des vorgenannten Grafen Albrecht Sohn, geboren den 19. März 1569, starb nach Angabe eines im Jahre 1627 auf- o-estellten Verzeichnisses der Kinder des Grafen Albrecht am 2. Januar 1571. Das Todesjahr 1570 bei Hagelgans, dem alle Genealogen, namentlich Cohn und Behr folgen, ist wohl Druckfehler.

3. Als den Hochzeitstag des Grafen Wilhelm und der Gräfin Erica von Isenburg giebt das ebengenannte Verzeichnis den 1. Februar 1Ö96 an, offenbar richtiger als das von Cohn und Behr den Ehe- pakten entnommene Datum, Januar 29. Hagelgans hat durch Versehen sogar den 12. Januar.

4. In demselben Verzeichnisse ist als Hochzeitstag des Grafen Johann Kasimir und der Landgräfin Elisabeth von Hessen angegeben der 15. Dezember 1600, welchen Tag auch Hagelgans aufgenommen hat. Cohn hat jedoch das Datum 9. Mai 1601, Behr sogar den 10.;20. Mai.

5. Der Hochzeitstag der Gräfin Anna Amalie und des Grafen Otto von Solms-Sonnenwalde ist 7. September 1581, nicht wie bei Hagel- gans, dem alle Genealogen folgen, wohl durch Druckfehler 9. Sep- tember.

6. Die Gräfin Katharina ist am 10. Dezember 1583 geboren, nicht am 6., wie Hagelgans, vermutlich durch Druckfehler, und nach ihm Neuere.

7. Gräfin Anna Sybilla ist am 28. Mai 1575 geboren; 25. Mai bei Hagelgans ist wohl Druckfehler.

8. Gräfin Anna Eleonore ist nicht am 20. März, wie Cohn und Behr angeben, sondern am 9. September 1602 geboren. Der Irrtum ist durch die richtige Angabe bei Hagelgans S. 65, dass sie nach dem am 29. März 1602 erfolgten Tode ihres Vaters geboren sei, entstanden! Der Geburtstag selbst fehlt bei Ilagelgans.

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0. Don ToJestag der Gräfin Anna Sabina, Tochter des Grafen Ludwig, Gründonnerstag des Jahres 1593, setzen Cohn und Behr nach dem Gregorianischen Kalender auf den 15. April. Dies ist irrig, da allen gleichzeitigen Aufzeichnungen über Geburts- und Sterbetage in der gräflichen Familie, welche Hagelgans für seine Stammtafel benutzt hat, der alte Styl zu Grunde liegt. In dem vorliegenden Falle ist das Datum Gründonnerstag nicht auf den 15. April, sondern nach altem Styl, also auf den 12. April, zu reduzieren.

Bei dem Gebrauch der Stammtafeln von Hagelgans ist überhaupt zu beachten, dass die Tagesdaten von ihm in der Regel nach dem alten Styl angegeben sind.

10. Die Angabe der Genealogen, dass Graf Georg Adolf am 19. De- zember (A. St.) 1595 geboren sei, beruht auf einem Lesefehler von Hagelgans. Der Geburtstag ist der 19. Oktober.

11. Bei Cohn ist als Geburtstag der Gräfin Dorothea der 12. Februar 1605 angegeben, wohl infolge eines Versehens. Ilagelgans hat richtig den 21. Februar; ihm folgt Bohr.

lY. Linie Idstein.

a) Über die Gedenktage in der Familie des Grafen Johann haben wir dessen eigenhändige Aufzeichnungen, welche zu der von Ilagel- gans verbreiteten Stammtafel nachfolgende Berichtigungen und Er- gänzungen ergeben.

1. Die erste Gemahlin des Grafen, Sybilla Magdalena von Baden, starb zu Strassburg in der Xacht vom 24. ,'25. Dezember 1644. Ilagelgans und nach ihm spätere Genealogen, wie Cohn und Behr, geben als Todestag den 22. Juli an. Dieser Irrtum ist durch Verwechselung des Todestages mit dem Gebuitstage 22. Juli 1605 veranlasst.

2. Gräfin Anna Ottilie ist zu Idstein geboren.

3. Das Beilager des Grafen mit seiner zweiten Gemahlin Anna von Leiningen- Dachsburg, geboren den 15. Mai 1625, war nicht am 10., sondern am 6. Dezember 1646. Den 10. Dezember hat Hagelgans und nach ihm Cohn, dieser allerdings mit einem Frage- zeichen, und Behr.

4. Gräfin Eleonore Luise starb im Alter von 23 Jahren 9 Monaten 4 Tagen am 13. März 1673, nicht aber am 31., wie Hagelgans aus Versehen. Cohn und Behr wie Hagelgans.

b) Fürst Georg August.

Den Todestag der Prinzessin Charlotte Eberhard ine giebt Hagel- gans und nach ihm Behr richtig mit dem 6. Februar 1693 an, Cohn irrig 5. Februar.

60

V. Linie Usingen.

Graf, später Fürst Walrad, ist am 24. Februar 1635 geboren. Hagel- gans, dem fast alle späteren Genealogen, auch Vogel und Menzel, VI, 515') folgen, hat wohl aus Versehen den 25. Februar. Aus welcher Quelle jedoch Behr die Angabe des 7. Mai als Geburtstag hat, ist unerfindlich.

») Hier iat ausserdem der Xame der ersten Gemahlin Walrads „Prinzessin Croix" in Croy zu bessern.

49

von Gevertzhagen zeige. Nach den vorstehenden Ausführungen kann wohl kein Zweifel darüber sein, da33 dieses Wappen nicht das dort angenommene, sondern vielmehr das der Advocati de Hachenburg ist, und zwar wohl das des vor- stehend behandelten Heinrich IL, zu dessen Lebzeiten im Jahre 1243

der Bau der 1324 eingeweihten Klosterkirche begonnen wurde. Wie schon Heinrichs Mutter Guda 1227 eine Kapelle an der Stelle bei dem Kloster, wo der blühende Weissdornstrauch gefunden, hatte bauen lassen, wird auch der kinderlose Heinrich 11. dem Kloster wohlgesinnt gewesen sein und es nament- lich nicht an einer thatkräftigen Förderung des unter seinen Augen begonnenen mächtigen Kirchenbaues haben fehlen lassen.

Nachtrag.

Zu Seite 25 ist nachzutragen, dass Kraft Y. zuerst in der Seite 16, Note 52 angeführten Urkunde vom Xovember 1281 Vergleich des Hauses Greifenstein mit dem Stifte zu Bonn wegen der Güter zu Kroppach erwähnt wird;

desgl. zu S. 36, dass Rorich von Greifenstein in derselben L^rkunde zum ersten- male genannt wird.

50

Staiti]

Dynasten von Beilstein und von Greifenstein mit den Fori

Beilstein - Greifenstein.

[?Meribodo von Greifenstein, 1160].

Kraft I. 1129. 1141.

Kraft II.

X. Sohn.

N. Tochter,

1195. 1229.

Gemahl N. von Cransberg

1227.

Irmgard.

9

Rudolf von Guda 1227;

Krafto III.

Grreifenstein stirbt 1270,

1234.

1226. 1255. September 8?

Gemahl:

7 kinderlos.

^

Heinrich IL,

Vogt von Hachen-

burg

1220—1276.

Gemahlin

Irmgard 1261.

Kraft IV.,

1255 Herr zu

Greifens rein,

stirbt unverraählt

1283 vor

Oktober 27.

N. Tochter,

Gemahl Gerlach

von Isenburg-

Limburg

1267. 1273.

Elisabeth,

1276 Kellerin

zu Kloster

Seligenstatt.

Geschwister.

Elisabeth, tot 1261-'

Kraft V.

von Greifenstein 1281,

t anfangs 1326,

Gemahl: X. Schoneweder

zu Köln?

Rorich von Greifenstein 1281. 1287. 1290.

Ropert I.

von Greifenstein

1300. 1303.

Irmgard, Gemahl:

1. um 1294 Hildeger Heinrich Birklin zu Köln,

2. 1309 Graf Dietrich III. von Limburg.

Johann I.

von Greifenstein

1330. 1333.

Johann IL von Greifenstein zu Steinebach.

Ropracht IL von Greifenstein

1374—1408.

Gemahlin 1408

Nese.

Elisabeth 1408.

aus 1. Ehe:

Hildeger, Ropracht Kraft und Kraft

Birklin zu Köln.

afel

51

gen Hachenburg-rireifenstein und Tsenburg-Greifenstein.

Advocati de Hachenbupgf.

dominus Heinricua (I.) advocatus de- Westerburg c. 1200, 1220?

inus Roricus parvus advocatus le Hachenburg 1215, 1222, t 1228, Februar 24?

Gerhard I. on Greifen- stein 1281,

tot 1325, remahlin 1294 .gnes (yon der Neuerburg?).

Philipp

von Greifenstein,

Domherr zu

Köln 1297. 1306.

Christian

von Greifenstein

1297. 1305.

lard II. von Greifenstein 1300. 1317, tot 1325.

?nes 1325. 1332. 1363. Gemahl: raf Engelbert von Sayn, f 1336, dolf von Oclershausen.

Kraft

Wigand

von Greifenstein,

Abt

zu Marienstatt

1299—1328.

Gertrud von Greifenstein,

Nonne zu Vilich 1311.

aus 1. Ehe: Johann von Sayn, der Junker von Greifenstein.

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Erklärung der Siegeltafel.

1. Rudolf von Greifenstein, 1255. SiegelbilJ zweifelhaft f Sigillum

Rudolfi de Grifenstein (vergl. S. 7).

2. Heinrich Vogt von Hachenburg, 1270. In einem mit Lilien be-

streuten Felde drei schriigrechts gestellte Rauten. f S. Henric[i . advoca]ti . de . Hachinberg (vergl. S. 48).

3. Gerhard von Greifenstein, 1287. Wappenschild wie bei No. 2.

t S. Gerardi . de . Grifinsthen (vergl. S. 16).

4. Philipp von Greifenstein, 1299. Wappenschild wie bei No. 2.

t S. Phil[iplpi . de . Grifensteyn (vergl. S. 21).

5. Kraft V. von Greifenstein, 1300. Im Schilde zwei schraffierte Quer-

balken, bedeckt mit einem fünflatzigen Turnierkragen. [f SigilUum . Craftonis . de Grifens[thlein (vergl. S. 29).

6. Derselbe, 1314. Wappenschild wie bei No. 5. f S. Craftonis . de .

Grifenstein * (vergl. S. 32).

7. Johann von Greifenstein, 1330. Wappenschild wie bei No. 5, hierzu

als weiteres Beizeichen eine Gleve zwischen beiden Querbalken. t S. Johannis . de . Grifinsteyn (vergl. S. 34).

8. Derselbe, 1333. Wappenschild wie bei No. 5. j S. Johannis . de .

Gryfsteyn (vergl. S. 34).

9. Roprecht Kraft Birkelin, 1330. Gevierteter Schild; im 1. und 4.

Felde das Wappen Greifenstoin wie oben No. 5, im 2. und 3., nicht aber im 1. und 4.. wie aus Versehen oben S. 36 angegeben, ein aufrechtstehender Bär, das Wappen des Geschlechts Birklin. t S. Ro- perti . dci . Birkelin.

10. Rupert von Greifenstein, 1371. Wappenschild wie bei No. 5.

t S. Roprecht . van . Grifensteyn (vergl. S. 35).

11. Ganerbschaft Seibach, 1300. Im verzierten Siegelfelde drei schriigrechts

gestellte Rauten. f S. [unilversitatis . de . Selbac (vergl. S. 44).

12. Ludwig Walpodo von der Neuerburg, 1256. Im Wappenschilde

drei schriigrechts gestellte Rauten. f S. Lu[devlici . Walp[od]oni3 . de . Novo [Casltro (vergl. S. 40).

13. Ernst von Virneburg, 1256. Im verzierten Felde drei gleichfalls ver-

zierte schrägrechts gestellte Rauten. j Sigill. Ernesti . de . Verne- [burlch (vergl. S. 41).

14. Rorich von Burbach, 1336. Im Schilde drei schriigrechts gestellte

Rauten. S. Rorici de Burchbach militis (vergl. S. 45, sowie Phi- lipp i, Siegener Urk.-Buch No. 213).

Regierungspräsident Karl von Ibell

über die preussisehe Politik in den Jahren 1830 u. 1831.')

Ein Beitrag zur diplomatischen Geschichte

von

Dr. C* Spielmann*

Karl von Ibell, bis zum Jahre 1820 nassauischer Regierungspräsident, war nach längerem Verweilen im Privatstande im Jahre 1828 in einer seiner früheren entsprechenden Stellung in hessen-homburgischen Staatsdienst überge- gangen. Ein widriges Schicksal vergönnte es dem reichbegabten Manne nicht, seine Kräfte in der Verwaltung eines grösseren Staates zu verwerten ; so suchte er denn mit dem ganzen Eifer der gewohnten Thätigkeit sich der Reorganisation der gesamten sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Ländchens, dessen Behörden er vorstand, zu widmen.

Er trat in einer bewegten Zeit in diese Thätigkeit ein. Die preussisehe Regierung war eben im Begriffe, das grosse Einigungswerk Deutschlands auf wirtschaftlichem Boden ins Leben zu rufen, durch die Gründung eines allge- meinen Zollvereins die materiellen Interessen zu fördern, um so indirekt zur Hegemonie im deutschen Bunde zu gelangen. Schon im Jahre 1818 hatte Preussen für seine eigenen Landesteile ein einheitliches Grenzzollsystem ein- geführt, in den folgenden Jahren eine Anzahl enklavierter Kleinstaaten zum Anschlüsse gewonnen oder gezwungen und dann 1828 mit dem Grossherzog- tume Hessen den preussisch-hessischen Zollbund abgeschlossen. Das Vorgehen des norddeutschen Grossstaats erregte die mittel- und süddeutschen Staaten; einesteils erblickten sie darin eine Bedrohung ihrer ängstlich gehüteten Sou- veränetät, andernteils wieder sahen sie die praktische Bedeutung derartiger Zollverbindungen ein. So schlössen denn in demselben Jahre Bayern und Württemberg einen Sonder-ZoUverein untereinander ab, und es bildete sich (schon vorher) der mitteldeutsche Handelsverein, dem Sachsen, die thüringischen Staaten, Kurhessen, Nassau, Hannover, Braunschweig, Oldenburg, Lippe, Bücke- burg und Waldeck beitraten. Es entstand unter den deutschen Staatsmännern

^) Die im Folgenden angeführten Aktenstücke ruhen im Archive der Familie von Ibell. Für die gütige Überlassung schulde ich Herrn Oberbürgermeister Dr. von Ibell zu Wies- baden verbindlichen Dank.

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eine Spaltung; die einen waren für, die analeren gegen Preiissen; die Weiter- blickenden konnten sich der Anschauung nicht verschliessen, dass im Anschhisse an die genannte Macht und ihre Bestrebungen das Heil der Zukunft beruhte und dass über kurz oder lang der wirtschaftlichen Frage alle anderen notwendig zum Opfer fallen müssten. Unter den Einsichtigen, deren Zahl nicht gross war, befand sich auch der Regierungspräsideut Ibell, der von vornherein ein überzeugter Anhänger der preussischeu Zollpolitik war und für diese lange Zeit hindurch, direkt und indirekt, nach Kräften gewirkt hat.

Die Landgrafschaft Hessen-Homburg bestand aus zwei Teilen, einem grösseren, vor der Höhe (Taunus) liegend, und einem kleineren, dem Amte Meisenheim an der Xahe. Sobald Ibell in homburgische Dienste getreten war, betrieb er den Anschluss des Läudchens an den preussisch-hessischen Zollverein. Er sah aber wohl ein, dass bei der dem Hauptteile eigentümlichen Industrie (Strumpfweberei) und auch mannigfacher anderer Umstände halber, die Durch- führung der Absicht vorläufig ohne Schaden der Unterthanen nicht möglich wäre, wogegen es für Meisenheim nur von Nutzen sein konnte, wenn sein Beitritt erfolgte. Der Präsident befand sich in seiner privaten Eigenschaft als Sachwalter der Fürstin Amalie von Auhalt-Bemburg-Schaumburg wider den Fürsten Alexius von Anhalt-Bernburg im Schaumburg-Holzappeler Successions- Prozesse während des Winters von 1828 auf 1829 in Berlin. Hier trat er in Verbindung mit dem leitenden Staatsminister, dem Grafen Christian von Bern- storflF, wurde in Hofkreisen eingeführt und hatte Gelegenheit, auch mit dem Könige Friedrich Wilhelm III. direkt zu verkehren. Auch der Minister von Motz, der Vater des deutschen Zollvereins, wurde mit Ibell bekannt, und hier scheint zwischen beiden Staatsmännern die Vereinbarung getroffen worden zu sein, dass Meisenheim dem preussisch-hessischen Zollvereine beitreten solle. Es ^'eschah dies denn auch am 29. XH. 1829. Der homburgische Präsident, dessen staatsmännische Begabung bald auffiel, hiuterliess in Berlin einen ausser- ordentlichen Eindruck. Für seine Bemühungen um die Förderung der preus- sischeu Zollpolitik erhielt er damals vom Könige den erblichen Adel. Wahr- scheinlich traf Ibell in Berlin auch mit dem preussischen Generalpostmeister und Bundestasrsgesandten von Nauler zusammen und es wurde hier der Grund gelegt zu einem freundschaftlichen Verkehre zwischen beiden Männern, wie sol- cher aus ihrem Briefwechsel hervorgeht. Soviel steht fest: in der nachfolgenden stürmischen Zeit hat Xagler in wichtigen politischen Fragen Ibell oft zu Rate ge- zogen, und des letzteren Ratschläge sind mitunter bestimmend für ihn gewesen.

Bernstorff' und Xaglcr sind bis in die letzte Zeit oft Gegenstand der Ver- kennung vonseiten der liberalen Geschichtschreibung gewesen.') Aber nach den neuesten Forschungen steht es fest, dass sie keineswegs weder überzeugte Anhänger noch blinde Exekutoreu des Metternichianismus und seiner Deckel- drauftheorie waren. Vielmehr erscheint der leitende prcussische Staatsminister meistens in direktem Gegensatze zu seinen österreichischen Kollegen, und ebenso kam auch der Widerspruch zwischen den politischen Anschauungen der beiden

^) Braun, Bilder aus der deutschen Kleinstaaterei, Neue Füljje, II. Bd., S. 247 ff.

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Bundestagsgesandten der Grossmächte, von Nagler uud Graf von Miinch-Bolling- hausen, oft zur Geltung. Namentlich war dies der Fall in der Zeit, in die wir nunmehr eintreten.')

Es war das Sturmjahr 1830.') Ein Blitz aus heiterem Himmel nach- dem die Wogen der griechischen Erhebung im Südosten Europas sich gelegt hatten und der moskowitische Feldzug gegen das Osmanenreich siegreich be- endigt worden war schreckte die zweite französische Revolution (27. VII. 1830), die den legitimistischen Thron in Trümmer schlug, die heilige Allianz aus ihrem Schlummer auf, in dem sie seit den Kongressjahren geruht hatte. Das monarchische Gottesgnadentum zitterte und sah mit Entsetzen den Roi-Bour- geois, „den Strassenkönig", auf den Thron der Bourbonen, „nicht weil, sondern obgleich ein solcher", steigen. Zugleich schien dem Absolutismus die Entladung der kriegerischen Revolution nach aussen, wie vor vier Jahrzehnten, nahe. Man war zuerst ratlos, was zu thun sei, und es zeigte sich jetzt so recht die innere Haltlosigkeit des gepriesenen heiligen Bundes. König Friedrich Wilhelm war der erste, sozusagen sofort Gefasste; er erklärte jedem Angriffe der Franzosen auf den deutschen Bund mit Waffengewalt entgegentreten zu wollen, in eine Einmischung in die französischen Verhältnisse jedoch nicht zu willigen. Kaiser Franz mochte nicht von einer solchen reden im Hinblicke auf den elenden Zu- stand seines Kriegsheeres; nur Zar Nikolai, den die Erfolge des türkischen Feldzuges aufgeblasen gemacht hatten, drang auf einen Offensivkrieg. Da nun aber der Bürgerkönig seine Friedensliebe beteuerte, kam Preussen auf den Gedanken, dessen Bestätigung durch d-e Mächte unter Vorschreibung der künftigen Politik zu beantragen. Allein da machte das Kabinett von Saint- James einen Strich durch die Rechnung der übrigen Mächte; es erkannte den neuen König der Franzosen ohne Vorbehalt an. Notgedrungen folgten nunmehr Preussen, dann Österreich und die kleinen Bundesstaaten; nur Russland grollte. Der heilige Bund aber war seitdem zersprengt.

Kaum war so einigerraassen Beruhigung eingetreten, als die Revolution in Brüssel ausbrach (25. VIII. 1830), die das diplomatische Kunstwerk des Wiener Kongresstisches, das Königreich der vereinigten Niederlande, in zwei natürliche Teile riss. Und nun brauste der Sturm auch nach den deutschen Kleinbundesstaateu hinüber, die vielfach unter dem Absolutismus und seiner Missregierung schwer zu leiden hatten. Am 7. IX. 1830 verjagten die Braun- schweiger ihren sultanischen Herzog Karl; am 15. IX. 1830 erhoben sich die Kurhessen gegen die Maitressenwirtschaft des Kurfürsten Wilhelm, am 9. IX. 1830 die Sachsen gegen das Jesuitenregiment unter König Anton, und auch im Grossherzogtume Hessen, in der Wetterau, entstanden (wenngleich nicht antidynastische) Krawalle, die aber rasch unterdrückt wurden. Die kurhessische und die sächsische Frao-e erledisrten sich in der Fols-e von i^elbst durch die Ernennung der Thronfolger zu Mitregenten und durch die Verkündigung einer

') Später ma^ Xa^^Ier wieder mehr in österreichisches Fahrwasser gelenkt haben. *) Das Folgende nach neueren zeitgeschiclitlichen Werken, insbesondere Treitschke, Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhunderte, Bd. 4.

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Verfassung; die braunseh weigische dagegen schwebte noch mehr als ein halbes Jahr. Denn trotz seiner notorischen Regierungsunfähigkeit galt der Herzog den konservativen Häusern als der einzige legitime Herrscher und der her- beigerufene Regent, sein Bruder Wilhelm, als unberechtigt. Die preussische Regierung allein setzte sieh in Anerkennung des natürlichen Sachverhalts über das Prinzip der Legitimität kurzer Hand hinweg, indem sie zum Erstaunen der übrigen die Absetzung Karls beim Bundestage beantragte und insgeheim den Herzog Wilhelm zur Selbsterklärung als Herrn des Herzogtums vermochte. Nach langem Schwanken trat am 20. lY. 1831 der Bundestag der Anerkennung des neuen Bundesfürsten bei.

Und wie im Innern, so griff auch im Ausseren die preussische Politik kräftig durch. Die belgische Revolution hatte die Parteien am Köuigshofe schroff geschieden; es gab eine Kriegspartei, an deren Spitze der Herzog Karl von Mecklenburg, des Königs Schwager, stand, zu der Feldmarschall Gneisenau, General Clausewitz u. a. m. hielten, und die für einen neuen Kriegszug durch die Champagne schwärmte. Auch Prinz Wilhelm der Jüngere (der spätere deutsche Kaiser) war für einen vorbeugenden Krieg, ehe die Rache der Revo- lution erfolgen könnte. Der russische Zar sandte zur Schürung der Kriegs- leidenschaft den Osmanenbesieger Feldmarschall Diebitsch nach Berlin. Aber unerschütterlich hielt Graf Bernstorff, obwohl körperlich durch Krankheit ge- schwächt, an seiner Friedenspolitik fest und hatte dabei die festeste Stütze an dem alten Könige selbst, der nicht leichtfertig und grundlos einen allgemeinen Weltbrand heraufbeschwören wollte. x\.uf Bernstorffs Anraten lud England die Mächte zur Schlichtung der belgischen Frage zu einem Kongress nach London ein (Oktober 1830), den auch Preussen, Österreich und Frankreich alsbald be- schickten. An den Zaren aber, seinen Schwiegersohn, richtete König Friedrich Wilhelm einen mahnenden Brief, in welchem er ihm im Kriegsfalle die leicht mögliche Erhebung der Polen prophezeite.

Nichtsdestoweniger dachte die preussische Regierung jeder etwaigen In- vasion von Westen her kräftig vorzubeugen. Bereits im September von 1830, als der König Wilhelm der Niederlande die preussische Hilfe anrief, wurde das vierte (sächsische) Armeekorps mobil gemacht und zu dem achten (rheinischen), das ebenfalls kriegsbereit war, hinübergeschafft; doch das geschah nur in defen- siver Absicht. Die französisch-belgische Revolutionspropaganda versuchte ins- geheim auch in den Rheinlanden sich Anhänger zu verschaffen, aber sie gewann keinen Boden; der Generalgouverneur Prinz Wilhelm der Altere konnte berichten, die Rheinländer verhielten sich durchaus ruhig, und sie thaten das auch, obsehon sie noch immer der versprochenen Verfassung harrten. Die preussische Regierung schonte übrigens weise die eigentümlichen Einrichtungen, indem sie die um wenige Zeit später ins Leben tretende revidierte Städte- ordnung nicht aufzwang, sondern die bisherige (französische) daneben be- stehen liess.

Mittlerweile war aber doch ein deutsches Bundesland, das Gros&herzogtum Luxemburg, von der Revolution ergriffen worden. Binnen kurzem war das ganze Land in den Händen der belgischen Regierung, die sieh nach Vertreibung

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der Holländer zu Brüssel konstituiert hatte. Nur die Bundesfestung selbst, in der der Gouverneur, General Laudgraf Ludwig von Hessen-Homburg, die preussische Besatzung befehligte, und ihre nächste Umgebung blieb noch von den Unruhen verschont. Auch auf der Londoner Konferenz gab sich bald der demokratische Doktrinarismus, hier vertreten durch die Franzosen, in bedenklicher Weise kund. Noch bevor dies zu Tage treten konnte, am 18. IX. 1830, hatten Graf Münch und Nagler die Bundestagsgesandten zu einer Besprechung versammelt, als deren Resultat der Beschluss der Aufstellung eines Bundesarmeekorps bei Frankfurt und der Entsendung fliegender Kolonnen durch Mitteldeutschland gefasst wurde. Diese Massregeln erschienen dem Fürsten Metternich nicht aus- reichend; er verlangte schärfere. Graf Bernstorff dagegen wollte von solchen durchaus nichts wissen, und seiner Mässigung war es zu danken, dass unterm 21. X. 1830 der Bundesbeschluss zustande kam, der sich darauf beschränkte: 1. die Bundesstaaten sollten im Kriegsfalle oder bei innerer Bedrohung sich gegenseitig militärisch unterstützen, 2. die Bundestagsgesandten sollten um- fassende Vollmachten erhalten, 3. die Zensur sollte strenger gehandhabt werden. Der Bundestag sprach aber andererseits die Zuversicht aus, die Regierungen würden die Wünsche der Unterthanen hören und ihnen landesväterlich entgegen- kommen. Auf diesen Punkt wies der Vortrag Naglers ausdrücklich hin; an das braunschweigische Beispiel anknüpfend, führte der preussische Gesandte aus, dass auch andere Souveräne ihren Bundespflichten, namentlich was die Errichtung von Landständen beträfe, nicht nachgekommen wären.

Auf die Kunde von den luxemburgischen Unruhen hin liess König Friedrich Wilhelm unterm 10. XL 1830 an den leitenden Staatsminister die Aufforderuns" er- gehen, ihm nach sorgfältiger Meditation alle Massnahmen, die unbedingt notwendig wären, ausführlich mitzuteilen.') Gleichzeitig sandte er zw^ei MilitärbevoU- mächtigte, den General von Röder nach Wien und den General Rühle von Lilienstern an die süddeutschen Höfe (Dezember 1830), um dort Vorschläge für den Fall eines auswärtigen Krieges zu unterbreiten. Demnach sollten, wenn jener Fall einträte, drei Heere aufgestellt werden: ein preussisches an der Mosel, ein süddeutsch-preussisches am Oberrhein und ein österreichisches in Schwaben; die Bundesfeldherrnschaft sollte Preussen übertragen werden. Die Verhand- lungen darüber w^urden endlos, und während der Zeit ereignete sich ein grosser Umschwung in den pohtischen Verhältnissen. Die asiatische Cholera brach über das Moskowiterreich herein und löste dort alle Bande der Ordnung. Der Aufstand in Warschau (29. XL 1830) und die folgende Erhebung Polens legte die zarische Politik lahm, nahm aber auch die Hälfte der preussischen Heeres- macht unter Feldmarschall Gneisenau an der Ostgrenze in Anspruch. Bald darauf verkündete (20. L 1831) der Londoner Kongress die Trennung Belgiens von Holland, und die Belgier wählten Herzog Ludwig von Nemours, den zweiten Sohn Ludwig Philipps, zu ihrem Könige. Frankreich erhob gleichzeitig An- sprüche auf Kompensationen und verlangte die Neutralisierung Luxemburgs;

^) Angeregt hatte die Frage eine Denkschrift, die durch Herzog Ernst I. von Saehsen- Koburg und -Gotha dem Könige zugesandt worden war.

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grosse Ileeresmassen wurden zur Unterstützung der Forderungen in Lothringen zusammengezogen.

Darauf antwortete Preussen durch sofortige Mobilisierung des sächsischen, westfälischen und rheinischen Armeekorps. Die Franzosen, die Preussen als Hauprgegner erkannten, liessen geheime Anfragen an die süddeutschen drei grössten Höfe ergehen und auf eine Wiederherstellung des Rheinbundes hin- deuten. Allein die Souveräne von Baiern, Württemberg und Baden berichteten über diese Machinationen getreulich nach Berlin. Bald darauf verwarf auch der Kongress zu London die Wahl des orleanistischen Prinzen und forderte zur Neu- wahl auf, aus der dann der Prinz Leopold von Sachsen-Koburg hervorging, der sofortige Anerkennung durch die beteiligten Mächte fand. Auch Frankreich fügte sich. Als aber der König der Niederlande, unzufrieden, bei der Auf- stellung der Verfassung des neuen Staates nicht mitgehört worden zu sein, sein Heer ins belgische Gebiet einrücken Hess und die Belgier allenthalben besiegte, da erklärte Frankreich, militärisch intervenieren zu müssen. Nachdem seine Armee unter Marschall Gcrard die Holländer aus dem neuen Königreiche hinausgeworfen hatte, zog sie sich anstandslos wieder zurück. Am 14. X. 1831 wurde dann die neue Verfassung in einer Holland genehmeren Weise verkündet. Unglücklicher als diese französische Expedition verlief die Bundesexekution, die der Bundestag unterm 18. IH. 1831 gegen die luxemburgischen Empörer be- schloss. Sie kam vielmehr gar nicht zustande, da niemand die Kosten für Ausrüstung und Verpflegung der Truppen übernehmen wollte.

Unterdessen hatte Graf Berustorff seinen Vortrag ausarbeiten und dem Könige unterbreiten lassen. Das denkwürdige Aktenstück, das die Grund- züge von Preussens deutscher Politik, wie sie seitdem verfolgt wurde, ent- hält, lautet"):

„Euer Königlichen Majestät allerhöchste Order vom 10. Nov. v. J. hat mir zur Pflicht gemacht, die Fragen: durch welche Mittel die Ruhe im Innern von Deutschland für den Fall eines unvermeidlichen auswärtigen Krieges über- haupt sicher zu stellen sey? insbesondere aber, auf welche Art und Weise Preussen seine Stellung und seinen Einfluss in Deutschland für die Erreichung dieses Zieles und zur Abwendung übler Folgen der stattfindenden Aufregung und Störung der Verhältnisse in den deutscheu Nachbarstaaten zu benutzen haben werde? einer näheren Erörterung zu unterziehen und Allerhöchstdenen- selben einen hiernach zu entwerfenden Plan vorzulegen, der für besorgliche Fälle als Richtschnur des eigenen Verhaltens dienen könne.

Nach einer durch meinen anhaltenden Kraukheitszustand verursachten Ver- zögerung, welche ich allergnädigst entschuldigen zu wollen bitte, kann ich erst jetzt, unter Berücksichtigung der inzwischen eingetretenen, bei der Lösung dieser meiner Aufgabe in Betracht zu ziehenden Gestaltung der Verhältnisse, Euer Königlichen Majestät liuldreichem Befehle, soweit es in meinen Kräften steht, nach bester Ueberzcugung mittelst gegenwärtigen unterth. Vortrags Folge zu leisten suchen.

") Das Fül'^cnde nach ilen Akton des von Ibcllisoljon Faniilienarohivs.

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Eine Thatsache, von welcher ich dabei auszugehen habe, ist die sich durch vielfache Erscheinungen in mehreren deutschen Ländern unverkennbar ankündigende Fortdauer derjenigen Aufregung der Gemüther, welche, her- vorgerufen durch den Eindruck, den die, in Frankreich und Belgien ausge- brochenen Revolutionen nach allen Seiten hin verbreiteten, wie eine epidemische Krankheit ansteckend um sich griff und besonders im September und Oktober v. J. an mehreren Punkten Deutschlands Unruhen der ernstlichsten Art er- zeugte. Die auffallende Ähnlichkeit des Übels und seiner Wirkungen mit einer Epidemie zeigt sich nächst der Ansteckung, wodurch sich dasselbe fortpflanzte, auch in der fieberhaften Natur der damit verbundenen Bewegungen. Tiefere Ursachen der besonderen Empfänglichkeit für jene Ansteckung liegen mehr oder minder in dem, die gegenwärtige Zeit überhaupt karakterisirenden Mangel an Uebereinstimmung und Festigkeit der moralisch-religiösen Ueberzeugungen, die mit den politischen Gesinnungen so wenig zusammenhängen; in der nicht abzuleugnenden Verworrenheit, Unsicherheit und Verunstaltung der Begriffe von der obrigkeitlichen Gewalt und von der Heiligkeit des Eides; in einer dieselbe begleitenden falschen Richtung der, diesen Begriffen entsprechenden Gefühle. Ob die hier bezeichneten Ursachen gerade in den deutschen Staaten, wo die ansteckende Wirkung der französischen und belgischen Unruhen sich zunächst und am heftigsten geäussert hat, vorzugsweise und mehr als in anderen Theilen Deutschlands vorwalten, will ich dahingestellt seyn lassen; gewiss aber und no- torisch ist es, dass schon vor dem durch die fraglichen Unruhen gegebenen starken Impulse zur Aufregung der Gemüther und zwar längere Zeit vorher in den eben gedachten Staaten eine Unzufriedenheit herrschte, aus welcher sich die dortige grössere Empfänglichkeit für die Ansteckung zunächst und am Ein- leuchtendsten erklärt.

Zu den auf einzelne deutsche Staaten beschränkten Ursachen der Un- zufriedenheit kommen ferner noch die mancherlei Missverhältnisse hinzu, die als eine natürliche Folge der Trennung Deutschlands in viele Staaten vorzüglich dadurch fühlbar werden, dass sie sich gemeinsamen Einrichtungen und Anordnungen für das Ganze, deren Bedürfniss hier mehr und dort minder lebhaft empfunden wird, entweder durchaus hemmend entgegenstellen oder die- selben doch dergestalt erschweren, dass sie nur unvollkommen ins Leben geführt werden können. Man will den Hoffnungen auf solche Beförderungs- mittel der allgemeinen Wohlfahrt nicht entsagen, man wird ungeduldig über die Entbehrungen oder Belästigungen, die ihr Mangel oder ihre Unvollkommen- heit, wirklich mit sich bringt, man übertreibt auch wohl in den Schilderungen, die davon gemacht werden, den Umfang und den Grad der wirklichen vor- handenen Bedrängniss; und so entsteht unter dem Zusammenwirken aller (abgedachten Umstände ein unbestimmtes Verlangen nach einer Veränderung der jetzigen Gestalt der Dinge, welches sich bei willkürlicher Verfolgung dieses Ziels, so warnend auch die Lehren sind, welche die neue Geschichte hierüber giebt, doch nicht abhalten lassen will, mit Benutzung jedes dargebotenen An- lasses selbst in ungesetzliche Thaten und grobe Exzesse auszubrechen. Muss schon der gegenwärtige, eben in allgemeinen Zügen dargestellte Zustand

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Deutschlands nicht geringe Besorgnisse für dessen innere Ruhe erwecken, so finden dieselbe noch reichlichere Nahrung in dem Gedanken an die Mög- lichkeit eines nahe bevorstehenden Krieges mit dem Auslande; da bei dessen Verwirklichung während man Streitkräfte, die zur [Tnterdrückung innerer Aufstände dienen könnten, gegen den auswärtigen Feind zu verwenden hätte, zugleich neue Lasten und Entbehrungen eine Steigerung der Unzufrieden- heit herbeiführen würden, wenn einerseits zur Ueberwindung des Feindes eine grössere Anstrengung mit Gut und Blut von Unterthanen gefordert werden müsste, die sich nach Erleichterung ihres jetzigen Druckes schon sehnen, andererseits aber die, in Begleitung jedes Krieges eintretende Hemmung des Verkehrs den Ertrag ihrer Erwerbszweige besonders zum Nachtheile der, vor- zugsweise in den Städten wohnenden industriellen Volksklasse empfindlich ver- mindern dürfte.

Wie gegründet indessen auch jene Besorgnisse seyn mögen, so rechtfertigen sie doch keine Zweifel an dem Vorhandenseyn und der Wirksamkeit von Mitteln, dem drohenden Unheil vorzubeugen oder seine ferneren Ausbrüche mit Erfolg zu bekämpfen, selbst im Falle eines unvermeidlichen Krieges unter den Deutschen eine zustimmende Begeisterung zu entzünden, welche zur Erleichterung der ihnen anzusinnenden Mittel mitwirke. Diese Mittel werden, sowie das Uebel, gegen welches dusch deren Anwendung anzukämpfen ist, im Wesentlichen nur moralischer Natur seyn können, wenn man sich sowohl jetzt als im Falle eines Krieges sichern Erfolg davon versprechen will. Sie werden zunächst auf eine richtige Behandlung und Leitung des Geistes der Majorität aller Gebil- deten und Besitzenden berechnet und dahin gerichtet seyn müssen, dass diese Majorität nicht neutral bleibe, sondern sich den Maasregeln der Regierung mit Liebe anschliesse. Bedingt werden sie deshalb durch die Voraussetzung, dass die Majorität der Gebildeten und Besitzenden, vom Gefühle ihrer wahren Interessen bestimmt, allenthalben geneigt und bereitwillig sey, die guten Ab- sichten der Regierungen kräftig zu unterstützen, wo sie anerkennen muss, dass alle Regierungs-Maasregeln nach Rücksichten des Gemeinwohls bestimmt und abgemessen, dagegen aber Eingebungen und Rathschläge des Partheigeistes, die Parthei sei welche sie wolle, zurückgewiesen und Gefahren entfernt gehalten werden, welche der Einfluss eines solchen Geistes auf EntSchliessungen der Staatsgewalt, wie neuere Beispiele in mehreren Staaten nur allzustark be- weisen, der allgemeinen Wohlfahrt bereiten kann.

Ich glaube nach der Ansicht, welche ich mir über den deutschen National- Charakter habe bilden können, die eben gedachte Voraussetzung zur Grundlage nachstehender Betrachtungen machen zu dürfen.

I. Je leichter der natürliche Verstand einsieht, wie sehr das Gemeinwohl dabei interessirt ist, dass die Grenze dos Staats gegen Angriffe des auswärtigen Feindes vertheidigt und dass die gute Absicht der Regierung, diese Vertheidigung ernstlich zu betreiben, von allen Seiten kräftig unterstützt werde, um so wichtiger für ganz Deutschland scheint mir zunächst die Annahme oder Be- hauptung einer Politik, welche für den Fall, wenn ein Krieg unvermeidlich seyn aullte, sicher dahin tüiirt, dass der L'ebergaug aus dem jetzigen Zu-

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stände in den Kriegszustand unter Umständen geschehe, die eine unbedingte Nothwendigkeit des Letzteren als evidente Thatsaehe den Unterthanen aller deutschen Staaten unabweislich vor die Augen rücken; was nach dem herrschenden Geiste unserer Zeiten nicht etwa bei einem Kriege um Prinzipien, worüber im Innern von Deutschland selbst Partheien sich streiten, sondern nur alsdann stattfinden wird, und sicher erwartet werden darf, wenn ein Angriff des Feindes alle Zweifel über jene Nothwendigkeit des Krieges zerstreut und alle weitere desfallsige Rechtsdeductionen als überflüssig erscheinen lässt, deren Unentbehrlichkeit zur Ausführung der Motive des Kriegs überhaupt nichts Wünschenswertes wäre.

II. Beginnt aber ein Krieg, welcher den Charakter unbedingter Noth- wendigkeit unverkennbar an sich trägt, so wird zur Abwendung jedes Erkaltens oder Erschlaffens des guten Willens, welcher den Regierungen bei ihrer Thätig- keit für das W^ohl und die Ehre des Vaterlandes alsdann sicherlich entgegen- kommen wird, auch darauf Bedacht zu nehmen seyn, dass aus den Hand- lungen und Maasregeln der deutschen Fürsten nichts hervorblicke, was auf ein Mistrauen derselben gegen ihre Völker schliessen lassen könnte. Das Gegen- theil dürfte leicht zu Störungen der, unter den obwaltenden Umständen doppelt wichtigen Einmüthigkeit in den Bestrebungen für das Wohl des Ganzen Ver- anlassung geben.

III. Eine der sichersten Bürgschaften für die Festigkeit und Zunahme eines gegenseitigen Vertrauens gewährt die stete Anwendung gesetzlicher Mittel bei Verfolgung der allgemeinen und besonderen Zwecke der Regierungen. Wo hierbei von der Konsequenz eines gesetzmässigen Ganges abgewichen wird, in welcher gerade die Stärke einer legitimen Regierung beruht, fehlt der phy- sischen Gewalt das Haupt-Element, das ihr allein Würde, Achtung und nach- haltige Wirkung verleiht, nehmlich die, das Wesen der Gesetzmässigkeit bildende moralische Kraft. Dieses Zaubers entkleidet, der die Gemüther so mächtig zügelt und bindet, pflegt sie nur gar zu leicht wieder physische Kräfte zum Widerstände gegen sich aufzureizen und in Kämpfe gezogen zu werden, die den moralischen Zustand der darin verwickelten Bevölkerung welchen Aus- gang sie auch haben mögen jedenfalls aufs Tiefste zerrütten. In Deutsch- land, wo der altgewohnte Boden der Ordnung und des Rechts, der fort- dauernden Aufregung ungeachtet zwar hier und dort stark erschüttert, nirgends aber durch zerstörende Revolutionen aufgelösst ist, braucht nicht ein- mal ein Zweifel darüber aufzukommen, ob die Regierungen zur Erreichung ihrer Zwecke auch anderer als gesetzlicher Mittel wirklich bedürfen; denn hierzu reichen die letzteren aus dem Boden der Ordnung und des Rechtes immer hin, vorausgesetzt, dass sie mit Energie, Consequenz und Geschick gehandhabt werden. Diese Handhabung aber hängt von der Persönlichkeit der Beamten und dem sie beseelenden Geiste, zunächst also von ihrer Wahl ab.

IV. Zur Aufrechthaltung, tieferen Begründung und Verbreitung des Sinnes für Recht und Ordnung kann ohne Zweifel auch die Presse sehr wesentlich beitragen. Es ist deshalb gewiss sehr zu bedauern, dass sich jetzt zu wenige tüchtige Stimmen erheben, um jene gute Sache des Rechts und der Ordnung

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gegen die Angriffe, denen sie besonders in ausländischen Blättern ausgesetzt ist, mit Ernst und Einsicht zu vertreten. Damit die Herausgabe von Zeitungen oder periodischen Blättern, welche sich diesem Zwecke widmen, nach Möglich- keit gefördert werde, möchte es schon jetzt an der Zeit sein, hierzu Schrift- steller von Talent und guter Gesinnung zu gewinnen, bei denen die letztere sich in der Neigung offenbare, durch ihre Feder die Lösung der schwierigen, den Regierungen obHegenden Aufgabe zu erleichtern. Immerhin könnte man ihnen dabei sofern ihre Persönlichkeit hinreichende Garantie gewährt freieren Spielraum gestatten, ohne jedoch im Allgemeinen eine wesentliche Ver- änderung in den Bestimmungen über die Censur eintreten zu lassen; denn diese wird auch im Falle eines Krieges nicht entbehrt werden können, so wenig man übrigens der Begeisterung, welche mit Wort und Schrift, die Sache des Vaterlandes gegen den auswärtigen Feind vertheidigen will, Einhalt zu thun haben dürfte.

V. Das3 ferner die Gründung gemeinsamer Institutionen für Deutschland, besonders aber eines ganz Deutschland umfassenden Systemes der Freiheit des Handels und Verkehrs, über dessen Mangel so viel geklagt wird, auch für die Sicherstellung und Befestigung der Ruhe in seinem Innern von grossem Werte seyn würde, isl keineswegs in Abrede zu stellen, und vielmehr demjenigen ganz beizupflichten, was der Verfasser einer. Euer Königlichen Majestät von dem Herzoge von Sachsen-Coburg-Gotha mitgetheilten und mir allergnädigst zugefertigten Denkschrift, die Mittel zur Erhaltung oder Wiederherstellung der Ordnung in den deutschen Staaten betreffend, hierüber bemerklich gemacht hat. Nur seiner Ansicht über den Weg, auf welchem die Begründung und Einführung einer solchen Institution zu bewirken wäre, kann ich nicht beitreten. Sein Rath geht dahin, diese Sache ohne Zeitverlust am deutschen Bundestage zur Erörterung zu bringen, baldigst auszusprechen, dass die bezeichnete Maasregel Statt finden solle, den Moment des Eintritts derselben schon jetzt zu bestimmen, vorläufig die Grundzüge eines allgemeinen Zoll- und Ilandels-Systemes, die näheren Versieherungen einer Commission zu übertragen, und einen Termin für die Beendigung ihrer Arbeiten anzuberaumen. Indem ich mich gegen eine Betreibung dieser hochwichtigen Angelegenheit durch den deutschen Bund und sein Organ, die Bundesversammlung, als gegen ein durchaus unpraktisches und zweckwidriges Unternehmen, zu erklären habe, glaube ich hier die weit verbreitete und oft wiederholte Beschwerde berühren zu müssen, dass der deutsche Bund überhaupt nicht leiste, was das gemein- same Interesse Deutschlands erheischt. Ungeachtet aller, durch die Geschichte der letzten 14 Jahre hierzu gelieferten Beläge, wäre es doch ungerecht, nicht dabei in Erwägung zu ziehen, wie wenig dieser Vorwurf zum Theil und nament- lich in so fern begründet werden kann, als mau von dem Bunde Institutionen und Anordnungen verlangt, wie nur die Einheit einer und derselben Re- gierung in ihrer, über ein ganzes Land gleichmässig ausgedehnten kräftigen Wirksamkeit sie zu schaffen vermag. Man übersieht zu leicht, dass der Bund, anstatt die hierzu unentbehrliche Kraft innerer Einheit zu besitzen eine Zusammensetzung aus acht und dreiüsig Staaten bildet, von denen jeder auf

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Souverainitiit Anspruch macht, welche durch die Buudes-Akte garantirt sind. Allerdings kann auch ein solcher Verein in den Fall kummen, für diese oder jene Anordnung eine vorübergehende gemeinschaftliche Geneigtheit zu be- zeigen, die man immerhin, wo sie durch besondere Umstände hervorgerufen wird, mit Erfolg zu benutzen im Stande ist; so zum Beispiel, jetzt seine Geneigtheit für Vollendung der Organisation des deutschen Bundesheeres bei der drohenden Gefahr eines Bundeskriegs. Die Schöpfung eines all^e- meinen deutschen Zoll- und Handelssystemes oder irgend einer andern allgemeinen und bleibenden Institution ähnlicher Natur ist dagegen eine Auf- gabe, deren Lösung dem Bunde so lange unmöglich bleiben wird, als derselbe nicht eine andere von der jetzigen ganz verschiedene und der Ausführung solcher Pläne günstige Organisation besitzt.

Hätte irgend einer, der mächtigeren Bundesstaaten, namentlich Preussen, auch verfassungsmässig einen grösseren Einfluss in den Bundesversammlungen auszuüben als gegenwärtig, wo keinem Bundesstaate von den sie benzig Stimmen des Plenums mehr als vier, und von den siebenzehn Stimmen des engeren Rathes mehr als eine zukommen; so müsste man sich doch von jedem Versuche, die Begründung jener für Deutschlands Gesammt Interesse wünschenswerthen Institution durch den Bund zu betreiben und hierzu die Initiative zu ergreifen, schon aus den ebenbezeichneten allgemeinen und in der Natur des Bundes-Verhältnisses hegenden Gründen, und noch mehr durch die bereits gemachten Erfahrungen zurückgehalten finden. Schon im Jahre 1816 scheiterte der, in Folge der damaligen Mis-Erndte angestellte, durch Preussens Zustimmung aufs Lebhafteste unterstützte und durch grosse Popu- larität begünstigte Versuch, die Freiheit des Verkehrs mit den unentbehrlichsten Lebensbedürfnissen im ganzen Umfange des Bundes mittels Bundesbeschlusses einzuführen. Und gewiss würden die mehrjährigen Berathungen über gemein- same Zoll-Einrichtungen, wozu süd- und mitteldeutsche Staaten sich im Jahre 1820 gleichzeitig in Darmstadt vereinigten, anstatt ihrer damaligen gänzhclien Erfolglosigkeit keinen befriedigenden Ausgang gehabt haben, wenn sie am Bundestage, unter Theilnahme aller übrigen Bundesregierungen geführt worden wären. Wenn endlich die neuere Geschichte Deutschlands in dem sogenannten mitteldeutschen Handelsvereine das Beispiel einer, von fünfzehn deut- schen Staaten in Bezug auf Zoll- und Handelsverhältnisse wirklich geschlossenen Verbindung aufzuweisen hat; so können dtch meine obigen ehrfurchtsvollen Bemerkungen hinsichtlich der, unter den jetzigen Verhältnissen obwaltenden Unmöglichkeit, Deutschlands wahres Handels-Interesse durch gleichzeitiges Zu- sammenwirken vieler oder aller Bundesstaaten, sei es am Bundestage oder anderweitig zu fördern, wohl nicht besser und augenscheinlicher be- stätigt werden, als gerade durch die Entstehung, das innere Wesen und das Schicksal dieses, sich jetzt schon faktisch von selbst wieder auflösenden Vereins. Der eigentliche Zweck desselben bestand nur darin, den Wirkungen und einer weiteren Verbreitung der wohlthätigen Grundsätze Einhalt zu thun, durch deren Aufstellung und Auwendung Euer Königlichen Majestät allerhöchste Regierung seit der Einführung des Zell- und Steuersystems von 1818 zu Handels- und

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Zoll- Vereinen mit einzelnen Staaten die Hand geboten hat und nicht ohne Erfolg dahin zu streben fortfährt, dass die Verwirklichung des Ideals allge- meiner Freiheit des Handels und Verkehrs für ganz Deutschland allmählich zu Stande kommen könne, so wenig auch gerade für Preussen wegen der, in finanzieller und zum Theil auch in staatswirthschaftlicher Hinsicht dabei von Ihm zu bringenden Opfer der gegenwärtige Zeitpunkt hierzu geeignet seyn mag. Es darf Preussen jedoch zur Genugthuung gereichen, dass dieses sein unablässiges Bestreben, bei aller Misdeutung, die es erfahren hat, und bei allen Hindernissen, die ihm in den Weg gelegt worden sind, je länger, je mehr An- erkennung, Würdigung und entgegenkommende Unterstützung in Deutschland findet.

Was den sonstigen Inhalt der von dem Herzoge von Sachsen-Coburg- Gotha mitgeteilten Denkschrift betrifft, welche laut ihres Datums in der ersten Hälfte des Oktobers vorigen Jahres abgefasst worden; so haben mehrere darin ausgesprochene Wünsche und Vorschläge inzwischen durch den später zu- stande gekommenen Bundesbeschluss vom 21. Okt. v. J. eine mehr oder weniger vollständige Erfüllung erhalten.

In den letzten Worten auf die moralische Natur des Übels und auf die, gegen dasselbe anzuwendenden Mittel moralischer Natur nur im allge- meinen hindeutend, hat der Bundesbeschluss vom 21. Okt. v. J. der Haupt- sache nach und besonders in den ad No. 1 u. 2 darin festgestellten Be- stimmungen dafür gesorgt, dass für die keineswegs ausser Acht zu lassenden Fälle, wo der fortwallende Geist der Unruhe in zügellose Handlungen ausbricht, kein Bundesstaat aus Unzulänglichkeit seiner eigenen Kräfte der, zur Unter- drückung solcher Aufstände nötigen physischen Mittel entbehre. Hiermit ist dem, in dieser Beziehung stattfindenden nächsten Bedürfnisse sowohl für die Gegenwart als für die Zukunft, wo dergleichen Aufstände während eines auswärtigen Krieges vorkommen könnten, einstweilen Genüge geleistet. Sollte sich die Zukunft indessen so traurig gestalten, dass neben der, einem Kriege zuzuwendenden Anstrengung und Aufmerksamkeit auch noch der Gebrauch physischer Mittel zur Dämpfung von Unruhen im Innern Deutschlands oder zu Verhinderung derselben nötig würde; so möchten die Grenzgegenden zwischen Kurheasen und Grossherzogtum Hessen, sowie in Thüringen nebst den um- liegenden Ländern wohl vorzugsweise im Sinne des Bundesbeschlusses vom 21. Okt. V. .1. unter den Schutz und die Beobachtung grösserer oder geringerer Massen von Bundestruppen zu stellen sein, zu deren dortiger Zusammen- ziehung, — nächst der Lage der beiden Festungen Erfurt und Mainz auch die Kriegsverfassung des deutschen Bundes einen, eventuell als Vorwand zu benutzenden ostensiblen Grund darbietet, indem dieselbe in ihren, am 9. April 1821 beschlussmässig angenommenen Grundzügen Art. XI vorschreibt: „dass für das Bundesheer eine besondere Reserve bestehen soll, damit solches vollzählig erhalten und im Falle der Noth- wendigkeit verstärkt werden könne."

Aufgestellt in den bezeichneten Gegenden und nach Umständen zu mobilen Kolonnen orgauibiert, würde die Keserve dem deutschen Bunde,

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während seine Heere dem auswärtigen Feinde gegenüberstehen, für die Erhal- tung der Ruhe in seinem Innern die wirksamsten Dienste zu leisten geeignet seyn, worüber zu seiner Zeit mit den betreffenden Staaten das Erforderliche zu verabreden sein würde.

"Welche ausserordentlichen Maasregeln im Falle eines auswärtigen Krieges für die Erhaltung oder Wiederherstellung der Ruhe im Innern von Deutschland etwa noch nothwendig oder nützlich werden möchten, getraue ich mir für itzt nicht anzudeuten, da mir der fernere Lauf der Ereignisse und die Natur der, in jedem besonderen Momente obwaltenden individuellen Umstände hierüber Belehrung an die Hand geben kann. Unter die Fragen, deren Beantwortung von solchen, nicht im Voraus za be- rechnenden Umständen abhängt, zähle ich namentlich auch die: ob und wie weit die Anordnung und Ausführung ausserordentlicher Maasregeln zur Er- reichung des angegebenen Zweckes, wenn das Bedürfniss derselben eintritt, dem deutschen Bunde zu überlassen oder als Gegenstand der Verabredung und des gemeinschaftlichen Zusammenwirkens einzelner Bundesstaaten, die sich in grösserer oder geringerer Anzahl darüber vereinigen könnten, zu behandeln sein würde?

Nachdem ich die, in Euer Königlichen Majestät allerhöchster Order vom 10. November v. J. aufgestellte Frage bisher in allgemeinen Beziehungen für sämmtliche deutsche Staaten betrachtet und beleuchtet habe, wie der mir gnädigst ertheilte Befehl zunächst vorzuschreiben scheint, bleibt mir noch übrig, mich mit denselben in ihrer speziellen Beziehung auf Preussen zu beschäftigen und meine unterthänigste Äusserung besonders darüber ab- zugeben:

auf welche Art und Weise Preussen seine Stellung und seinen

Einfluss in Deutschland für die Erreichung des Zweckes und zur Abwendung übler Folgen der stattfindenden Aufregung und Störung der Verhältnisse in den deutschen Nachbarstaaten zu benutzen habe?

Von Preussens obenerwähnter Stellung im deutschen Bunde, welche nach dessen jetziger Organisation verfassungsmässig und namentlich in Ansehung des auszuübenden Stimmrechts keine andere ist, als diejenige, in welcher sich ausser Oesterreich auch Bayern, Sachsen, Hannover und "Württemberg befinden, kann hier nach meinen unterth. Bemerkungen über das Bundes-Verhältniss im Allgemeinen nicht mehr die Rede seyn. Wie ich bei Gelegenheit jener Bemerkungen schon erinnerte, hat sich aber für Preussen, abgesehen von seinen Beziehungen zum Bunde, eine Stellung in Deutschland gebildet, die es ihm möglich macht, im Weege der Abschliessung von Partikular Vereinigungen mit einzelnen Staaten viel Gemeinnütziges, was beim Bunde kein Glück machen würde, vorzubereiten und ins Leben zu führen. Dieser Weeg, auf welchem namentlich zur Beförderung allgemeiner Freiheit des Handels und Verkehrs unter allmähligem Zutritte mehrerer Genossen schon wichtige und erfreuliche Resultate gewonnen sind, wird geöffnet und gebahnt durch das. Euer König- lichen Majestät allerhöchster Regierung je länger, je mehr entgegenkommende

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Vertrauen der deutschen Regierungen und die sich derselben je länger je mehr zuwendende Neigung der deutschen Völker.

Das Eine wie das Andere erhält die höchste Bedeutuntr vermöjre des mächtigen moralischen Einflusses,* welchen Preussen gerade deshalb in Deutsch- land überhaupt ausübt und auszuüben den Beruf hat. Dieser Einfliiss giebt ihm bei fortgesetzter richtiger Benutzung desselben auch das sicherste Mittel in die Hände, Deutschlands innere Ruhe auch im Falle eines auswärtigen Krieges zu beschirmen und zu befestigen. Es kommt also wesentlich darauf an, dass derselbe in ungeschwächter und zunehmender "Wirksamkeit auf den Grundlagen fortbestehe, auf denen er beruht und diese Grundlagen, das Ver- trauen der Regierungen und die gute Meinung der Völker, uner^chüttert zu erhalten, scheint demnach Preussens Willen und ein Hauptaugenmerk seiner Politik bleiben zu müssen. Erhalten werden aber kann beides nur in der- selben Weise und Ordnung, wie es erworben ist: durch beharrliche Liebe für Recht und Gesetzmässigkeit, durch Offenheit und Wahrheit in allen Verhält- nissen, durch Empfänglichkeit für alle Reformen, welche nicht etwa das Geschrei der Neuerer sondern ein richtig erkanntes Bedürfnis der Zeit fordert, überhaupt also durch Bewahrung der eigenen inneren Gesundheit, in deren Kraft dank Euer Königlichen Majestät hoher Regierungs-Weisheit Preussen stark und geehrt unter den Staaten Europas besteht. Mit den ange- gebenen Grundbedingungen der Entstehung und der Fortdauer des Einflusses, den Preussen in Deutschland besitzt, ist auch zugleich schon die rechte Art seiner Ausübung bezeichnet. Ich erblicke das Wesen der letzteren haupt- sächlich darin, dass Preussen mit seinem Beispiele den übrigen deutschen Staaten vorleuchte und sie dadurch zu einer Nachahmung bestimme, welche nicht ausbleiben und auch für die Erhaltung der inneren Ruhe Deutschlands selbst im Falle eines Krieges heilbringende Früchte tragen wird. Sowohl dieses Beispiels wegen, als im Interesse der eigenen Wohlfahrt und Sicherheit hat Preussen, meines allerunterthänigsten Erachtens die Richtschnur seines ferneren Handelns zunächst und insbesondere in den oben von No. I bis V ehrfurchtsvoll vorgetragenen Erwägungen zu suchen und von den daselbst in Vorschlag gebrachten, auf Sicherstellung der Ruhe im Innern von Deutschland überhaupt abzweckeuden Mittel moralischer Natur eigenen Gebrauch zu machen. Unter ehrfurchtsvoller Bezugnahme auf jene Vorschläge glaube ich namentlich in tiefster Unterwürfigkeit empfehlen zu müssen:

1. Dass Euer Königlichen Majestät allerhöchste Regierung bei einer Politik beharre, welche den Frieden auf alle mit Preussens Ehre und anderen wesent- lichen Interessen vereinbare Weise zu erhalten sucht und zugleich wenn ein Krieg dennoch unvermeidlich werden sollte den auswärtigen Feind in den Fall setzt, ihn durch einen Angriff von seiner Seite zu eröffnen. Unter- nimmt alsdann der Feind einen Angriff", so wird Euer Königlichen Majestät landesväterliche Ansprache an das Volk, wie sie im Jahr 1818 statt fand, ge- wiss ähnliche Wirkungen hervorbringen und mächtig dazu beitragen, dass der treue Wille Allerhöchst Ihrer Unterfhanen, sich ihres Königs würdig zu bezeigen, allenthalben in That übergehe; auch wird dieselbe nicht vergebens in andern

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Staaten Deutschlands erschallen, sondern unter Fürsten und Yülkern eine rühm- liche Nacheiferung, ein aufrichtiges Verlangen erwecken, gemeinschaftlich mit Preusaen den gemeinsamen deutschen Buden und seine heiligsten Interessen, unter Bewahrung innerer Ruhe und gesetzlicher Ordnung, mit ausdauernder Tapferkeit zu vertheidigen. Diese Erfolge darf Deutschland sich umsomehr versprechen jemehr und fester es darauf vertrauen kann, dass

2. Preussen fortfahren werde, seinen Yülkern ein, über jeden Zweifel erhabenes Vertrauen in ebendemselben Maasse zu schenken als Es Sich durch ernstliches, von dem Einflüsse jedes Partheigeistes freies Handeln für das Gemein- wohl volle Ansprüche auf ihr Vertrauen erwirbt; dass es ferner

3. auch darin beharren werde, sich bei der Wahl und Ausführung seiner hierauf berechneten Maasregeln immer nur gesetzlicher Mittel zu bedienen, und zugleich darauf halten werde, dass ihm eine geschickte und energische Handhabung derselben durch ein wohlgesinntes Beamten-Personal nirgends fehle, dass es endlich unter Beihaltung und Beförderung einer verständigen Censur

4. dafür sorgen werde, dass die heilige Sache des Rechts, der Ordnung und des Vaterlandes auch durch die Stimme einsichtsvoller Schriftsteller immer treuere und immer zahlreichere Anhänger gewinne.

Zur Verstärkung der wohlthätigen Wirkung, welche Preussens Beispiel hierdurch bei andern deutschen Staaten je länger je mehr hervorbringen wird, kann Euer KonigUchen Majestät allerhöchste Regierung Vieles beitragen, wenn Sie

5. freundschaftliche Rathschläge im Sinne ihrer eigenen Handlungs- weise mit Benutzung jeder passenden Gelegenheit zu ertheilen bereit ist, ohne sich irgendwie mit einer solchen direkten Einmischung aufzudringen, welche die Lage der politischen Verhältnisse in Deutschland und in Europa erlaubt; wenn Sie

6. sich nach wie vor angelegen seyn lässt, alle auf Deutschlands Wohlfahrt abzielenden gemeinnützigen Anordnungen und Institutionen nach Möglich- keit zu fördern wie sie es in consequenter woiterer Verfolgung des betretenen Weegs der Partikular-Vereinigungen mit einzelnen Staaten, wo nur dieser Weeg zum Ziele führen kann; oder sey es durch nachdrückliche Mit- wirkung bei den, solchen Gegenständen gewidmeten Berathungen und Be- schlüsse der deutschen Bundesversammlung, so weit das allgemeine Beste nach der Natur des besonderen Falles aus Maasregeln des Bundes wirklich hervorgehen kann; namentlich also, wenn Sie

7. bei fortgesetzter treuer Erfüllung Ihrer Bundespflichten wie sich von selbst versteht insbesondere den ernsten Willen bethätigt, dass der zur Abwendung und Unterdrückung neuer Volks-Aufstände gefasste Bundesbeschluss vom 21ten Oct. 1830 allenthalben wo es Noth thut, durch die zweckmässigste Anwendung physischer Mittel zur wirksamen Ausführung komme, wohin auch für den Fall eines auswärtigen Kriegs die oben angedeutete angemessene Ver- wendung der Reserve des Bundesheeres gehören würde.

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Man kann sich bei Betrachtungen, wie die vorstehenden sind, nicht leicht des Wunsches erwehren, dass Deutschland durch ein festeres gemeinsames Band, als ihm die jetzige Bundesverfassung gewährt, zusammengehalten und Preussen dadurch in den Stand gesetzt sein möchte, seinen oben geschilderten wohlthätigen Einfluss noch stärker und umfassender auszuüben, als Es unter den ''etzigen Umständen vermag. Während dieses Ziel auf so verschiedenen Weegen, mehr in träumerischen und phantastischen Täuschungen, als mit wahr- haft praktischem Sinne gesucht wird, hat Euer Königlichen Majestät allerhöchste Regierung eine Annäherung zu demselben in der Beförderung einer freundlichen zutrauensvollen Coexistenz der bestehenden deutsehen Staaten erleichtern und bisher nur durch ein, dieser Ansicht entsprechendes Verhalten zur allmählichen Hervorbrino-uno- und Ausbildung eines Wünschenswertheren politischen Gesammt- Zustandes von Deutschland beitragen zu müssen geglaubt. Ohne die Hoffnung auf frühere oder spätere Erfüllung des fraglichen Wunsches aufzugeben, bin ich der Meinung, dass in dieser Beziehung die Wirkung der Zeit auf den Geist der deutschen Regierungen abzuwarten seyn wird. Wenn dieselben durch eigene Erfahrungen belehrt, einst aufgehört haben werden, in Anordnungen, die nichts als das gemeine Beste Deutschlands zu begründen oder zu erhöhen bestimmt und geeignet sind, nur Beschränkungen ihrer Souverainität zu sehen und zu scheuen, wenn sie in ihrem richtig verstandenen Interesse An- triebe finden, freiwillig dazu die Hände zu bieten: alsdann erst wird die Zeit zu einer, den Grundsätzen Preussens angemessenen Verwirklichung eines besseren Zustandes der deutschen Bundes-Verfassung die völlige Reife erlangt haben.

Indem ich hiermit meinen allerunterthänigsten Vortrag schliesse, stelle ich die Prüfung des darin entwickelten Planes Euer Königlichen Majestät hohen Weisheit in tiefster Ehrfurcht anheim. An und für sich liegen demselben ganz einfache Prinzipien zu Grunde. Den Erfolg ihrer Anwendung kann jedoch nur die Art und Weise sichern, wie sie ins Leben gerufen werden. Consequenz in der Entwickelung derselben und richtige Auffassung der jedesmal dabei vorliegenden faktischen Umstände, dürften als empfehlenswerth hier besonders in Betrachtung kommen und die Gewährleistung dafür vornehmlich in den eut- sprechenden Gesinnungen, Charakter und Fähigkeit der ausführenden Beamten zu suchen sein.

Die mir huldreichst zugefertigte Denkschrift des Herzogs von Sachsen- Coburg-Gotha verfehle ich nicht anbei in tiefster Unterwürfigkeit wieder vor- zulegen.

Berlin, den 29ten Januar 1831. (gez.) BernstorfF.

An des Königs Majestät."

Der ganze Vortrag charakterisiert die politischen Anschauungen des preussischen Ministers des Äusseren vortrefflich. Diejenigen, die den Grafen Bernstorff als einen Anhänger oder gar als einen Schleppenträger Metternichs bezeichnet haben, ohne Kenntnis der geheimen diplomatischen Geschichte, dürften wohl durch dieses politische Glaubensbekenntnis aufs treffendste wider- legt werden. Und zwar hat Bernstorff sich nicht etwa allein deshalb als

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Gegner der metternichischen Reaktionstheorie bekannt, weil er Preussena selbst- ständige Stellung erhalten wissen wollte, sondern aus innerster Überzeugung. So kann man ihn als einen für die damaligen Zeitverhältnisse liberalen Staats- mann bezeichnen, der etwa eine Mittelstellung zwischen den Vertretern des aufgeklärten Despotismus und denen des reinen Konstitutionalismus einnahm.

Die Überzeugung, die aus dem Schriftstücke spricht, verfehlte auch ihre Wirkung auf den König nicht. Friedrich Wilhelm war allerdings mehr als sein Minister rein friedericianischen Grundsätzen hold, und wenn er eine Zeit lang liberaleren Ideen zugänglich gewesen sein mochte, so erschrak er doch stets vor dem „revolutionären Gespenst". Allein . er war weit entfernt davon, harte Massregeln ohne Not zu ergreifen, und die Vorschläge seines Ministers waren ihm aus der Seele gesprochen. Das zeigt sein Antwortschreiben an den letzteren, das nun folgt.

„Aus Ihrem Berichte vom 29 ten Januar d. J, der die Frage beantwortet, die ich in meiner Order vom 10 ten November v. J. in Beziehung auf die Er- haltung der Ruhe im Innern von Deutschland für den Fall eines unvermeidlich gewordenen Krieges an Sie gerichtet hatte, habe Ich entnommen, dass Sie die Schwierigkeit einer praktischen Lösung dieser Aufgabe hauptsächlich in den staatsrechtlichen Verbältnissen der deutschen Bundesregierungen finden, und dass Sie, abgesehen von der Anwendung moralischer Mittel, über welche Ich mit Ihren Ansichten wesentlich einverstanden bin, die positive Einwirkung für jetzt auf die Vorsorge beschränken: dem Bundesbeschlusse vom 21teu Octuber V. J. in eintretenden Fällen die möglich vollständigste Ausführung zu ver- schaffen. Ich erwarte, dass Sie den diesseitigen Gesandten am Bundestage mit bestimmter Anweisung dieserhalb bereits versehen haben, damit er in solchem Sinne auf die übrigen Bundestags-Mitglieder mit umsichtiger Thätigkeit ein- wirke und das eigene Interesse der einzelnen Regierungen zur zeitigen Vor- bereitung und Einleitung der beschlossenen durch die Bundes-Verfaasung be- gründeten Maasregeln in Anspruch nehme. Was die anderweitigen, Ihrer Darstellung hinzugefügten Vorschläge betrifft, so ist es zwar rathsam, für die Sache des Rechts und der Ordnung einsichtsvolle Schriftsteller zu gewinnen, bei der anerkannten Schwierigkeit aber, solche Schriftsteller zu ermitteln, die mit den erforderlichen Talenten und Kenntnissen auch erprobte treue Gesinnungen und den erforderlichen Takt für das Angemessene verbinden, wird die Benutzung der Presse für den Fall des Krieges vorzubehalten seyn. Die Partikular- Vereinigungen mit den Bundesstaaten über Handels- und Zollverhältnisse zu befördern, werde Ich gern, wie bisher, die Hand bieten, und überlasse Ihnen gemeinschaftlich mit den andern betreffenden Ministem bei sich darbietenden Gelegenheiten hierauf hinzuwirken.

Berlin den 22 ten März 1831. gez. Friedrich Wilhelm.

An den Staats- und Kabinets-Minister Grafen von Bernstorff."

Darauf erging an den preussischen Bundestagsgesandten von Nagler das folgende ministerielle Schreiben:

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,Ta Erwägung der seit dem vorigen Sommer in mehreren deutschen Staaten ausgt.brochenen Unruhen und ihrer fortdauernden Folgen, sowie der Möglielikeit eines hinzutretenden Krieges mit dem Auslande, geruheten des Königs Majestät schon vor mehreren Monaten Vorschläge über die Mittel und Wege, wie im Falle eines unvermeidlichen auswärtigen Krieges die Ruhe im Innern von Deutschland, besonders durch Preussens Mitwirkung sicherzustellen und zu erhalten sey? mittelst allerhöchster Cabinetsorder vom 10, Nov. v. J. von mir zu erfordern.

So sehr das dringende Bedürfniss einer ernstlichen Beschäftigung mit dieser Frage von mir bekannt wurde; so wenig verhehlte ich mir die allgemeine Schwierigkeit der Aufgabe. Schwierig erschien mir dabei nicht sowohl das Auffinden und Bezeichnen derjenigen Mittel, welche gegen das, die innere Ruhe Deutschlands bedrohende Uebel mit Erfolg angewandt zu werden geeignet sind und welche grösstentheils eben so wie das Uebel selbst, nur moralischer Natur seyn können als vielmehr die Nachweisung bestimmter und positiver Modalitäten ihrer praktischen An^Yeudung, deren richtige Beurtheilung von der Eigenthüm- lichkeit der, in concreten Fällen gegebenen Verhältnisse fast allein abhängt. Ich überzeugte mich bald, dass man nachdem der Buudesbeschluss vom 21. Okt. V. J. in dieser letzteren Hinsicht das Wünschenswerthe wenn auch nicht vollständig genug bereits geleistet hat ohne den ferneren Lauf der Ereignisse und die Gestaltung der, in jedem besonderen Momente der näheren oder entfernteren Zukunft stattfindenden individuellen Umstände im Voraus weitere positive Maasregeln zur praktischen Sicherstellung und Erhaltung der Innern Ruhe Deutschland für den Fall eines unvermeidlichen auswärtigen Krieges entweder gar nicht, oder doch nur hypothetisch anzugeben und vor- zuschlagen im Stande ist. Innerhalb der mir natürlich hierdurch gesetzten Schranken habe ich mich demnach auch halten müssen, als ich, dem mir unterm loten Nov. v. J. ertheilten allerhöchsten Befehle, sobald mein anhaltender Krankheitszustand es verstattete, durch Abfassung des Berichtes Folge leistete, welchen ich in beikommendem Auszuge jetzt zu Euer Excellenz gefälliger Kennt- nidsnahme zu bringen veranlasst bin.

Diese Veranlassung liegt für mich in der, auf den gedachten Bericht au mich ergangenen und ebenfalls abschriftlich angeschlossenen allerhöchsten Cabinetsorder vom 22ten d. M., laut welcher seine Königliche Majestät die Erwartung aussprachen, dass Euer Excellenz Sich in Gemässheit früher em- pfangener Instrukzionen die Vorsorge, dem Bundes-Beschlusse vom 21ten Oct. v. J. in eintretenden Fällen die möglich vollständigste Ausführung zu ver- schaffen mittelst geeigneter Einwirkung auf die übrigen Bundestags-Mitglieder angelegen seyn lassen und namentlich das eigene Interesse der einzelnen Bundes-Regierungen zur zeitigen Vorbereitung und Einleitung der beschlossenen durch die Bundesverfassung begründeten Maasregeln, in Anspruch zu nehmen, nicht ermangeln werden.

Um Seiner Königlichen Majestät auf etwaniges Erfordern das Nähere hierüber vortragen zu k«innen, ersuche ich Euer Excellenz, mich zunächst gefälligst benachrichtigen zu wollen, ob Sie neuerlich die Erhaltung der Innern

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Sicherheit Deutschlands auch im Falle eines unvermeidlichen auswärtigen Krieges zum Gegenstande vertraulicher Besprechungen mit andern Bundestags-Gesandten gemacht haben und welche Ansichten Ihnen von denselben dieserhalb geäussert worden sind? Die Sache muss, wie auch Seine Majestät in der allerhöchsten Order vom 22ten d. M. anzudeuten geruhet haben, mit besonderer Umsicht behandelt werden, damit sie nach keiner Richtung hin Misverständnisse ver- anlasse, die der Königlichen Regierung unangenehm seyn könnten. Euer Excellenz wollen sich deshalb ferner auch darüber gefälligst erklären, mit welchen Gesandten in Beziehung hierauf bei weiterer Verfolgung des Zwecks im Sinne eines auszugsweise heiligenden Berichts an Seine Majestät den König der Gegenstand von Ihnen zunächst wieder aufgenommen und woran die ferner vertrauliche Besprechung darüber angeknüpft werden könne? Fürs Erste kommt es uns auch mehr darauf an, Vorschläge und Ansichten der Gesandten anderer Höfe über den einzuschlagenden Weg zu vernehmen, als unserer Seits damit entgegen zu kommen, denn um mit bestimmten zweck- mässigen Erklärungen gegen diese Höfe hervortreten zu können, müssen wir niit ihren Ansichten über den jetzigen innern Zustand von Deutschland, mit ihren desfallsigen Hoffnungen oder Besorgnissen, ingleichen mit ihren darauf Bezug habenden Wünschen und etwanigen Vorschlägen erst näher bekannt geworden seyn.

Berlin, den 28tea März 1831. gez. Ancillon."^)

Es entzieht sich meinem Wissen, mit welchen Bundestagsgesandten Nagler über den Vortrag Bernstorffs sich besprochen hat. Dass er ihn ausserdem an Ibell eingesandt hat, zeugt davon, welches Vertrauen er in die staatsmännische Begabung des letzteren setzte. Überdies kam es ihm jedenfalls darauf an, auch von einer bedeutenden Persönlichkeit, die nicht durch ihre Mitgliedschaft am Bundesrate politisch befangen war, ein Urteil zu vernehmen. Entweder hat der preussische Bundestagsgesandte die Übersendung insgeheim und vertraulich erfolgen lassen, oder er hat die Erlaubnis des Berliner Kabinetts zu diesem Schritte eingeholt. Obschon die letztere wohl ohne Schwierigkeit würde erteilt worden sein, da Ibell, wie eingangs erwähnt, bei Bernstorff persona grutissima war, so lässt sich doch die Kürze der Zeit, die zwischen dem Schreiben Ancillous und der Antwort Ibells an Nagler des letzteren Schreiben an Ibell ist nicht vorhanden lag (dreizehn Tage), vermuten, dass Nagler den Vortrag so- fort nach Homburg abgehen Hess. Ausser dem Schriftstücke, das Ibells Referat enthält, findet sich in seinem Nachlasse noch ein von seiner Hand konzipiertes Aktenstück vor, betitelt „Andeutungen", das zunächst hier wörtlich folgt.*)

,Um des Zwecks willen: Beruhigung zu verbreiten und das Vertrauen auf den konsequenten Entwickelungs Gang der Regierung zu befestigen; svird jede ausserordentliche Form der Gewährung umgangen werden müssen, wenn

') Der Abschreiber hat .,Alten9teiri'* geschrieben, was von Ibells eigener Hand in .,An- cillon'* abgeändert worden ist. "*) Die , Andeutungen** bczielien sich auf die damalige Lage in Rheinpreussen.

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gleich einige Konzessionen zu bewilligen, und zwar nach dem bekannten bis dat qui cito dat. bald zu ertheilen seyn mochten.

Der noch nicht publizirte Landtags Abschied, welcher mit Ungeduld erwartet wird, scheint ein sehr zeit- und sachgemässes Vehikel darzubieten. Nachstehende Punkte wären vorerst in diesen Beziehungen hervorzuheben. Mehrere andere werden sich nachfolgend zur Erwägung und Beseitigung auf anderem Wege darbieten.

I. Der vorherrschende Wunsch für die bestehenden gerichtlichen Institu- zionen und andere damit in organischer Verbindung stehende Einrichtungen drängt sich mit überwiegender Bedeutsamkeit unter allen anderen Wünschen Hofnungen und Erwartungen hervor. Ob der Meinungs Eifer dafür auf klare Anschauungen und vernünftige Reflexionen darüber gegründet sey, oder ob derselbe in dunklen Vorstellungen und Vorurtheilen wurzele, das muss hier als ganz gleichgültig um so gewisser angesehen werden, als die Mehrzahl der Menschen grade diejenigen Vorurtheile, welche nicht durch raisonnements sondern nur durch aufgeregte Gefühle unterhalten werden, mit der meisten Anstrengung festzuhalten gewillt ist.

Es steht wohl in keiner Hinsicht dem etwas entgegen, dass im überein- stimmenden Nachklang mit dem ersten Königlichen Wort, das so oft laut und frohlockend in diesen Landestheilen zurücktönte, jedes Gute, wo es sich auch finde, beizubehalten und in bioser Entwickelung der durch die vor- angehenden Landtags Abschiede schon verkündeten allerhöchsten Absichten, eine diesen wesentlichsten und wichtigsten Meinungs Gegenstand auf eine ge- nügende Weise absolvirende Zusicherung in dem neuen Landtags Abschied aufirenommen werde. In der Art etwa, dass den Ständen eröfnet werde, es solle ohne vorausgehende Berathung mit ihnen in diesen Instituzionen keine wesentliche Abänderung vorgenommen werden und dass allerhöchsten Orts nur das anerkannte Bessere an die Stelle des Gewohnten und vielleicht nur durch die Gewohnheit hebgewonnenen minder Guten zu setzen beabsichtigt werden könne.

In der Beruhigung über diesen ganz allgemeinen Wunsch wird das Rhein- land ein Unterpfand und ich möchte annehmen, eine allgemein als genügend erachtete Bürgschaft empfangen, dass alle andern gerechten und billigen Wünsche sich einer huldreichen Aufname und Würdigung stets zu erfreuen haben, und für jede nachfolgende allerhöchste Verfügung ist ohne Weiteres schon hierdurch ein günstiges Vorurtheil bei der Mehrzahl begründet.

n. Übereinstimmend damit wären wegen Nicht Einführung einer der Kom- munal Verwaltung in den Provinzen des alten Rechts uniformen Kommunal- und Städte Ordnung beruhigende Erklärungen nöthig, zugleich jedoch mit der Zusicherung, unverzüglich eine Revision der bestehenden Kommunal Verwalt- ungsordnung in der Provinz zu veranlassen und dadurch ebensowol be- stehende Misbräuche darin abzustellen, wie wünschenswerthe Verbcsserungen einzuführen.')

*; S. S. 64, Abp. 3, Ende.

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m. Kirchliche Antipathieen, welche fast in Vergessenheit versunken waren, sind in der letzten Zeit durch mancherlei Zufälle und Veranlassungen wieder angeregt worden. Es scheint also nüthig zu seyn, dass die Regierung über ihre vollkommenste Partheilosigkeit zwischen den Konfessionen, welche vom religiösen Indifferentismus wohl zu unterscheiden ist, sich auf eine beruhigende Art ausspreche. Gleichzeitige Masregeln wären damit zu verbinden. Darunter wird besonders die Einführung des konfessionellen Religions Unterrichts jeder Konfession bei den gelehrten Schulen und bei den Elementar- und Real Schulen in Gemeinden von gemischter Konfession empfolen. Auf ähnliche Weise ohn- gefiihr, wie diese Anordnung seit fünfzehn Jahren mit dem glücklichsten Erfolg im Herzogthum Xassau besteht.

A. Mit der Aufrechthaltung der gerichtlichen Instituzionen steht die Mas- regel in nothwendiger Verbindung, dass in der obersten Instanz bei dem Justiz Ministerium irgend eine gut gefundene Einrichtung getroffen werde, wo- durch die obere Inspekzion und Leitung dieser Partikular Justiz, einem beson- deren Ministerial Organe zugetheilt werde, welches dem Einfluss des Justiz Ministeriums für die Provinzen des Landrechts nicht untergeordnet ist und dessen Funkzionen Männern anvertraut werden, die sich nicht als Gegner der einstweilen beibehaltenen Partikular Justiz früher ausgesprochen haben.

B. Übereinstimmend damit sind manche Versetzungen zu wünschen, wo- durch einige gekannte und geachtete Justizbeamten in die Provinz zurückkämen, während andere daselbst in Aktivität gekommene zur Justiz Verwaltung in andere, dem Landrecht angehörende Provinzen berufen würden.

C. Auch in höheren Verwaltungsstellen wären wohl einige Personal Ver- änderungen, wodurch besonders einige Eingebohrene in die Reihen der Ad- ministrazion gestellt würden, zu empfelen.

D. Zur Bekämpfung gewisser Vorurtheile, welche sich unter dem Fabri- kantenstand an der Gränze, insonderheit zu Aachen, Eupen und Düren ver- breitet haben, indem man dort die von dem aufgeklärteren Theil des Fabrik- standes an andern Orten und auf dem rechten Rhein Ufer nicht adoptirte Meinung zu unterstellen weis, dass eine Verbindung mit Frankreich durch den Schutz des französischen Douanensystems, dem rheinischen Fabrikstand grössere Vortheile gewähren möchte als die preussische Zoll Einrichtung darbieten könne, wird es gerathen seyn, von Oben herab sachgemäss mitzuwürken. Der Herr Geheime Rath Bentz in Berlin, welcher das allgemeine Vertrauen geniesst, wird Mittel und Wege für eine solche Einwürkung auf die Berichtigung ver- kehrter Ideen am besten anzugeben vermögen. Dahin gehört auch die Aus- sicht auf Erweiterungen der preussischen Zoll Gränze durch den Zutritt anderer Staaten in (zum) Zoll- und Handels Vereine.

E. Das Militär System, welches wesentlich auf dem Prinzip der distri- butiven Gerechtigkeit ruht, wird mit allgemeiner Achtung und Zufriedenheit betrachtet. Es bildet sich daher eine jede die gesetzliche Rechts Gleichheit verletzende, persönliche Begünstigung zur tiefaufregenden Gemeinbeschwerde eines grösseren Kreises aus. Alle dem Gesetz Genüge Leistende, fühlen sich in ihrem Recht gekränkt, und die eventuell Berufenen werden im Voraus ver-

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stimmt. Man klagt in dieser Beziehung sehr über die Bestechlichkeit der Medizinalbeamten; eine anmassende Protekzionssucht einzelner höheren Ange- stellten mag auch wohl mitunter sichtbar werden.

Hierauf bezügliche repressive energische Erklärungen resp. Einschreitungeu würden zur Aufrichtung und Belebung des Gemeingeistes ohne Zweifel Vieles beitragen."

Es scheint, dass diese „Andeutungen" von Ibell für ihn selbst nieder- geschrieben wurden, und für sein nachfolgendes längeres Referat eine Richt- schnur zu geben. Die meisten Gedanken sind in dem eigentlichen, Nagier übersandten Schriftstücke, zumteil in anderer, allgemeinerer Form oder Fassung verwertet worden. In den vorausgegangenen Zeilen thut Ibell seinen Gefühlen und seiner Überzeugung weniger Zwang bezüglich des Ausdrucks an, während er in den nachfolgenden mehr auf die diplomatischen Formen acht hat. Insofern ist das Nebeneinanderstellen beider inhaltlich verwandter Schriftstücke interessant. Doch ist der bestehende Unterschied, wie wir noch sehen werden, nicht etwa so zu verstehen, als ob der Präsident zweierlei Gesichter zeige. Zeitlebens hat Ibell aus seiner Innern Ü^berzeugung selbst kein Hehl gemacht und solche mit allem Anstände, aber rücksichtslos jedermann gegenüber ausgesprochen. Und das war es jedenfalls gerade, was den preussischen Bundestagsgesandten ver- anlasste, ihm diesen ministeriellen Vortrag zur Äusserung darüber zu unter- breiten.

Das Begleitschreiben Ibells, mit dem er sein Referat übersandte, lautet wörtlich :

„Euer pp. remittire ich die mir hochgeneigtest mitgetheilten Anlagen, in- dem ich zugleich, dem geäusserten Wunsche ergebenst folgend, einige rhap- sodische Bemerkungen beifüge, wie solche bei der Beschränktheit der Zeit und des Horizonts zur Auffassung zusammengestellt werden konnten. Ich bin dem Vortrag an des Königs Majestät darin nur bei dem ersten Abschnitt begleitend erefolfft, welcher die alloremeinen Verhältnisse des Bundes beleuchtet; den zweiten, der die Beziehungen Preussens zu dem Bunde berührt, hielt ich über meiner Sphäre. Es würde auch kaum möglich seyn, der lichtvollen, meister- haften Darstellung noch irgend ein Wesentliches hinzuzusetzen.

Die allerhöchste Kabinetsordre erinnert an jene tret^ichen Worte des

Dichters: alto

ProspicienSj summa placidum caput extulit unäa

Qiios cgo ! Scd niotos praestat componere ßnctus.^^) Auf diesem und auf keinem andern Weg wird Preussen das hohe Ziel seiner Bestimmung erreichen. Und so wird die prophetische Ahnung einst erfüllt seyn, wovon die Helden Seele des grossen Königs bewegt wurde. Der prak- tischen Lehre Sallusts Gehör gebend: quibus armis imperium partum, eisdem et tuendum est") hat die Regierung, unter der weisen und festen Leitung

'") Verfall., Aen. I, 127, i:{:>. ") Sali. Cat. 2. Das Citat lautet dort: Imperium facile iiü aclibus retinetur, quibus initio j^ürtum est.

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Friedrich Wilhelm des Gerechten, jenes wohl bekannte allgeliebte Panier des grossen Ahnherrn aufs Neue erhoben und die Herzen der Nation haben sich wieder, wie vormals, aber in viel grösserer Übereinstimmung noch, darum in alter Liebe versammelt. Wenn die erhaltende Form hinzukommt, dann wird der Augenblick erschienen seyn, wo selbst der Stifter nicht mehr zu dem Wunsch sich versucht fühlen möchte, den Sitz des französischen Thrones ein- zunehmen, damit künftig in Europa kein Kanonenschuss mehr ohne seine Er- laubnis gelösst werde.

Die Regierung des Königs hat die Elemente der Macht in unserer Zeit erkannt, und bewiesen, dass sie dieselben zur höchsten Kraftüusserung in ihrer organischen Zusammenwirkung zu verwenden weis.

Waffen, Meinung und Geld! dafür gibt das schönste und genügendste Zeugnis, was von den korrespondirenden Departements des Kriegs, des Kultus und Unterrichts und der Finanzen ausgegangen ist. Zugleich liegt darin die faktische Zusicherung und eine zureichende Bürgschaft der nachfolgenden weiteren konsequenten Entwickelung. Mit Stok und Zuversicht erblickt das übrige Teutschland Preussen an der Spitze seiner fortschreitenden Zivilisation. Der von diesem Staat ausgehende Impuls wird stets seiner erhabenen Bestimmung würdig seyn!

Ich nehme die nachsichtsvolle Güte Euer pp. vertrauensvoll in Anspruch, wenn ich Hochderselben eine Geduldsprobe in meinen rhapsodischen Bemerk- ungen bereitet habe, und wenn es bei mehreren Stellen llochdenenselben scheinen möchte, dass die Gränzlinie überschritten sey.

Ich erneuere pp.

Homburg, d. 11. April 1831. gez. Ibell."

Diese Ausführungen hat Ibell gewissermassen als Inhaltsübersicht seinem nunmehr folgenden Referate vorausgeschickt. Bescheiden, wie er immer war, bezeichnet er dieses als „einige rhapsodische Bemerkungen", während es doch ein sorgfältig ausgearbeitetes, logisch disponiertes, von der Kraft der innersten Überzeugung getragenes Aktenstück ist. Allerdings war Ibell anderweitig ge- wohnt, noch längere, besonders historisch deduktive Auseinandersetzungen zu machen, von denen er hier abgesehen hat. Aber stets wird man im folgenden neben dem bewährten Kenner der Staats- und Volkswirtschaftslehre auch den vertrauten Historiker bemerken.

Die Abhandlung lautet wörtlich:

„Die ruhige Klarheit, welche diesen Vortrag karakterisirt, und die milde, kräftige, besonnene Sprache, worin derselbe abgefasst wurde, sind ganz dazu geeignet, jedes teutsche Herz mit Hochachtung für den Verfasser und mit Ehrfurcht und Anhänglichkeit für den König zu erfüllen. Die umsichtsvolle Darstellung der darin berührten Gegenstände ist eben so ausgezeichnet durch eine dem Zweck entsprechende Sparsamkeit im Ausdruck, wie durch die Fülle und den Reichtum der Ideen, welche zum Theil nur angedeutet, zum Theil aber mehr oder weniger ausführlich abgehamlelt sind.

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Diesen Eindruck empfindet von vornen herein der Lesende, während noch sein Blick auf dem allgemeinen Umriss ursprünglicher und zufiilliger Ver- anlassungen weilt, welchen die Gefahren zum Grund liegen, die als der nächste Gegenstand zur nachfolgenden Erwägung sich darbieten. Neben der vorzugs- weisen Bezeichnung einer zunehmenden Verwirrung in den religiösen, moralischen und politischen Vorstellungen des Zeitalters und des wachsenden Verderbnisses der daraus sich entwickelnden Gefühle, der darin wurzelnden staatsrechtlichen und sittlichen Maximen könnte wohl auch auf eine andere Ansicht hingewiessen werden, welche das Vertrauen auf die Führungen der göttlichen Vorsehung rechtfertigt.

Die Erscheinungen des Lebens an und für sich werden wir nur in ewig wechselnden Gegensätzen gewahr; und das Daseyn jeder Kraft ist nur aus ihren Äusserungen zu erkennen. Bei der progressiven Ungeheuern Vermehrung der materiellen sowie der intellektuellen Kräfte und Hülfsmittel in den zivili- sirten Staaten unserer neueren und neuesten Zeit darf daher die in wider- streitendäten Erscheinungen hervortretende Äusserung dieser Kräfte nicht all- zusehr befremden; noch soll uns der Lärm des, Intervallen Weise daraus sich bildenden verworrenen Getümmels entmuthigen.

Das Leben des Staats, sagte schon Jobs. v. Müller, ist gleich einem befruchtenden Strom nur in seiner fortschreitenden Bewegung herrlich sein Stillstehen aber erzeugt Sumpf und Moder!

Er schöpfte diese Überzeugung aus der Geschichte; aber keine ferne oder nahe Epoche, kein Volk und keine Zeit bieten einen Moment zur Vergleichung mit dem, was die Aufgabe unserer Zeit geworden ist, eben unter jener unab- weisbaren Bedingung einer schon existirenden und noch in steter Progression begriffenen Masse von Kräften und liülfsmitteln, welche den früheren Zeitaltern nicht bekannt gewesen sind. Daher wird die Lösung dieser Aufgabe auf dem rein historischen Wege stets nur ohne Erfolg und in den meisten Fällen nicht ohne entgegengesetzte Zurückwirkungen versucht werden können.

Näheres darüber zu sagen würde weder der Raum gestatten, noch dürfte dazu die Veranlassung gegeben seyn. Soviel aber erschien erforderlich, um die Voraussetzung zu begründen, dass ein allgemein und tief empfundenes Be- dürfnis in der auf die. mannigfaltigste Weise mitunter in ") extrem einander entgegengesetzten Äusserungen ausgesprochene Ansicht der Völker nach zeit- gemäsen starken Regierungen vorhanden ist. Ebenso gewiss wird überall in Europa von der weit überwiegenden und einflusshabenden Mehrheit die monarchische Gewalt, von angestammten legitimen Thronen ausgehend als der einzig haltbare Stützpunkt solcher zeitgemäsen starken Regierungen betrachtet. Diesen Thron zu erhalten, und jene Gewalt zu kräftigen, sind die verschiedensten Partikular Interessen oft einander entgegengesetzten, und in Meinungen von einander abweichenden Tendenzen willig. Um aber dieselben zu zügeln, dem- nächst zu lenken, ist es nöthig, anschaulich und fühlbar allen die Gewissheit zu geben, dass in der jedes divergirende oder exzentrische Streben zur Kon-

'^J Unleserlichca Wort.

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zentrizität zurückführenden Königlichen Gewalt ebenso das gerechte und beharr- liche Wollen wie das unwiderstehliche Können, jenes pouvoir moderateur (dem frommen Glauben göttlichen Ursprungs) vorhanden sey, ohne dessen erhaltende Kraft und stets wachsame Thätigkeit die gesellschaftliche Ordnung und mit derselben alle bis jetzt aufgesammelten Früchte der Kultur von einigen Jahr- tausenden und der bis zu einer unerreichten Höhe gestiegenen Zivilisazionsent- wickelung voraussichtlich in Trümmer zerfallen würden.

Wenn hiernach das wirksamste Mittel zur Besänftigung der aufgeregten öffentlichen Stimmung ganz allein in der Befestigung und neuen Kräftigung der obersten Gewalt zu suchen ist, dann wird mit dem vollsten Recht vor allem andern die Verbindung moralischer Kraft mit der physischen Stärke von dem verehrungswürdigen Verfasser des Berichts als das wesentlichste Erforder- nis, als die unverkennbare Vorbedingung jedes dauernden Erfolges, bezeichnet. Diese Verbindung wird durch das vertrauensvolle Anschliessen der Mehrheit unter den Gebildeten und Besitzenden (der Mittelklassen) an die Masregeln der Regierung, durch ihre Hingebung für die verstandenen und mit Theilnahme ergriffenen Zwecke derselben, bewürkt werden. Solche mitwürkende Hingebung, jenes in Liebe und Anhänglichkeit wurzelnde Anschliessen der Majorität unter den Gebildeten und Besitzenden an die Regierung wäre durch stete Rücksicht auf das Gemeinwohl bei allen Regierungs Masregeln, durch festes Zurück- weisen aller Rathschläge und Eingebungen des Partheigeistes die Parthei sei, welche sie wolle zu begründen; so wird aus den vorangestellten Sätzen gefolgert.

Als weitere Folgerung könnte man in der vollkommensten Anerkennung dieser einsichtsvollen Begründung hinzufügen, dass die Ausdrücke Gemeinwohl und Partheigeist in einer noch schärfer (zu) bezeichnenden Begränzung hier anzu- deuten wären. Im Allgemeinen ist die darunter verstandene Richtung ohne Zweifel von allen teutschen Regierungen mit mehr oder weniger Entschieden- heit und raschem Fortschreiten offenkundig bereits eingeschlagen ; die Reibungen des Standes Partikularismus in vielgliederigen, mannigfaltig verzweigten Kor- porazionen gehen, nach dem Zerfall oder nach der erfolgten Auflösung der eigentümlichen Instituzionen, von selbst allmählich in der individuellen Be- theiligung am Gesamtwohl auf; und die sonst so rege Eifersucht der Nicht Bevorzugten gegen bevorrechtete Klassen erlischt zusehends aus Mangel an Lebensstoff, seitdem die Privilegien theils zurückgenommen, theils in ihrer drückenden oder provozirenden Würkung gegen die Nicht Privilegirten gemildert sind. Was nun Gewohnheit und Sitte zur vollständigen Ausgleichung noch beizutragen haben, das kann nur von den Einflüssen der Zeit erwartet werden. Dahingegen nehmen die aus allen Reihen der früher scharf begränzten und geschiedenen Stände der Gesamratheit der Gebildeten und Besitzenden hervor- tretenden Mittelklassen eine rege, thätige Fürsorge für ihre Interessen, eine wohlwollende Aufmerksamkeit für ihre Erwartungen und W^ünsche von der Regierung in Anspruch. Das Verkennen oder Nichtachten derselben erweckt ihren Missmuth, und bald theilt sich dieser den untersten, überall von ihr ab- hängigen und influenzirten Volksklassen mit. Was dann weiter daraus natur-

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SG

gemäs und nothwendig sich entwickelt, das zeigt zur Genüge die jüngste Yer- gangenlieit in so belehrenden als warnenden Exempeln.

Demnach ist es von der höchsten Wichtigkeit, die vorherrschenden Gesamt Wünsche und Erwartungen der Mittelklassen, welche das erhaltende Prinzip unserer Zeit umschliessen, zu kennen, uud die Anschauung derselben zur mög- lichsten Klarheit zu erheben, damit die Realisierung von der obersten Staats- gewalt ausgehend gelenkt und in beständiger Unterordnung unter die bedingen- den Staatszwecke und Maximen erhalten werden kann. Soviel sich aus öffent- lichen Berichten, aus besonnenem Hin- uud Herreden sachverständiger Beur- theiler, und mitunter aus dem wirren Durcheinanderschreien der von Leiden- schaften oder phantastischen Hirngespinsten aufgeregten Menge, entnehmen lüsst, möchte das Wesentlichste wohl in einigen hier nachfolgenden Andeutungen zusammengedrängt seyn.

A. Alle Einzelbestrebungen und die dadurch entstehende allgemeine Be- wegung scheinen nach einem Ziel hin gerichtet Erlangung der möglichsten, mit der Erhaltung der Staats- und der gesellschaftlichen Ordnung nur immer vereinbarlichen Freiheit für jede individuelle Entwickelung und Ausbildung.

B. Hiernach zunächst den möglichst freien Gebrauch erworbener Fähigkeiten und besitzender Hilfsmittel. In materieller und moralischer Be- ziehung. Freiheit des Erwerbs, Sicherheit der Früchte des Fleisses, des Besitzes, Gestattung eines möglichst freien Genusses dessen, was erworben würde oder in Besitz sich befindet.

C. Als Mittel für diese Zwecke werden bezeichnet Gesetzlichkeit, dass jede Beschränkung nur auf vorher bestimmten und bekannt gewordenen Normen beruhe Öffentlichkeit der Vollziehung, damit den Betheiligten nicht vorenthalten bleibe, wie die Organe der Staatsgewalt verstanden wissen wollen und wie die Anwendung erfolge für jegliche Beschwerde freies und offenes Gehör, damit auf gleiche Weise allen Betheiligten kund werde, was als Abweichung von der gesetzlichen Norm zu betrachten sey und was nicht.

D. Durch einen nach diesen Richtungen hin zu lenkenden Entwickelungs Gang der Gesetzgebung und der Regierung glaubt und hofft man die Sicher- stellung gegen misbräuchliche Anwendung der obersten Staatsgewalt von unter- gebenen Organen, den Schutz und Gewähr gegen Beamten Willkühr zu erlangen. Man nimmt dabei aber einen, nach relativer Fähigkeit und proporzionellem Besitz abzugränzenden, Theil der Mitwürkung in Anspruch. Man findet eine genügende Gewährleistung nicht länger in der hierarchischen Kombinazion oder Gliederung des Beamten Organismus; auch will man die Kontrole von Beamten über andere Beamten wegen des verzweigten Zusammenhangs der Instituzion und der daraus erwachsenden wechselseitigen Abhängigkeit oder Befangenheit der Individuen für ein ausreichendes Ersatzmittel nicht gelten lassen.

E. Das Verlangen nach Pressfreiheit, und repräsentativen Instituzionen, die geäusserte Vorliebe für die Öffentlichkeit der Rechtspflege, für Geschworenen Gerichte u. a. m. zeigen sich unter diesem Gesichtspunkte zwar nur als sekun- däre Erwartungen ; damit soll jedoch das Gewicht und die grosse Bedeutung dieser artikulirten Wüusche auf keine Weise in Abrede gestellt seyn.

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Auf diese Art, und im Wesentlichen wohl kaum nach Örrlichkeiten oder besondern Beziehungen verschieden, möchte wohl überall in Teutschland (die O.sterreichischen Staaten ausgenommen) der positive Begriff von Gemeinwohl und der negative von Abwesenheit des Parthei Geistes unter den Mittelklassen aufgefasst, in praktischer Anschauung verstanden und jedwede damit über- einstimmende oder dahin zielende Regierungs Masregel von ihnen durch die moralische Kraft ihres Anschliessens unterstützt werden.

Welche andere teutsche Regierung könnte von der Wahrheit dieser Vor- aussetzung mehr überzeugt seyn, als die Königlich Preussische? nachdem sie dieses moralischen Erfolges einer weisen, gerechten und entgegen kommenden Führung sich bereits in so hohem Maas zu erfreuen hatte; wenn gleich dem erleuchteten Blick der Führer es nicht verborgen bleiben, noch darüber hinweg gesehen werden mochte, dass die drängende Zeit wohl noch raschere Schritte des in manchen Zweigen zu beschleunigenden Entwickelungs Ganges nach sich ziehen werde. Und auf dieser unerschütterlichen Grundlage ruhen eben auch die Vorschläge, welche in dem Bericht an des Königs Majestät unter I— V enthalten sind.

Im Besondern könnte darüber bemerkt werden:

ad I. Es ist über jeden möglichen Zweifel hinaus klar und gewiss, dass nur bei einem Defensivkrieg, und zwar nur bei einem solchen, der für die Aufrechterhaltung teutscher Xazionalität und Eigenthümlichkeit geführt werden müsste, auf die moralische Unterstützung der Mehrzahl unter den Gebildeten und Besitzenden gerechnet werden dürfe.

ad n. Um eintretenden Falls diese Hülfe in Wirksamkeit zu setzen, ist allerdings die Unterdrückung jeder Äusserung oder auch nur des Scheins von Mistrauen vor Allem geboten. Als das erträglichste Mittel, Vertrauen au den Tag zu legen, dürfte die allgemeine Durchführung der theilweise schon einge- richteten Bürgerbewaffnang Erwähnung verdienen. Unter sachgemäsen Vor- sichts Masregeln und mit beschränkender Auswahl, wie man voraussetzen muss. Die Erfahrung der Jahre 1813, 1814 und 1815 wird dabei Maas und Ziel geben. In allgemeinster Andeutung mag gesagt werden, dass diese Bewehrung füglich auf wohl organisierte Bürgerbataillone in den grösseren Städten, und auf Schützen- und Veteranen Kompagnien in den kleineren Gemeinden be- schränkt werden möchte. In dieser Aufstellung können die zuverlässigen Ein- wohner zu jeder beruhigenden Verwendung leicht und ohne andere Unzuträg- lichkeiten disziplinirt werden.

ad m. Bei einer so organisirten imposanten Haltung der Mehrheit in den Mittelklassen, wird die Nothwendigkeit zum Gebrauch physischer Gewalt zu greifen, gewiss nur in den seltensten Fällen eintreten. Immer seltener, je mehr Energie (moralischer Muth), natürlicher oder erworbener Takt bei den Beamten zu finden seyn wird. Der Anstoss von oben wird auf die Unter- gebenen in dieser Beziehung von der einfiussreichsten Wirkung seyn, und wenn diese einmal die volle Überzeugung gewonnen haben, dass man von der aus- schliesslichen Anwendung physischer Mittel die Beseitigung moralischer Übel nicht mehr erwartet, dann wird auch unter ihnen der blinde Glaube an das

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alte Sangrado's Rezept mehr und mehr abnehmen, um besseren Einsichten Platz zu machen. Im Übrigen ist der Wink wegen vorsichtiger Wahl der Beamten der höchsten Berücksichtigung würdig. Es ist bekannt, dass unter andern Aufregungs Mitteln auch die Meinung verbreitet wurde, der Staatsdienst werde in vielen Beziehungen wie eine Versorgungs Anstalt behandelt. Besol- dungen und Dienst Emolumente würden häufig als Sinekuren verliehen. Da- durch sey der habsüchtigen Begierde der Impuls zu einer Stellen Jagd gegeben, wobei die um den Preis Ringenden ganz allein den mit der Dienst Stelle ver- knüpften Gehalt ohne weitere Rücksicht auf die zu übernehmenden Leistungen vor Augen zu haben gewöhnt wären. Sehr zu wünschen wäre es darum, dass nur bei erwiesener Fähigkeit für die Amtsleistungen die Regenten Anstellungen im Staatsdienste verliehen, und nur bei dem Zusammentreffen mit solcher Fähigkeit sich zu Begünstigungen aus Wohlwollen oder aus Rücksichten und auf schon geleistete Dienste bewogen finden möchten. Es kann hier an die bekannte Bemerkung eines geistvollen Staatsmanns erinnert werden, dass durch jede Anstellung eines Unfähigen in Staats Amtern, abgesehen vom Nachtheil für die Verwaltung der Regent ohne anderes Resultat blos immer Undankbare und viele Unzufriedene macht.

ad IV. Zur Vertreibung ungesunder moralischen Uebel, des Sinn- und Gemüth verwirrenden ausländischen Miasma's würden ohne Zweifel zersetzende Reagenzien, aus der Presse hervorgehend, mehr beitragen als Kanonenschüsse. Aber auch darin ist eine grosse Wahrheit ausgesprochen, dass es den Regier- ungen kaum möglich bleibt, die Produktivität der Schriftsteller bei bestehender Zensur, und ohne dass der schriftstellerischen Thätigkeit ein bestimmtes Ziel vorzustecken sey, zu lenken.

Könnte man die Hoffnung fassen, überhaupt in irgend einer nazionalen Angelegenheit übereinstimmende Maasregeln von den Regierungen der Bundes- staaten adoptirt und mit Konsequenz, Beharrlichkeit und aufrichtiger Hingebung an den Bundeszweck durchgeführt zu sehen, dann müsste man unter den ersten Gegenständen zur Vereinbarung ein umfassendes Regulativ für Presse und Buchhandel mit voransteilen. Es dürfte bei den eigentümlichen Verhältnissen, in welchen der deutsche Buchhandel nach Herkommen und allseitiger Kon- venienz der Betheiligten sich befindet, und aus anderen Gründen, deren Er- örterung hier zu weit führen würde, nicht allzu schwierig seyn, Bestimmungen aufzufinden, wodurch mit Aufhebung des lästigen Zensur Zwanges gegen die Misbräuche der Presse und des Buchhandels Schranken errichtet werden, die auf eine genügendere Weise den Erfolg sichern als es mittels der bisher in Anwendung gekommenen Masregeln überall geschehen konnte.

ad V. Das Bedürfnis gemeinsamer Instituzionen zur Befestigung und Verstärkung des Bundes, ist allgemein lebhaft und tief empfunden. Die wich- tigsten derselben wurden schon in der Bundes Akte bezeichnet. Aber mit schmerzlichen Gefühlen musste Deutschland aus der Schluss Akte vernehmen, dass die Realisirung der ersehntesten Einrichtungen, die Befriedigung der heissesteu Xazional Wünsche in eine ferne Zukunft verschoben sey. Es war nun offenbar, wie au( h in dem Bericht mit ergreifender Wahrheit dargelegt

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wurde, dass von dem Bund selbsf, in seiner jetzt bestehenden organischen Bildung, die Abhülfe nicht erwartet werden dürfe. Diese Bildung ging unter dem Einfluss der europäischen Mächte vor sich, welche naturgemäs kein anderes, als ein negatives, Interesse dabei zu berücksichtigen hatten, von der Art, wie es unter den zivilisirten Xazionen im Allgemeinen aus ihren wechselseitigen Beziehungen gegeneinander entsteht, und welches dem positiven Interesse, der eigenen Individualität naturgemäs immer untergeordnet bleiben muss. Mehrere von diesen Mächten traten dem Bund als theilnehmende Mitglieder bei. Dieser Hinzutritt konnte aber die negative Natur jenes fortdauernden Interesse's nicht verändern, da wo der Kern- und eigentliche Stützpunkt ihrer Macht ausserhalb des Bundes blieb. Ihre fortgesetzte Mitwürkung bei der Führung seiner An- gelegenheiten musste daher immer von dem nemlichen Geist ausgehen, der auch schon ihren EinHuss auf die erste organische Bildung bestimmt hatte. Und wenn sogar die wesentlichsten Entwickelungsfortschritte von der erklärten Zu- stimmung jedes einzelnen Bundesgliedes abhängig blieben, wenn zugleich die erste mit der formalen Geschäftsleitung ausgestattete Stelle einem auf seiner auswärtigen eigenen Schwere ruhenden Föderativstaat eingeräumt ist, von dessen grösseren ganz allein durch das Band seiner legitimen Dynastie zur Einheit verbundenen Ganzen nur einzelne Theile dem teutschen Staatenbund beigezählt werden, und dessen Lebens Pulse nicht mehr, wie vormals, von den Quellen der Donau ausgehend längs dem Rhein bis an die Küsten des Ozeans fort- laufen, dann bedarf es gewiss nur der einfachen Hinweisung auf diese that- sächlichen Bewandnisse, um es Jedem einleuchtend erscheinen zu lassen, dass gemeinsame Instituzionen, welche die positiven Interessen derjenigen Bundes- staaten schützend und fördernd zu umschliessen geeignet wären, die nur im Bund und durch den Bund als Theil einer selbstäodigen von andern Nazionali- täten unabhäijgigen teutschen Xazionalkraft bestehen, nicht von der hervor- bringenden Thätigkeit der Bundes Verfassung und ihres Organs zu er- warten sind.

Nur diejenigen Bundesstaaten, welche bei der Erhaltung teutscher Nazio- nalität und Selbständigkeit in ihren damit übereinstimmenden positiven Inte- ressen wesentlich betheiligt sind, von welchen die Frage über Bestehen und Wohlseyn im Bunde ganz eigentlich als eine Vitalfrage betrachtet werden muss, nur sie scheinen zur engeren Vereinigung mittels gemeinsamer Instituzionen, zum unautlöslichen Bündnis auf gemeinsames Bestehen oder Untergehen, be- rufen zu seyn. Iniziative, Impuls und Führung kann aber nur von den mäch- tigeren und einflussreichsten ausgehen. Haben sich diese vor Allem über die wesentlichen Bedingnisse verstanden, dann werden die übrigen bald von der moralischen Kraft dieser Vereinbarung auf eine unwiderstehliche Weise sich angezogen fühlen. Es wird an Mitteln und Wegen nicht fehlen, den Eifer der Willigen zu erhöhen, die Lässigen anzutreiben, die Widerstrebenden aber den- noch für den höchsten Nazional Zweck zu gewinnen, wenn nur immerdar die Ueberzeugung bei Allen lebendig erhalten wird, dass die partikulare Selbstän- digkeit eines Jeden samt den fortdauernden Partikular Interessen, soweit solche mit dem Gemeinwohl in Übereinstimmung gebracht werden können, nicht unter-

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drückt werden sollen, dass kein Glied dieser innigeren Föderazion jemals als ein bloses Mittel für die Zwecke Anderer in Anspruch genommen werden möge. Dieses schliesst aber eine proportioneile Vertlieilung des Einflusses auf die Ver- waltung der gemeinsamen Angelegenheiten nach dem Maas der Betheiligung und der Fähigkeit oder Kraft zur Mitwürkung nicht aus. Vielmehr ist dieselbe eben dadurch bedingt, denn keiner wird erwarten oder fordern dürfen, dass der mehr Betheiligte und Stärkere, bei welchem folglich die lebhaftere Theil- nahme für das Gemeinwohl sowie auch die grossere Kraft und Fähigkeit zu dessen Realisirung vorauszusetzen ist, seine Partikular Interessen dem Einfluss der minder Betheiligten und Schwächeren unterzuordnen habe. Keiner wird durch ein solches verfassungsmäsiges Misverhältnis an das Unheil bringende Veto vormaliger Landboten auf polnischen Reichstagen erinnern wollen. Überall wird man anerkennen, dass die Idee der Rechtsgleichheit bei jeder zu ver- suchenden Realisirung durch die Gleichheit der Anlagen, der Kräfte und Hülfs Mittel bedingt bleibt. Die Überschätzung sowie die Überspannung des indivi- duellen Vermögens hat aber überall und immer nur zum eigenen Verderben gereicht; diese praktische Wahrheit wird ebenso sehr durch die Geschichte als durch die forschende Betrachtung zur Anschauung erhoben. Wer alles zu können glaubt, was ihm zu wollen gestattet ist, der fällt mit Recht schweren Büssungen anheim wegen dieses unverzeihlichen Irrthums !

Unter den ersehnten gemeinsamen Instituzionen wird mit Recht die Auf- stellung eines gemeinschaftlichen Handels- und Zollsystems ganz oben an ge- stellt. Wie könnte, solange der unheilvolle Zollkrieg im Innern der Bundes- staaten fortdauert, das Volk, welches die Idee des Gemeinwohls nur in der realen Erscheinung mittels sinnlicher Wahrnehmungen aufzufassen im Stande ist, jemals dazu vermocht werden, Gut und Blut mit Hingebung für diese Idee zu opfern?! Fürwahr, wenn man diese einander entgegengesetzten Zoll- statuten mit ihren tief einschneidenden Folgen vergleichend erwägt, und wenn man sich einen Aufruf der nazionalen Gesamtkraft hinzudenkt, eine Aufforde- rung der Eingeborenen, zu ihrer Verstärkung mit Leben und Vermögen herbei zu eilen, dann muss selbst die nüchternste Betrachtung dieser Beziehungen ein so labyrinthisches Gewirre von drängenden und wogenden Vorstellungen ent- hüllen, dass jedes vaterländische Gemüth sich nur mit Besorgnis und Wehmuth von diesem Überblick des gewiss seltsamsten Kausal Nexus unserer Zeit, wieder abwenden wird.

Mobile Kolonnen werden von grosser Würkung seyn, da wo sie zur L^nter- stützung des Koros (Corps) einer zuverlässigen Bürgerbewaffnung dienen. Müsste ihnen aber die Bewachung und das Bezähmen einer ganzen aufgeregten Be- völkerung, sobald das Bundes Heer dem auswärtigen Feind gegenüber steht, zur Aufgabe gemacht werden, dann dürfte sich bald das Unzureichende einer solchen Masregel heraus stellen. Und doch ist die Gefahr gros und ganz in der Nähe drohend. Die Aufreger wenden sich jetzt, nachdem viele Elemente der Unruhe durch Zugeständnisse beschwichtigt worden, und da unter dem teutschen Volk durchaus keine Sympathie für irgendwelche von Franzosen zu gewährende Intervcnzion erweckt werden konnte, an die unteren Klassen.

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DieacQ stellt man vor, der Krieg werde ihneu mit seinem bekannten Gefolge vun Einquartiruug, Lieferungen, Vorspann, Geldleidtungen, persönlicher Unsicher- heit und häutigen Mishandlungen nächstens erscheinen. In ihrer Mitte aber seyen die Männer noch am Leben und rüstig, welche selbst als Soldaten die letzten Kriege geführt ; diesen sey Gefahr und Lohn des Kriegerlebens bekannt genug, um jeden zu bewegen, dass er dem Mithandeln vor dem blos leidenden Vorstellen den Vorzug gebe. Ihnen allen habe man damals eine lange Ruhe und den dauernden Frieden mit seinen Genüssen versprochen ; die getheilten Interessen, das Mistrauen und die Eifersucht der bestehenden Regierungen Hessen es aber nicht dazu kommen. Wenn also diese durchaus Krieg haben wollten, dann müsse sich das ganxe Volk in bewaffneten Massen erheben, um zugleich den auswärtigen Feiud zurückzuschlagen und die innere nie versiegende Quelle der immer erneuten Kriege endlich zu verstopfen. Letzteres aber könne nur geschehen, wenn alle jetzt bestehenden Regierungen aufgelösst und die Völker unter wahrhaften uazionalen Regierungen vereinigt würden, die nur die würklichen Nazional Interessen vor Augen haben müssten und daher aus andern Motiven keine Kriege zu führen sich genöthigt sehen oder veranlasst werden könnten. Am wenigsten durch Familien Verhältnisse und wegen veralteter staatsrechtlicher Ansichten oder Lehrsätzen aus längst vergangenen Zeitaltern. Ein dauernder Friede und vortheilhafte nazionale Verbindungen mit Frankreich würden die unmittelbare Folge von dieser Umgestaltung des öffentlichen Zu- staudes in Deutschland seyn. Die Franzosen dächten nicht daran, sich Teutsch- land aufs Neue zu unterwerfen ; sie wollten blos Bürgschaften haben, dass von Teutschland aus nicht die bei ihnen eingeführte öffentliche Ordnung angegriffen, unterminirt und umsrestürzt werden könne. Das Bundesheer werde dem Auf- stand des Volkes keinen Widerstand leisten. Wenn auch die Offiziere aus leicht begreiflichen Motiven sich von der Sache des Volkes lossagen wollten, so könne dagegen auf die Theilnahme der L'nter Offiziere und Gemeinen zu- versichtlich gerechnet werden. Nebenbei wird vor Allem auf Fohlen, als ein Beispiel zur Nachahmung hingewiesen, und die für dieses Land unter allen Klassen erwachte Sympathie durch jedes Mittel der Aufregung gesteigert. Der industriellen Abtheilung der Mittelklassen und den kleinen Eigenthüraern wiid insinuirt, das Schicksal der Fohlen müsse ihnen mehr Aufschluss über die End- zwecke und letzten Absichten der Mächte geben, als aus allen offiziellen Be- kanntmachungen zu schöpfen sey. Dem politischen Interesse aller Mächte ausser Russlaud sey augenscheinlich die Wiederherstellung eines selbständigen mit Widerstandskraft ausgestatteten pohlnischen Staats entsprechend; wenn also demohngeachtet der dazu günstige Moment nicht genützt, vielmehr diese herrische Nazion dem hofnungslosen Untergänge überlassen werde, dann sei kein erdenk- barer Zweifel mehr übrig, dass es dabei mehr um die Erhaltung von Regierungs Prinzipien als um das wohlverstandene Interesse der Völker sich handle. Die Körperschaften, worin sonst der Einzelne den Schutz der Genossen gefunden und einer völligen Rechts Gleichheit wenigstens in der Genossenschaft sich zu erfreuen gehabt, seye mit der Auflöduug der alten Reichs Verfassung, samt ihrem Kaiser und Reichstag und Reichs Gerichten und allen übrigen darin wurzelnden

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Instituzionen verschwunden. Jetzt stehe der Einzelne hilflos und schutzbedürftig einer übermüthigen Beamten Hierarchie gegenüber; in diese seyen, sich einzu- drängen, Viele bemüht, die sonst durch Privilegien und Monopole bevorzugt gewesen; zum Ersatz des erlittenen Verlustes suchten selbige die absolute Regierungs Gewalt unter sich zu vertheilen. Hinter dem Heiligthum des Throns wären sie beflissen, ihre Habsucht, ihren hoffärthigen Dünkel, und ihre Genuss- gier, verbunden mit Arbeitsscheu und schlapper Behaglichkeitsliebe zu verbergen. In diesen Gesinnungen wurzele der geheuchelte Royalismus Vieler vormals Privilegirten, und für die ausser der Beamten Hierarchie stehenden Eigenthümer und Industriellen sey kein anderes Ende der hieraus für sie erwachsenden Schmach und Drangsale abzusehen, als wenn sie jetzt die aufgeregte Stimmung der untersten Klasse gewähren lassen, oder vielmehr derselben nach erfolgter Explosion die angemessene Richtung geben wollten. Im Hintergrund zeigt man auch die wohlfeilere Einrichtung einer von der Volks Souveränität ausgehenden Verwaltung. Ohne Zweifel eine Präsidentschaft ä la Lafayette mit Zubehörung, statt des unfindbaren populären Thrones umgeben von republikanischen In- stituzionen?

Der Eindruck, den solche und ähnliche Vorstellungen, je nach Gelegenheit und Umständen hervorbringen können, lässt sich im voraus nicht berechnen. Aber soviel lässt sich behaupten, dass auch diese Seite der Dinge eine sehr ernste Betrachtung verdient und dass die möglichen Würkungen von da aus auf die Volks Erregung angelegter Versuche weder durch Ignoriren noch durch ein leichtes darüber Hinwegsehen geschwächt werden können. Wer Teutsch- land auch nur aus dem Buch der Frau von Staöl kennen möchte, wird dieses kaum in Zweifel zu ziehen geneigt seyn."

Aus diesem hochwichtigen Schriftstücke geht hervor, wie Ibell ebensowohl die liberale Bewegung seiner Zeit in ihrem ganzen Umfange verstand, als auch die preussische Politik und ihre Ziele richtig zu würdigen wusste, im Hinblick auf die zukünftige, zu erstrebende deutsche Einheit.

Graf Bernstorff hat vielleicht von dem intimen Verkehre Naglera mit Ibell nichts gewusst, ebensowenig Ancillon. Bedeutsam bleibt es, wie gesagt, jedenfalls, dass Nagler nicht allein Bundesgesandte zu Rate zog, sondern auch Ibell, der nicht zu letzteren gehörte, geradezu den Vortrag zur Begutachtung übersandte. Er mag eben durch die herrschende Stimmung dazu bewogen worden sein, auch einen ausserhalb jener Kreise stehenden Diplomaten zu hören. Die Darlegungen Ibells haben gewiss ihren Eindruck auf Nagler nicht verfehlt; aber ihre thatsächliche Wirkung vvar, wie aus dem Folgenden hervorgeht, nicht die vom Verfasser erhoffte.

Die nächste Zeit brachte grosse Veränderungen im Ministerium zu Berlin. Im April von 1831 beantragte der fortwährend kranke Bernstorff" seine Ent- lassung; der König aber bewilligte sie ihm nicht, sondern gab ihm den gewandten und geschäftskundigen Werther zur Seite. Zum Vorsteher der zweiten Ab- teilung des Ministeriums wurde Eichhorn ernannt, Ancillon zum Staatssekretär, als welcher er die regelmässige Korrespotidenz mit dem Auslande zu führen hatte. Zum Generalstabschef wählte der König den General von Krauseneck;

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auch dor Staatsrat wiirde durch einzelne Ernennungen, z. B. die Wiederberufung \V. V. Humboldts umgestaltet. Alle diese Änderungen kehrten sich gegen die Kriegspartei der „Mecklenburger" (Herzog Karl, v. Kamptz, v. MüfHing u. a.) und die österreichische Politik.

Die letztere drängte auf eine Wiederholung der Karlsbader Konferenz. Die preussischen Gesandten Graf Maltzan in Hannover und Frhr. v. Maltzahn in Wien waren metternichischen Sinnes; der nassauische Staatsminister v. Mar- schall entwarf sogar einen Vortrag, der auf Aufhebung der landatändischen Rechte hinauslief. Aber all diesem Ansinnen widersetzte Bernstorff sich stand- haft; er war der Ansicht, dass man nichts ohne und nichts wider die Bundes- verfassung unternehmen solle. Er sprach sich entschieden gegen die seitherige Handhabung der Zensur aus und Hess einen Entwurf zu einem preussischen Pressgesetze ausarbeiten, der die Grundlage zu einem Bundespressgesetze ab- geben sollte und der für damalige Zeit verhältnismässig liberal war. Maltzahn verhandelte in Wien mit Metternich auf streng gesetzlichem Boden, und man einigte sich schliesslich dahin, dass sechs Artikel zur „Stärkung des monarchischen Prinzips" der Bundesakte hinzugefügt und deshalb dem Bundestage vorgelegt werden sollten.

Die sechs Artikel bestimmten: 1. die Souveräne sind verpflichtet, Anträge der Stände, die der Vorschrift, dass alle Staatsgewalt im Oberhaupte des Staates vereinigt bleiben muss, widersprechen, zurückzuweisen; 2. die Stände dürfen dem Souverän die zur verfassungsmässigen Regierung nötigen Gelder nicht verweigern, noch die Verwilligung von der Durchführung anderweiter Wünsche abhängig machen; 3. die Erfüllung der Bundespflichten der Eiczelstaaten wird nicht beeinflusst durch die besonderen Gesetzgebungen; 4. die Landtage werden durch eine beim Bundestage einzusetzende Kommission überwacht; 5. die Regierungen der Bundesstaaten verpflichten sich, etwaige Angriffe der Landtage auf den Bund zu verhüten; 6. die Bundesversammlung ist zur alleinigen Auslegung der Bundesgrundgesetze berechtigt. Die preussische Regierung hatte einen Schritt nachgegeben, dafür aber eine totale Reaktion im öster- reichischen Sinne verhütet.

Der Bundestag machte sich an die Arbeit, die Artikel zu beraten. Mittler- weile erfolgte im Mai von 1832 endlich der Abschluss des Militärtraktats zwischen Preussen, Österreich und den Süddeutschen im Sinne der preussischen Politik, ferner die endliche Anerkennung Belgiens durch sämtliche Mächte, aber auch die pfälzische Bewegung (Hambacher Fest, 27. V. 1832). Das liess den Bundestag sich schnell einigen; am 28. VI. 1832 wurden die sechs Artikel einstimmig angenommen. Das Pressgesetz BernstorfFs blieb aber ein frommer Wunsch, zumal sogar in Preussen der Entwurf nicht die Zustimmung des Ge- samtministeriums erhalten hatte.

Graf Bernstorff, immer kränker, drang auf seine Entlassung; er hat sie im Mai von 1832 erhalten. Seine besonnene und umsichtige Leitung der Ge- schäfte behütete Deutschland, ja Europa vor grossen Gefahren, vor einem Welt- kriege, sie rottete die deutschen ständischen Verfassungen, trat den ÜbergriiFen des Absolutismus entgegen und liess das grosse Werk des deutschen Zollvereins

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seiner Vollendung entgegenreifen. Ancillon wurde des bedeutenden Staats- mannes Nachfolger, und die pieussischo Politik steuerte wieder mehr ins öster- reichische Fahrwasser, ohne indes sich von Metteruich ins Schlepptau nehmen zu lassen.

Sobald die sechs Artikel angenommen worden waren, erfolgte das Verbot von Versammlungen, \ ereinigungen und Zeitungen; das liberale Pressgesetz in Baden wurde aufgehoben, die namhaftesten Publizisten wurden mund- und federtot o-emacht, die Universitäten schärfer überwacht mit einem Worte die Karls- bader Beschlüsse wieder schärfer beobachtet. Allein schon gab es eine Anzahl von Regierungen, die die Zusatzartikel nicht oder nur mit Vorbehalt zu publi- zieren wagten, so sehr hatten die Landtage ihr Ansehen befestigt.

Und wenn man dadurch der liberalen Bewegung einen Hemmschuh an- gelegt zu haben glaubte, so befand man sich im Irrtume. Sie war nicht mehr zu hemmen, allerdings auch nicht durch das Benehmen der Exaltados (Frank- furter Wachensturm 3. IV. 1833) vorwärts zu treiben. Denn es folgten sofort die Gegenmassregeln. Zar Nikolai, nach der Niederwerfung Polens wieder als Schutzherr des Absolutismus auftretend, verabredete mit Kaiser Franz in der bekannten Entrevue zu Mün; hengrätz (September von 1833) ein bewaffnetes Einschreiten gegen die revolutionäre Propaganda. Allein der alte König Friedrich Wilhelm hatte sich in Teplitz dem österreichischen und in Schwedt dem rus- sischen Herrscher gegenüber dahin ausgesprochen, dass er für eine solche Aktion nicht zu haben wäre. Die Übereinkunft der drei Mächte zu Berlin am 15. X. 1833 erhielt daher auch rein defensiven Charakter. Dagegen beabsichtigte Metternich dem Revolutionsdrange in Deutschland einen entsprechenden Dämpfer aufzusetzen. Preussen stimmte zu.

So trat denn am 13. I. 1834 auf seine Einladung die Konferenz zu Wien zusammen. Sie war nur eine Abschattung des Karlsbader Kongresses, und sofort trat der Zeiten und Verhältnisse Wandlung deutlich hervor. Die an- wesenden Konferenzmitglieder schieden sich in zwei Gruppen, eine konservative (Osterreich, Preussen, Dänemark, Oldenburg, Mecklenburg, Bremen, Luxemburg, Hessen-Darmstadt) und eine konstitutionelle (Baiern, Württemberg, Baden, Sachsen, Hannover, Kurhesseu, die thüringischen, die übrigen Kleinstaaten und Nassau-Braunschweig Minister v. Marschall war gestorben) also acht gegen neun. Das berichtigte „Sechzig-Artikel-ProtokolP wurde endlich, am 12. VL 1834 genehmigt, mit seinen Bestimmungen über das Bundesschieds- gericht, die landständischen Rechte, die Zensurverschärfung, die Regelung des Universitätslebens und dem Verbote der Akteuversenduug. Aber man wogte nur allmählich, den ersten, vierten und fünften Teil, ersteren als Bundesgesetz, zu veröffentlichen und auch dann nie, das Bundesschiedsgericht in Thätigkeit treten zu lassen.

Unterdessen ging die Zollpolitik Preussens unveränderten Grundsatzes ihrem grossen Ziele entgegen. Es schlössen sich an: 1830 Fürstentum Birken- feld, 1831 Kurhessen, 1833 Baiern und Württemberg, Thüringische Staaten, Sachsen, 1834 Baden, 1835 Nassau und Hessen-Homburg, 1836 Frankfurt; die übri^on Staaten des mitteldeutschen Handelsvereins bildeten 1834 den söge-

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nannten Stcucrverein, eine auf die Dauer unhaltbare Verbindung. Die deutsche Geschichte hat da3 gelehrt und uns auch die weitere Entwickelung der grossen Frage aufgezeichnet.

Mit unermüdlichem Eifer ist Regierungspräsident von Ibell der preussischen Politik treu geblieben, in der er das Heil Deutschlands erblickte, obwohl er durch sie seine liberalen Grundsätze noch lange nicht in vollem Umfange ver- wirklicht fand. Bitter sprach er sich über die Wiener reaktionären Beschlüsse aus; er scheute sich nicht, seiner Ansicht in Wien selbst, wo er eine Zeitlang im Auftrage seines Landesherrn weilte, Ausdruck zu geben. Noch vor Ver- kündigung des Bundesgesetzes aber raffte ihn eine tückische Krankheit hinweg.

So hat er nicht mehr erlebt, wie vierzehn Jahre später der Absolutismus aus allen Fugen krachte und wie die Souveräne nun notgedrungen alle jene Rechte gewähren mussten, die von liberalen Staatsmännern zur Einführung lange vorher empfohlen worden waren, damit die Throne und Regierungen vor Erschütterungen bewahrt blieben.

Das Schloss zu Heftrich,

Yon

Dr. W* Sauer^

Künigl. Archivrat und Staatsarchivar zu Wiesbailen,

Die Aufgabe, das Gebiet der kleinen Herrschaft Idstein gegen feindliehe Einfälle zu schützen, hatten neben der alten, inmitten der Herrschaft belegenen Stammburg Idstein drei kleinere Landesburgen, welche in späterer Zeit zu diesem Zwecke errichtet wurden. Clegen 1356 baute Graf Adolf I. an der Westgrenze Adolfseck; um 1390 Graf Walram an der Nordgrenze, gegen Kur- trier und Diez, das Schloss Walrabenstein. Sein 1393 zur Regierung gelangter Sohn Graf Adolf IL baute an der O^tgrenze gegen die Herren von Eppenstein, welche in dem Nachbarorte Schlossborn ein festes Haus hatten, das Schloss zu Heftrich, dessen Errichtung schon wohl sein Grossvater Graf Adolf I. geplant hatte, als er sich am 13. Januar 1367 von Kaiser Karl IV. Stadtrechte für den Ort erteilen Hess. Das Schloss zu Heftrich, zu dessen um das Jahr 1404 vollendetem Bau die Trümmer des römischen Kastells Alteburg das Material geliefert haben dürften, war wohl die kleinste der genannten Burgen, weder hier noch zu Walrabeustein werden ausdrücklich Burgmänuer oder Burglehen genannt. Vielleicht können wir aber die Herrn von Reifenberg, welche 1496, 1514, 1526 mit 20 Guldea Miungeld aus dem Schlosse Heftrich belehnt wurden, doch als solche ansehen.

Die Existenz dieses Schlosses ist ziemlich unbekannt geblieben; nur Vogel erwähnt es S. 820; Schliephake-Menzel nennen es kaum; Lotz, Baudenkmäler, hat den Ort Heftrich überhaupt übergangen.

Von urkundlichen Erwähnungen des Schlosses liegen ausser den eben genannten folgende vor:

1. 1404, Januar 31. Freiheitsbrief des Grafen Adolf IL für „unsere burger zu Heftrich in dem slosse".

2. 1446, Dezember 14 verpachtet Eberhard lU. von Eppenstein seinen Hof zu Esch, „der uns mit dem slosse zu Hefftrich worden ist".

Wie und wann das Schloss in den Besitz des Genannten gelangte, war nicht zu ermitteln.

3. 1465 nimmt Erzbischof Johann IL von Trier die Schlösser des Grafen Johann von Nassau, darunter Heftrich, in Schutz. Vergl. Goerz, Rcgg. der Trierer Erzbischöfe, S. 222; Menzel V, 350.

4. 1468, Oktober 28, Johann von Kalk, Präzeptor des Antoniterhauses zu Höchst, verschreibt diesem eine Rente von jährlich 6 Gulden auf das Schloss zu Heftrich.

Diu Lage und die baulichen Verhältnisse des Schlosses werden durch örtliche L'ntersucliungen vermutlich noch festgestellt worden können.

Nassauische Studenten

auf Universitäten des Mittelalters.

Von

Fr« Otto»

Erste Abteilung.

"Wie sehr und in wie vielfacher Hinsicht unsere Kenntnis durch die in neuerer Zeit in Angriff genommene Veröffentlichung von Universitätsmatrikeln der frühereu Jahrhunderte gewonnen hat, lehrt eine wenn auch nur oberfläch- liche Betrachtung. Wir finden uns auf einmal in die Mitj;e der Scholaren eines Semesters versetzt, sehen, wie neue ankommen, arme und wohlhabende, geist- liche und weltliche, Männer in Ämtern und Würden, Jünglinge und Knaben, die noch nicht zu einem Eide zugelassen werden. Besonders erweckt unsere Neugierde die Zahl und die Herkunft der Scholaren; jene kann jetzt ziemlich genau festgestellt und von ihrer traditionellen Übertreibung befreit werden; diese zeigt, wie stark sich die einzelnen Orte, Dörfer, Städte und Länder an dem auf einmal erwachten regen Streben nach akademischer Ausbildung im damaligen Sinne beteiligten.

Hier soll eine Zusammenstellung der Scholaren aus Nassau gegeben werden. Unter Nassau verstehen wir dabei den Umfang des vormaligen Her- zogtums oder das Gebiet der Thätigkeit des Vereins für nassauische Altertums- kunde und Geschichtsforschung. Als Zeitgrenze haben wir das Jahr 1500 an- genommen, nach welchem sowohl die Gründung neuer Universitäten fällt, als sich eine neue Richtung der wissenschaftlichen Bestrebungen, wenn vorerst auch in den alten Bahnen des Betriebs, alsbald bemerkbar macht; nur einige- mal haben wir diese Grenze überschritten, wie bei Bologna und den Eber- bacher Mönchen zu Heidelberg. Dabei beschränkten wir uns auf diejenigen Hochschulen, von denen gedruckte Matrikeln vorliegen. Zunächst sind es die vor dem Jahre 1400 gegründeten (mit Ausnahme Wiens), Bologna, Prag und Heidelberg, deren Scholaren aus Nassau wir zusammenstellen ; nach ihnen sollen in einer zweiten Abteilung die von Köln und Erfurt folgen.

Leider war es nicht möglich alle genannten Personen anderweitig nach- zuweisen, ja bei manchen blieb es zweifelhaft, ob sie überhaupt hierher gehören.

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Wir hoffen, dass es späteren Ermittelungen oder andern Forschern gelino-en werde das hier Fehlende wenigstens zum Teil zu ergänzen oder Irrtümer zu berichtigen. Wir haben einstweilen das uns zugängliche Material zu verwerten gesucht; von manchen strebsamen Jüngern der Wissenschaft, die auf niehrereu Universitäten erscheinen, wie Eberhard Goldsmit (Aurifaber) von Montabaur, müchte man mehr erfahren als den trockenen Namen in einer Matrikel. Einst- weilen müssen wir uns vielfach damit begnügen die Zahl derer, die das Be- dürfnis nach höherer Bildung zu den Stätten der Wissenschaft trieb, nach Ort und Zeit zu wissen.

I. Bologna.')

Die Universität zu Bologna war ursprünglich und blieb vorzugsweise eine Rechtsschule, wenn auch schon im Laufe des 13. Jahrhunderts Lehrer in der Medizin und den freien Künsten (philosophi et medici oder physici oder mit dem gemeinsamen Namen artistae) und etwas später in der Theologie daneben auftraten. Jene zerfiel in zwei Korporationen, univeroitates, die der Citra- montaui und Ultramontani, deren jede einen besonderen Rektor hatte und wieder je nach der Herkunft der Scholaren in verschiedene Nationen zerfiel. Eine der Ultramontani war die deutsche, natio Teutonica oder Germanica, zuerst erwähnt 1267; sie umfasste alle, welche die deutsche Sprache redeten; doch zählte man zu ihr auch die Böhmen, Mähren, Lithauer und Dänen.

Mitglied der Nation wurde man durch die Immatrikulation (intitulatio), mit der die Zahlung einer gewissen Geldsumme und ein Eid verbunden war. Dieser verpflichtete den Schwörenden den Satzungen der Nation gemäss zu leben, die Kirche wenigstens an bestimmten Tagen zu besuchen, an Leichen- begängnissen der Genossen teilzunehmen u. s. w. Der Betrag der Gebühren war anfangs nach den Einkünften eines jeden bemessen (von jeder Mark ein Bolog- neser grossus), doch fanden wohl oft Abweichungen davon statt, indem reiche und vornehme Herren mehr zahlten, als notwendig war. Die niedrigste Summe in unserm unten folgenden Verzeichnis beträgt 4 Solidi (1 Sei. nach Savigny im Jahre 1289 = 1 Sgr. 7 Pf.).

An der Spitze der deutschen Nation standen zwei Prokuratoren, die jähr- lich wechselten und am Anfang des Januar (Epiphan.) in der Regel erwählt wurden; ihr Amt traten sie dann am Sonntag nachher an. Sie sollten scolas- tici idonei und über 20 Jahre alt sein ; die Wahl fand statt durch vier Wahl- männer (electores) und die zwei abgehenden Prokuratoren, Sie hatten die Matrikel zu führen und das Eigentum der Nation, die Gelder und Inventariata- stücke, zu verwalten; die Übergabe desselben erfolgte beim Amtsantritt, und über diesen Akt wurde ein ausführliches Protokoll aufgenommen. An bestimmten Tagen fanden Zusammenkünfte (conventus) statt, die bisweilen zu opulentae cenae ausarteten und daher seit 1313, wenn auch vergeblich, eingeschränkt wurden.

') Über Bolo^a vgl. v. Savigny, Geschichte des römischen Rechts, III; Kaufmann, Geschitlite <ler deutschen Universitäten, I. und Denifle, Geschichte der Universitüten I., und über die deutsche Nation die unten angeführten Acta Nationis Gcrniaiiicae.

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Die Zahl der eingeschriebenen Scholaren der deutschen Nation betrug in den Jahren 1289—1300:533, 1300—1350:1259, 1350—1400:415, 1400 bis 1450: 308, 1450—1500: 715; man berechnet die Zahl aller in 408 Jahren verzeichneten Scholaren der nat, Germ, auf 10300.

Unsere ZusammenstoUuDg beruht auf dem umfassenden Werke : Acta Nationis Germanicae universitatis Bononiensis ex archetypis tabularii Malvez- ziani ediderunt Ern. Friedländer et Carolus Malagola, Berlin 1887, Fol., unten abgekürzt in ANG.') Wir haben, wo es möglich war, die frühoie und spätere Stellung der einzelnen Scholaren zu bestimniou gesucht; bei einigen muss es zweifelhaft bleiben, ob sie hierher gehören, andere mögen vielleicht übersehen sein, doch wird an der Gesaratzahl von 38 nicht viel zu ändern sein. Nicht alle sind in der Matrikel selbst enthalten; manche erscheinen blos in den Pro- tokollen als Zeugen; wir glauben auch sie hier aufnehmen zu sollen. Es scheint ein gleichmässiges Verfahren der Prokuratoren nicht stattgefunden zu haben; denn w^ährend z. B. der Magister des Grafen Gerlach von Nassau und des Herrn Syfrid von Runkel im Jahre 1304 eingetragen ist, findet dies bei dem Magister des zweiten Gerlach im Jahre 1340 nicht statt.

Die Mehrzahl der nassauischen Scholaren gehörte dem geistlichen Stande an; sie wollten offenbar das kanonische Recht studieren; andre waren Glieder des höheren oder niederen Adels. Manche hatten vorher deutsche Universi- täten besucht; siebenmal wurde aus ihnen der eine der Prokuratoren gewählt. Der rasche Niedergang des Besuchs in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts muss als eine Folge der Stiftung von deutschen Universitäten, Prag, Wien, Heidelberg, Köln und Erfurt angesehen werden.

Die Münzen. 1 Solidus (= 12 Denarii, Bolognini) war, wie oben be- merkt, im 13. und 14. Jahrhundert nach Savigny = 1 Sgr. 7 Pf. ; 1 Libra = 20 Solidi, 1 Grossus = 24 Sol., 1 Floren. = 31—35 Sol., 1 Ducatus = 37—38 Solidi.

Wir lassen nunmehr das Verzeichnis aller Scholaren aus Nassau folgen und zwar zuerst nach der Heimat oder den Geschlechtsnamen, dann in chrono- logischer Ordnung. Hierbei gehen wir über die Grenze, das Jahr 1500, hinaus, da mit den drei letzten der Besuch Bolognas vonseiten Nassaus aufhört.

A. Ordnung nach der Heimat oder den Geschlechtsnamen.

I. Bicken: 2.

1. Dominus Fredericus de Bicken. 23 sol. 1305.

ANG. 57, 37. Der Name Friedrich kommt bei denen von Bicken mehr- fach vor; so 1272, 1289, 1352. Arnoldi, Mise. 213; Philippi, Siegener Urkundenbuch I, 28 u. 35.

2. Dominus Guihelmus de Bick eiusdem (Maguntinensis) dioecesis dedit unum fiorenum aureum. 1526.

^) Einigemal wurde die Lesart eines zweiten Codex (B.) zugefügt.

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ANG. 293, 13. Seit dem Ende des 15, Jahrhunderts finden sich mehr- fach Herrn von Bicken als Domherrn zu Mainz, unter ihnen drei mit dem Namen Wilhelm, 1505—1510, 1519—1538 und 1546—1553. Von diesen kommen nur die beiden letzten hier in Betracht, und da der oben genannte nicht als Canonicus bezeichnet ist, so mag der letzte hier gemeint sein. Über ihn siehe Joannis, Rer. Mog. II, 342. Nach Humbracht ist er der Neffe des zweiten und zugleich Canonicus zu S. Alban gewesen.

II. Camp: 1.

Dominus Albertus de Campo ist mit andern Zeuge bei der Übergabe des Inventars an die neuen Prokuratoren. 13. Januar 1348.

ANG. 3G8, 8. Campus steht neben Camp und Campe mehrfach im Arn- steiner Nekrologium, Ann. XVI, 69, 95, 103, 111. Die Familie v. Camp er- scheint nach Vogel, Beschreibung S. 653 bis 1309; vgl. Ann. IX, 21, 24. Ingleichen begegnet der Name Albert zu Camp; Ann. IX, 35.

III. Cramberg: 1.

Gerhardus canonicus Maguntinensis et Treverensis ecclesiarum, Proku- rator 1432.

ANG. 180, 1. 20. Nach Vogel kommt das Geschlecht v. Cramberg im 14. und 15. Jahrhundert vor; vgl. Arnoldi, Mise. 232 ; Sauer, Cod. Nass. I, 3, 221.

Nach den wenigen (2) Einträgen des Jahres 1430 finden sich folgende Bemerkungen : Nota, quod hie deficiunt percepta de duobus annis, reperitur tantum proxime insequenti anno de manu notarii quendam Gerardum canoui- cum Maguntinensem fuisse procuratorem ; nuUa fit mencio de eins electione vel aliis factis. Nota, quod dominus Gerardus Chromberg canonicus Magunti- nensis et Treverensis ecclesiarum hie suprascriptus in eodem folio impigneravit contra iura calicera et missale spectantes seu pertinentes ad nacionem Teuto- norum (am Rande ist gezeichnet ein Becher, ein Missale, Fuss- und Ilandeisen). Ferner: Nota, quod ultimum folium habet istum numerum 101, sequitur qua- ternus novus de anno Domini 30°. Es waren also die Blätter des quaternus 102, 103 und 104 herausgenommen, wie der Abschreiber andeutet; er selbst mudste daher ihren Inhalt auslassen und schrieb seine Bemerkungen auf fol. 99' et 99' und lOP. Zu 1432 heisst es in B. : Ao. Domini 1432 reverendo Do- mino Gerhardo Chromperg canonico Magunt. et Trever. procuratore albo ascrip- tus est unus Dom. Matheus Slick de Passono.

Die Prokuratoren von 1433 sagen (180, 20): omnes res assignate sunt per dominum Gherardum Krampberg canonicum ecclesiarum Maguntinensis et Treverensis ante nos procuratorem. Und in dem Protokoll der Übergabe des Inventars vom 27. März 1433 heisst es (ANG. 402, 28 ff.): Item prefatus dominus Gherardus canonicus Magunt. et Trever. ecclesiarum confessus est se impignorasse calicem (am Rande ist ein Becher gezeichnet und ein Mensch, der am Galgen hängt) egregio viro utriusque iuris doetori lohauni Andree . .

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promittens et se obligans sub penis camere prefiita omnia redimere et restitiiere plenarie et integre sine aliquo ip.sius nacionis preiudicio et detrimento.

Gerhard hatte also einen Becher und ein Missale, welche der Landsmann- schaft der deutschen Nation gehörten, während seiner Amtsdauer versetzt und zur rechten Zeit (6. Januar) nicht wieder eingelöst. Deshalb wohl hatte er die Wahl der neuen Prokuratoren, die erst am 2. Februar 1433 stattfand, zu verschieben gewusst und die Übergabe noch länger bis zum 27. März hinausgezogen, wohl in der Hoffnung bis dahin alles geordnet zu haben. Dies gelang nicht, ja er verschwieg nach dem Protokoll, dass auch ein Missale fehle, und auch nachher löste er die beiden Gegenstände nicht wieder ein. Zum Jahre 1440 ist bemerkt (ANG. 188, 23): Infra scripti domini scolares caritative contribuerunt pro solucione summe, pro qua quoudam Gerhardus de Chranperg, tunc nostre nacionis, procurator, canonicus Magunt. et Trever. ecclesiarum, in- juste impigneravit librum et calicem nacionis (calix in margine pictus est); es wurden damals 8OV2 sol. oder 4 libb. 6 den. zu diesem Zweck gesammelt. ANG. 180, 44. Der Unmut der Nation über die Gewissenlosigkeit des Pro- kurators ist in den Randzeichnungen verewigt. Ob sie es auch war, die, um das Andenken an den treulosen Mann zu tilgen, die Blätter aus der Matrikel herausgenommen hat, oder ob Gerhard selbst, um eine Prüfung' seiner Ein- nahmen und Ausgaben unmöglich zu machen, ist nicht festzustellen.

Die Sache erlebte aber auch noch ein Nachspiel; denn so müssen wir das nennen und verstehen, was wir nun hören. Gerhard war Canonicus zu Mainz seit 1419. Joannis IE, 376. In Mainz rauss sein Benehmen als Pro- kurator der deutschen Nation zu Bologna ruchbar geworden sein; vielleicht hat man sich dahin gewandt, um Ersatz für die verpftindeten Dinge zu erhalten. So wurde ihm der Aufenthalt zu Mainz unangenehm, und als sich ihm die Gelegenheit bot seine Stellung zu verändern, griff er zu: im Jahre 1438 ver- tauschte er seine Stelle am Dome zu Mainz gegen eine gleiche zu Köln mit dem Grafen Adolf von Nassau, dem späteren Erzbischofe von Mainz. Joannis II, 898.

Ehe Gerhard nach Bologna ging, um den Studien obzuliegen, hatte er in der Heimat die Universität zu Erfurt besucht; hier ist er im Sommer des Jahres 1425 ebenfalls als Canonicus Maguntinensis et Treverensis in die Matrikel eingetragen.

IV. Cronberg: 3.

1. Dominus Henricus de Cronenberg. 12 sol. 1289.

ANG. 36, 2. Der Name Heinrich ist bei den Herrn von Cronberg selten, doch nennt Humbracht einen Ritter Heinrich 1339. Als Geistliche begegnen sie öfter, wie gerade in jener Zeit, z. B. ein Eberwin Domherr zu Mainz und Worms, von 1299 1303 Bischof von Worms war. Joannis 11, 348.

2. 3. Domini Ulricus et Baltherus de Cronenberch et Hermannus dietus de pomoerio Moguntinensis dyocesis, eorum magister, contribuerunt. 10 libras minus 6 solidis. 1366.

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ANG. 128, 35. Ulrich wurde am 10. Januar 1367 mit Rudolf von Basel zum Prokurator der deutschen Nation erwählt, beide nahmen 53 Scholaren auf und übergaben das Amt am 9. Januar 1368 ihren Nachfolgern. ANG. 128, 45 und 348. Nach Joannis 11, 349 war Ulrich im Jahre 1362 zum Domherrn in Mainz ernannt worden, wie er auch ANG. 129 heisst, und wurde im Jahre 1365 Propst von S, Victor; er kommt bis 1402 vor, Joannis H, 620. Er war der Sohn des Mainzer Yizedoms im Rheingau (1352 1386) und wird wegen seiner wissenschaftlichen Bildung und Kenntnis des Rechts gerühmt. Joannis ü, 620.

Baltherus = Walther, Bruder Ulrichs und Priester zu Lorsch nach Humbracht.

V. Geisenheim: 3.^)

1. Dominus Cono de Gesheim. 12 sol. 1296.

ANG. 46, 10. Gesheim ist sicher = Geisenheim; B. hat Geisheim. Cuno dictus de Ghosheym (B. : Gosheim) wurde im Jahre 1299 proxima dominica post epiphaniam Domini (11. Januar) zum Prokurator erwählt und gab das Amt am 10. Januar 1300 weiter. Er hatte also bis dahin länger als 3 Jahre zu Bologna verweilt.

2. Dominus Wernherus de Gysenheim. 10 sol. 1301.

3. Dominus Antzo de Gysenheym. 12 sol. 1381.

ANG. 51, 42; 143, 45. Die Namen Cono, Wernher und Antzo (Arnold) kommen bei den Herrn von Geisenheim vor; vgl. Bodmann, Rheingauische Altertümer 312; Sauer, Cod. Nass. I, No. 259, 1223 und 2096, auch ein Antzo plebanus im Jahre 1307 (Sauer No. 1397), doch ist es nicht mijglich ihre Persönlichkeiten genauer nachzuweisen.

VI. Haiger: 1.

Dominus Johannes Heger canonicus S. Georgii Coloniensis. 8 gros- setos. 1490.

ANG. 238, 36.

VIT. Hattatein: 1.

Dominus Marquardus de Haczstein metropolis ecclesie Maguntine cano- nicus. 1 ducatum. 13. Juni 1516.

ANG. 280, 31. Dieser Marquard von Hattstein hatte im Jahre 1502 die Universität Erfurt bezogen und war im Jahre 1509 Domherr zu Mainz geworden. Joannis II, 367. In Bologna blieb er ein Jahr; denn im Jahre 1517 wird

3) Ehrenfels. Ob der «lominus Henricus de Erenfels, 1393 (ANG. 1,J2, 10. 34) hier- her gehört, ist zweifelhaft. Bei Joannis II, 491, 621, 679 kommt ein Henricus de Ehrnfels vor als Apostolicae sedis Protonotarius, ad S. Victorem Pra<'po8itii.s, ad H. M. V. ad gradum Scholasticus, quondam etiam Decanus Maxstudiensis et Joannis II a consiliis et secretis; im Jahre 1427 wurde er Praepositus ad S. Petrum extra moenia Moguntiiia. Vgl. Gudenus, .Syll. S. .')17. Er starb am 11. Aug. 1442. Aber fleiru von Ehrenfels gab es nicht im Rheiu- gau, und woher der genannte geistliche Herr stammte, ist nicht angegeben.

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unter der Rubrik ,a doctoribus in discessu aecepta" verzeichnet: a Domino Marq. Hattsteiu duos ducatos. Über ihn vgl. noch Joaunis U, 367; Zaun, das Landkapitcl Rheingau, S. 284. Er starb den 13. Juni 1522.

VIII. Idstein: 1.

Dominus Bruno de Etsten. 20 sol. 1421.

ANG. 172, 13. Der Ortsnamen Idstein, ursprünglich Eticheustein, findet sich in den Matrikeln von Heidelberg und Erfurt unter andern in folgenden Formen: Heidelberg 1391 Echsthen, 1400 Yczstein, 1403 Ytsteyn neben Edich- steyn, in Erfurt 1409 Itstein, 1416 Eytsteyn u. s. w. neben Edichensteyn 1395. Die zweite Silbe, —stein, lautet in den ANG. bei andern Namen mehrfach sten, wie Hauwensten 1322 (53, 22), zu Erfurt 1416 Ytzsten, v. 1. Itzstein, sodass an der Gleichsetzung von Etsten und Idstein kein Anstoss zu nehmen ist. Auch der Personenname Bruno ist zu Idstein nicht ungewöhnlich; so gab es von 1198 1849 Burgmänner von Etechenstein mit dem Zunamen Brun, ein Magister Joh. Bruno war 1426 Canonicus zu Aschaffenburg, ein andrer 1453 als Studiosus zu Erfurt. Der obige Bruno kann derjenige sein, welcher in einem Nekrologium von B. Mar. ad gradus zu Mainz (von 1373 an) vorkommt; hier heisst es: HI Non. Decembr. Anniversarium Domini Brunonis de Itstein prepositi S. Mauritii et canonici huius ecclesie.

IX. Katzenelnbogen: 1.

Dominus Godfridus de Cazenhellebogen (B. Cazzenellenbogen). 10 sol. 1295.

ANG. 44, 16. Der Namen Gotfrid ist, wie es scheint, bei den Grafen von Katzenelnbogen nicht gewöhnlich; der oben genannte mag daher einem Ministerialengeschlecht von K. angehört haben. In dem hber animarum von Eberbach kommt unter XHI Kai. Jul. ein Fr. Gotfridus de Katzen Ellenbogen vor. Roth, Fontes I, 3, 37. An einen Schreibfehler Gotfridus für Gerhardus, darf man wohl nicht denken; in diesem Falle könnte der Propst von Utrecht 1292 und Dompropst von Mainz 1297 gemeint sein. Wenck, hess. Geschichte I, 358, 370; Joannis H, 347.

X. Königstein: 2.

1. Graf Adolf von Nassau (s. d.) zahlt pro se et Chamrado de Kuningen- stein 6 lib. 1366.

ANG. 128, 27. Wenn Graf Adolf für diesen Chamradus (= Conradus) zahlte, so war er sicher in dessen Gefolge, vielleicht als dessen Magister. Ein Con- radus von Königstein, baccalaurius in decretis, wird 1372 zum Dekan zu S. Peter in Mainz, 1383 zum Propst erwählt; er starb nach 1392. Joannis H, 497, 490.

2. A domino Nycolao de Kunigstein clerico Mogunt. dioc. 10 sol. 1382. A Nycolao de Conynghestein perceperunt antiqui procuratores 10 sol.

pro introitu nacionis. 1383.

ANG. 145, 25; 398, 12. Yielleicht derselbe als der zu Prag als Jurist immatrikulierte Nie. de Kunigstein de Frankfordia 1385, nat. Bavaror. S. Prag.

7*

104

Xr. Limburg: 2.

1. Dominus Richwinus de Lymburg, 18 sol. 1291.

2. Dominus Johannes de Lirapurg, frater doraini Richwini. 7 sol. 1292. ANG. 38. 38; 39, 42. Die beiden Brüder wordeu dem Geschlechte derer

von Limburg angehört haben, das von 1194 1364 vorkommt. Vogel, Be- schreibung 782. Ein Richwinus miles de Limpurg vermachte dem Kloster Arnstein 20 Mark, Der Canonicus (1308) und Decanus (1310) Richwinus in Limburg war ein Specht von ßubenheim. Rössel, Eberbacher Urkuuden- buch n, No. 637 und 661, S. 511 und 554. Die Gleichheit des Namens Richwinus kann auf Verwandtschaft beider Familien beruhen.

XII. Montabaur: 1.

A magistro Eberharde Goltsmit Trever. dyoces. 6 sol. 1444.

ANG. 191, 1. Es ist der Heimatsort zwar nicht angegeben, aber un- zweifelhaft ist der Eberh. Goltsmit derselbe, welcher als Eberhardus Aurifaber de Montabur im Jahre 1439 in die Matrikel von Erfurt und als Eberhardus Aurifabri de Monteboir Trever. dioc. im Jahre 1441 in die Matrikel von Köln eingetragen ist; dort wird er seine Studien als Baccalaurius, hier als Magister in artibus abgeschlossen haben.

XIII. Nassau: 5 (3).

1. Dominus Gerlacus comes de Nassowe, Dominus Syfridus de Runkel,

2. Dominus Henri cus magister eorum. 6 lib. 1304.

ANG. 56, 8. 9. 11; 57, 40. 41. 42. Der Graf Gerlach war der Sohn des Königs Adolf und Nachfolger seines älteren, am 2. Dezember 1304 ge- storbenen Bruders Ruprecht, reg. 1304 1344, f 1361. Es ist zu vermuten, dass er alsbald, nachdem er die Nachricht von dem Tode seines Bruders gehört, Bologna verliess, vielleicht am Ende des Dezember oder am Anfang des Januar 1305, jedenfalls vor der Wahl der neuen Prokuratoren; wäre er noch anwesend und ohne Mitteilung, dass ihm die Regierung seiner Grafschaft zugefallen ge- wesen, so würde er nach seiner Stellung sicherlich zu einem Prokurator erwählt worden sein. In der Heimat erscheint er erst am 17. Dezember 1305, wo er mit seiner Mutter Imagina eine Urkunde zu Weilburg ausstellt. Ann. Vn, 2, 86.

Woher der zweite, Henricus magister eorum genannte, stammte, ist nicht angegeben. Ein Heinricus de Wiesbaden wird in einem Nekrologium des 14. Jahrhunderts als Canonicus eccles. B. Marie Virg. ad gratus zu Mainz genannt; sein Todestag war HI Kai. Septembres. Andre des Namens nennt Roth, Geschichte der Stadt Wiesbaden, S. 580.

3. Dominus Gerlacus de Nassawe. 5 lib. 1340. Am Rande gezeichnet ist eine Mitra cum baculo; in B. zugefügt: comes de Nassau.

ANG. 102, 29. Dieser Gerlach wurde bald nach seiner Rückkehr Dom- dcchant zu Mainz, als welcher er 1345 erscheint, und 1346 durch päpsthche Ernennung Erzbiachof von Mainz. Am 7. Januar 1341 wurde er mit dem

105

Grafen Heinrich von Sponhcim zum Prokurat^r der deut.schcu Xatiou zu Bolü"-na erwählt, muss also nach don Satzungen derselben damals das 20. Lebensjahr erreicht oder überschritten haben/) Am 7. Februar übernahmen die zwei folgenden Prokuratoren das Amt. ANG. 361, 362.

4. Dominus Xicolaus magisrer domini de Nassen. 1343. Ein Nicolaus magister dorn, de Nassau findet sich nicht in dem Verzeichnis der Scholaren, wohl aber der genannte unter den Wahlherrn, als der eine Prokurator aus triftigen Gründen sein Amt niederlegte und am 15. August 1343 ein neuer erw.ählt werden sollte. ANG. 364, 31. Und hier heisst er, wie oben angegeben, Ist Nassen = Nassau, wie wir mit Recht annehmen zu dürfen glauben, so kann Nicolaus, der von Wiesbaden stammte und später Bischof von Speyer wurde, der obengenannte Nicolaus sein. Erstreckte sich seine Anwesenheit zu Bologna bis zum August 1343, so würde dies zu der Annahme berechtigen, dass auch Graf Gerlach wenigstens ebenso lang oder bis zum Herbste des Jahres daselbst verblieben sei.

5. Dominus Adolphus, filius domini Adolphi coraitis de Nassaw, canouicus coloniensis, pro se et Chamrado de Kuningenstein. 6 lib. 1366.

ANG. 128, 27. Dieser Adolf ist der nachherige Erzbischof Adolf von Mainz 1373 1390. Über Chamradus s. unter Königstein.

Obgleich wir die Geburtsjahre der drei Grafen von Nassau nicht kennen, so scheint doch nach ungefährer Berechnung wahrscheinlich, dass sie alle nach kaum vollendetem 20. Lebensjahr die Universität zu Bologna und zwar jeder mit einem Magister bezogen haben.

XrV, Reiflfenberg: 1.

Dominus Johannes de Reiffenberg, canonicus Maguntiuus et dominus Bernhardus, filius marchionis Badensis, 1 flor. de camera. 1422.

ANG. 172, 42. Johannes von Reiffenberg ist bei Joannis II, 389 im Jahre 1415 als Domherr zu Mainz verzeichnet, wurde 1418 in die Matrikel zu Erfurt (Joh. de Riffenberg canon. eccles. Magunt.) und 1421 in die von Heidel- berg (Joh. Reiffinberg canon. Magunt.) eingetragen; er ging also vier Jahre später nach Bologna. Weil sich nun keine Notiz über seinen Tod fand, nahmen Joannis und Humbracht an, er habe den geistlichen Stand verlassen, ge- heiratet und sei 1459 gestorben, indem sie einen andern der zahlreichen Reiffen- berger mit dem Canonicus verwechselten. Denn ein weiterer Eintrag in den ANG. vom Jahre 1424, S. 174, 19 berichtet von seinen Exequieu zu Bologna, wo er demnach gestorben sein muss und zwar vor dem daselbst zu gleicher Zeit vermerkten Feste aller Heiligen. Es heisst nämlich unter den Ausgaben der Prokuratoren des Jahres 1424 1425: primo pro duabus torciis et duabus oandelis ad alrare, pro candelis in festo omnium sanctorum et exequiis domini et magistri Johaunis Riffeuberg canonici Maguntinensis et Johannis de Ascen-

*) Es ist (leslialb kaum anzunehmen, dass er 1346 erst ungefähr 20 Jahre alt gewesen, wie Albertus Argent. bei Hagelgans, Nass. Geschler-htstafel S. .'52 angiebt und danach Schliephake andeutet IV, l'.jS.

106

dia nee non in festo piirificationis luminibus 25 lib. et 15 sol. Zugleich ersehen wir daraus, dass Reiffenberg den Magister-Grad wohl noch in Deutsch- land, zu Erfurt, da er unter den Magistri artium der Universität zu Heidelberg bei Toepke II, 375 nicht vorkommt, erworben hatte.

XY. Rüdesheim: 3.

1. Dominus Ileidenricus de Rudesheim. 18 sol. 1295.

ANG. 43, 37. Im Jahre 1301 wurde ein Henricus de Rüdesheim Prae- positus B. Mariae Virg. zu Mainz; er heisst decretorum doctor et canonicus maioris ecclesiae. Joannis U, 392, 669. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass der Name Henricus in den ANG. in Heidenricus verderbt ist; wenn diese Ver- mutung begründet ist, so erklärt sich auch leicht, weshalb er doctor decretorum heisst; er hat diese Würde offenbar zu Bologna erworben.

2. Dominus Johannes de Roedenshein (B. Roedeshem). 4 sol. 1312. ANG. 64, 37.

3. Honorabilis vir dominus Diedericus de Rudessheima (B. Ridesheim), pastor parrochialis ecclesie in Berstad, iuravit et solvit 12 sol. 1458.

ANG. 202, 31. Er war einer der zwei Prokuratoren des Jahres 1459. ANG. 203, 204. Im Jahre 1464 findet sich in der Einnahme verzeichnet: ex testamento Theodorici de Rudessham 10 Bologninos. ANG. 209, 24. Das kann den Schein erwecken, dass Theodoricus in Bologna gestorben sei. Ein Theodoricus de Rudesheim wurde im Jahre 1448 zu Heidelberg immatrikuliert und am 23. Juli zum Baccalaureus in artibus befördert.

XVI. Runkel: 3.

1. Dominus Syfridus de Runkel zahlte mit Graf Adolf von Nassau 6 lib. 1304. ANG.' 56, 11; 57, 42.

2. 3. Illustres viri domini Syfridus de Runkel et eins frater Theo- doricus barones. 2 ducatos Yenetos. 1408.

ANG. 161, 34. 35. Die Verwandtschaft und näheren Nachweis über die

drei Herrn von Runkel gibt folgender Auszug aus der Stammtafel des Hauses

bei Reck, Geschichte von Isenburg, Runkel und Wied, ferner bei Wenck,

hess. Geschichte I, 482 und Vogel, Beschreibung S. 255, bei dem nur der

erste Siegfried fehlt:

Siegfried I.

1276. 1283.

Siegfried. Dietrich H.

'O

1303. t 1327. 1308. 1335.

Dietrich HI. t 1403.

Friedrich HI. Siegfried IV. Dietrich IV.

1377—1416. 1375. 1396. 1414. 1459 (1460).

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Der erste von den zwei, Siegfried, Siegfrieds I. Sohn, erscheint später als Canonicus zu Würzburg, dann als Propst zu Gemünden. Reck S. 95. Er starb 1327. Reck S. 100. Die beiden andern, Siegfried und Theodoricus, waren seine Grossnetfen und wohl auch dem geistlichen Stande bestimmt als jüngere Brüder Friedrichs III. Von Siegfried (IV.) wird weiter nichts gemeldet; Dietrich wird, vermutlich nach Friedrichs kinderlosem Tode, aus dem geistlichen Stande getreten sein, übernahm die Verwaltung der Herrschaft Runkel und heiratete. Er wurde Stammhalter seines Geschlechts und starb um 1460. Reck S. 135.

Gleichzeitig mit den Runkelischen Brüdern waren drei Grafen von Mürs zu Bologna eingetroffen, die drei Brüder Dietrich, Walram und Heinrich, die alle später zu hohen geistlichen Würden emporstiegen, indem Dietrich den erzbischüflichen Stuhl zu Köln bestieg, Walram und Heinrich die Bistümer Utrecht und Münster errangen. Zu ihrem Empfang in der deutschen Nation zu Bologna wurde ein fröhliches Gelage angestellt, welches die ANG. 162, 10 unter den Ausgaben also erwähnen: propter iocundum introitum illustrium virorum domini Theodorici de Moyrs et suorum fratrum necnon domini Sifridi de Runkel in die annunciacionis exposuimus pro malvasia 56 solidos.

Russingen lag in der Herrschaft Kirchheim '^KöUner, Geschichte der Herrschaft Kirchheim-Boland, S. 243), wir übergehen also hier den Dominus Schwarz de Ruissingen, Nassoviensis, 1554. ANG. 333, 1.

XYII. Scharfenstein : 1.

A doniino Bennone de Scharpinstein, preposito Wesalicnsi Treve- rensis diocesis 2 libras Bononieuses. 1381.

ANG. 143, 27. Statt Benno heisst er weiter unten Bruno, ebenso in Hdschr. B. Er war Propst B. V. M. zu (Ober-)Wesel, dann Domherr zu Mainz und starb als Domcustos um 1415; er wird auch Canonicus B. V. Mariae ad gradus zu Mainz genannt. Joannis H, 312, 394. Ehe er nach Bologna ging, hatte er die Universität zu Prag besucht und war am 20. Mai 1377 Baccalauriua in artibus geworden; dann als Jurist imm. 1378 (Br. de Sarfen- stein) in der uatio Bavar. S. Prag. Sein Name steht ferner in der Matrikel von Heidelberg im Frühjahr 1387 unter dem zweiten Rektorate als dominus Bruno Scharfenteyn prepositus ecclesie s. Martini ecclesie Wesalieusis ; er mag hier sich schliesslich der theologischen Fakultät angeschlossen haben, was wie gewöhnlich in der Matrikel nicht angegeben ist.

Im Jahre 1382 war er als Prokurator an die Stelle eines abgegangenen, Nycolaus Ryhemen, der. Caminensis, getreten und wird nun wiederholt Bruno genannt. ANG. 145, 24; 146, 4; 398, 4.

XVIII. Waldeck: 2 (?).

1. Dominus Henricus Boz de Waldeg. 20 sol. 1300. ANG. 50, 25. Der Name Henrichs kommt bei den Boos von Waldcck um das Jahr 1300 öfter vor.

108

2. Dominus UlricusKorb de Waldek dyocesis Mogunt. 10 sol. 1367.

ANG. 129, 4. Ulrich Korb von Waldock blieb bis zum Herbste des Jahres 1373 zu Bologna und brachte es zum Licentiatus in utroque iure; bei seinem Tode 1404 heisst er Udalricus Korp de Waldeck utriusque iuris licen- tiatus. Zaun, Das Landkapitel Rheingau S. 341. Noch im Jahre 1374 sind 40 Solidi in Einnahme gesetzt, die er pro augmento reddituum domini Jacobi de Hexem, prepositi in Pallaciolo et canonici Wormaciensis, erlegt hatte. ANG. 137, 18. Im Anfang des Juni 1373 brach zu Bologna eine Epi- demie aus, in deren Folge fast keine Scholaren deutscher Nation in der Stadt blieben. Erst im November wurde die Schule wieder eröffnet; doch hatteu sich im Oktober so viele Scholaren eingefunden, dass man am 12. d. M. zur Wahl von neuen Prokuratoren schreiten und das Vermögen der Nation, das man bei den Dominikanern niedergelegt hatte, wieder übernehmen konnte. Der eine der Prokuratoren wurde Ulricus Corph, der hier canonicus ecclesie s. Petri Magunt. heisst. Indess kehrte er binnen Monatsfrist in die Heimat zurück (repatriavit!); ANG. 136, 16 ff. Hier begegnet er noch mehrmals in Urkunden; Würdtwein, dioc. Mag. II, 207. 231. 249. In seinem Testamente vermachte er der Präsenz zu Lorch 40 fl. zu einem Anniversarium. Er starb, wie oben bemerkt ist, im Jahre 1404 am 9. Oktober, ipso die s. Dyonisii. Vgl. Zaun a. a. 0.

Andre Herrn von Waldeck übergehen wir, da es zweifelhaft ist, ob sie hierher gehören, wie einen Johannes de Waldecken 1305 und einen Dominus de Waldeck diocesis Frisingensis 1322. ANG. 58, 14; 80, 39.

XIX. Westerburg: 3.

1. 2. Domini de Westerburg. 7 lib. 1294.

Ein Zusatz von andrer Hand lautet: comites imperii. ANG. 42, 40. Weder Namen noch Zahl der Ht^rrn von Westerburg sind zugefügt; wir nehmen an, dass es ihrer zwei waren, da, wie sich gleich zeigen wird, die in Frage kommenden Personen des Namens ihres Alters wegen auf eine geringe Anzahl beschränkt sind. Es können nämlich nur Söhne des Heinrich I. von Westerburg (f 1288) gemeint sein. Dieser kommt 1267 vor als Gemahl der Agnes, Tochter des Herrn Gerlach von Limburg und Schwester der Imagina, der Gemahlin des Königs Adolf^), und hinterliess ausser zwei Töchtern fünf Söhne"), von denen der älteste, Siegfried, grade in jenen Jahren sich an den Zügen und Kriegen König Adolfs eifrig beteiligte. Der zweite, Heinrich von Westerburg, dagegen war Geistlicher und wird zu den obengenannten domini gehört haben ; er erscheint als Canonicus zu S. Gereon zu Köln und wurde 1307 Propst des Stifts zu Limburg a. d. Lahn. Der bei Lehmann an dritter Stelle angeführte Reinhard I. war hinwiederum kriegerischer Natur, wie er denn auch nachher regierender Herr wurde und bis an seinen im Jahre 1353

^) Die Nacliweise a. bei Hi lieb ran d, Zur Geschichte der Stadt und Herrschaft Lim- burg a. Lahn, IV, Progr. des Gymnasiums zu Hadamar 1893, in der Stammtafel. ") Über sie vgl. Lehmann, Geschichte und (icnt-alogie der Dynasten von Westerburg, S. 49 ff.

109

erfolgten Tod iu vielfache Fehden verwickelt war. Aus der letzteren That- sachc schliessen wir, dass er nicht bis zur äusserstcu Grenze eines mensch- lichen Lebensalters vorgerückt sei. Ist er nun etwa 70 oder höchstens 72 73 Jahre alt gestorben, so war er geboren etwa im Jahre 1280, also 1294 noch zu jung, um in Bologna mit Erfolg den Studien obzuliegen. So blieben die Brüder Johann und Willicho von Westerburg übrig, von denen Johann im Jahre 1311 von seinem Oheim Johann von Limburg die Pfarrei Gambach er- hielt, Willicho Mönch und von 1309-1337 Abt des Klosters Spanheim war. Denjenigen von diesen beiden, welcher dem Canonicus Heinrich dem Alter nach am nächsten stand, mag der zweite der domini de Westerburg gewesen sein.

3. Dominus Gerardus Westerburg. 1 fl. renens. 1515.

ANG. 279, 13.

XX. Wiesbaden: 1 (3).

Ilcrmannus de Wisebaden de Alemauia ist uuter den Zeugen bei der Übergabe dos Inventars der deutschen Xation von Seiten der Prokuratoren des Jahres 1340 an die des Jahres 1341, Gerlach von Nassau und Heinrich von Spouheim, am 7. Januar 1341. ANG. 361, 40. Wie wir oben S. 99 be- merkt haben, ist er nicht als Scholar in die Matrikel eingetragen, gehörte aber ohne Zweifel zum Gefolge des Grafen Gerlach, der ihn auch zum Zeugen be- stellt haben mag. Er wird der Hermann von Wiesbaden sein, welcher im Jahre 1357 decanus ecclesiae collegiatae B, V. ad gradus zu Mainz wurde und im Jahre 1387 starb. Gudenus, Cod. HI, 971; Joannis H, 674.

Rechnen wir hinzu die oben als Wiesbadener vermuteten Henricus und Nicolaus, so besuchten drei Söhne der Stadt Wiesbaden Bologna, alle im Ge- folge der Grafen von Nassau 1304 und 1340; zwei von ihnen, Heinrich und Hermann, können dem Geschlechte der Herren von Wiesbaden angehört haben, während Nicolaus eines gemeinen Bürgers Sohn genannt wird. S. die Stellen bei Schenck, Memorab. I, 72 u. II, 71 ff.')

B. Chronologische Abfolge.

Xo.

Jahr.

Namen der Scholaren.

Pro- kurator.

Xo.

1. 2. 3. 4.

5. 6.

7.

1289 1291 1292 1294 1294 1295 1295

Dom. Henricus de Cronenberg

Dom. Richwinus de Lvmburg

Dom. Johannes de Limpurg

(zwei) Dom. de Westerburg

Dom. Gotfridus de Cazenhellebogen . . . Dom. Heidenricus de Rudesheim ....

IV, 1.

XI, 1.

XI, 2. NIX, 1. XIX, 2.

IX. XV, 1.

^j Xicht nehmen wir in unser Verzeichnis auf den Johannes Winckel, 14JS6 immatri- kuliert, l-tSS Prokurator, da er als clericus Trevercnsis diocesis bezeiclinet wird, wälirend das Winkel im Rheingau der Mainzer Diözese angeliört; er wird aus Winkel bei Daun stammen.

110

Lfd.

8.

9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16.

17.

18.

19.!

20.'

21.

22.

23. 24.

25. 26.

27. 28. 29. 30. 31. 32.

33. 34.

35. 36. 37. 38

Namen der Scholaren.

Pro- kurator.

No.

1296

1300 1301 1304 1304 1304 1305 1312 1340

1341 1343 1348 1366 1366 1366

1366 1367 !

1381 : 1881 '

1382 : 1408 I 1408 ' 1421 1422 I

(1430):

1444

1458 !

1490 '

1515 ;

1516 ' 1526

Dom. Cono de Gesheim (Geisheim) . . .

1. Cimo Prokurator

Dom. Henricus Boz de Waldeg .... Dom. Wernherus de Gysenheim .... Dom. Gerlacus comes de Nassowe ....

Dom. Syfridus de Runkel

Dom. Henricus magister eorum

Dom. Fredericus de Bicken

Dom. Diedericus de Kudesshoima .... Dom. Gerlacus de Nassawe

2. , Prokurator

Hermannus de Wisebaden

Dom. Nicolaus magister dorn, de Nassen . .

Dom. Albertus de Campo

Dom. Adolphus tilius Adolphi comitis deNassavv

Chamradus de Kuningenstein

Dom. Ulricus de Croneaberch

li. V r, Prokurator Dom. Baltherus de Cronenberch . . . . Dom. Ulricus Korb de Wadek

4. « « « « Prokurator

Dom. Anzo de Gysenheym

Dom. Beouo (Bruno) de Scharpinstein . .

5. n n -^ y> Prokurator

Dom. Nycolaus de Kunigsteiu

Dom. Svfridus de Runkel

Dom. Theodoricus de Runkel

Dom. Bruno de Eisten

Dom. Johannes de ReifFenberg

Dom. Gerbardus de Chromberg (Krampberg) ß. Prokurator

Mag. Eberhardus Goltsmid

Dom. Diedericus de Rudessheima . . . . 7. n r, n Prokurator

Dom. Johannes Heger

Dom. Gerbardus Westcrburg

Dom. Marquardus de Hattstein

Dom. Guilielmus de Bick

1299

1341

V, 1.

xvin, 1.

Y, 2.

xm, 1.

XYI, 1.

XVI, 2.

T, 1.

XV, 2.

XVI, 3.

XX.

XVI, 4.

n.

XVI, 5. X, 1. IV, 2.

IV, 3.

xvni, 2.

! V, 3.

j xvu.

1382 { X, 2.

1 XVI, 2.

I XVI, 3.

! vni.

XIV.

in.

1432

XII.

I XV, 3. 1459 I

I VI. XIX, 3.

VII.

T ^ 1, -.

1367

1373

Also vor 1300 . . 8

Von 1300—1350 . 10

1350—1400 . 9

Von 1400—1450 1450—1500 1500—1526

6 o

^ Sa. 38.

111

Es erübrigt noch die einzige Bomerkung, die sich von selbst aufdrängt, dass mit Ausnahme von drei SchoUiren, Eberhard von Montabaur, Hermann von Wiesbaden und Kourad von Köuigstcin, alle mit Dominus bezeichnet sind und dem höhereu und niederen Adel oder dem geistlichen Stande angehörten.

IL Prag, gestiftet 1348/)

Für die Universität zu Prag sind wir auf die Mitteilungen in den Monu- menta universitatis Carolo-Ferdinandeae angewiesen, von denen der erste Teil den liber decauorum facultatis philosophicae von 1367 bis 1585 in zwei Bänden enthält (Prag 1830 und 1832), der zweite (II, 1, Prag 1834) das Album seu Matricula facultatis iuridicae von 1372 bis 1418. Jener bietet nur die Namen derjenigen, welche einen akademischen Grad in der philosophischen Fakultät erreicht hatten, dieser sowohl die Namen der Graduierten, als auch der Scholaren der juristischen Fakultät. Wir erfahren also nur die volle Zahl der in dieser Fakultät immatrikulierten Scholaren, nicht aber die der philo- sophischen, die sicherlich ein Vielfaches mehr beträgt als die der Graduierten, da nicht alle danach strebten einen Grad zu erreichen.

Zum Yerständnis der in dem folgenden Verzeichnis vorkommenden Aus- drücke und der Promotionsordnung schicken wir einiges aus den Prager Statuten voraus.

Es gab zu Prag und ebenso an den anderen später gegründeten Uni- versitäten eigentlich nur zwei akademische Grade, den des Magisters oder Doctors und den des Baccalarius (oder Baccalaurius). Zwischen Magister und Doctor war der Unterschied, dass dieser Titel fast ausschliesslich in der juristi- schen und medizinischen Fakultät üblich war, jener sich in der Regel auf die philosophische Fakultät oder die Artisten beschränkte. Wer sich irgend einem akademischen Studium widmen wollte, begann in der Regel damit, dass er sich in diese Fakultät einschreiben Hess; erst wenn er diese absolviert hatte, die die Grundlage aller höheren Bildung vermittelte, trat er in eine der drei anderen ein. Indessen nehmen die Juristen seit dem Jahre 1372 zu Prag eine Sonder- stellung ein infolge von Streitigkeiten um ein Haus. Während sie früher einen Teil der Universität gebildet hatten, nennen sie sich jetzt universitas iuristarum und wählen sich einen eigenen Rektor (universitatis iuristarum), so- dass Prag von da an zwei Universitäten besass, die nur den Kanzler gemein hatten.') Und so finden wir denn, dass man hier auch solche Scholaren auf- nahm, die nicht das Studium bei den Artristen, wenigstens nicht zu Prag, ab- solviert hatten, wie unten einige Beispiele zeigen.

Wer den ersten Grad, den des Baccalarius in artibus oder artium, er- werben wollte (was freilich bei weitem nicht alle erstrebten, wie z. B. Heidel- berg beweist, über das wir genaue Angaben bei Toepke (s. u.) finden), musstc

") Vgl. die Monumenta univ. Prag. T, 1, 35 ff.; Tomek, Geschichte der Prager Uni- versität, 1849, S. 17 ff. Wir bezeiclinen die Monumenta unten mit der Abkürzung MP. ') Tomek S. 25 f.

112

sich einem Examen durch vier Magistri, zu denen ala fünfter der Decau der Fakultät hinzutrat, unterziehen, üie Examina wurden viermal im Jahr, zur Zeit der Quatember (quator tempcra), abgehalten ; wir haben unten jedes- mal den betreffenden Tag nach unserer Bezeichnung mit dem Zusatz Q. an- gegeben; ihre Namen in den Mon. Prag, sind: 1. in Jeiunio oder examon quadragesimale oder quadragesimum, in die cinerum, der Mittwoch nach dem Sonntage Esto mihi ; 2. post pentecosten, der Mittwoch nach Pfingsten; 3. ante festum Michaelis; 4. ante nativitalem Christi oder Domini, der Mittwoch nach St. Lucientag (13. Dezember). Bedingung der Zulassung zu dem Examen war u. a., dass der Baccalariandus die vorgeschriebenen Vorlesungen gehört und die betreffenden Bücher gelesen hatte, was in der Kegel einen Zeitraum- von zwei Jahren erforderte; die Baccalariati sind also im allgemeinen zwei Jahre vor dem Examen immatrikuliert („intituliert"). Der Ausfall der Prüfung entschied über die Zulassung zu dem Grade, admissio ad gradum, unten abgekürzt durch adm. bezeichnet; die Gebühr für dieselben betrug 20 böhmische Groschen. Nach der Prüfung, wenn sie günstig ausgefallen war, konnte sich der Prüfling zur eigentlichen Promotion melden, durch welche die feierliche Ernennung zum Baccalarius in artibus erst stattfand, er assumsit gradum, pro- cessit ad gradum; dies musste binnen eines Vierteljahres nach der Prüfung geschehen. Bei diesem Akte musste der neue Baccalar eine vorgelegte Frage beantworten (determinare) und u. a. geloben, zwei Jahre an der Universität Vorlesungen unter Aufsicht eines Magisters zu halten; der Beginn seiner Vor- lesungen ist in den Monum. mit incepit (legere) notiert. So war der als Baccalar abgehende Scholar gewöhnlich vier Jahre an seine Universität ge- bunden, wenn nicht besondere Umstände eine Änderung herbeiführten.

Wer einen höheren Grad erstrebte, musste nunmehr seine Studien eine Reihe von Jahren fortsetzen; fühlte er sich zu einem neuen Examen stark ge- nug, 30 hatte er sich unter ähnlichen Bedingungen zu melden. Bestand er die Prüfung, so erhielt er die Erlaubnis ohne Beschränkung Vorlesungen zu halten, die licentia docendi, er wurde Licentiatus. Die Gebühr betrug 38 Groschen (bei der juristischen Fakultät ein Schock Groschen). Wollte oder konnte der Licentiat Zeit und Geld daran wagen, so liess er sich bald nach der Erlangung des Licentiats zum Magister bestallen, was durch einen ähnlichen Akt wie bei dem Baccalar geschah. Die Licentiaten- und Magisterpromotion fand nur einmal im Jahre, gewöhnlich im Februar oder März, statt.

Bekanntlich brach im Laufe der nächsten fünfzig Jahre nach der Stiftung der Universität zu Prag und in ganz Böhmen die politische Bewegung aus, welche gegen die Deutschen gerichtet war'"); sie gefährdete zwar nicht den Bestand der Universität, aber hatte schwere Folgen in Bezug auf ihren Besuch. Sämtliche Mitglieder der Schule waren nach ihrer Herkunft eingeteilt in vier Nationen, die böhmische, sächsische, bairische und polnische, nach denen in allen Angelegenheiten gestimmt wurde; in der Matrikel der Juristen ist bei Aufnahme eines Scholaren jedesmal bemerkt, welcher Nation er sich anschliesse.

'") Vgl. Toniek. S. '.» ii. 47 ff.; Ilöflor, Ma:^. Joli. IIu3 inul der .Vbziig der deutschen Professoren und Ötudenteu aus Prag. 1»G4, S. 117 ff.

113

Der Umstand, dass die Deutschen im Besitze von zwei Stimmen waren und in der polnischen Nation, die auch die östlichen Gebiete Deutschlands umfasste, das Übergewicht besassen, empfanden die im Anfange an Zahl zurückstehenden Böhmen als Unrecht, da sie, die Landeskinder, sich den Beschlüssen von Aus- ländern unterwerfen mussten und namentlich mancherlei pekuniäre Vorteile, Teilnahme an den sog. KoUegiaturen, Pfründen u. s. w. in deutschen Händen sahen. Schon 1371 hatte sich diese Stimmung von ferne gezeigt; heftiger und erfolgreicher wurde der Angriff der Böhmen im Jahre 13S4, als es sich um den Genuss der für die Professoren gestifteten Kollegien handelte; der Streit zog sich durch mehrere Jahre hindurch und endete mit einem Siege der Böhmen. Dieser Umstand verleidete schon damals manchem deutschen Lehrer den weiteren Aufenthalt zu Prag, und auch nicht wenige deutsche Scholaren verliessen die ungastlich gewordene Stadt, wie es in viel höherem Grade im Jahre 1409 geschah. Dazu trat, dass eben um diese Zeit rasch hintereinander in den Rhein- landen zwei, in Erfurt eine dritte Universität gegründet wurde, welche den Bewohnern des westlichen Deutschlands die weite Reise nach dem Osten über- flüssig machten. So verliessen viele Baccalare vor Ablauf ihrer zweijährigen Thätigkeit Prag, und bald hört der Besuch desselben fast ganz auf. Vgl. unsere chronologische Aufzählung.

Die Entscheidung der Frage, ob ein Scholar, der in den MP. genannt ist, hierher gehöre, ist oft nicht leicht. Abgesehen von den Irrtümern in der Namensschreibung oder von Auslassungen (vgl. II, 4) ist vielfach das Heimats- land nicht durch Angabe der Diözese oder des Territoriums bestimmt und so bei der Gleichheit vieler verschiedenen Ortsnamen nicht zu erkennen, wohin jeder zu setzen ist. "Wir haben uns daher bei unserer Zusammenstellung auf die unbedenklich oder doch wahrscheinlich als sicher hierher zu rechnenden Namen beschränken zu müssen geglaubt, zweifelhafte mit einem * bezeichnet, andre haben wir ganz ausgeschlossen. Zu diesen gehört z. B. N. de Bielstein 1376 (MP. I, 1, 172), Conr. de Bredescheyt 1368 (MP. I, 1, 136); Camp ist höchst verdächtig, da gleich nach der Nennung des Andr. de Camp 1399 eben- derselbe Andr. de Kam heisst (MP. I, 1, 354 und 355); dadurch wird ein zweites Camp 1369 verdächtig; es mag damit Cham in der Regensburger Diözese gemeint sein. Und ähnlich bei einigen anderen Namen.

Auf der andern Seite kann uns wohl ein Name entgangen sein, der vielleicht mit Bestimmtheit hierher zu rechnen ist, andere wie Hermannus Scul- teti 1377 (MP. H, 1, 64) haben wir nicht mitgezählt; vgl. No. IX ara Ende.

A. Ordnung nach der Heimat oder den Geschlechtsnamen.

I. Camberg: 1. Joan. Camberch, adm. ante festum nativitatis Christi, Q. 14. XU. 1379; determ, in die praecedenti (Dorotheae), 5. IL 1380. MP. I, 190. 192.

II. Caub: 4. 1. Remigius dictus Bruose de Cuba rector parochialis ecclesie in Cuba, dt. 14 gr., 1381, durch den Rector uuiversitatis iuristarum intituliert, gehörte zur natio Bavarorum. MP. II, 1, 08.

114

2. Joan. de Cuba, adra. in 4 temporibus po3t pentecosten, Q. 13. Mai 1383, determ. 11. Juni 1383. MP. I, 1, 213. 214.

3. Antonius Plecz de Cuba, adm. in Quadragesima, Q. 2. März 1384, determ. 26. April 1384. MP. I, 1, 220. 240. Der Name Pletz erscheint während des 14. u. 15. Jahrh. mehrfach am Mittelrhein, namentlich zu Lorch.

4. Petrus Hebestrit von Caub findet sich in den MP. weder unter den Baccalaren in artibus, noch deu Juristen ver/eichnet, er wurde aber im Jahre 1389 zu Heidelberg als Baccalarius Pragensis in die Matrikel eingetragen; er muss also dort entweder unter einem andern Namen verborgen sein, oder man hat dort vergessen ihn zu verzeichnen. "Wir setzen seine Prüfung und Zulassung in das Jahr 1388. Der Name Hebestrit kommt mehrfach in Caub vor, wie ein Henricus im Jahre 1324 in einer Eberbacher Urkunde bei Rössel, Eb. Urk. II, No. 837, ein Petrus in der Heidelberger Matrikel im Jahre 1428.

III. Cronberg: 1,

Jo. de Krooenberk, adm. ante festum Michaelis, Q. 17. September 1382. MP. I, 1, 208. Domherr zu Mainz 1410 und Scholasticus zu Aschaifenburg;, t 20. April 1439. Joannis II, 349.

*IV. Griesheim: 2. *1. Erhard US de Grysheim, determ. 11. HL 1375. MP. I, 1, 1G4. *2. Eghardus de Orisheym als Baccalarius in iure von dem Rector uni- versitatis iuristarum eingetragen 1386. MP. U, 1, 13.

V. Hachenburg: 1.

Conrad US Ilachinberg, adm. in 4 temporibus post pentecosten, Q. 20. Mai 1377, determ. in die nativitatis Jo. Baptistae, 24. Juni 1377 [Hachemburg]. MP. I, 1, 176. 177. Licentiatus 1383, incepit 10. Februar 1383. MP. I, 1, 212. 210. Es ist zu vermuten, dass dieser Conradus auch den Magistertitel zu Prag angenommen und wahrscheinlich einige Zeit daselbst gelehrt hat. Denn im Jahre 1405 wird ein Conradus dictus Smecke de Hachenberg Colon, dioc, Pastor in Reyd, magister artium Pragensis zu Köln immatrikuliert. Beide sind sicherlich dieselbe Person, in Köln ist noch der Familienname hinzugefügt.

VI. Herborn: 1.

Joan. Hernborn, adm. in Jeiunie, Q. 19. Februar 1388. MP. I, 1, 258. Heruboru statt Herboru auch in der Erfurter Matrikel 1457 und 1470.

VII. Königstein: 1.

N. de Frankenfordia, adm. in quatuor temporibus ante uativitatem Christi, Q. 14. Dezember 1384. MP. I, 1, 225. Nicolaus Künigstein de Frank- furdia vom Rectur univeraitatis iuristarum iiitituliort 1385, nat. Bavarorum. MP. H, 1, 73.

115

VIII. Lahnstein : 1. Araoldu3 de Lanstein vom Rector iuristarum intituliert 1372, nat. Ba- varorum. MP. II, l, 58.

IX. Limburg: 7,

Es entspricht ganz der hohen Blüte, die wir nach der Limburger Chronik für die Stadt Limburg im 14. Jahrhundert voraussetzen dürfen, wenn von hier aus eine grosse Anzahl junger Männer die Hochschulen aufsuchte, zunächst am Ende dieses Jahrhunderts Prag, dann Köln, Heidelberg und namentlich Erfurt. Wie der Reichtum der Bürger hinreichende Mittel bot, so versprach das S. Georgenstift den Geistlichen Aussicht auf eine angesehene Stellung in der Vaterstadt. Wenn auch nicht von allen mit Limburg oder de Limburg bezeichneten Scholaren die Herkunft aus der Lahnstadt sicher nachweisbar ist, so haben wir doch keinen ausschliessen wollen.

1. Hartungus de Lirapurg, adm. in die cinerum, Q. 26. Februar 1382. MP. I, 1, 205. Vom Rector universitatis iuristarum im Jahre 1385 intitu- liert, nat. Bavarorum. MP. H, 1, 73. Im Jahre 1387 zu Heidelberg als Har- tugus (sie) de Limpurg baccalarius in artibus in die Matrikel eingeschrieben. Den Namen Härtung führte eine angesehene Familie zu Limburg; den Schult- heiss Härtung (um 1350) „acht man vur den aller wisesten leyen (Laien) in allen diesen landen*. Limburger Chronik, Wyss, S. 47, 16.

2. Joannes Lympurch, adm. in Jeiunio, Q. 11. Februar 1383; determ. Joan. de Limpurg den 1. März 1383. MP. I, 1, 24. 210. Vielleicht derselbe, welcher 1387 in Heidelberg immatrikuliert und als vierter Baccalarius iuris dieser Universität eingetragen ist. S. Heidelberg.

^ P ° [ adm. in quatuor temporibus ante festum nati-

4. Hermannus Lyntpurg )

vitatia Christi, Q. 14. Dezember 1284. MP. I, 1, 225. Die ältere Schreibung Lintburg kommt in Limburger Urkunden und anderen Aufzeichnungen des 14. Jahrhunderts nicht mehr vor, wohl aber unzweifelhaft z. B. in der Heidel- berger Matrikel 1412 und 1415: Lintburg Treverensis diocesis.

5. Joan. Clen, adm. in examine quadragesimali, Q. 27. Februar 1387. MP. I, 1, 152. Von dem Rector univers. iuristarum intituliert als J. de Cleea im Jahre 1387; nat. Bavarorum. MP. H, 1, 75. Dieser Johannes Cleen wurde im Jahre 1389 zu Heidelberg als Joh. de Cleen vicarius ecclesie Limburbgensis (sie) baccalarius in artibus zugleich mit anderen Söhnen der Stadt immatri- kuliert. Ober (und Nieder-) cleen, woher er oder seine Eltern stammten, lag in der Herrschaft Cleeberg, die den Herren von Limburg gehörte; vgl. Vogel, Beschreibung des Herzogtums Nassau, S. 265. Joh. von Cl. kommt im Jahre 1392 als Vicar des S. Georgenstifts und Notar zu Limburg vor. Wyss, Limb. Chron. S. 11. Ein Ilelfricus de Kleen oder Cleyn wird 1386 als Baccal. art. und 1387 ebenfalls als Studiosus iuris genannt. MP. I, 1, 237; H, 1, 75.

6. Joan. Sculteti ) i t- . ^ r\ ^ /-»in \f„-, ^ ^ , o ,. . de Limporg, adm. m Quadragesima, Q. 10. März

7. Gerlacus Sculteti i ^ °

1389. MP. I, 1, 262. Diese beiden gehören der angesehenen Familie Schul-

116

theiss zu Limburg an, von welcher einzelne Glieder in der Limburger Chronik erwähnt werden; vgl. Wyss S. 70 und 102. Beide verliessen Prag noch in demselben Jahre und setzten ihre Stadien zu Heidelberg fort. Gerlach heisst hier vicarius eccl. Limburgensis und wurde später Dekan des Stifts (1425—1435); Götze, Annalen XIII, 325. Johann wird in der Heidelberger Matrikel cano- nicus Novi monasterii Herbipolensis genannt, aber sein Name steht hier zwischen dem Joh. de Cleen und Gerlach, auf den ein vierter, unzweifelhaft Limburger Scholar folgt, sodass aus dieser Reihenfolge auf eine gleiche Herkunft ge- schlossen werden darf; Johann und Gerlach waren wohl nahe verwandt. Dass ersterer sich nach Würzburg gewandt hatte, mag darin seinen Grund gehabt haben, dass ein Bruder des Herrn Gerlach HI, Rudolf von Limburg, im Jahre 1353 Domherr zu Würzburg geworden war und dort eine einflussreiche Stellung "ewann; er wurde bald Archidiakon und mag den jungen Johann Schultheiss nach sich gezogen haben, den er als Knaben kennen gelernt und als tüchtig gefunden hatte. Vgl. Wyss, Limb. Chron. S. 41.

Derselben Familie kann angehört haben ein Hermannus Sculteti, der im Jahre 1377 unter die Juristen aufgenommen wurde. MP. H, 1, 64. Doch fehlt hier die Angabe der Herkunft.

Schliesslich bemerken wir, dass es in Limburg auch eine Familie (de) xMontebur gab. Wyss S. 102, 4. Es wäre demnach möglich, dass von den unter Montabaur aufgezählten Baccalaren einer oder der andre nach Limburg verwiesen werden müsste. In den beiden Fällen würde sich die Zahl der Limburger, die zu Prag studiert haben, bis auf zehn steigern können.

Über Henricus de Wolfhagen s. die Kölner Matrikel unter Limburg.

X. Lindau: 2.

1. Joan. Lindow, adm. in die cinerum, Q. 26. Februar 1382, determ. 16. März 1382. MP. I, 1, 204. 205. Licentiatus am 3. März 1384. MP. I, 1, 219. Bei Joannis, Scr. rer. Mog. II, 380, wird Joannes de Lindau als Canonicus eccl. maioris a. S. Victoris zu Mainz und als Cantor ad D. Joannem aufgeführt; er starb nach ihm im Jahre 1448.

*2. Mathias Lindowe, adm. statim post festum pontecostes, Q. 5. Juni 1.392. MP. I, 1, 276.

XI. Montabaur: 5.

Über die Scholaren von Montabaur s. die Bemerkung zu Limburg a. Ende. Doch weist diese Stadt namentlich im folgenden Jahrhundert eine stattliche Anzahl von Scholaren, besonders zu Erfurt, auf.

1. Jo. de Montebur, adm. in 4 temporibus ante nativitatem Domini, Q. 10. Dezember 1377. MP. I, 1, 179.

2. Arnoldus de Montebur, adm. ante festum Michaelis, Q. 17. September 1382. MP. I, 1, 208.

3. Hermannus Montebur, adm. circa festum Michaelis, Q. 19. September 1384. MP. r, 1, 222. Ob von Limburg':'

117

4. Joan. Montebur, adm. circa festum Michaelis, Q. 19, September 1386. MP. I, 1, 246. Ist wohl derselbe, welcher als Jobannes Lapicida de Monte- bur Treverensis dyoc. baccalarius in artibus im Winter 1387 1388 zu Heidel- berg immatrikuliert wurde. Ein Scholar gleichen Namens, ebenfalls Baccalar, wurde 1396 zu Köln immatrikuliert.

5. Gerlacus de Montebur, adm. ante festum Michaelis, Q. 20. September 1391. MP. I, 1, 273. Ob von Limburg?

XII. Mudersbach: 1. ,To. de Muderspach, adm. in capite Jeiunii, Q. 22. Februar 1385. MP. I, 1, 228. Einen Johann aus dem alten missauischen Geschlecht v. M. kennt Arnoldi, Mise. S. 315, in den Jahren 1381 1391.

XIII. Nassau: 1. TIenricus Nassawer, deiorm. 28. Januar 1369. MP. I, 1, 139.

XIV. Rüdesheim: 1. Ilenricus ^lartini de ^Yemdi^g, Joannes Thomae de Rudesheym, baccal. Viennenses, postquam respondissent ad quaestionem secundum consuetudinem facultatis artium docuissentque sufficiente teatimonio se esse baccalarios assumti sunt in consortium baccalariorum nostrorum feria sexta post Magdalenae (27. Juli) 1445. MP. I, 2, 26.

XV. Scharfenstein : 1. Bruno Scharffenstein, adm. in 4 temporibus post pentecosten, Q. 20. Mai

1377. MP. I, 1, 176. Von dem Rcctor unir. (iuristarum) intituliert im Jahre

1378, nat. Bavarorum. ^IP. II, 1, 65 (de Sarfenstein). Er besuchte im Jahre 1381 Bologna, 1387 Heidelberg. Vgl. Bologna.

*XVI. Wanscheid: 1. Ilenricus "Whenscheid, adm. ante festum Michaelis, Q. 16. September 1383. MP. I, 1, 216. Zweifelhaft ist es, ob er zu dem damals in Limburg ansässigen Geschlecht der Köth von "Wanscheid gehört; die Limburger Chronik, S. 101, Wyss, nennt einen Heinz,

XVII. Weilburg: 1.

Ilartungus Wylburg, adm. circa festum ^[ichaelis, Q. 20. September 1385. MP. I, 1, 232. Ein Ilartungus sei., Scholemeyster des Stifts zu Weilburg, wird 1397 bei Würdtwein, nov. subs. IV, 199, genannt.

Ein Joannes Wilborg de Praga ist 1391 unter den Baccalaren iuris und 1397 Dns. Joannes Weylburg unter den Licentiaten iuris verzeichnet, hier als prctonotarius maioris civitatis Pragensis. MP. H, 1, 16. 6. Unter den von dem Rektor der juristischen Fakultät eingetragenen Namen findet sich dieser Scholar nicht. Man darf wohl die Vermutung aufstellen, dass er eine Person mit obigem Härtung ist, der dann den Vornamen Johann geführt, in Prag seine Studien fortgesetzt und ein städtisches Amt übernommen hätte.

118

B. Chronologfische Abfolge.

1.

2

♦3. 4.

5.

7. 8. 9.

10.

1369 1372 1375 1377

1377

1377 fl377 1379 1381 1382

1382

11.

1382

12.

1382

13.

1383

14.

1383

♦15.

1383

16.

1384

17.

1384

18.

1384

19.

1384

20.

1384

21.

1385

22.

1385

23.

1386

♦24.

1386

25.

1387

26.

[1388]

27.

1388

28.

1389

29.

1389

30.

1391

♦31.

1392

32.

1445

Henricus Nassawer, Bacc. art., determ. 28. I. . . .

Arooldua de Lanstein, Stud. iuris

Erhardus de Grysheim, Bacc. art., determ. 11. DI. . .

Conradus Hachinberg, Bacc. art, adm. Q. 20. V., dt. 24. VI.

Licent. art. 1383, incepit 10. 11. .

Brune Scharffenstein, Bacc. art., adm. Q. 20. V. . .

Bruno Sarffenstein, Stud. iuris 1378

Joann. de Montebur, Bacc. art., adm. Q. 16. XII. . .

Henricus Sculteti, Stud. iuris]

Joann. Cambercb, Bacc, art., adm. Q. 14. XII., dt. 5. II. 1380

Remigius Bruose de Cuba, Stud. iuris

Hartungus de Limpurg, Bacc. art., adm. Q. 26. 11. .

Stud. iuris 1385

Joann. Lindow, Bacc. art., adm. Q. 26. 11., determ. 16. III.

Licent. art. 3. III. 1384

Joann. de Kronenberk, Bacc. art., adm. Q. 17. IX. . . Arnoldus de Montebur, Bacc. art., adm. Q. 17. IX. . . Joann. Limpurch, Bacc. art., adm. Q. 11. U., dt. 1. III. Joann. de Cuba, Bacc. art., adm. Q. 13. V., determ. 11. VI. Henricus Whenscheid, Bacc. art., adm. 16. IX. . . . Antonius Plecz de Cuba, Bacc. art., adm. Q. 2. III., dt. 26. IV. Hermannus Montebur, Bacc. art., adm. Q. 21. IX. . .

N. Lyntburg, Bacc. art., adm. Q. 14. XII

Hermannus Lyntburg, Bacc. art., adm. Q. 14. XH. . . N. de Frankenfordia, Bacc. art., adm. Q. 14. XH. . . Nie. de Künigstein de Frankenfordia, Stud. iuris 1385 . Joann. de Muderspach, Bacc. art., adm. Q. 22. H. . . Hartungus Wylburg, Bacc. art., adm. 20. IX. . . .

♦Joannes Wilborg, Bacc. iuris 1391

♦Joann. Weylburg, Licent. iuris 1397

Joann. Montebur, Bacc. art., adm. Q. 19. IX

Eghardus de Grisheim, Bacc. iuris

Joann. Clen, Bacc. art., adm. Q. 27. II

Cleen, Stud. iuris 1387

Petrus Hebestrit de Cuba, Bacc. art., adm. Q. . .

Joann. Hernborn, Bacc. art., adm. Q. 19. U

Joann. Sculteti de Limpurg, Bacc. art., adm Q. 10. UI. Gerlacus Sculteti de Limpurg, Bacc. art., adm. Q, 10. IH. Gerlacus de Montebur, Bacc. ar.\, adm. 20. IX. . . .

Mathias Lindowe, Bacc. art., adm. 5. V

Joann. Thomae de Rudesheim, Bacc. Vienn.. 27. VII. .

XIH, 1.

vm.

IV, 1. V.

•n

XV.

XI, 1.

IX. Ende

I.

II, 1.

IX, 1.

X, 1.

IH.

XI, 2. IX, 2. II, 2. XVI. H, 3. XI, 3. IX, 3. IX, 4.

VH.

n XII.

xvn.

XI, 4. IV, 2. IX, 5.

»

n, 4.

VL IX, 6.

IX, 7. XI, 5.

X, 2. XIV.

119

Als Bacc. art. sind verzeichnet .

Dazu ein Wiener Bacc. aufgenommen

Davon wurden Licent. art. Stud. iuris

Als Stud. iur. aufgenommen . . Bacc. iur. . .

» n weiter verzeichnet

- Lic. iur. verzeichnet . .

. 28

1

2 (No. 4. 10).

4 (No. 5. 9. 20. 25)

. 2

(No. 2. 8).

. 1

(No. 24).

1 (No. 22).

1 (No. 22).

32 I 8

Iir. Heidelberg, gestiftet 1386.

Für die Universität Heidelberg bedarf es keiner längeren Vorerinnerung. Ein reichliches Material bietet die sorgfältig ausgearbeitete Matrikel der Univer- sität von G. Toepke, 3 Bände, Heidelberg 1884 1893, und über die Einrichtung und den Studiengang A. Thorbecke, Geschichte der Univ. Heidelberg, Abt. I, Heidelberg 1886. Was über die akademischen Grade bei Prag gesagt ist, gilt im ganzen auch hier, nur dass seit dem Jahre 1454 die Prüfung zum Baccalariat in der Artisten-Fakultät sich spaltete nach den zwei Hauptrich- tungen der scholastischen Philosophie, dem Nominalismus und Realismus, in denen je zweimal im Jahr examiniert wurde, in diesem, der via antiqua, gewöhnlich im Mai und November, in jenem, der via moderna, im Januar und Juli. Wir haben beide nach Toepke I, S. XI. XII. mit v. ant. und v. mod. bezeichnet. Ausserdem ist der Matrikel ein dt. zugefügt oder st. (solvit), wenn der neue Scholar die Gebühren für Immatrikulation (Intitulation) gezahlt hatte, anfangs 12 Pf. (= 1 Turnos), schon 1387 erhöht auf 24 Pf. und 4 Pf. für den Pedellen; mehr zu geben stand frei, arme Scholaren zahlten nichts (be- zeichnet mit p.); Toepke I, LI. Mit dem Buchstaben T. haben wir die ge- nannte Matrikel von Toepke bezeichnet. Ein * vor dem Namen deutet auch hier an, dass es zweifelhaft ist, ob derselbe hierher gehört. Andere Abkürzungen erklären sich von selbst.

A. Ordnung: nach der Heimat oder den Geschlechtsnamen.

Rektoren.

1. Nycolaus de Cuba, in iure canonico licentiatus et in legibus bacca- larius, decanus s. Victoris extra muros Moguntinenses, erwählt am 22. Juni 1398. Wegen einer Reise nach Rom, die er wohl als Kanzler des Erzbischofs von Mainz am 13. September unternahm, legte er sein Amt vor dem bestimmten Termine, 20. Dezember, nieder. T. I, 67. 68. Bei der Immatrikulation 1391 (vgl. IX, 5) heisst er Nycl. Yerenkorn, bei der Promotion zum Licentiaten des kanonischen Rechts Firnkorn. Firnkorn (Firnekorn) = Getreide von vorigem Jahr, Grimm, Deutsches Wörterb. III, Sp. 1076.

8*

120

2. Mag. Johannes (Rukerus de) Lansteyn [Obertahnstein], Licent. in decretia, erwählt am 22, Juni 1420, legte bald sein Amt nieder, weil er von dem Erzbischof Konrad von Mainz an seinen Hof und in seinen Rat be- rufen wurde; sein Nachfolger wurde am 17. Juli erwählt. T. I, 147 f. Immatr. 1414. Vgl. LIX.

3. Mag. Heinricus de Lymburg, sacre theologie baccalarius, 19. De- zember 1433 bis 23. Juni 1434. T. I, 199. 201. Immatr. 1417. Vgl. L, 5.

4. Adolffus comes in Nassauwa, Moguntinensis, Treverensis, Coloniensis ecclesiarum canonicus (am Rande: postea archiepiscopus Maguntinensis), 20. De- zember 1443 bis 23. Juni 1444. T. I, 240. Immatr. am 23. Dezember 1441. Vgl. LVI, 3. Ehrenrektor; vgl. Thorbecke S. 38, Anm. 12.

5. Mag. Rudolffus Fabri de Rudesheym, in theologia licent., 19. De- zember 1450 bis 23. Juni 1451. T. I, 265. Immatr. 142G. Vgl. LXVI, 5.

Scholaren.

I. Asmannshausen, frtlher Hasemanshusen: 4 (1390—1471).")

1. Johannes dictus Meyster de Hasemanshusen, dt., 16. XH. 1389 bis 24. m. 1390. T. I, 41.

2. Ludovicus de Haesmanshusen Magunt. dyoc, dt., nach dem 28. X. 1422. T. I, 157.

3. Johannes Hubenryszer de Haszmanszhusen und

4. Herdonus Straszburger de Haszmanszhusen Maguntinensis dyoc., 13. X. 1471. T. I, 334. Joh. „Hubenrisser" Bacc. art. v. ant. 4. VI. 1473; „Herdanus Straussburg" Bacc. art. v. ant. 28. VI. 1474. Henrich Haubreisser Unterschultheiss zu Assmaishausen 12. XII. 1589 bei Roth, fönt. Nass. I, 2, 319.

II. Bachheim: 1 (1397).

Tholmannus de Bacheim Trever. dioc, dt., 20. XII. 1396 bis 23. VI. 1397. T. I, 64.

III. Bftrstadt: 1 (1498).

Nicolaus Wilhelmi de Berstat Mogunt. dioc. 3. XH. 1498. T. I, 431. Ein Pfarrer Wilhelmus Wilhelmi von Bärstadt zu Rauenthal 1472, 1482, 1491. Zaun, Beiträge zur Geschichte des Landkapitels Rheingau S. 117. 108. Toepke UI, 567 hält den Ort für das hessische Berstadt oder pfälzische Börr- stadt. Vgl. das Register in Bd. III.

*IV. Beilstein: 1 (1400). *Henricus Bijlsteyn, st, 23. VI. bis 20. XU. 1400. T. I, 76. Noch mehr sind zweifelhaft andre Beilstein.

") Wenn der Rektor sein Amt im Dezember, gewöhnlich am 20. d. Mts., antrat, so haben wir die vor dem Antritt des Amtes bis zum folgenden Januar eingeschriebenen Scho- laren, deren immer nur wenige sein konnten, <la, wo ein bestimmter Tag «ler Immatrikulation nicht angegeben ist, in dieser kurzen Angabe, wie auch unten in dem ohronologisclien Ver-

zeichnisse dem folgenden Jahre zugerechnet.

121

V. Bleidenstadt: 3 (1405-1473).

1. Jacobus Blidenstat clericua Mogunt. dyoc, dt, 20. XII. 1404 bis 23. YI. 1405. T. I, 96.

2. Jobannes Blidensteder, dt, 23. VI. bis 20. XII. 1421. T. I, 156.

3. Johannes Scoenborren de Blidenstaed dyoc. Magunt.; 12. XII. 1458. T. I, 295. Job. Schoneborn de Blydenstat immatr. zu Erfurt 1455 M., Abt zu Bleidenstadt Joh. v. Schünborn 1444 1473.

VI. Braubach: 3 (1392-1437).

1. Johannes de Brubach Trever. dioc, 10. X. bis 11. XII. 1392. T. I, 53.

2. Petrus Kauwerczan de Brubach dioc. Trever. dt., 20. XII. 1412 bis 23. VI. 1413; „Sigelinus" bacc. art VH. 1414. T. I, 119. Kauwerzin, Caorsinus, Cauercrinus ist der Xame für einen ausländischen,, gewöhnlich ita- lienischen Kaufmann oder Wechsler, benannt nach der Stadt Cahors, der Haupt- stadt der Landschaft Cahourcin, später Quercy. Lexer; Büsching IV, 236.

3. Engelberchtus de Brubach, dt, 20. Xn. 1436 bis 22. VI. 1437. T. I, 214.

VII. Breithart: 3 (1442-1472).

1. Adolf US de Breithart, capellanus altaris b. Virginis ibidem, der. Mogunt. dioc, dt., 20. XU. 1441 bis 23. VL 1442. T. I, 233. Er ist wohl eben der- selbe, welcher nachher zu hohen Ehren emporstieg: Magister coquine (Küchen- meister), Provisor und Official des Mainzer Erzbischofs zu Erfurt (als Mag. coquine Hess er sich im Jahre 1456 zu Erfurt in die Matrikel eintragen), 1465 Decan eccl. B. Mariae ad gradus zu Mainz, 1468 Scholasticus ad D. Petrum und 1469 ad gradus, zuletzt Rat und Kanzler des Erzbischofs Berthold; f 24. Vn. 1491. Joanuis, rer. Mog. 11, 504. 675. 680; Gudenus, Syll. 591.

2. Johannes Schultheti de Breithartt der. Mag. dyoc. 28. LH. 1471. T. I, 333. Zu Erfurt immatr. ein gleichnamiger Scholar 1463.

3. Adolffus de Bryttert der. Magunt. in die commemoracionis s. Pauli, 30. VL 1472. T. I, 338.

VIII. Bubenheim: 2 (1405. 1487). *1. Gerardus Rolemanni de Bohenheim Trever. dioc, dt, 23, VI. bis 19. xn. 1405, T. I, 98.

2. Johannes Specht de Bubenheim, canonicus s. Albani et Steffani Mogunt dvitatis et dyoc 10. VU. 1487. T. I, 387. Bd Joanuis U, 400 und 796 als canonicus maioris eccl. (1490) und custos S. Albani verzeichnet; t 16. V. 1524.

Camberg s. Dalheim.

IX. Caub: 32 (1388-1492). 1. Heinricus Kerne de Cuba, st, 23, VI, bis 10. X. 1388. T. I, 33.' Vgl. No. 3. 21.

122

2. Petrus Hebestrit bachal. Pragensis de Cuba, 10. X. bis 16. XII.

1389. T. I, 39. Vgl. Prag.

3. Petrus de Cuba dictus Kern, p., 10. X. bis 16. XII. 1389. T. I, 40. Ygl. Xo. 1.

4. Fridericus deHubenhaere de Cuba, dt., 16. XII. 1389 bis 24. III.

1390. T. I, 44.

5. Dom. Nyeholaus Yerenkorn de Cuba, mag. in artibus et bachal. in utroque iure. Nichil fuit receptum ob reverentiam persone et quia facta aniversitatis apud dominum Maguntinum consuerit promovere. Postea licentiatua in iure canonico in studio isto (die vierte Promotion, die überhaupt stattfand; T. II, 524). 23. YI. bis 10. X. 1392. Decan zu S. Victor in Mainz, Canonicua zu S. Barthol. in Frankfurt und Kanzler des Erzbischofs zu Mainz. Joannis, rer. Mog. 11, 627; Gudenus, Syll. 514. Rektor 1398; 3. o.

6. Anthonius de Cuba, dt., 23. VI. bis 20. XII. 1393. T. I, 55.

7. Johannes filius cellerarii de Cuba Trever. dyoc, dt., 19. XII. 1394 bis 23. VI. 1395. T. I, 58.

8. Anthonius de Cuba Trever. dyoc, p., 20. XII. 1398 bis 23. VI.

1399. T. I, 69.

9. Gerlacus dictus Grans de Cuba, dt., 20. XII. 1399 bis 23. VI.

1400. T. I, 71. Eine Notiz unter einem Verzeichnis im Jahre 1417 geschenkter Bücher, und zwar nach zwei juristischen, besagt: Gerlacus de Cuba tenetur solvere XX florenos. T. II, 693. Der Name Grans auch No. 16. Es gab auch eine Adelsfamilie Grans von Reinberg. Vogel, Beschr. 603.

10. Nycolaus Henbuel de Cuba \ Trever. dyoc, dt., 20. XII. 1399

11. Anthonius Alberti de Cuba | bis 23. VI. 1400. T. I, 72.

12. Johannes Enolfi de Kuba, dt.; 20. XÜ. 1399 bis 23. VI. 1400. T. I, 72.

13. Johannes Otto de Cuba, dt., 20. XII. 1399 bis 23. VL 1400. T. I, 73.

14. Enolffus de Cuba, frater eins, « » n » n n

15. Henricus Petri Sneplock Trever. dyoc, dt., 20. XII. 1404 bis 23. VI. 1405. T. I, 96. Der Name des Heimatsortes ist nicht zugefügt; nach No. 19. 25. 26. scheint er ohne Zweifel Caub zu sein.

16. Symon Grans de Cuba, dioc Trever., dt, 20. XH. 1408 bis 22. VI. 1409. T. I, 109. Er war wohl schon Bacc. art. Erfurtens, wo er 1407 immatrikuliert wurde. Baccalarius in iure canonico in profesto Margarete vir- ginis (12. VII.) 1412, Licentiatus in iure canon. 6. Okt. 1418. T. 11, 503. 525. Vgl. No. 9.

17. Ilenrici de Cuba plebanus in Rinbullen [Rheinböllen] Mogunt. dioc. baccal. artium, dt., 19. XII. 1411 bis 23. VI. 1412. T. I, 117.

18. Anthonius de Cuba Trever. dioc, dt., 23. VI. bis 20. XII. 1414. Bacc art. Januar 1416. T. I, 123.

Nie de Erbach ord. Cist. Cubensis 1416. 8. Eberbach No. 6.

Seil. Schneblock, 22. VIH. bis 2. Xn. 1443. T. I, 238.

123

10. Jühanes Sneplock de Cuba Trever, dyoc, dt., 20. XII. 1419 bis 22. VI. 1420. T. I, 146. Vgl. No. 15.

20. Herburdus de Cuba der. Trever. dyoc, p., 23. VI. bis 21. VIII. 1424. T. I, 162.

21. Petrus Kern de Cuba der. Trever. dyoc, p., 21. IX. bis 11. XI. 1424. T. I, 163. Vgl. No. 1.

22. Theodricus Scriptoris de Cuba, dt, 4. IV. bis 23. VI. 1428. T. I, 177.

23. Petrus Hebstritt de Cuba der. dyoc. Trever., dt., 4. IV. bis 22. VI. 1428. Bacc. art. 28. I. 1430. Vgl. No. 2.

24. Nicolaus de Kuba, dt., 23. VI. bis 30. VHI. 1436. Bacc. art. 8. VII. 1439. T. I, 212.

25. Petrus de Cuba, dt., Bacc. art. (Petr. Schneblung) 15. VH. 1445.

26. Johannes de Cuba, dt.,

27. Girlacus de Kuba, p., 21. VI. bis 20. XII. 1445. T. I, 246. Girlacus Sartoris zu Erfurt 1444?

28. Anthonius Rasoris (Scherer) de Cuba dyoc. Trever. 3. III. 1461. T. I, 303. Zu Erfurt 1458?

29. Heumannus de Cuba 13. VII. 1466. Bacc. art. v. mod. 13. VE. 1468. T. I, 318.

30. Arnoldus Well de Cuba Trever. dioc, 4. X. 1475. Bacc. art. v. ant. 22. V. 1477. T. I, 346.

31. Paulus Lisheit de Cuba VI. Kai. Maij (27. IV.) 1476. T. I, 349. Ein Petrus Liszheit de Kuba zu Erfurt 1467.

32. Johannes Germeszheim de Cuba Mogunt. dyoc. 7. VI. 1492. T. I, 402. Ein Petrus und Nicolaus de Germersshejm de Cuba zu Erfurt 1465. Wenn es aber an unserer Stelle heisst: Mogunt. dyoc, so beruht dies auf einem Irrtum des Schreibers, da weder Caub noch Germersheim der Mainzer Diözese angehörten, sondern der Trierer und Speierer. Die Germersheim waren ein aus der gleichnamigen Stadt der Pfalz nach Caub eingewandertes Geschlecht.

X. Cronberg: 13 (1394-1490).

Bei der Schwierigkeit, Cronberg am Taunus, früher im Amte Königstein (nicht Homburg, wie es im Index bei Toepke heisst), jetzt Obertaunuskreis, von andern oder ähnlich lautenden Ortsnamen zu unterscheiden, haben wir auf die Gefahr hin einen Irrtum zu begehen, alle Namen mit Cronberg und Cronenberg aufgenommen, dagegen Cronnberg und Cronnenberg ausgeschlossen.

1. Johannes Cronberg de Schonaugia de domo s. Jacobi dt., 23. VI. bis 19. XII. 1394. T. I, 57. über die domus s. Jacobi s. unter Eberbach. Johannes war Mönch des Cisterzieuser-Klosters Schönau.

124

2. Petrus Walter! de Cronenberch, st., 23. VI. bis 20. XII. 1400. T. I, 76. Der Name Walter kommt in Cronberg oft vor, ebenso Franko, weshalb der als Franco Franconis unter demselben Datum, aber ohne Ortsbezeichnung, eingetragene Scholar ebenfalls hierher gerechnet werden könnte.

3. Hertmannus de Cronenberg Mogunt. dioc, dt., 19. Xll. 1416 bis 23. VI. 1417. T. I, 132. Auch der Xame Hartmann erscheint neben Hart- mut zu Cronberg mehrfach.

4. Waltherus Franconis de Kronberg, dt., 20. XU. 1434 bis 23. VI. 1435. T. I, 207. In Köln immatr. im Jahre 1438 zugleich, wie hier, mit dem Domicellas Walter von Eppstein. Vgl. XIX, 5.

5. Wickherus Textoris (Weber) de Cronberg Mogunt. dyoc , dt., 20. XII. 1435 bis 23. VI. 1436. T. I, 211. In Erfurt ein Wicherus von Stege de Cr. 1469.

6. Johannes Werderower (Wetterauer?) de Cronberg dyoc. Mogunt., dt., 20. XII. 1435 bis 23. VI. 1436. T. I, 211.

7. Nicolaus Mushert de Croenberch der. Mogunt. dioc, dt., 14. VIII. 1448; , Mushart« Bacc. art. 26. I. 1450. T. I, 256. Lieent. art. 18. III 1452. T. II, 391. Zu Erfurt ein N. Munszhart 1453.

8. Johannes de Cronenberg 13. I. 1464. Bacc. art. v. mod. 18. I. 1466. T. I, 309. Lieent. in artibus 5. HI. 1469. Joh. Amsteg de Cronnberg, deterra. 5. feria post Judica (23. HI.) 1469. T. II, 404.

9. Petrus Strydel de Cronenberg Mogunt. dioc. 14. XI. 1475. T. I, 348. Zu Erfurt immatr. Petrus Tridell de Kronberg (P. Stridel) 1472.

10. Johannes Koufleib de Kronberg 17. IV. 1477. T. I, 353.

11. Johannes Körper de Kronbergk der. Mogunt. dioc. 8. X. 1486. T. I, 384.

12. Johannes Willau (Wallau) de Cronberg Magunt. dyoc. 5. V. 1490. T. I, 396.

13. Johannes Kronenberg fehlt in der Matrikel, ist aber als Bacc. v. art. 16. XI. 1454 von T. II, 876 notiert, hat also etwa 1452 die Universität bezogen.

XI. Dalheim (Thalheim): 1 (1498).

Dom. doctor Joannes de Dalheym Trever. dioc. 23. VI. 1498. T. I, 429. Joannes de Dahlheira, iur. utriusque doctor, praepositus Wctzlarieusis, metropolitanae Colon., CoUeg. B. Mariae Virginis Mogunt. et in monte Franco- furti, ibidem ad. S. Bartholom, necnon D. Petri in Saltza Canonicus, Mogunt. maioris Vicarius, Kanzler des Erzbischoffs zu Mainz 1500 1509 und 1514 bis 1516; t im Dezember 1516. Gudenus, Syll. S. 536 ff. Daselbst auch die Grabschrift, in der es heisst : Joh. Dalheym ex Comberg [Camberg]. Nach Thorbecke, Anm. 282 zu S. 102 (S. 89*) hatte er seine Grade zu Siena in Italien (Diplom von 6. III. 1497j erworben.

125

XII. Dem: 1 (1402).

Crafto (lo Dorn caDouicus Lymborgenis, dt, 23. VI. big 20. XI. 1402. T. I, 87. Aus dem Geschlecht der Freien von Dern, aus dem die Limburger Chronik einen Kölner Domherrn Graft im Jahre 1367 erwähnt. Wysa S. 56.

XIII Dernbach: 1 (1402).

Wigandus de Dernbach canonicus Mogunt., dt., 23. VI. bis 20. XII. l-i02. T. I, 87. Aus dem Geschlecht der von Dernbach; Arnoldi, Miscell. S. 239. Er ist bei Joannis II, 351 als Canonicus maioris eccles. Mog. 1399 verzeichnet und starb 1427. Zu Erfurt immatr. 1400. Dietkirchen s. Miehlen.

XIV. Diez: 5 (1415-1497).

Adum de Emprade s. Irmtraut.

1. Wigandus Kesmenger de Diecz dyoc. Trever., dt., 20. XII. 1414 bis 22. VI. 1415. T. I, 124.

2. Wernherus deDiecsch der. Trever., dt., 23. VI. bis 20. XII. 1427; Bacc. art. ,de Dyecze" 12. VII. 1430. T. I, 175.

3. Theodericus de Dyecz, familiaris Eberhardi de Eppensteyn et Jo- hanuis fratris eiusdem, dt., 20. XII. 1428 bis 23. VI. 1429. T. I, 179.

4. Petrus Laerbecher de Dyecz Trever. dyoc, dt., 20. XII. 1431 bis 23. VI. 1432. T. I, 189. Peter Lorbecher Dechant zu Diez 6. V. 1457. Steubing, Topographie von Diez, S. 96.

5. Antonius Dietz Trever. dyoc. 4. VII. 1497. T. I, 425.

XV. Driedorf: 1 (1387). Ileylmannus de Dridorf 23. IE. bis 22. VL 1387. T. I, 17.

XVI. Kloster Eberbach : 38 (1387-1499), bis 1522 im Ganzen 47.

Es scheint zwar in der Matrikel eine scharfe Unterscheidung von Eberbach und Ebrach durchgeführt zu sein, doch wäre immerhin eine Verwechslung beider an einer Stelle möglich, wie sonst öfter geschah (Janauscheck, origo Cister I, 20).

Die am Anfang mehrmals genannte domus S. Jacobi war das an der Stelle des Jakobsstiftes von Kurfürst Ruprecht im Jahre 1389 neu erbaute Haus, in welchem studierende Cisterzienser-Mönche wohnten und das coUegium Jacobiticum bildeten; es stand unter Aufsicht des Abtes von Sehönau und w^urde der Universität im Jahre 1394 einverleibt. Hautz, Geschichte der Univ. Heidelberg I, 184 tf.; Thorbecke, Gesch. der Univ. Heidelberg I, 20).

Die Eberbacher Mönche lagen damals'^) den Studien eifrig ob; in dem Zeitraum von 1387 bis 1500 sind 38 Scholaren von dort zu Heidelberg imma-

'-) Über das Aufkommen wissenschaftlioher Beschäftigung bei den Cisterziensern siehe Bär, Geschichte der Abtei Eberbach I, 6.36; II, 367 ff.

126

2. Fr. Johannes provisor domus 3. Jacobi de Eberbacco

3. Fr. Nicolaus de Ebirbaco

trikuliert worden, nachher bis 1522, wo der Besuch der Universität auf- hörte — , noch neun, sodass sie im ganzen die Zahl 47 erreichten ; wir haben auch die letzten am Schlüsse noch zugefügt, obgleich sie über unsern Plan hinausgehen. Wie hoch man die litterarische Bildung anschlug, beweist der Umstand, dass schon vorher Jakob von Eltville (Abt von 1371 bis 1392) zu Paris (nicht zu Heidelberg, wie die Abtschronik bei Roth I, 3, 107 sagt) studiert hatte, ein andrer, Johann (No. 8) es bis zum Professor theologiae brachte und sieben Abte ihre Studien zu Heidelberg gemacht hatten.

I. Thomas de Everbacho religiös, professus ordinis Cisterc. 17. XI. 1386

bis 23. HI. 1387. T. I, 12.

' dederunt ; studentes

in S. Jacobo extra

muros Heydelber-

genses. 13. EH. bis 23.

VI. 1391. T. I, 49.

4. Nicolaus Steg de Ebirbaco de domo s. Jacobi, dt., 23. VI. bis 19. XII. 1394. T. I, 57.

5. Johannes de Ebirbaco ord. Cisterc, dt., 20. XH. 1395 bis 23. VI. 1396. T. I, 61.

6. Fr. Nicolaus de Erbach Cisterc. ord., dt., 20. XH. 1415 bis 23. VI. 1416. T. I, 128. Wohl der Abt Nicolaus Cubensis 1436 bis 1442. Roth, fontes I, 3, 87. 110. 20. (f 10. HL); Bär, dipl. Geschichte der Abtei Eber- bach, I, 143.

7. Abel de Limburg professus monasterii Eberbacensis Magunt. dyoc, dt., 20. XU. 1418 bis 23. VI. 1419. T. I, 143. Er starb als Prior 1460. Roth I, 3, 59.

8. Fr. Johannes de Erbach, dt., 20. XII. 1421 bis 23. VI. 1422; Bacc. art. 28. I. 1424. T. I, 155; Licent. art. im März 1425, in art. magister prae- sentatus ad cursum legendum 1428 mense Julii circa festum s. Petri et Pauli, principavit autem eodem post octavam nativitatis Mariae, aufgeführt in den Promotiones in facultate theologiae. T. II, 376, 592. Im liber aoimarum heisst es: VH. Kai. Jul. [25. Juni] obiit Joes dictus Bramhardt ss. theo). Professor eximius confrater noster. Roth I, 3, 39.

9. Fr. Petrus professus in Everbaco, dt., 20. XII. 1425 bis 22. VI. 1426. T. 169.

10. Fr. Sifridus de Erbach Mag. dyoc, dt., 20. XH. 1430 bis 23. VI. 1431. T. I, 185.

II. Fr. Johannes de Franckfordia, f 14. HI. 1473. Roth I, 3, 4. 21. (Druckfehler 1413.)

12. Fr. Rieh w in US de Lorch, wohl der Abt 1456 bis 1461 (Roth I, 3, 54. 87. 111; Bär a. a. 0. giebt als Todesjahr 1471 an) oder fr. R. f 10. H. 1471. Roth I, 3, 15.

professi in Eberbaco

dioc. Magunt. dt., 23.

VI. bis 20. XII. 1436.

T. I, 213.

127

13. Fr. Stephanus de Sancto Goware professus in Eberbach, dt., 20. XII. 1436 bis 29. V. 1437. T. I, 215. Ein St. de S. Goare ira liber. anim. unter dem 26. X. 1479. Roth I, 3, 53.

14. Petrus de Maguncia professus in Erbach, dt., 19. XII. 1439 bis 23. YI. 1440. T. I, 226.

15. Reinoldus de Rudensheim professus in Eberbach, dt., 23. VI. bis 19. Xn. 1444. T. I, 243.

16. Fr. Johannes de Biedekapp \ professi in Eberbaco 23. VI. bis

17. Fr. Johannes de Linburg / 20. XU. 1451. T. I, 268.

18. Fr. Thilmannus professus in Eberbaco Magunt. dyoc. 20. XII. 1451 bis 23. VI. 1452. T. I, 270.

19. Fr. Petrus Rithausen professus in Eberbach 20. XII. 1453 bis 22. VI. 1454. T. I, 277.

20. Fr. Johannes Aschaffenburch de Eberbacho 23. IV. 1457. T. I, 288.

21. Jacobus Mathie professus ) in Eberbacho 23. VI. bis 27. XI.

22. Conradus Selbstman professus j 1460. T. I, 303.

23. Fr. Fridericus de Saulneni professus in Erbach 9. 24. VII. 1464 T. I, 310. Zu dem Todestage eines Fridericus de Sawelnheim (Sauweinheim) (28. IV.) bemerken die zwei libri anim. bei Roth I, 3, 7. u. 29: quondam prior et s. theologiae liccentiatus.

24. Johannes Rudesheim, wohl Abt Joh. R. dictus Edelknecht 1482—1499. Roth I, 3, 51. (25. m.), 113. 172. Nach Bär a. a. 0. Abt von 1485-1499.

25. Johannes de Burbadia, wohl Abt 1475 bis 1482. Roth I, 3, 58 (12. XH.), 87. 112.

26. Johannes de Colonia. Ein Joh. de Col. f 25. III. 1491 oder 1497. Roth I, 3, 5. 24.

27. Fr. Sifridus |

professi in Erbach 15. V. 1477. T. I, 3o3.

28. Fr. Heinricus) ^

29. Sebastianus ^

Ort T i, l omnes tres professi in Erbach ordin. Cistercicns.

30. Johannes > ^ _

^, ,. f 8. VI. 1480. T. I, 364.

31. Martinus J '

Martin ist wohl Martinus Riffling von Boppard, Abt von 1499 1506. Roth I, 3, 172. t 4. X. 1506. Ib. 51. Bär, a. a. 0.

32. Johannes Ribysen )

J professi in Erbach 4. L 1485. T. I, 378.

33. Hermannus Funck)

34. Fr. Nicolaus de Altavilla, wohl der Abt 1506 1 Magunt, dioc, Er- bis 1527. Roth I, 3, 35. 116. [. bacenses 22. VII.

35. Christmannus de Wiesbaden. J 1489. T. I, 394. Christmann ist mehrfach in der Visitationschronik bei Roth I, 3, 176 ff.

genannt, wie 1512 S. 181 und 1515 S. 179 (falschlich Christianius gedruckt).

professi in Erbach

14. V. 1470.

T. I, 329.

Der Todestag war der 21. August.

128

36. Fr. Johannes Sutoris de Sancto Goare ^ Dioc. Mogunt. pro- t 28. n. 1510. Roth I, 3, 19. Er war oft bei Visi- [ fessi in Eberbach tationen thätig. f 10. IV. 1494.

37. Fr. Johannes Sartoris de Heydelberga. J T. I, 410.

38. Jacobus Gregorii de Eberbach professus eins monasterii IX. Kai. Nov. (24. X.) 1499. T. I, 434.

Im 16. Jahrhundert besuchten ausserdem folgende Eberbacher Mönche die Universität Heidelberg:

1. (39.) Caspar Bacharach 1 professi in Erbach 12. V. 1504.

2. (40.) Johannes Wyszbaden ) T. I, 452 f.

Joh. wurde Prior des Klosters, vielfach verwendet zu Visitationen und starb 17. IV. 1535. Roth I, 3, 27. 176. 179 u. s. w.

3. (41.) Jacobus de Erbach ord. s. Bernhardi die solis 6. Kaleudas Maij (26. V.) 1506. T. I, 459.

4. (42.) Fr. Petrus Erbach ord. Cist. 11. Apr. 1510. T. I, 475.

5. (43.) Johannes ex Kiderich professus in Erbach Mog. dyoc. 28. IV. 1510. T. I, 480.

6. (44.) Fr. Nicolaus de Kuderich professus in Ebberbaco dioc. Magunt. 26. IV. 1514. T. I, 495.

7. (45.) Fr. Petrus Hattenheym ex monasterio Eberbaeensi ord. Cist. Mogunt. dioc.

8. (46.) Fr. Laurentius Dornheini ord. et dioc. eorundem. Er wurde im Jahre 1527 Abt und starb 1535. Roth I, 3, 120.

9. (47.) Fr. Georgius Marck de Eyberbach ord. Cist. 10. VII. 1522. T. I, 532.

XVII. Elkerhausen: 1 (1441).

Henricus de Elkerszhusen, dt., 23. XII. 1441. T. I, 232. Er war im Gefolge des Grafen Adolf von Nassau.

XVIII. Eltvüle: 16 (1382-1494).

1. Marquiliuus de Elteville Mag. dioc. 22. VI. bis 10. X. 1387. T. I, 21. Eiu Priester Merkeliu von Eltvil zu Frankfurt 1402 bei Würdtwein, dioc. Mog. U, 559.

2. Johannes Berthof de Altavilla, dt., 20. XL bis 16. XU. 1389. T. I, 39.

3. Petrus de Altavilla Magunt. dioc, dt., 10. VI. bis 16. XII. 1391. T. I, 47.

4. Johannes de Eltvel Magunt. dyoc, dt., 23. VI. bis 19. XÜ. 1394. T. I, 57. Ein Juh. de Eltvil Canonicus cccl. colleg. S. Petri zu Mainz 1405 bis 1428. Mscr.

22. VI. 1518. T. I, 514.

129

5. .Johannes Melpecheyr de Altavilla, at, 20. XII. 1400 bis 23. VI. 1401. T. I, 78. Melbach in der Wetterau.

6. Conradus Conrad! de Altavilla Magunt. dyoc, dt., 20. XII. 1406 bis 23. VI. 1407. T. I, 102. Vgl. No. 7.

7. Conradus de Eitfelt Magunt. dyoc, dt., 20. XII. 1415 bis 23. VI. 1416. T. I, 127. Ein Conradus war 1439 Scholaster zu S. Mauritius in Mainz. Gudenus HI, 947.

8. Petrus de Eltfel, p., 23. VI. bis 20. XII. 1446. T. I, 250.

9. Adam de Eltvil ]

,n A'- 1 A T.U •, 8- I- ^'^ 23. VI. 1450. T. I, 262.

10. ^icolaus de Eltvil j

11. Petrus Schurgenal de Eitfelt 9. X. 1467. T. I, 322. Canouicus eccl. coli. S. Petri zu Mainz. 1482 1513 Mscr. Auch 1508 ist ein Schurrge- nagel (Schergenagel, Schürgenagel) in der Matrikel verzeichnet.

12. Johannes Mengasz de Altavilla Magunt. dyoc. 21. V. 1472. T. I, 337.

13. Conradus Eldfelt Magunt. dioc. 18. IX. 1485. T. I, 380.

14. Petrus Kleer de Eldtfelt Mog. dioc. 19. X. 1486. T. I, 384.; De- canus eccl. colleg. ad s. Victorem 1500 1520. Joannis II, 629.

15. Johannes Hoingen de Elfelt Mog. dyoc. 30. V. 1487. T. I, .387. Bacc. art. v. ant. „Hongen« 27. V. 1490. T. I, 387.

Fr. Nicolaus s. Eberbach No. 34.

16. Nicolaus Lucie de Eidfeld dioc. Mogunt. 16. 11. 1494. T. I, 409. Ein Kaplan gleichen Namens von S. Nicolaus zu Eltville 1482, 1490, 1492 und 1496, bei Roth I, 1, 265 ff.

XIX. Eppstein: 7. (1415-1447).

1. Johannes Eppstein der. Mogunt. dioc, dt., 20. XII. 1414 bis 22. VI. 1415. T. I, 124.

2. Eberhardus de Eppensteyn 1

^ , ^ r . j l fratres dederunt 1 Flor. 20. XII. 1428

3. Johannes frater eiusdem . ^.^ ^^ ^^ ^^^9. T. I, 179.

4. Wernerus J

Diese drei Herrn von Eppstein hatten vorher mit zwei Brüdern die Fni- versität Köln besucht, wo sie 1425 immatrikuliert wurden; Werner leistete damals wegen seines jugendlichen Alters keinen Schwur. Sie waren die Sühne von Godfrid VIH, 1389 1417. Eberhard muss frühe gestorben sein. Johann wurde Canonicus eccl. maioris zu Mainz und Propst zu S. Bartholom. in Frank- furt, starb vor 1480. Werner starb als Herr von Ziegenberg 1462. Joannis, rer. Mog. H, 355; Wenck, Geschichte der Dynasten von Eppstein II, 63.

5. Domicellus Walter de Eppenstein, zugleich mit Waltherus Franconis de Kronberg, 20. XII. 1434 bis 23. VI. 1435. Im Jahre 1438 zu Köln, eben- falls mit Walther von Kronenberg, immatrikuliert. Dieser Umstand, sowie der Cronberger Name Walther lässt auf besondere Freundschaft der beiden Häuser sehliessen, welche durch die Vermählung der Anna von Crouberg mit dem

130

jüngeren Bruder Gottfrieds VIII. von Eppstein, Eberhard (f um 1443) herbei- geführt war. Vielleicht iat Walther der Sühn Eberhards gewesen, der von 1434 und 1468 vorkommt.

6. Johannes de Eppensteyn der. Mog., dt., 19. XII. 1439 bis 23. VI. 1440. T. I, 226.

7. Johannes de Eppensteyn, Mogunt., p., 20. XTT. 1446 bis 23. VI. 1447. T. I, 252.

*XX. Erbach: 1 (1433).

Es ist wenig wahrscheinlich, dass das kleine Erbach im Rheingau eine so stattliche Anzahl von 20 Scholaren, als die Matrikel mit oder ohne den Zusatz Mogunt. dioc. aufführt, nach Heidelberg entsandt hat; die grössere Zahl werden wir dem Erbach im Odenwalde zuweisen müssen, doch ist die Ent- scheidung schwer oder unmöglich ; das Beispiel des nahegelegenen Eltville und des Klosters Eberbach konnte sehr wohl auf Erbach ansteckend wirken. Wir wollen deshalb wenigstens einen, der sicher hierher gehört, aufnehmen:

♦Petrus Kemel de Erbach, dt., 23. VI. bis 19. XLL 1433. „Kijmel" Bacc. arl. 31. I. 1435. T. I, 199.

XXI. Flörsheim: 3 (1424-1447).

1. Eberhardus Fallschoszel de Vluerszheym der. Mogunt. dyoc, dt., 23. VI. bis 20. XII. 1424. Bacc. art. 11. VE. 1426. T. I. 163.

2. Nicolaus Guthen de Flershein Mag. dyoc, p., 20. XII. 1446 bis 23. VI. 1447. Bacc. ar^ 28. VII. 1449. T. I, 251.

*3. Petrus Sculteti de Flerszhem; dt., 23. VI. bis 20. XII. 1447. T. I, 254.

XXII. Geisenheim: 14 (1387—1488).

1. Johannes Brentsberg de Giesenheim 23. III. bis 22. VI. 1387. T. I. 17.

2. Johannes Gysenheira Magunt. dyoc, dt., 23. VI. bis 20. XII. 1394. T. I, 57. Ein Joh. de G. war Canonicus eccl. S. Petri zu Mainz und f 1431. Mscr.

3. Johannes Enghas de Gyesenhem Mag. dyoc, dt., 23. VI. bis 20. XII. 1394. T. I, 57. Der Altarist S. Michael zu Geisenheim Joh. Engass 1413 bei Zaun, Landkapitel Rheingau S. 260.

4. Emericus de Geysenheim, dt., 20. XU. 1498 bis 23. VI. 1499. T. I, 69.

5. Albertus de Gesenheym, st., 20. XII. 1400 bis 23. VI. 1401. T. I, 79.

6. Johannes Waldecker de Gysenheim, dt., 23. VI. bis 15. IX. 1401. T. I, 81. Ein Sifrid Waldecker war 1421 Schultheiss zu Geisenheim. Würdt- wein U, 270.

7. Petrus Gysenhemmer, dt., 26. IX. bis 20. XII. 1401. T. I, 83.

8. Johannes Waldich de Ghysehem, dt., 23. VI. bis 20. XII. 1431. T. I, 187.

23. VI.

bis 20. Xn. 1418. T. I, 140.

131

9. Nicolaus de Gysenheim der. Mag. dyoc, st., 20. Xu. 1431 bis 23. VI. 1432. T. I, 189.

10. Petrus Lapicida der. Mog. dyoc. de Gysenheim, dt., 23. VI. bis 20. xn. 1434. T. I, 264. Der Steinmetz Mdster Niclas 1518. Zaun, Land- kapitd S. 245.

11. ConradusdeGyszenheim, p., 20. xn. 1440bis23.VI. 1441. T. 1,229.

12. Reinhardus Eberh. de Gyshem, dt., 23. VI. bis 19. Xn. 1444. T. I, 243.

13. Johannes Sartoris de Gisenheim der. Mogunt. 3. X. 1459. T. I, 299.

14. Johannes Wel des Geisenheim dioc. Mog. 13. X. 1488. Bacc. art. V. mod. 13. I. 1490. T. I. 301. Ob = Joh. Wdler, Decan zu WallufT am Anfang des 16. Jahrhunderts? Zaun S. 80.

XXIII. Vollraths zu Greiffenklau : 3 (1418-1444).

1. Henricus Griffencia canonicus ecclesiarum Magunt. et Trever., dt. Im Jahre 1410—1444 Präfekt des Eichsfeldes und Provisor von Erfurt, 1450 Dekan des Domstifts zu Mainz. 1439 auch Archidiaconus S. Petri Trever., legte 1455 seine Ämter nieder und widmete sich dem klösterlichen Leben; f 6. V. 1462. Joannis II, 303. 363; Brower, Metr. 156; Humbracht.

2. Johannes Griffencia, frater praedicti, Canon, eccl. Trever. dt.. Er war 1429 1462 Archidiaconus zu Longwy. Brower, Metr. 167.

3. Eberhardus Griffencia de Volrat, dt., 11. IL bis 21. in. 1444. Canonicus zu Mainz und Amtmann zu Bingen, 1457, nach Humbracht auch Canonicus zu Utrecht; f 16. X. 1489. Joannis II, 363.

*XXIV. Griesheim: 1 (1431). ♦Nicholaus de Grieseym, p., 23. VL bis 20. Xn. 1431. T. I, 188.

XXV. Hachenburg: 7 (1387-1457).

1. Johannes de Hachenberg, p., 10. X. bis 16. *XIL 1387. T. I, 23.

2. Johannes j de Hachenbergh Colon, dyoc. 16. Xn. 1387 bis 19. m.

3. Petrus j 1388. T. I, 27.

4. Roricus de Hachenberg, dt., 20. X. bis 20. XH. 1401. T. I, 85.

5. Johannes Hachenberg, dt., 20. Xn. 1428 bis 23. VL 1429. T. I, 180.

6. Petrus Hachenberg, der. Colon. 11. XL 1455. T. I, 283. Bacc. art. V. ant. 9. XI. 1456. T. I, 283. Licent. in art. v. ant. Petrus de Hacken- burch, p., 16. VIH., determ. 22. VUI. 1458. T. II, 397.

7. Johannes Guntteri de Hachenburch, 31. X. 1457. T. I, 290.

XXVI. Hahnstätten: 1 (1420).

Henricus de Hoensteten Trever. dioc, p., 20. XH. 1420 bis 23. VL 1421. T. I, 150.

132

XXVII. Hallgarten: 1 (1440).

Johannes de Haigart dyoc. Mogunt., dt., 23, VI. bis 20. Xu. 1440. T. I, 229.

XXVIII. Hartenfels: 1 (1447).

Johannes de Hartenfels der. Mag, (?) dioc, dt,, 1. IX. bis 20. XII. 1417. T. T, 135. Hartenfels lag in der Trierer Diözese.

XXIX. Hasselbach: 1 (1415).

Ilenricus Ilaselbach der. Trever. dyoc., dt., 22. VI. bis 20, XII, 1415. T. I, 12(3.

XXX. Hattstein: 2 (1417, 1472).

1. Ilenricus de Ilatzstein pastor in Erlebach; dt., 23. VI. bis 20. XII. 1417. T. I, 135.

2. Johannes de Ilatstein dioc. Mag, 30, VI. bis 4. VII. 1472, Bacc. art. V. aut. 28. V. 1474. T. I, 338. Ob der Canonicum zu Mainz 1478 bis 1518? Joannis U, 3G7.

*XXXI, Heftrich: 1 (1462).

*Henricus Genzier de Ilert'tr(ich?) canon. et pa.stor promotus est ad gradum bacc. in iure canon. 5. X. 1462. T. II, 51G.

*XXXII, Herborn: 1 (1391).

Conradus de Ilerborn Trever. dioc, dt,, 10, X. bis IG. XII. 1391. T. I, 47. Vielleicht Conr. von IL, der 1409 zu Köln als Dr. med. immatri- kuliert wurde und aus dem luxemburgischen Horborn zu stammen scheint, oder aus Limburg a. d. Lahn, wo es einen Joh. v. Herborn am Ende des Jahrhunderts gab. Vgl. Limb. Chron, 102, 1, Wyss.

XXXIII. Hessloch: 1 (1396).

Bertholdus Sraol pastor in Ileslach Mag. dyoc, p., 20. XIL 1396 bis 23. VIL 1397, T. I, 64,

XXXIV, Hirzenhain: 1 (1477).

Martinus Doleatoris de Hirzenhain Trever. dyoc 8. V. 1477. Bacc art. v. mod. G. VH. 1478. T. I, 356.

XXXV. Hochheim: 1 (1494), Johannes Steynchin de Ilocheym G. IX. 1494. T. I, 412.

•XXXVI. Höchst: 9 (1448—1487),

*1. Adam de Ilue.st, dt., 20, H. bis 23. VI, 144G; Bacc art. „Tlo.st" 19. [. 1448. T. 24.S.

I3ä

*2. Petrus i^rp de Höchst Mag. dioc. 25. YI. 1455. ^Erpff" Bacc. art. V. mod. 26. I. 1457. T. I, 282.

*3. Johannes Herpf de Hoest, 13. V. 1466. Bacc. art. v. mod. 19. I. 1468. T. I, 318. Licent. art. 16. III, 1472; Joh. Pistoris al. Erpff de Hoest, determ. 17. IH. T. H, 406.

*4. Heinricus Pistoris de Hoest, 23. I. 1473, Bacc. art. v. mod. 9. VH. 1474. T. I, 339.

*5. Johannes Pistoris de Hoest, 11. I. 1477. T. I, 352.

*6. Johannes Steczell de Hoest dyoc. Magunt. 26. VII. 1481. T. I, 367.

*7. Anthonius Buch de Hoest dioc. Mag. 21. II. 1483. Bacc. v. mod. 6. VH. 1486. T. I, 370.

*8. Johannes Pistoris de Hoest dyoc. Mog. 20. X. 1487. Bacc. art. V. mod. Jul. 1491. T. I, 388. Satisfecit facultati 1492 secunda feria post circumcisionis [2. Jan.] de pecunia in promotionibus danda per quosdam libros legatos ad librariam facultatis . . . quodlibetana Herpf. T. II, 389, Anm. 2.

*9. Bernliardus de Hoest fehlt in der Matrikel, ist aber als Bacc. 26. I. 1450 nachträglich von Toepke H, 876 notiert, hat also die Universität etwa im Jahre 1448 bezogen.

y *XXXVII. Hofheim: 3 (1414-1432).

1. Stephanus Muoschbach de Hofeheim der. Mag., dt., 30. XII. 1413 bis 23. VI. 1414. „Hofheira" Bacc. art. Januar 1422. T. I, 121.

2. Johannes (de) Hoffheim, dt., 23. VI. bis 20. XII. 1427. Bacc. art, Januar 1429. T. I, 175. Licent. 22. IH. 1431. T. H, 380.

3. Reinhardus de Hoffem der. Mog., dt, 20. XH. 1431 bis 23. VI. 1432. Jloffheim" Bacc. art. 28. I, 1434. T. I, 189.

XXXVIII. Hohenstein: 1 (1382).

Johannes de Ilohensteyn Mog. dyoc, 23 .HI. bis 23. VI. 1387. T. I, 15.

XXXIX. Holzhausen: 1 (1486).

Mathias Lang de Holtzhusen Trever. dyoc, 14. IV. 1486. Bacc. art. V. mod. 14. I. 1488. T. I, 382.

XL. Idstein: 8 (1391-1441).

1. Gerhardus de Echstheen al. dictus de Wirstorff [WörsdorfJ, p., 10. X. bis 16. XI. 1391. T. I, 50.

2. Johannes Yczstein, 20. XH. 1400 bis 23. VI. 1401. „Yxstein*. Bacc art. 14. I. 1403. T. I, 79.

3. Johannes Marquardi de Ytsteyn der. Trever. dyoc, dt,, 20. XII. 1403 bis 23. VI. 1404. T. I, 91.

4. Petrus de Ydichsteyn, Trev. dyoc, dt., | 20. XH. 1403 bis 23.

5. Johannes de Edichsteyu, Trev. dyoc, dt., j VI. 1404. T. I, 92.

134

Zu 2. 3. und 5. Im 15, Jahrhundert waren mehrere des Namens Johann von Idstein Geistliche in Mainz: 1. ein Canonicus ecel. colleg, S. Petri 1429 bis 1446; 2. ein Joh. Georg ebenfalls Canon, ecel. S. Petri 1430 bis 1455; 3. der Mag. Joh. Weissbeider, zugleich Doctor in medicina, Canonicus S. Stephaui, der im Jahre 1438 mehrere Stiftungen machte. Msc.

6. Jacobus Uffingin de Idstein der. Mag. dyoc, dt., 20. XIE. 1417 bis 23. VI. 1418. T. I. 139. üffinghin erwähnt Vogel, Archiv I, 51 in der Diözese Trier, weiss aber die Lage nicht anzugeben.

7. Henricus Fabri de Ytzstein, der. Trever. dyoc, dt., 22. VI. bis 20. XII. 1424. T. I, 162.

8. Mag. Johannes Rulonis de Ytzstein, can. ecel. b. Bartholomei Franckfortensis, dt., 23. XII. 1441. T. I, 232. Er war Begleiter des Grafen Adolf von Nassau in Heidelberg und auch in Köln (Mag. Joh. Rullionis) im Jahre 1444.

XLI. Igstadt: 2 (1431. 1432).

1. Petrus Sartoris de Igstat Mag. dioc, p., 20. XU. 1430 bis 23. VI. 1431. „Petr. Exstat de Maguntia" Bacc. art. 12. VII. 1432. T. I, 185.

2. Hartmannus Sartoris de Igstat, p., 13. VII. bis 20. X. 1432. „H. de Egstat" Bacc. art. 31. I. 1435. T. I, 191.

XLir. Irin traut: 1 (1403).

Adam de Ermprade canonicus in Diez, Trever. dioc, dt., 20. XII. 1402 bis 23. VI. 1403. T. I, 89. Der Name Irmtraut lautete Ermetrode; ein Adam aus dem Geschlechte der Herrn von Irmtraut 1416; in den Jahren 1449 und 1456 ein Archidiaconus zu Dietkirchen. Arnoldi, Miscell. 310.

XLIII, Katzenelnbogen: 2 (1394. 1411).

1. Theodericus Knebel de Catzenellenbogen Trever. dioc, dt., 23. VI. bis 19. XH. 1394. T. I, 57. Nach Joannis H, 376 im Jahre 1399 Canonicus ecel. Maioris et S. Albani zu Mainz, Praepositus S. Martini Bingensis und B. M. V. Geismariae; f am 9. XI. 1457.

2. Wynandus Pyner militaris der. Trever. dyoc, dt., 23. VI. bis 19. XII. 1411. T. I, 115. In Erfurt immatrikuliert 1409. Wygandus Pyner de Katzenelnbogen Bacc. in iure canonico 2. VI. 1416, Wyg. Piner de Katzen- [e]lnboghen Licent. in iure canon. 6. III. 1422. T. II, 504. 526. Wyg. Pynner de K. Lic. in decretis, Canonicus zu Aschaffenburg 1417, f 20. IV. 1437. Archiv des histior. Ver. f. Unterfranken XXVI, 1. 2. 1882, S. 203.

XLIV. Kernel: 4 (1389-1430).

1. Johannes Kimper de Kernel, p., 16. XU. 1389 bis 24. IIL 1390. T. I, 43.

2. Johannes Weydeman de Kemyl Mag. dyoc, dt., 20. XII. 1403 bis 23. VI. 1404. T. I, 91.

135

3. Johannes Sculteti de Kemyn Mag. dyoc, dt., 20. Xu. 1403 bis 23. VI. 1404. T. I, 92.

4. Johannes de Kernel Magunt. dyoc, dt,, 23. \L his 20. XII. 1430. Baec. art. 28. I. 1433. T. I, 184.

XLV. Kettenbach: 1 (1389). Nicolaus de Kethenbach, p., 20. XI. bis 20. XII. 1389. T. I, 39.

XLVI. Kiedrich: 1 (1387). Johannes de Kiderich Mog. dyoc, 23. III. bis 22. VI. 1387. T. I, 17.

XLVII. Kirberg: 2 (1424. 1458).

Bei der grossen Masse von Orten, die Kirchberg, Kirberg heis3en, können hier nur die mit Treverensis diocesis bezeichneten in Betracht kommen; von den ohne allen Zusatz aufgeführten mag wohl ein oder das andere Dorf hier- her gehören, doch ist dies ganz unsicher. So bleiben nur zwei für uns zu verzeichnen.

1. Ludovicus Rüpel de Kirpurg der. Trever. dyoc, p., 23. VI. bi8 14. IX. 1424. T. I, 162.

2. IlenricusKessellaerKirburgh dyoc. Trever. 22. XII. 1458. T. I, 295.

XLVIII. Königstein: 3 (1401-1493).

1. Nycolaus Konyngesteyn [Kunynsteyn] de Moguntia, Bacc. art. Erfurd., 20. Xn. 1400 bis 23. VI. 1401, Bacc. art. I. V. 1401. T. I, 78. Nvc Koningestein die Lucie virginis [13. XII.] 1404 obtinuit licentiam recipere in- signia magistralia in artibus, quod et fecit tertia feria sequente [16. XII. 1404]. T. II, 367. Er kommt bald nachher als Canonicus von S. Barthol. zu Frank- furt vor: Grotefend, Quellen zur Frankfurter Geschichte I, 7 u. 14 (1407 und 1411); luventare des Frankfurter Stadtarchivs I, 26 (1413).

2. Conradus de Königsteym der, Mog. dyoc, dt., 14. IX. bis 21. IX. J424. T. I, 163. Conr. de Kungensten Licent. in art. 14. III. 1426, determ. 12. VI. 1426. T. n, 377. In Erfurt als Magister Conr. de Kongenstein 1428 immatrikuliert.

3. Johannes Cyrurgici seu Cyrologi de Konigstein der. Mog., 16. VIII. 1493. T. I, 407.

Lahnstein s. Oberlahnstein.

XLIX. Liederbach: 1 (1474). Conradus Michael de Lydderbacb, 1. V. 1474. T. I, 343.

L. Limburg: 26 (1387—1455).

1. Ilartugus [sie] de Limpurg, Bacc in art., 23. III. bis 22. VI. 1387. T. I, 16. Vgl. Prag IX, 1, wo er Bacc. in art. wurde, dann (1385) Stud. iuris.

9*

136

Bacc. in art. [Pragenses]

12. IX. bis

20. IX.

1389.

T. I, 36.

2. Nycülaus Super fossatum de Linborch Trever. dyoc. 22. VI. bis 10. X. 1387. T. I, 19. Es gab in Limburg eine Grabenpforte. Limb. Chronik von Wyss, S. 103.

3. Johannes de Lympurg, 10. X. bis 16. XIL 1387. T. I, 23. Viel- leicht derselbe, welcher zu Prag 1383 Bacc. art. und zu Heidelberg der vierte Bacc. iuris wurde. T. II, 500.

4. Petrus de Lymborgh Trever. dioc, 13. XII 1387 bis 10. III. 1388. T. I, 26.

5. Johannes de Oleen vicarius ecci. Lim- purbgensis (sie). Vgl. Prag IX, 5. 1387.

6. Johannes Sculteti de Limburgh canon. Novl monasterii Ilerbipolensis. Vgl. Prag IX, 6. 1389.

7. Gerlacus Sculteti de Limporgh vicar. eccl. Limpurgensis. Vgl. Prag IX, 7. 1389.

8. Ilenricus dictus Wijs de Limpurgh, vicarius eccl. 3. Castoris Confluentie. Im Jahre 1395 zu Köln [1400 zu Erfurt?] immatrikuliert, Dr. decret. S. Köln.

Die Wisse waren ein angesehenes Geschlecht zu Limburg; der Vater des genannten Scholaren Heinrich Wiss (s. Kölner Matrikel) kommt mehrfach in der Limb. Chronik und in den bei Wyss abgedruckten Urkunden vor und war Schöffe. Vgl. Wyss, Limb. Chron. S. 102, Anra. 2, und die Urkunden, z. B. No. 19 (1380), IS'o. 31, 36 (1386).

Ob die drei Brüder Heinricus, Johannes und Ludiwicus Wyese, die im Frühjahr 1390 ebenfalls zu Heidelberg immatrikuliert wurden (T. I, 44), auch hierher zu rechnen seien, ist zweifelhaft, da die Angabe der Heimat fehlt.

9. Johannes Lupi de Lympurg, Trever. dyoc, dt., 23. VI. bis 19. XH. 1394. T. I, 57.

10. Jacobus Rasoris de Limpurg, p., 20. XH. 1395 bis 23. VL 1396. T. I, 61. Ein Jakob Scherer zu Limburg im Jahre 1384 genannt, wo seine Witwe ein Testament macht. Wyss, Limb. Chr. S. 135.

11. Johannes Kannengeyser de Lympurg, dt., 23. VI. bis 15. IX. 1401. T. I, 81. Ein Joh. Contrivasoris (= Cantrifusoris) 1403 zu Erfurt immatrikuliert.

Craffto de Dern canon. Lymp. 1402 s. Dern.

12. Philippus Rasbach de Linborg Trever. dyoc, dt., 20. XII. 1407 bis 24. VL 1408; Bacc art. Ph. Raschbach de Lympurg 27. L 1410. T. I, 106. Rasbach wohl = Roszbach No. 16.

13. Eberhardus Koet de Lintburg Trever. dyoc, dt., 23. VI. bis 20. XII. 1412. T. I, 118. Die Köth von Wanscheid waren damals zu Limburg „wonhafcig". Limb. Chron. S. 101, Wyss.

14. Wigandus Hilboldus de Lintburg Trever. dyoc, dt., 20. XII. 1414 bis 22. VI. 1415. T. I, 124. In Erfurt immatrikuliert 1413. Ein Henne Hildebuld in einer Urkunde von 1382 bei Wyss, Limb. Chr. S. 132.

137

15. ITonricus de Lympurg clor. Trcver. dyoc, dt., 19. XII. 1416 bis 23. YI. 1417. T. I, 133. (Bacc. art. Uli)?) Liccnt. art. 14. III. 1424. T. ir, 376. Dokau der Artisten als Magister 23. VI. 1432. T. 11, 381. Rektor der Universität als Baccalarins in sacra theologia und Magister, am 10. XII. 1433 erwählt. T. 1, 199. Vorher, am 22. VI. 1433, war er presentatus ad cursum legendum [in theologia] et principavit in die s. Lamperti episcopi et martiris [17. IX.J, finivit cursum suum 19. XII. 1434; anno 1439 in profesto s. Augustini finivit sentencias totalitär legendo [24. VIII.]. T. II, 594. 596. Vgl. über die theologische Fakultät Thorb ecke, Geschichte der Univ. Heidel- berg I, S. 109 fF. Später (1443?) verliess er Heidelberg und wurde nachher Dekan zu Limburg. T. II, 611, Anm. 4. Götze in Annal. XIV, 314 nennt einen Dekan Heinrich von Elz 1447, der unser Heinrich von Limburg sein kann.

Abel de Limburg, prof. in Eberbach 1418. S. dieses No. 7.

16. Nycolaus Roszbach de Limborch, dt. Ein Klaus Kossbecher bei Wyss, Limb. Chron., S. 141 im Jahre 1389, ein Emericus Rospach S. 144 im Jahre 1392. Vgl. oben No. 12.

17. Nycolaus Scholman de Limborch, dt. Ein Bürger Scholman zu Limburg bei Wyss S. 114 im Jahre 1429, ein Job. Schulman de L. zu Erfurt 1416.

18. Gerlacus Wynau de Limporch, dt. Wynau ist sicherlich verschrieben st. Wylnau = Weilnau. Auch zu Diez

gab es eine Familie gleichen Namens; s. die Urkunde von 1391 bei Wyss, Limb. Chron. S. 144, wo ein Diezer Bürger Wernher von Wilnauwe und seine eheliche Hausfrau vorkommen.

19. Hermannus de Limborch Trever. [dioc 1, p. 1

23. VI. bis 20.

20. Wigandus Wezimer de Limborch Trever. [ "" ^tt " i^oq*"

clcrici diuc.

Trever. 1. II. bis

22. VI. 1426.

T. I, 169.

[dioc], p. Von Watzhan, 1394 Weshau? Vogel S. 563. , m t ion x-

1, loO I,

i3. f ^

21. Fridericus de Limborg Trever. [dioc], p. J Dass bei diesen dreien dioc. zu Treverensis zu ergänzen ist, ergiebt sich

daraus, dass in diesem Semester fast nur die Diözesen angegeben sind, Orts- namen durch den Ablativ des Singular.

22. Philippus de Lymburg der. Trever. dyoc, dt., 15. VII. bis 20. XII. 1435. Bacc. 31. L 1437. T. I, 208.

23. Johannes de Limpurg, dt., 10. V. bis 22. VL 1448. T. I, 256. Fr. Johannes de Limpurg prof. in Eberbach 1451. S. dieses. No. 17.

24. Petrus Kruler de Limpurg, 8. IV. bis 23. VL 1453. T. I, 273.

25. CrafftoCleburg de Limporg, 8. IV. bis 23. VL 147.^. T. I, 294. C'leeberg gehörte den Herrn von Limburg. Graft von Cleberg war 1478 1481 Dekan des S. Georgenstifts zu Limburg. Annal. XIV, 314. nach Brower, metr. Tr.

26. Severinus de Lymburg accolitus, 20. IV. 1455. Bacc. art. v. ant. 23. V. 1455. T. I, 281.

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LI. Lorch: 28 (1387—1498).

Zweifelhaft sind eigentlich alle, bei denen die Herkunft aus der Diözese Mainz nicht ausgesprochen ist; einige derselben dürfen jedoch aus anderen Gründen dem rheingauischeu Lorch zugewiesen werden; vgl. No. 3. 9. 18. 23. 24.

1. Johannes Smancko de Lorch Mag. dyoc, 22. VI. bis 10. X. 1387. T. I, 21.

*2. Nicolaus Muenster de Lorch, p., 10. X. bis 16. XIL 1387. T. I, 24.

3. Heyraannus de Lorch, dt., 16. XIL 1389 bis 24. lU. 1390. T. I, 42. Ein Heyman Knyppe Bürger zu Lorch 1485. Roth, fönt. I, 1, 390. Vgl. No. 11.

4. Johannes de Lorch der. Mog. dyoc, dt., 23. VL bis 10. X. 1390. T. I, 46.

5. Wer n her US (Fabri) de Lorch Mag. dioc, 10. X. bis 11. XIL 1392. Bacc. art. 24. VIL 1392. T. I, 53.

*6. Petrus de Lorich, dt., 11. XIL 1392 bis 24. IlL 1393. T. I, 53.

7. Hermannus de Lorch 1 Mag. dyoc, ded., 23. VI. bis 19. XII.

8. Nicolaus Fabri de Lorch J 1394. T. I, 57.

9. Johannes Plecz de Lorch, dt., 20. XII. 1396 bis 23. VL 1397. T. I, 64. Ein Dielhey nz Pletz 1393 Schöffe zu Lorch. Würdtwein, dioc. Mog. II, 192, ein Joh. Pletze 1428 Priester und Altarist daselbst. Roth, Font. I, 1, 379.

*10. Johannes Ilebuff de Lorch., p., 26. IX. bis 20. XIL 1401. T. I, 83.

11. Syfridus Knyp de Lorch der. Mog. dyoc, dt., 20. XIL 1401 bis 23. VI. 1402. T. I, 86. Ein Henne Knyp von Bacharach 1395 und ein Hey- man Knyppe 1485 Bürger zu Lorch. Würdtwein, dioec Mog. II, 231. Roth, Font. I,' 1, 390.

12. Syfridus de Lorch dioc. Mog., dt., 20. XIL 1408 bis 22. VL 1409. T. I, 110.

13. Johannes de Lorch cauon. S. Anthoni] [zu Köln], dt., 20. XH. 1423 bis 23. VI. 1424. T. I, 161. Ob der 1422 zu Köln immatrikulierte Joh. de Lorch?

14. Cuonradus de Lorch Mag. dyoc, dt., 13. IL bis 23. VI. 1425. Bacc. art. 24. I. 1428. T. I, 165.

15. Johannes de Lorich der. Mag. dioc, p., 21. VIII. bis 10. XII. 1426. T. I, 171.

*16. Petrus Lorich Maguntinensis, p., 20. XII. 1429 bis 23. VI. 1430. T. I, 182.

17. Hermannus Hylchin de Lorche couventualis in Rabengesburg Mog. dyoc, dt., 23. VL bis 20. XH. 1434. T. I, 203.

Fr. Richwin, s. Eberbach No. 12.

18. Johannes Heil Mag. dioc, p., 22. IV. bis 23. VL 1439. T. L 222. Ein Joh. Heyll de Lorch, in der Erfurter Matrikel 1454.

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19. Johannes Behtolfi de Lorch dyuc. Mog., dt,, 23. VI. bis 10. XII. 1439. T. I, 225.

20. Johannes de Lorch dyoc. Mag., dt., 23. XII. 1441 bis 23. V. 1442. T. I, 233.

Bei keinem der eben verzeichneten Johannes de Lorch ist angegeben, dass er als Baccalar Heidelberg bezogen oder es daselbst geworden ist, wohl aber von einem Johannes de Lorch, dass er am 7. März 1443 zum Licentiaten in artibus promoviert wurde und am 9. April determinierte; in den Jahren 1444 und 1446 lehrte er noch zu Heidelberg als Magister. T. H, 386 ff. Er ist wohl der nachherige Decanus zu S. Peter und Canonicus zu Maria ad irra- dus in Mainz und Domherr zu Worms; er wird ferner genannt decretorum Doctor, s. Mog. sedis iudex et protonotarius generalis und starb 1476. Joannis H, 498; Bodmann, Rheiug. Altert. 333.

21. Conradus Culman de Lorch der. Mag. dioc, p., 23. V. bis 23. VL 1442. T. I, 234.

22. Petrus Grell de Lorch dyoc. Mag., dt., 21. L bis 23. VL 1445. T. 1, 244.

23. Reinoldus de Lorch, canon. Pingwiensis, 23. XU. 1448. T. I, 258.

24. Nicolaus Bed de Lorch, 15. V. 1470. Bacc. art. v. mod. („Sed'')

9. Xn. 1472. T. I, 329. Ein Johann Bethe, Altarist zu Lorch, verpfändet seine Weinberge für verkaufte 1 Va fi. Zins der Lorcher Kirchenfabrik im Jahre 1471. Roth, Font. I, 389.

*25. Johannes Henikap de Lorch 19. V. 1470. T. I, 330.

26. Fridericus Eschbach de Lorch Mog. dioc. 17. VH. 1475. T. I, 346.

27. Johannes Institoris de Lorich Mog. dioc. 28. H. 1491. T. I, 398.

28. Johannes Folkwin de Lorch Mog. dioc. 26. VL 1498. Bacc. art. v. ant. 4. XI. 1499. T. I, 429. Ein Joh. Volquin v. Lorch Dekan des Stifts von S. Martin in Bingen im Jahre 1470. Weidenbach, Regesten S. 47.

Lir. Marienstatt: 1 (1428). Fr. Conradus professus in loco s. Marie ord. Cisterciensis, dt., 23. VI. bis 20. XIL 1428. T. I, 178.

LIII. Miehlen: 4 (1387-1416). *1. Hermannus de Muolen, 23. HL bis 22. VI. 1387. T. I, 16.

2. Henricus de Myelen can. s. Lubentij in Dyetkirchen Trever. dyoc.

10. X. bis 16, XH. 1387. T. I, 22. Aus dem Gesohlecht der v. Milen (Mylou), von denen Arnoldi, Miscell. S. 341, einen Heinrich den Alten 1409 anführt; vier Äbte des Klosters Arnstein mit eben demselben Namen s. Annal. XVI, 126.

3. Henricus Rychardi de Myla Trever. dyoc, dt., 20. XH. 1403 bis 23. VL 1404. T. I, 92.

4. Matthias de Moelen der. Trever. dyoc, dt, 20. XIL 1415 bis 23. VI. 1416. Bacc. art. Jan. 1418. T. I, 128. Statt Milen findet sich im Nekrolog, von Arnstein einigemal Meleu oder Meyln.

140

LIV. Mittelheim: 1 (1499). Philippua Furstenberg ex Mittelnheim Mog. dloc. 3. V. 1499. T. I, 433.

LV. Montabaur: 16 (1387—1437).

1. Anselmus Rode de Mantebur "l

, , , 23. in. bis 22. VI. 1387.

2. Henricus Kode de Montabur

( T. I, 16. 17.

M.J

3. CunemannusfiliusConemannide.

4. Conradus dictus Nuowendorph de Montabur, 23. VI. bis 10. X. 1387. T. I, 19.

5. Johannes Lapicida de Montebur Trever. dy. bacc. in art. [Pragensis], 16. XII. 1387 bis 19. III. 1388. T. I, 26. Vgl. Prag 1386. Derselbe Name zu Köln 1396.

6. Albertus de Monteboel, dt., 11. XII. 1392 bis 24. 111. 1393. T. I, 53.

7. Gerhardus Heinrici dicti 8uoren de Montabur Trever. dioc, dt., 20. Xn. 1393 bis 23. VI. 1394. T. I, 56.

8. Gotfridus Hulwek de Montabur Trever. dyoc, dt., 23. VI. bis 20. XII. 1397. T. I, 65.

9. B er wie US de Montebuore dyoc. Trever., dt., 23. VI. bis 20. XII. 1399. T. I, 70. Ein dorn. Joh. Berwici zu Köln immatr. 1397.

10. Mychahel de Montebur der. Trever. dyoc., dt., 23. VI. bis 19. XII. 1411. T. I, 116.

11. Johannes de Montebuor der. Trever. dioc, dt., 19. XII. 1411 bis 23. VI. 1412. Bacc. art. Jul. 1413. T. I, 117. Licent. Joh. de Montabuoren. 5. III. 1416. T. II, 372.

12. Petrus de Montenbuor dyoc. Trever., dt., 23. VI. bis 20. XII. 1413. T. I, 120.

13. Johannes Montebuor Trever. dyoc, p. '\ 20. XII. 1420

14. Wipertus (de) Muntebur Trever. dyoc, p. Bacc. [ bis 23. VI. 1421. art. 28. I, 1423. J T. I, 150.

15. Petrus de Monthabor, dt., 1. VIII. bis 20. XII. 1421. T. I, 152.

16. Johannes de Montabor der. Trever. dyoc, dt., 22. VI. bis 20. Xu. 1437. T. I, 217.

LVI. Nassau: 4 (1387—1483), je zwei aus der Stadt Nassau, je zwei aus dem Ge- schlecht der Grafen.

1. Arnoldus Nassau alias Confluentinus, p., 23. UI. bis 22. VI. 1387. T. I, 17.

2. Dilmannus de Nassauwe der. Trever. dyoc, dt., 13. II. bis 23. VI. 1425. T. I, 165.

3. Adolf US comes in Nassau, Magunt. Trever. et Colon, ecclosiarum metropolitanarum cauonicus 23. XII. 1441. T. I, 232. Rektor 20. XH. 1442.

141

Zu Köln immafrikuliert 1444. Dor nachhe^i^'e Erzbischi^f von Mainz. Menzel, Gesch. V. Nassau, V, 254 fF.

4. Johannes Ludovicus comes de Nassau et Sarbruck dioc. Metcnsis. 27. VT. 1483. T. I, 372. Über Graf Joh. Ludov. (1472—1545) vgl. Menzel VI, 166.

LVII. Nastätten: 1 (1442).

Johannes Cocl de Nasteoden alias de Pigwia (sie) clor. Magunt. dioc. 5. X. 1442. T. I, 235.

*LVIir. iTaurod: 1 (1387).

^Andreas Kern de Nürat, 23. II. bis 23. VI. 1387. T. I, 16.

* LIX. Oberlahnstein: 1 (1414).

Johannes de Lonestein, mag. in art. studii Libiccnsis, clor. dioc. Trever., dt.; receptus fuit 19. V. 1414 ad facultatem artium M. Joh. Rukeri de Lan- steyn, mag. studii Lypsk. T. I, 121 u. Anm. 7. M. Joh. de Laenstein Bacc. in iure 28. IX. 1416, Licent. iuris [canonici] 12. 1. 1420. T. ü, 504. 525. Rektor 22. VI. 1420. Am 23. Juni 1414 bezeugen die SchüfFen in Oberlahn- stein eine Rachtung und Sühne zwischen Roecker dem Alten, Meister [Magister'^] Johann Roecker und Katharine, des vorgenannten Ruckers Kindern und ande- ren benannten Personen v^'egen Erbstreitigkeiten, die Erzbischof Johann von Mainz gemacht hat. Annalen des nass. Ver. XV, 168.

LX. OflFenbach: 1 (1416).

Johannes Herbern de Offenbach prespiter dyoc. Trev., dt., der erste nach 23. VI. 1416. T. I, 129.

LXI. Östrich: 7 (1394-1600).

1. Helfe ricus de Osterich dyoc. Mag., dt., 23. VI. bis 19. XII. 1394. T. I, 57.

2. Petrus Schelhauer de Osterich der. Mag., p., 23. VI. bis 20. XH. 1395. T. I, 59.

3. Johannes Ostrich canon. Nahusensis, dt., 20. VIH. bis 20. XII, 1396. T. I, 62.

4. Henricus de Oisterich der. Mag. dyoc, p., 23. VHI. bis 20. XII. 1417. T. I, 136.

5. Heinricus Oestrich dioc. Mag., dt., 23. VI. bis 20. XH. 1436, T. I, 213. *6. Bernhardinus Oestrich de Maguntia 10. IV. 1476. T. I, 348.

7. Wendelinus Ludwici de Oesterrych Mog. dioc. 3. H. 1500. T. I, 436.

LXII. Bauen thal: 3 (1397-1472).

1. Dom. Conradus dictus Jagher, rector ecclesie parochialis in Ruwen- dal Mag. dyoc, dt., 23, VI. bis 20. XU. 1397. T. I, 65.

142

2. Jodocus Carpentarij

3. Johannes Doliatoris

de Rwendail clor. dioc. Mag. 4. IX. bis 7. XII.

1472. Beide Bacc. art. v. ant. 28. V. 1474.

T. I, 338.

*LXIII. Reichenberg: 3 (1397-1449). *1. Hermannus de Rychenberg, 10. X. bis 16. XII. 1387. T. I, 23. ♦2. Dom. Johannes de Richenberg, dt., 23. YI. bis 20. XII. 1401. T. I, 80. *3. Johannes Couradi de Richenberg, 23. VI. bis 20. XII. 1449. T. I, 261.

LXIV. Reiflfenberg: 2 (1421. 1471).

1, Johannes RifFenberg canon. Magunt., dt, 23. VI. bis 1. VIU. 1421. T. I, 152. Er ist wohl derselbe, wie wir oben vermutet haben, der 1418 zu Erfurt und 1422 in Bologna immatrikuliert wurde. Nach Joannis II, 389 war er seit 1415 Domherr; er starb zu Bologna. S. dort.

2. Petrus de Riffenberg, 22. Y. 1471. T. I, 333.

LXV. Rheingau: 1 (1387).

Jacobus de Maguncia Maguntinensis, 1386 bis 23. III. 1387. T. I, 11. Im Jahre 1391 am 22. März Licent. in art.; nachher heisst er Jac. Ryngaw de Maguncia. T. 11, 362 f.

LXVI. Rüdesheim: 15 (1388-1480).

1. Gyselbertus Rudesheim, st., 23. VI. bis 10. X. 1388. T. I, 33. Ein Schultheiss Giselbert kommt zu Rüdesheim im 14. Jahrhundert vor in den Güterverzeichnissen bei Roth, Font. I, 3, 369 u. 413, ein Geiselbrecht Winter von Rudesheim im Jahre 1328 in den Reg. Boi. VI, 261 und Giselbert (Fuchs) von Rüdesheim 1281 bei Küllner, Gesch. d. Herrschaft Kirchheim-Boland, S. 55. 51.

2. Wigandus de Rudensheym Mog. dyoc, 20. XII. 1403 bis 23. VI. 1404. T. I, 91.

3. Rudolfus de Ruodenszheym der. Mog. dioc, 23. VI. bis 28. X. 1422. Bacc. art. 28. I. 1424. T. I, 156. Licent. art. 24. m. 1426. T. II, 377. Nachher studierte er das kanonische Recht, wahrscheinlich zu Rom, und wurde Doktor decret., als welcher er im Jahre 1431 in die Matrikel der Universität zu Köln eingetragen ist. Über ihn, seinen Lebenslauf, seine ausgebreitete Thätig- keit und geistliche Würden (er brachte es bis zum Fürstbischof von Lavaut und Breslau; j im Januar 1482); s. Zaun, Rud. von Rüdesheim, 1881.

4. Dom. Johannes Rudesheim prior ecclesie Lauricensis ord. Premoustr. Mog. dyoc, dt, 23. VL bis 20. XII. 1423. T. I, 159.

5. Rudolphus Ruodensheim der. dioc Mag., dt., 4. II. bis 22. VI. 1426. Bacc. art R. de Rodersheym 14. VII. 1428. T. I, 169. Licent art. Rodulfus de Ruodeszheym 22. III. 1431, detcrm. 15. V. T. II, 380. Mag. Ruodolfus (Fabrij de Ruodoschera incepit cursum suum (als Bacc. theolog.) 25. X. 1439

143

oder 1440. T. II, 598. Decanus der Artistenfakultät Mag. Kudolfud (Fabri) de Rudenscheym, s. theol. Bacc. 20. XII. 1443 bis 23. YI. 1444 und als Licent. s. theol. 20. XII. 1452 bis 23. VI. 1453. T. II, 386 u. 391. Rektor 19. XU. 1450 bis 23. VI. 1451. S. o. Im Jahre 1459 verliess er Heidelberg und schied aus der Universität aus, der er zuerst als Schüler, dann als Lehrer seit 1426 angehört hatte. Er wurde, wie es scheint, als Canonicus des Vikturstiftes zu Mainz ara 21. Mai 1460 ermordet. B od mann, Rheing. Alt. S. 343. Mit No. 3 wurde er mehrfach verwechselt; s. Zaun a. a. 0. S. 3 ff.

6. Emraericus Carniticis de Rudensheim der. Mag. dyoc, p., 20. XII. 1431 bis 23. VI. 1432. T. I, 189.

7. Johannes Rasoris de Redemszhein dyoc. Mog., dt, 20. XII. 1435 bis 23. VI. 1436. T. I, 21.

Reinoldus de R. s. Eberbach No. 15.

8. Jacobus de Rudershem dioc. Mag., st., 20. XII. 1446 bis 23. VI. 1447. Bacc. art. J. de Rüdeshem 28. VII. 1449. T. I, 252.

9. Ulricus de Rudesheia \ 10. V. 1448.

10. Theodricus de Rudeshein, Bacc. art. 23. VH. 1450. j T. I, 256.

11. Johannes Nusbaum de Rüdeshem der. Mog., in crastino XXIX (!) Conradi (st. 27) Nov. 1455. T. 284. Bei Joannis 11, 622 ist er der Nach- folger von dem älteren Rudolf von Rüdesheim (wahrscheinlich 1470, Zaun S. 14) als Praepositus eccl. coli, ad D. Victorera und zugleich Canonicus B. M. V. ad gradus sowie Decretorum Doctor genannt. Wo er diesen und die voraus- gehenden akademischen Grade erworben, wird nicht gesagt; in der Heidel- berger Matrikel ist er unter den Baccalaren u. s. w. nicht verzeichnet, muss also die betreffenden Grade anderswo erhalten haben.

12. Johannes Kenn de Rudisheim ^loguntineusis, 17. IV. 1460. Bacc. art. V. mod. 4. VH. 1462. T. I, 301.

13. Philippus Stolcz de Ruodeshem, 10. VI. 1468. T. I, 323.

Jüh. Rudesheim s. Eberbach No. 24.

14. Johannes Kruel de Rudeszheym dioc. Mog., 4. IX. bis 7. XII. 1472. T. I, 339. Ein Cles Krul de R. bei Roth, Font. I, 2, 215.

15. Johannes de Rudeszheini Mag. dioc, 18. IX. 1485. T. I, 380.

*LXVir. Ruppertshofen: 3 (1390).

*1. Christianus ,

filii Ilermanni de Rupershoven, 16. XII. 1389 bis

24. III. 1390. T. I, 41.

*2. Hermaunus *3. Johannes

LXVIII. St. Goarshausen: 6 (1390-1475).

1. Wernherus de Huosen canonicus et custos in Sancto Goare, dt., 16. XU. 1389 bis 24. UI. 1390. T. I, 41.

2. Johannes Duodin de Husin ex opposito Sanctigoaris Trevcrcnsis [dioc], p., 24. III. bis 23. VI. 1393. T. I, 54.

144

3. Nyculaus Nycolai Schultheti de Ilusen can. occi. S. Goaris, dt., 19. XIL 1394 bis 23. VI. 1395. T. I, 59.

4. Authonius Krawz de Ilüsen Trov. dyoc, dt., | 22. VI. bis 20. XII.

5. Petrus Grysnig des Ilusen eiusdem dyoc, p., ) 1415. T. I, 12B.

6. Ileinricus Vogt de Husen Sancti Gowaris, sacerdos Trev. dioc, 3. XI. 1475. T. I, 347.

Bei den zahlreichen Ortsnamen Hausen, wie auch S. Goarshausen früher hiess, sind andre Namen nicht sicher zu bestimmen: so Petrus Rod de Husen 1450 1451, Albanus Karpendarii de H. 14(34, Adam Fabri H. 1464.

LXIX. Scharfenstein: 6 (1387-1421).

1. Bruno de Soerpenstcyn Mag. dioc. 17. XL 1386 bis 23. HI. 1387. T. I, 12. Vielleicht der Bruno, den Humbracht als Gustos S. Albani (1400 und 1407) bezeichnet; vorher war ein andrer Bruno von Seh. (f 1380j Abt daselbst gewesen. Joannis II, 770,

2. Dom. Bruno Scharfensteyn prepositus ecclesie s. Martini ccclesic Wcsa- liensis. 23. HI. bis 23. VI. 1387. T. 1, 15. Vgl. Prag und Bologna.

3. Druoshardus de Scharpfenstein, 16. XII. 1390 bis 17. III. 1391. T. I, 48. Truschardus de Seh. Domherr zu Mainz, f 17. Januar 1419. Jo- annis II, 394; Roth, Font. I, 2, 62.

4. Silmannus de Scerpensteyn cauon. Mag., st., 8. XII. 1400. T. I, 176.

5. Fr. Conrardus (sie) de Scharffensteyn monasterij s, Albani dyoc. Mag., dt., 23. VI. bis 19. XH. 1416. T. I, 129.

6. Seldinus de Scharfensteyn canon. Mag., dt., 23. VI. bis 1. VIII. 1421. T. I, 152. Salentin v. Seh. s. Joannis H, 394: 1412 Canonicus Mog. und Praepositus Bingensis, Praefectus Finthensis. Er starb im Jahre 1473.

LXX. Schwalbach: 4 (1391-1449).

1. Johannes de Swalbach, dt, 10. X. bis 16. XII. 1391. T. I, 51.

*2. Dom. Wolfframus de Swalbach canon. ecclesie Spirensis, dt., 20. XII. 1403 bis 23. VI. 1404. T. I, 92.

3. Wilhelmus de Schwalbach; ein Wilhelm von | ^^^

Schwalbach 1474 bei Arnoldi, Mise. 400. ^ "

4. Hermannus Schwalbach canon. Friczlariensis.

1449. T. I, 261

LXXI. SiUzbach: 1 (1418).

Johannes Bacharach de Solczbach der. Mag. dyoc, dt., 30. XII. 1417 bis 23. VI. 1418. T. I, 139.

l.XXII. Ursel: 2 (1453. 1458).

1. Johannes Corrificis de Oersel, 8. IV. bis 23. VI. 1453. T. I, 273.

2. Philippu.s Behem de Orcel dioc. Mog., 7. X. 1458. T. I, 391.

145

LXXIII. Usingen: 2 (1410. 1472).

1. Johannes Scriptor comitisse de Na^dou, pastor in Uainghen Mag. dioc, dt, 20. XII. 1409 bis 23. VI, 1410. T. I, 112. Diese Gräfin von Xassau war wohl die Gemahlin Philipps I. von Nassau-Weilburg (1371 1429), Anna, Toch- ter des Grafen Graft von Hohenlohe, die am 11. Oktober 1410 zu Kirchheim starb. Usingen war im Besitze des Grafen Philipp. Menzel, Geschichte von Nassau VI, 96. 124. 125.

2. Johanes de Usungen dioc. Mog., 30. VI. bis 4. X. 1472. T. I, 338.

LXXIV. Waldeck: 6 (1390-1471).

1. Johannes de Saneck cauon. Mog., dt., 16. XII. 1389 bis 24. III. 1390. T. I, 42. Vgl. Joannis H, 406.

2. Wilhelmus de Waldeck, dt., 20. X. bis 20. XII. 1401. T. I, 83.

3. Johannes de üben, dt., 20. XII. 1421 bis 23. VI. 1422. Bacc. art. 28. I. 1424. T. I, 155.

4. Tielmannus Eberhard! de Waldeck der. Mog. 13. XL 1448. T. I, 258.

5. Johannes Waldeck der. dyoc. Mag., 23. VI. bis 20. XII. 1452. T. I, 272.

6. Karolus Bosz de Waldeck Trever. dyoc, 12. VE. 1471. T. I, 334.

LXXV. Walluf: 1 (1390). Johannes Huoser de Waltatfen, dt., 23. VI. bis 10. X. 1390. T. I, 46.

LXXVI. Weilburg: 5 (1390-1431).

1. Nycolaus Knybe de Wyleburk, dt., 16. XII. 1389 bis 23. VI. 1390. T. I, 41. Der Name Knybe kommt zu Weilburg vor in einer Weilburger Ptechnung vom Jahre 1421 und bei Würdtwein, nov. subs. IV, 190, im Jahre 1344.

2. Frederic US de Wyleborg der. Trev. dioc, dt., 23. VI. bis 19. XII. 1422. T. I, 156.

3. Conradus Wilborch, dt., 1. IV. bis 22. VI. 1428. T. I, 176.

4. Johannes de Wilburg dioc Trev., dt., 23. VI. bis 20. XII. 1430. T. I, 184.

5. Jacob US Wilburg der. Trev. dioc, dt., 20. XII. 1430 bis 23. VI. 1431. T. I, 185.

LXXVII. Weilnau: 2 (1428).

1. Petrus Wilnauo der. dioc Trev., dt., 4. IV. bis 23. VI. 1428. T. 1, 176.

2. Johannes Wihiau, p., 4. IV. bis 23. VI. 1428. T. I, 177.

146

LXXVIII. Weisskirchen- 2 (1441. 1500).

1. Conradus Rinpurcken de Wyszkirchea, p,, 20. XII. 1440 bis 0. YI. 1441. T. I, 230.

2. Johannes Rymbrucken de Wyäzkyrehen der. Mog. dioc. 11. VII. 1500. T. I, 438.

LXXIX. Welmich: 1 (1426).

Wernerus de Welmich der. dioc. Trev., dt., 4. 11. bis 22. VI. 1426. Bacc. art. 4. VII. 1428. T. I, 170.

LXXX. Westerburg: 2 (1389).

1. Godfridus Westerborgh Trev. dioc, 23. VI. bis 10. X. 1389. T. I, 3G.

2. Conradus de Westerburg, dt, 10. X. bis 20. XII. 1389. T. I, 37.

LXXXr. Wiesbaden: 4 (1407-1494).

1. Franco Conradi de Wisebaden Mag. dyoc , dt., 23. VI. bis 20. XU. 1407. T. I, 104.

2. Jeorius de Wyszbaden, 11. VI. 1449. T. I, 260.

3. Johannes (Truttenkoncz) de Wissbaden, 28. III, 1471. Bacc. art. V. mod. 20. I. 1474. T. I, 333. In Rechnungen und Urkunden des 15. und 16. Jahrhunderts kommt der Name Druden oder Dreuden öfter vor; ein Druden Cuntz wird als Schöffe im Jahr 1444 genannt. Menzel, Gesch. von Nassau V, 261.

Fr. Christmannus s. Eberbach No. 35.

4. Johannes Klingenberg de Wiszbaden Moguntinensis [dioc.]. 31. XII. 1494. T. I, 413.

LXXXII. Winkel: 6 (1421-1439).

1. Petrus Hoveman de Winkel, dt., 20. XII. 1420 bis 23. VI. 1421. T. I, 150. Zu Köln als Mag. dioc. 1426 immatrikuliert.

2. Petrus Klochwulff de Wynkd der. Mog. dyoc, 23. VI. bis 20. XII. 1434. T. I, 203.

3. Johannes de Winckd, dt., 23. VI. bis 20. XII. 1435. Bacc art. 31. I. 1437. T. I, 209.

4. Ilermannus de Winckd der. Mag. dyoc, 20. XII. 1436 bis 23. V. 1437. Bacc art. 29. I. 1438. T. I, 214.

5. Johannes Gerlachi de Winckel Mag. dyoc, p. ] 22. IV. bis 20. VI.

6. Conradus Winckd Mag. dioc, p. j 1430. T. I, 222.

14?

B. Chronologische Abfolge.

über die Einordnung der Scholaren unter die einzelnen Jahre siehe die Anmerkung S. 120.

Die arabischen Zitfern beziehen sich auf die Nummern der Ortsnamen. Die fetten Ziffern der

2. Kolumne weisen darauf hin, dass der betreffende Scholar in einer der anderen Kolumnen

als Graduierter erscheint. Über die Dauer des Studiums s. S. 112.

Jahr.

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Bacca- Licen- larii tiati

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1390

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11

1395

9,7. 61,2. 66,3.

3

51,5.

(?)9,5.

1396

16,5.50,10. 61,3.

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1397

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5

1398

9,5.

1399

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Bacca- Licen- larii tiati

in artibas

Bacca- larii

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Licen- tiati

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5

Zu diesen Verzeichnissen machen wir einige Bemerkungen. Zunächst kann die Zahl von 381 Scholaren nur als eine annäherungsweise zutreffende gelten. Denn auf der einen Seite liaben wir selbst viele Xamen als zweifel- hafte bezeichnet, auf der andern sind vielleicht ebenso viele übergangen, wenn eine nähere Bestimmung der Heimat nicht angegeben oder sie aus anderen Grün- den nicht mögUch war; indessen mag unser Ergebnis im ganzen der Wahrheit nahekommen. Aber auch so wünle es, wenn man daraus auf die akade- mischen Studien unseres Gebietes einen Schluss ziehen wullte, ein falsches Bild

153

geben. Abgesehen davon, dass, wie es scheint, wenn auch nicht viele die Universitiiten«von Leipzig, Wien und anderen Orten aufsuchten, hat die weit- aus grössere Zahl wissbegieriger junger und älterer Männer, so weit wir bis jetzt sehen, der hohen Schule zu Erfurt sich zugewendet, die wohl die dop- pelte Anzahl Scholaren aus Nassau aufweist. Nach der Mitte des 15. Jahr- hunderts erleidet ferner Heidelberg eine gewaltige Einbusse durch die Grün- dung der Universitäten zu Mainz (1477) und Trier (1472). Die Abnahme der Scholaren aus Nassau ist in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts auffallend wie folgende Zusammenstellung zeigt. Unser Verzeichnis weist auf

in den Jahren von 1387 1400 99 NanK'n

. 1401—1425 87

, , , 1426—1450 97 ,

n V n n 1451—1475 55

, , , 1476—1500 43 ,

381 Namen.

Auch die Zahl derjenigen, welche auf einer anderen Schule einen akade- mischen Grad erworben hatten und dann nach Heidelberg gingen, nahm im Laufe der Zeit ab; sie betrug bis zum Jahre 1400 neun, von da bis 1425 vier, von 1426—1500 nur zwei, während die Zahl der zu Heidelberg Graduierten sich im Verhältnis zur Gesamtzahl im ganzen gleich blieb.

Ordnen wir sodann noch die Heimatsgebiete, Heimatsorte oder Geschlechter nach der Zahl ihrer Scholaren, so lieferten die altnassauischen Orte 41, die Diözese Mainz 230, Trier 142, Köln 8, Metz 1 (einen Grafen von Nassau- Saarbrücken); im einzelnen ergiebt sich folgende Reihenfolge:

Kl. Eberbach, Diöz. Mainz Caub, Diöz. Trier . . . Lorch, Diöz. Mainz . . . Limburg, Diöz. Trier . . Eltville, Diöz. Mainz . Montabaur, Diöz. Trier Rüdesheim, Diöz. Mainz . Geisenheim

Cronberg Höchst

Aus

o

10 13 35

38 Idstein, Diöz. Trier . . .

32 Eppstein, Diöz. Mainz . .

28 Hachenburg, Diöz. Köln

26 Ostrich, Diöz. Mainz . .

16 S. Goarshausen, Diöz. Trier

16 Scharfensteiu, Diöz. Mainz .

15 Waldeck

14 Winkel .

13 Diez, Diöz. Trier ....

9 I Weilburg, Diöz. Trier . .

Orten je 4 Scholaren = 20

•n «3 - = 30

8 7 7 7 6 6 6 6 5 5

1

= 26 = 35

Während die Geistlichkeit eine grosse Anzahl, namentlich Mitglieder der geistlichen Behörden u. s. w. aufweist, ist von den Klöstern aus dem späteren Gebiete Nassaus nur Eberbach stark vertreten. Seitdem die Handarbeit der Mönche aufgehört hatte einen Teil ihrer Thätigkeir, wie es die Regel vorschrieb, zu bilden, wandte man »ich alsbald mit Eifer den wissenschaftlichen Studien

zu.

Das Kloster Marieustatt sandte blos einen Scholar nach Heidelberg.

154

Der höhere Adel ist durch mehrere Glieder der Grafen von Nassau, der Herrn von Eppsteiu und Cronberg vertreten.

Um zuletzt noch einige Männer zu nennen, welche als Lehrer oder in amtlicher Stellung an der Universität nach ihrer Studienzeit hervortreten, so sind dahin zu rechnen:

1. Nicolaus Yerenkorn von Caub, No, IX, 5;

2. Johann Ruker von Oberlahnstein, No. LIX;

3. Heinrich von Limburg, No. L, 15.

4. Johann Bramhardt, Mönch des Klosters Eberbach, No. XV, 8.

5. Rudolf Fabri von Rüdesheim, No. LXVI, 5.

Im praktischen Leben stiegen zu bedeutenden Stellungen auf:

1. Nicolaus Verenkorn von Caub, No. IX, 5.

2. Johann Ruker von Oberlahnstein, No. LIX.

3. Rudolf von Riidesheim, No. LXVI, 3.

4. Adolf von Breithart, No. VII, 1.

5. Johann von Dalheim aus Camberg, No. XI.

Lies Seite i:iO, No. XXII, l: K^os. iS^'J. , ., 131, No. XXIII: Greiffcnklau zu Vollraths.

Die Wiesbadener Theaterfrage im Jahre 1848.

Eine kulturgcschichtliclic Kpisodc

von

Dr. Adalbsrt Schroster^

Bibliothekar an iler Küait'lichen Laudesbibliolhek zu Wiesbaden.

Die Wiesbaileuer Thcaterfi-age des Jahres 1848 ist ein Schmerzenskind des sogenannten nassauische!! Domänenstreits, welcher jahrzehntelang Stände und Regierung des friedlichen Herzogtums in Erregung gehalten hatte, als seinen gordischen Knoten der Märzsturm des gewaltigen Jahres (wie so manche andere Lebensprobleme des Jahrhunderts) bis auf weiteres löste,')

Es war am 2. März, als auf dem grossen Platze vor dem „Nassauer Hof* und den „Vier Jahreszeiten" der Abgeordnete Hergenhahn, ein nachmaliges Mitglied der Frankfurter Nationalversammlung'^), unter ungeheurem Jubel des versammelten Volkes die 9 Forderungen verlas, deren herzogliche Bewilligung die Grundlage des neuen Verhältnisses zwischen dem nassauischen Volke und seinem Landesherrn bilden sollte. Diese Forderungen, mit denen sich eine Deputation zum Staatsminister begab, enthielten an siebenter Stelle die Be- dingung, dass die Domänen zum Staatseigentum erklärt würden und die Kon- trolle der Verwaltung die Stände übernehmen sollten.

Der Herzog war in Berlin, und der Minister gelobte, alle Kraft aufzu- bieten, um die Forderungen durchzusetzen, und doch steigerten sich in den nächsten Stunden und Tagen Spannung und Erregung der Gemüter aufs Höchste und der Andrang zu den Waffen drohte zu einem Zeughaussturm sich zu ent- fesseln, wiewohl die verwitwete Herzogin Pauline und der jüngere Bruder des regierenden Herrn, Prinz Nicolaus, für die Bewilligung der ominösen 9 For- derungen sich verbürgt hatten, als endlich am 4., V-'^ ^hr des Nachmittags der Herzog in Wiesbaden eintraf. Er begab sich zu Fuss vom Bahnhof nach dem Schlosse, von dessen Balkon ihm die Herzogin, der Prinz und der Minister ängstlich harrend entgegen winkten. Nach einer kurzen Pause trat der Fürst auf den Balkon hinaus und redete zu der tausendköpfigen Menge folgende Worte: „Nassauer! Die Forderungen, die Ihr an mich gestellt habt, deren Gewährung Euch mein Minister versprochen und meine Mutter und mein Bruder mit ihrem Namen verbürgt haben, genehmige ich und werde ich halten I"

156

Den Enthusiasmus, welcher dieser am andern Tage auch durch den Druck verbreiteten Prüklaraatiou'^) naturgemäss folgte, sollte der Lauf der Ereignisse erheblich ernüchtero, als sich zufolge der seiner Schatulle entfallenen Domänen- gelder der Herzog veranlasst sah, die jährlichen Zuschüsse, die er dem Wies- badener Hoftheater gespendet hatte, zu entziehen und dem Theaterpersonal im Monat Mai bereits bis zum September zu kündigen/)

So war dem nassauischen Domänenstreit die Wiesbadener Theaterfrage des Jahres 1848 entsprungen. Denn mit dieser herzoglichen Subventionseut- ziehung war das Fortbestehen der Wiesbadener Bühne illusorisch geworden. Der Aufregung, welche sich demzufolge aller Schichten der Stadt bemächtigte, gaben drei Petitionen Ausdruck, die der Stadtvorstand, die Bürgerschaft und das Theaterpersonal an die versammelten Stände richteten und welche in deren 30. Verhandlung zu Wiesbaden am 18. August 1848 in Gegenwart der Regier- ungskonimissare : Präsident Vollpracht, Ministerialrat Bertram, Regierungsrat Werren und Baurat Boos, sowie der Mitglieder der Kammer unter dem Vor- sitz des Abgeordneten Wirth folgendermassen durch den Abgeordneten Creutz zum Vortrag kamen. ^)

„Sämtliche Petitionen", begann er, „haben die Erhaltung der hiesigen, mit der Auflösung bedrohten Bühne zum Gegenstand und bitten demgemäss um einen von den Ständen zu gewährenden Zuschusa aus allgemeinen Mitteln." In der Kürze schloss er folgende Ausführungen an.

Die erste Petition, die des Stadtvorstandes, fasse vorzugsweise die mate- riellen Verhältnisse der Stadt ins Auge, Gegen ihren Willen und unge- achtet ihrer bis zur höchsten Instanz fortgesetzten Protestationen sei die Stadt Wiesbaden im Jahre 1823 gezwungen worden, den Bau eines Theaters zu beginnen, dessen Vollendung eine Ausgabe von 218722 Gulden verursacht habe, ohne dass dadurch der Stadtkasse direkt eine Einnahme zugeflossen wäre. Im Gegenteile habe die Stadtkasse jedes Jahr neben der unentgeltlichen Über- lassung des Theatergebäudes und Entrichtung der Zinsen des verbauten Kapi- tals noch einen Zuschuss von 800 1000 Gulden für Unterhaltung und An- schaffung neuer Dekorationen leisten müssen. Im Jahre 1839 sei das Theater Hoftheater geworden und infolge dieser Bevorzugung sei die Verpflichtung zur Unterhaltung der Dekorationen in eine jährliche Aversionalsumme von 500 Gulden verwandelt worden. Die Ereignisse des März, infolge deren die Domänen als Staatseigentum erklärt worden seien, haben die Intendanz des Iloftheaters ver- anlasst, sämtlichem Bühnenpersonale zu kündigen und zwar derart, dass am 1. September sämtliche Kontrakte erlöschen sollten. Da es nun der Stadt bei ihrer sich auf 336000 Gulden belaufenden Schuldenlast unmöglich sei, das Theater zu erhalten, wenn der vom Herzog geleistete Zuschuss von mindestens 50 000 Gulden am 1. September entfalle, so wende sich der Stadtvorstand an die Kammer um eine Verwilligung von mindestens 45000 Gulden aus der Landessteuerkasse. „Die Bittsteller begründen dies Gesuch", setzte der Referent auseinander, „im Besonderen mit dem Hinweis, dass das Theater für Wiesbaden eine Lebensfrage sei, es sei eine Hauptursache des gesteigerten Kurbesuches, sei die Veranlassung, dass viele fremde Familien auch während des Winters

157.

hier und in der Umgegend verweilten. Durch das Eingehen des Theaters werde Wiesbaden zu einem Kurort zweiten Ranges herabgedrückt und die Stadt, welche das System der früheren Bevormundung zu treibhausmässiger Entwickc- lung und unnatürlicher Vergrösserung geführt habe, werde ihrem finanziellen Ruin überliefert. Überdies würden durch die Kündigung der Kontrakte des Theaterpersonals 70 80 Wohnungen frei. Ferner würden den Geschäftsleuten jährlich mindestens 100000 Gulden entzogen, und endlich würde eine beträcht- liche Anzahl von Bürgern, die ausschliesslich vom Theater gelebt hätten, als brotlos der Stadtkasse zur Last fallen. Schliesslich aber würde die aus der Erhaltung seines Theaters sich ergebende Hebung Wiesbadens als Kurort nicht allein der Stadt zu gute kommen, sondern auch ganz Nassau weittragen- den Nutzen bringen."

So war denn seitens des Stadtvorstandos das Utilitätsprinzip höchst stim- mungsvoll in den Vordergrund gestellt; eine vortreffliche Ergänzung dieser ersten Eingabe bildete indessen die zweite Petition, die da erklärte, sie wolle das Theater nicht im mittelbaren Dienste und zum Schutze der städtischen Gewerbe, sondern im unmittelbaren Interesse der geistigen Bildung erhalten wissen. Der Staat sei nicht nur berechtigt, sondern vielmehr verpflichtet, das Theater zu erhalten als eine notwendig gebotene Anstalt für ästhetische, sittliche und nationale Bildung. Kein anderes Institut in der Reihe der staat- lichen Bildungsanstalten habe eine ähnliche Macht, so gemeinnützig auf alle Volksklassen und so vielseitig und ergreifend auf den Einzelnen einzuwirken. Schliesslich gipfelt die Petition in dem Hinweis, dass mit der Auflösung des Theaters Nassaus einzige Kunstanstalt zu Grabe getragen würde. So richten die Petenten den Wunsch an die Kammer, die Regierung zu veranlassen, dass

1. das Wiesbadener Theater, entsprechend den Forderungen an eine geistige Bildungsaustalt, reorganisiert und verwaltet werde,

2. dass jährHch bei der Kammer der Deckung des Kostenaufwandes entsprechende Anforderungen eingereicht werden, dass

'S. aber inzwischen für die Zeit vom 3. Sept. 1848 bis zum 8. Sept. 1849 von der Kammer 38000 Gulden bewilligt werden möchten.

In mehreren Aulagen wurde der letzte der Anträge motiviert mit genauen Berechnungen der Budgets anderer Theater, die teils aus den Zuschüssen der Souveräne, wie aus öffentlichen Staatsmitteln ihre Existenzmöglichkeit gewännen. Im Besonderen wurden die Kostenüberschläge im Hinblick auf die Iloftheater in Darmstadt und in Kassel festgestellt.

Damit sei der Hauptinhalt der vorliegenden Petitionen, fuhr der Abge- ordnete fort, vorgetragen, da die dritte ausschliesslich die Motive der ersten und zweiten wiederhole. Der Ausschuss der Kammer stimme mit den Aus- führungen der Petenten um so mehr überein, als die Bedeutung eines guten Theaters für sittliche, ästhetische und nationale Bildung ausser Frage stehe, und es ohne Beispiel sein würde, wenn ein Land wie Nassau und eine Stadt von der Grösse und dem weltbekannten Namen Wiesbadens völlig eines Theaters entbehren solle. „Gleichwohl'', schloss nun der Redner, ^sind wir nicht in der

158

Lage, der Versammlung vorerst die Bewilligung einer bestimmten Summe em- pfehlen zu können und beantragen daher, die drei Petitionen au die Regierung mit dem Ersuchen gelangen zu lassen, die Vorschläge zu prüfen und demnächst der Kanmier eine geeignete Vorlage zu machen."

Mit diesem Antrag erklärte sich der Regierungskommissar einverstanden, wenn durch Vorlage eines Budgets der für den Bestand des Theaters erforder- liche Bedarf ermittelt sein würde. So wird die beschleunigte Wahl einer Kommission beschlossen, deren Berichte gleichfalls möglichst zu beschleunigen seien, da mit dem 1. September die Kontrakte der darstellenden Künstler zu Ende gingen. Dieser Bericht des Ausschusses wurde wiederum vom Abgeord- neten Creutz und zwar bereits am 24. August in der unter Vorsitz des Ab- geordneten Wirtli vereinigten Kammer im Beisein der Regierungskommissare Bertram und Werren vorgetragen.

Die Notwendigkeit eines Theaters, hiess es in dem Bericht, habe der Aus- schuss ohne weiteres eingeräumt, indem den Ausführungen der Petenten voll beigepflichtet worden sei, nur würde sich zunächst fragen, ob nicht der Stadt selbst, der doch der unmittelbare Nutzen des Theaters zufliesse, auch dessen Erhaltung zuzuweisen sei. Das aber sei bei der tinanziellen Lage der Stadt unmöglich.

So frage es sich weiter, ob nicht durch die Verbindung mit einer benach- barten Bühne Hilfe zu schaffen sei. Es kämen Mainz und Frankfurt in Frage. Eine Vereinigung mit dem Mainzer Theater habe früher bestanden und nicht zum Gedeihen gereicht; ein Anknüpfen mit der Frankfurter Bühne würde es ebenso wenig thun. So sei allerdings zu prüfen, aus welchen Gründen sich eine Theatersubvention aus öffentlichen Mitteln rechtfertigen lasse, und hier nun griff der Redner zu den gewichtigsten idealen Motiven, die in der Frage den letzten Ausschlag geben mussten : „Wir betrachten das Theater", sagte er, „als allgemeine Bilduugsanstalt. Wenn es wahr ist, dass eine gute Schau- bühne, indem sie zahllose Schwächen und Thorheiten geisselt und verspottet, tief und eingreifend auf die Veredelung des Volkslebens wirken kann, so scheint uns auch unzweifelhaft dem Staate die Unterstützung einer Anstalt, die sich seinen übrigen Bildungsanstalten anreiht, zuzumuten. Da nun der nassauische Staat nunmehriger Besitzer des Domanialvermögens sei, so erscheine es billig, dass eV helfend einträte. Die Stadtdirektion habe zwar die Bitte an die Kammer gerichtet, im Interesse des Theaters die Civilliste des Landesherrn um 45000 Gulden zu erhöhen. Die Kommission erwarte aber von einer vom Hofe unterstützten Bühne die erwünschten Resultate nicht. Endlich stellt der Abgeordnete, da die Kommission sich nicht habe verständigen können, im Verein mit dem Abgeord- neten Fresenius den persönlichen Antrag: „Die Kammer wolle besch Hessen, dass das hiesige Theater nach Massgabe der in der Vorstellung der Einwohner Wiesbadens enthalteneu Grundsätze reorgranisiert werde und eine Summe von .'32 880 Gulden einstweilen für das Jahr vom 1. September 1848 bis 1. September 1840 als Zuschuss aus der Domäucukassc bewilligt werde."

159

Leider erfuhr dieser besonnene Antrag nicht alsbald, vielmehr überhaupt nicht allseitige Zustimmung. Im Gegenteil erregte er eine langatmige Debatte. Man müsse erst die wirklichen Erträge der Domänen beziffern, liiess es. Man solle zunächst eine Summe bis zu Ende des Jahres bewilligen, meinte man. Den schärfsten Ausdruck fand die Opposition in der Rede des Abgeordneten Lang. „Zunächst muss ich mich dagegen verwahren", begann er, „dass man dem Staat eine rechtliche Pflicht aufbürden will, das Theater zu erhalten. Wenn die Stadt Wiesbaden glaubt, Entschädigungsansprüche machen zu können, so mag sie sie gegen diejenigen geltend machen, welche sie gezwungen haben, das Theater zu bauen. Man kann auch nicht die Ausgabe für das Theater, die bisher geleistet worden ist, als eine Last, die auf den Domänen ruht, betrachten, sonst wäre jede Ausgabe des Hofes eine Domaniallast. Man hat, meines Wissens, für die Anforderung vorgebracht, sie soll gerechtfertigt sein im Interesse der Stadt Wiesbaden und im Interesse des Landes. Wenn zur Erhaltung: der Stadt Wies- baden eine Unterstützung nötig ist, so glaube ich, dass wir vollständig dazu berechtigt sind, obgleich uns neulich das Recht zu derartigen Dispositionen über das Staatsvermögen bestritten worden ist. Wir geben ja Unterstützungen zum Zwecke des Wegebaues, um eine Gemeinde in ihrem Wohlstande zu erhalten, ebenso können wir es bei der Stadt Wiesbaden thun. Wenn das Theater zur Erhaltung der Stadt Wiesbaden nötig ist, so sind wir berechtigt, eine Unter- stützung zu leisten, es handelt sich nur darum, ob für Wiesbaden ein selbst- ständiges Theater nötig ist, oder ob es mit Mainz verbunden werden könnte, und um die Grösse der Unterstützung. Der zweite und Hauptgrund für das Theater ist, dass es im Interesse der Kunst noch notwendig sei, ein solches Institut zu erhalten, und dass das Theater als wesentliches Bildungsraittel an- zusehen sei. Ich will das zugeben, aber dann wären wir doch jedenfalls in die Notwendigkeit versetzt, das Theater zu erhalten, wenn ohne das Wiesbadener Theater dieses Bildungsraittel dem Lande entginge. Wir haben kein deutsches Inland und kein Ausland mehr, das haben wir gesehen und gehört bei Gelegen- heit der Anwesenheit von Reichstruppen, die neulich nach Wiesbaden gezogen worden sind. Denken Sie sich die Grenze unseres Landes etwas weiter hinaus- gerückt, so haben Sie ganz in der Nähe vier Theater, in Mainz, Frank- furt, Koblenz und das im Entstehen begriffene Homburger Theater; es wäre also in dieser Beziehung für die Notwendigkeit hinlänglich gesorgt. Ich bin der Meinung, dass wir im Interesse des Landes eine solche Ausgabe nicht verantworten können, w^eil wir die Anstalt nicht notwendig haben. Denn der Kunstsinn kann sonst gepflegt werden. Es handelt sich aber ferner darum, ob die Stadt Wiesbaden nicht zu Grunde geht, wenn das Theater fällt. Ich glaube, das Theater kann auf der gegenwärtigen Stufe nicht er- halten werden, weil 30 40000 Gulden jährlich hierfür erforderlich wären, und W'ir eine solche Summe nicht werden geben können; ich glaube auch nicht, dass die Stadt Wiesbaden einen solchen Zuschuss von 40000 Gulden verlangen wird, ein solcher Zuschuss repräsentiert eine Million Kapital. Wir wollen im Interesse Wiesbadens das Theater erhalten bis zum letzten Dezember, und so lange ihm Unterstützung leisten, damit die Stadt Wiesbaden Gelegenheit bat,

160

andere Pläne zu bringen. Geschieht dies und zeigt sich sodann die Unmöglich- keit, das Theater zu erhalten, so kann es eben nicht erhalten werden, denn die Kammer wird, wie gesagt, 40000 Gulden nicht verwilligen. Ich glaube, dass im äussersten Falle der Staat allerdings billige Rücksicht in Beziehung auf das Gebäude eintreten lassen könnte; das könnte aber dadurch geschehen, dass das Gebäude vom Staate acquiriert und verwendet würde. Bei der Anforderung ist in Anschlag gebracht, dass der Spielpächter 5000 Gulden zum Theater zu- schiesst. Dieser Zuschuss wird wegfallen und wir werden den Ausfall decken müssen. Wenn wir einmal 40000 Gulden bewilligen und das Theater für eine Staatsanstalt ansehen, so wird sich die Summe bald auf 45000 Gulden erhöhen und später auf 60000 Gulden. Denn selche Summen erhöhen sich gar gerne. Ich glaube, dass wir das Mass der Billigkeit vollständig erschöpfen, wenn wir der Stadt Wiesbaden 6 oder 10000 Gulden zur Erhaltung des Theaters zuschlössen, und ihivdadurch Gelegenheit geben, mit Frankfurt oder Mainz in Unterhandlung zu treten und Pläne vorzulegen/

Hierauf erwiderte, nach kurzer Meinungsäusserung des Abgeordneten Schmidt, der Regierungskommissar Werren:

„Die Gründe, die der Abgeordnete Lang angeführt hat, der die Bewohner von Nassau, welche die Befriedigung der Kunstbedürfnisse suchen, auf die Umgebung verweist, auf Mainz, Frankfurt, Koblenz und Homburg, beweisen zu viel, also so gut wie nichts. Aus denselben Gründen würde folgen, dass wir z. B. keines Gymnasiums bedürfen, weil Gymnasien an anderen Orten bestehen. Wenn diese Staaten, welche die Kosten für Gymnasien aufzuwenden haben, eben- so dächten, wenn sie in Berücksichtigung dessen, dass in Nassau drei Gymnasien sind, ihre eigenen aufheben, und so vice versa unser Staat, so blieb keines übrig, und genau ebenso würde es mit dem Theater gehen. Ich glaube, dass die Kammer namentlich von der Ansicht ausgehen wird, wenn sie überhaupt eine Yerwilligung gewähren will, dass das Theater eine Staatsbilduugsanstalt sei. Schliesslich muss ich mich sodann auch dagegen aussprechen, dass man die Yerwilligung nur bis zum Ende dieses Jahres geben will. Der Grund, weshalb die Sache als so dringlich, sowohl von der Regierung, wie von der Kammer anerkannt worden ist, liegt darin, dass das Theaterpersonal gerade jetzt bei Abschluss seiner Kontraktzeit Sicherheit haben wollte und musste über das Schicksal des Theaters, also eine Garantie für den Fortbestand, Diese Gewiss- heit wird aber nicht gegeben, wie mehrere Redner gesagt haben, durch eine Verwilligung blos bis zum 1. Januar kommenden Jahres, oder durch eine Verweisung auf eine Verbindung mit Mainz, indem daraufhin keine neuen Kon- trakte abgeschlossen werden können. (Allgemeines Bravo auf der Galeric.) Ich glaube, dass die Kammer diesem Antrage nicht zustimmen sollte, dass sie dagegen durch Verwilligung der angeforderten Summe eine Pflicht erfüllt, welche die fortgeschrittene Bildung unseres Zeitalters ihr auferlegt.''

So wird denn mit Emsigkeit und Begeisterung weiter debattiert, ob das Theater städtisch oder staatlich werden solle. Gegen das letztere erklärte sich im Besond«;ren der Abgeordnete Raht, ein Führer der Linken: ,Dio Ansicht de^ Abgeordneten Justi", behauptete er, „das Theater für eine Staatsanstalt

161

zu erklären, geht weit über die Petition hinaus; in dieser wird nur ura eine Unrerstützung gebeten, darum muss dieser Autrag iu anderer Furm behandelt werden. Es kann dem Abgeordneten Justi überlassen bleiben, in geschäfta- . ordnungsmässiger Form einen Antrag darauf zu stellen; dann muss er geprüft und diskutiert werden und alle Stadien der Geschäftsordnung durchlaufen, bei dieser Geldbewilligung aber kann er nicht zur Beratung kommen. Ich will kein Ideal von einem grossen Staatsgebiete nehmen; grosse Staaten haben die Theater; wenn aber dieser Grundsatz auf die Einführung solcher Institute auf kleine Staaten, wie der unsrige, angewendet werden soll, so wird der Druck in Beziehung auf die Kosten sehr gross werden. Ein Theater ist notwendig in grossen Städten, und es wird, wie z. B. in Paris, viel darauf verwendet, jedoch in anderer Absicht, es geschieht, um den Arbeitslosen Arbeit und Verdienst zu geben nach dem bekannten Satze: panem et circenses! als Zerstreuung und Befriedigung des empörungssüchtigen Yolkes. Das war der Grund. Es ist sodann von mehreren Rednern bemerkt worden, dass das hiesisre Theater ganz aufhören soll: das wird nach meinem Antrag nicht der Fall sein. Ich habe zugegeben, dass eine Subvention von selten des Staates stattfinden könne, dass man aber auf eine sparsame Einrichtung bedacht sein müsse, da- mit die Subvention aufzubringen ist. Man hat von Verbindungsversuchen mit Frankfurt und Mainz gesprochen und die früheren Beispiele als Abmahnung für eine jetzige Verbindung angeführt. Diese Beispiele sind aber nicht mehr am Platze. Der Glanz von Wiesbaden ist unter der vorigen Einrichtung des Theaters sehr gehoben worden, er hat seither bedeutend abgenommen, mithin wäre erwiesen, dass diese früher bestandene Einrichtung den Glanz der Kur und den Wohlstand der Stadt nicht herabdrücken wird.

Wenn auf das Schicksal der beim Theater angestellten Personen hinge- deutet worden ist, so ist dies zwar geeignet, um Mitleid zu erwecken, aber nicht auf Staatshandlungeu Einfluss auszuüben; es ist nachgewiesen und kann als sicher angenommen werden, dass das Theater in Wiesbaden fortbestehen kann, wenn man andere Einrichtungen trifft und wenn etwas gj-össere Anstrengungen geschehen. Man hat nach dem Etat aus der Stadtkasse nur 500 Gulden dazu gegeben: ich glaube, dass die unmittelbaren Vorteile, die der Stadt Wiesbaden aus dem Theater zugehen, wohl eine grössere Anstrengung der Stadt fordern. Aus dem Umstände, dass der Stadt unter der alten Regierung aufgegeben worden ist, ein Theater zu errichten, wird man eine Verpflichtung für uns nicht ableiten wollen, das Theater zu dotieren. Ich glaube, wenn dies ge- schehen ist, so war es eine ausserordentliche Überschreitung der Befugnis der Staatsbehörde, und kann Grund zu einem Regress gegen diejenigen abgeben, die sich so etwas erlaubt haben. Ich glaube auch, dass eine solche Über- schreitung durch Anwendung verfassungsmässiger Mittel hätte beseitigt werden können, man hätte ja nötigenfalls bis zum Bundestag gehen können, um zu verhüten, dass man der Stadt eine Ausgabe von 230000 Gulden gegen den Willen der Stadt auferlege. Ich sehe aber aus diesem Um- stände keine Verpflichtung für das Land, etwas auszugeben für den vorliegen- den Zweck. Wäre der Begriff einer Staatsanstalt auf das Theater

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für anwendbar erklärt, so würde man bald von der Würde des Staates sprechen, welcher dieses und jenes Grossartige in den Ein- richtungen fordere, und man würde sie vergleichen mit anderen grossen Anstalten, und die Ausgaben hätten gar keine Grenzen mehr. Jedenfalls bitte ich zu beachten, dass der Antrag, das Theater zu einer Staatsanstalt zu erklären, nicht in dieser Form geschehen kann."")

Hierauf ergriff das "Wort der x^bgeordnete Fresenius. Ob die Stadt, führte er aus, wenn sie sich gegen den gezwungenen Theaterbau widersetzt und nach der Bemerkung des Abgeordneten Raht an den Bundestag gewendet haben würde, von dort Recht bekommen hätte, sei sehr zweifelhaft; höchst wahr- scheinlich würde der Prozess bis auf die heutige Stunde noch nicht erledigt sein. Ein zweiter Grund, der für das Gesuch der Stadt Wiesbaden spreche, sei der, dass die Domänen bis jetzt den nötigen Zusehuss zum Theater geleistet hätten. Die Domänen seien Staatseigentum geworden, und es Hessen sich, wenn auch keine Rechtsgründe, doch gewiss ebenfalls Billig- keitsgründe dafür anführen, dass derjenige, welcher die Domänen bekommen habe, daraus bestreiten müsse, was vorher daraus bestritten worden sei. Aber auch die Klugheit erfordere es, dass das Theater fortbestehe, denn wenn Wiesbadens Blüte sinke, so verlöre mit der Stadt das ganze Land. Das bedürfe keines weiteren Beweises. „Wenn ein Glied krank ist", fuhr der Redner fort, „so leidet der ganze Körper mit und wenn das Herz krank ist, so ist es der ganze Körper eine Residenzstadt kann auf diese Weise ver- nichtet werden. Und endlich die Gerechtigkeit verlangt, dass die Theater bestehen. Es wäre wahrhaftig kein Fortschritt, sondern ein Rückschritt, wenn man wegen der materiellen Interessen die geistigen ganz in den Hintergrund drücken würde; die Kunst verdient, wie der Ackerbau, die Gewerbe, sie ver- dient wie die Wissenschaft geschützt zu werden. Wir üben keine Willkür, sondern ein Recht aus, wenn wir Wiesbaden eine Kunstanstalt erhalten; dass sie eine andere Einrichtung erhalten muss, das versteht sich von selbst, und dass die Anstalt gerade hier erhalten wird, das ist darum nötig, weil Wiesbaden die Residenz und die grösste Stadt im Land ist. Ich würde ebenso warm dafür sprechen, wenn das Theater irgendwo anders angelegt wäre; also Klug- heit, Billigkeit und Gerechtigkeit müssen uns dafür bestimmen, dass wir das Theater erhalten. Es ist davon gesprochen worden, dass wir das Theater mit den Theatern anderer Städte vereinigen können, das ist aber nicht wohl ausführbar. Ein Theater, wie wir es als Bildungsanstalt bedürfen, muss von der Art sein, dass es die Nationalbildung steigert, dass es dem Volke die Geschichte und die Kunst vorführt. Wenn mau diesen Zweck nicht im Auge hat, so kann man sich eine wandernde Truppe kommen lassen, eine solche gäbe vielleicht noch etwas dazu, wenn man ihr das Gebäude unentgeltlich überliesse. Wir müssen aber das Ideal einer Bühne im Auge haben, nicht ihr Zerrbild. Man hat gesagt, das Theater dürfe keine Staatsanstalt sein, allein das soll auch Jetzt nicht gesagt werden; wir haben jetzt noch keine definitive Entschliessung darüber zu fassen; der Antrag geht nur auf ein Jahr. Also die Frage, ob

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das Theater eine Staatsanstalt sein soll, wird später zur Sprache kommen müssen, jetzt ist es nur eine provisorische Bewilligung auf ein Jahr und ich glaube, dies lässt sich leicht rechtfertigen,

1. weil es nicht angehen wird, Mitglieder einer Bühne auf eine so kurze Dauer von wenigen Monaten zu engagieren; die tüchti^t^n Mitglieder werden sich nicht darauf einlassen, sondern anderwärts ein Engagement suchen, es kann somit kein tüchtiges Personal engagiert werden,

2. der Grund derjenigen, welche die Sache von dem Stand der Do- mänen abhängig machen wollen, ist wieder nicht stichhaltig; wir werden wohl ein Jahr brauchen, um zu erfahren, wie viel das Do- manialvermögen dem Lande einträgt. Meine Herren! Erhalten wir das Theater unserem wichtigen Kurort".

Diesen warmherzigen Worten folgte ein lebhaftes Bravo von der Galerie, das sich der Vorsitzende Wirth freilich „ernstlich verbat". Das Auditorium dürfe weder billigend noch missbilligend über die Redner laut werden. Darauf führte der Abg. Fresenius seine Rede zum Schlüsse: „Es fragt sich, wollen wir vor- oder zurückschreiten. Ein gutes Theater fördert die Kultur, das wird wohl Niemand leugnen, dass Männer, welche den Fortschritt wollen, die Kultur befördern müssen, wird wohl ebenfalls Niemand bestreiten. Wer dem- nach gegen die Aufrechterhaltung des Theaters stimmt, sage nur nicht, dass er dem Fortschritt huldige!"

So zieht sich die Debatte in die Länge. Die Linke verwahrt sich unter Gelächter gegen die Verdächtigung, sie sei aus Rückschrittsmännern gebildet. „Will man das Theater fortbestehen lassen", variierte dann der Abg. Grossmann das Thema, „so muss man auch die Mittel dazu bewilligen. Mit einer Bewil- ligung bis zum 1. Januar 1849 ist nichts gethan. Ich erlaube mir schliess- lich auf die Worte unseres liebenswürdigen Dichters über unser kleines nassauisches Vaterland aufmerksam zu machen. Sie lauten:

„Seltsames Land! Hier haben die Flüsse Geschmack und die Quellen; Bei den Bewohnern allein hab' ich noch keinen verspürt."')

Lassen Sie uns nicht die Gymnasien und das Theater abschaffen. Sonst würde jenes Wort des Dichters wieder zur Wahrheit werden, wie es dies früher war."

In ähnlichem Sinne äusserte sich der Abgeordnete Bertram. Es könne sein, sagte er, dass die Kammer schon in 6 Wochen geschlossen werde. Was dann am 1. Januar geschehen solle? Der Wohlstand der Stadt hänge in hohem Grade von dem Fortbestande des Theaters ab. Man fördere das Staats- interesse weit eher, wenn man Kunstanstalten bestehen lasse, die fremdes Geld ins Land brächten, das die Leute veranlasse, allerlei L^nternehmungen zu machen, die dem Staate wiederum einträglich seien. Wenn man sage, bis L Januar 1849 könne man sich mit Frankfurt oder Mainz vereinigen, dann bringe man eine Masse von Hausbesitzern an den Bettelstab und die Mitglieder der hiesigen

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Bühnengesellschaft zur Yerzweiflung. Hierauf erklärt der Abgeordnete Raht, dass der Termin bis auf den 1. Januar 1849 in der Voraudsicht gestellt worden sei, dass bis dahin die Domänenfrage erledigt sein werde. „Ich glaube sodann bemerken zu müssen", wendet er sich gegen den citatentüchtigen Kollegen Grossmann, „dass der von dem vorletzten Redner erwähnte injuriüse Ausspruch gegen die Xassauer wenigstens in dieser Versammlung nicht hätte vorkommen sollen." Hierauf versetzt wiederum kurz und bündig der Abgeordnete Gross- mann: „Ich weise die Äusserung des Abgeordneten Raht entschieden zurück, ich weiss sehr gut, was ich zu sagen habe. Der Herr ^abgeordnete muss mich sar nicht verstanden haben!"

Schliesslich nähert man sich aber doch auf solche unterhaltende Art der Abstimmung. Zunächst fasst der Vorsitzende AVirth die Ergebnisse der Aus- einandersetzungen dahin zusammen:

I. Die Abgeordneten Fresenius und Creutz haben vorgeschlagen, die Kammer wolle beschliessen, dass 1, das hiesige Theater für eine Staatsanstalt zu erklären sei und 2. die Summe von 33000 Gulden als Zuschuss zu bewilligen sei. II. Der zweite Antrag ist der der Abgeordneten Justi und Wimpf und geht dahin, 10960 Gulden bis zum 1. Januar 1849 zu be- willigen. III. Der dritte Antrag ist der des Abgeordneten Raht: bis zu dem

1. Januar 6000 Gulden zu bewilligen. Der Antrag des Vorsitzenden, in chronologischer Ordnung die Abstimmung folgen zu lassen, wird angenommen. So wird denn der Antrag Creutz - Fresenius auch in erfolgter Gegenprobe mit 20 gegen 19 Stimmen verworfen. Hierauf wird über den Antrag der Abgeordneten Justi-Wimpf auf Bewilligung von 10960 Gulden abgestimmt und solcher mit 29 Stimmen angenommen. „Hierdurch wird", erklärte der Vorsitzende, „die Abstimmung über den Antrag des Abgeordneten Raht überflüssig."

So hatte die Wiesbadener Theaterfrage des Jahres 1848 zunächst ihre Lösung gefunden. War auch in den Vordergrund der Erörterungen der mate- rielle Nutzen der Stadt gerückt worden, so hatte schliesslich doch der deutsche Idealismus in freilich kleinstaatlicher Benommenheit das entscheidende Wort gesprochen ; und hatte auch einer der Abgeordneten in bitterem Humor das Distichon Schillers in die Debatte hineingerufen :

„Seltsames Land! Hier haben die Flüsse Geschmack und die Quellen; Bei den Bewohnern allein hab' ich noch keinen verspürt ! so war es doch eines der köstlichsten ästhetischen Evangelien des deutschen Volkes, Schillers Aufsatz: „Die Schaubühne als eine moralische Anstalt betrachtet", an dessen Hand man die schliessliche Lösung fand. „Es ist die Ansicht von Schelling", hatte einer der Redner gesprochen, „der Staat sei die Realisierung der Rechtsidee. Es giebt aber auch noch eine Ansicht vom Staate, wonach derselbe der Inhalt aller Anstalten ist, welche die Erreichung der liöchsteHi Ausbildung der menschlichen Gesellschaft bedingen. Wenn mau

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das Theater als Bilduogsanstalt betrachtet, so gehört es zu denjenio-en. zu deren Errichtung und Forterhaltung die Staatsgewalt ganz besonders verpflichtet ist. Ich verweise auf die Abhandlung Schillers vom Theater als Bildungs- anstalt. Auch lehrt die Geschichte", fuhr der Abgeordnete (er hiess Leisler und war ein Hauptvertreter des schönen Antrags Creutz-Freseniua) frei nach Schiller fort: „Auch lehrt die Geschichte, dass man die Theater meistens so angesehen hat. Gehen wir zurück auf Griechenland und Rom, so finden wir in grossartigem Massstabe öffentliche Spiele auf eine Weise, wie wir sie in unserer Zeit nicht finden. Die Unterstützung solcher Anstalten kann in der neueren Zeit in monarchischen und in manchen anderen Staaten gefunden werden, auch in dem republikanischen Venedig."^)

In ähnlichem Sinne hatte das Spezialvotum des Abg. Justi gelautet: „Auf verschiedenen Wegen zeigt sich der Mensch als geistiges Wesen und sucht die Kategorien des Geistes im Leben darzustellen.

Die Religion, die Kunst, das Recht, die Wissenschaft und das soziale Leben sind die Formen, in denen sich der Mensch als geistiges Wesen zu er- kennen gibt, und welche zusammen das Leben in dem Staate, den Staat selbst ausmachen. Der Rechtsstaat als solcher umfasst nur eine fener Seiten und es ist bisher eine grosse Anmassung gewesen, diese Seite allein als den Staat zu betrachten, indem doch erst alle jene Erscheinungen zusammen den Staat aus- machen, weil erst durch diese alle Bedürfnisse des Menschen zur Befriedigung kommen.

Hierdurch ist erwiesen, dass die Kunst ihre Notwendigkeit im Staate hat, und dass wir ein Institut, welches sie vertritt, welches das, was die Poesie und Musik Hohes schafft, lebendig vorführt, nicht untergehen lassen dürfen. Augen- blicklich scheinen die materiellen Interessen alles absorbieren zu wollen, sie haben jetzt gewiss eine grosse Bedeutung, aber wir dürfen doch die geistigen Interessen dabei nicht untergehen lassen, sondern müssen auch diesen ihre ewigen Rechte sichern. Um nun beiden Interessen in ihrem gebieterischen Rechte Rechnung zu tragen, ist es nötig, sich einerseits näher über den Stand des Fonds zu informieren, woraus früher die Kosten bestritten wurden, anderer- seits sich über die innere Organisation weitere Kenntnis zu verschaffen, um dann später eine sich darauf stützende bestimmte Bewilligung eintreten zu lassen".

Wenn dieser Antrag siegte, so muss eingeräumt werden, dass der Wies- badener Presse das Zeugnis gebührt, ihrerseits mehrfach erklärt zu haben, dass die öffentliche Stimmung und Meinung des Landes sich in vollem Einklang sowohl mit den opportunistischen, wie den idealistischen Motivierungen der Kammerredner befinde. So schrieb in No. 158 die „Freie Zeitung" unter Wiesbaden, 13. August: „. . . Wenn man in billige Erwägung zieht, dass Wiesbaden es war, w^elches auf uneigennützige Weise für Realisierung der März-Errungenschaften, deren materielle Vorteile dem übrigen Lande zum grossen Teile zugefallen, in erster Reihe gekämpft hat; wenn ferner erwogen wird, dass die Stadt im Jahr 1826 vom Gouvernement gleichsam ge- zwungen wurde, nicht nur ein Theater (was 218000 Gulden gekostet) zu er-

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bauen, sondern überhaupt auch seine finanziellen Kräfte dem öffentlichen Interesse vielfach zum Opfer zu bringen, indem dieselbe treibhausartig aus ihrem natürlichen Entwickelungsgang herausgerissen und aller Einsprache ungeachtet in einem seinen Erwerbsquellen durchaus widersprechenden Verhältnisse vergrössert wurde und endlich, dass die Stadt bei einer Schuldenlast von 33G000 Gulden seit geraumer Zeit schon die höchsten direkten Steuern neben einer bedeutenden Accisabgabe erheben muss und somit nicht im stände ist, das Theater- institut aus eigenen Mitteln zu unterhalten, dürfte es nicht ungerecht- fertifft erscheinen, wenn man es mindestens für eine moralisahe Verbindlichkeit des Landes erklärt, dass es der Stadt Wiesbaden zur Eriialtung eines selbst- ständigen Theaters eine zwar entsprechende Unterstützung aus allgemeinen Mitteln verwilligt eine Unterstützung, wie sie bis jetzt in keinem konstitutionellen Staat, ja selbst in der Republik Frankreich ver- weigert wurde!

Sollte dies jedoch wider Verhoffen aus übelangeordneter Sparsamkeit nicht geschehen, so wird Wiesbaden um nur den materiellen Punkt zu berühren bis auf den innersten Kern erschüttert: ein 70000 Gulden um- schlagendes Personal ca. von 160 Köpfen (über die Hälfte hiesige Einwohner und Familienväter), wird brotlos, zahllose Wohnungen bleiben unbewohnt. Hunderte von Fremden werden den traurigen Kurort unbesucht lassen, während die Winterkur, die in den let/.ten Jahren so erfreuliche Resultate lieferte, auf Null reduziert wird. Mit einem Wort: das freundliche, mit so mannigfachen und empfindlichen Opfern vergrösserte, verschönerte und sich mithin eines an- ständigen Rufs erfreuende Wiesbaden (worauf unsere nassauischen Brüder weniger mit Neid, als mit Stolz blicken sollten) wird von seiner Höhe herab- gerissen, zu einem zweiten Wetzlar degradiert und ruiniert".

Mochte dies allzusehr vom Utilitätsstaudpunkt Wiesbadens pro domo und pro nrhe gesprochen sein, als dass jenseits der städtischen Gemarkung den Artikel des jungen und bereits von trefflich dirigierter Konkurrenz heimgesuchten lilattei') ein ungetrübtes Wohlwollen willkommen geheissen hätte, so wusste die Weisheit der jungen Schriftloitung im Brustton einer keineswegs städtischen Interessen einseitig verhaftet bleibenden, vielmehr das All des Landes fürsorglich umfassenden wahren Nationalität sich zu jenem politischen Idealismus empor- zuschwingen, welcher das Wiesbadener Kunstinstitut viel weniger um der Stadt, als um „der Heiligkeit der Kunst, um der Idee des Schönen, um der National- erziehung" kurz, um einer Reihe von idealen Prinzipien und Kulturauf- gaben willen erhalten wissen wollte, die in jenem erstcitierten Artikel völlig ausser Gesichtsweite der „Freien Zeitung" verblieben waren. Diesmal zehn Tage später, also am 23. August erschien die Sachlage in den Augen des Blattes unter einer mehr transcendenten, über alles Stofflich - Materielle und alle niederen Nahr\ingsbedürfnisse platonisch erhabenen Auffassung. Der Artikel erschien diesmal arant Ja lettre^ als ein Publizistisch-Selbständiges, von einem besonderen Titel: .,I)ie Tlieaterfrage" gekrr.iit. Er lautete folgender- musseu:

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„Nachdem schon mehrmals diese Frage in diesem Blatte erwogen worden ist, halten wir es gleichwohl zum Zweck allseitiger [hinc illae lacrimae!] Verständigung nicht für überflüssig, nochmals in dieser Angelegenheit das Wort zu ergreifen.

Bekanntlich steht es mit dem Tempel Thalias in Wiesbaden so, dass wenn von Seiten des Staats nicht eine namhafte Summe der Theaterkasse vor- gestreckt wird, die Pforten jenes Tempels sich schliessen müssen. Nun hat die Stadt Wiesbaden bei der Kammer dringend gebeten, letztere möge doch dem Theater der Stadt Wiesbaden zu Hilfe kommen, weil sonsten durch den Jiuin des Theaters nicht nur Brotlosigkeit des nicht unbedeutenden Theater- personals herbeigeführt würde, sondern auch die EinQahms([uellen der Stadt Wiesbaden selbst in bedeutendem Grade verstopfe würden.

Wie sehr wir nun auch wünschen, dass die Künstler ein ihrem würdigen Berufe entsprechendes Auskommen finden möchten, und so sehr wir wünschen, dass der Wohlstand der Stadt Wiesbaden sich immer blühender entfalte, so müssen wir doch offen bekennen, dass wir deswegen bloss, weil im Falle der NichtUnterstützung Wiesbaden bedeutender Nachteil treffen würde, eine nicht unbeträchtliche Verausgabung [sie] aus der Staats- kasse zum Zwecke der Aufrechterhaltung des Theaters nicht für gerechtfertigt erachten können.

Es gibt noch viele ungleich ärmere Gemeinden im Lande als Wiesbaden, für welche es ungleich schwerer ist, das notwendige Brot zu erwerben, und mit demselben Recht wie Wiesbaden eine so bedeutende Unterstützung ver- langt, ganz mit demselben Recht könnten es alle diese andern Ge- meinden. Dessenungeachtet wünschen wir, dem Theater in Wies- baden würde von Seiten des Staates unter die Arme gegriffen.

Wir sprechen dieses aus mit Rücksicht auf die Interessen der heutigen Kunst, mit Rücksicht auf die Nationalerziehung. Dem Staat liegt nun einmal ob, alle Seiten des menschlichen Geistes zur grösst- möglichen Entfaltung zu bringen, ihm liegt auch die Aufgabe ob, der Idee des Schönen im Leben Eingang zu verschaffen. Und nun wäre es in der That unverantwortlich, wenn Nassau des einzigen ihm ange- hörigen Kunstinstituts verlustig würde, infolge einer allzu engherzig abwägen- den Knickerei,

Freilich mag es auch in unserem Lande noch Menschen genug geben, welchen jede, auch die geringsten Ausgaben für die Kunst Luxus deucht; allein das Urteil solcher Menschen darf den Staat in seiner Rücksichtnahme auf die höchsten Interessen der Menschheit nicht hemmen.

Die Bedeutung des Theaters für die Erziehung und Veredlung des Volkes, falls ersteres gehörig geleitet wird, ist von erkannt ungeheurer Wichtigkeit. Was kann veredelnder auf das Gemüt, was belebender auf den Geist wirken, als die unerreichten Meisterwerke unserer grossen Dichter?

Und ist nicht die Musik eines der wesentlichsten Mittel zur Bilduns: eines richtigen Zartgefühls und Verfeinerung des Geschmacks? Nehmen wir uns, was die Pflege der Kunst anbelangt, die alten Athener zum Muster, deren Kunst-

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liebe so weit ging, dass sie sogar unter Perikles eine besondere Kasse (das sog. Theorikon) haLcen, aus welcher den ärmeren Bürgern auf Staatskosten der Eintrittspreis in das Theater bezahlt wurde."

Die herrschende Anschauung der Kammer konnte seitens der öffentlichen Meinung, soweit dieselbe in der Tagespresse zum Ausdruck gelangte, mithin kaum wirksamer unterstützt bezw. kaum anerkennender gebilligt und ermuntert werden.

So erreichte denn das Regime der Hof-Intendanz auf der Wiesbadener Bühne mit dem 1. September seinen Abschluss und eine Kommission von siebeo- Yertrauensmännern der Stadt Wiesbaden trat an ihre Stelle. Und über diesem Wechsel waltete ein freundlicher Stern, denn innerhalb dieser sieben glänzte der Name des gefeiertsten zeitgenössischen Schriftstellers des schönen Herzog- tums, der Xame Wilhelm Heinrich Riehls. 1823 in Biebrich geboren, stand er damals als 25 jähriger junger Mann, wie er selber sagt: in seinen sonnen- hellsten Jahren. Er war Redakteur der „Nassauischen Allgemeinen Zeitung", die unlängst am 1. April ans Licht getreten war, denn das Jahr 1848 hatte dem Herzogtum Nassau unter anderen Wohlthaten auch die seiner ersten Zeitungen beschert. Riehl selbst, der ja längst vom Rhein an die Isar ver- pflanzt ist, hat nicht nur in dramatischer Lebendigkeit und Anschaulichkeit die nassauische Chronik des Jahres 1848 geschrieben, sondern auch jene bürgerliche Wiesbadener Theaterkommission in Aufzeichnungen verewigt, die zwar nicht das straffe Gewand pragmatisch-annalistischer Geschichtsschreibung tragen, aber, wenn sie auch im farbenhellen Gewand der Dichtung erscheinen, so dennoch den vollen Anspruch jener historischen Treue erheben, die sich auf persönliches Miterleben gründet. Er selbst nennt denn auch die Dichtung, welche beiläufig den Titel ^Das Theaterkind" trägt und deren Heldin die damalige (freilich fingierte) Naive des Wiesbadener Theaters ist, eine „Memoiren-Novelle aus der Gegenwart".'") Natürlich darf uns hier der rein dichterische Inhalt der Novelle nicht von der Wiesbadener Theaterfrage des Jahres 1848 abziehen, sondern allein ihre historische Grundlegung unsere Teilnahme fesseln. Der Erzähler beginnt:

„Auf dem Direktionsbureau des Wiesbadener Hoftheaters stand ein Kanape, mit krebsrotem Wollenstofl* überzogen und so gross, dass eine ganze Familie darauf hätte Platz nehmen können. Augenfällig gehörte es gar nicht hierher; denn die übrigen Möbel des Zimmers waren ganz kanzleimässig, das krebsrote Kanape hingegen war bühnenmässig. Und in der That stammte es auch von der Bühne, war aber dort in Ungnade gefallen und ins Direktiouszimmer ver- bannt worden.

Ich habe in meinem Leben kein so grosses Kanape gesehen, dafür sollte 69 eben auch ein „mittelalterliches Kanape" sein (auf dem Theater gibts der- gleichen), und man hatte es für Spohrs Faust aus besonderen Gründen eigens 80. ungeheuer lang machen lassen.

Bei der Scene nämlich, wo Fausts Zaubermantel den Doktor mit seinen Genüssen durch die Decke des Saals in die Lüfte entführt, musste jenes Kanape

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die Aufstellung dos Plugapparates maskieren. Dieser Aufflug machte sich nun allemal dadurch besonders schön, dass Einer der Freunde Fausts, ein kleiner Sänger, aber ein grosser Turner, beim Aufsteigen der Gruppe selbstvergessen einen Augenblick stehen blieb, dann aber, als der Mantel auf Manneshöhe vor ihm schwebte, plötzlich wie erwachend hinzusprang, den letzten Zipfel mit beiden Armen packte und solchergestalt frei schwebend mit emporstieg. '}2b^'\i

Unlängst jedoch war es bei dieser malerischen Scene seltsam zugegangen.

Der kleine Sänger fasste eben den massiven untersten Teil des Flugwerks, welches den Mantel darstellte und begann aufzuschweben, als er entsetzt ge- w^ahrtc, dass noch ein zweiter verspäteter J Fahrgast am gegenüberstehenden Zipfel des Mantels hängend hinten nachkam: das krebsrote Kanape begann gleichfalls ganz sachte mit aufzusteigen ein Haken des Flugwerks hatte sich in dem Wollenzeuge verfangen, die Maschine seufzte und stöhnte unter der übermässigen Last und drohte zu brechen, dem Doktor Faust war es sicht- lich selbst nicht mehr geheuer bei seiner Zauberei, das Publikum schwankte zwischen Angst und Lachen, der kleine Tenorist am untersten Mantelzipfel aber klammerte sich mit den Armen immer fester und wehrte mit den Beinen ver- zweiflungsmutig das grosse Kanape ab, welches wie ein Pendel schwindend ihn hinabzustürzen drohte; allein je kräftiger er dasselbe zurückstiess, um so gewaltiger fuhr es ihm in die Beine. So waren sie gegeneinander ringend schon fast bis zur Höhe der Suffitten gekommen, da riss das Wollenzeuo" des Sophas, worin sich der Haken verfangen hatte, und mit lautem Gekrach stürzte das unselige Möbel aufs Podium und brach nebenbei zwei Füsse. Die plötzlich erleichterte Flugmaschine aber schnellte nun doppelt rasch in die Höhe und brachte den Doktor Faust samt seinen Genossen heil und sicher auf den Schnürboden, zum grossen Jubel des aufatmenden Parterres.

So war das grosse Kanape in Ungnade gefallen und für alle Zeit von der Bühne ins Direktionszimmer verbannt worden.

Wie oft habe ich nicht in den Jahren 1848 und 49 nachdenklich vor diesem heillosen Kanape gestanden und in melancholischem Ernste jener Faust- scene gedacht, welche das Möbel hierher gefördert hatte! Sie erinnerte mich gar zu lebhaft an unsere Bühnenleitung, sie war deren dramatisches Sinnbild.

Doch muss ich zunächst erzählen, was das denn für eine Bühnenleifun? gewesen ist, und wie ich mit zu derselben gekommen bin. Das Wiesbadener Hoftheater hatte in der vormärzlichen Zeit bedeutende Zuschüsse aus den Privatmitteln des Herzogs erhalten. Mit der Revolution von 1848 hörten die- selben auf, und das Theater würde zu Grunde gegangen sein, wenn nicht der Landtag eine jährliche Subvention von 20000 Gulden aus Staatsgeldern bewilligt und die Gemeinde gleichfalls in den Säckel gegriffen hätte. Allein Beides nur unter dem Beding, dass die alte Kavaliers-Intendanz aufhöre, dass die Bühne ( reformiert, idealisiert, dass sie konstitutionell verwaltet, das heisst unter eine Oberleitung von Yertrauensmännern gestellt werde, welche dem Ministerium und durch dieses dem Landtage verantwortlich seien. „Vertrauensmänner" gab es damals überall, warum nicht auch im Theater? Diese Vertrauens- männer nannte man die Theaterkummissiou,

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Sie war aber nicht bbs ein Beirat, öon<lorn sie dirigierte wirklich, mit Hilfe der Regisseure, sie ersetzte die gefallene Intendanz. Im ächten Geiste jener Tage war sie verantwortlich nach allen Seiton: nach oben dem Ministerium, nach unten dem Publikum, nach links dem Landtage und nach rechts dem Mao-istrat. Woraus man vielleicht folgern möchte, dass diese Kommission vor lauter Verantwortlichkeit kein Glied habe rühren können; allein wir schrieben 1848, und damals hatte freie Hand, wer den Mut besass, Kopf und Hand zu "•ebrauchen. Und diesen Mut besassen wir.

Die Mito-lieder unsers revolutionären Bühuendirektoriums waren Leute von allerlei Beruf und Zeichen: ein Chemiker, ein Jurist, ein Weinhändler, ein Schriftsteller, ein Philologe und ein Mann, der von seinem Geld lebte. Wenn so mancherlei Geister vereint dem Theater nicht helfen konnten, so war ihm augenfällig überhaupt nicht mehr zu helfen.

Wir teilten uns derart in die Arbeit, dass der Chemiker, der Jurist, der Weinhändler und der Kapitalist die Ökonomie und die Finanzen überwachten, indes der Philolog und der Schriftsteller (letzteres meine Wenigkeit) die künst- lerischen Zügel zur Hand nahmen. Acht republikanisch walteten wir unseres Amtes ohne alles Entgelt und trieben die Strenge der Uneigennützigkeit so weit, dass wir nicht einmal unsern Frauen einen Freiplatz gönnten; wir wollten und sollten blos ehrenhalber Theater dirigieren. Äussere Ehre trugen wir aber demuDgeachtet blutwenig davon. Wir sind meines Wissens während drei Jahren niemals in einer Zeitung gelobt, desto öfter hingegen getadelt worden, und mussten uns also mit der inneren Ehre begnügen.

Wahrlich, wir hatten einen harten Stand. Der Hof mied das Theater, ohne Zweifel, weil er in der neuen Leitung vorab einen groben Protest gegen die alte erblickte; die Demokraten murrten wider uns, weil ihnen das Repertoire zu zahm war, weil wir lieber die Iphigenie gaben als „Keine Jesuiten mehr," lieber den Wallenstein als den ewigen Juden, lieber den Don Juan als „das Weib aus dem Yolke" und überhaupt die Grille hegten, dass die Bühne ein Tempel der Kunst und nicht der Parteipolitik sei. Die Spielpächter mit ihrem mächtigen Anhang wurden uns gram, weil wir Iffland's , Spieler" zu geben wagten, während bis dahin jedes Stück, welches seine Spitze gegen die Spiel- wut kehrte, vom Wiesbadener Theater verbannt gewesen v.-ar. (!) Mancher alte Theaterfreund ward zum Theaterfeinde: denn warum hatte man ihn nicht vor Allen in die Kommission gewählt? (Thörichte Leute, die sichs so gar reizend vorstellen, das Scepter in dem kleinen Königreiche des Theaters zu führen, namentlich wegen der schönen Schauspielerinnen und Sängerinnen! Keinem Menschen erscheinen diese Schönheiten weniger schön als einem Theaterdirektor.) Die zahllosen ehemaligen Freibilleter räsonnierten über uns, weil sie in voller staatsbürgerlicher Gleichheit nun ebenfalls zahlen sollten. Das parteilose Kur- publikum endlich blieb im Sommer aus wegen der unruhigen Zeit und folglich kamen im ruhigen Winter auch die meisten Wiesbadener nicht ins Theater, weil ihnen der Sommer kein Geld gebracht hatte. An gar manchem schönen Tlicateral)en<l hätte man im Parterre Purzelbäume schlagen können, und der Kassierer trug die Tageseiniiahme in der Westentasche heim.

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Trotzdem blieben wir immer hochgemut und hoffnungsfreudig. Die mit den Finanzen betraute Ilillfte unserer Kommission betrachtete sich als eine Art Rettungsmannsclia''t, der es auch durch strengen, knappen Haushalt gelang, das SchifHein durch die Klippen des Bankerotts zu steuern. Aber für sulch verdriessliche Knickerei darf man keinen Dank erwarten. Uns beiden künst- lerischen Führern dagegen, jungen Männern in den sonnenhellsten Jahren, stand der Sinn nach idealem Ziele, nach einer reinen Priestm-schaft des Schönen; man schwärmte damals im deutschen Parlament, in den Kabinetten und auf der Gasse für so vielerlei reine Prie.>terschaft, warum sollten wir im Wies- badener Theater nicht auch für dergleichen schwärmen?

Auf Fausts Mantel flogen wir zum Äther empor, aber das krebsrote Kanape, der garstige Realismus jeder Bühnenleitung, dieses unbemerkt sich einhakende Gespenst, stieg mit uns in die Höhe, und im schönsten Aufschwung sahen wir's entsetzt zu uusern Füssen baumeln, die Flugmaschine ächzte und stöhnte unter dem uuberechneten Ballast, und je mutiger wir ihn zurück- schleuderten, um so gefahrvoller schlug er uns wider die Beine.

Nun werden meine Leser begreifen, warum ich so manchmal seufzend vor dem grossen Kanape auf und nieder ging; und wenn sich die Kommission, um Rats zu pflegen, auf das rote Ungeheuer setzte, dann war es mir allemal, als reite St. Georg auf seinem eigenen Lindwurm, noch bevor er ihm den Rest gegeben."

Soweit die Erinnerungen des Herrn von Riehl.

Dass die „Bürgerkommission" mit hohem Ernst ihre Aufgabe antrat und einen idealen Eifer einsetzte, um das anvertraute Kunstinstitut in würdig- ster Weise zu leiten und zu verwalten, dies beweisen das Programm und die Chronik ihrer Amtsführung.

Den Vorsitz führte der schon mehrfach genannte Regierungsrat Werren. Die sechs anderen Mitglieder waren die Stadtvorsteher Röhr, Zoll mann, Bertram, der KoUaborator Bogler, der Professor Fresenius und also der Redakteur der Nassauischen Allgemeinen Zeitung W. H. Riehl.

Regisseure waren Jaskewitz, Stölzel und Dr. Meyer.

Kapellmeister waren Foreit und Christian Rummel, letzterer gerühmt als ausgezeichneter Pianist und Violinist und als Herausgeber verschiedener Werke für Blasinstrumente; er aber starb schon 1S49; bereits 1848 mel- den die Theaterzettel vielfach seine Erkrankung.") Ihn vertrat demnächst der Kapellmeister Kreutzer.

Die Koloratur-Sängerin war eine Tochter des genannten Hofkapellmeisters Rummel und die dramatische Sängerin ein Fräulein Kern. Fräulein Franziska Rummel bezog eine Monatsgage von 166 Gulden 40 Kreuzern und Fräulein Kern eine solche von 250 Gulden. Letztere gab in der Zeit vom 1. September bis zum Schlüsse des Jahres die Antonina im ,Belisar", die Marie in der „Regimentstochter", Leonore in „Stradella", Leonore in „Fidelio", Alice in „Robert der Teufel", Gabriele im „Nachtlager in Granada", Constanze in , Der Wasserträger", Blondehen in „Btdmoute und Constanze", Mathilde iu

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^Tell", Agathe im „Freigchütz", Lucrezia Borgia, Valentine in den , Hugenotten", die Gräfin in „Figaro's Ilochzeit", Paniina in „Die Zaubor- tlöte", Norma, Jessonda und Desdemona; ihr erhöhtes Honorar erscheint also nur zu berechtigt; doch kaum mindere Kraft musste Fräulein Rummel einsetzen. Sie sang in dem gleichen Zeitabschnitt die Irene im „Belisar", die Elvira in „Die Stumme von Portici", Constanze in „Belmonte und Con- stanze", Margarethe v. Valois in den „Hugenotten", Susanna in „Figaro's Hochzeit", die Königin der Nacht in der „Zauberflöte", Adalgisa in „Norma", Camilla in ,Zampa", Madelaine im „Postillon", die Prinzessin von Na- varra in „Johann von Paris", Henriette in „Der Blitz" (Halevy), Amazili in „Jessonda", Lucia von Lammermoor und die Anna in „Die weisse Dame". Im Sonstigen umfasste die Gehaltsskala der Damen die Spannweite von monatlich 250 bis 20 Gulden abwärts. Mit dem letzteren Einkommen mussten sich die Choristinnen begnügen, die auf den damaligen Theaterzetteln noch unter der Gattung „Demoiselle" figurierten, während den glück- licher veranlagten oder sonst gehobenen Künstlerinnen bereits das Prädikat Fräulein vergönnt wurde.

Der beste Schauspieler der Episode war Joseph Moys Adalbert Weilen- beck, derselbe, der nachmals im Ensemble der Meininger eine so dominierende, die Harmonie des Gesamtspiels überglänzende Rolle spielte. Den 20. Okt. 1820 zu Fiume geboren, betrat Weilenbeck, mit akademischer Bildung versehen, anfangs der vierziger Jahre die Bühne, wirkte 1845 46 in Posen, 1846 47 in Altona und 1848 49 als erster Charakterspieler in Wiesbaden (Mephisto, Perin u. s. w.). Nach einem mehrjährigen Engagement in Prag kehrte er auf ein Jahr 1858 59 nach Wiesbaden zurück; in den sechziger Jahren war er fast durchgehends in Breslau, und seit 1869 Mitglied des Herzoglichen Hof- theaters in Meiningen. In den letzten Jahren fast gänzlich erblindet, war er seit 1879 pensioniert und starb 1885 in Meiningen. Rollen aus seiner Meininger Periode waren: Papst Sixtus V., Shylock, Argan, Attinghausen, Polonius, Alba, Andreas Doria u. dgl. Weilenbecks Verdienste sind von Seiner Hoheit dem Herzog Georg s. Z. durch Verleihung des Ritterkreuzes des Herzoglich Ernestinischen Hausordens geehrt worden.'-)

Weilenbeck gab im Jahre 1848 unter der Bürgerkommission auf der Wiesbadener Bühne unter anderen den Vanderstraaten in „Uriel Acosta", den Fischer Peter Pump in L. Schneiders „Der Ileiratsantrag auf Helgo- land", Wassilowitsch in dem „Lustspiel" der Birch - Pfeiffer: „Steffen Langer aus Glogau", Herzog v. Alba im „Egmont", den Marquis Dixieme in Benedix's „Das bemooste Haupt", den Ersten Arkebusier in „Wallensteins Lager", den Hauptmann von Silberkalb in „Die Karlsschüler", den Shy- lock im „Kaufmann von Venedig", Wurm in „Kabale und Liebe", Präsi- dent Lamoignon in „Das Urbild des TartüfFe", im „Tartüffe" selbst die Titel- rolle, den Kammerdiener Wolf iin „Verschwender", den Benjamin in „Die Valentine", den Mohren im „Fiesko", Rath Presser in „Er muss aufs Land", Ritter Hotham in „Zopf und Schwert", Marchese Appiani in „Dornen

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und Lorbeer" (C. Lafont), Bruder Loronzo in „Romeo und Julia" und Gene- ral von rfrumbkow in „Prinz Friedrich" (Laube).

lu welcher der engagierten Schauspielerinnen wir daa L^rbild der Sylvia Hut bland der Rie hl' sehen Novelle zu suchen haben, bleibt verborgen, und der Dichter selbst «rmiinteit nicht zum Forschen. „Für neugierige Kinder", sagt er, „ist diese Novelle nicht erzählt. Ich meine für Kinder, welche gar zu gerne wissen möchten, wer denn die handelnden Personen eigentlich gewesen sind, wer hinter der Maske steckt, wer dem Erzähler Modell gesessen. Darum hüte man sich, nach jenem „Ich" zu forschen, welches hier erzählt . . ., vor allem aber, wer denn jene schöne Sylvia Ruthland eigentlich gewesen, welche im November 1848 beim Wiesbadener Hoftheater fürs naive Fach engagiert wurde. Sylvia Ruthland hat im Leben viele gescheite Leute gefoppt, sie würde dann im Buche auch noch Thoreu foppen. In dieser Novelle ist alles erlebt; aber die Novelle ist nicht erlebt."

L^nter den Damen, welche dem Wiesbadener Verbände selbst angehörton, gaben Frl. Fürst Rollen wie die Prinzessin Wilhelmine in „Zopf und Schwert", Fenella in „Die Stumme von Portici', Laura in „Die Karlsschüler", Freiin von Geldern in „Die Valentine", Lorle in „Dorf und Stadt" u. s. w., während Aufgaben wie Franziska von Hohenheim in „Die Karlsschüler", Porzia im „Kaufmann von Venedig", Lady Milford in „Kabale und Liebe", Julia in „Fiesko" u. s.w. in den Händen der Frau Flindt ruhten. Dieselbe bezog eine Jahresgage von 960 Gulden, w^ährend diejenige des Fräulein Fürst 1100 Gulden betrug.

Die Rolle des Egmont'schen Klärchen, in welcher die schöne Mainzer Naive Riehls die Bürgerkommission wie das Publikum so sehr entzückte, gab am 8. Oktober 1848 Fräulein Franziska Wagner vom Hoftheater zu Bern- burg als Gast. Möglich immerhin, dass in dieser Gastvorstellung gerade das Samenkorn der Riehl'schen Fabel Boden fand. Höchst sonderbarer Weise fehlt auf dem Personen- Verzeichnis der Egmont- Aufführung vom 8. Oktober Mar- garethe von Parma. (!) Unter sonstigen gastierenden Schauspielerinnen sind zu nennen: Frl. Dann vom Stadttheater in Frankfurt a. M. die am 26. September die Judith in „Uriel Acosta" gab (und engagiert wurde) und am 2. Nov. die Louise Millerin, sowie Frl. Rosa Götz vom Theater zu Wesel, die am 9. November 1848 die Parthenia in Friedrich Halms „Der Sohn der Wildnis" und am 19. November die Leonore in „Fiesko" spielte. Übrigens blieben sie nicht die einzigen Künstlerinnen, welche gastierten; denn auch die Bürgerkommission scheint auf häutige Gastspiele jenes Gewicht gelegt zu haben, welches für jedes höhere gedeihliche schauspielerische Zusammen- wirken sich immer aufs Neue als höchst verhängnisvoll erweist, wie ich in meiner Besprechung von Dr. Otto Weddigen's rühmlicher Geschichte des Theaters in Wiesbaden (Wiesbaden, C. Schnegelberger & Co. 1894) in den Brock- hausischen „Blättern für litterarische Unterhaltung" des Näheren be- gründet habe und wie das letzte Gastspiel Friedrich Haase's auf der Wies- badener Hofbühne nur zu eklatant wiederum bewiesen hat, und dieses leider in Lessings „Emilia Galotti ■*.'')

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Was nun die Passepartouts anbetrifft, welche nach den Rie hl' sehen Mitteilungen die Bürgerkommission auf ein Minimum bemass, da ihr jede Libe- ralität in dieser Hinsicht als Raub an der Würde ihres Kunstinstituts sreo-olten hätte, so wird auch hier die Sachlichkeit der RiehTschen Darstellung durch die Urkunden bestätigt, deren Einsichtnahme in der Bibliothek des Hoftheaters mir seitens des Intendanten der Königlichen Schauspiele, Herrn Kammerherrn Baron von Hülsen, auf das Freundlichste gestattet war.")

Wenn wir von dem Theaterpersonal als zur engeren Hausgenossenschaft des Theaters gehörig absehen wollen, so hatten ständige Freibillets eigentlich nur der Kassenführer Low, der, wie wir wissen, zu oft nur den Reingewinn des Gesamtstrebens in der Westentasche nach Hause tragen konnte, der Poli- zeibeamte und der Theaterarzt. Im übrigen waren den Damen des Theaters ganz wie heute Prosceniumslogen eingeräumt, während den Schauspielern, ähn- lich wie heute, das Parterre überwiesen war. Nur den drei Regisseuren Jaskewitz, Stölzel und Dr. Meyer, wie den beiden Kapellmeistern Foreit und Rummel waren, wie dem Polizeihauptmann und dem Theaterarzt Sperr- sitze bewilligt, während den sieben Kommissionsmitgliedern und ihrem Rechnungs- führer alle Rangklassen des Logenhauses wenigstens für ihre eigenen opfer- freudigen Personen zur Verfügung standen.

Und diese Vergünstigung allerdings hatten sie redlich verdient. Denn was die ideale Seite der Kommissionsverwaltung angeht, so kann die Geschichts- schreibung des Wiesbadener Theaters nicht umhin, ihr das beste Zeugnis und das höchste Lob auszufertigen. Sowohl auf dem Gebiete des Dramas wie dem der Oper leistete sie in den drei Monaten, die in die Grenzen dieses Themas fallen, ausserordentliches. Ihr Spielprogramm hielt sich auf der absoluten Höhe ihrer Zeit. In den paar Wochen vom September bis zum Jahresschlüsse führte sie auf dem Gebiete des klassischen Schauspiels , Romeo und Julia", „Kauf- mann von Venedig", ^Egmont", „Kabale und Liebe", Wallensteins Lager" und „Fiesko" auf, während sie doch zugleich den Dramatikern des jungen Deutsch- lands Gutzkow und Laube, sowie Raupach und Freytag, Carl Töpfer und Friedrich Halm liebevoll die Hand reichte, ohne freilich Stärke genug zu besitzen. Frau Birch aus dieser Gesellschaft fernzuhalten. Dafür fehlte gänzlich Heinrich von Kleist. Seine Stunde war noch nicht gekommen. So gingen Laubes „Prinz Friedrich'' und „Karlsschüler", Gustav Freytags „Die Valentine", vor allem Gutzkows „Uriel Acosta", „Urbild des Tartüife" und „Zopf und Schwert" in Scene, während doch für „König Rene's Tochter", Deinhardsteins „Hans Sachs", ein Stück, das immerhin minder kläglich ist als das sogenannte Festspiel G. Burckardts, und das Lorle der Birch-Pfeiffer Zeit erübrigt wurde. Die besten Lustspiele der Epoche stellte auch damals Frankreich: Molieres ,Tartüffe", Dumanoirs „Der handgreifliche Beweis", ßayards „Er muss auf's Land"; und Raimunds unverwüstlichem „Ver- schwender" fjlgteu am 9. Januar 1840 zum Entsetzen der Spielpächter Ifflands „Spieler".

Mau muss gestehen, für den Zeitraum von einem Vierteljahr hatte die Kom- mission an Fülle des Gebotenen Erstaunliches geleistet und, der neuen Freiheit

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froh, losgelöst; von den Fesseln polizeilicher Ccnsur und höfischer Etikette, ihr Wollen und Können ausschliesslich in den Dienst des Ideals gestellt. Die Leitung der Schauspiele ruhte in den Händen des um Wiesbaden vielfach verdient gewordenen Gymnasiallehrers Bogler.

Auf dem Gebiete der Oper war Riehl selbst, bekanntlich einer der tiefsten Kenner deutscher und ausländischer Musik um! Musikgeschichte, der leitende Geist. So entfaltete sich das Repertoire in gleichem Reichtum, ohne dass eine klassicistische Einseitigkeit gegen das Publikum Bildungsexperimente von frag- würdigem Erfolge verübt hätte. So folgten sich Bellini und Cherubini, Rossini, Herold und Boieldieu, Lortzing, Donizetti, Weber und Halevy, Mozart und Beethoven, Kreutzer, Flotow und Meyerbeer, Auber und Spohr in rascher Folge und buntem Wechsel mit „Don Juan", „Jessonda", „Regimentstochter", „Entführung aus dem Serail", „Stradella", „Fidelio", „Robert der Teufel", „Hugenotten", „Stumme von Portici", „Zauber- flüte", „Postillon von Lonjumeau", „Nachtlager in Granada". ,Die Puritaner", „Der Wasserträger", „Pretiosa", „Teil", „Freischütz", „Figaros Hochzeit", „ZauberHöte", „Norma", „Zampa", „Johann von Paris", „Der Blitz", „Die beiden Schützen", „Lucia von Lammermoor", „Die weisse Dame", „Othello" und dies alles in dem einen engbemessenen Vierteljahr, während das neue Jahr Webers „Oberen" mit freundlicher Verheissung am 1. Januar 1849 einleitete!

So war denn der tragikomische Fall eingetreten, dass das Hoftheater des Herzogtums Nassau unter der Direktion eines städtischen Komitees einen un- leugbaren Aufschwung nahm, während finanzielle Bedrängnisse nicht aufhörtet), seine Existenzmösrlichkeit in Fragre zu stellen. Immerhin war der Wiesbadener Bühne aus dem Märzsturm des Jahres 1848 eine Epoche der Blüte erwachsen, in welcher der geistige Rang des leidgeprüften Instituts an ästhetischer Geltung gewann, was ihm für äussere Glanzentfaltung fürs Erste genommen blieb, da der Souverän die landesväterliche Hand der universellsten Kunstanstalt seines Volks entzogen hatte.

Noten.

^ Eine definitive Erieüigung fand die Angelegenheit erst 1861. Vgl. F. C. Medicus, Die t'iinfundzwanzigjährige Regierung Seiner Hoheit des Herzogs Adolph von Nassau. Wiesbaden, Feller & Gecks, 1864. S. 72: .,Herzog Adolph hat sich das hohe Verdienst erworben, dass er den lange bestandenen, bedauerlichen Domänenstreit zum Ab- schlüsse gebracht hat, indem nach eingeholter Zustimmung der Agnaten unterm '2'^. Januar 1861 eine Vereinbarung mit den Landständen abgeschlossen worden ist, deren hauptsächlichste Bestimmung ist, dass von der reinen Einnahme der Domänen zehn Prozent zur Landessteuer- kasse fliessen und für Landesbedürfnisse verwendet werden," Karl Braun- Wiesbaden freif lieh ist wesentlich anderer Ansicht. Vgl. unten.

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'^) August Ilorgcnhiihn war am 1*5. April iNtM zu Usingen geboren und starb am 20. Dezember 1S74 zu "Wiesbaden. In der Mitte der 1840er Jahre in den nassauischen Land- tag gewählt, trat er bald an die Spitze der sich regenden Opposition und wurde Präsident der Deputiertenkamraer. Im März 1848 stand er an der Spitze der Bewegung in Nassau. Seiner Entschiedenheit war es wesentlich zu verdanken, dasa die sehr aufgeregten Massen, namentlich die ländliche Bevölkerung, von Ausschreitungen in "Wiesbaden zurückgehalten wurden. Während die Beliörden des Herzogtums alles Ansehen verloren hatten, gelang es Hergenhalin mit Hilfe der Sicherheits-Ausschüsse die Ruhe und Ordnung im ganzen auf- recht zu halten. Vgl. Allg. Deutsche Biographie. Leipzig 1880. Bd. 12. Er allein, der übrigens auch Präses des ^Sioherheits-Comites" war, hat Nassau im Fünfziger-Aus- schuss vertreten. In die Paul skir che waren neben ihm Max von Gagern, Schenok, Schepp, Friedr. Schulz und Hehner von Nassau deputiert. Vgl. W. H. Riehl, Nass. Chronik des Jahres 1848. Wiesbaden 1849.

.,Auf einstimmigen Wunsch des Landes", berichtet die Allg. Deutsche Biographie a. a. O. weiter, ^wurde Hergenhahn am 16. April 1848 vom Herzog Adolph unter Ernen- nung zum Präsidenten mit der Leitung des Staatsministeriums unter ministerieller Verant- wortlichkeit beauftragt", und über diese seine Amtsführung fällt K. Braun (Bilder aus der deutschen Kleinstaaterei, Bd. II. S. 252) folgendes Urteil: ^Das Ministerium Hergenhahn regierte streng konstitutionell, nicht blos dem Lande, sondern auch dem Fürsten gegenüber. Als der letztere diese Bahn verliess, trat es ab. Diese kurze Periode einer Verfas- sung und Gesetz heilig achtenden Verwaltung betrachtete der Herzog als eine ebenso ord- nungswidrige, als für ewig überwundene Episode, auf welche er stets mit einem Gefühl der Demütigung, des Grimmes und der Bitterkeit zurückblickte. Noch 14 Jahre später Hess er dies den Minister H. fühlen, den er doch 1848 gar nicht genug mit Lobeserhebungen über- häufen konnte."

^) Sie lautete (vgl. Extrabeilage zu No. 4 des Verordnungsblattes des Herzog- tums Nassau vom 3. März 1848):

Den 5. März 1848. Landesherrliche Proclaraation.

Getreue Nassauer !

Gestern Nachmittag von einer achttägigen Reise zurückgekehrt, liabe ich die ausser- ordentliche Lage des Landes erfahren. Ihr habt von mir gefordert:

1. Allgemeine Volksbewaffnung mit freier Wahl seiner Anführer, namentlich sofortige

Abgabe von 2000 Flinten und Munition au die Stadtbehörde von Wiesbaden,

2. Unbedingte Pressfreiheit.

:i. Sofortige Einberufung eines deutschen Parlaments.

4. Sofortige Vereidigung des Militärs auf die Verfassung.

5. Recht der freien Vereinigung.

«. <)frentlichkeit. öffentliches mündliches Verfahren mit Schwurgcrichteii.

7. Erklärung der Domänen zum Staatseigenthum, unter Controle der

Verwaltung durch die Stände.

8. Sofortige Einberufung der zweiten Kammer lediglich zur Entwerfung eines neuen

Wahlgesetzes, welches auf dem Hauptgrundsatz beruht, dass die Wählbarkeit nicht an einen gewissen Vermögensbei-itz gebunden ist. 'J. Beseitigung aller Beengungen der uns verfassungsmässig zustehenden Religions- freiheit.

Diese Forderungen, deren Gewährung Euch mein ^linister versprochen und meine Mutter und mein Bruder mit Ihrem Namen verbürgt haben, genehmige ich uml werde ich halten. Habt Vertrauen auf mich, wie ich Vertrauen habe auf Eure Treue, und Muth, wenn das Vaterland bedroht ist und Eurer bedürfen sollte,

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Die erste dieser Forderungen, die Volksbewaffnung, hat sich bereits gestern bewährt durcli die niuthige und treue Haltung der Bürgergarde von Wiesbaden und ich recline darauf dass sie auch überall im Lande mit Ordnung in Ausführung gebracht wird.

Getreue Nassauer! Jetzt gilt es Ordnung und Ruhe aufrecht zu erhalten; diess ist um so nothwendiger in einer selbstständigen freien Gemeinde-Verfassung, die ich Euch gerne geben werde.

Nassauerl wie ich mich auf Euch verlasse, so verlasst Euch fest auf Euren Herzog.

Wiesbaden, den 5. März 184S. Adolph.

Je länger, je weniger vermochte sich dennoch der Herzog mit der Sachlage, welche der siebente Paragraph seiner Proklamation geschaffen hatte, zu befreunden, und sihon im nächsten Jahre trat dieser hässliche Mein- und Dein-Prozess eines Souveräns mit seinem Volke in ein neues Stadium der Entwickelung :

,Ende 1849'' (vgl. Karl Braun a. a. 0. S. 251), ^als es mit der „Revolution" schon vor- bei war, vereinbarte eine liberal-konservative, dem Herzog Adolph aufrichtig ergebene Kammer eine Verfassung mit ihm, welche auch den Domänenstreit erledigte. Der Friede war ge- schlossen. Das Land hielt ihn. Der Herzog nicht.

Diese feierlich paktierte und publizierte Verfassung hob der Herzog Ende 18.51 einseitig auf, angeblich wegen der darin enthaltenen Grundrechte, in Wirk- lichkeit wohl, um die Staatsdomänen, deren publizistischer Charakter in jener Verfassung ausser Zweifel gestellt war, für fürstliches Privateigentum zu erklären." Soweit Karl Braun- Wiesbaden. Im weiteren deduziert er gerade aus dem Domänenstreit Konsequenzen, welche für die Dynastie tötlich wurden.

Leider sind die Akten, welche sich auf die 1848er und sonstige Phasen des Domänenstreits beziehen, nach persönlichen Mitteilungen des städtischen Archivars Herrn Dr. Spielmann verschwunden.

*) Dieser Kündigungsakte vermochte ich leider, trotz aller Bemühungen, nicht habhaft zu werden.

'") Vgl. hier und im folgenden: Verhandlungen der Stände-Versammlung des Herzogthums Nassau von dem Jahre 1848. Bd. IL Wiesbaden, Druck der L. Schellen- berg'schen Hof-Buchdruckerei. S. 1 ff.

*) Interessant ist die zeitgenössische Charakteristik des Redners, die W. IL Riehl entwirft in seiner immer seltener werdenden Broschüre: Nassauische Chronik des Jahres 1848. Das ist: die Geschichte der Erhebung des Nassauischen Volkes. (Einzel- Abdruck aus der , Nassauischen Allgemeinen Zeitung"). Wiesbaden 1849, Druck und Verlag der L. Schellenberg'schen Hof-Buchhandlung. Er sendet Porträtskizzen der uns bereits bekannt gewordenen Redner Lang und Justi voraus: „Die hervorragendsten Physiognomien unserer Volkskammer zu skizzieren, ist nicht leicht, weil wir eben überhaupt gar wenig Ori- ginalität in derselben zu finden vermögen. Beginnen wir mit der äussersten Ecke der Linken, 80 begegnet uns hier der Abg. Lang, der, ganz auf den Grundsätzen der ausgetretenen Minorität des Vorparlamentes fussend, seine demokratischen Schlagwörter voranstellt, und nun die Thatsachen denselben anpasst, mögen sie wollen oder nicht. Bei dieser Prokrustesarbeit verfährt Lang am konsequentesten von seinen Parteigenossen, wie er denn auch in der Sprache am derbsten und ungeniertesten Farbe bekennt. So lange es sich um allgemeine Erörterungen handelte, befand er sich in seinem Elemente, als es aber Spezialitäten der Gesetzgebung zu erledigen galt, nahm er selten mehr an der Debatte teil, weil hier freilich die paar geläufigen republikanischen und sozialistischen Kategorien nicht mehr ausreichten. Lang bildet die Spitze der kleinen Fraktion, welche im Prinzip und um des Prinzipes willen „ächte" Demo- kraten sein wollen, welche gegen die Regierung als solche Opposition machen. Justi hat sich viel mit philosophischen Studien befasst was man den meisten anderen Mitgliedern aber nicht zum Vorwurf machen kann. Er machte anfangs öfters den Versuch, die modernen

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Demokraten hegelisch zurecht zu legen, fand jedoch, wie es scheint, bald, dass er hierfür in Nassau ein sehr undankbares Publikum habe und hielt sich nachgehends mehr an das Xächst- liegeude. Praktische. Jedenfalls ist es aber rühmend anzuerkennen, dass er jenem cynischen Radikalisrans entgegentrat, welcher Wissenschaft und Kunst als einen Luxusartikel über Bord geworfen wissen will, wie er sich ein paarmal mit empörender Roheit in unserer Kammer bereit machte. Grundverschieden von diesen Oppositionsmannern so setzt dann Rahts Charakteristik ein ist der Abg. Raht, der zwar erst später in die Kammer eintrat, docli aber sehr rasch der Führer seiner Partei wurde und sicherlich den Bund der Linken mit den Bauern am meisten vermittelt hat. Ein alter Jurist, von musterhafiem Fleisse, strenger Ordnungsliebe und zäher Ausdauer schlug er einen ganz anderen Weg ein, als jene Männer des puren demokra- tischen Prinzips, welche mit ein paar Worten, mit Volkssouveränitüt" und „revolutionärem Boden", in drei Tagen den ganzen Staat niederreissen und wieder aufbauen wollten. Er hielt sich an die Kritik der Einzelstaaten, spürte jeder, auch der unbedeutendsten Regierungsmass- regeln nach, um zu sehen, ob es da nichts zu verneinen und anzuklagen gäbe, und während die Oppositionsmänner des Prinzips mit ilirem schweren Geschütze immer in die Luft schössen, haben seine rastlosen Phinkeleien doch manchmal getroffen und verwundet. Übrigens war dies kein Wunder; denn wer im ganzen Lande mag die Schliche der alten Bureaukratie aus eigener Erfahrung genauer kennen, als der Abgeordnete Raht? Er taugte so gewiss zum Oppositionsmann, wie reuige Sünderinnen zu Betschwestern. Weil sie nämlich die Sünde von Grund aus studiert haben, verstehen sie sich auch um so gründlicher auf die üusse. In der trockenen Darstellungsart, dem unermüdlichen Aufpassen und Einspringen, der zähen Ausdauer hat Raht grosse Ähnlichkeit mit dem alten Itzstein. Jedenfalls hat die Rechte keinen auch nur halbwegs so eifrigen Verfechter ihm an die Seite zu stellen (a. a. 0. S. 4-t, 45).

") Woher dem Redner diese litterarhistorische Offenbarung geworden, ist allerdings un- ergründlich. Am 18. Januar 1796 sandte Schiller das Epigramm an Goethe mit der Überschrift: „Die Gesundbrunnen zu N. X." Ebenso titulierte es Eduard Boas, der das Original- Xenien-Manuskript von Eekermann zur Herausgabe erhielt. So überkam die kostbare Hand- schrift und ihre von Boas bereits vollendete Bearbeitung Wendelin von Maltzahn, der sie 1.H36, Schillers Tochter Emiüe Freifrau von Gleichen-Russwurm gewidmet, herausgab (Schillers und Goethes Xenien- Manuskript, Berlin 1856).

Daselbst findet sich zu unserem Distichon die Glosse: „Eine Reminiscenz (??) aus dem Jahre 1791, wo Schiller in Karlsbad war, um dort den Brunnen zu trinken. Wir besitzen eine hübsche Zeichnung von ihm aus jener Zeit, die wir seinem Freunde, dem Maler Johann <'liristian Reinhard 'geboren 1761, gestorben in Rom 1847) zu danken haben. Der Dichter, mit leichtem Sommerrock und breitkrämpigem Hute angethan, sitzt quer auf einem Esel, behag- lich sein Pfeifchen rauchend. Übrigens schreibt Schiller den 12. Juni 1795 an Goethe: „Der Sprudel ist eine schlechte Hippokrene, mindestens so lange er getrunken wird" iS. 95).

Es musste schon «lamals auffallen, dass Boas in seinem 1851 bei Cotta erschienenen Werke: Schiller und Goethe im Xenienkampf, Teil 1. 2. zwar dieselbe Erklärung be- reits gegeben hatte, aber die damalige Aufschrift: „Gesundbrunnen zu C***" (Teil 1, Seite 88) mit der ursprünglichen des Schiller -Goethe'schen Briefwechsels vertauscht hatte. Die Karlsbadhvpothese geht augenscheinlich auf K. Hoffmeisters , Nachlese zu Schillers Werken'- zurück, der sich seinerseits in fast durchgängiger Abhängigkeit von der im Jahre 18:J3 erschienenen Ausgabe der Xenien durch G. Lösch in erweist (Danzig. 220 S.). Genug, dass Schillers Autorschaft als solche zweifelloser ist, als bezüglich manches anderen dieser Distichen, die bekanntlich seine Frau in einem Exemplar des Musenalmanachs aus späterer Erinnerung als Eigentum ihres Gatten oder Goethes mit einem „Seh" oder „G" zu kennzeiclinen suchte. Irgend welche Bezüglichkeit des hier in Frage stehenden Epigranimes auf Karlsbad ist abzu- lehnen, wie denn die kritische Ausgabe Karl Goedekes zu dem mystischen „Karlsbad" der Löschin, Hoffmeister und Boas bemerkt: „müsste doch wenigstens Bühmen heissen; ebenso gut können die schaumburgischen und waldeckischen Ländchen gemeint sein, mitPyrmont, Driburg, Elisen u.a. Mineralquellen." Schillers sämtl. Schriften. Historisch -kritische Ausgabe. Teil II. Gediclite. Stuttgart 1871. S. 111. Mit welchem

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Rechte seinerseits unser Redner die Scliiller'sohon Verse "Xassau vindiziert, l)Ieibt, wie "»esa^t fürs Erste näher zu ergründen; sowoiil im Briefwei^hsel, wie im Xenien-Miiniiskript werden übrigens ^Bilche'- an Stelle der ^Flüsse" genannt, die zum erstenmal im Musenalmanach für 1797 in ihren nunmehr innerhalb der Lesarten dominierenden Rang eintreten.

'^) Übrigens führte der Abgeordnete Dr. Leisler seine Sache nicht nur vom Standpunkt des Idealismus aus, sondern wusste seinem Votum auch rechnerisch als praktischer Mann gewichtigen Nachdruck zu geben. „Um diese meine Ansicht auf unseren Staat anzuwenden" führte er aus, ^erlaube ich mir zu untersuchen, ob unsere pekuniären Verhältnisse eine solche Ausgabe gestatten. Befänden wir uns in der Lage, nicht im Besitze der Mittel zu sein, so durften wir die Ausgabe nicht machen. Ich glaube aber, dass wir in der Lage sind, und dass der Staat dazu verpflichtet ist. Das Theater zu Wiesbaden ist, wie mehrere Redner bereits angeführt haben, und was ich als anerkannte Thatsache voraussetzen darf, mit einem Kostenaufwand von 220000 fl. gebaut worden und zwar auf Veranlassung der Regierung. Die Stadt Wiesbaden hätte das Theater nicht gebaut, wenn ihr nicht die Versicherung gegeben worden wäre (zwar nicht mit Worten, aber stillschweigend), dass künftig in dem Theater gespielt werde. Die Stadt würde gar niclit auf den Gedanken gekommen sein, zu bauen, wenn sie hätte annehmen können, dass nicht gespielt werde. Wenn nun das Spiel im Theater auf- liört, so ist das Geringste, was die Gerechtigkeit erfordert, dass man wenigstens von seiten des Staates der Stadt das Gebäude abnimmt. Wenn man von den Kosten eines Neubaus spricht, so muss das Kapital zu 6 Prozent angeschlagen werden, nämlich 4 Prozent Zinsen, 1 Prozent Unterhaltung und 1 Prozent dafür, dass das Baukapital schwindet. Wenn Sie diese von dem aufgewendeten Kapital berechnen, so hat die Stadt einen Nachteil von 13000 fl., das Exigenzbedürfnis, welches wir auf alle Fälle zu tragen haben, beträgt 17000 0. Es wäre also eine Ausgabe von :jOOOO fl. notwendig. Die Rücksichten für Wiesbaden sind von mehreren Rednern schon angeführt worden, die Stadt hat direkte Ausgaben gehabt, man kann annehmen, dass für mindestens 200000 fl. Häuser in Wiesbaden wegen des Theaters gebaut wurden. Ich schliesse mich dem Antrage der Abgeordneten Creutz und Fresenius an".

**) Die „Freie Zeitung" erschien zum erstenmal am 1. März 1848 (Verlag von H. Fischer und C. Ritter, verantwortlicher Redakteur: Heinrich Fischer); die „Nassauische Allgemeine Zeitung" (Verlag der Hofbuchdruckerei Schellenberg) am 1. April d. J. (verantwortlicher Redakteur: W. H. Riehl).

1") W. H. Riehl, Neues Novellenbuch. Stuttgart 1867.

^\) Über die Familie Rummel berichtet H. Reimann, Musiklexikon. Aufl. 4. Leip- zig 1894. Christian Rummel war geboren am 27. Nov. 1787 zu Brichsenstadt in Bayern und starb am 13. Febr. 1849 zu Wiesbaden, woselbst er von 1815 an Kapellmeister gewesen war.

^^) Diese Notizen verdanke ich der gütigen Auskunft der Intendanz des Herzogl. Sachsen- Meiningen'schen Hoftheaters, im besonderen Herrn Hoftheater- Direktor Paul Richard.

^^) So musste ich mein Urteil über die Mitthätigkeit Herrn H aase 's bei dieser Wies- badener Aufführung mit den Worten schliessen: „. . . Hr. Haase gab trotz der metallischen Leere seines Organs meisterhaft den Marinelli. Dass er in der Appiani-Scene mit vordräugen- der Grandezza rechtlos den Mittelpunkt usurpierte (auch dem Grafen gegenüber musste er der geschmeidige Höfling bleiben), wurde bemerkt, im sonstigen wäre es so geschmacklos wie nutzlos, Herrn Friedrich Haase am Schlüsse seiner Bahn noch mit jener und dieser kritischen Note ennuyieren zu wollen. Die Geschichte der deutschen Schauspielkunst, welcher sein Name schon heute unauslöschlich angehört, wird das vornehme Virtuosentum, mit welchem er seine Zeit begeisterte oder bestach— gleichviel! einst mit objektiver Unbefiingenheit analysieren. Seine Laufbahn ist über den Höhenzug einer Rollenreihe von ausgesuchter Distinktion gegangen und ein eifektreiches U eher einander hat Herrn Haase immer höher gestanden, als ein harmonisches Nebeneinander, da er sich dessen zu gut bewusst war: auch in der Schauspiel-

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kunst sind wenige auserwählt. So hat er, um sein Bild zu retten, zu oft nur das Bild geopfert, wie er gestern die Appiani-Rolle nahezu erdrückte.'' (Wiesbadener General- Anzeiger, 21. Februar 1896.)

'*) Neben der Intendanz der Königlichen Schauspiele haben mich auch das Königliche Staatsarchiv zu "Wiesbaden, wie das Grossherzoglich Luxemburgische Oberhofmarschallarat bezw. die Grossherzoglich Luxemburgisehe Finanzkammer zu Biebrich durch positive oder neo-ative Auskünfte über z. T. zeitraubende Fragen auf das Freundlichste unterstützt, beson- ders aber die Königliche Regierung zu Wiesbaden durch ein ausführliches Verzeichnis ihrer 3. Z. von Biebrich überkommenen und an das Königliche Theaterarchiv s. Z. abgegebenen Chronikalien und Urkunden zur Wiesbadener Theatergeschichte zu grossem Dank verbunden. Denselben spreche ich auch Herrn Bürgermeister Hess zu Wiesbaden und dem städtischen Archivar Herrn Dr. Carl Chr. Spielraann, sowie dem Bibliothekar des Königl. Hoftheaters Herrn Kammermusikus Stamm für die Bereitwilligkeit aus, mit welcher mir die Herren in die bezügl. Aktenbestände des Rathauses resp. Hoftheaters wiederholte Einsicht gewährten

Römische Münzen aus Wiesbaden und Umgegend im Altertums-Museum zu Wiesbaden,

Von

Dr. E. Ritterling.

Eine Zusammenstellung aller in Wiesbaden gefundenen römischen Münzen ist öfter geplant und versprochen worden, aber nie zur Ausführung gekommen. Völlig nachholen lässt sich diese Versäumnis jetzt nicht mehr; denn die bei den Bauten und Ausgrabungen unseres Jahrhunderts in der Stadt massenhaft zu Tage geförderten Münzen sind grossenteils ohne Rücksicht auf Fundort und Fundumstände zerstreut, bei anderen in das Museum gekommenen sind die Fundnotizen zu allgemein gehalten oder ganz wieder verloren gegangen. Es ist dies um so mehr zu bedauern, weil für die Verwertung gerade der Münzen als historischer Zeugnisse das Material nie zu umfangreich sein kann, um die Sicherheit der daraus auf statistischem Wege zu gewinnenden Ergebnisse zu erhöhen. Im Folgenden soll eine Beschreibung wenigstens der in den Besitz des Altertums-Museums gekommenen Wiesbadener römischen Münzen gegeben werden, wobei diejenigen Stücke, w^elche nach zuverlässigen handschriftlichen oder gedruckten Notizen in die Sammlung gelaugt sind, sich aber dort nicht mehr mit Sicherheit identifizieren lassen, mit einem Sternchen hinter der Nummer bezeichnet sind.

Da die wissenschaftliche Verwertung einer Sammlung wie der hiesigen in erster Linie von dem Nachweis abhängig ist. wann, wie und woher die einzelnen wesentlicheren Bestandteile ihr einverleibt sind, empfiehlt es sich, einen kurzen Überblick über die Geschichte und Entwickelung des römischen Münzkablnets vorauszuschicken.

Schon unter den ersten für das Vereinsmuseum eingelaufenen Geschenken befanden sich einige Münzen: in einem „Verzeichniss der zu dem zu errichtenden Museum des Vereins für Nassauische Alterthuraskunde und Geschichtsforschung bis dato eingekommenen Beiträge", datiert vom 28, Juni 1822 und angefertigt von dem Rechnungskammerdirektor Ebhardt (Akten und Protok. des Vereins für Nassauische Altertumskunde 1821 24, No. 35) heisst es unter anderem: . . . „von Herrn Pfarrer Raidt zu Kirdorf 6. eine silberne römische Münze, auf

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(1er einen Seite ein gehelmter Kopf mit der Beischrift ROMA, 7, eine Kupfer- münze von Constantius, 8. eine dito, auf der einen Seite ein Kopf, auf der andern ein Genius mit den Buchstaben TN, . . . von Herrn Medizinalrath Rull- mann 11. ein kupferner Vespasian, auf dem Neresberge gefunden, . . . von Herrn Geh. Domänenrath Rössler 13. ein kupferner Constantin, vor dem hiesigen Kur- saal gefunden, von Herrn Medizinalrath Mylius zu Caub 14. ein silberner Do- raitian, 15. ein silberner Trajan, 16. ein silberner Posthumus, alle drei sehr schön'), von Herrn Justizrat Conradi 17. ein kupferner Vespasian . . ." Aber wenn auch in der nächsten Zeit noch öfter solche Schenkungen einzelner Münzen erfolgt sind, die Begründung einer eigentlichen Münzsammlung des Museums geht zurück auf den Ankauf der Sammlung des Bibliotheksekretärs Zimmer- mann, der damals zugleich die Geschäfte eines Kassierers des Vereins führte. In einem an den Vorstand gerichteten Schreiben ohne Datum, aber versehen mit dem Vermerk „prä3.''(entiert, offenbar dem Direktor) „18. Februar 1824", bietet Z. seine Sammlung zum Ankaufe an (Akten 1821 24, No. 96); er ver- anschlagt darin „die Silbermünzen im Durchschnitt zu 2 Francs, wovon jedoch ausgenommen sind 1. ein Augustus, 2. ein Otho, 3. ein Pertinax, 4. ein Con- stantius'', (soll heissen Constantin) „von denen ein jeder auf 6 8 Francs mich zu stehen kommt, die Bronzemünzeu von mittlerer Form im Durchschnitt zu 24 kr., jene der kleineren Form zu 10 kr., die Medaillen" (d. h. Grosserze) „zu 3 H., zwei Goldmünzen 1. einen M. Aurel zu 18 fl., 2. einen Honorius zu 10 fl." In der Vorstandssitzung vom 19. Februar 1824 (Akten 1821/24, No. 97) wurde dieses Anerbieten im Prinzipe angenommen „und ist daher H. Zimmermann i)i couiinpjäi ersucht worden, ein vollständiges Verzeichnis der von ihm zu überlassen- den Münzen mit Angabe der Preise dem Direktorio zu übergeben, worauf dieses praevia collatione die Ermächtigung erteilen werde, den Betrag in Rechnungs- ausgabe zu bringen." Der endgültig festgesetzte Kaufpreis von 143 fl. 48 kr. wurde aber erst am 20. Mai 1824 zur Verausgabung angewiesen") und der zweiten Generalversammlung am 28. Mai d. J. von dem vollzogenen Ankaufe Mitteilung gemacht (Annal. I, 1. 149). Das vor dem Ankaufe^; angefertigte, ziemlich sorgfältige Verzeichnis ist, von Z.'s Hand geschrieben, noch vorhanden; nach demselben bestand die Sammlung aus den beiden oben erwähnten Gold- münzen von Marc Aurel und Honorius, 65 Silbermünzen, 15 Grosserzen, 59 Mittelerzen und 75 Kleinerzen, „ausserdem noch 6 Münzen in Kleinerz, teils doppelt, teils unleserlich", insgesamt also aus 222 Stück. Fast genau dieselbe

'3 Das Original des Begleitschreibens zur Übersendung dieser drei Münzen befindet sich ebenfalls bei den Akten (1S21/24, No. 25); sie sind danach in Oberwesel gefunden.

'^) Nach einem Vermerk auf dem ersten Blatte des Verzeichnisses der Sammlung. Dass sich der Abschluss des Kaufes in die Länge zog, bestätigt auch ein vom 2. April 1824 datiertes Schreiben Z.'s (Akten l.s21 24, No. 101), in welchem er anfragt, wie es mit dem Ankaufe stände, da er im Augenblick Geld nötig habe, „und wenn auch die Kollationierung erst später erfolgen würde, so bliebe ich ja doch responsabel." Offenbar war diese in dem Vorstands- be.schluss geforderte Torherige Kollationierung ein Grund der Verzögerung.

^) Bei den Goldmünzen hat eine andere Hand als die Z.'s begonnen, die zu zahlenden Preise in roter Tinte beizuschreiben und zu udilieren, was sich wohl weiterhin als zu uni- standiich herausstellte und deshalb unterblieb.

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Zahl nennt ein gedrucktes Verzeichnis des Museumsbestaudes (Akten 1821 '24, ad No. 97), datiert vom 2G. Februar 1824, unterzeichnet von Ebhardt, aber wohl entworfen von Zimmermann, von dessen Hand ein Konzept beiliegt, und in welchem es heisst: „\. Münzen. Hiervon besitzt das Museum jetzt schon eine Sammlung von ungefähr 230 Stück, worunter 2 Goldmünzen, die eine von Marc Aurel, die andere von Honorius und 70 Silbermünzen, sämmtlich gut erhalten, zum Teil selten, das übrige in Bronce, teils in Grosserz, in Mittel- und Kleinerz, worunter sich auch noch manches von vorzüglicher Schönheit und Seltenheit befindet. Der Katalog hierüber ist bereits aufgestellt." Hieraus ergiebt sich, dass vor dem Ankaufe der Z.'schen Sammlung kaum ein Dutzend Münzen im Besitze des Museums gewesen sind.

Über die Herkunft der einzelnen Stücke seiner Sammlung macht Z. in dem obengedachten Verzeichnisse mit einer einzigen Ausnahme keinerlei Mit- teilung. Da er aber während der Zeit, in welcher er die Sammlung zusammen- brachte (nach dem Briefe vom 18. Februar 1824 hat er dabei „über 10 Jahre zugebracht"), in Wiesbaden lebte vor seiner Anstellung als Bibliothekssekretär war er bei dem Kriegskollegium beschäftigt so ist es nicht unwahrscheinlich, dass der grössere Teil seiner Münzen eben aus Wiesbaden, wo in jenem Jahr- zehnte eine rege Bauthätigkeit herrschte, und der Umgegend stammt. Dies wird bestätigt durch eine Angabe Dorow's (Opferstätten und Grabhügel H, S. 3, Anmerkung): „die mehrsten hier" (d. h. bei Verlängerung der oberen Weberstraase, also im wesentlichen in der jetzigen Römerbergstrasse) „gefundenen Münzen sind in die Münzsammlung des .... Herrn Zimmermann gekommen .... Die hier gefundenen mir nicht zugekommenen Münzen sind hauptsäch- lich von Drusus Germanicus, Hadrian, Gallien, Diocletian, Constantinus, Julius Crispus, Maximianus, grösstenteils Kleinerz." Die in Z.'s Verzeichnisse verhält- nismässig meist zahlreich vertretenen Münzen der genannten Kaiser werden also höchst wahrscheinlich auf dem Römerberge gefunden sein.^) Dazu stimmt

*) Da es doch bedenklich schien, diese Münzen ohne weiteres in unser unten folgendes Ver- zeichnis mit aufzunehmen, mögen sie an dieser Stelle kurz erwälint werden. Es sind nach der Beschreibung Z.'s von I. Hadrian: in Silber a) mit Rs. Fortuna aug. Steh. Fortuna mit Scepter, Füllhorn u. Ruder; b) Rs. Pontif. Max. tr. pot. cos. III, stehende Fortuna; in Grosserz cl Rs. weibl. Figur mit Ähren u. Füllhorn, neben sich zwei Kinder, TJmschr. verwischt; d) Rs. Aoquitas aug. S C weibliche Figur mit Wage und Lanze; in Mittelerz c) Rs. Felicitas augusti S C weibliche Figur mit Füllhorn und Merkurstab; f) Rs. S C in einem Kranze; g) Rs. weibliche Figur mit Lanze und Wage. II. Uallienus: in Silber a) Rs. Germanicus Maximus, Trophäe; Kleinerz b) Rs. Soli conservatori A, Pegasus; c) Apollini conservatori A Centaur; d) Soli invicto, weibliche Figur; e) Victoria augustorum, Victoria; f) Libero patri conservatori, unten B, vorschreitender Panther. (Diese Gallienusmünzen können übrigens zum Teil auch am alten Schloss auf dem Markt zu Wiesbaden gefunden sein, vgl. Zimmermann, Wiesbaden und seine Umgebungen 1826, S. 42.) III. Diocletian: in Silber a) Rs. Victoria Sarmatica;in Mittel- erz b) Fortunae reduci Caesarum nostrorum Trevi A; c) Genio populi romani, im Felde B— r> unten Tr.; d) Moneta sacra augustorum et eaesarum nostror. A Tr.; in Kleinerz e) Jovi Conservatori. IV. Maximian und Galerius, in Mittelerz: a) Salvis augg. et Caess.; b) Genio populi rom. PLC; c) Moneta sacra augustorum et eaesarum nostr.; in Kleinerz d) Virtuti augustorum; e) Pax augustorum; f) Genio populi romani, im Felde T F; g) Tem- porum felicitas PTK ; h) Conservatori augustorum. V. Constautin: in Silber a) Victoria

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die einzige Fundnotiz, welche Z. selbst giebt, bei einem Grosserze des Drusus (unten Xo. 32 j: „Diese Münze wurde im Anfange des Jahres 1819 auf dem sogenannten Rümerberge dahier in einer Tiefe von 15 Schuhen ausgegraben." In dem Z.'schen Verzeichnisse finden sich auf dem ursprünglich freige- lassenen Rande zahlreiche Münzen notiert, welche sich deutlich als später zu verschiedenen Zeiten, aber von einer Hand, nämlich Zimmermann's selbst, nachgetragen zu erkennen geben. Wie diese Nachträge aufzufassen sind, kann nicht zweifelhaft sein. Nach dem Protokoll der Vorstandssitzung vom 18. Sep- tember 1826 § 5 „übergab Herr Domänenkanzlist Hohle mit Begleitschreiben" (dasselbe befindet sich ebenfalls bei den Akten 1826, No. 39) „eilf antique Münzen teils in Silber, teils in Bronze, deren Fundörter aber nicht angegeben sind, dem Verein als Geschenk. Es wurde deren Aufnahme in die Münz- sammlung . . . beschlossen. Bibliotheksekretär Zimmermann wird dieselben in dem Münzkatalog notieren"; nach demselben Protokoll § 7 „übergiebt Herr Ha bei eine zu Heddernheim ... in der Nähe der beiden Mithrastempel jüngst aufgefundene Goldmünze von Nero mit dem Tempel der Vesta und der Umschrift VESTA... Dieselbe wird der Sammlung einverleibt und im Kata- loge notiert." Die letztere Münze ist nun unter den erwähnten Nachträgen zu Z.'s Katolog bei den Goldmünzen als No. 10 eingetragen, ebenso die meisten der von Hohle geschenkten") mit diesbezüglichem Vermerk an den entsprechen- den Stellen. Vor der Neromünze sind als No. 3 9 7 Goldmünzen, vier rö- mi-<che und drei Regenbogenschüsselchen nachgetragen*^); es sind zweifelsohne diejenigen, welche in einem „Verzeichniss der Alterthümer . . . welche laut der Rechnung de 1825 26 und der Protokolle seit der vorjährigen Generalver- sammlung in das Vereinsmuseum gekommen sind", aufgezählt werden als: „Drei Regenbogenschüsselchen um 54 fi. und vier römische Goldmünzen angekauft um llOfl." Daraus ergiebt sieh, dass das Z.'sche Verzeichnis nach dem An- kauf der Sammlung einfach als Katalog der Vereinssammlung diente

maxima; in Mittelerz b) Fortunae reduci Caesarum nostrorura; in Kleinerz c— f) 4 Stück. VI. Crispu.s, 1 Kleinerz, Es. im Kranze Vot. X., Umschrift Caesarum nostrorum, unten PLC.

') Es sind die folgenden: in Silber als No. Sa: Eine kleine Familienmiinze mit der Victoria auf der Rückseite; 22b. Iladrian, Rs. PM Tr. P. Cos. II, vorschreitender Mars mit Trophäe; 33b. Septimius Severus, lis. PM Tr. PV Cos IUI (sie! wird verlesen sein für II PP), .sitzemlo \veibli(;he Figtir; 44a. Mamaea, i?.s. Vesta; 5ja. Philippus II, Rs. Principi Juventut. Der Kaiser in der Toga; am Schluss: .,eine andere unleserliche Münze als Geschenk des Herrn Iluhle, wahrscheinlich von Clod. Albin. in Silber" ; endlich unter den auf einem eigenen Blatte verzeichneten , Münzen der späteren Zeit": 11. Silbermünze von Karl dem Grossen, Av. Caro- lu» rex Francorum, Kev. .Metallo mit dem Monogramm Karls. 12. und 13. ,,Zwey Bracteaten." Die Münzen 1 10, meist aus dem IG. Jahrliundert, sind ebenfalls erst nach dem Ankaufe der Z. 'sehen Sammlung erworben; sie waren ^silmmtlich am neuen Theater gefunden."

*) Sie werden folgendermassen besclirieben: '.). Caesar dict. perp. pont. max. Kopf Cäsars, Rs. C. Caesar Cos. pont. Aug. Brustbild; 4. M. Agrippa. Pictorinus (sie!) III vir Kopf Agrip- pas, Rs. Caesar Augustus Kopf Caesars (ist falsch!); 5. Iladrianua aug. cos III PP Kopf des Kaisers, Rs. Plotioae augustae Brustbild der Kaiserin (ist falsch!); (>. Severus pius aug. Kopf des Knisers, Rs. P M Tr. P X Cos III PP vorschreitende Victoria mit einem Scliild, worauf die Worte Virt. Par. lesbar sind. Von den Kegenbogenscliüssclchon zeigt eines '> Kügelchen, die beiden anderen ein galoppierendes Pferd mit Potiin. bezw. TTINA.

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was ja bei der Geringfügigkeit des früheren Bestandes überaus nahe lag und dass die vom Verein gemachten neuen Erwerbungen demgemäss darin nachgetragen wurden.') Die meisten dieser nachgetragenen Münzen sind mit Fuudangaben versehen: so finden sich von Heddernheimer Münzen eingetragen 22 Stück*), im wesentlichen wohl das numismatische Ergebnis der auf Yereins- kosten in Heddernheim in der Mitte der zwanziger Jahre ausgeführten Grabungen, andere aus Nied-Höchst und Hofheira, ebenso 8 Stück mit dem Fundort Wies- baden.') Eine vollständige Übersicht über alle in diesen Jahren in das Museum gelangten römischen Münzen gewähren diese Nachträge gleichwohl nicht; manche der nachweislich damals erworbenen Stücke fehlen darunter'"), bei den Kleiuerzen ist nur ein einziges Exemplar nachgetragen; offenbar wurden in erster Linie die wertvolleren Erwerbungen, namentlich Gold- und Silbermünzen dabei berücksichtigt.

Wie lange die Nachträge in dieser Weise fortgesetzt wurden, lässt sich annähernd noch erkennen. Die nach dem Protokoll der Vorstandssitzung vom 1. Oktober 1827 (Akten 1827, No. 64) § 13 damals erworbene, in Heddern- heim gefundene Silbermünze von Massalia findet sich noch am Schluss der Silbermünzen als No. 69 eingetragen; dagegen fehlen bereits sämtliche von Jos. Trombetta in Limburg dem Verein mit Begleitschreiben vom 29. März 1830 (Akten 1830, No. 23) überwiesene Silbermünzen'') (vgl. Akten 1829, No. 42

'') So erklärt sich, wie bereits am 26. Februar 1824, als die Erwerbung der Z.'schen Sammlung im Prinzipe eben beschlossen war, gesagt werden konnte „der Katalog ist bereits aufgestellf* (s. oben S. 183), sowie wenn Ebhardt am 18. Juni 1824 (Akten 1824, No. 3) sehreibt, „dass der Vorstand . . . über die Anfertigung eines von Luja angeregten Inventars des Mu- seums und die Fortsetzung und Vervollständigung des Münzkataloges beraten" solle.

°) Dieselben werden in der von F. Quilling vorbereiteten Zusanimeiistellung der in Heddernheim gefundenen römischen ^liinzen beschrieben werden. Unter der Ausbeute in den Ruinen dos Mithrastempels nennt Habel in einem Schreiben vom 12. März 1826 (Akten 1826, Xo. 11) 11 Münzen, 9 von Bronce, 2 von Silber, vgl. Annal. I, 2. 181; durch v. Bonhorst kamen in die Sammlung ein Gordian, ein Alexander Severus nach Prot. d. Vorstandssitzung v. 12. Jan. 1S26 (Akten 1826, No. 1); sie scheinen im Kataloge notiert als Xo. 48b u. 54b oder c.

'■') Es sind unten die Nummern: 141^—144% 210*, 239*, 281, 292*.

^'^) So z. B. 12 von dem Landdeehant Müller zu Osterspay eingesendete Münzen (Akten 1S21'24, No. 112 vom 31. Mai 1824); nach Vorstandssitzung vom 12. Januar 1826 (Akten 1826, No. 1), § 6 „wurden von dem Herrn General-Domänendirektor von Roessler sechs in den Ausgrabungen von Wiesbaden aufgefundene römische Münzen, nämlich: 1. eine serrate Silbermünze mit einem weiblichen Kopf auf der Vorder- und einer Quadriga auf der Rückseite; 2. ein Nero von Bronze; 3. ein desgl. (Mittelerz); 4. eine Silbermünze von Antoninus Pius (Caracalla"*; 5. ein Caesar Augustus von Bronze; 6. ein Constantiuus aug. mit gloria exer- citus, dem Vereinsmuseum zum Geschenk gemacht"; davon sind sicher nicht eingetragen No. 1, 2, 3, 6, vielleicht 5 und 6.

") Dieselben sind aufgezählt in dem Protokoll der Vorstandssitzung vom lö. April 183Ü, § 8, es sind „Familienmünzen: 1. von der Familie Aburia. 2. Antestia. 3. Crepusia. 4. Fla- miiiia. ö. Furia. 6. Julia. 7. Procilia. Kaisermünzen: 8. Tiberius, iv's". Pontif. max. 9. Galba, J?*'. SPQR ob cives servatos. 10. Otho, Es. securitas p. r. 11. Vitellius, Es. XV vir sac. fac. 12. Nerva, Es. Concordia exercituum. 13. Sept. Severus, EiS. Fundator pacis. 14. Lucilla, Es. Diana lucifera. 1,5. Caracalla (soll heissen Elagabal), Es. Summus sacerdos aug. IG. Maxi- minus. Es. PMTRPP. 17, Otacilia Sev., Es. Pietas au^usta. 18. Valentinian iun., Es. Vic toria auijij."

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und 43; Annal. IT, 1. 205 1. Da auch spätere Eintragungen nicht begegnen (z. B. mehrerer ebenfalls 1S30 erworbenen Goldmünzen), so hat die Fortsetzung des Münzkatalogs bald nach d. J. 1827 aufgehört und stammen demnach sämt- liche in ihm vermerkte Münzen aus den Jahren 1824 1827.

Den nächsten grösseren Zuwachs seit der Erwerbung des Z/schen Kabinets erhielt die Münzsammlung des Vereins infolge des Ankaufes der von Ger- ning' sehen Kunst- und Altertümersammlung seitens der Regierung Ende des Jahres 1824 (vgl. Akten 1825, No. 2 u. 3; Annal. I, 1. 154, Zimmermann, Wiesbaden, S. 139). Zunächst noch getrennt neben der Sammlung des Ver- eins aufgestellt und der Verwaltung der öffentlichen Bibliothek überwiesen, wurde wenig später der die Altertümer enthaltende Teil dem Museum völlig einverleibt. Ein Verzeichnis dieser v. G er ning' sehen Sammlung, im besonderen der in ihr enthaltenen Münzen, gelang mir nicht aufzufinden''); doch wird in einem Cirkular (Akten 1825, No. 3) neben anderen Bestandteilen der „sehr wertvollen Sammlung griechischer und römischer Münzen" gedacht. Dass der Wert derselben in der That damals hoch angeschlagen wurde, zeigt die That- sache, dass zur Zeit des Ankaufs der v. Gerning'schen Sammlung diese Münzen bei dem Bankhause von Rothschild gegen 2000 fl. verpfändet waren, um welche Summe die Regierung sie auslöste.'^) Doch lag der Hauptwert dieses offen- bar in Italien zusammengebrachten Münzkabinets in den griechischen Gold- und Silbermünzen, von welchen uns die Aufzählung bei Zimmermann, Wies- baden, S. 140 ff. eine Reihe kennen lehrt. Für die jetzige Zusammen- setzung der Sammlung römischer Münzen des Museums haben die von Ger ning stammenden Stücke wenig Bedeutung: die überwiegende Mehrzahl derselben, namentlich zahlreiche Grosserze, sind als offenbare Fälschungen aus- geschieden. Immerhin mögen manche, namentlich der republikanischen Denare, sowie der kaiserlichen Silberraünzen, deren anderweitige Herkunft nicht bekannt ist, auf die v. Gerning'sche Sammlung zurückgehen. Unter den bei Zimmer- mann a. a. 0. S. 143 aufgezählten römischen Münzen befinden sich nur 3 sil- berne, welche aller Wahrscheinlichkeit nach aus der G.'schen Sammlung'*)

") Ein solches befindet sich weder bei den Vereinsakten, noch bei den Akten der Landesbibliothek, in welche Herr Oberbibliothekar Dr. Franke in entgegenkommenderweise mir Einsicht zu nehmen gestattete. In einem auf der Landesbibliothek befindlichen Faszikel: „die Verhandlungen mit dem Herrn vonGerningaus Frankfurt über dessen Museum, welches gegen eine Leibrente an die Bibliothek resp. die Sammlung von Alterthüraern übergegangen ist", enthaltend 38 Nummern, wird eines solchen Verzeichnisses wiederholt gedacht, z. B. in No. 7 Schreiben v. Gernings vom 31. Okt. 1824; ein Verzeichnis der Münzen erwähnt im besonderen Zimmermann in einem Schreiben vom 4. Juli 1S25 (ebenda No. 25) „die in 4 Kapseln verwahrten Münzen nebst Verzeicliniss beehre ich mich gleichfalls hiermit zu übergeben". Vgl. auch No. 38.

") Vgl. darüber in dem erwähnten Faszikel die No. 20—22, 2.5—27.

'*) Z. a. a. 0. beschreibt sie folgendermassen: 1. Augustus, Av. dessen Bildnis mit Caesari Auguato Rev. ein Tempel mit SPQR. -- Tiberius, TJrustbild des Kaisers Tl CAE- SAR .... PM TR P XXX Rürkseite Brustbild des Drusus mit der Umschrift DRVSVS CAESAR Tl AVG F COS TRP. •^- Caligula, dessen Brustbild auf der Vorderseite mit der Umschrift C CAESAR AVG GERM PM TR POT Rückseite Brustbild des Germanicus ™jt GERMANICVS CAESAR. L'nter diesen ist die letztere ebenfalls sicher falsch.

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stammoD; mit einer Ausnalimc") waren alle übrigen in Zimmermann'd Miiuz- kabinet vortreten gewesen.

Herr v. Gern in g machte übrigens öfter auch eine grössere Anzahl von Münzen dem Museum zum Geschenk; z. B. mit Begleitschreiben vom 4. Juni 1820 (Akten 1829, No. 19) neben anderen Altertümern „eine Kapsel mit 12 Stück antiker ächter Münzen, 4 silberne griechische, 2 bronzene und 6 bron- zene römische, 1 Päckchen mit vielen römischen Bronzemünzen, ca. 60 Stück" („darunter 15 20 brauchbare" setzt eine andere Hand mit Bleistift hinzu). Die letzteren hat er sicher nicht aus Italien mitgebracht, sie werden ihm während seines Frankfurter Aufenthaltes wohl aus Ileddernheim oder Umgegend zugekommen sein.

Zu der vom Vereine angekauften Altertümersammlung des Oberlicutenant V. Bonhorst (vgl. Yorstandssitzung v. 5. April 1830 § 7 = Akten 1830, Xo. 26, Annal. II, 1. 204), welche ausschliesslich aus Fundstücken von dem Gräber- felde an der Artilleriekaserne in Wiesbaden bestand, gehörte auch eine Anzahl Münzen: am Schluss eines von Habel angefertigten summarischen Verzeich- nisses der damals übernommenen Altertümer heisst es: „über die Münzen, und kleineren Gegenstände ist ein spezielles Verzeichnis angefertigt." Dasselbe hat sich leider nicht erhalten.'^)

'5) Die Münze Geta's: „Brustbild mit der Umschrift p SEPT GETA CAESAR Rück- seite eine vorschreitende weibliche Figur mit einer Blume in der Rechten und der Umschrift SPEI PERPETVAE'*! welche in der Z. 'sehen Sammlung nicht vertreten war, ist nach den Nachträgen No, :59a in Heddernheim gefunden, also 1824 oder 1825.

^^) Die von Bonhorst selbst auf einem schmalen Papierstreifen beschriebenen 8 Münzen werden bei den auf Kosten des Vereins im Jahre 1836 von ihm ausgeführten Ausgrabungen efundene sein. Der Zettel entliält Folgendes : „Gefundene Altertümer. A. Münzen: I. Im- perator Caesar Domitian Aug. Germ. Con. An der Artillerie-Kaserne zu Wiesbaden selbst gefunden" (die Notiz wiederholt sich bei allen folgenden Münzen, entweder voll ausgeschrieben oder in Abkürzung ausgedrückt, der Kürze halber bleibt diese Angabe hier weg). „II. Nerva Caes. Aug. D. M. E. M. P., Rückseite Aequitas Augusti. III. S. Nerva Trajan. Aug. Germ. P. M., Rückseite unleserlich. IV. Hadrianus Augustus, Rückseite Galua Augusti Cos III. V. ? Stina August., Rückseite st. M: F. J. L. VI. (Eine rohe Federzeichnung des Reverses der Augustusmünzen mit dem Lyoner Altar, darunter;: OMETA-

Rückseite (in Wahrheit die Kopfseite)

o

ö

VII. DIETAS AVG. S : C. Rückseite: Die Schrift unleserlich. VIII. N TO S S

Rückseite : COS PP u- S : C. IX- l^i^e Federzeichnung der Germanicus-Münze, Cohen 7.)

„Diese Münze wurde unter einem ganz morschen Mühlstein in der Schulgasse zu Wiesbaden nebst zwey Krüge von Thon 1831 im November gefunden. Sie kostet 24 kr. Sie ist gut ver- goldet." In der Mappe des Vereinsarcliivs, welclie die Notizen und Skizzen über das Gräberfeld an der Artillerie-Kaserne birgt, befindet sich weiter noch ein ^vielleicht auch von Bonliorst's Hand?) beschriebenes Folioblatt, welches folgende Münzer aufzählt: Nero Caes— ar Aug- ustus P— ontifex Max— imus Tr— ibunitia P— otestate Irap— erator P— ater P— atriae Es. Victoria Augusti. M— arcus Agrippa L— ucü F— ilius Co n s— ul III Es. Stempel eingeprägt T. Iiyjp _ Diuus Augustus Es. SC. I™P- Postumus P-ius F— elix Aug— ustus Es. Fides militum Diva Faustina Es. Aeternitas Julia 3Iamaea Aug— usta Es. Venus Victrix. Da hier aber die ausdrückliche Fundangabe vermisst wird, erschien es bedenklich, diese Münzen iu unser unten folgendes Verzeichnis ohne weiteres einzureihen,

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In den nächsten Jahren scheinen Ankäufe grösserer Posten von Münzen oder ganzer Samyilungen nicht erfolgt zu sein die Erwerbung einer Samm- lung griechischer und römischer Münzen (Yorstandssitzung v. 10. Januar 1833, § 5) scheint nicht zu stände gekommen zu sein, vgl. auch Vorstandssitzung v. 13. April 1833, § 4. Dagegen vermehrte sich die Sammlung durch gelegent- liche Erwerbung bezw. Geschenke einzelner, namentlich in und bei Wiesbaden und Heddernheim zu Tage geförderter Münzen. Es mögen hier erwähnt sein: ein aureus des Yespasian, gefunden an der Kupfermühle (Vorstandssitzung v. 8. Juli 1830 § 3; Annal. II, 1. 207), ein sehr schönes Goldstück des Mag- nentius, gefunden bei Schierstein 1830, dem Museum von Habel geschenkt (Annal. II, 1. 206), verschiedene Münzen von Silber und Bronze aus der Gegend von Wiesbaden und Mainz (Annal. II, 3. 283), zwei Goldmünzen von Arcadius und Honorius, Tis. Victoria augustorum uostrorum, gefunden zwischen Usingen und Cransberg (Vorstandssitzung v. 24. Juli 1834, § 10), mehrere römische Münzen in Silber und Bronze, darunter einige seltene Familienmünzen, gef. am Römerberg in Wiesbaden (Annal. II, 3. 301, vgl. Annal. II, 2. 226), wohl aus Heddernheim stammende Münzen als Geschenk des Herrn v. Breidbach- Bürresheim (Annal. II, 3. 300)") u. a. m.

Kunde von dem Ankauf eines Gesamtfundes giebt uns eine Notiz des Architekten Kihm (auf einem losen Blatte in Folio), nach welcher er am 22. März 1837 „319 Stück Broncemünzen gefunden im Römer-Castell bey Kreuz- nach für 15 fl. 1 kr.** und nochmals „68 Broncemünzen, gefunden bey Kreuznach" am 12. April desselben Jahres für 3 fl. 24 kr. angekauft habe. Leider lässt sich über diesen Fund jetzt nichts weiter feststellen, als dass derselbe „zum grössten Teil aus der späteren Kaiserzeit" stammte, und ,nahe an der Ring- mauer des Römer- Castells bey Kreuznach gefunden" wurde (nach Habeis Jahresbericht in Annal. II, 3. S. 341).'^)

Die umfangreichen, auf Vereinskosten ausgeführton Ausgrabungen der beiden römischen Kastelle bei Wiesbaden 1838 39 und bei Hofheim 1841 42 brachten auch der Münzsammlung einen der Zahl nach nicht unbedeutenden Zuwachs, freilich meist schlecht erhaltener Münzen; es wird darauf noch zurück- zukommen sein.

Aus dem Jahre 1841 ist ferner der Ankauf eines Teiles eines Schatz- fundes zu erwähnen; Habel berichtet darüber in der 18. Generalversammlung (Annal. III, 2. 218) „eine Anzahl von 160 Stück besonders wohl erhaltener

'M Dieselben sind: 1. Severus Pius Aug., Ks. Fundator paois. 2. Lrap. Antoninus Pius Aug., lis. Liberias Aug. .'5. Imp. C. M. Aurel. Sev. Alexand. Aug., lis. Providentia Aug. 4. Imp. C. Sev. . . . Aug. Cos. II, Rs. unkenutlicli. 5. Julia Mamaea Aug., Rs. Juno Conservatrix. 6. . . , Alexand. Aug., Rs. Cos. III.

'*) In einem der von Kihm angefertigten, weiter unten naher zu besprechenden Ver- zeichnisse römischer Münzen, dem XL, werden neben 5 Mittelerzen <ler früheren Kaiserzeit 125 Kleinerze, fast alle des 4. Jahrhunderts, aufgezählt; da nun zur Zeit der Anfertigung dieser Verzeichnisse im Jahre 1S.")2 und den folgenden die zusammen erworbenen Münzen grossenteils noch zusammenlagen, wie sich unten zeigen wird, ho könnten diese 12."} Klein- erze, nebst 4 ebenfalls durt aufgeführten Mittelerzen des Magnentius einen Teil des Kreuz- nacher Fundes bilden; aber mit dieser schwachen Möglichkeit ist uns wenig gedient.

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römischer Kupfermüuzen von den Kaisern Yalerian (sie! soll heissen Aurelian), Probus, Dioeletian, Maximinian (sie!), Constautius Chlorus etc. mit mannigfalti'^en Rückseiten. Diese waren in der Moselgegend, angeblich nebst mehr als 2000 anderen von demselben Metall in einem irdenen Gefäss, zum Teil rollenweise zusammengelegt, von einem Landmann gefunden worden" ... Zu diesen am 25. Februar in Bingen erworbenen 160 Stück kamen noch 23 oder 24 am 11. Juni desselben Jahres in Wiesbaden gekaufte hinzu.") Eine ausführliche Beschreibung dieses Fundes, dessen in das Museum gelangter Teil sich fast vollständig wieder zusammensetzen lässt, und von welchem ein anderer Teil in die Münzsammlung des Herrn Lugen buhl in Wiesbaden übergegano-en ist muss einer anderen Stelle vorbehalten bleiben.

Mit der Sammlung des Staatsprokurators Rebmann in Frankenthal wurde auch eine Anzahl römischer Münzen in Gold, Silber und Bronce erworben. Ilabel sagt darüber in seinem Jahresberichte am 29. Dezember 1842 (Anual. III, 3. 202 f.): „die Münzen enthalten ebenfalls viel Schönes und Schätzbares. Ja unter den Grosserzen und Medaillons finden sich mehrere von hoher Seltenheit und ausgezeichneter Konservation."'") Im weiteren Verlaufe der vierziger Jahre sind grössere Münzankäufe nicht nachweisbar; dagegen lieferten die zahlreichen Ausgrabungen in der Umgegend Wiesbadens, bei Marienfels, sowie die reichen Funde von Heddernheim eine bedeutende Anzahl Münzen.'')

In Betreff der beiden in Heddernheim 1850 gemachten grossen Münz- funde, aus denen 326 Denare der römischen Kaiser des 1. und 2. Jahrhunderts"), bezw. gegen 1500"') Kleinerze des ausgehenden 3. Jahrhunderts für das Museum

'^) Nach einem von Hab eis Hand beschriebenen Zettel in Oktay.

^") Ein Verzeichnis scheint nicht vorhanden gewesen zu sein, jedenfalls hat sich ein solches nicht erhalten. Dennoch ist die Herkunft einer ganzen Anzahl von Münzen aus dieser Sammlung durch einen ihnen beigelegten Vermerk .,Frankentlial" gesichert.

") Erwähnt seien hier in Kürze aus Wiesbaden: Annal. III, 8. 175 f. IV, 1. 176, ein handschriftliches Verzeichnis, welches .,4 Münzen, worunter eine silberne, gef. in der Stadt Wiesbaden und 1 Silbermünze von Hadrian, gef. in der Kirchgasse 1832" nennt; aus Heddern- heim: Annal. III, 3. 171 flF.; IV, 1. 199; aus Ems: Annal. III, 2. 217 und 221; aus Oestrich: Annal. IV, 1. 153 ff. Nach der Rechnung pro 1849 wurden Herrn Sekretär Zimmermann für .,Münzen 25 fl. und nochmals für dergl. 1 fl. 45 kr." ausgezahlt; in einem detaillierten, mit hinzugefügten Preisen versehenen, handschriftlichen Verzeichnisse, welches aus den vier- ziger Jahren stammen muss, werden etwa 156 Stück Münzen aufgezählt, deren Preis zusammen 24 fl. 33 kr. betrug; es könnten die von Zimmermann angekauften sein. Die von Hauptmann vonTschudi geschenkten, auf der Insel Malta, bezw. Helena (nach Fried'länder ist das alte Leuke gemeint) gefundenen Münzen sind meist griechische, vergl. Vorstandssitzung v. 28. Aug. 1847, § 12b und Annal. IV, 1. 203; den Fund von Leuke hat Friedländer: Annal. VI, 1. 12 ff. eingehend beschrieben. AuchKihms auf Zettelchen und in Heftchen gemachte Notizen geben uns noch Kenntnis von zahlreichen durch ihn angekauften Münzen, doch kann hier nicht auf alles eingegangen werden.

*2) Dieselben lassen sich an ihrer eigenartigen Erhaltung noch jetzt aus den übrigen Beständen leicht herauserkennen, und besteht die Absicht, diesen scliönen Fund wieder zusammenziiBctzen.

'-■^j Ausser den von jeher zusammengebliebenen, von Quilling beschriebenen 1178 Stück beHnden sich no.'h eine grosse Anzalil in versclii-^denen Schubladen und Päckciien zerstreut, auch in die katalogisierte Sammlung sind viele eingeordnet worden; die Zugehörigkeit zu jenem Funde setzt ihr Aussehen ausser Zweifel,

190

erworben wurden, kann auf die unten folgende eingehende Behandlung durch Herrn F. Quilling verwiesen werden.

In das Jahr 1851 fällt der Ankauf der schönen Münzsammlung dos Pro- rektor Sandberger in Weilburg. Ilabel veranschlagt in einem Schreiben vom 25. Februar 1851 deren Inhalt:

15 Grusserzc ;i 12 kr 3 fl.

64 Mittelerzo a 8 kr Ö fl. 32 kr.

111 Kleinerze a 4 kr 7 H. 24 kr.

107 Silber a 30 kr 53 fl. 30 kr.

"297 72 fl. 2G kr.

Der Ankauf für insgesamt 100 fl., für welchen Preis ausserdem noch das Münzvverk von Job. Christ. Rasche: Lexicon universae rei numariac veterum, Lipsiao 1785 fF. 12 voll, und ein schönes Medaillon des Caracalla in den Be- sitz des Museums kamen, wurde am 8. März 1851 genehmigt, und flndet sich dieser Ausgabeposten auch in der Rechnung dieses Jahres vermerkt. Der s. Z. vorhandene Catalog der Sammlung, dessen Ha bei in dem erwähnten Schreiben gedenkt, scheint verloren zu sein; doch lässt sich der in den siebziger Jahren in die übrige Sammlung eingeordnete Bestand noch völlig identifizieren auf Grund von den einzelnen Münzen beigelegten Herkunftsvermerken. Die Mehr- zahl der Münzen war mit Fundangaben versehen, vorwiegend stammten sie aus der Gegend von Ems, Mainz und auch Wiesbaden.

Im Jahre 1851 wurden ausser anderen Altertümern und den beiden lleddernheimer Massenfunden noch 88 Stück Broncemünzen bei Oppenheimer in Frankfurt gekauft (s. unten Quilling über den zweiten lleddernheimer Münzfuud). Von Kihm (in dem XIV., XVI. XVHI. Verzeichnisse, s. unten Anm. 37) sind mit dem Vermerk „gekauft in Frankfurt 1851" oder einfach ^Frankfurt 1851" versehen 7 Grosserze, 51 Mittelerze, 163 Kleinerze; unter letzteren stammen 135 (26 Victorine, 104 Tetricus, I. u. II., 4 Claudius, 1 Quin- tillus) offenbar aus dem Kleinerzfunde von Heddernheim; ob die übrigen von Auirustus bis Gratian reichenden 86 Stück ebenfalls aus Heddernheim oder

•ö'

wo sonst her nach Frankfurt gelangt sind, muss dahingestellt bleiben.

Am 5. Januar 1852 wurden 169 Stück römische Kupfermünzen bei Pfarrer Schenck von Gensingen bei Bingen um 21 fl. 30 kr. gekauft (vgl. die Rech- nung des Jahres 1852, Ausgabe, Kap. II); auch von ihnen lässt sich ein Teil, wenigstens der Zugehörigkeit nach, noch nachweisen.'-*)

Durch diese zahlreichen Erwerbungen musste im Laufe von nahezu drei Jahrzehnten die Sammlung römischer Münzen stattlich angewachsen sein, doch hielt die Inventarisation und Ordnung des Erworbenen damit nicht gleichen

'^'j In dem XIV. und XV'I. Verzeichnisse römisfher Münzen (s. unten 193 f.) nennt Kihra mit dem Vermerk .,von Bingen"* oder .,bey Bingen gef." folgende Münzen: Augustua 5 ME; Augustus und Agrippa 1 ME; Caligula 'J ME; Xero I ME; üalha 1 ME; Vespasiau 3 ME; Titus Veapa.Man 2 ME; Domitian 3 ME; Xorva I ME; Xerva Trajan 2 ME; Hadrian 3 ME; Antoninus Pius 3 OE, 1 ME; Alexander der Tyrann 1 KE; Valentinianus senior 1 KE; Valontinianus junior I ME. Üb ea sich dabei um einen Gesamtfund liandelt, erscheint danach recht zweifelhaft.

191

Schritt, In den zwanziger Jahren wurde wenigstens ein Teil der eingehenden Münzen, wie wir oben sahen, in dem Kataloge vermerkt, und dann auch wohl an der ihnen zukommenden Stelle der Sammlung eingelegt"), bei anderen mag dies auch ohne ihre vorherige Notierung im Kataloge erfolgt sein. Unter- gebracht war die Sammlung jedenfalls damals schon in einem Holzschrank mit Schubladen (wahrscheinlich in einem derjenigen, in welchen sie sich noch jetzt befindet), wie aus der Äusserung Luja's vom 21. Juli 1825 (Akten 1825 No. 28) „Wann kann man unsere Münzsammlung zu sehen bekommen? Schon 3 bis 4 mal bin ich abgewiesen worden, weil der Schlüssel zu Hause liegen sreblieben wäre" zu schliessen ist.

Nachdem gegen Ende der zwanziger Jahre auch diese unvollkommene übrigens in dieser Weise auf die Dauer auch undurchführbare Inven- tarisation aufgehört hatte, scheint eine solche überhaupt nicht mehr erfolgt zu sein. Denn gelegentliche Ausseiungen, wie: „Es ist die Anordnung getroffen worden, dass alle Geschenke mit der ausführlichen Anzeige des Gebers, Fund- orts etc. in ein fortlaufendes Register eingetragen werden** (Annal. I, 3. 311 vom 4. Juni 1829) oder „die Kataloge und Inventarien werden fortwährend mit Sachkenntnis bearbeitet; diese schwierige Aufgabe hat bereits grosse Fort- schritte gemacht** (Annal. H, 2. 206 vom 22. Juli 1831), berechtigen keineswegs zu der Annahme, dass ein regelrechtes Zugangsverzeichnis im besonderen auch für die Münzen geführt worden sei; jedenfalls weist keine Spur auf das Be- stehen eines solchen hin. Dagegen begann man in den dreissiger Jahren wohl gleich nach dem Jahre 1830 unter vorherrschender Beteiligung und wohl auch auf Veranlassung Habeis, die neu erworbenen Münzen in einem Papierumschlag aufzubewahren, auf dessen Aussenseite der Kaiser, die Münz- sorte, Fundort und Fundzeit vermerkt waren, während auf der Innenseite eine genaue Beschreibung der Münze sich befand; vgl. Annal. IH, 2. 177 (28. Mai 1839): „die nähere Beschreibung der Legenden vorstehender Münzen ist in dem Umschlag einer Jeden enthalten". Einige dieser Umschläge haben sich er- halten^*} und ersetzen in gewisser Weise die in ihnen einst enthaltene, jetzt ver- kommene oder nicht mehr identifizierbare Münze. Doch hat sich dieses Ver- fahren offenbar nur auf einen Teil der eingehenden Münzen erstreckt.

Bei den Generalversammlungen des Vereins hat auch ob regelmässig, darf bezweifelt werden ein Verzeichnis der seit der letzten Generalver- sammlung der Münzsammlung zugegangenen Stücke aufgelegen, nach Annal. IH, 2. 181 f. (28. Mai 1839) „wir erkauften eine Anzahl wohlerhaltener römischer

2*) Kilira hat bei seiner Neuordnung der Münzen im Jahre 1S52 offenbar bei keiner dieser ältesten Münzen eine Fundnotiz vorgefunden, die frülieste der mit einer solchen ver- sehenen Münzen scheint aus dem Jahre 18:50. Es erklärt sich dies wohl einfach daraus, dass in den zwanziger Jaliren die Münzen, mochten sie nun in dem Katalog notiert sein oder nicht, ohne Beigabe irgend eines Vermerkes, welciier ihre spätere Identifizierung bätte ermöglichen können, eingelegt wurden; nur bei einigen wenigen, welche überhaupt nur einmal in der Sammlung vertreten sind, dürfen wir annehmen, dass das jetzt noch vorhandene Exemplar eben das im alten Katalog vermerkte ist.

'^''') Vgl. z. B, unten die Xo. si und 82.

192

Silber- und Bronzemünzon, die in dem liier vorliegenden speziellen Ver- zeichnis näher angegeben sind" und Aunal. IV, 1. 230 (20. Dezember 1849) „die von verschiedenen Personen angekauften römischen Silber- und Bronze- raiinzen . . . weist das hierüber aufgestellte Verzeichniss im Einzelnen nach". Erhalten hat sich von diesen Verzeichnissen anscheinend nichts.

Eingelegt wurden die neu erworbenen Stücke in beliebige Fächer des Münzschrankes ohne irgend welche chronologische Ordnung. Wenn bei diesem eine Zeit lang fortgesetzten Verfahren die Sammlung schliesslich auch in völlige Verwirrung geraten musste und der Bestand sich nicht mehr übersehen liess, so war damit doch wenigstens der Vorteil verknüpft, dass die zusammenge- fundenen und sonstige gleichzeitig oder annähernd gleichzeitig der Sammlung einverleibte Münzen zusammenblieben; denn da sich Niemand ernstlich mit der Münzsammlung befasste, so blieb die Ordnung oder vielmehr Unordnung der einmal eingelegten ^[ünzen im wesentlichen unangetastet. So war der oben erwähnte im Jahre 1841 angekaufte Münzfund noch im Jahre 1852 völlig intakt"), der allerdings erst 1850 erworbene Heddernheimer Silbermünzenfund bei der Verzeichnung durch Kihm 1854 noch durchaus vollständig-^), ebenso müssen die bei den Ausgrabungen des Wiesbadener und Hofheimer Kastells, sowie bei anderen Ausgrabungen in der Umgegend gewonnenen Münzen bis 1852 zum weitaus grössten Teile vereinigt geblieben sein; sogar der älteste Bestand der Sammlung, die Zimmermann'schen und die in den Nachträgen des ältesten Kataloges vermerkten Münzen, lässt sich noch in einem der unten zu besprechenden Kihm' sehen Verzeichnisse, dem VIII., mit völliger Sicherheit wiedererkennen.") Auch die einzeln gekauften, aus Wiesbaden und Umgebung stammenden Münzen scheinen in den vierziger Jahren, sei es jedesmal nach der Generalversammlung, sei es in kürzeren Zwischenräumen, in einem grösseren Papierumschlag mit dem Vermerk: „Aus Wiesbaden und Umgebung" oder doch in einem eigenen Schubfach mit dem gleichen Vermerk vereinigt worden zu sein. Daraus erklären sich die von Kihm bei der gleich zu besprechenden (Ordnung der Münzsammlung verhältnismässig zahlreichen Münzen beigelegten Fundnotizen : .,Umgebung Wiesbaden" oder „Wiesbaden und Umgebung", seltener „Umgebung v(on) Wiesbaden", von denen namentlich die zweite von einer einzelnen Münze verstanden, widersinnig wäre.^")

-') Nach dem X. Ycrzeicluiisse rüm. Münzen von Kihms Hand, wuriibor unten das Näliore.

-') Nach dem XXI. Verzeichnisse; vgl. darüber Quillin«^.

'■**) Um nur ein Beispiel anzufüliren, kehren darin sämtliclic, diesem ältesten Bestände an;;chörifjcn 7 römischen Goldmünzen, aber auch nicht mehr als diese, wieder.

^"j Es wäre verfehlt, diese Ans^aben so zu verstehen, als ob die mit ihnen liezeicbuetcn Münzen uusschlies8li(di oder auch nur vorzugsweise in der Umgegend, niclit in der Stadt selbst gefunden seien. Denn gerade von den Münzen, welche bei den Ausgrabungen der römischen Villen und Ansiedelungen in der Nähe Wiesbadens in den vierziger Jahren ge- wonnen wurden, sind die F'undangaben vergleichsweise vollständig erhalten und stets detailliert gemacht, wie sich unten zeigen wird. Vielmehr sind die meisten der nüt jener allgemeinen Angabo versclienen .Münzen bei den lläuscrbautcn und sonstigen G(.lcgcn]ioiten in der Stadt gefunden; wir werden dabei aus manchen Gründen vorzugsweise an die Gegend des Heiden- bergea denken dürfen.

193

Bei der durch dieses Verfahren mit der Zeit weit vorgeschrittenen Ver- wirruD"- in der Sammlung musste sich das Bedürfnis nach einer Ordnung und Inventarisierung sehr lebhaft fühlbar machen. Als nach der Neukonstiruierung des Vereins im Jahre 1851 die Anfertigung eines Inventariums des gesamten Vereinseio-entums in Angriff genommen^') und in verhältnismässig kurzer Zeit auso-eführt wurde, wurde auch die Münzsammlung nicht vergessen. In den Jahren 1852 und 1853 hat der Architekt Kihm, welcher bereits seit dem Jahre 1838 die Aufsicht über das Museum führte, zu einer Ordnung und Auf- nahme der römischen Münzen des Vereins den Versuch gemacht. Es haben sich eine Anzahl von Kihm's Hand geschriebener „Verzeichnisse der römischen Münzen", welche die Nummern I XXI tragen, erhalten; jedes derselben um- fasst eine verschiedene Anzahl von Münzen von 40 bis zu 300 und mehr Stück. Diese Verzeichnisse geben die Aufstellung des gesamten damaligen Bestandes der Sammlung, soweit er Kihm aufzeichnungswürdig erschien, wieder.'') Kihm verfuhr dabei etwa in folgender Weise. Aus der ungeordneten Masse, welche er vorfand, suchte er sich eine beliebige Anzahl Münzen, vielleicht die, welche in einem oder mehreren aufeinander folgenden Schubfächern sich befanden, zusammen, ordnete sie einigermassen^') nach den Kaisern und verzeichnete sie unter fortlaufender Numerierung in der Weise, dass Kaisername, Münzgattung und Stückz;ihl angegeben wurden, wobei die Münzen eines und desselben Kaisers ohne Rücksicht auf die Münzgattung thunlichst unter einer Nummer vereinigt wurden; Fundangaben oder weitere Beschreibung der Münzen linden sich zunächst nirgends in diesen Verzeichnissen.'*) Die so verzeichneten Münzen wurden in Papierkapseln eingeschlossen, vrelche ausser den im Verzeichnisse

^^) Vgl. im allgemeinen die Äusserung in der Rede Rosseis am 7. September 1851 (Mitteil, an die Mitglieder No. 1, 1S51 S. 11); ferner Mitteil. No. 2, Dezember 1851 S. 41; No. H, April 1852 S. 57 f.; No. 5, Dezember 1852 S. 1.30 f.

^*) Man könnte zunäclist versucht sein, in diesen Verzeiclmissen eine Art von Aufstel- lung über die jiihrliolien Zugänge, etwa die in den Generalversammlungen bisweilen aufgelegten Listen (>. oben S. 192) zu erbliclien, um so mehr, da in den No. XV und folgenden vielfach Münzen begegnen, welche nach beigefügten Angaben in den 50er Jahren, also in der letzten Zeit von Kihm's Thätigkeit am Museum, gefunden sind. Doch abgesehen davon, dass neben diesen auch Münzen aus den 30er und 40er Jaliren in denselben Verzeichnissen begegnen, lüsst sich sclion die Zahl der XXI Verzeichnisse nicht auf die Reihe der Generalversammlungen, die während Kihm's Amtsführung abgehalten wurden, verteilen, und wird jene Ansicht völlig hinfällig dadurch, dass z. B. das VIII. Verzeichnis den überhaupt ältesten Bestandteil der Sammlung, die in den Jahren 1824 ff. erworbenen Münzen im wesentlichen enthält, sowie dass das XIV. Verzeichnis, das einzige mit Datum versehene, am 18. Juli 1853 angefertige ist, also die folgenden XV- XXI in die Zeit von 1853 1856 fallen, in welchem Jahre die Thätigkeit Kihms ihr Ende erreichte (er starb im Juli 1857, war aber schon längere Zeit vorher durch Krankheit an der Ausübung seiner Amtstliätigkeit gehindert worden, vgl. Per. Blätter 1857, No. 3, S. 40 f., 1858, No. 5, S. 97).

•■'•') Wie wenig Gewicht Kihm hierbei auf eine wirklich chronologische Ordnung legte und hier mit vollem Recht , zeigt unter anderem der Umstand, dass die Münzen der kaiserlichen Frauen in mehreren Verzeichnissen unmittelbar hintereinander folgen, ohne Rück- sicht darauf, ob sie aus dem 1. oder aus dem 4. Jalirh. sind i,z. B. im Verz. III, VIII, IX).

'■>*) Nur am Kopfe des X. Verzeichnisses findet sich der Vermerk „von Bingen"; bei der Einordnung der betr. Münzen hat Kihm aber weiter keine Rücksicht darauf genommen.

194

gemachten Notizen noch die lateinische „Nummer'* des Verzeichnisses und die arabischen innerhalb jedes Verzeichnisses fortlaufenden Nummern trug; in einer Kapsel waren nicht selten eine grössere Anzahl Münzen, bis zu 50 und 60 Stück, namentlich an Kleinerzen, vereinigt. Verzeichnet aber wurden nur die besser erhaltenen Münzen, deren Zugehörigkeit sich leicht erkennen liess; die übrigen wurden in grosse Papierumschläge, weiche die Zahl der in ihnen enthaltenen Münzen trugen, verpackt, mit der Aufschrift „Ausschuss" oder „ausgeschossen" oder ^schlechtes Zeug" versehe« und in einem Kasten aufgestapelt. Die Zahl derselben ist offenbar keine geringe gewesen ; denn während z, B. von den bei Hof heim 1841/42 gefundenen Münzen sich nicht mehr als 4 Stück mit diesem Fund vermerk von Kihm's Hand in der von ihm geordneten Sammlung be- fanden, stiess ich in einem Kasten des ^[ünzschrankes auf ein Papiersäckchen mit der Aufschrift „gef, in Hofheim 1841 42", welches gegen 80 Stück aller- dings sämtlich sehr schlecht erhaltener, meist ungereinigter Münzen enthielt.^*)

Nachdem Kihm in dieser Weise in dreizehn Verzeichnissen etwa 2352 Münzen aufgenommen hatte, ging er daran, dieselben in eine nach Kaisern ge- ordnete Reihenfolge zu bringen. Die einzelneu Münzen wurden in den Schub- fächern auf Papptafeln untergebracht, welche mit Ausschnitten in drei ver- schiedenen Grössen für Grosserze, Mittelerze, Gold bezw. Silber oder Kleinerze versehen waren; verschiedene Münzgattungen eines und desselben Kaisers waren häufig in einer Schublade vereinigt. Bei dieser Einordnung wurden den Mün- zen, bei welchen Kihm Fundnotizen vorfand, kleine Zettel mit entsprechendem, bald mehr, bald weniger ausführlichem Vermerk beigelegt^^); sie sind ausnahms- los von Kihms Hand geschrieben; die Münzen, bei denen das Jahr der Auf- findung nicht hinzugesetzt ist, stammen alle aus den 30er und 40er Jahren, denn den im Anfang der 50er Jahre gefundenen pflegte Kihm die Jahreszahl fast regelmässig beizufügen.

Da in dem XIV. Verzeichnisse, welches nach einer Bleistiftnotiz am Kopfe am 18. Juli 1853 angefertigt ist, und ebenso in allen folgenden, vorn eine Kolumne ausgespart ist für die Nummer der „Schublad", in welche die in dem Verzeichnisse enthaltenen Münzen später endgiltig eingelegt werden sollten, so ist die erste

^°) Da es in der Natur der Saohe Hegt, dass eine Menge schleclit erlialtener Münzen besonders durcli die grossen Ausgrabungen des Vereins am Wiesbadener Kastelle, in der Um- gegend, Heddernheim, Marieufels in das Kabinet gekommen sein müssen, werden diese wohl den weitaus grössten Teil dieser ausgeschossenen Münzen bilden; leider sind sie durcheinander- gemischt und nicht mit ähnlichen Vermerken versehen wie die Hof heimer; es ist uns dadurch die Verwertung eines wichtigen historischen Materials unmöglich gemacht.

^"j Die Mehrzahl dieser Notizen wird zurückgehen auf die Angaben, welche sich auf den oben erwähnten Umschlägen der einzelnen Münzen fanden; andere, namentlich bei den von Ausgrabungen, welche Kihm geleitet hatte, stammenden Münzen, auf von ihm selbst ge- machte Aufzeichnungen. Dass Kihm wirklich alle Fundnotizen, welche er vorfand, verwertet hätte, soll damit nicht behauptet werden; denn von den aus dem Binger, sowie aus dem Ileddernheimer Denurfunde stammenden Münzen, welche er in die Sammlung zerstreute, hat er, obwohl ihm deren Herkunft nachweislich bekannt war, keiner einzigen eine entsprechende Notiz beigefügt; dasselbe ist noch bei vielen einzelnen Münzen nachweisbar, namentlich bei den ausgeschossenen Münzen hat er auf die Angabe der Herkunft offenbar nicht das geringste Oewioht gelegt. Immerhin ist nnzucrkennen, dass Kihm dunh Erhaltung eines grossen Teiles der alten Fnndnotizen uns ein wertvolles historisches Material überliefert hat.

195

clironologische Ordnung der Sammlung nach Kaisern vor diesem Datum er- folgt; die Kolumne ist bei den meisten Münzen mit einer nachträglichen Blei- stifteintragung ausgefüllt. In diesem und den folgenden Yerzeichnissen beginnt Kihm auch den Fundort, soweit er ihm bekannt war, den einzelneu Nummern beizuschreiben; doch war die hierauf verwendete Sorgfalt bei den verschiedeneu Verzeichnissen eine sehr verschiedene.'') Bei dieser Aufnahme aller Bestände an römischen Münzen wurden natürlich auch die gleichzeitig bezw. kurz vorher erworbenen Stücke eingetragen; daraus erklärt sich die in den Verzeichnissen XIV^, XVII, XVIII und XIX begegnende verhältnismässige Häufigkeit des Vermerkes, „gefunden 1851, 1852, 1853". Das XIX. Verzeichnis, welches zwei Münzen aus dem Jahre 1854 enthält, kann nicht vor diesem Jahre abgefasst sein; das letzte, XXI. Verzeichnis, welches die 1850 gekauften Heddernheimer Silbermünzen enthält, dürfte nicht später als in das Jahr 1855 fallen.

In dem der Generalversammlung vom 8. September 1853 vorgetragenen Jahresberichte wird der Bestand der Münz- und Medaillensammlung angegeben auf: 209 griechische, 4078 römische, 37 keltische und 1891 mittelalterliche Münzen (Per. Bl. No. 3, 1853, S. 7). In den XXI Kihm'schen Verzeichnissen, von denen No. XVIII bis XXI mit 494 Stück sicher nach jenem Datum der Generalversammlung angefertigt wurden, sind insgesamt nur 3319 Münzen ent- halten.'^) Dazu wird man freilich noch die von Kihm nicht aufgenommene,

^^) Im XIV. Verzeichnisse sind fast alle Münzen mit Herkunftsangaben versehen (die meisten stammen von dem Ankaufe in Bingen 1852 und Frankfurt bei Oppenheim er 1851, s. oben S. 190), im XV. fehlen sie wieder fast ganz, im XVI.— XIX. sind sie häufig vor- lianden, verschwinden aber völlig im XX., das XXI., welches den Heddernheimer Denarfund enthält, lässt diesen Vermerk ebenfalls vermissen.

^*) Diese Summe setzt sich in folgender Weise zusammen:

Verzeichnis

enthält:

GE

ME

KE

Silber

Gold

Summa

I.

n

73

137

67

44

321

IL

n

22

68

138

228

III.

V

21

75

64

20

180

IV.

n

3

18

13

103

137

V.

n

18

25

48

91

VI.

n

16

23

25

5

69

VII.

n

12

62

48

32

2

156

VIII.

■n

19

85

89

90

7

290

IX.

n

40

104

118

60

322

X.

»

184

184

\T.

»

9

125

134

XII.

n

34

>

48

5

90

XIII.

n

23

50

41

37

151

XIV.

n

11

66

60

137

XV.

»

14

23

96

22

155

XVI.

7

23

24

1

55

XVII.

»

10

18

91

6

125

XVIII.

<i

8

22

34

12

76

XIX.

V

S

17

10

6

41

XX.

»

3

10

24

8

45

XXI.

332

332

308 1053 1118 826 14 3319

196

weil bereits mit Katalog versehene, für sich gesondert gebliebene Sand- berger'sche Sammlung mit 297 Stück zu rechnen haben. Aber auch dann bleibt diese Zahl hinter jenen 4678 so weit zurück, dass es wohl keinem Zweifel unterliegt, dass in diese hohe Gesamtzahl welche noch jetzt der geordnete und verzeichnete Teil der Sammlung bei weitem nicht erreicht auch die von Kihm ausgeschossenen Münzen, auf deren Umschlägen er ja stets die Stückzahl notiert hatte, eingerechnet seien.

Die Anfertigung eines eigentlichen Katalogs, welche erst nach dieser vorläufigen (Ordnung hätte beginnen können, unterblieb auch jetzt, offenbar mehr aus dem Grunde, weil eine Persönlichkeit fehlte, welche diese Arbeit hätte ausführen können, als weil man einen solchen überhaupt für überflüssig hielt.

Über die von der ersten Hälfte der 50er bis in die Mitte der 60er Jahre der Yereiussammluug einverleibten Münzen geben eine erwünschte Übersicht die Berichte in den „Mittheilungen an die Mitglieder des Vereins für Nassauische Alterthumskunde und Geschichtsforschung" und in den „Periodischen Blättern der Geschichts- und Alterthumsvereine zu Kassel, Darmstadt, Frankfurt, Mainz und Wiesbaden." Diese Berichte sind, soweit sie die Vermehrung der Vereins- sammlungen betreffen, grossenteils fast wortgetreu aus den seit dem Jahre 1853 regelmässig mit Sorgfalt fortgeführten Zugangsverzeichnissen, „Inventarien", ge- schöpft, denen sie freilich auch darin folgen, dass in ihnen unbedeutenderer Erwerbungen, darunter namentlich schlecht erhaltener Münzen, öfter gar nicht oder in nur summarischer Weise Erwähnung geschieht. Von den damals er- worbenen Münzen wurde nur ein sehr geringer Teil der von Kihm geordneten Sammlung eingereiht; die überwiegende Mehrzahl wurde vielmehr ganz in der Weise, wie dies vor dem Jahre 1851 geschehen war, in beliebigen Fächern dos Münzschrankes zerstreut; doch vergass mau dabei selten die einzelnen Stücke in einen Zettel zu wickeln, auf welchem Fundort und Fundzeit, manch- mal auch eine oberflächliche Bestimmung der Münze vermerkt war. Diesem Umstände verdanken wir es, dass wir noch jetzt in der Lage sind, fast alle in den „Mittheilungen" und .,Per. Blättern" erwähnten Münzen, und häufig noch manche andere in jener Zeit erworbene, deren sie nicht gedenken, zu identifi- zieren. Denn dass auch in der folgenden Zeit die so untergebrachten Münzen im wesentlichen unangetastet blieben, zeigt unter anderem der Umstand, dass sich unter ihnen manche Prachtstücke, wie z. B. die unten zu beschreibenden Vespasiaoe (No. 43 u. 45) und der Augustus (No. 15) befanden, welche ihrer Verborgenheit zu entreissen sich gelohnt hätte, sowie dass die bei den Ausgrab- ungen des Jahres 1858 auf dem Heidenberge gefundenen Münzen noch unbe- rührt so lagen, wie sie gleich nach jener Ausgrabung von Rössel untergebracht waren (s. unten). Es bildete sich so gewissermassen ein dritter Bestandteil der Sammlung, die seit dem Jahre 1855 hinzugekommenen Münzen, neben den beiden von Kihm geschiedenen: der in chronologische Ordnung gebrachten Sammlung und den ausgeschossenen Münzen.

Aus den in diesen Jahren erworbenen Münzen mögen hier kurz erwähnt sein: ,30 in Ems gefundene Münzen von Domitian bis Valens", geschenkt am 31. Oktober 1853 (Per. Blätter 1854, No. 4, S, 19); von einem bei Finthen

205

an einen Palmbaum gebunden, unten 2 Palmen, auf dem Avers Stempeleinschlag: . [liyp}, auf dem Revers ein runder, nicht zu entziflFernder Stempel. Cohen p. 179 No. 7. „Caetell zu Wiesbaden 1838". (K.)

23. Dieselbe Münze, sehr schlecht erhalten, ohne Stempel. „Römercastell 1838 (Ausschuss)".

24. Dieselbe Münze, absichtlich halbiert: Cohen p. 179 No. 7 oder 10. »Castell 1858". Über die Halbierung vgl. Mommsen: RGm. Münzwesen 1860, S. 677.

25. Dieselbe Münze, halbiert, glänzend blau patiniert. ^(Castell 1838) in dem Schacht".

26. Dieselbe Münze, halbiert, aber mit zackiger Schnittfläche, noch sehr frisches Gepräge, gef. wie 23.

Tiberius :

27.* Mittelerz: nicht näher bestimmbar. „Castell vor 1853''. Vgl. Kihm's Verzeichnis oben S. 203.

28. Mittelerz, schlecht: Kopf m. Lorb. n. r, Umschrift . . . AVGVST F IMPER . . . . Es. zerstört (jedenfalls mit Altar und ROM ET AVG)« nCastell 1858".

Germanicus :

29. Mittelerz, geprägt unter Caligula: GERM[ANICVS CAESAR Tl AVG] F DIVI AVG N Kopf n. r. Rs. Q CAESAR AVG GERMAN [PON] M TR POT Im Felde S-C Cohen 2. .,Castell, südöstliche Ringmauer, März 1860". Vgl. P. Bl. 1860 No. 13 3. 367 == Inv. 1860 No. 84.

Caligula :

30. Mittelerz, ziemlich gut: Q CAESAR AVG GERMANICVS PON M TR POT

Kopf n. 1. Es. Vesta n. 1. sitzend, hält Schale und Scepter, oben VESTA» zu beiden Seiten S— C Cohen 27. „Castell 1838". (K.J

31. Dieselbe Münze, ziemlich gut. „Nord^yite des Castells 1875". Vgl. Annal. XIV, 430 und Inv. 1875 No. 136.

Drusus der ältere:

32. Grosserz, geprägt unter Claudius i. J. 41, gut: NERO CLAVDIVS DRVSVS GER- MANICVS IMP Kopf n. 1. Es. Tl CLAVDIVS CAESAR AVG P M TR P IMP

Claudius n. 1. sitzend, hält einen Zweig, unter seinem Sessel ein Panzer, Schild und Kugel, davor und dahinter weitere Waffen, Cohen 8, „im Anfange des Jahres 1819 auf dem sogenannten Rumerberge dahior in einer Tiefe von 15 Schuhen ausgegraben". Zimmermann in seinem Münzkatalog, Grosserze No. 1. Vgl, oben S. 184.

Claudius :

33. Mittelerz, schlecht erhalten: Tl CLAV[DIVS CAESAR AVG] PM [TR P IMP PP] Kopf n. 1. Rs. Minerva n. r. stehend, hält einen Schild und schwingt eine Lanae, im Felde gross S— C Cohen 84. „(CastelJ) hinter dem kleinen Bad" (also wohl 1838).

34. Mittelerz, ganz zerfressen: Kopf des Claudius n. 1. Es. völlig zerstört, „Römercastell 1838 (Ausschuss)".

Nero:

35. Mittelerz, schlecht erhalten: NERO GtAVD CAESAR AVG GER PM TR P

IMP PP Kopf n. 1., daiunter- KugeJ, i^ Yictori« n. l. tliegend, hält einen Sohild [auf dem SPQR], zu beiden Seiten §— Q Cohen 293» ,Römerca8tell 1838 (Ausschuss)".

36. Mittelerz, ziemlioh gut: [|MP] NERO CAESAR AVG [P] MAX TR P PP Kopf n, 1., darunter Kugel. Es. ebenso wie bei 35. Cohen 303. „Castell 1858".

37. Mittelerz, schlecht erhalten: Kopf mit Lorbeer n. r., Umschrift zerstört. Es. ebenso wie bei 35. „Castell 1858".

Vespasian :

38. Mittelerz, sohlecht erhalten: JMP ^mMR VESPASIA?^^ W^ '^S IUI Kopf mit Lorbeer n. r., darunter Kugel. Es. AEQVIT?Ü$ [AVGVSTI] oder [AVGVST]

13*

206

stehende Aequitas n. 1. zwischen S— Ci ^^It Wage und Scepter. Wahrscheinlich

Cohen 15 li. J. 72/73'). ^Rümercastell 1838 (Ausschuss)". 39.* Mittelerz: . . . CAES VESPASIAN AVG [COS ] Kopf des Kaisers. Rs. FIDES

PUBLICA, stehende Fides n. 1. mit Schale u. Füllhorn, zu beiden Seiten S— C ^ino

der Nummern Cohen 165—168. «Heidenberg, März 1862'*"), nach Inv. 1862,

1-t. März Xo. 15. 40. Mittelerz, verschliffen: [|MP CAES] VESPASIAN AVG COS VÜ! PP Kopf mit

Lorbeer n. r., darunter Kugel. Rs. FORTLVNAE RlEDVCI Fortuna n. 1. stehend,

mit Füllhorn und Steuer, S C Cohen ISl (i. J. 78/79). „Römercastell 1338 (^Ausschuss)". 41.* Denar: Kopf, Umschrift IMP CAESAR VESPASIANVS AVG Rs. Merkurstab,

PON MAX TR P COS V Cohen 362 (i. J. 74). , Heidenberg 1865''. Mitteil. No. 5

und 6, 1867 März S. 26 = Inv. 1865 Oktober No. 45.

42. Mittelerz, sehr schlecht erhalten: [|MP] CAES VESPASIA??!^^^ Kopf mit Lorbeer

n. r. Rs. vor Beseitigung des Rostes war deutlich zu erkennen ein grosser Altar, im Abschn. ^OVIDE;;i>/, also eine der Münzen Cohen 39G— 100, mit PROVIDENT „Römercastell 1838 (Ausschuss)''.

43. Grosserz, sehr schön erhalten: |MP CAES VESPASIAN AVG PM TR P PP COS ill Kopf mit Lorbeer n. r., darunter Kugel. Rs. ROMA, stehende Roma n. 1., hälc eine Victoria und eine Lanze, zu beiden Seiten S— C Cohen 419 (i. J. 71). „Caetell, März 1860^; vgL P. Bl. 1860 No. 13 S. 368 und Liv. 1860 Februar -März No. 86.

44. Mittelerz, Revers zerstört: [jjMLP CjAES VESPASIAN AVG COS TU, Kopf mit Lorbeer n. r. Rs. Adler auf einer Kugel sitzend, im Felde S— C Cohen 480 (L J. 71j. , Römercastell 1838 (Außschnss)".

45. Dieselbe Münze, sehr schön mit Edelrost: „Castell Frühjahr 1860"; vgL P. BL 1860 No. 13 3. 368 and Inv. 1860 No. 85.

46.* Denar: |MP CAES VESP AVG [PM Kopf mit Lorbeer n. r.] Rs. TRI POT II

COS III [PP sitzende Fax n. 1., hält Ölzweig und Caducens]. Cohen 566 (i. J. 71).

„Römerberg 1833"; nach Vorst.-Sitz. 16. Januar 1834 § 2. 47. Mittelorz, sehr schlecht: VESPASIAN AVG Kopf n. r., darunter Kugel.

Rs. stehende Figur n. 1. mit Schale undFülihom (?;. „RömercastelllSSB (AnsschuBs}".

[Kann auch Titos sein.] 48.* Mittelerz, nicht näher bestimmbar. „Castell Tor 1853"; vgl. Kihm's Verzeichnis oben 3. 203,

49. Mittelerz, sehr zerstört: Kopf mit Lorbeer n. r., Umschrift verwischt. Rs. sitzende Figur n. 1. (vielleicht Vesta?). „Castell 1858".

50. Mittelerz, sehr zerstört: Kopf n. r., von der Umschrift scheint noch erkennbar . . . ASIA ... Rs. ganz zerstört. „(Castell 1838/39) hinterm kleinen Bad".

51.* 52.*^*) „Undeutliche Bronzemünzen, auf dem Heidenberg gefunden, 2 Vespasian" nach Mitten. 1865 No. 4 3. 17.

Titus :

53. Mittelerz, gut erhalten: J CAES IMP AVG F TR P COS VI CENSOR Kopf mit Lorbeer n. r., darunter Kugel. Rs. SECVRI[TA]S AVGVSTI Securitas n. r. sitzend, stützt den Kopf in die r. Hand und hält in der 1. Hand einen Zweig (?), vor ihr ein brennender Altar. Fehlt bei Cohen (i. J. 77). „Heidenberg 1878". Vgl. Liv. 1878, 189.

54. Mittelerz, sehr schlecht: J CAES VESPASIAN IMP P %ßMM'^^^(^) Kopf mit Lorbeer n. r. Rs. '■■riC't^iHV^'/ H'P^^fi.lJi% Victoria n. r. stehend auf einem Schififo, zu beiden Seiten S-C Cohen 387 (i. J. 72/73). „Römercastell 1838 (Ausschuss)",

^*) In Mitteil. No. 2 1863 Januar 3. 39 wird dieselbe Münze beschrieben, unter Weglassung der Fundangabe, im Avers ist das dort gelesene GERM .... offenbar verlesen für COS ....

^') Es ist darauf hinzuweisen, daas dieselben mit keiner der sonst nachweisbaren, von uns aufgeführten Münzen Vespasian's identisch sein können.

207 Domitian :

55. Mittelerz, schön rrhalteu, mit Edeh-ost: |MP D CAES DI VI VESP F AVG P M TR P PP COS VII Kopf mit Lorbeer n. r. Rs. CERES AVG VST Ceres n. 1. Btebend mic Fackel und Ähren, S-C Cohen 33 (i. J. SO). „HeJdenberg 1873''. Inv. 1S7S, No. 231.

56. Denar, gut erhalten: CAESAR AVG F DGMiTIANVS Kopf m. Lorbeer n. r. Rs. COS l!ll Pog.-iEUa n. r. Cohen 47 a. J. 75). ^Casteil 1849, Garten von Weck". (.K).

57. Derselbe Deuar, «.ut: „Castell 1858".

58. Mittelerz: JMP CAES DOMIT ; ."G GERM COSBv^'^S PER PP Kopf mit Lc-'^ern. r. Rs. [F!OR[TVN.AE] AVGVSTl ^tohonde i'^ortuna n. 1. mit Steuerruder und Füllhorn, im Felde $-0 Cohen 122 (i. J. 36). ,,Heideaberg 1879", vgl. Inv. 1879, No. 8 - Z. K. 425.

59. Mittelerz, sehr schön: ebenso wie Xo. 52, nur auf dem Avers: COS XV und Kopf m. !?h-abiei:kroce. Cohen I:i2 (i. -J. 90\ „Heidenoerg 1879", vgl. Inv. 1S79 Xo. 6 = Z. K. 424.

60. Dlefuibe Münze, zerfressen: „Heidenberg" (mit Zettel von Rosael's Hand, also vor August 13Ö2 gef.).

61. Groanerz, s-ut erhalten: ÜVIP CAES DOiVlIT AVG GERM COS XV CENS PER PP Kopf m. Lorbeor n, r. Rs. |OVI [VICJTORI atzender Jupiter n. 1., im Abschn. SC Cohen 314 ;i. J. 50\ „Castei' 1S:SS im Kreuzbad\ (K.)

62. Mittelerz, gut: \W\P CAES DOMiT AVG GER^/I COS X Kopf m. Lorbeer n. r. lis. [SjALVTl [AVGJVST Im Abschn. SC. Grosser Altar. Cohen 413 (i. J. 84). „Castell 1838". (K.)

63. Kleinerz: [IMP] DOM AVG Beholmter Kopf n. r. Rs. In einem Lorbeerkranze SO Fehlt bei Cohen 2. Aufl., ist = Cohen 1. Aufl. 501. „Caitell 1S5S".

64.* Mittelerz; j.ViP CAES D!VI VESP F DOMITIAN AVG P M Kopf m. Lorbeer n. r. Rs. TR P COS VII DES Vül PP Steiiende Minerva n. r., mit Helm, Schild und Lanze, zu den Saiten S— C Cohen 562 (i. J. 81). „Gef. beim Hospitalbau (Römer- castell Wiesbaden) 1877". Inv. 1877, 3. März No. 43.

65. Dieselbe Münze, etwas vorschüffen. , Heidenberg 1878".^)

66. Mittelerz, etwas verschlifien: Avers ebenso -.vie 65. Rs. TR P COS VIII DES Villi PP Minerva, wie bei No. 65. Cohen 587 (i. J. 82). ,Castell zu Wiesbaden". (K.)

67. Dieselbe Münze, verrostet: „Castell 1839". (K.)

68. Dieselbe Münze, versohlifTen: „Römercastell 1838 (Ausschuss)".

69. Dieselbe Münze: ^Castell 1858" [war von Rössel für Antocinus Plus angesehen].

70. Mittelorz: |MP CAES DOMITIAN AV[G GEIRM COS XI Hs. VIRTVTI AVG [VSTll Tirtus n. r. stehend hält Parazoniiun und Lanze S— C Fehlt bei Cohen (i. J. 85). „Casteil 1858".

71. Mittelerz, gut: IMP CAES DOMIT AVG GERM COS XII CENS PER PP Kopf mit Strahleukroue n. r. Rs. VI[R]TVTI AVGVSTl Virtus wie bei 70. Cohen 648 (i. J. 86). .,,Heidenberg 1879".

72. Mittelerz, schleclit: [JMP] CAES DOMiT AVG GEWM', CENS.... Kopf m. Lor- beer n. r. Rs. sehr zerstört, wahrscheinlich aber Virtus n. r. stehend mit Lanze und Parazonium wie 70 ß. „Castell 1858".

73. Mittelerz, sehr verschliffen: Kopf mit Lorbeer n. r., von der Umschrift noch lesbar ....VG GERM X.l lis. scheint stehende Yirtus n. r,, nicht näher be- stimmbar. .,Castell 1839". (K.)

74. Grosserz, sehr versehüffen: IMP [DOMITIAN CAIES DIVI VESP [F] AV[G P M TR P PP COS VII oder VIII] Kopf m. Lorbeer n. r. Rs. zerstört. ,Castell 1858".

=*) Die Möglichkeit ist nicht ausgeschlossen, dass No. 65 eben die von mir nicht gesehene No. 64* ist, obwohl bei ersterer das Jahr 1878, bei letzterer 1877 als Fundjahr angegeben ist; dass No. 65 nicht in das Inventar eiogetragen gewesen zu sein scheint, vermehrt an sich nicht die Wahrscheinlichkeit der Identität.

208

75. STittelerz, nur halb erhalten, durch Brand abgesehmolzen: Kopf n. r. Alles andere

unkenntlich. „Castell 1858". 76.* ,Drei undeutliche BronzemQnzen, auf dem Heidenberge gefunden, 2 Veapasian und

1 Domitian".«) Mitteü. 1365 No. 4 3. 17.

Nerva:

77. Mittelerz, schlecht: [|]MP NERVA CAE[S AVG PlIVI TR P CO[S 11 PP] Kopf m. Lorbeer n. r. Rs. [FORTVNA AVGV]S[T] Stehende Fortuna n. 1. hält Ruder und Füllhorn, zu den Seiten S— C Cohen 61. „Castell von Wiesbaden". (K.)

78.* Denar: „eine Silbermünze Nerya gefunden auf dem Heidenberg". Inv. 1872 No. 90. Nicht näher bestimmbar.

Trajan:

79. Mittele.-z, ziemlich gut: IMP CAES NERVAE TRAIANO AVG GER DAG P M TR P COS V PP Kopf mit Strahlen n. r. Rs. SPQR OPTI[MO] PRINCIPI S— C Stehende Figur n. 1., in der L. ein Füllhorn, in der R. einen Caduceus (?) Nicht sicher bestimmbar (i. d. J. 104—111). „Castell 1858".

80. Mittelerz, gut: Avers wie bei 79. Rs. SPQR [OIPTIMO PRINCIPI Stehende For- tuna n. 1. S— C Cohen 479. ,Castell 1839". (K.)

81.* Mittelerz: |MP CAES NERVA TRAIAN AVG GERM P M Kopf mit Lorbeer.

Rs. YR POT COS II P P Geflügelte Victoria n. 1. mit einem kleinen Schilde in der

R., worauf SPQR Zur Seite S— C Cohen 617 (i. J. 98). „Auf dem Heidenberge 1838».

Nach sorgfältiger Beschreibung Habel's auf einem Zettel, in welchen diese und die

folgende Münze eingewickelt gewesen. 82.* Dieselbe Münze, „gefunden im Bad des Castells" (also 1838). Nach demselben Zettel

wie No. 81.*

83. Dieselbe Münze. „Castell 1858".

84. Grosserz, schön erhalten: |MP CAES NERVA TRAIAN AVG GERM P M Kopf m. Lorbeer u. Aegis n. r, Rs. TR POT COS II P P Sitzende Justitia n. 1. hält einen Zweig und ein Scepter, im Abschn. S C Fehlt bei Cohen (i. J. 98). „Caateil 1838". (K.)

85. Mittelerz, schön mit Edelrost: |MP CAES NERVA TRAIAN AVG GERM [P M] Kopf m. Lorbeer n. r. Rs. TR PO[T CO]S III P P Victoria, wie bei 81 ff. Cohen 628 (i. J. 100). „Castell auf dem Heidenberg, April 1862". Vgl. Mitteil. No. 2 1863 8. 40 und Inr. 1862 17. April No. 31.

86. Dieselbe Münze, gut erhalten: „Heidenberg 1879". Vgl. Tut. 1879 No. 7 = Z. K. 423.

87. Mittelerz: |MP [CAES NERIVA TRAIAN AVG GERM P M Kopf mit Strahlen n. r. Rs. TR POT COS III P P Sitzende weibliche Figur n. 1. in der r. Hand ein Scepter, zu beiden Seiten S— C "Vielleicht Cohen 629. „Castell 1839". (K.)

88. Mittelerz, ziemlich gut: Avers wie bei 87. Rs. TR POT COS IUI P P "Victoria n. 1., wie bei 81 ff., S C Cohen 640 (i. J. 101 oder 102). „Castell auf dem Heidenberge, Februar 1862". Vgl. Mitteil. No. 2 1863 S. 44 und Inv. 1862 15. Februar No. 11.

89.* Grosserz: „. . . . A TRAIANVS AVG G Brustbild des Kaisers, sehr zerfressen. Rs.

TR POT COS I . . . Sitzende Pietas wenig kenntlich" nach Mitteil. No. 1 1861 S. 21 = Inv. 1861 Juli 17. No. 170: „gef. Wiesb. in der Leimenkaut" (gemeint sein können wohl nur die Lehmgruben auf dem Heidenberge, an der Platter-Chauss^e).

Hadrian:

90. Orosserz, verschliffen: H<^RIANVS AV[G COS III P P] Büste «• Lorbeer n. r. Rf' ADVENTVI [AVG ] Hadrian n. r. stehend, ihm gegenüber eine weibliche

*') Auf die allerdings schwache Möglichkeit soll wenigstens hingewiesen werden, dass wir in der unter No. 60 beschriebenen Münze die in den Mitteil. a. a. 0. erwähnte vor uns haben.

197

gemachten Münzfund kamen nur 6 Stück als Geschenk in das Museum (Per. Blätter, No. 4, 1855, S. 124).^*) Eine wertvolle Erwerbung bildete die Sammlung von 143 republikauidclien, sämtlich in Rom gefundenen Silbermünzen, welche Herr van Ro.ssum am S. Januar 1859 dem Museum zum Geschenk machte (Per. Blätter 1850, No. 8, S. 203). Das damals zugleich ü!)erreichte sorgfältige, noch vorhandene Verzeichnis zeigt, dass die aus dieser Sammlung stammenden Stücke noch jetzt den bei weitem grössten Teil aller im Münzkabinet vor- handenen republikanischen Denare ausmachen. Hält man dazu, dass auch mit der von Gerning'schen Sammlung eine Reihe republikanischer Münzen an das Museum gekommen sein muss, dass Trombetta eine Anzahl schenkte, sowie dass noch öfter von auswärts dergleichen Münzen als Geschenke eingingen"'), so bleibt von den im Münzkabinet enthaltenen Denaren der römischen Republik ein verhältnismässig sehr geringer Bruchteil über, welcher im Lande selbst gefunden ist oder doch gefunden sein kann.

19 Münzen aus der Zeit Diocletiau's und Constantin's, gefunden auf dem Donnersberg, schenkte 1859 der Pfarrer Lehmann (Per. Blätter No. 8, 1859, S. 206), von auswärts kamen auch einige Stücke aus Lyon (Per. Blätter No. 11, 1859, S. 299 f.), Strassburg (Per. Blätter No. 14, 1860, S. 398), Ägypten (Per. Blätter No. 15 u. 16, 1861, S. 461 f.) in die Sammlung. Die vom Verein erworbenen Sammlungen des Geometers Wagner in Kernel, von Lob und von Schäffer in Bingen enthielten auch einige meist am Ort gefundene Münzen (Mittheilungen an die Mitglieder No. 2, 1868, S. 35, 42 f., 44 f.). Von einem am 29. Dezember 1861 in Marienfels gemachten Denarfunde aus der ersten Hälfte des 3. Jahrhunderts, welcher gegen 1500 Stück enthielt, wurden 126 angekauft (Mittheilungen No. 2, 1863, S. 56); dieselben lassen sich, wenn auch der Sammlung jetzt eingeordnet, an der eigentümlichen Art ihrer Erhaltung leicht erkennen; eine Beschreibung derselben wird an einer anderen Stelle gegeben werden. Zehn von Pleddernheim stammende Münzen werden aufge- zählt in den Mittheilungen an die Mitglieder No. 3, 1864, S. 10 f.; eine Gold- münze von Marcus Bs. Saluti augustor. tr. pot. XVH cos. HI, gefunden in Holz- hauseu, wurde 1864 erworben (Mittheilungen No. 4, 1865, S. 18); ebenso eine Goldmünze von Jiistinus F.^. Victoria Augg. (ebenda S. 17). Vier in oder bei Mainz gefundene römische Goldmünzen, 1 Vespasian, 1 Trajan, 1 Antoninus Pius, 1 Leo I. wurden 1867 angekauft (Invent. 1867, No. 55), Die Er- werbung der E. Zais'schen Münzsammlung brachte dem Kabinet einen Zu- wachs von etwa 250 Stück. Das von dem früheren Besitzer verfasste Ver- zeichnis, welches sich erhalten hat, ermöglicht es, die meisten dieser der übrigen

^*) Vier davon sind: a) A^rippa ME. b) Vespasian, Es. Äequitaa AugustiME. c) Hadrian Bs. Pietas Aug. GE. d) Volusian, Rs. Pax. Augg., Silber. Ob dieselben wirklich einem ein- heitlichen Scliatzlund entstammen?

") Z. B. 5 republik. Silbermünzen, welche aus einem in der Niihe von Reussmarkt in Siebenbürgen gefundenen, etwa 300 Stück enthaltenden Schatzfund herrühren, vgl. Invent. d. Münzen seit 1880, No. 66 ff. Woher die 184^/44 angekaufte , Anzahl römischer Silber- und Bronzemünzen, unter welchen sich ziemlich viel Konsularmünzen befanden" (An- nal. IV, 1. 162) stammte, wissen wir nicht.

13

198

Sammlung bereits 1869 einverleibten Münzen zu identifizieren. „Dem Fundorte nach verteilen sich die Münzen zum grössten Teile auf Mainz, dann folgen Heddernheim, Alzey und Wiesbaden"; leider beschränken sich die Fundnotizen auf diese allgemeine Angabe, eine Zuweisung der einzelnen Stücke an die verschiedenen genannten Fundorte ist nicht mehr möglich.

In der Mitte der 70er Jahre erhielt die Sammlung der römischen Münzen endlich einen Katalog, dessen sich die der mittelalterlichen unu neueren Münzen bereits seit dem Jahre 1865 erfreute. Das „antiquarische Notizbuch" des Konservators sagt darüber unter dem Datum des 21. Oktober 1873, S. 64: „Im Laufe des Sommers hat Herr Isenbeck die römischen Münzen nach Cohen geordnet, so dass die Cohen'sche Nummer auf ein vorstehendes Papierblättchen notiert ist; eingeordnet wurde hierbei die Sandberger'sche Sammlung, aber den Münzen ein Blättchen beigelegt mit der Nummer des Katalogs und der Fundstelle auf der Kehrseite. Ausrangiert wurden die Dubletten und besonders verwahrt . . ." (vgl. dazu Annal. XIII, 370). Nach dieser Vorarbeit wurde der Katalog selbst aufgestellt; des Abschlusses dieser Arbeit thut der Jahres- bericht des Konservators über das Jahr 1876 Erwähnung (s. xinnal. XIV, 435). Dieser Katalog, welcher die Münzen nach Cohen, Description des medailles frappees sous l'empire romain 1. Auflage bestimmt, nach den Münzgattungen, Gold, Silber, Grosserz, Mittelerz und Kleinerz, getrennt aufführt und die Fund- angaben, soweit sie vorhanden waren, hinzufügt, umfasst in der Hauptsache den von Kihm geordneten Teil der Sammlung, wobei freilich die Ki hm' sehe Ord- nung als gänzlich ungenügend völlig verändert werden musste; eingeschlossen sind zwar ausser der schon erwähnten Sand berger 'sehen Sammlung noch manche vor der Katalogisierung, Vv'ie z. B. die Zais' sehen, oder während der- selben eingeordnete Münzen, aber die anderen Bestandteile, die von Kihm ausgeschosseneu sowie die Mehrzahl der seit 1856 erworbenen Stücke, blieben von der Katalogisierung ausgeschlossen. Die Zahl der in dem Kataloge ver- zeichneten Kaisermünzen beträgt etwa 3100, bleibt also hinter der Zahl der in den Kihm'schen XXI Verzeichnissen enthaltenen 3319 zurück; mit Hinzu- rechnung der etwa 260 republikanischen dieselben sind erst im Jahre 1895 in den Katalog aufgenommen übertrifft sie jene Zahl nur um ein weniges: der in den zwischenliegenden 20 Jahren diesem Teil der Sammlung gewordene Zuwachs ist durch xA.usscheidung der zahlreichen Fälschungen, sowie einer Reihe von Dubletten*') annähernd ausgeglichen worden.

*') Es darf hier nicht unterlassen werden, darauf hinzuweisen, dass diese Dubletten fast auascbliesslich aus Bronzemünzen des 1. Jahrhunderts der Kaiserzeit bestehen: dutzend- weise sind unter ihnen vertreten die bekannten Agrippamünzen, die des Augustus mit Provi- dentia und Rom. et Aug. (obwohl alle diese Sorten schon zahlreich in der katalogisierten Sammlung sich befinden,, viele Caligula mit Yesta, Nero mit S C und der Victoria, besonders dann Vespasian und Domitiau, auch Trajan; mit Hadiian beginnt die Zahl bereits abzunehmen und sind spätere Münzen, wenn wir von dem überall massenhaft auftretenden Kleinkupfer der constantinischen Zeit absehen, fast gar nicht mehr vertreten, auch die Denare des anfangenden 3. Jahrhunderts fehlen fast völlig. Du uns keine Gesamtfunde bekannt sind, welche diese früh- zeitigen Münzen, wenigstens in irgend welcher beträchtlichen Anzahl enthalten hätten (be-

199

Die Vermehrung der Sammlung in den siebziger Jahren war keine sehr bedeutende*'), wie die Inventare dieser Zeit ausweisen, und beschränkte sich auf Zuwendung und gelegentlichen Ankauf einzelner Münzen; am meisten lieferten dazu Wiesbaden und Heddernheim, sowie Mainz. Seit dem Ende des Jahres 1880 werden die neu eingehenden Münzen, welche bis dahin zwischen den übrigen für das Museum erworbeneu Gegenständen in den jährlichen Inventarcn verzeichnet worden waren, in ein eigenes Inventar mit fortlaufender Nummer eingetragen, welche jetzt die Zahl 600 wenig überschritten hat ; darunter sind nur etwa 150 Stück römische Münzen. Die so eingetragenen wurden in Papier- täschchen, welche mit der entsprechenden Nummer versehen sind, der Sammlung einverleibt, aber nicht an der ihnen zukommenden Stelle eingeordnet; auch in dem Isenbeck' sehen Katalog sind die nach seiner Fertigstellung erworbenen römischen Münzen wenn man von den Konsularmünzen, deren Verzeichnis erst 1895 aufgestellt wurde, absieht nicht nachgetragen. Aus den Er- werbungen dieser Zeit mögen hier erwähnt sein 21 aus Nackenheim stammende Münzen, September 1882 (Invent. d. M. No. 192 212); einige aus Ägypten (Invent. No. 223 332); sowie die aus dem Münzfund an der Hammermühle bei "Wiesbaden März 1884 herrührenden Denare (Invent. No. 281 304), auf die unten zurückzukommen sein wird.

Trotz der nicht unbedeutenden Bestandteile, welche der Sammlung, wie aus diesem nur die Hauptpunkte berührenden Überblick zu ersehen ist, von aussen her, namentlich vom linken Rheinufer, aber auch aus weiterer Entfer- nung zugekommen sind, besteht doch der Kern des Münzkabinets aus im Lande selbst gefundenen Stücken, wenn sich auch nur ein vergleichsweise geringer Teil den einzelnen Fundstellen, welche vorzugsweise in näherer und weiterer

kanntlich kommen Schätze von Kupfermünzen aus der Zeit vor Commodus fast gar nicht vor, vgl. Mommaen, Rom. Miinzwesen, S. 770 u. 775, Anm. 113), müssen diese Münzen ein- zeln, und natürlich meist im Laude, gefunden sein. Auf eine vergleichende Zusammenstel- lung der in dem Isenbeck'schen Kataloge enthaltenen Stückzahl der Münzen der einzelnen Kaiser muss verzichtet werden, weil diese Zahlen dadurch, dass in ihnen die Münzen aus den in das Museum gelangten Gesamtfunden mitenthalteu sind, von dem mehr oder weniger häufigen Vorkommen der Münzen einer bestimmten Zeit kein richtiges Bild zu geben vermögen; so bei den Denaren von Nero bis Hadrian (aus Heddernheim), den Kleinerzen des Probus, Diocletian etc. (aus Bingen), den Kleinerzen des Tetricus und Victorinus (aus Heddernheim), den Denaren der severischen Zeit (aus Marienfels) etc.

**) Eine im Jahre 1879 dem Museum als Geschenk übergebene sehr wertvolle Sammlung antiker Münzen kann hier nur kurz erwähnt werden, da sie entsprechend der Stiftungsurkunde keinen Bestandteil des Münzkabinets bildet, sondern in einem eigenen Schranke aufbewahrt wird. Sie ist von Oskar von Lade zusammengebracht und nach dessen früh erfolgtem Tode von seinem Vater gestiftet; sie umfasst gegen 2fJ00, der überwiegenden Mehrzahl nach römische Münzen, meist schön erhalten, darunter manche Seltenheiten; der ebenfalls übergebene aus- führlich besclireibende Katalog ist von Herrn J. Isenbeck angefertigt (vgl. Annal. XV, ."^41, Invent. 1879, 159).

200

Umgebung Wiesbadens, im Rheingau, Heddernheim, dem unteren Mainthal und der Lahngegend gelegen haben werden, noch zuteilen lässt. Der all- mähliche und langsame, aber stetige Zufliiss dieser Münzen tritt naturgomäsa in den Jahresberichten und Vorstandsprotokollen, welche in Ermangelung regel- mässiger Zugangsverzeichnisse in den ersten drei Jahrzehnten fast unsere einzige Quelle für Kenntnis dieser Verhältnisse bilden, abgesehen von den Ergebnissen einzelner grösserer Ausgrabungen, viel weniger hervor, als die durch Geschenk oder Kauf erworbenen grösseren Sammlungen und Gesamtfunde, die sich in allem wesentlichen noch jetzt als solche erkennen lassen, rait einziger Aus- nahme des Kreuznacher Fundes vom Jahre 1837. Die vergleichsweise zahlreich vertretenen Kupfermünzen des 1. Jahrhunderts, von deren Fundstellen am linken Rheinufer nur Mainz und Bingen für unsere Samnilung einigermassen in Be- tracht kommen, dürften einen grossen, wenn nicht den grössteu Teil dieser in unserer Gegend gefundeneu einzeln und gelegentlich angekauften bezw. ge- schenkten Münzen ausmachen (vergl. oben Anm. 41).

Wenden wir uns nun zu der Zusammenstellung der in Wiesbaden ge- fundenen römischen Münzen des Museums.

Es empfiehlt sich, dieselben in zwei Gruppen zu teilen: die im römischen Kastell und die übrigen in der Stadt und Umgegend gefundenen.")

I. Die im römischen Kastell und dessen Nähe gefundenen Münzen.

In dieser Gruppe sind rait den laut Fundnotiz aus dem Beringe des Kastells stammenden Münzen diejenigen vereinigt, welche schlechthin als „ge- funden auf dem Heidenberge", wie die ganze Höhe, auf welcher das Kastell lag, durch alle Zeiten hindurch bis vor wenigen Jahren hiess, bezeichnet sind. Dabei ist zu beachten, dass der Name des Heidenberges entsprechend den im Laufe dieses Jahrhunderts seinen Abhang hinauf schreitenden und ihn jetzt fast ganz bedeckenden Strassen- und Häuserbauten, weiter und weiter auf die Höhe des Berges zurückgedrängt wurde, so dass ungefähr seit den sechziger Jahren annähernd nur die ehemals vom Kastell eingenommene Fläche so be- zeichnet wurde; danach sind z. B. die von Dorow im zweiten Jahrzehnt unseres Jahrhunderts gemachten Fundangaben, welche für eine Reihe damals zu Tage geförderter Münzen") ebenfalls den „Heidenberg'* nennen die Fund- stellen würde man jetzt etwa bezeichnen mit „obere Webergasse bezw. Römer- berg** und mit „mittlere Schwalbacherstrasse am Michelsberg", wo damals aus- gedehnte Grabstätten aufgedeckt wurden ganz anders zu beurteilen, als dieselben Angaben aus den sechziger oder gar siebziger Jahren. Endlich sind auch einige wenige mit der Fundnotiz „Römerberg" versehene Stücke hier

*ä) Des einfacheren Citierens wegen sind die Nummern durch beido Gruppen fort- laufende.

") Vgl. Dorow: Opferst, u. Grabhügel II, S. 3 f. u. 12 f., sowie oben S. 183. Diese mit Dorow 's übriger Sammlung wolil meist in das Bonner Provinzialmuseum gelangten Münzen lashen sich dort nicht mehr identifizieren.

201

eingereiht, weil nicht in jedem Falle sicher ist, ob wir es mit einer missbräuch- liohen Bezeichnung des „Heidenberges", welche bisweilen begegnet"), oder mit dem Namen der noch jetzt „Römerberg" genannten Strasse, welche ja übrigens auch auf dem Gebiet des alten Heidenberges " liegt, zu thun haben.

Yon Münzen, welche vor der Ausgrabung des Kastells in den Jahren 1838/39 gefunden wurden, sind uns nur wenige noch bekannt 'unten No. 1*, 2, 3, 32, 46*, 93). In der von Kihm inventarisierten und zeitlich geordneten Sammlung befinden sich nicht mehr als 16 Stück, welchen ein von seiner Hand geschriebener Vermerk „gefunden im Römercastell zu Wiesbaden 1838" bezw. „1839" beiliegt. Dass diese 16 Stück'^) nicht die ganze numismatische Ausbeute der zweijährigen sehr gründlichen Ausgrabung gewesen sein können, ist von vornherein selbstverständlich. Die Annahme, dass in gleicher Weise wie bei den Hof heiraer Münzen (s. obenS. 194) die schlechter erhaltenen Stücke von Kihm als „Ausschuss" behandelt seien, wurde bestätigt durch Auffindung eines grossen Papierumschlagos, welcher von Kihm's Hand den Bleistiftvermerk trug „ge- funden im Römercastell zu Wiesbaden 1838", darunter in Tinte „20 Mittel- erze, 9 Kleinerze, Ausscbuss"; der Umschlag enthielt von den ursprünglichen 29 Stück noch 19 Stück. Einige andere fanden sich noch einzeln mit ent- sprechendem Vermerk unter dem Ausschuss ; die grosse Mehrzahl aber der ans dem Wiesbadener Kastell stammenden ausgeschossenen Münzen ist ohne Fund- notiz unter die übrigen gemischt und daher für historische Verwertung ver- loren. In den 40er Jahren sind sicher zahlreiche Münzen auf dem Heidenberge zu Tage gefördert : viele derselben werden unter den aus diesen Jahren stammen- den, von Kihm mit der Angabe „Umgebung Wiesbaden" bezw. „Wiesbaden und Umgebung" versehenen Münzen sich befinden (siehe oben S. 192 u. Anm. 30); denn es ist schwerlich Zufall, dass diese Bezeichnungen bei Münzen gerade der Kaiser am häufigsten begegnen, welche nach den übrigen Zeugnissen im Kastell und auf dem Heidenberge am zahlreichsten vertreten sind, der Flavier und Trajans.*^) Auf einer Seite eines Notizbuches von Kihm befinden sich unter 8 „Münzen von Bronce", für deron Ankauf er die Auslagen verrechnet,

") In diesem Sinne gebraucht offenbar das Wort z.B. Zimmermann: Wiesbaden und seine Umgebungen 1826, S. 11: , indem auf dem Römerberge, welcher noch in späterer Zeit als Befestigungspunkt diente, auch Münzen von Constantin, Valens und den späteren Kaisern gefunden werden'', ebenso auch wohl ebenda S. 23: „auch finden sich auf dem Römerberge vorherrschend viele Bronze- und Siibermiinzen mit seinem (Hadrian's) Gepräg". Obwohl Z. hier, namentlich an der ersteren Stelle, allgemein den Heidenberg verstanden wissen wollte, fussen seine angeführten Bemerkungen nur auf den bis zum Jahre 1825 bei Häuser- und Strassenanlagen gemachten Funden an den unteren Abhängen des Heidenberges, wo sich, vor- züglich im Norden und Osten, von frühromischer bis in die Zeit der Völkerwanderung in Ge- brauch gewesene ausgedehnte Grabstätten befanden.

*') Bei denselben ist, wie auch bei den in der zweiten Gruppe mit Kihm'schen Fund- notizen versehenen Münzen der Fundangabe ein K. in Klammern zugefügt.

*') Diese Notiz findet sich im ganzen bei 28 übrigens in der zweiten Gruppe be- schriebenen — Münzen; darunter 3 mal bei Nero, ö mal bei Vespasian, 12 mal bei Domitian, 1 mal bei Nerva, 4 mal bei Trajan, 1 mal bei Hadrian, 2 mal bei Severus.

202

nicht weniger als 6 mit der Fundangabe „Heidenberg" (die Notiz stammt ent- weder aus dem Jahre 1841 oder einem der nächst folgenden). Als Ausbeute der vom Verein im Kastell im Frühling 1858 vorgenommenen Ausgrabung werden von Rössel an Münzen aufgezählt (Per. Blätter No. 6, 1858 S. 138) „Domitian (in Silber), Tiberius (2 mal), Nero, Yespasian, Domitian, Trajan und Antonin, in Mittelerz" (vergl. Inv. 1858, No, 152/55). In einem Schubfache des Münzschrankes fand ich am 11. Januar 1895 in Gegenwart des Herrn Isenbeck eine grössere Anzahl in Reihen gelegter, gar nicht oder wenig ge- reinigter Münzen, zwischen ihnen eben jene 8, mit entsprechenden Vermerken von Rossel's Hand versehenen Stücke; auch ein kleiner Bronzeklumpen, sowie ein kleines Stück vom Rande eines Bronzegefässes, welches wohl auch für eine Münze gehalten worden war, lagen dabei. Es war auf den ersten Blick klar, dass die sämtlichen Stücke von einer Ausgrabung herrührten, welche wegen der Rossel'scheu Notizen auf jenen 8 Stück nur die auf dem Heidenberg 1858 ausgeführte sein konnte. Zur Zeit, als die Eintragung in das Inventar erfolgte, hatte Rössel nur jene 8 Münzen übrigens wider seine Gewohnheit flüchtig, und zum Teil falsch : der angebliche Antonin ist in Wahrheit ein Do- mitian, ebenso einer der beiden angeblichen Tiberius bestimmt und daher nur jene vermerkt; die auf später verschobene Bestimmung der anderen, übrigens durchweg sehr schlecht erhaltenen Münzen wurde weder von Rössel, noch von sonst Jemandem ausgeführt, so dass der ganze Fund noch in der Ver- fassung war, wie im Jahre 1858.**)

Die Grundabraumungsarbeiten der sechziger Jahre auf dem Heidenberge haben noch weitere Münzen zu Tage gefördert, endlich auch die in der zweiten Hälfte der siebziger Jahre auf dem Terrain des Kastells vorgenommenen Grund- arbeiten für das neue städtische Krankenhaus.

Ein in der Mitte geteiltes Folioblatt enthält, geschrieben von Kibm's Hand, auf der einen Hälfte ein „Verzeichnis der Münzen, welche innerhalb des Kastells gefunden sind", auf der anderen ein solches der „Münzen, welche ausserhalb dem Kastell gefunden worden sind". Da beide Verzeichnisse sehr flüchtig und auch für die Zeit, aus welcher sie stammen aus dem Jahre 1853 oder einem der nächst folgenden durchaus unvollständig sind*'), brauchten wir hier nicht weiter auf sie einzugehen, wenn sich nicht noch einige Münzen, deren Fund- notizen jetzt Verloren sind, daraus gewinnen Hessen. Dass Kihm dabei nur die von ihm chronologisch geordnete Sammlung im Auge hatte, zeigt die Hin- zufügung der der Zeitfolge entsprechend ansteigenden Nummern der Schub- laden, in welchen sich die betreff'enden Münzen befanden.

*") Die verhältniamSssig grosse Anzahl der damals gefundenen Münzen erklärt sich daraus, dass jene Ausgrabungen in dem Teile des Lagers, in welchem einst die Soldaten ihre Baracken und Kochpliitze gehabt hatten, stattfanden, sowie dass an jenen Stellen das Terrain, auf welchem sich einst die Römer bewegten, völlig abgegraben wurde, wodurch gerade an Münzen mehr als bei gewöhnlichen Ausgrabungen zu Tage gefördert werden musste.

*') So fehlen z. B. in beiden Verzeichnissen sonderbarerweise sämtliche Münzen Do- raitianfl, obwohl sie zahlreich den entsprechenden Fundvermerk von Kihm 's Hand zeigen, ebenso im Verzeichnis der Kastell-Münzen das Mittelerz Xerva's, das Orosserz des Verus u, a. m.

203

Das Yerzeichnis der im Kastell gefundenen Münzen enthält folgendes:

es o

OQ

o

C

S

.o

'S

1

9

10 13 14

21 27

28

30 31 42

xyin^»)

Elephand (sie!) Münz v. J.Cäsar Augustus

Augustus

Tiberius

Caligula

Yespasian

Trajan

n

Hadrian

n

Lucilla aiigusta ....

Alexander Severus

1

unten No. 2.

wohl unten No. 21 (Agrippa)

und No. 22 (Nemausus). jetzt nicht mehr nachweisbar, jetzt nicht mehr nachweisbar, unten No. 30.

jetzt nicht mehr nachweisbar, unten No. 80, 84, 87, wobei ein Mittelerz für ein Gross- erz angesehen ist. unten No. 90. unten No. 93 und 94. offenbar das Grosserz No. 100

(Verwechselung von Mittel-

u. Grosserz begegnet Kihm

öfter). unten No. 104.

Es folgt nun die Beschreibung der Münzen der ersten Gruppe^^): Gens Lucilia:

1.* Denar, geprägt um 89 v. Chr.: Kopf mit Flügelhelm n. r. im Lorbeerkranz, dahinter PV Bs. Victoria in Biga n. r,, oben RVF, im Abschn, M LVCILI Babclon II. p. 150. „Römerberg 1833" nach Vorst.-Sitz. vom 16. Januar 1834 § 2.

Julius Caesar:

2. Denar, geprägt um 50 v. Chr. : Elefant n. r., im Abschn. CAESAR Rs. Mütze des Flamen, Simpulum, Weihwedel, Axt: Babelon U. p. 10 No. 9. „Castell Heidenberg ISST"*. (K.)

^°) Damit ist verwiesen auf das „XVIII. Verzeichniss römischer Miinzen", in welchem sich diese Münze in der That unter No. 6 findet; sie war also damals noch nicht, wie später, in die chronologisch geordnete Sammlung eingelegt.

^') Die Münzen sind, soweit angängig, nach Cohen: Description des m^dailles frapp^es S0U8 l'empire romain, 2. Auflage, die republikanischen nach Babelon: Description histor. et chronolog. des monnaies de la republ. romaine T. I, II, 1885, bestimmt, mit Hinzufügung des Jahres, in welchem die einzelnen Münzen geprägt worden sind. Die bei den Citaten am häufigsten angewendeten Abkürzungen, soweit sie sich nicht selbst erklären, sind: 1. Inv. = Inventar der einzelnen Jahre seit 1853. 2. Inv. d. M. = Inventar der Münzen, welches seit 1880 geführt wird, siehe oben S. 199. 3. (K.) = Kihm, bei den mit Fundnotizen von seiner Hand versehenen Münzen. 4. Mitteil. = Mittheilungen an die Mitglieder des N. A. V. 5. P. Bl. = Periodische Blätter. 6. Vorst.-Sitz. mit folgendem Datum = Protokolle der Vorstandssitzung, welche sich bei den Vereinsakten befinden. 7. Z. K. = Zettelkatalog des Museums. Ein * ist den Nummern derjenigen Münzen beigesetzt, die sich jetzt nicht mehr identifizieren lassen, deren Beschreibung bezw. Anführung demnach nicht auf eigener Anschau- ung beruht.

204

Die Stadt Celsa in Spanien (colonia victrix Julia Lepida) :

3. Grosserz, geprägt zwischen 45 und 41 v. Chr.: Kopf n. r., unten rechts die Umschrift COL- VIC IVL LEP i^*'- stehender Stier n. r, darüber RR U- VIR-, darunter |_ NEP L SVR . fliehe A. Heiss: Description gen. des monnaies ant. de l'Espagne 1870 p. 142 No. 15 Taf. XI. .,Heidenberi7 1830". (K.) Bei dem beschränkten Um- laufsgebiet dieses spanischen städtischen Courants kann unser Exemplar wohl nur in dem Geldbeutel eines spanisclien Auxiliaren oder eines aus Spanien direkt an den Rhein versetzten Legionars an seinen Fundort gelangt sein.

Augustus :

4.* Denar: nicht näher bestimmbar. -Castell" vor 1853, vgl. Kihm's Verzeichnis oben S. 203.

5. Denar, verschliflPen : CAESA[Rll AVG[VST01 Kopf m. Lorb. n. 1. Es. Tempel mit 6 Säulen, Umschrift [MAR VLTJ verwischt. Cohen 192, geprägt 20 v. Chr. „Casteli Heidenberg 1878-, vgl. Inv. Is78 Xo. 231.

6. 7. 8. Mittelerze, alle sehr schlecht : [DIVVS AVGVSTVS PATER] Kopf m. Strahlen u. 1. Es. Grosser Altar zwischen S C. unten [PROVIDENTJ Cohen 228, geprägt unter Tiherius. ^Römercastell 1838 (Ausschuss)".

9. Dieselbe Münze: schlecht. „Casteli 1858". 10.* Dieselbe Münze: P. Bl 1S60 No. 14 S. 397 und Inv. 1860, April 30: „im Schuttland

l'/i' tief gefunden am Bierstadter Weg, muthniasslich vom Heideuberg dahin gefahren". 11. Mittelerz, schlecht: Kopf m. Lorb. n. r. [CAESAR PONT MAXI -Rs- Altar, an dessen

Ecken zwei Victorien mit Kränzen, unten ROM ET AVG Cohen 240. „Casteli 1858". 12.* Dieselbe Münze: „Casteli auf dem Heidenberg 1863", nach MitteiL 1864 No. 8 S. 11

= Inv. 18G3 Mai No. 83.

13. Dieselbe Münze, absichtlich halbiert: „Röraercastell 1838 (Ausschuss)".

14. Dieselbe Münze, schlecht: .jRömercastell 1838 (Ausschuss)", scheint barbarischer Prägung, der Rand ist in Form eines menschlichen Gesichtes ausgezackt.

15. Denar, sehr schön: LA[QVIL]LIVS FLORVS III VIR strahlengekrönter Kopf des Sol n. r. Es. CAESAR AVGVSTVS SIGN REGE knieender Parther n. r. über- reicht ein Feldzeichen. Cohen 358, geprägt 20 v. Chr. ^Casteli Heidenberg, März 1860", vgl. P. BI. 1860 No. 13 S. 368.

16. Mittelerz, schlecht: [AVGVSTVS TRIBVNIC POTEST] Kopf n. r. E.^. CN PI[SO CNF] III VIR AAAFF i™ Felde gross S C. auf dem Avers eingeschnitten

MAC ,

2 auf dem Revers Stempeleinschlag: l*^^;

O Fehlt bei Cohen 2. Auflage, entspricht Cohen 1. Auflage 513. „CasteU

Heidenberg 1858".

17. Mittelcrz, schlecht: [CAESAlR AVGVST P[ONT MAX TR1]BVN[IC POT] Kopf n. r. Es. [p LIVRIVIS AGRIPIPA 111 VIR [AAAFF] im Felde SC, auf dem Revers Stenipeloinschlag W^: Cohen 445. „Casteli 1838/39".

18. Mitteler^, sehr schlecht: Kopf n. r., Umschrift ganz zerstört. Es. [C PLOTIVS] RVFVS III VIR[AAAFF] im Felde SC Cohen 504. Jlömercastell 1838 (Ausschuss)".

19. Dieselbe Münze, stark verschliffen: auf dem Es. noch lesbar . . .]VFVS III VIR AA[. . . Im Felde SC „Casteli 1858".

20. Mittelerz, sehr zerstört: Kopf des Augustus n. r. Es. im Felde gross S [C], die Um- schrift mit dem Namen des Münzmeisters nicht mehr erkennbar. ^.Casteli 1838/39".

Agrippa:

21. Mittelerz, gut erhalten: M AGRIPPA L F COS III Kopf mit corona rostrata n. l. Es. nackter Neptun, stehecd zwisciien S C Coheu 3. „Casteli lb38". (,K.)

Die Stadt Nemausus (Nimes) in Südfrankreich:

22. Mittelerz, mit ^x.hüner Patina: JMP DIVI F, die Köpfe des Augustus und des Agrippa, letzterer mit coronu ro-^trata, von oiuander abgewendet. Es. COLNEMi Krokodil n. r.

209

Figur, welche eine ProTinz charakterisiert, zwischen ihnen ein brennender AJtar. Genauer nicht bestimmbar. ^Caatell zu "Wiesbaden 1839". (K.)

91. Grosserz, gut erhalten: |MP CAESAR TRAIANVS HADRIANVS AVG Kopf mit Lorbeer n. r. Rs. PONT [MAX T]R ROT COS III S C P" oder Feücitas n. I. stehend. Cohen 1192. ^Heidenberg".

92. Grosserz, sehr verschliffen: Kopf Hadrian's n. r. Umschrift verlöscht. Ra. Sitzende Figur n. r. hält eine Victoria (?) (vielleicht Roma, dann wäre es Cohen 1302). Nicht näher bestimmbar. „Castell 1858*.

93. Mittelerz, sehr gut: HADRIANVS AVGVSTVS Kopf m. Lorbeer n. r. Rs. SALVS AVGVSTI Stehende Salus n. 1. füttert eine um einen Altar geringelte Schlange, im Abschn. COS lll> im Felde S C Cohen 1357. „Heidenberg 1834". (K.)

94. Dieselbe Münze, gut: „Castell 1838". (K.)

Antoninus Pias:

95. Grosserz: [ANTOININVS AVG PIVS P [P IMP II] Kopf m. Lorbeer n. r. Rs. [T]R POT XXII COS l[lll] Wölfin n. r., Romulus und Remus säugend, im Abschn. S C Fehlt bei Cohen (im J. 159). „CasteU 1858".

Faustina die Aeltere:

96. Grosserz, stark verschliffen: DIVA FAVSTINA Büste m. Diadem n. r. Rs. CON [SECRATIO] Stehende Vesta n. 1. hält eine Schale uud eine Fackel, zu beiden Seiten S C Cohen 162. ,CasteU 1858".

Faustina die Jüngfere:

97. Mittelerz, sehr schlecht: Kopf der Faustina n. r. Umschrift verwischt. Rs. Sitzende weibliche Figur n. 1. Weiteres unkenntlich. „Castell 1858".

98. Grosserz, stark verschliffen: Kopf n. r. Umschrift verwischt. Rs. Stehende weibliche Figur n. r. mit langem Scepter (?), Umschrift verwischt. „Castell 1858".

L. Vepus:

99. Grosserz, ziemlich gut: L VERVS AVG ARM PARTH MAX Kopf m. Lorbeer n. r. Rs. TR POT VI IMP III COS II Armenier oder Parther sitzt n. r. mit ge- fesselten Händen unter einem Tropaeum, zu beiden Seiten S C Cohen 200 (im J. 166). „Castell 1838". (K.)

Lucilla :

100. Grosserz: LVCILLA AVGVSTA Büste n. r. [P|]ET[AS] Pietas n. 1. stehend neben einem brennenden Altar zwischen S C Cohen 53. „Castell zu Wiesbaden". (K.)

Julia Domna:

101. Denar, gut: |VLIA AVGVSTA Büste n. r. Rs. MATER DEVM Cybele mit Mauerkrone sitzt n. 1. zwischen 2 Löwen, hält Zweig und Scepter. Cohen 123. „Heiden- berg in Wiesbaden". (K.)

Caracalla:

102. Mittelerz, gut: ANTONINVS PIVS AVG GERM Rs. VENVS [VICITRIX Stehende Venus n. 1., hält eine Victoria und ein Scepter, stützt sich auf einen Schild, der auf einem Helme ruht, im Felde S— C Cohen 611 „Römerberg". Vgl. F. Bl. 1858 No. 7 8. 167 = Inv. 1858 17. August No. 229.

Julia Maesa:

103. Denar, gefüttert: |VLIA MAESA AVG Büste n. r. Rs. PVDICITIA Pudicitia n. L sitzend, fasst ihren Schleier und hält ein Scepter. Cohen 39. „Castell 1858".

210

Severus Alexander:

104. Mittelerz, durchbohrt, sonst gut erhalten: |MP CAES M AVR SEV [ALlEXANDER AVG Büste mit Lorbeer und Mantel n. r. Rs. PONTIF M[AX TR P V] COS 11 PP Der Kaiser in einer Quadriija n. r. hält ein Scepter, im Abschn, S C Cohen 478 (i. J. 226). „CasteU 1838". (K.)

Claudius n.:

105. Kleinerz, schlecht: DIVO CLAVDIO Kopf m. Strahlen n. r. Bs. [CONSECR]ATIO Altar; wohl Cohen 50. „Castell 1858".

Carinus :

106. Kleinerz: |MP CARINVS PF AVG Büste m. Strahlenkrone und Panzer n. r. Rs. AETERNIT AVG Stehende Aeternitas n. 1. mit einer Kugel, auf welcher der Phönix, im Abschn. K^s^AF Cohen 10, „Heidenberg 1869 gef. neben einem grauen Teller", Tgl. Inv. 1869 No, 8, und Annal. X, S. 362, wo die Münze unrichtig bestimmt ist.

Constantlnopolis :

107. Kleinerz, geringster Grösse, sehr verschliffen : CONSTANTINOPOLIS Büste behelmt n. 1. Rs. Stehende Victoria ohne Umschrift, im Abschn. ////S Cohen 22. „Römer- castell 1838 (Ausschuss)".

108. Kleinerz: dasselbe Gepräge. Cohen 21. „Castell 1858".

Crispus :

109. Kleinerz, yersilbert: CRISPVS NOB CAES Büste m. Diadem u, Panzer n. r. Rs. PROVIDENTIAE AVGG Thor m. 2 Türmen, zwischen denen ein Stern, im Abschn. PTR. Fehlt bei Cohen. „Heidenberg 1869". Vgl. Inv. 1869 No. 19.

Constantin 11.:

HO.* Kleinerz: „CONSTANTINVS IVN NOB C -B«- Zwei Trophäen, daneben zwei Gehar- nischte. Umschrift: GLORIA EXERCITVS" Cohen VIP, p. 378, nicht näher bestimm- bar. Inv. 1859 9. Febr. No. 248. „Römercastell".

T)-"

Constantius II :

111. Kleinerz, sehr verschliffen: Büste mit Diadem und Mantel n. r. Umschrift verwischt Rs. wenig kenntlich, aber scheint die Darstellung auf den Münzen mit FELTEMP REPARATIO zu haben. Cohen YW, p. 445. „Heidenberg 1869". Vgl. Inv. 1869 No. 21.

Gpatian:

112. Kleinerz: D N GRATIANVS AVGG AVG Büste m. Diadem und Mantel n. r. Es. GLORIA NOVI SAECVLI Qratian in Kriegstracht hält daa Labarum, im Abschn. CON Cohen 13. „Heidenberg 1869". Vgl. Inv. 1869 No. 20.

Ausserdem an unbestimmbaren Münzen:

1 Mittelerz des 1. Jahrhunderts, 1 „Römercastell 1838, 1 halbiertes Mittelerz, ( (Ausschuss)".

4 Mittelerze, darunter eines vielleicht von Augustus, 1 - , 1 halbiertes Mittelerz, I °

1 Kleinerz, wohl Kern eines gefütterten Denars des (

3. Jahrhunderts, I

1 Silber*, gefunden im Castell bei Wiesbaden nach Invent.

1854 vom 6. Mai. 1 Bronze*, gefunden im Castell nach Invent. 1870, 21,

211

Übersichtlich verteilen sich diese 112 Münzen auf die verschiedenen Zeit- abschnitte folgcndermassen : geprägt sind in der Zeit

vor Augustus ....

3

unter Augustus ....

19

(einschliesslich Agrippa,

Nemausus, Tiberius)

unter Tiberius ....

6

(einschl. divus Augustus)

unter Caligula(Germanicu8)

3

Claudius (Drusus) .

3

Nero

3

Yespasian . .

15

Titus

2

Domitian ....

22

., Nerva

2

, Trajan

11

Hadrian ....

5

, Pius (Paustina I.) .

2

, Marcus (Paustina EL.,

Verus, Lucilla) . .

4

Com modus . . .

Severus (Domna) .

1

Caracalla ....

1

Julia Maesa . . .

1

Alexander . . .

1

Maximin bis Gallienus

, Claudius TT. . . .

1

, Carinus ....

1

ConstantinL(Crispu8,

Constantin IE. Caesar)

4

Constantius 11. .

1

Gratian ....

1

37 Stück aus 81 Jahren (von Drusus' erstem Zug im Jahre 12 v. Chr. an gerechnet).

1

39 Stück aus 27 Jahren

18 Stück aus 42 Jahren

57

Stück

aus 69

Jahren.

10 Stück aus 130 Jahren

8 Stück aus 110 Jahren

18

Stück

aus

240

Jahren.

Auch in der Lug enbühl' sehen Sammlung, der einzigen, w^elche noch Münzen als im Kastell gefunden bezeichnet, zeigen die mit dem Yermerk: „Heidenberg Castell", bezw. „Heidenberg" versehenen Münzen ein starkes Vor- wiegen der Kaiser des 1. Jahrhunderts: es sind bis Nero 12 Stück, Galba bis Domitian 10, Trajan und Hadrian 5, zusammen also 27, denen nur 14 aus der Zeit von Pius bis in das 4. Jahrhundert gegenüberstehen; wenn hier der Unter- schied der Zahlen nicht so bedeutend ist, wie bei den Museumsmünzen, so ist zu berücksichtigen, dass in einer Privatsammlung die Münzen der verschiedenen Kaiser durchschnittlich gleichmässiger vertreten sind als in einer öffentlichen.

Die aus diesem interessanten Thatbestand zu ziehenden Schlüsse über die Geschichte des Wiesbadener Castells lassen sich nur in weiterer Ausführung, als hier möglich ist, und im Zusammenhang mit anderen Thatsachen darlegen.

212

II. Die übrigen in der Stadt Wiesbaden und Umgegend

gefundenen Münzen.

Dass schon in früheren Zeiten vielfach römische Münzen in und bei Wiesbaden gefunden wurden, müssten wir als selbstverständlich annehmen, wenn es uns auch nicht durch ausdrückliche Zeugnisse, wie z. B. Schenck'a: Ge- schichtliche Beschreibung der Stadt Wiesbaden 1758, S. 115 if. überliefert wäre.**) Doch wird ihre Zahl nie so bedeutend gewesen sein, wie diejenige, welche die von selten der Regierung lebhaft begünstigte rege Bauthätigkeit in Wiesbaden in der letzten Hälfte des ersten und dem zweiten Jahrzehnt unseres Jahrhunderts (vergl. z. B. Ebhardt: Geschichte und Beschreibung der Stadt Wiesbaden, Giessen 1817, S. 119 f., 234 f.) ans Tageslicht brachte. Es wurde bereits erwähnt, dass wahrscheinlich ein grosser, wenn nicht der grösste Teil der später in das Museum gekommenen Münzsammlung Zimmermanns aus diesen Funden herrührt; eine grosse Anzahl der an den verschiedenen Stellen der Stadt von ihm damals gesammelten Münzen beschreibt auch Dorow in seinen Opfer- stätten und Grabhügel, I. und II. Als erste dem Yereinsmuseum zugekommene in Wiesbaden gefundene Münzen kennen wir eine Bronzemünze Vespasians vom Neroberge und ein Kleinerz Constantin's vom Kursaale (s. oben S. 182). In den folgenden Jahrzehnten") sind abgesehen von den Ausgrabungen des Vereins, welche ausser einigen wenigen, so an der Artilleriekaserne, am Kranzplatz, auf dem Mauritiusplatz, meist Punkte ausserhalb der Stadt betrafen, die meisten Münzen bei Gelegenheit von Häuser- und Strassenbauten auf dem in der Tiefe bis dahin noch ganz unberührten Boden gefunden worden; später haben auch die Kanalisierungsarbeiten manche Ausbeute an Münzen geliefert. In den dreiasiger und vierziger Jahren, welche besonders ergiebig gewesen sein müssen, wurde auch der Hauptsache nach die Münzsammlung dea Kaufmanns Lugen- bühl zusammengebracht, in welcher sich namentlich aus Wiesbaden und Um- gegend stammende Fundstücke befinden. Auf das oben erwähnte Kihm'sche Verzeichnis der „Münzen, welche ausserhalb dem Castell gefunden worden sind", brauchen wir hier nicht näher einzugehen, da die in demselben erwähnten

'') Zwei im Jahre 1732 in der Saalgaaae in "W. gefundene Münzen, einen Nero und einen Vespaaian, erwähnt ein Bericht des fürstlichen Oberamtes in Wiesbaden vom 1. November 1732 (Ajinal. IV, 480); die erstere wird dort folgendermassen beschrieben: NERO CLAVDIVS CAESAR AVGVSTVS GERMAN IMP TRIVMPHATOR Rückseite: SECVRITAS AVGVSTI S Ct *l30 ein® ^^^ Münzen bei Cohen 231 S.

") Zwölf Bronzemünzen wurden im Jahre 1838/39 der Vereinssammlung geschenkt, , deren Fundort wahrscheinlich Wiesbaden ist"; es schien wegen der nicht ganz gesicherten Herkunft nicht ratsam, dieselben in unser Hauptverzeichnis aufzunehmen; sie mögen daher hier nach der Beschreibung Annal. III, 2. 176 f. kurz erwähnt werden: 1. 2 St. Gallienus Rs. a) Laetitia, b) unkenntl. KE. 2. 2 St. Posthumus Rs. a) Genie P. R., b) Consecratio KE. 3. 1 Tacitus Rs. Provid. deor. KE. 4. 2 Diocletian Rs. a) Genio populi romani, b) Jovi tutatori Augg. ME. 5. 3 Maximian a) Genio populi romani, b) M(oneta) sacra Augg. et Caess. nn., c) desgl. ME. 6. 1 Valentinian Rs. Securitas rei publicae KE. Übrigens ist keine dieser Münzen jetzt noch zu identifizieren.

213

}.[ünzen säintlicii an(lcr'A-3itig bekannt sinrl. Dagegen giebt uns ein gleichfalls von Kihm beschriebener Zettel Kenntnis von 28 sämtlich bei Ausgrabungen der riiniibchen xVnsiedeli.ngen in der Umgegend gewonnenen Münzen, dessen Inhalt wir hi.:r folgen lassen, weil er niancho uns sonst unbekannte Stücke enthält:

1.

1 Iladiian

gef. auf deniMünzberg

unten N"o. 306

"y

1 do.

bey Mosbach

« , -00

■i.

1 Anroniuus Plus

gef. Miinzberg

ist wohl Marcus unten No. 333

4.

1 do.

an der Spelzmübl

5.

1 do.

bey Mosbach

f. , -j •n V n ?) « o-±l

6.

1 do.

im Höfgen

unten No. 314

7.

1 do.

do.

. , 315

S.

1 Faustina Augus

ta

an Spel/c Mühl

342 oder 347

9.

1 Ao.

bey Mosbach 1845

. r, c>,4S

10.

1 AlexanderSever

usS

Ilie;

bey Mosbach

n , 381

11.

1 Antoniuus i'ius

Silber

in der Hasseid

ist wohl Eiagabalus unten

No. 37.5

12.

1 Alexander SeverusS

übe

r bey Mosbach

nicht mehr nachweisbar

13. 1 do. Brouce im Köfgen

14. 1 do. QO.

15. lAütoninus Pius Silber bev Mosbach

16. 1 do. Bronce auf dem Nei

do.

Gros Erz Neroborg do.

J7. 1 do.

18. 1 do.

19. IHadrian

20. 1 do.

21. 1 Trajan

22. 1 Trajan

23. INero

24. l Domitian

25. 1 do.

2ß. 1 Germanicus IBronce

27. lAugustus

28. IConstantiuus Magnus

Spelzmübl

eeL bey Mosbacli

bey Bierstadt

i unten No. 383 ! nicht mehr nachweisbar j nicht mehr nachweisbar ! nicht mehr nachweisbar I nicht mehr nachweisbar I unten No. 323 i . .307 i . .301 I . .284 I . . 285 ^ef.aufdemNeroberg t nicht mehr nachweisbar

unten No. 266 . . 267 nicht mehr nach^veisbar gef. aufdem.Neroberg j ist wohl Agrippa No. 161 get\ Spelzmühi J nicht mehr nachweisbar.

do.

do.

Spelz Mühl

"Wir lassen jetzt die Beschreibung der Münzen der zweiten Gruppe, wo- bei dieselben Abkürzungen, wie oben angegeben, zur Anwendung gekommen sind, folgen:

Gens Aelia:

11.3. Denar, geprägt um 209 vor Chr.: Pallaskopf n. r., dahinter X P^^- P PAETVS ROMA Die beiden DioHkuren zu Pferde n. r. ßaböloii I, 110 No. .'). „An der H.'.i.-inier- müiile 1884". Vgl. Inv. d. M. No. 293.

Gens Annia:

114. Denar, geprägt um S2 t. Chr. in Spanien: Q ANNl T F T N PRO COS EX S C

Kopf der Juuo Moneta n. r. zwischen Caduceus und Wiuxo. Bi. Yiotori.'i in einer

Qua.lri^'a n. r., liält eine Palme, im Abschn. L FABI L F HiSP "^ i' »^li« Q l''<i^'fh>n 1, 140 No. 2. „An der llanußermilhle 1884"

Vgl, InT. d. M. No. 207.

14

214

Gens Antonia:

115. Denar, serrat, geprägt im J. S3 t. Chr.: Bärtiger Kopf n. r., davor £ oder F, dahinter SC. mit Stempeleinschlag SAC?) ^- Quadriga n. r., im Abschn. Q ATON BA_B PR Babelon I, 158 No, 1. „An der Hammermühle 1884". Vgl. Inv. d. M. No, 303.

Gens Aquillia:

116. Denar, serrat, geprägt um 54 v. Chr.: VIRTVS III VIR behelmter Kopf der Virtus- n, r. Es. ^ A QVIL M/ F M/ N ein Soldat mit Schild n. 1. hebt eine knieende Frau auf, im Abachn. SICIL Babelon I, 213 No. 2. „An der Hammermühle 18S4''. Vgl. InT. d. M. No. 294,

Gens Calpurnia:

117. Denar, geprägt um 106 y. Chr.: Patlaskopf mit Flügelhelm n. r., dahinter vorn ein undeutlicher Stempel eingeschlagen. Rs. Quadriga n. r. p CA LP iöi Abschn. If^^-^ Babelon I, 286 No. 2. „An der Hammermühle 18S4". Vgl. Inv. d. M. No. 298.

Gen3 Claudia:

118. 119. Denare, serrat, geprägt um 84 v. Chr.: Dianabüste n. r., dahinter Bogen und Köcher SC ^- Victoria in einer Biga n. r. mit Palme und Kranz Tl CLAV? Tl F AP N unter der Biga bei einem J.- XVII» bei dem anderen C VI Babelon I, 349 No. 5. „An der Hammermühle 1884.'^ Vgl Inv. d. M. No. 295. 296.

120. Denar, geprägt um 99 v. Chr.: Pallaskopf m. Flügelhelm n. r. Rs. Victoria in einer Triga n. r., im Abschn. AP CL T MANL Q VR Babelon I, 347 No. 2. „An der Hammermühle 1884". Vgl. Inv. d. M. No. 301.

121. Denar, geprägt um 43 v. Chr.: Apollokopf m. Lorbeer n. r., dahinter Lyra. F^. Diana von vorn, hält eine Fackel in jeder Hand, p CLODIVS M F Babelon I, 356 No, 15, .,Bey "Wiesbaden". (K.)

Gens Lucilia:

122. Denar, geprägt um 89 v. C'ir. : wie oben No. 1. Babelon I, 150. „An der Hammer- mühle 1884". Vgl. Inv. d. M. No. 302,

Gens Maria:

123. 124. Denare, geprägt um 84 v. Chr., sorrat: Älircnbekränzter Cereskopf CAPIT. Lf^ Rs. Colone mit Ochsengespann n. 1., darüber JL, im Abschn, C MARI LC F SC] bei dem einen vor dem Kopfe eine Palme. Babelon II, 203 No. 9, „An der Hammer- mühle 1884^ Vgl. Inv. d. M. No, 299, 300,

Gens Naevia:

125. Denar, geprägt um 74 v. Chr.: Yenuskopf mit Diadem und Perlenhalsband n. r., da- hinter S'C Rs. Victoria in Triga n. r., im Abschn. [CNIÄ.BALL] Babelon II, 249 No. 6. „Wiesbaden im Oarten des Domiinenrat Lotichiua (Luisenstrasse)".

Unbe.stimmbare republikanische Münzen:

126. Denar: Kopf m. Helm n. r., dahinter ROM[A] -R«- Quadriga n. r., im Abschn. ? (vielleicht des Q. Fabius Labeo). „An der Hammermühle 1884". Inv. d. M, No. 304,

127,* Denar, serrat: „Eine serrate Silbermünze mit ein m weiblichen Kopf auf der Vorder- und einer Quadriga auf der Rückseite, ohne Aufschrift, gef. b. Wiesbaden". Vorat.- Sitz, V. '2. Januar 1826 § 6, 8. oben Anm. 10.

128.'*' „1 ^;. ■lilienmünzo in Kleinerz" (?) „In der Nähe von Wiesbaden gef." Vorst.-Sitz. V. 8. Juli It'M § 12.

M. Antonius:

129. Denar, gut erh.: ANT AVG III VIR R P C Galeere. Rs. Legionsadler zwischen zwei Feldzeichen, LEG VI Babelon I, 201 No. 111. „Gef. beim Planiren an der Ar- tillerie-Kaacrue 1633", siehe Annal. II, 3. 297.

215 Augustus:

130. Kleinorz: Kopf n. r., Umschrift rerwischt. Rs. Stier n. 1. den Kopf zum Stoss mit den Hörnern ^osenkt, daniber . . . Q.V2TVS im Abselin. DIVI F ; offenbar eine barba- rische Nachprägun;:^ der Münze bei Cohen I'', p. fiS No. 36, der dazu bemerkt; ^11 en exiate au Cabinet des rat'ddilles de tres-barbares, frappees probablement dans lea 03^68".=^') „Gef. Wiesbaden 1853''. (K.)

131. Denar, geprägt um 2 v. Chr. : CAESAR AVGVSTVS DIVI F PATER PATRIAE Kopf m. Lorbeer n. r. l\s. Die Clisaren stehend, jeder eine Lani:e und einen Kund- sehild haltend, im Felde ein Kru;^ und Augurstab, im Abschn. [C L] CAESARES Umschrift AVGVSTI F COS DESIG PRINC IVVENT Cohen 43. ^Au der Ham- mermühlo 1884". Vgl. Invent. d. M. No. 281,

132. 133. Mittelerze: DIVVS AVGVSTVS PATER Kopf n. 1. w-t Strahlenkranz. Hs. Grosser Altar, zu beiden Seiten S C, im xVbschn. PRQVIDENT Cohen 228. „Wies- baden«. (K.)

134. Dieselbe Münze, auf dem Rs. der Stempelfehler POVIDENT n^^^- Wiesbaden, Dotz-

heimer Weg 1846". (K.) 135.* Dieselbe Münze oline den Stempelfehler, Tgef. in der warmen Quelle des „Adler"

12. Januar 1870", nach handschriftlichem Verzeichnis von Rössel Xo. VI.

136. Dieselbe Münze, „gef. an der Spelzmühle'-.

137. stark verschliffen, „gef. in der Aulenkaut 1865".

138. sehr zerfressen: „"Wiesbaden, verlängerte Rheinstrasse März 1387", Inv. d. M, No, 386.

139. Mittelerz, sehr schön erhalten: CAESAR AVGVSTVS DIVI F PATER PATRIAE Kopf m. Lorbeer n. r., im Halse der Stempeleinschlag /VC Rs. [RjQM ET [AVG] Altar, an dessen beiden Ecken auf Säulen stehende kranztragende Victorien, Collen 237, „Wiesbaden, Poulet'sches Haus (Ecke der Kirchgasse und Marktstrasse)", Inv. d, M. No. 458.

140,* Dieselbe Münze, mit demselben Stempeleinschlag, „gof. in der warmen Quelle des „Adler" 12. Januar 1870", nach handschriftlichem Verzeichnis von Rössel No. VII.

141.*-144.* Mittelerze: CAESAR PONT MAX [Kcpf m. Lorbeer n. r.] Rs. ebenso wie bei No. 139 und 140, „eine der Münzen mit dem Nachstempel Tib. Aug." (jedenfalls in der Form TIBA/)- Cohen 240. , Wiesbaden, in der Baustelle des Pfarrers Wil- helmi in der Luisenstrasse aufgefunden" um das Jahr 1825^^), nach handschriftlicher Eintragung in den ältesten Münzkatalog durch Zimmermann, s. oben S. 185.

145.* Dieselbe Münze, auf der Kopfseite waren zwei Stempel eingeschlagen, wie es scheint ^ „Wiesbaden, an der Artillerie-Kaserne" (wohl 1836), nach handschriftlicher C1IB

B) Beschreibung von Bonhorst's No. VI, s. oben Anm. 16.

146. Dieselbe Münze, auf dem Avers Stempeleinschlag "^j^ „"Wiesbaden". (K.)

147. derselbe Stempeleinschlag. „Wiesbaden". (K.)

148. , ohne Nacbstempel. „Wiesbadon". (K.)

Mit einer der unter No. 146 bis 148 genannten Münzen kann die Annal. III, 3. 175 beschriebene gleichen Gepräges identisch sein, welche gefunden wurde ,beim Planiren eines Weges in Wiesbaden" um 1842.

149. Mittelerz, etwas kleiner: Kopf mit Lorbeer n. r., dahinter CAESAR Im Kopf Stem- peleinschlag Aj^^ Rs. ganz abgeblättert, ist jedenfalls auch Cohen 240. „Gef. an der Spelzmühle". <^

**) Für Auskunft über diese Münze bin ich Herrn Professor Pick in Gotha zu Dank verpflichtet,

^*) Die Identität einer oder aller dieser 4 Münzen mit anderen gleichen Gepräges in unserem Verzeichnis ist völlig ausgeschlossen durch die oben Anm. 25 erwähnte Thatsache, dass Kihm bei seiner Ordnung der Münzsammlung i. J. 1852 ff. Fundangaben aus den zwanziger Jahren nirgends mehr vorgefunden hat.

216

150.* „Mittelerz. sehr verwisclit: .4i-. unkenntlicher Kopf, seitwärts MAX S^- ein aitar- ähnlieher Bau mit unleserlichen Buchstaben darunter, gefund. 3' tief in dem irir.terbaii des Sehreiner Meyer in der Xeroatraäse dahier'^, nach Inv. IH61, September 1,^ No. L")4; also offenbar Cohen 240 (da erst ISGl gefunden, kann sie mit keiner aar übrigen identisch sein).

151.^" „An der Grundmauer dicht anliegend eine Bronze-Münze von August Rev. llcina et Au'TtStus^ (bei Ausgrabungen am HoIIcrborn bei Wiesbaden iS26), nacli Aunalen J, 2 uud 3, S. 145; ottenbar tntxveJer Cohen 237 oder 240.^")

152. Kleinerz, scheint durch Brand besnhüdijrt: [Dil WS AVGV[STVS PATEfi] Kopf mit Strahlen n. 1. 'ganz wie bei den Münzen mit PROViDENT.) P^^- [ROIM ET [AVG] Altar ganz wie bei Cohen 240 (oben Xo. 141 if.) Felilt bei Colien. .,(iöf. Wiesbaden in der Rheinstras-e 1863 in der Crne Xo o884", zusammen mit der Münze des Tiberius, unten Xo. 174a.

153. Mittelerz. sehr schön erhalten: In drei Zeilen in eincPi Kranze AVGVSTVS TRiBVNIC POTEST R^. ^m Feld S C Umschriit Q AELIVS LAMIA !il [VIR] AAAFF .,Adamjihal bei Wiesbaden"^. Cohen 24r{.

154. Miitelerz, sehr schlecht: Kopf n. 1. Umschrift verwischt; vor dem Kinn ein Stempel- einschlag. Es. Im Feld S C Umachrifc p LVRIVLS AGRIPPA] III VIR [AAlAFF Cohen 446. , Wiesbaden 1855".

155. Mittelerz, gut erhalten: QAIESAR AVIGVST PONT MA[X TRIBVNIC POTl Kopf n. r., hinter dem K^pte Srempeloinsohlag i M P ' /V G ; Es. Im Feld S C Umschrift [M MlAECiLlVS TVLLVS III V[IR AAAFF] "Cdien 448. „Gef. Wies- baden, Gräber am Schiersteiner Weg 1867*.

156. Mittelerz, verschliffen: [CAESAR A^GVST PIONT MA[X TRIBVNIC POT] Kopf n. 1., dahinter Steiupeleinschl.'ir \MPN Es. Im Feld SC Umschrift SEX NQ- NIVS QVINCTILIAN lil VIR AAA FF Cohen 474. „Gef. Wiesbaden am Schier- steiner Weg l^ö'i in einem Tüpfchen Xo. 4456".

157,* Silber: „eine au der Caserne aufgefundene Silbermiiuze von August, sehr wohl er- halten" erwähnt ein Schreiben Zinimennann's an den Vorstand vom 10. Mai 1824.

158.* „ein Caesar Augustus von Bronze bei Wiesbaden gef.", Yorst.-Sitz. vom 12. Januar 1826 § 6"), 3. oben -Vnm. 10.

159.* Grosserz von Augustus, „gef. Wiesb. in der Kirchgasse neben dem Storchnest" 1881, nach Inv. 1880 X'^o. 51. Xicht naher bestimmbar, war aber wohl ein vollwichtiges Mittelerz.

Agrippa:

160. Mittelerz: M AGRIPPA L'F COS lli Kopf m. corona rostrata n. 1. Es. Stehender nackter Xeptun mit Dreizack und Delphin, im Feld S Ci ubG° a™ Kopfe des Xeptun Stempeleinsehlag TIA/ Cohen 3. ,Gef. Wiesbaden". (K.j

161. Dieselbe Münze mit demselben St'.'iripo!einschlag, „X'eroberg 1848". (K.)

Dies könnte die nach Kihm'a Verzeichnis Xo. 27 (s. oben S. 213) auf dem Xeroberge gefundene Augu.stusmünze (da die ■Münr-jattung nicht beigefügt ist, sicher Mittelerz) sein.

162. Dieselbe Münze mit demselben ?^e;Ti|;;eleinsclilag. „Wiesbaden, Saalgasse bei Ausgra- bung römischer Mauern 1852", (K.)

163. Dieselbe Münze ohne Xachstempel. „An der Spelzmühle". (K.)

164. mit Stempeleinschlag wie 160—162, „An der Spelzmühle".

1'j5. n n n n , TIB n n ri

die beiden letzteren Münzen zeigen Brandspuren, und haben in Kohle uud Asche gelegen.

''") Siehe die vorige .\nmerkung.

«') In dem ältesten Katalog steht hinter den oben als Xo. 141 144 gezählten Münzen eingetragen als Mittelerz Xo. 8o: Caesar Augustus pater rev. Altar mit der Üntersch. Provi- dentia. Dies könnte unsere Münze sein; jedenfalls ist sie mit keiner der von Kihm mit Fund- angabeu versehenen identisch, s, oben Anm, 59 und vgl. Anm. 10.

217

166. Diesen. e Münze, mit Stempeleinschlag ''.t:\N (wohl ebenfalls TIA/) «Oef- in der

wannen Quelle des Adler 12. Januar ISTU" (vgl, das liandscliriftliche Verzeichnis Rössels

Xo. TU). Ih7.* Dieselbe Münz», mit eingoscldaiii^nem kleinem Stempel (wohl TIA/) ^Oef. Wiesb.

in der Rheinstrasse, der Artillerie-Kaserne gegenüber'' 1864. Nach Inv. 1864 April

No. 26 nnd Mitteil. 1S65 No. 4 S. 17.

Die Stadt Nemausus (Niines) in Süilfrankreicti:

168. Mittelerz: Köpfe des Augustus mit Lorbeer und des Agrippa mit Corona rostrata, einander abgewendet, oben zwischen beiden IMP» unten DIVI F ■'^■^- Krokodil an einem Palm- baum COL NEM Cohen ID. „Gef. Wiesbaden a\i( dem Rüder''. (K.)

169. Mitteieiz: ebenso, nur ist der Kopf des Aiigustiia oinie Lorbeer, im Kopf des Agrippa ein Stempeleinschlag M, ei" zweiter unten XX (?) Colieri 7. , Wiesbaden". (K.)®^)

170.* Dieselbe Münze. .,(jef. Wiesb. in der Xerostrasbö" 18.:.8, nach P. Bl. 1858 No. 6

S. 137 und Inv. 1^."^, Xo. 7.3. 171.* Dieselbe Münze. Cef. .Wiesbaden", nach P. Bl. IS50 Xo. 9 S. 226, hier fälschlich

als Kleinerz bezeichnet '.die beiden letzteren unbedingt verschieden von den unter

Xo. 168 und 169 genannten Exemplaren).

Tiberius:

172. Denar, geprägt i. J. 15 n.Chr.: J! CAESAR DIVI AVG F AVGVSTVS Kopf m. Lorbeer n. r. Bs. PONTIF MAXIM Sitzende weibl. Figur n. r. mit Blume und Scepter. Cohen 16. „An der liamraermühle 1884". Inv. d. M. Xo. 291.

173. Mittelerz, schön erhalten: Tl CAESAR AVGVST F IMPERAT VII Kopf mit Lorbeer n. r. Rs. ROM ET AVG Altar, wie oben 139 ff. Cohen 37. Geprägt im Jahre 10 n. Ci^^ .,Gef. Wiesb. im Saai hinter der neuen Schule, März 1858". Vgl. F. Bl. 1858 Xo. 5 S. 108 und Inv. 1S58 No. 56.

174. Kleines Mittelerz desselben Gepräges, sohlecht: Im Kopf des Averses der Stempelein- schlag (^y -Wiesbaden, Rheinstrasse gegenüber der Artillerie-Kaserne 1890'".

174a. K'einsr.-c, durch Feuer etwas beschädigt: mit demselben Gepräge wie 173 f. Cohen 38. .,Gef. Wiesbaden, Rheinstrasse 1863 in der Urne 3884" zusammen mit der Münze des Augustus, oben Xo. 152.

Germanicus:

175. Mittelerz, gut: GERMANICVS CAESAR TI AVGVST F DIVI AVG N Kopf n.l. F^^- C CAESAR AVG GERMANICVS PON M TR POT Im Felde S C Cohen l. , Wiesb. gef. beim Kanalbau in der Kirchgasse", nach Autiq. Xotizb. 1S75 1. Novemb. S. 107; nach Anna!. XIV. 430 ;vgl. Inv. 1875 Xo. 131), „in der Friedrichstrasse".

176. 177. Dieselben Münzen. „Gef. in der warmen Quelle des „Adler" 12. Januar 1870" (vgl. das handschriftl. Verzeichnis von Rössel Xo. Ij.*^^)

^^) Auf einem Blatte eines Notizbuches von Kihm findet sich aus dem Jahre 1841 folgende Eintragung, -für Ankäufe ausgelegt: ....

3. 1 Münz von Bronce von Xim gefunden Steingass . . . 6 kr. 1 do. Trajan gef. Steingass .... 4

1 do. Constantin do. .... 3

1 do. do. do. . . . . 1 .,

Die an erster Stelle genannte Münze von Xemausus kann identisch sein mit der von Kihm schlechthin mit der Angabe „in Wiesbaden gefunden" versehenen No. 169.

") In dem Couverte mit der Aufschrift „Münzen aus der Adler-Quelle 1870" fanden sich zwei Münzen des Germanicus, beide in gleicher Erhaltung, nämlich wie fast alle daher stammenden, stark zerfressen; wenn Rossel's handschriftliches Verzeichnis dieses Fundes nur 1 Germanicusmünze kennt, erklärt sich dieser Widerspruch daraus, dass das Inventar 1870, 2 überhaupt 13 Münzen als dort gefunden nennt, während Ro ssel's Verzeichnis nur 11 enthält; es wurden also nachträglich noch zwei Stück hinzugefunden,

218

178. Mittelerz, etwas verschliffen, goldglanzend: GERMANIC[VS CAIESAR i" zwei Zeilen im Felde, Oennanicua in einer Quadriga n. r. Rs. SIGNIS RECEPT DEVICTIS GERM in zwei Zeilen im Felde; Germanicus n. 1. stehend mit Ädlerscepter. Cohen 7. „Gef. Xeroberg 1839". (K.)

179. Dieselbe Münze, auf dem Avers Stempeleinachlag /-■' iA/| „Gef. Wiesb. 1831". (K.) In dem handschr. Verzeichnisse von an der Artillerie-Kaserne gefundenen Münzen von der Hand von Bonhorst's (s. oben Anm. 16), findet sich als No. IX unter einer rohen Federzeichnung, welche aber deutlich genug das Gepräge dieser Germanicus-Münze wiedergiebt, die Bemerkung; ..Diese Münze wurde unter einem ganz morschen Mühlstein in der Schulgasse zu Wiesbaden nebst zwey Krüge (sie!) von Thon 1831 im November gefunden... sie ist guc vergoldet". Es kann kein Zweifel sein, dass diese identisch ist mit der im Mus. Wiesb. befindlichen, im Jahre 1831 gefundenen.**)

180.* „1 Germanicus Bronce Spelz Mühl" nennt Kihm in dem Verzeichnisse No. 26 (s. oben S. 213); es ist zweifellos Mittelerz, jetzt aber nicht näher zu bestimmen.

Caligula :

181. Mittelerz, gut erhalten: Q CAESAR AVG GERMANICVS RON M TR ROT Kopf n. 1. Rs. Sitzende Vesta n. 1., oben VESTA. ini Felde S C Cohen 27, ,Gef. Wiesbaden 1851". (K.)

182. Dieselbe Münze, „gef. am neuen Schulhause zu Wiesbaden" (1851). (K.)

Claudius :

183. Mittelerz: [Tl] C[LA]VDIVS CAESAR AVG P M TR P IMP Kopf n. 1. Es. CONS[TAN]TIAE AVGVSTI Pallas behelmt n. 1. stehend, hält eine Lanze und erhebt die rechte Hand, im Felde S~C Cohen 14 (i. J. 41), , Wiesbaden, beim Canalbau in der Friedrichstrasse", nach Inv. 1876 No. 37 (nicht „Micheisberg", wie Annal, XIV, 436 angegeben wird),

184. Grosserz, goldglänzend: Tl CLAVDIVS CAESAR AVG [P M TR P niVIP

Kopf m. Lorbeer n. r., im Hinterkopf der Stempel ,'TIA/ ^3. in einem Eichenkranze

in vier Zeilen EX SC OB CIVES SERVATOS Cohen 39. „Gef. Wiesb. gegen- über dem Mauritiusplatz 1890". Vgl. Inv. d. M. No. 482 und Annal. XXHI, 170.

185. Mittelerz: [Tl CLlAVDIVS CAESAR AVG P M TR P IMP Kopf ohne Lorbeer n. I. Rs. Stehende Pallas n. r. mit Schild und Lanze, im Felde gross S— C Cohen 84. „Gef. Wiesbaden" (nach der Erhaltung, welche derjenigen der in der Adlerquelle ge- fundenen Münzen sehr ähnlich ist, ist es wahrscheinlich, dass auch diese aus einer der warmen Quellen Wiesbadens stammt; aus welcher, lässt sich nicht bestimmen),

Nero:

186. Grosserz, sehr schön erhalten: NERO CLAVD CAESAR AVG GERM P M TR P IMP PP Kopf mit Lorbeer n, 1., darunter Kugel. Rs. ANNONA AVGVSTI CERES Ceres n. 1. sitzend, vor ihr steht Abundantia mit FüUhorn, zwischen ihnen ein Altar mit Guirlanden, im Abschnitt S C Cohen 15. «Gef, Wiesbaden, Dotzheimer- weg 1860". Vgl. P. BL 1860 No, 14 S. 401.

187. Mittelerz: |MP NERO CAESAR AVG P MAX TR P PP Kopf n. r., darunter Kugel. Rs. Victoria n. 1. tiiegend, hält einen Schild, auf dem SPQR steht, zu beiden Seiten S— C Cohen 302. , Umgebung von Wiesbaden", (K.)

188. Dieselbe Münze, sehr schlecht. „Wiesbaden am Kranzplatz 1841". (K,)

189. Dieselbe Münze, schlecht erhalten, „Wiesbaden, Dotzheimerweg mit einer Fibula gefunden". Vgl. Z. K. 14520.

**) Da V. Bon borst erwähnt, sie sei „gut vergoldet" gewesen, die Bronze aber nur bei No. 178, nicht bei 179 den goldigen Glanz hat, welchen sie meist annimmt, wenn sie im Moorboden gelegen bat. so ist es nicht unwahrscheinlich, dass durch Kihm oder später die Fundnotizen zwischen den beiden Münzen vertauscht sind.

219

190. Mittelerz, wie es scheint, barbarischer Prägung: Kopf Nero's n. 1. mit unlesbarer Umschrift. Es. wie No. 187 ff. .,Umgebuiig Wiesbaden". (K.)

191. Mittelerz: IMP NERO CAESAR AVG P MAX TR P PP Kopf m. Lorbeer n. r. Rs. SECVR[ITAS AVGIVSTI Sitzende Securitas n. r. vor einem flammenden Altar hält eine Lanze und stützt den Kopf in die rechte Hand, im Abschn. S C Cohen 324. „Umgebung Wiesbaden". (K.)

192. Mittelerz: [NEIRO CLAVD [CAESAR AVG GERM] P M TR P IMP PP Kopf mit Strahlenkranz n. r. Ks. SECVRITAS AVGVSTI DarsteUung wie bei 191, nur ist S C i™ Felde und || im Abschn. Cohen 326 [es ist also ein Dupondius, vgl. Mommsen: Rom. Miinzwesen 1860, S. 762). „Wiesbaden, innerhalb des römischen Pflasterweges im Hofe der Pletzmühle 13. Oktober 1859"; es ist offenbar die „verwitterte RGmer- münze, anscheinend Antoninua Pius" P. Bl. 1859 No. 11 S. 285.

193.* 194.* „Ein Nero von Bronze, ein desgl. von Mittelerz". Gef. „bei Wiesbaden" nach

Vorst.-Sitz. vom 12. Jan aar 1826 § 6**), s. oben Anm. 10. 195.* „1 Nero gef. auf dem Neroberg". Kihm in dem oben genannten Yerzeichnia No. 23");

es ist sicher ein Mittelerz gewesen.

Ein angeblicher Nero Inv. d. M. No. 83. „Gef. in der Marktstrasse, 19. August

1881" ist vielmehr Titus, siehe unten No. 226.

Galba:

196. Denar, frisch: IMP SER GALBA AVG Kopf n. r. Es. in einem Eichenkranze in drei Zeilen SPQR OB C 8 Cohen 287. „An der Hammermüble 1884". Vgl. Inv. d. M. No. 282.

Vitellius:

197. Denar: A VITELLIVS IMP GERMAN Kopf m. Lorbeer n. r. Rs. VICTORIA AVGVSTI Victoria n. 1. schreitend, hält einen Schild, auf dem SPQR steht. Cohen 99. „An der Hammermühle 1884". Vgl. Liv. d. M. No. 292.

198. Denar, frisch: A VITELLIVS GERMAN HVIP TR P Kopf m. Lorbeer n. r. Rs. XV VIR SAG FAC Dreifuss, darüber ein Delphin. Fehlt bei Cohen. ,An der Hammermühle 1884". Vgl. Inv. d. M. No. 283.

Vespasian:

199. Mittelerz, sehr gut erhalten (i. J. 77/78): IMP CAES VESPASIAN AVG COS ViTl PP Kopf m. Lorbeer n. r., darunter Kugel. Rs. AEQVITAS AVGVSTI Stehende Aequitas n. 1. hält Wage und Lanze, im Felde S— C Fehlt bei Cohen. „Wiesbaden". (K.)

200. Dieselbe Münze, weniger gut. „Umgebung Wiesbaden". (K.)

201. Mittelerz: |MP CAES VESPASIAN AVG COS II Kopf m. Lorbeer n. r. Rs. wie 199. Cohen 12 (i. J. 70). „Adamsthal bei Wiesbaden".

202. Mittelerz: |MP CAES VESPASIAN AVG Kopf m. Lorbeer n. r. Es. wie

bei den vorhergehenden; wegen Fehlen des Konsulats nicht näher bestimmbar. „Um- gebung Wiesbaden". (K.)

203. Mittelerz: |MP CAES VESPASIAN AVG cos . . . .__Kopf m. Lorbeer n. r. Rt. wie bei den vorhergehenden (ist vielleicht mit COS VIII PP)- nCmgebung Wies- baden". (K.)

'*) Vgl. auch für diese Münzen daa in Anm. 59 Gesagte.

'*) Schwerlich wird diese Münze mit ciüer der von Kihm als „Umgebung Wiesbaden" gefundenen No. 187, 190, 191 identisch sein, denn die bei den von ihm geleiteten Aus- grabungen, in der Umgegend W.'s gefundenen, p^»egt er stets mit ver^rleichsweise detaillierten Angaben zu versehen (vgl. auch oben Anm. 30). Die Fundnotiz zu unserer Münze kann ent- weder von Kihm überhaupt vergessen, odor die beigelegte spätor verloren sein, wie es in mehreren Fällen wahrscheinlich ist.

220

204. Mittelerz: IMP CAES VESPASIAN AVG CO Hs. wie bei den vorher- gehenden. .»Wiesbaden''. (K.)

205. Denar: |MP CAES VESP AVG P M COS IUI K<^V'' '-i- Lorbeer n. r. Ä. CON- CORDIA AVGVSTI ^itz^-nd« Coucordia n. 1. Iiaic S- üale und Füllhorn. Cohen 74 (geprägt i. J. 72 7o,t. ,Aq de;- Hamtiiermühle l-^-i-l'-. Y?l. Inv. d. M. No. 2Sß.

206. Mittelerz: JMP CAES VESPASIAN AVG COS ViTl P P K"pf m. Lorbeer n. r., darunter Kugel. lis. [FIDES] PVBLICA Fides u. i. srohend mit Scliale und Füll- horn. Cohen 166 (i. J. 77,75j. -Gef. bey ßierstadt". As..)

207. Gold, sehr schün erhalten: j|VIP CAESAR VESP AVG ^opf m- Lorbeer n. r. i?*. PORTVNA AVGVST Steinende Fortuna n. 1. auf einem Altar, mit Steuerruder und Füllhorn. Cohen 174. „An der Kupfermühle'* bei Wiesbaden 1S30. Vgl. Anv.al. IT, 1. 207 und Vorat.-Sitz. v. S. Juli 1830 § 3.

208. Denar, frisch: CAESAR VESPASIANVS AVG Kopf m. Lorbeer n. r. ü». jMP XiX Iro Felde eine Sau mit drei Ferkeln. Cohen 213 i^i. J. 73). „An der Hammer- w'ihle 1884". V;:!. Inv. d. M. Xo. 284.

209. Miftelerz: |MP CAES VESIPASIAIN AVG COS lil Kopf m. Lorbeer n. r. 7^.^. IVOAEA CAIPTAl Trauernde Judaea n. r. sitzend am Fu.^sa einer Palme, ringsherum Wolfen, irj Abscliu. S C Cohen 244 (i. J. 71). ^Spelzmuhle**. ^K.)

210.* Denar: „|MP CAES VESPAS AVG ^s. Geflügelter Merkurstab, die Umschrift ist ver-^'ischt"; so Zimmermann in dem ältesten Kataloge, i. oben S. ISö. Die Reversum- 8'.hrii> kann danaeli entweder RON MAX TR P COS V bezw. COS VII oder PONTIF MAXIM gewesen sein. ., Wiesbaden'*.

211. Denar, verschliffen: |MP CAESAR VESP AVG Kopf m. Lorbeer n. r. J?*. PON- TIF MAXIM Geflügelter Morkurstab. Cohen ÖOO. -An der Ha»nmcrmühle 1884'-. Vgl. Inv. d. M. Xo. 287.

212. Mittelerz, selir schlecht erlialten: S V: SPASIAN AVG COS . = . Kopf n. r.

üs. im Al)3chn. [PROjVIDEN[TI Entweder Cohen :i96 udt-r 4U0. .,Wie3badei!,

Leiciieiifeld an der Artillerie-Caserue 10. .Lugust ISjO"*. Vgl. Inv. 1859 2. September Xo. liJM, wo es fälschlich als .,Gro3serz'" beztMchnet Avird.

213. Denar: |MP CAES VESP AVG CEN Kopf m. Lorbeer n. r. Fs. SALVS AVG

Sitzende Salus n. 1. hält eine Schale. Cohen 431. -An der Hanimermühle 1>34-. Vgl. luv. d. M. Xo. 2--..

214. Mittelerz: IMP CAES VESPASIAN AVG COS VTFl PP Kopf m. Lorbeer n. r. Hg. Fliegende Victoria n. 1. hiilt einen Schild, auf •leva SPQR st«'"i':, ijn Felde S C Cohen 466 (i. J. 77/78). -Wiesbaden am neuoM rodceuhof-*. Vgl. Mitteil. Xo. 1 ISöl S. 21 und Inv. ISfil Xo. 41.

215.-- Mitrelerz: |MP CAES VESPASIAN AVG COS lli Kopf m. Lorbeer n. r. lij. Adier mit erhotK»n'''n Flügchi ".^f einer 'v'igf; -'.eliend, zu bciilen Seirea S~C Cohen 4H0 (i. J. 78). „Wie.sbadeu, beim Planireu eine- Weges gel'.'', nach Annal. III, 3. 175.

216. Mittelerz, gut erhallen: |MP CAES VESPASIAN AVG COS VÜl PP Kopf m. Lorbeer n. r., da'-unter Kugel. Bt. wie bei Xo. 215*. Cohen 482 (i. J. 77/78). , Um- gebung Wic&baden'*. (K.)

217. Mittelerz, gut: |MP CAESAR VESPASiAN AVG COS III Kopf m. Strahlen- krone n. r. -ft«. SECVRITAS A^/GVSTl Se^uritas n. r. sitzend vor einem brennen- den Ä.ltar, hält ein Scepter, im Absciin. S C Cohen 508 (i. J. 72/73). „Wiesbaden". (K.)

218. Mittelerz: f|MP] CAES VESPASIAN AVG COS III Kopf m. Lorbeer n. r. Es. VIC- TORIA fAVGlVSTI Schreitende Vi.-to.-ia u. I. liält Palme und Kranz, im Felde S C Cohen 607 (i. J. 71). - Wiesoaden". K.)

219. Mittelerz: [||VIP C'AES VESPASIAN AVG COS III Kopf m. Lorbeer n. r. Ft. VICTORIA IN.^V'ALIJS Victoria •)i?.c Kranz und Palme u. r. stehend auf einem Schiffsvorderteil, unten im Felde S C ''-"! on 632 (i. J. 71 . .^Umgebung Wiesbaden**. (K.)

220.* „Grcsserz: Ve.spasi:in in der FriedrJ;;!i.;rra.s.se' gefunden, nach Annal. XIV, 437 und fnv. I^»7'> Xo. 2'.). Xiilier nicht bejtiaJinbar.

221

221.* „Ans einem Grab auf dem Michelsber^ Yor der nördlichen Schule ... 2 römische

Bronzemünzen, 1 Vegpasian " Inv. 1872 No. 31. Vgl. Annal. XJI, 348, 24. Näher

nicht bestimmbar. 222.''- „Ein kupferner Vespasian auf dem Xercsberge gefunden", nach dem Verzeichnig der zu

dem zu errichtendeu Museum .... eingegangenen Beiträge'* No. 11, siehe oben S. 182.

Naher nicht bestimmbar.

223. Denar, sehr verschliffen: Kopf m. Lorbeer n. r. Von der Umschrift nur noch . . . ES- PASIA . lesbar. Rs. Sitzende weibliche Figur (Roma?) n. 1.; näher nicht bestimm- bar. „Gef. an der Rambacher Capelle 1846". Vgl. Annal. V, 3 3. 41.

224. Mittelerz: Kopf m. Lorbeer n. r. [IMP] CAES [VESPJASIAN AVG Um- schrift fast ganz zerstört. Hs. eine stehende Figur a. 1., weiteres zerstört. „Gef. in der warmen Quelle im Adler 12. Januar 1870".

225.* „Grosserz: Kopf ASIAN AVG IMP ^s- stehende weibliche Figur, gefunden

im Garten des Herrn von Gagern" (Schwalbacherstrasse), nach luv. 1863 4. März No. 29 (die Umschrift des Averses ist wohl z. T. verlesen).

Titus:

226. Mittolerz: [IMP T CAlES VESP AVG P M TR P COS VIII Kopf m. Lorbeer n. r. Ra. AEQV1[TAS AVGJVST Stehende Aequit&s, im Felde S 0 Cohen 4 (i. J. 8Ü"). Wiesbaden „Marktstrasse zwischen den Justizgebäuden 19. August 1881". Vgl. Inv. d. M. No. 83, wo das Stück fälschlich als „Nero" bezeichnet wird.

227. Mittelerz, Avers ganz zerfressen: Kopf n. r. Rs. JVDAEA CAP[TA] Trauernde Judaea unter einer Palme n. r. sitzend, links der Palme sin Schild, Panzer und Feld- zeichen, im Abschn. S C Wohl Cohen 113. Wiesbaden, „verlängerte Rheinstrasse, März 1887". Vgl. Inv. d. M. No. 387.

228. Mittelerz: T CAESAR VESPASIAN IMP TUT PON TR POT II [COS II] Kopf mit Strahlenkranz n. r. Rs. Auf Schild und Panzer sitzende Roma n. 1. hält Kranz und Parazonium, im Abschn. ROMA, iJ» Felde S-C Fehlt bei Cohen (i. J. 73}. „Wiesbaden". (K.)

229.* Mittelerz: „...CAESAR VESPASIAN VS TR P COS VI Brustbild des Kaisers, i?». Fortuna stehend zwischen S— C" ^'^ach F. Bl. No. 15 u. 16 1861 S. 458 und Inv. 1860 No. 655. „Gef. 1843 im Saal beim Neubau der Schule". Die Beschreibung passt etwa auf Cohen 215, die Figur des Reverses ^väre dann Spes mit Blume.

230. Mittelerz: T CAES IMP AVG F TR P COS VI CEN30R Kopf m. Lorbeer n. r. Ra. Stehende Spea m. Blume a. 1., im Felde S C Cohen 217 (i. J. 77/78), „Spelzmilhle". .

231. Denar, verschliffen: [T CAIES IM? VESP PON TR POT Kopf mit Lorbeer n. r. Rs. Trauernde Judaea n. r., sitzt am Fusse einer Palme, dahinter Titus stehend, hält Lanze und Parazonium, ohne Umschinft. Cohen 392. „Wiesbaden".

Domitian :

232. Denar: CAESAR AVG F DOMITIANVS Kopf m. Lorbeer n. r. Rs. CE[RES] AVGVST Ceres n. 1. stehend, hält zwei Ähre- und eine Fackel. Cohen 3(K „Wies- baden 1854". (K.)

23.3. Mittelerz, gut erhalten: !.\^p [CAES D10MIT AVG GERM P M TR P VMl CENS PER [PP] Kopfm. Lorheern. r. R^. COS Xilll [LVD SAEJC FEC Der Kaiser opfert an einem Altar, links dahinter ein Flötenbläser und ein Lyraspieler, im Hintergrund ein sechäsäuliger Tempel, im Abschn. S C Cohen 85 (geprägt i. J. 88); siehe auch Dressel Eph. epigr. VIII. p. 312 No. 7. „Umgebung Wiesbaden". (K.)

234. Mittelerz: |MP CAES DOMIT AVG GERM COS X!l CENS PER PP Kopf ro. Lorbeer n, r. Rs. FORTVN.AE AVGVSTI Forrana n. 1. stehend, mit Steuer- ruder und Füllhorn. Cohen 122 (i. J. 86). .,Umgebuug Wiesbaden". (K.)

235.* Mitteierz: Ebenso wie No. 234, nur mit COS XV und Kopf mit Strahleukrone n. r. Cohen 132 (i. J. 90/91). „Wiesbaden, beim Planiren eines Weges«. Nach Annal. Ilf, 3. 175.

14*

222

236. Dieselbe Münze, sohlecht, blank; , Wiesbaden, beim Hausbau in der Mauritiusstrasse, im Schlammboden, etwa 3 m tief, März 1896".

237. Mittelerz: das gleiche Gepräge, nur ist die Konsulawziffer undeutlich. Kopf m. Lorbeer n. r. .,Umgebung Wiesbaden". (K.)

238. Denar, ziemlich gut: |MP CAES DOMIT AVG GERM P M TR P XII Kopf m. Lorbeer n. r. i?5. IMP XXII COS XVI GENS P PP Pallas n. 1. stehend mit Blitz und Laii^e, unten oin Schild. Cohen 279 (i. J. 92—94). „Bey Wiesbaden". (K.)

239.* Grosserz: IMP CAES DOMIT AVG GERM COS XVI GENS PER PP Kopf mit Lorbeer n. r. Bs. jOVI VICTOR! Sitzender Jupiter mit der Victoria, S— C Cohen 315 (i. J. 92— 9i). Wiesbaden, „an der Caserne" nach Zimmermann in dem ältesten Kataloge, s. oben S. 165.

240. >üt:elerz, gut erhalten: |^ CAES DOMIT AVG GERM COS XV GENS PER PP Kopf m. Lorbeer n. r. Es. MONETA AVGVSTI Stehende Moneta n. 1. hält Wage und Füllhorn, im Felde S— C Fehlt bei Cohen (geprägt i. J. 90/91). Wiesbaden, „am Barmherzigen-Brüderhaus, östlich der Hoidenmauer 18S7". Vgl. Inv. d. M. No. 390.

241. 242. Mittelerze, desselben Gepräges, nur mit COS XVI 0- J- 92-94). „Umgebung Wiesbaden" (,K.), bezw. .,boy Wiesbaden". (K.)

243. Mittelerz, desselben Gepräges, Konsulatsziffer unkenntlich. „Umgebung Wiesbaden". (K.)

244. Mittelerz, desselben Gepräges, Konsulatsziffer unkenntlich. „Neroberg bey Wies- baden". (K.)

245. Mittelerz: CAE[S DIVI] AVG VESP F DOMITIAN CO[S... Kopf m. Lorbeer n. r. Rs. stehende Pallas n. r. mit Schild und die Lanze schwingend, zwischen S— 0 „Bey Wiesbaden". (K.)

243.^ Mittelerz: CAES DIVI VESP F DOMITIANVS COS [VII] Bildnis. Es. Pallas stehend, zu Füssen den Schild, in der Linken die Lanze haltend, zwischen S~C Nach Mitteil. No. 2 1863 S. 44 und Inr. 1861 4. Dezember Xo. 270. „Gef. in der warmen Quelle des Adler" 1861; ist wohl Cohen 441.

247. Mittelerz, schlecht: [CAESAR A]VG F DOMITIANVS COS... Kopf n. r. Es. Stehende Spes n. 1. hält eine Blume, zwischen S C Wegen Fehlens der Konsulats- ziffer näher nicht bestimmbar. „Wiesbaden, Friedrichstrasse" (wohl nach 1877).

24Ta.*^ Mittelerz: [MP [CA]ES DIVI VESP F DOMITIAN AVG P M Kopf m. Lorbeer E. r. Es. TR P COS VII DES VIII PP I'" i^'elde S-C Behelmte Pallas n. r. stehend mit Wurfspiess und Schild. Cohen 562 (i. J. 81). „Wiesbaden, beim Planiren eines Weges". Nach Annal. UI, 3. 175.

248. Mittelerz: A7. ebenso wie bei No. 247a. E^. TR P COS VIII DES Villi PP dieselbe Darstellung wie No. 247a. Cohen 587 (i. J. 82). „Umgebung Wiesbaden". (K.)

249. Dieselbe Münze: Wiesbaden, „Canalbau in der Saalgasse 1880". Vgl. Inv. d. M. No. 50.") 2.50. 251. Mittelerze, gut erhalten: |MP CAES DOMIT AVG GERM COS XIII GENS

PER PP Büste m. Aegis und Lorbeer n. r. Es. VIRTVTI AVGVSTI Stehende Virtus n. r., den 1. Fuss auf einem Helm, hält Lanze und Parazonium, im Felde S C Cohen 650 (i. J. S7). „Uia^ixbung Wiesbaden". (K.)

252. Dieselbe Münze, nur lioin rj. Lorbeer n. r., schön erhalten. Cohen 651. „Umgebung Wiesbaden". (K.)

253. 254. Mittelerze desselben Oi-prages, nur mit COS XV und Kopf m. Strahlenkrone n. r. Cohen 657 (i. J. 90/91). „Umgebung Wiesbaden". (K).

'') Bei folgender nach Kihm's Angabe „bey Wiesbaden" gefundenen Münze Domltian's fitimmcn die Umschriften des Averses und Reverses nicht zusammen: Mittelerz |MP CAES DOMIT AVG GERM COS XII [GENS PER PPl Kopf mit Strahlen n. r. Es. TR P COS VIII DES Villi IPPJ Stehende Minerva mit Schild und Lanze, zwischen S C> ^e bei den >'o. 217a ff. Die Ausführung des Typus weicht allerdings von der der übrigen von mir gesehenen Münzen ab; doch macht das ganze Stück nicht den Eindruck einer modernen Fälschung, auch das Metall zeigt die den Messingdupondien dieser Zeit eigene gelbe Farbe. Konnte es eine im Altertum ausgeführte Nachprägung sein?

228

255. 256. Mittelerzo desselboo Gepräges, nur mit COS XVI und Kopf m. Lorbeer n. r. CoheFi 658 (i. J. 92 04). .»Umgebung "Wiesbaden" (K.) bezw. „Wiesbaden". (K.)

257. Miuaierz: |MP CAES DOMIT AVG GERM PER PP Kopf m. Strahlen- krone n. r. Rs. ebenso wie No. 250 S. , Wiesbaden, verlängerte Rheinstraöse, März 1887". Vgl. Inv. d. M. Xo. 388.

258.* Mittolerz: „...PCAES DIVI VESPASIANI F DOM JRs. f&at unkenntlich.

„Wiesbaden, an der Artillerie-Kaserne Grab 6, in einer Urne". Nach Inv. 1853 20. August No. 465 und P. Bl, 1859 No. 11 S. 282.

259.'*' ., Wenig kenntliche Münze von Mittelerz (Domitian?), in einer Urne gef. an der Ar- tillerie-Kaserne". P. Bl. 1861 No. 15 und 16 S. 459.

260.* „Imp(erator) Cae8(ar) Doniit(ian) Aug Germ. Cos An der Artillerie-Kaserne zu

Wiesbaden selbst gefunden." Nach handschriftlicher Notiz von Bonhorst's, 8. oben An- merkung 16, I.

261.* „Bronzemünze |MP CAES DIVI VIS Kopf des Augustus )( Minerva; von der

Walkmühle auf dem Feld". Inv. 1873 10 April No. 42. Danach kann die Münze nur

Domitian sein und ist zu lesen: ||VIP CAES DIVI V[E]S[P F DOMITIAN

Es. wohl TR P COS VII etc. mit Pallas, jedenfalls Mittelerz.

262. Mittelerz: [|MP CAES] DOMI[T AVG GERM] COS XII CE[NS 1 Kopf

mit Lorbeer n. r, Bs. Stehende Figur n. 1.; Umschrift vielleicht .... AVGVSTI Näher nicht bestimmbar. Wiesbaden, „Museumshof, November 1858".

263. 264. Mittelerze, sehr zerfressen, doch Kopf Domitians m. Lorbeer n. r. auf beiden deutlich „Wiesbaden in der warmen Quelle des Adler, 12. Januar 1870"; beide müssen, als sie in das Wasser kamen, noch sehr frisches Gepräge gehabt haben.

265. Mittelerz, sehr zerfressen: Kopf Domitians m. Lorbeer n. r. Bs. ganz zerstört, zu- sammen mit No. 263. 264. gefunden.

266. Mittelerz, verschliffen: CAESAR AVG F DOMITI[AN ] Kopf m. Lorbeer

n. 1. Ba. AVGVST Stehende weibliche Figur n. 1. hält ein Scepter und ?

„Neroberg bey Wiesbaden". (K.)

267. Mittelerz: [|MP] CAES DOMIT AVG GERM COS XV [CENS PER PP] Kopf m. Lorbeer n. r. Bs. Stehende Figur n. r., wahrscheinlich VIRTVTI AVGVSTI Dann wäre es Cohen 656. „Neroberg bey Wiesbaden". (K.) Vgl. Annal. V, 3, 11.

268.* Eine Münze . . . von Domitian . . , „wurde bei dieser Gelegenheit gefunden'- (beim Schlossbau in Wiesb. 1837). Nach Annal. XVII, 142, Anm. l.*^«)

In einem von Lugenbühl in den vierziger Jahren angefertigten Verzeichnisse über die von ihm dem Museum überlassenen Altertümer aus Wiesbaden heisst es von drei als No. 9, 10, 11 verzeichneten nicht näher zu bestimmenden Stücken „gefunden bey der Erbauung der Artillerie-Kaserne nebst beyliegender Münze von Domitian". Es ist wahrscheinlich, dass diese Münze mit einer der von Kihm mit Fundangabe „Wiesbaden" bezw. „Wiesbaden Umgebung" versehenen identisch ist.

Nepva :

269.* „Nerva Caes. Aug. D M EMP Rückseite: Aequitas August an der Artillerie-Kaserne zu Wiesbaden selbst gefunden". Handschr. Notiz von Bornhorst's No. II, s. oben Anm. 16; offenbar zu lesen: [|]MP NERVA CAES AVG [PJM [TR P COS II PP] Also eine der Münzen bei Cohen 2 11.

270. Mittelerz, blank mit sehr frischem Gepräge, nur etwas zerfressen: IMP NERVA CAES AVG PM TR P COS lil PP Kopf m. Strahlenkrone n. r. B.^. CONCORDIA EXERCITVVM Zwei verschlungene Hände halten ein Feldzeichen, im Felde S C Cohen 32 (i. J. 98). „Wiesbaden, verlängerte Rheinstr., März 1887'^. Vgl. Inv. d. M. No. 389.

®^) Diese, ebenso wie die anderen damals gefundenen Münzen, befand sich zur Zeit von Kihm's Inventarisation der Münzsammlung noch nicht im Kabinet, kann also auch nicht mit einem der von ihm als aus Wiesbaden bezw. Wiesbaden und Umgebung stammend bezeich- neten Stücke identisch sein.

224

271. Mittelerz, sehr zerfressen: [|MP NERVA C]AE[S AVG P MJ TR P COS II [PP] Kopf m. Lorbeer n. r. üs. Stehende weibliche Figur n. 1., höchst wahrscheinlich For- tuna. Umschrift [FORTVNA AVGVST] zerfressen, im Felde S-C Wohl Cohen 61 (i. J. 96). , Wiesbaden, warme Quelle des Adler 1870".

272. Mittelerz: |MP NERVA CAES AVG [P]M TR P COS III P[P] Köpf m. Lorbeer D. r. Rs. FORTVNA ^AAi-C^sxcx Fortuna n. 1. stehend mit Steuerruder und Füllhorn, im Felde S— C Cohen 68 (i. J. 98). „Umgebung Wiesbaden". (K.)

273.* ,Eine blanke Bronzemünze von Nerva gefunden in der Marktstrasse im Moorgrund". Nach Annal. XVII, 138, 6; nicht näher bestimmbar.

Trajan:

274. Grosserz: |MP CA[ES NERlVAE TRAIANO AVG GER DAC PM TR P COS VI PP Kopf m. Lorbeer und Aegis n. r. Rs. [FElLICITAS AVGVST Felicitas n, 1. stehend m. Caduceus u. Füllhorn, im Felde S C Cohen 143. „Umgebung Wiesbaden". (K.)

275. Mittelerz (schlecht erhalten), desselben Gepräges, cur Kopf mit Strahlenkrono n. r. Cohen 145. „Wiesbaden".

276.* Denar: „At. Kopf |MP CAES NERVA TRAIAN AVG GERM Hs. Stehende weibliche Figur PM TR P COS IUI PP (nicht näher bestimmbar). „Wiesbaden" nach InT. 1866 No. 23 und Mitteil. 5 u. 6 1867 8. 27.

277.* .,Ein Mittelerz mit demselben Gepräg", Inv. 1866 No. 23. „Wiesbaden". Da genau dasselbe Gepräge bei Kupfermünzen überhaupt nicht begegnet, so wird hier PM zuQi Avers zu ziehen, und eine der Münzen mit TR POT COS Uli PP und der Victoria Cohen II, p. 85 No. 640 oder 641 gemeint sein.

278. Denar, ganz verschliffen, durchlocht: Kopf m. Lorbeer und Mantel n. r, Rs. Behelmte Figur n. r. stehend mit Lanze und Parazonium (?) Vielleicht Cohen 271 mit der Umschrift PM [TR P COS VI PP SPQR] „Wiesbaden". (K.)

279. Mittelerz, verschliffen: [|MP CAES NERVlAE TRAIANO AVG GER DAC PM TR P COS V PP Kopf m. Lorbeer n. r. Rs. SPQR OPTIMO PRINCIPI Schreitende Victoria n. 1. mit Zweig und Palme, im Felde S C Cohen 436. „Umgebung Wies- baden". (K.)

280. Dieselbe Münze, ziemlich gut: .^Wiesbaden Metzgergasse-Ecke". Vgl. Inv. d. M. No. 392.

281. Grosserz, schön erhalten: ,iMP CAES NERVAE TRAIANO AVG GERM PM TR P COS V PP -R*- ^iu6 geflügelte Victoria mit der Linken ein Schild umfassend, auf dem die Worte Victoria Dacica lesbar sind, Umschrift SPQR optimo principi S— C Nach Zimmermann's Eintragung im ältesten Katalog s. oben S. 185. Da nur 1 Exem- plar dieser Münze in der Sammlung sich befindet, so ist dieses das von Z. beschriebene. Cohen 452. „Wiesbaden, Kaserne" um 1S26.

282. Grosserz, sehr schlecht: Büste Trajan's m. Lorbeer und Panzer (?) n. r., von der Um- schrift noch lesbar . . . AVG GER .... Rs. SPQR OPTIMO PRINCIPI Stehende weibliche Figur n. 1. mit Füllhorn und Ruder (?) [Fortuna?], nicht näher bestimmbar. „Wiesbaden, beim Hausbau an der Ecke der Mauergasse und Marktstrasse dem Amts- gericht gegenüber, 1894".

283. Mittelerz: [|MP CAES NERVAE] TRAIANO AVG GER DAC PM TR P COS V PP Kopf m. Lorbeer n. r. Rs. SPQR OPTIMO PRINCIPI Drei Feldzeichen, zwischen S— C Cohen 579. „Spelzraühle 1857 im Grab V". Ist P. Bl. 1858 No. 4 S. 66 nach Inv. 1857 vom 7. Oktober No. 52 fälschlich als Domitian bezeichnet.

284. Mittelerz, gut erhalten: |MP CAES NERVA TRAIAN AVG GERM PM Kopf m. Lorbeer n. r. Rs. TR POT COS II PP Victoria n. 1. fliegend mit einem Schilde, auf dem SPQR steht, im Felde S-C Cohen 617 (i. J. 98). „Bey Mosbach". (K.)

235. Dieselbe Münze: „Bey Bierstadt". (K.)

286. Dieselbe Münze, schlecht erhalten: „Wiesbaden, in der warmen Quelle des „Adkr" 12. Januar 1870".

287. Mittelerz, gut erhalten: |MP CAES NERVA TRAIAN AVG GERM PM Kopf m. Stralilenkrone n. r. Rg. TR POT COS ill PP Sitzende weibliche Figur n. 1, hält

225

einen Zweig und ein Scepter, im Abschn. S C Cohen 625, nur dass in der Umschrift des Av. CAES vor NERVA steht (i. J. lOOJ. Wiesbaden „Luiaenstrasae, Neubau neben der Reiehsbank 1894"*. 288. 289. Mitrelerze desselben Gepräges, wie No. 284 ff. nur auf dem Rs. TR POT COS III PP Cohen 62S (i. J. 100). .,Bey Wiesbaden" (K.) bezw. „Umgebung Wiesbaden". (K.)

290. Mittelerz, verschliffen; des.iclben Gepräges wie No. 284 ff. nur auf dem Rs. TR POT COS IUI PP Cohen 640 (i. J. 101/102). „Umgebung Wie8baden\ (K.)

291. Grosserz: |MP CAES NERVA TRAI[AN ] Kopf m. Lorbeer n. r. Rs. TR

POT [COS . . . .1 Sitzeade Justitia n. 1. hält Zweig und Scepter, nicht näher be- stimmbar. „Wiesbaden"*. (K.)

291a. Mittelorz, yerschliffen : IMP [CAElS NERVA TRAIAN AVG [GERM P]M Kopf mit Strahlen n. r. Rs. Sitzende Abundantia (V) auf einem Sessel, dessen Füsse in Füll- hörner enden; Umschrift zerstört, war aber wohl TR POT COS II (bezw. ||| oder IUI) PP „Wiesbaden".

292.* Mittelerz: „JMP CAES NERVA TRAIAN AVG GERM Rs. Eine Victoria mit S C"> nach Zimmermann's Eintrag in den ältesten Katalog. Danach wird es eine der Münzen mit TR POT COS II (bezw. ||| oder ||||) PP sein. „Wiesbaden, Luisen- atrasse 1824 ff."

293. Mittelerz, sehr verschliffen: Kopf n, r,, Umschrift ganz vorwischt. Rs. Sitzende weib- liche Figur n. 1., näher nicht bestimmbar. „Wiesb., Artillerie-Kaserne, 1. September 1S59". Es ist offenbar dieselbe Münze, welche P. Bl. 1860 No. 12 S. 335 so beschrieben wird: „Münze in Mittelerz, beiderseitig ganz abgegriffenes Gepräge. Av. Kopf (Trajan?) Rs. Sitzende Pietas", Vgl. Inv. 18.59 30. Dezember No. 516.

294. Grosserz, verschliffen: Kopf mit Lorbeer n. r. ....NO AVG G.... Qoch lesbar. Rs. Sitzende Figur n. 1. mit Füllhorn. „Bei der Spelzmühle".

295. Groaserz, ganz verschliffen: Kopf m. Lorbeer n. r. . . . . TRAIANO AVG GER... Rs. zerstört. „Wiesbaden, Hinter Hoben 1859".

296. Grosserz: Kopf Trajan's n. r., Alles weitere zerstört. „Wiesbaden, Saumarkt 1854, beim Kanalbau".

297. Mittelerz, sehr verschliffen: Kopf Trajan's n. r. „Wiesbaden, Schützenhof".

298.* „. . . S. Nerva Trajan Aug. Germ. PM Rs. unleserlich. An der Artillerie-Kaserne zu Wiesbaden selbst gefunden", nach handschriftlicher Notiz von Bonhorst's No. III, 8. oben Anm. 16, wohl Mittelerz, mit TR POT COS II etc. PP, 299.* „. . . ein Trajanus, Mittelerz, gef. auf einem Acker an der Platter-Chaussee dahier", nach P. Bl. 1855 No. 5 S. 143.

Eine der von Kihm schlechthin als in Wiesbaden, be?:w. Wiesbaden Umgebung ge- funden bezeichneten Münzen Trajan's kann mit der in der Steingasse gefundenen (8. oben Anm. 62) identisch sein.

Hadrian:

300. Mittelerz, sehr gut: HADRIANVS AVGVSTVS Kopf m. Strahlenkrone n. r. Rs. COS III Salus n. 1. sitzend, füttert eine Schlange, im Abschn. S C Cohen 368. „Bey Mosbach 1844". (K.)

301. Dieselbe Münze: „Spelzmühle bey Wiesbaden 1844". (K.)

302. Mittelerz, gut erhalten : HADRIANVS AVGVSTVS Büste m. Lorbeer u. Mantel n. r. Rs. COS III PP CLEMENTIA AVG dementia n. 1. stehend, hält Schale und Scepter, S— C Cohen 517. „Umgebung Wiesbaden". (K.)

303.* Mittelerz: HADRIANVS AVGVSTVS mit dem Brustbild. Rs. Stehende weibliche

Figur, links gewendet, die rechte Hand auf der Brust zwischen S C Umschr. COS . . .

„Gef. hinter dem Schützenhofe dahier". Nach Inv. 1861 25. September No. 226. Näher nicht bestimmbar.

304. Mittelerz: HADRIANVS AVGVSTVS Kopf m. Lorbeer n. r. Rs. Umschrift

[FELICITIATI AVG. im Abschn. COS III PP Schiff n. r. fahrend mit Ruderern, auf dem Hinterteil Feldzeichen, nicht genau bestimmbar. „Wiesbaden, beim Kanalbau

226

in der kleinen Schwalbacherstrasse 1859"; unvollkommen beschrieben P, Bl. No. 10 1859 S. 262. Vgl. Inv. 1859 26. Juli No. 430.

305. Denar, gut: |MP CAESAR TRAIAN HADRIANVS AVG Büste m. Lorbeer, Mantel und Panzer n. r. Es. R (VI TR P COS III Sitzende Salus n. 1. füttert eiae um einen Altar gerollte Schlange, im Abschn. SAL AVG Cohen 1327. „Wiesbaden, Kirch- gasae 1839". (K.)*^)

306. Mittelerz, gut; HADRIANVS AVGVSTVS Büste mit Lorbeer n. r. Es. SALVS AVGVSTI Stehende Salus n. 1. füttert eine um einen Altar gerollte Schlange und hält ein Scepter, im Felde S— d im Abschn. COS lli Cohen 1357. „Auf dem Münz- berg bey Wiesbaden 1845". 'K.)

306a. Dieselbe Münze: „Auf dem Neroberg 1848". (K.) Vgl. Annal. V. 3, S. 9.

307. Mittelerz, schlecht: |MP CAESAR TRAI[AN HADRIAN AVG] Büste m. Lorbeer und Panzer n. r. Es. Stehende weibliche Figur n. 1. hält im 1. Arme ein Füllhorn, in der r. Hand eine Schale (Salus?), im Felde S— 0 Umschrift verwischt. „Wiesbaden, Schützenhof".

308.* „Hadrianus Auguätua. Es. G.ilua Augusti Cos III, an der Artillerie-Kaserne zu Wiesbaden selbst gefunden", nach handschriftlicher Notiz von Bonhorst's No, IV, s. oben Anm. 16. Jedenfalls war die Reversumschrift SALVS AVGVSTI wie bei No. 306 und 306a.

309.* „M.- Erz-Münze des Hadrian. Es. ganz verwischt, gef. am Landgraben bei Biebrich". Nach Mitteil. No. 1 1361 S. 21.

BIO. Grosaerz: Büste n. r., Alles andere zerstört. „Gef. zwischen Dietenmühle und Bier- stadt 1860. Vji' tief."

311. Grosserz: Kopf Hadrians m. Lorbeer n. r., ümschr. ganz verwischt. Es. Sitzende Figur n. 1. scheint ein Füllhorn zu halten, näher nicht bestimmbar, „Gef, Wiesbaden, Schützenhof".

312.* Denar von Hadrian. „In der Nähe von Wiesbaden", nach Annal. III, 2. 218, siehe oben Anm. 69.

Lucius Aelius:

313.* Grosserz: L AELIVS CAESAR Kopf m. Lorbeer n, r. Es. PIETAS im Abschn., Umschrift TR POT COS II Pietas n. 1. stehend, legt die linke Hand auf die Brust, vor ihr ein brennender Altar, im Felde S— C Cohen 40. „Wiesbaden, Langgasse No. 21, am 22. August 1881". Nach Annal. XVU, 139. 8.

Antoninus Pius:

314. Mittelerz: ANTONIN VS AVG PIVS PP TR P XVIII Kopf m. Lorbeer n. r. Es. FELICITAS [COIS IUI Im Felde S-C Stehende Felicitas n. r., mit Caduoeus u. Füllhorn (?) Cohen 372 (i. J. 155). „Höfchen bey Wiesbaden". (K.)

315. Mittelerz: ANTONIN VS AVG PIVS PP TR P COS III Kopf mit Lorbeer n. r. -K^- IMPERATOR II Stehende Libertas n. 1. hält Mütze und Scepter, im Felde S O Cohen 446 (i. J. 140/43). „Im Höfchen bey Wiesbaden". (K.)

**) In einem „Verzeichnis der dem Verein zugekommenen Münzen, Altertümer etc." heisst es: „8. von H. Justizrat Schweikart zu Wiesbaden 1 Silberraünze vom Kaiser Hadrian, der i. J. 120 n. Chr. den Thron bestiegen hatte, das Alter der Münze daher 1727 Jahre, gefunden beim Ausgraben der fortgesetzten Kirchgasse im Jahre 1832". Die Noriz über das Alter der Münze von 1727 Jahren führt darauf, dass das Verzeichnis im Jahre 1847 geschrieben ist. Da bei dieser Münze sowohl, wie bei No. 305, als Geschenkgeber Juatizrat Schweikart und als Fundstelle die Kircbgasse angegeben wird, liegt es nahe, in beiden dasselbe Exemplar zu erblicken und einen Irrtum nur in einem der Fundjahre 1832 bezw. 1S39 anzunehmen. Eine Annal. III, 2. 218 (28. Mai 1841) unter mehreren in der Nähe von Wiesbaden gefundenen Bronzemünzen erwähnte silberne von Hadrian dürfte dagegen von unserer Münze um so mehr verschieden sein, als sie unter den durch Ankauf erworbeneu Gegenständen aufgezählt wird, 8. unten No. 312*.

227

316. Grosserz: [!MP] CAES T AEL HADR ANTONiNVS [AVG PIVS PPl Kopf m. Lorbeer n. r. Rs. im Abschn. [ROMA] Umschrift JR ROT Xllll COS Uli, im Felde S C Roma n. 1. sitzend, hält eine Lanze und stützt den linken Arm auf einen Schild, der auf einem Schiffe ruht. Cohen 690 (i. J. 151). , Wiesbaden beim Neubau des Saales im Garten des Adler 188ü". Vgl. Inr. d. M. No. 60.

317. Denar: ANTONINVS AVG PIVS PP TMl^fMll Kopf m. Lorbeer n. r. Es. S^- LVTI AVG COS IUI Salus yor einem Altar stehend, füttert eine Schlange und hält ein Scepter. Cohen 74ü (i. J. 159). „An der Hammermühle 1884". Vgl. Iny. d. M. No. 288.

318. Grosserz, sehr schön: ANTONiNVS AVG PIVS PP TR P COS lli Büste mit Lorbeer n. r. Es. Auf einem Tribunal sitzen Pius und Aurelius Caesar, unten zu beiden Seiten ein Soldat stehend, im Absobn. S C Cohen 764 (i. J. 140—43). „Gef. beim Kartoffelausmachen auf einem Acker bei Mosbach'-. Vgl. Inv. 1861 20. Okt. No. 227 In den Mitteil, an die Mitgl. No. 2 1863 S. 41 wird die Münze ohne Angabe des Fund- ortes beschrieben.

319.* .,Aufih eine Münze von Antoninus Pius... wurde bei dieser Gelegenheit gefunden" (beim Schlossbau in Wiesb. 1837). Annal. XVII, 142, Anm, 1.^*')

320.* 321.* Von zwei Bronze-Münzen (d. h. Mittelerzen) und 1 Grosserz des Antoninus Pius, we]<>he nach dem Zcttol von Kihm's Hand (s. oben S. 213) auf dem Neroberge gefunden wurden, ist das letztere No. 323, die beiden anderen sind nicht näher bestimmbar. Vgl. Annal. V, 3. 3. 9. „In diesem Hauptgebäude (der Villa auf dem Neroberg) wurden 3 Kupfermünzen von Antoninus Pius und 1 von Hadrian (oben No. 306a) gefunden.''

322.* „Ein Antoninus Pius von Silber" (also Denar), „gef, bey Mosbach" nach demselben Zettel Kihm's, ist nicht näher bestimmbar. Über andere in demselben Verzeichnis von Kihm dem Pius mit Unrecht zugeschriebene Münzen s. oben S. 213.

Antoninus Pius und Aurelius Caesar:

323. Grosserz, sehr schön: ANTONINVS AVG PIVS PP TR P COS 111 Kopf mit Lorbeer n. r. Es. AVRELIVS CAESAR AVG Pll F COS Jugendliche Büste mit -Mantel und Panzer n. 1., darunter S C Cohen 34. „Neroberg bey Wiesbaden

1848\ (K.)

Faustina die Ältere:

324. Mittelerz: DIVA FAVSTiNA Büsten, r. Es. AV[GVS]TA Ceres mit Schleier und Ährenkranz n. 1. stehend, hält zwei Fackeln, im Felde S— C Cohen 92. „Bey Wies- baden". (K.)

325. Mittelerz: [Di]VA FAVSTINA Büste m. Diadem n. r. Es. AVGVSTA Vesta mit Schieier n. 1. stehend, hält das Palladium und eine Fackel oder ein Scepter, im Felde S— C Cohen 111 oder 114. „Wiesbaden, gef. am Türmeben vor der Artillerie-Kaserne 1. September 1859".

326. Denar: DIVA FAVSTINA Kopf n. r. Es. AVGVSTA Vesta vor einem Altar stehend n. 1. hält Schale und Palladium. Cohen 116. „An der Hammermühle 1884". Vgl. Inv. d. M. No. 289.

327. Mitfelerz: [DilVA FAVST[i]NA Büste n. r. Es. AVG[VSTA] Stehende weibliche Figur n. 1. hält eine Fackel und ein Scepter (?), nicht genau zu bestimmen. „Gef. bey Wiesbaden". (K.)

328. MiHo-erz, ähnlich: Ebenfalls nicht genau bestimmbar. „Gef. auf dem Neroberg 1848". (K.)

329. Gro-serz, stark verschliffen: DIVA FAV[STINA] Büste n. r. Es. [|]VNO Jqdo n. 1. stehead mit Schale und Scepter, im Felde S C Cohen 210. Wiesbaden, „an der Ecke der Kirchhofs- und Langgasee beim Abbruch eines Teiles der Heidenmauer 1870". Vgl. Z. K. 11713.

330. Grosserz: Büste mit Schleier n. r. Es. ganz zerfressen. „Wiesbaden, beim Graben der Wasserleitung in den Wiesen am Schwalbacherweg, August 1859".

70

') Vgl. auch für die.se Münze die Bemerkung in Anm. 68.

228

Marc Aurel:

331. Grosserz, verschliffen: IMP CAES M AVREL ANTONIN[VS AVG P]M Kopf mit Lorbeer n. r. Rs. [C0NC0R1D AVGVSTOR TR P ;^M Die beiden Kaiser stehend reichen sich die Hände, im Abschn. [COlS lll< im Felde S— C Cohen 54 (i. J. 162). „Gef. in der Rasselt bey Bierstadt 1845". ^K.)

332. Mittelerz: [AVRELIVS GlAESAR AVG Pll F Jucendücher Kopf des Caesar n. r. Rs. im Felde HONOS IJmschrift TR POT... COS II Stehender Honos n. r. mit Zweig und Füllhorn (?) zu beiden Seiten S— 0 "Wohl Cohen 239 (i. J. 148). „Gef. Gräber bei Rambach 1845".

333. Orosscrz: M ANTONINVS AVG TR P XXV Kopf m. Lorbeer n. r. Rs. |MP

VI COS [III] "Victoria n. r. nohend, lehnt einen Schild, auf dem [VIC GERM1 steht, an einen Baum, im Felde S C Cohen 269 {i. J. 171). „Gef. Münzberg im Wiesbader Wald«. (K.)

334. Mittelerz: [M ANTOJNINVS AVG TR P XXVI Kopf m. Strahlen n. r. Rs. [|MP

VII COS III Behelmte Roma n. !. sitzend, hält eine Lanze und eine Viotoria, unter ihr ein Schild, im Felde S C Cohen 282 f\. J. 172). ^Gef. Spelzmühle". (£.)

335. Grosserz, Avers sehr gut erhalten: M ANTONINVS AVG TR P XXVIII Büste m. Lorbeer n. r, Rs. [|]MfP ... 1 COS III Jupiter n. l. sitz,^nd hält Victoria und Scepter, im Felde S— C Cohen 252 oder 311 (i. J. 174). „Wiesbaden, Blücherstrasse, Februar 1893". Vgl. Inv. d. M. No. 490.

336. Mittelerz: M AVREL ANTONINVS AVG TR P XXX!! Kopf m. Strahlenkrone n. r. Rs. [IMP] Villi C[OS IUI PP Stehende Fax n. 1. mit Füllhorn und Ölzweig, im Felde S-C Cohen 371 (i. J. 178). , Wiesbaden, bei deu Frankengräbern vor dem nördlichen Ende der Heidenmauer". Vgl. Annal. XI7, 430.

337. Grosserz: M ANTONINVS AVG TR P XXIIII Kopf m. Lorbeer n. r. Rs. [SA]- LVTI AVG COS III Stehende Salus n. 1. mit Scepter, füttert eine um einen Altar gerollte Schlange, im Felde S— C Cohen 547 (i. .T, 170). „Wiesbaden, beim I^'eubau des „Einhorn" März 1895". Vgl. Inv. d. M. No. 517.

338. Grosserz, verschliffen: AVRELIVS CAES AVG PI! F Büste mit Mantel und Pa.azer n. r. Rs. TR POT XIII CO[S II] Beheinite Virtus n. r. hält Lanze und Parrzonium, den linken Fuss setzt sie auf einen Helm, »m Felde S— C ('• J- if>9)- Fehlt bei Cohen IIP, p. 74 (No. 748 hat im Averse CAESAR). rOef. !>*^y Wiesbaden 1S33». (K.)

339. Grcsserz, gut: M AVREL ANTONINVS AVG AR[MENIACVS PMJ Kopf mit Lorbeer n. r. Rs. TR POT XIX IIMP II COS) lil Providentia n. 1. stehend mit Scepter und Stäbchen, zu den Füssen eine Kugel, im Felde S— C Cohen 803 (i. J. 165). „Wiesbaden, beim Kanalbau in der Gustav-Adolfstrasae, Anfang Juli 1895".

340. Gros.^erz: M AVREL ANTONINVS AVG ARM PARTH MAX Kopf m. Lorbeer n. r. Rs. TR POT XX IMP IUI COS IM Victoria n. r. steheud. hält einen Palm- zweig und lehnt einen Schild, aut dem pjSi »tehti an einen Baum, im Felde S— 0 Cohen 807 (i. J. 166). „Dotzheim, Sauerborn". Vgl. Inv. 1376 No. 29.

341. Mittelerz: M ANTONINVS AVG [ARMENIACVSJ PM Kopf m. Lorbeer n. r. Rs. ITR] P XIX IMP II CO[S III] S-C Mars mit Hein nackt n. r. eilend, trägt eine Lanze in der R. und ein Tropaeum auf der 1. Schulter. Cohen 870 (i. J. 165). „Qof. bey Mosbach". (K.)

Faustina die Jüngere:

342. Mittelerz: FAVSTINA AVGVSTA Büsten, r. Rs. AVGVSTl Pll FIL Concordia n. 1. stehöud, mit Schale und Füllhorn, im Felde S-C Cohen 23. „Spelzmühle bey Wiesbaden". (K.)

343. Dieselbe Münze. „Dotzheim, Dezember 1803". Vgl. Z. K. 14506.

344.* ,? Stina August. Rs. st. M. F. J. L. An der ArtiUene-Ka.serne zu Wiesbaden selbst gefunden", nach handschriftlicher Notiz von Bornho?-8t'8 No, V (s. oben Anm. 16). Die Legende war offenbar fFAVlSTINA AVGVSTIA] Rs. lAVGVISTU Pill FIL Also eiric der Münzen bei ('(.hen 1.') 32, vielleicht Silber, da S— C nicht erwähnt wiid.

229

345. Denar: FAVSTINA AVGVSTA Büste n. r. Bs. DIANA LVCIF Diana n. r.

stehend, hält eine brennende Fackel mit beiden Händen. Cohen 85. nGef. in der Hasselt im Bierstädter Walde 1845". (K.)

346. Grossorz, sehr schlecht: FAVSTINA AVGVSTA Büste n. r. Es. D[IANA LVCI- FERA] Diana n. r. stehend, hält eine Fackel mit beiden Händen, im Felde S C Cohen 88. „Wiesbaden, beim Hausbau in der Langgasse 1850". (K.)

347. Mittelerz: FAVSTINA AVGVSTA Büste n. r. Rs. {[VjNO Juno m. Schleier n. 1. stehend, hält Schale und Scepter, zu ihren Füssen ein Pfau, im Felde S C Cohen 123. „Spelzmülile bey Wiesbaden". (K.)

348. Mittelerz, gut erhalten: [FAVJSTINA AVG PI! AVG FIL Süßte n. r. Rs. VENVS Yenus n. 1. stehend, hält einen Apfel und stützt sich mit dem linken Arme auf eine Säule (?), im Felde S-C Cohen 271. .,Bey Mosbach 1845". (K.)

349. Mittelerz, sehr zerstört: FAVSTINA AVGV[STA] Büste n. r. Es. Stehende weibliche Figur n. 1. hält eine Schale (?) ; näher nicht bestimmbar. „Bey Wiesbaden". (K.)

350. G-rosserz, sehr zerstört: FAVSTINA A[VGVSTA] Büste n. r. Es. Stehende weibl. Figur n. I. ; nicht nilhar bestimmbar. „Wiesbaden, Luisenstrasse neben der Keichs- bank 1894".

Lucius Verus:

351. Mittelerz: IMP CAES [L AIVREL V[ERVS AVG1 Kopf m. Lorbeer n. r. Es. CONCORD [AVGVSTIOR TR P, im Abschn. COS II L- '^erus und M. Aurel reichen sich die Hände, im Felde S-Q Cohen 35 (i. J. 161). „Neroberg bey Wies- baden 18 48". (K.)

352. Mittelerz: L VERVS AVG AfRMENIACVS] Kopf m. Lorbeer n. r. Es. [LIBE- RAL] AVG TR P V IMP il COS il Liberalitas n. I. stehend, hält eine Tessera und ein Füllhorn, zwischen S 0 Cohen 120 (i. J. 165). aSpelzmühle bey Wies- baden 1844". (E.)

353. Groaserz, gut erhalten: L VERVS AVG ARM PARTH MAX Kopf m. Lorbeer n.r. Rs. TR-P0T-Vl IMP Ili COS II Armenier oder Parther n. r. sitzend unter einem Tropaeum, hinter ihm Schild, vor ihm Bogen und Köcher, im Felde S C Cohen 199 ff. (i. J. 166). „Wiesbaden 1853". (K.)

Lucilla :

354. Mittelerz: LVCILLAE A[VG] ANTONILNIl AVG [F] Büste n. r. Es. VENVS Venus n. 1. stehend, hält Apfel und Scepter. Cohen 73. „Wiesbaden, Michelaberg 28. August 1876". Vgl. Annal. XIV, 436.

Commodus :

355. Mittelerz, sehr TersoliliS"en: [M CjOMMODVS ANT[ ] Kopf m. Strahlen n. r.

Es. Stehende weibliche Figur n. 1., hält Caduceua und Scepter, zwischen S~C Näher nicht bestimmbar. „Wiesbaden". (K.)

356. Grosserz: [M CiOMMODVS ANT[ ] Büste mit Lorbeer n. r. Es. Stehende

weibliche Figur n. 1., hält Füllhorn und Wage (?), Umschrift ganz verlöscht. „Wies- baden, Xeroberg 1867". Vgl. Inv. 1867 Juli No. 53.

357. Grosserz, sehr verschliffen: [M CIOMMODVS A[NTONIN]VS AV[G . . . .] Kopf mit Lorbeer n. r. Es. Stehende Figur n. 1. mit Scepter und Schale, zu den Füssen ein Altar (Salus?), Näher nicht bestimmbar. „Über den Mergelgruben bei der Hammer- mühle 1883". Vgl. Inv. d. M. No. 275 und Annal. XVIII, 296.

358.* Denar: Nicht näher bestimmbar. .,Gef. bei der Eisenbahn, unweit Mosbach". Nach P. Bl. No. G 1855 S. 193.

Clodius Albinus:

C59. Grosserz : 0 ^ CL '' SEPT - ALBI#^ |*AES Kopf n. r. Es. Fortuna n. 1. sitzend, hält Steuerruder und FüiUiorn, untren om H.J., irn Felde S— C; <^ie Umschrift ist ver- wischt, war aber wohl: [FORT REDVCI TR POl 003 11] '^■ohm 35, „Villa am Neroberg 1341". (K.)

15

230

Septimius Severus:

360. Grosserz, verschliffen: L SEPT SEV PERT AVG IMP [III oder !||1] Büste mit Lorbeer und Panzer n. r. Es. Drei weibliche Figuren n. 1. stehend, jede mit Füllhorn und Wage, zwischen S C I^ic ganz verwischte Umschrift war wohl sicher [MONET AVG COS II PP] Cohen 335 oder 338 (i. J. 194). ,Bey Mosbach'^. (K.)

361. Denar: L SEP SEVERVS [PER AIVG P M IMP XI Kopf mit Lorbeer n. r. -Rä- PAR AR AD TR P VI COS 11 PP Viotoria n. 1. stehend, mit Kranz und Palme. Cohen 361 (i. J. 198). , Wiesbaden und Umgebung'-'. (K.)

362. Denar, sohlecht: L SEP SEV PERT Kopf m. Lorbeer n. r. Eg. Sitzende weib- liche Figur n. I., hält eine Victoria (?) und eino Lanze, nicht sicher bestimmbar (viel- leicht mit ROMAE AETERNAE Cohen 614). „Wiesbaden und Umgebung". (K.)

Julia Domna:

363. Denar: |VLIA PIA [FELIX] AVG Büste n. r. E^. DIANA LVCIFERA Diana n, 1. stehend mit einer Fackel in beiden Händen. Cohen 32. „Bei den Ausgrabungen am Landgraben 1844".

364. Donar, gefüttert: JVLIA AVGVSTA Büste n. r. Es. |[VNO] Stehende Juno n. 1. mit Schale und Scepter, zu ihren Füssen ein Pfau. Cohen 82. „Gref. an der Spelz- mühle Oktober 1857".

365. Denar, sehr gut erhalten: JVLIA AVGVSTA Büste n. r. Es. PIETAS PVBLICA Pietas n. 1. vor einem brennenden Altar stehend, erhebt beide Hände. Cohen 156. „Wiesbaden". (K.)

366.* „1 Julia Domna in Silber. In der Nähe von Wiesbaden gefunden", nach Vorst.-Sitz. vom 8. Juli 1830 § 12.'^)

Caracalia :

367. Denar: ANTONINVS PIVS AVG Jugendlicher Köpf mit Lorbeer n. r. Es. PONTIF TR P X COS II Nackter Mars mit fliegendem Mantel n. r. eilend, trügt ein Tropaeum auf der linken Schulter und hält eine Lanze. Cohen 431 (i. J. 207). „Gef. Wies- baden 1859".

36S. „Eine Silbermünze von Antonius (sie!) Caracalia, ungefähr 50 Schritte von vorigem (einem Bronzering) entfernt gefunden" (in der Kirchgasse) nach P. Bl. No. 9 und 10 1856 S. 292, 4. Dieselbe Mün2e beschreibt das handschriftliche Verzeichnis der von Lugenbühl angekauften Altertümer, nach welchem der Bericht in den P. Bl. gemacht ist, No. 4: ,Eiue Silbermünze von Antoninus Caracalia, die liückseite ein laufender Löwe mit der Umschrift....": danach kann es eine der Münzen mit [PM TR P XVIII oder XVIIII COS lill PP] sein. Cohen 320 ff. oder 367 ff.

369.* „Eine Silbermünze von Antoninas Pias (Caracalia), gaf. bey Wiesbaden" nach Protok. der Vorst.-Sitz. vom 12. Januar 1826 § 6. Vgl. oben Anm. 10.

Plautilla:

370.* „Silbermünze der Plautilla, gef. am Landgraben bey Mosbach 1854" nach P. Bl. 1854 No. 3 S. 86 und Kihm: XIX. Verzeichnis römischer Münzen No. 26. Vgl. Annal. V, 3. 66.

Geta:

371. Denar, sehr gut erhalten: L SEPTIIVIIVS GETA CAES Jugendliche Büste mit Mantel n. r. iLi. SPEI PERPETVAE Spea n. 1. halt eine Blume. Cohen 192. „Gef. am Landgraben bey Mosbach 1844". (K.)

372. Grossorz: AVKAACGFI TGTACA Jugendlicher Kopf m. Lorbeer n. r. Es. ganz verrichliiren; erkennbar erscheint noch ein achtsäuliger Tempel mit Giebel (Münze einer griech. Stadt, wohl Kleinasiens). »Gef. bey Rambach, April 1858" (Rössel),

^') Die Nummern 365 und 366* dürften koum identisch sein; vgl. Anm. 59; die Mög- lichkoit kann aber nicht abgeleugnet werden.

231

Macriniis:

373. Mittelerz: IMP CAES M OPEL SEV MACRINVS AVG Büste mit Lorbeer, Panzer und Mantel n. r. lU. RONTIF MAX TR P II COS II PP Nackter Jupiter n. 1. stehend, halt Blitzstrahl uud Sceyter. Cohen 91 (i. J. 218). „Wiesbaden". (K.)

Elagabalus:

374. Denar, schlecht: IMP ANTONINVS AVG Büste m. Lorbeer, Mantel und Panzern, r. -S»- [LIBERTAS] AVGVSTI Liberias n.l. sitzend, hält Mütze und Scepter. Cohen 101. „Bey Wiesbaden*^. (K.)

375. Denar, gut erhalten: |MP CAES ANTONINVS AVG Büste m. Lorbeer und Mantel n. r. Rs. MARS VICTOR Behelmter nackter Mars mit nachflatterndem Mantel eilt n. r. mit Lanze und Tropaeum. Coiion 109. „In der Hasselt bey Bier- stadt". (K.)

376. Denar, gut erhalten: JMP ANTONINVS PIVS AVG Büste mit Lorbeer n. r. Bs. VICTORIA AVG Aufschwebende Victoria mit einem kleinem Schilde zu jeder Seite. Cohen 300. „An der Hammermühle 1884". Vgl. Inv. d. M. No. 290.

Julia Maesa:

377. Denar: IVLIA MAESA AVG Büste n. r. Es. PVDICITIA Pudieitia n. 1. sitzend, hält ein Scepter und erfaast mit der r. Hand ihren Schleier. Cohen 36. „Gef. Wies- baden in der warmen Quelle des „Schwanen" 1870". Vgl. Iut. 1870, No. 9.

378. Denar, gut: Av. wie bei No. 377. Es. SAECVLI FELICITAS Felicitas n. 1. stehend, hält Schale und Caduceus, zu ihren Füssen ein flammender Altar, im Felde ein Stern. Cohen 45. „Wiesbaden im Kursaal-Weiher". Vgl. Mitteil. No. 5 u. 6 1867, S. 16 u. 27.

Sevepus Alexander:

379. Denar: JMP C M AVR SEV ALEXAND AVG Büste m. Lorbeer und Mantel n. r. ■Rs- PAX AVG Laufende Fax n. 1., hält Ölzweig und Scepter. Cohen 187. „Wies- baden hinter dem Exerzierplatz 1855" (nicht ganz richtig beschrieben in P. Bl. No. 7 1855, S. 230).

380. Dieselbe Münze. „Gref. Wiesbaden am alten Kirchhof, Januar 1884". Vgl. Inv. d. M. No. 279,

381. Denar, gefüttert: |MP C M AVR SEV ALEXAND AVG Büste m. Lorbeer und Mantel n. r. Es. PM TR P VI COS II PP P»^ wie No. 379 f. Cohen 319 (i. J. 227). „üef. bey Mosbach". (K.)

382. Denar, gut: |MP ALEXANDER PIVS AVG Büste m. Lorbeer und Mantel n. r. Es. PM TR P X COS III PP Sol m. Strahlen n. 1. stehend, hält eine Kugel. Cohen 411 (i. J. 232). „Bey Wiesbaden 1848". (K.)

383. Mittelerz, ziemlich gut: IMP CAES M AVR SEV ALEXANDER AVG Büste m. Lorbeer und Mantel n. r. Es. [PONTIF MAX] TR P III COS PP Weibliche Figur n. 1. sitzend vor einem Altar, hält ein Scepter, im Abaohn. S C Cohen 475 (i. J. 224). „Gef. im Höfchen unterhalb der Platte". (K.)

384.* „Ein Alexander Severus Silber (gef.) bey Mosbach" Kihm in der Aufzählung von 28 bei den Ausgrabungen in der Umgebung von Wiesbaden gefundenen Münzen s. oben 8. 213. Nicht näher bestimmbar.

385.* „1 Alexander Severus Bronze (d. h. Mittelerz) (gef.) im Höfgen" (sie). Kihm in dem- selben Verzeichnis nennt unter No. 13 und 14 je einen Alex, Severus von Bronze; die eine der Münzen ist jedenfalls oben No. 383, die andere nicht näher bestimmbar. Vgl. auch Annal. V, 3. 26.

Julia Mamaea:

386.* „Zuletzt wurde beim Planiren noch eine Erzmünze der Julia Mamaea gefimden". Annal. V, 3. 57 (bei Grabungen in der Nähe der Infanterie-Kaserne zu Wiesbaden), jedenfalls Grosserz, da nur solche in der Sammlung vertreten sind; näher aber nicht bestimmbar.

232 Gordian :

387. Antoninian, gut erhalten: IMP CAES M ANT GORDIANVS AVG Büste mit Strahlenkrone n. r. Rs. VICTORIA AVG Victoria n. 1., hält Kranz und Palme. Cohen 357. „In der Hasselt bev Bierstadt". (K.)

Philippus I.

388. Antoninian, gut erhalten: JMP M IVL PHILIPP VS AVG Büste m. Strahlenkroae n, r. Es. ADVENTVS AVGG Der Kaiser zu Pferde n. 1. hält eine Lanze. Cohen 3 (i. J. 244). „Wiesbadens (K.)

389.* „Süber: |MP IVL PHILIPPVS AVG -R^- Stehende Ceres AEQVITAS AVGG" Nach P. Bl. No. 9, 1859, 8. 226 und Inv. 1859 vom 9. Februar, No. 249. „Wiesbaden, Neroberg". Die Umschrifter! scheinen nicht ganz richtig gelesen, daher nicht näher bestimmbar.

390. Antoninian: |MP PHILIPPVS AVG Büste m. otrahlonkrone n. r. Es. ROMAE AETERNAE Sitzende Roma n. 1. vor einem Altar, mit Victoria und Scepter, dabei ein Schild. Cohen 171. „Wiesbaden, Schützenhof, Frühjahr 1367" (im Inv. 1867, No. 49 und Antiquar. Notizbuch Mai 1867 ist die Münze nicht ganz richtig bestimmt).

Philippus n.:

391. Antoninian, gut erhalten: IMP M IVL PHILIPPVS AVG Büste mit Strahlen und Mantel n. r. Es. AEQVITAS AVG Aequitas n. 1. stehend mit Wage und Füllhorn. Cohen 1. „Wiesbaden, Langgasse in der Lade'schen Hofapotheke 1883".

Herennia Etruscilla:

392. Antoninian: HER ETRVSGILLA AVG Büste ra. Diadem n. r. Es. PVDICITIA AVG Sitzende Pudicitia n. 1. hält ein Scepter und erfasst ihren Sohleier. Cohen 19. „Wies- baden, Frankengräber am Schiersteinerweg, befand sich am Ohrring Inv. No. 9311, da- her noch durchlöchert". Vgl, Inv. d. M. No. 391.^*)

Trebonianus Gallus:

393. Antoninian, etwas verachliffen: IMP C C VIB TREB GALLVS AVG Büste mit Strahlenkrone n. r. Es. |VNO IVIA[RTI]ALIS Juno n. 1. sitzend, hält 2 Ähren und ein Scepter. Cohen 46. „Wiesbaden". (K.)

Gallienus :

394.* . . eine Erzmünze des Gallienus (Rev. Liberalitas) gefunden „bei den Ausgrabungen rom. Gebäude am Hollerborn 1826". Nach Annal. I. 2 u. 3, S. 145; nicht näher be- stimmbar.

395.* „Römiflche Münze (sie!) aus der Zeit Galliens wurden vorlängst in don benachbarten Gärten (bei der alten Burg auf dem jetzigen Markt) ausgegraben" nach Zimmermann, Wies- baden und seine Umgebungen 1826, S. 42; dieselben können sich unter den mit der Z.'schen Münzsammlung in das Museum gekommenen Gallienusmünzen befinden, s. oben Anm. 4, II.

396.* KleLnerz: „Februar wurde auf der Stelle des fränkischen Todtenfeldea, verlängerte Schwalbacherstrasse der Artillerie- Kaserne gegenüber wieder ein Grab gefunden, dessen Inhalt . . . angekauft wurde: es waren . . . eine Münze von Licinius Oallienua (Klein- Bronze) und unkenntliches Mittelerz". Nach Antiq. Notizbuch 1868, S. 6. Näher nicht bestimmbar.

'*) Die Fundangabe ist nicht ohne Bedenken ; denn nach Mitteil, an die Mitgl. No. 2 1868, S. 32 soll „ein Ohrgehäng aus drei Gliedern, im letzten Ring eine Perle . . . und eine Münze ün Silber) Av. Etruscilla. Es. Sitzende Pietas. Umschrift DVDICITIA AVG" «"8 der Sammlung des Herrn N. Lob in Bingen in das Museum gekommen sein; die Zu- verlässigkeit dieser Angabe ist wohl unantastbar; sollte aber der Zufall zweimal genau dieselbe Münze unter ganz gleichen Umständen in das Museum gebracht haben?

^Ö6

Claudius IT.:

397. Kleinerz: DIVO CLAVDIO Kopf mit Strahlenkrone n. r. F$. CONSECRATIO

Altar, im Abschn.? Cotiom 50 (?) „Gef. bei der Ausgrabung am Landgraben 1844",

Tetricus:

398. Kleinerz: jMP TETRICVS PF AVG ßüate mit Strahlenkrone und Panzer n. r. jR-''- Hl LA RITAS AVGG '^t3hende Hilaritaa n. 1. mit Füllhorn und Palme. Cohen 54. „Wiesbaden 1848".

399. Kleinerz: JMP G T[ET1RICVS PF AVG Büate mit Strahlen n. r. Es. SALVS AVGG Stehende Salus n. 1., fütrert eine um einen Altar geringelte Schlange. Cohen 154 oder 155. , Wiesbaden" (Sandberger).

400. Kleinerz, geringster Grösse (wohl barbarischer Prägung): Tetricus, nicht genauer zu bestimmen. „Wiesbaden" 1893. Vgl. Inv. d. M. No. 505.

Diocletian:

401. Mittelerz, ziemlich gut erhalten: |MP DIOCLETIANVS PF AVG Büste m. Lorbeer und Mantel n. r. Es. GENIO POPVLI ROMANI Genius m. Schale und Füllhorn n. 1. stehend, im Felde A "nd ein Stern, im Abschn. T . . . Nicht genau bestimmbar. , Wiesbaden, Schützenhof 1867".

Maximian:

402. Mittelerz: |MP MAXIMIANVS PF A[VG1 Kopf m. Lorbeer n. r. Es. SALVIS AVGG [ET CAESIS FEL KART Weibliche Gestalt n. l, stehend hält Früchte. Cohen 510. „Wiesbaden, Kapellenstrasse". Vgl. Inv. d. iL No. 364.

403.* Bronze-Münze von Maximian Hercul. „Wiesbaden". Nach Inv. 1870, No. 29. Nicht naher bestimmbar.

Constantius Chlorus:

404. Mittelerz, etwas verschliffen: FL VAL GONSTANTIVS NOB CAES Kopf mit Lorbeer n. r. Es. HERCVLI VICTGRI Nackter Hercules n. 1. stehend, mit Keule und Löwenhaut, im Felde S P (?J darüber A Cohen 150. „Wiesbaden". (K.)

405. Mittelerz: GONSTANTIVS NOB GAES Kopf m. Lorbeer n. r. Es. SACRA MONETA AVGG ET CAESS [NOSTRJ Moneta n. I. stehend mit Wage und Füllhorn, im Abschu.? Cohen 264. ^Wiesbaden, im Waisenhausgarten 1854". (K.)

Helena:

406. Kleinerz, Quinar: FL |VL HELENAE AVG Büste mit Diadem und Mantel n. r. -R»- [PAX PVIBLICA i'ax n. 1. stehend, hält Zweig und Scepter, im Abschn. TRS- l?) Cohen 4. „Wiesbaden". {K.)

Theodora:

407. Kleinerz, Quinar: [FL MAX THE01D0[RA] AVG Büste m. Lorbeer n. r. Es. [PIETAS REI] PVBLICLAE]? Stehende Figur, ähnlich der bei Cohen VII», p. 98 abgebildeten; obige Bestimmung scheint nicht ganz sicher. „Gef. Wiesbaden, Adelheid- strasse (bei Zimmermeister Garner) in einem fränkischen Grabe 1869". Vgl. Inv. 1869 No. 28 = Z. K. 2780.

Licinius I.:

408. Kleinerz, recht gut erhalten: IMP LICINIVS PF AVG Büste mit Lorbeer, Panzer und Mantel n. r. Es. GENIO POP ROM Genius m. Mauerkrone n. L stehend, zu beiden Seiten T— F, im Abschn. PTR Cohen 53. „Gef. Wiesbaden, beim Bau des Schlossermeisters Schweizer, Saalgasse No. 5, 1880". Vgl. Inv. d. M. No. 59.

409. Mittelerz, gut: |MP LIC LICINIVS PF AVG Büste mit Diadem und Panzer n. r. Ä- lOVI CONSERVATORI AVGG NN Stehender Jupiter n. 1., hält ein Scepter und eine Victoria auf einer Kugel, zu seinen Füssen ein Adler mit Kranz im Schnabel, im Abschn. TS ^ Cohen 123. „Gef. am Landgraben 1853". (K.)

234 Licinius II.:

410. Kleinerz, schlecht: LICINIVS !VN NOB C Püste m. Strahlenkrone u. Mantel n. r. -R«- [BEATA TRANQVILLITAS] Altar, auf dem eine Kugel und 3 Sterne, vorn VOTIS XX Im Abschn. sehr wenig erkennbar AQ (?) Fehlt bei Cohen VII*, p. 213. „Wiesbaden, Sohützenhof".

Constantin der Grosse:

411. Kleinerz: CONSTANTINVS AVG Büste m. Helm u. Panzer n. r. Rs. BEATA

VO TRANQVILLITAS Altar, auf welchem eme Kugel, vorn die Inschrift TIS im Ab- schnitt STR- Cohen 20. ,Gef. Sauerborn in Dotzheim". Vgl. Inv. 1876, No. 29.

412.* Kleinerz: |MP CONSTANTINVS PF AVG Hs^ GENIO POP ROM Nach P. Bl. No. 7 1855 S. 230. „Gef. "Wiesbaden an der Schwalbacher Chaussee". Näher nicht bestimmbar.

413. Kleinerz: CONSTANTINVS MAX AVG Büste m. Diadem und Mantel n. r. Es. GLORIA EXERCITVS Zwei Soldaten mit Schild und Lanze, zwischen ihnen zwei Feldzeichen, im Abschn. ///RS" Cohen 254 oder 256/57 (?) »Gef. bei der Ausgrabung am Landgraben 1844".

414. Kleinerz, gut erhalten: ebenso, im Abschn. TR P Cohen 254, „Gef. Wiesbaden, Ki-auzplatz 1841/42 bei Schneider Seel im Hof". (K.)

415. Dieselbe Münze, im Abschn. RTP (?) „Wiesbaden in der warmen Quelle des Schwanen 1870". Vgl. Inv. 1870, No. 9.

416.* Kleinerz, mit GLORIA EXERCITVS Näher nicht bestimmbar. Nach P. Bl. No. 11

1859 S. 285. „Gef. Wiesbaden Römerstrasse nach Castell, 260' entfernt von der

Artillerie-Kaserne".") 417.* „Ein Constantinus aug. mit Gloria exercitus. Bei Wiesbaden". Nach Vorst.-Sitz. vom

12. Janaar 1826 § 6. Vgl. oben Anm. 10 und 59. 418.* Kleinerz: DN CONSTANTINVS AVG üs. wie vorher. Näher nicht bestimmbar.

„Wiesbaden gegenüber dem Mauritiusplatz, auf Walthers Bauplatz im Schutt, April 1869".

Vgl. Inv. 1869, No. 3. 419. Kleinerz Constantins I.: Rs. GLORIA EXERCITVS Näher nicht bestimmbar.

„Wiesbaden, Poulet'sches Haus (Ecke Marktstrasse und Kirchgasse) 29. Mai 1888. Vgl.

Inv. d. M, No. 457. 420.* Münze von Constantin d. Gr.: Rs. PROVIDENTIAE AVGG «Gef. Wiesbaden,

Mauritiusplatz". Nach Rössel: Kirchliche Denkmäler von Wiesbaden S. 29. 421.* „Ein Constantinus, Kleinerz: Rs. Providentia Augg, ein Thorban, PTR" Nach Inv.

1859 2. März No. 221. Cohen VII*, p. 281. „Wiesbaden am Kursaal". 422.* Kleinerz: „CONSTANTINVS AVG Kopf n. 1. Rs. SARMATIA DEVICTA

Victoria n. 1. schreitend, im Abschn. STR"^ Cohen 487 (?) „Wiesbaden in der warmen

Quelle des „Adler" 12. Januar 1870-. Nach Rossel's Verzeichnis des Fundes No. XI. 423. Kleinerz: CONSTANTINVS AVG Kopf n. r. Rs. SARMATIA DEVICTA

Victoria n. r., im Abschn. PLC Cohen 487/488 (?) „Wiesbaden am Todtenhof". Vgl.

Inv. 1879, No. 19 = Z. K. 426. 424.* „Kleinerz: Brustbild CONSTANTINVS PF AVG Rs. Der Sonnengott, die Rechte

ausgestreckt, in der Linken eine Kugel, zwischen T— F Umschrift SOLI INVICTO

COMITI Im Abschn. PTR" Nach Mitteil. No. 2 1863 S. 47. Vielleicht Cohen 525.

„Wiesbaden bei der Artillerie-Kaserne".

^^) Kleinerze mit „gioria exercitus"-Rever8, bei denen aber wegen der nicht mehr er- kennbaren Umschrift des Averses nicht mit Sicherheit zu entscheiden ist, ob sie dem Constantin oder einem seiner Söhne angehören, sind noch an folgenden Stellen gefunden: 1. „Wiesbaden 1859" (ob = 416*?j, 2. Emserstrasse 11, 1880 (vgL Inv. d. M. No. 62), 3. „im Bering des Castells bei den Gräbern in Rambach 1845", 4. CON VS PF AVG -R«- wahrschein- lich gioria exercitus-Darstellung, „gef. im Steinbruch am Bierstädter Berg 1853".

235

424a. Mittelerz: ||VI[P CONISTANTINVS P AVG Büste m. Lorbeer, Mantel u. Panzer (?)

n. r. Rs. SOLI INVICTO COIVIITI Sol n. 1. stehend, zwischen J- f Im Abschn.

PLN (?) Cohen 535. „Wiesbaden im Dambachth-.il IHeS"*. 425.* .Silber: D N CONSTANTiNVS PF AVG ^^V VICTORIA AVGG etc." ,Gef.

"Wiesbaden in einem Skelettgrabe im Hof von Nerostrasse 20, August 1869 (neben dem

rechten Handgelenk der Leiche)" nafih einer briefiich>jn Mitteilung Dr. Rosseis an den

Vorstand vom 23. August 1869. Ygl. lav. 1869 Xo. ^l . Xüher nicht bestimmbar; war

aber wohl versilbertes Klein^rz. 426. Kleinerz, sehr schlecht: IMF CONSTANTINVS AVG Büste m. Strahlenkrone und

Panzer n. 1. Es. VICTORI^^ lil^'Ä^ ^M^MW ^'^"O» Victorien setzen einen

Schild, auf welchem VOT PR steht, auf einen Altar. Abscha. zerstört; nicht genau

bestimmbar. ..Gof. auf dem Pflaster der Römerstrasse bei der Neumühle, Septemb. 1859**. 427.* „Ein kupferner Constantin, vor dem hie.sigen Kursaal gefunden", nach Verzeichnis der

, . . eingekommenen Beiträge vom 28. Juni 1822 No. 13, s. oben S. 182. Ist doch

wohl Constantin der Grosse. 428.* .Auch eine Münze . . . von Constantinus Magnus wurde bei dieser Gelegenheit {Schlosa-

bau in Wiesbaden 1837) gefunden". Nach Annal. XVII, 142, Anm. 1. 429.* Kleinbrorzo von Constantin nach Inv. 1876 No. 75 uud Annal. XIV, 436. „Wiesbaden

Mainzer Landstrasse". 430.* Ein Con^tantinua an der ,SpelzMühI". Nach Kihm's Verzeichnis oben S. 213, 18 (falls

nicht identisch mit No. 457). 431.* 432.* „Constantin gef. Steingass" (1841). S. oben Kihm'a Notiz Anm. 62; dieselben

dürfteu mit keiner der von Kihm mit dem Fundvermerk „Wiesbaden" versehenen

Münzen der Constantinischen Zeit identisch sein,

Constantinopolis :

433. Kleinerz, Quinar: CONSTANTINOPOLIS Büste m. Helm, Kaisennantel u. Scepter n. 1. Es. Ohne Umschrift, Victoria mit dem rechten Fuss auf einem Scbififsvorderteil stehend und auf einen Schild sich stützend, im Abschn. ? Cohen VIP, p. 326 No. 22. „Ausgrabung am Landgraben 1844."

434. Dieselbe Münze. Cohen 21, im Abschn. TRP ., Wiesbaden".

435. Dieselbe Münze, nur Umschrift CONSTANTlNOPOLI (sie!), im Abschn. ? „Aus- grabung am Landgraben 1844".

Roma:

436. Kleinerz: VRBS ROMA Büste mit Helm und Mantel n, 1. Es. Wölfin, Romulua u. Eemus säugend n. ]., darüber zwei Sterne. Im Abschn. P CONST Cohen VIV, p. 330 No. 17. „Ausgrabung am Landgraben 1844".

Crispus :

437. Kleinerz: CRISPVS NOBIL C Büste mit Helm und Panzer n. 1. Es. BEATA

VO TRANQVILLITAS Altar, auf dem eine Kugel, vorn die Aufschr. TIS, im Felde

E(?) B Im Abschn. PLÖN Cohen 13. „Wiesbaden, Museumshof 1855". (K.)

438. Kleinerz: CRISPVS NOBIL C Büste mit Helm und Panzer n. 1., hält Schild und Lanze. Es. Ebenso wie 437, im Abschn. ebenfalls PLÖN Cohen 14. „Wiesbaden". (K.)

4.39. Klcinerz: |VL CRISPVS NOB CAES Büste m. Lorbeer, Mantel und Adlerscepter n. r. Es. Ebeuso wie 487, im Abschn. -PTR Cohen 19. „Wiesbaden". (K.)

440. Kleino.z: CRISPVS NOB CAES Büste wie 439. Es. wie 437, im Felde C— R Im Abschn. PLC Fehlt bei Cohen. „Wiesbaden". (K.)

441. Kleinerz, gut erhalten: |VL CRISPVS NOB C Kopf m. Lorbeer n. r. Es. ümschr, CAESARVM NOSTRORVM, im Felde in einem Kranze VOT im Abschn. > SIS A Cohen 44. „Wiesbaden". (K.)

442. Kleinerz, gut erhalten: CRISPVS NOB CAES Büste m. Lorbeer und Panzer n. r. Es. DOMINOR NOSTROR CAESS, im Felde in einem Kranze ^g''' Im Abschn. RT Cohen 65. „Wiesbaden".

236

443. Kleinerz: FL IVL CRISPVS NOB CAES Büste m. Lorbeer und Panzer n. r. Es. PROVIDENTLIA . . . .] Thorbau mit zv'.v; Thürmen, zwischen denen ein Stern, Ab- schnitt PTiil! „Wiesbaden, Schützenbut', A.pril 1S66''.

Constantin II.:

444. Kleinerz, Tersch!i;Tr?ri: CONSTANTiNVS IVM NOB C Kopf mit Lorbeer n. r. Es. CAESARVM NCSTRORViVI, '-' f'slJe 'R einem Kranze VOT jj^ Abschn. STR Cohen 38. ^Wiesbaden im Mjvöthal, 12' t^l"'".

445.* „Kleinerz: . . . CONSTANTINVS IVN NOB C Kopf mit dem Diadem Rs. GLORIA

EXERC - Kric.-^r eine Standarte haltcn-i, Im Abschn. SMRT" Wohl Cohen

114 oder llö f?), nach Armal. 111, 3. 176. .,"W'o^ba<l'?n. beim Planieren eines Weges".

44Ö. Kleinerz: CONSTANTINVS !VN NOS O Bü- ■;.;•. mit Lorbeer und Panzer n. r. Es. GLORIA EXERCITVS Zwei Solu.!: «,n scehenJ, /.wisclien ihnen zwei Feldzeichen, im Abschn. JR P Cohen 12-2. ^Wiepbaden",

447. Kleinerz: CONSTANTiNVS IVN NOB C ßüste mit Lorbeer und Mantel n. r. Eg. PROVIDENTiAE CAESS Thor mit zwei Thürmen, zwischen ihnen ein Stern, im Abschn. PLÖN Cohen 164. , Wiesbaden, am Landgraben 1860".

Constans:

448. Kleinerz: CONSTANS Büste m. Diadem 'und Mantel n. r. Es. Typus der

gloria oxercitus-Miinzen mit l Feldzeichen, Umschrift zerstört, im Abschn. SARL Cohen VII', p. 413 No. öS tf. „Wiesbaden, AJelheidstrayse, beim Hausbau des Zimmer- manns Gerner, in einem fränkischen Grabe", zusammen mit No. 107. 449. 450. 460. Vgl. Inv.1869 Xo. 29 = Z. K. 2780.

449. Kleinerz: CONSTANS P F AVG Bfiste wie 4-18. Es. Wahrscheinlich ebenfalls gloria exercitus-Typu8. ^üof. mit Xo. 448".

450. Kleinerz: [CONSTANS ''l P F AVG tiüste wie 448. Es. Scheint gloria exercitus Typus, aber nicht ganz sicher. „Gef. mit No. 448."

451.* „1 Constans in Kleinerz'- nach Prot, lor Yorst.-Sitz. vom 8. Juli I8;i0 § 12. „Gef. in der Nähe 'on "Wiesbaden'.

Constantius IL:

452. Mittelerz: D N CONSTANTIVS P F AVG B'iste m. Lorbeer, Panzer u. Mantel n. r. Rs. FEL TEMP REPARATIO Constantius n. I. in einem ScbiiTe stehend, hält eine Victoria und ein Labarum, hinter ihm eine sif-ende Victoria, das Ruder haltend, im Abschn. -)♦(: Dd y?) Cohen .>2 ff. „Wiesbaden Schützenhof, April 1866''.

4.'.3. Mittelcrz, verschliffen: Q N CONSTA AVG Büste m. Helm und Mantel n. r.

Jis". Ähnlicl'.e Darstellung wie hei >o. 4.'i. Umschrift ganz verwischt. Wohl Cohen No. ü2 ff. „Wiesbaden, südlich der «nglischeu Kirche ISSO'-. Vgl. luv d. M. No. Gl.

4J4. Klcinerz: D N CONSTANTIVS PF A[VG] B^iäte i.iit Diadom und Mantel n. r. Es. FEL TEMP REPARATIO 'O'^^^ teilweise leii)ar; Pr.öni:! n. r. auf eir.er Kugel, Abschn. zerstört. Cohen 57. „Wiesbaden, Gräberfeld an der Artillerie-Kaserne 1859, Grab No. 1".

455. Kleiuerz: Ebenso, nur Phönix auf dem Scheiterhaufen. Cohen 58. „Gef. mit 454 zu- sammen'", beide schlecht erhalten. Vgl. noch P. B!. No. 11 1S59 S. 281 und Inv. 1859 19. August No. 446/47.

456. Kleinorz, Quinar: FL IVL C AVG Büste m. Diadem und Panzer n. r. E.<f.

GLORIA EXERCITVS Zwischen den SoldatLa ein Feldzeichen, im Abschn. TRP dahinter Palme. „Wiesbaden, im Garten des Hauses F. icdrichstrasse 38, 1S75. Vgl. Annal. XIV, 430 und Tnv. 1875 No. 47 (,kann auch CoüstanB sein).

457. Kleinerz: . . . CONSTANTJIVS NOB C Büste ait Lorboor und Mantel n. r. Es. Gloria exercitus mit zwei Feldzeichen, im Abschn. TRP * Cohou 104 (?) „An der Spelzmühle". (K.)

4.=)S Kleinerz, durchlocht: [FL! IVL CONSTANTIVS NOB iC] Büste m. Lorbeer und Mantel n. r. Rs. wie 457, im Abschn. CONST Cohon 104. „Wiesbaden 1860".

237 459. Mittelerz: D N CONSTANTIVS PF AVG Büste mit Diadem und Mantel n. r.

(ohne A hinter dem Kopf) Im Felde ^

U Umschrift SALVS AVG NOSTRI, i

im

Abachn. . . . |R| (?) Cohen 176. „Wiesbaden, Hintergel)äude der Gasbeleuchtungs- gesellschaft, Friedrichstrasse, in einem Grabe zusammen mit den S Münzen des Mag- nentius...'' Vgl. Mitteil. No. 4 1865 S. 7. 4G0. Kleinerz, Quinar: CONSITANTIVS PFl AVG Büste m. Lorbeer, Panzer u. Mantel n. r. lis. LVICTORIAEl DD AVLGG Q NN] Zwei Vietorien sich gegenüberstehend, halten je einen Kranz und Palm;:weig, im Felde |-R, Abschn. unleserlich. Cohen 2!):^. „Wiesbaden Adelheidstrasse, zusammen mit 448—450". Vgl. Inv. 1869 No. 28 = Z. K.27S0. Das angebliche Kleinerz des Constantius, Inventar 1879 J^o. 19 = Z. K. 426, ist vielmehr Constantin I., siehe oben No. 423.

Magnentius :

461.— 468. Mittelerze bezw. Kleinerze verschiedener Grösse, 2 grösser, 6 kleiner: D N MAG-

NENTIVS PF AVG Büste mit Paludament n. r. Es. Im Felde A)(^ Umschr.

SALVS DD NN AVG ET CAES, im Abschn. bei 3 Stück sicher TRS, bei einem sicher TRPi hei zwei anderen dasselbe wahrscheinlich, bei zweien ganz un- leserlich.'^ Cohen VIII\"p. 13 No. 31 und 32. „Wiesbaden, Hintergebäude der Gas- beleuchtungsgesellschaft, Friedrichstrasse, in einem Grabe zusammen gef. mit No. 459".

469. Kleinerz, sehr schlecht: Wahrscheinlich Magnentiua oder Decentius, näher nicht erkenn- bar. „Wiesbaden, Artillerie-Kaserne 1864".

470.* Kleinerz: Näher] nicht bestimmbar; nach Kihm's Verzeichnis der in Wiesbaden gef. Münzen, siehe oben S. 202.

Jovianus'*) :

471. Kleinerz: D N lOVIANVS PF AVG Büste ra. Diadem, Panzer und Paludament n. r. Es. in einem Kranze VOTV MVLT X Abschn. zerstört, Cohen 35. „Wies- baden". (K.)

Valentinian I.:

472. Kleinerz: D N VALENTINIANVS PF AVG Büste m. Diadem und Paludament n. r. Es. GLORIA ROMANORVM Der Kaiser n. r. stehend, hält das Labarura und legt die Hand auf das Haupt eines knieenden Gefangenen. Cohen 12. „Wies- baden, Adlerquelle 1870".

473. Kleinerz: Av. wie 472. Es. SECVRITAS REIPVBLICAE Victoria n. 1. schreitend, hält Kranz und Palme, im Felde R-Q Im Abschn. SISC (?) Cohen 37. „Aus- grabung am Landgraben 1844".

Valens :

474. Kleinerz, verschlifFen: D N VALENS PF AVG Büste m. Diadem und Paludament n. r. Es. SECVRITAS REIPVBLICAE Victoria n. 1. schreitend mit Kranz und Palmzweig. Cohen 47. „Wiesbaden". (K.)

Gratian:

475. Kleinerz: [D N GRIATIANVS AVGG [AVG1 Büste m. Diadem u. Paludament n. r. Es. [GLGRIIA NOVI ISAECVLIl Der Kaiser von vorn hält das Labarum

^*) In P. Bl. No. 15 u. 16 1861, S. 462 wird nach Inv. 1860, 27. November No. 697 eine in Wiesbaden im Garten des Herrn v. Gagern, Schwalbacherstrasse gefundene Münze in Kleinerz beschrieben: „Brustbild des Kaisers mit der Umschrift .... lANVS AVG •^^«■ ein Geharnischter stehend, in der Rechten das Labarura, von der Umschrift liest man nur noch . , . ANA VIR"- Die hier angenommene Zuweisung der Münze an Julian ist wohl .sicher verfehlt; nach der Beschreibung wird sie jetzt nicht mehr zu bestimmen sein; sie ist aber vielleicht identisch mit No. 475 und der Revers ANA VIR für | GLGRIIA NOVI SlAECVLIJ vericsen?

16

238

und stützt sich auf einen Schild, der Abschn. schon bei der Präge vernichtet. Cohen 13.

^Wiesbaden im Garten des Herrn von Gagern, Schwalbacherchaussc'e." Vgl. Anra. 74. 47t1. Dieselbe Münze: Im Absclin. CON ., Wiesbaden, Michelsberg, 14. August 1870. Vgl.

Annal. XIV 4:jr, und Inv. Ifs7(5 No, S9. 477. Mittelerz: D N GRATIANVS PF AVG Büste m. Diadem u. Paludament n. r. Es.

IREPARAITIO REIPVB Der Kaiser n. 1. stehend, mit einer Victoria in der linken

Hand, hebt mit der R. eine knieende Gestalt auf, im Abschn. CON (?) oder LON

(.'ohen .30. .,Wiesbaden ls48". (K.) 47s. Ein zweites Exemplar derselben Münze: „Wiesbaden, Sonnenberger-Chaussee 18G1".

Siehe Mitteil. No. 2 1863 S. 39 und Inv. 1861, 19. August Xo. 196.

Valentinian II.:

479.* „Av. D N VA VS PF AVG, ™it dem Bildnisse des Kaisers. Es. Eine

lebhaft schreitende Figur reicht einem vor ihr sitzenden Mann die Rechte: REPARA .... Im Ausschn. LVCR" Nach Inv. 1861 3). November No. 248. Danach muss es Valentinian II. sein. Es. REPARA[TIO REIPJ, wohl Cohen VHP, p. 142 No. 28, Mittelerz. ,Gef. Wiesbaden, Kapellenstrasse".

Theodosius L:

480. Kleinerz: D N THEODOSIVS PF AVG Büste mit Diadem und Paludament n. r. Es. CONCORDIA AVGGG Behelmte Roma sitzend, hält eine Kugel und eine Lanze, im Abschn. LVCP Cohen 14 f. ., Wiesbaden". (K.)

Jovinus:

481. Silber: D N lOVINVS PF AVG Büste ra. Diadem u. Paludament n. r. Es. VIC- TORIA AVGG Behelmte Roma n. 1. sitzend mit Kugel, auf der eine Victoria steht, und Lanze, im Abschn. TRMA Cohen 4. .,Wiesbaden, Schützenhof 1884". Vgl. Inv. d. M. No. 331.

Justinianus:

482. Silber, 8 mm Durchmesser: D N IVSTINIAN AVG Büste m. Diadem und Kaiser- mantel n. r. Es. Monogramm des Ostgothenkönigs Theodahat in einem Kranze. Siehe Sabatier: Descr. g^ner. des monnaies byzant. I. 1862 p. 202, pl. XVIII, 7. Geprägt .J34/36. .,Gef. in fränkischen Gräbern am Schiersteinerwege'*. Vgl. Mitteil. No. ."> u. 6 1867 S. 11 und S. 27. Ein zweites Exemplar dieser Münze, welches ebenfalls in das Museum gekommen ist, wurde Herbst 1889 in den Frankengräbern gegenüber dem Bahn- hofe von Schierstein gefunden.

Ferner an unbestimmbaren^ Münzen:

1 Denar, „gef. bei Rambach".

2 Denare, wie es scheint des 3. Jahrhunderts, „gef. in der Lade'schen Hof- Apotheke" 1883.

1 Gefütterter Denar (?), ,gef. Schiersteinerweg, in einem Grabe 1853". 1 Grosserz, wie es scheint des 2. Jahrhunderts, „gef. beim Kanalbau

auf dem Saumarkt 1854". (K.) 1 Mittelerz, ^^et Neroberg 1860".

1 Mittelerz | beide vom warmen Wasser ganz zerfressen.

1 halbiertes sehr kleines Mittelerz f „Gef. Wiesbaden, S«iiwaiien-(Juelle im70''.

2 Kleinerze, „gef. bei der Ausgrabung am Landgraben 1844". 1 Kleinerz, „gef. Neroberg 1872". Vgl. Inv. 1872 No. 38.

1 Kloinerz (vielleicht Valentinian I.), „gef. Poulet'sches Haus". Vgl.

Inv. d. M. No. 457. 1 Khiinerz, „gef. beim Neubau des Einhorn 1895". Vgl. Inv. d. .M.No. 510.

239

Die bestimmbaren 375 Münzen der zweiten Gruppe verteilen sich auf die verschiedenen Zeitabschnitte folgendermassen : es stammen aus der Zeit

der Republik 17

davon 12 aus dem Funde an der Ilaramermühle'')

von Augustus bis Nero 67

davon 2 aus dem J"'unde an der Hammermühle von Galba bis Domitian . . . davon 7 von der Hammermühle von Nerva bis Hadrian . . .

von Pius bis Albinus .... (2 von der Hammermühle)

von Severus bis Gallieuus

74 aus 27 Jahren

47 4^

46 aus 55 Jahren

84 (bezw. 70) Stück aus 81 Jahren.

121(bezw.ll4)Stück aus 69 Jahren.

37

<o

(1 von der Hammermühle)

von Claudius bis Diocletian und

seine Mitherrscher ....

der Constantinischen Dynastie .

der späteren Zeit bis Justinian .

83 Stück aus 130 Jahren.

1 1 aus 37 Jahren 64 55

12 „ca.l70

87 Stück aus 262 Jahren.

Es dürfte nicht überflüssig sein, die Fundorte der in diesem Verzeichnisse enthaltenen Münzen übersichtlich zusammenzustellen, unter jedesmaliger Hinzu- fügung der an dem betr. Orte gefundenen Münzen; für die Reihenfolge ist die alphabetische Anordnung gewählt, wobei aber die Unzuträglichkeit, dass nicht weit voneinander gefundene Stücke durch zufällig anders lautende Fundnotizen voneinander getrennt werden, durch entsprechende Hinweise möglichst be- seitigt ist.

Adamsthal bei AYiesbaden:

Augustus (153), Vespasian (201).

Adelheidstrasse:

Theodora (407), Constans (448, 449, 450), Constantius II. (460); dieselben gehören alle zu dem Inhalt eines fränkischen Grabes und sind noch mit den übrigen Fundstücken desselben vereinigt, siehe Z. K. 2780.

Adler-Quelle:

Augustus (135*, 140*), Agrippa (166), Germanicus (176, 177), (Claudius (185)?), Vespasian (224), Domitian (246* i. J. 1861; 263, 264, 265 i. J. 1870), Xerva (271), Trajan (286), Constantin I. (422*), Yalentiniaa I. (472^. Dieselben sind mit Ausnahme des einen Domitian sämtlich im Jahre 1870 beim Reinigen der Quelle zu Tage ge- fördert. Eine Beschreibung derselben giebt Rössel auf einem Folioblatt; er konnte aber nur 3 oder 4 davon bestimmen, und sind es eben diese besser erhaltenen (135*, 140* und 142*), welche in dem die übrigen enthaltenden Couvert felilten, also offenbar der Sammlung eingeordnet wurden. Er kannte nur 11 Stück, ebenso viele ein Artikel im Rhein. Kurier 1870 No. 12 vom 14. Januar, während die nachweislich später ein- getragene Notiz des Inventars 1870 No. 2 13 Stück nennt, vgl. Anm. 63. Über sonstige

'*) Die von dort stammenden Denare sind, weil höchst wahrscheinlich zu einem Gesamt- funde gehörig, bei der vergleichenden Zusammenstellung der Zahl der aus den verschiedenen Zeitabschnitten stammenden Münzen anders zu beurteilen als die übrigen Stücke.

16*

240

Münzfunde iu Heilquellen vgl. die Zusammenstellung von Such i er bei G. Wolff, Gro-skrotzenburg: Münzen S. 5 und 6 (^Zeitschr. f. Hess. Gesch. und Landeskunde. Neue Folge, VIII. Supplement ls.'^2). Münzen aua der Schwefelquelle von Niedernau verzeichnet Nestle, Funde antiker Münzen im Königreich Württemberg 1893, S. 14 ff. und Xo. 111.

Adler-Garten:

Antoninus Pius (316).

Artillerie-Caserne (vgl. auch Caserne), einschliesslich „Rheinstrasse":

M. Antonius (129), Augustus (145*, 1.52), Agrippa (167*=), Tiberius (174, 174a), Ves- pasian (212), Domitian (258*, 259*, 260*), Xerva (269*), Trajan (29,3, 298*), Hadrian (308»), Faustina I. (.•^25), Faustina II. (344*), Gallienus (396*), Constantin (416*, 424*), Constantius 11. (454, 455), Magnentius (469), vgl. auch die Verzeichnisse oben An- merkung 16. Die hier gefundenen Münzen gehören ausschliesslich Gräberfunden an.

Aulenkaut (auf dem Leberberg):

Augustus (137).

Bierstadt (Ausgrabung bei Bierstadt 1846):

Vespasian (206), Trajan (285), Hadrian (310, zwischen Dietenmühle und Bierstadt), Kleinerz der Constantinfer (.\.nm. 73 Xo. 4) .,Steinbruch am Bierstädter Berg".

Blücherstrasse:

Marcus (335).

Caserne (zweifelhaft, ob Artillerie- oder Infanterie-Caserne gemeint ist):

Augustus (157*), Domitian (239*), Trajan (281), Mamacn (386*, Infanterie-(^asorne).

Cursaal:

Maesa (378, Cursaal -Weiher), Constantin I. (421*, 427*).

Dambachthal:

Constantin I. (424a).

Dotzheim (.siehe auch Hollerborn):

Marcus (340), Faustina II. (343), Constantin I. (411).

Dotzheimerweg einschliesslich Schiersteinerweg:

Augustus (134, 155, 156), Nero (186, 189), Etruscilla (392), Justinian (482), stammen sämtlich aus Gräbern.

Einhorn, siehe bei Marktstrasse. Emserstrasse (früher Schwalbacherweg):

Faustina I. (330), Constantin I. (412*), Kleinerz der Constnntiner (Anm. 73 No. 2).

Englische Kirche, siehe auch bei Pletzmühle:

Constantius II. (453).

Exerzierplatz:

Severus Alexander (379).

Friedrichstrasse:

Claudius (183), Vespasian (220*), Domitian (247), Constantius II. (456, 459), Mag- nentius (461—468), die letzteren gemeinsam mit Constantius No. 459 in einem christ- lichen Grabe.

Gustav- Adolfstrasse :

.Marcus (339j.

Hammermühle:

12 Denare der Republik (113-120, 122, 123, 124, 126), Augu.stus (131), Tiberius (172), Calba (196), VitoUius {197, I98j, YospaMan (205, 208, 211, 213), Pius (317),

241

Fausfina (326), Commodus (357), Elagabalus (376). Diese Münzen, mit Ausnahme des Commodus sämtlich Denare, sind mit derselben Ausnahme alle im März 18^<4 "-o- funden; nach dem Fundbericht Annal. XVIII, 226 (vgl. 29S) lagen sie ^ auf einem :iO cm grossen Fleck im Boden zerstreut"; 4 republikanische und 1 des Vespasian (Cohen :\bß] 1 des Titus (Cohen 309), 2 des Domitian (Cohen 49 und 378), die zugleich gefunden worden, sind nach Mainz in Besitz des Herrn Strei-ker gekommen. Gegen den Charakter als Gesamtfund, d. h. .,die gleichzeitige Yergrabung und Zusammengehörigkeif- ist, ab- gesehen von der starken Vertretung der republik. Münzen, das Fehlen der Münzen von Trajan, Hadrian, Severu.s und Caracalla von Hettner mit Recht geltend gemacht worden (VVestd. Zeit^chr. VII, 188S p. 162). Andererseits ist die Annahme, da8s alle diese Münzen einzeln verloren gegangen seien, oder verschiedenen Gräbern ent- stammten, abgesehen von den immerhin nicht ganz zuverlässigen Angaben der Finder gerade durch die grosse Zahl der republikanischen Denare (16 republ. und 16 Kaiser- denare), welche sonst in unserer Gegend vergleichsweise sehr selten gefunden werden (vgl. oben S. 197), sowie durch das Vorhandensein von Galba's und Vitellius' Denaren, die ebenfalls sonst hier nicht allzu häufig begegnen, nahezu völlig ausgeschlossen. Da nun die wenigen Stücke der späteren Zeit (Pius, b'austina, Elagabal) zum Teil stärkere oder wenigstens ebenso starke Spuren von Abnutzung zeigen wie die Denare des Galba Vitellius und der meisten Vespasians, was sich mit der Zugehörigkeit zu einem Funde in keiner Weise vereinen lässt, so ist es sehr wahrscheinlich, dass diese späteren zufällig in die Nähe der anderen gelangt sind, sei es, dass sie einem bei Anlage des Massen- grabes im Jahre 1793 zerstörten dort belegenen römischen Grabe angehörten, oder sonstwie an jener Stelle verloren gegangen waren. "^) Die älteren Denare, die republi- kanischen bis Domitian, dürften dagegen einem kleinen Gesamtfund angehören. Da die Denare des Domitian noch unter Vespasian in den Jahren 77 und 78 geprägt sind, so ist die jüngste Münze die des Titus vom J. 80.'') Bei der geringen Zahl der Münzen ist daraus freilich kein einigermassen sicherer Schluss auf die Zeit der Vergrabung zu ziehen; sonst könnte man an die dem Chattenkriege Domitians vorangehenden und ihn begleitenden Unruhen i. J. 82 als Ursache der Vergrabung denken.

Hasselt im Bierstädter Wald (Ausgrabung im Jahre 1845):

Marcus (331), Faustina II. (345), Elagabalus (^375), Gordian (387).

Heidenmauer:

Domitian (240), Faustina I. (329), Marcus (336j.

Hinterhoben (Flurname): Trajan (295).

Höfchen (Ausgrabung 1846):

Pius (314, 315), Severus Alexander (383, 385^^), ausserdem noch 7, jetzt nicht mehr zu identifizierende verschliffene Kupfermünzen, siehe Annal. V, 3 S. 26.

'^} Immer die Zuverlässigkeit der Fundaugaben vorausgesetzt. Dass übrigens auch sonst dort römische Münzen gefunden werden, zeigt das Grosserz des Commodus (357) und macht auch der Umstand, dass nicht allzu weit davon die römische Strasse vorbeiführte, und dass offenbar das ganze jetzige Mühlenthal schon zur Römerzeit mehr oder weniger stark bebaut war, wahrscheinlich.

'') Wie schon bemerkt, zeigen die Denare des Galba, Vitellius und Vespasian, wenn sie auch die Spuren von Benutzung tragen, ein noch recht scharfes Gepräge (mit Ausnahme von No. 211): von den nach Mainz gekommenen vier Denaren der Flavier konnte ich durch freundliche Vermittelung des Herrn Stadtbibliothekars Dr. Velcke, sowie das Entgegenkommen der Besitzer drei vergleichen (Titus 309, Domitian 49 und 378); dieselben zeigen gleichfalls ein sehr Irisches Gepräge, namenrlich die beiden ersten, welche allerdings durch Zusammon- löten zu einem Schmuckstück etwas gelitten haben.

242

Hollerbopn bei Dotzheim (Ausgrabung 1826): Augustus (151*), Gallienus (394*;.

Kapellenstrasse:

Maximian (402), Valentinian II. (479*).

Kirchgfasse (vgl. auch Marktstrasse)'"):

Augustus (159*), Germanicua (175), Hadnau (305 und Aum. 69), Caracalla (^368).

Kirchhof, alter (1884):

Severus Alexander (380).

Kranzplatz (Ausgrabung 1841 42): Nero (188), Constantin I. (414).

Kupfermühle bei Wiesbaden:

Vespasian (207).

Landgraben bei Mosbach, siehe unter Mosbach. Langgasse:

Aelius Caesar (313*), Faustina II. (346), Philippus II. (391, Lade'sche Apotheke), ebenda noch zwei Stück unbestimmte.

Luisenstrasse:

Naevia (125), Augustus (141*— 144*), Trajau (287, 292»), Faustina II. (350).

Mainzer Landstrasse:

Constantin I. (429*).

Markt :

Gallienus (395*).

Marktstrasse, einschliesslich „Poulct'sches Haus" und „Einhorn":

Augustus (139, Ecke der Marktatrassc und Kirchgasse), Titus (226), Ncrva (273*), Trajan (282), Marcus (337), Constantin I. (419, Ecke der Marktstrasse und Kirchgasse), 1 unbestimmtes Kleinerz 1895 (Einhorn, Inv. d. M. No. 519), 1 desgl. (Inv. d. M. No. 457).

Mauritiusplatz :

Claudius (184), Constantin I. (418*, 420*).

Mauritiusstrasse: s. bei Schwalbacherstrasse, kleine. Metzgergasse:

Trajan (280).

Michelsberg:

Vespasian (221*), Lucilla (354J, Gratian (476).

Mosbach (einschliesslich Landgraben bei Mosbach, Ausgrabungen 1844/45):

Trajan (284), Hadrian (300, 309*), Pius (318, 322*), Marcus (341), Faustina II. (348), Commodus (358*), Severus (360), Domna (363), Plautilla (370*), Geta (371), Severus Alexander (381, 384*), Claudius II. (397), Licinius I. (409), Constantin I. (413, 433, 435, 436), Constantin II. (447), Valentinian I. (473\ sowie 2 unbestimmbare Kleincrze. Die meisten dieser Münzen, namentlich fast alle Kleinerze, befanden sich in einem Papierumschlag mit dem Vermerk: .,gefunden bei den Ausgrabungen am Landgraben 1844" unter den von Kihm ausgeschossenen Münzen.

^'') Die Beschreibung eines i. J. 1892 oder 1893 in der Kirchgasse gemachten Gesamt- fundes, welclier ausschliesslich Kleinerze des Constantin und seiner Söhne enthielt, muss, zumal nur ein ganz geringer Teil der Münzen in «lie Museumssammlung gelangte, einer anderen Stelle vorbehalten bleiben.

243

Münzberg" im Wiesbadener Wald (Ausgrabung 1847): Hadrian (30(j), Marcus (333).

Museumshof, vgl. auch bei Pletzraühle:

Domitian (26'2), C'rispus (437).

Neroberg (Ausgrabung 1847 48):

Agrippa (KU), Germanicus (178), Nero (195*), Vespa^iian (222*, sdiou vor 1S22). Domitian (244, 266, 267\ Hadrian (306at, Plus (320*, 321*, 323^ Faustina I. (32S), L. Verus (351), Commodus (356), Albinus (359), Philippus I. (389*, i. J. 1:^59), unbe- stimmbar: ein Mittelerz, gef. 1S6U, ein Kleinerz, gef. 1872 (Inv. Is72 No. 38).

Nerostrasse :

Augustus (150*), Xemausus (170*), Constantin I. (,425*).

Nerothal:

Constantin II. (444). Neumühle, Pflaster der Röraerstrasse:

Constantin I. (426).

Platter Chaussee:

Trajan (299*).

Pletzmühle, im Hof der (Ecke der jetzigen Frankfurter- und Wilhelnistrassej :

Nero (192), .innerhalb des römischen Strassenkörpers"; an der Linie dieser nach

CastelOIainz führenden Strasse durch das Mühlenthal liegen auch die Fundstellen

., Museumshof", .,Englische Kirche^ .,Mainzer Landstrasse", ., Verlängerte Rheinstrasse-.

Poulet'sches Haus, Ecke Marktstrasse und Kirchgasse, s. bei Markt Strasse.

Rambach (Ausgrabungen 1846/47):

Vespasian (223), Marcus (332, i. J. 1845), Geta (372, i. J. 1858), Kleinerz der Con- stautiner (Anm. 73, 3), ein unbestimmbarer Denar; Annal. V, 3 S. 45 wird auch erwälint: „ein Denar von Otto und eine vermutlich celtische Silbermünze-, eine Angabe, welche sich jetzt nicht mehr kontrollieren lässt. Römische Münzen wurden dort in der That früher öfter gefunden, eine Anzahl derselben, z. T. aus früher Kaiserzeit, befindet sich in der Lugenbühl'schen Sammlung zu Wiesbaden.

Rheinstrasse, verlängerte (von den Bahnhöfen bis zur Mainzerstrasse), im übrigen „Rheinstrasse", siehe bei Artillerie-Caserne.

Augustus (138), Titas (227), Domitian (^257), Nervs (270). Angeblich wurden diese vier Münzen aufeinanderliegend gefunden.

Rödern (Ausgrabung 1844): Nemausus (168).

Saal, neues Schulhaus, im, s. bei Steingasse. Saalgasse:

Agrippa (162), Nero (Anm. 56», Vespasian (ebenda), Domitian (219), Licinius I. (108).

Saumarkt, Mitte der jetzigen Hochstätte:

Trajan (296) und ein unbestimmbares Grosserz.

Schiersteinerweg", s. bei Dotzheiraerweg.

Schlossbau, vgl. auch Marktstrasse:

Domitian (268*), Pius (319*), Constantin (428*).

Schulgasse:

Germanicus (zu 179).

244

Schützenhof (meist die hinter den Gebäuden liegenden Terrassen):

Trajan i297), Hadrian (303*, 307, 31 1\ Philippus l. (390), Diocietiaa (401), Lici- nius II. (410), Crispus '443), Constantius II. (4.^2), Joviiius (4öl).

Schwalbacherstrasse :

Vespasian ('2'J5), Gratian (475), vgl. auch Aura. 74.

Schwalbacherstrasse, kleine:

DomiHan (236\ Hadrian (304).

Schwalbacherweg, siehe Emserstrasse.

Schwanen-Quelle, am Kochbrunnen:

Maesa (377), Constantin I. (415); ausserdem ein unbestirambareä MittoK-rz und ein desgleichen halbiertes Mittelerz (sehr klein), alle gefunden 1870. Vgl. Inv. 1870 Xo. 9.

Sonnenbepg-erstrasse :

Gratian (478).

Spelzmühle (Ausgrabung 1845):

Äugustus {V.iS, 149), Agrippa (163, 164, 165), Germanicus (180*), Vespasian (209), Titas (230), Trajan (283, 294\ Hadrian (301), Marcus (334), Faustina IL (342, 347), L. Veru3 (352), Domna (364), Constantin I. (430*), Constantius II. (457).

Steingasse, einschliesslich im Saal an der neuen Schule:

Xemausua (Anm. 62), Tiberius (173), Caligula (182;, Titus (229*), Trajan (Anm. 62), Constantin I.*(Anm. 62 und No. 431*, 432*=).

Totenhof, neuer:

Vespasian (214), Constantin I. (423).

Waisenhausgarten (jetzt Accisehof in der Neugasse):

Constantius Chlorua (405).

Walkmühle:

Domitian (261*).

Die einfache Angabe Wiesbaden haben folgende:

7 Äugustus (130, 132, 133, 146, 147, 148, 154), 1 Agrippa (160), 2 Xemausus (169, 171*), 1 Caligula (181), 6 Vespasian (199, 204, 210*, 215*, 217, 218), 2 Titus (228,231), 3 Domitian (232, 235*, 247a), 6 Trajan (275, 276*, 277*, 278, 291, 291a), 1 Verus (353\ 1 Commodus (355), 1 Domna (365), 1 Caracalla (367), 1 Macrinus (373), 1 Phi- lippus I. (388), 1 Gallus (393), 3 Tetricus (.398, 399, 400), 1 Maximian (403*), 1 Chlorus (404), 1 Helena (406), 1 Constautinopolis (434), 5 Crispus (43S, 439, 440, 441, 442), 2 Constantin II. '445*, 446), 1 Constantius II. (458), 1 Magnentius (470*), 1 Jovian (471), 1 Valens (474), 1 Gratian (477j, 1 Theodoaius (480).

Bei Wiesbaden:

Claudia (121), 2 unbestimmte Konsularmünzen (127*, 12S*), Äugustus (158*), Nero (193*, 194*), Domitian (23S, 242, Anm. 67), Trajan (288), Hadrian (312*), Faustina I, (324, 327), Marcus (338i, Faustina II. (349), Domna (366*), Caracalla (369*), Elagabalus (374), .\lexander (382), Constantin I. (417), Constans (451*).

Zu berichtigen ist der Satz S. 190, Zeile 16 f. dahin, dass der hand- schriftliche Katalog der Sammlung, sowohl der Münzen wie der übrigen Alter- tümer, in drei Qaartbänden sich noch jetzt im Vereins- Archiv betindet.

Nachzutragen hinter No, 171*: 171a. Dieselbe Münze, mit noch frischem Gepräge. ., Wiesbaden, in der Rheinstrasse 1876

in der kleinen Urne Z. K. 3863". Vgl. Inv. 1876 No. 88.

Zwei Gesamtfunde römischer Münzen aus Heddern- heim im Museum zu Wiesbaden.

Von

Dr. F. Quilling.

Seit längerer Zeit mit einer Zuaammen.stelluDg') sämtlicher bis jetzt in Heddernheim und Umgebung zu Tage gekommenen römischen Münzen be- schäftigt, wurde ich vor kurzem auf zwei Gesamtfunde von solchen aufmerksam, welche beide im Jahre 1850 gehoben sich jetzt in dem Museum zu Wiesbaden befinden. Die Existenz des einen dieser Funde ergab sich aus den Akten^) des Vereins für Xassauische Altertumskunde und Geschichtsforschung, sowie aus Habeis Manuskript^) des Jahresberichtes 1850 über die Thätigkeit dieses Vereins, welches leider niemals zum Druck gekommen mir von Herrn Kreisrichter W. Conrady behufs Einsichtnahme freundlichst zur Ver- fügung gestellt wurde. Der zweite Fund wird noch in seinem ursprünglichem Zustande im Museum zu Wiesbaden aufbewahrt.

Beide Gesamtfunde, die einzigen mir aus Heddernheim bekannt gewordenen, sind bisher noch nicht publiziert und sollen im Nachstehenden auf Grund akten- mässiger Belege und eigener Bearbeitung eingehend beschrieben und be- sprochen werden.

') Dieselbe hat nunmehr mit einer Gesamtzahl von über 2000 Stück ihren vorläufigen Absehluas erreicht und wird in dem für 1897 in Aussicht genommenen zweiten Hefte der vom Frankfurter Verein für Geschiciite und Altertumskunde herausgegebenen .,Mitteilungen über römische Funde in Heddernheim" veröffentlicht werden. Dass von diesen 2000 Münzen nur bei etwa 30 der Fundort näher bekannt ist, dürfte der sprechendste Beweis für die Raub- grabungen sein, welche bedauerlicherweise immer noch in Heddernhe'm und Umgebung statt- finden.

-) Den Nachweis beider Funde aus diesen Akten, alle daraus geschöpften Xotizen, sowie eine Reihe wertvoller Beobachtungen über den ersten Fund verdanke ich der Güte des Herrn Dr. E. Ritterling zu Wiesbaden.

*) Das Manuskript ist nur für die Geschichte unseres Fundes von Wert; es bricht in- mitten der Darlegung und zwar gerade da ab, wo die Aufzählung der einzelnen Münzen hätte beginnen müssen.

246

I. Der erste Fund.

Der erste der aogetuhrten Kollektivfunde ist wie erwähnt leider als solcher nicht mehr vorhanden, sondern in seinen Einzelteilen nur noch urkundlich zu konstatieren; über seine Geschichte liess sich aus den Akren und dem Habel- schen Manuskript folgendes feststellen: Im Herbste (wahrscheinlich November) des Jahres 1850 wurde „in römischen Ruinen auf dem Heidenfelde in Heddernheim'^') ein Gesamtfund von römischen Silbermünzen gehoben. „Bei dem Nachsuchen nach Bruchsteinen entdeckte man dieselben zusammenliegend in der Mauer- blende eines Kellers. Das römische Gebäude, zu welchem der Keller gehörte, bildete das Eck der Quintan- und oberen prätorischen Strasse, begrenzt vom Fornm quintannm. Es w^aren zusammen gegen 360 370 Silbermünzen gefunden worden, von denen eine Anzahl noch später im Schutte entdeckt ward,"^)

Der damalige Bürgermeister von Heddernheim, Nohstadt, welcher sich zur Zeit in seiner Eigenschaft als Geschworener des öfteren in Wiesbaden aufhielt, machte Archivar Habel unter Vorzeigung von 16 der ausgegrabenen Münzen Mitteilung von dem gemachten Funde und Habel berichtete darüber in eicem vom 29. November 1850 datierten leider nicht mehr aufzufindenden Schreiben an den Vorstand seines Vereins.

Wenige Tage später (am 2. Dezember) folgte bereits ein zweites Schreiben an dieselbe Adresse, in welchem Habel unter Bezugnahme auf seinen ersten Bericht dessen Mitteilungen ergänzt und weiter ausführt.

Danach hatte ihm Nohstadt die Versicherung gegeben, er habe dafür Sorge getragen, dass kein Stück des Fundes veräussert werde und die Hoffnung ausgesprochen, ihm nächstens selbst die Münzen mitbringen zu können. „Als ich nun gestern (Sonntags) Abend", fährt Habel fort, „sogleich zu Herrn Nohstadt ging, um die Münzen nach dessen Zusage in Empfang zu nehmen", erklärte dieser, zu seinem grössten Bedauern seien dieselben inzwischen „bereits an einen Juden in Frankfurt um die Summe von 127 H." von der Eigentümerin verkauft worden.

Habel stellt deshalb des weitereu in seinem Schreiben bei dem Vorstande des Vereines für Nassauische Altertumskunde und Geschichtsforschung den An- trag, er möge auf Grund einer Verordnung vom 17. Mai 1826, betr. ein Aus- fuhrverbot von Altertümern ins Ausland, hiergegen einschreiten und versuchen, die veräusserten Stücke wiederzugewinnen.

') So nach den Akten; vgl. Anm. 6.

*) So genauer nach Habeis ^fanuskript. Fni übrigen stimmt dasselbe inhaltlicli durchgängig mit den Wiesbadener Akten iiberein und wird deshalb nicht jedesmal besonders fitierl; wo sieh abweirhende oder, wie im vorliegenden Falle, genauere Angaben als in den Akten finden, ist dies stets angemerkt.

In der Münzen- Fundkarte von Heddernheim und Umgebung, welche der für die , Mitteilungen über römische Funde in Heddernheim'" bestimmten .\bhaiullung beigegeben werden soll, wird auch die Fundstelle dieses Fundes verzeichnet sein.

247

Diesem Antrage gab der Vorstand auch statt; er schrieb noch am gleichen Tage*^), da er Habeis Mitteilung erhalten hatte, am 2. Dezember, an das Justizamt zu Höchst und ersuchte um Beschlagnahme der verkauften Münzen und Bestrafung der Verkäuferin.')

Darauf antwortet das Justizamt in einem ebenfalls vom 2. Dezember datierten") Schreiben, es sei festgestellt, dass der Finder und Verkäufer der fraglichen römischen Münzen ein gewisser Heinrich Franz, Sohn der Witwe Franz in Heddernheim sei; die Käufer') seien angeblich „N. Oppenheimer'") zu Frankfurt auf der Zeil vis-ä-vis dem Römischen Kaiser und J. Schmidt") in der Fahrgasse daselbst wohnhaft"; ersterer solle 312—326, letzterer 26 Stück gekauft haben. Im übrigen lehnt das Justizamt jedes Einschreiten seinerseits ab, da die angezogene Ministerialverfügung vom 17. Mai 1826 im vorliegenden Falle nicht anwendbar sei.

Daraufhin reiste Habel, wie er in einem Briefe vom 6. Dezember 1850 dem Vorstande mitteilt, selbst nach Frankfurt und es gelang ihm auch, sämt- liche in den Besitz des Hofjuweliers Oppenheimer daselbst gelangten Silber- münzen (324 Stück)'-) aus dem Heddernheimer Gesamtfunde um 150 fl. zurück- zukaufen; über den von Schmidt erstandenen Bruchteil desselben schweigt er in seinem Schreiben") vollständig; wir müssen also wohl annehmen, dass eine Erwerbung dieser 26 Stück ihm nicht glückte, indem sie entweder bereits in dritte und vierte Hand weiterverkauft waren, oder von dem Käufer selbst (einem Silber- arbeiter) behufs Verarbeitung oder sonstiger Verwertung zurückbehalten wurden,'*)

Bezüglich der wiedergewonnenen 324 Stück fragt Habel in seinem Schreiben an den Vorstand an, ob derselbe diesen Kauf genehmige, beziehungsweise bereit sei, ihm die dafür vorgelegte Summe zurückzuerstatten, sonst müsse er ander- weitig darüber verfügen.

*") Das Konzept ist nicht datiert, muss aber, wie aus dem Datum der Antwort wenn dieses nicht verschrieben ist hervorgeht, noch am 2. Dezember verfasst sein.

') In diesem Schreiben findet sich die oben mitgeteilte Fundnotiz: ^In rüniischen Ruinen auf dem Heidenfeld in Heddernheim".

*) Vgl. Anm. 6.

^) In den Akten heisst es irrtümlich die „Verkäufer".

^"} Xach Ausweis des „Staats- und Adresshandbuches der Freien Stadt Frankfurt" l^öO Seite 220 kann nur der Juwelier Simon Daniel Oppenheim gemeint sein, dessen Geschäft sich Zeil 11 befand; die Angabe der Akten ist also hier unrichtig, während Habel denselben in seinen Aufzeichnungen (1. Seite . . . .) richtig Oppenheim, einmal sogar D. Oppenheim nennt.

^^) In dieser Persönlichkeit ist ebenfalls nach Ausweis des betr. Frankfurter Adress- buches — zweifellos der Silberarbeiter Job. Martin Schmidt, Fabrgasse llö (Laden 126) zu erkennen. Derselbe konnte die billig erstandenen Münzen gewiss leicht und einträglich durch Fassung zu Broschen, Manschettenknöpfen u. s. w. verwerten und dies mag mit ein Grund dafür sein, dass Habeis Bemühungen, dieselben wieder zu erlangen, erfolglos blieben.

^^) In den älteren Akten ist stets die Zahl ;i25, in den späteren die Zahl 324 ange- geben; diese Verschiedenheit erklärt sich durch folgenden Passus in dem Habel'scben Manu- skript: „Es glückte mir, sämmtliche 324 Münzen (um eine hatte sich Herr Oppenheim ver- zählt), mit einem massigen Nutzen zurückzukaufen".

'^) Auch in dem Manuskript des Jahresberichtes.

1*) Vgl. Anm. 11.

248

Wie sich aus der Rechnungsablage des Vereins für Nass. Altcrtumskuudo und Geschichtsforschung von 1850 ergiebt, genehmigte der Vorstand llabels Kauf und ersetzte diesem auch den dafür gezahlten Betrag; es findet sich in dieser Rechnung nämlich der Posten:

325") Silb. Münzen von Oppenheimer in Frankfurt . . 150 fl. 24 kr. 7 75 H- Franz in Heddernheim . . 3 tl. 30 kr;

Xicht ganz stimmen damit die Notizen eines losen Foliobogens, welcher wörtlich folgendermassen von Habel beschrieben ist:

ad Not. Heddernh. Silb. Münzen Erster Ankauf von 324

zusammengefunden Silberm. 1850 . , . Decbr.

324 Stück gek. bey D. Oppenheim von Hofjuwelier Oppen-

7 von Weck in Hedderh. heim in Frankfurt.

331 Stück

das zusammengefunden

Die Silberraünzen fangen an mit und endigen

Es sind folgende Kaiser und Kaiserinnen:

stück

Nero 4

Aus beiden Aufzeichnungen, nebeneinander und mit dem Manuskripte des Jahresberichtes zusammengehalten, ergiebt sich Folgendes:

1. Der Gesamtfund bestand im ganzen soweit sich nach den Akten feststellen lässt und abgesehen von den nachträglich noch im Schutte gefundenen Münzen (vgl. S. 246 oben) aus 357 Stück und zwar:

324 Stück, die Oppenheim kaufte, 26 Schmidt kaufte, 7 ,^ bei Franz in Heddernheim zurückblieben oder

an einen gewissen Weck daselbst gelangten.

357 Stück, welche der Verein für Nass. Altertumskunde und Geschichtsforschung bis auf die nicht mehr erreichbaren 26 Schmidt'schen Exemplare erwarb.

2. Den Inhalt dieses Ankaufes beabsichtigte Habel gecau zu spezi- fizieren; es geht dies sowohl aus der Schlussnotiz des erwähnten losen Foliobogens hervor, wie aus dem Manuskript des Jahresberichtes; in letzterem nämlich sind hinter der Stelle, wo es mit der Behand- lung des Münzfundes abbricht, einige Seiten freigelassen, während die Paginierung durchläuft. Offenbar also wollte Habel später hier ein genaues Verzeichnis der einzelnen erworbenen Münzen einfügen. Leider nahm er aus welchen Gründen, wissen wir nicht da- von Abstand und so erfahren wir nur, dass die früheste in dem Gesamtfunde vertretene Silbermünze ein Nero war.

249

Es ist ein besonders glücklicher Zufall, dass wir trotzdem in der Lage sind, auch die weiteren Bestandteile des Fundes grösstenteils heute noch zu konstatieren. Herrn Dr. Ritterling ist es nämlich gelungen, in den Akten des Vereins für Xass. Altertumskunde und Geschichtsforschung folgende darauf bezügliche Blätter zu entdecken:

1. Ein Blatt in Folio, beschrieben von der Hand des bis 1857 thätigen Konservators Kihm. Dasselbe führt unter der Überschrift „XXI'^* Verzeichnis"'^) eine grosse Anzahl Denare (332 Stück) von Nero bis Gordianus an. Dieselbe stimmt genau mit der Angabe in der Rechnung des Vereins für Nass. Altertumskunde und Geschichts- forschung vom Jahre 1850 und bis auf ein Stück (vgl. zur Erklärung der Differenz Aum. 12) auch mit der HabeTschen Notiz auf dem

ächublad.

Kapsel.

XXI'es Verzeichnis.

b

00 00

O

u

o

'S

-**

N

b

'S

Gold.

17 17

1 2 3 4

5 6

7

8

9

10

12 13 14 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 2G 27 27 28 29 30

Nero

Derselbe

i

6

3

2

1

1

1

1

1

15

13

3

7

1

.')ö

31

5

r,

1

8 42

28 18 35 34 2

6 1 2

1

1

1

18 18

Galba

Derselbe

18

Otho '

18

Derselbe

IS

Vitellius

18

' Derselbe

19 19

' Vespasian

Derselbe

19

Derselbe '

28

Titus

Derselbe

G3

Vespasian [

24

Domitian

24

Derselbe

24

Derselbe 1

24

Derselbe . .

28

Xerva ... '

Traian

Derselbe '

_

Derselbe

_

Hadrian '

_

Derselbe

^^

Sabina dessen Gemahlin

Antoninus Piua

1 Gordianus ...... ....

1 Julia Soaemias exor Heleogabalus . . Caracalla

Alexander Aug

1

250

öfters erwähnten losen Foliobogen. Mit dem letzteren hat dieses

Blatt auch noch die Bezeichnung des ersten in dem Münzfunde

vertretenen Kaisers als Nero gemeinsam. Es kann sonach wohl keinem Zweifel unterliegen, dass dieses „XXr* Ver- zeichnis" (seine Vorgänger enthalten ein Gesamtinventar der Münzsammlung des Vereins) eben die 332 Silbermünzen aus Heddernheim aufführt, aus welchen sich der Gesamtfund zusammensetzte.

Dass Kihra von dem letzteren Kenntnis hatte, und dass er selbst ihn der Sammlung einverleibte, ergiebt sich, abgesehen von dem XXI. Ver- zeichnis, aus einigen wenigen Bleistiftnotizen, welche er eigenhändig auf einem Quartblatte verzeichnet hat. Es wird daselbst, in 13 Posten geteilt, der Be- stand der Sammlung nach den Kategorien „Grosserz, Mittelerz, Kleinerz, Silber, Gold** in Zahlen angegeben; unterhalb der einzelnen Schlusssummen und der Gesamtsumme daraus findet sich die Bemerkung: „1850 in Heddernheim gek. Davon erhalten Silbermünzen 332", Diese Zahl ist dann zu der Summe der Kategorie „Silber" und der Gesamtsumme addiert.

Daraus geht Folgendes hervor: Als unser Silberfund dem Verein für Xass. Altertumskunde und Geschichtsforschung zuging, hatte Kihm bereits ein aus- führliches (XX Verzeichnisse) und ein summarisches (Bleistiftnotizen) Inventar der Münzsammlung angefertigt; an beide hängte er nun, je ihrer Art ent- sprechend, die nötigen Angaben über den neuen Zuwachs, unseren Münzfund, an. So entstand das „XXP® Verzeichnis"'^) und die Bemerkung^'): „1850 in Heddernheim gek. Davon erhalten Silbermünzen 332".

2. Sieben Bogen, z. T. Briefpapier, z, T. graues Schreibpapier, mit

einem detaillierten Verzeichnis'*) ausschliesslich römischer Denare.

Ein Vergleich desselben mit der Kihm' sehen Aufstellung ergiebt'^):

Kihm: Detaill. Verz.:

Gens Cossutia 1

Xcro 9 9

Galba 3 2

Otho 2 1

Vitellius 2 2

zu übertragen . . 16 15

"'j Dieses Verzeichnis legt übrigens die Vermutung nahe, dass Kihm selbst es war, welcher unseren Münzfund in verschiedene Kapseln und Schieblatlen yerteilte und somit in erster Linie Anlass zu seiner Auflösung gab.

'") Der Wortlaut dieser Bemerkung scheint darauf hinzuweisen, dass 1850 noch mehr Altertümer vielleicht ebenfalls Münzen in Heddernheim angekauft wurden, von welchen Kihm im vorliegenden Falle nur Silbermünzen anführt.

'*J Wer dasselbe angefertigt hat, war bis jetzt nicht festzustellen. '■') Dass beide Verzeichnisse Irrtümer enthalten, indem z. B.

in beiden eine Münze des Vespasianus, Titus und Domitianus dem Vespasianus, in dem Kihm'schen einige Titus- und Caracalla-Münzen dem Vespasianus und Antoninus Plus zugeteilt .sind, ist hierbei nicht berürkai<ditigt. Der in dem det. Verzeichnis angegebene „Kaiserdenar von Domitian oder Trajan*^ ist durcligänj;ig für let/.teren in Anspruch genommen.

251

Kihm: Detail). Verz.:

Übertrag . . 16 15

Vespasianus SG 76

Titus 8 10

Domitianua 43 3B

Nerva 8 7

Traianus 88 Gl

Iladrianus G9 CO

Sablna 2 2

Antoninus Pius .... 6 4

Faustina 1 1 1

Caracalla 1 2

Julia Soaemias .... 1 1

Alexander Severus ... 1

Gordianus 2

332 272

Die Zahlen entsprechen sich wohl im allgemeinen, aber nicht immer genau; manchmal weichen sie erheblich voneinander ab. Allein das detaillierte Ver- zeichnis ist offenbar schon der Handschrift nach ziemlich viel später angefertigt als das Kihm'sche und da nun Kihm, wie wir oben gesehen haben, unseren Fund der Sammlung einverleibt und dabei vermutlich (s. Anm. 16) nicht 'als ein Ganzes erhalten hat, so ist es wahrscheinlich, dass nicht alle Münzen des Fundes mehr zusammenlagen, als das detaillierte Verzeichnis an- gefertigt wurde. Schon daraus erklären sich zum grossen Teile die Abweich-

urgen in den Zahlen beider Verzeichnisse. Dazu kommt, dass Kihm, der mit römischer Numismatik wohl nicht sehr vertraut war, Münzen des Vespasianus dessen Sohn und umgekehrt, vielleicht auch solche des Caracalla dem Antoninus Pius vindizierte etc.; auch hierdurch mögen manche Differenzen entstanden sein. Dass indessen trotz der hervorgehobenen Verschiedenheiten beide Ver- zeichnisse die gleiche Sammlung beschreiben, beweisen die nachstehenden Be- obachtungen:

a) Die in beiden angeführten Kaiser sind im wesentlichen dieselben.

b) Für beide ist charakteristisch das Fehlen aller Denare von M. Au- relius an bis auf Caracalla.

Dafür aber, dass diese Sammlung eben unser Heddernheimer Münzfund ist, sind folgende Thatsachen entscheidend:

a) Das Kihm'sche Verzeichnis enthält 332 Stück, also genau die Zahl von Münzen, welche für den Münzfund anderweitig bekannt ist.

b) Das von Habel geplante Verzeichnis des Münzfundes beginnt:

Nero 4 Stück

ebenso das detaillierte Verzeichnis

Nero Bs. Jupiter Custos 4 Stück. Nach Masflgabe der vorstehenden Deduktionen haben wir also sowohl in dem Kihm'schon, wie in dem detaillierten Verzeichnis eine Zusammenstellung

der Einzelbestandteile unseres Heddernheimer Fundes zu erkennen; beide nennen uns fast übereinstimmend die Namen der in ihm vertretenen Kaiser; ersteres bezeichnet annähernd richtig die Stückzahl der auf die einzelnen Kaiser ent- fallenden Münzen, letzteres enthält nicht den ganzen Fund, ist also für die Frage der Stückzahl wertlos, giebt aber dafür eine detaillierte Beschreibung der in ihm aufgenommenen Denare.

Ehe ich diese Beschreibung anschliesse, ist es lehrreich, die Zusammen- setzung des Gesamtfundes auf Grund beider Verzeichnisse näher ins Auge zu fassen; sie wird am anschaulichsten durch ein einfaches Schema:

Kihm: Detaill. Verz.:

Gens Cossutia 1

Nero - Anton. Pius . . 326 267

Faustina 1 1 1

Caracalla 1 2

Julia Soaemias .... 1 1

Alexander Severus ... 1

Gordianus 2

Ein fortlaufendes Ganzes, wie man es bei einem Gesamtmünzfunde er- wartet, bildet diese Reihe nicht. Zunächst fällt der an erster Stelle genannte Familiendenar aus dem Ganzen vollständig heraus; er gehört in das Jahr 54 V. Chr. und liegt somit über 100 Jahre hinter der ersten Kaisermünze zurück. Von Nero bis Antoninus Pius folgt sodann eine ununterbrochene Kette von Münzen, die letzte gehört dem Jahre 139 n. Chr. an. Darauf folgt ein Sprung von mindestens 2 Jahren, denn aus dem Kihm 'sehen Verzeichnis (das detail- lierte beschreibt den Faustinadenar nicht eingehend) erfahren wir, dass die Faustinamünze die Umschrift „Diva Faustina" trug, somit erst nach 141 n. Chr. geprägt sein kann. Während der Zwischenraum von 2 Jahren im grossen ganzen nicht viel besagen will, folgt nunmehr ein Sprung von ca. 70 Jahren, von Faustina I. bis auf Caracalla.

Man wird danach zu dem Gedanken geneigt sein, dass der wirkliche Münzfund nur aus den Münzen des Nero bis Antoninus Pius oder bis Faustina I. bestanden habe, und dass die ausserdem aufgeführten Stücke s. Z. fälschlich als zu jenem Funde gehörig bezeichnet worden seien.

Prüfen wir diese Frage näher.

Die Stückzahl des Kihm 'sehen Verzeichnisses beträgt von Nero bis Antoninus Pius 326; in Wirklichkeit wird die Zahl etwas geringer gewesen sein und zwar aus folgendem Grunde: Da das detaillierte Verzeichnis später als das Kihra'sche und zu einer Zeit angefertigt worden ist, wo der Münzfund nicht mehr ganz intakt war, so ist es nur natürlich, dass es durchgehends, wenn nicht die gleichen, niedrigere Ziffern giebt als das Kihra'sche.'^")

Nur in einem einzigen Falle ist es umgekehrt, nämlich bei Caracalla; hier zählt das detaillierte Verzeichnis 2, das Kihra'sche nur 1 Stück. Hier muss also ein Irrtum untergelaufen sein und zwar besteht derselbe vermutlich darin, dass Kihm einige Caracaliamünzen auf Grund ihrer Aversuraschrift dem

'^"j Bezüglich der Stückzahl der Vospaaianu.s- und Titua-Münzon vgl. Anm. 19 und Seit« 2Ö1,

253

Antoninus Pius zuteilte, welche später der numismatisch geübtere Verfasser des detaillierten Verzeichnisses richtig bestimmte. Wir dürfen nach dem Ge- sagten annehmen, dass von den Piusmünzen des Kihm'schen Verzeichnisses mindestens 1, wahrscheinlich aber 2 oder mehr abzuziehen und dem Caracalla zuzusprechen sind. Ziehen wir zwei ab, so erhalten wir die Zahl 324; es ist wohl kein Zufall, dass diese Zahl genau übereinstimmt mit der Summe der Münzen, welche Habel von Oppenheim kaufte und dass die 8 übrigen, welche aus der Reihe herausfallen, in der Zahl den nachträglich von Franz in Heddern- heim erworbenen entsprechen.

Somit ist die Vermutung sehr wahrscheinlich, dass der wirkliche Gesamt- fund, soweit er als solcher erhalten blieb, nur aus 324 Stücken bestand, eben jenen, welche Habel von 0. kaufte, und dass die wenigen nachträglich er- worbenen Münzen von Franz fälschlich als zu dem Funde gehörig ausgegeben und infolge dessen mit diesen zusammen von Kihm inventarisiert wurden. Ein nicht dazu gehöriges Stück muss ja auf alle Fälle zu dem Funde geraten sein, denn aus Hab eis Notiz'-) wissen wir, dass derselbe sich thatsächlich nur auf 331 Stück belief, indem sich 0. um eines verzählt hatte; trotzdem aber führt das Kihm'sche Verzeichnis 332 Stück auf.

Wir werden nach diesen Wahrscheinlichkeitsbeweisen nicht fehlgehen in der Annahme, dass der im Jahre 1850 in Heddernheim gehobene Silbermünzen- fund, soweit er in das Museum nach Wiesbaden gelangte, thatsächlich nur aus 324 Stück bestanden habe, welche die Kaiser Nero bis Antoninus Pius incl. repräsentierten. Dazu wurden nachträglich auf Grund der falschen Angabe, sie gehörten zu diesem Funde, noch folgende Stücke angeschafft und demselben einverleibt:

1 Faustina I.,

3 Caracalla,

1 Julia Soaemias,

1 Alexander Severus,

2 Gordianus.

8 Stück. *

Wieso der einzige Familiendenar in das detaillierte Verzeichnis kommt, ist ein Rätsel. Kihm kennt ihn nicht; noch wichtiger aber ist der Umstand, dass ihn auch der numismatisch weit erfahrenere Habel nicht als Bestandteil des Fundes aufführt, sondern dessen Beschreibung ebenso wie Kihm mit Nero beginnt.

Ich gebe nunmehr im Folgenden zunächst den Originaltext des detaillierten Verzeichnisses-') wieder, um danach auf Grund desselben und des Kihm 'sehen Inventars unter Berücksichtigung der in beiden untergelaufenen Irrtümer den Bestand unseres Münzfundes hinsichtlich der in ihm vertretenen Kaisermünzen und ihrer Stückzahl soweit möglich zu rekonstruieren.

") Ich habe das Verzeichnis möglichst nach Cohen vervollständigt. Fehler in der Be- stimmung von Münzen habe ich thunlichst geändert und diese Änderung stets angemerkt. Die nachträglich und fälschlich zu dem wirklichen Bestände des Fundes hinzugekommenen Stücke sind durch Cursiv-Druck kenntlich gemacht.

17

254

GentCoaautia

Nero

Gftlba

Otho Vitellius

Vespasianua

BVLA Geflügelter Kopf der sterbenden

Medusa mit Schlangen im Haar.

]is. VII Bellerophon auf dein Pegasus, den Speer werfend. Nero Caesar Auguätus.

Rs. Jupiter Custoa (sitzender Jupiter). Imp. Xero Caes. Aug. P. P.

Es. Jupiter Custos (sitzender Jupiter). Nero Caesar Augustus.

Es. Salus (sitzende Salutis). Imp. Nero Caesar Augustus.

Rs. Salus (sitzende Salutis). Imp. S. Galba Caesar Aug.

Rs. Victoria P. R. (stehende Victoria). Imp. Ser. Galba Aug.

Es. S. P. Q. R. Ob. C. S. (in einem Lor- beerkranz). S. Otho Caesar Aug.

Rs. Fax Orbis Torrar . . . (stehende Pax). A. Vitellius Germ . . . Imp. Tr. P.

Rs. Conoordia . . . (sitzende Concordia).

Caesar Vespasianus Aug.

Rs. Annona Aug. (sitzende weibliche Figur). Imp. Caes. Vesp. Aug. P. M.

Rs. Augur Tr. Pot. (Priester-Geräte). Imp. Caes. Vesp. Aug. P. M. Cos. IUI.

Rs. Augur Tr. Pot. (Priester-Geräte). Imp. Caesar Vespasianus aug.

Rs. Cos. iter. Fort. Red. (stehende Fortuna). Imp. Caesar Vespasianus aug.

Rs. Cos. VII (Adler auf Ära). Imp. Caesar Vespasianus aug. (Kopf rechts).

Rs. Cos. VIII (stehender Mars mit Trophee). Imp. Caesar Vespasianus Aug.

Rs. . . . (stehender Mars mit Trophee). Imp. Caesar Vespasianus Aug. (Kopf links).

Rs. Cos. VIII (stehender Mars mit Trophee; Ähre). Imp. Caesar Vespasianus aug.

Rs. Cos. VIII (zwei gejochte Ochsen). Divus Augustus Vespasianus.

Rs. Ex S. C. (stehende Victoria). Divus Augustus Vespasianus.

Rs. Ex S. C. (quadriga). . . . Caes. Vesp. Aug. P. M. . . .

Rs. Fides Publi. (zwei Hände mit Ähren, Mohn, Caduceus). Caesar Vespasianus aug.

Rs. Imp. . . . (Kornmass mit .\hren). Imp. Caesar Vespasianus aug.

Rs. Judacft (^itzpndc Figur vor Trophee).

Bahelon I. 437. 1.

Cohen'^ I. 2^^7. 119.

C. I. 2S8. 12.3.

C. I. .300. 313 oder 319.

C. I. 300. 318.

C. I. 340. 328.

Nicht bei Cohen.

C. I. 352. 3—5.

Nicht näher bestimmbar, da nicht ersichtlich, ob Concordia Aug. oder Concordia P. R, etc.

C. I. 370. 28 oder 30.

C. I. 371. 43.

C. I. 371. 45.

C. I. 374. 84.

C. I. 377. 120-122.

C. I. .377. 125.

C. I. 377. 125 oder 12ß.

C. I. 377. 127.

Wohl = C. I. 377. 135.

C. I. 378. 144.

C. I. 378. 146 oder 147.

C. I. 380. 1G4.

C. I. 383. 215 oder 21 G

oder 3S4. 219. C. I. 384. 22r>.

255

3 1

2 1 3 1 2

2

12 1 9

Vespasianus Irap. Caesar Vespasianus aug.

Bs. Pon. -^[ax. Tr. P. Cos. V (Caduceus). Imp. Caesar Vespasianus aug.

Es. Pon. Max. Tr. P. Cos. VI (Victoria Navalis). Caesar Imp. Vespasian.

Bd. Pon. Max. Tr. P. Cos. VII (sitzende weibliche Figur).

Imp. Caes. Vesp. aug. Cens.

lis. Pontif. Maxim, (sitzende Figur).

Imp. Caes. Vesp. aug. Cens.

Es. Salus aug. (sitzende Salus). Imp. Caesar Vespasianus aug.

Es. Tr. Pot. . . . Cos. VIIH (Caprioorn). Imp. Caes. Vesp. Aug. P. M.

Es. Tri. Pot. (sitzende Figur). Imp. C. Vesp. Aug. P. M. Cos. Ulf.

Es. Tri. Pot. (sitzende Figur). Imp. Caes. Vesp. Aug. P. M.

Es. Tri Pot. II. Cos. III. P. P. (sitzende Figur). Imp. Caes. Vesp. Aug. P. M. Cos. IUI.

Es. Vesta (stehende Vesta). Imp. Caes. Vespasianus Aug.

Es. Cos. iter. Fort. Red. (stehende Fortuna). . . . Vespasianus aug.

Es. Cos. VI. (stehender Stier). Imp. Caesar Vespasianus aug.

Es. Poa. Max. Tr. P. Cos. VI. (sitzende weibliche Figur).

Imp. Caesar Vespasianus aug.

Es. Pon. Max. Tr. P. Cos («itzende Figur).

Imp. Caes. Vesp. aug. P. M. Cos. IUI.

Es. Victoria Augusta (Victoria vor Trophee).

Divus^augustus Vespasianus.

Es. Zwei Capricorne mit Schild und Kugel.

Caesar Vespasianus aug.

Es. . . . (stehende Figur). Imp. Caes. Vesp. ! Es. Durchschlag. Vespasianus, Imp. Caesar Vespasianus aug. Titus und | Domitianus 1

Titus

Es. ... ar Aug. F. Cos. Caesar aug. F. ... (Die Köpfe des Titus und Domitian).

T. Caesar Vespasianus.

Es. Annona Aug. (sitzende Figur).

C. I. .30.'). .'562. C. I. 39.5. 368.

Wohl = C. I. :}9ß. 373 od. 374 und Aversumschrift falsch gelesen.

C. I. 397. 387, doch in Silber, wie es vielfach vorkommt, z. B. zwei- mal in der stüdt. Samm- lung zu Frankfurt a. M.

C. I. 401. 431.

C. I. 411. .'>.J4 oder 5r>r,.

C. I. 411. ÖGI.

C. I. 411. 503.

C. I. 412. .")66.

C. I. 413. 574. Nicht bei Cohen. Nicht bei Cohen.

Nicht näher bestimmbar, da die weibl. Fig. un- genügend charakterisiert ist.

Nicht näher bestimmbar.

Augusta? Nicht näher be- stimmbar.

Es. mir für Vespasian nicht bekannt; nicht näher be- stimmbar.

Nicht bestimmbar.

C. I. 424. 5.

(Die Zuteilung an A'es- pasianus im Original- verzeichnis ist unrichtig).

C. I. 430. 17.

256

Titiis

Doniitianus

Caesar Imp. Vespasian.

Rs. Jovis Custos (stehcniler Jupiter).

T. Imp. Caesar Vespasian.

Rs. Pontif. Tr. P. Co9. IUI. ^sitzende Figur). T. Caes. Imp. Vesp. Cens.

Rs. Salus Aug. v^itzende Salus). Imp. Titus Caesar Vespasian us aug.

Rs. Tr. P. Villi. Imp. XIIII. Cos. VII. P. P. (Quadriga). Imp. Titus Caesar Vespasian. aug. P. M.

Rs. Tr. P. Villi, [mp. XV. Cos. VII. P. P. (Capricorn). Imp. Titus Caes. Vespasian. Aug. P. >I.

Rs. Tr. P. IX. Imp. XV. Cos. VIII. P. P. ( Deipbin mit Anker). Imp. Titus Caes. Vespasian aug. P. M.

Rs. Tr. P. IX. Imp. XV. Cos. VIII. P. P. (Delphin auf Dreifuss).

Imp. Titus Caes. Vespasian aug. P. M.

Rs. Tr. P. IX. Imp. XV. Cos. VIII. P. P.

Caesar Aug. F. Domitianus.

Rs. Ceres August, (stehende Ceres). Caesar Aug. F. Domitianus.

Rs. Cos. V, (Kaiser zu Pferde). Caesar Aug. F. Domitianus.

Rs. Cos. V. (Lupa; unten Lampe).

Imp. Caes. Domit. Aug. Germ. P. M. Tr. P. VI.

Rs. Imp. XIII. Cos. XII. Cens. P. P. P. (stehende Minerva). Imp. Caes. Domit. Aug. Germ. P. M. Tr. P. VI.

Rs (stehende Minerva anf Schifif).

Imp. Caes. Domit. Aug. Germ. P. M. Tr. P. VII.

Rs. Imp. XIIII. Cos. XIIII. Cens. P. P. P.

Rs. Imp. XV. Cos. XIIII. Cens. P. P. P.

(stehende Minerva). Dieselbe mit Imp. XVII. Dieselben mit Imp. XXI. Imp. Caes. Domit. aug. germ. P. M. Tr. P.

Rs. Imp. XXI. Cos. XV. Cens. P. P. P. (stehende .Minerva mit fulmen).

Imp. Caes. Domit. aug. germ. P. M. Tr. P. II.

Ra. Ebenso mit Cos. XVI. Dieselbe mit stehender ^Minerva mit Schild und

Wurfspiess. Dicselijcn mit stehender Minerva mit Ilasta.

C. I. 437. 106.

X'ach Aversumschrift Titus und nicht, wie im Ori- ginalverzeichnis, Vespa- sianus (etwa C. I. 384. 222 oder 223).

C. I. 443. 162.

Kennt Cohen nur in M. B.

C. I. 452. 278.

C. I. 4.-» 3. 294.

C. I. 4:)4. .309 oder 310.

C. I. 455. 321 oder 323. In Cohen hier Druck- fehler: Cos. IUI anstatt Cos. VIII.

Xicht näher bestimmbar, da Typenangabe des /("."J. fehlt.

C. I. 472. 30. C. I. 474. 49. C. I. 474. .-)1.

Nähere Bestimmung zum . Teil unmöglich und im allgemeinen zwecklos.

257

Domitiunus

1 2

Nerva

Traianus

Imp. Caes. Doniir. au?, germ. P. M. Tr. I'. XF. lis. Imp. XXII. Cos. XVI. Cens. V. P. P. ('stehende Minerva auf Scliitf). Imp. Caes. Domit. aujj. germ. P. M. Tr. P. XI. Bs. Imp. XXII. Cos. XVII. Cena. P. P. P. (stehende Minerva). Imp. Caes. Domit. aug. germ. P. M. Tr. P. XIIII. Bs. Imp. XXII. Cos. XVII. Cens. P. P. P. (Minerva auf Schiff'. Imp. Caes. Domit. aug. germ. P. M. Tr. P. XV. Bs. Imp. XXII. Cos. XVII. Cens. P. P. P. (stehende Minerva).

Imp. Caes. Domit. aug. germ. P. M. Tr. P. XVI. Bs. Imp. XXII. Cos. XVII. Cens. P. P. P.

(Ära). Caesar Divi F. Domitianua Cos. VII.

Bs. Princeps Juventutis (in einem Lorbeer- kranze Zie,:;e). Caesar aug. F. Domitianus Cos. VI.

Bs. Princeps Juventutis (zwei Hände mit Standarte). Caesar divi f. Domitianus Cos. VII. Bs. Princeps Juventutis. (Ära.)

Imp. Caesar Domitianus au^. Pon. M.

Bs. Tr. P. Cos. VII. ... P. P. (Göttertisch.)

Imp. Nerva . . . P. M. Tr. P. Cos. III. P. P.

Es. Aequitas August, (stehende Aequitas). Imp. Xerva Caes. Aug. P. M. Tr. Pot.

Bs. Cos. III. Pater Patriae (Pontifical-In- strumente). . . . aes Aug. Imp. Tr. P. Cos. III. P. P.

Bs. Fortuna august. (stehende Fortuna). Imp. Xerva Caes. Aug. Germ. P. M. Tr. P. II.

Bs. Imp. II. Cos. IUI. F. P. (stehende Figur mit Waage). Imp. Xerva Caes. Aug. P. M. Tr. P. Cos. III.

P. P.

Bs. Liberias Publica (stehende Liberias).

Imp. Traiano aug. Ger. Dac. P. M. Tr. P. Cos. VL P. P.

Bs. Alim. ital. S. P. Q. R. Optimo Principi (Provinz Italien mit Füllhorn). Imp. Traiano aug. Ger. Dac. P. M. Tr. P. Bs. Cos. V. P. P. S. P. Q. R. optimo Princ. (sitzende Figur mit Füllhorn). Imp. Traiano aug. ger. Dac. P. M. Tr. P. Bs. Cos. V. P. P. S. P. Q. R. Optimo Princ. (stehende Victoria auf Rad).

Nähere Bestimmung zum

Teil unmüglich und im

allgemeinen zwecklos.

C. I. 4"J6. '.'06.

C. I. .3U4. 390.

C. I. 504. 3i)3.

C. I. 504. 390 als Avers C. I. 504. 397 als Bs. Xicht bei Cohen.

Nicht sicher zu identifi- zieren; vielleicht = C. I. 518. 575; die Aversum- schrift stimmt in keinem Falle.

C. II. 2. 6. C. II. 6. 48.

C. IL 7. 66.

C. IL 9. 91 (Aversum- schrift verlesen).

C. IL 10. 113.

C. IL 18. 9.

C. IL 26. 73.

\Volil = C. IL 26. 76.

258

TraiaiiU3

Imp. Traiuno aug. Ger. Dac. P. 31. Tr. P. Hs. Cos. V. P. P. S. P .Q. R. Optimo Princ. (stehende Figur mit Caduceus). Imp. Traiano aug. ger. Dac. P. M. Tr. P. Es. Co3. y. P. P. S. P. Q. R. optimo Princ. (stehende Spes). Ebenso (stehende Figur mit Füllhorn und

Waage). Ebenso (sitzende Figur mit Füllhorn und

Waage). Ebenso (stehende Figur mit Kameel). Ebenso iTrophee).

Imp. Traianus Aug. Ger. Dac. P. M. Tr. P. Cos. VI. P. P.

Es. Divus Pater Traian. (sitzender Traian).

Imp. Caes. Xer. Traian. Optira. Aug. Ger. Dac.

Es. Parthico F. M. Tr. P. Cos. VI. P. P.

S. P. Q. R. Fort. Red. isitzende Fortuna).

Imp. Caes. Ner. Traiano optimo aug. ger. Dac.

Es. Fort. Red. P. M. Tr. P. Cos. VI. P. P.

S. P. Q. R. (sitzende Fortuna).

Imp. Caes. Xer. Traiano Optimo Aug. Ger. Dac.

Es. Fort. Red. P. M. Tr. P. Cos. II. P. P.

S. P. Q. R. (sitzende Fortuna).

Imp. Caes. Xer. Traian. Optim. Aug. Ger. Dac. Parthico.

Et. Fort. Red. P. M. Tr. P. Cos. VI. P. P.

S. P. Q. R. 'sitzende Fortuna).

Imp. Caes. Xer. Traian. Optim. aug. germ. Dac.

Es. Parthico P. M. Tr. P. Cos. V. P. P. S.

P. Q. R. (stehende Figur mit Caduceus

und Füllliorn).

Traiano aug. ger. Dac. P. M. Tr. P.

Es. Fax Cos. VI. Imp. Optimo Princ. (stehende Pax).

Imp. Caes. Xerva Traian. aug. germ.

Es. P. M. Tr. P. Cos. II. P. P. (sitzende Figur auf zwei Füllhörnern). Dieselbe Inschrift.

Es. P. M. Tr. P. Cos. III. P. P. (sitzende Victoria). Imp. Xerva Traian aug. germ.

Es. P. M. Tr. P. Cos. IUI. P. P. (Mars). Imp. Caes. Xerva Traian. Aug. Germ.

Es. P. M. Tr. P. Cos. IUI. P. P. (stehender Hercules .

Imp. Caes. Xerva Traian. Aug. Germ.

Es. P. M. Tr. P. Cos. IUI. P. P. (Victoria). Imp. Caes. Xerva Traian. aug. germ.

Es. P. M. Tr. P. Cos. IUI. P. P. (stehende Victoria).

C. il. l'T. 81.

C. II. 27. S4.

C. II. 27. 85 in Silber.

C. II. 27. 86.

C. II. 27. 89.

C. II. 28. 98— lUO.

C. II. 33. 140.

C. II. 34. 150.

C. II. 34. 152 oder 154.

C. II. 34. 152 oder 154 (Cos. II wohl verlesen für Cos. VI).

Bei Cohen nur ohne den Zusatz Parthico.

C. II. 39. 101 oder 192 (Cos. V wohl verlesen für Cos. VI).

Sicher verlesen für C. II. 39. 196.

C. II. 40. 206.

C. II. 42. 223 oder 224.

C. II. 42. 228 (Avera- legende verlesen).

C. II. 43. 234 oder 236.

C. II. 43. 239 tf. Xäher nicht bestimmbar.

C. II. 43. 240 tr. Genauer nicht bestimmbar.

259

Tiaiunus

Hudrianus

Imp. Caes. Ner. Traiano optimo aug. ger. Duo. R.,. P. M. Tr. P. Co8. VI. P. P. S. P. Q. R. (stellender Mars). Imp. Caes. Xer. Traiano optimo aug. ger. Dac. Rs. P. M. Tr. P. Cos. VI. P. P. S. P. Q, R. (stehender Bonus Eventus). Imp. Caes. Ner. Traiano optimo aug. Ger. Dac. Bs. P. M. Tr. P. Cos. VI. P. P. S. P. Q. R. (stehende Figur mit Füllhorn und Caduoeus). Ebenso. (Säule mit Traians Statue). Imp. Caes. Xerva Traian. aug. germ.

Es. Pont. Max. Tr. Pot. Cos. II. (sitzendeVesta). Imp. Caes. Xerva Traian. aug. germ.

Hs. Pont. Max. Tr. Pot. Cos. II. (sitzende Figur mit Füllhorn und Patera). Imp. Caes. Xer. Traian. Optim. aug, Ger. Dac. Parthico.

Es. Provid. P. M. Tr. P. Cos. VI. P. P. S. P. Q. R. (stehende Providentia). Imp. Traiano Aug. Ger. Dac. P. M. Tr. P. Cos. V. P. P.

Es. S. P. Q. R. Optimo Principi (stehende Figur mit Caduceus vor Altar). Imp. Traiano Aug. Ger. Dac. P. M. Tr. P. Cos.

V. P. P.

Es. ä. P. Q. R. Optimo Principi (stehende

Moneta).

Imp. Traiano aug. ger. Dac. P. M. Tr. P. Cos. V.

Es. S. P. Q. R. optimo Principi (stehende

Figur zwischen Prora und Modius).

Imp. Traiano aug. ger. Dac. P. M. Tr. P. Cos.

VI. P. P.

Es. S. P. Q. R. Optimo Principi (Traian zu Pferde). Imp. Traiano aug. ger. Dac. P. M. Tr. P. Es. Cos. V. P. P. S. P. Q. R. Optimo Princ. (stehende Victoria). Imp. Traiano aug. . . . P. M. Tr. P. Cos. VI. P. P. Es. S. P. Q. R. Optimo Principi (stehende Figur mit Globus). Kaiserdenar von Domitian oder Traian. Hadrianus Aug. Cos. III. P. P.

Es. Aegyptos (sitzende Provinz Aegypten).

Imp. Caes. Traian. Had . . .

Es. Concord. Parth. Divi X. Tr. Xep. P. M.

Tr. P. ... (sitzende Figur).

Imp. Caes. Traian. Hadrian. opt. aug. germ.

Es. Concord. Parthic. Divi Traian Aug. f.

P. M. Tr. P. Cos. P. P. ^sitzende Figur).

. . . Traian. Hadrianus aug.

Es. Concord. P. M. Tr. P. Cos. III. (sitzende Concordia\

C. II. At). 27J oder •_'74,

C. II. 46. 276.

C. II. 47. 278 oder 27"J.

C. II. 47. 2^4. C. II. 48. 288.

C. II. 4'J. :;ü2 i'f)

C. II. 50. 315.

C. II. 60. 412.

C. II. 65. 462.

C. II. 65. 467.

C. II. 68. 498 in Silber? Nicht sicher zu identi- fizieren.

Xicht näher bestimmbar.

Xicht näher bestimmbar.

C. II. 114. 'J^J II" Xäher nicht bestimmbar.

C. II. 125. 248.

C. II. 125. 250.

C. II. 125. 255.

260

Hailrianuä

1 o

5 1

1

1

1

1

Iladrianuä augustus P. P.

R<!. Cos. III. (stehende Minerva). Hailrianus augustus.

J?.N. Cos. III. (stehende Diana). Hadrianua Augustus.

Rs. Cos. III. (stehender Bonus Eventus). Imp. Traiano aiig. ger. Dac. P. M. Tr. P.

Rs. . . . optimo Principi (stehende Figur).

Iladrianus Augustus-

R!<. Cos. III. (sitzende Roma rechts). Hadrianus Augustus.

Rs. Cos. III. (sitzende Roma) Ebenso (stehende Roma). Ebenso (stehende Victoria). Ebenso sitzende Figur vor Modius mit Ähren). Hadrianus August.

lis. Cos. III. stehende Spes). Imp. Caesar Traian. Hadrianus aug.

Rs. Fei. P. R. P. M. Tr.P. Ccs. III. (sitz. Figur) Hadrianus Aug. Cos. lU. P. P.

Rs. Fortunae Reduc. (zwei Figuren). Hadrianus aug. Cos III. P. P.

Rs. Germania (stehende Germania). Hadrianus Augustus.

Rs. Cos. III. ludulgentia aug. P. P. (sitzende Figur;. Imp. Caes. Traian. Hadriano aug. Divi Tra. Rs. Justicia Parth. F. Divi Ner. Nep. P. M. Tr. P. Cos. (sitzende Figur). Imp. Caesar Traian. Hadrianus aug.

Ra. Justizia P. M. Tr. P. Cos. III. Imp. Caesar Traian. Hadriano aug.

Rs. Lib. Pub. P. M. Tr. P. Cos. III. (sitzende Figur). Hadrianus aug. Cos. III. P. P. I Rs. Moneta aug. (stehende Moneta). i Imp. Caes. Traian. Hadriano aug . . .

Rs. l'ietas Parth. F. Divi Xer. Xep. P. M. Tr. P. Cos. {stellende Pietas). Imp. Caesar Traian. Hadrianus aug. Rs. Pietas P. M. Tr. P. Cos. II. Iladrianus aug. Cos. III. P. P.

Rs. Pietas aug. (stehende Pietas). Imp. Caesar Traian. Hadrianus aug.

Rs. P. M. Tr. P. Cos. III. (stehender Bonus Eventus). Eliciiäo (stehende Figur mit Waagei. Ebenso (stehende Victoria).

Ebenso (stehende Figur mit Caduceus). Imp. Ciies. Traian. Hadrianus aug.

Rs. P. .M. Tr. P. Cos. III. 'stehende Fortuna}.

C. n. 131. '295 tr. Näher

nicht bestimmbar. C. II. 133. 315.

C. II. 135. 335 oder 336.

Nicht näher bestimmbar.

Den LTmschriften nach

sogar Traianus. C. II. 135. 337.

C. II. 135. 337 ff. Näher

nicht bestimmbar. C. II. 136. 349. C. II. 136. 358. C. II. 138. 379 (?) C. II. 139. 390.

C. II. 158. 600.

C. II. 172. 788 oder 789.

C. II. 173. 802 ff. Näher

nicht bestimmbar. C. II. 177. 853. 854 oder

857. 858.

C. II. 179. 874.

WohI = C.lI.180.s77.(Cos. III verlesen für Cos. II). C. II. 181. 003-905.

C. II. 186. 963 oder 965

bis 967. C. II. 191. 1023.

C. II. 191. 1027.

C. II. 191. 1028 ff. Näher

nicht bestimmbar. C. II. 197. 1093 (?).

C. II. 199. 1118-1120. C. II. 200. 1129 ff. Näher

nicht bestimmbar. C. II. 201. 1143 i?). C. II. 202. 1155 1157 (?).

261

Iladriimus | Iladriunus au-^. Cüs. U\. V. 1\

i Ed. Restitutori Ilispaniao (knioLMidc l'roviiu vor Hadrian). Hadrianus aug. Cos. HI. P. P.

Es. Romulo Conditori (schreitender Roniulus mit Spolia Optima). Imp. Caesar Traian. Hadrianus aug.

Es. Sal. aug. P. M. Tr. P. Cos. III. (sitzende Salus:. Hadrianus Aug. Cos. II. P. P.

Es. Salus Aug. (stehende Salus). Dieselbe mit Cos. III. Hadrianus aug. Cos. . . . P. P.

Es. Tellus Stabil, (stehende Figur). Hadrianus augustus.

Es. Cos. III. Tranquillitas aug. (stehende Figur). Hadrianus augustus.

Es. Cos. III. Tranquillitas aug. P. P. (stehende Figur). Hadrianus aug. Cos. III. P. P.

Es. Victoria aug. (stehende Victoria). Hadrianus aug. Cos. III, P. P.

Es. Spes aug. (stehende Spes). Hadrianus augustus.

Es. Cos. III. (schreitende Minerva). Imp. Caes. Traian. Hadrianus aug.

Es. P. M. Tr. P. Cos. III. (stehende Figur). Imp. Caesar Traian. Hadrianus aug.

Es. P. 31. Tr. P. Cos. III. (stehende Minerva). Ebenso (sitzende Romaj.

Ebenso (sitzende Figur mit Victoria).

Sabina Sabina augusta.

Es. Venere Genetrici (stehende Venus). Antoninus . . . el Caes. Hadr. Antoninus.

Pius Es. aug. Plus P. M. Tr. P. Cos. (zwei Hände

halten Caduceus und Ähren). Antoninus Aug. Pius P. P.

Es. Tr. P. Cos. II. (stellende Figur mit Füllhorn und Zweig). Ebenso; doch Kopf nach links. Imp. T. Ael. Caes. Antoninus.

Es. Trib. Pot. Cos. (stehende Minerva). Faustina I. Abgegriffener Denar. Caracalla Antoninus Pius Aug.

Es. Pontif. Tr. P. Cos. III. (stehender Mars.) Antoninus . . .

Es. ... (Pontißcal-lnstrwnente'. Julia Julia Soaemias aug.

Soacmias Es. Venus Caclcstis [sitzende Venus mit

Amor).

C. II. 'JI'J. Vim. ll'til oder 1270.

C. II. 215. l:J1^5-l:il8.

C. II. 216. 1324 oder 1326.

i:i27.

C. II. 216. 132M ff. Do(!h nicht sicher identifi- zierbar. C. II. 224. 142.)— 1427.

C. II. 22,'). 1437 1430.

C. II. 225. 144Ü oder 226. 1443.

C. II. 227. 1454-1456.

Nicht bei Cohen .

Mcht genauer bestimmbar.

Desgl. Desgl.

Nicht mehr sicher zu iden- tifizieren. Desgl. C. II. 253. 73.

C. II. 27'J. 90 oder ül.

C. II. 351. 831 (Aversum- schrift ungenau gelesen ).

Nicht bei Cohen. C. II. 372. 1057.

Nicht zu identifizieren; bei 1. Eeverslegende ungenau gelesen.

C. IV. -JSO. 14.

262

Fassen wir nunmehr noch einmal kurz die Unrichtigkeiten zusammen, welche sich sowohl für das Kihm'sche wie für das detaillierte Verzeichnis ergeben haben.

1. Beide teilen eine Münze dem Vespasianus zu, welche in Wirklichkeit Yespasianus, Titus und Domitianus gehört.

2. Kihm spricht fälschlich 3, das detaillierte Verzeichnis 1 Titusmünze dem Vespasianus zu.

3. Kihm nimmt zu Unrecht 2 Münzen für Antoninus Pius in Anspruch, welche in Wirklichkeit Caracalla zuzuweisen sind.

Das heisst also :

1. In dem Kihm'schen Verzeichnis sind von der angegebenen Stück- zahl abzuziehen bei

Vespasianus . . 4 Stück, also 86 4 = 82 Antoninus Pius .2 6 2 = 4

Dagegen sind zuzufügen bei

Titus .... 3 Stück, also 8 + 3 = 11 Caracalla ... 2 „1 + 2=3

2. In dem detaillierten Verzeichnis ist von der angegebenen Stückzahl (die ja übrigens wegen der UnvoUständigkeit des Verzeichnisses kaum in Betracht kommt) abzuziehen bei

Vespasianus . . 2 Stück, also 76 2 = 74

Dagegen ist zuzufügen bei

Titus ... 1 Stück, also 10+1 = 11

3. In beiden Verzeichnissen ist einzufügen:

Vespasianus, Titus und Domitianus 1 Stück.

Führen wir diese Abänderungen aus, so erhalten wir ein wenigstens an- nähernd richtiges Bild von dem thatsächlichen Bestände unseres Münzfundes und zwar gestaltet sich dasselbe folgendermassen:

Nero .• 9 Stück

Galba 3

Otho 2

V

o

n

Vitellius

Vespasianus 82

Vespasianus, Titus u. Domitianus . . 1

Titus 11

Domitianus 43

Nerva 8

Traianus 88

lladrianus 69

Sabina 2 ,

Antoninus Pius 4

324 Stück.

in dd3 Jahr 138 n. Chr.,

263

Diese 324 Stück also sind diejenigeD, welche Habel von Oppenheim kaufte, sie stellen den ganzen Gesamtfund dar mit Ausnahme der 26 Münzen, welche bei dem Silberarbeiter Schmidt in Frankfurt verblieben.

Zu diesen 324 Stück kamen nachträglich unter der falschen Behauptung der Zugehörigkeit noch die bereits oben (S. 253) besprochenen 8 Stück der späteren Zeit und wohl nur durch irgend welches Versehen der Farailiendenar.

Was nun schliesslich die Zeit unseres Fundes betrifft, so gewähren uns die vier Münzen des Antoninus Pius durch ihre gute Datierbarkeit vorzügliche Anhaltspunkte. Es sind nämlich:

Cohen II. 279. 90 oder 91

Cohen II. 279. 90 oder 91, doch K. u. 1.

Cohen IL 372. 1057

Cohen II. 351. 831 in das Jahr 139 n. Chr.

zu setzen.

Somit gehören sämtliche Piusmünzen des Fundes in die beiden ersten Jahre der 23 jährigen Regierung des Kaisers. Es ist einleuchtend, dass dies wohl kein Zufall sein kann, und dass wir mit Recht die Vermutung aussprechen dürfen, der vor nunmehr 46 Jahren gehobene Schatzfund stamme aus der Zeit kurz nach dem Jahre 139 unserer Zeitrechnung.

II. Der zweite Fund.

Auf dem zweiten Blatte des mehrfach erwähnten losen Foliobogens, welcher den Anfang von dem Verzeichnis des besprochenen Silbermünzenfundes ent- hält, befindet sich offenbar gleichzeitig niedergeschrieben und zwar am 3. Januar ISöl, wie eine Bemerkung unten zeigt eine weitere Notiz, deren Überschrift folgendermassen lautet:

Ankauf von Alterthümern, Münzen etc. 1850. 31. Dezember v. H. Hofjuwelier Oppenheim 60 fl.) in Frft.

"Wir haben es also hier zweifellos mit einem Ankaufe zu thun, welcher von dem früheren, dem des Silbermünzenfundes, zu unterscheiden ist; denn jener erfolgte Anfang Dezember und es wurden nicht 60, sondern 150 fl. dafür gezahlt.

Als Inhalt dieses neuen Ankaufes zählt nun Habel weiterhin auf:

Lnter A. eine ganze Anzahl uns hier nicht interessierender römischer

Funde, Anticaglien etc., ferner aber unter

^ B. 88. römische Bronze-Münzen Mittelerz, 123 desgl. kleinste

(IV.) aus der Zeit des Tetricus und der XXX Tyr. (gef.

zusammen in Heddernheim).

Es handelt sich demnach in diesem Falle um einen zweiten Heddernheiraer

Gesamtfund römischer Münzen und zwar solcher aus verhältnismässig später

Zeit; er ist gekauft am 31. Dezember 1850, also wahrscheinlich kurz vorher

264

gehoben worden; da ihn nun Habel, als er den Silbermüazenfuud von Oppen- heim erwarb (Anfang Dezember 1850), noch nicht in dessen Besitze sah andernfalls hätte er ihn sieher gleich mitgekauft so dürfen wir wohl an- nehmen, dass dieser Heddernheimer Kollektivfund römischer Münzen aus der Zeit des Tetricus und der 30 Tyrannen im Laufe des Monats Dezember dem Erdreich wo, wissen wir leider nicht enthoben wurde.

Er hatte ein glücklicheres Geschick als sein Vorgänger, der im November desselben Jahres gemachte Silbermünzenfund, denn er wurde nicht wie jener aufgelöst, sondern befindet sich noch in seinem ursprünglichen Bestände im Museum zu Wiesbaden. Aber auch hier stehen wir wieder vor einem Rätsel; denn dieser Bestand beläuft sich nicht auf die von Habel angegebene Zahl von 123 Kleinerzen, sondern die Summe seines Inhaltes beträgt fast das Zehn- fache dieser Ziffer.

Wie diese ausserordentliche Differenz zu erklären ist, 'weiss ich nicht; man kann nur annehmen, dass sich, ähnlich wie bei dem Silbermünzenfund, nachträglich noch nachdem Habel abgegangen war zahlreiche zuge- hörige Stücke zu den 123 hinzugefunden haben, welche im Museum einfach zu letzteren gelegt wurden unter Beifügung der Provenienzangabe „Heddern- heim" für die Gesamtheit.

Irgend welche Notiz hierüber ist uns indessen nicht erhalten. Der Fund besteht im ganzen aus 1178 Stücken, welche sich auf 9 Kaiser von Traiauus Decius bis Quintillus folgendermassen verteilen:

Traianus Decius 1 Stück

Gallienus 7

Postumus 2

Laelianus 1

Yictorinus 108

Tetricus 1 707

Tetricus II 316

Tetricus I. oder II. (unbestimmbar) . 11

Claudius II. Gothicus 23

Quintillus 2

1178 Stück.

Von diesen 1178 Stück gehören also über 1000 den beiden Tetricus an. Einen Unterschied in der Erhaltung der einzelnen Münzen mit Rücksicht darauf, ob sie längere oder kurze Zeit im Kurse waren, konnte ich nicht wahrnehmen, im Gegenteil machten mir die Gepräge in dieser Hinsicht einen ziemlich gleich- artigen Eindruck; stempelfrische Exemplare sind nicht darunter.

Ich lasse nunmehr zunächst eine eingehende Beschreibung"') sämtlicher Stücke, soweit möglich nach Cohen, Med. imp. 2. Aufl. folgen, deren syste- matische Anordnung keiner besondeien Erläuterung bedarf:

*-) Von einer Veröffentlichung dieses ausfiihrliclien Verzeichnisses, welches ich selbst bearbeitet habe, glaubte ich um so weniger Abstand nehmen zu sollen, als ich gerade bei Benutzung der bisher über ähnliche Mün^sohatzfundo publizierten Litteratur vielfach mit Un- genauigkeit und Unvollstäiidigkcit der betr. Verzeichnisse zu kämpfen hatte.

265

Kaiser.

Reversumschrift.

Traianus

Decius Gallienus

Uberitas Aug.

Apollini Cons. Aug.

Postumus

Laelianus Victorinusl.

»»

Fides militura Jovi propugnat.

Provid. Aug. Seourit. Perpet.

(Pax Aug.?)

Pax Aug. Virtus equit. Victoria Aug.

luvictus

Pax Aug.

Pietas Aug.

M

;3 r!

Beschreibung.

U 1

13 6

Cohen V. 370. 246. Cohen V. 382. 382. Cohen V. 425. 8-39. Cohen V. 434. 961.

Cohen V, 196. 10.'). S. (= Silber), plattiert.

Coh. V. 3.')4. 73. K. B. (= Kleinbronze). Cberprägung .,und zwar sind beide Seiten mit demselben Stempel iiber- prägt oder vielmehr die Hälfte der Münze ist nach der ersten Prägung noch einmal zwischen die Stempel geraten und hat einen neuen Schlag erhalten; man sieht über dem Kopfe noch einmal die untere Hälfte des Kopfes und den Schluss der Schrift IGAL* LIENVS AlVG; auf der Rs. ist nichts Einzelnes zu erkennen".-')

K. B. K. B. K. B. K. B.

LGALLIEINVS AV[G1 K. in Strahlenkrone n. r. J?ä. AVG . Piix mit Zweig und Querscepter n. 1. K. B.

Noch erkennbar: GALL[IENVS AVGl K. in Strahlen- krone n. r. B.s. . . . V . . . Nach 1. stehende Figur. K. B.

Cohen VI. 38. 215. Billon.

Cohen VI. 62. 441. K. B.

Cohen VI. 66. 4. K. B.

Einseitige Prägung: IMP. C. VICTORINVS P. F. AVG. K- io Strahlenkrone n. r. K. B.

Einseitige Prägung: . . . VICTORILNVS] . . . [A VlG. Kopf in Strahlenkrone n. r. K. B.

Cohen VI. 73. 49. K. B.

Cohen VI. 73. 49; doch Aversumschrift endigt mit AV anstatt AVG. K. B.

Wahrscheinlich Cohen VI. 73. 49; doch von Avers- umschrift nur ... [VIGITORINVS P. F. AVG. erhalten. K. B,

[IMP.] 0. VICLTORIINVS . . . K- Strahlenkrone n. r. Bs. LINVICTIVS. Sol die R. erhebend mit Peitsche in d. L n. 1. eilend. Vor ihm Stern. Wohl Cohen VI. 73. 49. K. B. Barbarische Prägung.

Cohen W. 77. 79. K. B.

Höchstwahrscheinlich: Cohen VI. 77. 79; doch Anfang der Aversumschrift nicht, höchstens ... VIC- TORINVS P. F. AVG. erhalten. K. B.

IMP. 0. VICTORINVS P. F. AVG. K. in Strahlen- krone n. r. B.S. P[AX; Spuren sichtbar] AVG. Pax mit Zweig und Scepter n. 1. K. B. Nielit bei Cohen.

Cohen VI. 78. 90. K. B.

-^) Die Bestimmung dieser Münze verdanke ich der Güte des Herrn Prof. B. Pick in Gotha.

266

Kaiser.

Reversumschrift. =■§

Bcächreibunar.

Victorinusl.

»»

Tetricus I.

Provid. Sm%. Providentia Au?.

Salus Aug.

Salus Au?, oder

Augg.

Virtus Aug.

Comes Aug.

C'onies Aug. oder

Aug. N.

Felicitas publica

12

3

13

4

23

l

1

1

1

28 1

12 1 1

Cohen VI. 79. 100. K. B.

Cohen VI. 79. 101. K. B.

Höchstwahrscheinlich Cohen VI. 79. 101; doch von Aversumschrift nur ... VICTORINVS P. F. AVG. oder noch weniger erhalten. K. B.

Cohen VI. 81. 112. K. B.

Cohen VI. 81. 118. K. B.

Höchstwahrscheinlich Cohen VI. 81. US, doch von Aversumschrift nur ... [VICITORINVS P. F. AVG. o'iß'' noch weniger erhalten. K. B.

[IMIP. C. VICTORINVS P. F [AVGl K. in Strahlenkrone n. r. Rs. SLALVSl AVLGl Salus n. 1., um Altar gewundene Schlange fütternd, 1. Anker (NB!) haltend. K. B. Nicht bei Cohen.

IMP. C. VICTORllNVS.) Kopf in Strahlenkrone n. r. m. S[AL1VS IAV]G. Salus n. 1., Schlange (um Altar gewunden) fütternd, mit Scepter? K. B.

I! VI[CT0R1NV1S II AVG. Kopf in Strahlenkrone n. r. Ui. ZALVS [AV od. AVGIG Salus n. 1., um Atlar gewundene Schlange fütternd, und mit Anker. K. B. Äusserst rohe, barbarische Prägung.

Cohen VI. 83. 131. K. B.

... VICTOfRINVSl ... K. in Strahlenkrone n. r. ^<^- ... IPVBILICA. Weibl. Figur mit Palme und Füllhorn n. 1. K. B. Nicht bei Cohen.

[IMP. 0. PJIAV. VICTORINVS. K. in Strahlen- krone n. r. Us. ... u TR 'Aod. R?) S. Weibl. Figur mit ? (Schale ?) und Füllhorn vor Altar n. 1. K. B. Nicht bei Cohen.

Einseitige Prägung: |MP TLETRICVS] ... AVG. K. in Strahlenkrone n. r. K. B.

Einseitige Prägung: ... LTET1RICVS P. F. AVG. K. in Strahlenkrone n. r. K. B.

Einseitige Prägung: ... ITEITRICVS P. F. AVG. K. in Strahlenkrone n. r. K. B.

Cohen VI. 93. 17. K. B.

Cohen VI. 93. 17., doch endigt die Aversumschrift

mit AV anstatt mit AVG. K. B. Cohen VI. 93. 17. oder 18. K. B. Cohen W. 93. 18. K. B.

IMLPl. TETIRICJVS P. F. AVG. K. in Strahlenkrone n. r. Rs. COMIES] . . . Victoria m. Kranz und Palme n. 1. Durch einen Stempelfehler scheint es, als stünde sie auf einem querliegenden Gegenstand, etwa einem Schififshinterteil. K. B. [IMIP. C. TETRICVS P. F. . . K. in Strahlen- kronen. r. Ii^s. FELIICITAS PVBLICIA. (Um- schrift beginnt rechts oben, anstatt links unten"). Felicitas mit Caduccus und Füllhorn u. r. K. B. X i eil t bei Collen.

267

Kaiser.

Beschreibung.

TetPicus I.

Fides railitum

Hilaritas Aug.

Hilaritas Augg.

Hilaritas Aug. oder Augg.

Hilaritas Aug. oder

Augg.

8

1

1

1

26 9

1

8

7 I Cohen VI. 06. :i7. K. B.

1 ; Cohen VI. 96. 37. Umschr. des lis. nicht mehr erkennbar. K. B.

Sohluss der Aversumschrift: . . , TETRICVS P. F. AVG. Also = Cohen VI. 96. :',7. od. 41. K. B.

Sohluss der ATersumschrift: ... TETRICVS AVG. Also = Cohen VI. 96. 39. 40 oder 4:i K. B.

Cohen VI. 96. 43. K. B.

IMP TETRIC[VS1 ... K. in Strahlenkrone n. r. h'a. F[IDE1S MILITVM (Sehr undeutlich.; Fides mit 2 Feldzeichen. K. B.

IM (= IVI) P [AVJG Kopf in Strahlenkrone

n. r. ^5. F[IDES MILITVM] Fides mit 2 Feld- zeichen n. 1. stehend. K. B.

IM TETIL (oder V) P oder DjICVS 0. A. P. A. (sie! II) K. in Strahlenkrone n. r. lis. Weibl. Figur mit zwei Feldzeichen im Typus der fides militum. Keine ümschr. K. B. Rohe, barbar. Xachprägung,

Cohen VI. 97. 49. K. B.

IMP. 0. TETRICVS P. A. ^sic!) K. in Strahlen- krönen, r. I>s. HILAR. AVG. Hilaritas mit Palme und Füllhorn n. 1. K. B. Sehr barbar. Prägung.

Cohen VI. 97. 54. K. B.

Typus Cohen VI. 97. 54. 55. Da Anfang der Avers- umschrift unvollständig, ist genauere Bestimmung nicht möglich. K. B.

Cohen VI. 97. 55. K. B.

Äv. Umschrift unkenntlich. K. in Strahlenkrone n. r. ^«- [HI]L[ARITIA2 AVOO. Hilaritas mit (wie ein Scepter gebildeterj Palme und Füllhorn n. 1. K. B. Barbarische Prägung.

. . . TETRICVS P. F. AVG. K. in Strahlenkrone n. r. i?s. HCl ... AVGG. Hilaritas mit Palme und Füllhorn n. 1. K. B. Sehr barbar. Prägung.

Typus Cohen VI. 97. 49. od. 54. flF. Da Sohluss der

Reversum Schrift verstümmelt, Genaueres nicht fest- zustellen. K. B. Die Aversumschrift lautet bei :

4 Stück = IMP. TETRICVS P. F. AVG.

1 = ... LTJETRICVS (Sehr barbar. Prägung!)

3 nicht mehr genügend erkennbar.

8 Stück. K. in Strahlenkrone n. r. Rs. [HILlARITAS [AVG oder AVGG]- Hilaritas mit Palme und Füllhorn n. 1. stehend. Mehr nicht erkennbar. K. B. [IM]P. C. [TIETRICVS. P. 1. A. <>ic:) K. in Strahleukrone n. r. Jis. HIL . . . (-»mM. Hilaritas mit Kranz und Scepter n. 1. K. B. Sehr barba- rische Prägung.

268

Kaiser.

Reversumschrift.

Beschreibung:.

Tetricus I.

Hilaritas Aug. oder

Invictus

Laetih Aug.

Laetitia Aug.

Laetitia August oder

Ausrast!.

Laetitia Aug. X.

28

Laetitia Augg.

47

»

28

,

•j

ff

1

Laetitia Aug. oder 53 Aug. X. oder Augg.

K. ß.

. . . TETRICVS K. in Strahlenkrone n. r. Es.

...ARTAS :??)... Weibl. Fig. im Typus der Fides milirum (mit 2 Feldzeichen) oder wohl eher Hilaritas (mit 2 Palmen oder Palme und Füllhorn) n. 1. stehend. K. B.

Cohen VI. 08. BO. K. B.

...[TIETRICVS AVG. K. in Strahlenkrone n. r. lis. INLVICTVSJ Sol, die R. erhebend, ra. Peit- sche n. 1. K. B.

IMP. C. TETRICVS P. F. AVG. K. in Strahlen- kröne n. r. h's. LAETIT. AVG. Laetitia mit Kranz und Anker n. 1. K. B. Nicht bei Cohen.

Cohen VL 99. 70. K. B.

IMP. 0. TETRICVS P. F. A. K. in Strahlen- krone n. r. ii'5. LAETITIA AVG. Laetitia mit Kranz und Anker n. 1. K. B.

IMP. C. TE[TRICVS1 . . . K. in Strahlenkrone n. r. ^'>-- LAETITIA AVGVST oder AVGVSTI. (Lesung unsicher!; Laetitia mit Kranz und Anker n. I. K. B.

Cohen VL 99. 75. Cohen VL 99. 71. Cohen VL 99. 7L oder 72. Cohen VL 99. 72. . . . TETRICVS ... K. in Strahlenkrone n. r. Fs. LAETITIA AVGG. Laetitia mit Kranz und Anker n. 1. K. B. [IlMP. TE[TRICVS1... K. in Strahlenkrone n. r. Rs. LAETITLIAl AGG. 'sie!) Laetitia m. Kranz und Anker n. 1. K. B. Cohen VL 99. 70—72 oder 75. K. B. und zwar:

25 mit Aversschrift: |MP. TETRICVS P. F. AVG. 3 mit Aversschrift: |MP. C. TETRICVS

P. F. AVG. 25 bei denen dieser Unterschied wegen schlechter Erhaltung nicht mehr zu kon- statieren ist.

. . . [2VOmiT3T. O. *=1MI K. in Strahlenkrone n. 1.

-?«'». LAETITIA AIVG oder VGGl Laetitia

mit Kranz und Anker n. 1. K. B. Nicht bei

Cohen. . . . TETRICVS P. F. AVG. Kopf in Strahlenkrone

n. r. Es. LAETIITIAl . . . Laetitia mit Kranz (?)

und Anker n. 1. K. B. IMP. TETRICVS P. AVG. Kopf in Strahlenkrone

n. r. Rs. LAET...A CO CT. Laetitia mit

Kranz und Anker n. 1. K. B.

269

Kaiser.

Reversumgobrift.

:3 tj

Beschreibung.

Tetrieus I. Laecitia Au?, oder 1

Aujj. N. oder Augg. i

Moneta Aui

Pax Aug.

llOl'

I 1

. . . TETR R sehr schlecht) |CVS P. F. AIVC. ^sic!)

K. in Straliienkrone n. r. J;s. LAETICV Laetitia

mit Kranz uml Anker n. 1. K. ß. . . . M. C. TETRICVS ... K. in Strahlenkrone n. r.

-fi"*- LD . . . (Laetitia ...?). N. 1. stehende weihl.

Figur. Mehr nicht erkennbar. K. B. Barbarische

Prägung.

IMP. TETRICV2 P. AVG. K. in Strahlenkrone n. r. J^s. [MONIETA AVG. Weibl. Figur n. 1., die L. (ohne Attribut) vorstreckend, r. mit Scepter K. B Cohen VI. 102. dö. K. B.

Typus Cohen VI. 102. 95 ff. und zwar zumeist (fast sämtlich) = Cohen ibid. it."). oder 99, soweit sich erkennen lässt. K. B. Cohen VI. 102. 96. | Cohen VI. 102. 98. K. B. Cohen VI. 102. 99. )

...AVG. Kopf in Strahlenkrone n. r. Es. PAIX AVIG. Weibl, Figur mit Kranz und Anker n. 1. stehend. K. B. Nicht bei Cohen, IMP. TETRICVS P. F. AVG. K. in Strahlenkrone n- r- LPIAX AVIGl Pax mit Zweig und Quor- scepter n. 1. K. B. Barbar. Prägung. Nicht bei Cohen. IMP. 0. TETRICVS P, AVG. K. in Strahlenkrone n. r. Bs. PAX AVG. Pax mit Zweig u. Scepter n. 1. K. B. Nicht bei Cohen. IMP (geprägt IIVIP) C. TETLRICVSl P. I. (sie!) AVG. K. in Straliienkrone n. r, Ba. PAX AVG. Pax mit Zweig und Scepter n. 1. K. B. Nicht bei Cohen. IMP. C. TETRICVS P. F. (damit Schluss der Legende, ungewöhnlich grosse Buchstaben). K. in Strahlenkrone n. r. lis. PAX AVG. Pax mit Zweig und Scepter n. 1. K. B. Nicht bei Cohen. ... [TEITRICVS (damit schliesat die vollständige Legende). K. in Strahlenkrone n. r. Jis. |P]AX [AIVG. Pax mit Zweig (?) und Scepter n. 1. K. B. Nicht bei Cohen. C LTEJTRCIVS(sic!)p. F. AVG. K. in Strahlen- krone n. r. Ks. PAX AVG. Pax mit Zweig und Scepter n. 1. K. B. Niclit bei Cohen. IMP. TETRICVS (Jamit Legende vollständig). K. in Straliienkrone n. r. Bs. PAX AVG. Pax mit Zweig und Scepter n. 1. K. B. Nicht b e i Cohe n. IMP. C. TETRICVS P. F. AVG. K- in straliien- krone n. r. J!.s. PAX W G (^ic!) Pax mit Kranz und Anker n. 1. K. B. Nicht bei Coiion.

18

270

1 "? -•

Kai sei. Reversumsclirift. [äi,^

Beschreibung.

Tetrieus I.

Pax Aug.

Pftx Aiigg.

riMIP. P. C. TETRICVS P. ^^ic!) K. in Strahlen- krone n. r. Es. PAX AVG. Laetitia mit Kranz und Anker n. 1. K. B. Nicht bei Collen.

...[TETRIICVSP. F. AVG. K. in Strahlenkrone n. r. Bs. [PAlX AVG. Pax mit Zweig und Scepter n. 1. stehend. K. B.

....[TETRIC1V[S1 P. F. AVG. K. in Strahlen- krone n. r. lis. [PAIX AVG. Pax mit Zweig und Scepter n. 1. stehend. K. B. [TETJRICVS ... K. in Strahlenkrone n. r. Es. I PAX 1 AVG. Pax mit Zweig und Scepter n. l. K. B.

[IMIP TETRICVS P. (sie!) K. in Strablenkrone n. r. Es. [PAIX AVG. Pax mit Zweig und Scepter n. l. K. B.

IMP. TETRICVS AVG. K- in Strahlenkrone n. r. Es. PAVX (si^^O AVG. Pax mit Zweig und Scepter n. 1. K. B.

IMP. TETRICVS A (sicI). K. in Strahlenkrone n. r. ■ß»- ... AVG Pax mit [Zweig] und Querscepter n. 1. stehend. K. B.

...[TIETRICVS AVG. K. in Strahlenkrone n. r. Es. OV[A] XAS backte, n. 1. weit ausschreitende Figur, 1. Anker mit der Spitze n. oben (oder Lanze desgl., in der ausgestreckten R. ? haltend. K. B.

Nicht bei Cohen.

Barbarische Prägung.

[IMPl C. [TETRICVS P. F. A]VG. K. in Strahlen- krone n. r. Es. OVA [XAS] Nach 1. weit aus- schreitende nackte Figur, 1. Anker (oder Lanze?) mit Spitze nach oben, in der ausgestreckten R. Zweig (?) haltend. K. B. Nicht bei Cohen. Bar- barische Prägung.

. . . [TIETRICVS P K. in Strablenkrone n. r.

Hs. [PAX] AVGG. Pax mit Zweig und Scepter n. 1. K. B.

...TETRICVS P. F. (damit Schluss der Legende). K. in Strahlenkrone n. r. Es. [PA]X AVGG. Pax mit Zweig und Scepter n. 1. K. B. Nicht bei Cohen.

IMP. C. [TETRJICVS P. F. AVG. K. in Strablen- krone n. r. Es. PAX [AVIGG. Pax mit Zweig (?) und Anker n. 1. Neben letzterem r., aus der Mitte herauswachsend, kleiner Gegenstand, ähnlich einem SchifFsvorderteil mit Ruder. K. B. Nicht bei Cohen.

1 IMP. C. TETRI II A. (sie!) K. in Strahlenkrone

I n. r. Es. PAX A . . G Pax mit Zweig und Quer-

' scepter n. l. K. B.

l IMP. C. TETRICViSl ... K. in Straldenkrone n. r.

■'''''• . . . AVGG. P"x m. Zweig u. Scepter n. 1. K. B.

271

Beschreibung.

Pietas Aug.

Prine. iuvent.

Provi. Aug.

Provid. Aug.

IMP. C. TETRICVS P. F. AVG. ^sei es, dasa die Umschrift ganz oder in .>i(;hor ergänzbaren Teilen erhalten ist). K. in Strahlenkrone n. r. Rs. PAX AV[G o^ier GG.l (ebenso wie bei Avers). Pa.x mit Zweig und Scepter n. 1. K. B.

IMP. TETRICVS P. F. AVG. (nach sicher er- gänzbaren Resten). K. in Strahlenkrone n. r. Rs. PAX AV[G oder GG.J desgl. Pax mit Zweig und Scepter n. 1. K. B.

[IlMP. 0. TETRICVS ... K. in Strahlenkrone n. r. Rs- [PIAX.... ^^^ ^^^ Zweig und Scepter n. 1. K. B.

...VTRICVCO (sie!).., K. in Strahlenkrone n. r. i?s. [p]XX . . . ^^^ '"'* Scepter und Zweig n. r. K. B. Sehr barbarische Prägung.

IMP. C. TETRICVS P. F. AVG. K. in Strahlcn- krone n. r. Es. P[AX1 . . . Pax mit Zweig und Querscepter n. 1. K. B.

Av. Sinnlose Umschrift, aus senkrechten Strichen be- stehend, Rs. LI IS Weibliche Figur mit Zweig und Scepter n. 1. stehend. K. B. Sehr barbarische Prägung.

IMP. TETRICVS P. F. AG (sie! die letzten 4 Buchstaben sehr undeutlich.) K. in Strahlenkrone n. r. Rs. ... V XAS (sie! das X sehr undeutlich). Pax mit Zweig, die L. in die Hüfte stützend, n. 1. K. B. Barbarische Prägung.

IMP. C. TETRICVS P. AV. K. in Strahlenkrone n. r. Rs. PIETA [^ie geringen sichtbaren Fuss- spuren der Buchstaben scheinen so ergänzt werden zu müssen S] AVG. Weibliche Figur mit Kugel [Schachtel?] und Scepter n. 1. K. B.

Cohen VI. 105. 131. Doch |MP. Q. TETRICVS etc. nicht IMP. TETRICVS u- s. w. K. B.

Typus = Cohen VI. 105. 131, doch da Aversumschrift unvollständig, nicht zu entscheiden, ob nicht viel- leicht |MP. C. TETRICVS... K. B.

IMP. TETRI[CVS1 ... K. in Strahlenkrone n. r. Rs. PROVI. AVG. Providentia mit Stab und Füll- horn n. 1. K. B. Nicht bei Cohen.

...[TET]RICVS P. F. A. (sie!) K. in Strahlen- krone n. r. Ri. IPRQVIID. AV[G.] Providentia mit Stab und Füllhorn n. 1. K. B. MP. C. TETRIlCVSi... K. in Strahlenkrone n. r. Rs. IPROVIID... Providentia mit Stab n. 1. stehend. Die Figur ist nur zur oberen Hälfte sichtbar, indem die Rückseite der (sehr dünnen, blechartigen) Münze durch Ausrutsehen des Revers- stempels verprägt ist. K. B. (guter Stil).

1 I

272

Kaiser.

Reversumschrift.

Besclireibung.

Tetricus I. Provid. Aug.

Salus Aus.

Salus Augg.

1 !

11 11

, .. TETRICVS IIICI (sie!) K. in Strahlenkrone n. r. -R*'- N.DI/A. uPI[^] (siel nur die untere Hälfte des O '"^ Stempel). Providentia mit Stab und Füllhorn n. 1.; vor ihr Stern. K. B. Sehr bar- barische Prägung.

IMP. C. TETRICVS P. F. AVG. K'. in Strahlen- krone n. r. Rs. SALVS AVG. Salus stehend n. 1., um Altar gewundene Schlange fütternd und Scepter haltend. K. B. Nicht bei Cohen. TETRICVS (oder nur Schluss des Wortes) P. F. AVG. K. in Strahlenkrone n. r. Es. SALVS AVG. Salus, um Altar gewundene Schlange füt- ternd, steht mit Scepter n. 1. K. B. Nicht bei Cohen.

[IMIP. TETRICVS P. F. ALVG.I K. in Strahlen- krone n. r. Es. . , . AVG. Salus, Sehlange füt- ternd und mit S<!epter n. 1. K. B.

IMP. C. TETRICVS AG (sie!) K. in Strahlen, kröne n. r. Es. SALAS (sie!) AVG. Salus n. 1., um Altar sich windende Schlange fütternd, links Anker (I) lialtend. K. B. Barbarische Prägung.

IMP. C. TLETRICVSI... K- in Strahlenkrone n. r. Es. Umschrift unsicher: SALIVS AIVG. (''?) Weibl. Figur mit Scliale (Schlange fütternd':') und Scepter (oder Anker) n. 1. stehend. K. B. Bar- barische Prägung.

INP. (^ic-!) C. TETCIICVS! («ic!) ... K. in Strahlen- kröne n. r. Ji's. SALLVS AIVIGJ. Sulus mit Schlange in beiden Händen, {'^'ij Barbarische, sehr undeutliche Prägung. K. B.

Cohen VI. 108. ir)3. \

Cohen VI. lOs. l.-,4. i K. B.

Cohen VI. 108. 155. '

. . . [TIETRICVS P. F. . . . K. in Strahlenkrone n. r. -'''*'• . . . [AIVGG. Salus n. 1., um Altar gewundene Schlange futternd und mit Scepter. K. B.

1 IMP. PETRICIVSI <sic!i

K. in Strahlenkronc

I "• '•■ ^•^•- LSAILIVS AVGGI Salus n. 1. stehend, um Altar gewundene Schlange fütternd und Anker iialtond. K. B. Barbarische Prilgung. Nicht bei

I Cohen. 1 P. I. C. TETRICVS P. F. AG. (sie!) K. in Strahlenkrone n. r. Es. [SALVIS AVGG. Salus n. 1., um Altar gewundene Sclilange fütternd, die L. auf Anker stützend. K. 13. IMP. TETRICVS P. F. AVG. K'. in Strahlenkrone n. r. Es. SALVS AVGG siel) Salus n. 1. stehend, um Altar gewundene Schlange fütternd und Socpter haltend. K. 15. Nirht bei Cohen.

273

Kaiser,

Reversumschrift.

1

c;

-7

rrt

^Si

N

Beschreibung.

Tetricus I.

»

»»

Salus Au;i,^g.

Salus Aus-, oder

Augjj.

Spcs Au^

Spes Augg,

Spcs Aug. ud. Augg.

Spes publica

1 IMP. C. TETaiC[VS P. F. AVIG. K. in Stmhlen- krone n. r. lU. SALVS AVGG. -^alus n. I., um Altar gewundene S<hlani,'e fütternd und mit Anker. K. B. Sehr barbarische Prägung.

1 IJ...AVG. I. K. in Strahlenkrone n. r. IIa. |SAI- LVS AVGG. >*'ach 1. stehende weibl. Fii,'ur, die R. (Ohne Attribut) vorstreckend, 1. mirScepter. K. B, Sehr barbarische Prägung. Salus, um Altar gewundene Schlange fütternd, mit Anker n. 1. Aversumschrift bei:

1 St. =|MP. C. TETRICVS... |

2 n = IMP. TETRICVS P. F. AVG. K. B. -* . =...[TET1RICVS P. F. AVG. '

K. in Strahlenkrone n. r.

IMP. TIETRICIVS P. AVG. K. in Strahlenkrone n. r. iv\. LSIAILVSI... Salus mit Schale und Scepter n. 1. stehend; vor ihr Altar, um den Schlange gew^unden? K. B.

IMP. C. TETRICVS P. . . . K- in Strahlenkrone n. r. -Rs. 0[OVAI [aiVLAlSl Salus mit Anker n. r. stehend. Schale über Altar (ohne Schlange) haltend. K. B Sehr rohe, barbarische Prägung.

IIMJP. TETPIOVS (sie!)... K. in Strahlenkrone n. r. iLs. 8V[J]AS im Rund der Umschrift ver- teilt, also AVG oder AVGG. vergessen. Salus n. 1., um Altar gewundene Schlange fütternd und mit Scepter. K. B.

Cohen VI. 108. 1,J8. (1 barbarisch.) K. V-.

Cohen VI. 108. 160., doch nicht ,P. B. Q.^ sondern K. B.

3 Cohen \^. 108. 162. K. B.

1 Spestypus, doch in Umschrift SPES vergessen und nur (ganz umlaufend) AVGG. Cremeint Cohen VI. 100. 163. nach Umschrift des Avers. Barbarische Prägung. K. B.

Cohen VI. 108. 158. oder 109. 163. K. B.

P. C. TETRICVS P. F. A (sie!) K. in Strahlcn- krone n. 1. Rs. SPIESI . . . Spes mit Blume, Gewand hebend, n. 1. K. B.

. . . P. F. AVG. K. in Strahlenkrone n. r. lis. [SIPIEIS... Spes mit Blume, Gewand hebend, n. 1. K. B. 20 j Cohen VI. 109. 170. .

7| Cohen VI. 109. 170 oder 173. K. B.

Cohen VI. 109. 172. '

IMP. C. TETRLIOVS... K. in Strahlenkrone n. r. B.S. [PVBLIICA, ganz am Rand verteilt, also SPES vollständig vergessen. Spes mit Blume,

Gewand liebend, n. 1. K. B.

Barbarische Prägun?.

274

Kaiser.

Reversumsclirift.

Beschreibung.

Tetricus I.

Spes publica

Victoria Aug.

Victoria Aug. oder Augg.

Virtus Aug.

Viftus Augg.

»»

»I

Virtus Augus.

2

10 6

4 9

K. B.

1

...ITETJRICLVS]... AVG. K. in Strublenkrone n. r. Bs. ;|2E*^[8] Spes mit Blume, Gewaud hebend, n. 1. K. B. Sehr barbarisch.

Cohen VI. 111. 184. )

Cohen VI. 111. 185. 1

Da Reversumschrift unvollständig, nicht sicher. Avcrs- umschriit: IMP. C. TETRICVS. P. F. AVG. Wohl = Cohen VI. 111. 185. K. B.

Cohen VI. 112. 199. \

Cohen VI. 112. 199 oder 200. I

Cohen VI. 112. 200, doch Aversumschrift endigt iu A anstatt in AVG.

IMP. TETRICVS ... K. in Strahlenkrone n. r. ' j Es. LVIRTIVS AVG. ^lars mit Schild und Lanze

I n. 1. = Cohen VI. 112. 200. K. B. 17 I Cohen VI. 113. 207. K. ß. 1 ; Cohen VI. 113. 207. Doch Aversumschrit't hat AV. statt AVG. K. B.

Cohen VI. 113. 207., doch schlieast die Umschrift des Avers mit R. AVG. anstatt R. R. AVG. K- B-

IMP. TETRICLVSI... K. in Strahlenkrone n. r. Es. Umschrift nicht erkennbar, Typus Cohen VI. 113. 207. K. B.

... [TIETRICIVS]... K- in Strahlenkrone n. r. Es. Umschrift nicht sichtbar. Typus Cohen VI. 113. 207. K. B.

Cohen VI. 113. 207, doch Büste n. r. K. ß. ]S^icht bei Cohen.

IMP. TETRICVS P. F. AVG. K- in Strahlen- kröne n. r. Es. = Cohen VI. 113. 207. K. ß. Nicht bei Cohen.

IMP. C. TETRICVS. P. F. AV ^^ic!) K. in Strahlen- krone n. r. Es. VIRTIVSI AVGG. Virtus, 1. auf Schild gestützt, mit Lanze n. I. K. B.

. . . [TETIRICVS P. AVVG. (sie!) K. in Strahlen- kröne n. r. Es. [VlIRTVS . . . Mars, auf Schild gestützt und mit Lanze, n. r. stehend. K. B.

IMP. TETRICVS P. F. A. K- in Strahlenkrone n. r. Es. VIRITVSI AVGG. Virtus oder Krieger mit 2 Lanzen (in jeder Hand eine) n. 1. schreitend. K. B. Barbarische Prägung.

Sehr barbarische Xaohprägung von Cohen VI. 113. 207. IMP. [TETIRICVS. K. in Strahlonkrone n. r. Es. [VIRITVS AUGG. Virtus mit Schild und Lanze n. 1. K. B.

. . . TETRICVS I . . . K. in Strahlenkrone n. r. Es. LVIIRTVS lAIVGVS su-'.) Krieger, auf Schild gestützt und mit Lanze, n. 1. stellend. K. B. Bar- barische Prägung.

1

1

1

1

275

Kaiser.

Reversumschrift.

;3 es 5 "

Beschreibung.

Tetricus I. Hilaritas Aug.?

Laetitia Aug.V

PflX .\ug'.?

Salus Aug. oder Augg.V

Spps publica?

. . . [TETRIICVS DI. AVGV (sie!). K. in Strahlen- krone n. r. Et. Sinnlo«(e Umschrift: FIIPO "Weibl. b'igur im Hilaritastypus (mit Palme und Füllhorn) n. 1. K. B. Barbarische Prägung.

. . . TETRICVS. P. I. F. AVG. fsic!) K. in Strahlen- krone n. r. Jis. ...AVG. Laetitia mit | Kranz] und Anker n. 1. K. B,

. . . [TETRIIOVS. K. in Strahlenkrone n. r. Bs. . , . XI Laetitia mit? und .\nker n. 1. stehend. K. B. Barbarische Prägung.

M. G. TETRIC[VS1 ... K- in Strahlenkrone n. r. /.'». PAV sie!) (soll wohl heissen Pax?) /\Q fsio! = Aug?) Weibl. Figur mit Schale und Scepter in Vorderansicht. K. B. Nicht bei Cohen. Bar- barische Prägung.

MP. (8icO TIETRICVIS P. F. AVG. K. in Strahlen- krone n. r. Bs. Von Umschrift nur unsichere Spuren: , . . ^' . . . Keinesfalls scheint sie dem Ty- pus (^Pax mit Zweig und Scepter n. 1.) entsprochen zu haben. K. B.

. . . [TEITRICVS AVG. K. in Strahlenkrone n. r. ^«- ... AVG. Pax (?) mit Zweig (?) und Quer- scepter (?) n. 1. stehend. K. B.

. . . ITETlRICVS . . . noch in schwaclien Spuren sichtbar. K. in Strahlenkrone n. r. Es. JMO . . . VGG. Salus n. 1., um Altar gewundene SclUange fütternd, die L. auf umgekehrten Anker (Spitze nach oben) stützend. K. B. Sehr barbarische Prägung.

. . . [TETRICIVS. P. I. AVG. K. in Strahlenkrone n. r. Bs. Sinnlose Buchstaben, von denen sicher: . . . TIAIC . . . Spes mit Blume, Gewand hebend, n. 1. K. B. Barbarische Prägung.

IMP. 0. TETRICVS P. F. AVG. K. in Strahlen- krone n. r. Bs. [PVBL?]ICA Jni Rund verteilt. "Weibl. Figur mit? und Zweig n. 1. stehend. K. B.

. . . AVG. K. in Strahlenkrone n. r. Es. ... AVG. Nach links stehende weibl. Figur, deren Attribute nicht erkennbar. K. B.

...[TETIRICVS P. F. AVG. K. in Strahlenkrone n. r. Es. . , . AVGG. Infolge Verprägung durch Ausrutschen des Stempels nur halb erkennbare, stehende weibl. Figur. K, B.

...LTETIRICVS P. F. AVG. K. in Strahlenkrone n. r. Es. Umschrift unkenntlich. Weibl. Figur n. r. (vor Altar?) stehend. K. B.

IMP. TLETRIGVSI . . . K- in Strahlenkrone n. r. Bs. Umschrift unkenntlich; n. 1. stehende weibl. Figur, deren Attribute nicht erkennbar. K. ß.

276

Beschreibung.

Tetpicus I.

. . . [TEITIRICVS (sie!) P. . . . K. in Strahlenkrone n. r. ^^- . . . IE . . . Krieger, r. auf Scliild gestützt, 1. mit Lanze (aufgestützt), schreitet, sich umwendend, nach rechts. \or ihm X. K- B-

[IIMP. [TETRICiVS P. F. AG ^ic!) K. in Strahlen- krone n. r. Es. ... VAIS (oder C) . . . -Mit Getass n. 1. schreitende, das Gewand 1. liebende Figur. K. ß. Sehr barbarische Prägung.

...VTRICS... K. in Strahlenkrone n. r. Es. Um- schrift unkenntlich. In Yorderansicht stehende woibl. Figur mit Anker und Scepter. K. B. Sehr barbarische Prägung.

IMP. C. TETRICVS P . . . K. in Strahlenkrone n. r. J?.N\ . , . V . . AVGG. Nach 1. stehende weibl. Figur mit Stab (? gesenkt; und Scepter. K. B. Barbarische Prägung.

...LTETRIICU d. VIG. K. in Strahlenkrone n. r. Rs. Sinnlose Zeichen als Umschrift; mit Scepter und ? n. r. stellende weibl. Figur. K. B. Sehr bar- barische Prägung.

IMdVI) P... LTETRICJVa AV. K. in Strahlen- krone n. r. Es. ...C (Unterteil eines 2^) ...I AVGG. Weibl. Figur mit Scepter und Kugel n. r. K. B. Barbarische Prägung.

[IIM. C. TETI (8ic!j ^'VG -»ic!) K. in Strahlenkrone n. r. Rs. . . . 2A. Weibl. Figur mit Scepter und ? (I. Arm Torgestreckt) n. r. K. B. Barbarische Prägung.

K. in Strahlenkrone n. r. Rs. Nach r. sehreitende nackte Figur, 1. Lanze (? Spitze oben), die Rechte nach der Hüfte zu haltend; dahinter Schnörkel; von Um- schrift nichts sichtbar. Äusserst rohe, barbarische Darstellung. K. B.

IMP. C. TETLRICIVS P. F. (?) I. K. in Strahlen- krone n. r. Es. TOV V... Stehende (^nackter) männl. Figur. K. n. r. wendend, Motiv unkennt- lich. K. B. Sehr barbarische Prägung.

0. TETRICVS (sehr undeutlich) ... K. in Strahlen- krone n. r. Es. ... /\/\ ^/[Gl Weibl. Figur mit ? und Anker (':') n. 1. K. B. Sehr barbarische Prägung.

IMP. C. TETRICVS P. I. K. in Strahlenkrone n. r. Es. SC . . . (Umschrift). In Vorderansicht stehende, n. 1. schauende Figur mit Schale und Scepter. K. B. Barbarische Prägung.

C. A. P. TET[RICVS1 aV) E. C... K. in Strahlenkrone n. r. Es. . . . AVG. Weibl. Figur mit ? und Scepter n. 1. K. B. Sehr barbarische Prägung.

277

Tetricus I.

Tetricus IL

Cornea Aug.

Comes Aug. oder Augg.

Felicit. temp.

Hilaritas Augg.

8| C

[IlMP. C. TETRICVS P. [= DlF [A1V[G1. K. in Strahlenkrone n. r. Bs. ...CVS (sie!) Opfer- instrumente, Mittelkanne n. 1. K. B. Sehr bar- barische Prägung.

...TETRICVS P. I. AVG. K. in Strahlenkrone n. r. Bs. Umschrift und Attribute der n. 1. stehen- den weibl. Figur unkenntlich. K. B. SeJir bar- barische Prägung.

...TETRICV (sie!) p. F. AVG. K. in Strahlen- krone n. r. B^. ... AS AVGG. Weibl. Figur mit ? und Anker n. 1. (Salus?) K. B. Barbarische Prägung.

IMP. TELTRI . . .ICVS P. A[VG]. K. in Strahlen- krone n. r. Bs. Umschrift und Motiv der n. 1. stehenden weibl. Figur (sie streckt die Arme n. 1. und r.) ist unkenntlich. K. B. Sehr rohe, bar- barische Prägung.

. . . [TETRJICVS P. F. AVG. K. in Strahlenkrone n. r. Bs. Umschrift unkenntlich. Stehende Figur mit Palme und ? K. B. Rohe, barbar. Prägung.

IMP. C. TETRICVS P. F. A. K. in Strahlenkrone n. r. Bs. CA . . . /\/\ Weibl. Figur in Vorderan- sicht, R. vorstreckend, L. erhebend. Attribute un- kenntlich. K. B. Sehr barbarische Prägung.

. . . [TETRIJCVS P. F. AVG. K. in Strahlenkrone n. r. i?«. . . . j/IIG. Weibl. Figur mit ? und Scepter n. 1., R. vorgestreckt. K. B. Barbarisehe Prägung.

Einseitige Prägung: C. PIV. ESV. TETRICVS CAES. K. in Strahlenkrone n. r. K. B.

Einseitige Prägung: C. PIV. ESV. TET[RICjVS . . . K. in Strahlenkrone n. r. K. B.

Cohen VI. 120. 5. K. B.

C. PIV [ESV. TETRIICVS CAES. K. in Strahlen- krone n. r. Bs. COMLES . . .] Victoria mit Kranz und Palme n. 1. K. B. Barbarisch. PIV. ESV. TETRICVS CAES. K. in Strahlen- krone n. r. Bs. COMES AV... (also AVG oder AVGG) Victoria mit Kranz und Palme n. 1. K. B. Sehr wahrscheinlich = Cohen VI. 120. 5.

IMP. C. TETRICVS P. F. AVG. K. in Strahlen- kröne n. r. Bt. [FELICIT (in schwachen, aber sicheren Spuren noch erkennbar)] TEMP. Feli- citas mit Caduceus und Scepter n. 1. K. B. Xicht bei Cohen.

C. PIV. ESV. TETRIC[VS1 ... K. in Strahlen- krone n. r. Bs. FELL VE . . . Felicitas mit Ca- duceus und Füllhorn n. 1. K. B.

. . . ESV. TETRIC . . VS K. in Strahlenkrone n. r. J^»- IHlLjARITAS... Hilaritas mit Zweig und

19

278

Kaiser. Reversumschrift. Ll-g

Besohreibun».

Tetrieus II.

Inviotus

Lnetitia Augg.

Pax Aug.

Pftx Aug.

o.i. Augg.

S 17

1 C

Füllhorn n. I. stehend. K. B. Sehr barbarische Prägung. Umschrift unkenntlich; K. in Strnhienkrone n. r. Bit. [IN1VI[CTVS]. Sol, die R. erhebend, mit Peitsche n. 1, K. B. Barbarische Prägung. PIV ELSV.TETRICVIS ClAES.l K. in Strablen- krone n. r. Rs. LAE[TITIA1 AVGG. Laetitia mit Palme und Füllhorn n. 1. stehend. K. B. Schön. Nicht bei Cohen. Cohen \^. 122. M. K. B.

Wahrscheinlich sämtlich ebenfalls = Cohen VI. 122. 34. Doch nicht sicher, da Aversuraschrift nicht vollständig. K. B. . . . TETRICVS CA (sie!) K. in Strahlenkrone n. r. Ji»- PAX AVG. ^^^ ™>t Zweig und Scepter n. 1. K. B. Sehr barbar. Prägung. Nicht bei Cohen. C. P. E. TETRICVS (sie!) CAES. K. in Strahlen- kröne n. r. Rs. [P|AX AVG. Pax mit Zweig und Scepter n. 1. K. B. Barbarische Prägung. Nicht bei Cohen. C. PIV. ESV. TETRICVS C. K. in Strahlenkrone n. r. Rs. [PIAX [AIVG. Pax mit Zweig und Scepter n. 1. K. B. Nicht bei Cohen. C. PIV E[SV. TETRIICVS CAS (sie!) K. in Strahlenkrone n. r. Rs. LPIA[XI V/\G. Pax mit Zweig und Soepter n. 1. K. B. Da Reversumschrift nicht vollständig, Unterschied nicht zu konstatieren; wahrscheinlich stets Pax Aug. und dann sämtlich ebenfalls = Cohen VI. 122. 34. ...TETLRIICLVSI... K. in Strahlenkrone n. r. ^«- ...XAS. Weibliche Figur mit (Zweig)? in Vorderansicht stehend (K. n. r.). Die Münze ist eine Überprägung; rechts neben Pax wird das Kopfprofil (n. rechts) mit Strahlenkrone des ur- sprünglichen Typus sichtbar. K. B. Barbarische Prägung. C. P. E. TE[TRICVS] . . . ICAIES. K- in Strahlen- krone n. r. Rs. PAX . . . Pax mit Zweig und Scepter n. 1. Vor ihr Stern. K. B. [Cl PIV. E[SV. TETIRICVS ClAESl K. in Stralilenkrone n. r Rs. P[A1X . . . Pax mit Zweig und Scepter n. 1. stehend. K. B. C. PIIV. ESV. TETRICIVS CAES. K. in Strahlen- krone n. r. Rs. PAX . . . Pax mic Zweig und Scepter n. 1. K. B. Avers gute, Rs. barbarische Prägung. C. PIV. E. TETLETIRICVS C. ^«ic!) K. in Strahlen- krone n. r. Rs. IPAIX AV . . . Pax mit Zweig und Scepter n. 1. K. B. Barbarische Prägung.

279

Tetricus II. ' Pax Aug. od. kugg. I 1

Pietas Augg.

it

»t

n

»

>t

Pietas Augiiator.

Pietas Augg. oder Auguator.

♦»

Pietas Augustorura.

Pietati Aug.

Princ. iuvent. Provid. Xuzs

1

l

1

IC

.TEfTRiCVS]... K. in Strahlenkrone n. r. li». IPAIX . . . Pax mit Scepter und Zweig n. rechts stehend. K. B. Barbarische Prägung. Nicht bei Cohen.

TETRICVS AVG. K. in Strahlenkrone n r Ä*- IPIAX A[VG oder VGGI Pax mit Zweig und Querscepter n. 1. K. B. Cohen VI. 124. 48. | Cohen VI. 124. 53. 1 ^- ^•

Typus Cohen VI. 124. 48-53. K. B. Da von Averaum- schnft ,m besten Falle nur . . . TETRICVS CAES erhalten, genauere Bestimmung unmöglich C. P. TETRICVS CAES. u. s. w., sonst = Cohen

VI. 124. 53. K. B. Xicht bei Cohen C. PI. ESV. TETRICVIS CAEJS. K. in Strahlen- krone n. r. lU. PIETAS AVGG. Opferinatru- raente, Mittelkanne n. I. K. B. C. P. ES. TET[RICVSI CAES. K. in Strahlen- krone n. r. Ä,. PIETAS . . . (für AVGG kaum mehr Platz vorhanden), Opferinstrumente, die Mittel- kanne n. 1. gewendet. K. B. Ausserordentlich barbarische Prägung. Nicht bei Cohen C. PIV. ESV. TLETRICVSJ ... K. in Strahlen- krone n. r. Jii. Opferinstrumente, Mittelkanne n. 1 Umschrift nicht erkennbar. K. B. Barbarische Prägung. Cohen VI. 125. 59. K. B.

Cohen VI. 125. 59 oder 60. (Aversumschrift unvoll- ständig.) K. B. Cohen VI. 125. 60. K. B.

Da Reveraumschrift unvollständig, genauere Bestimmung

unmöglich. Avers: Q. p. £. TETRICVS. CAES.

A. in Strahlenkrone n. r. K. B. 0. P. E. TETRICVS C. K. in Strahlenkrone n. r.

^»- PIET[AS] . . . Opferinstrumente. K. B. Nicht

bei Cohen.

IC PIIV. ESV. TETRIC[VS]... K. in Strahlen-

:;!"" °- '■• ^'- (Pi^*««J tAVG]V[S]TORVM (Für „Pietas" kein Platz.) Opferinstrumente, Mittel- kanne n. 1. K. B. Nicht bei Cohen. Barba- rische Prägung.

PIV. ESV. TETRICVS. K. in Strahlenkrone "• r. IPIETJATI AVG. Opferinstrumente, Mittel- kanne n. 1. K. ß. Nicht bei Cohen.

Cohen Vi. 155. 62. K. B.

IVI TET[RICVSI K. in Strahlenkrone n r Bs anstatt PROVID AVGG: OVir GG Provi- dentia mit Stab und Füllhorn n. 1. K. B. Bar- barische Prätfun»

19'

280

Kaiser.

Reversumsclirift. \.S-%

B e s c li r e i b u n g.

1 TetriCUS IL Salus Aug.

1

...TET[RICVS1 P. F. AVG. K. in Strahlenkronc

._--

n. r. Bg. SAL[VS] AVG. Pax mit Zweig und

Querscepter n. 1. stehend. K. B. Nicht bei Cohen,

•*

Salus Aug]?.

.3

Cohen VI. 126. 77. K. B. Dojh Salus hält 1. Anker, nicht auf Ruder gestützt. Salusbeschreibung ibid. überhaupt mangelliaft.

ff

»

1

IMP. TETRICVS P. F. AVG. Drapierte Büste in Strahlenkrone n. r. Ha. a)[AL]VS AVGG. Salus, um Altar gewundene Schlange fütternd und Anker haltend. K. B. Nicht bei Cohen.

tt

1

C. TETRICVS c NVC K. in Strahlenkrone n. r. Hs. SA[LVSJ NV[GG] Figur im Hilaritastypus (mit Palme und Anker) n. 1. Aus der rechten Seite der Palme wächst mitten n. r. ein seltsamer Gegenstand, ähnlich einem im Knie gebogenen rechten Bein. K. B. Nicht bei Cohen.

ff

Salus Aug. oder

1

C. PIV. ESV. TETRICVS AVG. K. in Strahlen-

Augg.

krone n. r. Rs. LSIALVS lAV schwachen Spuren sichtbar] . . . Pax mit Zweig und Scepter n. 1. K. B. Nicht bei Cohen.

ff

»

1

... II AVG. K. in Strahlenkrone n. r. Rg. 2AL[V]S AVLG oder GG.l Salus mit Scepter n. 1. Das Attribut der ausgestreckten L. unkenntlich. K. B. Barbar. Prägung.

>f

it

1

C. PIV. ESV. TET[RICVS1 ... K. in Strahlen- krone n. r. Rg. SAJVS (sie!)... Salus n. I., um Altar gewundene Schlange fütternd und mit Anker. K. B. Barbarische Prägung.

tt

n

1

. . . [TETIRICVS CAES. K. in Strahlenkrone n. r. Ä«. SALIVSI AVIG oder GGl. Salus n. 1., um Altar gewundene Schlange fütternd und mit Anker. K. B. Burbarische Prägung.

ff

Spes Aug.

1

C. PIV. ESV. TETRICVS CAES. K. in Strahlen- krone n. r. Rg. SPES AVG. Spes mit Blume, Gewand haltend, n. 1. K. B. Nicht bei Cohen.

ff

n

1

C. PIV. ESV. TEITRICVSI CAES. K. in Strahlen- krone n. r. Rg. [S]P[EJS AVG. Spes mit Blume, Gewand liebend, n. 1, K. B. Überprägung einer anderen Münze, von deren Gepräge noch zu er- kennen: Unter dem Rg. der Neuprägung ... S. C. AVG. 1^- n- f- Unter dem Avers der Neuprägung Spuren einer Figur im Spestypus n. 1.

tf

Spes Augg.

36

Cohen V[. 127. 88. K. B.

tt

1

Cohen VI. 127. 88. K. B. Doch Aversumschrift schliesst ...CAS. anstatt CAES.

tt

1

1

1

Barbarische Prägung mit meist sinnlosen Buchstaben; Auf li.i. . . . AVGG zu entziffern und Typus der Darstellung: Spes mit Blume, (Jewand hebend, n. 1. Av. K. in Strahlenkrono n. r. K. B.

281

K a i H e r.

Tetricus II.

Koversunischrift.

Spcs Augg.

Beschreib

»»

' Spcs Aug. od. Augg. 3

>•

Spcs publica

78 27

i! c

»

III TlETRICVSl CaZ S^ K. in Strahlenkrone n. r. h's. . . . T . . . [AVIGG. Spea mit Blume, Gewand hebend, n. 1. K. B. Barbarische Prägung.

C. PIIIV. EISV.l TETRICVS . . . Drapierte Büste n. r. Rs. OOVA 213*^21 Sp<?8 mit Blume, Gewand hebend, n. r. K. B. Sehr barbarisch.

Reversumschrift unvollständig. Avera C. PIV. BSV. TETRICVS. CAES. Drapierte Büste in Strahlen- krone n. r. K. B.

LTETIRIGVS CAES. K. in Strahlenkrone n. r. ^«- SPES A . . . Spes mit Blume, Gewand hebend, n. 1. K. B. Sehr besonders die Buch- staben des Ba. barbarisch.

[C. PnV. ESV. TETRIICVSI ... K. in Strahlen- krone n. r. Ba. PSl-[S] (Wohl Pses anstatt Spes.J Spes mit Blume, Gewand hebend, n. I. K. B. Sehr barbarische Prägung.

Noch erkennbar: . . . [TETRIC1VS (womit die Le- gende schliesst). K. in Strahlenkrone n. r. Es. SE'^S Spes mit Blume, Gewand hebend, n. 1. K. B. Sehr barbarisch.

. . . [TETRIICVS CVES. K. in Strahlenkrone n. r. B«- . . . 8131*^121 Spes mit Blume, Gewand hebend, n. r., hinter ihr am Boden rätselhafter länglicher Gegenstand quer liegend, vielleicht nur Stempel- fehler. K. B. Sehr barbarisch.

Cohen VI. 128. 97. K. B.

Wahrscheinlich sämtlich ebenfalls Cohen VI. 128. 97., doch nicht sicher, da Aversumschrift (. , . TE- TRICVS CAES.) unvollständig.

[C. PlIV. ESV. TRIGVS 'sie!) CIAES.I K. in Strahlenkronen, r. Ba. SIPES PVBLIICA. Spes mit Blume, Gewand hebend, n. 1. K. B.

C. R. 'si'O... [TETIRICVS C. K. in Strahlen- krone n. r. Ba. SPES PVBLICA. Spes mit Blume, Gewand hebend, n. 1. K. B. PIV. ESV. TETRICVS CAES. K. in Strahlen- krone n. r. Ba. [SPEIS LPVBLIlCA. Spes mit Blume, Gewand hebend, n. 1. K. B. ESV. TETRICVS CAES. K. in Strahlenkrone n. r. Ra. [SPES] PVB[LICA1 Spes mit Blume, Gewand hebend, n. 1. K. B. Durch Kutschen des Schrötlings leicht verprägt, indem einerseits über das Gesicht des Av. hinweg ein Rand läuft, anderer- seits ebenfalls ein Rand (Perlenkreis) auf dem Revers sichtbar wird zugleich mit der Blume haltenden rechten Hand; durch diese Überprägung wird die oigcntlicho Darstellung rechts oben ver- dockt. K. n.

282

Beschreibung,

Tetricus II. Spes publica

Spes Aug oder Augg. oder publica

Virtus Aug.

Yirtus Augg.

Laotitia Aug.?

»

Pax Aug.?

Salus Aug. ?

Spes Aug.?

15

. . . [TETRICIVS CAES. (Barbarische Prägung.) K. in Strahlenkrone n. r. Rs. [SPES PVBLIICA. Spes mit Blume, Gewand hebend, n. 1. K. B. Sehr barbarische Prägung.

Noch erkennbar: K. in Strahlenkrone n. r. R». Spes mit Blume, Gewand hebend, n. 1. K. B.

Revergumschrift unvollständig. Av. C. PIV. ESV. TETRICVS CAES. Drapierte Büste in Strahlen- krone n. r. Rs. SPES . . . Spes mit Blume, Ge- wand hebend, n. 1. K. B.

. . . [TETR]ICVS CAES. K. in Strahlenkrone n. r. -ß«- SPES . . . Spes mit Blume, Gewand hebend, n. 1. K. B.

C. PIV. ESV. TELTRICVS]... K. in Strahlen- krone n. r. Ra. [SJPES . . . Spes mit Blume, Gewand hebend, n. 1. K. B.

IMP. C. TET[RICVS]... K. in Strahlenkrone n. r. Ra. VIRTVS AVG. Virtus in Helm n. r., Linke auf Schild stützend, r. Lanze haltend. K. B. Nicht bei Cohen.

. . . [T]ETRICVS CAES. K. in Strahlenkrone n. r. i^». [VIRTVSl AVGG. Virtus, r. auf Schild ge- stützt, 1. mit Lanze, n. 1. stehend. K. B. Nicht bei C oh en.

. . . [TETIRICVS CAES. K. in Strahlenkrone n. r. Ra. 00V[A1 S>/Tf1l> Krieger mit Lanze, auf Schild gestützt, n. r. K. B. Sehr barbarische Prägung.

...TETRICVS... K. in Strahlenkrone n. r. Rt. . . . AVG. Laetitia mit [Kranz] und Anker n. 1. K. B.

C. PIV. ES. TETRICVS... K. in Strahlenkrone n. r. Ra , , , AVG. Weibl. Figur mit ? und Anker n. 1. (Laetitia Aug.?) K. B. Avers durch doppelten Schlag leicht verprägt.

...LTETIRICVS PICVI (sie!) K. in Strahlenkrone n. r. Ra. SVTIS . . . <8ic! ganz deutlich) Pax mit Zweig und Soepter n. 1. K. B. Barbarische Prägung.

O. IIILf1IPC>2 C... K. in Strahlenkrone n. r. -ff"- ... VACC. Salus n. 1., Schlange (um Altar gewunden) fütternd. K. B. Sehr barbar. Prägung,

Barbarische Prägung von unkenntlichem Typus.

TETJ1ICVS. K. in Strahlenkrone n. r. Ra. /\ (?) ICIV . . . Spes, Gewand hebend, mit Blume n. r. K. B.

C. PIV. ESV. TETRICVS (sie!; CI (sie!) K. in Strahlenkrone n. r. Rs. . . .AVG. "Weibl. Figur im Spestypus (?) n. 1. Umschrift beginnt anstatt links unten rei-hts oben. Barbarische Prägung. K. B.

C. PIV. ESV. TETRICVS CAES. K. in Strahlen- krone n. r. 7^s'. Umschrift unkenntlich. Nach 1.

283

Kaiser.

Reversumschrift.

Beschreibung.

Tetricus II.

Virtus Aug.?

Tetricus I. oder II.

Comos Aug.

liihu'itas Aug.

Pax Aug.

Pdx Augg.

Virtus Aug.

schreitende Figur mit Blume (oder Zweig?) in der Rechten. Spes? K. B. 1 Barbarische Prägung von unkenntlichem Typus.

TETRICVS CAES. K. in Strahlenkrone n. r. -?^«- V...S 'Virtus?) Nacli 1. stehende Figur mit? und Lanze. K. B. 1 Barbarische Prägung von unkenntlichem Typus.

[TEITRICVS AVlG.l K. in Strahlenkrone n. r. -??«• O . . . I" Vorderansicht stehende weibl. Figur, in den ausgebreiteten Händen ? und Seepter oder Anker haltend. K. B. Barbarische Prägung von unkenntlichem Typus. . . . j [TETRIlCVS ... K. in Strahlenkrone. Rs. Nach links stehende Figur, beide .\rme senkend. K. B. 1 '■ Barbarische Prägung von unkenntlichem Typus. C. ! [P1IV2 ... K. in Strahlenkrone n. r. Es. ... V Nach r. stehende weibl. Figur, die Arme vor- streckend. Motiv undeutlich. K. B. C. PIV. ESV. TELTRICVSl ... K. in Strahlen- krone n. r. Es. . AV . . . Weibl. Figur mit Zweig und ? n. 1. stehend. K. B. Barbarische Prägung.

1 C. PI. ES. TETIRICVS] ... F. AVG. Kopf in Strahlenkrone n. r. Es. Umschrift und Darstellung unkenntlich, da zerquetscht. Nach 1. stehende weibl. Figur. K. B. Barbarische Prägung. 1 ... ITETJRICVS CAES. K. in Strahlenkrone n. r. Es. Die äusserst rohe barbarische Darstellung lässt weder aus den sinnlosen Buchstabenimitationen noch dem Typus Si(,'here8 erkennen. Nach links stehende bekleidete Figur, in der erhobenen R. Zweig (?), 1. Seepter haltend. K. B. C. PIV ... K. in Strahlenkrone n. r. Es. . . . V . . . Nach 1. stehende Figur mit Seepter und ? K. B. Rohe, barbarische Prägung. C. PIV. ...[TETRIlCVe. K. in Strahlenkronc n. r. Es. CVS T . . . VGI Weibl. Figur mit Seepter und Füllhorn (y) n. 1. K. B. Barbarische Prägung. 1 ; Einseitig geprägte K. B. COM EIS 1 . . . Victoria mit

I Kranz und Palme n. 1. stehend. 1 I Einseitige Prägung: HILARITAS . . Palme und Füllhorn n. 1. stehend. 1 i Einseitige Prägung: LPJAX AV[G oder GG.) Pax I mit Zweig und Querseepter n. 1. zwischen V ^fr K. B. Barbarische Prägung. Av. Q TE[TRIC]VS III... K. in Strahlenkrone n. r. E$. 7\TCAj AVGG. fi^^ mit Zweig und Seepter n. 1. K. B. OOTAITI/IwI . . . IVC K. in Strahlenkrone n. r. Eh. IVIRT1V2 CVN i= Aug. rückläufig) Mars mit Lanze, auf S'Iiild gestützt, n. r. K. B. Sehr barbarische Prägung.

Hilaritas mit K. B.

284

Kaiser. ' Reversumschrift. .5-§

:5 "^

Beschreibung.

Tetricus II.

1 i

Claudius II. Gothicus

n >*

OonsecTatio

5

1 1 5

1

••

<t •>

>•

M »»

Fclicit. temporum.

Felicitas Aug.

Fortunae reduci

Genius Aug.

Mars Victor od. Uitor

Pax Aug.

1 1 1 1 1 1

»

Provid. Aug. Securitas Aug.

2

1

QuIntillus

Virtus Aug. Conc. exerc.

1 1

1

. . . III C. K. in Strahlenkrone n. r. Es. zerquetscht und unkenntlich. K. B. Sehr barbarische Prägung.

IMP. C. TLETRICVS]... K. (nur Hinterkopf er- kennbar) in Strahlenkrone n. r. Es. , . . fUTICA (siel) Stehende weibl. Figur mit unkenntlichen Attributen; nur obere Hälfte infolge Zerquetschung sichtbar. K. B. Barbarische Prägung.

Barbarische Prägung von unkenntlichem Typus. CVS II . . . All Kopf in Strahlenkrone n. r. Hs. Um- schrift unlesbar. In Vorderansicht n. 1. stehende weibl. Figur, in den ausgebreiteten Händen 1. Anker haltend. Vor ihr Altar. K. B.

K. B. aus der Zeit von Tetricus I. oder II. Bar- barische Prägung von unkenntlichem Typus. Av. K. in Strahlenkrone n. r. (Umschrift nicht mehr erkennbar.) i?s. Stehende weibl. Figur mit Scepter und ? Vor und hinter ihr Stern.

Äusserst roh geprägte barbarische K. B. Av. . , . |||| K. in Strahlenkrone n. r. Es. Mit Kugel in der rückwärts gesenkten R. und Scepter (?) in der vorgestreckten L. n. r. schreitende Figur.

K. B. Barbarisches Gepräge von unkenntlichem Typus. -4r. Cl . . . CRIC. K. in Strahlenkrone n. r. Es. lOOJ . . . Rohe, nicht deutbare Prägung.

Cohen VI. 134. 43.

46.

K. B.

B. >'icht bei

K. B.

Cohen VI. 134.

Cohen VI. 135. o:

Cohen VI. 135. 54.

Cohen VI. 134. 47, jedoch in K.

Cohen. Cohen VI. 138. 75. Cohen VI. 138. 79. oder 80. Cohen ^^. 140. 108. Cohen VI. 140. 109. Cohen VI. 145. 154. oder 159/160. IMP. C. CLALVDIVS] ... K. in Strahlenkroue n. r.

-Rs. [P]AX AVG. Pax mit Zweig und Scepter

n. 1. K. B. Nicht bei Cohen. Cohen VI. 152. 223. K. B. DIVO (unter Patina deutlich erkennbar) CL[AVDI01.

K. in Strahlenkrone n. r. Es. ISECVRIIT. A[VG1.

Securitas Scepter haltend, mit gekreuzten Beinen

und auf Säule gestützt nach rechtsstehend. K. B.

Nicht bei Cohen. Cohen VI. 160. 313. oder 161. 314. K. B. Cohen VI. 164. Unbestimmbar.

K. B.

285

Wesentlich neues bietet nach Ausweis der vorstehenden Tabelle unser Münzfund nicht; neue Typen enthält sein Bestand nicht, nur allerdings sehr zahlreiche Varianten schon bekannter Darstellungen und Legenden. Ich habe in der Beschreibung stets nur auf Cohen Bezug genommen, nicht auch auf andere zusammenfassende Werke, wie das de Witte'sche: Recherches sur les erapereurs qui ont regne dans les Gaules au lir siocle de Tere chretienne (Lyon 1868) oder auf Einzelpublikationen in Zeitschriften. Die Varianten sind meist durch ein beigesetztes „Nicht bei Cohen'' kenntlich gemacht.

Das Hauptinteresse von sämtlichen Stücken nehmen natürlich schon wegen ihrer weitaus überwiegenden Anzahl die der beiden Tetricus für sich in An- spruch. Besonders autfallend ist hierbei die quantitative Ungleichheit des Vor- kommens der Reverstypen; so findet sich z. B. der Pax-Typus unter den 707 Münzen des Tetricus L allein 216 mal, der Laetitia-Typus 174 mal, dagegen beispielsweise der Pietas-Typus u. a. nur einmal. Des weiteren kehrt unter den 316 Münzen des Tetricus IL allein der Spes-Typus 177 mal, der Pax- Typus 42 mal, der Pietas-Typus 38 mal wieder, während z. B. Laetitia u. a. nur einmal nachzuweisen sind.

Es wäre unrichtig, aus diesem ungleichen Verhältnis schliessen zu wollen, dass diejenigen Typen, welche am zahlreichsten in unserm Schatzfunde ver- treten sind, die am spätesten geprägten, diejenigen, welche nur in wenigen Exemplaren vorkommen, die frühesten seien. Schon de Witte bemerkt a. a. 0. S. 145, 151 und 190, dass die beiden Tetricus gewisse Typen offenbar be- vorzugt haben, welche uns infolgedessen gegenüber den anderen in unverhält- nismässig grosser Zahl erhalten sind; de Witte bezeichnet als solche mit Recht für Tetricus I. den Pax-Typus, für seinen Sohn den gleichen und den Salus- Typus.

Ein Vergleich unseres Schatzfundes mit anderen ähnlicher Zusammen- setzung, wie z. B. denen von Cattenes, La Blanchardiere u. s. w.") zeigt die Richtigkeit der de Witte'schen Behauptung. Die kleine Tabelle auf S. 286, welche aus dem Heddernheimer und den beiden eben genannten Schatz- funden die Reverstypen der Münzen des Tetricus I. nach Massgabe der Häufigkeit ihres Vorkommens umgeordnet vorführt, wird dies am besten veran- schaulichen.

Es ist unschwer ersichtlich, dass alle drei Rubriken in den Zahlenpropor- tionen ziemlich übereinstimmen; nur bei dem Virtus-Typus übersteigt der Fund von Cattenes die anzunehmende Ziffer von c. 400 um ein Beträchtliches. Im ganzen ergeben sich die Typen Hilaritas, Laetitia, Pax und danach Salus, Spes, Virtus für Tetricus I. als die am häufigsten vorkommenden. Eine ähnliche Zusammenstellung der Münzen von Tetricus II. zeigt, dass er besonders die Typen Spes, Pietas, Pax und danach Comes Aug. bevorzugt hat.

^'i Vgl. Hettner, Römische Münzachatzfunde in den Rheinlanden. Westdeutsche Zeitschr. V'II.

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'Heddern I heim

Blanch.

Aequitas . . , Cornea . . . , Concord. equit. Felicitas publica Fides militum Fortuna redux Hilaritas . . Invictus

Jovi Statori . , Laetitia . . Mars Victor . , Moneta . . . Nobilitas . .

Pax

Fietaa ... Princ. iuvent. Providentia Salus ... Spes .... Victoria . . . Virtus . . .

43

1 26

57

3

174

1

216

1

5

4

45

42

18 36

672

6293

3

244

1

104

1

479

1

1

678

2

1

1

715

2

26

10

345

287

126

340

3367

Zum Schlüsse erübrigt, soweit möglich, eine Angabe der Zeit, um welche unser Schatzfund vergraben worden ist. Die letzten 3Iünzen, welche er ent- hält, sind solche des Tetricus I. und IL; sie können zeitlich bis 273 n. Chr. reichen und geben uns einen terminus ad quem. Den terminus post quem erhalten wir durch die Konsekrationsmünzen des Claudius Gothicus. Der Fund wird etwa in der Zeit zwischen 270 273 n. Chr. in die Erde versenkt worden sein, eine Zeit, welche gerade für Heddernheim von um so grösserem Interesse ist, als die dortige Römeransiedelung, wie Inschriften, Gefässformen u. s. w. be- weisen, bald nach der Mitte des 3. Jahrhunderts definitiv aufgegeben worden ist.-*)

**) Nachdem die vorstehende Arbeit bereits gedruckt Avar, Hess mir Herr Dr. Ritterling freundlichst die Mitteilung zukommen, dass es ihm gelungen ist, die Einzelteile des ersten Münzfundes im Bestände des Wiesbadener Münzkabinets nachzuweisen. „Von der Ansicht ausgehend, dass, wenn der Schatzfund wirklich bald nach 139 vergraben ist, die Münzen des IMus und Hadrian noch ein frisches Gepräge gehabt haben müssen, sah ich zunächst die letz- teren durch. Da fielen mir bei Plus sogleich 4 Stück, mit Stempelglanz prächtig erhalten, auf, ebenso 2 bei Sabina und eine grössere Anzahl bei Hadrian. Ein Vergleich mit dem .,detail- lierten Verzeichnis'* ergab, dass sie sich damit vollständig decken. Die früheren Münzen sind natürlich alle abgeschliffener, aber durch ihre weissliche Farbe deutlich von den übrigen Denaren zu unterscheiden.** tVergl. oben S. 189 unten und Anm. 221 Dem zweiten Münz- fundc glaubt Dr. R. auf (jrund ihres Aussehens noch eine grüssere Anzahl in der Sammlung zerstreuter Stücke zuweisen zu müssen (vergl. S. 189 unten und Anm. 23). Mir ist es indessen zweifelhaft, ob man bei diesen Kleinerzen, die sich in der Regel ähnlich sind wie ein Ei dem andern, bei «lern Mangel Jeglicher Trovenienzangubc 'etwa auf lioigoiegtcm Zettelchcn oder ähnlich; allein iiadi 'lern .\usselien urteilen darf.

Die Pyxis des Wiesbadener Altertums-Museums.

Von

Otto Donner^Yon Richtsr»

Hierzu Tafel II.

Das genannte Museum besitzt unter seinen grossen Schätzen an römischen Altertümern eine Elfenbein-Pyxis, d. h. eine runde, niedrige Büchse, welche in dem dem Fenster zunächst stehenden Schaufenster des Raumes IV unter No. 110 aufgestellt ist (siehe Abbildung auf Tafel 11). Sie ist gebildet aus einem Abschnitt eines gewaltigen Elephantenzahnes von seinem unteren Ende und daher nicht mathematisch genau kreisrund; in ihrem grössten äusseren Durchmesser misst sie 0,125 mm, ihre Höhe beträgt 0,075 mm. Aus dem Körper des Elfenbeins herausgearbeitete Reliefdarstellungen schmücken ihre äussere Fläche rundum und machen sie zu einem ungemein interessanten Skulptur- gegenstand aus spätrömischer Zeit, d. h. aus dem 4, Jahrhundert nach Christus, wofür verschiedene Anzeichen sprechen, auf welche ich noch zurückkommen werde.

Über ihre Provenienz scheint leider gar nichts bekannt zu sein, denn auch Herr Oberst von Cohausen wusste in seinem Führer durch das Altertums- museum nichts anderes anzugeben, als „dass sie wahrscheinlich aus einem Kirchenschatze stamme." Diese Annahme hat eine gewisse Begründung in der bekannten Thatsache, dass solche kostbare Pyxiden, welche ursprünglich meist den römischen Damen als Schmuckbehälter dienten, in den christlichen Jahrhunderten als Geschenke an Kirchen kamen und daselbst als Hostieube- hälter verwendet wurden.') Ja, wir besitzen solche Pyxiden, welche schon in früher Zeit für diesen Zweck besonders gearbeitet wurden, wie z. B. die in Karthago ausgegrabene, jetzt in dem städtischen Museum zu Livorno befind-

') Ausführlicher wird Herr Professor Ernst aus'm Wocrth diesen Gegenstand in seinem begonnenen Werke: ^Fundgruben der Kunst in den Elfenbeinarbeiten des Alterthums und Mittelalters" behandeln. Er hatte die Güte, mir Einblick in die Einleitung zu diesem Werke zu gestatten, wofür ich ihm auch noch an dieser Stelle meinen Dank wiederhole.

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liehe Pyxis aus dem 4. Jahrhundert, auf welcher Christus dargestellt ist, „wie er sitzend die ihm dargereichten Fische und Brode segnet, um sie zu ver- mehren."*)

An unserer Pyxis fehlt leider jetzt der Deckel, mit welchem sie offenbar einmal ausgestattet war, aus welcher Zeit herrührend, bleibt ungewiss. Ob dieser Deckel aus Elfenbein bestand, wie der erhaltene Boden der Pyxis, ist jetzt nicht wohl zu entscheiden. Er könnte auch aus Metall, d. h. Bronze, Silber oder Gold oder aus versilberter oder vergoldeter Bronze gewesen sein, denn offenbar war auch die Büchse innen mit einer Metallfütterung versehen, was wir aus den zahlreichen Bronzenieten schliessen können, deren Köpfe an der Aussenseite allenthalben sichtbar sind, hier und da auch das Elfenbein grün gefärbt haben. Der grosse ausgebrochene Teil in dem oberen Rande und der Wandung der Pyxis bezeichnet die Stelle, an welcher das Schloss angebracht war, die kleinere Lücke am Rand die Stelle für das Scharnier, welches sich indessen nicht dem Schlosse diametral gegenüber, sondern seitlich befand, was in dem Umstand seine Erklärung finden mag, dass für Schloss und Scharnier Stellen gewählt worden sind, an welchen die figürlichen Darstellungen nicht verletzt zu werden brauchten. Diese geübte Rücksicht legt den Gedanken nahe, dass die Pyxis ursprünglich nicht für einen verschliessbaren Scharnier- deckel berechnet war, sondern dass ein solcher erst als spätere Zuthat hinzu- kam, ebenso die Metallfütterung, denn das Durchtreiben der Nieten durch die Reliefs und zum Teil durch die Figuren hindurch ist doch immerhin ein etwas barbarisches Verfahren.

An dem auf Tafel II abgebildeten Elfenbeinboden der Pyxis sind die in demselben ein Kreuz bildenden dunkeln Stäbchen Einlagen aus schwarzbraunem Holze. Die den äusseren Rand umgebenden kleinen Kreise sind scharf gebohrte Vertiefungen, welche mit einer dunkelroten Farbenmasae ausgefüllt w^aren, während die Vertiefungen der laufenden Bänder an den Halbmessern der Viertels- kreise und längs der Kreuzarme mit grüner Farbmasse ausgefüllt gewesen sind. Von beiden Ausfüllungen sind noch einzelne Teile erhalten. Kleine Silber- bleche, welche an den Enden der Kreuzarme am Rande des Bodens nach der Wandung der Pyxis hinaufgebogen sind, scheinen spätere Zuthat zu sein.

Ohne Zweifel ist dieses seltene und kostbare Gefäss sehr lange Zeit hin- durch in Gebrauch gewesen, denn die teilweise Abschleifuog der am stärksten hervorragenden Reliefteile weist darauf hin. Diese Reliefs sind es nun, mit welchen wir uns eingehender zu beschäftigen haben.

Die in denselben dargestellte Ilaupthandlung führt uns in ein römisches Gastmahl ein, dessen Teilnehmer, fünf an der Zahl, sich nach antiker Sitte bequem auf die üblichen Speisesophas (accubitum, triclinium) niedergelassen haben, welche zu grösserer Annehmlichkeit, namentlich zum Auflehnen des linken Armes, noch mit einem wulstartigen Polster versehen sind. Bekanntlich

2) Vgl. .,Fraotio panis" von Josoph Wilpert, Froihini,'' i. H., Henlersche Vorlags- harullun;,' IhfC», 8. i:'.. Diose l'yxis ist publiziert durch De Kossi, BuUottino 18;U, Tut". IV bis V, p. 47 sqq.

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war die Aaordnung do3 Speisezimmers, welches nach den in der Kegel nur für drei Personen berechneten Speisesophas, den Triclinien, gleichfalls Triclinium genannt wurde, der Art, dass drei solcher Sophas die drei Seiten eines Vier- ecks bildeten, dessen vordere Seite als Eingang offen blieb, sodass die Be- dienenden bequem die Speisen auf den vor dem mittleren der drei Sophas stehenden Tisch hinstellen und wieder wegnehmen konnten. Eine solche An- ordnung in Relief ohne Perspektive und bei knapp bemessenem Raum deutlich darzustellen hat seine Schwierigkeiten und man kann nicht sagen, dass der Künstler seine Aufgabe hier mit befriedigender Deutlichkeit gelöst habe. Aber er half sich so gut er konnte, indem er zwei der Sophas ihrer ganzen Breite nach mit ihrer üblichen Neigung von der Seite gesehen, das mittlere aber 3 0 darstellte, dass man es zwischen den beiden ersteren von der Stirnseite sehen muss ; das gelang ihm aber insoferne nicht ganz, als man diesen Teil ebenso gut für einen kleinen Tisch halten kann, auf welchem eine Schüssel mit einem nicht ganz deutlichen Gegenstand steht, welch' letzterer aber ein ge- bratenes Huhn oder sonst ein Geflügel zu sein scheint. Hierbei kam aber der Künstler wiederum in die weitere Verlegenheit, wie er es dem Beschauer klar machen sollte, dass die dieses Mittelsopha einnehmende Figur auf dem Sopha wie die anderen sitze oder halb liege, da er den unteren Teil derselben nicht mehr zeigen konnte. Er hätte die gewünschte Wirkung erreichen können, wenn er das Wulstpolster zum Aufstützen der Arme es ist in dem Relief durch die netzartige Schraffierung als solches bezeichnet vor der Taille der Figur und unter ihren Ellnbogen durchgeführt hätte, statt hinter ihr, wie er es gethan hat. Er schien dies Mittel aber zu scheuen, da er diese Mittelfigur als die Hauptfigur seiner Darstellung betrachtet wünschte und sich daher bemühte, von ihr so viel wie möglich zu zeigen. Hierdurch entsteht aber für den Be- schauer die gänzliche Unklarheit über die Pose dieser Figur, denn sie scheint auf einem Stuhle zu sitzen, was nach römischer Sitte bei einem solchen Mahle ausgeschlossen sein muss. Iq der von mir als zweckmässiger für die Klar- stellung der künstlerischen Absicht geschilderten Weise hat der allerdings weit vorzüglichere Künstler, welcher die Illustrationen in dem Virgil-Codex No. 3225 des Vatikans ausführte, diese Schwierigkeit in der Darstellung des Gastmahles der Dido mit Aeneas und einem seiner Gefährten („Didonis cum Aenea con- vivium, alio etiam accubante") gelöst, wobei auch das halbmondförmige Wulst- polster (sigma, stibadiura) zu deutlicher Anschauung kommt.^) Ebenso deutlich ist das Tischchen vor dem Triclinium dargestellt, auf welchem ein Teller mit einem Fisch steht.

^) Beim Speisen im Freien wurd« dieses Wulstpolster halbmondförmig auf die Erde gelegt; hinter ihm, mit den Armen auf das Polster aufgestützt, lagen die Speisenden und in dem offenen Raum des Halbmondes standen die Speisen auf der Erde, wie wir dies auf das Deutlichste dargestellt sehen in den Lagerscenen auf den Illustrationen des Mailänder Iliaa- Codex, in einem Relief der Galleria delle iscrizioni im Vatikan, und in dem Freskogemälde der .,Fractio panis" in der Cappella graeca der Katakomben der lieiligen Priacilla in Rom. Vgl. Joseph Wiipert. ,Fractio panis", Taf. XIII— XIV.

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Mit dem hier zum Yergleiche herangezogenen Bilde aus dem Virgil-Codex hat aber unsere Darstellung noch die weitere Ähnlichkeit, daas auch in letzterer die Haupt- und Mittelfigur des Mahles eine mit reichem Halsschmuck gezierte Dame ist, welche in ihrer linken Hand die Weinschale hält, während der zu ihrer Linken auf dem Triclinium gelagerte Jüngling seine offenbar geleerte Schale dem dienenden Knaben entgegenstreckt, welcher, eine frischgefüllte Amphore im linken Arme haltend, herantritt und mit erhobener Hand dem un- geduldig Verlangenden zuzurufen scheint: „Da bin ich ja schon!" Zur Rechten der Dame sitzt ein zweiter Jüngling, welcher mit ihr in lebhafter Konversation begriffen zu sein scheint, denn mit der rechten Hand macht er die Geste des Redenden, während auch er in der linken die Schale mit Wein hält, dessen Güte vielleicht das Thema der Unterhaltung bietet. Hinter der rechten Schulter der Dame sieht noch ein weiblicher Kopf hervor, hinter ihrer linken ein männ- licher, welche beide Personen angehören müssen, die noch als Teilnehmer an dem Gastmahl zu betrachten sind und die hinteren Plätze auf den in der Seiten- ansicht dargestellten Sophas einnehmen. Entsprechend dem bereits erwähnten, die Amphore herbeibringenden Knaben, sehen wir auf der entgegengesetzten Seite einen Knaben sich nähern, welcher auf dem Kopfe einen flachen Korb trägt, den er mit beiden erhobenen Händen stützt und welcher mutmasslich weitere Gerichte oder Brode für das Mahl enthält. Es ist zur Illustrierung der herrschenden römischen Sitte von Interesse, auch hier wieder das schon erwähnte Bild aus dem Virgil-Codex vergleichend heranzuziehen, denn auch auf ihm sind zwei bedienende Knaben, beide als Mundschenke mit Weinkanne und Becher versehen, abgebildet, und beide tragen die kurze, langärmelige Tunica und Hosen mit Verzierungen^ wie wir dies in ganz gleicher Weise bei dem Knaben mit der Amphore sehen.

Über den Ort, an welchem das Gastmahl stattfindet, geben uns die^ Re- liefs selbst Aufschluss. Zunächst an den korbtragenden Knaben schliesst sich die liegende Figur des Nilgottes an, welcher in der Rechten ein verziertes Ruder hält und umspielt wird von Kinderfiguren, wie wir sie von der berühmten vatikanischen Nilstatue her kennen, an welche Darstellung unser Künstler an- zuknüpfen scheint, seinem Vorbilde dabei aber wenig gerecht wird. Durch wellenförmig eingeritzte Linien rund um diese Gruppe herum sind die Fluten des Nils dargestellt, in welchen sich ein Krokodil zwischen Lotospflanzen be- wegt, die zum Teil nur als Knospen und Kelche auf langen Stengeln behandelt sind, teils aber auch Kelche zeigen, aus welchen sich die inneren Blumenteile schon entwickelt haben. Am Ufer des Flusses sitzt, mit dem rechten Arm auf eine liegende Sphinx gestützt, eine mächtige weibliche Figur, in der linken erhobenen Hand eine Rebe haltend, deren Traube in ihrem Schoosse aufliegt. Ihr Gewand scheint den linken Arm und die linke Brust unbedeckt zu lassen, während der rechte Oberarm verhüllt ist. Zwei geflochtene Bänder, welche von beiden Schultern nach der Mitte des Gürtels geführt sind und sich daselbst mit ihr vereinigen, halten das Gewand; das reiche Haar fällt nach egyptischer Sitte bis auf die Schultern herab, das breite, volle Gesicht umrahmend und in dieser Totalauordnung macht auch diese Figur trotz der ungeschickt und un-

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schön gestellten Beine immer noch einen so bedeutenden Eindruck, dass man auch hier geneigt ist, ein vorzügliches Vorbild vorauszusetzen, welches aber die geringere Gestaltungskraft des Elfenbeinschnitzers bei der Umwandlung der Statue in ein Relief nicht zu erreichen vermochte.

Nach Analogie vieler antiker Darstellungen dürfen wir in dieser Figur mit aller Sicherheit die Lokalgottheit erkennen, und wenn es auch am nächsten läge, sich Alexandria als die zu jener Zeit bedeutendste Stadt in Egypten in jener weiblichen Figur personifiziert zu denken, so scheint mir doch die Sphinx ganz besonders auf Memphis hinzuweisen, welches im ganzen Altertum durch seinen Sphinxkoloss und seine Sphinxalleen berühmt war; auch passt zu dieser Binnenstadt die Traube besser als zu der Seestadt Alexandria.

Bei so genauer Charakterisierung der Lokalität ist die Annahme berech- tigt, dass unsere Pyxis in besonderem Auftrage der Dame angefertigt wurde, welche in dem Centrum der Handlung als fröhliche Gastgeberin dargestellt ist, an welcher Rolle sie besonderes Wohlgefallen finden mochte. Der auf den ersten Blick nahe zu liegen scheinende Gedanke, dass hier etwa Kleopatra und Antonius dargestellt sein könnten, düifte wohl kaum ernstlich in Betracht kommen, da die Arbeit nach den charakteristischen Merkmalen der Kostümie- rung wie nach ihrem künstlerischen Charakter kaum früher als in das 4. Jahr- hundert nach Christus gesetzt werden kann. Die Reminiscenzen an die grosse antike Kunst sind in ihr jedoch noch lebendig erhalten; aber die Ausführung der Reliefs ist mittelmässig und scheint mehr auf den allgemeinen Verfall der Kunst, wie auf eine nicht besonders begabte Künstler-Individualität in einer noch guten Kunstperiode hinzudeuten.

Die nachfolgenden Zusätze verdanke ich der Gefiilligkeit des Herrn Pro- fessors E. aus'm Weerth.

Vor länger als 25 Jahren habe ich mich schon bemüht, die in Kirchen- schätzen und in Museen befindlichen runden Elfenbeingefässe, die man gemein- hin Pyxiden nennt, durch Abbildungen und Beschreibungen für eine Gesamt- Veröffentlichung der Elfenbeinarbeiten des Altertums und Mittelalters') zu-

*) Auf die Bedeutung meines seit Jahrzehnten und wegen der Unkosten noch immer nicht veröffentlichten Werkes: ^Fundgruben der Kunst in den Elfenbeinarbeiten des Alterthums und Mittelalters", verweise ich auf die Bemerkungen von Schnaase, Kunstgeschichte, 2. Aufl., in, 221 A. I und 581 A. 2; Hahn, Fünf Elfenbeingefässe des frühesten Mittelalters, S. (5 u. ff.; Otte, Handbuch der kirchlichen Kunstarchäologie, 5. Aufl. IL, S. 531, oben.

Über die wissenschaftliche Stellung der alten Elfenbein-Skulpturen und ihre Gruppierung mag es angängig sein, aus der Einleitung meines Werkes Folgendes anzuführen:

„Die Periode vom Ende des Römischen Reiches bis zum Jahre 1000 ist für die Kunst- geschichte aus zwei Gründen eine durchaus öde und dunkle. Einerseits, weil in dieser, mit Ausnahme der ebenso plötzlich erscheinenden als plötzlich verschwindenden karolingischen Kultur-Insel, armen und wüsten Zeitperiode grosse Kunstwerke nicht entstanden und nicht entstehen konnten, andererseits, weil die Zerstörungslust und die Raubgier der Hunnen und Normannen alles aus der Welt schafl'te, was ersterer nicht widerstand und letztere reizen

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sammen zu brlagen. Einzelne derselben sind von mir veröffentlicht''), ihre Gruppierung nach bestimmten Gesichtspunkten in der archäol. Gesellschaft zu Berlin, im Verein von Altertumsfreunden in Bonn besprochen und in Kraus' Real-Encyklopädie der christlichen Altertümer I, 399 ff. aufgeführt worden.

Zu einer besonderen Gattung dieser Gefäase gehört dasjenige im Museum zu Wiesbaden, welches vorstehend Herr Otto Donner-von Richter be- sprochen hat. Ich gestatte mir, daran einige kurze allgemeine Bemerkungen zu fü"-en und einen Hinweis auf die bisher unbekannt gebliebene, aber wahr- scheinliche Herkunft zu geben.

Dass zu den gottesdienstlichen Bedürfnissen des ersten Christentums ent- fernt keine neuen Formen und Gerätschaften erdacht und geschaffen, sondern

konnte. Nur die Erzeugnisse zweier der Kleinkünste, nämlich die Miniaturmalerei der in den Klöstern geschriebenen und illuminierten Handschriften und die Elfenbeinarbeiten ihrer Deckel und sonstio-er kirchlichen Gefässe, sind, als dem steten speziellen kirchlichen Bedürfnisse unmittel- bar entspringend, in ununterbrochener Weise in jenen trüben Zeiten entstanden und deshalb vor dem Untergang gerettet worden, weil sie die Habsucht der Barbaren ihrer materiellen "Wert- losigkeit wegen nicht anlockten. Aus diesen beiden Kunstgattungen sind wir deshalb auch allein im Stande, ein ziemlich vollständiges Bild der Kunstentwickelung jener Zeit und der ihr zu Grunde liegenden Ideen und Lebensanschauungen zu konstruieren. Die in dieser Wichtigkeit längst erkannte Bedeutung einer Herausgabe der frühmittelalterlichen Miniaturen ist bereits vor 60 Jahren in Paris versucht worden, aber teils an der Ungeeignetheit des damit betrauten Grafen August Bastard, teils an der Kostbarkeit des Farbendruckes gescheitert, nachdem 2 3 Millionen Francs von der französischen Regierung Louis Philipps dafür verausgabt sein sollen. Das von mir vorbereitete Elfenbeinwerk wird sich nach Massgabe des angedeuteten Gesichtspunktes vor allem bestrebt halten, aus dem durch die ganze Welt zerstreuten und zum Teil versteckten Material solche Denkmäler (und zwar diese sämtlich) auszuwählen, welche geeignet sind, den Gang der Entwickelung sowohl nach der Form, als nach dem Gedanken- Inhalt klar zu stellen.

Wenn die vorstehend bezeichnete Periode, in welcher die römische Civilisation zu- sammenbrach und aus den erst sich setzenden und entwickelnden germanischen Anschauungen eine neue Kultur sich vorbereitete, wie erwähnt, keine grossen Kunstwerke hervorbringen konnte, so ist doch alles, was sie in dieser Hinsicht hervorbrachte, deshalb von so grosser Bedeutung, weil es ein Bild der inneren geistigen Arbeit jener Zeit darbietet. In dieser Periode leben sich die religiösen Anschauungen des Heidentums aus und werden abgelöst und verdrängt von den in die Volksphantasie einziehenden Bildern des Christentums.

Charakteristisch und teilweise grossartig gestaltet sich dieser Hergang ganz beaonders in der Abteilung der Elfenbein-Pyxiden. Die mit mythologischen Figuren geschmückten römischen Gefässe, ursprünglich zur Aufbewahrung von Kostbarkeiten dienend, werden plötzlich in der altchristlichen Kirche, wahrscheinlich infolge der Donation vornehmer Damen, zur Aufnahme der hl. Hostien verwendet. Damit ist in der Weiterbildung die Umänderung der schmücken- den Darstellungen geboten. Aber die daraufhin veranschaulichten christlichen Vorgänge be- halten doch immerhin noch lange Zeit entweder in der Form das klassische Gewand, wie es die Gestalten Jesu und der Apostel der berühmten Pyxide von Berlin zeigen oder sie be- kunden heidnische Reminiscenzen im Inhalte, wie Orpheus als guter Hirt (Bobbio), Maria und Josef im Charakter von Zeus und Hera mit einer Personifikation des Lichts als Lichtgottheit (Werden); wie ferner die Personifikation des Nil nach der berühmten vatikanischen Gruppe (Wiesbaden), bis sie endlich den christlichen Charakter des Mittelalters vollständig in biblischen Darstellungen annehmen und fortführen."

"') Aus meinen Materialien wurden zwei arabische Pyxiden späterer Zeit veröffentlicht, 8. 11 j tf. im 4!). Jahrbuch des Vereins von Altertiimsfreuntlon.

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das Yorhandene übernommen wurde, bedarf keines erneuten Beweises. So sind auch die zu Hostienbehältern, zu Ciborien verwendeten Elfenbein-Pyxiden, welche ursprünglich als Erzeugnisse des orientalischen Kunsthandwerkes für die Aufbewahrung kostbarer Wohlgerüche und Pretiosen aus dem Heimatlande des Elfenbeinhandels, aus Arabien^) nach Rom gelangten und dort zu Schmuckbüchsen vornehmer Damen umgebildet, lange in Mode blieben, dem kirchlichen Gebrauch durch fromme Donation übergeben worden.

Die reliefierte Ausschmückung der Mantelfläche dieser Gefösse bringt des- halb auch in der ältesten Gattung keineswegs biblische Vorgänge zur Darstellung, sondern lediglich solche aus dem Gebiete der griechischen Mytho- logie und Sage. Dahin gehören die Pyxiden in den Museen zu Bologna, Wien, Zürich und Wiesbaden, in den Domkirchen zu Bobbio, lePuy und Xanten und zwei weitere in der früheren Sammlung Possenti zu Fabriano. In einer daraus sich entwickelnden zweiten Gattung treten zwar die heid- nischen Vorgänge in der Darstellung gegen biblische zurück, aber sie sind ein- gekleidet in vollständig antike Formgebung, sodass man z. B. in der sitzenden Gruppe von Josef und Maria an der Krippe des Jesuskindes auf der Pyxide von Werden^) unwillkürlich an die Typen des olympischen Gütterpaares Jupiter und Juno erinnert wird; und in der Figurenreihe des jugendlichen bart- losen Heilandes inmitten der Apostel, an dem schönen Gefäss im Berliner Museum, in Ermangelung der Nimben, wie irgend einer anderweitigen sakralen Kennzeichnung weit eher au eine Konsularversammlung, als wie an den lehrenden Gottessohn denken würde, führte uns nicht auf diesen die Paralleldarstellung der Opferung Isaaks am äussersten Eode des Bildes. Erinnert das Götterpaar der Werdener Pyxis an das Zurückgreifen auf ein antikes Relief, so die klassische Form des Berliner Bildwerkes an den römischen Sarkophagstiides 3. Jahrhunderts.') Unmittelbar auf das Vorbild eines römischen Sarkophags deutet auch eine grosse, zuerst von mir im Jalire 1871 aufgefundene Pyxis im Dom zu Bobbio mit Orpheus unter den Tieren, und die Wiederholung dieses Motivs auf der Pyxis von le Puy. Die dritte, die grösste Mehrzahl, mindestens 20 Pyxen, umfassende Gruppe, welche dem Zeiträume etwa vom 5. 9. Jahrhundert angehört, veranschaulicht lediglich biblische Gegenstände und neben dreimal der Geburt, zweimal der Auf- erstehung hauptsächlich die Wunder Jesu, besonders die Auferweckung des Lazarus, die Heilung des Gichtbrüchigen und des Blindgeborenen, sowie die Vermehrung der Fische und Brode. So auf den Büchsen zu Darmstadt, Pesaro^), Reichenau, Bologna, Livorno, Petersburg, Rom u. s. w.

') Letztere abgebildet und besprochen in Aus'm Weerth, Rhein. Kunstdenkmäler, Taf. XVII, I.

*) Ebendaselbst Taf. XXIX, ß.

°) Vergleiche meine Auslassung in der 2. Aufl., S. 246, Nr. 978 des Katalogs der Aus- stellung kunstgewerblicher Altertümer 1880 zu Düsseldorf.

*) Als Reliquienbehälter ohne figürlichen Schmuck finden sich in fränkischen Gräbern mitunter kleinere, aber sonst ähnliche Büchsen, so z. B. von Gold in Hornburg, jetzt im Museum zu Kolmar. Westdeutsche Zeitschrift VIII, Taf. XV.

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Wie in der Wahl der Gegenstände und in der Zeitstellung sind die in 3 Gruppen von mir auseinaudergehaltenen Pyxiden es sind ihrer bis jetzt 36 auch in Bezug der besseren und geringeren technischen Ausführung und in Bezug der darin erkennbaren Unterschiede des Stils zu unterscheiden.

So glaube ich mit Bestimmtheit eine Schule von Metz und Trier, von Mailand, Ravenna und St. Gallen nachweisen zu können. Wenn Schnaase die Pyxis von Werden byzantinischer Werkstatt und einer römischen die von Wiesbaden zuschreibt'), so kann ich dem nicht beipflichten. Der scharfe, aber sichere und charakteristische Schnitt der Werdener Figuren und die plumpen Formen des Wiesbadener Nilgottes lassen diese Folgerung meines Erachtens nicht zu und möchte ich beide nicht früher als in das 5. Jahr- hundert setzen.

In Bezug der Erklärung des kleinen Wiesbadener Denkmals will ich an dieser Stelle der so gelehrten, wie sachgemässen Erklärung meines verehrten Kollegen nichts beifügen, indem ich auf dasselbe in meinem Sammelwerke zurückkomme. Da dem Wiesbadener Gefäss der Deckel fehlt, so lässt sich nicht mehr feststellen, ob auf diesem, wie auf den Deckeln einiger anderer Pyxiden, einst Ösen sich befanden, welche die Folgerung zulassen, dass auch unser Exemplar, an Metallkettchen über dem Altar herabhängend, zur Auf- bewahrung der Eucharistie gedient hat, wie späterhin die reich emaillierten Tauben von Metall. Dafür kennzeichnen sie ausser den zum Hängen bestimmten Ösen, wie sie noch die Pyxiden zu Sitten, Xanten und Pesaro bewahren*), das an denen von Berlin (Hahn No. H), Pesaro, Reichenau, Petersburg (Hahn No. I) und Sitten unter dem Schlosse angebrachte Signaculum, nämlich jenes von einem Lorbeerkranz umschlossene Kreuz, in dessen Winkel die vier Nägel des Kreuzes Christi gestellt sind.

Über die Herkunft der Wiesbadener Elfenbeinbüchse geben „Lotz, Kunsttopographie Deutschlands", „Lotz und Schneider, Denkmälerstatistik des Reg. -Bez. Wiesbaden" und „von Cohausen, Führer durch das dortige Museum" keine Auskunft. In den erstgenannten Werken wird das kleine Denkmal über- haupt gar nicht erwähnt. Wir müssen uns also nach Spuren in der Vergangen- heit umschauen. In einem Schatzverzeichnisse des Trierer Domes vom Jahre 1238 wird eine Elfenbein-Pyxis aufgeführt, die aber daselbst nicht mehr vor- handen ist.®) Bekanntlich wurde der Trierer Domschatz beim Herannahen der Franzosen im Jahre 1794 auf 24 Wagen vom letzten Kurfürsten Clemens

') Schnaase, Kunstgeacli. II. Aufl., III, 582 A. 2.

*) Zum Authängen der Pyxiden fand ich im Jahre 1864 in der Sammlung Bouvier zu Amiens und im Dom zu Ma8tri(;lit kleine Hiingevorrichtungen. Die letztere besteht aus zwei durch :i run'^e Messingstäbchen auseiuandergehaUencn, mit .Metall-Rosetten verzierten Elfenbeinplatten. Über die Metallstäbe glitten die Ketten zum Auf- und Herunterziehen. Im Museum zu Namur befindet sich eine der häufig vorkommenden kleinen, runden emaillierten Ilostiendosen mit Turmdach, an welclien 4 in Knaufe auslaufende Stäbchen zum Anlieften <ler Hängeketten hervorragen.

'■') Mitteilungen aus dem Gebiet der kir(;lil. Aroliäulogie und Goschichte der Diözese Trier. 185(i-i;ü, il, IJG.

295

"Wenzeslaus zur vermeintlichen Sicherheit auf die damals churtriersche Festung Ehrenbreitdtein geflüchtet, aber durch die widersinnige Ausdehnung des Ar- tikel 37 des Reichsdeputations-Hauptschlusses von 1804, wunach den neuen Landesherren rechtsrheinischer Gebiete auch die dahin geflüchteten Mobilien zufielen, nicht nach Trier zurückgegeben, sondern dem Herzog von Nassau zu- gebracht, dem somit der gesamte Trierer Domschatz rechtlich verblieben ist. In meiner Yerüffentlichung von dessen wissenschaftlich kostbarsten Stücken, denen des 10. Jahrhunderts, nämlich: dem Tragaltar des hl. Andreas"), dem Sieges- kreuz Konstantin Yll. und Romanus IL, dem Hirtenstab Petri"), erwähnte ich bereits, dass Se. Hoheit der Herzog von Nassau 1827 bei Errichtung des Bis- tums Limburg die dortige Domkirche mit den unvergleichlichen Kostbarkeiten des Trierer Domschatzes ausstattete. Der Tragaltar des hl. Andreas, ein er- betenes herzogliches Geschenk an den Fürsten Metternich, gelangte nach dessen Tod an den Trierer Dom zurück. Ein mit Edelsteinen und Emaillen reich geschmücktes Prozessionstabernakel, eine Barockarbeit des 18. Jahrb., vergab der freigebige Fürst an die Pfarrkirche zu Wiesbaden.'*) Die grössten in der Herzoglichen Schatzkammer noch verbliebenen Kostbarkeiten sind jene 6 gol- denen Gewisse, in deren Mantel die 431 römischen Goldmünzen aus dem 1691 in Perscheid bei Oberwesel im damaligen Landesgebiet des Kurfürstentums Trier gemachten Funde eingelassen und mit dem von Diamanten umkränzten Email-Bild des Erzbischofs Johann Hugo geschmückt sind.'^)

Infolge einer im Jahre 1865 durch den Oberkammerherrn von Bock mir erteilten Höchsten Erlaubnis zur archäol. Durchmusterung der Herzogl. Schatzkammer in Biebrich und den mündlichen Mitteilungen des damaligen Ver- walters der Schatzkammer Schalk habe ich die Überzeugung gewonnen, dass die Pyxis des Trierer Dom-Inventars und die des Wiesbadener Museums iden- tisch sind. Wahrscheinlich ist dieselbe schon bei Gründung des Museums mit anderen Gegenständen summarisch abgegeben worden.

E. aus'm Weerth.

") Aus'ra Weerth, Rhein. Kungtdenkmäler, Taf. LV.

^') Aus'm Weerth, Das Siegeskreuz Konstantin \7I. und Romanus II. und der Hirten- stab des Apostels Petrus, Bonn 1866. Vgl. meine späteren Auslassungen in den Verhandlungen des internationalen archäol. Kongresses 1868 zu Bonn, S. S9 ff. und im angeführten Düssel- dorfer Ausstellungskatalog, S. 223 ff.

^'^) Siegeskreuz, S. .5.

") Jahrb. 37, 241 u. 72, i:)3.

20*

Zwei Eberbacher Inschriften.

Von

Fr* Otto*

Die zwei Eberbacher Inschriften, die hier mitgeteilt werden sollen, ver- danken wir der Aufmerksamkeit der Herren Dr. iur. Albert Wilhelmj und Domänenrat Czeh dahier. Als im Winter 1896 die Blitzableiter zu Reicharts- hausen im Rheingau nachgesehen und ausgebessert wurden, bemerkte man auf dem Dache des Südflügels des Schlosses einen ziemlich grossen Schiefer- stein, der, wie sich bei näherer Betrachtung ergab, auf der Innen- und Aussen- seite Inschriften zeigte. Herr Dr. Wilhelmj, der Besitzer des Schlosses, hatte die Freundlichkeit, ihn dem Yerf. dieser Zeilen zur wissenschaftlichen Verwertung zu übersenden mit dem Beifügen, dass er den Stein dem hiesigen Museum zum Geschenke mache. Die zweite Inschrift befindet sich auf der unteren Seite der Umfassungsmauer des Steinbergs, wo die Wiese des Weinbergs ist und durch die mit einem Eisengitter geschlossene Öffnung der Mauer ein Bach strömt; sie ist nach innen gerichtet und etwas über den Zug der Mauer erhöht. Herr Czeh nahm eine Abschrift und überliess sie uns freundlicher Weise zur Veröffentlichung.')

I. Die Inschrift von Reichartshausen.

Der Hof Reichartshausen war eine der ältesten Besitzungen des Klosters Eberbach; schon der erste Abt Ruthard erwarb auf dem Gebiete des längst verschwundenen Dorfes gleichen Namens ein Gruudstück, den Grundstock der allmählich vergrösserten Besitzung, und erbaute ein Ilofhaus, von wo aus ein Mönch des Klosters, Curialis, Rector curiae oder Oeconomus genannt, das Gut verwaltete. Ein Bild des Hauses und seiner Umgebung in früherer Zeit giebt die Karte des Rheingaues von 1575 in Bd. XVII der Aunalen. Unter dem Abte Adolf I. (1727—1737) erschien es ,alt und ruinös*, und man beschloss einen Neubau. Mit dem Abbruch des alten Gebäudes wurde alsbald begonnen, doch erst dem Nachfolger Adolfs, Hermann Hungrighausen von Mengers- kirchen (1737 1750), war es beschieden das Werk auszuführen. Er selbst war

') Die folgenden Notizen beruhen auf II. Bars OeacVu-hte der Abtei Eberbacli, RoS' äcis Urkunden des Kloiterd Eberbach und Aut'zeic-lmuu^'en i(n hiesigen Staatsarchive.

297

Curialis zu Roichartshausen gewesen und wollte ein prächHgeres und ge- räumigeres Bauwerk an die Stelle des alten setzen. Sofort legte er die Hand an die Ausführung und errichtete zunächst den Mittelbau (^nach Westen ge- richtet), an den sich im Jahre 1738 der NordHügel mit dem Keller, im Jahre 1740 der Südflügel mit dem Viehstall anschloss. Auf diesem lag der Schieferstein, dessen Chronogramm die Zahl 1741 aufweist; das Dach muss also erst in diesem Jahre gedeckt worden sein.

Die Inschrift auf der Aussenseite des Steines lautet mit Auflösung der Abkürzungen also:

Sub reverendissimo et perquam gratioso Domino

D: Abbate Eberbacensi

D: Hermanne Hungrighausen.

Sunt ad majorem quia Numinis omnia laud[em],

Sic structura isthac aedificata fui[t]. In DeM lahr aLs aLLenthaLben Wie In hiesigen Vnseren orthen theVrVng War.

Das lateinische Distichon, Z. 4 und 5, übersetzen wir also:

Alles auf Erden gereicht zum grösseren Ruhme der Gottheit; So auch ist dies Haus, das du erblickest, erbaut.

Die Zahlbuchstaben der letzten Zeilen sind:

MDLLLLVVVVVVVIIIIII = 1741.

Auf der Innenseite steht diese Inschrift:

»

T J V R

In diesen drei Buchstaben ist eine Devotionsformel versteckt; man kann sie etwa so auflösen: Jesus verus (oder unicus oder unus) Redemptor = Jesus der wahre (einzige) Erlöser.

ir. Die Inschrift vom Steinberg.

Auch der Steinberg, der mit Recht so gefeierte Spender des edelsten Weines der Rheinlande, gehörte zu den ältesten Erwerbungen des Klosters Eberbach; die etwa 14 Morgen, welche Abt Ruthard hier kaufte, wurden all- mählich noch im ersten Jahrhundert des Klosters durch Kauf, Tausch oder Schenkung zu dem jetzigen Umfang erweitert, die Wildnis des Platzes angerodet und mit Reben bepflanzt; ein Zaun, bestehend in einer lebendigen Hecke, schützte das Ganze, aber nicht genügend, vor Diebstahl; man stellte zur Zeit der Reife wohl Wachen aus, jedoch hören die Klagen über Entwendung der Trauben nicht auf. Da beschloss der Abt Adolf Werner von Salmünster im Hochstift Fulda, woher er auch Fuldensis genannt ward (1750—1795), dem Unfug ein Ende zu machen. Er Hess in den Jahren 1761—1763 eine 12 Fuss hohe Mauer um den ganzen Weinberg ziehen und brachte an der oben be- zeichneten Stelle eine lateinische Inschrift in zwei Distichen an; die Zahlbuch-

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Stäben des ersten Distichons ergeben die Zahl 1766 als das Jahr, in dem die Tafel anf^ebracht wurde. Zum Verständnis des zweiten Yersepaars schicken wir voraus, dass der Delphin das Wappen des Abtes war-) und sein Bild an verschiedenen Orten der Mauer in Relief angebracht ist. Die Inschrift lautet: MYrVs hlC eXstrVItVr, VItes Vt tVtet AdoLpho.

PartYrIt eXspIrans otia grata Labor. Suavi Delphinus requie relevatur, amoenas Yitibus arbor ubi chara tuetur aquas.

In deutschen Distichen:

Dieses Gemäuer erbaute zum Schutze der Reben Adolphus.

Lässet die Arbeit nach, folget erquickende Ruh. Süsser Erholung geniesst der Delphin, wo dichtes Gezweige, Teuer dem Rebengeländ', schützet den freundlichen Quell.

Die Zahlbuchstaben des ersten Distichons sind:

MDCLLXXYYYYYYVYIIIin = 1766.

-I Nach der freundlichen Mitteilung des Herrn Archivrat Dr. Sauer. Über die Wappen von Eberbach s. Rössel, Die Abtei Eberbach im llheingau II, 17, Anm.

Das Recht des Bannes Maxsain, saee. XIII.

Von

Dr. W. Sauer^

Königl. Arohivrat und Staatsarohivar zu Wiesbaden.

Den Bann Maxsain trugen zu Lehen vom Erzbischofe von Trier die Grafen von Spanheira, welche gegen 1194 die Herren von Bolanden hier und in dem benachbarten Selters mit Höfen belehnt hatten (Mittelrh. Urkundenb. HI Nr. 650, Sauer, Lehensbücher der Grafschaft Bolanden, S. 23).

Das in Folgendem mitgeteilte Weistum bewahrt das Archiv der Grafen von Sayn, an welche Maxsain aus dem Spanheimischen Besitz gelangt war. Dasselbe ist von einer Hand aus dem Ende des 13. Jahrhunderts auf ein ein- zelnes Blatt Pergament niedergeschrieben; es ist möglich, dass die Spanheimer Erbteilung vom 1. Juli 1277, durch welche Selters und Maxsain an den Grafen Heinrich von Spanheim kamen (Mittelrh. Regg. IV, 446), die Yeranlassung zu dieser Aufzeichnung gegeben hat.

Da dieses bisher nicht bekannt gewordene Weistum zu den ältesten Sprachdenkmälern des Westerwaldes im weiteren Sinne gehört, dürfte dasselbe nicht allein des auch für die Rechtsgeschichte wichtigen Inhaltes wegen eine weitergehende Beachtung in Anspruch nehmen.

Dit sint alle di reht van Maxeyne.

Mit me ersten solen da sin virzin scheffinnen. Unde man müz da ine sien,

we da si zu me gedinge, of we da nit in si, de müz wethen eine

missedait, dat sint zin penninge sware münzen. Yort so wrügent di scheppenen allit dat schedillig is in deme banne')

und des herrin. Vort alle, di da wannent tussen heyde und heinburg, di sülen wessen zu

drin stunden bin me iare zu gedinze. A^ort ein ewilich, de da want in deme banne, de is schuldich szwene

penninge unt efer szwene, di nimt der scolteise zu geldene di

rindere und di schaf.

') Somit koDimt die Bezeichnung ,bann" niclit erst im Jahre i:J3i> zum ersten Male vor, wie Vogel S. tib7 annimmt.

300

Yort ein ewilich ein virdel evinnen'O und einen hellinch.

Vort up sente Walpurge dag zin march penninge.

Yort gilt man da se^zich schaf, di mag man vuden') in derae banne, so

wa man wilt. Yort up sente Bartholomeus missen und up sente Mychahelis missen

szwinzich march penninge. Yort tüssen sente Mychahelis missen und sente Martins missen ses kuig'),

di kuig van vunf Schillingen und dri penninge. Yort umbe sente Martins missen so gent si zins, de wirt den manne, di

da af verlenit sint. Yort umbe sente Martins missen so geint si hundirt malder evenen und

virzine kleinre mazin und up den selven dag virzint pünt wasses. Yort so geldint si drizzich swin, dat sal man prüven, dat it sweier

Schillingen wert si, und ein malder salzs. Yort in der vastcn eine meyse herrinchs unde drizzich hechte und ein

malder crwieze. Yort der scolteize de is sculdich deme porteuere seszin penninge of vir

heiin duchis und deme koeke') ses pennewert*^) scüchelin und szwene

buchün deme wechere und den schiffluden van Cofelenze ein uz

den vorsprochenen swinen unde szwei schaf. Yort der hof van Yillebag") de git eine hälfe march penninge. Yort den ginen, di du evene dragent, eine ewelichen sache eine weche

van eine virlinge.

*) evinne, im folgenden evone = avena, Hafer. ^) Füttern. *) Kühe. *) Wessen Pförtner, Koch und "Wächter? Ob des Lehensherren? *) Pfennig wert. ') Hof Vilbach bei Xordhofen; Vogel, S. 686.

Zur Gefässkunde der vorrömischen, römischen und fränkischen Zeit in den Rheinlanden.

Unter diesem Titel verüflFentlicht Konstantin Koenen (Bonn, P. Hansteins Yerlag 1895) „einen ersten Versuch" wie er in kurz gefasstem Vorwort sich ausdrückt „die verschiedenartigsten, zu Hunderten in den Museen aufgestellten rheinischen Gefässe der vorrömischen, römischen und fränkischen Zeit zu sichten und ihren Fundumständen nach so durch Bild und Wort vorzuführen, dass Jedermann, der ein Gefäss oder eine Scherbe findet, nicht bloss beurteilen kann, ob sein Fund vorrömisch, ob er römisch oder fränkisch ist, sondern auch in welche speziellere Epoche der genannten Zeiträume derselbe gehört." Die Arbeit soll ferner zugleich Gelegenheit geben, bei der Veröffentlichung eines solchen Fundes die für die betreifende Epoche charakteristische Gefässform zu eitleren. Die Hauptfäden des systematischen Netzwerks umgrenzen eine vorrömische, römische und fränkische Epoche, während für die Beurteilung der nachfränkischen mittelalterlichen Gefässe ein allgemeiner Hinweis schliesst. Originalzeichnungen des Verfassers geben auf 21 Tafeln der Vorstellung des Lesers feste Formen an die Hand. Die Gefässe der vorrömischen Zeit teilt der Verfasser sodann

in solche:

A. des Steinzeitalters (1. Äolithischea, 2. Paläolithisches, 3. Xeo-

lithisches Zeitalter);

B. des Bronzezeitalters (Periode älterer und jüngerer Bronzezeit) und

C. des Eisenzeitalters (Thongefässe der Hallstatt-Perioden und solche der La Tene-Perioden).

Jede der Unterabteilungen wird wiederum in sich differenziert; so das paläolithische Zeitalter in die Typen von St. Acheul, Moustiers, Solutre und La Madeleine und das neolithische Zeitalter in die Epoche der Bandkeramik, der Megalithgräber u. s. f.

Dann verbreitet sich der Verfasser eingehender über Art und Wesen rheinischer Gefiisse aus der Kaiserzeit, indem er unter Abgrenzungen einer ersten, mittleren und späteren Kaiserzeit gesonderte Betrachtungen römischer und ger- manischer Gefässe durchführt und der Zeitfolge der römischen Lampen einen so instruktiven wie interessanten technologischen Exkurs widmet. Endlich münden die Untersuchungen in die fränkische Zeit; innerhalb dieser trennt der Forscher die merovingische von der karlinffischen Periode, in deren Kunst-

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Übung er wiederum früh- und spätkarlingische Typen unterscheidet. Die nach- karlingischen Gefasse behandelt er sodann als ledigliche Ausläufer der Karlinger- zeit: ,Es sind zumeist nur verroherte Arten der Karlingertöpfe, Die Neue- rungen sind kaum zu nennen. Auch erhielten sich mabche ältere Stücke als Familienstücke und wir finden auch als Handelsware manche, in früherer Zeit entstandene Form noch Jahrhunderte beibehalten. Aber in den meisten Fällen begegnen wir in den Kulturschichten der nachkarlingischen Zeit doch dem einen oder anderen Gefäss, welches eine Unterscheidung älterer und späterer Herkunft gestattet."

Kurz vor Vollendung des Koenen' sehen Werkes erschien in der Fest- schrift für Overbeck eine 13 Seiten gr. F. umfassende Abhandlung von dem Direktor des Trierer Prov.-Museums, Prof. Dr. F. Hettner, die sich zur Auf- gabe stellt, einen kurzen Überblick über die römische Keramik auf gallisch- germanischem Gebiete zu geben, also den Hauptimpuls mit der Arbeit Koenens teilt. Xur sollte die letztere von Haus aus weiteren Zwecken dienen, d. h. zum Nachschlagen und Citieren hilfreiche Hand leisten und die Chronologie nach der vorhandenen brauchbaren rheinischen Materie im Einzelnen und Ganzen möglichst erschöpfend behandeln. So fehlt denn auch bei Hettner das reiche bildliche Beiwerk, welches Koenens Buch dem heimischen Forscher schwer entbehrlich machen dürfte. In dieser Hoffnung ist das fleissige Werk begonnen und beendet worden und wenn gerade in der citierten Schrift des Trierer Ge- lehrten dem Wunsche Nachdruck gegeben wird, dass eine geschichtliche Dar- stellung der römischen Keramik unter Beigabe genügender Abbildungen einem der dringendsten Bedürfnisse der römischen Archäologie begegnen möge, so wird die Wissenschaft das Koenen 'sehe Werk als einen willkommenen Schlüssel begrüssen, welcher auch entlegene Pforten des verschlungenen Weges zu öffnen im stände ist, wenn nicht anders dieser selbst als in seinen Haupt- verzweigungen durch Koenen freigelegt und geebnet scheint.

Wiesbaden, 7. Februar. Adalbert Schroeter.

Nachträge

zu der Abhandlung: „Die Herren von Beilstein und Greifenstein'\ S. 1 ff.

Zu S. 7, 8. Xachdem der Druck der vorbezeichnetea Arbeit bereits abgeschlossen, fand ich bei Durchsicht der ungedruckt gebliebenen, mir in einem vom Archivrat von Preuschen angefertigten Auszug vorliegenden Arbeit des Gräflich Leiningen -Westerburgischen Archivars Knoch, „Entwurf einer verbesserten Genealogie des Hauses Wester- burg und Runkel" 1762, dass dieser, wenngleich ohne weitere Be- gründung, bereits im ganzen dieselbe Vermutung über die Stammes- gemeinschaft der Häuser Merenberg, Runkel und Greifenstein aus- gesprochen hat, welche ich jetzt aufgestellt habe. Ich unterlasse deshalb nicht, die betreff'ende Stelle jenes Buches wörtlich mitzu- teilen:

Kapitel H. Von dem vermutlichen Ursprung der alten Runkelischen Herrn.

§ 5. Wenn aber die Ähnlichkeit der Wappen zum Erweis

einer gemeinen Abstammung etwas beitragen könnte, so sollte wohl

präsumieren, dass die Herrn von Merenberg, Greifenstein und Wester-

burg einerlei Ursprungs gewesen sein müssten. Wenn eine Familie

sich von der anderen trennte, so wurde das Wappen in einigen

Stücken verändert, wie das Isenburgische und Limburgische nicht

nur ausweiset, sondern auch von vielen anderen bekannt ist.

[Folgen die Zeichnungen der Wappen von Merenberg, Westerburg und Greifenstein; letztere Zeichnung zeigt in beachtenswerter Weise ein aufrecht stehendes Kreuz mit ausgezackten Rändern.]

Dieser Herren Lande und Herrschaften grenzen gleichsam in einem Komitate zusammen, mithin ist dieses der Grund, warum wir eine gemeinsame Abstammung setzen, obgleich das Runkelische Wappen damit gar nicht quadrieren will. Wovon aber anderwärts ein mehreres wird gehandelt werden.

Weilen aber in alten Zeiten alle Geschichte und Genealogie in unserer Gegend in der Finsternis vergraben, so wird man ausser diesen Mutmassungen nicht weiter gehen können!

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Zu Seite 22, sowie S. 1, 13, 23, 24, 20 und der Stammtafel bemerke ich, um einer irrigen Deutung der hier angewandten Bezeichnung Isenburg- Limburg vorzubeugen, dass hier die Bezeichnung der Spezialliuie Limburg dem Stammnamen Isenburg, dessen alleinige Angabe genügt hätte, aus dem Grunde beigefügt wurde, um die Speziallinie des Hauses, an welche sich der Greifensteiner Zweig desselben in ver- wandtschaftlicher Beziehung angliedert, besonders hervorzuheben. An anderen Stellen, wo dies nicht erforderlich schien, S. 21, 23, 34, 35, 36, ist die Bezeichnung Isenburg oder Isenburg-Greifenstein gewählt. Dass die mit Gerlach I. (IV.) von Isenburg beginnende Unter- linie Limburg für sich eine wesentliche Umgestaltung des Isenburger Stammwappens aus einer bisher nicht ermittelten Veranlassung vor- nahm, während der jüngere, zum Besitz von Greifenstein gelangte Zweig das alte "Wappen des Hauses, die zwei Querbalken, beibehielt, ändert an der Sache nichts. Auch weitere jüngere Zweige, welche sich um dieselbe Zeit oder bald darauf von dem Grensauer Stamm des Hauses abteilten, haben das Stammwappen des Hauses unver- ändert beibehalten. Ein ähnlicher Vorgang findet sich ja auch bei den Häusern Ruukel und Westerburg. Übrigens beansprucht die möglichst kurz gehaltene Untersuchung S. 22 ff. auch nicht, das Hervorgehen des Zweiges Isenburg-Greifenstein aus dem Hause Isenburg endgiltig zu ermitteln. Diese Frage gehört ebenso sehr der Geschichte des Hauses Isenburg an und braucht deshalb hier nicht weiter in die Untersuchung gezogen zu werden. Auch dürfte es bei dem Mangel urkundlicher Nachrichten schwer fallen, den Anschluss des Zweiges Greifenstein an das Stamrageschlecht in einer jeden Zweifel ausschliessenden Weise zu erweisen. Seite 46 ist zu den dort mitgeteilten Nachrichten über den Heinricus Advo- catus de Westerburg hinzuzufügen, dass er und der urkundlich 1215 (Kremer, Origg. Nass. II, S. 259) in einer Urkunde des Klosters Seligenstatt auftretende Heinricus advocatus de Irmtroth vermutlich ein und dieselbe Person sind. Aus Irmtroth, jetzt Irm- traud, östlich von Westerburg, haben Lehmann, Dynasten von Westerburg, S. 12 und nach ihm Brinckmeier, Geschichte des Hauses Leiningen -Westerburg II, S. 16 das unverständliche „Irm- stadt" gemacht.

Dass das später auftretende, dem niederen Adel angehörige Geschlecht von Irmtraud, welches einen nach rechts aufsteigenden schwarzen Bock in silbernem Felde im Wappen führte, seine Ab- stammung von dem Genannten nicht herleitet, braucht kaum bemerkt

zu werden.

Dr. Sauer.

Vereins-Nachrichten.

Jahresbericht des Sekretärs.

(Vom 1. April 1895 bis zum 31. März 1896.)

Allgemeines. Wiederum war das wissenschaftliche wie gesellschaftliche Leben des Vereins Sommer und Winter hindurch ein angenehm bewegtes.

Vorstandssitzungen fanden statt am 18. Juni, 29. Juli, 11. Sep- tember und 18, Dezember IS 95, sowie im Februar 189 6. Ferner war für den 26. Oktober 1895 eine ausserordentliche Generalversamm- lung in der Turnhalle der höheren Töchterschule anberaumt worden, die indes wegen zu geringer Beteiligung ergebnislos blieb. In der ausserordentlichen Generalversammlung vom 26. März 1895 war ein neuer Statutenentwurf beraten worden, dessen schliessliche Fassung von der Königl. Regierung ab- gelehnt wurde. Da die Versammlung vom 26. Oktober für bedenklich hielt, ihrerseits die neue Form zu bestimmen, wurde eine neue ausserordentliche Generalversammlung angeordnet, die am 6. November wiederum in der genannten Turnhalle stattfand und den Beschluss fasste, den am 26. März angenom- menen Entwurf unter eingehender Begründung der Königl. Regierung aufs neue einzureichen, mit dem Ersuchen, Entwurf und Begrün- dung dem vorgesetzten Herrn Minister zu unterbreiten.

Es handelt sich bei dieser Eingabe lediglich um die Rechtsfrage, ob das Wiesbadener Museum, das aus Staatsmitteln seine Existenzmöglichkeit gewinnt, wie denn auch seine Verwaltung staatlich organisiert ist, Staatseigentum sei oder nicht. Erstere, im Jahre 1871 statutarisch fixierte und seitens des vorgesetzten Ministeriums als zu Fug und Recht bestehend gebilligte Anschauung war in der ausserordentlichen Generalversammlung vom 26. März 1895 als hinfällig erachtet worden. Diese ausschlaggebend gewordene Meinungsdivergenz des Ehemals und Heute hat inzwischen den Instanzenweg angetreten.

Die alljährliche ordentliche Generalversammlung fand Samstag den 21, Dezember 189 5 abends 6 Uhr im Museumssaale statt. Sie verlief programmgemäss in den Berichten des Konservators und Sekretärs und einem Vortrag des letzteren über eine Episode der Wiesbadener Theatergeschichte. Der Rechnungsablage folgte die Neuwahl einer Rechnungs-Prüfungs- kommission, deren Funktionen die Tierren Rechtsanwalt Guttmann, Ingenieur Ileuzel und Dr. Ritterling ühernahmpn. Sodann wurde zur Ergän/ungs-

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wähl des Vorstandes geschritten, als deren Resultat sich die Wiederwahl der im Turnus ausscheidenden Herreu: Sanitätsrat Dr. Florschütz, Land- gerichtsrat Keutner und Rentner Gaab erwies. Bei der nunmehr vorgenom- menen Neuwahl eines Yereinsdirektors wurde Herr Sanitätsrat Dr. Flor- schütz wiedergewühlt. Zum Schlüsse ergriff auf die Interpellation des Herrn Archivar Dr. Meinardus, wie weit die Frage der Museumszugehürigkeit eine Lösung gefunden habe, das Wort Herr Amtsgerichtsrat Düsseil und erklärte, dass er, seinerzeit durch Krankheit verhindert, der Frage eingehende Studien gewidmet und gefunden habe, dass das Museum von Hause aus als Staats- eigentum gedacht und aufgefasst worden sei. Der ausführliche Nach- weis dieser Thatsache (den er der Versammlung in der Kürze mitteilte), sei von ihm schriftlich aufgezeichnet worden, und werde auf dem Vereinsbureau zur Einsichtnahme ausgelegt werden. Der Abend wurde mit einer geselligen Zusammenkunft im „Roten Haus" beschlossen.

Am 26. Oktober 1895 wurde durch den Königl. Regierungspräsidenten Herrn von Tepper-Laski der neuernannte Konservator der Altertümer des Museums, Herr Dr. Ludwig Pallat aus Wiesbaden, in den Bibliotheksräumen des Vereins vereidigt und in sein Amt eingeführt.

So setzt sich der Vorstand des Vereins zusammen aus folgenden Mit- gliedern:

Direktor: Herr Sanitätsrat Dr. Florschütz.

Konservator: Dr. Ludwig Pallat.

Sekretär: Bibliothekar Dr. Adalbert Schroeter.

Ferner den Herren:

Dr. med. Ahrens.

Amtsgerichtsrat Düsseil.

Rentner Gaab.

Landgerichtsrat Keutner.

Professor Dr. Lohr.

Major a. D. Schlieben.

Oberlehrer Dr. Wedewer.

Schuldirektor Weldert. Die Gesamtheit des Vereins bestand bei Abschluss des 27. Bandes der Annalen aus 355 Personen. Seitdem hat der Verein folgende Mitglieder gewonnen:

1. Herrn Stabsarzt Dr. med. Stern, Bad Weilbach.

2. Amtsgerichtsrat Giershausen, Höchst a. M.

3. Dr. phil. J. Upmann, Wiesbaden.

4. Dr. phil. Wilh. Schmitthenner, Gymnasiallehrer, Wiesbaden.

5. Dr. phil. B. Heil, Gyranasial-Oberlehrer, Wiesbaden. G. von Bodecker, Oberst a. D., Wiesbaden.

7. Dr. phil. Otto Weddigen, Gymnasiallehrer a. D., Schriftsteller,

Wiesbaden.

8. Friedrich Hanne mann, Chefredakteur des Wiesbadener

Generalanzeigers.

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9. Herrn Dr. phil. Ileinr. Meyer, Gymnasial-Oberlehrer a. D., Wiesbaden.

10. Dr. med. Henke, Oberstabsarzt, Wiesbaden.

11. Dr. phil. Ludwig Pallat, Königl. Konservator der Altertümer

am Landesmuseura zu Wiesbaden.

12. Kaufmann Wilh. Erkel, Wiesbaden.

13. Kaufmann Gust. Erkel, Wiesbaden.

14. Dr. juris Loeb, Rechtsanwalt, Wiesbaden.

15. Langrod, Architekt, Wiesbaden,

16. Jonas Hertz, Rechtsanwalt, Wiesbaden.

17. Dr. juris Arthur Fleischer, Rechtsanwalt, Wiesbaden,

18. j, Emil Erkel, Direktor der Wechselstube der Darmstädter Bank

in Berlin.

19. Rentier M. Magnus, Wiesbaden,

20. Louis Neuendorff, Hotelier, Wiesbaden.

21. Adolf von Eck, Rechtsanwalt, Wiesbaden.

22. Anton Jäger, Lehrer, Wiesbaden.

23. Fräul, Elsbeth Schütze auf Rittergut Zichtow bei Glüven.

Diesen bis zum Redaktionsschlüsse des Jahresberichts neu eingetretenen 23 Mitgliedern steht leider ein Verlust von 22 Mitgliedern gegenüber, welche der Verein durch Abmeldung oder Tod verlor.

Ihren Austritt erklärten:

1. Herr Dr. Wilh. Velcke, Stadtbibliothekar, Mainz.

2. R. Faber, Chemiker, Wiesbaden.

3. Hofrat Schmitt, Wiesbaden.

4. Se. Excellenz Graf zu Eulenburg, Ministerpräsident, Berlin.

5. Frau von Boch, Mettlach,

6. Gräfin von Matuschka auf Schlosa Vollrads.

7. Herr Malmros, Amtsrichter, Limburg.

8. Floeck, Architekt, Wiesbaden.

9. Dr. M eurer sen., Wiesbaden.

10. Schwedersky, Lieutenant a. D. und Redakteur.

11. Frau Todd, Freiburg i. B.

12. Herr Lucas, Lehrer, Salzuflen.

13. Fonck, Landrat a. D., Rüdesheim.

14. Dr. Braun, Professor, Hadamar.

15. Trosiener, Ingenieur, Niederlahnstein.

16. Stinnes, Geolog, Wiesbaden.

17. Feldner, Lehrer, Kassel.

18. Dr. med. Henke, Oberstabsarzt, Wiesbaden.

19. Schütte, Major a. D., Wiesbaden.

Durch den Tod verlor der Verein: 1. Herrn Hugo von Donop, Major z. D. und Oberhofmeister (starb im September 1895 zu Wiesbaden).

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2. Herrn Dr. Overbeck, Geh. Hofrat und Professor, korrespondierendes

Mitglied des Yereins (starb am 8. November 1895 zu Leipzig).

3. Freiherrn Lüw von Steinfurth, Oberlieutenant a. D. (starb

am 29. Januar 1896 zu Wiesbaden).

So ist der Gesamtverein um ein Mitglied gewachsen und besteht somit zur Zeit aus 356 Personen.

Bibliothek. Die Bibliothek des Yereins war im vergangenen Yereinsjahr Dienstag und Freitag geöffnet von 3 5 Uhr des Nachmittags. Ihre Bestände erfuhren wiederum durch systematischen Austausch gegen die Yereins-Annalen vielseitige, sogar gesteigerte Bereicherungen, während wesentliche Ankäufe ver- sagt bleiben mussten. Dahingegen ging der Bibliothek eine Reihe stattlicher Geschenke zu. So unter anderen aus dem Nachlass Sr. Excellenz des General- lieutenants von Seydlitz zu "Wiesbaden: Droysen, Yorks Leben. Bd. 1 3. Berlin 1851. Overbeck, Pompeji. Leipzig 1856. Kunsthistorische Bilder- bogen. Leipzig 1877. Lübke, Grundriss der Kunstgeschichte. A. 8. Stutt- irart 1879. Buch er, B., Geschichte der technischen Künste. 3 Bde. Stutt- gart 1875. Baron, La Belgique monumentale. T. L IL Bruxelles 1844. Jahn, 0., Aus der Altertumswissenschaft. Bonn 1868.

Ferner wurde der Bibliothek seitens des Herrn Yerfassers das Prachtwerk zum Geschenk gemacht:

Das Gräberfeld von Reichenhall in Obcrbayern. Geöffnet, unter- sucht und beschrieben von Max von Chlingensperg-Berg. Mit 1 Karte und 40 Fundtafeln in unveränderlichem Lichtkupfer- druck auf Crayonpapier. Reichenhall. Yerlag der H. Bühler'schen Buchhandlung. 1890. Wiederholte Schenkungen erfuhr die Bibliothek auch in diesem Jahre durch Herrn Sanität^irat Dr. Florschütz und Herrn Professor Dr. Otto, uod seitens des P. Hanstein'schen Yerlags zu Bonn das oben besprochene Werk:

Koenen, Konstantin, Gefässkunde der vorrömischen, römischen und fränkischen Zeit in den Rheinlanden. Allen gütigen Gebern, in erster Linie aber den Erben Sr. Excellenz des Generallieutenants von Seydlitz, sowie Herrn Max von Chlingen- sperg-Berg zu Reichenhall spricht der Yerein auch an dieser Stelle seinen herzlichsten Dank aus.

Wissenschaftliche Exkursionen haben auch im vergangenen Sommer unter mehr oder minder lebhafter Beteiligung sowohl seitens des Gesamt- vereins, als seiner Historischen Sektion stattgefunden. Der erste Aus- fiu" hatte die Kirche zu Kiedrich, sowie die Ruine Scharffenstein zum Ziele. Die Führung hatte in liebenswürdigster Weise der Herr Ortspfarrer übernommen. Es wurde die Geschichte der Baulichkeiten erörtert, und die Schätze der Kirche, wie ihre prachtvollen Kunststickereien, Glasfnnster, Decken- und Wandmalereien eingehend in Augenschein genommen. Dann folgte die Wanderung nach der Ruine Scharffenstein und am Abend zwischen 8 und

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9 Uhr ein erneuter Besuch der Kiedricher Kirclie, in welcher eine Messe celebriert wurde, deren besonderer Ritus kulturell wie musikalisch ungewöhn- liches Interesse bot.

Die zweite Exkursion hatte das Museum zu Mainz, sowie den römischen Aquädukt daselbst zum Ziele. Die Führung hatte Herr Dr. Ritterling für den verhinderten Vereinsdirektor freundlichst übernommen. Ein drittes Mal wurden die alten Keltenäcker und Keltengräber am Taunusblick (Station Chausseehaus bei Wiesbaden) besucht, und weitere AusHüge nach Braubach und der Marxburg, sowie nach den prähistorischen Hügel- gräbern bei Langenhain im Taunus folgten.

Über die Exkursion der Historischen Sektion nach Bleidenstadt berichtet das weiter unten erfolgende gütige Referat des Herrn Professor Dr. Grimm; die ebenfalls weiter unten folgenden Mitteilungen über den Vortrag des Herrn Dr. Ritterling (über den Gräberfund bei Langenhaiu) geben zugleich den wissenschaftlichen Inhalt der erwähnten Vereinsexkursion wieder.

Vorträge. So war der Herbst gekommen, und die Vorträge wurden seitens des Gesamtvereins im „Roten Hause" und von der Historischen Sektion im „Tivoli-Saale" wieder aufgenommen.

Die Vorträge im „Roten Hause" fanden von Anfang an eine derartig rege Beteiligung, dass die bezügliche Lokalität sich je Ifinger je mehr als kaum ausreichend erwies. Die Vorträge selbst, die sich an jedem zweiten Mittwoch folgten, nahmen folgenden Gang:

Erster Vortrag.

Die Vortragsabende im „Roten Hause" eröffnete am 13. November der Vereinsdirektor Herr Sanitätsrat Dr. Florschütz mit seinem Bericht über die diesjährige Generalversammlung der deutschen Altertumsvereine, die vom 15. bis 20. September in Konstanz tagte.

Nachdem der Herr Redner, der durch die Wahl des Vorstands als Vertreter des Vereins delegiert war, den Verlauf der Verhandlungen allgemeiner charakterisiert hatte, in deren Vordergrund aus der sub- jektiven Anschauung der Referenten wiederholt in wechselnder Beleuch- tung Johann Huss getreten sei, verbreitete er sich insbesondere über seine persönliche Beteiligung an dem Gange der Arbeiten als nassau- ischer Deputierter. Hauptsächlich zwei Fragen sind es gewesen, die von seiten dos nassauisrhen Delogierten ihre Fiirderung gewannen. Zunächst handelte es sich um die wissen- schaftliche Feststellung, an welchen Orten mit Sicherheit prähistorische Kultus- stätten anzunehmen seien. Zu diesem Zwecke waren Fragebogen entworfen und versendet worden. Es ergaben sich als Resultate der bisherigen Forschungen nur fünf Stellen, an denen mit Sicherheit i)rähistorische Kulte anzunehmen seien. Die zweite Anregung, die von dem Nassauisehen Verein ausging, betraf die Frage

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tler „Mardellen". als welche man bisher ohne Kritik irgend welche vermeintlich vor- geschichtliche Dungstätten, Hohlräume und unterirdische Wohnstätten bezeichnet hatte. So sei eine grundlegende Fixierung des Begriti'es notwendig geworden. Als ^Mardelle sollen nunmehr in Zukunft nach dem Vorschlag des Delegierten vorgeschichtliche Abfallstätten bezeichnet werden, wie solche beispielsweise in Schierstein auf dem Besitztume des Herrn Dr. Peters entdeckt und systematisch untersucht worden sind. Dieselben besitzen bei trichter- oder wannenförmiger Form der Vortragende ver- anschaulichte seine Ausführungen sowohl durch Wandtafel-Skizzen, als eine seltene Ausstellung von Schiersteiner Fundstücken eine Tiefe bis zu zwei Metern und einen geringeren oder grösseren Umfang je nach ihrer ehemaligen Bestimmung als Abfallsgrube eines einzelnen Hauses oder einer ganzen Ansiedelung. Die Funde, die in diesen Gruben gemacht worden sind, deren durchaus trümmerhafter Inhalt durch die konservierende Kraft der Asche sich gleichwohl durch die Jahrtausende erhalten hat, gehören der prähistorischen Zeit der Pfahlbauten an und sind gleichartig mit den am Bodensee gemachten Funden aus der ältesten Pfahlbautenzeit, sodass man zu der Annahme gelangen muss, welche auch durch eine gleiche, auf Sumatra, Borneo u. s. w. bestehende Gepflogenheit dortiger Stämme sehr wahrscheinlich wird, dass man es bei dem Schiersteiner Fund mit Abfallräumen zu thun hat, welche von Menschen, die in Landpfahlbauten wohnten, angelegt und benutzt wurden. Im Lehmboden des Peters'sclien Gebäudes haben sich freilich die Grundpfosten dieser Baulichkeiten völlig verzehrt, während die Asche der Abfallgruben diese selbst, ihren Schutt und ihr Trümmerwerk vor der Auflösung bewahrt hatten. Im Gegensatz zu diesen Mardellen wären dann die Trichterwohnungen prähistorischer Befestigungen resp. Ringwälle zu

setzen.

Dem Vortrag des Herrn Sanitätsrat Dr. Florschütz folgte der ein- gehende Bericht des Herrn Dr. Ritterling über die Hügelgräber von Langenhaln und die mehrtägigen Arbeiten, durch welche unter seiner Leitung eines dieser prähistorischen Kelteugräber freigelegt wurde. Langonhain im Taunus begann er zum Unterschiede von Langenhain in der Wetterau, wo bekanntlich ein n>mischcs Kastell aufgedeckt ist, liegt ziemlich auf der Höhe, etwa 150 m über dem Lorsbacher Thal; doch ist es gegen Norden und Osten durch noch höher aufsteigende Lehnen geschützt, im Norden heisst diese Höhe ,.Katzenlück-'. Gegen SüdtMi fällt das Gelände sanft gegen die Mainebene hin ab. auf welche man einen schönen, wenn auch begrenzten Ausblick hat (Massenheim. Wicker, Flörsheim). Westlich vom Dorfe fliesst im Grunde, der nur etwa 10—12 Meter tiefer liegt als die Kirche, der Kassernbach dem Maine zu. Jenseits dieses firundes steigt das Terrain wieder ziemlich steil an und erreicht eine grössere Höhe, als die ist, auf welcher das Dorf liegt; auf dieser Seite befinden sich die Hügelgräber. Die erste Veranlassung zu der Untersuchung gab eine Mitteilung des Herrn A. Zorn in Hof heim eines um den Verein mehrfach verdienten Vereinsmit- glicdcs dass auf einem Stück Land, welches, bisher Wald gewesen, jetzt zum Acker umgerodet werde, die Zerstörung eines grossen Hügelgrabes zu befürchten sei. Eine sofort angestellte Besichtigung ergab das Zutreffende dieser Mitteilung; zugleich stellte sich heraus, dass nicht nur auf den benachbarten Landstücken, die zu abseh- barer Zeit gleichfalls gerodet werden dürften, «ondorn auch links von dem hier die

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Grenze zwischen den Gemarkungen Langenhain und Wallau bildenden Wege im Wallauer und \veiter im Breckenheimcr Gemeindewald, ersterer hier aus Tannen- und letzterer aus Buchenbestand bestehend, noch eine ganze Reihe grösserer und kleinerer Grabhügel sich befanden, ein ausgedehnter Friedhof von gegen 30 Gräbern.

Bei dieser ersten Besichtigung ergab sich auch noch eine andere höchst eigen- tümliche Beobachtung. Wenn mau an der Langenhainer Kirche vorüber auf kleinem Pfade nach dem Kassernbach hinabsteigt, zeigt sich die ganze jenseits des Baches ansteigende Höhe mit langen Ackerstreifen bedeckt, von denen jeder gegen 10 15 Schritt Breite hat. Es stellte sich heraus, dass die ganze Gemarkung in solche Streifen eingeteilt sei. Dieselben setzen sich nicht nur jenseits des Dorfes nach Osten zu fort, sondern laufen auch unter den Häusern des Dorfes selbst weiter. Dass eine solche Einrichtung nicht in neuerer Zeit getrotfen sein kann, was ja an sich einleuchtet, wurde noch durch verschiedene Gründe bewiesen, auf die hier nicht näher einzugehen ist, und darauf hingewiesen, wie sich etwas Analoges nur in den soge- nannten Hochäckern, welche in ganz Südwestdeutschland, namentlich in Bayern und Württemberg, aber auch in der nächsten Nähe von Wiesbaden auftreten, findet. Ziemlich allgemein werden diese grossen landwirtschaftlichen Anlagen jetzt den kel- tischen Ackerbauern zugeschrieben. Da die Wohnungen dieser Ackerbauern gewöhn- lich an dem einen Ende der bebauten Fläche liegen, müssen wir annehmen, dass dieselben auch hier oberhalb des jetzigen Dorfes, da wo die Einteilung der Acker aufhört, etwa in dem jetzt ,, Pfarrwälder" genannten Distrikt, gelegen haben. Am entgegengesetzten Ende pflegen dann die Gräber zu liegen und so ist es auch in Langenhain,

Die Ausgrabung eines dieser Gräber wurde in den Tagen vom 30, und 31, August und vom 9. 12. September ausgeführt. Es wurde bald ein grosser Stein- ring biosgelegt, der zum Teil aus kolossalen Blöcken bestand, deren unterste direkt auf den gewachsenen Boden aufgesetzt waren, darüber lagen geschichtet andere, die Zwischenräume waren mit kleineren bis zu faustgrossen Steinen ausgefüllt. Es war keine Spur von einer Bindung zwischen den einzelnen Steinen zu sehen.

Die Höhe dieser Steinschichtung betrug bis zu 1,50 m, die Dicke war sehr verschieden, je nach der Breite der verwendeten Steine von 15 cm bis zu 1 m, letztere Breite war wohl nur durch Verschieben ursprünglich übereinander gelagerter Steine entstanden. Das Material waren Eisensteine, wie sie etwa eine halbe Stunde entfernt anstehen, sowie Wacken, meist Feldsteine, wie sie zerstreut aufgelesen sein mochten ; nur verhältnismässig wenige Steine verrieten durch die schärferen Kanten, dass sie zu ihrer Verwendung etwa gebrochen waren. Der Durchmesser des Stein- ringes betrug nahezu 14 m, der Umfang, ein ziemlich regelmässiger Kreis, etwa 43 m; die Höhe des Hügels in der Mitte war beinahe 3 m. Diese gewaltige Erdmasse war nun bis auf den gewachsenen Grund herab vollständig abgetragen, wobei durch die vielen tief in die Erde hinabreichenden Wurzelstümpfe, namentlich von Eichen- unterholz, die Schwierigkeiten bedeutend vermehrt wurden.

Die Hoftnung, in der Mitte eine weitere Steinsetzung, die eigentliche Grab- kammer, wie sie in anderen Gräbern beobachtet wurde, zu finden, erwies sich leider als trügerisch. Die Erde fand sich überall, schon in geringer Tiefe unter der Ober- fläche, mit Holzkohle mehr oder weniger durchsetzt. Die übrigen Funde bestanden

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in einer kleinen, aber sauber gearbeiteten Pfeilspitze aus Feuerstein, einem kleinen Dolch aus Bronze, einer Nadel aus Bronze und zahlreichen Splitterchen von Feuer- stein. Scherben von Gefässen sehr roher Technik fanden sich ebenfalls mehrfach zerstreut ; ausserdem dicht an der Innenseite des Steinringes der grössere Teil einer Urne, die vielleicht zu einer nach der SchUttung des Hügels hier erfolgten Beisetzung gehört. Diese verhältnismässig geringe Ausbeutung des Kleinfundes lässt keineswegs auf eine frühere Beraubung des Hügels schliessen ; denn erstens fanden sich von einer früheren Durchwühlung nicht die geringsten Spuren und zweitens ist es schon oft beobachtet worden, dass ganz intakte Hügel ausser Asche und Kohlen wenig oder gar keine Kleinaltertümer bargen. Immerhin ist das Resultat der Ausgrabung ein zu- friedenstellendes. Denn der Bronzedolch welcher der ältesten Hallstadtperiode mit seiner Form und Verzierung angehört giebt einen chronologischen Anhalt für die Datierung des Gräberfeldes. Ausserdem ist der aufgedeckte Steinring ein ganz eigenartiges Bauwerk : denn wenn auch bereits früher ähnliche Steinsetzungen bei Hügelgräbern, im Nassauischen beobachtet wurden, sind dieselben doch nicht erhalten und zeigten auch nicht die Wichtigkeit und gute Erhaltung des unsrigen. Eine Kon- servierung desselben wäre daher sehr zu wünschen. Auf Beobachtung und Unter- suchung von Resten aus römischer Zeit, Häuserfundamenten mit charakteristisch römischen Funden einer Strasse, eines Brunnens u. u. ra., welche alle in der nächsten Umgegend von Langenhain liegen, konnte nicht näher eingegangen werden.

Schliesslich betonte im Anschluss an die Berichterstattung des Herrn Sanitätsrat Florschütz Herr Archivrat Dr. Sauer die Erspriess- lichkeit, welche sich für die Wissenschaft ergeben würde, wenn bei den künftigen Generalversammlungen auch die Geschichte selbst neben der Altertumskunde seitens des Vereins ihre Vertretung fiinde, worauf der Vorsitzende Direktor die Erwiderung gab, dass dahingehende An- träge stets willkommen sein würden.

Zweiter Vortrag^.

Den zweiten Vortrag hielt am 27. November Herr Dr. Ludwig Pallat über die im Altertums-Museum befindlichen griechischen und italischen Thongefiisse. Einleitend erläuterte derselbe den Wert und die Bedeutung, die eine Sammlung von Vasen, welche die geschichtliche Entwickelung der griechischen und italischen vor- römischen Keramik in ihren Hauptstadien repräsentiere, für die prähistorische Forschung in deutschen Landen habe. Ausläufer der griechischen Kultur seien nicht nur bis weit in ilen Norden Europas vorgedrungen, sondern es habe auch die griechische Kunst z. B. auf die mitteleuropäische Keramik gewirkt. Die im Museum bereits vorhandene, zum nicht geringsten Teil aus Geschenken bestehende Kollektion genüge einigermassen, um die Geschichte der graeco-italischen Keramik zu illustrieren, aus- genommen die früheste Periode, die der sogenannten mykenischen Vasen und der auf diese folgenden Gefässe geometrischen Stils. Mit den letzteren beginnend, gab sodann der Vortragende in den Hauptumrissen ein Bild der Entwickelung der griechischen und der von ihr stark beeintlussten italischen Keramik, indem er an den betretl'enden

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Stellen die hiesigen Gefässe, Jenen es bisher an sicherer Bestimmung und Datierung

gefehlt hatte, einreihte. Zum Schlüsse wurde die Hoffnung ausgesprochen, dass es mit

Hilfe gütiger Geber gelingen werde, die Sammlung, so wie sie geworden, auch zu vervollständigen.

Der Vorsitzende dankte im Namen der sehr besuchten Versamm- lung dem Vortragenden für seine lehrreichen, viele interessante Einzel- heiten bietenden Mitteilungen und gab dem Wunsche Ausdruck, dass derselbe noch öfter ihrem Werte nach wenig bekannte Stücke des hiesigen Altertums-Museums in ein so günstiges Licht setzen möge, wie die soeben besprochenen. Herr Gewerbeschuldirektor a. D. Fisch- bach überreichte der Versammlung ein in seinem Besitze befindliches altgriechischos Gefäss und knüpfte an den voraufgegangenen Vortrag einige technologische Betrachtungen. Schliesslich machte der Vorsitzende Mitteilung von prähistorischen Funden an der Mainzerstrasse und von römischen Funden bei Winkel a. Rh.

Dritter Vortrag".

In der 3. Sitzung des Altertums-Vereins am 11. Dezember redete Herr Professor Dr. Ruppel über die „Vorgeschichte der Indogermanen".

Die Geschichtsforschung, führte er aus, könne nur dann ihre Aufgaben lösen, wenn ihr für die zu erforschende Zeit das nötige historische Material zur Verfügung stehe. Die gewöhnlichen Quellen aber, seien es mündliche, schriftliche oder monumentale, lassen den Forscher, wenn er in die Vergangenheit immer weiter zurückgeht, schliesslich im Stich. Die Folge war, dass man lange über die Vorgeschichte der wichtigsten Kulturvölker keinerlei Aufschluss erhielt. Unserem Jahrhundert blieb es vorbehalten, mit Hilfe einer bisher unbenutzten historischen Quelle, der Sprachvergleichung, über die Kindheit der Völker Licht zu verbreiten.

Der erste, der auf die Sprachvergleichung als vorzügliches Mittel, die Urzeit zu erschliessen, hinwies, war der geniale Leibnitz. Dann wurde auch schon im vorigen Jahrhundert Sprachvergleichung geübt. Aber erst Franz Bopp erbrachte den wissenschaftlichen Beweis für die Einheit der indogermanischen Sprachen, wozu bekanntlich neben einigen asiatischen die meisten europäischen gehören. Unter denen, die an dem Ausbaue der durch Bopp begründeten Wissenschaft hervorragend be- teiligt waren, hob Redner besonders den im Jahre 1890 verstorbenen Viktor Hehn hervor, welcher der Sprachvergleichung die bedeutendsten Impulse gab.

Der Redner behandelte sodann die Kultur der Indogermanen. An der Hand derjenigen Wörter und Begriffe, die man für uralt hielt, konstruierten Bopps Nach- folger Bilder dieser Kultur. Anfangs fielen sie meist sehr schmeichelhaft aus. Wir sehen ein jugendlich kräftiges Volk, das Viehzucht und Ackerbau treibt und ein ein- faches glückliches Dasein führt. Es erfreut sich eines überaus freundlichen und glück- lichen Familienlebens und der Anfänge staatlicher Ordnung. Krankheiten gab es nicht; Wunden und Altersschwäche waren die einzigen Ursachen des Todes. Zu einem ganz anderen Urteile kam Hehn, weil er das Sprachmaterial aufs strengste sichtete und die älteste historische Überlieferung sorgfältiger zu Rate zo^'. Acker-

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bau bestreitet er für die Urzeit durchaus. Auch aus dem Familienleben blicken uns düstere Züge entgegen, rinsterer Aberglaube beherrschte die Gemüter.

Das zutreffendste Bild jener Zeit entwarf nach dem Urteil des Redners Sehr ad er. Er wies u. a. nach, dass die Indogermanen mehr Viehzucht als Jagd und höchstens unbedeutenden Ackerbau trieben. Als Nomaden bedienten sie sich im Umherziehen mit Familie und Habe eines Wagen^ dessen Räder wahrscheinlich speichenlos waren und nur aus runden Holzscheiben bestanden, durch welche die Achse gesteckt wurde. Von Metallen kannten sie nur das Kupfer. Als Wohnungen dienten in die Erde gegrabene Höhlungen oder Hütten aus Holz, Flechtwerk und Lehm. Die Schifffahrt war noch wenig entwickelt. Als Fahrzeuge dienten wohl die sogenannten Einbäume, wie man sie vom Boden der Schweizer Seen in der Nähe alter Pfahlbauten empor- gehoben hat. Sie trieben gewiss einen primitiven Tauschhandel, bei dem das Vieh der Wertmesser war. Der Fremde war rechtlos und galt als Feind. Waren Vater und Mutter alt und gebrechlich, so sah man sie wohl als ziemlich lästige Teilnehmer des Haushaltes an ; doch ist es zweifelhaft, ob man ihnen auch schon in der Urzeit ein gewaltsames Ende bereitete, wie es bei unseren speziellen Vorfahren in der äl- testen historischen Zeit vorkam. Die Ehe beruhte auf dem Kaufe oder dem Raube des Weibes, wovon sich jetzt noch Spuren finden, die Religion auf der Verehrung der Naturkräfte. Ob die Indogermanen an ein Fortleben der Seele nach dem Tode ge- glaubt, ist noch unentschieden.

Sodann besprach Redner die Heimatfrage der Indogermanen. Bis vor etwa 30 Jahren bezeichnete man als Ort, wo sie zuletzt zusammen wohnten und sich dann trennten, eine Gegend Asiens, Indien, das Hochland von Iran, besonders das Quell- gcbiet des Oxus und Jaxartes, oder auch Mesopotamien. Dabei berief man sich auf das besonders hohe Alter der in diesen Landen gesprochenen Sprachen oder darauf, dass die geschichtlichen Wanderungen stets in westlicher Richtung verlaufen seien. Europa sei nur eine Halbinsel Asiens, die Stätte, wo Indogermanen und Semiten zu- sammengewohnt, sei in Asien zu suchen u. s. w.

Dann wurden gegen diese Meinung Zweifel und Widerspruch laut und mit immer grösserer Entschiedenheit sprachen sich viele, darunter der hervorragende Anthro- pologe und Prähistoriker Lindenschmitt, für Europa aus; andere für Russland, andere für Deutschland, Skandinavien u. s. w. Manche auch nahmen an, die Euro- päer wären nach ihrer Trennung von den Asiaten noch länger zusammengeblieben und hätten in dieser Gemeinschaft besonders im Ackerbau bedeutende Fortschritte gemacht. Dies erscheint allerdings als durchaus wahrscheinlich. Als Schauplatz dieser Kulturgemeinschaft (der übrigens die Kultur der Schweizer Pfahlbauten im wesentlichen entspricht) und als der Punkt, wo denn auch die Europäer auseinander gingen, dürfte aus manchen Gründen vor allem der Westen der südrussischen Steppe in Betracht kommen. Auch die asiatischen Indogermanen bildeten, nach ihrer Trennung von den Europäern, noch einige Zeit eine Kulturgemeinschaft und zwar am oberen Oxus und Jaxartes. Von diesen zwei festen Punkten aus sucht Sehr ad er die Stelle, wo die Indogermanen vermutlich auseinander gegangen waren und da scheint ihm alles für den Südosten Russlands, die Gegend am Mittellauf der Wolga zu sprechen. Einige gegen Schrader erhobene Einwände wurden vom Redner zurückgewiesen, nur anerkannt, dass der Vorschlag, den frühesten Trennungspunkt mehr nach der Mitte Russlands zu rücken, etwas für sich hat.

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Redner schloss damit, dass die übrigen Ansiclitcn weniger begründet erscheinen als die Schraders, dass allerdings noch viel fehle, um dessen Ansicht mmmstüsslich zu machen und dass vielleiciit auch liier allezeit das Wort Fausts gelten werde :

Mein Freund, die Zeiten der \'ergangenheit

Sind uns ein Buch mit sieben Siegeln.

Hieran schloss Herr Dr. Pallat Mitteilungen über die Er^-eb- nisse der am 30. November und 4. Dezember von ihm auf Vereins- kosten vorgenommenen Untersuchungen von vorgeschichtlichen Wohn- ötellen, sogenannten Mardellen, an der Maiuzerstrasse (s. Fundberichte).

Vierter Vortrag-. Den vierten Vortrag hielt in der ordentlichen Geueralversammlung des Vereins am 21. Dezember im Museurassaale der unterzeichnete Ver- einssekretär über „die Wiesbadener Theaterfrage des Jahres 1848." Der Vortragende gab im allgemeinen den Inhalt seiner im vorliegenden Band der Annalen verötfentlichten theatergeschichtlichen Studie und schloss mit den Worten: „So wollen wir für heute, meine Damen und Herren, von diesem bewegten Kapitel Wiesbadener Theatergeschichte Abschied nehmen. Die kritische Episode wurde wohl oder übel über- wunden — davon vielleicht ein ander Mal und nach einer kleinen Reihe von Jahren hatten Bühne und Hof wieder intime Fühlung o-ewonnen. Heute freilich erscheint das ehemalige Hoftheater am Theaterplatz wie ein erloschener Traum, und in seinen erblindeten Fensteraugen ist schwer zu lesen, dass es nahezu ein halbes Jahrhundert lang die vor- nehmste Kunstanstalt des vergangenen Herzogtums war. Und doch war es viel weniger sein eigener Unwert, der es so schneller Verffäno-lich- keit weihte, als die unaufhaltsame Entwickelung der blühenden Stadt die da nach immer glänzenderen architektonischen Formen drän-^te

Und so wollen wir dem neuen Theater, das unter dem erhabenen Zeichen der preussischen Krone mit königlichen Mitteln das künst- lerische Erbe des verwaisten Hauses am Theaterplatze angetreten hat, eine fortgesetzte, seiner stolzen Folie würdige Entwickelung wünschen im Sinn und Geiste jener wackeren Patrioten, die im Jahie des Heils 1848 über Tod und Leben der alten Bühne zu ent- scheiden hatten und ihr Fortbestehen an keine geringeren Forderuno-en knüpften, als diejenigen, die Schillers hoher Idealismus an eine nationale Schaubühne stellte, indem er ihrer allmächtigen Bedeutung für das sittliche Leben der Völker die flammenden Worte lieh: „Die Gerichts- barkeit der Bühne fängt an, wo das weltliche Gericht sich endigt. Das ganze Reich der Phantasie und Geschichte, Vergangen- heit und Zukunft stehen ihrem Wink zu Gebote. Wenn keine Moral mehr gelehrt wird, keine Religion mehr Glauben findet, wenn kein Gesetz mehr vorhanden ist die Bühne wirkt tiefer und dauernder als Moral und Gesetze, so gewiss sichtbare Darstellung mächtiger wirkt, als toter Buchstabe und kalte Erzählung.""

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Fünfter Vortrag.

Mittwoch den 15. Januar sprach Herr ProtcHsor Dr. Lohr über ^Römische Bewaffnung". Eine Anzahl von Modellen römischer Waffen- stücke, sowie Fragmente alter Originale dienten seinen Darlegungen zur Veranschaulichung.

Der Weg sei weit gewesen, führte der Herr Vortragende aus, che die römische Waffentechnik die Vollkommenheit der Cäsarenzeit erreicht hahe und nicht minder mühevoll sei der Pfad der Forschung gewesen, ehe sie die Entwickelungsgeschichte der römischen Rüstungsstücke, ihrer Konstruktion und des Gebrauchs klargelegt habe. Ihre Haupttiuelle seien die Funde (hauptsächlich auch die der Limesausgrabungen), die erhaltenen nationalen Monumente und deren Tleliefs und vor allem die alten Grabsteine, da bei den Denksüulen die selbstschöpferische Thätigkeit der Künstler hier und da zu eigenmächtig nuanciert habe, die mehr handwerksmässige Herstellung der Grabsteine aber sich eng an den Alltagsbrauch angeschlossen habe. Redner warnte von vornherein vor der Vorstellung, dass man es innerhalb der römischen Ilceresausrüstung mit einer durchgeführten Uniformierung zu thun habe. Er gab sodann eine geschichtliche Skizze der römischen Taktik und Armeeverfassung seit den Königen bis zu den Kaisern und hierauf an der Hand der genannten Modelle eine eingehende Darstellung der Bekleidung und Bewaffnung des römischen Soldaten.

Eine wollene Tunika, ein Lederkoller und Schenkelbinden, statt deren später Iloscn getragen wurden, sowie Halstuch und Sandalen bildeten den einfachen Anzug des Legionars, Das Lederwams hatte kurze, geschlitzte Ärmel. Ein Panzer aus Metallringen oder kleinen Kettenschuppen oder viereckigen Brustplatten, sowie be- wegliche Schienen (wohl etrurischer Herkunft) schützten Arm und Brust. Sehr kom- pliziert war die Gürtung. Das eigentliche Cingulum mit plattcnartigen Beschlägen diente unter dem Panzer zum Schutze des Unterleibes, Ausserdem wurden Gürtel für das Schwert und den Dolch getragen, also sind drei Gürtel zu unterscheiden. Der Schwertgürtel (balteus) ging (juer über die Brust.

Die hervorragendste Schutzwaffe war der Schild ; ursprünglich ein Rundschild. Camillus reduzierte ihn. Er war gewölbt, sein Material lederüberzogenes Holz. Er ward an einer im Inneren befindlichen Handhabe aus Riemenwerk getragen. Später gestaltete sich die Form oval. Den Mittelpunkt deckte ein Metallbuckel, die Aussen- seite war ornamentiert. Der grosse Schild wurde links, das Schwert gewöhnlich rechts getragen. Der Helm bestand ous Metall ; den Scheitel deckten gekreuzte Beschläge, aus deren Mitte sich der Ilelmbusch erhob, den die Centurionen ([uer trugen. Den beliebtesten Schmuck bildeten Gänse-Federn aus Deutschland. Übrigens schützte der Helm zugleich Nacken und Wangen. Visierhelme sind nicht nachgewiesen. Bein- schienen finden sich seit Cäsar nicht mehr.

Der Redner wamlte sich nunmehr zu den Angrittswatt'en.

Eine Nachbildung des sogenannten Schwertes des Tiberius hatte die Direktion des Mainzer Museums neben anderen Nachbildungen dankenswert zur Verfiigung ge- stellt, und so demonstrierte der Herr Vortragende die Details des römischen Schwertes, seine starke Widerlage, den komi'akten Knauf, die gestählte Spitze der Klinge, wie die an Ösen und Ringen befestigte Scheide an dem vorgeführten Objekt. Er fügte

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hinzu, dciss die Reiterei später ein längeres Schwert erhalten habe. Es folgte nun- mehr Vorliihrung und Erläuterung eines römischen Militärdolches. Er ward eben- falls an Ringen getragen. Die Hauptwaffe aber des römischen Kriegers war das Pilum ; es gab ein leichtes und ein schweres. Diesem Ausrüstungsstücke widmete der Vortragende als der Ilauptwaffe der römischen Armee ganz besonders ein- gehende Erörterungen über seine Geschichte, seine noch nicht durchaus aufgeklärte Konstruktion, seine Handhabung und seine Erfolge. Die Hauptschwierigkeit ihrer Erklärung bietet die Befestigung des Eisens an oder in dem Holz. Die Spitze war gestählt. Sie sollte in dem feindlichen Schild haften. Dann bog sich der weichere Teil des Pilums und zog den Schild mit herab. Der Wurf war auf ca. 25 Schritt berechnet. Die Auxiliartruppen trugen eine leichte Wurfwaffe, welcher unter Um- ständen durch einen in ihrer Mitte angebrachten ledernen Wurfgriff eine rotierende Bewegung verliehen wurde. Versuche, welche Napoleon HI. mit dieser Lanze an- stellen Hess, ergaben die Möglichkeit, ihre Trettweite auf 60 m zu erhöhen.

Der Vortragende gab nunmehr eine Schilderung der Ausrüstung der römischen Reiter ; als Hauptstücke ihrer Bewaffnung nannte er Helm, Schild und Stosslanze. Ein Lederpanzer schützte Brust und Rücken. Ein runder Mantel, ähnlich demjenigen der modernen italienischen Infanterie, diente dem Legionär zum Schirme gegen die Witterung; auch wurde ein anschliessender Kapuzenmantel getragen. Der Redner schloss mit dem Wunsche, dass unseren Altertums-Museen immer neues Verglcichungsmaterial zutliessen möge, damit sich aus vereintem Studium der Denkmäler und Schriftquellen immer vollkommenere Klarheit gewinnen lasse.

In der nunmehr sich anschliessenden Debatte regte Herr Dr. Ritterling die Fragen an, ob das Pilum der Kaiserzeit Widerhaken besessen habe oder nicht? Ob alle Legionen mit dem Pilum bewaffnet gewesen seien? Später seien nur die vier ersten Glieder damit aus- gerüstet gewesen, während die hinteren vier die Hasta getragen hätten. Herr Professor Lohr sprach hierauf die Hoffnung aus, dass abzuwar- tendes weiteres Yerglcichungsmatcrial auch hier neue Aufschlüsse bringen möge.

Sechstep Vortrag".

In der Sitzung am 29. Januar sprach Herr Dr. Pallat über die „Aufnahme der Reliefs der Marc-Aurelsäule" und führte die Probedrucke für die Tafeln des demnächst erscheinenden, die Säule behandelnden Werkes vor.

So gut wie unbekannt begann er seinen Vortrag waren bis vor kurzem die Darstellungen eines der bekanntesten antiken Monumente. Es steht dies auf dem verkehrreichsten Platze des modernen Rom, der Piazza Colonna, und ist die von dem Kaiser Marcus Aurelius zum Andenken an die Unterwerfung germanischer Völker- stämme in den 70 er Jahren des 2. nachchristlichen Jahrhunderts errichtete Sieges- säule. Die Reliefs, welche den Schaft derselben in spiralischen Windungen umziehen, hatten in der Nähe und im Zusammenhang nur diejenigen gesehen, welche bei den beiden Restaurationen, denen die Säule in den Jahren 1589 und 1775 unterzogen

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wurde, beschäftigt waren. Gelegentlich der ersten derselben dürften die Zeichnungen angefertigt sein, welche - dem im Jahre 1704 von Dartoli herausgegebenen Kupfer- werke zu Grunde liegen. Dieses, eine nichts weniger als zuverlässige Quelle für die- jenigen, welche sich für die Geschichte eines der bedeutendsten Feldzüge der Römer gegen die Germanen interessieren, hätte schon längst durch getreue Nachbildungen ersetzt werden müssen, um so mehr, als der Znstand der Säule für die Zukunft weitere Zerstörung der Reliefs fürchten Hess. Die Anregung zur Aufnahme derselben ging von deutscher Seite aus, von Herrn Professor Dr. Petersen in Rom und einem aus Heidelberger Professoren gebildeten Komite. Ermöglicht wurde das Unternehmen einmal durch die Beisteuer im Betrage von 20.000 Mark, welche Se. Majestät der Kaiser für dasselbe bewilligte, und weiter durch die Fürsorge und Unterstützung, welche die Königl. italienische Regierung demselben angedeihen Hess. Die Säule wurde, nachdem die schwierigen Vorbereitungen getroffen, zweimal eingehend von den Herren Prof. Petersen, Prof. v. Domaszewski und Dr. Pallat besichtigt, von dem Photographen Andersen aufgenommen und. soweit ihre Darstellungen durch besondere Vorgänge oder uns Deutsche vorzüglich angehende germanische Altertümer interessierten, abgegossen. Die Zeit von Mitte April bis Anfang September vorigen Jahres war dazu erforderlich. Zur Betrachtung der Säule selbst bezw. der ausgestellten, vor- züglich gelungenen Probedrucke übergehend, berichtete der Vortragende kurz über den Verlauf des Krieges, dessen in die Jahre 171—175 fallende Ereignisse auf der Säule abgebildet sind, nach den Forschungen des Herrn Prof. v. Domaszewski. In der Wiedergabe der Kriegsereiguisse lassen die Reliefs in den Hauptzügen Treue nicht vermissen. In den Einzelheiten ist der Wirkung in der Ferne zu Liebe manches unterdrückt, so namentlich in der Bewaffnung der Soldaten, deren Detailwiedergabe bei der Menge von Personen, welche sich auf dem etwa 250 m langen Reliefstrcifen befinden, wohl auch zu mühsam und zeitraubend gewesen wäre. Vorzüglich sind die Porträts des Kaisers und seiner Begleiter, sowie die verschiedenen Typen der Germanen, Slaven etc. charakterisiert. Die Kleidung der letzteren besteht in bis auf die Ferse reichenden, anschliessenden Hosen, einem Unterkleid mit Ärmeln, einem darüber ge- zogenen, ärmellosen gegürteten Wams und häutig noch aus einem um die Schulter geworfenen Mantel. Im Kampfe erscheinen sie mit nacktem Oberkörper, bewaffnet mit rundem Schild und Lanze. Bei feierlichen Gelegenheiten treten die Vornehmeren mit einem mit Franzen besetzten Wams und Mantel auf. Unter den Wohnhäusern bezw. Hütten lassen sich mehrere Formen unterscheiden. Der künstlerische Wert der Darstellung ist, wenn man in Betracht zieht, dass vor allem Fernwirkung beabsichtigt war, an vielen Stellen ein bedeutender. Unter den Soldaten, wie namentlich unter den Germanen, sind prächtige, lebensvolle Figuren. Zum Schlüsse erläuterte der Redner die ausgestellten Bilder: besonders ausführlich dasjenige, welches darstellt, wie die Römer vor dem Verdursten und ihren Feinden durch einen die letzteren ver- nichtenden Wolkenbruch errettet werden. An diese Episode habe sich eine in der letzten Zeit viel erörterte Legende angeknüpft.

Der Herr Vorsitzende sprach dem Redner seinen besonderen Dank aus, als demselben vergönnt gewesen sei, aus persönlicher Anschauung seinen Vortrag zu beleben, da er an den Erforschungen der schwierigen Reliefs von Anfang bis Ende mit eigener Thätigkeit beteiligt gewesen sei.

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Herr Professor Dr. Otto besprach hierauf eingehend zwei latei- nische zum Teil metrische Inschriften mit sogenannten Chronogrammen, von denen die eine sieh auf einem Schiefersteine vom Dache des Schlosses Reichartshausen befindet, die andere im Steinberge.

Jene erwähnt den damalif^en Abt, unter dem jenes einst zum Kloster Eberbach gehörige Gebäude aufgeführt und 1741 vollendet worden ist, Hermann Hungrighausen (1737 1750) un<l besagt, dass, wie alles zu Gottes Ehre geschehe, so auch dieser Bau errichtet sei. Darunter ist in deutscher Sprache faber lateinischer Schrift), so, dass einzelne besonders hervorgehobene Buchstaben die Jahreszahl 1741 ergeben, be- merkt, es sei dies das Jahr gewesen, in welchem, ,.wie allenthalben, so auch iu hiesigen unsern Orten Teuerung war.'" Auf der Rückseite stehen unter einem Kreuze die noch ungcdcuteten Buchstaben J. V. R. Herr Dr. Albert Wilhelmj hat den interessanten Stein dem hiesigen Museum zum Geschenk gütigst übergeben.

Die zweite Inschrift steht auf der 1761 1763 aufgeführten Mauer des eben- falls einst dem Kloster Eberbach gehörigen Steinbergs und zwar auf der Innenseite über einem vergitterten Durchlass, durch den ein Bach tiiesst. Es finden sich hier zwei la- teinische Distichen, von welchen das eine ebenfalls ein Chronogramm (Jahreszahl 1766) enthält und den Zweck der Mauer, die Reben zu schützen, angiebt, das andere auf das an verschiedenen Stellen derselben angebrachte Wappen des damaligen Abtes Adolf Werner von Salmünster (1750 1795) Bezug nimmt: einen Delphin. Dass dieser im Wappen gestanden habe, konnte Herr Professor Otto, gestützt auf die späteren Wappen des Klosters, nur vermuten. Herr Archivrat Dr. Sauer bestätigte diese Vermutung unter Vorzeigung von Siegeln des Klosters Eberbach. Im übrigen sind die Inschriften selbst inzwischen im vorliegenden Annalenbande wiedergegeben worden. Nach Schluss der Sitzung waren die ausgestellten Bilder der Säule noch lange Gegenstand der Betrachtung und Erörterung der zahlreich erschienenen Mitglieder und Freunde des Vereins.

Siebenter Vortrag^. Mittwoch, den 12. Februar redete Herr Gewerbeschuldirektur a. D.

Friedrich Fischbach über „Lorelei- und Loren-Mytheu und Sagen".

Der wesentliche Inhalt des Vortrags war folgender: Das Studium der Feuer- und Lichtsymbole in der Ornamentik, führte der Vor- tragende aus, habe ihn in den letzten Jahren zu tieferer Erforschung der wenig be- kannten ältesten Mythen der Licht- und Finsternismächte veranlasst. Diese seien hervorzuheben, um die prosaische jüngste Auslegung, die Lorelei oder Lurlei sei nur lurer, d. h. lauter Lei (Schiefer), zu widerlegen. Ferner sei. behauptete er, die in Büchern vielfach verbreitete Ansicht unrichtig, die Lorleisagen seien erst im letzten Jahrhundert entstanden. Das ..Quellenmaterial"', welches Brentano und Heine benutzt haben sollen, wurde ebenfalls vom Redner berührt. Aus diesem ergebe sich, dedu- cierte er, ,,dass uralte Sagen vorhanden waren, in denen Naturmythen in Sagen ver- wandelt seien". Die Notiz aus dem 13. Jahrhundert, dass der Nibelungenhort im Lurlenberge liege, begründe die Annahme, dass die Echo-Nymphe und Schatz- hüterin Lorlei dem ältesten, aber vielfach vermischten Mythen- und Sagenkreise an- gehöre. Aus der Eigenart des sehr starken, fünffachen Echos habe sich die Sage

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entwickelt. Das versuchte der Herr Retiner im besonderen glaubhaft und anschaulich zu machen. ..Luren", sagte er. „hoissen die alten Bronzetrompeten. Wo das Echo so stark ist, dass es in alten Chroniken hcisst, man glaube, der Berggipfel stürze herab, ist die Bezeichnung Lurlcnberg oder die Lurende Lei, Lurlei naheliegend." Als Schat^hüterin gehörte unsere Lorelei in die Elfenfamilie Luarins oder Lorens. Hior sei auch Lohengrin zu nennen. Die Lorinz. Loren, Euren, Lauren hätten ihren Ursprung in unserer Traumwelt und besonders im Alpdrücken. Der Herr Vortragende erörterte eingehend, wie solche Sagen und Märchen nach seiner Meinung in natürlichster Weise entstanden und praktisch gemodelt worden seien. Die grosse Fülle der zahlreichen Parallel-Sagen der Lauren und Loren habe er der gemessenen Vortragszeit entsprechend gesichtet, da noch die Beziehungen zur Edda zu erörtern wären. Herr Fischbach hob hervor, „dass ein endgiltiger Abschluss solcher Studien nicht so bald zu erwarten sei, da die verschütteten Quellen nur da und dort hervorsickern'-. Nach vielen Wandlungen habe das christliche Mittelalter nur das Dämonische und Spukhafte der Hexe Lorelei fest- gehalten, ähnlich wie Hulda Frau Venus geworden. Auch die heilige Jungfrau von Lourdes sei zu erwähnen. .,Aus Heines Lied", meinte er ferner, „fühlen wir heraus, dass wirklich ein Märchen aus alten Zeiten uns in der Lorelei verkörpert ist''. Sie sei die schönste Vertreterin der Naturpoesie des Rheines. Unsere Aufgabe sei, ihren Fels vor industrieller Verunstaltung zu behüten. Nachdem der Herr Vortragende sich nunmehr auch über die Quellnymphe Sirona und deren geheimnisvolles Walten noch des weiteren ergangen hatte und mit ihr sodann zum Schlüsse gelangt war, ergritf das Wort Herr Bürgermeister Hess. Er beleuchtete in humorvoller Weise noch- mals die etymologische Seite der Frage als die einzige, welche uns Klarheit geben könne. Die Deutung lure-lei = lauter Fels lehnte auch er mit dem Hinweis ab, dass sich ein t wie das in Kit er nie am Rhein zu verlieren pflege. Auch die nächst- liegende etymologische Erklärung, die da glaubt, von der Definition lüren = lauern ausgehen oder vielmehr sich mit ihr begnügen zu sollen, lehnte er ab. ]\Ian müsse etwas Signitikanteres. für den Loreleifelsen Cbarakteristischeres zu supponieren suchen. Er seinerseits glaube in der Definition lür = gurgeln, rauschen diese zureichende Deutung gefunden zu haben. Am Loreleifelsen mache der Rhein eine starke Biegung. So entstände eine Stromschnelle, die früher wohl der Fluss sei an der bezüglichen Stelle 70 Fuss tief von einem noch viel stärkeren Branden begleitet gewesen sei. Das Rauschen des Stromes sei noch heute zwischen den Felsen mächtig genug. Dies scheine dem Redner die natürlichste Erklärung, da der Rhein an Stromschnellen, die eine ähnlich laute Brandung kennzeichne, im sonstigen arm sei. Es käme höchstens das Binger Loch in Frage. Hier aber sei kein Fels in der Nähe. Herr Direktor Fischbach glaubte trotzdem, indem er sich nochmals auf luren resp. die vorher von ihm citierten Bronzetrompeten berief, auf seiner Meinung, dass das starke Echo und nicht das Rauschen der Brandung dem Felsen seinen Namen Lore-lei gegeben habe, beharren zu sollen. Vielmehr meinte er in Abrede stellen zu müssen, dass am Loreleifelsen der Stromlauf von jenem starken Rauschen begleitet sei, welches am Binger Loch vernehmbar sei.

Hierauf schloss der stellvertretende Vorsitzende, Herr Landgerichta-

rat Keutner, die Sitzung, nachdem er an den Redner Worte des

Dankes gerichtet hatte.

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Achter Vortrag".

, In der Sitzung am 25. Febr. hielt Herr Stabsarzt a. D. Dr. Stern -

Weilbach einen Vortrag über den „Totenkultus der Egypter*. Indem der Vortragende, welclier selbst geraume Zeit in dem Land der Pharaonen verweilte, davon ausging, dass gewisse cgyptische Gegenstünde, besonders die Amulette, sich gelegentlich auch bei uns rinden, wovon er einen Beweis in Gestalt einer Götterrigur aus Fayence, gefunden bei Weisenau, vorwies, führte derselbe etwa folgendes aus: Fast alle egyptischen Gegenstände stammen aus Gräbern, da nur diese durch ihre Lage in der trocknen Wüste der Zerstörung durch den Zahn der Zeit entgehen konnten. Das Grab bestand aus 2 Teilen, der Grabkapelle und der Sargkammer mit dem Sarkophag, welche letztere stets das Ende eines Felsonschachtes bildet. Die erstere enthielt den bekannten malerischen Schmuck der Wände, die Statue und die Gegen- stände zum Opferdienst. Wenn das Grab bei liebzeiten des Besitzers so weit vor- bereitet war, schloss derselbe noch einen Vertrag mit der Priesterschaft, um sich gegen Überlassung der Einkünfte irgend einer Besitzung die nötigen Totenopfer zu sichern. Nach dem Tode galt es dann, aus dem Körper einen Osiris, d. h. eine Mumie zu machen. Ursprünglich war die Seele, der Ka, mit dem sich autlösenden Leibe, dem er in jedem Augenblicke genau glich, zu Grunde gegangen. Erst seitdem Isis, Horus und Anubis den Körper des Osiris unzerstörbar gemacht hatten, kannte man die Kunst, aus jedem Gestorbenen einen ,, Osiris" zu machen und damit der Seele das Fortleben zu sichern und sie durch Amulette gegen die Mächte der Toten- welt zu schützen. Die Statue dient wie die Mumie dem Ka als Körper. Im neuen Reiche wird die Porträtstatue durch die zahlreichen kleinen Totenstatuetten in Mumien- form (die Uschebti) verdrängt. Nach der herrschend gewordenen thebanischen Lehre wird nämlich mehr Gewicht gelegt auf die Schicksale der Seele im Totenreiche, wo dieselbe ein Stück Land selbst bebauen muss. Diese Arbeit aber sollen die stets mit Werkzeugen für den Landbau versehenen Uschebti der Seele abnehmen. Die Provisionskrüge, Totenkegel (Brot), Ochsenviertel, Gänse, Kuchen u. s. w. dienen, obwohl aus Stein gebildet, dem Ka zur Nahrung, der sich nicht von den Dingen selbst, sondern von deren Ka nährt. Alle Dinge galten also als beseelt. Alles, was den Lebenden umgeben hatte, gab man auch dem Toten mit, um dem Komfort des Ka im Grabe zu dienen, z. B. Toilettegegenstände, Brettspiele, Hausgerät. Im Gegen- satze dazu sollen die Amulette und Zauberformeln, das Totenbuch, das Hyposephal, die Götterstatuetten, die Amulette, welche , .Leben" bedeuten, wie der bekannte Skarabäus, die Herzfigur u. s. w. die Seele auf ihren Wegen im Totenreiche schützen und ihr Anleitung geben, wie sie vor Osiris ihre Reinheit zu versichern habe.

Zum Schluss schilderte der Vortragende das wirkliche Schicksal einer wohl- ausgerüsteten Mumie, das Aufhören <ler Opfer durch Übertragung der betretl'endeu Stiftung auf ein jüngeres Grab, die Beraubung des Grabes (etwa infolge innerer Wirren), welche den Ka auf das beschränkt, was die Götter ihm infolge der Gebete Vorübergehender schenken, endlich die Zuschüttung des vergessenen Grabes durch den alles bedeckenden Wüstensand, denn ohne diese Schutzmittel oder ihrer beraubt ist die Seele im Jenseits verloren; sie vergeht wie jeder nicht gegen Audösung ge- sicherte Körper.

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Ausführliche Erläuterungen der dem Vereinsmuseum angehörigen, für den Abend im „Roten Hause" ausgestellten egyptischen Altertümer hatte der Redner an geeigneten Stellen seinem fesselnden Vortrage eingefügt, für welchen dem Gast im Namen der Versammlung der Vor- sitzende, Herr Sanitätsrat Dr. Florschütz, wärmsten Dank aussprach. Zugleich richtete er an die Anwesenden auf Anregung des Herrn Dr. Stern die Bitte, die Bibliothek der deutschen Schule in Kairo, der anerkannt besten am dortigen Platze, dadurch fördern zu wollen, dass man ihr Bücher und Zeitschriften, vor allem Jugendschriften, für die man keine Verwendung mehr habe, zukommen lasse. Angenommen zum Zwecke der Weiterbeförderung würden solche gern im Bureau des Vereins Friedrichstrasse 1, I.

Hieran schloss sich eine längere Debatte über die Entstehung der Pyramiden.

Neunter Vortrag".

Den neunten und letzten Vortrag innerhalb des Gesamtvereins hielt im Vereinslokal am 12. März Herr Dr. Pallat über die „Auf- findung des homerischen Troja". Eine Reihe von Plänen und Photo- graphien, welche Herr Dr. F. Noack, Privatdozent an der tech- nischen Hochschule in Darmstadt, dem Vortragenden freundlichst zur Verfügung gestellt hatte, diente zur Veranschaulichung der ver- schiedenen Bauperioden, welche sich an den Trümmern, die den Hügel Hissarlik, die Stelle des homerischen Troja, einnehmen, unterscheiden lassen. Es bedecken ihn die Überreste von neun Niederlassungen, die sich übereinander- schicbtend im Laufe mehrerer Jahrtausende den ursprünglich 17 m hohen Hügel um 13 m erhöht haben. Von diesen haben Schliemann und Dörpfeld die zweit- unterste, eine dreimal umgebaute Burg mit stattlichen, unterwärts aus Steinen, ober- wärts aus Luftziegeln bestehenden Umfassungsmauern und in gleicher Technik er- richteten, im Grundrisse denen von Tiryns und Mykenä ähnlichen Palästen, lange Zeit für die Burg, die Pergamos von Ilios, gehalten. Erst 1890, in jenem Jahre, an dessen Schlüsse Schliemann der Wissenschaft leider zu früh entrissen wurde, erkannten sie aus Funden, die sie in der sechsten Schicht, welche ausserhalb des Mauerringes der zweiten noch unangetastet war, machten, dass letztere aus einer vor der homerischen liegenden Zeit herrühren müsse. Auf Grund dieser Beobachtung legte Dörpfeld im Jahre 1893 mit den ihm von Frau Schliemann zur Verfügung gestellten Mitteln eine Reihe von Gebäuden der sechsten Schicht, die sich durch den Fund mykenischer Topfware als die homerische zu erkennen gab, Teile der sie umschliessenden Burgmauer und einen gewaltigen Turm der letzteren frei. Mit weiteren noch in demselben Jahre von Sr. Majestät dem Kaiser bewilligten Geldmitteln konnte Dörpfeld schon 1894 die Arbeit wieder aufnehmen und die in ihrer Stärke wie in ihrer Technik staunenerregende Burgmauer mit drei Türmen und Thoren, so- wie mehrere Gebäude biossiegen. Der erhaltene Teil der Mauer beträgt rund 300 m;

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der zerstörte wird auf 200 m, der gesamte ehemals umschlossene Raum auf 20000 qm geschätzt. Zerstört ist die Burgmauer anscheinend gänzlich auf der Nordseite, von wo man ihre Steine zum Baue des nahe gelegenen Sigeion weggenommen hat. Die Gebäude im Innern, zumeist einzeln stehende, ganz aus Steinen erbaute Herrenhäuser, deren Grundriss einen grossen Saal mit Vorhalle aufweist, sind nur in der Nähe der Umfassungsmauer erhalten, nicht in der Mitte des Hügels, weil dort die Römer bei der Anlage des neuen Ilion die Spitze des Hügels horizontal abgeschnitten und dabei die Gebäudereste der drei obersten Schichten vollständig beseitigt haben.

Der Vortrag fand vor zahlreicher Yersammlung statt. Der Yur- sitzende des "Vereins, Herr Sanitätsrat Dr. Florschütz, dankte dem Redner in deren Namen und betonte mit Genugthuung, dass es Deutsche waren, die der Wissenschaft den grossen Dienst der Erforschung Trojas leisteten. Darauf schJoss er die Sitzung und mit ihr die auso-edehnte Reihe der Vortragsabende des ablaufenden Vereinsjahres. Seit Jahr- zehnten hätten sich dieselben nicht eines nur annähernd gleichen Zu- spruchs erfreut, der beste Beweis dafür, dass die Vorträge selbst eine Richtung innegehalten haben, welche in immer weiteren Kreisen sichtlich für die Vereinsbestrebungen Interesse wecke. Er sprach den Wunsch aus, dass sich auf der gleichen Basis der Verein immer kräftiger entwickeln möge und lebhafte Zustimmung aus der Versammluno- gab dieser Hoffnung freundlich Gewähr.

Diesen Exkursionen und Vorträgen innerhalb des Gesamtvereins gingen die im Folgenden aufgeführten innerhalb der Historischen Sektion parallel.

Erster Vortrag*.

In der ordentl. Sitzung der , Historischen Sektion" vom 24, April besprach Herr Archivar Dr. Meinardus die neue, von Max Lehmann in Göttingen aufgestellte und begründete Auffassung vom Ursprung des 7jährigen Krieges (Friedrich der Grosse und der Ursprung des 7jährigen Krieges. Leipzig, Hirzel 1894).

Nach sorgfältiger Prüfung des ganzen Materials und Heranziehung der gesamten, bisher gegen Lehmanns Autfassung erschienenen Besprechungen der Anhänger der bisherigen Ansicht, wonach Friedrich der Grosse den 7jährigen Krieg begonnen hat, um einer auf die Zerstückelung der preussischen Monarchie gerichteten ,, Verschwörung" der drei Grossmächte (")sterreich, Russland und Frankreich zuvorzukommen, ist der Vortragende, wie er erklärte, zu der Überzeugung gelangt, dass Lehmanns neue Auffassung die richtige sei. Dieser sucht nämlich zu erweisen, dass Friedrich der Grosse, als er im Juni 1756 zu rüsten begann, ehe dies von seiten (")sterreichs ge- schehen war, auch selbst, gleich jenen Mächten, offensiv vorgehen wollte, dass er Westpreussen und Sachsen dem preussischen Staate einzuverleiben gedachte, dass er endlich den sächsischen Kurfürsten, der, nach Meinung des Vortragenden, als pol-

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nischer König ohnehin mehr Wert auf sein fremdländisches Königtum, als auf sein deutsches Kurfürstentum legte, mit Böhmen oder einem Teile von Böhmen entschädigen wollte, nachdem Osterreich, wie er sicher erwartete, von ihm „total geschlagen" sei. Nach Lehmanns Ansicht standen sich also im Beginne des 7 jährigen Krieges zwei Offensiven gegenüber, die eine der Maria Theresia auf die Vernichtung Preussens, die andere des preussischen Königs auf die Eroberung Sachsens und Westpreussens gerichtet. Der Vortragende entwickelte das ganze Lehmann 'sehe Beweismaterial aus dessen Broschüre und erörterte dann eingeliender noch folgende drei Punkte, welche die gegnerische Autt'assung nicht kannte oder nicht genügend erklären konnte, welche Lehmanns Ansicht aber besonders unterstützen: 1. die Rüstungen Friedrichs, welche er England gegenüber als durch gewaltige Rüstungen Österreichs veranlasst hinstellte, während er sie vor der Kaiserin Maria Theresia zu beschönigen suchte ; 2. die feste Überzeugung des Kcinigs, dass Frankreich sich nicht so weit gegen ihn einlassen werde und könne, wie es dann doch geschah, und 3. die allen militärischen Regeln widersprechende und von allen militärischen Autoritäten von Napoleon bis zu unseren heutigen ersten Kriegshistorikern hin scharf getadelte Behandlungsweise der sächsischen Armee. Der Vortragende gab seine Übereinstimmung mit der von Del- brück im Februarhefte der preussischen Jahrbücher entwickelten Auffassung kund, wonach jetzt erst der Charakter Friedrichs in seiner wahren und wahrhaft dämo- nischen Grösse erkannt wird. Mit Recht heisst es dort: Um das grosse Ziel, Sachsen schon vor 1815 mit Preussen zu vereinigen, hat Friedrich ,,mit der ganzen Kraft seiner gewaltigen Persönlichkeit gerungen und endlich doch ermattet davon ablassen müssen, weil der ausgemergelte, aus tausend Wunden blutende Körper seines Volkes gänzlich zusammenzubrechen drohte.''

An den Vortrag schloss sich eine Debatte.

Zweiter Vortrag".

Am 8. Mai sprach Herr Archivar Dr. Panzer „über den Schmal- kaldiachen Krieg im Jahre 1546, mit besonderer Berücksichtigung des Rheinübergauges der unter dem Oberbefehl des Grafen Maximilian von Büren stehenden kaiserlichen Truppen."

Der Redner knüpfte seine Ausführungen zunächst wesentlich an die Person des Landgrafen Philipp von Hessen an, der von neueren Forschern nicht immer richtig beurteilt werde, und der seiner Ansicht nach ein so hervorragender Politiker und Feldherr war, dass die Schmalkaldischen Verbündeten die besten Aussichten auf einen glücklichen Ausgang des Krieges gehabt hätten, wenn die politische und militärische Leitung des Bundes ihm allein zugestanden hätte. Die Niederlage des Schmalkaldischen Bundes war zum grossen Teile die Folge davon, dass die wohlüberlegten Ratschläge des Landgrafen nicht befolgt wurden. Aus den gleichzeitigen Korrespondenzen wies Redner nach, dass die Behauptung, der Landgraf sei kurz vor Ausbruch des Krieges kleinmütig gewesen, und seine Räte hätten ihm diesen Kleinmut vorgehalten, auf einem Irrtum beruhe. Auch während des Krieges hat der Landgraf sein militärisches Verständnis mehrfach bewiesen; er war es, der vor allen andern zu sofortigem Angriff riet, als die Schmalkaldischen gegen das vor Ingolstadt lagernde und zunächst noch

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nicht verschanzte Heer Karls V, vorrückten. Näher ging Redner sodann auf die Kriegs- begebenheiten am Rhein ein. Tm Rheingau stand die einlieimische Mannscliaft unter Waffen unter dem Befehl des kurmainzischen Vitzthums. der den Übergang zu verteidigen versprach. Die hier stehenden Truppen des Schmalkaldischen Rundes waren nicht stark genug, den Eintritt in den durch Bollwerke gesicherten Rheingau zu erzwingen und gleichzeitig die Übergänge oberhalb Mainz besetzt zu halten. Das Kriegsvolk, welches der Graf von Oldenburg für den Bund aus Niederdeutschland herbeiführte, war noch weitab vom Rhein und Statthalter und Räte in Cassel, welche befürchteten, dass das niederländische Heer des Kaisers sich gegen Hessen wenden werde, glaubten nicht, zu besonderer Eile mahnen zu sollen. Man war in Cassel nicht frühzeitig genug davon unterrichtet, dass die von den Kaiserlichen in Xiederdeutschland ange- worbene Reiterei in der Gegend von Mainz sich gesammelt, und welchen Weg das niederländische Corps genommen habe. Büren hatte, nachdem er die Nahe passiert, sich den Anschein gegeben, als ob er auf Alzei und Worms ziehen wolle; in der Nacht vom 20. /21. August wandte er sich plötzlich gegen Bingen und Hess von hier aus mit Nachen die Schiffe vom rechten Rheinufer herüberholen. Ein Mainzer Dom- herr fuhr dabei von Bingen mit hinüber und verbot dem die Schiffe bewachenden Landvolk das Schiessen. Noch in derselben Nacht bemächtigte sich Büren der festen Plätze im Rheingau. Die Schmalkaldischen waren ausser stände, am folgenden Tage den Rheingau zu stürmen, sie vermochten nicht einmal ihre Streitkräfte zusammen- zuziehen, da die niederdeutsche Reiterei des Kaisers Anstalten zu machen schien, bei Oppenheim die Überfahrt ins Werk zu setzen. So kam es nur zu Scharmützeln an der Landwehr des Rheingaus, und ungehindert konnte Büren seinen Übergang vollenden. Die Truppen der Schmalkaldischen Verbündeten waren, nachdem sie einmal den Rhein als Verteidigungslinie hatten aufgeben müssen, auch nach ihrer Vereinigung mit dem Grafen von Oldenburg Büren, der über sehr bedeutende Kavalleriemassen gebot, keines- wegs gewachsen und nicht im stände, dessen Zug nach der Donau ein Hindernis in den Weg zu legen.

Dritter Vortrag*.

Am 6. Juni unternahm die „Tlistorische Sektion", der sich eine Anzahl von Gästen angeschlossen hatte, einen Ausflug nach Bleiden- statt, um die Reste des ältesten Klosters auf uassauischem Gebiete in Augenschein zu nehmen. Herr Professor Dr. Grimm berichtete dort zu- nächst über die Geschichte und Bedeutung des im 8. Jahrhundert gegründeten Benediktinerklosters und die 1495 erfolgte Umwandlung desselben in ein Ritterstift. Man besuchte dann die 1670 erbaute Stiftskirche und nahm die dort erhaltenen alten Grabdenkmäler, sowie die interessanten Architekturreste der früheren, im dreissigjährigen Kriege zerstörten Klosterkirche, welche bei dem Neubau Verwendung gefunden, in Augenschein. Schliesslich wurde Auskunft erteilt über die Lage der alten Klostergebäude, von welchen allerdings nur dürftige Reste vorhanden sind. Ausgrabungen würden hier weiteren Aufschluss

gewähren.

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Vierter Vortrag.

In der Sitzung der „Historischen Sektion" am 20. November hielt Herr Archivrat Dr. Sauer einen fast zweistündigen Vortrag über den „Adel in den Herrschaften Wiesbaden und Idstein", in steter Anlehnung an die Geschichte des Adels in allen Landesteilen, welche seit dem Anfange dieses Jahrhunderts das Herzogtum Nassau bildeten.

Nur kurz berührt wurde die allgemeine Geschichte des deutschen Adels, dessen Ursprung und allmähliche Entwickelung zu einem privilegierten Stande und dessen Verfall, Fragen, welche der allgemeinen deutschen Geschichte, sowie der Rechtsge- schichte angehören. Zur Sache selbst legte der Vortragende dar, was bisher im Lande selbst für die Erforschung der Geschichte des Adels geschehen ist, die teils handschriftlich, teils im Druck vorliegenden Arbeiten und Sammlungen des Idsteiners Konrad Lesch von Braun fels, des Mainzer Domvikars Helwig, der Johann Andrä, Humbracht, Hagelgans, die Forschungen der Dillenburger Archivare, von Vogel, Grass, Goeckingk wurden besprochen und gezeigt, inwieweit die älteren sowohl wie auch die neueren Arbeiten den zu stellenden Forderungen entsprechen, wie weit durch sie die Kenntnis der einzelnen Adelsgeschlechter des Landes, der Geschlechtsfolge inner- halb derselben, die Kenntnis der Burgen, Besitzungen und Güter, namentlich aber der Wappen des Adels gefördert ist, und wie weit diese Arbeiten den Aufgaben, welche vom Standpunkte der Genealogie und Heraldik 'jetzt zu stellen sind, gerecht werden.

An quellenmässigem Material zur Geschichte des hiesigen Adels fehlt es nicht. Reiche Nachrichten bieten die Urkundenschätze der Archive; neben den eigentlichen Urkunden, namentlich den Lehnsurkunden, die Lehnsbücher, deren ältestes am Mittd- rhein vorkommende, das der Herrschaft Bolanden, aufgestellt etwa 1190, mit Fort- setzungen aus der Mitte des 13. und 14. Jahrhunderts, ist. An das Bolandische Lehnsbuch, welches zahlreiche nassauische Geschlechter und deren im hiesigen Lande belogenen Lehen vom Rhein und Main an über die Lahn bis auf die Höhe des Westerwaldes nennt, schliessen sich die Lehnsbücher der Rheingrafen, etwa 1206, von denen sogar Parzellen in Wiesbaden selbst lehnsrührig waren, das etwa 1290 aufgestellte Lehnsbuch der Herrschaft Eppstein, das etwas jüngere der Grafschaft Diez. Etwa um diese Zeit, im Laufe des 14. Jahrhunderts, fing man auch hier, in der gräflichen Kanzlei zu Idstein, an, die Belehnungen und die darüber erteilten Lehnsurkunden in Lehnsbüchern aufzuzeichnen. Diese Lehnsbücher sind wichtige Quellen für die Landesgeschichte, um so wichtiger, je weniger Lehnsurkunden selbst uns erhalten sind. Die Lehnsbücher erleichtern die Übersicht, sie bieten dem Forscher den ganzen Bestand des Adels eines Landes für einen bestimmten Zeitabschnitt ge- schlossen dar. Von den Lehnsbüchern der Herrschaft Wiesbaden-Idstein gelangten ilrei zu eingehender Besprechung; das dritte, umfassendere, gab dem Vortragenden das Material zn einer übersichtlichen Besprechung derjenigen Geschlechter, welche um (He Mitte des 15. Jahrhunderts die Ritterschaft hierselbst ausmachten. Heran- gezogen waren hierfür weitere Quellen, namentlicli monumentale Grabdenkmäler in den Kirchen und Klöstern des Landes, die jedoch nur in geringer Zahl auf uns ge- kommen sind.

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Die Zahl der adeligen Geschlechter, welche sich im Bereiche des ganzen vor- maligen Herzogtums, also auf 82 Quadratmeilen, findet, lüsst sich auf höchstens 500 berechnen; ein fast gleiches Verhältnis zeigt die Nachbarprovinz Westfalen, wo auf 367 Quadratmeilen etwa 1500 Geschlechter kommen. Für Nassau ist eine sichere Ermittelung schwierig, da bekanntlich das Land, soweit es nicht den geistlichen Nachbarstaaten oder den einzelnen Linien des Hauses Nassau unterthan war, nicht weniger als 22 dem hohen Adel angehürige Dynastengeschlechter aufwies, deren jedes seine eigene Lehensmannschaft, seinen besonderen Lehenshof hatte. Die Geringfügig- keit dieser Territorien im einzelnen hatte zur Folge, dass ein und dasselbe Geschlecht Lehen in verschiedenen Herrschaften trug, wodurch die schon an sich mühsame Forschung auf diesem Gebiete nicht erleichtert wird.

So finden wir in der Herrschaft Wiesbaden-Idstein in der Mitte des 15. Jahr- hunderts der Zahl nach mehr auswärtige Geschlechter begütert und belehnt, als ein- heimische, dem hiesigen Uradel angehürige. Von den Häuptern von etwa 30 adeligen Geschlechtern, welche den Landesherrn bei festlichen Anlässen in Wiesbaden oder Idstein umgaben, gehörten nur 3 oder 4 dem hiesigen Uradel an.

Als die wichtigsten dieser Geschlechter sind zu nennen die Allendorf, Bellers- heim. Berge, Bermbach, Bücher, Dem, Diez, Döring, Klüppel von Elkerhausen, Erlen, Flemming, Frauenstein, Glimmenthai, Hattstein, Heppenheft, Hohenstein, Hud von Sonnenberg, Lindau, Miehlen, Nassau, Praunheim, Reitfenberg, Schönborn, Si)echt, Sulzbach, Walderdortf. Die ebengenaunte Zahl ist die höchste, welche der hier an- gesessene Adel erreicht hat, die Mitte des 15. Jahrhunderts ist hier die Blütezeit desselben. Durch hervorragenden Geld- und Grundbesitz hat derselbe sich nicht aus- gezeichnet. Anscheinend lebte der hiesige Adel, vielleicht einzelne Geschlechter ab- gerechnet, in sehr bescheidenen Verhältnissen ; der Allodialbesitz war gering.

Korporative Rechte besass die Ritterschaft des hiesigen Landes niemals, sie ist niemals als geschlossene Korporation aufgetreten, die sich im Besitze ständischer Rechte vereinigte, Landtage, auf denen Ritterschaft und Städte zusammentraten, wie in den benachbarten geistlichen Staaten Mainz und Trier, hat die nassauische Ritter- schaft weder diesseits, noch jenseits der Lahn jemals besessen. Grosse stattliche Burgen und Schlösser, wie alle Teile Deutschlands solche in Hülle und Fülle auf- weisen, wie sie uns, in prächtige f]delsitze umgewandelt, überall in Deutschland be- gegnen, gab es hier nicht. Zu nennen wäre nur das in Trümmern liegende Burg- schwalbach. Noch einigermassen haben ihren burglichen Charakter bewahrt der alte Stockheimer, jetzt Kairoer Hof in Idstein, sowie der bei Wörsdorf belegene Hof Fackenhofen, jetzt Henriettenthal.

Die meisten Geschlechter fanden ihre Unterkunft auf den Landesburgen ihres Lehnsherrn, deren Verteidigung sie gegen den Bezug bestimmter Lehnsgefälle zu führen hatten.

Über die hiesigen Landesburgen Wiesbaden, Idstein, Sonnenberg, Adolfseck und Wallrabenstein verbreitete sich der Vortrag sodann eingehender ; ebenso über die von den einzelnen Lehnsleuten vom Lande bezogenen Gefälle, die gewissermassen den da- maligen Etat der Landesverwaltung bilden. Auch Kuriosa gab es hier zu verzeichnen. So bezog der oberste Forstmeister der Höhenwaldung jährlich 8 Malter Käse, ob = 1600 Pfund? Dies wären etwa 4 Pfund einheimischer Kuhkäse täglich, ein

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Gehalt, von dem wir kaum annehmen können, dass er den heutigen Nachfolgern jener Beamten in diesem Amte behagen dürfte. Aufgeregte, stürmische Zeiten waren vernichtend für den Bestand des Adels. Die Kreuzzüge, die Reformationszeit, die Zeiten des dreissigjährigen Krieges haben furchtbar aufgeräumt unter den Ge- schlechtern des deutschen Adels, nicht minder unter den des nassauischen. Von den 500 Adelsgeschlechtern sind nur drei auf unsere Zeit gekommen, die Schönborn, Schütz von Holzhausen und Walderdorif, die ganze Masse des übrigen Adels ist aus- gestorben! Mit dem am 15. April 1702 erfolgten Tode des Friedrich Wilhelm von Stockheim, der als letzter seines Geschlechts auf dem alten Hofe in Idstein - sass, war das letzte der einheimischen Adelsgeschlechter erloschen, nachdem sich schon zu Anfang des vorhergehenden Jahrhunderts ein empfindlicher Abgang an solchen bemerklich gemacht hatte.

Der Hof, der Landesherr, hatte den Adel notwendig. Ohne Adel keine Hof- haltung, keine Verwaltung. Der Hof war somit gezwungen, für den abgängigen Landesadel Ersatz zu suchen im Auslande, durch Hereinziehung fremder Geschlechter. Indessen hinderte das dynastische Interesse, dass man bei dieser Remontierung des Adels den Weg wählte, den benachbarte Staaten, besonders die geistlichen, wie Mainz und Trier, unter den gleichen Verhältnissen einschlugen. In geistlichen Staaten fehlte dem Landesherrn das dynastische Interesse des weltlichen Souveräns, für ihn bestand kein Hindernis, ein durch Aussterben eines Geschlechts erledigtes Lehen einem anderen Geschlechte zu übertragen und hierdurch ein neues Reis zu pflanzen. In Nassau wie in vielen kleinen Staaten stand das dynastische Interesse dem Adel feindlich entgegen. Bei Erlöschen eines Geschlechts zog die Landesherrschaft die Güter als erledigtes Lehen, wozu sie zweifellos berechtigt war, ein, verlieh sie aber nicht wieder, sondern schlug sie zu ihrem Domanialvermögen. Adel wollte man, musste man haben, aber man wollte keinen durch Gutsbesitz unabhängigen, sondern einen armen und von der Gnade des Landesherrn abhängigen, gefügigen Adel in jener Zeit, wo jeder kleine deutsche Fürst seinen Abgott in Paris kopierte. Die veränderten Formen der Staatsverwaltung ermiiglichten dies ; der Ilofdienst war nicht mehr abhängig von Lehensbezügen, die Beamten waren auf feste Gehälter an Geld und Naturalbezügen gestellt. In Idstein war der letzte einheimische Amtmann 1602 Johann von Stockheim, vor ihm finden wir schon auswärtige, wie einen Horneck von Weinheim, später einen von Leyen, von Langein. In der Herrschaft Wiesbaden finden sich seit 1533 die Walbronn, Watzdorf, Bresen, Langein; der letzte adelige Amtmann war hier 1731 ein von Bode.

Am Idsteiner Hofe treten unter den Fürsten Johann und Georg August im Ilofdienste nur auswärtige Familien auf, die Jossa, Kalm, Röder, Hayn u. a. Das Verfahren wurde durch den kleinen, in Wiesbailen-Idstein succedierenden Hof von Usingen fortgesetzt, es kam hinzu, dass die vielfach in fremdem Militärdienst be- tiiidlichen nassauischen Prinzen gern auswärtige Offiziere an sich und ihren Hof zogen. In dieser Zeit sind namentlich die später zu Bedeutung gelangten Familien Kruse, Dungern und Marschall in das Land gekommen.

Dass die Entwickelung dieser Verhältnisse in Nassau-Weilburg, sowie in den oranischen Fürstentümern Dillenburg. Diez und Iladamar die gleiche war, braucht kaum bemerkt zu werden.

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Zu dem nahcliegcndcu Ersatzmittel, hervorragende Persönlichkeiten im Lande durch den Kaiser in den Adelstand erheben zu lassen, schritt man nicht. Standes- erhöhungen dieser Art waren damals noch reserviert für die morganatischen Frauen der fürstlichen Personen und deren Kinder, sodann auch für die Kinder von Mai- tressen. Für letzteres sind Belege im oranischen Hause, sowie im Hause Nassau- Saarbrücken zu finden. Im Hause Xassau-Usingen-Wiesbaden erhob Fürst Karl seine morganatische Gemahlin Margarethe Gross aus Wiesbaden zur Frau von Dieburg, die Kinder zu von Bieburg, den Sohn später zum Grafen von Weilnau. Man führte hier ein, was auch anderwärts geschah !

Unter demselben Fürsten Karl, dann unter seinem Bruder, dem Fürsten, späteren Herzog Friedrich August, bildete sich der Ansatz zu dem späteren statt- lichen Hof- und Beamtenadel des Herzogtums; wir tinden die Familien Kruse, Dungern, Marschall, Bismark, Ungern-Sternberg, Rettberg u. a.

Grosse Vermehrung des Adels brachte der Länderzuwachs, den Nassau zu Anfang dieses Jahrhunderts durch die damaligen politischen Umwälzungen erhielt. Namentlich führte der Erwerb kurmainzischer und kurtrierischer Landesteile eine stattliche Zahl adeliger zum Teil illustrer Geschlechter an den eines solchen Verkehrs noch ungewohnten, bis dahin still in philosophischer Ruhe dahinlebenden Hof des alten Herzogs Friedrich August zu Biebrich. Es sind hier zu nennen die Namen Schönborn, Ingelheim, Waldbott-Bassenheim, Boo^^aldeck, Coudenhoven, Breidbach- Bürresheim, Sickingen, Greifenclau, Wald^rdorff, Stein, Ritter, Zwierlein, Schütz von Holzhausen, Preuschen; nach dem Anfalle von Wiesbaden an Weilburg kamen von dort hinzu die Lesch von Mühlheim, Low zu Steinfurt, aus Hachenburg die Nauen- dorf; später die Syberg, Preen, Böse und Hadeln.

So konnte nach Erlass der Verfassung für das Herzogtum im Jahre 1814 für die Versammlung der Landstände eine ansehnliche, aus illustren Geschlechtern und Standesherrn zusammengesetzte erste Kammer oder Herrenbank gebildet werden.

Gleichzeitig machte aber Herzog Friedrich August von der fürstlichen Macht- vollkommenheit, die er nach Auflösung des Reichsverbandes besass, Gebrauch. Er sowohl wie seine Nachfolger, die Herzöge Wilhelm und Adolf, haben zahlreichen Familien, die sich im Herzogtum niederliessen, die landesherrliche Anerkennung des Adels ausgesprochen, ausserdem aber auch eine Anzahl von Familien in den Adels- stand erhoben. Es entfallen: 1. auf den Herzog Friedrich August 1807 1811 dreizehn Fälle von Anerkennung des Adels, drei Erhebungen in den Adelstand (Goedecke, Fabricius, Runkel); 2. auf den Herzog Wilhelm neben mehreren Aner- kennungen zwei Erhebungen (Goedecke, Morenhotten) ; 3. auf den Herzog .idolf 9 Anerkennungen und 3 Erhebungen.

Ist somit die Zahl der jetzt im Lande ansässigen adeligen Geschlechter eine erhebliche, so sind doch nur drei derselben, die Schönborn. Schütz von Holzhausen und Walderdorif als ursprünglich uassauische Geschlechter zu bezeichnen. Von den übrigen hat auch wohl nur eine kleinere Zahl durch langjährigen Besitz das Recht, sich als wirklich einheimischer und nassauischer Adel zu bezeichnen. !Man staunt deshalb, in dem 1869 herausgegebenen, den „jetzt blühenden nassauischen Adel" behandelnden Bande des grossen Si e b mache r' sehen Wappenbucbes nicht weniger als

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124 Geschlechter vereint zu finden, nämlich 2 4 Grafen. 64 Freiherrn. 36 Edelleute. Würde man nach dem vom damaligen Herausgober befolgten Verfahren heute eine Aufstellung versuchen, so würde allein Wiesbaden ein reicheres Resultat ergeben.

Fünfter Vortrag".

Am 4. Dezember 1895 hielt Herr Major u. D. Kolb einen Vor- trag über die „Geschichte des Herzoglich Nassauischen üffizierkorps (1803—1866)".

Die Aufstellung eines grösseren stehenden nassauischeu Truppenkontingents und damit die Errichtung eines Oftizier-Korps fällt zeitlich zusammen mit den territorialen Veränderungen infolge des Reichsdcputationshauptschlusses 1803. Die beiden damals noch blühenden Fürstenhäuser Nassau-Usingen und -Weilburg formierten aus ihren vier Kompagnien drei Bataillone ; das Scheiter'sche Jäger-Korps aus kurmainzischen Diensten war bereits im December 1802 mit 15 Offizieren und einigen hundert Mannschaften übernommen worden. Zu diesen 4 Bataillonen trat 1804 eine neu errichtete Eskadron reitender Jäger, welche im Jahre 1807 verdoppelt wurde. Durch Staatsvertrag vom 30. August 1806 wurden diese sämtlichen Truppenteile in einer gemeinschaftlichen Brigade vereinigt, tleren Kommando Herzog Friedrich August von Nassau-Usingen persönlich führte. Natürlich reichte der Bestand und Nachwuchs der altnassauischen Stammkompagnien niclit aus, um die Offiziere für die Brigade zu stellen. Die auf dem rechten Rheinufer gemachten Erwerbungen an Land führten aus den säkularisierten Kulturstaaten, später aus den mediatisierten Territorien eine grössere .Vnzahl von Offizieren dem nassauischen Dienste zu ; aus holländischen und oranischcu Diensten kamen deren viele herüber, die Auflösung der kurhessischen, wie eines Teiles der preussischen Armee hatte den weiteren Übertritt von Offizieren zur Folge. Ausser 16 kurmainzischen Offizieren wurden 1803 aus kurtrierischen Diensten 15, aus kurkqlnischen 6. von 1803 bis 1806 aus Nassau-oranischen, hollän- dischen und Oranienfuldaischem Dienste 19 Offiziere übernommen, 1806 traten aus ehemals Nassau-saarbrückischen, Solms'schen, Wied'schen und Sayn'schen Diensten 9, 1806 7 aus kurhessischem, österreichischem und preussischem Dienste je 5 Offiziere über ; im ganzen gingen in den vier Jahren etwa 80 Offiziere und eine entsprechende Anzahl von Exspektauten aus fremdherrlichen Diensten zu.

Nur wenige ältere Offiziere von den ehemaligen Stamm-Kompagnien verblieben im Dienst, 1804 waren es nur noch sechs, die Kriegsrangliste von 1806 weist deren nur noch zwei nach ; dagegen wuchs ein Stamm von jungen Kräften heran, so dass bereits 1806 seine Anzahl von Lieutenantsstellen durch Landeskinder besetzt war, im F'rühjahr 1807 bildeten dieselben die Mehrheit der jüngeren Offiziere.*)

'*) Die Offizieratammrolle von 1804 nennt noch folgende alt-nassauiachen Offiziere: 1. Oberstlieutenant Wolf V. Todenwart, trat 1804 als Hofmarsthall in Ilofdicnst. 2. Major Carl V. Gagern (NVeilburg), ging 1^05 in Tension. :}. Major Friedrich v. Wintzingerodc, wurde 1806 Oberhofstallmeister. 4. Hauptmann Carl v. Xormaiin, 1m06 7 Feldzug gegen Preussen, 1809 im 1. Regiment. "). Hauptmann .\Ibert von Bo\ neburg, Feldzug 180ß/7, 1810 ausge- schieden. 6. Hauptmann Georg v. Massenbach, trat 1><06 in Civil-(Forst-)Dien8t.

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Wie gezeigt, waren in diesem ersten Nassauischen Offizierkorps sämtliche deutsche Stämme vertreten. Gemeinsames Streben, gemeinsame Gefahren beseitigten bald jeden Unterschied, zehn Kriegsjahre gaben den einheitlichen Kitt und die Xach- komnien der damals zu uns Gekommenen sind seitdem die treuen Söhne ihres Adop- tiv-Vaterlandes. Aber auch ein vorzüglicher Nachwuchs verdankte den langen Kriegs- jahren sein Dasein ; in dem besten, vielfach schon im jugendlichen Alter in höhere und verantwortliche Stollungen vorgerückt, garantierten diese Offiziere die höchste Leistungsfähigkeit auf allen Gebieten, und die grossen Erfolge, die unter den schwierigsten Verhältnissen errungen wurden, sind lediglich der vorzüglichen Qualität dieses ersten Offizierkorps zu verdanken. Dass während des Krieges auch verdiente Unteroffiziere die Epauletten erlangen konnten, spornte den Ehrgeiz an. Waren die so Offizier Gewordenen auch an Jahren vielfach älter, als ihre Kameraden gleicher Charge, so brachten sie dafür einen Schatz von Erfahrungen mit, die sie bei wich- tigen Kommaudos und in schwierigen Lagen sehr verwendbar machte. Interessant sind die Vergleiche bezüglich des Lebensalters und der Avancements-Verhältnisse von damals und heute: General v. Schaeffer erreichte diese Charge mit 36 Jahren, General v. Kruse war mit 32 Jahren Brigade-Kommandeur, die Obersten von PöUnitz, Meder und v. Steuben waren 33 bis 35 Jahre alt, als sie Regimentskomman- deure wurden ; die Majors Sattler und Ph. v. Xormann brauchten zwölf Jahre von ihrer Ernennung zum Offizier bis zur Majorscharge. Die Lieutenants von 1806/7 erreichten die Hauptmannscharge durchschnittlich binnen 3 bis 4 Jahren, die von 1808 gebrauchten hierzu höchstens 6, die von 1809 5 Jahre; für den Ersatz von 1810 stellte sich die Durchschnittsdauer wieder auf vier Jahre. Die späteren Jahr- gänge hatten bereits unter den langen Friedensjahren etc. zu leiden. Mit 20 bis 21 Lebensjahren erreichten die Hauptraannscharge die Lieutenants Ludwig v. Müller, C. v. Waldschmidt, E. v. Mülmann und G. Alefeld, mit 22 bis 23 Jahren G. Gerau, Aug. Stamm. Fr. Weiz, C. v. Jossa. Fr. Ph. v. Goedecke, Fr, Rücker, C. Keim und J. v. Trapp, mit 24 bis 25 Jahren C. v. Weitershausen, Chr. Medicus, Fr. J. Müller, J. Rohm, H. V. Xormann. C. Sterzing, C. v. Rettberg und Fr. E. v. Reichenau.

Seine erste Feuerprobe bestand das Xassauische Offizierkorps in der Kampagne 1806/7; das 3. Bataillon (Meder) nahm allein an der Schlacht von Jena teil, während 8 Kompagnien (2 per Bataillon) unter General v. Schaeffer (1807) bei Pasewalk, Ferdinandshof und Uckermünde fochten, und im Juni desselben Jahres das 2., 3. und 4. Bataillon, sowie die erste Eskadron vor Colberg vereinigt waren. Im Sep- tember an den Gefechten vor Stralsund und auf Rügen gegen die Schweden beteiligt, trat die Brigade im Xovember den Heimmarsch an, auf dem sie am 1. Januar 1808 eintraf.

Während der Kampagne waren 9 Aspiranten zu Offizieren ernannt. 4 Offiziere aus fremdherrlichen Diensten übernommen worden, der Oberlieutenant v. Lesch war am 19. Juli vor Stralsund geblieben und ein Offizier in Berlin verstorben; (Jberst V. Schaeffer und Hauptmann von Goedecke hatten das Kreuz der Ehrenlegion erhalten. Der Kadett F. Schlosser aus Weilburg und der Sergeant Peter Bickel aus Wiesbaden, beide spätere Offiziere, hatten die silberne Tapferkeitsmedaille erworben.

Bereits im Juli 1808 waren für die französische Armee in Spanien zu gesteilen: ein Brigadestab (General v. Schaeffer, Hauptmann Pfnorr), ein Regiment Infanterie

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(Oberst v. Kruse) und eine PIskadron Jäger (Major v. Rcincck). Das Oftizierkorps für das Regiment (So. 2) wurde in erster Linie dem 2. und 3. Bataillon entnommen. Oberst von Kruse hatte darauf Bedacht, dass alle Stellen mit erprobten, durchaus leistungsfähigen Oftizieren besetzt wurden, eine Massregel, die bei den äusserst schwierigen Verhältnissen, denen man auf dem weit entfernten Kriegsschauplatz ent- gegenging, später gute Früchte trug. Um diesen Offizieren auch das bessere Avance- ment zu sichern, setzte der Oberst es durch, dass während des 5jährigen Feldzuges nur drei Stabs-Oftiziere für Gestorbene, Schwerverwundete und Versetzte vom Deiwt eingestellt wurden, während die Vakanzen von 25 gefallenen und 12 sonst abge- gangenen Offizieren aus dem Regiment und seinem jungen Nachwuchs ergänzt wurden. Sämtliche Oberlieutenants und drei Unterlieutenants am Tage des Ausmarsches (20. August 1808) befanden sich bei der Landung in Holland (Februar 1814) in der Ilauptmanns-Charge, sämtliche Unterlieutenants und mehrere Kadetten waren Ober-Lieutenants geworden, 23 Kadetten und Unteroffiziere kehrten als Lieutenants zurück. Acht (Offiziere (Oberst v. Kruse, Oberstlieutenant Meder, Major Felix, die Hauptleute v. Weyhers und Ph. v. Normann, die Lieutenants Schmidt, Trittler und Wirsberg) waren Mitglieder der Ehrenlegion geworden, ein Lieutenant, G. Holzgen, hatte als Unteroffizier die goldene und die silberne Tapferkeitsmedaille erhalten, der Ober-Lieutenant J. von Trapp hatte als Kadett, die Lieutenants Hief, Humbel und Harth als Unteroffiziere die silberne Tapferkeits-Medaille errungen.

Die 2. Jäger-Eskadron, am 15. September 1808 ausgerückt, hatte ihren tapfereu Chef, den Oberstlieutenant v. Reineck, sowie den Oberlieutenant v. Eschwege vor dem Feinde verloren, ein Rittmeister (v. Hagen) war zum Major, der Oberlieutenant H. V. Normann, wie der Unterlicutenant v. Rettberg waren zu Rittmeistern ernannt worden, drei Offiziere vom Depot gekommen, fünf Offiziere hatten das Kreuz der Ehrenlegion erhalten (v. Reineck, v. Hagen, H. v. Normann, v. Eschwege und v. Rett- berg), dem Wachtmeister, späteren Oberlieutenant Geibel, .war die silberne Tapfer- keitsmedaille zu Teil geworden.

Kaum ein halbes Jahr, nachdem das 2. Regiment nach Spanien abgegangen war, verlangte Napoleon eine weitere Truppengestellung in Form eines Infanterie-Regiments in dem Kriege gegen Osterreich. Da Nassau, infolge von Separatverträgen, dieses Regiment mit für die Fürstentümer von Hohenzollern und Isenburg stellte, wurden mit deren Kontingenten auch zwei Hohenzollern'sche und vier Iseuburgische Offiziere übernommen. Als 1. Infanterie-Regiment aus dem 1. und 4. Bataillon errichtet, verliess dasselbe unter Kommando des Obersten v. Pöllnitz bereits am 8. April 1809 die Garnison und traf ohne nennenswerte Ereignisse am 22. Juli in Wien ein, wo es bis zum 21. Oktober verblieb. Zunächst nach Passau verlegt, trat das Regiment am 21. Dezember den Marsch nach dem catalonischen Kriegsschauplatz an und traf am It). März 1810 in Barcelona ein. Mit kurzen Unterbrechungen verblieb es bis zur Desarmierung am 2. Dezember 1813 in dieser wichtigen Festung, trotzdem weist sein Gefechtskalender nicht weniger als 36 Gefechte in dieser Zeit nach. Vor dem Feind geblieben sind ausser seinem Kommandeur, Oberst v. Pöllnitz, 4 Offiziere, gestorben 3, sonst abgegangen 15 Offiziere, im Regiment wurden zu Lieutenants ernannt 15 Kadetten und Unteroffiziere, vom Depot gingen zu 14 (Jffiziere, in Kriegs- gefangenschaft befanden •^ich am Schlüsse des Jahres 1813 noch 4 Offiziere. Oberst

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V. Pölluitz, ]\Iajor v. Steuben, sowie der Lieutenant W. v. Hadeln waren Mitglieder der F^lircnlegion, die ^Majors v. IMolz und Th. Thielcniann, die Hauptleute v. Wald- schmidt, Ph, Goedecke und die Lieutenants Weiz, Alefeld etc. waren wiederholt zu dieser Auszeichnung vorgeschlagen worden, drei spätere Ol'tiziere, Müller. Kroll und Wolliuerscheid hatten erstere die goldene, letzterer die silberne Tapferkeitsniedaille erworben. Auch die 1. Jäger-Eskadron (Oberstlieutenant Fr. v. Overcainp) war am 13. März 1813 nach dem si)anischen Kriegsschauplatze abgerückt, hatte sich An- fangs Juli mit der 2. vereinigt und mit dieser noch die Schlacht von Vittoria, sowie einige kleinere Gefechte mitgemacht. Zu der catalonischen Armee kommandiert, wurden beide Schwadronen am 22. Dezember in Gerona von den Franzosen desar- miert. Dasselbe Schicksal hatte an dem nämlichen Tage das 1. Regiment in Barce- lona betroffen, doch gelang es dreizehn Offizieren desselben, wie 3 Offizieren der beiden Eskadrons, sich zu ranzionieren. Mit einigen 60 Mann und 3 aus spanischer Kriegsgefangenschaft entlassenen Offizieren gelangte dieses Detachement, von englischen Schilfen nach Italien gebracht, von dort aus in die Heimat. Am 12. Mai 1814 meldeten sich die Hauptleute v. Jossa, Alefeld, Coustol, Ph. Goedecke, v. Waldschmidt und Schüler, die Rittmeister v. Rettberg und v. Böse, die Lieutenants Weiz, Wittich, Fries, Eyring, v. Steprodt, Rückert, Harz und v. Reichenau, welche sich selbst be- freit hatten, der Hauptmann Hopfensberger, sowie die Lieutenants Cathreiner und V. Mülmann, welche aus spanischer Gefangenschaft entlassen worden waren, in Usingen bei dem Herzoge.

Die Veränderungen, welche das 1. Regiment während der vierjährigen Kam- pagne in seinem Offizierkorps erfahren, waren recht erhebliche; acht Offiziere waren tot, sämtliche Oberlieutenants und ein Unterlieutenant hatten die Hauptmannscharge erreicht, sämtliche Unterlieutenants und zwei Kadetten waren Oberlieutenants geworden, 15 Lieutenants waren im Regiment ernannt, ebenso viele Offiziere verschiedener Charge in dasselbe versetzt worden.

Nach Beitritt der beiden Nassauischen Souveräne zum Bunde gegen Frankreich musste zur Reorganisation der Brigade geschritten werden, da die Verbündeten neue Truppengestellungen verlangten. Das 1. Regiment und die beiden Eskadrons waren in französischer Gefangenschaft, das zweite Regiment in Holland ; es erging daher schon im Dezember 1813 der Befehl zur Aufstellung eines 3. Linien- und eines Landwehr-Regiments mit einem freiwilligen Jägerkorps als Feldtruppen, wozu noch der Landsturm in Stärke von 29 Bataillonen trat.

Das Offizierkorps des 3. Regiments (2 Bataillone zu 4 Kompagnien) wurde aus den im Inlande zur Zeit befindlichen Offizieren aller Waffen und den aus Kriegs- gefangenschaft zurückgekehrten gebildet, viele freiwillige traten ein, gut gediente Unteroffiziere wurden befördert. Das Offizierkorps des Landwehr-Bataillons zählte nur einzelne Berufsoffiziere in seinen Reihen, Staatsbeamten bildeten hier, Forstbeamten bei den freiwilligen Jägern die Mehrzahl desselben. Unter dem Befehle des Obersten L. V. Bismarck machte diese Brigade die Blockade von Mainz vom 17. Februar bis 4. Mai 1814 mit. Am 20. Aug. 1814 wurden das 3. Regiment und die beiden Jägereskadrons aufgelöst und die Offiziere und Mannschaften zur Komplettierung des aus der Kriegsgefangenschaft zurückgekehrten 1. Regiments verwendet, das vertrags- mässig in drei Bataillonen formierte 2. Regiment wurde auf den vollen Etat gebracht

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und verblieb in Holland. Das Jahr 1^15 rief die Brigade von neuem ins Feld: das erste Regiment, durch ein 3. (Landwehr-) Bataillon verstärkt, begab sich zur Vereinigung der Brigade nach den Niederlanden und traf am 7. Juni in Brüssel ein. Infolge des Angriffs der Franzosen am 16. Juni unterblieb die Vereinigung und am 18. in der entscheidenden Schlacht von Waterloo focht das Regiment an der ent- scheidenden Stelle vor Mont St. Jean mit der grüssten Auszeichnung und unter schweren Verlusten. Das 2. Regiment, mit dem Regiment Oranien-Nassau im Brigadeverband, hatte bereits am 16. Juni an dem Treffen bei Quatrebras Teil genommen, verteidigte und hielt am 18. Papelotte und Ilougoumont, General von Kruse und Erbprinz Wilhelm von Nassau befanden sich im Stabe Wellingtons. 22 Offiziere des 1. Regi- ments, 24 des 2. Regiments, Erbprinz Wilhelm und zwei Offiziere seines Stabes hatten mit ihrem Blute das Schlachtfeld getränkt, und wohlverdient war die An- erkennung, welche den beiden Regimentern zu Teil wurde. Am 29. Dezember kehrten das 1. Regiment und das Regiment Oranien in die Heimat zurück, das 2. ging ver- tragsmässig nach Holland, wo es im kompletten Stande bis 1820 verblieb. Die Auriüsung des Landwehrbataillons des 1. Regiments und des Regiments Oranien, so- wie der Reduktion des Etats infolge der Demobilisierung gestaltete die Avancements- verhältnisse im Offizierkorps aufs ungünstigste, um so mehr, als einige 40 oranische Offiziere, welche nassauische Unterthanen geworden waren, übernommen werden mussten. Allerdings fand insofern ein Ausgleich statt, als diejenigen Offiziere, welche aus ehemals kurtrierischen, bergischen, westfälischen und oranischen Gebieten stammten, die an Preussen gekommen waren, von dort übernommen werden konnten, es machten aber nur einige zwanzig Gebrauch hiervon, in holländische Dienste wurden nur sehr wenige (vier) übernommen. Wenn schon die zahlreichen, als Kriegsfreiwillige ein- getretenen Offiziere wieder ausschieden, vielfache Versetzungen in Civildienst und Pensionierungen stattfanden, so blieb doch immer noch eine Anzahl von Offizieren disponibel, wenigstens konnte ein junger Ersatz nur in sehr beschränkter Zahl, mit den schlechtesten Aussichten für die Zukunft stattfinden. Noch schlimmer gestaltete sich die Sache, als das zweite Regiment im Jahre 1820 zurückkehrte, das 3. Bataillon desselben entlassen und die beiden anderen auf Friedensfuss gebracht wurden. Es musste zu ganz energischen Massregeln gegriffen werden, um das Avancement im Fluss zu halten. In dem Zeiträume von 1816 bis 1820 wurden pensioniert 24 Offiziere, in Civildienst traten 13, gestorben oder mit einmaliger Abfindung ausgeschieden sind 5. Während im Jahre 1813 der Zugang an jungen Offizieren 24, 1814: 39 und 1815 noch 20 betragen hatte, wurden in den 5 Jahren von 1816 bis 1820 nur 19 Kadetten und F^xspektanten zu Offizieren befördert; in dem Zeiträume von 1820 bis 1830 be- trug diese Zahl insgesamt nur 21 Offiziere. Das Avancement bis zum Hauptmann, das von 1806 bis 1815 drei bis höchstens sechs Jahre beansprucht hatte, bedurfte v(m 1816 bis 1820 durchschnittlich 22, von 1822 bis 1825: 16 bis 18, von 1825 bis 1830: 14 bis 15 Jahre.

Im Jahre 1822 wurde durch den späteren General H. v. Iladeln eine Artillerie- Kompagnie mit Zeughauswerkstätte etc. errichtet, welche zunächst eine Vermehrung des Offizierskorps um 7 Köi)fe erbrachte, 1831 wurde dieselbe verdoppelt, 1854 ver- dreifacht, das Offizierkorps erhöhte sich auf 15 bis 16 Köpfe; 1833 war ein Pionier- detachement, das später auf eine Kompagnie gebracht wurde, errichtet worden. Die

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Infanterie bestand nach wie vor aus zwei Regimentern, welche seit 1. Januar 1831 in je zwei Linien- und ein leichtes Bataillon zu 4 Kompagnien formiert waren.

Die politische Bewegung des Jahres 1848 in Nassau machte sich naturgemäss auch auf militärischem Gebiete bemerklich. Die bis dahin bestandene Militärschule und Lehr-Kompagnie hatten die Aufnahme ihrer Zöglinge von gewissen sozialen Ver- hältnissen derselben abhängig gemacht, welche Schranke natürlich vor der Gleichheit Aller fallen musste. Eine der ersten ,,Thaten" des Ministeriums Ilcrgenhahn war daher die Aufhebung dieser Anstalten am 28. April. Bereits im März und wieder im Juli wurden eine Anzahl von Unteroffizieren zu Offizieren ernannt und den aus- gemusterten Kadetten, welche ihr Oftiziers-Examen gemacht hatten, in der Anciennität vorangesetzt. Die Mobilmachungen von 1848 führten weiter eine Anzahl von Frei- willigen dem Dienste zu, so dass 17 Unteroffiziere. 8 Kadetten und 8 Freiwillige zu Offizieren befördert wurden. Auf Wunsch der badischen Regierung wurden von der Centralgewalt am 20, April das 1. nassauische Regiment (Oberst Keim), eine Batterie etc. nach Mannheim dirigiert, wo ausser einem Zusammenstosse mit den Volkswehren am 26. und Desarmierung derselben am 29. sich nichts von Bedeutung ereignete. Vom 2. Regiment (Oberstlieutenant Gerau), das nach Süd-Baden dirigiert worden war, nahm das 1. Bataillon am 24. bei der Erstürmung von Freiburg das Predigerthor, wobei der Lieutenant Eyring fiel, Lieutenant Fr. Alefeld verwundet wurde. Im Juni kehrten beide Regimenter in die Heimat zurück. Bereits am 30. Juli beschloss die Centralgewalt die Entsendung eines nassauischen Regiments von 3 Bataillonen und einer Batterie (Heymann) nach Schleswig-Holstein, sowie die Stellung eines Brigade-Stabs bei den kombinierten Reichstruppen. Aus beiden Regi- mentern wurde ein Feld-Regiment (Oberst A. v. Reichenau) formiert, General Alefcld übernahm ein Brigadekommando. Der Watfenstillstand von Malmö am 26. August machte dem Feldzuge ein Ende, die Brigade Alefeld stiess zu dem unter dem General Dunker zwischen Heidelberg und Mannheim zusammengezogenen Beobachtungskorps, das Feld-Regiment und die Batterie kehrten am 8. Dezember in die Heimat zurück.

Im folgenden Jahre mussten wiederum ein Regiment fdas zweite) und eine Batterie (Müller) nach Schleswig-Holstein gestellt werden; am 27. März 1849 war die Batterie eingetroffen und der Brigade des Herzogs Ernst von Coburg-Gotha zu- geteilt worden, am 5. April nahm dieselbe entscheidenden und ruhmvollen Anteil an dem Gefecht gegen die dänische Flotte bei Eckernförde. Das 2. Regiment, der Brigade des Herzogs Adolf zugeteilt, kämpfte am 6. Juni bei den Düppeler Höhen. Am 20. Juli kehrten beide Truppenteile zurück. Vom 1. Regiment waren Ende Mai 1849 zwei selbständige Bataillone (Dümler u. v. Morenhotfen) zu den Reichstruppen in Baden abgegeben worden, fochten bei Hemsbach, Grosssachsen, Gernsbach und Oos und kehrten im Herbst zurück. Von den Offizieren wurden besonders belobt: Major Dümler, Hauptmann Blum IL, Lieutenant Geis, sämtlich vom 1. Bataillon; für Eckern- förde hatte Hauptmann Müller den Ehrensäbel der Tapferkeit erhalten ; die Lieute- nants Werren und v. Hadeln waren durch Tagesbefehl belobt worden.

Durch Bundesbeschluss vom 5. Januar 1855 war Nassau die Gestellung der gesamten Infanterie. Artillerie und Pioniere der 4. Brigade IX. Bundesarmeekorps auferlegt worden; der Etat der Bataillone war auf 1020 Köpfe festgestellt, die Zahl der Kompagnien per Bataillon von 4 auf 5 erhöht worden. Die leichten Bataillone

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fielen weg, ein Jägerbataillon wurde errichtet. Der üsterrei<'hisch-französische Krieg 1859 brachte eine Mobilmachung und hatte wiederum den Eintritt zahlreicher Frei- williger und Reaktivierung von Ol'fizicren auf Kriegsdauer zur Folge. 27 Freiwillige, welche im April eingetreten waren, wurden irn Juni zu Unterlieutenants befördert, von diesen (meist jüngere Staatsdiener) traten am 1. November 17 in ihre frühere Civilstellung zurück, die übrigen verblieben im Dienst. Der unglückliche Feldzug Österreichs und seiner Verbündeten im Jahre 1866 hatte mit dem Aufhören der Selbständigkeit des Herzogtums Nassau auch dem herzoglichen Oftizierkorps sein Ende bereitet. Während 60 Jahren, die es bestanden, hat dasselbe in guten wie in bösen Tagen treu zu seiner Fahne, standhaft zu seinem Kriegsherrn haltend, seine PÜicht gethan, mit Stolz und Genugthuung darf es auf seine Vergangenheit, die heute der Geschichte angehört, zurückblicken.

Schicksale der nassauischen Offiziere von 1866 bis 1895.

1866 in das Feld mit der mobilen Brigade ausgerückt sind inclusive der Adjutantur Sr. Hoheit des Herzogs und der bei der Division und dem Armeekorps kommandierten Offiziere: 130 aktive, darunter 6 reaktivierte Offiziere, beim Ersatz- bataillon und Ersatzdetachement der Artillerie 15 aktive, darunter 5 reaktivierte Offiziere, beim Kriegsdepartement, Verwaltungs-Kommission etc. 7 aktive Offiziere, macht total 152 aktive, darunter 11 reaktivierte (Jfriziere. Mithin aktive Offiziere; 141 Köpfe. Von diesen leben heute noch 73. 1866 sind in preussischen Dienst getreten 90 Offiziere, in österreichischen 2. Bis 1870 waren von ersteren gestorben resp. ausgeschieden 16 Offiziere.

Den Feldzug 1870 '71 mitgemacht haben 67 Offiziere. Von diesen sind ge- fallen 9, das Eiserne Kreuz 1. Klasse erhielten 3. das Eiserne Kreuz 2. Klasse erhielten 55 Offiziere. Beim Depot oder immobilen und Besatzungs-Truppenteilen standen 7 Offiziere.

Von den 1866 abgegangenen nassauischen Offizieren traten 1870/71 auf Kriegs- ilaucr ein: 18 Offiziere. Ende 1895 befanden sich noch im aktiven Dienst 6 Offiziere, im inaktiven Dienst 6 Offiziere.

Von den beiden 1866 in österreichischen Dienst getretenen nassauischen Offizieren befindet sich heute noch einer im aktiven Dienst.

Sechster Vortrag*.

In der Sitzung der „Historischen Sekfion" vom 18. Dezember sprach Herr Professor Otto über den „Besuch der Universität Bologna durch Scholaren aus dem Gebiete des vormaligen Herzogtums Nassau."

F.r schickte einige allgemeine Bemerkungen, die zum Verständnisse notwendig erschienen, voraus, vornehmlich über die deutsche Landsmannschaft der Scholaren, natio Teutonica oder öfter Germanica genannt (zuerst erwähnt 1267), über deren Einrich- tungen und die Organisation, von welcher hier nur das erwähnt werden mag, dass an ihrer Spitze zwei Prokuratoren standen, die von den Scholaren aus ihrer Mitte erwählt wurden und in der Kegel am .Vnfange des Jahres wechselten. Aus Deutsch-

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land überhaupt besuchten in 40« Jahren 10000 wissbegierige Jünglinge oder Männer die berühmte Rechtsschule, aus Nassau (in dem angeführten Umfange) von 1289 bis 152(5 etwa 36 bis 38; von einigen bleibt es zweifelhaft, ob sie hierher gehören. Die meisten gehörten dem höheren oder niederen Adel an, doch fehlte es auch nicht an anderen Elementen. Von den erstcren nennen wir nur mehrere Grafen von Nassau und Herren von Runkei und Westerburg; die Scholaren des niederen Adels beklei- deten in der Regel schon ht'ihere geistliche Stellen. Bemerkenswert ist die Erschei- nung, dass einige vorher deutsche Universitäten besucht hatten, ein Zeichen rühm- lichen Strebens nach wissenschaftlicher Ausbildung. Siebenmal wurde aus ihrer Mitte ein Prokurator der deutschen Nation erwählt. Nach der Gründung der deutschen Universitäten sank die Zahl der Deutschen zu Bologna überhaupt sehr rasch und bald überwiegt die Zahl der bürgerlichen Scholaren die des Adels und der Geist- lichkeit.

Siebenter Vortrag:.

In der Sitzung der „Historischen Sektion" sprach am 23. Januar Herr Professor Dr. Grimm in anderthalbstündigem freiem Vortrage über den „Laien-Send", synodus laicaiis, eine interessante kirchliche Einrichtung des Mittelalters.

Man versteht darunter die jährlichen Versammlungen der Geistlichen und Laien in den Pfarrkirchen auf dem Lande, bei welchen die Archidiakone, die Pröpste be- stimmter Stiftskirchen, jeder in seinem Bezirke als Vertreter des Bischofes das kirch- liche Rüge- und Strafgericht abhielten und die Visitation der Kirchen und kirchlichen Einrichtungen vornahmen. Die allmähliche Entstehung dieser Sende aus den den Bischöfen obliegenden regelmässigen Visitationen ihrer Diözese wurde dargelegt und insbesondere hervorgehoben, wie die den Bischöfen befohlene Zuziehung unbescholtener Männer als Synodalzeugen, behufs Anzeige aller zu ihrer Kenntnis gekommenen Rechts- widrigkeiten, später zur Bestellung ständiger, aus den Laien gewählter Synodalschöffen führte, denen die Verpflichtung oblag, alle kirchlichen Vergehen zu rügen, d. h. zur Anzeige zu bringen, und welche zugleich als I^rteiler über die Angeschuldigten zu entscheiden hatten. Hierdurch, wie durch die von Karl d. Gr. eingeführten gleichen Einrichtungen bei den weltlichen Gerichten, wurde das Prinzip der privaten Anklage im altdeutschen Strafverfahren umgestossen und das Eingreifen von Amts wegen, der Inquisitionsprozess, ins Leben gerufen. Ausführlich und unter Anführung zahlreicher und interessanter Details verbreitete sich dann der Redner über die uns erhaltenen Berichte der Kommissarien über die gleichzeitig vorgenommenen Kirchenvisitationen, die insbesondere von Wert sind für die Kenntnis der Zustände auf dem Lande zu Ende des Mittelalters, also unmittelbar vor der Reformation. An die Darstellung des Herganges bei einem solchen Send knüpfte sich dann die Erörterung über die Gründe des allmählichen Verfalles des ganzen Instituts. Als solche wurden vorzugzweise be- zeichnet: die allmähliche Zersplitterung des Rechtes der Abhaltung, indem dasselbe in die Hände von einzelnen Klöstern und Stiftern, von Dechanten (Erzpriestern) und einfachen Pfarrgeistlichen kam, das Widerstreben von Fürsten und Städten, Miss- bräuche bei der Abhaltung und endlich das Umsichgreifen der Reformation. Einzelne Reste haben sich bis in dieses Jahrhundert erhalten.

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Achter Vortrag".

Am 5. Februar 1896 redete Herr Professor Dr. Otto statt des erkrankten Herrn Archivrats Dr. Sauer:

1. über verschiedene Persönlichkeiten (Dichter u. s, w., die ersten Buchdrucker) aus Nassau am Ende des Mittelalters;

2. Bericht des Freiherrn L. v. Low über seinen Besuch bei Goethe am 3. Oktober 1829. S. das Goethe-Jahrbuch 1896.

Neunter Vortrag.

Am 19. Februar 1896 sprach Herr Major Kolb über das Thema: ^Hundert Grabdenkmäler und Epitaphien nassauischer Grafen und Fürsten in Wort und Bild."

Nur wenig zahlreich sind die im Bereich des Herzogtums Nassau noch vorhan- denen Grabdenkmäler und Epitaphien der nassauiscben Dynastie ; in der Idsteiner Stadtkirche betinden sich deren noch acht, in der Weilburger evangelischen Stadt- kirche und dem hiesigen Museum je eins, letzteres aus der St. Mauritiuskirche her- stammend und nach dem Brand 1850 allein erhalten geblieben, in der Kirche zu Kloster Eberbach sind noch 2 Epitaphien vorhanden. Um so schätzenswerter ist es gewesen, dass Graf Ludwig II. (1595 1627), welcher seit 1G05 den gesaraten Wal- ramischen Besitz vereinigte, den Maler Hrch. Dors aus Alt-Weilnau beauftragte, sämt- liche, damals noch recht zahlreich vorhandenen Grabdenkmäler abzuzeichnen, wie er auch durch den Registrator .loh. Andreae von 1596 ab die Genealogienbücher an- legen Hess und damit die Grundlage zu einer auf Urkunden begründeten wirklichen Geschichte des Nassauischen Hauses schuf. Im Staatsarchiv zu Wiesbaden betindet sich das neunbändige handschriftliche Werk Andreaes im Original und wird dasselbe durch das ,, Epitaphienbuch", welches 77 Zeichnungen des genannten H. Dors enthält, ange- nehm ergänzt. Es lag nahe, diesen Grundstock von Abbildungen durch Zeichnungen der an anderen Orten vorhandenen Denkmäler zu ergänzen und ist so die Sammlung des Vortragenden von Epitaphien nassauischer Grafen und Fürsten auf 107 Dar- stellungen gewachsen. H. Dors hat sein Werk 1632 abgeschlossen, zu einer Zeit, ehe der dreissigjährige Krieg die nassauischen Gaue heimsuchte, er giebt die Dar- stellung von 11 Epitaphien, zwei Wandgemälden und 5 gemalten Kirchenfenstern aus Kloster Clarenthal, von denen sämtlich nichts mehr vorhanden ist. Aus der St. Mauritiuskirche in Wiesbaden stammen die Zeichnungen von 6 Epitaphien und Grabsteinen, von welchen nur das im Erdgeschoss des Museums aufgestellte, stark beschädigte Epitaph des Graphen Philipp des Jungherrn f 1566 in Sonnenberg, er- halten geblieben ist. Die Abbildungen von 2 grossen gemalten Kirchenfenstern im hohen Chor, wie sie 1630 noch vorhanden waren, geben Zeugnis von dem grossartigen inneren Schmuck des Gotteshauses. Die alte Schlosskirche (jetzt Stadtkirche) zu Idstein ist in dem Epitaphienbuch mit 17 Zeichnungen vertreten, von den darge- stellten Epitaphien sind noch 6 vorhanden; im 18. .Jahrhundert sind die im Chor betindlichen Denkmale des Fürsten Carl Ludwig von Nassau-Saarbrücken f 1623 und des Fürsten Georg August Samuel von Nassau-Idstein hinzugekommen. Von den im Walpurgisstift, der St. Andreas- und Martiiiskirche zu Weilburg beigesetzten An-

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gehörigen der Nassauischen Dynastie giebt das Epitaphienbuch 17 Darstellungen, von welchen nur ein metallenes Epitaph sich noch in der evangelischen Stadtkirche /u Weilburg befindet. Graf Johann Ernst, der Vergrösserer und Verschünerer der alten Residenz seines Hauses, Hess, als er 1707 mit dem Bau der jetzigen Kirche begann, sämtliche noch vorhandene Grabsteine, Särge etc. seines Geschlechts in das Fundament einmauern. Man wird kaum fehlgehen mit der Annahme, dass Fürst Johann Ernst, welcher die Zerstörung der Kaisergräber in Speier und so vieler anderer Baudenkmäler durch die Horden Ludwig XIV. erlebt hatte, die Gräber und Andenken seiner Ahnen vor Verwüstung und Entweihung schützen wollte. Die alte Stiftskirche zu St. Arnual bei Saarbrücken war von Beginn des 15. bis zur Hälfte des 17, Jahr- hunderts die Erbbegräbnisstätte der Nassau-Saarbrücker Linie ; sechszehn künstlerisch bedeutende Epitaphien, sämtlich wohlerhalten und dank der Munificenz des Gross- herzogs Adolph von Luxemburg wie die ganze Kirche wiederhergestellt und ausgemalt, machen letztere für den Geschichtsfreund zu einer Sehenswürdigkeit. Die Tochter- kirche zu Saarbrücken enthält die lebensgrossen Marmorstandbilder von sechs Gliedern der Saarbrücker Linie aus dem 18. Jahrhundert, die Stadtkirche zu Ottweiler ein derselben Zeit angehöriges Standbild eines Mitglieds der Ottweiler Linie. Der Vor- tragende gab eine kurze Geschichte der vorgenannten Begräbnisstätten und brachte dann die betreffenden Zeichnungen zur Anschauung der Zuhörer; die Kürze der Zeit erlaubte es nicht, auch noch auf die nassauischen Epitaphien aus Kloster Rosenthal. Kirchheim (beide in der Pfalz), Mainz, Aschaffenburg, Eberbach, Speier, Göllheim, Neumünster, sowie in Wiesbaden (Friedhof am Schützenhof, Griechische Kapelle, alter Friedhof an der Platterstrasse) und in Hohenburg einzugehen; in Siramern und Kadolz- burg befinden sich noch nassauische Epitaphien, welche noch abzuzeichnen und der Sammlung des Vortragenden einzuverleiben bleiben. Neben dem historischen Wert der Sammlung ist dieselbe in kulturhistorischer Beziehung hochinteressant ; dieselbe giebt, trotz ihrer Lückenhaftigkeit, eine Darstellung der ritterlichen Tracht für Mann und Frau vom Ende des 13. bis zur zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Von dem Kettenhemd und Topfhelm, zum Platten- und Schuppenpanzer, von der fein ciselierten und eingelegten Renaissancerüstung zur spanischen Tracht, mit der Allonge- perüclvC und der französischen Kleidung des 18. Jahrhunderts abschliessend, ist die Entwickelung der männlichen Tracht in allen Perioden dieser Epoche gegeben. Während die ältesten Epitaphien die Frauen in einer der klösterlichen ähnlichen Gewandung zeigen, begegnen wir bald eng anschliessenden Gewändern mit mancherlei Dekor, später erscheint der spanische Reifrock und die Halskrause, gefolgt von der französischen Mode des 18. Jahrhunderts. Besonders interessant ist auch die im Laufe der Jahrhunderte wechselnde weibliche Haartracht, welche oft an moderne Coiffüren erinnert. Die Epitaphien des 13., 14. und 15. Jahrhunderts sind sämtlich gute Steinmetz-Arbeiten, man erkennt den Wunsch zu individualisieren und die Ab- sicht, charakteristische Eigenschaften der Darzustellenden wiederzugeben. Mit Be- ginn des 10. Jahrhunderts wird Marmor das verwendete Material, anfangs nur zu Dekor, Wappen und ähnlichem, später zu ganzen Figuren, Sarkophagen etc. benutzt. In dieser Periode begegnen wir auch schon dem Künstler in den Arbeiten, nament- lich sind die Arnualer Epitaphien von hohem künstlerischem Wert. Die Denkmale der Schlosskirche zu Saarbrücken sind in Material und Ausführung recht wertvoll, aber

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dem Geschmacke des 1^. Jahrhunderts entsprechend etwas snsslich und stellenweise überladen. Zum Schluss bemerkte der Vortragende noch, dass von den 107 in seiner Sammlung dargestellten Grabdenkmälern heutigen Tages noch 42 vorhanden sind.

Der Vursitzende Herr Professor Otto sprach dem Herrn Vor- tragenden den Dank der Versammlung aus.

Zehnter Vortrag*.

In der Sitzung der „Historischen Sektion" am 4. März 1896 sprach wiederum Herr Professor Otto (statt des noch kranken Herrn Archivrats Dr. Sauer) über den „Geheimschreiber Karls V. Alexander v. Schweiss aus Herborn. "

Derselbe stand anfangs als Sekretär im Dienste des Grafen Heinrich von Nassau, dem bei <ier Teilung des väterlichen Erbes die niederländischen Besitzungen des Hauses und damit die einflussreiche Stellung seiner Vorfahren am burgundischen, nunmehr königlichen Hofe Karls V. zugefallen waren, während seinem Bruder Wilhelm das alt- nassauische Dillenburg u. s. w. zu Teil wurde. Im Jahre 1523 geadelt, trat Alexander v. Schweiss als Geheimschreiber in die Dienste Karls und gewann hier wegen seiner Ver- trautheit mit den deutschen Verhältnissen eine über sein Amt hinausgehende Stellung. Nachdem Redner einige Mitteilungen aus Briefen an und von Alexander v. Schweiss während seines Aufenthaltes in Spanien (1522 bis 1529) gemacht, insbesondere den des Erasmus von Rotterdam in seiner Bedeutung als entschiedene Absage von Luther, die zu Karls Ohren kommen sollte, näher beleuchtet hatte, begleitete er den Geheim- schreiber auf seinen Reisen nach Icalien und Deutschland, wo derselbe, namentlich zu Bologna und auf dem Augsburger Reichstage, mehrmals hervortritt. Im Jahre 1533 schied er aus dem kaiserlichen Dienste und muss bald nachher gestorben sein.

Sodann besprach Herr Professor Dr. Otto „das Buch des Wilh. Triphyllodacnus" (Giftlager 1567), das in mehrfacher Hinsicht interessant ist; es ist dem Grafen Balthasar von Nassau-Idstein gewidmet und stellt in der Vorrede u. a. eine Vergleichung von Island mit Nassau an! Der Name des Verfassers ist die griechische Übersetzung von Kleebeiss, das übertragen so viel als Leckermaul bedeutet. Schliess- lich teilte der Redner einige Versuche von Erklärungen der Namen „Seeroben, Kohlkorb und Leberberg" mit. Das erste Wort, erwähnt zuerst 1367 als Serhoben, wird mit ahd. Sahar-Schilf in Verbindung gebracht, als Schilfhofen gedeutet und als der einzige Überrest einer frühe aufgegebenen Niederlassung gefasst. Kohlkorb ist von der früher sumptigen oder kotigen Beschaffenheit der Ürtlichkeit entlehnt, und Leberberg in seinen höchst mannigfaltigen Namensformen (Leuber-, Leiber-, Lauber- und Leberberg) verbunden mit den gleichfalls manni^'faltigen Formen für Loher auf das ahd. und mhd. Lö, des Lowes, Loh zurückgeführt.

An diese Ausführungen schloss sich ein belebter Austausch teils zustimmender oder erläuternder, teils abweichender Meinungen der Anwesenden an.

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Elfter Vortrag^.

Am Abend des 18. März hielt Herr Archivar Dr. Meinardus eiuen Vortrag über „W^aileosteia als Landesfürst".

Redner ging in seiner Einleitung auf die bezügliche Litteratur ein und ent- warf ein Bild von der Ausgedehntheit derselben. Darauf erörterte er die Frage des Ursprungs der Familie Wallenstein und die I-]inHiisse der verschiedenen religiösen Parteien, welche auf Wallensteins Jugend gewirkt haben. Wallenstein war friUi Waise. Es gelaug den Jesuiten, ihn von seinem mütterlichen Oheime Albrecht Slavata V. Koschumberg zu entfernen. Er kam nach Olmütz ins Jesuitenkloster. Die Zucht dort sagte dem Knaben nicht zu. Nach kurzer Zeit kam er im August 1509 auf die lutherische Universität Altdorf. Auch dort war er nicht lange. Bald trat er in kaiserliche Dienste und kämpfte gegen die Türken. Er sollte dann am Hofe Mathias' untergebracht werden. Von dieser Riclitung wurde er 1609 durch die Jesuiten abgebracht. Der eigentliche Grund zu Wallensteins späterer Grösse war seine Heirat mit der betagten Witwe Lukretia Nikessowa v. Landeck. Er sagte sich damit zugleich von der protestantischen Partei los. Nach dem Tode seiner Frau wurde er Erbe des ganzen grossen Länderbesitzes, welchen er in einigen Jahren ver- kaufte. Dadurch bekam er bares Geld in die Hände. Nun ging er nach Wien und sammelte einen Kreis junger Leute um sich. Er trat als Reiteroberst eines Regiments auf, wurde später in den Grafenstand erhoben, nachdem er sich mit Isabella Katha- rina, der Tochter des Grafen Harrach. vermählt hatte. An den verschieilenen Kämpfen nahm er rühmlichen Anteil. Bilek gibt in seinen Beiträgen eine Geschichte der böhmischen Konhskationen. Man macht Wallenstein den Vorwurf, er habe für einen grossen Teil seiner Güter in Böhmen Geld mit falscher Münze gezahlt. Ein Resultat allgemeiner Art besagt aber, dass die Münzverschlechterung damals offiziell war. Im wesentlichen handelte es sich um einen politischen Akt dabei und der Massstab einer kleinbürgerlichen Moral kommt hier nicht in Betracht. 642 Herrschaften von pro- testantischen Grundbesitzern wurden konfisziert. Wallenstein durfte sich bei seinen Gegnern, die ihm beim böhmischen Aufstande selbst grossen Schaden zugefügt hatten, schadlos halten, nach dem Rechte der Wiedervergeltung, welches man für die damalige Zeit gelten lassen muss. Redner sucht die Vorwürfe Gindelys und anderer zu ent- kräften, Avelche die Erwerbung des grossen böhmischen Güterkomplcxes durch die Art, wie sie geschehen sei, verurteilt haben und geht dann auf die Summen ein, welche die Güter wert waren und welche dafür wirklich bezahlt worden sind. Für 5 bis 6 Millionen Gulden hat Wallenstein Landbesitz gekauft; dazu kommen noch die Fideikommissgüter und die konfiszierten Güter, im ganzen im Werte von 7 Mill, Aber thatsächlich hat Wallenstein nur 1V2 Million Gulden bezahlt. Dieser Grund- besitz war arrondiert und bildete das Fürstentum Friedland. Wallenstein wollte sich eine fürstliche Dynastie in Böhmen begründen. Als er die Herrschaft Friedland erworben hatte, trug er sie dem Kaiser zu Lehen an und erhielt sie von ihm als Lehen zurück. Er erhielt die verschiedensten Hoheitsrechte. 1623 wurden diese Privilegien auch auf das Königreich Bcdimen ausgedehnt. Am 7. September 1623 erfolgte seine Ih'hebung in den Fürstenstand; Herzog wurde er im Juli 1625. 1627 his 1628 ist der Höhepunkt seiner Machtstellung. Es ist lächerlich, wenn Wallen-

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Steins Gegner sagen, er hätte nach der Kaiserkrone getrachtet, und entbehrt jeden Be- weises. Er strebte allein danach, sich eine Stellung als Reichsfürst zu verschalten und vertrat als solcher eine Art deutsch-nationaler Politik. Nachdem ihm der Kaiser 1627 ilas Herzogtum Sagan mit der Herrschaft Schwiebus verkauft hatte, wurde ihm ausser- dem das Herzogtum Mecklenburg 1628 zugesprochen. Es hing das mit den mari- timen Plänen zusammen, welche die kaiserliche Politik damals verfolgte. Auch in Mecklenburg sollten Konfiskationen in grossem Massstabe erfolgen. Über den Grund- besitz sollte Wallenstein nach Gutdünken verfügen und zum Teil den Erlös für die Armee verwenden. Hier nun zeigte sich besonders Wallensteins politisches und organisatorisches Talent. Er machte den Versuch, eine neue Aristokratie aus neuen Landesherrschaften zu schaffen, reformierte und organisierte die Verwaltung, indem er sie centralisierte. Er sorgte für eine schnellere und gerechtere Justiz, und strebte ein Privilegium de non appellando an. Für Unterricht und Erziehung war er thätig. Die Bauern wollte er gegen die Stände schützen. Zugleich war er darauf bedacht, die Militärlasten zu verringern und wollte das Land wieder in die Höhe bringen. So richtete er Domänenkammern ein und ein allgemeines Regierungskollegium. Auch die katholische Religion suchte er wieder zur Geltung zu bringen. Er wollte die Priester aber in der Hand behalten und war gegen fanatische Bekehrungsversuche, hatte aber nichts gegen eine langsame Reaktion. In Güstrow sollte ein katholisches Konvikt begründet werden. Ähnlich wie in Mecklenburg waltete er in Friedland. Kirchen und Altäre sollten dort gebaut werden. P'ür die kleinsten Dinge zeigte er Interesse. Bei Pferdefutter und den einfachsten Sachen der Hauswirtschaft gab er seine Ratschläge. Er waltete als Friedensfürst in seinem Herzogtume, welches aus einigen tausend lehenspflichtigen Grundstücken bestand, deren Lehensherr Wallenstein war. Dabei ist zu bemerken, dass sein Fürstentum kein alt ererbtes war. Er musste es ganz neu schaffen und zu einem Staate zusammenschweissen. Die Unterschiede in seinem Lande wurden noch vermehrt durch die beiden Religionsparteien, von denen die Katholiken die säkularisierten Güter in Anspruch nahmen. Ausserdem war das Land von iler Furie des Krieges schrecklich heimgesucht. Alle dem gegenüber war Wallenstein auf den wirtschaftlichen Aufschwung seines Landes bedacht. Er empfahl die Errichtung von Krankenhäusern. Er schaffte eine Lokal- und eine Centralver- waltung. Landeshauptmannschaft, herzogliche Kammer und Kanzlei. Ein besonderes Tribunal wurde errichtet. Jede dieser Behörden sollte mehrere Räte haben; er ent- warf also eine kollegialische Verfassung. Der Regent sollte durch einen ältesten Kanimerrat vertreten werden können. In Gitschin war die Residenz und der Sitz der Centralbehörden. Die Oberhauptmannsschaft und die Amtsthätigkeit des Regenten wurde auch auf Sagan und Mecklenburg ausgedehnt. Beratung und Exekutive wurden getrennt. Wallenstein fasste den Gedanken, eine landständische Verfassung in seinem Lande einzurichten. Eine Landesordnung machte er selbst. Drei Stände wurden gebildet: Der geistliche, adelige und bürgerliche, welche nach Gitschin ihre Aus- schüsse sendeten zu gemeinsamer oder getrennter Beratung. Das Recht der Steuer- bewilligung hatten die Stände nicht. Er betrieb nationale Staatswirtschaft in fast modernem Masse. MaulbeerpHanzungen der Seidenindustrie wurden angelegt. Industrie und Handel erfuhren seinen Schutz und die Ausfuhr wurde gehoben. Die Landwirt- schaft sah in ihm iJircn starken Hort. Um den Handel /u heben, Hess er Juden

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ins Land. Für den Unterricht bedacht, errichtete er Seminarien und Kolle^'ien für die Jesuiten, die ihn als einen ihrer höchsten Wohlthäter priesen. Er bestimmte die Anzahl der Schüler, ihre Kleidung und sorgte für ihre Reinlichkeit. Wallensteins Kunst- und Prachtliebe ist bekannt. Sein Residenzschloss in Gitschin war grossartig ausgebaut, das Schloss in Prag durch italienische Künstler vervollkommnet. 899 Per- sonen und 1072 Pferde bildeten seinen Hofstaat, als er 1633 zu Felde zog. Redner ging sodann auf die mächtige Persönlichkeit Wallensteins ein und schilderte schliess- lich die Tragik seines Lebens, welche er in der Stellung Wallensteins als Diener des Kaisers begründet sieht. Redner schliesst: Wallenstein war ein grosser Bildner. Der Konflikt entstand, weil er sich als Reichsfürst fühlte und die Selbständigkeit der Reichsfürsten aufrecht erhalten wollte. Stolz und selbstbewusst auftretend, musste er immer wieder empfinden, dass er nur ein Diener seines Herrn war.

Darauf besprach Herr Archivrat Dr. Sauer zwei neue litterarische Erscheinungen, „Bochenheimers Klubisten" und den „Stammbaum der Familie Pagenstecher".

So sind in dem Zeitraum vom 1. April 1895 bis zum 1. April 1896 inner- halb des Gesamtvereins und seiner historischen Gruppe zwanzig Vorträge gehalten worden.

Noch ist für die Chronik des Vereins aufzuzeichnen, dass derselbe im Sommer 1895 den Besuch des Altertumsvereins zu Höchst empfing. Unter persönlicher Leitung des Direktors wurden den Besuchern die Sammlungen des Museums erläutert, sowie eine Reihe historischer Merkwürdigkeiten der Stadt in Augenschein genommen. Ein gemeinsames Abendessen im „Roten Hause" beschloss sodann die fröhliche Zusammenkunft.

Dr. Adalbert Schroeter, Kgl. Bibliothekar.

Jahresbericht des Konservators.

(Vom 1. Januar 1895 bis zum 31. März 1896.)

A. Unternehmungen des Vereins.

1. Untersuchung eines Hügelgrabes bei Langenhain im Taunus durch Herrn Dr. Ritterling am 30. 31. August und 9. 12. September 1895 (s. Jahresbericht des Sekretärs).

2. Untersuchung von Wohnplätzen aus der jüngeren Steinzeit (soge- nannten Margellen) durch den Berichterstatter am 30. November und 4. Dezember 1895.

In der letzten Noveniberwoche wurde der Vereinsvorstand von Herrn Strassenbauaufseher Emmel darauf aufmerksam gemacht, dass man an der Mainzer Landstrasse zwischen Gas- und Margarinefabrik bei der Anlage zweier zur Aufnahme der Gas- und Wasserleitung einer neuen, die Land-

2 a*

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Strasse senkrecht schneidenden Strasse bestimmter Gräben auf eine grosse Zahl mit scliwärzlicher Erde gefüllter Gruben gestosson sei und darin Topf- scherben, Ziegelbrocken und Kieselsteine gefunden habe. Eine aus Anlass dieses dankenswerten Hinweises vorgenommene Besichtigung lehrte, dass auch hier wieder wie schon vor Jahren bei dem Bau des Archiv- und des Schlacht- hausgebäudes (siehe Annalen XY, Seite 380 und XYIII, Seite 294) Wohn- plätze der jüngeren Steinzeit (sogenannte Margellen) aufgedeckt worden waren. Sie lagen, wie sich aus dem durch die angelegten Gräben gelieferten Durchschnitt des links von der Landstrasse ansteigenden Terrains ergab, in der Nähe der Strasse dicht beieinander, während sie weiter den Hang hinauf, wo die den Lettenautergrund bedeckende Lössschicht schwächer ist als dort, sich weiter auseinander befanden und weniger umfangreich und seichter waren. In der ganzen Ausdehnung des von den Gräben durchschnittenen Terrains zog über die Gruben hin unter der 0,30 0,40 m dicken Ackerkrume eine unge- fähr 0,30 m starke Schicht, die, noch dunkler als die schwärzliche Gruben- füllung, entsprechend der den Hang hinauf zunehmenden Härte des Bodens je weiter von der Strasse entfernt, desto dünner und heller war. Sie enthielt gleichwie die Gruben, jedoch in weit geringerer Zahl: Topfscherben, Lehm- und Ziegelbrocken, Bruchstücke von Mahlsteinen und Steinwerkzeugen, Tier- knochen u. a. m. Da die äusseren Umstände die Gelegenheit zu einer näheren Untersuchung günstig erscheinen liessen, so wurde am 30. November eine bei der Weiterführung des südlichen Grabens angeschnittene Grube vollständig aus- geräumt und am 4. Dezember eine von dem nördlichen Graben durchschnittene Grube, in deren Centrum Stücke eines sowohl in der Form und Technik, wie in der Verzierung hervorragenden Gefässes gefunden worden waren, so weit es anging, durchsucht.

Die erstgenanjite Grube war mit ihrem oberen Ende 148,50 m von der Landstrasse entfernt und bildete mit ihrem dunkelerdigen Inhalte wie die meisten anderen in dem sie umgebenden helleren Boden ein Kugelsegment von 3 m oberem Durchmesser und 0,63 m Tiefe. Der sie umgebende Boden war wie auch bei den anderen Gruben in ihrer nächsten Nähe härter als er sonst ist.

An Fundstücken wurden gesammelt bezw. ausgelesen: 52 Bruchstücke von verzierten und unverzierten Gefässen; Bruchstücke von auf einer Seite ebenen Sandsteinplatten (vermutlich Mahlsteinen), von denen eine auf der Ober- seite geriefelt ist; Kiesel und rundliche Quarzitbrocken (zum Teil vermutlich <^ietschsteine); Lehmbrocken, mehr oder weniger gebrannt, mit Abdrücken von ]Iolz-' Rohr-?)stäben; Kohlestückchen; Muscheln {Unio s^inuafus)] künstlich ge- spaltene Knochen; Bruchstücke von Steinwerkzeugen; Tierknochen. (Museums- Inventar 146 11 c.)

Die zweite Grube war bereits bei der Anlage des nördlichen Grabens durchschnitten worden, ohne dass etwas Besonderes darin angetroffen worden war. Erst als mau bei der Legung der Gasröhren ein Koptioch in die Graben- sfjhle und das grale im Centrum der (trübe einschnitt, fand man Bruchstücke eines (let'ässes, welches dem in der Wildscheuer bei Steeden an der Lahn gefundenen (siehe Annalcu XV, Seite 331 und XX, Tafel III) sehr ähnlich

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ist, CS aber sowohl in der Güte der Technik wie in der Schönheit der Form und in dem Geschmack der Ver/Jerungon übertrifft. Von Gelassen gleicher Technik, aber anderer Form fanden sich in derselben Grube noch mehrere Bruchstücke. Sonst glich ihr Inhalt dem der ersten und der übrigen (Inven- tar 14611 b).

Von vereinzelten Fundstücken sind zu nennen: ein Stück Roteisenstein, das, weil ganz glatt, wohl zum Anreiben von Farbe gedient hat (Inv. 14011 e); ein zerbrochenes durchbohrtes Steinbeil (bei Inv. 14611 d); ein rauhwandiger kessol- artiger Topf (Inv. 14611a), an dessen Rand durch Ausziehen des Thones Handhaben geschaffen sind. Er stammt von einer Baustelle in der Nähe, wo man bei der Aushebung der Erde für Fundamente ebenfalls auf Wohnplätze stiess. Ein Stein soll in dem Topf gelegen haben.

B. Erwerbungen des Museums.

I. Vorrömische Periode.

a) Funde.

1. Inv. 14611a e: Fundstücke von Wohnplätzen aus der jüngeren Steinzeit an der Mainzer Landstrasse (s. unter A 2).

2. Inv. 14627 b i: Fundstücke aus einem Hügelgrabe bei Langeuhain im Taunus (s. Bericht des Sekretärs): b) eine Feuerstein-Pfeilspitze, c) 5 Feuer- steinsplitter, d) Klinge eines kleinen Bronzedolches, e) Bruchstück einer Bronzenadel, f) Topfscherben, g) eine Haselnus?, i) Kohle.

3. Inv. 14628: Kleines Schneideinstrument aus Serpentin; gefunden auf einem Acker bei Langenhain.

4. Inv. 14629: Zwei Quetschsteine; gefunden auf den Pfarräckern bei Langenhain.

b) Ankäufe.

5. Inv. 14593: Zwei Steinbeile, von Reckenroth.

6. Inv. 14589: Ein Bronzekelt mit Schaftlappen und Ose, angeblich aus dem Rheine bei St. Goar,

II. Römische Periode.

a) Funde.

1. Inv. 14602: Terra-Sigillata-Xapf und -Scherben: gefunden zu Wiesbaden (Webergasse und Schwalbacherstrasse).

2. Inv. 14603: Dachziegelfragment mit dem Stempel der XXII Legion; gef. zu Heddernheim.

3. Inv. 14634—14637 u. 14640—14642. Gef. zu Wiesbaden (Hochstätte; Baustelle Rath): Boden einer Sigillata-Schale mit Stempel; Sigillata-Napf ohne Fuss; 1 kleiner runder Hypokaustenziegel (Durchm. 0,065); Boden einer Sigillata-Schale mit Stempel lOENALIS, Amphorenhenkel mit Stempel BROODV (?); Bruchstücke von Sigillata-Gefässen (Schalen, Näpfe, Kumpen u. a. m.).

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b) Geschenke.

4. Ein Limesmodell, von Herrn Baumeister Jdcobi in Homburg v. d. H.

5. Inv. 14626: Eine in zwei Stücke gebrochene Weissmetalltibel von dem Typus: Obergermanisch-Raetischer Limes Lief. H, Taf. YI, Fig. 8. Gef. am Altkönig. Von Herrn Piepenbring in Königstein.

6. Hals einer bei der Auffindung noch vollständigen grossen Amphora. Darin stak eine Steinkugel. Gef. beim Cmbau Webergasse 2. Von Herrn Hotel- besitzer Zais.

7. 1 Salbgefäss. Aus dem Nachlass Sr. Exe, des Herrn Generallieutenants von Seydlitz.

c) Ankäufe.

8. Münz-Inv. 514 516: Aurelius Caesar, Grosserz; Gordian HI, Mittelerz; Gordian HI, Silberdenar; säratHch gef. zu Königstein i. T. beim Kanalbau.

9. Münz-Inv. 517 u. 519: M. Aurel, Grosserz und ein unkenntliches Kleinerz. Beide gef. zu Wiesbaden 1895 beim Umbau des Einhorns (Marktstrasse).

10. Münz-Inv. 520: Trajan, Grosserz. Gef. zu Wiesbaden (Ecke Mauergasse und Marktstrasse).

11. Münz-Inv. 521: 14 Stück Kleinerze, gehörend zu dem Kirchgasse 48 gemachten Massenfund (1893?); davon: 9 Constantin I, Cohen' 194, 4 Crispus, 1 Constantin II.

12. Münz-Inv. 522: Domitian, Mittelerz, Cohen' 346. Gef. zu Wiesbaden (Baustelle an der westlichen Ecke der Mauritius- und kl. Schwalbacher- ötrasse).

13. Stücke von Bohlwegen; besorgt durch Herrn Kreisbauinspektor Prejawa in Diepholz.

III. Alemannisch-fränkische Periode.

IV. Mittelalter und Neuzeit, a) Geschenke.

1. Inv. 14591: Gehenkeltes Töpfchen mit Rinnen und gefälteltem Fuss. Von Herrn Amtsgerichtsrat Düsseil.

2. Inv. 14601: Gedrehter Becher; gehenkeltes Töpfchen; kleiner Kumpen; kleiner ungehenkelter Krug: aus dem Nachlass Sr. Excellenz des Herrn Generallieutenants von Seydlitz.

3. Inv, 14624: Irdener henkelloser Krug und verschiedene Bruchstücke irdener Gefässe (alte Wiesbadener und Marienthaler Industrie). Gef. beim Umbau Webergasse 2. Von Herrn Hotelbesitzer Zais.

4. Inv. 14625: Degenkorb. Gefunden und geschenkt wie 3.

5. luv. 14605: NachbiMung des Wirtshausschildes vom Einhorn (das Ori- ginal aus dem 16. Jahrhundert).

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6. Tnv. 14607: Schlüssel des Landesbiachüflichen Palais am Mauritiusplatz. Von Herrn Gastwirt Stahl.

7. Ein angeblich aus einem Kloster bei Ulm stammender, aus Lindeuliolz geschnitzter Thoraufsatz (?) Arbeit des 17. Jahrhunderts. Von den Fräulein Goldschmidt.

8. Inv. 14638: Ein Dachschiefer mit lateinischer Inschrift aus dem Jahre 1741 vom Schlosse Reichartshauseu im Rheingau. Von Herrn Dr. jur. A. Wilhelmj.

9. Inv. 14598: Gasthofschild vom Goldenen Löwen (Marktstrasse; 18. Jahr- hundert). Von Herrn Schlossermeister Tremus.

10. Inv. 14639: Photographie des von dem Bildhauer Leonhard in Eltville nach dem Vorbilde des alten angefertigten neuen Lüwen für die Rhein- pfalz bei Caub. Von Herrn Bildhauer Leonhard in Eltville.

11. Bänder für hessische Landestrachten. Von der Firma Lucas Söhne in Crefeld.

12. Münz-Inv. 523: Medaille, geprägt zu Ehren seiner 25jährigen numisma- tischen Thätigkeit von Sr. Kgl. Hoheit dem Grossfürsten Georg Michailo- witsch. Von Herrn Polizeirat Höhn.

13. Münz-Inv. 524: Zwei Medaillen, geprägt zum 50jährigen Jubiläum des Gewerbevereins für Nassau und Lokalgewerbevereins zu Wiesbaden 1895. Von Herrn Rentner Gaab.

b) Von der Königlichen Regierung wurden dem Museum zur

Aufbewahrung überwiesen:

14. Sechs Gobelins aus dem Schlosse Hachenburg.

15. Ein Sandsteinbildwerk, darstellend einen wappeuhaltenden Löwen, vom Eisbrechpfeiler der Rheinp&lz bei Caub.

c) Ankäufe.

16. Inv. 14586: 1 Lanzenspitze; 2 Pfeilspitzen; 2 Schiebeschlüssel; sämtlich aus Königstein i. T.

17. Inv. 14588: Eisernes Schwert; angeblich aus dem Rheine bei St. Goar.

18. Inv. 14587: Reiterpistole mit Steinschloss; aus Reckenroth.

19. Inv. 14594: Gusseiserne Ofenplatte. Gef, zu Wiesbaden (Michelsberg).

20. Inv. 14597: Eiserne Kassette mit Beschlägen und Vexierschloss. Aus Frankfurt a. M.

21. Inv. 14604: Zinnschüssel mit hebräischer Umschrift und Stammbaumtafel. Aus Bierstadt.

22. Inv. 14609: 7 Sprenggeschosse. Gef. zu Schierstein.

23. Inv. 14582: 2 reich verzierte eichene Thürpfosten aus dem alten Gast- haus zum Einhorn.

24. Inv. 14592: 2 eichene Thürpfosten. Aus Wiesbaden (Michelsberg 22).

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25. Inv. 145S6: Eine Orgel vom Ende des 17. Jahrliuuderts. Angeblich aus

dem Kloster Gronau [Y). Aus Reckenruth. 2G. Inv. 1409(3: Ein Stuhl aus Eichenholz mit geschnitzter Rücklehne aus

Delkenheim vom Jahr IT 82.

Nassauische Volkstrachten und Hausrat.

In der 258 Nummern zählenden Sammlung nassauischer Volkstrachten (Inv. 14012) sind durch den bedeutenden Zuwachs, welchen sie im Laufe des vertlossenen Jahres erfahren hat, nunmehr alle nassauischen Landesteile, sei es durch Original-Kleidungsstücke, sei es durch Photographien von Leuten in Landestracht vertreten. Der grössere Teil des Zuwachses wird wie das Zustande- kommen der Sammlung selbst Herrn Amtsgerichtsrat Düssell verdankt. Von ihm rühren auch die photographischen Aufnahmen her, mit Ausnahme von 25 Kabinetphotographien von Volkstrachten aus dem Kreise Biedenkopf (Inv. 14G10), deren Ankauf durch den Königl. Landrat Herrn von Heimburg in Biedenkopf in dankenswerter Weise vermittelt wurde. Des weiteren haben sich um die Vermehrung wie um die Kunde von den Volkstrachten und dem Haus- rate des nassauischen Landes ein besonderes Verdienst erworben Frl. Auguste Braumann in Bouames, Frl. Helene von Braunmühl in Engers, Frau Dr. med. Cunz, z. Z. in Wiesbaden, Frau Pfarrer Dörr in Idstein, Frl. Gold- schraidt in Wiesbaden, Herr Rentmeister Hieber in Montabaur, Freifrau von Hochstedten in Wiesbaden, Herr Bürgermeister Körner in Wehen, Herr Gerichtssekretär Manz in Wallmerod, Herr Bürgermeister Mühl in Falkenstein, Herr Apotheker Oppermannin Soden, Herr Bürgermeister Reuter in Brandoberudorf, Herr Landesbauiuspektor Scherer in Hacheuburg, Herr Pfarrer Tecklenburg in Heftrich, Herr Amtsrichter Tilemann in St. Goars- hausen, Herr Purtier Th. Wengenroth in Falkensteiu.

Ethnologische Sammlung.

1. Seidendurchwirkter Burnus aus Afrika. Geschenk der Frau Rentner Elgers hausen.

2. Armbänder aus Ceylon. Von derselben.

3. Kollektion metallener Essschalen aus Korea. Geschenk von Excellenz von Brandt.

C. Veränderungen im Museum.

Im Laufe des Winters sind die im Museum beHndlichen Gegenstände um- geordnet worden. Der dadurch geschaffene Zustand ist fulgondcr:

Halle: Zu den hier aufgestellten römischen Steindenkmälern sind noch einige Altäre (aus Raum VI) hinzugekommen.

Raum I enthält wie früher die vorgeschichtlichen Altertümer, doch sind diese jetzt so aufgestellt, dass sich befinden: in dem Sohauschrank huks

349

vom Eingang: die Altertümer aus der älteren Steinzeit; in dem Schauschrank gegenüber und in dem oberen Teil des Mittelschraukes: die Altertümer aus der jüngeren Steinzeit; in den Schaukästen und auf den Gestellen darüber und darunter: Grabfunde aus der Bronze- und Eisenzeit, nach Gegenden und zeitlicher Abfolge geordnet; in dem unteren Teile des Mittelschrankes: Gegen- stände der Bronze- und Eisenzeit 1. nach Typen geordnet (diejenigen ohne Fundangabe), 2. nach Landschaften geordnet (diejenigen mit Fundangabe).

Raum II enthält die römischen Metallgegenstände und zwar: in einem neuen achteckigen Glaskasten: die Schmucksachen; in zwei neuen aus Eisen und Glas bestehenden Wandschränken: 1. (links vom Eingange): Bronze- Figuren und -Votive, -Feldzeichen, -Zierscheiben, -Anhänger und -Beschläge; Spiegel; Funde vom hiesigen Kastell (Heidenberg); 2. (gegenüber) Bronze- Gefässe, -Henkel und -Griffe, -Lampen, -Glocken u. a. m.; in den Schränken an der Rückwand: 1. Gewaudnadeln (Fibulae) nach Typen, Zeit und Fundorten geordnet, Nadeln, Sonden, Schreibgriffel, Löffel u. s. w.; 2. Waffen; 3. Wagen^ Schlüssel und Schlossbeschläge, Pferde- und Wagengerät; in dem Schrank zwischen den Fenstern: eisernes Werkzeug und Gerät.

Raum III enthält die griechisch-italischen und römischen Gefässe in zeitlicher Ordnung; die seither darin befindlichen römischen Steindenk- mäler, vermehrt um eine Anzahl von Altären und Votivsteinen (aus Raum YI); das Modell des hiesigen Kastells und das einer römischen Yilla bei Marienfels.

Raum IV enthält: in zwei Schauschränken: römische Münzen, in zeit- licher Ordnung ausgelegt von Herrn Rentner Isenbeck; in dem Schrank gegen- über dem Fenster: die römischen Gläser; sonst: römisches Schuhwerk^ römische Gegenstände von Bein; Perlen; Modelle.

Raum V (früher VI) enthält: römische Steindenkmäler; Dach- und Hypokaustenziegel; das Modell eines römischen Daches; Wasserleitungsröhren ^ frühchristliche Grabsteine.

Raum VI enthält die fränkisch-alemannischen Altertümer, von kleinen Änderungen abgesehen, vorläufig in der früheren Ordnung.

Raum VII enthält jetzt gleich VIII nur: Altertümer aus dem Mittel- alter und der Neuzeit und zwar: in dem Schauschrank rechts vom Eingang: kleinere Bronze-, Elfenbein- und Steinfigureu; Gläser (darunter die modernen Nachbildungen der römischen); in dem mittleren Schauschrank: verschiedene Kunstgegenstände von Metall und Holz; in den Schränken der Rückwand: keramische Erzeugnisse. An den Wänden: Gobelins (darunter zwei aus dem Schlosse Hachenburg), Fahnen, Waffen, Wappen, Thüren u. s. w.; sonst: Schlösser, Schlüssel und andere Gegenstände von Eisen.

Raum VIII hat von seinem früheren Inhalte viel au VII abgegeben und enthält in der Hauptsache jetzt nur: 1, Holz- und Steinskulpturen; 2. die Volkstrachtensammlunff.

Die früher in Raum II befindliche Sammlung ägyptischer Gegenstände ist einstweilen in dem sogenannten ethnographischen Kabinet untergebracht.

350

D. Bericht über Funde im Regierungsbezirk Wiesbaden.*)

(Alle diejenigen, welche selbst Funde machen oder von solchen hören, sind im Interesse der Heimatskunde freundlichst gebeten, eine kurze Notiz darüber an den Unterzeichneten [Wies- baden, Museum] gelangen zu lassen.)

I. Vorrömische Periode.

Wiesbaden, Mainzerstrasse: Wohnplätze der jüngeren Steinzeit (sogen. Margellen). Siehe A 2. Ebensolche in

Schierstein: in den Lössgruben des Herrn Dr. Peters und in

Hof heim: an der nach Hattersheim führenden Landstrasse in der von Herrn Baumschuleubesitzer Zorn neu angelegten Baumschule.

Langenhain; Öffnung eines Hügelgrabes, Siehe Bericht des Sekretärs.

Eibingen bei Rüdesheim: Depotfund von Bronzegegenständen bei Noth- gottes, bestehend aus : 2 Lappen- und 1 Hohlkelt, 2 Sicheln, 1 Messer, 1 Lanzen- spitze, 1 runden Zierscheibe, 1 kleinen Armring (massiv, offen, gekerbt, mit Schlussknöpfen), 3 Oberarmringen [hohl, konkav, mit Gravierungen, in einander- steckend gefunden). Sämtliche Gegenstände befinden sich im Besitz des Herrn Fritz Reuter in Rüdesheim.

Braubach und Oberlahnstein: Über in der Nähe dieser Orte gemachte Funde teilt Herr Oberlehrer Dr. Bodewig in Oberlahnstein freundlichst mit: „Bei der Eröffnung altgermanischer Grabhügel in der Nähe von Braubach fand ich einen massiven Btonze-Halsring, bronzene eingekerbte Armringe und Ohrringe, eine Reihe von Gefiissscherben, aus denen eine grosse Amphora in Mainz wiederhergestellt wird. Die Beschreibung der Grabhügel soll nach wei- terer Untersuchung in den Annalen erfolgen.

In einem La-Tene-Grabe bei Braubach fanden sich: eine Urne mit langem Halse, drei Bronze-Armringe und ein Messer, desgleichen eine Schale mit Bodenverzierung. Eine andere Urne und ein Messer wurden mir aus dem- selben Gebiete übergeben.

Bei den römischen Ausgrabungen im Oberlahnsteiner Wald fand ich ein kleines Steinbeil, das unserer Sammlung einverleibt wurde, desgleichen ein grösseres aus dem Walde bei Lahneck. Bei dem Bau eines Hauses in Niederlahnstein wurde ein grosser eiserner Kelt gefunden."

II. Römische Periode.

Wiesbaden, Webergasse, Schwalbacherstrasse, Hochstätte, Mauritius- strasse: Bruchstücke von Terra-Sigillata- und anderen römischen Thongefässen ; Münzen. Siehe B H.

Wiesbaden, bei der Kurve („Auf dem Hessler"): Gräber.

Dotzheim: Mit Steinen ausgesetzte und gedeckte (römische?) Gräber, angeblich ohne Beigaben, beim Hausbau des Philipp Ludwig Christian Wilhelm Wagner.

*) Die Untersuchungen und Funde, welche aus den Mitteln der Reichs-Limes-Kommission gemacht werden, finden an anderer Stelle ihre Verötfentlichung und werden darum hier nicht mit aufgeführt.

351

Langenhain, an der Strasse nach Medenbach: Baureste; Schiefer und Randziegel dabei gefunden.

Winkel i. Rheingau, im Distrikt Kohh'ech, oberhalb von Schloss Vollraths: Gebäudefundamente beim Roden von Weinbergen aufgedeckt; dabei rüraische Gefässscherben und Ziegelbruchstücke gefunden. Eine nähere Untersuchung ist vom Vereine geplant.

Oberlahnstein: Herr Oberlehrer Dr. Bodewig daselbst teilt mit: „In einem römischen Gehöft bei Oberlahnstein fand sich eine grosse Sichel, sowie eine 19 Pfd. schwere Pflugschar."

Altkönig: Eine Fibel von Weissmetall. Siehe B II. >Y^

III. Alemannisch-fränkische Periode.

Schierstein: Gräber in den Lössgruben des Herrn Georg. Ohne Bei- gaben von Bedeutung.

Braubach und Oberlahnstein: Herr Dr. Bodewig teilt uns mit: „Aus dem fränkischen Grabfelde bei Braubach habe ich erhalten: einen Skramasax, eine kleine Schale und eine verzierte Bronze-Gürtelschnalle; aus dem fränkischen Grabfelde bei Oberlahnstein: einen Skramasax, einen Speer, einen Krug, eine tauschierte Gürtelschnalle und einen gleich dieser lädierten Bronze-Spiegel.

Sindlingen: Öffnung von Gräbern durch den Frankfurter Verein für Geschichte und Altertumskunde und den Höchster Altertums- verein.

IV. Mittelalter und Neuzeit.

Wiesbaden, Webergasse 2: Thongefässe und Scherben (alte Wiesbadener und Marienthaler Industrie), ein Degenkorb, Schlösser, siehe B. IV.

Nastätten, Münzfund: Kurtrierische Münzen.

Strinz-Trinitatis, Münzfund: Spanische Silbermünzen des 16. Jahr- hunderts.

Dr. L. Pallat.

352

An den Vorstand gelangte folgende Zuschrift:

^In dem Protokoll der Sitzung des Vereins Tom 20. Februar 1895, S. 239 der Annalen, ist gesagt, ich hätte in meinem Vortrage die Angabe gemacht, dass ,sich nach dem .'50 jährigen Kriege die Bevölkerung Deutschlands auf ein Viertel der früheren Zahl vermindert hätte". Diese Mitteilung ist unrichtig. Ich habe in meinem Vortrage weder die Statistik der Bevölkerung nach dem Kriege erwähnt, noch überhaupt nur eine Verhältniszahl über den Verlust an Mensohenmaterial an- gegeben. Die obige Notiz stammt vielmehr aus dem Referat des „Rheinischen Kurier"* über meinen Vortrag, dem ich ganz fernstehe.

Hochachtungsvoll und ergebenst: Dr. Meinardus."

An den Vorstand gelangte des Weiteren folgende Zuschrift:

.,\Vir ersuchen folgende Berichtigung einer Stelle des Jahresberichts in Bd. XXVII, 3. 227 22S der Annalen, die augenscheinlich auf ungenügender Information des Verfassers beruht, in den diesjährigen Jahresbericht aufzunehmen. Die dort genannten ^Störungen des bisher gewohnten Vereinsbetriebes'* traten nicht „in Anschluss an den Ausfall der Wahlen" ein, sondern Unregelmässigkeiten in der Generalversamm- lung veranlassten uns zu einer, zunächst freilich vergeblichen Beschwerde an den Vorstand, die nachher zu Weiterungen führte. Die Bildung einer besonderen, in den Statuten vorgesehenen und in früherer Zeit jahrelang bestandenen historischen Sektion aber war schon vorher von ganz anderer Seite, als man aus jener Stelle

vermuten muss, ins Auge gefasat.

(gez.) Keim, Landgerichtsrat.

(gez.) Kolb, Major a. D.

(gez.) Dr. Meinardus, Archivar.'^

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ANNALEN DES VEREINS

FÜR

NASSAÜISCHE ALTERTUMSKUNDE

UND

GESCHICHTSFORSCHUNG.

NEUNUNDZWANZIGSTER BAND.

ERSTES HEFT.

18 9 7.

MIT ZWEI TAFELN.

WIESBADEN.

VERLA*} VON HUI). RECHTOLÜ & COMP. 1897.

DRC'CK VON RÜD. BECIITOL0 4 COMP.. WIESBADEN.

DCCHDBCCKEREI * MTnOOR. ANSTALT.

V//, S/if.

AJsNALExN DES VEREINS

FÜR

MSSAUISCHE ALTERTUMSKUNDE

UND

GESCHICHTSFORSCHUNG.

NEUNUNDZWANZIGSTER BAND.

1897:98.

MIT ZWÖLF TAFELN.

WIESBADEN.

VERLAG VON RUD. BECHTOLD & COMP. 1897/98.

UKUCK VON RUÜ. ßECIlTOLÜ * COMP.. WIESBADEN.

ULCUDRLXKEREI 4 LlTllOOtt. ANSTALT.

Inhaltsverzeichnis.

An nalen. Erstes Heft.

Seite

I. Depotfund von Eibingen b. Rüdesheim (mit Taf. I). Von L. Pallat . . 1

II. Fränkisches Gräberfeld in Sindlingen a. M. (mit Tat". 11). Von F. Quillini,' .')

III. Die Herren von Beilstein und Greifenstein. Xaolitraa:. Von W. Sauer ttl

IV. A. J. Hofmann, Präsident des rheinisch-deutschen Nationalkonvents

zu Mainz. Von Fr. Otto 77

V. Die Intelligenzblätter der Nassauischen Fürsteatümer. Von G. Zedier 'j3

Zweites Heft.

VI. Römische Funde aus "Wiesbaden (mit Tat". III bis X). Von E. Ritterling

und L. l'allat II')

VII. Ein Hügelgrab bei Holzhausen a. d. Haide (mit Taf. XI und XII). Von

H. Leliuer 170

VIII. Ciarenthaler Studien. Von F. Otto 173

IX. Beiträge zur Geschichte des Märkerwesens zu Niederlahnstein. Von

F. Miohel L'02

X. Ein Inventar der St. Valentinskirche zu Kiedrich. Von E. Zais . . . 2r.» XI. Wiesbaden eine königliche Stadt im Jahre 1241. Von F. Otto . . . 222 XII. Graf Walrad von Nassau-Usingen bei den oberrheinischen Kreistruppen

im Türkenkriege 1664. Xachtrag zu Annalen XX, S. 112— 1;:!8. Von II. Forst 22.5

Mitteilungen 1897;98.

Spalte

Plan des Blattes 1—4

Verzeichnis der ^litglieder 3 IS

Vereinsnacbrichten 18 24, 65 69

Vorträge :

Bewegung des Jahres 1848 in Xassau von R. Kolb 69 72

Freimaurer in Xassau von B\ 0 1 1 o 72 74

Deutsches Htädteleben am Ausgange dos Mittelalters von B. Heil 74—76

Depotfund von Eibingen von L. Pallat 76

Der Xame und die ältesten Reste des römischen "Wiesbaden von L. Pallat . 76 79 Aufstand im Siegenschen und Dillenburgischen 1813 von O. Meinardus . . 80 81

Das älteste nassauische Zeitungswesen von O. Zedier 81 82

Lord Byron am Rhein von A. Schroetor 82—83

Übertritt Johann Ludwigs von Nassau-Hadamar zum katholischen Bekenntnis

von K. Pagenstecher 88 84

Die "Wandgemälde in der .Stiftskirche zu Gerresheim von A. Potthast . . . 85—87 Die Okkupation des rechten Rheinufers durch die Römer von E. Ritterling 87 93

Die vorgeschichtlichen Grabstätten in Xaasau von L. Pallat 98 103

Das .,älteste Einhorn" in Wiesbaden von F. Otto .... 103—106

Begründung der ., Historischeu Kommission für Xassau" 24 :>1

Erwerbungen 31—36, 106—113

Funde 37-42, 113 118

IV

Miscellen : spalte Vulksscliauspiele und Studenten-.VufFiihrungen in Kerborn im IG. mul 17. Jahr-

liundert vnii O. >[t'iiiardus 42 49, 121

Naohlass des Archivdirektors Freiherrn v. Preusehen von O. Meinardus 50 5-i, 121 124

Zerstörung der Stadt Wiesbaden 1242 von F. Otto HS— 121

Chronik:

Altertumsverein zu < »berbihnstein, Bericht von R. Bodewig 54 5r>

Altertumsverein zu Herborn, Bericht von J H. Hoff mann .... 55—56, 127 129

Hist(^rischer Verein zu DiUeul)urg, Bericht von C. Dunges 124 127

Altertumsverein zu Höchst a. 31., Bericht von E. Suehier 129 131

^'oueste nassauische Litteratur von F. ütto 55 64, 131 136

Mitteilungen 189899.

Vereinsnachrichten ]— 5, 33—35, 65—67, 97 102

Vorträge:

Die diesjährigen Limesforscliungen in Nassau von L. Pallat 5 7

Das neue Xassau-Luxemburgisclie Haus- und Staatswappen von R. Kolb . . 8 9 Die wirtsciiaftliche und soziale Entwicklung der deutschen Städte im 14. und

15. Jahrhundert von B. Heil 9—11

Eine archäologische Wanderung im Nassauer Lande von B. Florschütz . . 11 14

Die Thonwarenindustrie des Westerwaldes von Kleister 35 43

Riehl's Novelle „(Irätin L'rsula" u. ihre historische Grundlage v. K. Pagenstecher 43 45

Nassauische Volkstrachten von H. Düssell 45 49

Der nassauische Publizist Johannes Weitzel von G. Zedier 67—68

Die Nassau-Uranische freiwillige Jäger-Kompagnie 1814 1815 von O. Meinardus 68 69

Die keltischen Ringwälle von B. Florschütz 69 70

Die Kirchen von Eberbach und Marieiistatt in ihrer kunst- und kulturgeschicht- lichen Bedeutung von E. Zimmermann 71 77

Bericlit über die Generalversammlung des Gesamtvereins zu ^lünster von

B. Flor schütz 102

L'ber eine neue prähistorische Fundstelle in Hessen von L. Pallat . . . , 102 103

Das Künig>kreuz zu Göllheim von R. K o 1 b 103 104

Die Oranien-Nas-uuische Ausstellung zu Amsterdam von R. Kolb 1(>4 106

Praxiteles von H. Leime r 106—107

Limburg unter Pfund herrschaft von J. Hillebraud 107 110

Erwerbungen des Altertums-Museums 14 16

Funde 16-18, 24—25, 52—53

Verwaltungsbericlit des Altertums-Museums von H. Lehner . . 49-52, 77 80, 110 112 -Miscellen :

Römische Inschrift aus Wiesbaden von p]. Ritte rl ing 18 24

Münzfund in Ikaubach von R. Bodewig 24 25

Nachlass des Archivdir. Frhrn. V. Preusehen von O. Meinardus 25-26, 60-63, 90-91, 117-119

Goethe und der Verein f. Nass. Altertumskunde u. Cieschichtsforschung von F. ütto 26—27

Zur Geschichte des Grafen Johann von Nassau-Idstein und Wiesbaden von F. ütto 53—60

Ältere nassauische Urkunden von R. Kolb 80 —^'4

Zur Vorgeschichte der Lundesbibliothek zu Wiesbaden von G. Zedier 84 90, 112 117

Ciironik:

Altertumsverein zu Herborn, Bericht von J. H. Hoffraann .... 27 28, 95 96

Historischer Verein zu Dillenburg, iJericht von C. Seel 91 95

Altertumsverein zu Höchst a. M., Bericht von E. Suchier 119 121

N"ueste auf Nassau bezügliche Litteratur v(jm F.Otto u. (J. Zeiller 28-52, 63—64, 122 123

Inhalts-Verzeichnis

des ersten Heftes.

Seite

I. Depotfund von Eibingen b. Rüdesheim (mit TaF. I). Von L. Pallat . . l

II. Fränkisches Gräberfeld in Sindlingen a. M. (mit Taf. II). Von F, Quilling 5

III. Die Herren von Beilstein und Greifenstein. Nachtrag. Von W. Sauer 61

IV. A. J. Hofmann, Präsident des rheinisch-deutschen Nationalkonvents

zu Mainz. Von Fr. Otto 77

V. Die Intelligenzblätter der Nassauischen Fürstentümer. Von G. Zedier 93

Depotfund von Eibingen b. Rüdesheim.

Yun

Dn L Pallat

Hierzu Tafel I.

Die auf Tafel I abgebildeten Gegenstände wurden im Herbste des Jahres 1895 bei dem ehemaligen Kloster Notbgüttes in der Gemarkung Eibingen ge- funden. Sie lagen nur 0,40 m unter der Erdoberfläche dicht links an einem kurz zuvor neu angelegten Feldwege, der von Eibingen an der Südseite des Nothgotteserthales auf halber Höhe des Berges durch den Schälwalddistrikt „Junger Haag" in den Eüdesheimer Wald „Buchenloch" führt. Die Fundstelle liegt etwa 100 m über der Nothgotteskapelle, eine Viertelstunde von Eibingen entfernt. Aus den Händen des Finders, der beim Ausroden eines Eichenstockes auf die dicht bei einander liegenden Gegenstände gestossen war, kamen diese in den Besitz des Herrn F. Reuter in Rüdesheim. Sie bestehen sämtlich aus Bronze und sind mit sehr schönem, dunkelgrünem Edelrost überzogen.

Die drei grossen Armringe (Fig. 1 3) staken bei der Auffindung inein- ander. Darum weisen auch die beiden kleineren die Patina auf der Aussen- seite nur an den Rändern und nach den Enden zu auf. Andererseits ist bei den beiden grösseren die Innenseite schmutzig hellgrün gefärbt, während die des kleinsten mehr dunkel patiniert ist. In Form, Technik und Verzierung sind alle drei einander vollständig gleich. Aus 0,001— 0,0015 m dicken, in der Mitte 0,048 (bezw. 0,051 und 0,046) m breiten und nach den Enden zu schmäler werdenden Bronzeblechstreifen sind sie aufgetrieben und derart gebogen, dass zwischen den rund abgeschnittenen und in 0,003 0,004 m Breite aufgebogenen Enden eine Öff'nung von 0,024 (bezw. 0,021 und 0,018; m Breite bleibt, dass der Durchmesser des fast kreisrunden Randes 0,094 (bezw. 0,085 und 0,077) ra und die Breite des Ringes der Öffnung gegenüber 0,035 (bezw. 0,04 und 0,038) m beträgt. Die auf den fertigen Ring eingravierte Verzierung besteht bei allen dreien aus vier breiten und fünf schmalen, durch Parallellinien von einander getrennten Feldern. Davon sind jene mit einem Netzornament, welches au? Parallellinien und Kreisen mit Zirkelpunkt hergestellt ist, diese mit einem ebenfalls aus Parallellinien gebildeten Zickzackornament gefüllt. An einigen

1

Stellen, namentlich des kleinsten Ringes, ist die Ornamentierung verwischt, was, wie auch einige Risse am Rande und etliche Beulen auf Abnutzung durch Tragen zurückzuführen ist. Das Gewicht der Ringe beläuft sich auf 122,5 (bezw. 118 und 85) g.

Zu diesem prächtigen Oberarmschmuck gesellt sich ein kleinerer, gleich- falls offener, aber völlig anders hergestellter Unterarmring (Fig, 4). Er ist massiv gegossen die in der Längsrichtung auf der Mitte der Aussen- und Innenseite herlaufende Gussnaht ist deutlich wahrnehmbar oval geformt mit einem grössten äusseren Durchmesser von 0,08 m, stark gerundet, nach aussen und innen etwas abgeplattet, mit einem stärksten Umfang von 0,033 m in der Mitte und einem geringsten von 0,027 m unmittelbar vor den etwas verdickten und abgeplatteten Enden. Die Ausseuseite ist in der Querrichtung geriefelt, und zwar wechseln schmale und breite erhöhte Streifen miteinander ab.

Fig. 5 giebt eine kreisrunde, gewölbte Zierscheibe von 0,064 m Durch- messer wieder. Die Oberseite dieser Scheibe ist poliert, die Unterseite uneben und mit vielen Eindrücken eines kleinen Schlaginstrumentes bedeckt. Dem- entsprechend sieht die Patina dort wie Naturfarbe des Metalls, hier mehr wie eine aufgetragene blaugrüne Farbe aus. Auf der Mitte der Oberseite sitzt ein halbkugeliger Knopf. Es ist der Kopf eines Nagels, der durch die Scheibe durchgesteckt, innen zu einer Ose umgebogen und festgelötet ist. Um den Knopf sind auf der Oberseite fünf konzentrische Kreise eingeritzt, und zwar hat man sie wie auch die kleinen Kreise im Ornament der grossen Ringe allem Anschein nach mit einem zirkelartigen Instrument gezogen.

Die Lanzenspitze (Fig. 6) reiht sich den genannten Stücken, was Technik und Erhaltung betrifft, würdig an. Dagegen ist ihre Patina nicht ganz so glänzend und, weil mit schwärzlichen Flecken durchsetzt, auch weniger rein im Farbenton. Die Länge der Lanzenspitze beträgt 0,185 m, die grösste Breite des Blattes 0,037 m. Die im Verhältnis zu diesem sehr breite Rippe ist hohl bis auf 0,035 m vom unteren Rande, hat einen unteren Durchmesser von 0,022 m und eine 0,002 m starke Wandung. Zum Zwecke der Befestigung an einen llolzschaft ist sie bei 0,025 m vom unteren Ende in der Richtung der Blatt- schneide durchbohrt. Die sie zierende Riefelung ist unterhalb der kreisrunden Löcher (Durchmesser 0,005 m) sehr sauber, darüber merkwürdig roh ausgeführt. Man hat den Eindruck, als ob dort die Riefelung, gleich der des kleinen Arm- ringes, in der Gussform vorgesehen gewesen, hier nachträglich eingegraben worden sei. Es zeigen sich auch gerade hier einige, durch ein spitzes Instrument be- wirkte Kratzer. Die Lanzenspitze als solche ist zweifellos in Gebrauch gewesen, denn ihr Rand ist ungleichmässig geschärft und abgenutzt.

Noch viel auffallender sind die Spuren der Abnutzung bei den noch zu betrachteuden Stücken. Bei einigen, wie bei den Beilen Fig. 8 u. 9 und den Messern Fig. 10 12 glaubt man sogar unbrauchbar gewordenes und darum abgelegtes Gerät vor sich zu haben.

Verhältnismässig noch wohlerhalten ist das als Fig. 7 abgebildete Beil mit Schaftlappeu (Länge 0,15 m). Die Schneide scheint kaum nachgeschärft zu sein und das Blatt ist noch nicht, wie wir es an den nachfolgenden Stücken

waliruehmen werden, durch Hammcrseliläge erbreitert. Die Runder des an den Seiten gegen die Lappen abgesetzten Blattes sind abgestumpft und waren es von vornherein. Dagegen sind die beiden Stümpfe am oberen Ende, die in ihrer ursprünglichen Yerlängerung einen Ring gebildet haben mügen, erst nach- dem sie abgebrochen waren, zurechtgeschnitten und geghittet worden. Anderer- seits ist die an der einen Seite befindliche Ose, deren Loch sich beim Gusse gefüllt hatte, nachträglich nicht ausgehöhlt worden. Das in der Form verwandte, kleinere Beil (Fig. 8) von 0,11 m Länge ist oben gebrochen und durch häufiges Schärfen stark gekürzt. Auch ist das Blatt durch oft wiederholtes Hämmern so breit getrieben, dass die Ränder über die Seitenflächen überstehen. Auch das hohle Beil (Fig. 9) war ursprünglich ein gut Teil länger als 0,10 m. Die Ränder des jetzt nur noch ganz kurzen Blattes stehen auch hier über und die Schneide ist ganz stumpf. Im übrigen deuten auch viele Risse und Beulen darauf hin, dass dies Stück ziemlich stark mitgeuoramen worden ist.

Lange in Gebrauch waren offenbar auch die zwei sichelförmigen (Fig. 10 und 11) und das kleine Messer (Fig. 12). Von jenen ist das kleinere, dessen Weite 0,107 m beträgt, noch dazu im Gusse schlecht geraten, derart, dass die nicht gerippte Rückseite, die wie bei dem anderen (\Yeite 0,14 m) glatt sein sollte, uneben und rauh ist. Das kleine Messer ist noch von dem letzten Schliff her verhältnismässig scharf.

Nehmen wir den vorliegenden Fund als Ganzes, so ist er in mehr als einer Hinsicht interessant und wichtig. Einmal ist es, wie seine Zusammen- setzung und die Fundstelle, an welcher keine Spur eines Grabes oder sonst eines Erdwerkes vorhanden ist, lehrt, zweifellos ein Depotfund und als solcher für die Gegend, in der er zu Tage gekommen ist, ein seltenes, wenn nicht das erste Vorkommnis dieser Art. Grössere Funde aus vorrömischer Zeit sind dort bis jetzt nur beim Aufdecken von Grabhügeln gemacht worden. Sie stammen samt und sonders aus der La Tene-Periode und sind also zeitlich von unseren, auf die jüngere Bronzezeit hinweisenden Funde weit getrennt. Es sind das Grab- hügelfunde von Johannisberg (Period. Blätter 1859, Xo. 9, S. 222, vergl. S. 229; ebd. 1860, No. 14, S. 396), von Geisenheim (Ann. IV, 1., S. 201), vom "Weissenthurra bei Rüdesheim (Ann. VII, 2., S. 195 ff.), vom Kammerforst zwischen Rüdesheim und Lorch (Ann. XII, S. 241 ff.) und vom Nothgotteser- berge bei Eibingen (Period. Blätter 1856, Xo. 8, S. 259 u. 263); letztgenannter also aus der nächsten Xähe des uns beschäftigenden Fundes stammend. Fehlen hier demnach bis jetzt Grabfunde aus älterer Zeit und liefern andererseits die vorhandenen jüngeren ein geschlossenes Bild, so hegt es nahe anzunehmen, dass die Besiedelung jener Gegend verhältnismässig spät erfolgt oder in der Früh- zeit nur eine spärliche gewesen ist. Daraus Hesse sich dann schliessen, dass unsere Bronzen nicht den Besitz eines dort Ansässigen, sondern die Habe eines wandernden Kaufmanns oder Handwerkers ausgemacht hätten.

Zu dieser Annahme drängt uns aber noch ein anderer Umstand. Es wollen nämlich die abgenutzten Beile und Messer schlecht zu Prachtstücken, wie es die grossen Armringe sind, passen. Die Ringe sind dazu für die liiesige Gegend einzig in ihrer Art und wie ein Vergleich mit den Bronzefunden von den Pfahl-

bauten des Xeuenburger und Bieler Sees (s. Mitteilungen d. antiqu. Gesellschaft zu Zürich IX, Taf.- 5, XIII, Taf. 5 u. 7, XIX, Taf. 13) nahe legt, oflFenbar weit hergebracht. Man versteht darnach die Zusammensetzung des Fundes am leichtesten, wenn man sich das Ganze als den vorübergehenden Besitz eines umherziehenden, neben seinem Gewerbe auch Handel treibenden Kunstschmiedes vorstellt. Das alte, unbrauchbare Gerät hat er aufgekauft, um es einzuschmelzen, die feinen Schmuckstücke bringt er mit, vielleicht eben aus der Schweiz, von wo aus er den Rhein herunter gekommen sein mag. In einer Stunde der Gefahr hat er seine wertvolle Habe in einem Seitenthale des Rheines geborgen.

I

4

Fränkisches Gräberfeld in Sindlingen a. M.

Von

Dr. F, Quilling (Frankfurt a. M.).

Hierzu Tafel II und 4 Textabbildungen,

In den Jahren 1892 und 1893 wurden in Sindlingen a. M. bei dem Aus- schachten der Kellerräume für Neubauten erstmals fränkische Reihengräber aufgedeckt. Herr Oberstabsarzt a. D. Dr. Kuthe hierselbst, dessen werkthätigem archäologischem Interesse die Frankfurter Lokalforschung schon so viele wichtige Ergebnisse verdankt, begab sich auf die Nachricht davon sofort an Ort und Stelle, nahm soweit es noch möglich war die Fundumstände auf, und erwarb den Inhalt der Gräber für das Frankfurter historische Museum. Yon dessen "Verwaltung wurde sodann auf seine Anregung eine bestimmte Summe zu weiteren Nachforschungen bewilligt und Herr Dr. Kuthe mit deren Leitung betraut. Es begann nun jene systematische Ausgrabung eines grossen Teiles des Gräberfeldes, welche das wesentliche Material für die vorhegende Abhand- lung abgiebt.

Seine Absicht, dieses Material selbst zu bearbeiten, konnte Herr Dr. Kuthe leider iofolge eines eingetretenen Augenleidens nicht ausführen. Wenn ich im Nachstehenden auf seinen Wunsch versuche, ihm diese Aufgabe abzunehmen, so geschieht es in dem Bewusstsein, dass die eigentliche Leistung doch die seinige ist und mit dem Ausdruck herzlichen Dankes für die Überlassung der Fundnotizen und wiederholte Unterstützung bei deren Ausarbeitung.

Nicht minder gebührt mein Dank Herrn Ingenieur H. Wehner hier, meinem lieben Freunde und steten wissenschaftlichen Mitarbeiter. Er hat nicht nur den beigegebenen Plan entworfen, sondern auch eine Anzahl von Gräber- aufnahmen unter oft recht schwierigen Verhältnissen angefertigt und schliesslich das ganze erste Kapitel über die Topographie des Ortes Sindlingen und be- sonders des fränkischen Friedhofes beigesteuert.

Das zweite Kapitel giebt eine ausführliche Beschreibung des Gräberfeldes nebst Fundbericht und das dritte und letzte einen kurzen Überblick über die vor- und nachfränkische Geschichte von Sindlingen a. M,

I. Topographie.

Auf den letzten drei Meilen seines Laufes, bevor er den Rhein erreicht empfangt der Main kurz unterhalb Frankfurts den letzten Zufluss von grösserer Bedeutung, die Nidda, die ihre leicht wechselnden \Vassermengen zum grüssten Teile von den langgestreckten, sich dem vorher nordwärts gerichteten Mainlauf entgegenstellenden Siidabhängen des Taunusgebirges erhält. Die Nidda, ein zuweilen recht unscheinbar aussehendes, im ganzen aber tiefes und öfters reissendes Gewässer, ergiesst sich oberhalb der Stadt Höchst, 9 Kilometer von Frankfurt, in unmittelbarer Nähe des durch die dort gefundenen römischen Militärziegeleien dem Geschichtsfreunde geläufiger gewordenen Örtchens Med in den Main; sie besitzt in ihrem Unterlaufe ein unstätes, vielerlei Schlangen- linien beschreibendes Stromgefälle, welches schon häufig seinen Platz verändert, selbst gelegentliche Regulierungen ignoriert und sich neue, ungehinderte Wege irebahnt hat. Auf der Strecke zwischen dem Einflüsse des Nidder in sie (bei Gronau) und ihrer Mündung wird die Nidda aus geologisch vergangener Zeit her selbst als ein altes Mainbett angesehen ; in den Zeiten grösseren Nieder- schlages spielt sie heute noch vermöge ihrer Lage als Abfangrinne des südlichen Taunushanges ihre Rolle in der Weise, dass ihre Hochwasser denen des grösseren Mutterstromes, des Maines, gleich gefährlich sind. Bei Höchst verändert der letztere seine bisherige ostwestliche Richtung und biegt nach links in eine nordost- südwestliche um, jetzt selbst die Funktionen des Niddastromes aufnehmend. Ton hier aus fliessen dem Main die Abwässer des Taunus unvermittelt zu, immer in der Form von ungefährlichen, unbedeutenden Quellhächen, wie Gold- bach, Wickerbach, Käsbach. Das hydrographische Bild des rechten Main- ufers ist durch die Verschmolzung von Nidda und Main also ersichtlich ver- ändert, und diese Sachlage ist, wie aus dem Folgenden hervorgeht, nicht ohne Bedeutung für die Auswahl des Platzes, auf welchem heute Sindlingen liegt, zu einer Siedelung,

Sindlingen, ein Ort von ca. 2200 Einwohnern in 300 Häusern, liegt 3 Kilometer abwärts von der Niddamündung auf einer steil und unmittelbar an das Mainufer herantretenden Bodenerhebung, die, von nicht viel grösserem Um- fange als die Ortschaft selbst, ca. 12 Meter über dem Mainspiegel aufsteigt. Der Fluss biegt angesichts dieser Erhebung nach Süden ab und gewinnt erst nach dem Passieren einer zweiten, zwischen Hattersheim und Kelsterbach ge- legenen Höhe seine generelle Laufrichtung nach Südwesten wieder. An der Nordseite des Ortes Sindlingen mündet ein kleines Gewässer, der Pfiugstborn- graben, in den Fluss; er findet bis zum letzten Kilometer vor seiner Mündung verhältnismässig hochgelegenes Terrain, betritt aber hier, an der Linie der Nassauischen Staatsbahn, eine Niederung, die in Gestalt eines Halbkreises von ca. 800 Metern Radius dem rechten Mainufer vorgelagert ist und, jetzt zwar trocken, vor Zeiten die Gewässer des Flusses getragen hat, bis sie sich mit Sand und Gerolle erfüllt hatte und den Main in sein jetziges Bett zurückdrängte. Diese Niederung füiirt den Namen die .,Lache", der Pfingstborngraben selbst nimmt ebenfalls bei seinem Eintritte in sie den Namen „Lachengraben" an.

Die Mitte der Lache, die jetzt ausser bei beJeiitenden Hochwassern güuzlich trocken liegt, ist erfüllt von einer Düne; auf dieser befindet sich neuerdings, weithin sichtbar, der Wasserturm der Stadt Höchst.

Ein Blick auf die Generalstabskarte oder auch auf das beigegebene Spezialkärtchen im Massstabe 1 : 10000 lässt unschwer erkennen, dass die Lache ihren Ursprung den vor langer Zeit noch viel wilderen und nicht in abgeruhteo, firehöriff ausj^ewaschenen Betten laufenden Gewässern des Maines und seiner

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Zuflüsse verdankt; als letztere kommen in Betracht die stark wechselnde Flut- menge der Nidda, sowie die Liederbach bei Höchst und der Pfingstborngraben selbst. Der untere Lauf des letzteren von der Nassauischen Staatsbahn ab wie vorhin erwähnt, „Lachengraben " genannt ist nur als der physikalisch erzwungene Ablauf des Bächleins zu betrachten und markiert das westliche Lachenufer, indem er sich hart an der steilen und hohen Uferlinie nahe dem Zeilsheimer Wege hält. Mit diesem Stückchen Wasserlaufe, dicht vor Sindlingen, verliert der Main samt seinen rechtsseitigen Zuflüssen das Gepräge, welches ihm die devastierenden Gebirgsgewässer verliehen hatten, die vom Südabhange des Taunus, durch die Nidda zusammengefasst, bergab strömen; von hier aus gewinnt er von neuem die Erscheinung des friedlich eingedämmten, durch seine Ufer gefesselten Flusses.

Auf dem Hügel, der sich an der beschriebenen Stelle des westlichen Lachenufers befindet, liegt Sindlingen, eine in mehr als einer Hinsicht be- merkenswerte Siedelung. Schon die Gattung des Ortsnamens, über dessen singuläres Vorkommen am Maine und unteren Rheine an anderer Stelle berich- tet wird, verleiht dem Dorfe eine Ausnahmestellung; dass hier eine uralte Ansiedelung war, beweist der neu entdeckte fränkische Friedhof. Die topo- graphische Lage zeigt ferner, dass Wanderungen, die sich am Unterlauf des Maines von Ost nach West oder umgekehrt bewegten, nach aller Wahrschein- lichkeit diesen Ort wählen mussten als den bequemsten und zu jeder Jahreszeit gesichertsten Übergang über den Fluss, wobei als ein zweiter, nach dem rechten Mainufer zurück, ein Funkt in der Nähe Schwanheims oder die Stelle der Frankenfurt angesehen werden muss. Indem an zwei nahe bei einander liegen- den Orten der Hauptflusslauf überschritten wurde, vermied man das Eintreten in die Sümpfe der Niddamündung und gewann auf dem verhältnismässig güns- tigsten Terrain wieder freies Land und gesicherten Halt für den Fuss auch in wasserreichen Zeiten.

Bei der Annahme, das Traversieren des Maines bei Sindlingen habe die eben erwähnten Vorteile mit sich gebracht, muss füglich vorausgesetzt werden, dass die Verhältnisse des Hauptflussbettes an sich selbst zur Überschreitung einluden. Und in der That ist auch dieses der Fall. Die preussische Generalstabskarte 1 : 100000 zeigt auch in ihrer neuesten Auflage noch eine kleine Insel im Maine, das „Sindlinger Wörth". Durch die Mainregulierung des letzten Jahr- zehntes ist dieses Stückchen Stromhiudornis verschwunden; doch baucht sich das linke Mainufer an dem Platze, wo es lag, noch ganz bedeutend nach Süden aus; dasselbe ist der Fall etwa 150 m unterhalb der jetzt verschwundenen Insel. Der Boden des Flussbettes ist hier wie überall in der Nähe felsig, und

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GS liegt nahe, anzunehmen, dass jene Figuration des Ufers mit seiner doppelten Ausbuchtung zwei einstigen Inseln zuzuschreiben ist. Sie finden sich in dem Spezialkärtchen 1 : 10000 eingetragen; wie man dort zugleich sieht, zieht die ehemalige nassau-starkenburgische Landesgrenze an dem nämlichen Punkt in den Main ein ; sie verbleibt von hier aus in dem Flusse bis zu seiner Mündung. Ortseingesessene benennen noch heute den Punkt, der für die zweite, west- lichere Insel in Anspruch genommen wird, als einen Platz, an welchem man den Main bei kleinem Wasser ohne jede Untiefe zu Fuss durchwaten kann. Man muss annehmen, dass dies vor der jetzigen Stromregulierung noch leichter gewesen ist, indem sich an der nachgewiesenen natürlichen Felssperre weitere Steinblöcke denken lassen, die das Überschreiten schon zu solchen Zeiten er- leichterten, in denen noch keine feste Ansiedelung an Sindlingens Stelle lag, ein Traversieren ohne Fähre auch von Solchen, welche selbst keine Ufer- bewohner — ohne Fahrzeuge und ohne Kenntnis der Schiffahrt über das Feld zogen. Einen gewissen Nachdruck erhält diese Ansicht noch bei der Betrach- tung des Verlaufens der Strassenzüge und auch der Gebirgsgestaltung in der Nachbarschaft Sindlingens. Hier am Orte trifft der Zug des Landwegs von Hofheim nach Höchst, nachdem er sich mehrere Meilen stark abseits vom Flusse gehalten hatte, direkt auf das Ufer; es ist die verbindende Strasse zwischen Hochheim -Wicker -Weilbach-Hattersheim und Sindlingen. Eine zweite Strasse führt von Münster und Zeilsheim, eine dritte von Hofheim, dem bekann- ten Taunuspass des Lorsbacher Thaies, ebenfalls nach Sindlingen. Eigentümlich dürfte es erscheinen, dass auf dem linken Mainufer keine analogen Verhältnisse vors Auge treten. Doch ist das eben nur scheinbar der Fall ; in der That finden sie sich auf dem Sindlingen gegenüber liegenden Ufer in durchaus gleicher Weise. Westlich von Schwanheira, etwa 1 Kilometer vom heutigen Orte ent- fernt, hat sich die Flurbezeichnung „Am alten Dorf erhalten (s. General- stabskarte); hier münden, von Sindlingen herführend, nicht weniger als drei alte Strassen: der Pflugsweg, Pflugsgewannweg und ein dritter; von Osten kommen zwei weitere hinzu.

Der erstgenannte gewinnt durch einen Umstand besonders an Wichtigkeit: Sowohl an seinem westlichen, Sindlingen gegenüber gelegenen, wie an dem östlichen Endpunkte befand sich je eine Kapelle; die Reste der westlichen Kapelle (vergl. den Spezialplan), „Martinskapelle" auf der Karte, im Yolksmunde „Märtes-Kirch" genannt, liegen unter einem höchstwahrscheinlich künstlich erhöhten Hügel von Rasen und Gestrüpp vergraben und lohnten wohl sachkundiger Nachforschung. Es ist mehr als entfernte Wahrscheinlichkeit, dass diese beiden Kapellen, an ein und derselben Strasse gelegen, die, nur 3 Kilometer lang, eine Flusswindung am nämlichen Ufer abkürzt, Stellen markieren, wo ein regelmässiger und häufiger Übergang über den Fluss stattgefunden hat. In früherer Zeit mag an der Stelle einer jeden dieser Kapellen ein Zeichen, die zu nehmende Richtung an- deutend, gestanden haben, sodass es leichter wurde, den einmal als sicher er- kannten Wog durch die Fluten stets gefahrlos einzuhalten.

Diese etwas weitergehenden Andeutungen mögen damit gerechtfertigt er- scheinen, dass das Augenmerk auf die Sindlingen gegenüber befindliche Märtes-

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Kirch gelenkt werden sollte. Dass dieselbe zu dem Orte in Beziehung stand, lässt folgende Beobachtung vermuten:

Weiter oben war die Strasse erwähnt, welche von Ilochheim aus über Hattersheim nach Sindlingen führt. Yerfolgt man sie bis zu dem Knick west- lich am Orte, so erscheint eine Strassenknotung; an diesem Knickpunkt ver- einigen sich mehrere Wege; von Südwesten der alte Uferweg von Okriftel her, von Westen her der Hofheimer Weg, von Nordwesten jener von Zeilsheim und von Norden der von Unterliederbach, im nächstgelegenen Teile gegenwärtig mit der neuen, nach Höchst führenden Chaussee sich deckend. Dieser Gabelungs- und Knotenpunkt, an sich schon wesentlich und von Interesse, wird es noch mehr, wenn von ihm aus eine Verbindungslinie nach der gegenüber gelegenen Euine der Martinskapelle gezogen wird, denn genau in die Richtung dieser Linie fällt eine jetzt noch bestehende, alte Ortsstrasse, die sich zum Flussufor neigt, freilich nur auf eine mehr in der Höhe gelegene Strecke von ca. 80 Metern; der untere Teil, der hier nur vermutet wird, ist nicht sichtbar, jedoch als früher bestehend angenommen; an seiner Stelle befindet sich ein wenig nördlich ein leicht geknickter, paralleler Strassenzug, die „Neugasse " (iV G auf dem Plane), etwas südlich parallel ein offenbar älterer, stumpfer, mit Namen „der Ranze" (fi). Es will scheinen, als ob die mittelalterlichen Befestigungsanlagen, deren Platz noch durch die Ortsstrasse „der Haingraben" (// G) kenntlich ist, hier ver- nichtend eingewirkt haben. Ohne ausgedehntere Nachforschungen und Grab- ungen im Ortsbezirke ist über die Haltbarkeit der Voraussetzung dieses tJber- gangsweges nichts näheres beizubringen; es soll hier nur auf die mögliche Be- ziehung der bestehenden Strassenstrecke zu demselben hingewiesen sein, um so mehr, als sich an diese präsumierte Übergangslinie noch andere Umstände knüpfen, die den eigentlichen Gegenstand dieser Arbeit, das fränkische Gräber- feld, ihr nahe bringen.

II. Das fränkische Gräberfeld.

Nördlich von der zuletzt genannten Übergangslinie und östlich des Zeils- heimer Weges, in dem Winkel zwischen beiden liegt das fränkische Gräberfeld. Die Bodenerhebung senkt sich hier massig von West nach Ost und fällt mit einer Böschung steil nach der Niederung, der „Lache* ab. Die Terrainneigung, immer noch vollständig hoch wasserfrei, führt heute den Namen „Klingelrech". Der Friedhof tritt bis dicht an die Böschung im Nordostea heran; im Südosten wird er durchbrochen von der Höchster Chaussee und im Westen von der Feldbergstrasse.

Bereits in den siebziger Jahren begann Sindlingen sich nach Norden, in der Richtung nach dem Gräberfelde zu, auszudehnen; es entstan«! damals eine Reihe von Neubauten darunter 1875 und 1876 die auf der Kar:e mit D und E bezeichneten deren Anlage, wie man annehmen sollte, Spuren des fränkischen Friedhofes hätten zu Tage fördern müssen. Mehrere Ortseinwohner erinnern sich auch, dass an jenen Stellen Skelette gefunden wurden, indessen blieben sie als „aus der Zeit der Franzusenkämpfe herrühren«!"' unbeachtet;

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erst die neunziger Jahre brachten sichere Anhaltspunkte für die Existenz des fränkischen Gräberfeldes, indem die bisHSGl noch unbebaute nordöstliche Ecke des Sindlinger Hochgeländes, in deren Terrain es liegt, von nun an in den Bereich des Bebauungsplanes mit hineingezogen und zunächst von Herrn Maurer- meister Heinr. Noll daselbst mit einigen Häusern besetzt wurde. Die Ge- schichte der Ausgrabung der ersten zufälligen Entdeckungen, der daran an- schliessenden systematischen Eröffnung einer grösseren Anzahl von Gräbern und der wenigen nachträglich gemachten Funde giebt der möglichst ausführlich gehaltene hier folgende

Fundberieht/)

1892.

Bei dem Ausschachten des Erdreichs für die Neubauten Ä B C, sowie bei dem Abtragen des Kieshügels K zwischen der Strasse nach Höchst und dem KHngelrech wurden zahlreiche Schädel, Skelettkuochen und Thonscherben gefunden, leider aber durch die Erdarbeiter beseitigt, sodass eine Aufnahme der Gräber als solcher nicht mr»glich war; die Arbeiter hoben eben nur die- jenigen Fundgegenstände auf, welche ihnen wegen ihres Materiales oder ihres Erhaltungszustandes der Aufbewahrung wert erschienen. So konnten wenigstens von den in den Gräbern gefundenen Totenbeigaben folgende gerettet und durch Herrn Oberstabsarzt Dr. Kuthe für das städtische historische Museum in Frank- furt a. M. erworben werden:

1. Thonurne (Inventar-Nummer X. 14,717) aus rötlichem Thon, schwarz gefärbt, mit breiter Öffnung und kantigem, rauhwandigem Bauche. Die obere Hälfte des Bauches (über der Kante) ist quer geriefelt. In der Mitte des Bodens wie es scheint, nicht zufällig ein Loch. Un- versehrt erhalten.

Höhe: 0,180 m. 0. Dm. (= oberer Durchmesser): 0,115 m. Vgl. für die Form Koenen, Gefiisskunde der vorrümischen, rümischen und fränkiscliea Zeit (Bonn 1895), Tafel XX, 5 und Text S. 132.

2. Thonkrug (Inv.-No. X. 14,718), bauchig nach oben, von grobem, röt- lichem Thon mit kurzem, engem Halse, an welchem der gekehlte, breite Henkel sitzt; auf die Mündung ist ein Ring in Form eines niedrigen Cylinders plastisch aufgesetzt. Unversehrt erhalten.

Höhe: 0,210 m. 0. Dm.: 0,045 m.

Vgl. für die Form Koenen, Tafel XVII, 13; unser Gofliss ist nach oben zu bauchiger.

3. Thonkrüglein (Inv.-Xo. X. 14,719), bauchig nach oben, aus grobem, rötlichem Thon mit gekehltem, breitem Henkel. Unversehrt erhalten.

Höhe: 0,120 m. 0. Dm.: 0,0(50 m.

Vgl. für die Furni Koeuen, Tafel XXI, 10''; der obere Teil des liefässes entspricht der Abbiblung zienilicii genau, jedenfalls ist dasselbe spätmerovingisch, du sein Profil an die karoliiigischen erinnert.

'i Der I'ericht als solcher ist nach <len Notizen des Herrn Dr. Kuthe, die Beschreibung der einzeljien (JeLreustiuide nach ei''enen Aufnahmen bearbeitet.

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4. Lanzenspitze (Inv.-No. X. 15,245) aus Eisen, lanzettförmig, gross und breit, ohne Mittelrippe, mit erhaltener Schafttülle.

Gesamtlänge: 0,315 m. Tüllenlänge: 0,110 m. Grösste Blatt- breite: 0,050 rn.

Vgl. für die Form Lindenschmit, Das römisch-germanische Contralniusoum (Mainz 1889J, Tafel XIII, 11 (doch ist das Blatt des vorliegenden Kxemplares ver- hältnismässig etwas breiterj.

5. Skramasax (Inv.-No. X. 14,716) mit erhaltenen Resten des Holzgriflfes am Eisenkern.

Gesamtlänge: 0,480 ra. Länge des Griffzapfens: ca. 0,110 m. Grösste Breite: 0,050 m.

6. Schlüssel (Inv.-Xo. X. 14,720) aus Eisen, mit gezahntem, quadratischem (2V2 cm Seitenlänge) Barte und rautenförmigem Griff, dessen Eud.spitze sich in einen kleinen, flachen Zapfen fortsetzt. Es ist kein Hohl-, doch auch kein eigentlicher Dornschlüssel, indem der Dorn nicht vorsteht, sondern in der Fläche des Bartes liegt.

Die Schlüssel mit dieser Griffform haben lange als nicht antik, sondern früh- mittelalterlich gegolten, da sie in dieser Zeit zahlreich vorkommen. Heute steht durch mehrere Funde fest, dass sie sogar in römische Zeit zurückgehen; vgl. z. B. L. Jacobi: Das Kümerkastell Saalburg (Homburg v. d. Höhe 1897), S. 477, Text- figur 76, No. 31. Wir haben hier also den nicht häufigen Fall einer Vererbung römischer Formen auf den früukischen Kulturkreis. Ein noch eklatanteres Beispiel dafür bietet der römische Schlüssel, Jacobi a. a. 0., Xo. 42; ilin würde ohne die authentischen Fundumstände ge\viss niemand für römisch halten, denn er trägt durch- aus fränkisches Gepräge und findet sich auch öfters in fränkischen Gräbern; und doch ist der Typus ursprünglich römisch, allerdings wohl spätrömisch.

Von den Fundstücken 4 6 konnte durch Nachfragen bei den Arbeitern wenigstens noch festgestellt werden, dass sie in einem Grabe zusammenlagen.

1893 uud 1894.

Die Fortsetzung der FundamentierunErsarbeiten für weitere die auf dem Plane mit FG bezeichneten Neubauten führte in diesen Jahren zur Auf- deckung neuer Gräber; dieselben wurden von den Arbeitern in ähnlicher Weise behandelt wie die früheren und waren infolge dessen nicht mehr zu lokalisieren mit Ausnahme des mit einem Punkt bezeichneten Grabes, welches nach Aus- sage des Maurermeisters Noll zur Hälfte unter dem Neubaue ö, zur Hälfte in der Feldbergstrasse lag und nach Ausweis des mitgefundenen im Folgenden unter No. 12 beschriebenen Perlenschmuckes eine Frauenleiche barg.

Im übrigen war nur noch festzustellen, dass bei den Erdarbeiten für den Neubau F drei, bei denjenigen für den Neubau G sechs Gräber zu Tage ge- kommen waren.

Diese neun Gräber zusammen enthielten folgende, durch Vermittlung des Herrn Dr. Kuthe ebenfalls in den Besitz des Frankfurter Museums gekommene Gegenstände:

1. Schädelfragment (Inv.-No. X. 15,891); Nasenbein, Ober- und Unter- kiefer fehlen.

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2. Schädeldecke (Inv.-No. X. 15,892) und Teil des Hinterhauptes mit ausgesprochener Dolichokephalie.

3. Thonurne (Inv.-No. X, 15,866") aus grauem, geschwärztem Thone von der gewöhnlichen Form mit kantigem Bauch. Die Verzierung der oberen Hälfte desselben besteht in paarweise übereinander in schräger Richtung eingedrückten Rechteckchen mit Gitterwerk; darüber feine umlaufende Riefelung. Nur zu Dreivierteln erhalten.

Höhe: 0,170 m. 0. Dm.: 0,175 m.

4. Zwei Fragmente einer Thonurne (Inv.-No. X. 15,870) aus demselben Material und von ähnlicher Form, doch ist die obere Hälfte des Bauches mit umlaufenden Rillenbändern verziert.

5. Drei Fragmente eines rundbauchigen Thontopfes (Inv.-No. X. 15,871) aus feingeschlämmtem, weisslichgrauem, aussen mit einer gelblichen Schicht überzogenem Thon; auf letztere sind rohe braunrote Ver- zierungen, ähnlich Achter- und Bretzelformen, mit breitem Pinsel auf- getragen. Dünne Wandung, hartgebrannt.

Die Technik dieses Gefässes, die Art der Bemalung ist bekannt für die spät- rüniische Zeit, besonders aus den spütrümischen Tüpfereien im Spicher Walde bei Trier (vgl. Koenen, Gefässkunde 8. 95 u. 109), von deren Erzeugnissen auch das Frankfurter Museum einige Fragmente (Inv.-No. X. 5821) besitzt. Dieselben sind nur aus gröberem Thon und dickwandiger hergestellt; doch findet sich auch hier der dünne gelbliche Überzug mit feinerem Thon auf beiden Seiten und die gleiche etwas klecksige üemalung.

Ahnlich und aus gleicher Zeit (3. 4. Jahrh. n. Chr.) ist ein kleines schalen- artiges Tlioiigefä:^s (0,065 m hoch, oberer Durchmesser 0,13 m), ebenfalls im Besitze des Frankfurter Museums (Inv.-Xo. X. 16,364). Es ist in Köln zusammen mit rö- mischen Gegenständen gefunden und römischer Provenienz; gerade in Köln und am Xiederrhein kommt diese geringe, hartgebrannte und nur roh mit einigen braun- roten, breiten Pinselstrichen bemalte "Ware häufiger vor.

.Sie geht hinüber in die fränkische Zeit (vgl. Koenen, S. 109) und auch in das frühe Mittelalter; bereits die erwähnte kleine Schale zeigt die ersten Anfänge der ^AVellenplatte", eins der charakteristischen Kennzeichen der karolingischen Keramik.

6. Thonkanne (Inv.-No. X. 15,867), dickwandig, aus grobem, rauhem, rotgelbem Thon mit breitem, gekehltem Bandheukel und zusammen- gekniffenem Ausguss. Schönes, intaktes Stück.

Höhe: 0,230 m.

Die Form ähnlich Koenen, Tafel XVII, 10. Zusammengekniffene Mündung zur Erleichterung des Ausgiessens schon zu I]nde des 4. Jahrhunderts an unter- italischen Gelassen, z. B. Lindensch mit, Altertümer unserer heidnischen Vorzeit, Heft VII, Tafel I, Xo. 5 (aus Straubing in Xiederbayern).

7. Hals und Mündung einer ähnlichen Thonkanne (Inv.-No. X. 15,872) aus grauem, aussen geschwärztem Thon.

8. Kleines, bauchiges Thonkrüglein (Inv.-No. X. 15,868), dickwandig, aus grobem, rauhem, gelblichem Thon von sehr roher Arbeit. Gekehlter Bandhenkel. Der Rand der runden MünduDg ist zum Teil ausgebrochen.

Höhe: 0,130 m. 0. Dm.: 0,070 m.

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Der obere Teil dos Gefiisses eiitspriclit etwa Koenen, Tafel XXI, lO*"* jedenfalls gehurt dasselbe schon der spiitmerovingischen Zeit an, du sein l'roHl be- reits an die karolingischen erinnert.

9. Miniaturtöpfchen (Inv.-No. X. 15,877), lose gebacken, aus grobem, schwarzem Thon mit leichter Bauchwölbun": und "^erinsrer Einschnürun" unterhalb der Münduug. Der Bauch ist durch rohe, paarweise ein- geritzte, senkrechte und schräge Strichornamente verziert.

Höhe: 0,048m. 0. Dm. 0,035 m.

Wir haben es bei diesem Miuiaturstückchen otfenbar nur mit der Spielerei eines Thonarbeiters zu thun.

10. Thongewicht (Inv.-No. X. 15,869) aus hellgelbem Thon, zu einer Art ungleich vierseitiger Pyramide roh geformt und schwach gebrannt; an der Spitze ein quer durchgehendes Loch.

Höhe: 0,140 m. Breite der Standfläche: ca. 0,08—0,09 m. Durch- messer des Loches: 0,02 m.

Über diese ., Garnbeiaster'" oder „Zeddelstrecker", welche dazu dienten, bei dem "Webstuhl die von dem oberen Querbalken senkrecht herabhängenden Fäden gespannt und stramm zu halten, um den (^uereiuschlag durchzulassen, ist der treffliche Auf- satz F. Ritschis in den „Jahrbüchern des Vereins von Alterturasfreunden im Rhein- lande", Heft 41 (Bonn 1866), S. 9—24 zu vergleichen. Dargestellt sind solche Be- achwerer z. B. auf der bekannten, dem 5. Jahrhundert v. Chr. angehörenden attischen Vase Monumenti dell' Inst. arch. di Roma IX, 42; sie sind in grosser Anzahl er- halten und auch das Frankfurter Museum besitzt ausser dem besprochenen Exemplar noch zwei solche römische eins aus Xied, in der Form dem Sindlinger ähn- lich (Inv.-Xo. X. 16,2551, und eins aus dem alten Bestände der Stadtbibliothek (Inv.-No. X. 6344) unbekannten Fundorts, kegelförmig und sorgfältiger gearbeitet und gebrannt, als bei diesen Webergewichten Regel ist. Vgl. auch Conze: Jahrbücher des Vereins von Altertumsfreunden im Rheinlande, Heft 43 (Bonn 1867), S. 209 und Tafel IX (griechische und römische Exemplare). In den Schweizer Pfahlbauten sind solche Thonpyramidchen mit anhaftenden Resten gewebter Zeuge gefunden.

11. Thonwirtel (Inv.-No. X. 15,879), schwarz, von der Form eines Thon- gefässes der gewöhnlichen Art mit kantigem Bauch, oben trichterartig eingetieft.

Höhe: 0,017 m. Durchmesser der Bauchkante: 0,025 m. Oberer Durchmesser: 0,02 m.

12. Siebzehn Thonperlen (Inv.-No. X. 15,878), gebrannt, von verschiedenen Farben (dunkelbraun, gelb, orangegelb, grau, gelb mit roten Tupfen und rot mit gelben Tupfen etc.) und Grössen (auch Doppelperlen); darunter eine grössere, geriefelte (römische ?) Perle aus grauem Thon.

13. Schildbuckel (Inv.-No. X. 15,884) aus Eisen, oben mit Knopf; der stark fragmentierte Rand mit rundköpfigen Bronzenägeln. Aus zwei Stücken zusammengesetzt. Form: Auf niedrigem, 3 cm hohem Cylinder-Kegel.

Höhe mit Knopf: 0,110 m. Höhe ohne Knopf: 0,090 m. Dm. inkl. Rand: 0,180 m. Randbreite: 0,030 m.

14. Fragment (Mittelstück mit den beiden Seitenlappen) eines eisernen Schildgriffes (Inv.-No. X. 15,885), innen mit Holzresten,

Länge: 0,090 m.

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15. ^yu^f:^xt, Franciska (Inv.-Xo. X. 15,882) von geschweifter Form und mit Loch für den Holzschaft.

Länge: 0,190 m. Länge der Schneide: 0,095 m.

Vgl. für die Form Lindenschmit, Centralmuseum, Tafel XIV, 5 u. 6.

16. Streitaxt (Inv.-No. X. 15,883) in Form einer Zimmermannsaxt.

Länge: 0,105 m. Länge der Schneide: 0,120 m. Vgl. Lindenschmit, Centralmuseum, Tafel XIV, 4.

17. Unterer Teil einer eisernen Lanzenspitze (Inv.-No. X. 15,887) mit eingeschlitzter Tülle, worin noch der abgebrochene Holzschaft steckt. Die Tülle läuft erst durch Vermittlung einer langen Rundstange in das (jetzt fehlende) Blatt aus, sodass anfangs in dem Gegenstand der untere Teil eines Angon erblickt wurde.

Länge: 0,275 m.

18. Grosse eiserne Lanzenspitze (Inv.-Xo. X. 15,886) mit Tülle, lanzett- förmig, sehr lang und sehr schmal; das Blatt ist nicht flach, sondern hat in der Mitte eine Längskante („Kielkante"). In der Tülle Reste des Holzschaftes.

Gesamtlänge: 0,355 m. Tüllenlänge: 0,160 m. Grösste Blatt- breite: 0,030 m. Ähnlich Lindenschmit, Centralmuseum, Tafel XIII, 12, doch Blatt ver- hältnismässig noch schmäler.

19. Blatt (lanzettförmig) einer eisernen Lanzenspitze (luv.-No. X. 15,888); die Tülle fehlt.

Länge: 0,255 m. Grösste Blattbreite: 0,040 m. Ähnlich Lindenschmit, Centralmuseum, Tafel XIII, 6.

20. Eiserne Pfeilspitze (Inv.-No. X. 15,889) mit Tülle, rautenförmig.

Gesamtlänge: 0,110 m. Tüllenlänge: 0,045 m. Grösste Blatt- breite: 0,020 m.

Vgl. für die Form etwa Lindenschmit, Centralmuseum, Tafel XIII, 41.

21. Oberes Stück einer eisernen Pfeilspitze (Inv.-No. X. 15,890) mit Tülle; das Blatt fehlt.

Länge : 0,080 ra.

Ähnlich Lindenschmit, Centralmuseum, Tafel XIII, '.12 (ohne Blatt, nur spitz zulaufend).

22. Zwei grosse Scheibenfibeln (Inv.-No. X. 15,873""''), bestehend aus je zwei aufeinander genieteten runden Metallplatten. Die obere dieser Platten besteht aus silber- und goldtausehiertem Eisen, die untere aus Bronze; die Verbindung beider wurde durch fünf rundköpfige Bronze- nieten (vier in Quadratstellung und eine in der Mitte) bewerkstelligt, von denen 4 erhalten sind. Die Bronzeplatte trägt die eiserne Spiral- nadel und Sicherung, sowie bei « noch zwei kleine Ösen. Bei b ist an der Bronzeplatte ein Stück eines Gewebes, wie es scheint Leinen- zeug, angerostet. Beide Fibeln sind in Grösse, Form und Technik ziemlich gleichartig; die eine ist uumerklioii kleiner und dünner als

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die andere und weicht in der Ornamentiorung etwas ab, die im all- gemeinen bei beiden aus konzentrischen Flechtbändern, Stubringen, Polygonreihen etc. besteht. Dm. : 0,0(j5 m.

23. Kleinere Scheibenfibel (Inv.-No. X. 15,874), bestehend aus einem in Ornamenten gepressten runden Bronzeblech. Das Rund ist durch ein mit Perlstäbchen verziertes gleicharmiges Kreuz in vier Felder ge- teilt, welche mit verschlungenem Bandornament ausgefüllt sind. Die Randverzierung bildet ein umlaufendes Perlstabornament. Die Unter- seite der Fibel, worauf der Rest eines Gewebes, anscheinend Leinen- zeug, angerostet ist, trägt die eiserne Nadel.

Dm.: 0,040 m.

24. Kleine Scheibenfibel (Inv.-No. X. 15,875) aus rundem Bronzcblech mit stehendem Rande; die von demselben eingefasste Vertiefung war mit einer die Verzierung enthaltenden Masse ausgefüllt. Die Nadel auf der Rückseite der Fibel besteht aus Eisen.

Dm.: 0,035 m.

25. Bronzering (Inv.-No. X. 15,876) auf der einen Seite mit zwei (durch den Gebrauch?) ausgeriebenen Einbuchtungen nebeneinander.

Dm.: 0,067—0,068 m.

26. Knochenkaram (Inv.-No. X. 15,881), doppelseitig, mit gewölbtem, durch Einkerbungen (in Stäbchenform beiderseits am Rande) verziertem und mit Eisennieten befestigtem Mittelstück.

Länge: 0,120 m. Breite: 0,035 m.

Dieser Knochenkamm ist angeblich mit einem der beiden unter No. 1 und 2 beschriebenen Schädelfragmente aus demselben Grabe gehoben wortlen; ferner wurden nach Aussage des Maurermeisters Noll und seiner Arbeiter zu- gleich mit den im Vorstehenden unter No. 1 26 aufgeführten Gegenständen noch folgende gefunden:

27. Ein vollständig erhaltenes, angeblich schön bemaltes Thongefäss.

28. Ein etwa 9 cm langer, deckelloser Köcher aus Eisengitterwerk mit sechs zusammengerosteten Pfeilspitzen.

Leider wurden diese beiden interessanten Stücke an einen nicht mehr ausfindig zu machenden Händler verkauft und sind somit verloren; die Crne acheint der Beschreibung nach eins jener schönen Plügelgrabgefässe gewesen zu sein, welche rot, gelb etc. bemalt sind (z. B. Lindenschmit, Altertümer unserer heidnischen Vorzeit IV, 44 und 50 etc.). Das Vorkommen von Hügel- grabbeigaben in merovingischen Gräbern ist ja an sich nicht auffallend; wir werden dergleichen auch im Verlauf unserer Untersuchungen noch mehrmals zu konstatieren haben.

Der vermeintliche Köcher ist wahrscheinlich nur das Eisengerippe oder auch nur der eiserne Verschluss (nur 9 cm Länge angeblich!) eines solchen gewesen, der aus Fell oder Leder bestanden haben mag und im Erdreich ver- modert war. Aber auch dann ist dieser Fall deswegen sehr bemerkenswert,

16

weil das Vorkommen von Küchern (und Bügen) in alemannischen und fränkischen Gräbern zu den grössten Seltenheiten gehört, so zwar, dass man früher die Behauptung aufstellen konnte, diese germanischen Stämme hätten solche Be- waffnung überhaupt nicht geführt. (Vgl. Schaaffhausen: Über germanische Grabstätten am Rhein, Bonner Jahrbücher Heft 44 [1868], S. 93)

1895—1897.

Ausgrabungea unter Leitung des Herrn Oberstabsarzt Dr. Kuthe (1895J und nachträgliche

Funde (1896 und 1897).

Grab 1: Das Grab war ein Doppelgrab und enthielt in einer Tiefe von 1,50 m zwei sehr verwitterte Skelette, deren Schädel im Westen lagen. Der des mehr südlich gelegenen Skeletts war äusserst dickknochig und wohl einem Manne, der des nördlichen sehi- dünnwandig und wohl einer Frau angehörig. In der Mitte des Doppelgrabes fanden sich, etwa 1,25 m tief:

a) Kleines Thonkännchen (Inv.-No. X. 16,796) aus grauschwarzem Thon, von bauchiger Form, mit zusammengekniffenem, fragmentiertem Aus- guss und gekehltem Bandhenkel; auf dem Bauche oben umlaufend eine fünffache Rillenreihe. Grobe Arbeit. Gut erhalten.

Höhe: 0,145 m.

Vgl. für die Form Koenea, Tafel XX, 23.

b) Fünf ziemlich grosse Fragmente einer Thonurne (Inv.-No. X. 16,794) aus grauem, geschwärztem Thon, mit kantiger Bauchung und vier Reihen umlaufender Gitterverzierung in der oberen Hälfte des Bauches.

Neben dem weiblichen Schädel, in gleicher Tiefe mit ihm lag:

c) Kleines, gerades, spitz zulaufendes Eisenmesser (Inv.-No. X. 16,798) mit langem Griffzapfen.

Gesamtlänge: 0,155 m. Länge des Griffzapfens: 0,055 m. Breite:

. 0,015— 0,020 cm.

Vgl. für die Form Jacobi, Saalburgkastell, Tafel XXXVII, 18.

Grab 2: In einer Tiefe von 1,50 ra enthielt das Grab Skelettknochen ohne Schädel; in der Längsachse fand sich:

a) Eine Thonurne (Inv.-No. X. 16,793) aus grauem Thon, gross, von ruudbauchiger Form, mit aufgesetztem Röhrenausguss (mit eingekniffener, dreiblattähnlicher Mündung) und gegenüber breitem, gekehltem Band- henkel. Um den Bauch umlaufend zwei Reihen, von je drei und vier Rillen übereinander. Aus Scherben zusammengesetzt (einige fehlen). Höhe: 0,190 m. 0. Dm.: 0,140 m.

Vgl. für die Form Koenen, Tafel XX, 6; die Randform entspricht mehr ibid. 3.

Grab 3: In 1,50 m Tiefe wurden stark verwitterte Skelettknochcn bloss- gelegt, der Schädel war total zerfallen; unterhalb des letzteren lagen:

a) Vier kleine Bruchstücke von zwei Thongefässeu (Inv.-No. X. 16,795) aus grauem (auch aussen hellgrauem) Thon, das eine davon mit sehr starker, grober Wandung; beide ohne jede Verzierung, da Bodenstücke.

17

In der Brustgegend fanden sich:

b) Zwei eiserne Gürtelschnallen (Inv.-No. X, 16,800' "• ''), eine grosse und eine kleine. Die erste besteht aus länglicher, oben abgerundeter Platte mit drei Messingnieten und aus elliptischem Schnallenring mit einem Dorn (Messing), der nach der Platte zu in einen Schaufelansatz auswächst; die zweite Schnalle besteht aus fast runder, ebenfalls mit drei Messingnieten versehener Platte und rechteckigem Schnallenteil, der Dorn fehlt.

Länge a: 0,090 m; Länge b: 0,055 m.

c) Kleine Bronzefibel (Inv.-No. X. 16,803"^) in Säulenform. Zwischen zwei, auf der Frontseite oben und unten mit zwei Rillen verzierten Würfelchen eine kleine schwellende Säule. An einem der Würfelchen ein Eisenhäkchen als Lager für die jetzt fehlende (ebenfalls eiserne) Nadel.

Länge: 0,02 m. Breite und Dicke je 0,005 m.

Des weiteren lagen im Grabe zerstreut:

d) Zwei eiserne Pfeilspitzen (Inv.-No. X. 16,799*"'''), die eine ganz schmal, lanzett-, die andere rautenförmig ; beide mit Tüllen und Resten des Holzschaftes.

Länge: je 0,090 m. Grösste Blattbreite a: 0,015 m; b: 0,025 m. Vgl. für die Formen Lindenachmit, Centralmuseum, Tafel XIII, 12 u. 16.

e) Zwei Eisenringe (Inv.-No, X. 16,801'"'''), ein grösserer und ein kleinerer.

Dm.: 0,050 und 0,035 m.

f) Mehrere unbestimmbare Eisenfragmente (Inv.-No. X. 16,802), etwa 20 Stück, worunter bemerkenswert zwei mit angerostetem grobem Kordelgeflecht.

g) Zwei Bronzeknöpfe (Inv.-No. X. 16,803' "• "), lädiert. Stiel fehlt.

h) Elliptischer Schnallenring (Inv.-No. X. 16,803') eines kleinen Bronze- schnällchens mit Dorn ohne Schaufelansatz. Länge: 0,02 m. Breite: 0,01 m.

Grab 4: Hier fanden sich keine Knochen mehr vor, sondern nur noch die folgenden Beigaben:

a) Yier Fragmente eines doppelseitigen Knochenkammes (Inv.-No. X. 16,805'-'^) mit beiderseitiger, aufzuklappender Schutzhülse, die durch eingedrehte grössere und kleinere, doppelte und dreifache Kreise ver- ziert ist. Die Mittelleiste war, wie ein erhaltener Rest zeigt, durch eingeritzte, ins Dreieck gestellte Parallelstriche verziert und gleich der Kammscheide mit Eisennieten befestigt.

Länge: 0,125 m. Breite ohne Scheide: 0,045 m. Breite mit Scheide: 0,055 m.

b) Zwei Stückchen Feuerstein (Inv.-No. 16,804'"'").

Grab 5: Das Grab barg in 1 m Tiefe Arm-, Bein- und Beckenknochon, während der Schädel zerfallen war; l'/j m tief fanden sich folgende Beigaben:

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a) Eiserner Schildbuekel (Inv.-No. X. 16,797) der gewöhnlichen Form. Knopfloser Kegel auf flachem, 2 cm hohem Cylinder, dessen Wände etwas schräg nach innen aufsteigen, mit den fünf eisernen Befestigungs- nägeln und der Handhabe (in zwei Stücken). Yon letzterer ist das Mittelstück mit den seitlichen Lappen- und Holzredten nebst einem rautenförmig abschliessenden Endstück erhalten. Daraus (26 cm lang) berechnet sich die ursprüngliche Gesamtlänge des Griffes auf etwa 40 cm.

Höhe: 0,075 m. Dm. inkl. Rand: 0,180 m. Randbreite: 0,030 m.

b) Kleine, bronzene Knaufbekrönung eines Schwertes oder Dolches (Inv.-No. X. 16,803').

Länge: 0,035 m.

Diese Knaufkronen, welche den Eisenkern des Holz- oder Beingritfes der Schwerter und Dolche oben abschliessen, sind im Verhältnis zu deren Länge und Grösse oft ausserordentlich klein; vgl. z. B. Lindensch mit, Altertümer unserer heidnischen Vorzeit, Bd. I, Heft VI, Tafel VII. No. 1 und Lindenschmit, Central- museum, Tafel XII, 1, 2, 7, 8 etc.

c) Plattierte römische Silbermünze (Inv.-No. X. 16,808) des Macrinus aus dem Jahre 217 n. Chr. Cohen, Medailles imperiales, 2. Auflage, III, 294, 147. Nur zu Dreivierteln erhalten.

d) Sechs Bruchstücke eines doppelseitigen Knochenkamraes (Inv.-No. X. 16,806'"'), welcher behufs Aufnahme (Eisennieten) der jetzt fehlenden Mittelleiste viermal durchlocht ist.

Länge: ca. 0,075 m.

Grab 6: Nachträglich von Arbeitern des Maurermeisters Noll blossgelegt; die Funde gelangten in die Sammlung des Altertumsvereines zu Höchst a. M., lassen sich daselbst aber leider nicht mehr identifizieren, da es seiner Zeit offenbar unmöglich war, näheres über die Fundurastände zu erfahren oder die Funde wenigstens einigermassen zu lokalisieren. Die in der genannten Sammlung aufbewahrten, aus Sindlingen stammenden Gegenstände tragen infolgedessen und zwar sämtlich, auch der Inhalt der anderen Gräber nur den all- gemeinen Frovenienzvermerk „Sindlingen". Vgl. die am Schlüsse des Fund- berichtes gegebene Zusammenstellung.

Grab 7: Bereits in einer Tiefe von 0,85 m stiess man auf ein Skelett und darunter, 1,40 m tief, auf ein zweites mit erhaltenem Schädel; zwischen den Knochen des zweiten Skeletts lag:

a) Fragmentierter, doppelseitiger Knochenkamra (Inv.-No. X. 16,890); die Mittelleiste, durch sechs Eiseunieten befestigt, ist beiderseits am Rande durch je ein längslaufendes Rillenband verziert. Die Breitseiten leicht geschweift.

Länge: 0,125 m. Breite: 0,055 m.

Grab 8: Dieses Grab war von allen bisher in Sindlins:en aufs-edeckten das reichhaltigste und das tiefste; 1,80 m unter dem Erdreich lag das Skelett, während sich 0,015 m tiefer, unmittelbar auf der Kiesschicht, folgende Bei- gaben fanden;

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a) Yollständig erhaltenes Hundeskelett (Iqv.-No. X. 16,903) mit Schädel. Es rührt von einer grösseren Race und zwar nach Feststellung durch Herrn Forstmeister Rurig hierselbst von einer Art Hühnerhund her. Von dem Schädel ist das Nasenbein stark verletzt.

Schädellänge (gemessen über den Grat der Schädeloberfläche): ca. 0,20 m.

Beinläoge (inkl. Pfote): ca. 0,40 ra.

b) Prähistorischer Thonkumpen (Iqv.-No. X. 16,891) aus grauem, ge- schwärztem Thon, flach, fast randlos, mit vorspringender kantiger Bauchung in etwa 0,025 0,030 m Hohe vom Boden aus. Die obere Ausseii- fläche durch sechs umlaufende Rillen verziert.

Höhe: 0,075 m. 0. Dm. 0,130 m.

Das Gefäss wie besonders aus der Behandlung des Randes deutlich wird ohne Drehscheibe, aus der Hand geformt, ist fusslos, nur mit schmaler Abplattung als Standfläche versehen und aussen glatt poliert. Die Verzierung scheint mittels eines spitzen Instrumentes aus freier Hand in den feuchten Thon eingestrichen. Die Form des Kümpchens ist genau bei Koenen, Gefässkunde, nicht abgebildet, ent- spricht aber etwa Tafel VII, 8 daselbst, wenn man sich die Doppelteilung der oberen Hälfte weg, sowie diese niedriger und steilwandiger denkt. In der Technik entspricht es durchaus den Vasen, welche ein Hügelgrab im Frankfurter Stadtwald barg (vgl. Donner- V. Richter, Westd. Zeitschr. VIII, 1889, S. 255 261 und danach Koenen, S. 49). „Diese Gefässe sind aus einer schwarzen Erde geformt, welche mit weissem Quarzsande gemischt und von aussen schwarz poliert ist." Der Typus ist also als der ältere Hallstätter zu bezeichnen. Die kantige Bauchung bietet nichts Autfallen- des (vgl. Koenen, Taf. VI, 5 und X. 11,072, eines der erwähnten Frankfurter Gefässe).

c) Flache, runde, fusslose Glasschale (Inv.-No. X. 16,892), umgekehrt kegelförmig mit abgerundeter Spitze; weisses Glas; aus Stücken zu- sammengesetzt. Sie lag in dem Thonkumpen b.

Höhe: 0,040 m. Dm. 0,12 m.

Vgl. für die Form Lindenschmit, Centralmuseum, Tafel XV, 27.

d) Hoher Glaskelch (Inv.-No. X. 16,893) aus weisslichgrünem Glas, umgekehrt kegelförmig, nach unten in starker Verjüngung spitz zu- laufend. Oben umlaufend dichte Reliefquerrippen, unten aufsteigend lange aufgelegte Fäden, die im Bogen wieder nach unten zurückkehren, sodass jedesmal eine spitzovale Form entsteht. Rand leicht nach aussen umgeschlagen.

Höhe: 0,270 m. 0. Dm.: 0,092 m. Breite des Verzierungs- bandes aus Querrippen: 0,070 m.

Vgl. für die Form Lindenschmit, Centralmuseum, Tafel XV, 17, doch ist das vorliegende Exemplar fast doppelt so gross; ziemlich genau entspricht ihm der AViesbadener Kelch, Nass. Ann. Bd. 20 (1888), Tafel VII unten (Text S. 258).

e) f) Eiserner Schildbuckel (Inv.-No. X. 16,894) nebst Handhabe (Inv.- No. X. 16,899). Der Schildbuckel besteht aus flachem Cylinder (knapp 2 cm hoch) mit Kegel darüber. Dessen Spitze läuft aus in einen kleinen,

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silbervergoldeten Knopf, der durch eine dreifache, ebenfalls silberver- goldete Zunge mit drei Nieten im Buckel befestigt ist. Von der Hand- habe ist nur das Mittelstück mit den Seitenlappen und ein Endstück erhalten, in welchem noch eine ziemlich grosse, runde Niete steckt. Die Gesamtlänge des Griffes liisst sich danach nicht mehr feststellen ; Länge de8 Mittelstückes: 0,074 m, des Endstückes: 0,063 m.

Schildbuckel, Dm. (inkl. Rand): 0,170 m. Raudbreite: 0,025 m. Höhe (inkl. Knopf): 0,080 m. Höhe (ohne Knopf): 0,070 m.

Vgl. für die Art der Zungenbekrüming Lindenschmit, Centralmuseuni, Tafel XII, 12.

g) Streitaxt (Inv.-No. X. 16,901) in Form eines Zimmermannsbeiles; von der Schneide, die zum Schafte parallel läuft, fehlt ein Stück. Länge: 0,160 m. Breite der Schneide: 0,050 m. Vgl. für die Form Lindenschmit a. a. 0., Tafel XIV, 1.

h) Grosse eiserne Lanzenspitze (Inv.-No. X. 16,895) mit erhaltener Tülle; das Blatt ist von ziemlicher Breite; in der Tülle stecken noch Reste des Holzschaftes, auf ihr angerostet ist ein kleiner bronzener Beschlägnagel, wie deren neben dem Schildbuckel e. mehrere gefunden sind; vgl. unten m.

Gesamtlänge: 0,375 m. Tüllenlänge: 0,160 m. Grösste Blatt- breite: 0,055 m. Vgl. für die Form Lindenschmit, Centralrauseum, Tafel XIII, 21.

i) Eiserne Pfeilspitze (Inv.-No. X. 16,898) von rautenförmiger Gestalt. Länge: 0,095 m. Grösste Breite: 0,030 m. Die Form gleicht etwa Lindenschmit, Centralmuseum, Tafel XIII, 41.

k) Eiserne Trense (Inv.-No. X. 16,897), stark verrostet, bestehend aus zwei Querstäben, welche durch ein doppelgUedriges Zwischenstück mit- einander verbunden sind.

Länge: 0,16 0,17 m. Höbe der Querstäbe: 0,185 m. Vgl. Lindenschmit, Centralmuseum, Tafel XIV, 15 u. 16.

1) Sechs Eisenfragmente (Inv.-No. X. 16,900) unbestimmbaren Zweckes; vielleicht Reste eines Schildgriffes.

m) Achtzehn Bronzenieten (Inv.-No. X. 16,896) mit halbkugelförmigem Kopf, teils intakt, teils fragmentiert, nebst Resten eines Geflechtes, zu dessen Yernietung sie otFenbar dienten. Dabei eine kleine blaugrüne Glasperle.

n) Fragmente eines doppelseitigen Knochenkammes (Inv.-No. X. 16,902), dessen Mittelleiste mit Bronzenieten befestigt war; dabei ein kleines, rechteckiges Stück eines dünnen Bronzebeschlägs. Zu verwittert, um Maasse erkennen zu lassen.

Die Verteilung der Beigaben im Grabe zeigt die folgende kleine Skizze.

21

d

b c-

0 i *

Lage der Fundgegenstände in Grab 8:

n

o,so

0,30 f

/ e

■a

^

Grab 9: Tiefe: 1,40 m. Neben den Skelettknochen und Fragmenten des Schädels fanden sich :

a) Scherben (Inv.-No. X. 16,907) eines starken, dickwandigen Gefässes aus grauem Thou mit schwarzer Innenschicht.

b) Scherben (Inv.-No. X, 16,907)-) eines geschwärzten Thongefässes der gewöhnlichen Technik und Form mit kantiger Bauchung.

c) Kleine eiserne Speerspitze (Inv.-No. X. 16,904) rautenförmig, mit Tülle.

Gesamtlänge: 0,125 m. Tüllenläage: knapp 0,05 m. Grösste Blattbreite: 0,03 m.

d) Grosse braune Thonperle (Inv.-No. X. 16,905) mit linearen Ver-

zierungen hellgelb bemalt, geriefelt und durchlocht.

e) Zwei Stücke eines doppelseitigen Knochenkamm es (Inv.-No. X. 16,906), dessen Mittelleiste mit Eisennieten befestigt war.

Länge des grösseren Fragmentes: ca. 0,050 m. Gesamtlänge beider

Fragmente : ca. 0,080 cm. Breite wegen Verwitterung nicht mehr feststellbar.

Grab 10: Dieses Grab wurde in Abwesenheit des Leiters der Ausgra- bungen von Sandarbeitern blossgelegt, die Fundgegenstände sind daher un- bekannt wohin verschleppt und Einzelheiten über Tiefe, Fundumstände u. s. w. nicht mehr zu erfahren. Möglicherweise entstammen Teile der in das Museum des Altertumsvereins zu Höchst gelangten Fundobjekte aus dem Gräberfelde von Sindlingen eben diesem Grabe.

Grab 11: In 1,50 m Tiefe lagen das Skelett und folgende Beigaben: a) Eiserne Schere (Inv.-No. X. 16,908) der gewöhnlichen Form ; an ihr angerostet ein kleines geschweiftes Eisenmesserchen mit erhaltenen

-| Hegenstilude, welche die gLnche Iiiventarnuianier tuliren, liegen im Frankfurter Museum ia einem Küätchen zusammen.

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Spuren des Holzgriffes. Das Eade des Griffzapfens biegt nach unten hakenförmig im rechten Winkel um.

Länge der Schere: 0,205 m. Länge des Messerchens: 0,105 m. Grösste Breite des Messerchens: 0,015 m.

Vgl. für die Form des Messerchens Jacobi, Saalburgkastell, Tafel XXXYII, No. 26.

b) Kleines rechteckiges Eisenfragment (Inv.-No. X. 16^909), worauf Kordelgetlecht inkrustiert ist; durch das Ganze geht eine kräftige Bronze- niete mit halbkugelförraigem, grossem Kopf; rechts davon, von dem Netzwerk übersponnen, befindet sich offenbar eine zweite ebensolche Niete, wie aus der Unteransicht und oben aus der buckelformigen Er- höhung der betr. Stelle erkennbar ist.

Länge: 0,044 m. Breite: ca. 0,023 m.

c) Fragmente eines doppelseitigen Knochenkammes (Inv.-No. X. 16,910), die gewölbte Mittelleiste ist durch Eisennieten befestigt und am Rande beiderseits durch Kerbschnittstäbchen verziert. Ursprüngliche Maasse wegen Verwitterung nicht mehr feststellbar.

Grab 12: Das Grab zeigte dieselbe Tiefe wie das vorige; an Beigaben barg es nur:

a) Thonurne (Inv.-No. X. 16,911) aus grauem, aussen und innen ge- schwärztem Thon, mit kantiger Bauchung in der Mitte der Gefässhöhe; die obere Hälfte der Leibung ist durch zwei schmale Rillenbänder ver- ziert, zwischen welchen sich in umlaufender Reihe Gitterornaraente (senkrechte Gitterrechtecke) befinden. Aus Stücken, soweit möglich, zusammengesetzt; dicke Wandung, grobe Arbeit. Höhe: 0,150 m. 0. Dm.: 0,160 m.

Vgl. für die Form Koenen a. a. 0., Taf. XX, 3.

Grab 13: In einer Tiefe von 1,40 m lag, noch vollständig erhalten, das ganze Skelett; bei dem Ausheben indessen zerfiel es bis auf den durchaus intakt bleibenden Schädel, welcher dem Frankfurter historischen Museum (Inv.-No. X. 16,912) einverleibt wurde. Von Beigaben kamen zu Tage:

a) Heukelurne (Inv.-No. X. 16,913) aus grauem, geschwärztem Thon mit breitem, gekehltem Bandhenkel und diesem gegenüber röhrenförmigem Ausguss mit (zu einer offenen 8) zusammengekniffener Mündung. Das Gefäss ist rundbauchig, doch ist in der Mitte des Körpers ein kantiges, umlaufendes Relief band aufgelegt, sodass der Eindruck kantiger Bauchung hervorgerufen wird. Oberhalb derselben ein zweites und darüber, un- mittelbar unter dem Halse, ein drittes solches. Den Zwischenraum zwischen den unteren Streifen nehmen ringsum eingedrückte, radartige Rosetten ein, welche durch ebenfalls eingedrückte S-förmige Ornamente (mit Dreieckpunkt darüber) unterbrochen werden; mit der letzteren Ver- zierung allein ist die Fläche zwischen den oberen Streifen ausgefüllt. Nur zum Teil noch, aus grösseren Fragmenten, zusammensetzbar gewesen.

23

b) Fragment eines doppelseitigen Knoch onkammeg (Inv.-No. X. 16,014); die Mittelleiste ist mit Eisenuieten befestigt. Länge: knapp 0,04 m. Breite: 0,05 m.

Grab 14: Tiefe: 1,40 m. Ohne Beigaben, Kindergrab: Kleines Skelett ohne Schädel.

Grab 15: Tiefe: 1,50 m. Beigaben:

a) Fragment eines schalenartigen prähistorischen Thongefässes (Inv.-No. X. 16,920) aus feinem, hellbraunem Thon, der im Brande aussen dunkelbraun geworden ist. Ziemlich dicke Wandung; Oberfläche geglättet.

Länge des Fragmentes: ca. 0,08 m.

Das Fragment entspricht nach Form und Technik genau den im Frankfurter Museum befindlichen Thongetassen der Dief fenb ach'schen Ausgrabungen in Nau- heim, welche nicht auf der Drehscheibe gearbeitet und mit einer leicht eingebuchteten, hohlen Standfläche versehen sind (z. B. durchaus dem Bruchstück Inv.-Xo. X. 12,858'' u. 8. w.). Das Profil des stark eingezogenen Randstückes, sein Thon, der innen ziemlich grob (schwarzgrau), beiderseits aber mit einer feineren dünnen, gelblichen Schicht überzogen ist und endlich die Farbe und äussere Grlätte, alles dies zeigt unverkennbare Übereinstimmung mit den Xauheimer Funden. Offenbar also rührt das Randstück von einem Gefäss der älteren La Tene-Periode her von der Form, wie sie Koenen, Tafel YII, 6 (Text S. 59), abbildet.

b) Stück eines, wie es scheint, gleichfalls prähistorischen Thon- gefässes (Inv.-No. X. 16,916; ältere Hallstattzeit?) aus grobem, bräun- lich-grauem Thon, von dicker Wandung, die innen stark geschwärzt ist.

c) Scherbe (Inv.-No. X. 16,920) eines Thongefässes, wahrscheinlich einer Kanne, aus grobem, grauem Thon. Derselbe ist innen leicht geschwärzt, aussen im (scharfen) Brande dunkelrötlich geworden. Ver- hältnismässig dünnwandig.

d) Scherben (Inv.-No. X. 16,918) eines bauchkantigen Thongefässes aus graugelbem, innen und aussen geschwärztem Thon. Verzierung durch zwei übereinander umlaufende Reihen eng gestellter Gitterrechtecke.

e) Bodenstücke (daher ohne Ornamente) eines dickwandigen Thongefässes (Inv.-No. X. 16,919) aus grobem, graugelbem, beiderseits leicht ge- schwärztem Thon.

f) Fragmente einer ca. 0,29 ra hohen, rundbauchigen Thonurne (Inv.- No. X. 16,915) mit umgeschlagenem, wulstigem Rande. Das obere Drittel des Gefässbauches ist aussen mit eingerieften, wellenartigen, umlaufenden Ornamenten zwischen je einer ebenfalls umlaufenden Rille verziert. Sehr grober, graugelber Thon, scharf gebrannt. Die dünne Wandung innen thonfarbig, aussen geschwärzt. Die Wellenverzierung ist offenbar mittels eines dreizahnigen Holzinstrumentes, ähnlich dem „Dämpfer" der Violine, in den feuchten Thon eingestrichen, sodass in der Mitte stets zwei Reliefliuien zwischen den Rillen stehen bleiben.

Vgl. für die Form etwa Koenen, Tafel XIX, 1,

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g) Holz- und Eisenfragraente (lav.-No. X. 16,916); darunter Bruch- stück eines geraden, ca. 0,035 m breiten Messerchens mit leicht ge- schweiftem Rücken und erhaltenem Rest des Griffzapfens. Gesamtlänge: ca. 0,10 m.

h) Zwei Bronzeringe (Inv.-Xo. X. 16,916), nicht geschlossen. Dm,: 0,03 und 0,045—0,050 m.

i) Kleiner Rest eines dünnen, gewölbten Bronzebeschlägs (Inv.-No. X. 16,916).

k) Drei Thonperlen (Inv.-No. X. 16,916), eine halbe hellgelb; eine graue, braun gesprenkelt und geriefelt und eine ebensolche Doppelperle.

1) Fragmentierter, doppelseitiger Knochenkamm (Inv.-No. X. 16,917); die gewölbte, am Rande beiderseits mit Kerbschnittstäbchen verzierte Mittelleiste ist durch Eisennieten befestigt.

Länge des Erhaltenen: 0,095 m. Breite: 0,050 m.

m) Stückchen eines schwarzen Feuersteines (Inv.-No. X. 16,917); fast rund, von etwa 0,02 m Durchmesser.

Grab 16: 1,40 m unter der Bodenoberfläche war das Skelett gebettet; neben ihm fanden sich Eisenreste, sowie:

a) Riemenzunge (Inv.-No. X. 16,721) von Bronze, oben mit einer Niete; in das dünne Blech ist diese Verzierung l") zweimal übereinander in der Längsrichtung eingepresst; die Rückseite ist glatt. In der Zunge steckt noch ein Rest des Stoffkernes, wie es scheint, eine Art Hanf- gewebe, jedenfalls aber kein Leder.

Länge: 0,035 m. Breite: 0,015 m.

Etwa 0,10 m tiefer lagen:

b) Scherben einer bauchkantigen Thonurne (Inv.-No. X. 16,921) au8 grobem, braungrauem Thon, der innen leicht, aussen stark geschwärzt ist. Erhalten das dickwandige Bodenstück und obere Bauchteile; letztere mit zwei übereinander umlaufenden "Waffelbändern verziert.

Vgl. für die Form Koenen, Tafel XX, 3.

c) Kleine Glasperle (Inv.-No. X. 16,721) aus blauem Glas mit roten und weissen Tupfen, bestehend aus kleinen farbigen Steinchen, welche dem Glasfluss beigemischt wurden.

Grab 17: In der geringen Tiefe von 0,50 m lagen Skelett und Schädel (beide zerfallen) ohne jegliche Beigabe.

Grab 18: Tiefe: 1,50 m. Neben den Knochenresten kamen nur zu Tage:

a) Grosse Scherbenreste eines Thongefässes (Inv.-No. X. 16,922) aus

dunkelgrauem, geschwärztem Thon mit kantiger Bauchung; die obere

Hälfte des Bauches ist verziert mit eingedrückten, rechteckigen Gitter-

ornamenten in zwischen zwei Rilleubändern umlaufender Reihe. Die

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Gitterrechtecke senkrecht und weit gestellt, die einzelnen Gitterfelder jedesmal noch mit leichtem halbkugeligem Eindruck.

Ursprüngliche Höhe: ca. 0,14 m.

Vgl. für die Form Koenen, Tafel XX, 3.

Grab 19: Ebenso wie bei Grab 17 fand sich hier das Skelett schon in der unbeträchtlichen Tiefe von 0,50 m. Es war nebst dem Schädel bei der Aufdeckung noch ganz erhalten, zerfiel aber bald an der Luft. Um zu kon- statieren, ob sich unter diesem Grab etwa ein zweites befände, wurde das Erd- reich bis auf die Kiesschicht, 1,65 m tief, durchgegraben, doch ohne Erfolg.

Grab 20: Tiefe: 1,50 m. Beigaben:

a) Kleine Thonurne (Inv.-No. X. 16,923) aus grobem, grauem, innen leicht, aussen stark geschwärztem Thon (dicke Wandung) mit kantig in der Mitte der Gefässhöhe vorspringender Bauchung; die obere Bauch- hälfte ist verziert mit einem dreifachen bezw. doppelten Waffelband, indem infolge Nachlässigkeit die mittlere Reihe auf einer Seite in die untere übergeht. Intakt erhalten.

Höhe: 0,135 m. 0. Dm.: 0,090 m.

b) Fragment eines doppelseitigen Knochenkammes (Inv.-No. X. 16,924), dessen gewölbte, am Rande beiderseits durch Kerbschnittstäbchen ver- zierte Mittelleiste mit Eisennieten befestigt ist.

Länge: 0,063 m. Breite: 0,045 m. Grab 21: In 0,50 m Tiefe Knochenreste ohne Beigaben.

Grab 22: Tiefe: 1,40m. Neben den Knochenresten fanden sich:

a) Ein Eisenring (Inv.-No. X. 16,934).

Dm.: 0,04 m.

b) Ein Eisenring (Inv.-No. X. 16,935), oval, wohl von Schnalle.

Masse: 0,04x0,025 m.

c) Zwei ineinander inkrustierte Eisenringe (Inv.-No. X. 16,933).

Dm. des Ganzen: 0,05 m.

d) Kleiner eiserner Fingerring (Inv.-No. X. 16,936), oben mit gerader, 0,02 m langer Platte.

Dm.: 0,02 m. Breite: ca. 0,0075 m.

e) Spinnwirtel (Inv.-No. X. 16,931) aus grauem, geschwärztem Thon, in Form einer oben und unten abgeplatteten und trichterförmig ver- tieften Kugel.

f) Eine halbe, dunkelbraune, längs geriefelte Glasperle (Inv.-No. X. 16,932).

g) 160 Perlen aus Glastluss und Thon von verschiedenster Form (rund, länglich, kubusförmig u. s. w,), Grösse, Farbe (grau, diinkelrot. hell- blau, orangegelb etc.) und Verzierung (rot oder blau mit gelben Tupfen, marmoriert u. s. w.).

26

Dieselben siud im historischen Museum in Frankfurt a, M. zu zwei Ketten (Inv.-Xo. X. 16,937 u. 038) von je 0,760 m und 0,50 m Länge vereinigt.

Grab 23: Tumaltuarisch, ohne Aufsicht, nachträglich bei dem Ausschachten des Erdreiches für den Bau N nebst anderen benachbarten Gräbern ausgehoben. Fundstücke in der Sammlung des Altertumsvereins zu Höchst; nicht mehr zu identifizieren.

Grab 24: In 1,50 m Tiefe, etwa 20 cm über der regelmässigen Kieslage fanden sich in hartgebrannter Lehmschicht zwei gut erhaltene Langschädel (Inv.-No. X. 16,939 u. 940; der letzte ohne Unterkiefer); sie lagen zusammen mit einem Skraraasax (luv.-No. X. 16,941) von 0,415 m Länge und 0,045 m Breite mit Resten des Holzgriffes; Skelettknochen fehlten, d. h. sie wurden jedenfalls deshalb nicht gefunden, weil sie ausserhalb der Fundamentschachtung für den Xeubau X lagen (s. die Karte).

Grab 25: Ein Kindergrab; die kleinen Skelettknochen lagen 1 m tief.

Grab 26: 1,40 m unter der Oberfläche lag das Skelett nebst folgenden Beigaben :

a) Schwere dickwandige Henkelurne (Inv,-No. X. 16,925), aus grau- gelbem, grobem Thon, rundbauchig, mit breitem, doppelt gekehltem Band- henkel und röhrenförmigem Ausguss; aussen zwischen Rillen fünf Reihen umlaufender ^Vellenverzierung, oben auf dem umgeschlagenen, breiten, horizontalen Rande eine ebensolche. Das Gefäss ist intakt, nur ist die Rückseite stark abgeblättert. Die Verzierung ist mittels eines hölzernen Zweizackes aus freier Hand in den feuchten Thon eingetieft, sodass eine schmale Mittelrippe stehen blieb.

Höhe: 0,140 m. 0. Dm.: 0,135 m.

b) Rechteckiges (0,07 x 0,03 m) Eisenfragment (Inv.-No. X. 16,926), ursprünglich zweiteilig, d. h, umgebogenes Eisenband; beide Hälften aufeinanderliegend und jetzt zusammengerostet.

c) Stück eines doppelseitigen Knochenkammes (Inv.-No. X. 16,926); die Mittelleiste fast allein erhalten, daher auch Angabe der Kamm- breite unmöglich ist durch Eisennieteu befestigt.

Länge: 0,080 m.

Grab 27: Tiefe: 1,40 m. Neben den Skelettknochen fanden sich:

a) Kleine Thonurne (Inv.-No. X. 16,927) aus grauem, geschwärztem Thon mit kantig inmitten der Gefässhöhe vorspringender Bauchung; die obere Bauchhälfte ist durch eine Doppelreihe eingedrückter, recht- eckiger, senkrecht stehender Gitterornamente verziert.

Höhe: 0,10 m. 0. Dm.: 0,085 m.

b) Fragment eines Eisenmesserchens (Inv.-No. X. 16,928) mit er- haltenem Griffzapfen.

Länge: 0,083 m. Breite der Klinge: 0,015 m.

27

c) Spinnwirtel (Inv.-Xo. X. 16,928) aus grauem Thon in Gestalt eines fränkischen Thongefässes der gewöhnlichen Form mit kantiger Bauchung. Höhe: 0,0175 m. 0. Dm.: 0,020 m.

Grab 28: Gelegentlich eines Besuches am 25. November 1896, der die Feststellung eines kürzlich vorher von Erdarbeitern aufgedeckten Grabes (No. 34) zum Zwecke hatte, konnte ich in Gemeinschaft mit Herrn Ingenieur Wehner, der auch die Einmessung vornahm, die Lage des Schädels in diesem Grabe konstatieren, der im Erdreich eben zu Tage trat. Herr Konservator Cornill, welcher gleichfalls zugegen war, nahm denselben mit in das Frankfurter Museum, woselbst er unter der Inv.-No. X. 17,474 aufbewahrt wird. Das Grab wurde später von den NoU'schen Arbeitern ohne Aufsicht freigelegt und die Funde in die Sammlung des Altertumsvereins nach Höchst gebracht.

Grab 29: Tiefe: 1,40 m. Als Beigaben wurden neben den Skelettknochen zu Tage gefördert :

a) Scherben (Inv.-No. X. 16,930) eines bauchkantigen Thongefässes aus graugelbem, geschwärztem Thon mit senkrecht stehenden Gitter- rechtecken als Verzierung.

b) Schöne, intakte, eiserne Lanzenspitze (Inv.-No. X. 1 6,929) mit langer Tülle und schmalem Blatt ohne Mittelrippe.

Gesamtlänge: 0,385 m. Tüllenlänge: 0,145 m, Grösste Blatt- breite: 0,037 m.

Vergl. für die Form Lindenschmit, Centralmuseum, Tafel XIII, 2 (doch unser Exemplar ohne TN'iderhakenJ.

Grab 30: Tiefe: 1,40 m. Nur Knochen ohne Beigaben.

Gräber 31 39: Der Inhalt dieser nach Schluss der systematischen Aus- grabung blossgelegten Gräber gelangte ausnahmslos in die Sammlung des Höchster Altertumsvereins. Da die Fundumstände nicht mehr bekannt sind und sich die darauf bezüglichen Aussagen der Augenzeugen meistens wider- sprechen, lassen sich die verschiedenen Objekte nur in den wenigsten Fällen noch bestimmten Gräbern zuweisen. Ich gebe daher im Folgenden nur ein sum- marisches Verzeichnis der in Höchst aufbewahrten Sindliuger Fundgegenstände; in dasselbe sind natürlich mit aufgenommen die ebenfalls dorthin gekommene Ausbeute aus schon vorher seitens der Erdarbeiter ohne Aufsicht geöffneten Gräbern (wie z. B. zuletzt No. 28) und ferner die Beigaben, welche in vier beim Ausschachten der Keller für den Neubau 3/ (Besitzer: Fabricius; Architekt: Wieg and) zu Tage getretenen Gräbern gefunden und dem Höchster Alter- tumsverein verkauft wurden.

Fränkische Grabfunde aus Sindlingen in der Sammlung des Vereins für Geschichte und Altertumskunde zu Höchst a. M.

1. Thonkanne aus graugelbem, grobem Thon mit zusaniraengekniffener Mündung; auf der oberen Bauchhälfte umlaufend einige ivillen. Dick-

28

wanJiges, aber schönes intaktes Stück; nur auf einer Seite ist der

Bauch durch einen Druck in den feuchten Thon etwas abgeplattet.

Höhe : knapp 0,20 m.

Yj,'l. für die Form Koenen, Tafel XX, 23 (doch das Höchster Exemplar schlanker).

2. Thonurne aus ungescbwärztem grauem, grobem Thon mit kantiger Bauchung und leicht umgeschlagenem Rande; obere Bauchhälfte mit zahlreichen dichtgezogenen, umlaufenden Rillen verziert. Dickwandig; intakt.

Höhe: 0,16 m. 0. Dm.: 0,165 m.

3. Thonurne aus grobem, bräunlich -grauem, beiderseits stark ge- schwärztem Thon mit kantiger Bauchung; oben zwei umlaufende Reihen einer eingedrückten Schräggitterverzierung: ^^^^^^^ Dickwandig; intakt.

Höhe: 0,18 m. 0. Dm.: 0,135 m.

4. Kleine Thonurne aus hellgrauem, ungescbwärztem Thone, bauch- kantig, mit steiler Mündung und darunter umlaufendem, eingedrücktem Zickzackband. Stück der Mündung fehlt. Dickwandig; grobe Arbeit.

Höhe: 0,09 m. 0. Dm.: 0,065 m.

5. Scherben einer bauchkantigen Thonurne aus grauem, beiderseits stark geschwärztem Thone, oben mit umlaufenden fjj] Verzierungen.

6. 31 Thonperlen, braun, rotbraun, grün, weiss etc. mit einigen Glas- flussperlen (dunkelblau) zu einer Kette von 0,18 m Länge vereinigt. Unmittelbar unterhalb dieser Kette lag nach Aussage des Herrn Architekten Wiegand ein kleines, schmales Bronzekreuz dieser Form: +, welches sich ebenfalls in Höchst befindet. Es besteht aus zwei schmalen, dünnen Bronzestreifchen, die einfach in der "Weise zu einem Kreuze vereinigt sind, dass der Längsarm mit einer geringen "Wölbung über den Querarm übergreift ; das Ganze war an einem rechteckigen, dünnen Bronzeblech (1 >< IV2 cm) befestigt und bildete jedenfalls den An- hänger der Perlenkette.

Die Geaamtläpge des Längsarmes beträgt 0,03 m, die des Quer- armes 0,015 m. Das Kreuz ist heute in drei Fragmente zerstückelt, hat aber ursprünglich offenbar die von Herrn Wiegand angegebene Form gehabt.

Die Form des Kreuzes, die sogenannte lateinische, kommt schon ausserordent- lich früli vor, z. ß. als Beschlag an der altitalischen Bronze-Schüssel, Linden- schmit, Altertümer unserer heidu. Vorzeit Bd. III, Heft VII, Taf. 3. Wir lernen daraus, dass man mit der Deutung solcher rein ornamentalen Formen als christlicher Symbole sehr vorsichtig sein muss; trotzdem dürfen wir wohl ein solches in unserem Kreuze erkennen, da es eben niclit als Ornament, sondern als Scliniuckstück ge- braudit i-r. Vi;}. I. i ndenschrai t, Centralmuseum, Tafel VI, 7 9 (goldene fränkische Grabkreuzej und I. i lulensc h nii t, Altertümer unserer heidn. Vorzeit, Bd II, Heft X, Tafel 6, Xo. 5 und r> (Fibula und Anhänger in Kreuzfurm, erstere mit dem christlichen Symbol der Taubej.

29

7. 19 Thonperlen, blau, grün, rotbraun etc. zum Teil mit gelber Be- malung, von verschiedenster Form, zu einer Kette von 0,12 m Länge vereinigt. Als Anhänger fungiert eine lilafarbene, durchlochte Glaspaste in Form einer oben und unten abgeplatteten Kugel von ca. 0,015 m Durchmesser.

8. Fünf einzelne Thonperlen.

9. Thonwirtel aus grauem, geschwärztem Thon in Form einer oben und unten abgeplatteten, oben trichterartig vertieften Kugel.

Höhe: 0,02 m. 0. Dm.: 0,03 m.

10. Skramasax, intakt, mit Holzresten am Griffzapfen.

Länge: 0,55 m. Breite: 0,055 m.

11. Skramasax, intakt, mit Resten des Holzgriffes.

Länge: 0,63 m. Breite: 0,050 m.

12. Skramasax, intakt, mit Resten des Holzgriffes.

Länge: 0,525 m. Breite: 0,050 m.

13. Eiserne Lanzenspitze, lanzettförmig, ohne Mittelrippe oder Kielkante. Mit der Tülle intakt erhalten.

Länge: 0,34 ra. Grösste Breite: 0,045 m. Tüllenlänge: 0,120 m.

14. Eiserne Lanzenspitze, ebenso.

Länge: 0,335 m, Grösste Breite: 0,040 m. Tüllenlänge: 0,105 m.

15. Eiserne Lanzenspitze, rautenförmig, Blatt mit Kielkante. Intakt erhalten.

Länge: 0,200 m. Grösste Breite: 0,035 m. Tüllenlänge: 0,065 m.

16. Eiserne Lanzen spitze mit abnorm schmalem, lanzettförmigem Blatt. Wie es scheint, Kielkante. Die Tülle (Dm.: 0,025 m) geht so un- merklich in das Blatt über, dass kein genaues Längenmass zu be- stimmen ist (etwa 0,105 m).

Länge: 0,290 m. Grösste Breite: 0,025 m.

17. Eiserne Lanzenspitze, rautenförmig, ohne Mittelrippe oder Kielkante. Mit Tülle intakt erhalten.

Länge: 0,300 m. Grösste Breite: 0,050 m. Tüllenlänge: 0,140 m.

18. Eiserne Lanzenspitze, lanzettförmig, Blatt mit Kielkante. Blatt und Tülle stark beschädigt.

Länge: 0,345 m. Grösste Breite: 0,040 ra. Tülleulänge: 0,135 m.

19. Kleine eiserne Lanzenspitze, lanzettförmig, schmal. Mit Tülle in- takt erhalten.

Länge: 0,135 m. Grösste Breite: 0,020 m. Tüllenlänge: 0,055 m.

20. Vier eiserne Pfeilspitzen, lanzettförmig, mit erhaltener Tülle.

Länge: a. = 0,110 m. Grösste Breite: a. = 0,015 m.

b. = 0,019

c. = 0,015 , d. = 0,020 ,

V

"• w,ii.^

n

V

c. 0,130

n

n

<i. -0,135

V

30

Tüllenlänge: a. = 0,045 m. b. = 0,030 ,

n

77

c. = 0,045 (lädiert).

d. = 0.050

21. Fünf eiserne Pfeilspitzen, fest zusammengerostet, lanzettförmig, von 0^07 0,08 ra Länge, nur einige mit erhaltener Tülle.

22. Streitaxt von der Form Lindenschmit, Centralmuseum, Tafel XIV, 2.

Länge: 0,180 m. Schneidelänge: 0,075 m.

23. Streitaxt, ebenso, nur etwas mehr geschwungen.

Länge: 0,205 m. Schneidelänge: 0,070 m.

24. Wurfaxt (Franciska) von der Form Lindenschmit, Centralmuseum,

Tafel XIY, 5.

Länge: 0,190 m. Schneidelänge: 0,105 m.

25. Schildbuckel von der Form Lindenschmit, Die vaterländischen Altertümer der fürstlich hohenzoUerschen Sammlungen zu Sigmaringen (Mainz 1860), Tafel IV, 25.

H.ihe: 0,09 m. Handbreite: 0,035 m.

26. Schildbu ekel der gewöhnlichen Form eines Kegels auf flachem (0,03 ra hohem) Cylinder. Ohne irgend welche Bekrönung oder Verzierung.

Höhe: 0,08 m. Randbreite: 0,025 m.

27. Mittelstück eines Schildgriffes mit einem Seitenlappen und Holzresten.

Länge: 0,07 m.

28. Hälfte eines eisernen Sporns der Form Lindenschmit, Sammlungen zu Sigmaringen, Tafel IV, 5.

29. Eisenmesser der Form Jacobi, Saalburgkastell, Tafel 37, 3, mit erhaltenem eisernem Griifzapfen.

Länge: 0,255 ra. Grösste Breite: 0,025 m. Griffzapfenlänge: 0,07 ra.

30. Eisenmesser der Form Jacobi a. a. 0. No. 29; am Griffzapfen

Ilolzreste.

Länge: 0,130 m. Grösste Breite: 0,025 m. Griffzapfenlänge:

0,05 m.

31. Eisenmesser, in der Form ähnlich Jacobi a. a. 0. Text Seite 437, Fig. 68, No. 11; Holzreste am Griffzapfen.

Länge: 0,175 m. Grösste Breite: 0,025 m. Griffzapfenlänge: 0,06 ra.

32. Eisen messer von ganz ungewöhnlicher, den Typen der Bronzezeit und dann der spätrömischen Periode ähnlicher Form, etwa wie Linden- schmit, A. u. h. V. Bd. II, Heft VHI, Tafel 2, No. 9; genau gleich Bonner Jahrb. Heft 86, Taf. VIII, No. 24 (aus Andernach). Griff- zapfen aufgebogen, Ende fehlt. In zwei Stücken.

Länge: 0,135 in. Grösste Breite: 0,03 m.

31

33. Eisenmesser, ungefähr von der Form Jacobi a. a. 0, Tafel 37, No. 18, aber sehr spitz zulaufend. Starke Holzreste am GrifF^apfen.

Länge: 0,120 m. Grüsste Breite: 0,015 m. Griffzapfenlänge: 0,045 m.

34. Eisenmesser von ähnlicher Form, Griffzapfen ebenfalls mit Holzresten.

Länge: 0,195 m. Grösste Breite: 0,029 m. Griffzapfenlänge: 0,06 ra.

35. Eisenmesser, in der Form ähnlich Jacobi a. a, 0. No. 27. Nur Klinge erhalten.

Länge: 0,10 m. Grösste Breite: 0,015 m.

36. Griffzapfen eines Eisenmessers mit Holzresten; 0,08 m lang, 0,02 m breit.

37. Neun Fragmente von Eisenband (meist ca. 0,02 ra breit) mit Nieten und beträchtlicher Inkrustation von Hanfgewebe einer gröberen und einer feineren Art.

38. Eisenschlüssel, genau dem römischen Hakenschlüssel Jacobi a. a. 0. Textfigur 74, Nr. 15 im Gegensinne entsprechend; vgl. über die Hand- habung dieses Schlüssels, der stets auf den Gebrauch von Innen- schlössern hinweist, ebenda No. 4 6.

Länge: 0,10 m. Bartbreite: 0,035 m.

39. Eiserne Männergürtelschnalle mit ovalem (0,02 x 0,05 m) Schnallenring und Dorn mit Schaufelansatz. Die etwa 0,04 ra breite Schnallenplatte ist nur z. T. erhalten. Stark verrostet und inkrustiert-

40. Eiserne Männergürtelschnalle, ebenso wie die vorige. Intakt.

Länge: 0,11 m. Maasse des Schnallenringes: 0,02 x 0,06 m.

41. Platte einer eisernen Männergürtelschnalle; dreieckig, mit abge- rundeten Ecken, sehr breit (0,055 m). Links oben Bronzeniete erhalten. Schnallenring fehlt.

Länge: 0,12 m.

42. Eiserne Gürtelzunge, schmal, unten spitzoval zulaufend; oben Niete erhalten.

Länge: 0,07 ra. Breite: 0,011 m.

43. Eiserne Fibel mit etwa 7* cm breitem, dreiviertelkreisförmigem Band- bügel und fast 2 cm langem Fuss. Der Durchmesser des Bügelbogens beträgt ca. 3 cm.

Die Form ist deswegen ebenso wie diejenige des unter Xo. 32 aufgeführten Messers sehr autfiiUig, weil sie ni(3lit etwa auf La Tone-, sondern auf Villanova- Tj-pen zurückgeht. Die Art der Spirale allerdings Hess sich bei der vollständigen Inkrustation der Fibel nicht feststellen.

44. Bronzezierscheibe, durchbrochen gearbeitet und in der Form ähnlich den von Lindensclirait, A. u. h. Y., Bd. II, Heft Y, Taf. 4, No. 1—8 publizierten. Sie besteht aus drei knapp V'- ci" breiten, flachen, runden, konzentrischen Reifen, deren äussere durch acht gerade und deren

32

innere durch acht zickzackförmige Stege verbunden sind. Ober- und Unterriäche durch eingedrehte Doppelkreischen verziert. Lag in 51. Durchmesser: 0,0699 m.

45. Bronzefibel, in der Form durchaus ähnlich der in einen kreisrunden Reif gefassten Gewandnadel, Lindenschmit, Sammlungen zu Sigma- ringen Tafel 37, No. 11. Die Verzierung besteht hier nur aus je drei kleineu eingedrehten oder eingestanzten Kreischen auf dem breiten Teile der Stege. Unten Bronzelager für die jetzt fehlende Eisennadel.

Durchmesser: 0,03 m.

40. Brouzegürtelzunge, ähnlich Lindenschmit, Centralmuseum Tafel XI, 3, doch in der Mitte noch etwas stärker eingezogen und spitzoval zu- laufend. Am Rande umlaufend eine Art Schnurornament; oben zwei Nieten. Intakt erhalten mit dem Spalt zur Aufnahme des Gürtel- riemens. Durchaus gleich dem Bonner Jahrb. Heft 86, Taf. XII, No. 47 abgebildeten Exemplar (aus Andernach).

Länge: 0,097 m. Obere Breite: 0,017 m.

47. Bronzegürtelschnalle, wohl zu No. 46 gehörig. Sie entspricht in der Form halbwegs dem z. B. Lindenschmit, A. u. h. V., Bd. III, Heft III, Taf. 6, No. 4 abgebildeten Typus, doch ist sie gedrungener, läuft unten spitzoval zu und die beiden seitlichen Ausbuchtungen sitzen unmittelbar oberhalb der Ausladung am Ende. Der querovale Schnallen- ring (0,027 X 0,020 m) ist nur zur Hälfte erhalten. Auf der Unter- seite sind im Dreieck drei durchlochte Bronzeplättchen senkrecht zur Befestigung aufgelötet. (Vgl. Bonner Jahrb. Heft 44, Taf, V, No. 7.) Oben in der Mitte ist die Platte durchlocht; ihre Oberfläche ist z. T. mit Inkrustation eines Hanfgewebes bedeckt. Länge des Erhaltenen : 0,03 m.

D

unten mit zwei Nieten.

48. Kleine Bronzeschnalle, rechteckig Dorn fehlt.

Länge: 0,02 ra. Breite: 0,013 m.

49. Zwei vollständig gleiche Bronzegürtelzungen, in gleichmässiger Breite verlaufend, unten abgerundet. Am Rande auf der Oberfläche umlaufend, zwei dichte Reihen eingestanzter Kreischen. Oben zwei Nieten.

Länge: 0,050 m. Breite: 0,018 m.

50. Bronzearmband, queroval; einfacher, nicht geschlossener Reif

(0,06 X 0,07 m).

51. Bronzereif, gross; rund, mit kantigem ((>) Querschnitt; geschlossen.

Durchmesser: 0,09 m. Lag um 44.

52. Kleiner Bronzering, geschlossen. Dm.: 0,02 m.

53. Zwei Stückchen eines Bronzebeschlägs, rechteckig, mit je zwei kleinen Nieten,

Länge: 0,05 m. Breite: 0,008 m.

33

54. Zwei Bronzeknüpfe, flachköpfig und dreimal (in Dreieckstellung) durchlocht; ähnlich Lindenachmit, Sammlungen zu Sigmaringen, Tafel VI, 12. Gleich dem Bonner Jahrb. Pleft 44, Taf. Y, Nu. 10 abgebildeten Exemplar.

55. Acht halbkugelförmige Köpfe von Bronzenägelchen.

56. Doppelseitiger Knochenkamm mit gewölbter Mittelleiste, die mit Eisennieten befestigt und am Rande beiderseits durch Kerbschnitt- stäbchen verziert ist.

Länge: 0,145 m. Breite: 0,050 m.

57. Doppelseitiger Knochenkamm, auf der einen Seite mit dicken, auf der anderen mit dünnen Zähnen. Die gerade, flache Mittelleiste ist mit Bronzenieten befestigt und beiderseits am Rande durch Längs- riefelung verziert.

Länge: 0,125 m. Breite: 0,055 m.

58. Doppelseitiger Knochenkamm, ebenso.

Länge: 0,095 m. Breite: 0,035 m.

59. Doppelseitiger Knochenkamm, stark fragmentiert. Die gewölbte Mittelleiste ist mit Eisennieten befestigt und am Rande beiderseits durch Kerbschnittstäbchen verziert.

Länge des Erhaltenen: 0,06 m. Breite: 0,048 m.

60. Drei Fragmente eines doppelseitigen Knochenkammes. Die ge- wölbte Mittelleiste mit Eisennieten befestigt und am Rande beiderseits durch Kerbschnittstäbchen verziert.

61. Drei Fragmente eines doppelseitigen Knochenkammes, genau gleich dem vorigen.

Gesaratlänge: ca. 0,095 m. Breite: 0,049 m.

62. Fragment eines doppelseitigen Knochenkammes, der unvollendet geblieben ist; daher sind nur auf der einen Seite die Zähne ausgesägt, während auf der anderen die z. T. nachträglich abgeschnittene Knochenplatte stehen blieb; aus demselben Grunde zeigt die leicht gewölbte, mit Eisennieten befestigte Mittelleiste nur auf der einen Randseite die übliche Yerzierung durch Kerbschnittstäbchen.

Länge des Erhaltenen: 0,055 m.

63. Fragmente einer Glasschale aus blauem Glas in Form eines um- gekehrten Kegels mit abgerundeter Spitze.

Ursprung!. Höhe der Schale: ca. 0,07 m. 0. Dm.: 0,11 m.

64. Einfache blaue Glasperle.

Yon den im Yorstehenden aufgezählten 64 Nummern sind No. 2, 16, 24, 25, 28, 46, 47 und 60 in der Sammlung des Höchster Altertumsvereins mit einem ebenfalls aus Sindlingen stammenden vollständigen menschlichen Skelett (Mann von 30—40 Jahren) unter einem grossen Glaskasten zur Yeranschau-

3

34

lichung fränkischer Grabausstattiing vereinigt. Ferner sind von diesen Nummern nach Angabe der Herren Oberlehrer Dr. E. Suchier in Höchst und Maurer- meister H. Noll in Sindlingen gefunden in:

Grab 34: Ein Kurzschwert, wohl No. 10 nach der Beschreibung.

Drei oder vier Lanzenspitzen, also unter No. 13 18 mit Ausnahme

von No. 16 und 17 zu suchen. Bronzene Knöpfe und Beschlägstücke. Vier oder fünf einzelne Tfaonperlen, jedenfalls No. 8.

Alle diese Objekte lagen angeblich in einer Tiefe von 1,50 m; darüber, nur etwa 0,50 m unter der Oberfläche, fand sich ein Glas in Kelchform, leider so zertrümmert, dass an Konservierung nicht zu denken war.

Grab 38 und 39^): Ein Skramasax von etwa 65 cm Länge, also No. 11.

Ein Messer, No. ?.

Sechs Pfeilspitzen, wovon fünf fest zusammengerostet, No. 21 und ein

Exemplar von No. 20. Eine blaue Glasschale, No. 63. Eine Bronzering mit kantigem Querschnitt, No. 50. Ein durchbrochen gearbeitetes, rundes Bronzeblech mit eingestanzten

Kreischenverzierungen, in dem vorerwähnten Bronzering liegend,

No. 44. Eine bronzene und eine eiserne Gewandnadel, No. 45 und 43. Ein doppelseitiger Knochenkamm, wohl No. 57 der Beschreibung nach. Acht Thonperlen, No. ?.

Das sehr reich ausgestattete Grab 38, welches die vorgenannten Gegen- stände grösstenteils enthielt, lag in einer Tiefe von 1,10 m, Grab 39 in einer solchen von 1,80 m unter der Erdoberfläche.

Die vier Gräber unter dem Neubau M, deren nordwestliches ein Doppel- grab war, bargen nach Mitteilung des Herrn Architekten Wieg and an Herrn Dr. Suchier:

Eine kleine Thonurne, No. 4.

Eine Thonperlenkette mit Bronzekreuz als Anhänger, No. 6.

Einen Skramasax mit Resten des Holzgriff's, No. 10.

Eine eiserne Lanzenspitze, No. 17.

Ein Eisenmesser, No. 33.

[

^) (her «liH Aufdeckung dieser (Iräber orsrliien am 12. Februar 1897 tolgonde Notiz in den »Frunlifurtor Nachrichten", welche auf Grund vorstehender Angaben zu berichtigen ist: „Sindlingen, 11. Februar, l'm die Ausdehnung und Lage der hiesigen Frankengräber festzu-stellen, sind weitere Ausgrabungen gemacht und dabei recht wertvolle Funde freigelegt worden. Ein schönes Trinkglas ging lei'ler in Trümmer; gut erhalten ist ein 85 cm langes Seil wert, an dem noch Ifolztoile sind, I Messer, !) Lanz(;nsi)itzen, 1 Armspange, 2 Broschen, 8 Perlen, 1 Kamm mit verschit.'denartigen Zähnen. In der Tiefe von 3 m lug ein >fammuth- knochen. Der Höchster .Mtertumsverein hat die Sachen erworben.*^ Der vermeintliche Mammuth- knochen rührte in W iikliidikcit von einem (tchsiii licr.

35

Eine eiserne Männergürtelschnalle, So. 40.

Ein Bronzeringelchen, No. 52,

Zwei Bronzeknüpfe, No, 54.

Acht Köpfe von Bronzenägelchen, No. 55.

Bruchstücke eines Knochenkammes, No. Gl,

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D

n

n

E

n

n

F

n

n

Cr

h

n

II

Die verschiedenen Ausgrabungsperioden, welche der Fundbericht aufweist, sind auch in dem beigegebenen Detailplan des Grüberfeldes auf dem Spezial- kärtchen 1 : 10000 ist dessen Lage durch den Buchstaben K angegeben gekennzeichnet und die Zeichenerklärung dafür unter den Plan gesetzt. Yon früheren, nicht mehr aufmessbaren Funden wurden bekannt:

5 Giiiber in dem Hause A

« . :,

Die Bauten L, N und 0 entstanden erst ganz neuerdings, nachdem das Terrain bereits zum grösseren oder kleineren Teile durchwühlt war; hier ist nicht einmal mehr die ungefähre Zahl der Gräber festzustellen gewesen, die sich für jedes Haus ergiebt. Unter dem ebenfalls erst kürzlich errichteten Neu- bau 21 lagen, wie erwähnt, vier Gräber. Alle diese und sämtliche anderen Gräber, welche nur durch Funde bekannt geworden sind und nicht mehr aufgemessen werden konnten, sind auf der Karte „ohne Gewähr für Zahl und Lage" als einfache rechteckige Kästchen eingetragen; diejenigen, welche durch Konstatier- ung der Ecigabenlage noch eingemessen werden konnten, aber flach lagen, zeigen innerhalb dieses Kästchens einen Punkt zur Bezeichnung der Stelle, die der eingemessene Fundgegenstand innehatte. Gräber derselben Art, aber in Tief- lage, sind ausserdem mit einem Schatten umrandet und diejenigen endlich, welche nicht nur Beigabenfunde enthielten, sondern auch die Skelettlage noch deutlich erkennen und aufnehmen liessen, sind durch einen die Mitte des Käst- chens durchziehenden Doppelstrich hervorgehoben.

Die durch die systematische Ausgrabung oder während derselben zu Tage geförderten Gräber, mit den fünf unter Gebäude J belegenen beginnend, sowie diejenigen, die zwar erst später gefunden wurden, sich aber in den Rahmen der systematisch ausgegrabenen mit annähernder Genauigkeit einreihen liessen, sind, abgesehen von den vorgenannten Unterscheidungsmerkmalen, noch mit einer fortlaufenden Nummerierung versehen, welche der des Fundberichtes entspricht.

Ausser den fünf soeben aufgezählten Gräberarten weist die Fundkarte noch eine grosse Anzahl nur punktiert angegebener Kästchen auf; dieselben

3*

36

sollen nach der Zeichenerklärung ein supponiertes Schema der Gräberlage markieren und bedürfen noch näherer Erläuterung.

Nach der Einmessung und Auftragung der gefundenen Gräber ergab sich von selbst die Frage, ob diese und ob ferner die einzelnen Grabreihen') in einer durchgehends gleichen Entfernung voneinander angelegt seien.

Yon vornherein durfte die Frage mit grosser Wahrscheinlichkeit bejaht werden. Diejenigen fränkischen Gräberfelder, die bis jetzt erforscht und aus- führlicher beschrieben sind, zeigen zum grösseren Teile eine wenn auch meist nur annähernde Eegelmässigkeit der Anlage, zum weitaus kleineren einen gänzlich planlosen Bestattungsmodus. Die Abstände der einzelnen Gräber voneinander und die der Gräberreihen sind an den verschiedeneu Fundorten durchaus verschieden; wie es auch in Sindlingen geschah, sind ihre Maasse in Metern und deren Bruchteilen aufgenommen und in den jeweihgen Berichten niedergelegt. Der Vorteil jedoch, den die Anwendung dieses modernen Meter- maasses für uns mit sich bringt, wird stark beeinträchtigt durch einen ihm an- haftenden Nachteil; in seiner Eigenschaft als künstlich konstruiertes, nicht natürliches Maass, wie z. B. der Fuss, der Schritt u. s. w., lässt es uns viel weniger leicht als diese die Maasseinheit erkennen, welche etwa antiken An- lagen zu Grunde liegen könnte. Herrn Ingenieur Wehuer, dem ich diese Beobachtungen verdanke, ist es gelungen, durch genauere Untersuchung fest- zustellen, dass es in unserem Falle der Fuss ist, der in Frage kommt. Danach war nun zunächst zu prüfen, einerseits wieviel Fuss als Normalabstand zwischen den einzelnen Nachbargräbern und den Gräberreihen angenommen waren, anderer- seits wie gross der angewendete Fuss gewesen ist.

Die Sindlinger Funde wurden, je nachdem sie eben zu Tage traten, sofort auf vorhandene brauchbare Grundlinien eingomessen; die Lage der Sache brachte es mit sich, dass bei der Entdeckung eines Fundes, welcher Gestalt er auch sein mochte, nicht gewartet werden konnte, bis etwa der zugehörige Schädel oder sonstige sichere Fixpunkte zu konstatieren waren. Teilweise sind die Schädel überhaupt nicht mehr nachzuweisen gewesen; der Fundbericht sagt dies an den einzelnen Stellen immer besonders. Diese Notwendigkeit, bei der Entdeckung eines Grabes sofort den betreffenden Yorfund zu notieren und ein- zumessen, ist also die Ursache davon, dass die Maasse, mit denen gerechnet werden musste, in der Regel sich nicht auf die Lage des Schädels beziehen, sondern meistens nur den im Fundberichte zu erkennenden vorzüglicheren Fundgegenstaud, oder auch den überhaupt an der Gräberatelle allgemein zuerst erblickten Fund pointieren. Es bringt dies eine gewisse Unreinheit der ge- wonnenen Maasse hervor, über die wieder gesucht werden muss hinwegzu- kommen.

Die Entfernung von Reihe zu Reihe war als ungefähr 3,60 m bis 3,80 ra erkannt worden. Die mehrfach gefundene Gleichmässigkcit dieses Abstandes

*) L'iiter Reihen sind liior diojeni^'on Gruppen verstunden, welclio durch nobonein- iiiidtT bestattete Körper entstanden sind, i'iii L' instand, der doshalb betont werden luuss, weil in inancdien Fundberichteu darunter ausnahmsweise nicht die benaoiibarteii, sondern di(3 hinter-

einander li''genden (ir;il)er liegriHon zu sein seheinen.

37

reizte ilazii, das Maass genauer zu untersuchen. So Hessen sich feststellen: Die Entfernung von Kopf zu Kopf, oder von Reihe zu Reihe in diesem Sinue :

9 Grössen zusammen mit 33,60 m; für 1 Reihe = 3,73 m

2 . . 7,6 , = 3,80

8 . . 29,1 , = 3,64 ,

6 n . n 21,5 , , = 3,58

"^ n V 71 33,0 ri r) 11= 3,67

-n V 1) i ^^ ri V fl= 3,80

* n n » -5,4 -, 1, 57 = o,63 j,

Die Einzelzahlen stehen so nahe bei einander, dass keine Anomalie zu bemerken ist, die etwa vor allem zu eliminieren wäre. Alle sieben Resultate kann man daher vereinigen und erhält als Mittelzahl den normalen Reihen- abstand von 3,66 m. Dieses Maass muss sich als Mehrheit einer der vorhin erwähnten natürlichen Einheiten erweisen; in der That ergiebt die Teilung durch 12 einen Fuss in gewöhnlicher, gangbarer Abmessung, nämlich 0,305 m. Dieser gefundene Fuss ist um 9 mm grösser als der antike römische; er ist anderer- seits ganz genau gleichwertig dem an mehreren mittelalterlichen Bauwerken nachweisbaren Fussmaasse, wie es z. B. von Schleuning bei seiner Ausgrabung der frühromanischen Kapelle auf dem Heiligenberge bei Heidelberg festgestellt und auch als Grundlage für die Abmessungen des Aachener Münsters vermutet worden ist. Der Fuss, der dem erstgenannten Bauwerke uutergelegen hatte, soll nach Schleuning 0,303 m sein; 12 dieser Grössen ergeben 3,6-4 ra, also rund dasselbe, was in Sindlingen als Reihenabstand festliegt. Es ist die Be- rechtigung einleuchtend, dasselbe Gruudniaass bei der Prüfung auch des Nach- barabstandes der Sindlinger Gräber zunächst ins Auge zu fassen.

Wenn man den letzteren, den Nachbarabstand, prüft, erhält man die nachstehenden Maasse:

3 Grössen zusammen mit 9,30 m; für ein Nachbargrab = 3,10 m

2

»

V

V 7,00

1

»

n

3,00

5

n

7)

16,30

4

n

n

V 13,20

3

V

r>

n 10,40

V

= 3,50

T)

3,00

n

= 3,26

»

= 3,30

»

3,47

Die Mittelzahl dieser sechs Resultate ist = 3,27 m; gegenüber steht 11 Fuss = 3,33 m.

Diese Beobachtung kann man verschärfen durch die Aufführung aller gewonnenen Einzelabstände, also unter Yernachlässigung der zusammenliegenden Gruppen. Es ergiebt sich alsdann der Abstand von Nachbargrab zu Nachbar- grab in Metern mit 3,10; 2,85; 3,55; 3,85; 4,10; 3,00; 3,25; 3,25; 3,65; 3,45; 3,45; 3,30; 4,G0. Die Mittelzahl dieser Werte ist = 3,49 m. Schliesst man die abnorm grossen und abnorm kleinen Einzelwerte, also die drei fettgedruckten, von der Mittelung aus, so erhält man die bessere Grösse von 3,39 m als Mittel- wert. Derselbe entspricht recht obenan elf Füssen = 3,33 m.

38

Dieses Maass von 1 1 Fuss für die Benaclibaning konnte man bei der Unterlage eines Schemas festhalten, wenn nicht die Fundumstände der Gräber No. 25 bis 30 eine andere Grösse erheischten. Diese Gräber allein gewährten im Gegensatze zu den übrigen ein ganz klares Bild als Reihe und erlaubten, die Lage der Skelette genauestens festzustellen. Bringt man nun über die Breite der in dieser Reihe vorgefundenen Skelette ein gleichmässiges Schema, 30 wird man finden, dass weder das Maass von 11, noch das von 12 Füssen passt, sondern nur das von 10 Fuss. Ein kleineres passt ebensowenig. Aus- schliesslich also ein Rost, welcher die Gräber in folgender Anordnung zeigt:

U U 12 Fuss,

D D

10 FU33

nimmt sämtliche nicht als tumultuiert erkannten und nicht flacldiegenden, also späterer Zeit angehörigeu Gräber in seine Maschen.^)

Es wurde daher über das ganze für die Ausdehnung des ehemaligen fränkischen Friedhofes in Betracht kommende Gelände in der Karte ein solcher Rost von punktierten Gräbern eingezeichnet; er belebt nicht nur das Bild der Funde, sondern er dürfte auch geeignet sein, bei etwaigen späteren Durchforschungen einigermassen einen Anhalt zu gewähren. Doch soll dieses Schema nicht im geringsten als endgiltig festgestellt zu betrachten sein; es könnte sich im Gegenteile bei weiterer systematischer Durchsuchung heraus- stellen, dass eine Änderung der schematisierenden Vorlage erforderlich ist. Allein an Stelle von Nichts erschien es besser, diesen, wenn auch etwas vagen, Anhalt zu bieten, der mehr in Bezug auf die Reihen, weniger in Bezug auf die Benachbarung der Gräber Anspruch auf Wahrscheinlichkeit erhebt.

Was die Orientierung des Gräberfeldes betrifft, so schwenken die Reihen der Gräber, wenn man die am sichersten festgestellten Nummern 25 bis 30 und das gegebene Schema zur Grundinge macht, um 15 Grad linksherum vom geographischen Osten ab. Die dergestalt gewonnene, bezügliche Symmetrie- achse des Schemas stimmt, wie schon eingangs bemerkt, genau und nur un- merklich abweichend mit der Richtung des alten, über Land führenden Zeils- heimer Weges. Giebt man die geringfügige Abweichung ganz auf und zieht (auf dem Kärtchen 1 : 10 000) von dem Strassenknotenpunkte die Symmetrie- achse als Linie über den Mainfluss, so erhält man folgendes zum Teil bereits im ersten Kapitel angedeutete Bild: Diese Linie liegt senkrecht zu den Gräberreihen, welche sich östlich parallel an den Zeilsheimer Weg anlogen. Sie trennt den alten Ort Sindlingen von dem fränkischen Gräberfelde; südlich liegt das Dorf, nördlich der Friedhof. Eine gewisse Strecke führt von der ge- nannten Strassengabel aus fiusswärts die alte Ortsstrasse „der Ranze". Die Ver- längerung derselben Linie, von der Strassengabel ab, weist auf die am linken Mainufer gelegene Stätte der alten Martinskapelle.

*) (ierin"filiri"o V''r^<'lii>!l)UiiL'fMi .irklüreii sicli aus iler V<trbomerkuni', wonach die Funde je nachdem, wie sie gewonnen werden konnten, eingezeichnet werden muosten.

39

Es ist nur eine Vermutung, aber eine vielleicht nicht unberechtigte, dass sich südlich dieses jedenfalls uralten Weges (vgl. Kapitel I), der Flussüber- gaugslinie*^), die fränkische Ansiedlung ausdehnte, deren im Norden anstossendeu und westlich bis zu dem gleichfalls sehr frühen Zeilsheimer Wege sich erstrecken- den Friedhof die beschriebenen Ausgrabungen teilweise blossgelegt haben.

Und damit streifen wir bereits eine weitere Frage, nämlich die nach der ursprünglichen Ausdehnung des Gräberfeldes. Im Nordosten ist dasselbe wohl von jeher durch die nach der „Lache" zu abfallende Böschung begrenzt gewesen; im Südosten dagegen könnte es gleich dieser durch die Hattersheim- Höchster Landstrasse zerschnitten sein, im Norden sich noch weiterhin aus- gebreitet haben; ferner müsste es die Richtigkeit der eben erörterten Ver- mutung vorausgesetzt bis zu dem Zeilsheimer Weg im Westen und bis zu der alten Übergangslinie im Süden noch zu konstatieren sein. Um seine Grenzen festzustellen, bewilligte die Verwaltung des Frankfurter historischen Museums im Herbste vorigen Jahres zusätzlich noch eine kleine Summe zur Anlage ge- eigneter Versuchsgräben. Dieselben sind in dem Detailplan des Gräberfeldes eingetragen: einer (a) im Südosten, unmittelbar neben der Chaussee nach Höchst, drei (b d) im Südwesten nach der Flussübergangslinie hin, einer (e) im Nord- westen nach dem Zeilsheimer Wege zu und zwei (/, g) im Norden.

Auifallenderweise sind sämtliche sieben Versuchsgräben^) ohne irgend welches Resultat geblieben; am auffallendsten aber ist diese Thatsache bei dem östlichen der beiden Versuchsgräben (/, g) im Norden, denn er kreuzt jenes Grundstück, auf welchem der Bau 31 liegt und in diesem sind mindestens vier Gräber gefunden. Derselbe Versuchsgraben ist es indessen, der uns zugleich einigermassen den Weg zur Lösung des Rätsels zeigt. Wie aus dem Detail- plan des Gräberfeldes ersichtlich ist, schneidet er nämlich unglücklicherweise immer nur die äussersten und gewiss inhaltsleeren Ecken der Gräber, wenn wir unser aufgenommenes Schema zu Grunde legen. Letzteres bestand damals, als die Gräben gezogen wurden, noch nicht; offenbar und dies ist ein neuer

^) Auch sonst hat es sich öfters gezeigt, dass die Bequemlichkeit oder Notwendigkeit eines Flussüberganges für die Anlage fränkischer Ansiedelungen massgebend gewesen ist. Vgl. Liudenschmit, Handbuch der deutschen Altertumskunde (Brauuschweig 1880 89), S. 93.

^) Die Versuchsgräben Hessen z. T. sehr deutlich die schon während der Ausgrabungen beobachteten Schichtungsverhältnisse des von "NVest nach Ost abfallenden Terrains erkennen:

Lette ca. 1 in Sand ca. 0,öO m

ca. 1,70 m

West

Kies ca. 4 m

ca. 4,50 m

Ost

Sand

Das Schema giebt die Schichtungsverhiiltnisse nur annähernd; infolge der starken Ver- schiebungen dos Erdreichs waren ilieselben oft sehr unregelmässig, wie z. B. bei Grab 8, wq die Iviösschicht erst in 1,'J5 m Tiefe begann.

40

Beweis für den hohen Grad seiner Wahrscheinlichkeit würde es genauere Anhaltspunkte zu einer geeigneteren Anlage wenigstens dieses Versuchsgrabens geboten haben. Ob bei den anderen Gräben derselbe Fall zutrifft, liisst sieb mit dem vorhandenen Material nicht sicher entscheiden. Es beweist nichts, dass, wie mehrfach erwähnt, unter den Häusern D und E in den Jahren 1875 und 1876 angeblich nichts gefunden wurde, denn die Art dieser Ausgrabungen lässt sich nicht mehr kontrollieren; dagegen schien anfangs der Umstand be- weiskräftig zu sein, dass Erdarbeiten, welche von Herrn Job. Noll, dem Bruder des Maurermeisters Heinrich Noll, im Jahre 1893 an der mit W auf dem Plane kreisrund bezeichneten Stelle vorgenommen wurden, ebenfalls für unsere Zwecke ergebnislos verliefen. Jedoch auch hier zeigt sich wieder der Wert des sup- pouierten Schemas: offenbar liegt die betreffende Stelle gerade zwischen zwei Frankengräbern, konnte also selbstverständlich auch keine Funde bergen.

Ebensowenig natürlich kann es in Betracht kommen, wenn bei der Er- richtung von Neubauten entweder überhaupt keine Frankengräber (z. B. bei J) oder solche in dem Schema nicht entsprechender Anzahl (z. B. bei F, G) auf- gedeckt wurden. Denn einesteils beruhen diese Angaben lediglich auf sehr unsicherer mündlicher Tradition, ferner aber ist vielfach der ausgeschachtete Keller eines Hauses an Flächeninhalt mit diesem durchaus nicht identisch, sondern aus Ersparnisrücksichten kleiner; da jedoch in den Plan der Grundriss des betreffenden Hauses und nicht der des Kellers einzutragen war, so scheint es oft nur so, als hätten sich unter diesem Gebäude weit mehr Gräber finden müssen; in Wirklichkeit ist eben nur ein kleinerer Raum ausgeschachtet worden, der auch in der Regel thatsächlich die vorausgesetzte Gräberzahl enthielt.

Alles in allem ergiebt sich sonach aus dem Gesagten, dass wir heute noch nicht im stände sind, die Grenzen") des fränkischen Friedhofes in Sindlingen genau zu umschreiben; die bis jetzt gezogenen Versuchsgräben haben zu keinem Resultate geführt und weitere Hessen sich mit Rücksicht auf die dortigen Be- bauungsverhältnisse vorläufig nicht anlegen. Hoffentlich indessen wird es später noch gelingen, auch diese Frage zu lösen oder mindestens der Lösung nahe zu bringen und das Resultat als Nachtrag an dieser Stelle bekannt zu geben.

Der Gräberbefund entspricht im allgemeinen den üblichen Beobachtungen. Die Toten lagen auf dem Rücken oder nach der Seite ausgestreckt (nicht in hockender Stellung), mit dem Antlitz dem Aufgang der Sonne zugewendet, einfach in das Erdreich gebettet. In muldenförmigen Gruben von durch- schnittlich 1,80 m Länge, 1,00—1,30 m Breite und 1,00—1,00 m Tiefe'') (ab-

*) Übrigens ergeben auch schon die bis jetzt festgestellten Grenzen, wenn wir unser Schema zu Orunde legen, ein recht stiittliches Ciriiberfeld; es hat dunacli nahezu 500 Gräber iMithalten, sodass es mit den grösseren fränkischen Friedhöfen auf einer Stufe rangiert. Denn zumal im llheiiiland, svo so zalilreiche derartige Uogräbnis.stätten existieren, sind sie auch dem- entsprechenil kleiner im rmfaiigo; vgl. Linde nscb mit, Handbuch S. 92.

^) Die Abstände der einzidnen Gräber voneinander oder violmelir der in ilmen gefun- denen Gegenstände, nach w>;l<'iien sie *;ingemessen wurden, sind aus dem maassstäblicheu Ein- trag in die l'uii'lkarte er.-iclitlifli und brauchon iiidit jed(!siiial besonders namhaft genmcht zu werden.

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f^eseheu von den später zu besprechenden, und 0,50 m tief liegenden Flarh- griibern) waren sie bestattet; keinerlei Särge, keine Spur von Platten oder Ähnliches hat sich gefunden. So sicher irgendwelche Markierung der einzelnen Gräber bei deren systematischer Anordnung vorauszusetzen ist: es ist kein Grabstein im Boden des Friedhofes zu Tage gekommen und auch in den Mauern und Gebäuden der Ortschaft scheint kein solcher vermauert. Wahrscheinlich waren es entweder die beliebten Dornsträucher (vgl. Lindenschmit, Handbuch der deutschen Altertumskunde, S. 05) oder hölzerne Zeichen, die als Erkennungs- merkmale der einzelnen Gräber dienten und sich natürlich nicht bis auf unsere Zeit erhalten haben.

Häufig zeigte sich die Erscheinung, dass Knochenreste und Beigaben nicht in gleicher Schicht, sondern die letzteren etwas tiefer lagen; diese Verschiebungen erklären sich aus der fortwährenden Abschwemmung und Verrutschung des Erdreiches, wodurch nicht nur der Sand und Kies, sondern auch die darin ge- borgenen Gegenstände in abwärts gleitende Bewegung kommen.'") Zumal in unserem Falle, wo das Terrain des Friedhofes an und für sich schon nach Osten zu abfällt, liegt eine solche Erklärung durchaus nahe.

Wenn hier und da der Schädel und andere Knochen sich nicht mehr vor- fiinden, so ist wohl anzunehmen, dass sie sich unter dem zersetzenden Ein- flüsse des Erdreiches aufgelöst hatten und wie es vielfach noch beobachtet werden konnte bei Luftzutritt zerfielen.

Sehr auffällig ist in dem Gräberbefunde nur ein Umstand und zwar der, dass im Gegensatze zu sämtlichen anderen (ausser den Flachgräbern) Grab 30 nur Knochen und keine Beigaben enthielt. Bei seiner normalen Tiefe von 1,40 m wird man nicht daran denken dürfen, es den flachliegenden karolingischen Gräbern (No. 7, 17, 19, 21; vgl. Kapitel IH) zuzuzählen, die sich meist schon 0,50 m, in einem Falle 0,85 m tief unter dem Boden fanden und stets ohne Beigaben waren. Höchstens könnte man hier eine sehr ärmliche Bestattung voraussetzen und auch diese Voraussetzung will wegen des Gegensatzes zu der Bestattungs weise in sämtlichen anderen Gräbern nicht recht befriedigen. Denn wenn dieselbe in diesen auch wiederum durchaus verschieden ist, so fehlt doch niemals wenigstens eine geringe Beigabe und wenn sie auch nur in einem kleinen Thongefäss, einem Knochenkamme oder Ahnlichem besteht; oft sogar begegnen uns ziemlich reichliche Zuthaten, ja, wir können behaupten, solche, die nicht häufig vorzukommen pflegen, und das ist ein Punkt, der etwas weiterer Ausführung bedarf.

Wir müssen unterscheiden zwischen solchen Beigaben, die sich durch seltenes Vorkommen auszeichnen und deshalb bemerkenswert sind, und solchen, die zwar oft vorkommen, aber vermöge ihrer Technik, ihrer Ausstattung etc. auf einen gewissen Wohlstand ihrer Besitzer hinweisen und aus diesem Grunde hervorgehoben zu werden verdienen.

Von seltener auftretenden Fuudgegenständen") sind zu erwähnen:

i"j Y-1. C. Mehlis, Bonner Jahrb. Heft 84, S. 103.

*^) Es darf hier nicht unerwähnt bleiben, dass sich fränkische Fundstücke aus >>ind- lingen bis jetzt nur ira Frankfurter Museum und in der Sammlung des Höchster Altertums-

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1. Der Küoher, No. 28 des Fiindbericlitcs 1803/94 (vgl. S. 16).

2. Die beiden Eisens chlüssel, No. 6 des Fundbericlitos 1892 und No. 38 des Verzeichnisses der in Höchst aufbewahrten Siudlinger Gegenstände (vgl. Lindenschmit, Handbuch S. 461).

3. Der Bronzeanhänger in Kreuzform, No, 6 des Höchster Ver- zeichnisses.

4. Die Bronzezierscheibe, Höchst No. 44, in dem kantigen Bronzering, Höchst, No. 51 (vgl. Lindenschmit, Handbuch Tafel XXVH, 8 u. S. 465).

5. Der Sporn, Höchst No. 28 (vgl. Lindenschmit, Handbuch S. 285).

6. Der Schildbuckel, Höchst No. 25.

Von den beiden Eisenschlüsseln ist der im Besitz des Frankfurter Museums befindliche wohl überhaupt das erste Exemplar, welches als Inventarstück fränkischer Gräber zu Tage trat, ebenso ist das kleine Bronzekreuzehen in dieser Form und Eigenschaft, so viel ich weiss, bis jetzt ein Unikum. Es hat sich zwar als Anbänger der Krone des Westgotenkönigs Recceswinth (Lindenschmit, Handbuch S. 81, Fig. 8)'^) gefunden und als Reliefornament auf Sarkophagdeckeln fränkischer Zeit (ibid. S. 112, Fig. 25), jedoch noch niemals als Anhänger an einer Perlenkette; bis jetzt sind vielmehr als solche nur Scheiben und Plättchen, meist aus Gold, bekannt geworden (ibid. S. 389 und Tafel XH). Bezüglich der in einen Ring gefassten Bronzezierscheibe be- merkt Lindenschmit a. a. 0. : „Der Flächendurchmesser der Scheibe erhält oft- mals eine Erweiterung durch einen Umfassungsring, der entweder aus Erz, aber auch aus zusammengesetzten Stücken von Elfenbein oder Tierknochen besteht, welche durch Nieten von Erzblech in der Kreisform zusammengehalten sind. Die in solcher Weise ausgestatteten Scheiben sind jedoch an Zahl weit zurückstehend gegen die Menge dieser Zierstücke, welche ohne jenen zweiten Ring aus den Gräbern der Ostfrauken und Alemannen zu Tage kommen." Auch die Sporen gehören im allgemeinen zu den selteneren Grabfunden; sie finden sich bei Franken und Alemannen meist e'nzeln, da sich diese Stämme nur eines Sporns bedienten, welcher am linken Fusse getragen wurde. Der Schildbuckel schliesslich zeigt ebenfalls eine in unserer Gegend nicht häufige Gestalt; es begegnen solche nur selten „in den rheinischen und süddeutschen

Vereins botinden. Die erstgenannten sind bereits dem dortijjen Zwecke entsprechend summa- risch, über vortrefflich beschrieben vun Herrn O. Donner v. Richter, dem Vorsitzenden des ., Vereins für das historische Museum" zu Frankfurt, in dessen 18. und 19. Jahresberichte fl894 und 1895), S. 8. Es sei auf diese interessanten Ausführungen hier naclidrücklich hingewiesen. Auszüglich sintl dieselben wiedergegeben in der 3Iuseographie der Westdeutschen Zeitachr. f. (resch. und Kunst XV, 4 (1896j. Dabei ist nur der zu berichtigende Irrtum untergelaufen, dass dem Sindliugi-r Uräberfold auch eine grössere Anzahl fränkischer Funde aus Eichloch bei Werrstadt in Kheiuhessen vindiziert ist, deren Erwerbung von dem Frankfurter Museum in Aus9i(;lit geuommen war, aber wieder aufgegeben werden musste, da sie niclit rechtmässiger Besitz des Verkäufers waren, sondern von dem römisch-germanischen l'entralmuseum in Mainz beansprucht wurden.

'-) Ebenso als Ilängekreuz an einer der Votivkronen des Schatzes vun Uuarazar, Li ridenschmit, (.'entralmusHuiii, Tafel X.XX, 1; in Form eines gleicharmigen Kreuzes häufiger, vgl. die genannte Tafel und ibid. Tafel XXII, 5 7, Erz- und Ooldtibelu dieser Art.

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Gräbern suwolil wie in jenen «1er westlichen Teile des alten Frankenreiches, während sie in den Gräbern der Angelsachsen, namentlich in jenen der Graf- schaft Kent, in grösserer Anzahl zu Tage kamen." Lindenschmit kannte bei Herausgabe seines Handbuches der deutschen Altertumskunde (vgl. daselbst S. 243) als einzige Exemplare vom Mittelrhein nur zwei solcher Schildbuckel im Besitze des römisch-germanischen Centralmuseums zu Mainz.

Ausser dem genannten Eisenschildbuckel sind in Sindlingen deren noch vier gefunden. Nach Lindenschmit, Handbuch S. 242 beweist dies an und für sich schon, dass sich die mit ihnen zusammen Bestatteten einer gewissen Wohl- habenheit erfreut hatten. Dazu kommt die kostbare, silbervergoldete Verzierung des in Grab 8 gefundenen Buckels und die reiche Ausstattung dieses Grabes über- haupt. Sie lässt erkennen, dass hier ein recht gutsituierter Franke beigesetzt ist, der es sich leisten konnte, von seinem treuen Hühnerhunde begleitet (Skelett a), auf die Jagd zu reiten (^Trense k) uml der auch in seinem häuslichen Leben sich einen ziemlichen Luxus gestatten durfte (Glaskelch u. s. w.). Zu der gleichen Annahme für andere Gräber führen z. B. die beiden im Fundbericht 1893/04 unter No. 22 beschriebenen Scheibentibelu mit Gold- und Silber- tauschierung, ferner die für Emaileinlage bestimmte Scheibenfibel No. 24 u. a. m.

Wir dürfen aus alledem schliessen, dass wenigstens ein Teil der fränkischen Bewohner Sindlingens sich in guten Vermögensverhältnissen befand und aus der Art, wie diese neben ihren ärmeren Mitbürgern genau in der gleichen Weise begraben sind, dürfen wir weiter entnehmen, dass auch hier wie es bis jetzt allerwärts beobachtet ist") keinerlei Standesunterschiede bei der Bestattung gemacht wurden. Auch die Kinder wurden mitten unter den Erwachsenen beerdigt, wie die Gräber 14 und 25 bezeugen; allerdings soll nach einer Mit- teilung des Herrn Maurermeisters Noll bei Grab 25 sich ein ganzer Komplex von Kindergräbern welcher, Hess sich nicht mehr feststellen gefunden haben, sodass wir hier eine ähnliche Erscheinung hätten, wie sie sich z. B. innerhalb des Friedhofes bei Samson in Belgien gefunden hat, wo den Kinder- gräbern ebenfalls eine besondere Stelle angewiesen war (vgl. Lindenschmit, Handbuch S. 127).

Der mehrfach besprochene Kreuzanhänger zeigt, dass die Einwohner min- destens zum Teil dem christlichen Glaubensbekenntnis augehörten; wenn wir demgegenüber sehen, wie sich uralte heidnische Gebräucl.e, wie die Mituestat- tung von Tieren'*), die Mitgabe des Totenoholos u. s. w. erhalten haben, so ergiebt sich mit Wahrscheinlichkeit, dass zur Zeit, in welcher der fränkische Friedhof in Sindlingen entstand, die Bewohner des Ortes nur formell sich zur christlichen Lehre bekannten, dass sie ihr inneres Wesen hingegen noch bei weitem nicht erfasst hatten.

'^J Lindenschmit, ILuidbucli S. 128.

**J Vgl. für diese Sitte Lindenschniit, Handbuch S. 132 und_]493; unserem Köter (Crriib 8a) scheint vor der Cegrabung zur l?etilubung das Xaseubeiu eiugeschlagen worden zu sein, da die Hunde bekanntlich gerade an der Schnauze gegen Verletzungen sehr empfind- lich sind.

44

Welchem Stamm gehörten nun die Einwoliner des Ortes an, dessen Toten- stätte unsere Ausgrabungen aufgedeckt haben, waren es Alemannen oder waren es Franken? Es ist dies stets eine der wichtigsten Fragen da, wo es sich um Grabfelder aus der Zeit des 4. bis 8. Jahrhunderts handelt ; leider aber muss dieselbe bei der Gleichheit der Ausstattung beider Gräberarten in der Regel unbeantwortet bleiben. In unserem Falle liegt die Sache etwas günstiger, doch müssen wir uns vor einer definitiven Entscheidung zunächst über das Verhältnis klar werden, in welchem der Sindlinger Friedhof zu einem in seiner nächsten Nachbarschaft aufgedeckten Grabfelde steht, nämlich demjenigen zu Schierstein. Alle im Folgenden verwerteten Mitteilungen über das letztere verdanke ich einer gütigen mündlichen Belehrung des Herrn Sanitätsrat Dr. Florschütz- Wiesbaden, der die Ausgrabungen daselbst seinerzeit geleitet und aufgenom- men hat.

Die Schiersteiner Gräberanlage ist gut durch Münzen datiert, deren späteste in das Jahr 560 fällt; sie ist demnach etwa in diese Zeit oder etwas später zu setzen und mit Rücksicht auf die Namensendung als fränkisch zu bezeichnen. Zeigt sich nun gegenüber dem in nächster Nachbarschaft gelegenen Sindlingen im Gräberinventar eine erhebliche Verschiedenheit, so wird man dadurch um so mehr zur Annahme zweier verschiedener, hier be- statteter Volksrassen gebracht, als der Name Sindlingen auch noch die früher als alemannisches Charakteristikum angesehene Endung „ingen" aufweist. Eine gewisse Verschiedenheit des Gräberinventars besteht nun allerdings zwischen beiden Friedhöfen; in Schierstein kamen zahlreiche Angone, Spathae, Almau- dine u. s. w. zu Tage, die in Sindlingen vollständig fehlen ; andererseits sind hier wieder gold- und silbertauschierte Schnallen etc. vertreten, die in Schier- stein nicht gefunden wurden. Hält man aber demgegenüber die Thatsache, dass anderwärts ebensowohl Angone, Spathae und Almandine in wahrscheinlich ale- mannischen Gräbern (Sigmaringen, Hedingen u. s. w.) begegnen wie tauschierte Gegenstände in fränkischen (massenhaft in Rheiuhessen) und dass ferner die Endung „ingen", wie wir sehen werden, heute nicht mehr als ausschliesslich aleman- nischen Ursprunges betrachtet wird, so wird die Annahme zweier verschiedener in Schierstein und Sindliniren bestatteter Volksrassen in dieser Weise haltlos

i"5'

und es bleibt die einfachere Erklärung vorzuziehen, dass eben die Schiersteiner Gräber noch reicher und in diesem Reichtum gleichurtiger ausgestattet sind als die Sindlinger, dass beide aber sehr wohl von einem Volksstamm herrühren können , ja eigentlich bei der nahen Nachbarschaft beider Orte herrühren müssen.

Wenn dies der Fall ist, so müsste auch der Sindlinger Friedhof von Franken stammen und ebenfalls in das Ende des 6. Jahrhunderts oder später zu setzen sein. Versuchen wir, ob sich diese Vermutung bei der bekannten Gleichheit in der Ausstattung alemannischer ynd fränkischer Gräber wenigstens einigermassen begründen lässt.

Zunächst scheinen ja zahlreiche Momente dagegen zu sprechen: es hat sich eine Reihe von Gegenständen gofumlen, die auf frühere Zeit zurückweisen, wie z. B.:

Spätrümische Zeit.

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Der Thonkumpea X. 16,891 iu Grab 8 (b) |

Das Thonfragment X. 16,91G in Grab 15 (b) } ^)^'''' Hallstattze.t.

Das Thonfragment X. 16,920 in Grab 15 (a): Ältere La Tene-Zeit.

Der Schlüssel X. 14,720 im Funkbericht 1892, No. G

Der Hakenschlüssel No. 38 im Verzeichnis der Sind- linffer Funde in Höchst

Das Messer No. 32 ebenda

Das Thonfragment X. 15,871 i. Fundher. 1893/4, No. 5

Die Münze des Macrinus X. 16,808 in Grab 5 (c) Ferner zeigen einige der gefundenen Thongefässe (z. B. X. 14,719; X. 15,868 etc.) ein Randprofil, welches für die spätrömische Keramik charak- teristisch ist, etwa von den Formen: y^- oder / \ oder y\^ (vgl. z. B.

Koenen, Taf. XVH, 12, 19, 21—25 u. s. w.). Die Kanne X. 14,718 ist so- «^ar mit einem auf den Mündungsrand plastisch aufgesetzten Ring versehen, ganz ähnlich wie die späjrömischen Kannen und Amphoren (Koenen, Tafel XVn, 9, 13—15 u. s. w.).

Man könnte also argumentieren: Da sich in dem Sindlinger Gräberfeld nicht nur eine Anzahl von Objekten aus vorrömischer Zeit, sondern auch spät- römische Gegenstände gefunden haben, da ferner die Thongefässe sich z. T. noch stark an die spätrömische Keramik in ihren Formen anlehnen, so ist das Gräberfeld als ein alemannisches anzusprechen.

Diese Argumentation dürfte indessen schwerlich richtig sein, denn vor- römische und römische Funde kommen gleicherweise in alemannischen wie in fränkischen, sogar spätfränkischen Gräbern vor ; sie sind nichts weiter als durch Jahrhunderte hindurch gerettete Reliquien aus der Vorzeit, die sich, meist zwar in Trümmern, manchmal aber auch wie z. B. das in Grab 8 gefundene La Tene-Thongefäss in erstaunlicher Unversehrtheit erhalten haben. Und was die Anlehnung an die spätrömische Keramik betrifft, so ist dieselbe aller- dings unleugbar vorhanden, aber diese Typen gehen durch die ganze aleman- nisch-fränkische Zeit hindurch bis hinüber in die frühkarolingische Periode, für welche die oben angeführten Randprofile wiederum geradezu charakteristisch sind.") Man könnte also auch umgekehrt sagen: Diese Randprofile sind in unserem Falle Prototyp der frühkarolingi sehen Keramik, folglich haben wir es mit spätfränkischen Gräbern zu thun.

Und das wäre jedenfalls das Richtigere, wenn auch weniger aus den an- geführten, als aus anderen Gründen. Als solche kommen hauptsächlich drei in Betracht, uämlich :

1. Es fehlen im Sindlinger Gräberfeld alle frühfränkischen Gefässe.

2. Mehrfach sind die Typen des 6. Jahrhunderts vertreten.

3. In einem Falle ist ein spätfränkisches, in einem anderen ein ebensolches, fast schon als frühkaroliugisch zu bezeichnendes Gefäss gefunden.

'^j Vgl. z. B. Koenen, Tafel XX, 25, 28, 30; diese Profile gehen dann auch in die spütkarulingische Keramik über (ibid. XXL, 14, 15, IS) und arten in noch späterer Zeit zu dun niunötrüüun Formen ibid. 9, 21, 22, 2'6 aus.

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Prüfen wir diese drei Punkte näher: Die leiclitgescbwungeuen frülifrän- kischen Formen Koenen, Tafel XX. 1 und 2 kommen nicht vor; ebensowenig 9 und 10; dagegen entspricht ein Teil der Sindlinger Gefässe ungefähr den- jenigen, die nach Koenens Beobachtungen dem 6. Jahrhundert angehören, wie z. B. XX, 3 5 u. s. w. (X. 16,911; 15,866* etc.)'^), und endlich sind Gefässe gefunden, welche durchaus als spätfränkisch zu bezeichnen sind. Die Urne X. 16,793 gleicht in der Form abgesehen vom Randprofil ziemlich Koenen, Tafel XX, 6. Schon die ziemlich rohe Technik, noch mehr aber der rührenartige Ausguss weist auf spätfränkische Zeit hin ; er ist es ja, der später die regelmässige Eigentümlichkeit der karolingischen Töpfe wie Koenen, Tafel XXI, 10, 12 etc. bildet. Übrigens setzt Koenen diese Form ebenfalls in spätfränkische Zeit. Ausschlaggebend aber für die Datierung des Sindlinger Gräberfeldes ist die kugelige Ilenkelurne X. 16,925. Sie gleicht in der Form Thon und Technik verraten fränkischen Ursprung durchaus dem von Koenen, Tafel XX, 27 abgebildeten Gefäss, welches er als frühkarolingisch betrachtet. Ausserdem ist sie mit einer Art von Wellenornament verziert, die für spätfräukische und frühkarolingisclie Keramik (Koenen, ibidem No. 25) charakteristisch ist. Und dabei hat unsere Urne nicht etwa eine indifferente, nichtssagende, sondern, wie aus der Beschreibung des Fundberichtes hervorgeht, eine durchaus bezeichnende, aparte Form.

Das Grab (No. 26), in dem sie gefunden wurde, ist also jedenfalls spät- fränkisch und da die ganze Gräberanlage abgesehen von den wenigen Nach- bestattungen aus karolingischer Zeit eine durchaus einheitliche und gleich- zeitige'') ist, so ist das Sindlinger Gräberfeld als fränkisches und zwar als spätfränkisches zu bezeichnen.

Damit, d. h. wenigstens mit der Bezeichnung als „fränkischer" Friedhof, stimmt das Resultat, welches eine genauere Betrachtung der erhaltenen Schädel- formen ergiebt. In seinem gehaltreichen Aufsatze über germanische Grab- stätten am Rhein (Bonner Jahrb. lieft 44; Bonn 1868) nennt Schaaffhausen

f). Jiilirli.

"■') [in Einzelnen:

Thonurne X. 14,717, No. 1 des Fundberiolites 1S02 Thüiikiiniichen X 16,796 in Grab 1 (a) Thonfragment X. 16,921 in Grab 16 (b) X. 16,922 in Grab 18 (&)

Thonkrüglein X. 14,719, Xo. 3 des Fundberichtes 1892 ^

X. 15,868, Xo. 8 , 1893/4 [ spätfränkisch.

Thonurne X. lt;,793 in Grab 2 (a) '

Ifenkeluriie X. 16,925 in Grab 26 (a), fast frülikarolingisch.

'") Diesen ICindrufk hüben sämtliche Augenzeugen, wie die Herren Oberstabsarzt Dr. Kutlie, Prof. Dr. G. Wolff, Konservator Cornill, Ingenieur H. Wehner gleich mir gewonnen. Ks wiril also auch niclit angängig sein, zur Erklärung der Verscliiedenlieit der •Scliiersteiner und Sindlinger Gräberausstattung etwa anzunehmen, der Sindlinger Friedliof sei allerdings bereits von Alemannen angelegt, dann aber bis in spätfräukische Zeit weiter be- nutzt worden. Dass durcli wiederliolte Durcligrabungen bis in die Kiesschicht hinein das Erd- reich genüi;end durdifurscht wurde, um feststellen zu können, dass schichtenweise Bestattung übereinander in Sinillingen niclit stattgid'unden lint, i>t mciirfach bi'tmit worden.

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S. 116 fül"-ende Unterscheidungsmerkmale für die Schädel der Alemannen und der Franken:

I. Alemannen: Hoher und schmaler Schädel, oft kahnformiger Scheitel, langes Gesicht, weite Augenhöhlen, mehr vorspringende Kiefer. IL Franken: Schädel in der Scheitelansicht mehr oval, zumal hinten breiter, weniger hoch, Gesicht und Stirn kürzer, Augen- höhlen kleiner, Braunenwülste vorspringend, sodass ein tiefer Einschnitt zwischen Stirn und Nase sich bildet. Ob diese Beobachtungen richtig sind, kann ich als Laie nicht entscheiden und lege deshalb auch für den vorliegenden Fall weniger Gewicht auf diese Frao-e. Immerhin aber ist es zum mindesten eigentümlich, dass von einem Gräberfeld, welches aus anderen Gründen als fränkisch zu bezeichnen ist, mit einer Ausnahme thatsächlich nur Schädelformen des zweiten, des fränkischen Typus nach Schaaffhausen, sich erhalten haben. Ihn zeigen durchweg die in Llöchst wie die in Frankfurt aufbewahrten Schädel; nur einer der letzteren (X. 16,940) scheint sich dem alemannischen Typus zu nähern.") Im übrigen sind sämtliche Schädel ausgesprochen dolichokephal.

Noch vor wenigen Jahrzehnten würden die Germanisten der Annahme, das Sindlinger Gräberfeld sei fränkischen Ursprunges, unter Hinweis auf den alten Namen Sindlingeu und die damals im Gegensatz zu den fränkischen „heim" als alemannisch geltende Endung „ingen" grossenteils entgegengetreten sein. Heute ist man, soweit ich als Nichtfachmann sehe, von dieser Ansicht zurückgekommen. Nach den Untersuchungen Adolf Schibers (Die fränkischen und alemannischen Siedlungen in Gallien, Strassburg 1894) lässt sich nur so- viel sagen, dass „die dichte Besetzung einer Gegend mit „ingen" mit der Ein- wanderung deutscher Stämme in der Zeit des 4.-6. Jahrhunderts zusammen- hängt."

Einen Überblick über die Verteilung der Namen auf „ingen", „heim" und „Weiler", die in einem Kausalzusammenhang stehen, giebt für die hier in Be- tracht kommenden Gegenden des Rheines und seiner Nebenflüsse die folgende nach den Reimann'schen Karten zusammengestellte Skizze im Maassstabe 1:4280000, welche ich der Güte des Herrn Prof. Dr. A. Riese verdanke.

'») Ich weiss sehr wohl, daas man heutzutage einen Unterschied zwischen alemannischen und fränkischen Schädeln nicht zugiebt, sondern nur einen sogenannten ^Reihengräberschädel" gelten lässt. Trotzdem ist die Verschiedenheit dieses Schädels von allen anderen eine, wie mir auch Herr Sanitätsrat Florschütz bestätigte, so auffallende, dass sie hervorgehoben zu werden verdient; dass er gerade von einem Alemannen stammen müsse, möchte ich damit um so weniger behauptet haben, als das Gesicht (entgegen Schaaffhausen) nicht lang, sondern sehr breit gebildet ist mit weit vorstehenden Backenknochen u. s. w. Ks könnte ja ebl.'näogut der Schädel eines .Mischlings aus dem Verkehr von Franken mit den Alteingesessenen vorliegen u. a. m. Bedauerlich ist nur, dass gerade dieser Schädel aus einem tumultuarisch bloss- gelogten Grabe (No. 24) herrührt, so<lass von <len Beigaben nur ein Skramasax noch zu kon- statieren war; vielleicht hätten gleich dem Schädel auch diese Beigaben gegeuüber dorn üb- rigen Gräberinveiitar irgoml welche Abweichungen erkeimen lassen.

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Ithein- mün- diing

Maas

Main

Don an

Bodensee

Die „ingen" sind durch Pünktchen, die „weiier" durch einfache und die „heim** durch Kreuzschraffur angegeben. Natürlich kann bei der Art der Re- produktion nicht wie es auf dem in Farben angelegten Riese 'sehen Original der Fall war jede einzelne Ortschaft vermerkt sein, sondern es muss eine schematische Wiedergabe genügen. Allein auch dieses Schema ist lehrreich genug, um so mehr, als die betreffende Schiber'sche Karte schon deswegen an einer gewissen Unübersichtlichkeit leidet, weil hier die blauen „ingen" sich von den schwarzen „weiler" selbst bei Tageslicht nicht ausreichend unterscheiden lassen. Die Skizze zeigt sehr deutlich, dass die ursprünglich zusammenhängende Masse der Pünktchen, der „ingen", zu irgend welcher Zeit von einem mächtigen Strome der kreuzschraftierten „heim" durchbrochen und für immer getrennt \\urde. Die beiden durch diese Spaltung entstandenen grossen ,ingeu"-Komplexe umfassen im Nordwesten im wesentlichen das heutige Lothringen und Luxem-

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bürg, im Südosten Baden, besonders Württemberg und Bayern. Die dazwischen liegenden Provinzen sind von dem „heim"-Strom überschwemmt und zwar lässt sich noch erkennen, dass derselbe vom Unterrhein ausging und sich rheinauf- wärts bewegte; denn wir finden die „heim" in Holland, weiter südöstlich in der Rheinprovinz, in Nassau und Oberhessen, in ausserordentlich grosser Masse im Grossherzogtum Hessen, namentlich in Rheinhessen, einige im nordöstlichen Baden und wieder sehr zahlreiche im Elsass. Offenbar also ergoss sich jene „heira''-Flut rheinaufwärts, sich immer in der Nähe des Stromes haltend, und durchbrach die bedeutende „ingen"-Niederlassung, die sich damals noch über Luxemburg, die südliche Hälfte der Rheinprovinz, Nassau, Oberhessen, Gross- herzogtum Hessen, Bayerische Pfalz, Elsass-Lothringen, Baden, Württemberg und Bayern in riesiger Ausdehnung erstreckte.

In den Gegenden, wo der Durchbruch erfolgte, da verschwanden die fingen" fast vollständig und die „heim" traten an ihre Stelle; zu den wenigen ver- sprengt zurückgebliebenen „ingen" gehört Sindlingen, auf der kleinen Planskizze durch einen grossen runden Punkt bezeichnet.

Yon jeher haben die „heim" als dem fränkischen Stamme eigentümlich gegolten, eine Ansicht, die heute noch fortbesteht; da nun aber offenbar auch nach unserer Planskizze sehr deutlich die „heim" die „ingen" durch- brachen, beide also in einem Gegensatze zueinander stehen und da ferner sich die „ingen" grösstenteils in den früher alemannischen Gebietsdistrikten finden, so folgerte man früher, die Endung „ingen" weise auf die alemannische Her- kunft eines Ortes hin. Dass dies durchaus nicht der Fall sein muss, will ich Schiber gern glauben, aber darin kann ich ihm, obwohl Laie in dieser Frage, nicht beipflichten, dass er die „ingen" im Südosten, besonders in Württemberg, als alemannisch bestehen lässt, dagegen die in Lothringen für fränkisch aus- giebt. Beide scheinen mir unbedingt einer einheitlichen Erklärung zu be- dürfen im Gegensatz zu dem fränkischen „heim".

Welcher Art diese Erklärung sein mag, ist hier nicht der Ort, zu unter- suchen; für uns genügt es festzustellen, dass die Entstehung von Sindlingen aller Wahrscheinlichkeit nach mit der Einwanderung deutscher Stämme in der Zeit des 4. 6. Jahrhunderts zusammenhängt, dass es ursprünglich von einer dichten Masse ähnlich auslautender Gründungen umgeben war, die jedoch in- folge fränkischer gewaltiger Eroberungen zu gunsten der „heim" fast vollständig zurückgedrängt wurden und unter diesen Sindlingen versprengt und vereinzelt zurückliessen.

Darin liegt zugleich zweierlei ausgesprochen, nämUch:

1, Sindlingen muss nicht auf Grund der Endung als alemannische von der fränkischen Invasion unberührt gebliebene Siedelung betrachtet werden, sein Name beweist also nichts gegen den aus manchen Anhaltspunkten geschlossenen fränkischen Ursprung des Gräberfeldes.

2. Da aber mit Rücksicht auf die Endung „ingen" angenommen werden muss, dass Sindlingen bereits in vorfränkischer Zeit gegründet wurde, 80 ergiebt sich, dass das Gräberfeld chronologisch nicht in die An-

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fange seines Bestehens zu setzen ist, sondern dass es vielmelir aus der Zeit der fränkischen Besitznahme jener Gegend stammt.

Obwohl damit die Analyse des Ortsnamens, soweit sie für die Geschichte des Gräberfeldes in Betracht kommt, erschöpft ist, sei es doch gestattet, die- selbe noch etwas weiter auszuführen, wenn auch diese Ausführungen unser Thema nicht unmittelbar berühren.

Nach Schiber sind in den „ingen" keine eigentlichen Ortsnamen zu er- kennen, sondern „die ersten Flur- und Markgenossenschaften, gegründet in dem neuerworbenen (der vorgermanischen Bevölkerung der „weiler" abgerungenen) Gebiete von dem wandernden Volke, das sich, entsprechend seiner Gliederung in Gaue und Familien, dort niedergelassen hatte." Sindlingen bedeutet also danach ursprünglich etwa: Leute, Nachkommen des Sindilo, dann: Wohnort der Nachkommen des Sindilo oder ähnlich. Damit werden wir hingewiesen auf eine nähere Untersuchung des ersten Bestandteiles des Wortes Sindlingen.

Wie wir im nächsten Kapitel sehen werden, heisst der Name in der ältesten auf uns gekommenen schriftlichen Überlieferung, Urkunden aus dem Ende des 8. und dem Anfang des 9. Jahrhundorts unserer Zeitrechnung, nicht „Sindlingen", sondern Sundilingen" (Scuntilingen, Scuntelingen) und in einem Falle „S windelinga".

Förstemann rubriziert in seinem altdeutschen Namenbuch (Nordhausen 185G) den Namen Sundilingen etc. unter „Sund", bemerkt aber dazu, dass die Silben Sund, Sind, Sin und Swind") in ihrer Bedeutung sehr schwer zu scheiden seien (siehe die einleitenden Sätze zu den angeführten Silben in Förstemann). Soweit ich erkennen kann, ergiebt sich nach seinen Forschungen, dass sie sämtlich zu althochdeutsch „suind" gehören, d. h. „der Grimme", „der Gewaltige". Sehen wir nun ferner, dass Förstemann unter dieser Ableitung die Namen Sindilo im 8. Jahrhundert, und noch früher „Suindila" oder „Suinthila" als gotische nennt, und erinnern wir uns der westgotischen, gewiss mit dem Begriff „der Grimme, der Gewaltige" zusammenhängenden Königsnamen: Suinthila, Recceswinth, Galsuintha u. s. w., so dürfen wir wohl mit Zuversicht behaupten, dass ein ähnlicher Bestandteil'") auch in den Worten „Sundilingen", „Swinde- linga" steckt, dass die Bezeichnung „Sindlingen" somit auf das Althochdeutsche zurückzuführen ist und ursprünglich etwa bedeutet hat: Wohnort der Leute, der Nachkommen des Sundilo oder des Suinthila, d. h. des gewaltigen, des grimmen Helden.'')

''•'j Anstatt d in den drei Fällen auch th.

^"J AVenigor einleuchtend scheint mir die Beziehung des Namens Sundilingen Scundi- linfon zu Scudilo (s. Förstemann und nach seiner Angabe (Irimm, Gesch. der deutschen Sprache) = Scrhildträger oder zu .,sund" = Süd. Das gotische „suithan" = eine Richtung nehmen, wandern etc. kommt wohl überhaupt nicht in Betracht.

*•) Der zweite Bestandteil des Wortes bleibt dabei allerdings unerklärt; jedenfalls wird darin aber nur ein Diminiitivsuffix zu erkennen sein; übrigens kommt ein solches (ilo und illo) auch als keltisches Suffix in römischen Sigillata-Töpferstempoln vor, wie z. B. im Xamen ..Tonülo" auf zwei Sigillatiifragmonten aus Ileddernlieim im Frankfurter historischen Museum und sonst (Mainz, Trier etc.)

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Auch die Etymologie des Namens Sindlingen, sein Anklingen an gotische Formen, wie besonders Suinthila, führt uns also in vorfränkische Zeit zurück und beweist, dass die Siedelung dieses Namens bereits etwa im 4. 5. Jahr- hundert entstanden sein mag, wohl mindestens ein bis zwei Jahrhunderte früher als das fränkische Gräberfeld.

III. Vor- und nachfränkische Geschichte Sindlingens bis zum Beginne schriftlicher Überlieferung.

Die Frage, ob jene Ansiedelung, welcher man den Namen Sundilingen oder Swindelinga beilegte, die erste an dieser Stelle war, oder ob schon frühere Niederlassungen dort bestanden haben, lässt sich mit unseren Mitteln nicht lösen. Strenggenommen dürfte sie uns hier auch gar nicht näher berühren; allein es scheint angezeigt, das fränkische Gräberfeld nicht isoliert zu behandeln, sondern in dem grösseren geschichtlichen Rahmen, in den es hineingehört. Dass diese geschichtliche Zugabe, dem Zwecke der Arbeit entsprechend, nur eine ganz skizzenhafte sein kann, versteht sich von selbst, um so mehr, als sich bisher noch Niemand mit der vor- und nachfränkischen, d. h. eigenthch mit der Geschichte Sindlingens überhaupt, eingehender beschäftigt hat, hier also bei dem Mangel eigener Yorarbeiten von vornherein nur flüchtige Andeutungen gegeben werden können.

Nach Mitteilung des mehrfach genannten Maurermeisters H. Noll ist der- selbe bei dem Sandgraben auf dem Kieshügel K wiederholt auf ungefähr meter- tiefe, kegelförmige Erdlöcher gestossen, auf deren Grund sich eine starke Schicht Asche und Kohlen befand. Es liegt nach dieser Beschreibung der Gedanke an sogenannte j,Mardellen" nicht fern; indessen möchte ich doch darauf hinweisen, dass es sich hier sehr wohl auch um jene eigentümlichen, mit Tierknochen, Scherben, Kohlen, Asche u. s. w. gefüllten Gruben handeln kann, welche als häufige Begleiterscheinung fränkischer Gräber beobachtet und mit den altheid- nischen Totenopfern und Totenmahlzeiten in Verbindung gebracht werden (vgl. Lindenschmit, Handbuch S. 130 und 131).

Auch sonst sind wir hinsichtlich unserer Kenntnis der vorrömischen") und römischen Vergangenheit Sindlingens heute nicht weiter als vor 15 Jahren, zur Zeit, da Hammeran seine treffliche „Urgeschichte von Frankfurt a. M. und der Taunusgegend" veröff'entlichte. Die seiner Abhandlung beigegebene Fundkarte zeigt, dass wohl in der weiteren Umgegend, nicht aber in der nächsten Um-

*-| Über prähistorische Kultstiltten bei (Schierstein und) Sindlingen hatte Herr SanitSts- rat Dr. Florschütz- Wiesbaden einen Vortrag für die diesjährige (3.-7. September 1897) Generalversammlung des Gesamtvereirts der deutschen Geschichts- und Altertumsvereine zu Dürkheim in der Pfalz übernommen. Doch ist es, wie er mir mitteilte, zu einem eigentlichen Referat darüber namentlich betr. Sindlingens nicht gekommen, vielmehr beabsichtigt Herr Dr. Florschütz zunächst noch weitere Studien über diese Frage anzustellen. Seine Ausführungen in der betr. Generalversammlung werden im ^Korrespondenzblatt" des Gesamt- vereins etc. im Druck publiziert werden.

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gebung Sindlingens mit einer gleich zu besprechenden Ausnahme Funde'^) gemacht worden sind. Diese Ausnahme bildet ein mächtiges Thongefäss, welches auch Hammeran bereits beschreibt und in seiner Fundkarte durch ein blaues Dreieckchen als vorrömisch anmerkt. Auf unserem Spezialplänchen 1 : 10 000 ist die Fundstelle durch die Buchstaben S.-A. (= Schweitzer-Alesina) bezeichnet. Hammeran berichtet über das Gefäss und seine Fundumstände Folgendes:

„In der Nähe von Sindlingen wurde auf dem Gute des Herrn von Schweitzer- Alesina ein kolossales edelgeformtes Thongefäss gefunden, das derselbe in der letzten Hälfte des Jahres 1819 der Frankfurter Stadtbibliothek schenkte, wo es lange Jahre in dem unteren Vestibüle des Treppenhauses aufgestellt war. Es liegt über diese Schenkung in den Bibliotheksakten ein kurzer Bericht des Professors Matthiae vom 28. Dezember 1819 vor, den ich hier mitteile: „Herr Oberstwachtmeister und Tapezierer Rumpf hat von Herrn Schweitzer-Alesina für die Bibliothek erhalten und auf dieselbe verabfolgt: eine grosse, sehr wohl erhaltene irdene Vase von meines Erachtens römischer Arbeit. Sie ist in der Nähe von Singlingen (Sindlingen), wo Herr Schweitzer ein Gut besitzt, vor

^^j Diese Funde gruppieren sich rings um Sindlingen ; die Fundstellen liegen bei Nied, wo später nuch die Militärziegeleten zu Tage kamen, bei Höchst, Kriftel, Hofheim, Marxheim, Eddersheim, neuerdings Okriftel und im Hinkelsteiner Forst (Hügelgräber). Meist sind ea römische Funde, die hier entdeckt wurden und denen die Hammeran unbekannte Konsta- tierung mehrerer römischer Gräber direkt gegenüber Höchst auf dem linken Mainufer am Ptlugsweg (s. Kapitel I) durch den Wiesbadener Geometer Jost in den Jahren 1858—59 zu- zufügen ist. Die betr. Aufzeichnungen bewahrt das Königl. Staatsarchiv zu "Wiesbaden.

Die bei Höchst nach 1882 gehobenen prähistorischen Funde hat Herr Oberlehrer Dr. E. Suchier daselbst behandelt im Korrespondenzblatt der deutschen anthropologischen Gesellschaft Xo. 8 (1895). Einen Nachtrag dazu wird der Verfasser in derselben Zeitschrift im Laufe des Jahres 1898 verötfentlichen. Ferner entnehme ich einem von Herrn Oberstabs- arzt Dr. Kuthe am 25. Juli 1892 dem Frankfurter historischen Museum erstatteten schrift- lichen Bericht folgende Notizen über weitere Funde in dem genannten Gebiet: „In dem Ter- rain der Farbfabrik sollen vor ungefähr 20 Jahren Funde von "Waifen, Thongefässen und Knochen gemacht sein, die angeblich im Besitz des inzwischen verstorbenen Herrn Dr. von IJrüning geblieben sind. Im laufenden Jahre sind nach Angabe der Herren Dr. Pauli und Dr. Groll auf dem Fabrikterrain bei Gelegenheit von Fundamentierungsarbeiten wiederum zwei Thougefässe gefunden worden: Ein angeblich 1 m hohes, doppelhenkeliges Gefäss von "•elblichem Thon, das beim Herausnehmen leider zertrümmert wurde und nicht mehr vorhanden ist; ein zweites Gefäss von gleicher Thonmasse, gut gebrannt, mit Spuren einer rötlichen Be- malung, ist fast intakt gehoben und befindet sich zur Zeit im Laboratorium des Herrn Dr. Groll auf der Fabrik. Dasselbe hat Amphorengestalt mit Doppelheukel und ist 30 cm hoch." Nach späterer Mitteilung des Berichtes entsprach dieses Gefäss in Material und Farbe den im Fundberichte des Jahres 1892 unter No. 2 und 3 aufgeführten Krügen; leider Hess 69 sich nicht mehr ausfindig machen, ebensowenig wie die angeblich in den Besitz des Herrn Dr. von Brüning gelangten Fundstücke. Weder besitzt dessen hinterbliebene Familie solche, noch ist ihr über die damalige Entdeckung etwas bekannt, wie mir Herr Dr. A. v. Brüning, der Sühn des Verstorbenen, persönlich mitteilte. Auch in die Sammlung des Höchster Alter- tumsvereins ist nichts derart gekommen. Herr Dr. Groll ist im Jahre 1895 gestorben und war vorher schon so leidend, dasa eine an ihn gerichtete, auf das betr. Gefäss bezügliche An- frage unbeantwortet blieb. Eine von Herrn Dr. von Brüning und mir auf der Fabrik der Farbwerke ;:ehalteno Umfrage nach dem Verbleib des Stückes ergab leider kein Resultat; Herr Dr. Suchier wird indessen liotlentlich mit gutem Erfolge weitere Nachforschungeu anstellen.

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vielen Jahren in der Erde gefunden und auf gedachtem Gute aufbewahrt worden. Ihre Höhe beträgt nach Pariaer ilaasa 2' 6" 4Vio'", ihr weitester Umfang 6' 2" 7 'A'", ihr Umfang am oberen Rand 3' 1" OV«'"". Soweit Matthiae. Das Gefäss ist fest gebrannt und hat je einen halbkreisförmigen, henkelartigen Wulst am oberen Teil jeder Seite; seine Bauchung nimmt nicht nach der Mitte, sondern nach oben zu. Es ist mit breiten weissen Strichen in der vertikalen Dimension bemalt, die Streifen verlaufen auch teilweise in Schlangenlinien. Die Thonmasse ist hellrötlich und sehr fein. Yon römischem Ursprung kann keine Rede sein; wohl aber mag es importierte etruskische Ware sein."

Die Vase-*) befindet sich jetzt im Frankfurter Museum (Inv.-No. X. 5979) und ist im Folgenden nach photographischer Aufnahme abgebildet:

Die Höhe des Gefässes beträgt 0,83 m, der grüsste Bauchdurchmesser 0,635 m und der Mündungsdurchmesser 0,24 m.

Der Hammeran'schen Beschreibung ist noch Nachstehendes hinzuzufügen: Der schräg nach aussen abfallende, leicht gewölbte Mündungsrand hat ein nach innen zu vorspringendes Profil, welches zur Aufnahme eines Deckels geeignet und bestimmt erscheint. Die weissgelbe Bemalung besteht in einem um den Gefässhals umlaufenden breiten Band, von dem aus zu beiden Seiten der Henkel-

^*) Sie wird auch von üwinner, Ivuust und Künstler in Frankfurt a. M. ( 1S62J, S. 515 als auf der Stadtbibliothek befindlich erwähnt, woselbst vor der Gründung des historischen Museums im Jahre 1877 die meisten städtischen Kunst- und Altertunisgegenstände aufbewahrt wurden.

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ansätze je zwei unten zusammenlaufencle Streifenpaare vertikal bis zur Stand- fläche niedergehen, eine flüchtige Schlangenlinie zwischen sich einschliessend. In der Mitte zwischen den beiden Henkelansätzen befindet sich je ein weiteres solches Streifenpaar. Die Ansätze selbst sind wulstig, bogenförmig. Die Bogenenden sind durch einen weissen Strich verbunden und das Bogeninnere ist durch C artige Ornamente in derselben Farbe ausgefüllt. Bisher noch nicht bemerkt, aber ausserordentlich wichtig ist die Thatsache, dass die Vase im Inneren (vom Mündungsrand inkl. ab) eine bräunliche, zum Teil sehr gut erhaltene Glasur zeigt, welche ursprünglich vielleicht das ganze Gefäss innen überzogen hatte, jetzt aber nur noch in dessen oberer Bauchhälfte mit Sicher- heit zu konstatieren ist.

Damit ist ein wenigstens oinigermassen greifbarer Anhalt für die nicht leicht zu fixierende Zeitstellung der Vase gegeben. Von gleicher Bedeutung für die Beurteilung derselben ist der Umstand, dass kürzlich ein zweites, ganz gleichwertiges Gefäss gefunden und von dem Frankfurter Museum erworben wurde. Dasselbe (Inv.-No. X. 18,057, im Folgenden h genannt im Gegensatz zu dem Sindlinger Gefäss = a) ist, um zunächst die Unterschiede zwischen beiden hervorzuheben, kleiner als a, nur 0,72 m hoch und von einem Mündungs- durchmesser = 0,30 m. Die Form ist eine mehr ovale, dadurch, dass die Aus- bauchung nicht so hoch oben, sondern mehr in der Mitte stattfindet und sich nur allmählich gleichmässig nach oben und unten zu senkt. Ferner fällt der Rand nicht in schrägem "Wulst nach aussen ab, sondern er steht ziemlich steil und neigt sich eher schräg nach innen. Dagegen stimmen beide Gefässe in Folgendem durchaus überein: Im Thone, in der Technik, in der Art der Henkel- ansätze, im inneren Randprofil (Ausbiegung zum Aufsetzen eines Deckels), in der Bemalung aussen und in der Glasur innen. Nur, dass die Glasur hier noch im ganzen Gefässinnern erhalten ist und die Bemalung statt der Schlangenlinien Querstriche zwischen den vertikalen Strichpaaren zeigt, sodass dieselben einen leiterartigen Eindruck machen."*) Das Bogeninnere der Henkelansätze ist durch drei sehr rohe und flüchtig angedeutete vertikale Blattzweige verziert. Die verwendete Farbe ist reiner weiss als die von a.

Auf ein drittes Gefäss genau derselben Art (c) wurde ich erst, während diese Arbeit schon im Druck war, aufmerksam und zwar durch das soeben erschienene Buch von Professor Oskar Holder (aus dessen Nachlasse heraus- gegeben): „Die Formen der römischen Thongefässe diesseits und jenseits der Alpen", Stuttgart 1897. Man konnte dem Verstorbenen gewiss keinen schlech- teren Gefallen thun, als dieses mit vollkommenster archäologischer Unkenntnis geschriebene Buch, welches Gefässe aller möglichen Kulturperioden als römisch verzapft und auch im einzelnen von Fehlern wimmelt, der Öffentlichkeit zu übergeben; für mich hat es wenigstens das Verdienst, mich auf ein zweites, dem Sindlinger ähnliches Gefäss hingewiesen zu haben, welches darin auf Tafel II, 6 abgebildet und als „Vorratsgefäss, 68 70 cm hoch, Bonn" be- zeichnet ist. Im Texte ist es S. 18 und S. 20 erwähnt; auf S. 20 heisst

**) Auch um den Jlals läuft ein solches Leiterbuiid um.

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es: „Tafel II, 6, welche durch ihre Dekorationastreifen und die eigenartigen Handhaben auffällt, ist ein richtiger Topf von den Grössenverhältuissen einer Amphora. Seine Barbotine (!) zeigt den nämlichen Zug wie das kleine Gefäss Tafel VIII, 5 in Trier und seine Henkel, die in dieser Form schon unter den Schliemaun'schen Funden abgebildet sind, lassen sich als Beispiel dafür an- führen, dass bei gleichen Bedürfnissen auch gleiche Formen entstehen, mag ihr Ursprung auch noch so weit auseinanderliegen."

Natürlich ist von „Barbotine" keine Rede, sondern die Vase ist einfach weiss bemalt, wie die Sindlinger und Brühler auch; ebensowenig sind die Henkel hier Bedürfnis; wer versucht, das Gefäss daran zu heben, wird sich überzeugen, dass sie was auch der Plastiker und Modelleur hätte sehen müssen hier lediglich Dekoration sind.

Herrn Prof. Dr. Klein, dem ich eine Photographie der Sindlinger Am- phora einsandte, verdanke ich folgende eingehenderen Mitteilungen über das im Bonner Provinzialmuseum aufbewahrte Gefäss c:

„Es ist von rötlichgelbem, feinem Thon und 65 cm hoch. Die Technik macht einen mehr modernen als antiken Eindruck. Es ist innen in seinem oberen Teile braun glasiert, in dem unteren rauh gelassen. Die Verzierungen bestehen in einem unterhalb der Randeinschnürung umlaufenden Bande, von dem 6 in bestimmten Abständen wiederkehrende Doppelstreifen senkrecht hinab- gehen, zwischen denen jedesmal wie auf der übersandten Photographie eine Wellenlinie angebracht ist. Die Verzierungen sind in ziemlich roher Weise mit weisser Farbe aufgetragen, d. h. gemalt. Von Barbotinverzierung nirgends eine Spur. Das Gefäss, welches der Universitäts-Sammlung angehört, stammt angeblich aus Köln und ist als Geschenk ins Museum gekommen. Nähere Fundumstände sind leider nicht bekannt. Die Abbildung bei Holder ist hin- sichtlich der Form genau, weniger hinsichtlich der gegebenen Verzierungen, indem diese ganz mit den auf der übersandten Photographie gegebenen Orna- menten übereinstimmen."

Mit dem Sindlinger Gefäss stimmt c auch darin überein, dass nur die obere Hälfte des Inneren glasiert ist; dagegen entspricht seine Form wieder mehr der von h. Jedenfalls entstammen die drei Gefässe sicher einer Fabrik; wo dieselbe bestand, lässt sich bis jetzt nicht sagen, doch ist es charakteristisch, dass die drei Exemplare sämtlich in der Nähe von Flüssen und sämtlich in der Gegend des Mittelrheines gefunden sind.

Wenn man bis jetzt der Überlieferung, wonach das Sindlinger Gefäss auf dem Gute des Herrn von Schweitzer- Alesina im 18. Jahrhundert oder zu An- fang des 19. ausgegraben worden sein soll, ziemlich skeptisch gegenüberstand, wird man nunmehr diese Möglichkeit zugeben müssen, nachdem für c der Fund- ort „Köln" angegeben ist und für h feststeht, dass es in Brühl bei Köln am sogenannten „Vorgebirge", wo sich Weinberge und Villen befinden, ausgegraben wurde. Es gelangte zunächst in den Besitz des dortigen Malers Herrn Volk (welcher der Ausgrabung beiwohnte), von da in denjenigen eines Kölner Antiquitätenhändlers und danach vor wenigen Monaten in das Frankfurter Museum.

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Zu der Ansicht, das Gefäss a könne niclit in Sindlingen ausgegraben sein, kam man einerseits dadurch, dass es einen durchaus unrömischen Eindruck macht und andererseits durch die Thatsache, dass Herr von Schweitzer viel in Italien gereist war und von dort gar mancherlei Antiquitäten mitgebracht hatte. Man nahm daher offenbar mit Recht an, auch die grosse Vase gehöre dazu, sei ursprünglich im Garten des von Schweitzer'schen Gutes als Zierrat aufgestellt gewesen, dann durch irgend welchen Zufall in die Erde geraten und später ausgegraben worden. Dass die Vase nicht den Römern ihre Entstehung verdankt, steht sicher und wird von Hammeran mit Recht behauptet; dass es importierte etruskische "Ware sei, wie er meint, ist schon an und für sich sehr zweifelhaft und nach Feststellung der Glasur ausgeschlossen. Auch als „prähis- torisch" kann man die Amphora mit Rücksicht auf die vollendete Technik unmög- lich bezeichnen. Das Urteil der Herren Professoren Dr. Furtwängler-München und Dr. Löschcke-Bonn, denen ich Photographie derselben einschickte, geht dahin, dass sie jedenfalls nicht westdeutsch sei, kein römisches und kein rheinisches Fabrikat. Herr Prof. Löschcke teilte mir ferner mit, dass ähnliche Töpfe, wie besonders das Bonner Exemplar c und ein viertes, welches sich daselbst im Provinzialmuseum befindet, heute noch in Italien hergestellt werden. Schon durch diese Mitteilung wurde ich in meinem Glauben an den antiken Ursprung dieser Gefässgattung stark erschüttert; nachdem nun aber gar eine von den Herren Dr. Popp und Dr. Becker hierselbst mit gewohnter Zuvorkommenheit vorgenommene chemische Untersuchung der Glasur ergeben hat, dass hier eine sehr dicke Bleiglasur vorliegt, habe ich jene Ansicht gänzlich aufgegeben, da Bleiglasur, soviel mir bekannt, bisher mit Ausnahme des Orients an antiken Gefässen nicht nachweisbar ist.

So unzureichend wir über die vorfränkische Geschichte Sindlingens unter- richtet sind, so gut verhältnismässig wissen wir Bescheid über die nachfränkische Zeit seines Bestehens.

An die merovingische Ansiedelung, deren Existenz sich durch das im IL Kapitel behandelte Gräberfeld kundgiebt, schloss sich eine karoliugische un- mittelbar an. Es ergiebt sich dies aus den Beobachtungen, welche während der Ausgrabung des Friedhofes gemacht werden konnten. Dabei fanden sich näm- lich vielfach (z. B. bei den Gräbern 32, 36 etc.) in geringer Tiefe unter dem Erdreich geebnete Stellen, auf welchen eine dicht mit Thonscherben durchsetzte Brandschicht ruhte; die Scherben erwiesen sich als früh- und spätkarolingisch.-*) Sie entsprechen zum Teil, soweit sich dies aus den Fragmenten noch konstatieren lässt, den Gefässen Koenen, Tafel XX, 27 und 28, zum Teil ibid. Tafel XXI, 10, 10'', 12. Doch zeigt keines der von mir geprüften Stücke (jetzt iu der Höchster Altertumssammlung) schon die charakteristische Wellenplatte.

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57

Die Erklärung für die erwähnte Erscheinung giebt Koenon Seite 130 auf Grund seiner bei den Ausgrabungen bei Mockonheim und Andernach ge- machten gleichartigen Erfahrungen folgendermassen:

„Es ist sehr wahrscheinlich, dass die genannte Meckenheimer Brand- schicht auf die damalige (karolingische) Sitte zurückzuführen ist, der Erde, welche das Tragen eines Baues übernahm, Opfer darzubringen. Es fand sich hier eine geebnete Stelle, auf der die Brandschicht mit den Scherben ruhte; in der Umgebung lagen einige korolingische Gräber. Bei einer von mir am Landsegnungsweg in Andernach vorgenommenen Grabung zeigte sich gleich- falls eine sorgfältig geebnete Fläche. Auf derselben ruhte eine mit Gefäss- scherben vermischte Brandlage. Dann folgte eine überaus roh ohne Mörtel auf- geführte Grundmauer. Es lagen hier und da zwischen den Bausteinen Stücke ausgeglühter Holzkohlen, vermischt mit einer grossen Anzahl von Gefässscherben, oder wenigstens, mit seltenen Ausnahmen, nicht vollständig erhaltenen Gefässen. Zerbrochene Töpfe standen in nischenarrigen Ötfnungen an den Seitenteilen des Gesteins und auch diese waren von ausgeglühten Holzkohlenstückchen umgeben. Ausserdem fanden sich hier und da Eischalen und Geflügelknochen. In der Umgebung lagen auch hier einige Gräber."

Auch auf dem Sindlinger Friedhofe sind ja einige Gräber gefunden, die sich dadurch von den regulären unterscheiden, dass sie in ganz geringer Tiefe unter der Erdoberfläche lagen und keinerlei Beigaben enthielten. Diese Gräber dürfen wir wohl umsomehr zu jenen Brandstellen in Beziehung setzen, als wir wissen, dass man in karolingischer Zeit, besonders infolge der Verordnungen Karls des Grossen, mehr und mehr aufhörte, den Yerstorbenen Gegenstände mit ins Grab zu geben. Es sind also wohl karolingische Flachgräber, die wir vor uns haben, gleichwie jene Brandstellen als karolingisch anzusprechen sind. Es ergiebt sich daraus, dass auf dem merovingischen Gräberfeld in karolingischer Zeit schlichte Bauten errichtet waren, d. h. dass dort eine karolingische An- siedelung bestanden hat.

Diese Ansiedelung hat sogar jene Zeit überdauert, aus welcher wir die ersten Urkunden über Sindlingen besitzen, das Ende des 8. Jahrhunderts. Die früheste derselben ist ausgefertigt „im 29. Regierungsjahre des Königs Karl (des Grossen)", stammt also aus dem Jahre 797. Sie ist gleich der folgenden abgedruckt in Sauers Nassauischem Urkundenbuch I (Wiesbaden 1886) und soll hier nicht wiederholt werden. Nach ihrem Wortlaute lag Sind- lingen damals „in pago Nitachgowe", im Niddagau, und muss schon eine kleine Niederlassung gewesen sein, da es „villa" genannt wird. Auch in den folgen- den Urkunden des 9. 11. Jahrhunderts führt es den Namen villa = Dorf, oder es ist die Rede von der Mark, der Gemarkung Sindlingen; so heisst es in einer Urkunde des Jahres 889 „in Singelingero marca" und in einer solchen vom Jahre 965: „in Suntilingero marca". Bereits zu Eude des 8. Jahrhunderts bestand somit ein Dorf Sindlingen mit einer nach Ausweis der genannten Ur- kunden durchaus nicht unbeträchtlichen Gemarkuncr.

Diese Urkunden sind meistens Dokumente einer Schenkung, indem irgend- welcher Christ oder irgend eine Christin zu ihrem oder ihrer Angehörigen

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Seelenheil den Klöstern Lorsch, Fulda, Blcük^statt ihre in Sindlingen belegenen Güter ganz oder teilweise zum Ge- schenke macht; in einem Fall handelt es sich um einen Tausch solcher Güter zwischen den Klöstern Fulda und Prüm.

Eine Urkunde fehlt in dem Sauer- schen Buche und zwar eine für Sind- lingens Geschichte nicht unwichtige.") Im Jahre 826 wurden die Gebeine des heiligen Petrus und Marcellious von Rom nach Michelstadt und von da 827 nach Seligenstadt überführt. Im Jahre 830 verfasste Einhard eine Geschichte dieser Übertragung'^) „ein mit inniger Glaubenswärme, aber auch mit ermüden- der Weitläufigkeit geschriebenes, mit Wundererzählungen angefülltes Werk". Unter den Wundern, welche die Heiligen gewirkt,berichtet er auch folgendes :„Sunti- ligua dicitur villa in pago Nithagouue in quaPresbyterquidam,uomineYualtbertus, tenebat ecclesiam". Derselbe, mente cap- tus, wird in einem Anfall von Tollwut von den Mönchen gefesselt, durch die Heiligen aber von Ketten und Wahnsinn befreit.

Für uns ergiebt sich daraus, dass Sindlingen bereits um das Jahr 830 und wahrscheinlich schon früher ein Kirchdorf war.

Die weitere Geschichte des Ortes berührt uns hier zu wenig, als dass näher darauf eingegangen werden könnte; es genügt, dafür auf die historische Skizze in Grandhomme, Der Kreis Höchst (Frankfurt a. M. 1887), zu verweisen.

Von Interesse ist es dagegen auch für unsere Zwecke, die verschiedenen Wandlungen zu verfolgen, die der Name des Dorfes seit dem Beginne der schrift- lichen Überlieferung bis zu der Zeit er- fahren hat, in welcher die Bezeichnung Sindlingen auftritt. Am deutlichsten sind dieselben durch die tabellarische Zu- sammenstellung zu erkennen.

27

) Vgl. dio Boriclitijjung am Schlüsse, -") Acta Sanctorum, Juni I. 196.

59

Die Tabelle als solche bedarf keiner Erläuterung; nur zu Einzelheiten möchte ich Nachstehendes bemerken: Den besonders charakteristischen althoch- deutschen Namen „Swindelinga" habe ich dem obengenannten Werke Grand- hommes entnommen. Auf Anfrage teilte mir der Verfasser mit, dass er sich nicht mehr genau erinnere, in welcher Urkunde er denselben s. Z. gefunden habe, am ehesten käme Okriftel dafür in Betracht. Wenn nun auch ein Rund- schreiben ergeben hat, dass sich weder dort, noch in Kelsterbach, Höchst, Hattersheim, Kriftel, Hofheim, Sulzbach und schliesslich in Sindlingen selbst ältere Urkunden über letzteren Ort befinden, so habe ich doch mit Rückdicht auf die Autorität des Gewährsmannes kein Bedenken getragen, den Namen „Swindelinga" als urkundlich feststehend zu verwerten.

Die Bezeichnungen in der Tabelle sind nur flüchtig aus den Urkunden des Sauer'schen Buches exzerpiert; es ist also sehr wohl möglich, dass ältere Namen auch später noch vorkommen, denn mir kam es im wesentlichen nur darauf an, die neu hinzutretenden Wandlungen des Ortsnamens und das erste Auftreten des Namens Sindlingen zu veranschaulichen. Bis zum 15. Jahrhundert sind zu diesem Zwecke Urkunden, für die Folgezeit lediglich die zahlreichen Karten von Frankfurt und Umgegend benutzt, welche das Frankfurter historische Museum besitzt. Sie zeigen, dass zunächst im 18. Jahrhundert, um 9 Jahr- hunderte zurückgreifend, das Wort Singlingen, daneben aber schon „Sindlingen" auftaucht; zu Anfang des 19. Jahrhunderts verschwindet auch die Bezeichnung „Singlingen" und es bleibt nur der heute übliche Namen zurück: „Sind- lingen".-')

Das erste und das letzte Kapitel, welche die Behandlung des neuentdeckten fränkischen Gräberfeldes zwischen sich schliessen, sie gewissermassen umrahmen, haben gezeigt, dass diese Entdeckung eine Lücke in der bisher bekannten Ge- schichte Sindlingens ausfüllt. Wir wussten, dass Sindlingen von altersher wegen seiner günstigen, einzigen Lage an einem wichtigen Flussübergang be- siedelt gewesen sein muss (Kap. L), wir wussten, dass in der Zeit etwa des 4. und 5. Jahrhunderts eine vorfränkische Niederlassung dort bestand (Name) und wir wussten endlich, dass viele Jahrhunderte später, zur Zeit, da schon die Urkunden beginnen, ein karolingisches Dorf dort gelegen hat, aber die zwischenliegende Zeitspanne des 6. und 7. Jahrhunderts blieb dunkel und verschleiert. Der in den letztvergangenen Jahren blossgelegte Friedhof hat diesen Schleier gelüftet, er hat uns zugleich unzweifelhaft die Existenz der be- deutendsten Ansiedelung enthüllt, die im Altertum jemals in Sindlingen bestanden hat: In der Zeit der fränkischen, rheinaufwärts strebenden Masseneinwanderung wurde auch Sindlingen von diesem Strom überschwemmt und in eine ansehnliche merovingische Niederlassung verwandelt; erst über ihr erhoben sich dann die

-^ Bekanntlich giebt es noch einen (Jrt gleichen Xamens in ^Vürttemberg (Uberamt Herreubergj, der urkundlich zuerst 1152 erwähnt wird.

60

einfachen Bauten der karolingischen Zeit, die nicht mehr nur aus Denkmälern der Kunst und des Handwerks, sondern bereits aus Urkunden zu uns spricht.^")

^"j Um in meiner Beurteilung de3 grossen Sindlinger Gefässes (X. 5979) und seiner drei Verwandten nicht missverstanden zu werden, möchte ich folgende nachträgliche Be- merkung anfügen: Die Untersuchung der Glasur konnte erst vorgenommen werden, nachdem die vorliegende Arbeit nahezu fertig gedruckt war; wenn auch ihr Ergebnis sich dem Texte noch im wesentlichen einverleiben Hess, konnten doch weitergehende Erörterungen keinen Platz mehr finden. .Sie sollen daher an dieser Stelle wenigstens einigermassen nachgeholt werden. AVenn ich im Texte sagte, dass meines Wissens Bleiglasur in der antiken Keramik mit Ausnahme des Orients bisher nicht nachweisbar sei, so meinte ich damit: Bleiglasur in solchem Umfange und in solcher Verwendung. Wir sind ja trotz der verdienstvollen und erfolgreichen Forschungen Mazards, Masners u. a. auf diesem Gebiete immerhin noch recht unzureichend unterrichtet. So viel aber steht auch jetzt schon fest, dass d'e Glasur im Altertum fast ausnahmsweise lediglich zu dekorativen Zwecken Verwendung fand, dass allein die Römer und auch sie nur in schwachen Anfängen ihre praktischen Vorteile zur Ver- ilichtung des porösen Tboues erkannten und verwerteten. Da nun die Sindlinger Vase sicher kein römisches Fabrikat ist, da sie aber trotzdem eine keineswegs dekorative, sondern rein praktische, für die Aufnahme von Flüssigkeiten berechnete Innenglasur aufweist, so kann sie nach dem heutigen Stande unserer Kenntnisse nur nach römischen, wahrscheinlich modernen, Ursprunges sein. Wann sie entstanden ist, lässt sieh mit unseren Mitteln nicht bestimmen. Mit Rücksicht auf ihre antike Form könnte man, wie es geschehen ist, an die Zeit der Re- naissance denken; dem steht aber wieder die äusserst flüchtige Bemalung entgegen, ferner der Umstand, dass ähnliche Gefässe heute noch in Italien fabriziert werden und schliesslich die Thatsache, dass die Form der drei Verwandten der Sindlinger Vase bei weitem weniger antik anmutet. Wir werden uns also damit begnügen müssen, die Vermutung auszusprechen, dass die bis jetzt bekannten Gefässe dieser Art Erzeugnisse vielleicht des 17. oder 18. Jahrhunderts sind, dass sie aus Italien stammen und von da auf dem Wasserwege nach den rheinischen Städten gelangten, wo sie gefunden wurden. Die Sindlinger Vase wird Herr v. Schweitzer- Alesina während seiner Reise gleichfalls in Italien erworben und als Dekorationsstück in seinem Garten in Sindlingen aufgestellt haben. Sie geriet durch einen Zufall in die Erde oder sie war vielleicht zu irgend welchen Zwecken in dieselbe eingelassen, wurde am Anfange unseres Jahrhunderts dort ausgegraben und galt aus diesem Grunde als antik.

Berichtigung.

Auf S. 5S ist insofern ein Irrtum untergelaufen, als ich daselbst behaupte, in dem Sauer 'sehen Urkundenbueh fehle eine für Sindlingen wichtige Urkunde. In Wirklichkeit handelt es sich hier aber nicht um eine Urkunde, sondern um eine Schrift Einhards, die von Sauer naturgemäss unberücksichtigt bleiben musste. Es soll an jener Stelle nur gesagt sein, dass die EinhanFsche Schrift bezüglich der Geschichte Sindlingens eine wichtige Er- gänzung zu den von Sauer zusammengestellten Urkunden bietet.

Nachtrag zu der Abhandlung:

Die Herren von Beilstein und Greifenstein.

Annal. XXVIII, S. 1—52.

Von

Dr. W, Sausr^

Kgl. Arcbivrat.

I. S. 10 hatte icli die Vermutung ausgesprochen, dass in dem von Eltester im Mittelrh. Urk.-Buche III, No. 34 veröffentlichten Berichte über die Gründung des Klosters Marienstatt statt „Ludolphi" de Grifenstein „Rudolfi" zu lesen sei.

Die Richtigkeit dieser Vermutung bestätigt das mir inzwischen be- kannt gewordene Original dieses Berichtes, das richtig „Rudolfi" hat. Ebenso hat auch der älteste Druck der Transplantatio bei Jongelinus, Notitia abbatiarum ord. Cisterc. II, 35, den der Herausgeber des Mittelrh. Urk.-Buches übersah, die richtige Leseart Rudolfi. Nicht derselbe mit diesem Rudolf von Greifenstein ist ein zweiter Rudolf, dessen das Marien- statter Nekrologium zum 24. Januar mit den Worten gedenkt: Item Rodolfus de Gryfensteyn, qui legavit XXX marcas; die Eintragung ist von einer Hand des 14. Jahrhunderts. Wenn dieser Rudolf dem Edel- geschlechte Greifenstein angehört hätte, würde die Eintragung eine andere Fassung erhalten haben.

Die Stelle des Nekrologs ist in der Marienstatter Deduktion Un- grund etc. in soweit unrichtig mitgeteilt, als sich dort statt Rudolti „Adolphi" findet.

II. Zu S. 19. Bei Moser, Staatsrecht der Grafschaft Sayn S. 447 ist eine Urkunde von 1341, März 30 betr. die vormals Greifensteiner Leute im Dilheimer Cent, angeführt.

m. Zu S. 21. Bei Christian von Greifenstein habe ich dessen Eintragung in das Totenbuch des Stifts Gerresheim bei Düsseldorf zum 24. Januar: „Obiit Cristianus de Gripinsteyne qui contulit VL sumbrinos siliginis in Volkirdien" übersehen.') Dass unser Christian von Greifenstein ge-

') Arohiv für die Geschichte des Niederrheins VI, -S. 92.

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meint, ist unzweifelhaft, da das Marieustatter Nekrolog seinen Tod zum 23. Januar hat.

Der Hof, auf welchen Christian von Greifensteyn die Gülte anwies, ist der Hof Volkardey in der Bürgermeisterei Erkamp, Kr. Düsseldorf, als dessen Besitzer wir Christian ansehen können, ohne dass der Nachweis möglich wäre, wann und wie dieser Zweig des Hauses Greifenstein in den Besitz des Hofes gelangte. Denn dass der Hof nicht ein besonderes, etwa zufällig erworbenes Besitztum Christians war, sondern Gesamtgut des Geschlechts, ergiebt sich aus der weiteren Eintragung") in das oben genannte Nekrologium zum 2. Juni: „Obiit Philippus canonicus, qui con- tulit VI. surabrinos siliginis presentibus de bonis in Volkardie". Philipp ist vermutlich identisch mit dem Annal. XXYHI, 20, 21 besprochenen, urkund- lich 1207 1306 vorkommenden Kölner Domkanonikus Philipp von Greifen- stein, den ich dort somit wohl mit Recht als den Bruder des Christian angeschen habe. War Philipp von Greifenstein Mitbesitzer des Hauses Volkardey, so haben wir eine Erklärung dafür, dass er am 29. April 1306 bei der Gründung des Kollegiatstifts Düsseldorf als Zeuge anwesend war, ebenso wie Alexander von Linnep. Das Gerresheimer Nekrologium führt mehrere Personen auf, welche Memorienstiftungen aus dem Hofe Vol- kardey machten, so zum 3. Mai den miles Christianus, zum 16. Juli den miles Burchardus.^) Da auch sie somit Besitzer des Hofes waren, können wir vermuten, dass sie dem Geschlechte Greifenstein angehörten, wenn auch die Einordnung in die Stammtafel nicht möglich ist.

Über weitere Besitzungen der Herren von Greifenstein im Bergischen, insbesondere in der Umgegend von Düsseldorf, habe ich nichts ermitteln können. Dass sie dort eine längere Zeitdauer hindurch Besitzungen ge- habt haben müssen, können wir aus ihren Beziehungen zum Stift Gerres- heim abnehmen, in welches während des 13. und 14. Jahrhunderts jeden- falls Töchter des Geschlechts Aufnahme gefunden haben.

Vermutungsweise können wir dem Geschlechte ausser dem Hofe Volkardey vielleicht auch den adligen Sitz Grifgenstein bei Eggerscheid im Kreise Düsseldorf, dem vorgenannten Hofe benachbart, jetzt Eigentum des Grafen von Spee, zuschreiben, der seinen Namen vielleicht von dem Geschlechte empfangen hat. Die spärlichen, erst mit dem Jahre 1542 beginnenden Nachrichten über den Sitz hat Strange, Nachrichten über adlige Familien und Güter I, S. 53, gesammelt, wiederholt bei Ferber, Rittergüter im Amte Angermund, in der Zeitschrift des Düsseldorfer Ge- schichtsvereins VH, 104. Die von Strange gemachten Angaben ent- stammen wohl dem Archive des Grafen Spee zu Heitorf; nach diesen hiess das Haus ursprünglich Grevenstein, dann 1542 Grevekenstein, in neuerer Zeit Gräfgenstein und Griffgenstein ; der Name des nahe gelegenen Grafenberg wird dazu beigetragen haben, auch den Namen Greffgenstein

*) Vom IIeriiusi,'ul)or tlos Ni'krolo;,'^ im Ari:li. f. Cieschicliti; il. Niudorrlicin.s übersohen. »j A. tt. U. Vi, <J3, '.»7.

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oder Griffgenstein dieses Adelssitzes mit dem Hause der Grafen von Berg in Verbindung zu bringen und diesen als Domäne der Grafen an- zusehen. Vielleicht ist dies das richtige, doch ist bei dem Mangel älterer Nachrichten eine Entscheidung kaum möglich und immerhin gestattet, wenigstens vermutungsweise den Namen auf das Geschlecht von Greifen- stein zurückzuführen.

IV. Zu S. 22. Bezüglich der noch nicht aufgeklärten Abstammung der Brüder Eberhard und Kraft von Limburg habe ich Abstand davon genommen, weiter wie Hillebrand zu gehen, der bezüglich dieses Punktes bei der Ansicht Arnoldis stehen blieb. Die Notwendigkeit, diese Frage, welche auch eine andere Auffassung zulässt, wie die von Arnoldi ausgesprochene, durch eine eingehende Untersuchung zu lösen, ist mir keineswegs ent- gangen. Für mich lag jedoch eine Veranlassung zu dieser Untersuchung nicht vor, da dieselbe einesteils in das Gebiet der Forschung über die Genealogie des Hauses Isenburg-Liraburg gehört, anderenteils das Er- gebnis der von mir geführten Untersuchung über den Ursprung dieses Zweiges des Greifensteiner Geschlechts durch jene Frage nicht berührt wird. Ich lasse deshalb die Frage auch jetzt als nicht hierhin gehörig bei Seite, habe aber zu erwähnen, dass mir auch von mehreren Seiten die der Ansicht Arnoldis vielleicht vorzuziehende Vermutung mitgeteilt wurde, dass die Brüder Eberhard und Kraft nicht dem Hause Isenburg- Limburg, sondern dem westfälischen Geschlechte Limburg angehören könnton. Alsdann müssen dieselben Söhne des Grafen Dietrich IH. von Limburg und der seit 1309 mit diesem verheirateten Irmgard von Greifenstein, Witwe des Heinrich Hildeger Birklin und Tochter Krafts V. von Greifenstein (vergl. S. 31, 33, 36) gewesen sein. Ein Sohn namens Eberhard aus dieser Ehe ist in der That nachzuweisen, Kraft jedoch nicht; beide hätten somit die Ansprüche auf Greifenstein auf das Erbrecht .. ihrer Mutter gestützt. V. Zu 8. 29, Note 117. In dem älteren Abdruck der Urk. von 1300, De- zember 1 bei Höfer, Deutsche Urk., No. 28, S. 58 findet sich durch Lesefehler „her Orat von Grivensteyn".

VI. Zu S. 26, Note 102. Zu der Urkunde von 1288, Dezember 11 vergl. die Aumenau betreffenden Bemerkungen des Grafen Mirbach in der Zeit- schrift des Aachener Geschichtsvereins XII, 184.

VII. Zu S. 30. In dem von König Albrecht 1306, Juli 26 abgeschlossenen Ehevertrage zwischen seiner Tochter Katharina und Herzog Johann von

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Brabant wird Kraft von Greifenstein als Verwalter des Schlosses Kaisers- werth in Aussicht genommen. Böhmer, Regg.-Alb. No. 546; v. Steinen, Westf. Geschichte I, 174. 1307, August 28 war Kraft Zeuge in einer Urkunde des Grafen Gerhard v. Jülich, vergl. Graf Mirbach a. a. 0. S. 196. Ferner Zeuge 1308, Annal. des h. V. für d. Niederrhein. 54, 33. Vm. Zu S. 31, auch 20.^

Die über den Verkauf der Herrschaft Greifenstein an Nassau-Dillen- burg vorliegende Urkunde habe ich nur kurz erwähnt.

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Mit der Hoheit über die Herrschaft gingen auch die Aktiv-Lehen der Herrschaft an Xassau-Dillenburg über, was nachträglich zu erwähnen bleibt.

Über den Lehnshof der Herrn von Greifenstein liegen nur spärliche Nachrichten vor, die es bei näherer Untersuchung jedoch wohl zulassen würden, aus dem reichen Dillenburger Lehnsarchive Genaueres über die Vasallen der Herrschaft und deren Lehnsstücke zu ermitteln und den Bestand der Vasallen zu rekonstruieren.

Ein Verzeichnis der Lehen enthält das Dillenburger Archiv. Das- selbe ist von einer Hand aus dem Ende saec. XIV auf einen 22 cm langen, 15 cm breiten Pergamentstreifen niedergeschrieben; auf der Rück- seite findet sich der Vermerk: „Vertzeichnus der lehengutter zum Greifen- stein gehorigk", von einer Hand aus dem Anfange saec. XVL

Das Verzeichnis dürfte im Jahre 1395, in welchem Graf Johann von Sayn-Greifenstein seine Rechte an Greifenstein an Nassau-Dillenburg verkaufte, aufgestellt sein. Eine Abschrift findet sich in dem im 15. Jahr- hundert aufgestellten ,.alten Dillenburger Mannbuch", nach welcher Arnoldi I, 224 einen Auszug veröffentlichte.

Das Verzeichnis folgt hier im Wortlaut:

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Griffs tei n er leben.

Die gerichte, dorffer und zenden umb den berg Gryflfstein und uff der Ulmen gelegen.

Die kirchlehin Schupach, Holzhusen, Schue, Attenhusen, Weniges- husen, Vinstern-Eschenauw, Derenbach, Werbela, die zenden da selbis da han dy Hunde von Wileburg teil ane zu lehin und mit entphangen. Johan von Crampberg hat von unrechte teil drane, want er sin kein lehins erbe ist. Die von Burpach han teil drane und nit entphangen.

Her Hilger von Langenauw hat den zenden zu Holbach zu leben.

Her Johan und her Wigant von Mudersbach hatten den zenden zu Dredorff. Ire erben han nit entphangen.

Her Gerhard und her Friderich von Seibach sint mann.

Her Friderich Toube und die Hunsbecher sinn manne.

Die kirche zu Flamersfelt, zwene zenden da selbis, die verstorben und virfallen sin Robin von Bicken, sin bruder, Johann von Coberstein, aie von Steinenbach und von Sassinrade.

Die kirche zu Daden, Griffsteiner lüde da selbis.

Die kirche zu Walderdorf, her Wilderich von Walderdorff ist man.

Her Conkel von Büdingen, Lutter Horwer, Luze von Clebergk.

Johan vomme Hane, Swarze Welter, aide Johan von Buchsecke, Gernant, Burghart und Eghart von Buchsecke, die von Girms, Lupliu, her Ruleman von Paffendorf, her Heinrich Cornegel, die von Drulshain, die Milohelini^e und Schurenslosse sin alle man.

Her Godebracht von Westerburg und die Polen, die dorffere Sperwers- heim und Hilgersheim.

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Die Rubesamen und MoltwerfFe han den zenden zu Wileburg und andere zenden. Die von Treisbach, Johan von Linden, die ^yolffeskeln, die von Rade und von Radeheim.

Volpracht Lnzelkolbe hatte den zenden zu Berchem.

Von Lehnsurkunden, welche von den Herren von Greifenstein aus- gestellt sind, ist mir nur eine bekannt geworden, ein Lehnbrief des Ger- hard n. von Greifenstein für Gotfried von Walderdorf und dessen Frau Paze vom Jahre 1315, erhalten in einer beschädigten und fehlerhaften Abschrift saec. XV. Der Lehnbrief folgt hier nach einer mir freundlichst mitgeteilten Abschrift: Ich Gerhart von Grifenstein dun kunt allen den die diesen brif ansint oder horrent lesen, daz ich han gewidimit Gotferde von Walderdorf eyme edeln knechte sin eliche wib Pazn bit also soli- cheme gude alse de selbe Godefert von mir hat zu menlicheme lene. Derselben lene des ist eyn deil gelegen zu Walderdorf und eyn del an dem zinden zu Guhoberten und ein deil an dem zinden zu Rukershusen und ein deil an den zinden zume Heynensteine und ein deil zu Rotzhusen und ein deil zu Rivelt. Umbe daz dit bit min haut und bit myme guden Willen geschihen ist, dez han min insigil an disen briv zu eime meren Urkunde gehangen. Disse brif wart gegeben da man zalte [na] gotes geburte druzinhundert vifz in deme iare, des fridages na (vor?)*) sent Johans . . . tage.

IX. Zu S. 34 bezw. 29. Die hier ausgesprochene Vermutung, dass Johann I. von Greifenstein das Gut Frankeshofen, welches er 1333, April 27*) ver- pfändete, durch seine Heirat erworben habe, kann ich als irrig bezeichnen, nachdem ich in einem Geldrischen Lehnsbuche (Msc. B. 22, fol. 81, Staatsarchiv Düsseldorf), eine von Lacomblet nicht mitgeteilte Urkunde von 1310, Mai 18 fand, durch welche Kraft V. von Greifenstein gegen ein Lehen von 100 Mark Brabanter Denare, welches er vom Grafen Reinald von Geldern empfangen hatte, diesem einen von ihm frei und eigentümlich besessenen, zum Hofe Verkenshoeve (Frankeshofen) im Kirchspiel Niederembt gehörigen Mausen setzte. Aus der hierunter im Wortlaute mitgeteilten Urkunde folgt also, dass bereits Kraft V. von Greifenstein sich im Besitze von Frankeshofen befand. Wie er das Gut erworben, wissen wir nicht. Vielleicht war es Erbgut seiner Frau, be- züglich deren in der Abhandlung selbst S. 31 die Vermutung ausgpsprochen wurde, dass sie der Kölner Patrizierfarailie Schoneweder angehörte. S. 31 der Abhandlung wurde bemerkt, dass aus den Jahren 1309 bis 1313 Nachrichten über Kraft nicht vorliegen und diese Lücke durch die Ver- mutung ausgefüllt, Kraft könne sich in dieser Zeit bei seinem Schwieger- sohne, dem Grafen Dietrich III. von Limburg, aufgehalten haben.

*) So die alte Abschrift, deren Anfertiger demnach die Stolle seiner Vorlage mit Sicher- heit nicht mehr lesen konnte.

^) Zur Sache verijl. (iraf Mirbneli a. a. 0. S. 224.

66

Die nachstehend mitgeteilte Urkunde scheint auch diesen Punkt dahin aufzuklären, dass Kraft sich in der hier in Frage stehenden Zeit im Dienste des Grafen Reinald von Geldern befand.

Der -Wortlaut der Urkunde ist:

„Universis presentes litteras visuris. Nos Graffto de Gryffensteyn miles notura esse cupiraus, quod cum dilectus dominus noster dominus R. comes Gelrensis c. marcas Brabant. denariorum iure feodi nobis con- tulerit et integraliter persolverit, nos eidem domino nostro comiti Gelrensi pro eisdem centum marcis unum mansura terre, quam pro allodio nostro tenemus et possidebimus, ex curia nostra dieta Verkenshoeve sita in parr- ochia de Neder Imne assignamus et supportamus, quem quidem mansum predictum nos et nostri successores legitimi a dicto nostro comite Gelrensi et suis successoribus imperpetuum tenebimus et possidebimus tytulo feodali. In cuius rei testimonium sigillum nostrum presentibus est appensum.

Datum anno domini M^. CCC°. X°, feria secunda post dominicam Cantate."

"Weiterhin erhielt durch Urkunde von 1331, August 14 der Knappe Johann von Greifenstein vom Grafen Reynalt von Geldern und Zütphen 100 Pfund kleiner Pfennige, einen grossen guten Tournosen des Königs von Frankreich für 16 Pfennige gerechnet, und bewies hierfür dem Grafen jährlich 10 Pfund schwerer Pfennige auf einen ihm bisher eigenen, jetzt Lehen des Grafen gewordenen Hof in Emmervelde. Die Wiederlage geschah vor Gordaeli, dem Amtmann des Johann von Greifenstein, und benannten Geschworenen zu Yerkenhoeven.

X. Zu S. 35. Über den Ausgang dieses Zweiges der Herren von Greifen- stein finden sich bei Strange, Genealogie der Herren von Bongartz, S. 14, Mitteilungen aus dem Archive der jetzt erloschenen Freiherrn von Bon- gartz, auf welche Herr Rosenkrantz mich aufmerksam machte. Hier- nach verheirateten Ruprecht von Greifenstein und seine Frau Agnes ihre Tochter Elisabeth im Jahre 1408 mit Johann Frambach von Wyer, dem hierdurch der Güterbesitz der Greifenstein in der Grafschaft Jülich Roprechtz guede van Gryffensteyne zu Patfendorf und Berkenhoeven, Berger- hof bei Hüchelhoven, beide im Kreise Bergheim zufiel. Das Gut war ein der Abtei Essen gehöriges Pachtgut, deren Archiv leider keine Nachrichten über dasselbe aus der in Betracht kommenden Zeit, durch welche die über diesen Zweig vorliegenden Nachrichten Ergänzungen finden könnten, mehr enthält.

Die Niederlassung der Herren von Greifenatein in der Grafschaft Jülich hat wohl Kraft von Greifenstein begründet, der 1295, September 8 sein Gut zu Leude::dorf dem Grafen Walram von Jülich zu Lehen auf- trug, vergl. S. 27 meiner Abhandlung. Die Veranlassung zu dem Ein- tritte Krafts in den Dienst der Grafen von Jülich ist nicht ersichtlich. Krafts Beziehungen zu den Grafen von Jülich sind, wenn nicht vermittelt, so doch jedenfalls dadurch sehr gefördert worden, dass diese gerade so

A. J. Hofmann, Präsident des rheinisch-deutschen Nationalkonvents zu Mainz,

Seine Sendung nach England in den Jahren 1793, 1794, 1795 nebst einigen anderen Nachrichten über sein Leben.

Von

Fr* Otto»

Die Berichte und Briefe, welche hier mitgeteilt werden sollen, befanden sich im Besitze des bekannten Altertums- und Geschichtsforschers Habel, dem sie mit anderen Papieren von den Erben Hofmanns geschenkt worden waren, und gehören jetzt dem Neffen Habeis, dem Kreisrichter Conrady zu Milten- berg, von dem sie durch Yermittelung des Pfarrers Conrady der Verfasser der folgenden Zeilen zugleich mit der Erlaubnis sie zu veröffentlichen in höchst uneigennütziger und dankenswerter Weise erhalten hat.

Die Thatsache, welche sie berichten, ist schon für die allgemeine Geschichte wichtig genug, in Hofmanns Leben aber bildet sie eine höchst interessante, wenig bekannte und bedeutsame Episode. Dieselbe war zwar schon durch Hoff- mann von Fallersleben 1868^) und später durch K. Reuters Schriftchen „Er- innerung an A. J. Hofmann, Wiesbaden 1884", aber nur in kleineren Kreisen, wie es scheint, bekannt und beachtet worden. Ihre Erzählungen stützen sich auf mündliche Mitteilungen Hofmanns, den sie persönlich kannten und bei ihren Besuchen gern über seine frühere politische Thätigkeit ausfragten. Nunmehr finden sie durch eigene Aufzeichnungen Hofmanns und andere Dokumente Bestätigung, mehrfach auch Berichtigung oder Erweiterung und nähere Be- stimmung, wie unten nachgewiesen werden soll. Wir schicken zum besseren Yerständnis einiges über das frühere Leben Hofmanns voraus; auch dafür war es möglich, aus den von ihm hinterlassenen Papieren, namentlich aus einem knappen, von uogeübter Hand und inkorrekt geschriebenen und in unbeholfener Darstellung abgefassten Lebensabriss aus dem Jahre 1848, einige neue That- sachen zu gewinnen. Über sein späteres Leben gaben uns einige Briefe u. a. erwünschten Aufschluss.

'J Mehl Leben IV, S. 102.

78

Andreas Joseph Hofmann war geboren in Zell bei Würzburg am 14. Juli 1752. Seine Studien machte er unter Leitung seines Oheims Franz Xaver Fahrmann, welcher, nur wenig älter als der Netfe, ein würdiger Geistlicher, zugleich Professor der Moraltheologie an der Universität zu Würzburg und seit 1789 Weihbischof daselbst war.') Nachdem er in Erlangen, wo er seine Studien vollendete, promoviert hatte, liess er sich als Privatdozent an der Universität zu Wien nieder, wo die wissenschaftlichen Studien soeben durch den Einfluss seines Landsmannes M. J. v. Hess') einen neuen Aufschwung genommen hatten; vielleicht war dieser selbst die Ursache, dass Hofmann sich nach Wien wandte, da Hess seinem Fortkommen infolge seiner angesehenen Stellung förderlich sein konnte; mehr noch mochte den unruhigen, ganz und gar der Aufklärung des Jahrhunderts huldigenden jungen Mann die eben begonnenen und noch erwarteten Neuerungen des Kaisers Joseph, welche Österreich fast umgestalten sollten, an- locken. Und in der That entfaltete er alsbald in Wien eine grosse, mehr po- litische als wissenschaftliche Schriftstellerei in den öffentlichen Blättern, welche ihm in der Folge die anfangs günstigen Aussichten in jenem Lande vereitelte. Es war damals die Organisation des gesamten Unterrichtswesens in den eben durch die erste Teilung Polens erworbenen Ländern Galizien und Lodomirien im Werk*) und Hofmann die Stelle eines Professors an der neu zu errichtenden Universität zugedacht, welche denn auch, aber erst 1784, zu Lemberg eröffnet wurde; aber infolge seiner aufreizenden politischen Thätigkeit erhielt er jene Stelle nicht nur nicht, sondern er wurde sogar aus Österreich ausgewiesen und musste froh sein zunächst eine Stelle als Hofrat im Dienste des Fürsten von Hohenzollern-Hechingen zu finden. Bei der Reorganisation der Mainzer Uni- versität im Jahre 1784 wurde er als Professor der philosophischen Geschichte (seit 1791 auch des Naturrechts) berufen; er las auch über englische Sprache'), eine Verbindung von zwei grundverschiedenen Wissenschaften, die uns unver- ständlich erscheint, damals aber an den kleineren Universitäten nicht selten

vorkam.

Dass Hofmann von den revolutionären Ereignissen und Lehren, welche seit dem Jahre 1789 von Frankreich ausgingen, mächtiger als andere ergriffen wurde, ist bei seinem leicht erregbaren Naturell und seiner ganzen Richtung leicht begreiflich; fortan liebte er es nicht nur in seinen Vorlesungen auf die neuen Theorien Bezug zu nehmen und in welchem Sinne, ist nicht zweifel-

*) Geboron den 8. November 1747 in Zell, gestorben den 6. Februar 1802; vgl. Wegelo, Oeschichto der Cniversitiit NVürzburg I, S. 456. Er schrieb: Theologisches Gutnchten über dio Bahrdt'sche Übersetzung des neuen Testamentes 1778; vgl. Werner, Geschichte der katho- lischen Theologie, S. 234.

') Hess, geboren 1746 zu Würzburg, war von 1774 1776 Lehrer an der Wiener Uni- versität und eine einflussroiche Fersöiilichkoit; vgl. v. Arneth, Geschichte Maria Theresias IX, 221, 264.

') V. Arneth, 1. c. X, 76.

') Briefe aus Mainz, während der Restaurationsteierlichkoiten der Universität vom 15. bis 19. November 1784 geschrieben, S. 89. In dem kurmiunzischen Staatskalendor von 1789 ist er als Heisitzor der [)hiloso[iliisrli-historisclien l'ukultüt und (.rdinitliclior Loiirer der philostjphisclien Ge.ichiclito autgeluhrt.

69

Im einzelnen ist bezüglich dieser Wappen Folgendes zu bemerken:

I.

Das Mittelschiff enthält in den Jochen 4, 5, 6, 7 Wappcnschilde.

a) Die in den Jochen 4 und 5 angebrachton "Wappen sind die des Grafen Gerhard IL von Sayn (1417 1493) und seiner Gemahlin Elisabeth von Sirk-Menzberg, f 1489 Juli 20, deren Grabdenkmal sich in der Kirche selbst befindet.

Aus der Lebenszeit der Genannten sowie dem Umstände, dass beide Wappen nicht ausgemeisselt, sondern in Farben ausgeführt sind, ist zu schliessen, dass diese später wie die in den sonstigen Schlusssteinen befindlichen Wappen angebracht sind. Für einen etwaigen Schluss auf die Zeit der Erbauung der Kirche geben diese Wappen deshalb keinen Anhaltspunkt und kommen somit für die vorliegende Untersuchung nicht in Betracht.

b) Das im Schlussstein des Joches 6 befindliche Wappen, der in Gold und Rot achtmal geständerte Schild (gekerbtes Kreuz), gehört dem Geschlecht von Mudersbach an.

Eine Yermutung, an welchen Herrn von Mudersbach das Wappen erinnern soll, ist nicht aufzustellen. Möglich wäre es, dass es auf die Bauthätigkeit des Abtes Bernard von Mudersbach, der urkundlich 1381, 1382 nachweislich ist, hinweisen soll. Glieder des Geschlechts von Mudersbach nennt das Nekrologium des Klosters Marienstatt öfters. Zum 23. März sind eingetragen Ludewicu8 de Muderspach et Alveradis uxor eins, de quibus habemus plus quam ducentas marcas. Sollte dieses sehr reiche Geschenk nicht für den Kirchenbau, das grösste Unternehmen des Klosters, Verwendung gefunden und dem Wappen des Geschenkgebers einen Platz in der Kirche gesichert haben? Zu einer bestimmten Behauptung fehlen jedoch urkundliche Nachrichten.

c) Das Wappen im Schlussstein des Joches 7 ist dasjenige, auf welches Kröll zuerst aufmerksam machte und welches ich in meiner Abhand- lung irrig für das Heinrich's IL von Hachenburg hielt. Zweifellos bleibt es, dass der Schild das Wappen des Hauses Hachenburg-Greifenstein oder eines der Geschlechter, welche gleichen Xamens mit diesem Hause sind, darstellt.

Den Schild aber ohne weiteres dem Hause Hachenburg zuzusprechen, geht doch nicht an ; die Wappenfarben dieses früh ausgestorbenen Ge- schlechtes sind nicht bekannt. Da, wie die nachfolgende Untersuchung ergiebt, sämtliche Wappen der Schlusssteine dem Anfange des 15. Jahr- hunderts angehören, können wir dasselbe dem bereits 1328 ausgestor- benen Stamme Hachenburg-Greifenstein auch nicht mehr beilegen.

Namentlich bleibt es in Rücksicht auf diesen Umstand ausgeschlossen, Christian von Greifenstein 1297, 1305 oder dessen Bruder, den Abt Wigand 1297—1328 als den Träger des Schildes anzusehen; in Bezug auf letztere Annahme ist ausserdem zu bemerken, dass aus «geschieht-

70

liehen Gründen die Führung des persönlichen Wappens duroh den Abt in jener Zeit wenig wahrscheinlich ist, namentlich die Anbringung des- selben in der Kirche damals nicht Gebrauch war.

Endlich verrät in ÜbereinstinHUung mit dem Gesagten Stil und Zeich- nung des Wappens unzweifelhaft den Anfang des 15. Jahrhunderts.

Nach allem diesem halte ich es für völlig unzulässig, das Wappen dem 1328 erloschenen Stamme Hachenburg- Greifenstein beizulegen. Hierdurch werden wir darauf gewiesen, den Träger des Schildes unter den Westerwälder Geschlechtern, welche mit dem genannten eines Stammes sind und den gleichen Schild fuhren, zu suchen.

Yon diesen Geschlechtern habe ich Annal. XXVIII, S. 39 ff. die mir bis dahin bekannt gewordenen zusammengestellt. Soweit die Farben dieser Geschlechter bekannt sind, findet sich unter diesen keines, dessen Schildfarben mit denen des hier in Frage stehenden Wappens über- einstimmen. Am nächsten steht wohl die ältere Linie der Herren von Gevertshagen, welche die Raute silbern in rotem Felde führte.

Da also die Entscheidung der Frage auf diesem Wege nicht herbei- zuführen ist, bleiben wir auf Vermutungen angewiesen.

Dass das Wappen dem Anfange des 15. Jahrhunderts angehört, ist mit dem Hinweise, dass der Beweis hierfür dem Folgenden zu ent- nehmen ist, bereits bemerkt.

Vermutungsweise sehe ich dann als den Träger des Wappens an den vor 1417 August 15 wie sich ergeben wird, wohl am 12. April verstorbenen Henne von Wyngerdorf, dessen Bruder Arnolt von Wyngerdorf mit seiner Frau Neese an dem angegebenen Tage die testamentarische Bestimmung ihres Bruders bestätigt, durch welche dieser dem Kloster Marienstatt »mit name zu dem buwe daselbs" den halben Hof zu Heelden by der lynden im Kirchspiel Wissen zu- wies. Arnolt siegelt mit den 3 schrägrechts gestellten Rauten, im oberen Teile des Schildes als Beizeichen drei Lilien oder Gleven, in dem unteren Teile sind noch zwei Gleven deutlich sichtbar, während in Wirklichkeit drei vorhanden sein können.

Über dieses in Wingendorf, Bürgermeisterei Kirchen im Kreise Alten- kirchen, ansässig gewesene Geschlecht ist mir weiteres nicht bekannt und kann ich nicht ermitteln, welcher Zweig jener grossen, den Rauten- schild führenden Geschlechtergruppe sich unter diesem, dem Hofe des Geschlechtes entlehnten Namen verbirgt; dass es ein Zweig der Gevertz- hagen sein kann, ist schon bemerkt. Die dieser Geschlechtergruppe gleichfalls angehörigen Herren vou Langenbach hatten in demselben Kirchspiel Kirchen ihren Sitz Sassenroth, doch stimmt deren Wappen mit dem vorliegenden nicht überein, vergl. Annalen a. a. 0. S. 42.

Auf welchen Bau die Schenkung sich bezog, ist in der Urkunde nicht gesagt, dass es aber ein sehr beträchtliche Kosten verursachender Bau von besonderer Bedeutung für das Kloster v/ar, lässt sich aus der Erheblichkeit der Schenkung abnehmen.

o

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Diese Schenkung ist gewiss dieselbe mit der Schenkung aus demselben Ilofe, die sich im Nekrolog des Klosters zu April 12, wohl dem Todestage des Schenkers, mit den Worten: obiit Johannes de WyngerdorfF, qui legavit operi VII. albos perpetui census cedentea in parrochia "Wyssen" eingetragen findet und welche der den Geschenk- geber überlebende Bruder Arnold von Wyngerdorf ergänzte, wie die Eintragung in das Nekrologium zu seinem Todestage Januar 20 mit den Worten obiit Arnoldus de Wyngerdorf, qui legavit perpetuo tres albos de bonis zo der Helden" erweist.

Nach der Urkunde von 1417 August 15 gab Arnold von Wingen- doif das Legat zu dem buwe, nach dem Nekrologium operi.

Welcher Bau im ersten Viertel des 15. Jahrhunderts, dessen Gönner und Beförderer durch Anbringung ihrer Wappen an den Schlusssteinen der Gewölbe der Kirche gekennzeichnet wurden, kann mit dieser Bezeichnung gemeint sein? Die mehrfach im Nekrologium erwähnten, schlechthin mit den Worten „ad structuram" bezeichneten Schenkungen geben keinen sicheren Anhaltspunkt zu einer näheren Ermittelung der einzelnen Bauten, da der Bau nicht näher bezeichnet und die Zeit der Schenkung nicht festzustellen ist. Eine Ausnahme macht hier nur die zum 6. Mai eingetragene Schenkung des Schultheissen Gerhard von Hachenburg für den Bau des Dormitoriums. Dieser Gerhard ist ur- kundlich in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts nachweisbar. Es besteht aber kein Hindernis, diese sonstigen Schenkungen in den An- fang des 15. Jahrhunderts zu versetzen, in dieselbe Zeit, in welcher die Brüder von Wingendorf ihre datierbaren oben genannten Schenkungen machten. Ebenso kann die vorhin erwähnte erhebliche Schenkung Ludwigs von Mudersbach ohne Anstand in diese Zeit gesetzt werden, da ein solcher gegen Ende des 14. Jahrhunderts urkundlich genannt wird.

Endlich soll gleich erwiesen werden, dass in eben dieselbe Zeit auch die Wappen in den übrigen Schlusssteinen gehören. Somit sind wir zu der im Vorstehenden bereits angedeuteten Annahme berechtigt, dass alle diese Wappen die Erinnerung an die Förderer eines und desselben grossen Baues erhalten sollen. Und fragt man, welcher Bau dies war, so giebt der Ort, an welchem diese Wappen eingemeisselt sind, die Schlusssteine der Gewölbe des Langhauses, die einzig mögliche Antwort, dass das Langhaus der Kirche aus den Spenden der Träger dieser Wappen fertiggestellt und zum Abschluss gebracht wurde.

Nachdem im Bisherigen die Wappen des Mittelschiffes besprochen sind, gehen wir zur Untersuchung der Wappen in den Schlusssteinen des südlichen Schiffes über.

Während die Wappen des Mittelschiffes adligen Geschlechtern an- gehören, vertreten die des südlichen und zum Teil die des nördlichen Schiffes bürgerliche Geschlechter der Stadt Hachenburg-.

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II.

Im südlichen Schiffe führen die Schlusssfeine der Gewölbe 4, 5, 6 "Wappen und zwar: a) Gewölbe 4 in gotischem Vierpass ein von einem Engel gehaltenes Allianzwappen, welches, wie die Vergleichung unzweifelhaft macht, von derselben Hand gearbeitet ist, welche die gleich zu besprechenden Wappen in den Gewölben 5 und 6 des nördlichen Seitenschiffes fertigte. Es folgt hieraus die für die Untersuchung wichtige Thatsache, dass diese 3 Wappen, die sämtlich im Yierpass ausgeführt sind, zu ein und derselben Zeit angebracht wurden.

Das jetzt zu besprechende Allianzwappen hat rechts den Schild des Mannes: in blauem Felde der vordere Körper eines Storches in natürlichen Farben weisses Gefieder, roter Schnabel ; links den Schild der Frau: in rotem Felde drei schrägrechts gestellte silberne Teller, auf jedem derselben ein eisernes (schwarzes) Dolchmesser. Mit dem erstbeschriebenen Wappen (dem Storch) siegelt 1429 Dezember 26 Godart von Yngellenbach, Priester, zu Hachenburg wolnhaft; es ist somit das Wappen des Hacheuburger Bürgcrgeschlechts Ingellenbach oder von Ingelnbach, welches seinen Namen von dem Dorfe gleichen Namens bei Altenkirchen führt. Ausser dem Genannten kennen wir aus diesem Geschlechte Dietrich, 1404—1409 x^bt zu Marienstatt selbst; Godert, 1422 1429 Rentmeister des Junkers von Sayn und Beisitzer des Gerichts zu Hachenburg, sodann als besondere Wohlthäter des Klosters, zu welchem das Geschlecht wegen des oben genannten Abts Dietrich enge Beziehungen unterhalten haben muss, aus den Ein- tragungen in das Nekrologium zu:

^pril IQ Obiit Else von Yngelenbach, dedit florenum ad fabri-

cam, Hengen und Fygen van Ingelenbach supersunt. Mai 28 obiit Meffart de Ynglenbach et Fya uxor eins qui de- derunt YI. albos.

August 18 Item Mechtyldis de Ingelbach, que benefecit nobis.

November 22 Item Peter von Yngelenbach et Grete sine huysz- frowe und Else sine moder, dederunt bovem et YI. albos ad fabricam. Leider fehlen zu diesen vier Schenkungen die bezüglichen Urkunden, sodass die Feststellung des Zeitpunktes derselben nicht möglich ist. Wie die beiden zu April 16 und November 22 verzeichneten werden auch die übrigen ad fabricam also wohl zum Kirchenbau ge- macht sein. Unentschieden muss es bleiben, welches der beiden vor- genannten Ehepaare Ingelnbach, ob das zu Mai 28 oder November 22 im Nekrolog eingetragene, Geschenkgeber und Inhaber des Wappens sind, da sich aus dem Wappen nur das Geschlecht, welchem die Frau angehörte, feststellen lässt. Es ist dies dasselbe W'appen, welches wir, wiederum als Wappen der Frau verbunden mit dem des Mannes und von demselben Künstler verfertigt, in dem Gewölbe 6 des nördlichen

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Seitenschiffes finden; hier drängt sich die Vermutung auf, dass diese beiden Schilde die zweier Schwäger, deren Frauen Schwestern waren, sind ; wir kommen darauf zurück. Dann ist dasselbe als Einzelwappen im Gewölbe 5 des südlichen Seitenschiffes, von derselben Hand wie die Wappen im Gewölbe 6 daselbst und im Gewölbe 4 des nördlichen Schiffes, mit diesen also gleichzeitig angefertigt, b) Das Wappen im Joch 5 zeigt in rotem Felde drei schrägrechts gestellte silberne Teller, auf jedem ein schwarzes Dolchmesser, in der Axe wiederum schrägrechts gestellt; dürfen wir die eben ausgesprochene Vermutung weiterführen, so ist es das Wappen des Schwiegervaters der Träger der eben besprochenen Allianzwappen.

Geführt wurde dieses Wappen, wie die vorhandenen Siegel beweisen, von einer bürgerlichen Familie von Goldershofen (Gollershofen bei Flamersfeld), welche uns im Anfange des 15. Jahrhunderts zu Hachen- burg und Altenkirchen begegnet. Wir kennen von derselben:

Paul von Goldershofen, seit 1420 als Schöffe zu Hachenburg, hier aber nicht mehr 1442 erwähnt, siegelt 1420 Oktober 29 mit dem beschriebenen Wappen. Mit seiner Frau Cryssem giebt er 1431 Januar 27 ein Gut zu Mamelshusen, welches er mit der Bürgerin Cryssem Werner zu Hachenburg in Geraeinschaft besitzt, vor dem Vogtschultheiss Thomas von Goldershofen zu Altenkirchen in Pacht, Diese anscheinend im Witwenstande lebende Frau Cryssem Werner zu Hachenburg, mit Paul von Gollershofen Mitbesitzerin des vorgenannten Gutes, ist vermutlich als dessen Schwester anzusehen; ich komme auf dieselbe zurück. Endlich ist noch die Eintragung in das Nekrologium des Klosters zum 4. Oktober hier anzuführen: obiit Paulus de Gulders- hoven et Irmtrudis uxor eius qui legaverunt XVI. florenos.

Diese Eintragung in das Nekrologium dürfte ausreichender Grund sein, das in Frage stehende Wappen diesem Paul zuzuschreiben und nicht dem zu gleicher Zeit vorkommenden Thomas von Goldershofen, da des letzteren Name im Nekrolog fehlt. Letztgenannter Thomas wird als Vogtschultheiss des Grafen von Sayn zu Altenkirchen mehr- fach erwähnt und besiegelt als solcher Urkunden von 1430 Januar 29 und 1431 Januar 27 mit dem beschriebenen Siegel. c) Das Wappen im Joch 6 dieses Schiffes zeigt auf blauem Grunde drei in Form eines Dreiecks gestellte Birnen von natürlicher Farbe, deren untere von den Buchstaben h und q in roter Farbe rechts und links begleitet ist.

Dass auch dieses Wappen einem bürgerlichen Geschlechte der Stadt Hachenburg angehört, ebenso wie

nr.

a) das Wappen im vierten Joche des nördlichen Seitenschiffes, zwei ge- kreuzte brennende Fackeln in blauem Felde, ist gleichfalls bürgerlich, doch ist bezüglich des Inhabers desselben nichts zu ermitteln. Viel-

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leicht liisst sich aber bezüglich des Trägers des erstereo, die vou tlen Buchstaben A, q begleiteten drei Birnen zeigenden, eine Yermutuag

wagen.

Die mir vorliegende Abbildung zeigt die Buchstaben in der Form h und ^; ich lasse es dahingestellt, ob die Form des letzteren Buch- stabens dort richtig gezeichnet und nicht vielmehr als 9 = us wieder- zugeben ist, sodass beide Buchstaben das Wort Henricus darstellen können. Dann könnte als Inhaber des Wappens Henricus Bruyn an- gesehen werden, dessen Tod im Xekrolog zum 3. November mit den Worten: „obiit Heynricus Bruyn de Hachenburg amicus noster familiaris, de quo habuimus plus quam ducentas marcas, eciam de eodem habuimus bona in Roide prope Salze" vermerkt ist. Jedenfalls sind diese Schenk- ungen, falls dieselben für die Vollendung der Kirche gemacht wurden, bedeutend genug gewesen, um dem Wappen des Geschenkgebers eine.. Platz in der Kirche zu verschaffen.

b) Das folgende Wappen des nördlichen Seitenschiffes im Joch 5 ist Allianzwappen eines adligen Geschlechts und, wie schon bemerkt, von demselben Künstler wie die beiden anderen im Vierpass ange- brachten, No. 4 des südlichen und 6 des nördlichen Seitenschiffes. Der rechts befindliche Schild des Mannes zeigt in rotem Felde drei neben- einander gestellte goldene Nägel, deren mittlerer ein wenig gesenkt ist.

Wir können dieses Wappen als das des Geschlechts von Hatten- rode ansehen, welches seinen Burgsitz zu Niederhattert bei Hachenburg hatte. Gerhard Dens von Hattenrode und dessen Frau Bela schenken dem Kloster Marienstatt 1422 Mai 2 ihre Hälfte des Zehntens des Hofes Kudelbach, dessen andere Hälfte das Kloster bereits besitzt; er siegelt mit demselben Wappen wie das in der Kirche befindliche. Ob er der- selbe Gerhard, dessen das Nekrologium zum 17. Dezember mit den Worten gedenkt: „Item uobilis Gerhardus de Hatteroide qui dedit nobis equum et arma sua et fuit amicus noster favorabilis", braucht nicht untersucht zu werden, da wir wohl nicht fehlgehen, wenn wir den erst- genannten Gerhard als den Träger des Wappens, welches somit frühestens im Jahre 1422 angebracht sein kann, ansehen.

Mit nicht derselben Sicherheit lässt sich das Geschlecht der Frau Bela aus deren Wappen, drei goldene Rosen in blauem Felde, er- mitteln. Die Wappen von zwei nassauischen Geschlechtern zeigen drei Rosen, deren Farben wir jedoch nicht kennen, die Cronbaum von Wilt- berg und die Bernkot von Welschenengsten. Das erstere Ge- schlecht dürfte hier kaum in Frage kommen, wohl aber das zweite, welches Besitzungen bei Iladamar hatte. Als diesem Geschlechte an- gehörig kann Bela angesehen werden; urkundliche Nachricht über sie konnte ich nicht ermitteln.

c) Es folgt als letztes Wappen das im Joch 6 dieses Schiffes befind- liche, wiederum ein bürgerliches Alliauzwappen von demselben Künstler, welcher das Wappen iin Joch 4 des südlichen und im Joch 5 dieses

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Schiffes, das zuletzt besprochene, fertigte. Schon vorhin bei der Be- sprechung des Wappens im Joch 4 des südlichen Schiffes ist die Vermutung ausgesprochen, dass die Träger dieses und des jetzt zu besprechenden Wappens Schwäger waren, da die Frauen beider, dem Hachenburger Bürgergeschlechte Gollershofen angehörig, Schwestern "•ewesen sein können. Dieser Vermutung ist hier weiteres nicht bei- zufügen und damit die Erörterung des links befindlichen Wappens erledigt ; dass zur Unterscheidung der Familien die drei silbernen Teller hier schräglinks gestellt sind, während sie sonst in dem Wappen der Familie Gollershofen immer sohrägrechts stehen, ist zur Sache nicht von Erheblichkeit. Das Wappen rechts, das des Mannes, zeigt einen rot und blau quergeteilten Schild, im oberen, blauen Felde drei Figuren, anscheinend Gleven oder Lilien in Weiss, auf Untersätze von gleicher Farbe gestellt.

Dass dieses Wappen einem Bürgergeschlechte zu Hachenburg an- gehört, dürfte wohl zweifellos sein. Doch ist es mir nicht gelungen, ein dieses Wappen zeigendes Siegel in dem Archive der Abtei Marien- statt oder an anderer Stelle zu finden, weshalb hier von w^eiterer Nachforschung Abstand zu nehmen ist.

In vorstehender Untersuchung ist bezüglich von wenigstens 8 der in Frage kommenden Wappen im allgemeinen wohl hinlänglich be- gründet w^orden, dass dieselben dem ersten Viertel des 15. Jahrhunderts angehören, von dreien derselben ist dies wohl als nachgewiesen anzu- sehen, namentlich von einem dieser letzteren, dem Allianzwappen Hattenrode-Bernkot, dass es nicht vor dem Jahre 1422 angebracht sein kann. Und dass die besonders hier in Betracht kommenden Wappen in den beiden Seitenschiffen von zwei Künstlern, aber zu ein und derselben Zeit, ausgeführt sind, ist schon bemerkt. Nach dem vorhin Gesagten kann dies nur gegen das Ende des ersten Viertels des 15. Jahrhunderts geschehen sein, um welche genauer nicht zu beirrenzende Zeit demnach die Gewölbe dieser beiden Schiffe erst fertiggestellt und mit den Wappen solcher Personen, welche sich um die endliche Fertigstellung des lange dauernden Kirchenbaues verdient gemacht hatten, abgeschlossen wurden.

Eine andere Auffassung lässt die Anbringung dieser Wappen in den Schlusssteinen dieser Gewölbe nicht zu.

Das Ergebnis dieser Untersuchung ist also, dass wenigstens diejenigen Gewölbe des Langhauses, welche mit Wappen versehene Schlusssteine haben, nicht vor dem Jahre 1422 fertiggestellt sein können. In Be- zug auf diese Teile der Kirche muss also die von Görz aufgestellte Ansicht von der Bauzeit der Kirche, die wohl alle Kunsthistoriker, wie Schnaase V, I, 498; Kugler III, 211; Reber, Kunstgeschichte des Mittelalters, S. 483, namentlich Lotz geteilt haben, eine sehr erheb- liche Abänderung erfahren, wie auch die Nachricht über die 1324 er- folgte Einweihung der Kirche doch wohl nur auf das Chor, dessen

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Bau 1243 begonnen war, zu beziehen ist. Sehr beachtenswert ist es hier, dass bereits Lotz"), auch wenn er die "Westseite der Kirche um 1324 entstehen lässt, doch auf die sehr erheblichen und charakteristischen Unterschiede aufmerksam macht, welche zwischen der baulichen Aus- führung der Kreuzgewölbe im östhchen Teile des nördlichen Seiten- schiffes einerseits und allen übrigen Teilen des Langhauses und der Kreuzflügel besteht. Auch hebt derselbe'), wenn auch unter Vorbehalt, hervor, dass die Gewölbe im Chor von Trass, hingegen die im Lang- hause von Backsteinen sein sollen.

Ob diese Umstände darauf hindeuten, dass in der That die Bauzeit des Langhauses mit Ausnahme der östlichen Joche des nördlichen Schiffes eine andere und jüngere ist, wie die des Chores, worauf ja die Wappen in den Gewölbekappen unzweifelhaft hinweisen, müsste die Untersuchung durch einen sachverständigen Techniker bestätigen.

*) Lotz a. a. 0. S. 310, 312. ") S. 310.

67

wie Kraft ein Haus in der Glockeogasse zu Köln, das Haus Donau, be- sassen. Auf welchen Rupert, den älteren oder jüngerea, die Bezeichnung Roprechtz guede von Gryffensteyn, Strange 1. c, S. 14, sich bezieht, ist zweifelhaft, doch möchte ich annehmen, dass der ältere, 1300 und 1303 vorkommende Ropert, der Sohn Krafts V., gemeint ist und also schon dieser auf dem abteilich Essen'schen Hofe zu Paffendorf gesessen hat. Da die Pachtkontrakte über den Hof fehlen, ist der urkundliche Beweis für diese Annahme nicht zu erbringen. Aber ein Indicium für die An- nahme, dass Rupert I. von Gr. etwa um 1300 in PafFendorf und sonst bei Bergheim angesessen war, entnehme ich aus dem Umstände, dass Rudolf von Reifferscheid, der in der Gegend von Bergheim mehrfach begütert war (Fahne, Reifferscheid I, 77, 121) 1303 einen Revers des Rupert I. von Gr. mitbesiegelte, vergl. meine Abhandlung S. 33. Und eben dieser Rudolf von Reifferscheid, Vater Johanns von Reifferscheid, hatte von der Abtei Essen Hof und Schulzenamt Paffendorf früher innegehabt und 1287 hierauf Verzicht geleistet, vergl. Gerss in der Bergischen Zeitschr. XH, 122. Wer den Reifferscheid auf dem Hofe folgte, ist nicht bekannt; wir wissen nur, dass die Greifenstein noch um 1408 dort sassen. Sollte da die Vermutung zu gewagt sein, dass die Greifenstein gegen Ende des 13. Jahrhunderts hier den Reifferscheid folgten und vielleicht sogar Rudolf von Reifferscheid, 1303 Mitsiegler des Ropert I. von Gr., auch dessen Schwager war? Durch Heirat des Ropert mit einer Schwester des Rudolf Hesse sich das Einrücken des ersteren in den Besitz bei Paffendorf wohl erklären. Über die Frau Ropert I. wissen wir nichts bestimmtes, meine Annahme S. 34 meiner Abhandlung, sie könne eine Kölner Patriziertochter gewesen sein, ist eben nur Vermutung; die weiter dort ausgesprochene Vermutung, dass Frankeshofen ihr Erbteil gewesen, ist durch das vorhin Gesagte hinfällig geworden.

XI. Zu S. 39. Den hier genannten, den Namen Greifenstein führenden Per- sonen ist noch beizufügen der oben unter I. aufgeführte Rudolf von Greifen- stein, dann ein Heinrich von Greifenstein, Laienbruder zu Kloster Eberbach 1366, 1370; vergl. Sauer, Nass. Urk.-Buch IH, No. 3329.

XH. Zu S. 43. Den hier aufgeführten Geschlechtern sind beizufügen : die Herren von "Wingendorf, von Wingendorf bei Kirchen, Von welchem Stamm sich Arnold von Wingendorf, der urkundlich im Jahre 1417 vorkommt, abgezweigt hat, ist nicht zu ermitteln; derselbe siegelt mit den 3 Rauten, oberhalb derselben 3, unterhalb 2 Lilien. Näheres über das Geschlecht habe ich nicht mehr auffinden können, ebenso wenig auch feststellen, ob das bei Fahne, Cleve-Jülich'sche Geschlechter T, 417, H, besprochene Geschlecht von Stein, welches 3 Rauten führt, mit dieser Gruppe von Geschlechtern zusammenhängt, was nicht unwahrscheinlich ist,

XIH. Zu S. 44, Anmerkung 291. Die Abbildung des Siegels der Ganorben

von Seibach bei Philippi ist schlecht wiederholt bei Tumbült, Westf.

Städtesiegel, Tafel 92, No. 6.

5*

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XIV. Zu S, 45, Yügte von Hachenburg. Es ist hier unterlassen worden, weitere nietleradlige Geschlechter von Hachenburg in den Kreis der Unter- suchung zu ziehen, und zwar aus dem Grunde, weil eine Stammesgemein- schaft mit den Yögten nicht vorliegt; hingegen hat Fahne, Herrn von Hövel I, 67, die Yügte von Hachenburg mit verschiedenen Geschlechtern von Hachenburg und Hackenberg in unkritischer Weise vermengt.

XY. Zu S. 48, 49. An dieser Stelle habe ich der von Kroll, Pfarrei Geb- hardshain S. 82 ausgesprochenen Ansicht, dass das Rautenwappen im Schlussstein des Joches 7 im Mittelschiff der Kirche zu Marienstatt das des Geschlechts von Gevertshagen sei, widersprochen und geglaubt, dasselbe Heinrich H. von Hachenburg zulegen zu müssen.

Da Goerz*) nur allgemein erwähnt, dass sich in den Schlusssteinen der Gewölbe Wappen finden, konnte ich auf die Sache damals nicht ein- gehen. Krölls Angabe über diese Wappen war die einzige bis dahin vorliegende; dass ich Kröll gegenüber die Ansicht zu begründen suchte, das fragliche Wappen sei das Heinrichs von Hachenburg, ist bei dem Mangel näherer Kenntnis desselben am Ende verzeihlich. Die Sache gestaltete sich für mich jedoch anders, als ich aus eigener Anschauung die Wappen in den Schlusssteinen der Gewölbe der Kirche zu Marienstatt kennen lernte und sodann dem Herrn Abte P. Dorainicus Willi daselbst Abzeichnungen dieser Wappen verdanken konnte.

Das Ergebnis der Untersuchung dieser Wappen war zunächst, dass sowohl die Ansicht von Kröll, wie auch meine über das vorbezeichnete Wappen irrig sind.

Dann aber, und darin liegt die Bedeutung dieser kleinen Unter- suchung, konnte wohl mit Sicherheit festgestellt werden, dass die durch Ausmeisselung hergestellten Wappen in den Schlusssteinen der Gewölbe der Kirche zu Marien statt erst gegen Ende des ersten Viertels des XV. Jahrhunderts angebracht sind.

Hieraus folgt dann der weitere für die Baugeschichte der Kirche wichtige Schluss, dass auch die Gewölbe selbst dann nicht früher als in der angegebenen Zeit vollendet worden sein können und somit die bis- herige Annahme, dass aus der angeblich im Jahre 1324 erfolgten Weihe") einer Anzahl von Altären auf die damalige Vollendung der Kirche zu schliessen sei, irrig ist.

Es finden sich im ganzen an 10 Schlusssteinen von Gewölben Wappen, von denen zwei gemalt, die übrigen 8 ausgemeisselt sind, und zwar im Mittelschiff die beiden gemalten und zwei gemeisselte, in jedem anderen Schiff drei gemeisselte. Die Farben sämtlicher Wappen, die noch wohl erkennbar waren, sind in neuerer Zeit aufgefrischt worden.

''j R. (ioerz, Die Alitcikirche zu Marionstatt.

^) Die Uiiterauchunjj über den «^e.icbichtlioheu AVort dieser Angabe, welche hier zu weit führen würde, denke ich duninäolist un anderer .Stolle zu geben.

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haft , sondern er begrüsste es auch mit Freuden, als die Franzosen am 21. Ok- tober 1792 unter Custine in Mainz einzogen und eine neue Ordnung der Dinge einzuführen sich anschickten; er gehörte zu den eifrigsten Mitgliedern des be- rüchtigten Klubs zu Mainz und trug wesentlich zur Verbreitung der neuen An- schauungen von Freiheit und Gleichheit durch seine öffentlichen Vorträge, die sich durch eine kräftige und populäre Sprache auszeichneten, bei, zumal er ein grosses Ansehen als Lehrer und den Ruf einer strengen Wahrhaftigkeit, Un- eigennützigkeit und Redlichkeit besass; scheute er sich doch nicht selbst mit Gefahr seines Lebens und seiner Freiheit den Ungehörigkeiten und Ausschreit- ungen der französischen Partei und Custine selbst entgegen zu treten. Dass infolge eines solchen Auftritts am 10. Januar 1793 Custine ihm am folgenden Tage mit Gefangenschaft und dem Tode gedroht hatte, war einer der Anklage- punkte, welche diesen auf das Schaffot brachten.') Schliesslich liess Hofmann sich in den rheinisch-deutschen Nationalkonvent wählen und wurde Präsident desselben, ja übernahm während des Kriegszustandes 1793 die Regierung. Noch lange blieb sein hartes Regiment und namentlich die schonungslose Ausweisung vieler Männer und Frauen unmittelbar vor und während der Belagerung von Mainz im Andenken der Mainzer.') Bei der Übergabe der Stadt am 23. Juli gelang es ihm, mit dem Konventsabgeordneten Merlin und in dessen Wagen zu entkommen. Er begab sich nach Paris, wo er von den Jakobinern als ein Mann von Verdienst und korrekter Gesinnung freundlich aufgenommen wurde und bald eine hervorragende Stellung einnahm. Aber auch hier und seinen Ge- sinnunfjsorenossen sre^enüber, welche damals in dem Besitz der Gewalt waren, behauptete er seine Unabhängigkeit und seinen Freimut, ja er scheute sich nicht, dem Minister wegen Zurückhaltung wohlverdienter Zahlung Vorwürfe zu machen.^) Vielleicht war dies Veranlassung, dass man den unbequemen Fremden, dem man sonst nichts anhaben konnte, zu auswärtigen Geschäften zu benutzen") beschloss, wozu sich bald Gelegenheit fand zum Glück für ihn, da er so der Gefahr entrückt wurde, wie andere seiner Partei, selbst ein Opfer der Schreckenszeit zu werden, welche während seiner Abwesenheit Höhepunkt und Ende erreichte.

Der im Jahre 1792 von den zwei deutschen Grossmächten gegen Frank- reich begonnene oder vielmehr aufgenommene Krieg hatte sich im Jahre 1793 zu einem Kampfe von fast ganz Europa gegen das zugleich in seinem Inneren

^) Klein, Geschichte Yon Mainz, S. 328. Thiers, Histoire de la revol. Paris 1825, V, S. 322. „Vous avez voulu faire pendre le docteur Hofraann, prcsident dea Jacobins h Mayence.''

') Aus dieser Zeit stammt ein Brief an seine Frau, die er bei Beginn der Belagerung nach ^'inkel im Rheingau geschickt hatte, vum 21. April 1793. Er zeigt den harten Mann von seiner gemütlichen Seite. Der Brief ist gedruckt in der Beilage zu den Politischen Ge- sprächen der Toten, 1793, Xo. 23, mitgeteilt von einem Gegner Hofmanns.

®) Schreiben des Ministers an H. vom 7. Dez. 1793 in Hofmanns Xachlass: .Je ne sais, citoyen, quelle est la cause de tes reproches. Tu repetes des salaires pour tes fonctions (jue tu continues d'exercer".

») Nach Ho ff mann von Fallersleben, Mein Leben lY, S. 100 tf., wurde er zuerst Kommandour eines Reiterregiments in derVondee, wo er i S. 3111 dreimal verwundet wurde.

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von den heftigsten Parteikämpfen zerrissene Land erweitert; er schien im Laufe des Jahres eine für die Koalition günstige Wendung zu nehmen, aber gegen das Ende des Jahres wurde die Frucht des Feldzugs wieder verloren."*) Es war um die Zeit, in welcher dies sich deutlicher zeigte, aber vielleicht noch nicht in seinem ganzen Umfange erkannt wurde, als bei dem französischen Minister der auswärtigen Angelegenheiten Desforgues, dem Nachfolger des am 2. Juni verhafteten Lebrun, nach der Mitte des Dezember ein Mensch namens Robin erschien, welcher angab, er sei von der englischen Regierung abgesandt, um Verhandlungen wegen des Friedens einzuleiten, und zugleich aufforderte, einen Bevollmächtigten nach England zu schicken, welcher die weiteren Vorschläge entgegennehmen solle. Mochte nun Robin, welchen Hofmanu ein enfant perdu nennt, ein Schwindler sein und ohne Vorwissen des englischen Ministers Pitt handeln (s. u.) oder seine Mitteilung auf Wahrheit beruhen, die französische Regierung ging auf die Sache ein und beauftragte am 22. Dezember den der englischen Sprache kundigen Hofmann mit der Ausführung. Derselbe reiste also am 23. Dezember unter dem xsamen Gotthold Heister von Paris ab und kam am 2. Januar 1794 über Ostende in Dover an. Weil jedoch mittlerweile die Stimmung in England infolge des Verlustes von Toulon (am 19. Dezember) und der Ereignisse im Elsass umgeschlagen war so berichtet Robin an Hofmann , musste dieser sofort unverrichteter Dinge nach Ostende umkehren. Und damit begann für ihn eine Kette von Unannehmlichkeiten, denen er sich endlich durch die Flucht entzog. Was er zu erdulden hatte, wie er sein Gepäck verlor und schliesslich durch die Bestechung der Wache seine Freiheit gewann, erzählt er selbst anschaulich in seinem Bericht, auf den wir verweisen.

Glücklich gelangte Hofmann unter dem Namen della Luca endlich nach Amsterdam und fand bei dem dortigen französischen Agenten Charles Etienne Daudibert Caille freundliche Aufnahme. Mit ihm und zugleich mit dem unter dem Namen Antoine als geheimer Agent fungierenden Caillard, welcher später französischer Gesandter am preussischen Hofe war, hielt er Rat, was zu thun sei. Aber noch ehe man zu einem festen Entschlüsse gekommen war, bekam Hofmann von dem französischen Minister den Auftrag sich abermals nach Eng- land zu begeben. Was der Zweck dieser zweiten Sendung gewesen sei, giebt der Bericht nicht an; wahrscheinlich sollte Hofmann Kundschaft einziehen über die Absichten, die Rüstungen und Streitkräfte der Engländer. Keinesfalls kann seine alleinige Aufgabe gewesen sein, was er später zu erzählen pflegte"), das schöne Ölgemälde der hingerichteten Königin von Frankreich, weil es zur Agitation gegen die französische Regierung benutzt werde, um jeden Preis zu erwerben.

Hofmann begab sich also unter dem Namen Meyer, mit einem holländischen Passe versehen, abermals nach England und langte am Anfang x\pril'-) in London an, wo er auch bis zum 2. Juni unentdeckt blieb. Während dieser Zeit pflegte

") Iläusser, Deutsche Geschichte V, S. 485.

") lieuter a. a. (>., H. 14, «rziUilt, es sei <lies unter amlern seine Aufj^abo gewesen.

"j Xurh Beilaji^e Nu. IV, er reihst ^'ielit «Icu 10. März an.

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er die Konzerte des berühmten Violinvirtuosen Joh. Pet. Salomon'') zu besuchen, welche gerade damals den Mittelpunkt des musikalischen Londons bildeten. Es war demselben nämlich gelungen den grossen Komponisten J. Haydn zu einer zweiten'*) Reise nach London zu bereden, um daselbst einen Cyklus alter und neuer Kompositionen in seinen Konzerten vo' zuführen. Ilaydn verweilte da- mals vom 4. Februar 1794 bis zum 15. August 1795 in England. Ilofmann also besuchte diese Konzerte öfter.'*) An jenem 2. Juni fanden sieh daselbst auch die zwei Söhne des österreichischen Ministers in Belgien Grafen Metternich ein. Der ältere von ihnen, geboren am 15. Mai 1773, war der spätere Kanzler Fürst Clem. Wenz. Metternich. Die beiden Brüder hatten im Jahre 1788 die Universität Strassburg bezogen, dieselbe aber nach der Krönung des Kaisers Leopold 1790 mit der kurz vorher wieder neubelebten Universität Mainz ver- tauscht, wo sie u. a. auch die Vorlesungen von Hofmann hörten, „welcher die- selben mit Anspiegelungen auf die Emanzipation des menschlichen Geschlechts, wie sie unter Marat und Robespierre so gut in Gang gebracht worden waren (so heisst es in Metternichs nachgelassenen Papieren), zu verfechten sich be- fliss*. Gegen Ende des Winters 1794 begleiteten sie den Vicomte Desendrois, Generalschatzmeister der niederländischen Regierung, welcher mit einem Auf- trage an die englische Regierung betraut war, nach London und verweilten daselbst bis zum Herbste desselben Jahres.'*)

Die beiden Grafen erkannten, als sie Hofmanns ansichtig wurden, sogleich den vom Kaiser in die Acht erklärten ehemaligen Präsidenten des rheinisch- deutschen Konvents und teilten diese Entdeckuug sofort ihrer Umgebung mit. Hofmann muss dies alsbald bemerkt haben; er hielt es für das Beste, sich zu entfernen und für seine Sicherheit zu sorgen. Denn wie er richtig vermutete, erging sofort ein Verhaftungsbefehl der Polizei und begannen Nachforschungen, denen er durch steten Wechsel seiner Wohnung u. a. zu entgehen wusste. Aber die steten Aufregungen dieser Tage, die schlimmen Nachrichten aus Frank- reich, wo sich der Sturz der Jakobinerherrschaft eben vollzog, die hilflose Lage in der Fremde warfen den körperlich und geistig so starken Mann endlich nieder; er fiel in eine schwere Krankheit, die ihn dem Tode nahe brachte und nur durch die aufopfernde Treue und sorgsame Pflege einiger Freunde gehoben wurde. Die Erzählung aller dieser Leiden erregt noch heute unsere Teilnahme für den sonst derselben nicht ganz würdigen Mann, und die Erinnerung an sie

^^) Joh. Peter Salomon war geboren im .Jahre 1745 zu Bonn und zeichnete sich frühe als tüchtiger Geiger aus. Nachdem er einige Zeit als Konzertmeister bei Prinz Heinrich von Preusson gewesen war, begab er sich im Jahre 1781 nach London, wo er bis zu seinem am 28. Xov. 1815 erfolgten Tode verblieb. Seine Konzerte erfreuton sich bald allgemeiner An- erkennung.

") Die erste Reise trat Haydn am 1. Dez. 1790 an.

*'') Es ist unter den Papieren Hofmanns das Programm des Konzerts vom 5. Mai or- halten, in welchem vorkamen: Grande Ouvertüre (Mscr.) von Haydn, New Quartetto (Mscr. ) for two YioHn and Violincello von Haydn, Grande Ouvertüre (Mscr.) und Finale von Haydn.

**j S. Metternichs nachgelassene Papiere I, S. 1 ^(](|., nameutlidi S. 14 u. 2'2. Schmidt- Weissenfels, Fürst M. 1.

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stimmt den hartgesottenen Jakobiner, dessen Handlungs- und Anseliauungs- vreise vielfach herzlos erscheint, so weich, dass seine Darstellung beredt wird und sich zu einer Anrede an seine anwesenden Freunde erhebt, denen er seine Genesung verdankte. Erst im Februar 1795 war er soweit hergestellt, dass er an den Rückweg denken konnte, den er im März antrat. Er reiste über Hamburg'") nach Amsterdam; mit seiner Anwesenheit in dieser Stadt bricht die Erzählung ab.

Diesen Bericht verfasste Hofraann im Jahre 1795; er liegt uns nur in einem vielfach korrigierten Konzepte in deutscher Sprache vor, 4 Seiten Folio. An der "Wahrheit der erzählten Thatsachen zu zweifeln liegt ein Grund nicht vor. Ergänzt und in einigen Punkten berichtigt wird er durch die sorgfältig ausgearbeitete und ebenso sorgfältig und sauber geschriebene Erzählung des schon genannten französischen Agenten Charles Etienne Daudibert Caille, wel- chen derselbe auf Bitten Hofmanns im Jahre 1796 abfasste. Wahrscheinlich suchten Feinde Hofmanns den Umschwung der Dinge zu benutzen, um den alten Jakobiner zu verderben. Sie mochten unwahre Behauptungen über seine Vergangenheit und namentlich seine Mission nach England in Umlauf gesetzt haben, denen zu begegnen die gewissermassen offizielle Darstellung Cailles dienen sollte, soweit dieser von Hofmanns Schicksal wusste. Ob Hofmann von dem Aktenstücke Gebrauch gemacht, ist unjekannt. Dass er aber Angriffen und Verleumdungen ausgesetzt war, beweist eine Korrespondenz der neuen Hamburgischen Zeitung vom 23. Juni 1797, welche seine Dienstführung (er war „einer der ersten Kommis bei dem Polizei-Departement") lobt und gegen Angriffe ungenannter persönlicher Feinde verteidigt, ihn selbst aber als Bieder- mann bezeichnet.

Auffallend ist, dass die beiden Berichte in mehreren chronologischen An- gaben, namentlich dem Datum der Ankunft Hofmanns in Amsterdam und seiner Abreise nach London, nicht stimmen. Unzweifelhaft macht Caille den Eindruck grösserer Genauigkeit, ja es scheint deutlich aus seinem Bericht hervorzugehen, dass er sich auf schriftliche Aufzeichnungen, vielleicht auf ein amtliches Tage- buch stützte und dadurch vor Irrtum in Angabe der Zeit gesichert war. Es kann dies jedoch die Glaubwürdigkeit des Hofmannischen Berichts nicht er-

") Xaoh der Mitteilung von Hoffmann von Fallersleben, Mein Leben IV, 8. 311, verbürg er sich liier bei Klopstock, von welchem ein bisher unbekannter Brief vom 18. März 1796 an llofmann in dessen Xachlasa erhalten ist. Er lautet:

Der Bürger Klopstock an den Bürger 11 off mann.

„Der Doctor Meyer mein Freund bringt Ihnen diesen Brief. Es ist niidit nötig, dass ich noch mehr von Ilim sage; dies werden Sie sehen, sobald Sie nur kurze Zeit mit llim werden gesproclien iuiben. [(di kann Ihnen nur sagen, dass mich ein hart- näckiger Husten, der min schon in die fünfte Woche dauert, sehr unlustig zum Sclireiben macht. Ich will also lieber gar keinen Brief anfangen. An seiner Stelle schicke ich Ihnen eine meiner neuesten Oden, welche Ihnen vermutlich noch unbe- kannt ist. [Die Ode vom Januar 1795, Das Versprochen.] Sollten Sie Cramer vor seiner Abreise noch sehen, so sagen Sie Ihm, dass icii no<'h von I'aris aus einen Brief von liim haben müsse. Hamburg den IS. März 1790."

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schüttern. Derselbe beruht, wie schon die vielen allgemeinen Zeitangaben be- weisen, auf der blossen Erinnerung und dem Gedächtnisse so sehr, dass er sich nicht einmal die Mühe nimmt, seine Angaben mit den zwei Briefen Robins in volle Übereinstimmung zu bringen, sondern den Inhalt des zweiten in seiner Erzählung schon da erwähnt, wo dieser noch nicht in seinen Händen sein konnte, offenbar um die Nachrieht der beiden Briefe zusammenfassend zu erledigen.

Hofmann kam schliesslich glücklich nach Paris und fand eine neue Thätig- keit unter dem Konvent und Direktorium, welches ihn zu verschiedenen Ge- schäften verwendete, zuletzt als Beamten bei dem Polizei-Depaitement. Als solcher hatte er in den Tagen, als Napoleon den Aufstand der Pariser Jakobiner niederschlug, mit diesem täglich zu verkehren; das hochfahrende Wesen des nachmaligen Kaisers war ihm so zuwider, dass er seinen Abschied nehmen wollte, bekleidete indessen seine Stelle noch 1797, wie aus der Korrespondenz der neuen Hamburgischen Zeitung hervorgeht.

Als das linke Rheinufer im Frieden von Campo Formio an Frankreich abgetreten worden war, erwartete man, dass Hofmann Präfekt des neugeschaffenen Departements Donnersberg werde. Er kehrte zwar nach Mainz zurück, und begrüsste seine dortigen Mitbürger in einer schwungvollen Proklamation, die von Lob der neuen Freiheit und der Vereinigung mit der Mutter-Republik überfloss und die herrlichsten Aussichten auf Wohlstand und Glück eröffnete, aber Präfekt wurde er nicht; denn die leitenden und gewinnreichsten Stellungen behielten die französischen Machthaber den eigenen Landsleuten vor; er musste sich freuen den Posten eines General-Einnehmers zu erhalten, welchen er denn auch mit Gewissenhaftigkeit und Treue von 1798 bis 1803 versah. Auch seine Mitbürger ehrten ihn dadurch, dass sie ihn im Jahre 1801 als Mitglied in den Stadtrat beriefen, und der Konsul Napoleon dadurch, dass er ihn am 25. Sep- tember 1801 zum Mitglied, des gesetzgebenden Körpers ernannte resp. die Er- nennung bestätigte. Indessen schlug Hofmann dieses ehrenvolle Amt aus; warum er dies that, ist nicht gesagt. Yielleicht waren die politischen Verhältnisse Frankreichs daran schuld. Im Jahre 1802 reiste er nach Paris, wo er vor- nehmlich für die Wiederherstellung der Mainzer Universität wirken wollte. Die Erfahrungen, welche er dort machte, mögen recht schmerzlich für ihn gewesen sein; bitter enttäuscht in seinen Hoffnungen kehrte er zurück.

Doch das Unglück kommt selten allein. Noch in demselben Jahre stellte es sich heraus, dass sein erster Sekretär sich einer Unterschlagung von einer halben Million Francs schuldig gemacht hatte. Infolge von dieser unter ihm stattgehabten Veruntreuung gab er seine Stelle auf. Ihn selbst traf keine andere Schuld, als dass er zu grosses Vertrauen auf die Ehrlichkeit seines Beamten gesetzt hatte; weder der Staat konnte ihn strafen, noch verlor er die Achtung seiner Mitbürger.

In den nächsten Jahren scheint er zurückgezogen in Mainz gelebt zu haben. Da seine Vermögensverhältnisse nicht eben glänzend waren, so wünschte er eine seinen Kenntnissen und Verdiensten entsprechende Thätigkeit zu er- halten und that Schritte, eine passende Stellung in Frankreich zu erlangen durch

6*

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einen seiner früheren Freunde, den Senator und Grafen des Kaiserreiches Säur, den er deshalb im Jahre 1807 selbst in Frankreich besuchte. Von diesem hegt ein Brief vom 30. Juni 1807 vor, in dem er Hofmann tröstet und die Mittel und Wege bespricht, um eine passende Stelle zu finden, z. B. als Salinen- inspektor zu Kreuznach. Auch der Herzog von Danzig, den Hofmann seit 1798 durch seine Wirksamkeit als Kommandant von Mainz kannte, interessierte sich für das Schicksal des gefallenen Mannes.

Nach der Stiftung des Königreiches Westfalen hoffte unser harter Repu- blikaner zu Kassel in der Regierung des Königs Hieronymus Stellung zu finden, etwa als Direktor der Polizei oder des öffentlichen Unterrichts! Aber auch das schlug fehl, es gelang nicht, ihn „wieder an Bord zu bringen".

Den Rest seiner Tage verlebte er zu Winkel im Rheingau, wo er 97 Jahre alt am 6. September 1849 starb.

Schriftstellerisch war Hofmann nur in seinen jüngeren Jahren und zwar zuerst auf dem Gebiet, das er als Professor zu lehren hatte, thätig: Über das Studium der philosophischen Geschichte, Wien 1779, Sätze aus der Philosophie, aus der Staatsklugheit, Analysis endlicher Grössen, sämtlich 1786 zu Mainz erschienen. Im Jahre 1792 warf er sich ganz auf das praktisch-politische Gebiet und schrieb über Fürstenregiment und Landstände, „den Aristokraten- Katechismus, ein wunderschönes Büchlein, gar erbaulich zu lesen für Junge und Alte", sowie die Wochenschrift „Der fränkische Republikaner".

r.

Konzept des Berichts von Hofmann, niedergeschrieben im Jahre 1795.

Rapport. Observations que j'ai faites pendant mon sejour en Engleterre.

Histoire.''') Den 22. Dezember 1793 wurd' ich von dem damaligen Minister der affaires «!^trangeres''') beauftragt, um'°) nach England zu gehen und die Friedenspropositionen zu vernehmen, die uns die Enghiuder durch ein enfant perdu, das sie uns zugeschickt hatten, antragen oder vielmehr hinwerfen Hessen.'-') Den 23. reiste ich ab und schon am 1. Januar 1794 fuhr ich von Ostende nach Dover über, obwohl ich zwei ganzer Tage von dem kaiserlichen Vorposten an unsern Grenzen aufgehalten, bewacht, visitirt und gemisshandelt worden war. Den 2. Januar laugt' ich mit meinen (sie) Reisecompagnon, <1. h. dem Menschen, den uns die Engländer zugeschickt hatten, in Dover an, hatte aber sogleich den Verdruss vernehmen zu müssen, dass, weil ich keinen englischen

'*) Am Rande.

'•''l DesforfTuerf, oin Doniokmt von roinoin Wasser, wie Syltol, Ooschiclito <!t^r franz. Revolution II. S. .m sagt.

'^^) Die beiden gesperrt gedruckten Worte stehen am Ramie.

") Das» damals die Kiigliiiider und zwar ohne NVi?,sen l'itts (s. u. ) in Paris Frieilens- antriige niaidicn lii-s.-jcn, ssird weder soii Tliicrs uocli von S}bel erwäiint.

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Pass hatte, ich nicht ans Land gebracht werden, sondern so lange im Schiffe bleiben müsste, bis ich von London aus mit einem Erlaubnissschein versehen wäre: mein Compagnon hiess mich guten Muths seyn und so lange mein Schick- sal geduldig im Schiffe ausharren, bis er mir morgen den nöthigen Erlaubniss- schein von London zuschicken könnte. Er reiste sogleich dahin ab, allein statt eines Passes erhielt ich von ihm einen Brief'') voll Klagen über die ungünstigen Veränderungen, die die Wiedereroberung Toulons'^) in England hervorgebracht und vom Schiffmann Pitt"*), hinter dessen Wissen der Friede mit uns ge- schlossen werden sollte, einen Befehl, mich sogleich wieder nach Ostende zurück zu bringen. Am 5. Jan.-') in der Nacht langte ich wieder zu Ostende an und am 6. hatte ich vom Gen. Stuart, dem englischen Commandanten in Ostende'*), noch ehe ich das Bett verlassen hatte, Hausarrest: drei Tage harrte ich aus; allein da ich bis itzt weder gefragt noch visitirt worden war, schrieb ich dem Commandanten einen Brief, fragte um die Ursache meines Arrestes an, der meiner Gesundheit äusserst schädlich wäre, und bath ihn mich visitiren und examiniren und mich in Frieden ziehen zu lassen; allein statt einer Antwort schickte er mir seinen aide de camp und verwandelte, ohne mir eine sonstige Erklärung zu geben, meinen Hausarrest in einen Stadtarrest, den ich geduldig bis den 18. Januar ertrug, wo ich anfing, dem Commandanten täglich das Haus zu stürmen und um einen Pass und Erlaubniss die Stadt zu verlassen anging. Die letzte gab er mir endlich nach einigen Tagen, weigerte sich aber hart- näckig mir den ersten, einen Pass, zu ertheilen, ohne den, wie ich ihm oft einwendete-^), mir die letztere schlechterdings unnütz und ich der Gefahr aus- gesetzt sey in der nächsten Stadt wieder arretirt zu werden, welches mir auch nicht zwar in der nächsten Stadt, sondern sogleich in Ostende schon wiederfuhr, da man am Thor nach Yisitirung meines Mantelsacks auf der Diligence mir meinen Pass abforderte. Ich würde dieses Umstands hier nicht erwähnen, wenn er mich nicht um meine Pagage (sie) und nicht noch einmal um meine Freiheit gebracht hätte. Ich wurde nämlich am Thore auf meine Antwort, dass ich keinen Pass habe^*), von der Diligence wieder in die Stadt zurück und zum kaiserlichen Bailif gebracht, der mich nach grober österreichischer Art-*) an-

^^) Er erhielt zwei Briefe, von denen der eine als Datum den 3., der andere den 4. und 6. Januar trügt; s. u. Xo. II und III. Der zweite enthält die Klagen.

'■^^j Dieselbe erfolgte am 19. Dezember 1793.

'^*) So ist über das ausgestrichene "Wort Minister geschrieben.

^*) Der Brief mit den Klagen trägt das Datum des 4. und 6. Januar, kann also, wie man vermuten sollte, nicht mehr zu Dover (vor dem 5.) in llofmanns Hände gekommen sein, sondern erst in Osteude, oder Hofmann reiste erst nach dem 6. wieder von Dover ab. Xach Cailles Hericht, der sich allerdings auf Hofmanus mündliche 3Iitteilungen stützt, war dieser am 5. wieder in Osteude.

■-^I In Ostende lag im Frühjahr 1794 eine kleine Besatzung von einem Bataillon Emi- gi-anten und zwei Eskadrons Engländer. Ditfurth, Die Hessen in den Feldzügen von 1793 11, p. 35.

'") Übergeschrieben: .,aumerkte".

-^j Dies Wort fehlt im Mscr.

■'l Bekauutlich gehörte ilas heutige Belgien damals zur österreichischen Monarcliie, Österreich mochte Hofmann besonders verhasst sein. S. o,

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fuhr, examinirte und sogar Mienen machte, meine Taschen visitiren zu wollen. y,IIerr, sagte ich, das untersteh' er sich nicht; ich geh auf Befehl des englischen Commandanten aus der Stadt und begehre zu ihm geführt zu werden". Diess Wort schreckte den Tespotenknecht (sie) und er Hess mich von der Wache, die mich zu ihm gebracht hatte, zum Commamlanten begleiten, der zwar er- staunte mich noch in Ostende zu sehen, und wiewohl er nun selbst aus der Erzählung der Geschichte meiner . . /") einsah, dass seine Weigerung mir einen Pass zu geben, mir diesen Aufenthalt in meiner Abreise zugezogen hatte, sich dennoch zu weiter nichts verstand, als mir seinen Adjutanten ans Thor mitzu- ffeben, der meinen freven Abzug aus der Stadt beordern sollte. Inzwischen^') bis ich einen Wagen fand, der mich der Diligence, worauf mein Mantelsack war, nachbringen sollte, war es 12 Uhr geworden, und es war erst abends gegen 5 Uhr, als ich zu Eccloos^') die Diligence wieder eingeholt hatte. Nun waren zum Tuglück zwei Emigranten auf dem Wagen, die vermuthlich, weil sie mich in Ostende arretiret werden gesehen, sich vorgestellt, ich würde ent- weder gar nicht, oder wenigstens nicht sobald wieder loskommen und daher meine Equipage (sie) unter sich zu theilen mirler Zeit meiner Abwesenheit den Plan gemacht haben müssen, denn nicht sobald sahen sie mich zu Eccloos an- kommen, als einer von ihnen sich bey der Postmeisterin nach etwas heimlich erkundigte, darauf fortging, und in weniger als 15 Minuten kamen 7 Mann Handmann und führten mich zu ihrem Commandanten, von dem ich endlich erfuhr, dass der Emigrant von mir ausgesagt, ich sey als Spion zu Ostende heut morgen arretirt worden und aus dem Gefängnis entwischt, er ginge nach Bruxelles, um die Sach dort anzuzeigen, mitler Weile er mich hier festhalten sollte. All meine Protestatiouen und getreue Erzählung des Vorfalls in Ostende war umsonst, und ehe ich unter dem Unvorhergesehenen an meinen Mantelsack auf dem Wagen denken konnte, waren sie mit demselben schon eine halbe Stunde nach Bruxelles fort, als ich nach denselben den Hauswirth geschickt hatte. Wie es mir gelungen ist, meine Wache zu besaufen'^), ihren Comman- danten mit 12 Luisd'ors zu bestechen^*), wie er mich selbst gegen 2 Uhr in der Nacht zum Hause hinaus gebracht, mir den Weg nach Bruxelles hin gezeigt, ich von diesem Weg wieder umgekehrt") und anstatt meiner Pagage nach Brüssel nachzufolgen, ich dieselbe im Stich gelassen und nach Bruge, woher ich gekommen war, die ganze Nacht zu Fuss gelaufen, würde hier zu erzählen zu weitläufig seyn und zu weiter nichts dienen, als zu beweisen, was keines

'") Das liitT ii(jt\veiuli;^e Wurt felilc im 3[scr.

^'j Hier folgten ursprün<jlich die Worte: .,wiir es 11 Uhr i,'e\vor(leu" ; dieselben sind durcli strichen.

^■'j Fleeken iu riundera an der ^^cra.sse von Ostende nach Brüssel.

^^j Der transitive Gebrauch von besauten ist heutiges Tages veraltet, früher niulit un- gowölinlich. (iriiiiiii, Deutsches Wörterbuch.

^') Caille (in No. IV) meldi.'t, llofniann habe nacli IG Tagf-n coninie Allemand ob- tenu la libi;rt<'', wahrscheinli'-h irrtümlicher Wei^e.

^') Das Wurt i-^t im .Mscr. durchstrichen und darüijer gesclirieben verlassen, aber ohne .Änderung der Ivuii^truktion.

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Beweises brauclit, dass mir meine Freiheit höher'*) als mein Mautelsack [''e- schützt]") imd mir die Equipage niclit so lieb war, als dass ich mich ihr zu gefallen zu Bruxelles, wo man mich persönlich kannte, noch einmal und viel- leicht auf Jahre lang hätte einsperren lassen sollen. Von Bruo-e <f'm<y ich mit der ordinairen Barque nach Gent, hielt mich aber daselbst nicht länger auf, als bis ich die unerhört schlechte Aufführung, Räuberey und Schandthaten der Engländer, die dazumal ihr Hauptquartier in Gent aufgeschlagen hatten, nicht mehr ansehen konnte.

Von Gent ging ich nach Antwerpen und kam endlich unter dem Namen della Luca, den ich gegen den Gotthold Heister, unter welchem ich aus Frank- reich gegangen war, vertauscht hatte, gegen die Hälfte des Monats Februar"*) zu Amsterdam an, nachdem ich über einen Monat in der Gegend von Breda, Bois le duc, Rotterdam etc. etc. herumgeirrt hatte. In Amsterdam fand ich unsern Consul Daudibert Caille, einen Mann, der mit dem thätigsten Patriotismus eine ausserordentliche Gastfreiheit verbindet und in der Folge unbeschreibliche Misshandlungen von den Staaten von Holland erfahren'^) und bisher noch eben- sowenig Satisfaktion dafür erfahren hat . . . .'") Mit ihm ging ich zu Rathe und als mir keine Möglichkeit in Amsterdam, wo ich den ersten Tag schon erkannt worden, länger mich ungekränkt aufhalten zu können, noch fanden, wie ich nach Frankreich entweder durch die combinirte Armee in den Nieder- landen oder über Deutschlaud, ohne erkannt zu werden, zurückkehren könnte, waren wir eben eins geworden, bis auf weitere Ordre von unserm Gouvernement mich nach England zu begeben, als der damalige Minister Deforgues mir einen zweiten Auftrag") für dieses Land um die Hälfte des Monats März zusandte. Ich ging sogleich*') dahin ab und schon am 19. desselben Monats*') war ich zu London angekommen, wo ich unter dem Namen eines holländischen") Kauf- manns bis den 2. Juni unentdeckt lebte, an diesem Tage aber das Unglück hatte von den zwei Söhnen des Grafen Metternich"), kaiserlichem Ministers in Bruxelles [in Salomons Concert]''), die erst vor zwei Jahren auf der Universität zu Mainz jus naturae et gentium bei mir gehört hatten, erkannt und [zur Er-

■'^) Höher steht im Mscr. über dem nicht uusgestricheneii AVorte theurer.

") Undeutlich zwischen die Zeilen geschriebenes Wort.

^*) Diese Zeitangabe stimmt weder zu dem Berichte von Daud. C'uille (s. u.), welcher den Anfang des Februar nennt, noch zu der gleich folgenden Bemerkung, dass H. über einen Monat doch von seiner Flucht an in Holland herumgeirrt sei; hier liegt ott'enbar eine Übertreibung vor.

") S. unten Xo. [V; er wurde in das Gefängnis geworfen und an neun Monate, bis zur Ankunft der französischen Armee, in demselben festgehalten.

*") Hier fehlt im Mscr. ein Wort.

") .S. 0.

*-) Xaeh Cailles Bericht ging Hofmann erst im Anfang April ab; diese Angabe verdient mehr Ulauben nach dem ganzen Zusammenhang, in welcliom sie dort erscheint,

") Xach der vorhergehenden Anmerkung erst im April.

■•*) Darübergeschrieben : amsterdamischen.

") Über diese s. o. Einleitung.

*"'< Durchstrichen, wohl nicht, weil eine rnrichtigkeit enthaltend, sondern weil die Stelle im Satze, sollte der folgende Relativsatz folgen, nicht mehr statthaft war. Über Saloraon s. o.

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kenntlichkeit]*') (oder) weil sie sich zu künftiger Gesandtschaft bey ihrem Hof empfehlen wollten, als der vom Kaiser in die Acht erklärte Präsident des rheinisch-deutschen Convents und der ehemaligen allgemeinen Administration zu Mainz dem englischen Ministerium denuncirt zu werden. Des andern Tages erschien ein königlicher Messenger mit einem Verhaftbrief in meinem Quartier, das ich aber, weil ich die Tugenden der Aristokraten kannte**^) und ihr Fingerzeigen und ihre eifrigen Gespräche mit dem preussischen Minister im Concert gar wohl errathen konnte, schon in der Frühe verlassen und nichts als ein Buch und etwas Kleider zurückgelassen hatte; da man [mich]*^) nicht zu Hause fand, [glaubte man mich in einem englischen Hafen zu erwischen, wo- hin]'") sogleich ein königlicher Befehl geschickt wurde, mich sogleich einzuliefern, wenn ich [mich in irgend einem derselben zeigen sollte].^*) Viel Kopf hab ich nun hierzu nicht gebraucht, um vorsehen zu können, dass man, wenn man mich im Hause verfehlte, man mich in einem Hafen zu erwischen Anstalten treffen würde, und darum blieb ich in der Stadt als dem Orte, wo ich von so kurzsichtigen Ministern, als die englischen sind, am wenigsten gesucht zu werden Hoffnung oder vieiraehr die grösste Sicherheit und weiter nichts zu thun hatte, als die ersten Tage nicht aus zu gehen und dann in der Folge von Zeit zu Zeit mein Quartier und meinen Namen zu verändern, bis ich hoffen konnte, dass man mein Signalement in den Häfen vergessen hätte.

Der Monat October versprach mir darüber Sicherheit genug und ich hatte in dieser Rücksicht meine Rückreise nach Holland auf diese Zeit festgesetzt; allein da ich bis itzt auf alle meine Briefe von dem Minister noch keine einzige Antwort noch weniger einen Livre von ihm erhalten hatte, musst' ich aus Mangel an Auskunft und Reisegeld mein Vorhaben aufgeben und mich dem traurigsten aller Schicksale überlassen: verbannt aus meinem alten Vaterlande, abgeschnitten von dem neuen, eingesperrt in eine . . . .^") tbeure Insel, ent- blösst von allen Mitteln mich ferner zu erhalten, umgeben von Spionen, gespannt von stäten Commutatiocen"^) politischer Vorfälle, ausgeseugt von Kummer und Besorgnis für die Zukunft müsste ich stärker gewesen seyn, als die Natur gewöhnlich den Erdbewohner macht, wenn meine Maschine diesen so ver-

o

schiedenartigen Stimmungen oder vielmehr Schlägen nicht hätte unterliegen sollen. Ich ward krank und gleich auf einmal so heftig, dass meine beiden

") Durchstriohon, jiljor uliiio das folgende "Wort oder; vielleicht fühlte IL dufh die Ungerechtigkeit, welche er durch dieses, allerdings seiner Ansicht von dem Adel oder konser- vativer (resinnung entsprechende Urteil und untergeschobene Motiv beging.

**) Die gesperrt gedruckten "Worte sind im Mscr. unterstrichen.

^*) Fehlt im Mser.

^) Statt der eingeklammerten Worte stand ursprünglich im Mscr. , bemächtigte man sich eines meiner Bücher, visitirte meine Kleider und mass meine Stiefel und gab . ."

■''') Statt der eingeklammerten Worte stand ursprünglich im Mscr. : „mit irgend einem Schilfe absegeln sollte". Die Worte .,mich in" sind von uns statt des nicht verbesserten ^mit" eingesetzt.

'*) Dies Wort ist dundi viele Striche fast ganz unleserlich geworden; es scheint , widrige' zu Iiei^sen.

'■'^) Im Mscr. ^Calunlationen'* oder ähnlich.

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Arzte in der Geschichte der Medizin für meine Krankheit keinen Namen fanden noch weniger in den beiden ersten Monaten die geringste Hoffnung für meine Genesung geben oder nur ein einziger meiner Freunde an dieselbe glauben konnte. 17 ganzer Tage kg ich im 2. Monat ohne die geringste Kraft, mehr als Wasser und etwas Medizin hinunter zu bringen, und im Januar dieses Jahres [1795], wo sich die Krankheit zu brechen anfing, hat' (sie) ich auch nicht ein Loth Fleisch an meinem ganzen Leibe und die Bewegungs-, Em- pfindungs- und Erinnerungskräfte waren so ganz von mir geschieden, dass ich noch mehrere Wochen nach meiner Erholung weder auf den Beinen, die zu Spazierstöcken verdünnt waren, stehen konnte, noch weniger das geringste von meinen alten Beschäftigungen, Kenntnissen und Sprachen mehr wusste noch meine leibliche und geistige Maschine von einem andern als meiner Freunde Zuthun wieder in den Gang gebracht werden konnte. Und hier sollt' ich Dich nennen, Gersweiler, lieber guter Junge, der Du zum Nachtheil deiner eigenen Gesundheit so viele Wochen lang vor meinem Bette auf dem harten Boden gelegen, meine Schwäche durch die niedrigsten aller Dienste gepflegt und meine Ungeduld mit unerhörter Geduld getragen hast. Auch Du, Merian, wetteifern- der Deine Zeit und Deinen Schlaf meiner Schwachheit zu weihen und meinen dürftigen Cassazustand durch so oft und so herzlich angebothenen Yorschuss zu unterstützen, alle würd' ich Euch nennen, Ihr guten Menschen im Soll- mannischen und Hofhamischen Hause, die Ihr Euch so sehr bestrebt durch freundschaftliche Besuche meine Leiden erträglich zu machen, und Dir, lieber Gruber, würde ich für Deine besonderen heimlichen Dienste einen öffentlichen Dank hier abstatten, wenn ich nicht mit Recht befürchten müsste, durch meine Dankbarkeit Euch zu compromittiren und dem Menschenfreundlichkeit hassenden Despotismus Preis zu geben.

Zu Anfang des Februar [1795] war ich zwar schon so weit wieder her- gestellt, dass ich meine Rückreise anzutreten vielleicht hätte wagen können; allein die Häfen nach Holland waren gesperrt und der Weg über Hamburg noch von Eis verrammelt, und es war erst zur Hälfte des Monats März, dass ich mit einem der gewöhnlichen Paquetböte nach Cuxhaven, der Mündung der Elbe, übersetzen konnte, von wo aus der kürzeste Weg zu Lande nach Hamburg 3 Tage währte und über 22 Th. kostete. In Hamburg") musste ich an die 14 Tage auf eine Gelegenheit und Pass nach Holland harren, weil der Friede mit Preussen noch nicht geschlossen") und daher die ordentliche Pas- sage zu Wasser und zu Lande noch geschlossen war. In Holland meltede (sie) ich mich bey den fränkischen Repräsentanten, theilte ihnen meine Bemerkungen über Englands Lage, Zurüstungen und den angeblichen Operationsplan der combinirten Armee für den gegenwärtigen Feldzug mit, der nach Entsetzung von Mainz^*) und Luxemburg von österreichischer Seite mit Belagerung von Mastrich und einer Landung der Engländer auf Gunböten eröffnet, hierdurch die Franzosen in Holland einzuschliessen, die Gewürzinseln . . . (bricht ab).

'*) Hier verkehrte Hofmann mit Klopstock.

*^j Der Friede von Basel wurde bekanntlich am 5. April 1795 unterzeichnet.

^^) Dieselbe erfolgte am 29. Oktober 1795.

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. IL") Erster Brief Robins an G. Heister (Hofmann).

London le 3"' Janvier 1793 (sie)/') Je n'ai pu etre ici qu'ä 11 heures du matin, avant que j'aye eu changc d. linge, pour parroitre docemment ä l'office des passeports (qui est fort loin de chez moi). II etoit passe une heure, les clefs du Bureau n'y etaient plus, il m'a fallu courrir et faire courrir des arais chez eux. Mais je suis sur de rae procurer un passeport pour vous. Au reste, si le cas etoit que le vaisseau fut Obligo de partir, je pris Mss" Tector et Minet, a qui j'ecris, de tucher de vous faire mettre ä terre. Mais enfin si vous etiez absolument obli^e de retouruer u Ostende, attendez de mes nouvelles et allez voir de ma part Mss" Gre- gory Benquet et C, a qui j'ecris aussi oe soir et sous le eouvert desquels je vous ocrirai, si vous eres obligo de repasser; mais je vous le repete, je ne le crois pas. Ainsi soyez tranquile, je vous ai amene et je ne vous abandonnerai pas. Je ne sais, si je vous ai laisse mon adresse, mais la voici No. 8 Adams Court, old Broad Srreet pour le comptoir, et No. 12 Mount Row City Road, qui est ma demeure. En m'ocrivant il faut mettre la premiere adresse, mais en venant vous-meme, il faut aller ä la seconde. Tous les cochers de fiacres vous y conduiront en la leur montrant. Bon jour, ne soyez pas en peine et comptez sur p. S. Robin.

Adr. M' Gottold Heister on board the Yessel comanded by Cap. W" Clements, Dover.

III. Zweiter Brief des Robin an G. Heister (Hofmann).

Londres le 4""= Janv. 1794. Nous ne pouvions arriver dans des circonstances plus facheuses ; la reprisc de Toulon et le revers en Alsace") ont aigri les esptits et excite la fierte Anglaise, en outre il y a eu quelques changements pendant mon absence, de Sorte qu'il a ete impossible de vous avoir un passeport, ce n'a pas pourtant pas ete sans debats, qu'il vous a ete refuse, mais enfin il Ta etc. II est tacheux que nous n'ayons pas eu les passeports que nous attendions de Geneve, ou memo que nous n'ayons pas pense a en prendre k Ostende, alors il n'y aurait pas eu la moindre difficulte, a present il ne me reste plus qu'a attendre du tems, que les impressions desagreables qui existent, soient dissipees, j'espere qu'elles le seront bientot, et dans ce cas je voudrois que nous m'indquiez (sie) un moyen de correspondance qui fut sur.

*'; Dio <)^thu^'l•lH)hie der t'olj,'''ndeii Briofo ist i,'eiiau iui(;li den Origimilon wiodci'gogebon. **) ÜtlV-nbar vorschrieben statt 1794.

*'l Vfjl. die Zusainmenfassunfj der Resultate «les Jahres 17'.>3 boi TluHrs VI, S. 102 tf; Häu93er, Deut.s<:he Ueschiohte P, S. 485.

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Mess" Gregory Benquet et C. d'Ostende nous procureroat les moyOns de n'etre pas inquioto dans ce pays la, et je pense que vous feriez bien d'aller attendre quelques jours u Liege nous avons dine, je vous ecrirai le cour- rier prochain 7 courrant, ainsi de 10 au 11 vous aurez de mes nouvelles, je vous remettrai 6 louis et les assiguats, que je vous dois et votre pipe, que vous avez laissee dans mon sac de uuit avec le linge qui Tenvelloppoit. Bon jour, ne desesperez de rien.

La presente devoit partir samedi passe 4""' courrant, mais il me falloit un homme sur, et je n'ai pas trouve celui, sur lequel je comptois. En sorte qu'elle vous parviendra par la poste. Je vous recommande de rester, soit ii Ostende, soit ä Liege chez notre ami, je vous ecrirai par la poste de demain, et j'espere avoir quelque chose d'heureux ä vous annoncer.

Je vous salue de Coeur. R. Lundi 6"" Janvier 1794.

Adr. A Monsieur Gottold Heister.

IV.

Schreiben des französischen Agenten in Holland Daudibert Caille

vom 5. fructidor 4. (= 2. September 1796).

Je Soussigne certifie qu' Etant Commissaire pour la Marine et le Commerce de la Republique Frangaise en Hollande, Resident en Amsterdam, le citoyen A. J. Hofmann y arriva dans le courant du mois de Pluviose an 2^ (commen- cement de fevrier 1794 V. S.) et me declara, qu'etant parti de Paris sur la fin de decembre precedent, eharge d'une mission secrete pour l'Angleterre, il s'etant rendu ä Ostende sous le nom de Gotthold Heister pour s'y embarquer pour Douvres; que s'y etant embarque il füt arrete ä son arrivee ä Douvres et ramene a Ostende le 4 janvier 1794 Y. S., il füt detenu en prison pen- dant seize jours; qu'ayant obtenu sa liberte comme Allemand, il avait traverse les Pays-bas et etait venu en Hollande dans Tintention, de s'y embarquer pour l'Angleterre; que ne connaisant personne en Hollande, il avait crü ne pouvoir mieux faire que s'adresser ä raoi, en ma dite qualite d' Agent de la Ropublique, pour l'aider au besoin en tout ce qui dependrait de moi pour sa sürete per- sonelle pendant son court sejour en Hollande, et pour lui procurer des passe- ports avec les quels il püt s'embarquer ou plutot pour aller remplir sa mission; qu'il me remit ä notre seconde entrevue deux lettres pour le citoyen Deforgues, alors Ministre des affaires Etrangeres en France; que je le logeai secretement chez quelqu'un de confiance, il se tenait cache de jour, en attendant qu'il se presentat quelque occasion pour l'Angleterre; que tandis qu'il etait ainsi dans l'attente d'une occasion et de la reponse aux lettres qu'il m'avait remises pour le dit Ministre a qui je les avais exactement envoyoes, suivant l'avis que je lui en donnais dans mes lettres du 19. Pluviose an 2*^ N. 103

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et 104 [7. Febr. 17^4], le citoyen Caillard (actuellement Ministrc de la Repu- blique Fran^aise ä Berlin) so trouvant alors egalement ä Amsterdam comme Agent secret de la Republique sous le nom d'Antoine, ils se virent plusieurs fois chez moi et eürent ensemble divers entretiens dans lesquels le dit c'" Caillard lui offrit, dit-il, par l'ordre du Ministre de l'argent, qu il refusa d'accepter, pour ne pas repondre ä des questions, qu"il lui fesait sur sa mission, et aux- quelles il ne jugeait pas prudent de repondre; que s'etant enfin prosento une occasion pour l'Angleterre, je procurai au dit c''" Hofmanu un passeport de la Reo-ence d' Amsterdam sur le nom de Meyer, au commencement du mois d'avril 1794 Y. S., avec lequel il partit pour aller s'embarquer a Hellvoet-Sluys; qu'ayant raoi-meme ete arrete pour peu de tems apres et conduit dans les prisons de la Haye je fus detenu pres de ueuf mois, jusqu'a l'entree des armees fran- raises en Hollande, sans avoir aucune communication avec personne, je ne fus plus ä portee de recevoir aucune nouvelle du dit c"' A. J. Hofraann; qu'apres ma sortie des dites prisons et ma rentree dans les memes fonctions de ma place, j'appris du c" Marabail Secretaire du Commissariat, qu'en Octobre de la meme annee 1794 V. S. il regut une lettre du dit c^" Hofmann pour moi, par laquelle il me donnait avis, qu eile me serait remise pour un homme, qui lui avait fait beaucoup d'amitie ä Londres, lequel souhaitait aller a Paris et se trouvait porteur d'une lettre du meme c'" A. J. Hofmann pour le c"" Reprcsen- tant Merlin, concernant un projet pret ä etre execute, qui serait goüte par le Comite de Salut Public; que sa dite lettre renfermait un Duplicat de celle pour le dit c'" Representant, qu'il m'envoyait par precaution pour la lui faire parvenir, laquelte le dit c" Marabail eüt soin d'euvoyer exactement par voye de Bale et par Tentremise du citoyen Bergeras Nogociant a Amsterdam.

En foi de quoi je donne le present certificat ä la demande du dit citoyen A. J. Hofraann, pour lui scrvir et valoir en tout ce que de droit, a Paris le 15. fructidor an 4°" de la Republique franoaise une et indivisible.

Daudibcrt Caille.

Die Intelligenzblätter der Nassauischen

Fürstentümer.

Von

C, Zedier»

Während die Nachbarstadt Frankfurt zu den deutschen Städten gehört, in welchen sich das Zeitungswesen am frühesten entwickelt und bis auf den heutigen Tag die kräftigsten Blüten getrieben hat, tritt dasselbe in Nassau sehr spät auf. Eine politische Presse gibt es hier, wenn auch vorübergehend schon früher eine solche ins Leben zu rufen versucht worden ist, nicht vor dem Jahre 1848, Es fehlte für dieselbe an den notwendigen Lebensbedingungen, an einem selbständigen Bürgertum und einem regen politischen Gemeinsinn, auf denen die zur Existenz einer Zeitung unerlässliche Teilnahme des Publikums vorzüg- lich beruht. Das in kleineren Kreisen vorhandene Bedürfnis nach politischem Lesestoff konnte bis zu dieser Zeit nur durch ausländische Blätter befriedigt werden.

Wie schon im 17. Jahrhundert der Postmeister des Grafen von Taxis Johann von den Birghden, der Begründer der Frankfurter Postzeitung, die vier nassauischen Linien Dillenburg, Siegen, Diez und Beilstein gegen eine jährliche Entschädigung von 30 Thalern neben der Beförderung ihrer Korrespondenz wöchentlich mit den gedruckten Avisen zu versehen hatte"), so sind es auch im vorigen Jahrhundert, soweit dies aus den Anzeigen der Dillenburgischen Intelligenz-Nachrichten, in welchen Mitglieder für die zum Halten von Zeitungen damals üblichen Gesellschaften gesucht werden, noch ersichtlich ist, vorwiegend die in Frankfurt erscheinenden Blätter, die PostzeituDg, der Staatsristretto und das 1794 ins Leben gerufene Journal de Francfort'), welche im Lande gelesen wurden. Ja noch in diesem Jahrhundert vermochten bis zum Jahre 1848 die

M Opel, J. O., Die Anfänge der deutschen Zeitungspresse 1G09— Iß^O = Arcliiv für Geschichte des deutschen ßuchlumdels Bd. 3. Leipzig 1879. S. 40.

^) Ausserdem worden noch für die Hanauer oder Europäische Zeitung, die Gazette de Colügne, den Mercure de Bruxelles, den Hamburger unpartheiischen Correspondeuten, die Hessen-Darinstädtische Landzeitung und die in Leiden und im Haag erscheinenden Zeitungen Teilnehmer in den Dillenburgischen InteUigen;c-Nachrichton gesucht.

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benachbarten Frankfurter Blätter den ganzen Zeitungsbedarf des Herzogtums fast vollständig zu decken.^)

Während aber für den Mangel einer politischen Presse bei der geringen Zahl der Interessenten durch auswärtige Blätter hinreichender Ersatz geboten werden konnte, waren die nassauischen Länder bezüglich des lokalen, dem un- mittelbarsten praktischen Interesse dienenden Zeitungswesens, der Intelligenz- oder Anzeigeblätter, natürlich auf sich selbst angewiesen. Die Beschränktheit der öffentlichen Verhältnisse, wie sie das Nebeneinanderbestehen so kleiner, in sich nicht recht entwicklungsfähiger Ländchen zur Folge hatte, liess zwar auch in dieser Beziehung die nassauische Presse sich später als in den Nachbar- ländern in den Dienst der Allgemeinheit stellen, immerhin reichen aber die ältesten nassauischen Wochenschriften doch bis zum Beginn der siebziger Jahre des vorigen Jahrhunderts zurück. So wertlos diese Blätter manchem auch erscheinen mögen, so sind sie doch für die Lokal- und Landesgeschiehte von nicht zu unterschätzender Bedeutung und verdienen in mehr als einer Beziehung unsere Beachtung. Die Geschichte ihrer Entstehung und Verbreitung hat zum Teil auch ein allgemeineres kulturhistorisches Interesse.

I. Nassau-Oranien.

Wie das Dillenburger Land durch die Vortrefflichkeit seiner Verwaltungs- orffanisation und die Geschultheit seines Beamtentums unter den nassauischen Fürstentümern im vorigen Jahrhundert unstreitig den Vorrang behauptet, so nmimt auch unter den nassauischen Intelligenz-Blättern das Nassau-Oranische den ersten

Platz ein.

Die Geschichte der Entstehung dieses Blattes lenkt unsere Aufmerksamkeit zunächst auf ein anderes periodisch erschienenes Blatt, welches zwar mehr zur Kategorie des gelehrten Journalismus gehört, dennoch aber, da es zur Be- gründung jenes Intelligenz-Blattes die erste Anregung gegeben hat, in diesem Zusammenhange nicht übergangen werden darf. In einer vom 1. Oktober 1766 datierten vorläufigen Anzeige, welche sich „Herbornischer vermischter Beiträge, in welchen von gelehrten und anderen Sachen gehandelt auch zugleich von den Nassauischen besonders den neuesten wichtigsten Begebenheiten und von den Gelehrten Nachricht ertheilet wird vorläuffige Anzeige" betitelt, stellte der da- malige Lizentiat und spätere Professor der Rechte an der Hohen Schule zu Herborn Johann Heinrich Eberhard das Erscheinen einer Wochenschrift in Aussicht, welche vom 1. Januar 1767 ab zunächst alle vierzehn, späterhin alle acht Tage in der Stärke eines Bogens zum Preise von 15 Kreuzern für das Vierteljahr erscheinen solle. Das erste Stück kam auch zu Anfang des Jahres 1767 heraus unter dem von der früheren Anzeige etwas abweichenden Titel: „Herbornische vermischte Beiträge in welchen sowohl von gelehrten Sachen überhaupt als auch besonders von den Nassauischen Merkwürdigkeiten, Rechten und Gelehrten gehandelt wird.«*) Der Herausgeber spricht sich über sein Vor-

'J Kiohl, W. II., Xussaui.'?che Chronik des Jiihrea 1848. Wiesbaduu 1849. S. 5. *) lleilioni I7tj7. (iodruckt mit Ri-goleinisuheii Srhriftoii. 8.

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haben auf S. 8 f. folgendermassen aus: „Tn den gegenwärtigen Beiträgen werde ich von vermischten Sachen handeln. Ich werde suchen das allgemein Interes- sante zu erörtern. Ich werde mit historischen, rechtlichen auch moralischen Abhandlungen abwechseln. So, wie es der allgemeine Nuzzen, die Umstände und der vermuthete Geschmack meiner Leser erfordern wird. Ich will die Lebensbeschreibungen der Xassauischen Gelehrten mittheilen. Unsere Hohe Schule soll zugleich mein besonderes Augenmerk verdienen. Ich werde von der gegenwärtigen Verfassung, von den würdigen Männern, welche auf derselben lehren, zuverlässige Nachrichten geben. Die neuesten, bei uns herausgekommenen, Schriften sollen angezeiget werden. Die übrigen Merkwürdigkeiten in dem Nassauischen werden meinen Lesern eben so angenehm sein. Neue interessirende Verordnungen, neue Hauptveränderungen sollen hier eine Stelle haben. Be- gebenheiten, welche sich in dem Reiche der Natur antreffen lassen, werden zugleich aufgezeichnet werden." Eberhard entwickelt hier, wie man sieht, durch- aus das Programm eines gelehrten Journals. Die Mehrzahl seiner Leser wünschte aber, er „mögte unter die Nassauischen Merkwürdigkeiten, auch die minder beträchtlichen bringen und also den Wochenblättern in anderen Städten nach- ahmen." Als Gelehrter und Professor an der Hohen Schule zu Herborn war er aber nicht der Mann dazu, ein „gemeines Wochenblatt" herauszugeben. Er versprach zwar für das nächste Vierteljahr durch eine Beilage, welche als „An- hang zu den Herbornischen Beiträgen" in ihrem Erscheinen jede Woche mit den Beiträgen selbst abwechseln sollte, derartigen Wünschen Rechnung tragen zu wollen, allein er hielt sein Versprechen nicht und erklärte sich bald „durch die häuffigen Erinnerungen, die sich wahrhaftig zum Erstaunen alle wider- sprechen, so müde gemacht", dass er das ganze Unternehmen aufgab. Mit dem achten Stücke gingen die Beiträge wieder ein und überdauerten also ihr Ge- burtsjahr nicht.

Der Torso stellt ein seltsames Gemisch von Erörterungen über Gegen- stände heterogenster Art dar. Die Behandlung staatsrechtlicher Fragen und rein begriffliche Untersuchungen wechseln ab mit Mitteilungen über neue tech- nische Erfindungen, in deren bunten Durcheinander sich noch dazu allerlei Nachrichten über nassauische Dinge eingestreut finden. Ein derartiges Blatt konnte weder das grössere Publikum noch den engeren Gelehrtenkreis be- friedigen. Der Herausgeber beabsichtigte die Beiträge im Verein mit anderen Gelehrten „binnen kurzer Zeit in einer ganz andern Gestalt, und zwar als eine Monatsschrift erscheinen" zu lassen. Von den fünf Bogen, die jeden Monat herausgegeben werden sollten, sollte einer jedesmal der allmählichen Sammlung der Nassauischen Gesetze vorbehalten sein. Die Ausführung dieses Plans wurde indessen durch die Berufung Eberhards nach Zerbst, wo er als Anhalt-Köthenscher Hofrat schon im Jahre 1772 starb, vereitelt.

So bedeutungslos dieses erste in Nassau periodisch erschienene Blatt schon hinsichtlich seiner kurzen Lebensdauer ist, so beweist doch die Aufnahme, die es fand, deutlich, wie sehr in grösseren Kreisen des Landes nach einer Wochen- schrift verlangt wurde. Dies Verlangen, welches durch die Herborner Beiträge nicht befriedigt, aber nur um so reger geworden war, wurde alsbald gestillt

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durch die Begründung der Dillenburgischen Intelligenz-Nachrichten, in denen auch der von Eberhard in Aussicht genommene Plan einer Sammlung der ein- heimischen Gesetze und Verordnungen wieder aufgenommen und verwirklicht wurde.

Nachdem schon im Jahre 1769 der Oberkonsistorialrat Schepp der Landes- regierung zu Dillenburg eine ausführliche Denkschrift sowohl über den Nutzen und die Notwendigkeit eines zu gunsten des Dillenburger Landarmen- und Waisenhauses zu verlegenden allgemeinen Intelligenz-Blattes als auch über dessen Einrichtung unterbreitet hatte, nahm sich im Jahre 1772 der Dillenburger Advokat August Friedemann Rühle von Lilienstern der inzwischen durch den Tod Schepps ins Stocken geratenen Angelegenheit wieder an.*) Nach vor- läufiger Verständigung mit der Regierung, welche dem damaligen Regierungs- Assessor, späteren Regierungsrat von Rauschard das Zensoramt über das zu gründende Blatt übertrug, liess er, noch ehe die fürstliche Genehmigung dea Unternehmens aus dem Haag eingetroffen war, eine vom 7. Dezember 1772 datierte „vorläufige Nachricht von einem Intelligenz-Blatte, welches mit dem Anfange des Jahres 1773 wöchentlich zweimal zu Dillenburg wird veranstaltet und öffentlich ausgegeben werden" erscheinen. Der hier angekündigte Termin konnte freilich nicht eingehalten werden, da die Regelein'sche Druckerei in Herborn, um die Druckarbeit leisten zu können, noch eines Gesellen benötigte und der im Namen und unter strenger Kontrolle seiner Schwiegermutter die Druckerei leitende Faktor Brückner sich ausser stände erklärte, denselben vor der Ostermesse zu beschaffen. Ausserdem stellte die Druckerei für die Über- nahme des Druckes Bedingungen, auf die Rühle zunächst nicht eingehen wollte. Erst nachdem sich seine infolge dessen mit dem Berleburger Buchdrucker Johann Ludwig Ickler angeknüpften Verhandlungen, welche diesen zur Verlegung seines Geschäftes nach Dillenburg zu veranlassen bezweckten, als erfolglos er- wiesen hatten, indem sie bei der Landesregierung keine Unterstützung fanden, gab er, um zum Ziel zu gelangen, nach. Er willigte in den von der Rege- lein'schen Druckerei aufgesetzten Kontrakt, dem zufolge das Blatt nur einmal wöchentlich und zwar in der Stärke eines Bogens ausgegeben werden sollte. Abgesehen von einer Reihe anderer jedes Risiko für die Druckerei ausschliessen- den Bestimmungen verpflichtete der Vertrag den Herausgeber des Blattes den Druckerlohn im Betrage von 65 Gulden die Druckkosten eines Bogens in einer Aufiage von 700 Exemplaren betrugen 5 Gulden vierteljährhch vorauszu-

*j Das .Staatsarchiv zu Wiesbaden besitzt über die Dillenburgischen Intelligenz-Nach- richten ein umfangreiches Aktentnaterial, auf Grund dessen Archivrat Dr. Sauer schon im lihoinischen Kurier, Jahrgang 1895, Xu. 109 und 110 eine Schilderung der äusseren Schwierig- keiten, mit denen das Blatt im Anfang zu kämpfen hatte, gegeben hat. Da dieselbe auf das Blatt selbst nicht weiter eingeht und auch mit dem .lahre 1780 als dem Wendepunkt in der von den Landgemeinden gegen das Blatt bis dahin behaupteten allgemeinen Opposition ab- bricht, so erachte ich mich der Aufgabe, auch die kulturhistorisch interessanten äusseren Schicksale der Intelligenz-Nachrichten auf Gruml selbständiger Aktenforschuiig, welche die Hauer'sche Arbeit nicht nur «»rgänzt, sondern auch mehrfach berichtigt, hier im Zusammen- hange vorzuführen, um so weniger überhoben, als dieselben die innere Uostaitung des Blattes >\eseutlicli bueinHusst haben.

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bezahlen, das Papier zu liefern, alle Transportkosten zu übernehmen und einen Korrektor in Herborn zu bestellen. Durch Reskript vom 10. März 1773 wurde Kühle vom Landesherrn gegen die unenrgeltliche Aufnahme aller obrigkeitlichen, sonst dem Fiskus zur Last fallenden Bekanntmachungen, die unentireltliche Ablieferung des Blattes an die Registraturen der oberen Landesbehörden und der Amter*), sowie gegen die Abgabe „eines in der Folge nach dem Masse der damit gemacht werdenden Fortune zu bestimmenden gewissen pro Cent" an das Waisenhaus ein Privileg auf zehn Jahre verliehen. Im übrigen be- stimmte der Landesfürst im Gegensatz zu dem durch die Landesregierung über- mittelten Antrage Rühles, dass auf die Gemeinden zur Haltung des Blattes, „wozu sie doch durch die Beamten und Prediger auf eine schickliche Weise leicht zu disponiren seyn dürtften", kein Zwang ausgeübt werden solle.

In dieser Beziehung hatte freilich die Landesregierung schon andere Er- fahrungen gemacht. Bereits unter dem 12. Januar 1773 hatte sie den Ämtern eine Anzahl Exemplare einer zweiten vorläufigen Nachricht, welche das Er- scheinen des Blattes für April in sichere Aussicht stellte, zum Zwecke der Verbreitung auf dem Lande übersandt und zugleich angeordnet, die Gemeinden über die Gemeinnützigkeit des neuen ITnternehmens zu unterrichten und sie zum Abonnement auf das Blatt, dessen vierteljährlicher Pränumerationspreis für ein Exemplar auf Druckpapier auf 33 Kreuzer, für ein solches auf Schreib- papier auf 40 Kreuzer festgesetzt worden war, zu veranlassen. Die Bauern hatten aber fast überall erklärt, dass sie weder Geld zum Kaufen noch Zeit zum Lesen solcher Blätter übrig hätten. Nur aus den Städten Dillenburg, Herborn, Siegen, Hadamar und Diez, sowie aus dem Amte Hadamar fanden sich damals nebst zwei auswärtigen und zwar Wiesbadener Abonnenten im ganzen 180 zusammen, eine Zahl, die weit hinter der von Rühle, der auf das Abonnement sämtlicher ungefähr 330 Gemeinden gerechnet hatte, in Aussicht genommenen Auflage von 700 Exemplaren zurückblieb. Auch jetzt hatten die Bemühungen, die Bauern zu gewinnen, nur sehr geringen Erfolg und bestätigten nur allzusehr das Urteil des Amtmanns im Siegener Landkreise, welches derselbe in seinem Berichte an die Regierung über die Resultatlosigkeit aller von ihm angestellten Überredungskünste in die Worte zusammenfasst: „Bei dem Bauersmann, der die sonst nüzzliche und nötige herrschaftliche Verordnungen zu wissen nicht verlanget, damit er sich desto besser mit der Unwissenheit, wie er jederzeit zu thun pfleget, entschuldigen könne, der sich gegen alle Geld-Ausgaben, und wenn sie auch noch so gering sind, streubet: ist mit Vorstellen und Zureden in Sachen, welche Geld kosten, nicht das mindeste auszurichten." Die Regierung hatte nicht so sehr, um sich zu vergewissern, dass die Amtmänner alles auf- böten, um die Gemeinden geneigt zu machen, als ganz besonders um letzteren zu zeigen, wie sehr ihr die Sache am Herzen iiege, befohlen, dass die Heim- berger der Gemeinden, falls sie die Annahme des Intelligenz-Blattes verweigerten, über die Gründe ihrer Weigerung zu Protokoll vernommen werden sollten.

") Die Anzahl der l'rticlitexempliiro betrug also nicht, wie ^^auor angiebt, eines, viel- mehr werden in ilen vurlmiulenen '^uartalsjiürcc-lnuuii^i'M :>9 t'reiexenjplare Hufifutuhrt.

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Da diese nun aber erklärten, dass sie bei ihren Gemeinden in dieser Beziehung nichts auszurichten verrauchten, liess man die ganzen Gemeinden nach dem Anitsort entbieten und sie über die Frage, ob sie das IntelHgenz-Blatt halten wollten oder nicht, Mann für Mann abstimmen und diese Einzelvota ebenfalls zu Protokoll bringen.')

Die lebhafte Propaganda steigerte immerhin die Anzahl der Abonnenten für das erste mit April 1773 beginnende Quartal auf 338- Für das zweite Quartal, wo die offizielle Agitation unterblieb, sank sie aber auf 220 herab, sodass, während für das erste Quartal, die Arbeit Kühles nicht gerechnet, ein Überschuss von etwas über 45 Gulden erzielt worden war, der thatsächlich allerdings durch das Ausbleibeu mancher der nach einer festen, mit der Regie- rung vereinbarten Taxe zu erhebenden Insertionsgebühren in Frage gestellt wurde, das finanzielle Ergebnis des zweiten Quartals schon ein Minus von über 21 Gulden ergab. Dabei schlug ßühle den Schaden, welcher ihm aus dem durch Einrichtung und Redaktion des Blattes herbeigeführten Versäumnis seiner Advokatenpraxis für die Zeit von Januar bis Oktober erwachsen war, auf über 492 Gulden an, eine Berechnung, der nach Ansicht der Regierung eine freilich allzu günstige Schätzung des Ertrages seiner Berufsthätigkeit zu Grunde lag. Da im dritten Quartal die Zahl der Abonnenten nur noch 194 erreichte, be- gann Kühle, welcher bisher ohne Vorschüsse aus der herrschaftlichen Kasse und ohne eigene pekuniäre Opfer das Unternehmen gai- nicht hätte durchführen können, der Mut zu sinken.

Das Oberkonsistorium, das schon unter dem 1. Februar 1773 zu gunsten einer allgemeineren Verbreitung des Intelligenz-Blattes das Halten desselben jeder Pfarre im Lande und zwar halb auf Kosten des Kirchenfonds, halb auf Kosten des Pfarrers aufgetragen hatte, und sich jetzt in seiner Hoffnung auf den dem Waisenhause zugesicherten Gewinnanteil getäuscht sah, zeigte nicht übel Lust, den Verlag, wie ursprünglich geplant gewesen war, auf den Fonds des Waisenhauses zu übernehmen. Rühle war bereit, diesem Wunsche ent- gegenzukommen, vorausgesetzt, dass ihm die Redaktion des Blattes gegen eine Entschädigung von jährlich 300 Gulden bleibe. jS'ach Einblick in die Rühle- schen Geschäftsbücher verging den geistlichen Herren aber die Lust. Man dankte und brachte die nicht überall beobachtete Verordnung vom 1. Februar des vorhergehenden Jahres den Pfarrern unter dem 21. Februar 1774 in Er- innerung.

Selbst bei den Beamten fand das Blatt nicht überall die nötige Unter- stützung. Die Einsendung der in die Intelligenz-Nachrichten aufzunehmenden amtlichen Bekanntmachungen wurde vielfach unterlassen, trotzdem die Giltig- keit bestimmter Rechtshandlungen davon abhängig gemacht worden war und diese Bestimmungen wiederholt erneuert und verschärft wurden. Ja, Rühle fand, als er den Oranien-Nassauischen Hof-, Staats- und Bergwerks-Kalender

') L'uter dea betrotfondüu Akten des StiiiUsnrchiv.s zu Wiesbaden betindon sich noch oiiie •^Mixo Koihe soIcIkm- IVotukolle, uns doiioii sidi die gesninte daiiialige selbständige niänn- liclie Bevölkerung der betretlV'ud'Mi Cienieinden dem Manien und der Zahl nach ersehen Uiast.

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zur Hand nahm, dass von den Herren Beamten nur 52 es für nütio- o-ehalten hatten, auf sein Blatt zu abonnieren, 112 dagegen ohne dasselbe oder mit den Freiblättern, welche den Behörden geliefert wurden, auskommen zu können glaubten. Sie, die berufenen Stützen des Staates, sollten jetzt ebenso wie die Juden und die Gemeinden zur Unterstützung seines gemeinnützio-en Unter- nehmens auf allerhöchsten Befehl herangezogen werden. Allein der einsichtsvolle Landesfürst scheute sich auch ferner dem allzu rücksichtslosen Kulturkümpfer iu dieser Weise den Weg zu ebnen und bewilligte Rühle lieber unter still- schweigender Verzichtleistung auf den Ersatz der bisher aus der Staatskasse geleisteten Vorschüsse für die nächsten drei Jahre einen Zuschuss von 25 Gul- den pro Quartal in der Hoffnung, „dass diese nützliche Veranstaltung nach wenigen Jahren in ihr selbst das nötige Soutien finden werde." Auch befrie- digte er Kühles Wunsch nach einer gesicherten Lebensstellung, welche ihm seine durch die Redaktionsthätigkeit beeinträchtigte Advokatur nicht mehr bot, im nächsten Jahre durch seine Ernennung zum Amtmann in Dillenburo".

Auf diese Weise vermochte Rühle die freilich mit materiellen Vorteilen noch keineswegs verbundene Fortsetzung des Blattes, dem auch weiterhin die staatliche Unterstützung nicht entzogen wurde, durchzusetzen. Die Bedeutung des Blattes für das Land erkannte die Regierung auch dadurch an, dass sie sich im Jahre 1777 zur Anschaffung von 20 Exemplaren für das Landesarchiv entschloss. Sie sorgte auch für die weitere Erhaltung des Blattes, indem sie nicht nur die früher schon erlassene Verfügung, dass die Intelligenz-Nachrichten bei den Amtern sorgfältig und vollständig in der Registratur aufbewahrt werden sollten, erneuerte, sondern auch das Einbinden derselben anordnete, eine Mass- regel, der es zu danken ist, dass man verhältnismässig häufig vollständigen Exemplaren des Blattes begegnet.

Da das Intelligenz-Blatt von vielen Gemeinden nicht gehalten wurde, hatte die Umständlichkeit und Kostspieligkeit der offiziellen Publikation landes- herrlicher Verordnungen und Regierungsvorfügungen, die in Einzeldrucken von der Regierung den Amtern mitgeteilt wurden, um von diesen wieder den Ge- meinden bekannt gemacht zu werden, die gleiche bleiben müssen. Hierin Wandel zu schaffen und dem Intelligenz-Blatt zur Erfüllung aller gemeinnützigen Aufgaben, welche man sich davon versprochen hatte, zu verhelfen, das war das Ziel des 1779 an die Spitze der Regierung berufenen Präsidenten von Preuschen. Seine zu diesem Zwecke dem Fürsten unterbreiteten Anträge wurden unter dem 27. Februar 1780 dahin genehmigt, dass mit dem Anfang des folgenden Jahres die Bekanntmachung der landesfürstHchen Verordnungen, sowie der Regierungs- und anderer General- Verfügungen an die Gemeinden einzig und allein durch das Intelligenz-Blatt zu erfolgen habe, und dass unter Herabsetzung des Jahrespreises für dasselbe von 2 Gulden 12 Kreuzer auf 1 Gulden 12 Kreuzer die Gemeinden nochmals ernstlich ermahnt werden sollten, sich zur Annahme des zu ihrem eigenen Besten unternommenen Blattes zu verstehen. Die Regierung, welche dieses Reskript unter dem 14, November veröffentlichte, liess sämtlichen Gemeinden das Blatt bis zum Ende des Jahres unentijeltlich zugehen und verordnete zugleich, dass bei etwaigem weiteren Sträuben der

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Gemeinden der jedesmalige Orfsvorsteher über die Gründe dafür protokollarisch Rechenschaft geben solle. Diese Massregeln hatten die gewünschte Wirkung. Unmittelbar darauf erklärten sich alle Gemeinden der Ämter Hadamar, Haiger, Ebersbach, Siegen und Dillenburg zur Annahme der Intelligenz-Nachrichten bereit und ihnen folgten zu Beginn des neuen Jahres die Gemeinden der Ämter Herborn, Burbach, Driedorf, Hilchenbach, Freudenberg, Diez und Mengers- kirchen/)

Einzelne Gemeinden beharrten freilich auch jetzt noch bei ihrem Wider- stände, vor allen geschlossen die des Kirchspiels Marienberg. Um sie durch Schaden klug zu machen, wurde ihnen unter Erhebung der Schreibgebühren von Amtswegen jetzt jede neu ergehende Verfügung abschriftlich zugestellt. Die Gemeinden weigerten sich aber, diese Gebühren zu bezahlen und vergriffen sich hier und da sogar an dem Amtsdiener, der dieselben einzufordern hatte. Da das Amt endlich mit Exekution drohte, legten die Gemeinden des Kirch- spiels in einer Petition an die Regierung einmütigen Protest gegen dieses Ver- fahren ihres Amtmanns ein. Die Regierung wies die Beschwerdeführer selbst- verständlich ab und beauftragte das Amt, die Gebühren binnen drei Tagen unter Androhung der Auspfändung durch Husaren einzutreiben. Die Bauern krochen aber nicht zu Kreuz und versetzten den Amtmann durch ihre fort- dauernde Unbeugsamkeit in grosse Verlegenheit. Sein Bericht vom 3. Sep- tember 1783, in welchem er sich ausser stände erklärte, die neuen Verord- nungen allemal abschreiben und die Widerspenstigen auspfänden zu lassen, bereitete der Landesregierung freilich noch grössere Verlegenheit. Sie zog es vor, denselben zu den Akten zu legen und es dem Amtmann zu überlassen, mit seinen Bauern fertig zu werden. Dieser versuchte schliesslich im Jahre 1785 dadurch zum Ziel zu gelangen, dass er die sämtlichen Gemeinden in vier Di- strikte einteilte und diesen letzteren nur je ein Intelligenz-Blatt zuwies. Als er aber nach Ablauf des Jahres das Geld für die vier Blätter von den 17 Gemein- den eintreiben wollte, antworteten diese im März 1786 abermals mit einer Ein- gabe an die Regierung, in welcher es heisst: „Bey Huldigung unsers theuresten Landes Vatter wurde es uns deutlich versprochen bey denen alten Rechten und Herkommen so wie dieselbe von unsere Eltern und Grosseltern ererbet, zu verbleiben .... Dahingegen die Intelligenz-Nachrichten uns eine Neuerung ist, die wir vor Geld erkaufen müssen und uns ein ewiges Recht daraus er- wächst." Sie erklären es gemäss ihrer geleisteten Eide für ihre Pflicht, gegen solche Neuerungen, an denen weder die Fürstliche Landesregierung, noch der Landesvater Wohlgefallen haben konnten, zu protestieren und bitten zum Schluss sie „mit der Annahme und Bezahlung der Intelligenz-Nachrichten in hohen Gnaden zu verschonen." Die Regierung musste wohl die Vergeblichkeit weiteren Bemühens einsehen, sie hüllte sich wenigstens in Schweigen und Hess den rat- losen Amtmann auch jetzt vergeblich auf Beantwortung seines diese Eingabe

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der Bauern heglciternien Berichts warten. Erst zehn Jahre später, unter dem 21. Mai 1796 forderte sie auf Grund der beiden Berichte aus den Jahren 1783 und 1786, die ihrer Zeit hegen geblieben seien, den Amtmann auf zu mehlen, ob das Kirchspiel Marienberg auch jetzt noch bei seinem Widerstände beharre, um nötigenfalls eine ernstliche Verfügung zu erlassen. Inzwischen hatte die Zeit aber auch über diesen Bauerntrotz den Sieg davon getragen und die Opposition gegen die Intell'genz-Nachrichten, deren Existenz freilich schon seit dem Jahre 1780 durch die Annahme von Seiten der weitaus überwiegenden Mehrzahl der Gemeinden gesichert worden war, im Lande zum Schweigen ge- bracht. Das Blatt, welches jeden Sonntag entweder von dem Heimberger selbst oder vom Schulmeister den Gemeinden bei 5 Albus Gemeindebusse vorgelesen und eventuell erläutert werden musste, bürgerte sich mehr und mehr auf dem Lande ein.

Erst die im Gefolge der französischen Revolution über Deutschland herein- brechenden Kriegszeiten führten wieder kritischere Jahre für die Intelligenz- Nachrichten herauf. Das sich verallgemeinernde Bedürfnis nach Nachrichten über die Tagesereignisse beförderte die Verbreitung von politischen Zeitungen, eine Konkurrenz, der das Intelligenz-Blatt, dessen Programm alle politischen Mit- teilungen ausschloss, nicht gewachsen war. Andererseits musste es den Ge- meinden bei der Not der Zeiten vielfach gestattet werden, das Intelligenz-Blatt in grösseren Verbänden als bisher ganz kleine Gemeinden hatte man auch vorher schon zu diesem Zwecke vereinigt zu halten. Es kann deshalb nicht wundernehmen, dass bei der Erneuerung des Privilegs im Jahre 1802 der Zu- schuss aus der herrschaftlichen Kasse auch für die Zukunft zugebilligt und die frühere Klausel zu gunsten des Dillenburger Waisenhauses beseitigt wurde. Rühle erhielt übrigens das Verlagsrecht jetzt auf Lebenszeit, ja auch für seine Nachkommen, falls sieh einer derselben eignen würde, die Redaktion des Blattes nach seinem Tode zu übernehmen.

Rühles Wunsch, in Dillenburg eine eigene Hofbuchdruckerei errichten zu dürfen, wurde dagegen abschlägig beschieden. Der Druck der Intelligenz- Nachrichten musste vielmehr auch fernerhin in Herborn besorgt werden, wo nach dem Tode der Witwe Brückner der Buchhändler und Buchdrucker Johann Christian Krieger aus Marburg unter dem 15. Oktober 1802 das Druckerprivileg erhielt, in welchem ihm auch ans Herz gelegt wurde, „den Abdruck des Intel- ligenz-Blattes, als einer gemeinnützigen Anstalt, möglichst zu fördern." Da Krieger erst im November 1803 seine Herborner Druckerei eröffnete, nachdem der Faktor der früheren Druckerei bereits im April des Jahres Herborn ver- lassen hatte, so mussten die Intelligenz-Nachrichten in der Zwischenzeit in Marburg gedruckt werden, Krieger, der zuerst in den zwischen der Rege- lein'schen Druckerei und Rühle vor 30 Jahren abgeschlossenen Vertrag ein- gewilligt hatte, verlangte zwei Jahre später angesichts der gesteigerten Löhne statt 5 für den Bogen 7 Gulden. Es kam darüber zwischen Drucker und Ver- leger zu sehr scharfen Auseinandersetzungen, und wenn schliesslich die Regierung auch eine Verständigung zu Gunsten Kriegers herbeiführte, so blieb das Ver- hältnis zwischen beiden doch fernerhin ein gespanntes.

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Rüble erhöhte, trotzdem auch der Preis des Papiers gegen früher um die Hälfte gestiegen war, den Abonnementspreis nicht, sondern half sieh lieber da- mit, dass er manchmal nur einen halben statt eines ganzen Bogens drucken liess. Übrigens betrug damals die Auflage 600 Exemplare. Als mit der Ein- verleibung des Landes in das Grossherzogtum Berg im Jahre 1806 auch das frühere inländische Absatzgebiet geschmälert wurde das Arrondissement Dillenburg, sowie das spätere Sieg-Departement schloss nicht das ganze früher nassau-oranische Gebiet in sich als noch dazu mit Einführung der neuen Postordnung zu Beginn des Jahres 1809 die Portofreiheit für das Intelligenz- Blatt aufhörte, sah er sich schliesslich, zumal der Abdruck der zahlreichen Erlasse der neuen Regierung ihm nicht mehr gestattete, durch Beschränkung des Druckes Ersparnisse zu erzielen, ausser stände, seinem Unternehmen weitere Opfer zu bringen und entschloss sich, den Preis auf I Reichsthaler zu erhöhen. Als nun vollends durch Verfügung des Präfekten des Sieg-Departements vom 20. Dezember 1809, der zufolge die Bekanntmachung der Präfektur-Verfügungen vom Jahre 1810 ab in einem besonderen, bei Krieger in Herborn verlegten Amtsblatte, den „Verhandlungen der Präfektur des Sieg-Departements" zu er- folgen hatte, die Intelligenz-Nachrichten als amtliches Publikationsorgan der Regierung ausser Kurs gesetzt wurden, wurde Rühle die Möglichkeit genommen, das Blatt im eigenen Verlage weiterhin erscheinen zu lassen. Mit dem Ende des Jahres 1809 ging es nach einer siebenunddreissigjährigen Dauer ein.

Der Fleiss und die Ausdauer, mit welcher Rühle unter den eben geschil- derten Verhältnissen die Herausgabe des Blattes durch einen so langen Zeitraum besorgt hat, ohne dass ihn materielle Vorteile hätten ermuntern können, ver- dient alle Anerkennung, und diese vermindert sich nicht, wenn wir die Art und Weise, in welcher Rühle dieser Aufgabe gerecht geworden ist, näher ins Auge fassen. Der Inhalt des Blattes bewegte sich innerhalb bestimmter, von vornherein festgelegter Grenzen. An erster Stelle sollten die landesherrlichen Verordnungen und die auf Befehl des Landesfürsten ergangenen Regierungs- Verfügungen zum Abdruck gebracht werden. Neben diesem Charakter der Intelligenz-Nachrichten als eines offiziellen Gesetzblattes war ihre weitere Auf- gabe, durch Veröffentlichung von Nachrichten und Abhandlungen aus dem Ge- biete der vaterländischen Geschichte, der Naturkunde, der Sittenlehre, vor allem aber der Haus- und Landwirtschaft, sowie des Bergbaus, der fast ausschliess- lichen Erwerbszweige des Landes, dessen Grenzen dem Handel und Verkehr noch nicht erschlossen waren, anregend und belehrend auf die Bevölkerung einzuwirken. Der übrige Raum war den obrigkeitlichen und privaten Bekannt- machungen vorbehalten, die jedesmal iu einer bestimmten Reihenfolge aufzu- führen waren.

Fünfzig Rubriken waren hier vorgesehen, wie Nachrichten vom Fürstlichen Uoflager, Veränderungen im Beamtenstaude, Kameral-, Ökonomie-, Domänen-, Jagd- und Landgestütsachen, Kirchen- und Schulsachen, Bergwerks-, Hütten- und llammersachen, Militär-, Sanitätswesen, darunter auch die Emser Karliste, sowie sonstige Nachrichten über Bäder, Münzwesen, Märkte, die Hohe Schule zu iierborn, Stadt-, Kirchspiels-, Gemeinde- und Zuuftsacheu, Armen- und

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Waisenhäuser, Polizei-, Post-, Kalender-, Fabrikwesen, ferner alle Gerichtssachon, für welche allein wieder nicht weniger als 16 Rubriken unterschieden wurden, sodann Kaufs-, Verkaufs- und dergleichen Anzeigen, verlorene und gefundene Sachen, Dienststellen, andere Gesuche und Angebote, die Liste der in Dillen- burg Getauften, Kopulierten, Gestorbenen und ein- und ausgehenden Fremden, Unglücksfälle, Aufgaben und Anfragen mit Antworten, vermischte Nachrichten, unter denen mehr und mehr die Nachrichten über Familienereignisse, besonders Todesfälle, an Raum gewinnen, Bekanntmachungen der Intelligenz-Ausfertigung und Preise der Lebensmittel. Diese Rubriken haben zwar im Laufe der Zeit kleine, durch die veränderten Verhältnisse gebotene Änderungen erfahren, in der Haupt- sache sind sie aber während der ganzen Dauer des Blattes festgehalten worden. Eine anfangs nicht vorgesehene Rubrik „Auswärtige Nachrichten", in der be- nachbarte Regierungen Bekanntmachungen erliessen, kam späterhin noch dazu und gewann mit der grosseren Verbreitung und dem steigenden Ansehen des Blattes natürlich auch immer mehr an Bedeutung. Das allgemeinste Interesse erregten darunter die Nachrichten vom Fürstlichen Hotia;er, wenn sie sich auch auf das rein Persönliche beschränken mussten und nichts enthalten durften, was nicht schon anderweitig bekannt gemacht worden war. Sie erfuhren dem- gemäss, wenn besondere Gelegenheiten, wie ausserordentliche Festlichkeiten und Reisen der Landesherrschaft das Nachrichtenbedürfnis des Publikums steigerten, auch eine grössere Ausdehnung, ja es kommt vor, dass sich infolge solcher Zugabe der Umfang der WochenausgaI>e um das Doppelte vermehrt. Grosse Anziehungskraft besassen auch die Rubriken Fragen und Antworten, aus denen man das vorwiegend landwirtschaftliche Interesse der Abonnenten bis zum Uber- druss kennen lernt. Späterhin als der Buchhändler Krieger den Druck des Blattes besorgte, suchte dieser dasselbe möglichst zur Bekanntmachung seiner Verlagsartikel und seines Bücherlagers auszunutzen. Dieser eigentliche Intel- ligenzteil des Blattes ist mit seiner Fülle einzelner Nachrichten der verschiedensten Art eine wahre Fundgrube für die lokal- und kulturgeschichtliche Forschung. Ein dauerndes Verdienst erwarb sich Rühle durch den ersten Teil seines Blattes. Neben den neu ergehenden Verordnungen brachte er hier auch die früheren, und zwar, nachdem er im ersten Jahrgange die wichtigsten heraus- gegriffen hatte, seit dem Jahre 1774 im wesentlichen nach der Zeitfolge geordnet, zum Abdruck. Er benutzte zugleich den Satz der Inteliigeuz-Nachrichten für eine besondere streng chronologisch geordnete Ausgabe der Nassau-Oranischen Gesetze, dem Corpus constitutionum Nassovicarum, welches im Jahre 1706 er- schien und die Gesetze bis einschliesslich 1774 in sich schliesst. Das auf dem Titel angegebene Register dazu ist nie erschienen, wird aber mehr als erset/.t durch das 1802 und 1803 erschienene Weistum, welches ausser für das Corpus auch für alle in den Intelligenz-Nachrichten bis zum Jahre 1802 veröffentlichten Gesetze und Verfügungen eine systematische, chronologische und eine nach Schlagwörtern alphabetisch geordnete Übersicht enthält, und die Benutzung der Intelligenz-Nachrichten für diesen Teil ausserordentlich erleichtert, wenn auch das Blatt selbst mit einem jedesmaligen dreifach geteilten Jahresregister und zwar über die Verordnungen nach der Zeitordnung sowie nach ihrem Inhalt

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und über die im zweiten Teil des Blattes befindlicheu Aufsätze (für letztere ausserdem auch noch mit einem Gesamtregister über die Jahre 1773 bis 1784 und 1785 bis 1800) ausgestattet ist. Mit welcher Sorgfalt Rühle auf den kor- rekten Abdruck der Verordnungen bedacht war, das ersieht man aus seiner „Berichtisrunff des Druckes der verschiedenen Ausgaben der Nassau-Catzeneln- bogischen Gerichts-, Land-, Polizey- und Bergordnung" (Jahrg. 1806, 625 bis 635), in welchen er, weil diese Verordnungen in den Intelligenz-Nachrichten nicht zum Abdruck gelangt, sondern nur ihrem Inhalt nach im Weistam ver- zeichnet sind, auf Grund genauer Vergleichung der Ausgaben die Verschieden- heit der Lesarten mit Bezeichnung der richtigen besonders zusammenstellt und uns damit in die Art seines Arbeitens den günstigsten Einblick gewährt.

In dem Masse, wie Rühle Kenntnisse, Fähigkeiten und Neigung zur Lösung der ihm in diesem Teil der Intelligenz-Nachrichten gestellten Aufgabe, bei welcher er übrigens durch die vorzüglichen Dillenburger Archivare aufs beste unterstützt wurde, in sich vereinigte, konnte dies betreffs des zweiten Teiles des Blattes, welcher durch belehrende Abhandlungen über so mancherlei Ge- biete des Wissens die Hebung der Bildung und die Aufklärung des Volkes bezweckte, der Natur der Sache nach nicht der Fall sein. Immerhin war er als praktischer Mann mit reicher Lebenserfahrung und genauer Kenntnis von Land und Leuten, die sich zu erwerben ihm seine Anwaltsthätigkeit ganz be- sondere Gelegenheit bot, auch nach dieser Seite hin für die Redaktion des Blattes nicht unvorbereitet. Bezüglich des wichtigsten Punktes, der Land- wirtschaft, be.sass er sogar, wie selbständige, auf eigener Erfahrung und Beob- achtung beruhende Artikel, die aus seiner Feder geflossen sind, zeigen, besonderes Interesse und Sachkunde, z. B. der Aufsatz über Sibirischen Buchweizen (Jahr- gang 1805, 409 412), aus dem man Rühle als echten Volkswirt kennen lernt. Viel Eigenes zu bieten, dazu fehlte es ihm indessen an der nötigen Müsse. Auch war er bei allen Kenntnissen kein Mann von geistig hervorragender Be- deutung, sodass er es verstanden hätte, dem Blatte ein irgendwie individuelleres Gepräge zu geben. Im Ganzen und Grossen hält sich dasselbe in diesem Teile während der 37 Jahre seines Bestehens innerhalb des Rahmens des von vorn- herein entworfenen Programms, wobei die Belehrung über haus- und landwirt- schaftliche Gegenstände, und über die Erhaltung der Gesundheit von Menschen und Vieh alle Zeit den breitesten Raum einnimmt. Unter der thätigen Be- teiligung der gelehrten Kreise Nassau-Dilleuburgs gewinnen daneben die lokal- geschichtlichen und lokallitteraturgeschichtlichen Aufsätze bis in den Anfang der achtziger Jahre eine solche Ausdehnung, dass die eigentliche Bestimmung des Blattes, der Ratgeber und Belehrer des gemeinen Mannes zu sein, dadurch srefährdet erschien. Mit der Annahme des Blattes von seiten der Gemeinden im Jahre 1780 tritt wieder ein Umschwung zu gunsten einer die unmittel- baren Bedürfnisse und Interessen des Landmanns besser berücksichtigenden Haltung des Blattes ein. Späterhin als der Abdruck älterer Verordnungen den Raum nicht mehr in der früheren Ausdehnung in Anspruch nahm, erscheinen daneben nach dem Geschmacke der Zeit mehr Aufsätze moralisierenden Inhalts. Diese wurden zuletzt sogar als „Vermischte Gedanken und Lehren" ein

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ständiger Artikel. Narli Einverleibung des Landes in das von Napoleon ge- gründete (Trossher/ogtum Berg wurden ausserdem politische Nachrichten in das Blatt aufgenommen, die schon lange von einem grossen Teil der Leser gefordert worden waren, seitdem mit der französischen Revolution und den ihr folgenden weltbewegenden Ereignissen das politische Interesse gewachsen war und die Kriegstrommel durch das Land zog. Kühle hatte wiederholt, aber vergeblich die Erlaubnis zu dieser Erweiterung des Programmes als dem besten Mittel, die Verbreitung des Blattes zu fördern, von der Regierung zu erlangen gesucht. Diese erkannte zwar die Begründung seines Gesuches als richtig an, zumal auch die Amter vielfach die Aufnahme politischer Nachrichten als die zweck- mässigste Massregel, den Bauer für das Blatt zu gewinnen, empfohlen hatten, aber sie vermochte sich trotzdem ihrer Bedenken gegen diese Neuerung nicht zu entschlagen. Erst unter der neuen Regierung konnte Rühle in der Rubrik „Neueste Nachrichten" den Wunsch seiner Leser befriedigen. Es versteht sich von selbst, dass er sich dabei auf die blosse Anführung von Thatsachen unter Weglassung jeglichen Riisonnements beschränken musste. Übrigens war auch diese Neuerung nicht von längerem Bestände, da bei den vielen neuen Dekreten und Verfügungen der Raum sehr bald nicht mehr dafür zur Verfügung stand.

Der Eindruck, welchen das Blatt bezüglich Form und Inhalt dieser Auf- sätze im Grossen und Ganzen macht, ist ein ausserordentlich nüchterner. In dem Programm war auch nur die Belehrung des Volkes vorgesehen. Der Bauer wollte aber nicht so sehr belehrt und ermahnt als unterhalten sein. So wird denn auch sehr bald nach Erscheinen des Blattes der Wunsch laut (Jahr- gang 1773, 607), „unter dem Nützlichen bisweilen etwas mehr Vergnügendes anzutreffen. " Rühle war, so wenig er als trockener Verstandesmensch in sich die Neigung empfinden mochte, nach dieser Richtung hin über die ihm gesteck- ten Schranken hinauszugehen, doch ein zu guter Geschcäftsmann, als dass er nicht im Gegensatze zu Eberhard, welcher in den Herborner Beiträgen seinen Geschmack nicht dem seiner Leser hatte aufopfern wollen, eifrigst bemüht ge- wesen wäre, allen Wünschen des Publikums möglichst Gehör zu geben. Kann er sich auch nicht dazu verstehen, Gedichten, so gut sie seien, einen Platz in seinem Blatte zu gönnen, so unterbricht er doch ab und zu die Eintönigkeit der auf Belehrung gerichteten Artikel durch eine kleine unterhaltende Zugabe, sei es, dass er dieselbe eingesandten Aufsätzen entnimmt oder dass er selbst irgend eine historische Anekdote auffrischt. Der Zensor von Rauschard, von dessen mit Rühle über die Intelligenz-Nachrichten geführter Korrespondenz noch Reste erhalten sind, war kein Pedant und liess ihm die nötige Freiheit. Der- artige Artikel, welche mitunter freilich auch blosse Lückenbüsser sind, geben sich, als ausser aller Beziehung zu der sonstigen lehrhaften Tendenz des Blattes stehend, unschwer als Beiwerk zu erkennen, das der Herausgeber oft genug auch noch besonders zu rechtfertigen für nötig erachtet.

Der Präsident von Preuschen, welcher, wie schon erwähnt, sich um die Verbreitung des Blattes Verdienste erwarb und zum Zwecke einer grösseren Popularisierung desselben darauf drang, dass die Aufsätze nicht über die Inte- ressensphäre des Laudmannes hinausgingen, suchte in einsichtsvoller Weise auch

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darauf hinzuwirken, dass der die Belehrung bezweckende Inhalt mehr in das Gewand unterhaltender Erzählungen gekleidet werde. Dass seine Bemühungen auch nach dieser Seite hin nicht ganz erfolglos blieben, obgleich Rühle selbst einer solchen Forderung nicht gewachsen war, dafür Hessen sich schon Bei- spiele anführen, wenn es überhaupt gestattet wäre, sich länger bei der formalen Seite eines Blattes aufzuhalten, welches doch einzig und allein seinem Inhalte nach Interesse gewähren kann.

Der nachhaltige Wert der Intelügenz-Nachrichten beruht natürlich weniger in der schier unendlichen Fülle der auf die haus- und landwirtschaftliche Be- lehrung des Volkes zielenden Artikel, welche, zum geringsten Teile Original- aufsätze, meist aus Fachblärtern und neu erschienenen Lehrbüchern jener Zeit abgedruckt sind. Noch weniger Bedeutung können die mit der Zeit mehr und mehr an Raum gewinnenden moralisierenden Artikel ebenso grösstenteils nur Aus/.üge aus damals beliebten Moralschriften beanspruchen. Recht- fertigt doch Rühle (Jahrg. 1805, 366) „die Anmassung, Sittenkhrer zu seyn", gerade damit, dass er nicht eigene Gedanken und Meinungen vorbringe, son- dern nur was er oder seine Mitarbeiter in anerkannten Musterschriften gefunden hätten. Alle diese unmittelbar für den gemeinen Mann bestimmten Artikel bieten wohl in kulturhistorischer Beziehung hin und wieder Bemerkenswertes, wertvoll aber sind für uns, abgesehen von den vielen in dem Anzeigenteil der Intelligenz-Nachrichten enthaltenen Einzelnachrichten, vor allen Dingen die der Beschreibung von Land und Leuten, Sitten und Gebräuchen gewidmeten, sowie die übrigen historisch-antiquarischen Aufsätze, welche, wenn sie auch den sonstigen Artikeln gegenüber an Umfang zurücktreten, doch in stattlicher Zahl über die verschiedenen Jahrgänge, besonders der siebziger und achtziger Jahre, zerstreut sind. Bei der Fülle des Gebotenen ist es ausgeschlossen, auf das Einzelne näher eingehen zu wollen. Besser und schneller gewinnt man auch eine Vor- stellung davon, welche Fundgrube die Dillenburgischen Intelligenz-Nachrichten bis auf den heutigen Tag für die historische Forschung sind, durch einen Blick in das trefHiche Buch von Heyn, Der Westerwald und seine Bewohner, für welches dieses Blatt die vorzüglichste Quelle gewesen ist.

Den Besitz dieses noch lange nicht erschöpften Quellenwerkes verdanken wir in erster Linie Rühle, welcher die Herausgabe des Blattes trotz der schwie- rigen Verhältnisse, die sich gegen dasselbe in dem Widerstände der Bevölkerung und in der geringen Beteiligung von Mitarbeitern geltend machten, mit eiserner Energie und grösster Uncigennützigkeit, nur getragen von dem Bewusstsein, seinem Lande damit einen Dienst zu erweisen, als mutiger Pionier der allge- meinen Volksbildung auf sich genommen und nicht eher aus den Händen ge- geben hat, als bis der Plan seines Blattes durch obrigkeitliche Verfügung über den Haufen geworfen wurde. Er hat sich dadurch ein dauerndes Verdienst erworben, von dem ein Teil auch der Regierung und dem Landesfürsten zu- fällt, welche jederzeit mit dem nötigen Verständnis seinem Unternehmen ent- gegenkamen. Dasselbe in dieser Weise durchzuführen wäre ohne die vorzüg- lich organisierte Verwaltung des Dillenburger Landes gar nicht mr>glich ge- wesen. In der Sammlung der nassau-oranischen Gesetze stellt dasselbe zugleich

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ein schönes Denkmal der regen und erfolgreichen Regententhiitigkeit der Fürsten dieses Landes dar.

Rühle legte seine im Dienst der Allgemeinheit 37 Jahre bewährte Feder aus der Hand, seitdem die Präfektur des durch kaiserliches Dekret vom 14. No- vember 1808 eingerichteten Sieg-Departements sich entschloss, die von ihr er- lassenen Beschlüsse, Verorduungen, Generalreskripte und Polizeitaxeo durch ein besonderes Amtsblatt, die „Verhandlungen der Prüfectur des Sieg-Departements" bekannt zu geben, in gleicher Weise wie auch im übrigen Grossherzogtum ein solches offizielles Priifekturblatt für die Rhein-, Ruhr- und Ems-Departements heraus- gegeben wurde. Diese Verhandlungen erschienen mit dem Anfang des Jahres 1810 wöchentlich im Krieger'schen Verlage zu Herborn in fortlaufenden und mit dem Präfekturstempel versehenen Nummern. Sie waren, indem sie die Bekannt- machungen der Regierung nicht durch alle möglichen Gegenstände anderer Art getrennt zum Abdruck brachten und ausser den Präfektur- Verfügungen sowie den kaiserlichen Dekreten und Ministerialerlassen, welch letztere übrigens nur in deutscher Sprache auszugsweise und unter Bezugnahme auf die Departements- Verfassung mitgeteilt wurden, nur noch und zwar selten Beiträge über land- wirtschaftliche Fragen enthielten, ein übersichtlicheres und zweckentsprechenderes amtliches Publikationsorgau als die viel weiteren Aufgaben dienenden Dillen- burgischen Intelligenz-Nachrichten. Das neue Amtsblatt, welches der Unter- präfektur zu Siegen, sowie allen Mairies des Departements unentgeltlich geliefert wurde, stand, wenn es auch seinen Lesern ungleich weniger bot, im Preise doch den Intelligenz-Nachrichten der letzten Jahre nicht nach. Im Jahre 1813 wurden die „Verhandlungen" noch nachträglich auch für das Jahr 1809 ge- druckt und herausgegeben (Jahrg. 1813, No. 207, S. 271). Sie erschienen bis zum Ende des Jahres 1813, seit dem 6. November dieses Jahres, nachdem durch Tagesbefehl des Oberbefehlshabers der das Land okkupierenden Truppen der Verbündeten die Verwaltung des Departements in die Hände des zum General-Kommissar ernannten Fürstl. Oranien-Nassauischen Geheimen Rats von Arnoldi gelegt worden war, ohne den Präfekturstempel und seit dem 7. Dezember unter dem Titel: „Regierungsblatt für das Sieg-Departement", um alsdann von Beginn des Jahres 1814 ab zugleich mit den Neuen Intelligenz-Nachrichten für das Sieg-Departement in dem Oranien-Nassauischen allgemeinen Verordnungs- und Intelligenz- Blatt aufzugehen.

Durch diese „Verhandlungen'' wurden die Dillenburgischen Intelligenz- Nachrichten nur bezüglich der Bekanntmachung der Ministcrial- und Präfektur- Verfügungen ersetzt. Die letzteren hatten sich aber längst viel zu fest ein- gebürgert und nützlich erwiesen, als dass man ihrer, soweit sie die Fülle anderer Nachrichten wie über Versteigerungen, Verpachtungen, Anleihen, Familien -Veränderungen, öffentliche Ladungen, litterarische Neuigkeiten zur öffentlichen Kenntnis brachten, hätte entbehren können. Die Krieger'sche Ver- lagsbuchhandlung entschloss sich daher mit Genehmigung der Regierung, neben den „Verhandlungen" als unmittelbare Fortsetzung der Dillenburgischen Intel- ligenz-Nachrichten eine Wochenschrift unter dem Titel: „Neue Intelligenz-Nach- richten für das Sieg-Departement" zum Preise von 1 fl, für den Jahrgang

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herauszugeben. Als Redakteur gewann sie für dies Unternehmen den Hofrat und Professor der Medizin Döring zu Herborn. Rühle stand diesem Unter- nehmen vollständig fern'), während er als Mitarbeiter bei einem Konkurrenz- unternehmen beteiligt war, das der Buchhändler und Buchdrucker Jordan in Siegen und Dillenburg für das Jahr 1811 ins Leben rief, dem in Dillenburg erscheinenden sIntelligeuz-Blatt für das Grossherzogtum Berg, zum Behüte der Justiz, der Polizei und der bürgerlichen Gewerbe". Dieses war, wie das in Düsseldorf herauskommende Bulletin als Gesetzblatt, so als allgemeines Anzeigen- und Unterhaltungsblatt für den ganzen Umfang des Grossherzogtums geplant, fand aber nicht die gewünschte Verbreitung, welche es übrigens bei seinem zwar grossartigen Programm'") aber dürftigen Inhalt und teuren Preise das Jahresabonnement betrug 2 fl. 30 kr. =: 1 Rthlr. 50 Stüber auch gar nicht verdiente.")

Die neuen Intelligenz-Nachrichten für das Sieg-Departement sind ganz im Stil der früheren Dillonburgischen gehalten. Abgesehen von den auf höheren Befehl einzurückenden Gesetzen und Ministerialerlassen und den oben schon erwähnten Bekanntmachungen enthalten sie ebenso wie jene vorzugsweise ge- meinnützige Aufsätze über land- und hauswirtschaftliche Gegenstände, sowie über die Gesundheitspflege von Menschen und Vieh. Daneben kommen auch solche über geschichtliche Stoffe vor, wie denn unter den Mitarbeitern Dörings, welcher in dieser Beziehung in günstigerer Lage war und verhältnismässig mehr Originales als Rühle bieten konnte, sich auch der nassauische Historiograph Christian Daniel Vogel befindet. Auf das politische Gebiet erstrecken sich die Aufsätze des Blattes ebenso wenig wie bei seinem Vorgänger. Unter dem Druck der Verhältnisse, als die Nachrichten von dem siegreichen Vordringen der Verbündeten verlautbar werden und ihre Wirkung auf die nach Befreiung vom feindlichen Joche schmachtende Bevölkerung nicht verfehlen, wird ihm freilich die Aufgabe zu Teil, durch Verbreitung offizieller Lügen von der überall siegreich behaupteten Machtstellung der Franzosen die Thätigkeit der im Dienste des Kaisers Napoleon stehenden politischen Presse zu unterstützen (Jahrg. 1813, S. 194). Im übrigen aber und abgesehen von den die Zeitereignisse vor Augen stellenden obrigkeitlichen Verfügungen lässt der trockene und nüchtern belehrende Inhalt sehr wenig davon spüren, dass das Blatt Zeuge einer grossen, aufs Innerste erregten Zeit gewesen ist. Weiss es doch selbst in dem erhebenden Moment, wo die schweren Fesseln der Fremdherrschaft endlich gesprengt werden

^) 8auer in der Allgomeinen Deutschen Biographie Btl. 29. Leipzig 1889 S 611 hält irrtümlicherweise Rühle für den Redakteur suwuhl dieses Blattes als auch des Oranien-Xassau- ischea allgemeinen Verordnungs- und Intelligenz-Blattes.

^'^) Das Programm sah in seinem ersten Entwürfe sogar eine besondere Rubrik .,Be- riciitigungen und Streitigkeiten" vor, welche das 3Iinisterium aber in der nicht unbegründeten Befürchtung, dass sie als Feld für , Rügen, Kritiken und Federfehden" ausgebeutet werden küiine, ebenso zu streichen für gut fand, wie es dem Wunsche der Redaktion, die geographi- schen und statisti.->c)ien Nachrichcen an der (Quelle scliü|)fen zu dürfen, die («eiiehmigung versagte.

"j Übrigens blieben auch die in der Hauptstadt 18u9 IBl.i erscheinenden ,Urossher- zoglich-Bergischen Wöchentlichen Xachrichten" trotz ihres umfassenderen Titels im wesentlichen ;iuf die Stadt und Mairie Düs^'.dilurf bcscliränkt.

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und mit dem in das Land einziehenden Sieger der Tag der Freiheit anbricht, seine Leser mit nichts näherliegendem zu unterhalten als mit einer Be- schreibung von den der Obstkultur schädlichen Raupen. Aber auch als blosser teilnahmsloser Herold amtlicher Kundgebungen, sowie als leidenschaftsloser Be- richterstatter über die anlässlich des Sturzes Napoleons veranstalteten Dank- und Freudenfeste ist das Blatt nicht ohne politisches Interesse und bildet zu- sammen mit den „Verhandlungen" eine wichtige Quelle für die naasau-oranische Zeitgeschichte.

Mit dem Jahre 1814 ist das nunmehr „Oranien-Nassauisches allgemeines Verordnungs- und Intelligenz-Blatt" betitelte Blatt wieder, wie früher die Dillen- burgischen Intelligenz-Nachrichten, das einzige Publikationsorgan des Landes. Nachdem es noch zu Beginn des Juli 1815 in Auszügen aus den wichtigsten politischen Zeitungen den Heldenmut des Prinzen Wilhelm von Oranien und des Bataillons Oranien-Nassau in der Schlacht bei Waterloo gefeiert hatte, wurde es durch die in Ausführung der Bestimmungen des Wiener Kongresses am Ende desselben Monats erfolgende Abtretung der nassau-oranischen Erblande an die Walramische Linie, zunächst zum „Herzoglich Nassauischen Intelligenz-Blatt", sodann infolge Verfügung des Herzoglich Nassauischen Staatsministeriums vom 13. August seit Ende September zum „Herzoglich Nassauischen Verordnuugs- und Intelhgenz-Blatt". Als solches blieb es unter der weiteren Redaktion Dörings noch bis zum Schlüsse des Jahres 1815 in der Weise fortbestehen, dass es nicht nur die für die nassau-oranischen Länder ausschliesslich erlassenen, sondern auch die für das ganze Herzogtum ergehenden Gesetze und Verord- nungen zur öffentlichen Kenntnis brachte, ebenso wie die auf jene Länder beschränkten gesetzliehen Bestimmungen auch in dem zu Wiesbaden erscheinen- den Verordnungsblatt des Herzogtums Nassau zum Abdruck kamen. Mit dem Beginn des folgenden Jahres trat dies letztere, sowie das eben dort heraus- kommende Herzoglich Nassauische allgemeine Intelligenz-Blatt an die Stelle des besonderen, nunmehr 43 Jahre bestandenen nassau-oranischen Intelligenz-Blattes.

II. Nassau-Usingen.

In den nassau-usingischen Landen'') hatte der Hochfürstliche Hof- und Kanzlei-Buchdrucker Johannes Schirmer, Wiesbadens erster Drucker, schon in seinem vom 1. Dezember 1769 datierten Privileg die Konzession zu einem „Wochenblättgen, dessen Einrichtung jedoch zuvor reguliret werden soll"*, er- halten. Der unter dem 20. April 1770 der Regierung unterbreitete Plan Schirmers sah sechs Rubriken in dem Blatte vor. In der ersten sollten die Marktpreise, in der zweiten, welche wieder in 23 Unterabteilungen zerfiel, die Herrschaftlichen Bekanntmachungen, Nachrichten über Fürstliche Bediente,

1-) Beiläutig sei erwähut, dass in Xassau-Saarbrückeu schon durch fürstliche Verordnung vom 24. Januar 1761 das „Nassau-SarbrückL-^che Wochen-Blat" eingotuhrt wurde, welches, wie mir Herr Ür. Krohu iii Saarbrücken mitteilt, ebenso wie das Xassau-Usingische nur amt- liche Bekanntmachungen, Privatanzeigen und Preise der Lebensmittel iMitliielt.

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Ediktalladungen, neue Yerordnungen, Steckbriefe, zu. verkaufende und zu kau- fende, zu vermietende und zu mietende, verlorene, gefundene und gestohlene Gegenstände, zu leihende und zu verleihende Kapitalien, gesuchte und ange- botene Dienste und schliesslich vermischte Nachrichten veröffentlicht werden. Die dritte Rubrik sollte die Liste der angekommenen, durch- und abgereisten Passagiere und der Kurgäste enthalten mit Angabe des Tages ihrer Ankunft und Abreise, sowie ihres Absteigequartieres. Der Bekanntmachung des wöchent- lichen Verzeichnisses der zu Wiesbaden Geborenen, Kopulierten, Verstorbenen und Beerdigten, von welch letzteren ausser dem Namen auch Stand und Alter angegeben werden sollte, waren die drei anderen Rubriken vorbehalten. Nur die Privatinserate sollten bezahlt, alle amtlichen Bekanntmachungen aber un- entgeltlich eingerückt werden. Der Abonnementspreis für das wöchentlich in der Stärke eines halben Bogens herauszugebende Blatt sollte mit 30 Kreuzern für das halbe, mit 1 Gulden für das ganze Jahr im voraus bezahlt werden.

Die Regierung billigte diesen Plan. Schon unter dem 24, April gab sie der Polizei-Deputation auf, Schirmer die jedesmaligen Marktpreise, die Liste der Passagiere und Kurgäste, sowie die amtlichen Bekanntmachungen zur Ver- öffentlichung in seinem Blatte mitzuteilen und übertrug ihr zugleich die Auf- sicht über dasselbe, indem sie insbesondere den Polizei-Inspektor anwies, die einzurückenden Bekanntmachungen einer jedesmaligen genauen Prüfung zu unterwerfen, damit nichts Verfängliches gedruckt würde, in Zweifelsfällen aber beim Regierungs-Kollegium um Verhaltungsmassregeln nachzusuchen. In gleicher "Weise wurde dem Konsistorial-Konvent zu Wiesbaden zur Pflicht gemacht Schirmer wöchentlich ein Verzeichnis der Geborenen, Kopulierten und Ver- storbenen zuzustellen.

An die Oberämter und Amter wurde gleichfalls unter dem 24. April 1770 der Befehl erlassen, das für Anfang Mai bevorstehende Erscheinen des Blattes be- kannt zu machen und die Gemeinden unter Hinweis auf die Nützlichkeit und Zweck- mässigkeit des neuen Unternehmens zum Abonnement aufzufordern, sowie selbst für die Amtsregistratur ein Exemplar aus fiskalischen Mitteln anzuschaffen.

Schirmer schob und zwar wohl in der Absicht, zuvor mehr Abonnenten zu gewinnen, das Erscheinen des Blattes noch bis Anfang Juni hinaus. Wenigstens wird in einem von ihm gedruckten „Avertissement" vom 17. Mai 1770, das sich im Staatsarchiv zu Wiesbaden unter den Akten befindet, dieser Termin angekündigt. Da die ersten Jahrgänge des Blattes leider nicht mehr vorhanden sind'^), so lässt sich darüber auch nichts Genaueres feststellen. Der uraprüng-

"j Im Interesse der Wiesbadener Lokalgeschichte, für welche das Blatt bei aller Dürf- tigkeit doch von Bedeutung ist, wäre es sehr zu wünschen, dass noch irgendwo bisher nicht beachtete Überreste des Blattes auftauchten und eine Ergänzung der fehlenden .Jahrgänge er- möglichten. Als vorhanden waren bisher bekannt aus der Zeit von 1770 bis 1S08, in der da8 Blatt als allgemeines Amtsblatt bestand, nur eine einzelne unvollständige Nummer vom 24. Juli 177.5, die .Jahrgänge 1790 bis 1799, welche aus dem Bestanile des Staatsarchivs zu Wiesbaden vor einigen Jahren an das Stadtarchiv daselbst abgegeben worden sind, und die Jahrgänge 1>(02, 1803 und 1M04, welclie der im Besitze des Herrn l'olizeirat Ilülin zu Wies- baden befindlichen, so überaus wertvollen Sammlung von Nassoica aiigeliören. Von der l.Jindes- bibÜDthek zu Wiesbaden, \\el<;lie bisiier von dem lilaCtc aus dif-ser Zeit nichts bL'>a.ss, •^ind in

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liehe Titel, um das am Kopf des Blattes befindliche Waopen gruppiert, lautete: „Hoch Fürstl. Nassau-Saarbrück-Usingische privilegirte gemeinnützige Wiess- bader Nachrichten und Anzeige". Das Blatt veränderte mit No. 2 des Jahrgangs 1796 seinen Titel in: „Gnädigst privilegirte Wiesbader Nachrichten zur Be- förderung des Nahrungsstandes", um zehn Jahre später als „Gnädigst privile- girtes Wiesbader Wochenblatt" zu erscheinen und eine auch vorher schon all- gemein übliche Bezeichnung zur offiziellen zu machen. Von den amtlichen"^ Bekanntmachungen, die den fast ausschliesslichen Inhalt des Blattes ausmachen die Privatnachrichteu sind, abgesehen von den Bücherverzeichnissen des Druckers, noch selten nimmt die Kurliste in den Sommermonaten den grössten Raum ein und macht oft eine Überschreitung des normalen Umfangs des Blattes notwendig. Ausser ihr sind wenigstens in den erhaltenen Jahrgängen nur noch die Berichte der Fürstlichen Hospitaldeputation von etwas weiterem Umfang. Gemeinnützige belehrende Aufsätze, wie sie das Dilleuburger Intelligenz-Blatt auszeichnen, waren nicht im Programm vorgesehen, wenn das auch nicht aus- schliesst, dass das Blatt vereinzelt auch etwas mehr als dürre Anzeigen und Nachrichten bringt. Ein Fall dieser Art liegt schon aus dem Jahre 1773 vor. Aus diesem Jahre besitzen wir eine Schrift") des damaligen Wiesbadener Stadt- pfarrers Christian Ferdinand Nöll, die gegen das Tanzen gerichtet ist und nach dem Vorwort durch einen in den Wiesbadischen Nachrichten und Anzeigren erschienenen anonymen Aufsatz „Gedanken von den sinnlichen Ergötzlichkeiten", der dem Tanzen das Wort redet, hervorgerufen wurde. Dieser Aufsatz, welcher in einem 15 Kleinoktavseiten umfassenden Abdruck noch vorliegt, ist abgesehen davon, dass wir in ihm den ältesten nachweisbaren Rest des Blattes wenigstens dem Inhalt nach vor uns haben, jedenfalls auch insofern bemerkenswert, als die Zensur ihn ruhig passieren Hess, während er den lauten Widerspruch des geistlichen Oberhirten der Stadt und Diözese Wiesbadens unmittelbar heraus- forderte.

Das Blatt hatte nur einen sehr geringen Absatz. Noch im Jahre 1784 be- trug die Zahl der Abonnenten nicht mehr als 113, im Jahre 1797 beläuft sie sich auf 149 und erst, nachdem sich infolge der politischen Umwälzungen das Absatz- gebiet vergrössert hatte, stieg diese Zahl. Im Jahre 1807 fand das Blatt 312 Ab- nehmer. Nach Schirraers Tod im Jahre 1781 giugen Druck und Verlag des Blattes an seinen Nachfolger, den Hof buchdrucker Johann Heinrich Frey über, welchem auch die Lieferung von Freiexemplaren an die Ämter zur Pflicht gemacht wurde, da er nach seiner eignen Angabe 11 Freiexemplare abzugeben hatte. Bei der geringen Abonnentenzahl nicht in der Lage, mit dem Blättchen gute Geschäfte zu machen, suchte er wenigstens an Druck und Papier zu sparen. Zu diesem Zwecke wollte er auch die Kur- und Fremdenliste in ihrem bisherigen Umfange dadurch beschneiden, dass er nur die wöchentlich ankommenden und abreisen- den Kurgäste und Pussagiere, nicht die noch anwesenden, aber bereits gemeldeten

diesen Tugeu die Jahrgänge 1784—1786, 1789 1795, 1797—1804 und 1806— lSü7 erworben worden.

'*) Ihr Titel ist: Christian Ferdinand Nöllen abgenöthicrte Bekanntmachuns Heiner sohrift- niäsigen Gedanken vom Tanzen. Wiesbaden 1773. 8.

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in die Liste aufnahm. Da ihm die Polizei-Deputation dies mit Verweisung auf eine Polizeiverordnung vom 14. August 1779, der zufulge jede Woche alle Gäste aufzunehmen waren, indessen verbot, wandte sich Frey mit der Bitte um Änderung jener Bestimmungen an den Landesherru. In der Folge wurde ihm unter dem 8. Juni 1784 zwar aufgegeben, auch fernerhin alle anwesenden Kur- gäste und Passagiere jedesmal aufzuführen, insofern aber eine Vereinfachung herbeigeführt, als bestimmt wurde, dass die bereits angegebenen, inzwischen aber schon abgereisten Gäste nicht weiter als abgereist gemeldet werden sollten. Frey versuchte auch unmittelbar die Einnahmen des Blattes zu erhöhen, in- dem er sich weigerte die amtlichen Bekanntmachungen weiterhin unentgeltlich in sein Blatt aufzunehmen. Von der Polizei-Deputation deswegen in eine Geld- strafe verurteilt, schickte er derselben den wiederholten Strafbefehl mit dem Bemerken zurück, dass er sich demselben nicht fügen und mit Schluss des Jahres den Druck des Blattes überhaupt ganz aufgeben werde. Die Regierung wollte es dahin aber doch nicht kommen lassen und erklärte unter dem 2. Juli 1784 die Strafe als zu Unrecht erkannt, da Frey sich keines vor das Forum der Polizei gehörigen Verbrechens schuldig gemacht habe. Sie versprach ihm ausserdem in Zukunft alle Bekanntmachungen bis auf die Polizeiverordnungen nach der gewöhnlichen Taxe zu bezahlen. Dabei beruhigte sich Frey, bis er im Jahre 1797 durch eigenmächtige Erhöhung des Preises seines Wochenblatts von 1 Gulden auf 1 Gulden 20 Kreuzer von neuem mit der Polizei-Deputation in Konflikt geriet. Er versuchte es jetzt wieder mit einer Immediateingabe, in welcher er die Preiserhöhung durch den Hinweis auf die gestiegenen Löhne rechtfertigte und zugleich bat, die Ausgabe des Wochenblattes vom Montag wieder auf Samstag, wie es früher gewesen, verlegen zu dürfen. Früher habe er den Kurgästen im Promenadengarten manchen Sonntagnachmittag für 4 bis 5 Gulden Wochenblätter stückweise verkauft und dadurch im Sommer 60 bis 70 Gulden Gewinn erzielt. Jetzt sei das Montags ausgegebene Blatt am Sonntag den Kurgästen zu alt und in der Woche lasse sich kein solches Geschäft machen, „weilen Sonntäglich blos der Sammelplatz dieser Fremden in dem Garten ist". Er wurde jedoch auf beide Bitten abschlägig beschieden.

Nachdem Frey seit länger als 20 Jahren alle obrigkeitlichen Bekanntmach- ungen, ausgenommen die landesherrlichen Verordnungen, mit Genehmigung der Hofkammer bezahlt worden waren, beanstandete letztere im Jahre lb05 die Zahlung. Sie griff auf die bei Gründung des Blattes von der Regierung mit dem Buch- drucker Schirmer im Jahre 1770 getroffene Vereinbarung zurück und verlangte, dass Frey nicht nur in Zukunft alle herrschaftlichen Inserate unentgeltlich auf- nehme, sondern auch den dafür von 17S1 bis dahin für dergleichen Inserate überwiesenen Betrag mit 39 Gulden 9 Kreuzer zurückerstatte. Frey protestierte zwar auf das Energischste, wurde aber angesichts seiner durch die grössere Ver- breitung des Blattes verbesserten Verhältnisse unter dem 19. November 1800 von der Herzoglichen Regierung abgewiesen, da er bei Übernahme der Sehirmer- schen Buchdruckerei alle von Schirmer mit der Regierung eingegangenen Verträge als auch für ihn verbindlich erklärt habe. Den Schaden trug das Blatt, dessen Papier schlechter und dessen Druck mit immer weniger Sorgfalt besorgt wurde,

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sodass sich die Landesregierung zu Anfang des Jahres 1808 veranlasst sah, die mit der Korrektur beauftragte Polizei-Deputation und den Drucker zur Verant- wortung zu ziehen. Frey verlangte bei dieser Gelegenheit nicht nur eine Preis- erhöhung des Blattes auf 1 Gulden 30 Kreuzer und Vergütung aller Bekannt- machungen mit Ausnahme der landesherrlichen Verordnungen und der Anzeio-en von Dienstbeförderungen sondern auch die obligate Beteiligung aller Gemeinden, von denen damals bei 312 Abonnenten nur 16 das Blatt hielten. Dio Reo-ieruno- ging auf diese Anträge nicht ein. Sie hatte bereits seit Jahren Verhandlungen über die Einführung eines auf den ganzen Umfang des Herzogtums berechneten Blattes geführt, welches mit dem folgenden Jahre ins Leben trat und dem weiteren Erscheinen des bisherigen Wochenblattes zunächst ein Ziel setzte.

III. Nassau-Weilburg.

In Weilburg hätte der 1781 aus Darmstadt dahin übergesiedelte privi- legierte Hof- und Kanzlei-Buchdrucker Hartmann Wilhelm Kraemer «'ern eine Landeszeituug begründet. In der Voraussicht, dass es ihm mit einem gewöhn- lichen Wochenblatte in dem kleinen Laude nicht glücken werde, wollte er ausser den inländischen 2sachrichten „die neuesten Weltbegebenheiten, die sich aus den vorhandenen vielen Zeitungen gar bequem schöpfen lassen", in sein Blatt aufnehmen, „wodurch denen vielen Theilnehmern an auswärtigen Zeitungen ein ansehnliches ausser Land wanderndes Geld erspart würde". Um den Nutzen den „ein solches Sprachrohr" für das ganze Land bieten werde, noch zu er- höhen, empfahl er sogar, seine Zeitung in die Schulen einzuführen. Da er indessen zugleich verlangte, dass die Regierung ihm den Absatz von 700 Exemplaren der Preis des Blattes sollte 2 Gulden jährlich betragen gewährleiste, wurde er mit seinen schönen Vorschlägen kurzer Hand abgewiesen. Damit wurde, da es hernach in Weilburg wieder an einer Druckerei mangelte, der Plan eines Nassau- Weilburgischen Wochenblattes begraben, bis im Jahre 1803 aus den durch den Reichsdeputationshauptschluss an Weilburg gefallenen kur- trierischen Landesteilen eine neue Anregung zur Begründung eines solchen Blattes gegeben wurde.

Der Hofrat de Lassaulx zu Ehrenbreitstein kam nämlich im Mai dieses Jahres bei der Regierung um die Konzession für ein Intelligenz-Blatt, dessen Überschüsse der dortigen Armenkasse zugute kommen sollten, ein. Es konnte nicht ausbleiben, dass ihm alsbald in der Hauptstadt des Landes ein Mitbe- werber erstand, indem der Regierungs-Advokat und Amtsschreiber Schramm daselbst um die gleiche Konzession nachsuchte. Da das Nebeneinanderbestehen von zwei Blättern, welche sich aller politischen Nachrichten enthalten mussteu, aussichtslos war, kam, dem Wunsch der Regierung entsprechend, eine Ver- ständigung zwischen beiden Bewerbern zu stände. Sie einigten sich zur ge- meinsamen Herausgabe des Blattes, dessen Druck in Ehrenbreitstein besorgt werden sollte. Der aus dem Absatz in den ehemals kurtrierischen Gebieten sich ergebende Überschuss sollte nach Abzug eines verhältnismässigen Teiles der Unkosten der mit gar keinem Fonds verselienen Armenkasse zu Ehren-

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broitstein zufallen. Die diesen Teil iles Landes betreffenden Bekanntmachungen sollten von de Lassaulx, die sich auf das Weilburger und Hachenburger Land beziehenden dagegen von Schramm und die gemeinnützigen Aufsätze von beiden zusammen besorgt werden. Alle von der Regierung ausgehenden Bekannt- machungen mit Ausnahme der den Parteien zur Last fallenden gerichtlichen sollten unentgeltlich aufgenommen und ausserdem zwei Freiexemplare an die Regierung und die Hofkammer abgeliefert werden. Diese Vorschläge fanden den Beifall der Regierung und wurden auf deren Befürwortung hin vom Landea- herrn genehmigt, welcher unter dem 18. Dezember auch bestimmte, dass das Blatt vor der Hand von aller Zensur frei sein sollte. Dagegen musste der Aratsschreiber Schramm, welchem als Redakteur das Prädikat Amtsassessor sehr nützlich und notwendig erschien, vorläufig wenigstens auf Erfüllung dieses Wunsches verzichten.

Das unter dem Titel „Allgemeines Intelligenzblatt für die Fürstlich ]S'assau- Weilburgischen und Nassau-Sayn-Hachenburgischen Lande" zum Jahres- preise von 2 Gulden jeden Sonntag in der Stärke eines halben Bogens und zwar zuerst am 1. Januar 1804 erscheinende Blatt enthielt statistische Nach- richten über die Bevölkerung, den Yiehstand und die Natural-Erzeugnisse des Landes,. Mitteilungen über die in demselben vorhandenen gemeinnützigen An- stalten, haus- und landwirtschaftliche Ratschläge, die namentlich auch den Wein- bau berücksichtigen, Gesundheitsregeln, landesherrliche Verordnungen, gerichtliche Bekanntmachungen aller Art, Personal- und Familiennachrichten, Dienstgesuche und Angebote, Brot- und Fleischtaxen von Weilburg, Hachenburg, Limburg, Monta- baur und Ehrenbreitstein. Es bot inhaltlich also mehr als das Nassau-Usingische Blatt und entspricht in dieser Beziehung dem Dillenburger. Nach der Vereinigung Nassau- Weilburgs mit Nassau-Usingen zu einem Herzogtum sah sich das Blatt auf den Bezirk der Fürstlichen Regierung zu Ehrenbreitstein beschränkt und änderte demgemäss vomi 14. September 1806 (No. 37) ab seinen Titel in „Gniidigst privilegirtes Ehrenbreitsteiner Intelligenzblatt" um. Die aufgeregte Zeit, in welcher jeder lieber zu einem politischen Blatte griff (Jahrg. 1806, No. 52), war der Verbreitung des Blattes nicht günstig, sodass für die Ehren- breitsteiner Armen nichts abfiel. Das Blatt ist als Ehrenbreitsteiner Intelligenz- Blatt, nachdem es diesen Titel für die Jahre 1809 bis 1817 vorübergehend mit dem eines Ehrenbreitsteiner Anzeigers vertauscht hatte, noch bis zur Mitte «lieses Jahrhunderts nachweisbar. Mit dem Jahre 1815, in welchem Ehrenbreitstein an Preussen fiel, hört aber das Interesse, welches das Blatt als Nassauische Wochenschrift für uns hat, auf. Bezeichnend ist es für das Schick- sal dieser Blätter, in welchen doch manche lokalgeschichtlich interessante Nach- richt erhalten ist, dass weder in Wiesbaden noch in Weilburg ein Exemplar dieses Weilburger Intelligenz-Blattes aufzutreiben ist. Das mir vorgelegene Exemplar befindet sich im Staatsarchiv zu Koblenz.

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Inlialts-Verzeichnis

des zweiten Ilcftce.

Seite

VI. Römische Funde aus Wiesbaden (mit Tat". HI bis X ). Von K. Ki ttiM-ling

und L. Piillat lli

YII. Ein Hügelgrab bei Holzbausen a. d. Haide i mit Taf. XI und XII>. Vuii

H. Lehner HO

VIII. Ciaren thaler Studien. Von F. Otto 173

IX. Beiträge zur Geschichte des Märkerwesens zu Niederlahnstein. Vun

F. Mi( hei -'«»'•i

X. Ein Inventar der St. Valentinskirche zu Kiedrich. Von K. Zais . . . '2VJ XI. Wiesbaden eine königliche Stadt im Jahre 1241. Von F. Otto . . . 212 XII. Graf Walrad von Nassau-TJsingen bei den oberrheinischen Kreistruppen

im Tiirkenkriege 1664. Xaehtrag zu Annale ii XX, S. 112—138. Von H. Forst 'J25

Römische Funde aus Wiesbaden.

Von

E. Ritterling und L Pallat»

Hierzu ilie Tafeln III \na X umi 29 Textabbildungen.

Der Mauritiusplatz nebst seiner Umgebung im Westen und Süden, der Hochstätte, Kleinen Schwalbacherstrasse und dem älteren, nördlichen Teile der Kirchgasse, ist schon auf dem Plänchen, mit welchem Rössel im Jahre 1858 den ersten Versuch zu einer archäologischen Fundkarte Wiesbadens machte (Annalen V, 1, Taf. IV), durch rote Schraffierung als die Stätte zusammen- hängender römischer Besiedelung gekennzeichnet. Die Berechtigung zu dieser Eintragung entnahm Rössel offenbar den Funden und Beobachtungen, welche bei Gelegenheit von Grundarbeiten und systematischen Ausgrabungen in den vorangegangenen Jahrzehnten, namentlich in den fünfziger Jahren, an ver- schiedenen Punkten dieses Stadtgebietes gemacht waren: so Herbst 1831 in der Schulgasse, 1846 in der Kirchgasse (Ecke der Kleinen Schwalbacherstrasse, jetzt Kirchgasse No. 40), 1852 1854 beim Kanalbau in der Kleinen Schwal- bacherstrasse und Hochstätte, 1853, 1856/57 und 1858 auf dem Mauritiusplatz, 1857 in der Kleinen Schwalbacherstrasse. Von den damals erhobenen Klein- funden sind zwar mehrere Stücke in den Besitz des Altertums-Museums gelangt (nach den Erfahrungen der letzten Jahre zu schliessen, freilich nur ein ver- schwindend kleiner Bruchteil von dem, was damals gefunden sein muss) und lassen sich teilweise auch noch als solche identifizieren, aber Mitteilungen über die Fundumstände, die verschiedene Beschaffenheit der einzelnen durchgrabenen Bodenschichten, sowie deren charakteristischen Inhalt, Beobachtungen, welche Rössel, wenigstens in den fünfziger Jahren, persönlich zu machen Gelegenheit hatte und unzweifelhaft auch gemacht hat, sind mit Ausnahme spärlicher, ab- gerissener Xotizen uns nicht erhalten. Nicht viel besser steht es mit unserer Kenntnis von den Ergebnissen späterer, nach dem Jahre 1858, in dieser Gegend vorgenommener Gruudarbeiten : 1880 auf dem südlichen Teile des Mauritius- platzes, im September 1882 hinter Kirchgasse No. 42 (damals No. 26)') = Kleine

') Auf (lern Inventarzettel 13207 wird irrtümlich das Haus Kirehjrasse Xo. 24 (jetzt No. 40) genannt, das hinter diesem belegene, zu No. 38 gehörige Grundstüok wunio aber erst 1SS7/8S bebaut.

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Schwalbacherstrasse No. 3, 1885 am Hinterhaus von Sehulgasse No. 3, im April 1887 und März 1S88 an Hintergebäuden von Kircligasse No. 38 (damals No. 22) = Kleine Schwalbacherstrasse No. 4/8, 1890 beim Abbruch des alten ^Karlsruher Hofes" gegenüber dem Mauritiusplatze (jetzt = Kirchgasse No. 44

und 46).0

Die Thatsache aber, dass innerhalb dieses Stadtgebietes überall, wo immer der Boden bis in gewisse Tiefe durchgraben wurde, römische Gegenstände in vergleichsweise grosser Zahl zu Tage gef(»rdert wurden, liess die Erwartung berechtigt erscheinen, dass die Ausschachtungen für Kanal- und Häuserbauten, welche bei der Anlage der neuen Verbindungsstrasse zwischen Schwalbacher- strasse und Kirchgasse, der Mauritiusstrasse, vorgenommen wurden, ebenfalls die römische Kulturschicht berühren würden ; vielleicht Hessen sich bei dieser Gelegenheit auch einige Anhaltspunkte über deren Ausdehnung und Beschaffen- heit gewinnen.

Diese Erwartung ist nicht getäuscht worden.^) Wenn auch die bei An- lage des Hauptkanals für die neue Strasse schon zu Anfang des Sommers 1895 gefundenen römischen Gegenstände mit alleiniger Ausnahme eines Sigillata- tellerbodens mit Töpferstempel (unten No. 25) nicht in das Museum ge- langten, so lieferten fast während des ganzen Jahres 1896 eine Reihe von Baustellen an der Mauritiusstrasse (siehe den beigegebenen Situationsplan, Taf, HI, die mit a—f bezeichneten Stellen) eine um so reichere Ausbeute. Gleich- zeitig und wenig später wurden auch in den benachbarten Strassen mehrere Neubauten vorgenommen: 1896 in der Hochstätte ig und A), zwischen Hoch- stätte und Mauritiusstrasse das grosse Etablissement der „Walhalla" (i), in der Schulgasse (w) ; 1897 im Frühjahr Kirchgasse No. 42 = Kleine Schwalbacher- strasse No. 1 {k\ im August-September Kirchgasse No. 43 = Schulgasse No. 8 und 10 (/); dazu kamen die fast an allen Neubauten ausgeführten Anschlüsse an den Hauptkanal, sowie Kanalarbeiten auf dem Mauritiusplatz selbst.

Dieses zeitliche Zusammentreff'en ermöglichte den Verfassern, deren Be- strebungen seitens der Bauherren und Bauleiter überall das dankenswerteste Entgegenkommen und, soweit es mit dem ungestörten Fortgänge der baulichen Arbeiten sich vereinigen liess, die liebenswürdigste Unterstützung fanden, in nahezu ununterbrochenem Zusammenhange das ganze von Ost nach West etwa 200 m messende Gebiet, von der Schwalbacherstrasse bis in die Gegend der Neujrasse auf seine archäolo2:ische Beschaff'enheit zu untersuchen. Durch beständige Vergleichung der an den verschiedenen Stellen beobachteten, wohl im Einzelnen von einander abweichenden, in der Hauptsache aber nahezu identischen und sich daher gegenseitig berichtigenden und ergänzenden Ergeb-

'^) Auf (lern bpiijo<jolionen Situiitionsplan sind dicsp nuustollon mit unterhrof^Iionon Linioii umn'inilcrt, ilin,'e;^<Mi dio in diMi Jahren l^^l)6 und ls'.)7 ausn'cscdiiKdituton und mit den ßui'li^talii-n a m liozeichnctcn mit einer starken nniintertiroehonen l.inie .

■') Kine kurze Notiz iil>er die Krt,'ei)nisse der .Vrlieiten im duhro is;)6 ist hereits j^otjeben im Wi-td. l\c,rre^i„,,id.M/liiutt 1S<)7, Sp. lli/lf). Very;!. uudi iiliein. Kurier 1M9G, ^o. .'jrjO Vom 17. Dezemiier, Aliendausiralie und MitteiJuni^en des \ ereiiis für Xas.s. Altertumskunde und (jes(lii(iitsrurs(diung lMt7/'J«, Xu. ;{/4, Sp. 70 79.

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nisse wurde so ein einigermassen deutliclics Bild von dem Zustand dieser Stadt- gegend zur Römerzeit gewonnen/)

Das fragliche Gebiet liegt in einer von West nach Ost sanft geneigten, nur gegen Südosten geöffneten Terrainmulde'); die Höhenunterschiede gegen die an allen übrigen Seiten sie begrenzenden mehr oder weniger steil ansteigenden Bodenerhebungen (im Norden und Nordwesten die letzten Ausläufer des Heiden- berges, im Süden und Südwesten die ersten Ansätze der das Wellritzthal süd- lieh abschliessenden Bodenwelle) sind erst durch die Strassenanlagen zu Anfang und Mitte dieses Jahrhunderts, der Schwalbacherstrasse und der Kirchgasse südlich der Friedrichstrasse, wenigstens teilweise ausgeglichen worden, früher aber nachweislich viel bedeutender gewesen. Infolge dieser Terrainverhältnisse muss die Gegend von jeher, soweit nicht die Menschenhand abwehrend eingriff, den Überflutungen durch den Dendelbach im Nordwesten, die mit ihm in Verbindung stehenden Wasserläufe im Westen und zum Teil auch durch den Wellritzbach im Südwesten, ausgesetzt gewesen sein; der über dem groben, sehr wasserhaltigen Kies, der hier den natürlichen Boden bildet, allenthalben in verschiedener Stärke gelagerte schwarze Schlamm- und Wiesenboden legt hiervon hinreichendes Zeugnis ab.

Die römische, das Kastell auf dem Heidenberge mit Kastel-Mainz ver- bindende Heerstrasse, welche diese Mulde nahe dem Schnittpunkte der heutigen Mauritius- und Schwalbacherstrasse (auf Baustelle a und d unseres Planes) durchquerte^), kam daher an diesem Punkte leicht in Gefahr, nach heftigeren

■*) Es muss natürlich davon Abstand genommen werden, sämtliche Einzelheiten, die sich im Laufe der Grabungen an den verschiedenen Punkten ergaben, liier der Reihe nach aufzu- zählen; da ein systematisches Verfolgen der einzelnen aufgegritfenen Fäden durch die prak- tischen Anforderungen der Bauarbeiten von vornherein ausgeschlossen war, bieten <liese Einzel- heiten an und für sich ja geringes Interesse, und können nur dazu beitragen, das, was hier einst bestand, nach Wesen und Zeit im allgemeinen zu charakterisieren. Wäre eine nach wissenschaftlichen Gesichtspunkten angestellte Aufdeckung möglich gewesen, so würden sich wohl auch über die genaue Richtung und Lage der alten Wege, die Grösse und Beschaffenheit der einzelnen Häuser und Hüuserkomplexe dieser ältesten städtischen Ansiedelung auf dem Boden Wiesbadens manche Aufschlüsse haben gewinnen lassen.

^j Die auf dem Plan eingetragenen Ilöhenzahlen geben die Lage des Terrains [T =^ jetzige Oberkante des Strassenpflastersj und die des gewachsenen Kieses (ff), dessen über- kante, soweit nicht Mitteilungen der Herren Baumeister Kretzer und Wolff zu Grunde liegen, nach der jetzigen Kanalsohle bestimmt ist, über dem Amsterdamer Pegel in Metern an. Sie zeigen z. B. von der Ecke der Schwalitacher- und Mauritiusstrasse bis zu der Ecke der Mauritiusstrasse und Kirchgasse ein Gefälle von etwa 2,"J0 m. Die Höhe des aufgefüllten bezw. angeschwemmten Bodens beträgt durchschnittlich 3 m bis 3,.50 ra, nur auf und hinter dem Mauritiusplatz nahezu 6 m (früher in den fünfziger Jahren sogar über 6ra); diese starke Aufhöhung erklärt sich aus der jahrhundertelangen Benutzung dieses Platzes als Begräbnis- stätte; nach Abbruch der niedergebrannten Kirche wurden in den fünfziger Jahren ilie ober- sten, gute Erde enthaltenden Bodenschichten hier abgetragen.

^) Nach Spuren dieser Strasse wurde hier jetzt vergeblich gesucht; sie ist, wenn nicht schon früher, jedenfalls bei Anlage der ausgedehnten und bis naiiozu auf den Kies lierab- reichenden Koller der jetzt abgebrochenen, in diesem Jahrhundert erbauten Häuser völlig ver- schwunden; ilire an anderen Punkten festgestellte Richtung ist aber durchaus gesichert, auf Baustelle a oder b hat sich früher auch ein röniis<'hes Grab gefunden. Die Frage, in welcher

8*

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Niederschlägen oder bei der Schneeschmelze durch die damals noch mit gr»)sserem GeHille zu Thale strömenden und an ihr sich stauenden Gewässer zerrissen oder unterspült zu werden. In welcher Weise man dieser Gefahr zu begegnen suchte, liess sich noch erkennen. Auf der Baustelle e fanden sich nämlich zwei mit sauber zugerichteten, durchschnittlich 7 bis 8 cm dicken Platten aus rotem Sandstein (Oberkante etwa 2,G0 m unter jetzigem Terrain, 117,G0 m über Amsterdamer Pegel) gedeckte Kanäle (e' und e'), welche sich nicht weit von der Südgrenze des Grundstücks vereinigten; sie hatten eine lichte Weite von etwa 0,45 m, eine lichte Höhe von 0,50 bezw. 0,40 m. Ihre 0,30 m breiten Seitenwangen bestanden aus roh zugehauenen Bruchsteinen, die Sohle bildeten bei e' unmittelbar auf dem Kies aufliegende, den Deckplatten ganz ähnliche Sandsteinplatten, bei e' der gewachsene Kies selbst; danach dürfte e"- als der Haupt-, e' als der Nebenkanal anzusehen sein. Dicht an der südlichen Grund- stücksgrenze waren die vereinigten Kanäle mit einer 0,10 ra dicken, genau quadratischen Sandsteinplatte von 1,30 m Seitenlänge bedeckt; da wo sie unter der jetzigen Strasse verschwanden und weiteren Untersuchungen sich leider entzogen, mündete, soweit sich durch Sondieren ermitteln liess, ein dritter von West-Süd-West oder Südwest kommender Kanal e' in sie ein; vielleicht befand sich hier auch ein den Zwecken der Kanalreinigung dienender vertiefter Ein- steigschacht.")

Diese Kanäle, deren Inneres mit Schlamm, eingeflüsstem gröberem und feinerem Kies, sowie zahlreichen Muscheln angefüllt war, können weder der neueren Zeit noch dem Mittelalter ihre Entstehung verdanken, da damals die Voraussetzungen für eine derartige Entwässerungsanlage, namentlich an diesem Punkte, vollständig fehlten. Auch wenn der sie bedeckende und umgebende schwarze Boden nicht ausschliesslich römische Gegenstände enthalten hätte, wäre ihr Vorhandensein nur aus den in der Römerzeit hier bestehenden Ver- hältnissen zu erklären: sie können allein die Bestimmung gehabt haben, die die Thalmulde herabkommenden und die römische Strasse gefährdenden Gewässer an deren westlicher Seite zu sammeln und unschädlich unter ihr hindurch- und den dem Mühlenthale zutiiessenden Wasserläufen zuzuführen.') Mittelbar trug diese Anlage dazu bei, auch das östlich der Strasse in der Mulde gelegene Terrain, also namentlich die Gegend um den Mauritiusplatz, welche jetzt vor den früheren gelegentlichen Überflutungen geschützt war, in gewisser

Weise die Strasse die Terrainmulde fefsva von der Faulbrunnenstrasse bis nördlich der Mau- ritiusstrasse, wo sie wieder testen Lehmboden erreichte) überschritt, ob mittels Pfahlrostes oder Dammansch iittung, muss daher eine offene bleiben.

') Die westliche Fortsetzung dieser Kanäle war auf der Baustelle d durch Kelloranlagen vollständig Ijfs.'itigt; dass sie aber bestanden hat, zeigt eine Notiz, nach welcher im Jaiire 1H38 in <lcr Mitte der Scliwaibacherstrasse ein Kanal aufgedeckt worden ist ( Ann. V 2, ö. llj; zweifellos ist derselbe mit einem der jetzt gefundenen identisch.

"l Auch bei der anderen römischen Heerstrasse Wiesbadens fand »ich ein älinlicher Durchlasskanal im der j.-tzigcn Muinzerstrasse ( vergl. Reuter, Die Kömer im Mattiakcrland, S. 40), obwohl sich iiier olicrlialb derselben nur eine kleine (Quelle und eine etwas sumpfige Stelle büfand.

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"Weise zu entwässern.'') Aus dem Verhältnis der Kanüle zur römischen Strasse ergiebt sich die Gleichzeitigkeit beider Anlagen mit Notwendigkeit; da der Strassenbau aus anderen, hier nicht zu erörternden Gründen unter oder wenige Jahre nach Vespasian erfolgt sein muss, verdient der Umstand vielleicht Be- achtung, dass sich dicht bei den Kanälen, etwas tiefer als deren Deckplatten, ein Mittelerz von Vespasian gefunden hat (s. unten: Münzen No. 17).

In späterer Zeit, als diese römischen Anlagen ihre Bedeutung verloren hatten, ist die Umgrenzung des mittelalterlichen Wiesbaden nicht ohne Einfluss auf die Bodenverhältnisse dieses Gebietes geblieben, indem sie dasselbe in zwei getrennte Teile zerlegte"'), welche seitdem unter sehr verschiedenen örtlichen Bedingungen gestanden haben. "Wie sich aus dem Plane ersehen lässt, auf welchem der Zug der Stadtmauer, wo sie noch über dem Boden steht oder bis vor kurzem stand, durch eine dicke Linie, wo sie nur in den Fundamenten erhalten ist, durch zwei dünnere parallele Linien eingezeichnet ist, durchschneidet diese Mauer die Mauritiusstrasse genau auf der Grenze der Häuser No^S und 5, wo sie beim Neubau des ersteren im Mai 1896 abgebrochen wurde.") Durch die unmittelbar vor, d. h. westlich, der Mauer einst hinziehenden Weiher bezw. Gräben sind auf einem Streifen von höchstens zwanzig Meter Breite die älteren und tieferen Bodenschichten vollständig gestört. Das weiter westlich liegende Terrain ist, sich selbst überlassen, nach der Römerzeit wieder zu dem geworden, was es vorher gewesen war und bis in unser Jahrhundert hinein geblieben ist, zu sujnpfigem Wiesen- und Gartenland; es hat nur durch natürliche Einflüsse,

®) Xach einwandfreien mündlichen Mitteilungen fand sich ein den unserigen ganz ähn- licher Kanal vor mehreren Jahren an der Stelle, wo jetzt das Maschinenhaus des Xonnenhofes (hinter Kirchgasse Xo. 41) steht, sowie in dem Hofraum des Accisehofes an der Xeugasse; wenn diese Punkte auch nicht in genau geradliniger Verlängerung der Richtung der jetzt ge- fundenen Kanäle liegen, haben wir es doch ohne Zweifel mit deren Fortsetzung nach Osten zu thun. Auch auf dem Mauritiusplatze, in dessen nordwestlicher Ecke unmittelbar an der Kirchgasse, wurden im Februar 1857 unzweifelhafte Spuren eines ähnlichen Kanals entdeckt (nach handschriftlichem Bericht Rosseis „eine Reihenfolge von behauenen Sandsteinen, durch Letten miteinander verbunden zog sich, anscheinend wie Deckplatten eines Kanals von der Südostecke des Mauersturzes" (einer damals aufgedeckten nicht römischen 8' dicken Mauer) „schief gegen die Strasse fort** ); wenn sie nachher, weil „sie im schwarzen Boden lose an- einanderlagen", als ein Gang angesehen werden, so ist diese Deutung sicher verfehlt: sie werden zwar nicht die Deck-, aber die Sohlenplatten eines Kanals gewesen sein, dessen über- bau bei Errichtung jener dicken Mauer beseitigt worden ist. Dieser Kanal scheint direkt von der Hochstätte hergekommen, von unseren jedenfalls verschieden gewesen zu sein.

^°) Auch zur Zeit, als die Befestigung des „Fleckens" nur aus "Wall und Graben be- stand, kann die I'mgrenzung nicht viel anders gelaufen sein, als nach Anlage der Mauer, die in dieser Gegend wohl im 16. Jahrhundert errichtet wurde; die zweifellos sehr alte Kirche auf dem jetzigen Mauritiusplatze war in die rmwallung sicher mit eingeschlossen.

'j Die Mauer, aus einem jedenfalls in nächster Nähe gebrochenen Material (Taunus- schiefer) gebaut, besass eine ausserordentliche Festigkeit. Unmittelbar auf dem einen soliden Baugrund bietenden Kies ruhend, hat sie an dem 1,90 m hohen Sockel eine Dicke von reich- lich 1,40 m. in den hijheren Schichten etwa IG 15 cm weniger. Wie der Plan zeigt, verläuft sie nach Norden genau der AVe3ti,'renze der Hinterhäuser an der Hochstätte entlang; ihre Höhe betrug z. B. hinter den Häusern Hochstätte No. 10, 12, 14, wo sie gelegentlieh der Neubauten freigelegt wurde, z. T. noch an 4 m über Fundament.

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denen es unterworfen war, Veränderungen, insbesondere durch Anschwemmung und Schlammablagerung eine wenn auch nicht bedeutende Niveauerhöhung erfahren. Der schwarze moorige Wiesenboden reichte daher hier, soweit nicht neuere Kelleranlagen ihn verdrängt hatten, gleichmässig von dem gewachsenen Kies an bis fast unmittelbar unter das heutige Niveau hinauf. Wegen dieser völlig gleichartigen Beschatfenheit des Bodens war daher die Grenze zwischen

Fig. 1.

den vor und den nach der Römerzeit angeschwemmten Moorschichten meist nicht leicht und mit Sicherheit zu bestimmen, zumal auch die hier zu Tage gekommenen römischen Gegenstände in dem weichen, dauernd von Wasser durchtränkten Boden ihre Lage vielfach verändert haben mussten. Ganz anders innerhalb der Stadtmauer. Hier hat sich durch die jahrhundertelange Be- siedelung''^), welche öfter wiederholten Abbruch und Wiederaufbau von Häusern mit sich brachte, allmählich eine Schuttschicht gebildet, welche bei der früher üblichen leichten, der Fundamentierung nahezu entbehrenden Bauart meist hin- reichte, um die tiefer gelegenen Bodenschichten vor störenden Eingriffen von oben her zu bewahren. Die wenigen Stellen, an welchen diese durch Fundament- mauern oder Kelleranlagen durchbrochen waren'^), Hessen die im übrigen

'*j Wenn die Hochstütte je<lenfalls auch nicht zu den ältesten in dem „Flecken" vor- handenen Striussen ;,'ehört ( vcr«,'!. Otto, (leschichte der Stadt Wiesbaden, S. 78 u. 89), so niuss sie naih den dort ;,'efundenen mittelalterlichen Scherben doch schon im 14. oder 15. Jahr- hundert bewohnt tjewesen sein; von drn wohl dem Aus<,'anj; des Mittelalters anf;ehörif^en rot- braunen (Jetassen mit TriciitcrliHls und Wellenfuss fanden sich mehrere fast unverletzte Exemplare.

'■') Die Abhildiiii;^ Fi-;. I •stellt <li'n Sachverhalt an der Südwestecke der Baustelle /" dar: Rechts reicht die alte, ijuer durchschnittene Stadtmauer bis auf den gewachsenen Kies, auf welchem

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lierrscheiide, iu ihrer Regelmüssigkoit fast an geologische Lagerungen erinnernde Aufeinanderfolge und saubere Trennung der einzelnen Seliichten nur mit um so höherer Deutlichkeit hervortreten. Die Abbildung Fig. 2, nach einer auf der Nordseite von Baustelle g aufgenommenen Photographie, veranschaulicht die Reihenfolge und das Aussehen der drei hauptsächlichen Schichten, wie sie sich auf fast allen Punkten innerhalb der Stadtmauer in durchaus «gleicher

icr.

Weise wiederholen : moderne Kulturschicht, römischer Bauschutt und Kultur- reste, Letten- und Schlammschicht mit römischen Kulturresten; nur die Höhe der einzelnen Schichten ist an den verschiedenen Stellen eine verschiedene.

Im allgemeinen begann die römische Kulturschicht in einer Tiefe von 0,75 m bis 1 m unter dem heutigen Terrain. Die mehrfach (z. B. auf Baustelle /, g und m) angetroffenen, so, wie sie einst mit dem Dachstuhl in sich zu- sammengestürzt waren, lagernden dicken Schichten von Dachschiefern und Leistenziegeln, Stücke von Wandverputz und gebranntem Fachlehm, von der Wand- und Deckenverkleidung herrührende geriefelte Verblendziegel mit zum Teil noch anhaftendem feinem Kalkverputz Hessen darüber keinen Zweifel, dass zahlreiche römische Häuser hier einst gestanden hatten; stellenweise fanden

auch der Arbeiter steht, hinah; links, an der der Mnuritiusstrnsse zui,'e%vendeten Südfroiit des Grundstücks, zoiij^t sich das, numeiitlich im Ver<;Ioi('h zur Festii;keit iler Stadtmauer, überaus mürbe Mauerwerk einer Fundameiumauer des jürii^st abi^eleiiteu Hauses, welche bis in eine Tiefe von etwa 1,50 m unter Terrain die ältere Schicht durchbricht; der von iiir unlMTÜlirte >clilan)niige Boden, in welciiem noch Teile des unten zu besprechenden Pfahlrostes erkennbar sind, sowie etwa das untere Drittel <ler höiier liegenden römischen Kulturschicht heben sich wn die-eni modernen Mauerwerk <leutlich ab.

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sich auch Bruchstücke von Heizkacheln und Fensterglasscheiben. Eine 0,80 m breite, 2 m lange Plättung aus Leistenziegeln, deren Ränder abgeschlagen waren, darunter einer mit dem Stempel MVD32 (siehe unten S. 167) auf dem Bauplatze m wird auch innerhalb eines römischen Hauses gelegen haben.") Doch können alle diese Häuser keine massiven Bauten gewesen sein, da sich nirgends Mauerreste vorfanden ; hie und da angetroffene einzelne Steine dürften von Steinsetzungen herrühren, auf welchen das tragende Balkenwerk der aus Lehtnfachwerk aufgeführten Häuser geruht hat. Nur auf dem Mauritiusplatze selbst sind in den fünfziger Jahren, sowie im Jahre 1880 Mauerzüge eines grossen römischen Gebäudes blosgelegt worden, welches wohl mit Recht als ein öffentlichen Zwecken dienendes angesehen wird'^) ; rings um dasselbe haben dann die einfachen Fachwerkhäuser der Privaten gestanden. Die aus Kies, gelbem Sand und Lehm bestehenden gestampften Estriche dieser Häuser waren an vielen Stellen noch erhalten, so namentlich auf den Bauplätzen / (in der Nähe der Stadtmauer, dann wieder in der Mitte der Baustelle in deren ganzer Breite), g, w, sowie auch k. Mehrfach wurde auch Pflasterung angetroffen ; eine solche zog sich (1,50 1,70 m unter Terrain) in der Breite von etwa 1,50 m quer durch den östlichen Teil der Baustelle / (bei /'} und wurde beim Kanalbau auch in der Mauritiusstrasse selbst durchbrochen. Eine andere Pflasterung bedeckte, nach Süden scharfkantig abgegrenzt, den nördlichen Teil der Baustelle g [g^) und schien einem Hof- oder Stallraum anzugehören, während die erstere von einem Pfade herrührt, von welchem weiter südlich schon mehr- fache Spuren früher aufgedeckt worden sind. Das Pflaster bestand überall, wo es jetzt beobachtet wurde, aus grossen, unregelmässig in mehreren Schichten übereinandergelegten Steinen '*) (zum Teil sog. „blauen", aus den Sonnenberger Brüchen stammenden Taunusschiefern, zum Teil gelbbraunen, sehr weichen Kalk- steinen), deren Zwischenräume mit kleineren Steinen, Kies und Sand ausgefüllt waren. Die durch die Feuchtigkeit des Bodens teilweise sehr mürbe gewordenen Kalksteine bildeten, wohl in Verbindung mit aufgelöstem Fachlehm der Häuser, eine bis zu 0,40 m dicke, intensiv gelb gefärbte Schicht. Innerhalb der Estriche und des Pflasters fanden sich vielfach römische Scherben und andere Kulturreste, welche die Thatsache ausser Zweifel stellen, dass hier in römischer Zeit verschiedentlich bauliche Veränderungen, Neubauten oder Reparaturen vor-

") In diesem Zusammenhang sei aurh der Auffindung einer römischen Feuerstelle auf dem nordwestlichen Teile des Mauritiusplatzes im Januar 18ö7 gedacht: dieselbe lag etwa 0,15 m tiefer als das eine der damals aufgedeckten .Steiiisarggräher und bestand aus in Letten- verband gelegten Ziegelplatten, auf denen sich eine Menge Asche und Kohlenteile befanden ; die (jrrösse der Ziegelplättung wird in der handschriftlichen Notiz Rosseis, der wir die Kenntnis dieses Fundes verdanken, nicht angegeben ( vergl. Per. Blätter 1857 No. 1 S. 6 unten).

'*) Vergl. Rössel, Denkmäler aus Nassau I.: ^fixe kirchlichen Altertümer von Wies- baden'', H. 29; Per. Blätter 1854 No. 4 8. 14, 1857 No. 1 S. 6; Ann. XVII 138, 5.

'*| Ähnlich sciieint auch das auf dem Mauritiusplatze in den fünfziger Jahren gefundene Pflaster beschaffen gewesen zu sein : Nach einer handschriftlichen Notiz Rosseis (vom 24. Okt. 1857) ,war das PHaster iloppelt übereiiiandergelegt, so eng, dass kaum ein Bickel eindringen konnte". In der (iegend der Neugasse lag es 15' = 4,70 m unter Terrain, etwa 6' = 1,88 ra über dem gewachsenen Kies (vergl. auch Per. Blätter 1857 No. 3 .S. 46 J.

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genommen worden sind ; daraus erklärt sich vielleicht auch die Verwendung des zweifachen Materials bei dem Pflaster. Eine andere Beobachtung bestätigt dies: Auf der Baustelle/ befand sich in dem tiefer liegenden schwarzen Schlamm- boden, in geringer Höhe über dem gewachsenen Kies ein aus eichenen Dauben bestehendes Fass von etwa 0,80 m Durchmesser, und noch 0,40 m jetziger Höhe, welches mit Weidenruten umspannt gewesen zu sein schien, ein Boden fehlte. Die in diesem Fasse, ausser Knochen und Glasstücken, enthaltenen Gefässscherben, darunter ein fast vollständiger Sigillatateller von dem Typus Dragendorff 31, mit dem Taf. IX, 39 abgebildeten Töpferstempel, sind dieselben, wie sie im übrigen nur über der Estrichschicht angetroffen wurden. In diesem Befunde darf man wohl die Verschalung eines römischen Brunnenschachtes") erblicken, welcher bei Gelegenheit eines späteren, aber ebenfalls noch in römischer Zeit erfolgten Hausurabaues ausser Benutzung gesetzt wurde : denn ein fester römischer Estrich aus Kies und Sand zog ungestört über ihn hinweg. Lässt sich schon aus diesen mehrfach nachweisbaren baulichen Veränderungen der Schluss auf eine verhältnismässig lange Dauer der römischen Besiedelung dieses Stadtteils ziehen, so stimmt dazu nicht allein die vergleichsweise bedeutende Höhe der römischen Kulturschicht, die an den verschiedenen Stellen zwischen 50 und SO cm beträgt, sondern auch deren Inhalt an Kleinfunden, soweit diese zeitliche Anhaltspunkte zu bieten geeignet sind, namentlich Münzen und Gefäss- reste. Dieselben reichen vom Ausgange des ersten Jahrhunderts bis gegen Ende der römischen Herrschaft auf rechtsrheinischem Boden ; ja es hat den An- schein, dass noch zur Zeit der beginnenden Völkerwanderung die unter ger- manischer Herrschaft zurückgebliebenen Bewohner'*) gerade in dieser Stadt- gegend ihre Hütten gehabt haben. Darauf weisen nicht nur die vergleichsweise zahlreich hier zu Tage gekommenen Münzen aus der constantinischen Zeit (siehe unten bei Münzen No. 26 32), sowie ein kleiner im Jahre 1893 ganz in der Nähe (Kirchgasse No. 62) gefundener Münzschatz, der ebenfalls ausschliesslich Kleinerze dieser Zeit enthielt, sondern auch die ziemlich häufig angetroffenen dicken Sigillatanäpfe mit eingedrückten Strichelverzierungen allerrohester Aus- führung, von welchen mehrere Exemplare vollständig erhalten sind; denn der- artige Gefässe scheinen erst im letzten Drittel des dritten und zu Beginn des vierten Jahrhunderts in aligemeineren Gebrauch gekommen zu sein (vergl. Koenen, Gefässkunde S. 111 f. und Taf. XVIII 19, Dragendorff, Terra sigillata Fig. 49). Dagegen fehlten Scherben von Gefässen, wie sie sich in den der alamannisch- fränkischen Zeit angehörenden Gräbern an verschiedenen

^^ ) Eine ähnliche Konstruktion zeigt z. B. der Brunnen No. 6 auf der Saalburg ( vergl. Jacobi, Das Römerkastell Saalburg, S. 157 f. und Taf. XIV, 9). Die hier über der Holz- verschalung befindliche Ausniauening des Schachtes wird bei der geringen Tiefe unseres Brun- nens (noch nicht 2 m unter dem römischen Terrain ) kaum nötig gewesen und höchstens durch eine trockene Steinsetzung ersetzt worden sein. Üher andere der ältesten römischen Periode angehörende benachbarte Brunnen vergl. Anra. 25.

"*) Darüber vergl. namentlich Wolf f, "Westd. Zeitschr. 11, 426 f. und „Die Bevölkerung des rechtsrhein. Germaiiiens nach dem Untergange der Römerherrschaft", S. 2 f. (^Sonderabdruck aus Quartalblütt. des liistor. Vereins f. Hessen. Neue Folge, I Xo. 17j.

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Punkten der Stadt Wiesbaden überaus zahlreich finden, auf dem jetzt unter- suchten Terrain durchaus.

Diese aus der Zeit vom Ende des ersten bis zum vierten Jahrhundert stammende römische Kulturschicht reichte mit ihrer Unterkante, je nach der Auf höhung des Terrains in neuerer Zeit, beihiufig bis in eine Tiefe von 1,50 m bis 2,50 m unter das Strassenptlaster hinab, und blieb damit in einer Höhe von 0,80 1,50 m über dem gewachsenen Kies''); der oben erwähnte unter ihr liegende lettenartige Moorgrund hob sich überall, auch da wo kein Estrich bezw. Pflaster beide Schichten scharf schied, schon durch seine schwarze Färbung von dem graugelben Bauschutt deutlich ab. Die Tiefe dieser Moor- bodenschicht war an den verschiedenen Stellen eine sehr verschiedene (0,50 1,50 m) ; im allgemeinen nahm sie nach Norden und Nordwesten, wo der Kiesboden anzusteigen beginnt, ab und verlor sich auf dem nördlichen Teil der Baustelle i, auf welchem römische Kulturreste überhaupt nur sparsam zu Tage traten, nahezu vollständig. Unter dem Moor befand sich an den meisten Stellen, wenn auch nirgends undurchbrochen, ein unmittelbar dem groben Kies aufgelagerter fester, leicht sandiger Letten von hellgraublauer Farbe, durchschnittlich 0,30 0,40 m hoch. Die schwarze Farbe des Moorbodens kann nicht, oder wenigstens nicht ausschliesslich, durch verfaulte organische Stoffe hervorgerufen sein, sondern rührt zum Teil sicher von Brandschutt her, worauf unten zurückzukommen sein wird. Der durch Fäulnisprodukte regelmässig erzeugte Modergeruch fehlte denn auch mehr oder weniger, und Reste solcher Produkte fanden sich, abge- sehen von dem Bereich des alten Stadtgrabens, nur an wenigen Stellen ; so waren z. B. auf der Baustelle Je, in einer unmittelbar auf dem Kies liegenden bräun- lich-schwarzen Schicht von etwa 0,15 m Dicke, halbvermodertes Blätterwerk und zusammengedrückte Gräser und Halme deutlich erkennbar. Dagegen war die Lettenschicht überalP), wo sie jetzt und früher durchgraben wurde, mit einem Pfahlrost durchsetzt, dessen Holz in dem, mit Ausnahme etwa der ober- sten 20 cm, durchgehends sehr feuchten Boden sich meist vortrefflich erhalten hatte.

") Die weit höheren Masse auf und hinter dem Mauritiui^platz ( vergl. Anmerk. 16) bleiben dabei wegen der besonderen hier herrschenden Verhältnisse (vergl. Anmerk. 5j ausser Betracht.

^"l Für di«' früheren Ausschachtungen gilt dies natürlich nur soweit, als Xotizen darüber vorhanden sind; sicher wurde der Pfahlrost angetroffen in der Kleinen Schwalbacherstrasse Xo. 4, 6, 8 und Kirchgasse No. 44 und 46 (letzteres narh mündlichen Mitteilungen); vom Mauritiusplatz bezeugt es ausdrücklich Kussel, Per. Blätter 1854, X'o. 4 8. 14. Aber seine .Vngabe, dass die Pfähle auch über das Pflaster hinausgeragt hätten, dürfte schwerlich richtig sein, da in dem über dem Pflaster befindlichen trockeneren Boden das Holz ohne Zweifel ver- fault wäre, Rössel auch an anderer Stelle die Tiefe des „schwarzen Gartengrundes" (unseres .Moorbodens) auf über 6' ^ 1,80 m angiebt, während die Pt7ihle nur 5' = 1,50 m Länge hatten. Bt'soiidors licachtonswert ist die Thatsaclie, dass der Pfahlrost auch auf Baustelle p, aber nur in deren nordüstiichen, von der Kanalanlage unberührten Teilen sich vorfand. Auf dem östlichen Tdl vnn c sind seine Spuren wühl durcii die Anlage des Stadtgrabens verwischt worden, da or weitpr westlich, wenn auch nicht sehr wohlerhalten, sich wieder zeigte. Die Frage, ob das l'fahlwerk sich einst auch auf (t und d erstreckt hat und hier erst durch neuere Anlagen zerstört wurden ist, muss eine offene bleiben.

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Starke Pfosten aus Eichen-, seltener aus Buchenholz, im Durchmesser 0,25 0,30 m, bisweilen 0,35 m dick, standen in Abständen von durchschnittlich 1,50 ra (von Mitte zu Mitte gemessen) unmittelbar auf dem Kies; die meisten waren unbehauene Stämme, an denen vielfach die Borke noch haftete, wenige zeigten sich mit der Axt roh vierkantig behauen. Nur an ihrem unteren Ende waren fast alle derartigen Pfosten, welche genauer untersucht wurden, mittels Axthieben von zwei Seiten her keilförmig abgeschrägt, doch derart, dass unten nicht eine scharfe Kante entstand, sondern eine horizontale Stand- fläche von etwa 5 8 cm übrig blieb. Diese Zurichtung ermöglichte es, die Pfosten durch halbuntergeschobene Steine und dazwischen eingetriebene kleinere Holzstücke weit wirksamer und fester zu verkeilen, als es bei unten glatt ab- geschnittener Standfläche eine einfache Umsetzung mit Steinen, wie sie ebenfalls, aber weit seltener als jene Verkeilung angetroff'en wurde, gestattet haben würde. Noch eine andere Vorkehrung diente dazu, ein seitliches Ausweichen der genau senkrecht gestellten Pfosten nach Möglichkeit zu verhindern. In einer Höhe von 15 20 cm über der Sohle waren diese auf zwei benachbarten Seiten mit je einem 6 cm breiten, 10 11 cm hohen und ebenso tiefen Falz versehen, in welche je eine hochkant gestellte Bohle von entsprechender Breite und Stärke (also 10 cm breit, 6 cm dick) eingezapft war. Durch diese beiden meist roh vierkantig behauenen, bisweilen aber auch aus halben gespaltenen Stämmchen, die auf der runden Seite noch die Baumrinde zeigten, bestehenden Querhölzer wurde jeder einzelne Pfosten mit zwei benachbarten den gefalzten Seiten gegenüberstehenden verbunden, die ihrerseits mit einem vierten dem ersten diagonal gegenüberstehenden in gleicher Weise zusammengefügt waren. Die so entstehenden Pfostenvierecke, entweder Quadrate von 1,50 1,80 m, oder Rechtecke von 1,50x2 m Seitenlänge-*), bildeten gewissermassen die Ein- heiten, aus welchen sich der ganze Pfahlrost eines bestimmten Bauwerkes zu- sammensetzte. Wie sich aus dieser Konstruktion ergiebt, können die Pfosten samt den Querhölzern erst nach Ausschachtung förmlicher Fundamentgruben in den Moor- und Lettengrund eingesetzt worden sein. Dagegen sind die zahl- reichen kleineren Pflöcke und Rundhölzer, welche sich, dem Anschein nach ziemlich regellos doch wurden z. B. auf der Baustelle Je mindestens zwei solcher Stämmchen zwischen je zwei Pfosten beobachtet zwischen den grossen Pfosten befanden, off'enbar mit Schlägeln in den weichen Boden hineingetrieben worden, da sie sämtlich sich unten zugespitzt zeigten. Auch sie reichten nirgends in den gewachsenen Kies hinein, der vermöge seiner Festigkeit dem Einrammen die grössten Schwierigkeiten bereitet haben würde. An einigen Stellen, so

*') So erklärt sieh wohl die auf Baustelle l an der Front nach der Schulgasse beo- bachtete Erscheinung, dass in zwei Pfostenreihen, welche nahezu parallel der Schulgasse in zwei Meter Entfernung voneinander hinzogen, die Zwischenräume zwischen den einzelnen Pfählen abwechselnd 1,50 und 2,50 m betrugen; die erstere Distanz ist die zwischen den durch Querhölzer verbundenen Pfosten eines und desselben Vierecks, die zweite die zwischen zwei verschiedenen Vierecken. An anderen Stellen scheinen die Pfostenreihen voneinander und die einzelnen Pfosten einer jeden Reihe unter sich gleiche Entfernungen gehabt zu haben, so wahrscheinlich bei g, auch k.

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besonders bei /, fanden sich zwischen den senkrechten Pfosten und Pfählen horizontal eingelegte faschinenartige Reisigbündel, die namentlich aus Haselnuss-, Birken- und Weidenzweigen zu bestehen schienen; auch Schichten von Stroh oder Schilf wurden daneben an einem Punkte beobachtet.

Von dem wagrechten Holzwerk--), welches dieser jetzt meist bis zu einer Höhe von 50 bis 60 cm erhaltene Pfahlrost einst trug, hatten sich zahlreiche Reste in Gestalt von langen, bis zu 30 cm dicken, öfter rechtwinkelig sich kreuzenden Balken, sowie von hochkant stehenden und platt liegenden starken Bohlen und Brettern erhalten ; ein klares Bild von dieser Konstruktion liess sich aber leider nirgends mehr gewinnen.'")

Die nicht seltenen Fälle, in welchen der Pfahlrost auf Strecken von vier, fünf und mehr Metern völlig fehlte und auch früher nicht vorhanden gewesen ist, der Mangel einer durchgehenden Gleichmässigkeit sowohl in der Auswahl der verwendeten Holzarten, wie in der Zurichtung der Pfosten und der Kon- struktion''), endlich die Ausdehnung des Gebietes, innerhalb dessen überall das Pfahl werk angetroffen wurde, setzen es ausser Zweifel, dass dasselbe nicht, jedenfalls nicht in erster Linie, als Unterbau einer Strasse, oder auch mehrerer sich kreuzender Wege gedient haben kann; alles weist vielmehr darauf hin, dass auf dem Rost eine Reihe einzelner, allerdings dicht nebeneinanderstehender, aber doch voneinander getrennter Wohnbauten geruht hat. Nur aus dem ehemaligen Vorhandensein von Häusern erklärt es sich auch, dass an allen Stellen in den oberen Schichten des Moorbodens, stets tiefer als die oben be- sprochenen Estriche, zahlreiche Holzkohlen, die bisweilen, so namentlich auf ä; und /M, eine dicke unverkennbare Brandschicht bildeten, angetroffen wurden, und dass auch das Holzwerk des Pfahlrostes vielfach deutliche Spuren von Brand erkennen liess. Der dabei zunächst auffällig erscheinende Umstand, dass diese Brandreste meist bis in den feuchten Boden hinunterreichten, findet seine Er- klärung in der anderweitig schon früher festgestellten Thatsache, dass, wie das

--) Ks iiias^ hervorj^ehobcn werden, dass die horizontal liegenden Hölzer nirgends un- mittelbar auf dt'm Kies si<-h befanden; eine einzige Ausnahme wurde auf Baustelle e, etwa 3 ni von der .Mauritiusstrasse, nicht weit von der Kanalanlage beobachtet, wo vier 6 cm dicke eichene Hohlen fest aneinandergedrückt hochkant auf dem Kies lagen, ziemlich genau von Norden nacli Süden gerichtet; was ihre Bestimmung gewesen, ist nicht gelungen zu ermitteln.

^■^ ) L'nter den Holzarten, welche in dem Pfahlrost verwendet waren, überwog bei weitem das Eichenholz, aus welciiem fast alle di(,-ken Pfosten, aber auch viele Balken und Bohlen l>estandt'ii. Viel vertreten war auch Buchenholz, das namentlich bei den wagerechten Bohlen, sowie den kleineren Pfühlen, aber auch den dicken Pfosten Verwendung gefunden hatte. Weiter wurden beobachtet Krlo und Birke (kleinere Pfähle und Querhölzer) und Weide ( fu^t nur kleinere Pfähle ), sowie die schon erwähnten Haselnussreiser; doch schienen die letzt- genannten Holzarten mehr oiier weniger auf eine oder die andere Stelle des Rostes sich zu Ijesch ranken, während Eiche und Buche überall begegneten.

-* I Dairegeu scheint die Richtung tler Pfostenreihen, soweit sich darüber urteilen lässt, überall etwa dieselbe gewesen ZU sein, fast genau von West nach Ost, mit einer kleinen Neigung nach Südwest. Ohne Zweifel war diese Rjelitun;,' bedingt durch den Lauf der daniali;;en Wege, Villi ileficti •^jeheri' Sj)ureii zu finden ji'ider nirlit gelungen ist: zu der Richtung der siiätcren röiiiisclien Strasse vom lleiib-iiberg nach .Mainz standen die Pfostenreilien jedi'iitalls nielit senkrecht oder [larallel.

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Terrainniveau, so auch der normale Grundwasserstand zur Römerzeit in dieser Gegend niclit unbedeutend niedriger gewesen sein muss, als der jetzige. Gewisse Anhaltspunkte für die Höhe des römischen Niveaus zur Zeit der Pfahhverk- hüuser geben die dünnen, bisweilen mit grobem Kies untermischten Schichten blaugrauen Lettens, welche sich an verschiedenen Stellen in einer Höhe von 0,5ü 0,70 m über dem gewachsenen Kies fanden: mögen dieselben nun, was wohl das Wahrscheinlichste, als trockenhaltende Unterlagen für Bretterfussböden bewohnter Räume aufzufassen sein, oder als etwas ähnliches, jedenfalls müssen sie über dem bei normalen Verhältnissen höchsten Grund Wasserstande gelegen haben. Bei ä' traf man auf eine 8 10 cm starke Lehmstampfung, 0,80 m über dem Kies, von unbekannter Ausdehnung (sie setzte sich noch unter das Nachbar- grundstück fort), auf welcher eine grosse Masse Holzkohle, darunter auch Reste kleiner angebrannter Zweige und Reiser lagen ; dieser Lehmestrich war in seinen oberen Teilen durch Einwirkung von Feuer hart- und rotgebrannt, muss also ehemals, wenn auch vielleicht etwas unter dem Niveau gelegen, den Einflüssen der Bodenfeuchtigkeit entzogen gewesen sein, wogegen jetzt die moorige Boden- schicht hier bis zu einer Höhe von reichlich 1,20 m (vom Kies ab) hinaufreichte, und ein zweifellos römischer Kies -Estrich auf 1,40 m, ein zweiter, dessen römischer Ursprung allerdings nicht durchaus sicher steht, auf 1,65 m lag; unter dem letzteren zog ein kleiner wohl der Entwässerung dienender Kanal von 0,20 m lichter Weite, der aus hochkantstehenden Steinen errichtet und mit Quarzitplatten gedeckt war, hin. Im allgemeinen lag das früheste Niveau nur etwa 20 30 cm unter der Estrichschicht.

Führt demnach alles darauf hin, dass der Pfahlrost als der Rest einer Ansiedlung, w^elche der auf der Estrichschicht rahenden (oben S. 122 f.) natürlich zeitlich voraufgegangen ist, betrachtet werden muss, so wird dies vollauf be- stätigt durch die ungemein zahlreichen Kulturreste, welche sich in der Letten- und Schlaramschicht, meist in deren oberen Teilen, öfter aber auch tiefer und zuweilen selbst unmittelbar über dem gewachsenen Kies vorfanden : Scherben von Thon- und Glasgefässen, Tierknochen und Geweihstücke, Metallgegenstände der verschiedensten Art, gebrannter Fachwerklehm, bisweilen auch Ziegelstücke (Dachschiefer schienen ganz zu fehlen) und Fensterglas, sowie eine Anzahl Münzen. Nicht selten lagen derartige Kulturreste massenhaft, und dann meist bis auf den Kies hinunter, auf einem kleinen Raum angehäuft wir dürfen darin wohl Senklöcher und Abfallgruben sehen, deren Wände bei der Beschaffen- heit des Bodens natürlich nicht mehr zu erkennen waren oder in mehrfach angetroffenen Brunnen'^), während sie wieder an anderen Stellen, und zwar

''*) So fand sich bei g^ ein etwa 0,10 m starker eichener Ilolzring von etwa 0,90 m lichtem Durchmesser unmittelljar auf dem Kies gelagert; auf ihm ruhte eine kreisförmige Tnx'kenmauer, welche oben genau in der Höhe der schwarzen Schicht 0,70 m über dem Kies abschnitt (s. unten S. 168 bei VIII, 2); innerhalb fanden sich ausser den für die Moorschicht charakteristischen Gefässscherben auch viel Holzreste, wohl von der oberen Brunneneinfassung bezw. Überdachung herrührenil. Hei /^ befand sich eine runde, 0,60 m in den Kies eingetiefte (irube von 1 m Durchmesser; über ihr war die schwarze Schlammschicht durch einen Klotz des blau- grauen Lettens uiiteri)r()chen; vermutlich siml die Wände des Hrnimenschachtes, um ein Mit- eindringen der die Schlamm- und llolzschicht durdisetzenden Feuchtigkeit von den Seiten zu

128

häufi'' o-erade da, wo auch der Pfahlrost aussetzte, auf ganze Strecken sehr spärlich sich fanden.

Die Möo^lichkeit, dass hier einmal in rimiischer Zeit, etwa um das Boden- niveau zu erhöhen, eine Ablagerung von anderswoher angefahrenem Bauschutt stattgefunden habe, mit welchem diese Gegenstände an ihre Fundstelle gelangt sein könnten-*'), ist schon durch die grosse Ausdehnung der in Betracht kommen- den Bodentläche, sowie die Fundumstände völlig ausgeschlossen. Ebensowenig können sie von einem höher gelegenen Punkte, dabei käme zunächst und, aus inneren wie örtlichen Gründen auch wohl allein, die einige Hundert Meter entfernte Höhe des Heidenberges in Betracht auf natürliche Weise herab ge- schwemmt worden sein.") Dagegen giebt die scharfe Scheidung, welche zwischen den Kulturresten aus der Moorschicht und denen aus der Estrichschicht, nament- lich auf keramischem Gebiet, besteht, die vöUige Gewissheit, dass erstere nicht auch der späteren Periode der über jenen Estrichen errichteten, sondern nur der dieser vorangehenden Ansiedlung angehören. Gleichzeitig ermöglicht dieser Umstand, für die Zeit, in welcher diese ältere Besiedlung bestand, ziemlich sichere Anhaltspunkte zu gewinnen; hierfür kommen von den in der alten Schicht gefundenen Kulturresten hauptsächlich die Münzen, die Fibeln, die wie alle übri^-en Bronzen ihren ursprünglichen Glanz in dem Moorboden bewahrt liaben, und vor allem die Scherben von Thongcfässen in Betracht.

a) Die Reihe der aus dem Moorboden stammenden Münzen reicht von Ao-rippa bis Domitian (siehe Einzelfunde I, No. 1 20 mit Ausnahme vielleicht von No. 18). Von diesen haben die Münze des Vespasian (No. 17) und die eine des Domitian (No. 19) für die Frage, bis zu welcher zeitlichen Grenze die ältere Kulturschicht hinabreicht, keine Bedeutung, da beide in durch spätere Anlagen nicht unberührtem Boden, erstere bei den römischen Kanälen, letztere im Ge- biet des nachrömischen Stadtgrabens sich fanden. Dagegen ist es chronologisch nicht ohne Gewicht, dass mehrere der Münzen, wie sich aus ihrer geringen Ab- nutzung mit einiger Sicherheit schliessen lässt, nicht sehr lange im Verkehr gewesen sein können: so die Münzen des Augustus No. 3 und 4, des divus Augustus No. 9, des Nero No. 14.

verhin.lorn, mit Letten auRj^ekleidet <,'ewospn, (Ipp nach dem Einsturz des Schachtes diesen zum f,'rü.ssten J'.'il nnfüllto. Djiss derartii^e, mit ihrer Sohle Hach auf dem Kies ruhende oder un- l)edeutend in diesen eingeschnitten«! Brunnen ein reichliches und 'oei normalen Verhältnissen auch klares ^V asser liefern konnten, zeigte sich bei den jetzigen Arbeiten allenthalben.

2«j Für die ebenfalls in einer Moorschiclit, aber allerdings unter etwas anderen Umständen in Mainz gefundenen zahlreichen Kulturreste ( Westd. Zeitschr. XV 18'.»6 S. 360 f.; Korre- spondenzldatt XV. Sp. 87), welche gleichfalls der frühesten Zeit der römischen Herrschaft am Khein wenigstens z. T. angeliüren, wird dies freilich angenommen ( a. a. (J. S. 362).

" ) Natürlich i)eansprucht diese Behauptung nicht für den Fundort jeder einzelnen Scherbe, ßundern nur für die Gesamtheit (Ültigkeit. Wie anders si.-h der Sachverhalt darstellt an Stellen, an welchen nachweislich eine derartige Anschwemmung in grossem Stile stattgefun.len hat, zeigte sich beim Ausschachten einer Bausteile, Kcko der Kirchhofs- und Langgasse (Mai und Juni 1898), unmittelbar vorder lleidetimaucr, wo der sog. Flutgraben (untere Adlerstrasse Mini Kirch hof>gassej früher vorla-i- und die vom lleidenberg herabströmen<len Wasser abge- führt hat.

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b) Die in der älteren Schicht gefundenen Fibeln gehören sämtlich Typen an, wie sie im 1, Jahrhundert in Gebrauch waren (II, No. 1, 3, 4(?), 5 11); mehrere von ihnen dürften sogar noch aus der Mitte dieses Jahrhunderts stammen (so No. 1, 5, 7 und 8). Die von den übrigen Typen am meisten abweichende und vielleicht jüngste Schurnierfibel (No. 9) könnte, da sie am' oberen Rande der schwarzen Schicht zu Tage kam, möglicherweise später in diese Kultur- schicht gelangt sein. Jedenfalls ist von Bedeutung, dass sicher der späteren Ansiedlung entstammende Stücke, wie No. 3 und' 12, schwerlich später anzu- setzen sein dürften, als in das letzte Drittel des 1. Jahrhunderts, sonach die vorangegangene Periode damals bereits abgeschlossen gewesen sein muss.

c) Die keramischen Funde sind unten bei IVA etwas eingehender be- sprochen, hier mögen nur einzelne die Zeitstellung der ältesten Wiesbadener Ansiedlung hervorragend charakterisierende Punkte kurz hervorgehoben werden.

Die in der Moorschicht gefundene Terra sigillata ist ausnahmslos entweder aus Italien eingeführte oder, und das zum weitaus grössten Teile, im Anschluss an italische Vorbilder-*) angefertigte Ware; nach Technik und Form spätere Stücke fehlen durchaus. Die Gefässformen sind die im 1. Jahrhundert in Ge- brauch gewesenen (vgl. Dragendorff, Terra sigillata (Bonner Jahrb. 96) S. 85 f. und Figur 1—3, 15—30, Koenen, Gefässkunde Taf. XIII, XIV); dabei ist beachtenswert, dass gerade diejenigen Formen am häufigsten vorkommen, welche, soweit sich aus Koenen's kurzen Bemerkungen ersehen lässt, auch unter den Sigillaten des im Jahre 70 zerstörten Neusser Legionslagers stark hervortreten.'-*) Dem entspricht es, dass unsere Liste a (unten S. 145, No. 1 67) der über- wiegenden Mehrzahl nach solche Fabrikantenstempel enthält, welche im rechts- rheinischen Limesgebiete sonst überhaupt nicht, oder nur an den zuerst besetzten Punkten gefunden worden sind, dass sie dagegen eine auff'ällige Übereinstimmung zeigt mit linksrheinischen, nachweislich einer sehr frühen Zeit entstammenden Funden. Auch in der oberen Kulturschicht begegnet Sigillata italischer Art, aber sie tritt hier gegen die späteren einheimischen Fabrikate der Menge nach stark zurück; auch die Stempelliste b (unten S. 151, No. 68 157) weist grössten- teils die im Limesgebiete überall verbreiteten Fabriknamen auf.

Die massenhaft in der alten Schicht zu Tage gekommenen Scherben von Gefässen belgischer Technik (hier im weitesten Sinne genommen) verschiedenster Formen weisen der Mehrzahl nach etwa auf dieselbe Zeit, wie die Sigillatafunde, nämlich das zweite Drittel des 1. Jahrhunderts. Doch ist zu beachten, dass sich auch eine ganze Anzahl von Bruchstücken jener flachen, gelbroten bezw.

^*) Diese zusammenfassende Bezeichnung ist für die ältere provinziale, liauptsuchlieh wohl in der Xarbonensis hergestellte Sigillata nach Dragendorffs V^organge gewählt worden, ollgleich mehrere der hier in Betracht kommenden Formen in wirklich italischen Fabrikaten bis jetzt keine vollständige Analogie tiudon.

*®) Erwähnt seien namentlich die tiefen dekorierten Schalen der Form Dragendorff '29, die Schalen mit Epheublätterschmuck (Koenen XIV 8) und die Tassen mit oben senkrechter, fein geriefelter Wand I Koenen XIV 12, Dragendorff, Fig. 24 u. 25), von welchen allen Koenen S. 89, 93, 94 ihr häufiges Vorkommen in der Neusser Brandschicht hervorhebt. Die Einzelheiten darüber siehe unten.

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schwarzen Teller (z. T. raillal gestempelt) gefunden haben, welche nach Koenen S. 88 schon in den Brandschichten des älteren Neusser Lagers, welches sicher schon unter Claudius und keinesfalls nach d. J. 46 angelegt Ist, fehlen. Wenn wir von anderen Gefässgattungen hier absehen, sind für die ältere Kulturschicht besonders charakteristisch die zahlreichen Henkelkrüge, deren Formen den von Schuhmacher (Bonner Jahrb. 100, S. lOöff.) der ersten Periode zugeteilten Gefässen, entweder noch vollständig entsprechen oder bereits den Übergang zu denen der zweiten Periode in Einzelheiten erkennen lassen. Krüge der zweiten Periode, z. T. noch von recht altem Typus, sind dann vorwiegend in der oberen Schicht gefunden, wo sie natürlich mit noch späteren Gattungen vermischt sind. Das Fehlen anderer Gefässgattungen in der Moorschicht ist für deren Zeit nicht minder bezeichnend wie das Vorkommen der bis jetzt erwähnten SorteÄ. Die aus feingeschlämmtem weissem Thone bestehenden, mit stumptfarbigem Überzuge versehenen Gefässe, Urnen und Becher, haben sich nur in der Estrichschicht «befunden; rauhwandige Urnen und ^;äpfe mit dem bekannten, horizontal stehen- den, meist mit Rillen versehenen Rande, die wohl sicher schon in der Flavier- zeit auftreten, sind unter den Scherbeumassen der alten Schicht noch nicht ver- treten ; an Randprofilen, welche von den bei den Terra nigra-Gef^issen üblichen abweichen, sind nur einfache, im Durchschnitt fast rechteckige und halbkreis- fiirmiff sebo'^ene (vergl. Koenen S. 83), wenn auch nicht in grosser Zahl, meist an kleinen Urnen von grobem, rotem, geschwärztem Thon beobachtet worden.

Auf Grund dieser aus den Fundstücken gewonnenen chronologischen Anhaltspunkte wird man mit einiger Sicherheit behaupten dürfen, dass die Wiesbadener Ansiedlung mit ihren Anfängen bis in die erste Hälfte des 1. Jahrhunderts hinaufreicht'") und dass sie dann schon zur Zeit des Claudius und Nero, begünstigt durch die, so viel wir wissen, im allgemeinen friedlichen Zustände, welche damals in unserer Gegend herrschten der schnell und glücklich beendete Feldzug des Pomponius gegen die Chatten i. J. 50 wird das römische Grenzgebiet kaum ernstlich in Mitleidenschaft gezogen haben und beschützt durch eine mit einer Truppenabteilung wohl damals schon ständig besetzte Befestigung einen verhältnismässig hohen Grad von Blüte und Wohl- stand erreicht hat. Ob und wie weit diese älteste Ansiedlung sich über das jetzt untersuchte Gebiet hinaus erstreckte, werden zukünftige Funde lehren; schon die bis jetzt festgestellte Ausdehnung kennzeichnet dieselbe als eine für die Verhältnisse jener Frühzeit bedeutende, namentlich, wenn man dabei die aus der grossen Masse der Kulturreste und dem Reichtum an feinen Sigillata- gefässen sich ergebende Intensität der Besiedlung in Betracht zieht.

•">) Dailurcli wird es zu oincr, soweit Wiesbaden dabei in Betracht kommt, jetzt auch durch That-a.duMi /.u l).d.'i,'<Mi<i..n Cewissheit, das.s s<-lbst nach der Varusschlacht un<l später daa unter.' Mainthal niemals von den Kümern <,'eräumt worden ist iM.)mniscM. Küin. (ic>( h. V, 1:5:. Wolff Naos. Ann. WVII, S. :.l ) und dass sich .,in diesem (Icbiete auch die römis(die Civilisution festsetzen durfte'" (Mommsen a. a. ().). In -leich hohem (ira.le wie in Wiesbaden wird b'tzteres bei den anderen in Uetra.ht kommenden Punkten wohl kaum .ler Kall -ewesen sein: aber Spuren von lioiedelun- in dier^er Frühzeit finden sich auch hier (darüber W ol ff a.u. O.j

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Die Möglichkeif, dasa eine solche Ansiedlung von den Stürmen der Jalire 69 und 70 unberührt geblieben sein sollte, wird man von vornherein als aus- geschlossen ansehen dürfen: wenn damals Schwärme der vereinigten Chatten, Usipier und Mattiaker plündernd im linksrheinischen Provinzialland hausten und sogar die obergermanische Hauptfestung Mainz bedrohen konnten (Tacitus, Jlist. IV, 37), so ist ohne Zweifel alles, was von römischen Niederlassungen und Befestigungen rechts vom Rhein damals bestand, ihrer Zerstörungswut schon vorher zum Opfer gefallen. Weist nun die an allen Stellen im grossen und ganzen herrschende Gleichmüssigkeit der Fundumstände und der Fundstücke der Pfahlwerkschicht darauf hin, dass die mehr oder minder scharfe Scheidung der beiden verschiedenen Kulturschichten überall durch ein und dasselbe ein- schneidende Ereignis hervorgerufen ist, lehren weiter die starken Brandspuren, namentlich auch an den zahlreichen, erst nach ihrer Zertrümmerung den Fhtmmen ausgesetzt gewesenen^') Gefässen, dass dieses Ereignis eine die ganze Ansiedlung verzehrende Feuersbrunst gewesen ist, so liegt die Vermutung nahe, dass wir darin die Spuren eben jener im Jahre 69 erfolgten Zerstörung durch die Chatten zu erkennen haben.'") Eine wichtige Bestätigung dieser Vermutung würde der einzige, jetzt gefundene Legionsstempel (siehe unten S. 166, C. 1) bieten, wenn seine Herkunft aus der oberen Kulturschicht eine gesicherte wäre^^); da er der Zeit vor d. J. 83 angehört, würde daraus mit grosser Wahrscheinlichkeit der Schluss sich ergeben, dass damals bereits die spätere Ansiedlung bestand, die ältere Periode also abgeschlossen war. Jedenfalls ergiebt sich aus dem Vorkommen von zahlreichen noch dem Ende des 1. Jahrhunderts angehörigen Gefässresten in der oberen Schicht, dass die zeitliche Grenze zwischen beiden Kulturschichten noch in das 1. Jahrhundert zu setzen ist; auch hat, aller Wahr- scheinlichkeit nach, nach der Anlage der oben erwähnten Kanäle, bei welcher der ältere Pfahlrost auf dem von ihnen durchzogenen Gebiet beseitigt worden zu sein scheint (s. oben Anmerk. 20), diese der ersten Periode eigentümliclie Bauweise keine Anwendung mehr gefunden. Auf dem durch die neue Strasse

^' ) Dies ernielit sich daraus, dass mehrfach von s^enau aneinander i)assenden Bruch- stücken ein und desselben Uetasses das eine völlig geschwärzt, das andere unverselirt i^eliliebeii ist. Namentlich handelt es sich dabei um feine Siirillatai^efässe, deren Verwendung im Haus- halt sie mit Feuer sicher nicht in unmittelbare Berührung brachte.

^'-) Diese Müglichkeit wir<i nicht geringer, selbst wenn 3i<'h in der Pfahlwerkschicht einzelne einer späteren Zeit angehürige Gegenstände fanden oder noch finden sollten, wie z. B. die eine >[ünze des üomitian ( No. 20, vielleicht auch 18), die, da sie unmittelbar an einem der senkrechten Pfosten unliegend gefunden wurile, l)ei Beseitigung der verkohlten (,)uer- balken und Applanierung des Schuttes verloren gegangen sein könnte. Dass in eine ältere Kulturschicht vereinzelt auch später noch Kulturreste gelangen können, ist ja nie ausgeschlossen, und lassen sich dafür manche .Möglichkeiten denken; im allgemeinen aber wird man behaupten dürfen, dass alles, was sich m <ler Moorschiclit gefunden hat, der ZfMtansetzung vor das Jahr 70 ohne Zwang sich fügt.

^^ ) Bei den Ausgrai)ungen auf dem Mauritius]>latz im Jahre ls.">7 fand sich auf dem Bruchstück einer Heizröhre ein verstümmeltes Kxemplar des von Wulff. Nass. Atm. XWII, 49 f. in sehr frühe Zeit gesetzten Stcmpeltypus der '_'2. Legion LXXII CV ' Ii'^- '•■ Wiesb. Museums 100361; nach einer Angabe lag er 8' oder 10' ( = 2,00 oder :i,lo ni i tief bei römischem Mauerwerk.

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vor L'berflutungen geschützten, durch die Kanalanlagen entwässerten und durch den Brandschutt der alten Ansiedlung auch etwas erhöhten Terrain konnten die leichten Bauten der späteren Periode ohne weitere Fundamentierung errichtet werden; doch scheint es einen gewissen Zeitraum, ein Jahrzehnt oder länger, gedauert zu haben, bis sich wieder eine so intensive Kultur entwickelte, wie sie schon zur Zeit des Claudius und Nero hier geblüht hatte.

Einzelfunde.'')

I. Münzen.'') Agfrippa:

1. (= Iiivontar der Münzen 578) Mittelerz, ziemlich gut erhalten mit Resten blauer Patina. Rs. Xoptun zwischen SC, Cohen 3. lief, bei /, 13.9. 1897.

2. f= Inv. il. M. 579) DioHelbe Münze, ijlilnzentl blau patiniort; auf dem Revers neben

dem Kopfe des Neptun der Stempeleinschlag T\N ^ßf- wie 1, Sept. 1897.

Aug-ustus:

:5. Mittclcrz, sehr sch.in erhalten, Cohen 287 (siehe Ann. XXVIII, 215 Xo. 139). Gef. Kcke der Kirchgasse und Marktstrasse 1888.

4. (= Inv. (1. M. 537) Mittelerz, sehr gut erhalten: CAESAR PONT MAX Kopf mit Lorbeer n. r. Ks. RQM ET AVG -^It^r, Cohen 240. Uef. bei m, 20. 8, 1896.

5. I)iesell)e Münze, gut erhalten, mit Stcmpcloiiischlag XX* ^'''f- Kirchgasse 44 (Kcke der Mauritiusstrasse) 1890, im Uesitze des Herrn II. Marx.

(!. Grosserz ('r"). (ief. in der Kirchgasse neben dem „Storchnest" 1881 (siehe Ann. XXVIII, 216 Xo. 159*.)-»«)

Divus Aug'ustus:

7. (= luv. il. M. 529) Mittelerz, gut erliniten. Ps. PRQVIDENT, Altar zwischen SC, Cohen 228. (ief. bei /", 27. 4. 1896, 3 m tief, zusammen mit d. Bronzesonde unten II, No. 19.

*') Tnter die Einzelfunde sind auch einige aus früheren Grabungen stammende Stücke, namentlich Münzen und Fibeln, aufgenommen, soweit ihre Herkunft von dem in Betracht kommenden Gebiet genügend gesichert ist; Vollständigkeit der Aufzählung ist aber nicht erstrebt.

") Mei ilen liereits in den Ann. XXVIII S. 214 ff. veröffentlichten Münzen, welche in unserer Liste mit angeführt sind, ist für die Beschreibung auf jene Publikation verwiesen. Eine An- zahl Münzen, welche sich jetzt in der Sammlung des Herrn Lugen buhl zu Wiesbaden be- finden, stammen ebenfalls aus unserem Fundgebiet ; es sind die folgenden: 1. Drusus, Gross- erz, geprägt unter Claudius, Cohen 8, gef. „Kirchgasse". 2. Claudius, Gmsserz, gef. „an der Kirche bei Mitiister Walderdorff". 3. Vespasian, Mittelerz, C o h -^ n 396, „an der alten Kirche". 4. Titus, .Mittelerz, Cohen 129, „an der Kirche". 5. Marcus, Mittelerz, „alter Kirchenplatz". 6. L'rbs-Roma, „Schulgasse". 7. Magnentius, Mittelerz, Cohen 70, „Schulga.sse". 8. Valentinian I, Kleinerz, Cohen 12, „am Xonnenhof" (Kirchgasse No. 39/41). 9. Valentinian I, Kleinerz, „Hochstätte".

^"j Im Herbste IS96 wurde von einem auf der Bausti'lle llochstätte No. 10 beschäftigten Arbeiter, während die dortigen (irundarbeitcn noch im (iange wurtMi, eine Münze für das Museum f-rworbcn, dii- iiai-h seiner Angal)e vor einigen Jahren l)eini Kanalbau in <ler Mainzer Strasse i,'('riiiid<'M sein sidlte. |)a die .Münze aber nicht jiatiniert ist, ist es wohl möglich, dass sie in Wuhrlieit von jcikm- Unustelle herrührt. Es ist ein .Mittelerz des Augustus, ziemlich schlecht erhultiMi; in ilen Kopf des Aver-es ist ein breites Kreuz tief eini,n'schnitten oder ein- ge^tempelt. Jis. im Eelde gross SC, Linschrift ICCIASSIVS CEILEIR III VIR lAAAFFl also Cohen 409 (luv, d. M. 538).

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8. (= luv. (l. M. 575) Dieselbe Münze, blank, etwas verschliffen, det*. bei Ä-, 30. 4. 1R97, über 3 m tief.

9. (= Inv. d. M. 576) Dieselbe Münze, bjjink, etwas zerfressen; liatte noch sehr tVisohes Uepriige. Gef. bei k, 3. 5. 1897, etwa 0,40 m über dem Kies.

Augustus oder Tiberius:

10. (= Inv. d. M. .'>S1 ) Zwei zusammeni^ebörii,'-e Stückchen Bronzeblech in der Form eines .Mittelerzes, Idank; das eine zeii,'t die I*rä',ning mit dem Altar nnd ROM ET AVGi

das andere einen nndeutlichen Ko|)f, am Rande m)ch lesbar . . . ESA . . . . A

Sie stammen wohl von einer plattierten Münze des Augustus oder Tiberius mit dem Lyoner Altar, deren Kern durch die Einflüsse des feuchten Moorbodens zerstört ist; die Ränder sind, soweit sie sich erhalten haben, noch umgebogen. Gef. bei Z, Sept. 1897.

Germanicus ') :

11. Mittelerz, etwas verschliffen, goldglänzend, Cohen 7 (siehe Ann. XXVIIE, 218 Xo. 178 u. Anmerkung zu 179). Gef. Schulgasse, Xovember 1831.

Caligula :

12. (= Inv, d. M. 580j Mittelerz, blank, durch die Feuchtigkeit zerfressen, aber mit frischem Gepräge. Es. VESTA, Cohen 27. Gef. bei l, Sept. 1897.

Claudius:

13. («rosserz, goldglänzend, schön erhalten, Cohen 39 (siehe Ann. XXVIII, 218 Xo. 184j. Gef. gegenüber dem Mauritiusplatz 1890, offenbar beim Bau der Häuser Kirchgasse 44 u. 46.

Nero:

14. Mittelerz, etwas zerfressen, aber nocli ganz frisches Gepräge : f^P NERO CAESAR AVG PM TR POT PP Kopf ohne Loriieer n. r. Rs. Grosser Altar mit Palmetten, im Abschnitt ARAPACIS, zu beiilen Seiten SC, Cohen 29. Gef. Kirchgasse 44, Ecke der Mauritiusstrasse 1890, Jetzt im Besitz des Herrn H. Mar.x.

Unbestimmbar:

15 u. 16. Zwei halbierte Mittelerze, deren Gepräge vollständig zerstört ist; ohne Zweifel gehören sie aber in die Zeit der julisch-claudlschen Kaiser, da halbierte Münzen späterer Zeit bei uns nicht gefunden werden. ( Vergl. Wolff in Obergerman. -Rätischer Limes, Hofl^eim S. 23. j Gef. bei Z, Sept. 1897.

Vespasian:

17. (= luv. d.M. 528J Mittelerz, etwas zerfressen: [I1M[P CAESl VESPASIAN AVG COS [III] Kopf mit Lorbeer n. r. Rs. Adler mit ausgebreiteten Flügeln auf einer Kugel sitzend, zwischen [S-Cj, Cohen 480. Gef. bei c, 24.4. 1896, neben dem römi- schen Kanäle im Schlammboden.

Domitian :

18. (= Inv. d. yi. 536) Mittelerz, ganz dünn wie Blech, blank. Kopf Domitians mit Lor- beer n. r., von der Umschrift nur lesbar: ... OS Xllll CENISOR ü'^- [FlOR-

TVNAE AVGIVSTI], wohl Cohen 128. Gef. bei g, Juli 1896.

^') Die Ann. XXVIII, 217 No. 175 beschriebene Münze des Germanicus ist hier nicht berücksichtigt, weil aus der Fundangabe „beim Ivanalbau in der Kirchgasse 1875" sich nicht ergiebt, ob der Fundort in der Nähe des Mauritiu.>platzes, oder in dem südlicheren Teil der Kirchgasse sich befand. Dasselbe gilt auch von den Münzen des Hadrian ( Ann. a. a. O. 226, 305 , Kirchgasse 1839"), sowie der des Caracalia (Ann. a. a. O. 230, .368).

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10. ( = Tnv. (1. M. 7r22') Mittolerz, sohleoht erhalten, blank. Dasselbe Gepräije wie bei 18, nur mit COS XV "i"! •'^"P'" "''^ Stralilenkrone, Cohen 132. Gef. bei c, Miirz 1896, im r^elilmnnilioilen etwa 3 m tief.

20. (^ Inv. (l. M. 533) Mittelerz, sehr zerstört. 7?.«. [F10RTV[NAE AVGVISTI i^tehemle Fortuna; die Umschrift des Averses ist nicht lesbar. (Jef. bei /", 22. 5. isflß, unmittel- bar anlieirend au einem der aufrechtstchenden Eichenpfosten.

Trajan:

21. (= Inv. d. M. 531) Mittelerz, sehr schlecht erhalten. Büste Trajans mit Lorbeer (V) n. r., Umschrift .i,'anz zerstört. Ji>i. SPQR OPITIMO PRINCIIPI, vielleicht Tro- paeum ('f ). Oef. bei /", 7. 5. 1896, über dem Kstrich.

22. (jrrosserz, sehr verschlitlen (s. Ann. XXVIII, 225, 290). Gef. Hochstätte 1854, beim Kanalbau.

Hadrian :

23. Mittelerz ( s. Ann. XXYIII, 225, 304). Gef. beim Kanalbau in der Kleinen Schwal- bacherstrasse 1859.

Faustina die Jüngere:

•_'4. 1= luv. d. M. 535) (irosscrz, schlecht erhalten: fFAlVSTINA [AVGVSTA] Büste nach r. Jis. HVNONII RIEGIN lAE -^11"'» n- •• «tobend, zu ihren Füssen ein Pfau, Cohen 142. (icf. bei f/, Juni 1896.

L. Verus:

25. 1= Inv. d. M. .530) Mittelerz, verschütlen : [L VERVS] AVG ARM fPARTH] MAX Kopf mit Lorbeer n. r. Rs. TR PIOT Vlli-I IMP IUI ICOS IUI GeHüj^dte Viktoria n. I., hiilt Kranz und Palme. Gef. bei ^ 5. 5. 1896, etwa 0,75 m unter dem jetzigen Terrain.

Constantin I.:

20. 1= tnv. d. M. 534) Kleinerz, gut erhalten: QONSTANTINVS AVG Büste mit

LorliC<.r, Kaisermantel und Adlerscepter n. r. iVs. BEATA TRANQV I LLITAS

vo Altar mit Kugel und .1er Aufschrift TIS, im Abschnitt PTR <^'ef. bei /", 28.5. 1896,

Hach unter Tcrruin. 27. Kleinerz. Bs. GLORIA EXERCITVS ( «• Ann. XXVIIL 234, 418*). Gef. gegenüber

dem Muuritiusplatz, April is09. 2s. Kloiiierz, mit glei.-hem Revers ( s. Ann. XXVIII, 234, 419*j. Gef. Kirchgas.se, Ecke

der Marktstrasse 1888.

29. Kleinerz. lis. PROVIDENTIAE AVGG <^. Ann. XXVIII, 234, 420*). Gef. Mau- ritiusplatz.

.30. 1= Inv. d. M. 532) Kleinerz, gut erhalten: QONSTANTINVS PF AVG Büste mit

Lorbeer und Panzer n. r. 7fs. SOLI INVICTO COMITI .Stehender Sol; im Felde

T--F, im .Vbschnitt ATR <'ef. bei /", 2. 5. 1890. 31 u. .">2. Zwei Constantin-Münzen in Kleinerz sind nadi einer handschriftlich erhaltenen

Notiz Kossels gefunden in der Kleinen Schwalbacherstrasse, beim Kanalbau 1857;

jetzt nicht mehr zu bestimmen.

Unbestimmbare Münzen:

3:{. (= luv. d. .M. 577) (ianz zerstört, wahrscheinlich Mittelerz des 1. Jahrhunderts. Gef.

bei k, Mai 1897.

34. «Eine unkenntlich^, goldgläuzende Broiizeniünze". (ief. liinter Kirciigasse 38 (Kl. Schwal- Imch.M-strasse 0/s) im Mnor-rund mit anderen römischen Dingen, Sept. 1882. Ist leider im .Museum ji-lzt niclit iiiclir auf/utiiiib'ii.

35. (ini^siTz. <ief. ..auf ib'm Saiimarkt'* f lloclistiltte) 1854.

30. Kleinerz. (ief. Kirdigasse, Ecke der Murkt.strasse 1888.

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n. Bronze.

Fibeln, No. 1 15:

1. (== luv. 3074), blank, 7,5 cm lani,', al)g(>bil(lL't Fiij. .{. (iof. in <lor Kl. Sclnvalbnclior- strasse ( Kirchg. 40J 1846 zuhammon mit der .Sehwertscheide (ver!,'l. Ami. IV. 1, -iO'i, siehe unten No. 34). Die Fibel «j^leicht vüUigdembei Almgreni Xord- curop. Fibelturmen, .Stockholm 1897, Fig. 19) abgebildeten Typus und zeigt auch dieselben Verzierungen am Xadelhalter. Der Bügelfuss ist mit vier ein- gostompelten Doppelkreisen ge- schmückt, wie sie sonst meist nur Fibeln des von Alnigren S. 21 .,.VugonfibeIn" benannten Typus (siehe unten No. 5 u. 6 ) zeigen. Die Form ist innerhalb des Limesgebietes bis jetzt nur in dem der Mitte des 1. Jahrhunderts an- gehörenden Erdlager bei Hofheim, sowie in der gleichzeitigen Rundschanze auf dem Kapellenberge ( vergl. Obergermanisch-Rätischer Limes, Hotlieim S. 32 l zu Tage gekom- men. Unser E.xemplar dürfte spätestens aus der Mitte des 1. Jahrhunderts stammen.

2. 1= Inv. 146.51, 31), blank, 3,8 cm lang, abgebildet Fig. 4, genau von dem Typus der vorigen, nur viel kleiner. Uef. bei /", 29. 4. 1896, unter dem Holzrost.

3. (= Inv. 14651, 33), etwas verrostet, 4,8 cm lang. Gef. bei /", 7. 5. 1896, über dem Estrich. Ist den beiden vorigen ganz ähnlich, nur hat der Bügelhals etwas gestrecktere Form, und gleicht sie daher mehr der bei A Imgreu Fig. 20 abgebildeten Fibel. Sie dürfte dem Ende des 1. Jahrhunderts an- gehören.

4. (= Inv. 9321), blank, 5.1cm lang, soll nach Ausweis des Inventarzettels in ., Wies- baden am Schiersteiner "Weg- gefunden sein. Da in dem dort anstehenden Lehmboden die Bronze aber niemals den goldigen ülanz bewahrt, wie ilin diese Fibel zeigt, so ist jene Angabe unzweifelhaft eine irrtümliche. Da in "Wiesbaden unter den römischen Fundstellen nur die (legend um den 3Iauritiusplatz den schwarzen moorigen Boden auf- weist, in welchem die Fibel nach mehreren Anzeichen unverkennbar gelegen hat, so ist dieselbe vermutungsweise hier eingeordnet, um so mehr, da sie mit den Fibeln 1 3 in der Form völlig identisch ist; sie wird wohl eine der nach handschriftlichen Notizen in der ,,Hochstätte, Kl. Schwalbachorstrasse"^ etc. gefundenen „vergoldeten" Fibeln sein, welche sich jetzt nicht mehr identifizieren lassen.

5. (= Inv. 3076), blank, 6,5 cm lang, abgebildet Fig. 5. Gef. wie No. l. Die Form ist die bei A Imgren Fig. 51 abgebildete ; auf dem Fuss zeigt unser Exemplar die wenn auch schwach ein- gedrückte dreieckige Verzierung wie Alragren Fig. 52; auf dem Bügel- kopf die beiden eingestempelten Kreise. Da ein Stück von einem ganz ahn- y.^^ . liehen Typus mit einer Münze des

Augustus gefunden ist (Almgren S. 25 f.). wird unsere Fibel wohl noch der Glitte des 1. Jahrhunderts angehören. Eine gleichartige, schön patinierte, 6,8 cm lange Fibel von dem etwas älteren Typus Almgren Fig. 45 ist 1897 zu "Wiesbaden am Dotzheimer- wege gefunden worden l Inv. 14709 j, leider ohne andere datierbare Beigaben.

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6. (= Tnv. 14651, 341, blank, 5,5 cra Iivna:, fibü^ebildct Fi<?. 6. Gof. bei /, Sept. 1897. Entspricht fast genau dorn bei Alnigren Fig. 53 abgobibleton, am woitoston fortge- schrittenen, also spätesten Typus der .\.ugenfibeln ; der Fuss unseres Exeinpiares zeigt noch das eingestempelte Dreieck.

7. (== Inv. 13900), blank, 5,8 cm lang, abgebildet Fig. 7. (ief. hinter der Kirchgasse 38 ( = Kl. Schwalbacherstrasse 6/8) im Hchlamniboden, April 1887 ( vergl. Ann. XX, 386 und Cuhausens .^ntiipiar. Notizl)uch (handschriftl. ) 1887, S. 1281. Der Spiralapparat mit Sfhiionhaken und Kopflialken gleicht denen der Fibeln 1—6, der üben scharf ge- knickte, dann tlach gestreckte Bügel ist vierkantig. Ahnlich scheint die Bonner Jahrb. IUI, Tat". IV, 9 abgebildete Fibel aus Pommern an der Mosel zu sein, welche Klein a. a. (>. S. 106 auf (rrund amlerer Funde in die Zeit um Claudius ansetzt.

8. 1= Inv. 3-241), blank, 5,2 cm lang, abgebildet Fig. 8. def. „Hochstätte 1852" (vergl. Per. Blätter 1854, No. 3 S. 87). Die Fibel dürfte ebenfalls noch ilem 1. Jahrhundert, vielleicht noch dessen Mitte angehören. Die Befestigung des Spii-alapparates unmittel- bar an dem schalenförmigen Kopfende des Bügels scheint ähnlich wie bei Alragren Fig. 9, dazu S. 3 (_vergi. auch llouben, Denkmäler, Taf. IX, S).

Fig. 8.

Fig. 9.

9. r= Inv. 14651, 32), blank, 4,2 cm lang, abgebildet Fig. 9. (ief. bei /", am oberen Rande der schwarzen Schicht, 2S. 5. 1896. Es ist eine Scharnierfibel mit dreieckigem, durchloch tem Xadelhalter und kleinem Fussknopf. Der vom Fuss durch eine Scheibe abgegrenzte Bügel zeigt zwei viereckige Platten, auf welchen sich je ein mit jetzt ver- schwundenem Email ausgelegter Kreis mit einem Punkt in der Mitte befindet. Die Fibel dürfte keinesfalls jünger sein als die Zeit der Havischen Kaiser.

10. (= Inv, 132081, blank, jetzt 5 cm lang, Durchmesser der Scheibe 2,4 cm, abgebildet Fig. 10. Gef. hinter Kirchgasse 40 (= Kl. Scliwall)acherstrasso 4), Sept. 1882, über 2 m tief im

Schlammboden. Es ist wohl das Bruchstück einer den sog. Schnall(;n- oder Distel-Fibeln ähnlichen Fibelform, welche nach sicher datierten Funden in die Mitte und den Anfang des 1. Jahrhunderts gesetzt (vgl. Dressel, Bonner Jahrb. 95, S. 82 f.) und mit Fil)eln ähnlich unseren Xo. 1—4 vielfach gemeinsam gefunden werden (Schuhmacher in

r I". 10.

"' ' Obergermanisch-Rfitischer Limes, Hofheim S. 32).

11. (= Inv. 14651, 30), Idank, 5,5 cm lang, fast genau wie Xo. K», nur noch stärker beschädigt, «i.'f. bei /", 18. 5. 1896, in der .Moorschiidit.

12. r= Inv. 14651, 35). Gi'f. bei /, August 1897, in der oberen Schicht. Etwas ver- rostetes Stück einer BogonscharniorHbel wie Almgren Fig. 242 (dazu S. 1U9); erhalten

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ist nur der in dor Mitto mit oiner j^eriofelten Liiiigsrippe j^ezierte Bügel (jotzt 4..") cm lang», Fussknopf, Nadel und Scharnier fehlen. Diese Fibolt'orm, die .«ich das ganze l. Jahrhundort hindurch erhalten zu hnhen scheint (in .\ndernacher Gräbern schon mit Münzen des Augustu.s j ist im \Viosl)adoner ^luseum durch eine grosse Anzald vdu Stücken vertreten, die allerdings meist der Fundangabe entbehren, aber sicher zum grossen Teil aus "Wiesbaden selbst stammen werden.

13. (ohne Inventarnunimer), Scharnierfibel mit hochgewülbtem bandartigem Bügol und kleinem Schlussknopf ( -i cm lang), (ief. in der Hochstätte ( vergl. Per. Blätter 18.jt3, 292, deren Angaben durch ein handschriftlich erhaltenes detailliertes Verzeichnis ergänzt werden; unsere Fibel steht dort unter Xo. 14).

14. (=: Inv. 3264), massiver vierkantiger Bügel und Fuss einer schweren Fibel, mit Kopf- platte, lang 7,.'i cm; \adel und Axe, die in ähnlicher Weise befestigt war, wie z. B. bei Almgren Fig. ISS, fehlen. Die Fibel gehört wohl der Glitte iles 3. Jahrhunderts an. Uef. in der Hochstätte 1852 (vergl. Per. Blätter 1S53, No. 2 S. 17, 8). ( := luv. 14651, 36), um eine Axe gewickelter Spiralapparat, zu einer grossen Fibel ge-

15

hörig, hellgrün patiniert. Gef. bei /, Sept. 1897, in der oberen Schicht.^*)

Ringe, No. 16—18:^')

16. (= Inv. 14651, 37). abgebildet Fig. 11. Lettenschicht über dem Kies. Der aus der Spät-La Tene-Zeit stammende Armring (etwa 6 cm Durchmesser) ist an den et- was verdickten und abgeplatteten Enden ( 7 mm dick, an der dünnsten Stelle 4 mm stark) mit geperlten Linien und Kreisen verziert. Die Bronze zeigt zwar keine Pa- tina, aber auch nicht den goldigen Glanz, wie ihn die übrigen aus der Moorschicht stammenden Bronzegegenstände besitzen.

Gef. bei /", 5. 5. 1896, in der graublauen

Fig. 11.

^"j Zur Ergänzung sei liier noch eine handschriftliche Xotiz Rosseis erwähnt, nach welcher „eine wohlerhaltene vergoldete Fibula" bei Kanalbauten in der Kleinen Schwalbacher- strasse Juli 1857 zu Tage kam und von einem Antiquitätenhändler, der sie für massiv golden hielt, um hohen Preis gekauft wurde; sie kann daher mit keinem der im Museum befindlichen Stücke identisch sein.

*^) Eine handschriftliche Xotiz Kihm's erwähnt: ,,einen Armring von viereckigem Draht mit Verzierungen von Bronce, gefunden beym Kanalgraben in der Kirchgasse neben der Evangelischen Kirche 1850**; er könnte der auf dem Inventarzettel 1794 beschriebene , Arm- ring aus Bronze mit sehr eigentümlichem Verschluss, gef. in der Kirchgasse*^ sein, der jetzt nicht aufgefunden werden konnte. Nach einer weiteren Angabe Kihm's sind mit dem Schwert- scheidebeschlag (TI, Xo. 34), den beiden Fibeln (TI, Xo. 1 und 5), sowie der Bronze- spachtel (II, Xo. 25) zusammen gefunden „1 Xadel mit ringförmigem Kopf von Bronze und 2 Ringe von Bronze**. Die erstere (jetzt Inv. 6973) ist eine sogenannte Kadkopfnadel von 17 cm jetziger Länge, die beiden Ringe (jetzt Inv. 1887) massiv und platt, gehören ebenfalls einer sehr frühen Zeit an. Wenn nun auch die Möglichkeit, dass diese Gegenstände in prähistorischer Zeit hier verloren gegangen, oder dass dergl. Schmuckstücke vereinzelt noch in röniisclier Zeit getragen worden seien ( vergl. z. B. eine ganz ähnliche, auf der Saalburg gefundene Xadel, Jacobi, Saalburg Taf. XLVIII, 1, dazu S. 503), nicht ohne weiteres geleugnet werden kann, so wird die Richtigkeit jener Fundangabe dadurch sehr bedenklich, dass sowohl di(> Xadel wie beide Ringe mit einer und zwar unter sich wieder verschiedenen Patina überzogen sind; dazu stimmt, dass auch Habet, bei der allerdinüs mehr gelegentlichen Erwähnung des Fundes der Schwert- scheide (Ann. IV, 1, 2»t2 und 204) nur der beiden Fibeln als mit der Schwertscheide zu- sammengefunden u-odenkt. Ebenfalls nicht ohne Bedenken ist die Fiiudnotiz eines grossen Bronzehalsringes mit Haken und Verschlussöse aus der Früh -La Töne -Zeit (ähnlich dem in

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17. (= Inv. 146Ö1, :{S). (icf. bei /, .S. 7. IS'.iß, in clor olteron Schiolit. Arniriti!; aus 3 cm dickem rundem Draht, vorhogoii, Durchmesser etwa 6,3 cm, der aus federnden Spiralen bestehende Verschluss, ähnlich wie z. B. bei dem Ring von der Saalburg (Jacobi, Taf. LXVI, 13 und Fig. 84, 3), ist stark beschädigt.

IS. (= Inv. 14651, 39), dünner Fingerring (Durchmesser I7mml mit Stein oder (üaspaste; letztere ging leider bei der Auffindung verloren. Gef. bei /", 12. 5. 1896, in der schwarzen Schicht. Andere kleine Ringe von 13 bezw. 17 mm Durehmesser (Inv. 146.51, 40 u. 41 I fanden sich bei /", sowie ein offener, an den Knden umgebogener ['2'2 mm Durch- messer, ähnlich wie Jacobi, Saalburg, Taf. L VII, l'J l, vielleicht ein Henkelchen, bei l (Inv. 14651, 42).

Sonden und Ähnliches, No. 19—26:

19. (= Inv. 14651, 19), blank, abgebildet Fig. 12. Der Löffel ist etwas beschädigt, die jetzige Länge des ganzen Instrumentes beträgt 132 mm. Gef. bei /', 27. 4. 1896, etwa 3 m unter Terrain, zusammen mit der Augustusmünze, oben I, No. 7.

20. (= luv. 14651, 20), blank, abgebildet Fig. 13. Gef. bei /", 20. 5. 1896, unter dem Pfahlrost. 21 u. 22. (= Inv. 14651, 21, 22), blank; ganz ähnliche Instrumente. Die Löffel abgebrochen

bezw. beschädigt, jetzt 98 mm bezw. 113 mm lang. Gef. bei /', 22. 5. 1896.

23. (= Inv. 13207), blank, ganz gleiches Instrument, beschädigt, jetzt 148 mm lang. Gef. Kl. Schwalbacherstrasse 6/s, 1887.

24. (= Inv. 14651, 24), blank, abgebildet Fig. 14. 17,5 cm lang. Gef. bei /", 22.5. 1896, in der schwarzen Schicht.

25. (= Inv. 7086), ähnlich wie 24; nur oben nicht verdickt, sondern spitz zulaufend, 5,4 cm lang. Gef. Kl. Schwalbacherstrasse beim Kanalbau 1846 (siehe No. 1, 5 u. 34).

26. (= Inv. 14651, 23), l)lank, abgebildet Fig. 15. 12,8 cm lang. Gef. bei /", 22.5. 1896, in der schwarzen Schicht.

12

13

14

=£0=«°^

Fig. 12—15 (-/3 nat. Gr.)

Nadeln, No. 27 30;

27. (^ Liv. 14651, 25 1, l»liudu<, dünne, 21,3 cm lange Nälinadel, oli(>n mit Ose. Gef. hei/", 22. 5. 1896, in diM- schwarzen Schiebt. Die ganz ähnliche bei Jacobi, Saalburg, Taf. XLVUI, 10 ubgeliildete Nadel wird S. 495 ul» ein Schuhmacherwerkzeug bezeichnet.

Hüirelgräbern am Weis^cnturm ircfmidcneii, Ann. VII, Taf. IV, 5 abgebildeten), welcher nach dem InvrMitarzcttel (No. 8646 1 in der Kirchgasse Ja der Aducht des Schiiiied l'.ender" (jetzt

Kirchgasse No. 62) ;jefund<'n sein soll; er hat eine hellgnim,' bröcklige i'atina.

139

scr^

28. (= Inv. 1 4051, '2t; K i,Miiz nhnliili wio No. 27, nur IO,t; nn luiiir. (i»'f. wie 27.

2'.). (^ luv. Ntiöl, 27 I, lplunkt> Xiidi'l, war >|)iriilfiii-niiL,' /.iisiumiioiii^'iinllt, i.ln-n Ri'^c lincr

O.SO und verscliicbbarc lliilso. (Icf. hei /i, .Mui l>'.t7, in dor schwni/.ru Sdiiiht. 3Ü. (= Inv. 14651, 28), iraiirl y )iiad(d aus |{^ullz^' mit lundi-rn Kupf, S.2 cm laiiir i älmiicli

wie Jacobi, Sualburg, Tat". XLVIII, 4J. Gof. bei /', Mai 1896, ia der oberen r^cliieht.

Verschiedenes, No. 31 41:

Fig. 16 (^/3 nat. Cir.)

31. f= Inv. 14014), Bolzen, blank, abgebildet Fig. 16. Oef. Kl. Schwalbaelierstrasso, März 1888, im ^luorboden. Unten an der Durchbohrung und oben unter dem kegel- förmigen Ko])f ztdgt da.s Metall Spuren von Abnutzung.

32. (= Inv. 14G.")1, 46), abgebildet Fig. 17. tief. l)ei l Sept. 1897, in der scliwarzen Scliieht. Ks ist ein Doppelknopf in Pelta- form. zur Befestigung auf Le<ler (iihnlicli wie z.B. Jaeobi, Saal- burg, Tat". LIII, 2).

33. ('=Inv. 14651, 54), tiaehe, stark bescliädigte, ehemals runde

Scheibe mit breiter zusammengedrückter Ose auf der Rückseite ( äiinlich etwa Jacobi, Saalburg, Taf. LV, 1). Gef. über der E.strichseliicht, Mai 1896.

34. (= Inv. 474), abgebildet Fig. 18. Bruchstücke des Bronzebeachlags einer Schwertscheide. Oefunden mit den Fibeln Xo. 1 und 5 und der Bronzespachtel X^o. 25 1846 in der Kleinen Schwalbacherstrasse l ver- gleiche Ann. IV, 1, 202 u. 204). Das bronzefarbene Aus,sehen dieser Bruchstücke sowohl als auch der mit ihnen zusammen gefundenen Fibeln weist darauf hin, dass auch sie aus der Moorschicht stammen müssen. Wenn sie in diese, was nach dem Vorstehenden an- zunehmen ist, schon im 1. Jahrhundert hineingekom- men sind, so ist damit auch für die Datierung ihrer eigentümlich derben, aber gute Vorbilder verratenden Ornamentik die untere Zeitgrenze gegeben. Diese in das Bronzeblech getriebeneu Verzierungen zeigen in den Motiven der einjrestreuten Rosetten und der aus

Fig. 17 ('^,3 nat. Gr.)

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Blütenformen herauswachsenden Tiere eine gewisse Ver- wandtschaft mit der einen ganz und der nur zum Teil erlialtenen kelchartigen Situla des Ilildesheimer Silberfundes (ungenügende Abbildungen bei Hölzer, Der Hildesheiiner antike Silberfund, Taf. IV, 2 und XII, 6). Von <lein ganzen iJeschlag der Schwertscheide fehlt möglicherweise noch ein dem rechteckigen gleiches Stück.

35. Ein Lämpchen von Mroiize ohne Deckel, (lef. in[j[der ,,lIochstätte, 10 Fii--s tief- (nach Period. blättern 1854, Is'o. 3 S. 86) scheint Jetzt im .Mu-eum nicht uielir vor- handen zu sein.

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Fig. 18 ((ir. 1^: 3,3).

140

36. (= Inv. 14651, :)6a), Kettchon, blank, ubijebildet Fig. 19. Gof. bei einer Kanal- einführung vor Kirchga.sse 43, März 1S9S.

Fig. 19.

37. (= Inv. 14651, 511, iibgebiblot Fig. 20. (fef. bei /", 18. 5. 1S96, in der oberen Schicht. Der Löwenkopf verkleidete wohl den Ausguss eines Bronzegefiisses, ganz ähnlich wie die an grossen Sigillatareibschalen so häufig angebrachten Löwenmasken.

38. (= Inv. 14651,47), rechtwinkelig gebogenes, 0,013 cm breites, 8 cm langes Band, mit eingepressten Verzierungen, wohl Teil eines Kästchenbeschlages, worauf auch eine auf der Unterseite befindliche Niete hinweist; blank. Gef. bei Ä:, im Moorboden. Zu einem Kastenbeschlag gehört wahrscheinlich auch Inv. 14651, 50. Uef. bei f über dem Estrich.

Ki<>- O') (-/a nat. (jr.)

Fig. 21 (^'3 nat. Gr.)

Fig. 20 C"/'.. nat. Gr.)

Fig. 23 (2/3 nat. (ir.)

39. r^^ luv. 14651, 551, aligcbildct Fig. 21. D roh s eh 1 ilssol, 7 ctn lang. Gef. bei i in d<-r (»beren Schicht.

411. (— luv. 14651, 43 1, blank, iili;:.'bildct Fig. 22. 0,086 m. lang. (ief. bei l in der >(li Warzen Schicht iwolil ii"'ck('l einer Bulla).

41. t ^= Inv. lUJ.'il. n I. r.iiicli-iück eines Pn' sc h I itgs t flc kcs , Rückseite i,mnz platt, nur

der gleichfalLi platte King >telit etwas über; abgebildet Fig. 23. Gel", wie 40.

141

Iir. Elsen.

Gegenstände nus F]ison waren, jiligesehen von Niiyoln, sowolil in der Moor- wie in der oberen Schicht autfullend selten. Erwiilint seien hier:

1. (= Inv. 14651, 58), Ilebeschliissel, 18 cm hmü^ (ähidich dem bei Jacobi, Saalburj^, Taf. XLIV^ 1 abijebildeten). (ief. bei /, Sept. 1807.

2. (^ Inv. 14651, 57), Schlüssel, 7,7 cm lang (ähnlich Jacobi, Taf. XLIV, 5). Gel". \sie 1.

3. ( = Inv. 14651, 65), Drehschlüssel, 6,5 cm lang, mit viereckigem Griff (ähnl. Jacobi, Textrtgur 7t), 31). Vergl. ül)er den römischen Charakter dieser SchlüsseÜ'urm Wolft" in Quartaibl. des iiessischen historischen Vereins, Xeue Folge I, Xo. 17.

4. (=Inv. 14651,59), Zirkel, verbogen und stark verrostet, die Spitzen abgebrochen, jetzt 18 cm lang. Gef. bei /, Sept. 1897 ( ähul. das p]xemplar von der Saalburg, Taf. \XX1V\ .i).

5. (= Inv. 14651, 62), dolchartiges Messer mit Angel, 25,5 cm lang. Gef. bei ?, in der oberen Schicht,

6. (^ Inv. 13208), Beil. Gef. Kl. Schwalbacherstrasse 6/8 im Moorgrund, zusammen mit der Fibel oben II, Xo. 10, 1882.

7. (= Inv. 14651, 63), Bruchstück eines Stilus, jetzt 7 cm lang. Gef. bei/, Sept. 1897.

IV. Thon. A. Oefiisse.")

1. Scherben von Sigillatagefässen waren überall sehr zahlreich; nur an einigen Stellen' z. B. bei Ä:, stan<len sie an Menge hinter denen der schwarzen Ware zurück. Xach Material und Farbe lassen sich mehrere Arten unterscheiden. Die eine zeichnet sich durch einen sehr zarten Thon aus, welcher im Bruch eine rötlichgelbe, bisweilen nahezu rein hellgelbe Farbe zeigt; die ebenfalls etwas in das Gelbliche spielende rote Glasur besitzt einen matten, noch nicht den stark spiegelnden Glanz der späteren Fabrikate. Diese Gefässe (Teller und Tassen) stammen nach mehreren erhaltenen Fabrikstempeln aus Italien. An Zartheit des Thones und an geringer Scharfrandigkeit der Bruchtlächen stehen dieser Sorte sehr nahe etwas dunkler gefärbte Scherben (meist von Tellern, aber auch von dekorierten tiefen Schalen), die an den Stellen, wo die mattglänzende, leicht abspringende Glasur sich abgerieben hat, rötlichgrau er- scheinen. Die überwiegende 3Iehrzalil der in der Moorschicht enthaltenen Sigillatascherben zeigt, im Bruch stets rot und glasscharf, eine hellbraunrote, dunkelrote oder kirschrote Farbe, mit einer bisweilen stumpfen (namentlich bei dunkelroten Kumpen und Tellern), meist aber sehr stark apiegelmlen Glasur von grosser Dauerhaftigkeit. Xur von dieser Sorte haben sich auch in der oberen Kulturschicht Scherben und zwar noch in bedeutender Anzahl gefunden; doch werden sie an Menge schon ültertroffen durch die in der Färbung und im Thun sehr ähnliche, nur weniger stark glänzende Sigillata aus der ersten Hälfte des 2. Jahrhunderts, sowie durch die späteren schlechteren, im Thon oft mehligen, in der Färbung matter und heller werdenden Sorten, wie sie im Limesgebiet überall sich finden.

Infolge ihrer Dünnwandigkeit und ihrer zum Teil scharfen Profilierung sind gerade die feinen Sigillatagefässe der alten Schicht sehr stark zertrümmert; docli genügen in den meisten Fällen die erhaltenen Scherben, um die Gattung und Form der Gefässe, denen sie angehörten, mit ausreichender Sicherheit zu bestimmen.

*") Die Bedeutung gerade der Keramik der alten Schicht für die Zeitbestimmung schien eine etwas eingehendere Besprechung derselben zu rechtfertigen, während für die weniger Interesse bietenden Gefässreste der späteren Zeit kürzere Angaben genügten; es empfahl sich daher auch, beide in iler Behandlung nicht ganz zu trennen, sondern nur die Verschieden- heiten, welche sich bei ein- und derselben l>ozw. verwandten (iefässgattung in beiden Kultur- schichten beobachten Hessen, zu betonen.

142

Von ro'u'h profiliortcn Tollorn Iioc^'ikmi njimoiulich die bei Drngendorff Fis;. 1, 2, 1.'). 17. Koenen XIVl, 2, 8 aligobiltieton Tvpeii in tu;uichen Varianten ( einige Proben giebt unsere Taf. VI, 1—5); unter ihnen setieinen die zu (b^r Form Koenen XIV ;{ gehörigen Rand- profilo der Zahl nach zu überwiegen. Djv? bekannte fein gestriehelte, den Stempel umziehende Band zeii:en viele Tellerbüden: die>elbeu haben stets einen unten breiten und auf der Innen- wie Aussenseite einHäehigen hohen Fuss, der im l'>urehsehnitt leicht trapezförmig oder nahezu reehte<-kii,' ist; an dem Bniehstück eines >elir gro>5en Tellers dieser Art (nur mit dreifachen Kroislinien statt des schraffierten Bandes geschmückt i aus feiner Sigillata hat dieser Ringfuss eine Höhe von 22, eine Breite von 16 mm. Ktwa ebenso zahlreich wie die verschiedenen Arten der profilierten Teller zusammengenommen sind die mit einfachem, leicht gebogenem Rand (Dragendorff Fig. IS. Koenen MV 4, T^ i, der, in der Regel sehr niedrig, ziemlich steil an die in der Mitte leicht erhobene Bodenri.sche ansetzt; diese Teller haben stets die dunkle, stark spiegelnde Glasur. Krwähnenswert xheint, dass sich mehrere Randstücke von Tellern des bei Dragendorff Fig. 19. 20 (vielleicht auch 21) abgebildeten Typus, der nach Dragendorff S. 87 f. u. 143 in schwarzer und hellroter Ware zu begegnen pflegt, aus feiner Sigillata gefunden haben.

Von reliefverzierten tiefen Schalen verdienen zunächst die Formen Dragendorff 29 (in autfalleiid :;rosser Anzahl), sowie 30 (Koenen XIII. 6, 6 a, 7, 9 und, wiewohl seltener, 10) einige Beachtung. Fast immer haben diese l>etrts>e eine spiegelglatte hellbraunrote Glasur, doch findet sich bei nach Form und Dekorationsweise zweifellos sehr alten Stücken (z. ß, den Taf. IV, 6 und V, 7 abu'ebildeten; auch die dunkelroto F.nrbung mit mattem Glanz; nur selten hat diese (iefässgattung den zarten, an den abgeriebenen Stellen grau erscheinenden Thon, wie z. B. Taf. V, 11. Die Höhe des feingeriefolten Randes der Gotasse ohne Eierstab ist eine sehr ver- schiedene und schwankt zwischen 11 und 2S mm: im allgemeinen scheint der niedere Rand den älteren und schönsten Stücken eigenriimlich zu sein: nicht nur seine Höhe, sondern auch die Stellung zum oberen senkrechten Teile der Gefä.-swand bei den besten Gelassen liegt er mit diesem nahezu in einer Fläche, i'ci den anderen neigt er sich stark nach aussen könnte einen ungefähren Massstab für das relafi\e Alter der einzelnen Stücke bieten. Von den bei Dragendorff Terra sidllata, S. I2t^ tf. unterschiedenen Dekorationsweisen dieser Gefässe ist die, welche im oberen >treifen eine umlaufende Ranke, im unteren die aus einem Bbittornament entwickelte senkrechte Kiofelung zeigt, nicht sehr häufig, z. B. Taf. V, 7 mit unten abschliessendem Blätterkranz: hierher gehön auch wohl V, 13; in V, 17 zeigt sich der pflanzliche Ursprung des unteren l>rnanienr<^ iDragendorff S. 128) noch deutlich. In den bei weitem häufigsten Fällen haben die gefundenen Schalenfragmente sowohl im oberen wie im unteren Dokorations>treifen umL-Jutendes Ranken- und Blätterwerk, so Taf. IV, 5, 6, 7 (letzteres mit dem Stempel Taf. IX. 23 i, T.sf. V. 2, 3 -j- 19, 10, 12, 16, 18, 20 und zahlreiche nicht abg(>bildcte bisweilen mit d.v.wischengt--rtzfen kleinen Tieren so füllen auf dem Taf. IV 1 abgebildeten Gefäss aus der Fai-rik de> Bilicatus den unteren Ornamentstreifen, der auf der Alibildung lei<ier nicht zu erkennen i>i, Fichenzweigo mit Eicheln, zwischen denen Hasen sitzen (ähnlich auch Taf. IV, 2, V. 9i oder .sehuppenartig angeordneten Blättern", so Taf. V, 1. Xicht selten ist endlich auch .:ie sp.Hrere auf diesen Gelassen angetrottene Dekorationsweise, bei welcher in .iem oi-eren Srri-ifen mit Blättern oder Ornamenten gefüllte Abschnitte mit solchen von Tieren be>e:7ten r.:etoVt'v.artig wechseln (z. B. Taf. IV, 2 und 3, V, l.j, auch wohl V, 14); .-m Stelle der Tier? treten kreuzweis gestellte Perlstäbe, z. B. Taf. V, 6.

I>ei den c yli ndrisch en Näpfen mit Kie:^:*.«. ^'.ereu Form eine in zwei Streifen verteilte Dekoration au>>chliesst, ab.Mwie:,n e"t>enfa"ils die riA:iken- und Blätterverzierung wie Taf. VI, 7, 10. 11 12 während Itci VI. s Darstellungen i^res gT\'>>en licLrenden Tieres mit Rankon und schuiipenartigen Blättern abwechseln, und i-'i VI. f die Dekoration ausstdiliesslich aus der- artigen, <iurch Terlstäbe getrennten BL^ne-cn.; tvd -a bestehen scheint. Diese steihvandigen Kumpen sind auch in <ler .dier-u >. huht nicr;: -elreir. zwei Beispiele sind abgebildet Taf. VI,

9 und 13.

Der 'l'vpus des h a I lik ucel icen :ieier. ^rfk-f^s ni't Reliofschmuck, auch in seiner ältesten bei Koenen XIH, S skjzzivr.eu W'rrt -^i i'ekorationsweise, fehlt nach <len jetzt

143

«»pmachten Boobachtunp^on in <Ier alten j^f•lli(■llt noch vollstiindi;,'" ); es zei>rt sifli darin eino bemerkenswerte Übereinstimmuni,' mit ilen im ;ilti'reii Ntnis:^er La^^er i,'efun<l<MH'n Scherlten unter welchen die von solclien Kiimpi'n nach Koenen's Hcmerkunj^ S. 89 nicht vertreten sind. Sehr häuHi^ daijegen fanden sich derartii,'e Stücke, die widil noch dem AusLcanije des 1. Julir- hunderts anirehören, in unserer höheren Kulturschicht, die beispielsweise abi,'ebildeten Tat". IV 4 VI, If) haben in ilen Ranken bezw. Vögeln un<l den sohuppenartii; jjestellten Bbittern ihrer Dekoration schon bei der älteren Beckenform zur Anwendunj^ j,'ekomniene Elemente bewahrt I ähnlich auch Tat". VI, 18, 19); bei Tat". VI, 20 sind so;,far die zwei Dekorationsstreifen trotz der f^ewandeltcn (jefässforni beibehalten.*-) Diese Verwandtschaft in der Dekoration kann um so weniger auttallen, da neben diesen Ivumpen in der i,'leichen jünireren Ivulturschiclit nurh Schalen der Form D rai,'e ndorf f 29, Koenen XIII, 7, deren charakteristische Merkmale in dem breit au.sladenden unteren, und dem sich in ziemlich scharfem Winkel daran ansetzenden steilen oberen Wandteile sie aufweisen, n'efunden worden sind; doch lassen diese die Feinheit der Randriefelunif, den spiei,'elnden Glanz der Glasur und die elejjfanteren Arten der Dekoration, durch welche sich die der älteren Periode angehörenden Gefässe auszeichnen, bereits mehr oder weniger vermissen (ein Beispiel abgebildet Tat". VI, 22). Erwähnt sei, dass auf der Scherbe eines derartigen Kumpens (Form Koenen XIII, 7) von schön glänzendem Material sich ein leider nicht lesbarer Stempel befindet, der ganz in der Weise der gewöhnlichen Kuniiieu mit Eierstab zwischen den Ornamenten auf erhabenem Schildchen und in vertieften Buchstaijeu angebracht ist.

Massenhaft waren natürlich in der oberen Schicht die späteren reliefverzierten Kumpen der Form Dragendorff :n, Koenen XV 22, z. T. noch an die älteren Typen erinnernd, z. T. in der rohesten Ausführung und Technik vertreten; erwähnt seien ausser den zwei besseren Taf. VI, 16 u. 21 abgebildeten, davon nur a) (Inv. 14(551, 20) von 0,31 m Durchmesser, 0,10 m Höhe, von verhältnismässig noch guter Arbeit; die Dekoration besteht aus menschlichen Figuren, darunter ein Gladiatorenpaar, welche durch Bäume von einander getrennt sind.

b) (Inv. 146r)l, 21) 0,115 m hoch, zeigt bereits den t'bergang zum sogen. Medaillonstil, Tier- und Menschendarstellungen werden durch Perlstäbe getrennt, Blattwerk fehlt vollständig.

c) (Inv. 14G51, 22) von 0,(»95 m Höhe, 0,18 m Durchmesser, ganz rijlier Xapf mit breitem, plumpem Ringfuss von gelblichroter Sigillata; der Dekorationsstreifen zeigt nur menschliche, je zwei und zwei sich zugewendete Figuren | (Uadiatoren) ohne jede Einteilung in Felder.

Unter den in der Moorschicht gefundenen Sigillata-Tassen und -Schälchen nehmen die mit auf der Aussenseite geknickter und in dem oberen senkrechten Teile fein ^-eriefelter Wandung (Dragendorff Fig. 24 und 25, Koenen XIV 12) an Zahl die erste Stelle ein; sie sind auch in der Xeusser Brandschicht des .Jahres 70 sehr häutig (Koenen S. 94). Bei einigen Bruchstücken findet sich auch die kleine dem geriefelten Teile aufgesetzte Volute (wie bei Dragendorff 25).**) Die Tässchen mit eingekniffener Wandung ( D rajjendorff 27,

*M Die Tafel VI, 14 abgebildete grosse (34,5 cm Durchm., 12 cm hohe) Schale dieses Typus (Inv. 14651, 119) hat allerdings im Moorboden gelegen, aber sie stammt von der Bau- stelle e, auf welcher nach den obitren Ausführungen (s. S. 120) der schwarze Wiesenboden bis unmittelbar unter das jetzige Terrain reichte. Da sie bei der Auffindung noch unversehrt war (sie wurde von einem Arbeiter durch einen Schlag aus Versehen zertrümmert), auch in der Nähe ein Lämpchen ( s. unten ) zu Tage kam, so ist es nicht unwahrscheinlich, dass sie /u einem Grabe gehört hat, um so mehr, da früher in dieser Geilend römische (iräl)er entdeckt wurden, und nach Anlage iler römischen Strasse (durch Baustelle a und d) die ßesiedelun»' sich schwerlich mehr bis in diese Gegend erstrei-kt hat.

) Auch der glatte über dem Eierstab Ijetindiiche Rand dieser Gefässe ist in einer an die steilwandigen Kumpen mit Eierstab aus der früheren Periode erinnernden Weise auf der Aussen-, zum Teil auch auf der Innenseite mehrfach durch feine Absätze o<ler Linien treo-ljedert. sehr im (legensaize zu den der .Vntoninen- und späteren Zeit angehörigen Stücken dieser (iattung.

) Erwähnt sei hier ein ganz kleines Bruchstück, das zunächst zu einem solchen Schälchen zu gehören scheint; doch zeigt es auf iler Innenseite einen den bei den profilierten Tellern begegnenden ganz gleichen Viertelrundstab; ob es trotz der Riefelung der Aussenseite

144

Koenen XIV 10) sind in meist sehr kleinen zierlichen, stets mit tadelloser Olasur versehenen Stücken vertreten, bei einem Bruchstück ist der obere Teil der Wand Lceriefelt (Tat". V 22), was bei diesen Gelassen selten vorzukommen scheint. Von den nach D ragendorff S. 86 in Deutschland seltenen gerudwundigen fein profilierten Tassen ( Drage ndorff Fig. 26, Koenen XIH 51 fanden sich eine nicht unbedeutende Zahl verschiedener Rand- und Wand- stücke, Sowohl in der dunkleren, stark spiegelnden, wie in der zartthonigen, grau durch- schimmernden Sigillata (zwei Beispiele sind Tat". V 23 und 24 abgebildet; bessere Exemplare kamen erst nach Herstellung der Tafel zum Vorschein). Das Taf. V, 27 abgebildete Bruchstück einer Tasse von dieser Form besteht aus gelblichem, mit rotgelber Firnissfarbe (nicht (Jlasur) überzogenem Thon, wohl eine Nachahmung der hellroten belgischen Technik, in welcher gerade diese Becherforra nach Koenen S. 88 hergestellt worden ist, bezw. der von dieser nach- geahmten alten gelblichroten italischen Sigillata. ^^)

Von allen diesen Tassenformen gehören nur die beiden erstgenannten (Dragendorff Fig. 25 und 27, Koenen XIV 10 und 12) auch den Funden aus der jüngeren Kulturschicht an; aber hier sind sie meist grösser, plumper und aus weniger gutem Material. Neben diesen treten hier die übrigen im Limesgebiet überall angetrottenen Typen des 2. und 3. Jahrhunderts ( D ragen-dorff :VA, 40, 46, sowie der späte 49, Koenen XVI 21, .30, 30a) sehr zahlreich auf.

Die auf dem umgebogenen Rande mit Barbutineschmuck verzierten Schüsselchen (Koenen XIV 8, D ragendorff 35) sind durch ziemlich zahlreiche, meist kleine, sehr gut glasierte Exem])lare (in Bruchstücken) in der älteren Schicht vertreten (ebenso im älteren Lager von Neuss nach Koenen S. 93j; aber ebenso wie die Schüsseln mit horizontal abstehendem, durch ein Stäbchen von der inneren Wandung abgegrenztem Rande (Koenen XIV 10) be- gegnen sie auch in den oberen Schichten; ein Sohälchen der erstereu Art (Inv. 14651, 129. Gef. bei l) von 0,13 cm Durchmesser und 5 cm Hiihe ist nur bis zu dem Rande mit Glasur versehen und zeigt im Innern die rote Naturfarbe des Thones.

Von son.stigen Gefässtypen in Sigillata aus der alten Schicht seien noch kurz erwähnt: melirere Bruchstücke und ein fast vollständiges Exemplar, 13,8 cm Durchmesser, 2 cm Höhe, der flachen fusslosen Platte (Dragendorff 22) aus feinster Sigillata, welche Koenen Taf. XVI 28b jedenfalls zeitlich zu spät ansetzt; ein kleines Schälchen, dessen Form genau dem bei Dragendorff Fig. 8 skizzierten Typus aus Arrezzo entspricht; ein zweites, 5,2 cm hohes, 10,5 «-m im Durchmesser messendes Exemplar mit stark spiegelnder Glasur und dem Stempel OF CRES fo,nil sich nachträglich auf der Baustelle Ilochstätte 20; Stücke eines sehr dünnwandigen verzierten Bechers nut matter Glasur (abgebildet Taf. V 21u. 25, letzteres Stück verkelirt) violleicht von der Form Koenen XIII 13; endlich grosse Teile eines bauchigen, mit Reliefschmuck \ersehenen Bechers (Taf. V, 26, Form Koenen XIII 12), welcher Typus aber noch unter den Fundstücken der jüngeren Schicht mehrfucli angetroffen wurde.

von einem solchen, oder irgend einem anderen Gefäss herrührt, lässt sich wohl kaum ent- scheiden.

**) In wenigen Exemplaren fanden sich Bruciistücko, welche zu geradwandigen Tassen ohne jede Randpndilierung, ausser zwei den Rand von der Wand scheidenden flachen Hohl- kehlen gehören; da sie nach Material und Farbe sicher der alten Schicht entstammen, sind sie als Vorläufer für die spätere konische Tasse di'r Form Koenen XVI, 30 = Dragendorff 33 zu betrachten. .\.uch kleine ruiidbauchige Näpfchen der Form D ragendorff 40 = Koenen XVI, 21, nur feiner, aus glänzender Sigillata kamen in der alten Schicht vor; auch diese Form kann ilaher nicht ausschliesslich der späteren Zeit angehören, worauf auch der auf einem der- artigen Näpfchen licgc^iuMide Stempel FAVDACI '" -Mninz (Dragendorff, Bonner .Lihr- bücher 96, S. 154 unter tO) hinweist, welcher unter den Funden von der Sels'schen Ziegelei bei Neuss vorkommt i Bonner Jalirbücher 101, S. 15). - Endlich wurden Randstücke etwa der Form Koenen XIV, 15 in dunkelrotem, meist stumpf glasiertem .Material sowohl in der alten, wie in der jüni,'eren Kulturschicht an:,fotr()rt"(>n, sie werden also wohl dein Einle des 1. Jalii-- hiinderts anirehöreii. Von wulelier l-'unii dii' gell)ri)ten dicken TassenltödiMi mit holiein Fuss, >iclier italixhei- lleikuiift (darunter einer mit dem Stempel des Ateius, unten No. 11), lier- rülin-ii, lM.-->t >ii-li, ila Kaiidpn.lile fehlen, nielit l'e>tstellen.

145

Die Töpferstenipol, welche sich auf Sigillata- und dieser gleichzuachtenden**) Bruch- stücken gefunden haben, siml in den beiden folgenden Verzeichnissen ali)habetisch zusammen- o-estellt; in Liste a sind nur diejenigen aufgenommen, deren Herkunft aus der Moor- und Pfahlrostschicht durch sofort bei der Auffindung gemachte Notizen oder auf andere Weise vollständig gesichert ist, daher können auch in der zweiten, die Stempel der oben-n Schicht enthaltenden, Liste b sich immerhin einzelne Stücke befinden, welche nur der zufällige Mangel einer genauen Angabe der Fundurastände von der Aufnahme in Liste a ausgeschlossen hat. Auf Beifügung der Angabe, auf welcher der verschiedenen Baustellen jedes einzelne Scück zum Vorschein gekommen ist, kann wohl verzichtet werden; es sei nur erwähnt, dass dieOe- fässstücke mit den Namen italischer Fabriken meist auf den Baustellen k und l gefunden wurden. Dagegen erschien es nicht überflüssig, die Gefässform bei jedem einzelnen 8tem])el auch in den Fällen anzugeben, in welchen eine genaue Typenbestimmung nach den Dragen- dorf f 'sehen und Koenen' sehen Formentafeln wegen zu grosser Trüramerhaftigkeit nicht an- gängig war.

Stempelliste a.

3

^-3

Abbild.

auf Tafel

Töpfername

Gefässform

Bemerkungen.

10

11

12

VIII, 1

VIII, 3

VIII, 4

VIII, 5

VIII, 6

VIII, 7

VIII, 8 VIII, 9

VIII, 10

VIII, 11

VIII, 12

/\lbU8

ALBVSFE

of(ficina) Aquitani

Aquiti ani )

[Aqjuitan(i)

I

;[Aqui]tani; die Er- gänz, ist wohl sicher, Aqu[itani]

Ardai eil Ol fficina ) Ardac(i)

Cn(aei) Atel

Ätei darunter Pal mz weis;

Xant(hi)

Tellerboden von sehr

feiner Sigillata. Tellerboden.

Boden einer dekorier- ten tiefen Schale (Drag. 29).

Tässchenboden (D rag. 271.

Splitter eines Teller - bodens.

Splitter eines Teller - bodens.

Splitter eines Teller - bodens.

Tässchenbodensplitter.

Tassenboden von stark spiegelnderSigillata, mit flachem Fuss( .j,5 cm Durchm. ).

Flacher Tellerboden, (Durchmesser etwa 0,14.3 m). Stempel v. 2 Ringen umgeben.

Dicker Tassenboden, von gelblichroter Sigillata,Gcra Durch- messer.

Kleines Splitterehen eines Tellerbodens

von gelblichroter Sigillata.

Auf der L^nterseite radial eingeritzte 8tri(die.

Gef. A[)ril 1887 in der Kl. Schwalbacher- strasse, stammt sicher aus der Moor- schicht (luv. 13895).

Aijuitanus begegnet zweimal auf Sclierben in der aus augusteischer Zeit stammen- den Kulturschicht bei Neuss ( B. Jahrb. 101, S. 14). Auch sonst sehr häutig aus Bonn und dem Legionslager von Neuss ( B. Jahrb. 89, S. 2, No. 17 a— m, S. ,36; 90, S. 43, No. 1 a), auf Tellern, Drag. 15 18, und Tässchen, Dra«,'. 27; besonders häutig auch in der Narbo- nensis, C. XII 5686, 70.

Begegnet häufig in Frankreich i cf. ('. XII 5686, 72 u. 73) und auf dem linken Kheinufer auf Tellern und Tassen, vergL auch Wolff, Nass. Ann. XXVII, S. 46 und Drag., B. Jahrb. 96, S. 60 f.

Die Fabrik des Ateius ist die am stärksten vertretene in der Xeusser Kulturschicht (B. Jahrb. 101, S. 14 f. u. S. 22 ff). Bis jetzt sind Gefässe seiner Fabrik nur links vom Rheine gefunden mit Aus- nahme dreier Stempel aus Höchst (Wolff, Nass. Ann. XXVII, S. 40 i und eines nicht ganz sicheren aus Friedberg. Nach Oxes Ausführungen (B. Jahrb. 101, S. ;53), gehören sie alle der Zeit des Augustus an.

*'\) So die Stempel Xo. 20, 42, 67 auf Gefäs-^resten au>! weissem und grauem Tlion, welche, mit Firnissfarbe überzogen, «lie Sigillataware nachzuaiimen bestimmt gewesen sein werden.

146

Abbild. I

nuf ,

Tafel ;

Töpfername

Gefässform

Bemerkungen.

VIII. i:i

Atei Zoili in Krt'iizturni

VIII, 14 ' Zoili im Krois

VIII, 17 oftficina) Basisii VIII, 10 ! Bas|s<i)]

I VllI, 2t> , ofificina) Bass(i) !

I i

VIII, •_>! j Bassi 1

Vin,22 ofificina) Bassi

I

VIII. 23 ' Bassi

!

VI 11, 24 |Bas|si CioeliV); j vielleicht i>t C 't"' Schliis.s mir Vor- I ziiTuiiic

VIII, 2r> oftficinai Bassi Co(eli)

VIII, 2(j |Bas|sus, lii'' Kr<;:iii- I zuüg ist wühl siclior

Flacher Tollerbotlen; iler Stempt4 steht nicht genau in der Mitte dos ihn um- gebenden liinge.s.

Splitter eines flachen Tellerbodons, 7 mm dick."'!

Tellerboden der Form Drag. 18.

Tässchenboden mit Hui'Iieni.7mmliiphem, (J mm breitem Fuss.

Tollerboden, leicht spitz.

Tellerbodensplitter.

Tä.sschenboden , w oh 1 der Form I) rag. 27.

Tas^enltodcn mit fla- chem Fuss.

G mm dicker Teller- Ipudetisplitter.

24 VIII, 28

|of(ficinai| Bili- catii)

C/. RV

Hoden einer dekorier- ten tiefen Schale (Drag. 2'.1), z. T. verliraniit.

Tassenboden mit Ha- chem Fuss wie bei 16.

Dekorierte tiefeSchale, Durclim 2;{(;n), he 9,5 cm (Drag. 20), abgebildet Tat. IV, l (Inv. 146.')!, liaj.

Tellerboden von stark spiegelnderSigillata.

Fnsoro beiden Stempel des Zoilus, Xo. 13 u. 14, scheinen in ilieser Form neu zu sein.

l'nter den bei Neuss gefundenen Stempeln ist Bassus nur zweimal vertreten (ß. .Fahrb. 101, S. 1.')). Abgesehen von sehr zahlreich in Frankreich und im linksrheinischen Germanien gefundenen Stem|Kdn begegnen Erzeugnisse der Fal)rik des Bussus rechts vom Rhein nur in llofiieim, Ileddernheim, Kottweil und Friedberg (Drag., B. Jahri). 0(5, S. 04). Da unter den zahlreichen auf der Saalburg gefundenen Stempeln, wenigstens einmal QF BASSI begegnet l.lacobi, Siuilburg, S. :{17. No. 14), so wird die Thiitigkeit dieser Falirik sich noch bis in das letzte Drittel dos 1. Jahrhunderts erstreckt haben, wozu gut stimmt, dass einer ihrer Stempel (Taf. VIII, 18, auf Tasse Drag. 27) bei uns in der jüngeren Schicht sich gefunden hat. Dagegen zeigen ilie Neusser, .Vnderiiaclier und Xantener Stempel, der im Frdlager bei Ilofheini zu Tage gekommene ( ( ) R L. llofheim, S. 32, identisi'h mit unserer Xo. 22), Sowie die Geffissformen, denen sie auf- gedrückt sind, ilass die Fabrik vor- wiegend in vorflavisclier Zeit produzierte.

Bei Xeuss G nml gefunden, fehlt dieser Stempel bis jetzt im rechtsrhein. Ger- manien; ist <lageicen sehr häufig in Gallia XarbunensislC. .\.II, 568G, 120 u. 130).

Gef. schon 25./5. 180.') beim Kanalbau in der Mauritiusstrasse; der Töpfername be'jei'iiet auch unter den Neussern

(B. Jahrb. lol, S. IGj.

^"i In dem Tellerltoden befimlet sich ein 4 mm mossendea Loch, welches \vahrs(dieinlich bei einer Reparatur di's zerbrochiMien Tellers mittels durchgezogenen Bloidrahtes absichtlich gebohrt ist; ein sidches Verfahren i-t 'uekanntliidi lj(>im Flicken von defekten Sii^MJlatagesehirren öfter /.nr Anwendung geknininen; unter un>eren l'uiiden befindet sich iidch ein Tellerstück ilcs Tvpus D raire ndo r f f IS. welches das eingezogene Blei noch eiithält, vergl. aucli Jacobi, Saulburir, S. »20.

147

Töpfername

Gefässform

Bemerkungen.

VIII, 39 VIII, 40

VIII, 41 VIII, 52

VIII, 53

VIII, 54 VIII, 55

VIII, 63

VIII, 75

VIII, 76 VIII, 81

VIII, 82

of(ficina) Creisti-')

Cres[til

fCjresti offficina?) oder |C]restio(ni8) Flosp . . . im Kreise zwischen p und f ist d.Punkt gesichert

Ergänzt sich wohl am wahrscheinlich- sten zu [ofificina) Fron]t(i)ni Geminu(s)

[G]ermani

ofificina) Labdo- nis f)

[M]asculus

of(ficina) Medd . . . of(ficina) Mo . . .

Modest(us) f(ecit)

Tiisschen (Drag. 27j von sehr glänzender Sigillata.

Tässchen mit steiler feingeriefelter Wan- dung (Drag. 25) mit starken Brandspuren.

Tellerboden.

Flacher Tellerboden von feinem grau- weissem Thon, wel- cher dunkelgrau (oder bräunlich V) ge- tirnisst war, mit feinem, hohemStand- ring (Durchm. 0,076 m), gef bei /, 4./9. 1S97.

Tellerboden von der Form K 0 e n e n XIV, 1 oder 2.

Flacher Tellerboden- splitter, aussen Rest eines üraffito.

Fuss einer dekorierten tiefen Schale (Drag. 29).

Tassenboden, wahr- scheinlich der Form Dras. 27.

Flacher Tellerboden, von früher Form.

Tässchenboden von spiegelnderSigillata.

Tässchenboden, wahr- scheinlich der Form Drag. 27.

Tellerbodensplitter äl- terer Form.

Fünfmal aus augusteischer Zeit bei Neuss (ß. Jahrb. 101,8. 16); im rechtsrhein. Germanion findet er sich noch in Hof- heira, Ileddernheim, Sulz und Rottweil. Für die Zeitstellung wird etwa das über des Bassus Fabrik Bemerkte gelten. Doch sind vielleicht mehrere Crestus bzw. Crestio zu unterscheiden. S. unten No. 153, sowie Xaelitrag S. i:)7, 5 u. 6.

Genau derselbe Stempel fand sich in Mainz auf einem rotgefirnissten Teller (Westd. Korr.-Bl. 1892, Sp. 41), sowie in Ander- nach (B. Jahrb. 89, S. 15 No. 131): auf einer feinen gelbweissen Tasse in Mainz FLOS MP- ebenfalls im Kreise. Eine befriedigende Erklärung scheint bisher noch nicht gegeben. Ob der Stempel aus Arrezzo bei Schuerm. 4341: PL-OS hierhergehört, mag dahingestellt bleiben.

Der Tüpfername begegnet in Wiesbaden noch mehrmals.

In Gallia Narbonensis öfter, C. XII 5686, 383.

Sehr häufig in der Narbonensis, C. XII 5686, 387; von den in Deutschland ge- fundenen Stempeln gehören vielleicht manche dem Fla^viusj Ger(manus), siehe unten No. 89 91, an.

In der Form OF LABIO dreimal in der augusteischen Kulturschicht bei Neuss (B. Jahrb. 101, S. 17) ausgeschrieben zu Labionis öfter in Frankreich, C.XII 5686,473fSchuerm.2882/83J.ImLime3- gebiete bis jetzt nicht nachgewiesen.

Einmal bei Neuss (B. Jahrb. 101, S. 18); rechtsrheinisch einmal auf der Saalburg fJacobi, Saalburg, S. 323 No. 97). Die Fabrik lag wohl in Gallia Narbon., da die Stempel dort sehr häutig sind; die Stempel dieser Fabrik zusammen- gestellt in B. Jahrb. 94, S. 263 ff.

Ist vielleicht aus der Fabrik des Modestus.

Sehr häufig in Gallien fvergl. C. XII 5686, 599) im südl. Britannien iC. XII 1336, 720); im Kheinlande z. B. in Windisch, Bonn, Heddernheim. Ein schön profi- lierter Teller aus Kastei (bei Mainzj be- findet sich imWicsb. Museum ( luv. 5035 j.

10

148

Abbild, auf

Töpfername

Gefässform

Bemerkungen.

15

Tutel

38

VIII, 83

ofificina) Mona . .

Tasseuboden.

Es scheint unsicher, ob der letzte Buch- stabe als ein mit 0 Hgiertes M, t)^©'" ^^^ ein verkehrtstehendos N zu lesen ist; doch ist ersteres mit Rücksicht auf die vielen Stempel aus Gallia Xarbonensis (C. XII

39

VIII, 84

[M/loni . .

Boden einer dekorierten i

.")686, 600) wahrscheinlicher.

VIII, 89

Passend)

tiefen Schalet D rag.-J9j. Tellerboden , leicht spitz.

Scheint nur linksrheinisch vorzukommen nach Drag., B. Jahrb. 99, S. HS f.

41

VIII, 96

Paullus

Tellerbodensplitter.

Es sind jedenfalls mehrere Fabriken unter den bei Drag., B. Jahrb. 99, S. 123 f. aufgezilhltenStempelnzuscheiden;unsere Form 41 scheint nur linksrheinisch, so- wie in Britannien und Gallien vorzu- kommen.

42

VIII, 98

Petroni, im Kreise,

Flacher dünner Teller-

Ein C. und ein L. Petronius sind be-

ob «las Zoichen in

büden von sehr fei-

kanntlich arretinische Firmen. In Ger-

der Mitte ein Bucli-

nem, weissem Thon;

manien scheinen Stempel dieses Namens

stabe ist od. nicht,

der rote Firniss, mit

bisher nicht gefunden, unser Stempel

muss unentschieden

welchem er über-

überhaupt ganz unbekannt zu sein.

bleiben ; in erstereni

zogen war. ist zum

Falle könnte nnT(iti)

Teil ( durch Ein -

oder L(uci) gedacht

Wirkung von Feuer?)

werden.

verschwunden.

43

VIII, 102

PoI[i . .]; der Stem-

Boden einer dekorier-

Xacli freundlicher Mitteilung Bohn's be-

pel ist vollständig, nuraniKnde schlecht

ten tiefen Schale (Drag. 29).

gegnet der Stempel in der Form 44 nur noch in Vechten. Ob der Name des

ausge|)rägt, hinter

Fabrikanten Pol ins (so in Frankreich )

0 ist Kaum t'iir nur

oder Polil)io iSchuerm. 43.'j4 f.)

2 Buchstaben, höch-

lautet, ist nicht zu entscheiden: viel-

stens für 3.

leicht sind zwei verschiedene Fabriken

44

VIII, 103

ofificina) Poli . . .

Tellerboden von sehr feiner Sigillata.

zu unterscheiden.

45

VIII, 105

ofificina) Pri(mi)

Tüsschentioden der Form Drag. 27.

Eine von den jedenfalls zahlreichen ver- schiedenen Fabriken eines Primus ge-

Tässchenboden,D rag. 27.

hört sehr früher Zeit an.

46

OFPRI

Gef. Sept. 1880 beim Neubau des Hau-ses Kirchgasse 6i> (früher Bayrischer Hof)

mit anderen zweifellos der Moorschicht

entstammenden römischen Scherben und

Gegenständen.

47

VIII, 100

Regenufs]

Tollerbo<len3plitter von stark spiegelnder Si- gillata.

Einmal aus augusteischer Zeit bei Neuss (B. Jahrb. 101, S. 19j, auf altem Teller, (vergl. C. XII 5686, 741). Von dem späterer Zeit angehörenden Reginus ist er sicher verschieden.

48

VIII. 110

Rispi tnainu)

Tellcrboden , wahr- .scheinlich Drag. 18.

Vor R fehlt sicher kein Buchstabe, so ilass Crispi ausgeschlossen i.st; über- dies kommt der Stempel nach Mit- teilung Bohn's auch mehrfacli in Frank- reich, Köln und Grimmlinghausen vor.

49

Vlil, 112

RU8|. . .

Tässclienboden mit ; Huchum i^reitein Fuss, von feiner Sigillata. |

OFI RV2 zweimal bei Neuss i B. Jahrb. KU, S. 20).

140

Abbild.

auf

Tafel

Töpfername

Gefässform

Bemerkungen.

50 VIII, 116

Salvle]

Kleines Schälchen der Fürm Drag. 24/25.

51 VIII, 118

52

Scotiu[sl

Sehr feiner Teller- bodensplitter.

VIII, 120 Secun(di);doi-Stem-

; pi'l sehr schwach

ein;,'edrückt; zu lesen

istoFCVI; J- letzte

Zeichen wird ein mit

V i,'ebundenes N >^ein.

53 54

VIII, 122 VIII, 12:^

55 VIII, 125 ößl VIII, 126

57

58

of(ficina) S[el- cunidi) Secundii) in Spie- gelschrift

Senici . .

Ciai) Senti(i) in Umrahmung; das | am Knde ist sicher, da die Unirahmuiiü; nur eine einfache ist.

Tüsschenboden der "^Form Drag. 27.

IX, 4

IX, 5

Tellerboden von stark spiegelnderSigillata.

Ganz erhaltener Teller der Form Drag. 18 (Durchm. 16,5 cm, Höhe 3 cm).

Tüsschenboden.

Splitter eines ganz Hachen Tellerbodens aus gelblichroter fei- ner Sigillata. Gef. bei l, 12./8. 1897.

•V[

Vapuso

Boden einer dekorier- ten tiefen Schale, Drag. 29.

Feiner Tellerboden -

Splitter.

Hinter dem V kann noch ein Buchstabe,

schwerlich mehr, fehlen; es ist also offenbar der als Bcgrüssuni^stormel aufzufassende Stempel „salve", der öfter in der vollen Form .,salve . tu" begeg- net (üxe, Bonner Jahrb. 102. S. 149); er findet sich nur in seiir früher Zeit (Oxe kennt nur Beispiele aus (iallien, denen C. XII :)679, 98, angeblich auf Ziegel, zuzufügen sein dürfte, Spanien und von einigen linksrhein. Fundplätzen) und entstammt offenbar gallischer Sitte; der von (.)xe a. a. O. erwähnte eben- so aufzufassende Stempel „felicen . te" findet sich ebenfalls in "Wiesbaden, siehe unten Xo. S'^, und dürfte also wohl auch der älteren Kulturschicht angehören.

Derselbe Töpfername offenbar auch C. XII 5686, 795 797, sowie auf einem Teller aus dem Legionslager von Griramling- hausen (Bonner Jahri). 90, S. 46, Xo. 47 ). In der augusteischen Kulturschicht bei Xeuss 4mal vertreten ( B.Jahrb.l01,S.20).

Zweifellos sind mehrere Fabrikanten dieses Xamens zu unterscheiden, wie das Ver- zeichniss der zahlreichen Stempel bei Drag., B. .lahrb. 99, S. 140—143, lehrt. Der Secundus unserer Xo. 54 gehört wegen der ( jefässform sicher dem ersten Jahrhundert an; siehe auch Xaclitrag S. 157, 9.

Vergl. Schuermans 5086; C. XII 5686, 808—812.

Die Fabrik des C. Sentius ist bekanntlich arretinisch. In der Xeusser Kultur- schicht begegnen seine Stempel nächst denen des Ateius am häufigsten, sieben- mal I B. Jahrb. 101, S. 20). Sie be- se^nen auch sonst in Gallien und (ier- manien nicht selten (vergl. z. B. G. XII 5686, 818, B. Jahrb. 89, S. 40, Xo. 319 i; aber auch in Rom (vergleiche C. XV 5564 a— g).

Sehr häufig in der Xeusser Kulturschicht (B. Jahrb. lol, S. 21J; im liimesgebiet m. \V. bis jetzt nicht gefunden.

10*

150

6

5J

Abbild.

auf

Töpfername

Gefässfopm

Bemerkungen.

-3

Tafel

59

IX, 11

Vita[lis]

Tellerbodensplitter, in derMitte leichtspitz; mit Brandspuren. ,

Fabrikanten des Xamens Vitalis sind sicher mehrere zu unterscheiden, da derselbe auf Gelassen aus sehr ver-

60

IX, 12

of(ficina)Vita.l(is)

Stark spiegelnder Tel- i

schiedener Zeit und von sehr verschie-

lerboden,etwas spitz.

denen Formen begegnet; Zusammen-

61

IX, 13

of(ficina) Vitalis

Stark spiegelnde Tel-

stellung der Fundorte bei Drag., B.

62

zweimal

lerbüdea wie 60. !

Jahrb. 99, S. 159—162.

63

IX, 15

[of( ficina) V 1 it adis)

Tellerboden mit fein schrartiertera, den Stempel umgeben- dem Kreis.

Von weiteren aus der Pfahlwerksohicht stammenden, zu sehr verstümmelten oder nicht sicher zu entziffernden Stempeln seien hier nur noch erwähnt*" |:

64

65

66

67

IX, 20

IX, 28 IX, 32

IX, 44

C(ai) Amur(i) ??? in rechteckiger Ein- rahmung:

ob [Sc]otti ? ? [Sil^jvaini)*")

Tellerboden, nach Ma- terial und Farbe wohl sicher arreti- nischer Herkunft.

Sehr feines kleines Tässchen mit fla- chem Standring.

Halb erhaltenes Täss- chen derFurmD ras:.

24/25.

Tassenboden aus hell- grauem Thon, mit Resten eines Firniss- überzuges.

Am Ende des Stempels ist die Ligatur VI so gut wie sicher; am Anfang stand C oder O"' vermutungsweise ist daher der Xame der arretinischen Fabrik des C. Amurius eingesetzt. Stempel der Firma aus Virunum, Siscia und Brigetio, C. III, S. 12014, 198.

Vergl. oben Xo. 51 und B. Jahrb. 101, 20, das doppelte J z. B. auch C. XII 5686, 797.

Da mehr als drei Buchstaben vorn nicht fehlen können, liegt die vorgeschlagene Ertränzung: nicht allzufern. Die Firma auch in der Xeusser Kulturschicht ver- treten (B. Jahrb. a. a. O., S. 20J.

Eine verständliche Lesung des barbarisch geschriebenen Stempels vermögen die Vertf. nicht vorzuschlagen.

*'j Die übrigen auf Taf. IX abgebildeten Stempel der alten Schicht stehen auf:

dem Boden dekorierter tiefer SchalenJ^D ragendorff 29 ) IX, 23, 24, 25, 31 ;

Tellerbüdensplitter: IX, 27 (wohl mu[nuj);

Tässchenboden, mit flachem Fuss, VIII, 42, IX, 45 und 49. Die Töpfermarke Taf. IX, 17 findet sich auf dem flachen Boden eines sehr feinen Tässchens (unbestimmter Form) aus zartem hellgelbem Thun; der früher wohl vorhandene Farb-Ioder Glasur- )überzug ist gänzlich verschwunden.

*'*) In den Per. Blättern 1857, No. 3 S. 45 werden unter den Erwerbungen des Wiesb. Museum« erwähnt: „Bruchstücke einer elegant mit Laubgewinden verzierten hohen Schale von roter Erde mit dem Töpfernamen SILVANVS f,'«'*'- ^e'"' Kunalbau in der Kleinen Schwalliacherstrasse." Im Museum sind dieselben jetzt nicht mehr vorhanden; nach der Be- schreibung kaim es aber keinem Zweifel unterliegen, dass es sich um ein (iefäss der Form Dragendorff 29 han<lelt, wie sie nachweislich in der (wohl bei Arles Itelegeneiiy I Fabrik des Silvanus hergestellt worden sind (Dragendorff, Bonner Jahrbücher 96, S. 146 Form 29). Dass dl«! Bnichstücko aus der .Moor- und l'fahlrostschi.-ht stammten, wird durch die laut hand- schriftlicher Notiz gleichzeitig gefundene „vergoldete" Fibula ( s. oben II, 4j zweifellos.

151

Wie viel Beruh ninirspunkte die in dieser Stempelliste vertretene Sigillatawnre mit der- jenij^en frühzeitii,'er liiiksrhinuischer Kulturscliifhten, wie wonig al)er mit der im rechtsrheini- schen Provinzialland durcligängig verljreiteten bietet, lehrt eine Vergleiehung mit den auf dem Terrain der Sels'schen Ziegelei bei Neuss gefundenen Fabrikstempeln, welche nach Koenen (Bonner Jahrb. 101, S. 4 tt. ) einer Kulturschicht aus der letzten Zeit des Augustus angehören, einerseits, und mit den auf der im letzten Drittel des 1. Jahrhunderts besetzten Saalburg zu Tage gekommenen Stempeln andererseits.

Von den etwa 33 verschiedenen Fabriken, welche in der Wiesbadener alten Schicht mit 63 Stempeln (von den unsicheren wird dabei abgesehen), vertreten sind, kehren 22, also mehr als die Hälfte bei Xeuss''^ wieder; es sind; Albus, Aquitanus, Ardacus, Ateius (in Wiesbaden 5 mal, in Neuss über 100 mal), Bassus, Bilicatus, Carus, Crestus (bezw. Crestio), üermanus, Labio, Masculus, Modestus, Mom(o) ("fl, Primus, Regenus, Rus..., Sootius, Secundus, Senici(o), C. Sentius (in Wiesbaden 1 mal, in Neuss etwa 15 mal), Silvanus, Vapusu, sowie der keinen Namen enthaltende Stempel Salve.^") Unter den Saalburgstempeln, welche nach Jacob i's (Saalburg S. .371 ) Zusammenstellung 231 Fabriken in etwa 538 Stempeln aufweisen, sind dagegen nicht mehr als zwei, welche sich in d<^r älte- ren Wiesbadener Schicht wiederfinden: Bassus (Jacobi, S. 317, No. 14) und Masculus (eben- da S. 323, No. 97, dazu S. 571), von denen der erstere ja auch in der jüngeren Wiesbadener Schicht vertreten ist.

Ein ganz anderes Bild zeigt unsere Stempelliste b.

Stempelliste b.

j2

Abbild.

auf

Töpfername

Gefässform

Bemerkungen.

Tafel

68 YIII, 2

Ama[bili8?]

Tellerbodenstück,flach von spätem Typus.

69 VIII, 15

Atti[a]nu8 oder

Flacher Teilerboden

Der Stempel ist viermal kreuzweise über-

Atti[lia]nus

mit schwerem dickem Fuss.

einander eingedrückt; von zwei Ein- drücken ist der Anfang, von zweien das Ende erhalten; da die Länge des Stempels sich daraus nicht entnehmen lässt, sind die zwei angegebenen Er- gänzungen gleichberechtigt.

*'■') Ausser den schon in der Liste öfter citierten, in Bonner Jahrbücher 101, S. 13 21 verötfentlichten, sind hier auch die von Oxe bekannt gemachten, seit der ersten Publikation zu Tage gekommenen über 300 Stempel (Bonner Jahrbücher 102, S. 150 157) berücksichtigt.

^"j Dass diese Übereinstimmung sich vorwiegend auf die in Südgallien fabrizierte Sigillata beschränkt, sowie dass in Neuss überhaupt die Arretina und sonstige aus Italien eingeführte Ware im Verhältnis zur südgallischen und zu dem Befunde in Wiesbaden so ungemein stark hervortreten, dürfte an sich noch keinen wesentlichen Zeitunterschied bedingen. Denn auch in den augusteischer Zeit angehörigeu Andernacher Gräbern ist die echt italische Sigillata in viel geringerer Menge vertreten als in Neuss. Diese Thatsache wird, wenigstens teilweise, ihre Erklärung darin finden, dass wir in den Neusser Funden in ganz überwiegendem Masse den Nachlass von Legionaren, unter denen sich damals wohl kaum ein oder der andere Soldat nicht italischer Herkunft befand, vor uns haben, während in Wiesbaden sowohl wie in Andernach neben der Civilbevölkerung, die sich aus Einheimischen und wohl meist aus Süd- und Mittel- gallien stammenden Händlern zusammensetzte, Soldaten der gallisch-germanischen Auxilien der Rheinarmee ihre Spuren uns hinterlassen haben werden. Ein gewisse Analogie dazu bietet ja auch das vollständige Fehlen von SigilUitagefässen in den doch zweifellos der ersten Zeit der Röraerherrschaft aniRhein angehörigen Gräbern von Mühlbach am Glan ( Westd. Zeitschr. IV, S. 296 1, in denen wahrscheinlich eine noch ganz unvermischte einheimische Bevölkerung beigesetzt ist.

152

Abbild.

auf Tafel

Töpfername

Gefässform

Bemerkungen.

70' VIII, 16 ! Avitu(s) fe(cit) 71, VIII, IS of(ficina) Ba8(s)i VIII, 27 I Bet...?

73 VIII, 29

74

VIII, 30

BissuLnua]

Boudus f(ecit)

75 VIII, 31 of(ficina) C

76, VIII, :J2 of(ficiiia) Calvi

78

VIII, 33

vni,34

79 VIII, 30

80

81

82

83

of(ficina) Calvi aus anderer Matrize

Cara[tilli ?] Cennatus

VIII, 36 of(ficina) Centi

VIII, 37 VIII, 38

VIII, 43

Colon . . ? [C]08i Ru[fi]

Cupitu3

Später Tellerbüden von

gutem Material. Tasse, Drag. 27, von

ziemlicher Grösse. Tellerbüden ; auf der

Unterseite ein Kreuz

eingeritzt.

Tässchenboden, wohl Drag. 27.

Dicker Teller (Drag 31) mit spitzem Boden; hoch 0,042 ra, Durcbm. 0,183 m (Inv. 14651, 128J.

Tellerbodenstück.spitz.

Tellerboden von sehr guter Sigillata, in der Mitte spitz.

Ebenso wie 76, nur sehr wenig spitz.

Tellerbodenstück.

Flacher Tellerboden- splitter, selir gute Sigillata.

84i VIII. 44 i Cupitus, wie es scheint aus anderer Matrize 85 VIII, 45 Da..

86' VIII, 46 Dagomaius

87 VIII, 47 I Dubitatus

Schwerer Tellerboden mit gestrifdieltera Kranze auf der Über- seite; 6 mm hoch.

Tellerbodensplitter.

Tellerboden, stark glänzend.

Grosse Tasse der Form Drag. 27. ' Grosse Tasse, wie 83.

Tassenboden (?), sehr

srute Siirillata. Tellerbodensplitter.

Tassenbüden, wahr- s<;heinlich der Form KiKMicn XVI, 30 Oller 30 a.

Häufig im Limesgebiet, siehe Drag., B. Jahrb. 99 S. 63, 30.

Vergl. oben >'o. 15 23 und die Be- merkung dazu.

Der Stempel findet sich noch in Sulz (ORL. Sulz, S. 9, 1), Heddernheim, Mainz, Vechten, Xanten und in Frank- reich.

Derselbe Stempel von der Saalburg fünf- mal, Jacobi S. 318 Xo. 20 und S. 570 Xo. 3; aus Bonn viermal, B. Jahrb. 89 S. 6 No. 43.

Scheint im Limesgebiete auch nur an den am frühsten besetzten Plätzen gefunden zu werden (Heddernheim, Friedberg, Rottweilj, vergl. Drag., B. Jahrb. 99, S. 67, 55; in Xarbonensis sehr häufig, C. XII 5686, 159/160; siehe den Nach- trag S. 157 Xo. 3 u. 4.

Der vordere Teil des durchgebrochenen Stempels, die Buchstaben C und E zur Hälfte enthaltend, ist durch ein Ver- sehen nicht abgebildet worden. Der Xame scheint im Limesgebiet zu fehlen, begegnet nur linksrheinisch und in Frankreich. Vergl. C. XII 5686, 221.

Vergl. Schuerm. 1262, 1263 aus Vechten.

Vern-1. C. VII 1336, 337 aus Eburacum.

Sehr häufiger Stempel in Gallien und Germanien; auch in Wiesbaden schon früher gefunden (Inv. 13423).

Sehr häutiger Stempel, z. B. Jacobi, Saalburg S. 319 Xo. 49, B. Jahrb. 89, S. 12, Xo. 104 etc.-, auch in Wiesbaden

I (Inv. 134-24J.

I Stammt vielleicht aus der alten Schicht.

Der gleiche Stempel aus Friedberg und

Heddernheim. Sehr häufig im Limesgebiet.

153

Abbild.

auf

Tafel

Töpfername

Gefässform

Bemerkungen.

88 VIII, 48

89 90 91

92

93

Feli(cerL)te

VIII, 40| (o)f(ficinaiFla(vii) 50 j Ger(mani) 5l'j

VIII, 111 i o(fficiiia) Fron- (tini?)

Grosse Tasse D r ag.27.

VIII, 56

94

95 96

97

98

99 100

VIII, 57

Joenalis

[o]f(ficina) Jucun- (di)

VIII, 58 Julius fecit

VIII, 59 Jul(ii) Pr(i)mi

VIII, 60) j oflf(icina) Jul(ii) VIII, 61 J Resp(ecti ?) Med-

(iomatrici??) VIII, 62 Sebr unsicherer Le- suni;, vielleirht(o)f- ,(ficinaiJul(ii)Rufi':' VIII, 64 Leni[scus]

Tassen <ler Form Dras. 27.

Tellerboden der Über- •'■au' -'S form von D ra:'. 18 zu 31; von guter Sigillata.

Teller mit spitzem Boden, von schon etwas weit vorge- schrittenem Typus D ragend. 18 (Inv. 14637).

Tellerbodensplitter.

Am Rhein scheint der Stempel noch nicht vorzukommen, ül)erhaupt in dieser Form neu zu sein. Er ist ebenso, wie der oben Xo. 50 beschriebene, als Begrüssungs- formel zu verstehen (s. Oxe, B. Jahrb. 102, S. 149) und wohl obont'alls früh- zeitig, kann daher auch aus der alten Schicht stammen.

Mit dem Tüpfer Germanus oben No. 32 ist dieser schwerlich identisch: die Farbe der Sigillata ist von der jenes Kumpens eine sehr verschiedene.

Da tler dritte Buchstabe d^s Stempels sicher ein R ist und die Abkürzung O ^ officina gerade bei den Stempeln des Frontimis sehr häufig begegnet (^[itteilung Bohn's), so ist die vorge- schlagene Lesung die wahrscheinlichste.

101 VIII, 65

102; VIII, 66

I 103 VIII, 67

Lentuli

Loc[co f(ecit)]?

[L]ogirnus

Schwerer Tellerboden, etwa der Form K o e - nen XVI, 28.

Tellerboden, sehr wenig i spitz, aus mattroter i dunkler Sigillata.

Tellerböden(Drag.31). Tässchenboden.

Grosse Tasse fDrag.

27),gelbi-ote schlechte

Sigillata. Tässchenboden.

Tellerbüdensplitter von guter Sigillata.

Tellerbodensiilittervon .--tark spiegelnder Si- gillata.

Vergl. Drag., B. Jahrb. 99 S. 95 f. Der Stempel OF IVCW steht auch auf einem Teller der Form Drag. 3, der wahrscheinlich auch aus Wiesbaden

Wiesb. Mus. Inv. ^i^y

Begegnet in Rottweil und Miltenberg.

Derselbe Stempel aus Friedberg (Mit- teilung Bohn's).

Der Stempel fehlt bei Schuorm. und Drag.

Derselbe Stempel schon zweimal in "Wies- baden gefunden.

Derselbe Stempel von der Saalburg, J a c o b i S. 321 Xo. 79; sowie öfter aus Wies- baden.

Vergl. Sehne rm. 3009; doch wäre auch eine andere Ergänzung nicht ausge- schlossen, vergl. ilen folgenden Stempel.

Die Scherbe kann aus der alten Schicht stammen. Derselbe Xame auf Stempeln aus Mainz (Westd.Korr.-Bl. 1897, Sp.41) und häutig linksrhein., Schuerm. 3012.

154

o S5

Abbild.

auf Tafel

Töpfername

Gefässfopm

Bemerkungen.

104 VIII, 68

105i VIII, 69

I 1061 VIII, 70

i 107; VIII, 71

lOS; VIII, 72

109 VIII, 73 llOl VIII, 74

lll' VIII, 77

I

112' VIII, 78

113

114 115

VIII, 79

VIII, 80 VIII, 85

116 VIII, 86

117

VIII, 87

119

IIH VIII, 38 VIII, 92 120 VIII, 90 121, VIII, 91

122

Lucius

Macio f(ecit)

Mar . . .

[M]art . . . [M]artial(is) fe(cit)

Martin(us) f(ecit)

in Spiegelschrift

Martinu[3]

Meddic(u8) f(ecit)

Mediu8 f(ecit)

Memori8m(anu)

Mic[cio]

Montanus

Nasso f(ecit)

Täbnfhenboden mit fla- chem Fuss von stark spiegelnderSigillata.

Grosser Tellerboden (Drag. 32).

Tiissoheuboden, durch Brand geschwärzt.

Tellerbodenstück.

Tellerboden (Drag. 31 ? ) mit doppeltem gestricheltem Bande.

Teller, etwa Drag. 32.

Tellerboden.

Schwerer Tellerboden

Tellerboden, leicht spitz; der Stempel von einem Kreis um- geben.

Tassenboden.

VIII, 93

of(ficina) Ni[ . . ?] Pall(ioP)

of(ficina) Pas- 3e(ni)?

Pastor

Schwerer Tellerboden, spitz.

Plumper Teller (Drag. 31 l.inderMitte spitz.

Plumper Teller (Drag. 31) Durchm. 30 cm, Rühe 6,3 cm, mit ge- riefeltem Kranz um den Stempel, in der Mitte spitzer Boden (Inv. 14651, 126).

Tellerbodensplitter, von sehr feiner Sigilluta

Sehr spitzer Teller- boden.

Tellerboden.

Schwerer Tellerboden, flach, später Tyjjus.

Der Töpfername öfter im Limesgebiet, vergl. Drag., B. Jahrb. 99 S. 100, Jacobi, Saalburg S. 321 No. 84.

Drag., B. Jahrb. 99 S. 101, 212.

Der Stempel erweckt fast den Eindnick, als sei er mit Metallmatrize eingepresst.

Sehr häufig auf der Saalburg ( 9 mal bei Jacobi, S. 322 Xo. 92) auch in AVies- baden schon gefunden, vergl. auch Drag, a. a. 0., S. 106, 224.

Der Typus Xo. 109 schon früher in Wies- baden gefunden; ferner in Krotzenburg, Marköbel, Heddernheim. Auch der zweite Typus im Limesgebiet häufig.

Häufig im Limesgebiet, vergl. Drag, a. a. 0. S. 109.

In Köln und Xymegen nach Schuerm. 3488.

Derselbe Stempel aus Mainz, Westd.

Korr.-BLl896,Sp.205(vergl. Schuerm.

3315 f.). Häufig im Limesgebiet.

Vergl. Drag., B. Jahrb. 99 S, 114.

Die zahlreichen im Limesgebiet begegnen- den Stempel dieser Firma zusammen- gestellt von Drag. a. a. ü. S. 116.

violleicht [Pajt- r(i)ci?

123 VIII, 94

Boden eines feinen Tässchens mit fla- chem Fuss. of(ficina)Patr(i)c(i)' Tellerbodensplitter ,

.spitz. of(ficina)Pa[t]rici Tollerhodensplitter, I spitz.

Pallio einmal in Clermont (Mitteilung Bohn's), Pallinus in Heddernheim (B. Jahrb. 99, S. 118).

D'e Lesung ist unsicher; da im Namen des Passenus die SS oft sehr flach sind, wäre d. vorgeschlagene Deutung möglich.

Der Xame noch in Strassburg, sowie Voor- huerm. 41381, PASTOR CE

burjj

öfter.

Die Reste des Stempels können nur zu Patrici oder zu [Pa]tercl(i) gehören; das erstere wahrscheinlicher.

Über die Verbreitung des Stempels vergl. B. Jahrb. 99, S. 121-123; auf der Saalburg, Jacobi, S. 324, >'o. 117.

155

o

Abbild.

auf

Tutel

Töpfername

Gefässform

Bemerkungen.

124| VIII, 95

125 VIII, 97

126 I VIII, 99

127|l

1281 VIII, 100

129 VIII, 101

IW, VIII, 104 131' VIII, 106

132

133

134

VIII, 107

VIII, 108

VIII, 113

135 VIII, 114 136| VIII, 115

137 VIII, 117

138 VIII, 119

139 140 141

VIII, 124 VIII, 128 VIII, 127

142 VIII, 129

143 VIII, 121

144| IX, 1

Pau[llu8] oder

Pau[llinu8]

[P]aullus

Petrullus f(ecit) X

Pe[tr]ullusf(ecit)X PIaci[dus]

of(ficina) Pr[imi ?] Primus fe(cit)

Primus f(ecit)

Reg....

. . Rufi . . (?)

Rufini m(anu) Sabellus

Saturio

Secco

Sedatus mit liegen- dem CO of(ficina) Silvini

Solli man(u)

Ta[rjtus?

Tässchen (Drag. 27),

spät. Tässchenboden(Drag.

27j.

Flacher Tassenboden, wohl Drag. 33.

Spitzer Tellerboden.

Sehr spitzer Teller- boden.

Tassenboden (Drag. 27). schlechter Qua- lität.

Tässchenbodensplitter.

Flacher Tellerboden mit schwerem Ring- fuss, gute Sigillata.

Leicht spitzer Teller- boden, der Stempel von einem Ring um- geben.

Tellerboden(Drag.32).

Flacher Tässchen-

boden. Tellcrboden. Flacher Tellerboden,

spät. Schwere rTeller(D rag.

32) Tässchenboden, sehr

schlecht. Tellerboden in der

Glitte kegelförmig. Tassenboden.

Tellerbodensplitter.

Versrl. oben Xo. 41.

B. Jahrb. 99 S. 125 f.; Jacobi, Saal- burg S. 325 No. 123.

Sehr häutiger Stempel, auch im Limes- gebiete (vergl. Jacobi, S. 325 No. 124).

Siehe oben Xo. 45 u. 46; 131 und 132 stammen jedenfalls aus einer anderen Fabrik als jene.

SchwererTeller(D rag. 31).

L(ucii) Ter(entii) Grosser Teller (Inv. oder Ter(tii) Se- i 14651, 127), Durch-

cun(di)

Tertulli

messer 33 cm, Höhe 4,5 cm, D rag. 31: um denStempel einRing; sowie ein weiterer feingeriefelterKranz von 9 cm Durchm. Tassenbüden (Drag. 27), spät.

Wohl Reg[inus], vergl. Drag., B. Jahrb. 99 S. 132; Jacobi, S. 325 Xo. 134, 135 (11 mal).

Vergl. B. Jahrb. 99 S. 133/34. Jacobi, S. 326 Xo. 136 (3 mall.

Schon öfter in Wiesbaden gefunden; auch in Heddernheim und auf der Saalburg.

Sehr häufig im Limesgebiet ( vergl. B. Jahrb. 99 S. 149).

Der erste Buchstabe scheint S ^^ sein, sonst würde eher an Lolli mamu) zu denken sein. Aber der Xame Sollus erscheintauch C. VII 1336, 1085, 1086; Schuerm. 5285 5290.

TARTVS F begegnet in Asberg (Mit- teilung Bohn's); sowie in Butzbach, T-/* RTV, ORL. Butzbach, S 21 Xü.26.

Vergl. Schuerm. 5023.

Der Stempel begegnet auch auf der Saal- burg, Jacobi, S. 329 Xo. 192; sowie in Xeuenheim-Heidelberg.

156

d

Abbild.

1

S

auf

Töpfername

Gefässform

Bemerkungen.

^

■^

Ta

fcl

145

IX,

2

Tocca f(ecit) X

Sehr spitzer Teller- bodensplitter.

Mit dem X f*™ Ende findet sich der Stempel noch in Friedberg; sonst sehr häutig im Limesgebiete, Drag,, B. Jahrb. 99 S. 153, Jacobi, Saalburg, S. 327 No. 151.

146

IX,

3

Tri[t]u[8l fe(cit)

Spitzer Tellerbodeu,

Drag. a. a. 0. S. 153, Jacobi a. a. 0.

sehr schlecht.

S. 327 No. 155.

147

LX,

6

V[e]recundu[3]

Tässchenboden, spät.

In Varianten fünfmal auf der Saalburg, Jacobi, S. 327 Xu. 157; B. Jahrb. 99 S. 154.

148

IX,

7

Victo[rinu8 f(ecit)]

Schwerer Tellerboden, spät.

Schon früher in Wiesbaden gefuntlen; zahlreich in den Limescastellen, z. B.

149

IX,

8

Victori[nus f(ecit)]

Tellerbodensplitter, Hach.

Butzbach, Marköbel, Rückingen, Kessel- stadt , Osterburken , sowie auf der

150

IX,

9

Victorinus f(ecit)

Didier Tellerboden.

Saalburg.

151

IX,

10

[V]impu8f(ecit)77r-

Spitzer Tellerboden (Drag. 31), aussen ein Grat'tito.

11 mal auf der Saalburg, Jacobi, S. 327 Xo. 162, wo er zu den älteren Stempeln gerechnet wird ( a. a. 0. S. 315); auch früher schon in Wiesbaden vertreten, sowie in Heddernheim, Friedberg, Oster- burken.

152

IX, 14^>)

[V]ital(i8)

Tellerbüden, Über-

Vergl. oben zu Xo. 59—63.

gan^sform von D rag.

18 zu 31 ; sicher in

der oberen Schicht

gefunden.

153

155

1.56

1571

Auf der IX, 59

154, IX, 60

IX, 57 IX, 58

Aussenseite von reliefverzierten tiefen Schalen finden sich noch folgende Stempel:

m(aiiu?) Cre8tio(iii8?) in erhabenen Buchstaben ohne Einrahmung, Scherbe eines Kumpens der Form Koenen XIII, 7 oder 8, deren Dekoration aber schon an die der späteren Kumpen erinnert.

Paulli in erhabenen Buchstaben; da die Scherbe (abgebildet Taf. VI, 13), herrührend von einem steihvandigen Xaj)f der Form Koenen XIII, 10 von sehr glänzen- der Sigillata, unmittelbar im letzten Buchstaben gebrochen ist, kann der Tüpfer- narae sowohl als Oenitiv von Paullus, wie als Anfang von Paullinus gedeutet werden.

Comitial(i8) f(e)c(it) in Spiegelschrift, vertiefte Buchstaben auf erhabenem recht- eckigem Schildchen, angebracht an einem Kumpen der Form Drag. 37 = Koenen XVI, 22.

Comitialis f(e)c(it), zwei ganz gleiche E.xemplare, in Spiegelschrift wie bei Xo. 155 angebracht.

*' I Die übrigen auf Taf. IX abgebildeten, verstümmelten und nicht entzifferten Stempel aus der oberen Schicht stehen auf:

Tnssenböden der Form Dragendorff 27: IX, 22, 33—38, 47, 51.

FiachiMi Tassenbüden vielleicht der Form Drag. 38: IX, 40.

TcUerbödeii: IX, 18 (Drag. lf<), 19 (spätj, 21 (spät), 29, 30, 39 (Drag. 31), 41, 42 fDrag. 32) viellei<-ht [Sajtto fe(cit), 43 (sehr spitz), 46, 48, 50, .■)2. Die Töpfermarken Taf. IX, 16 und 6.3 finden sich auf grossen Tellerböden der l'urni Dragen- dorff 32.

157

Xa<'htrag. Im April und Mai 1898 kamen beim Ausschat-hton der Baustelle Hocli- stjltte 20 ausser anderen Scherben folgende gestempelte Sigillatabruchstücke zum Vorschein:

^'1 ARDACI niif Tässfhenbüdon, zweimal, wie es scheint aus einer und derselben Matrize (s. oben No. 8 und 9).

1 OF CALVI ftuf Tellerböden, von sehr glänzender Sigillata, ebenfalls wohl aus einer Matrize (s. oben No. 76 und 77). 5. OF CRES, Tellerbudensplitter. 6- OF-CREv?. auf einem fast ganz erhaltenen Gefäss der Form Dragen<lorff 8,

von spiegelnder Sigillata (s. oben No. 26 28). 7. INACCA (vielleicht Mac[cari|':'j auf Tellerboden. ^- )VlTiMIR*^l '" vertieften Buchstaben auf erhabenem Schildchen auf der Aussen-

seite eines verzierten Kumpensplitters. = Primitivo[s f(ecit)]. 9- -CVNDVS ^ wohlsicher[SIecundus, auf Tellerbudensplitter (s. oben Xo. 52— 54). 10. TERTIV2 Tellerboden.

11- ....FEC t "luf sehr glänzendem Tellerboden mit fein gestricheltem Rande um den Stempel.

Ausserdem noch mehrere nicht lesbare Stempel.

Davon stammen 1 bis 6 und 11 sicher aus der Schlammschicht, die auch hier, wenn auch in geringer Mächtigkeit, vorhanden war, bei den übrigen 7 bis 10 ist die Tiefe, in welcher sie sich fanden, nicht bekannt.

Einritzungen.

Von Einritzungen auf Scherben von Sigill atagefässen, welche, namentlich soweit dabei Teller in Betracht kommen, die schon von Wolff gemachte Beobachtung, dass derartige Sgraffiti bei der Ware der Liraeskastelle meist auf der Aussenseite des Bauches, bei älteren Stücken aber auf dem Boden zwischen dem Standrinsr an^rebracht seien, jrrossenteils bestätigen. mögen erwähnt sein :

1. Tat'. X, 13: Auf dem Boden eines feinen Tellers arretinischer Technik, At . . . .

2. Fast dieselbe Einritzung auf dem Bauch des Tässchens, welches den Stempel Xo. 36 trägt; doch ist das Sgraffito hier vollständig und kann auch mit Ligatur Ant . . . gelesen werden.

3. Auf dem Boden des grossen, Taf. VI, 14 (s. Anmerkung 41 ) abgebildeten Xapfes das durch verschiedene Bruchstellen etwas beschädigte Sgraffito ATiVG-

4. Taf. X, 14: Auf der Aussenseite eines Tellerstückes (Drag. 32J Cai . . (?)

5. Taf. X, 15: Auf dem späten Tässchen von schlechter Sigillata, dessen Stempel Taf. IX, 18 abgebildet ist. Fr

6. Taf. X, 3 : Tief eingeschnittener einzelner Buchstabe G iiut" dem Boden des Tellers ■mit dem Stempel des Jul. Resp. . . ., oben Xo. 98; derartige einzelne Buch- staben, dann meist tief eingeritzt, begegnen öfter, s. Jacob i, Saalburg, S. 338 X'o. 59; ebenso unsere Taf. X. 20, V «^uf Tässclien.

7. Tat. X, 7 : Auf dem Boden eines sehr feinen Tellers, zw ischen dem schmalen Standring: Marci.

8. Taf. X, 6 : Auf dem Boden des Tellers mit dem Stempel des Yitalis, oben Xo. 61, MC (es fehlt nichts).

9. Taf. X, 5: Auf dem Boden des Tellers mit dem Stempel des Joenalis, oben X'o. 93, C S A (') vielleicht die Anfangsbuchstaben der drei Xamen seines Besitzers.

10. Taf. X, 2: Auf dem Bauch des Tässchens mit dem Stempel Xo. 26 Pe . . . (i' I ; auf dem Boden desselben das Gekritzel Taf, X, 2 a.

11. Taf. X, 23: Auf dem Buden des Tellers mit dem Stempel des Vimpus, oben Xo. 151, N (oder ligiert Au.?).

12. Taf. X, 9 ist verkehrtsteheud abgebildet: Auf einem späten Tellerbodenstück, wie es scheint, Matti .... zu lesen (vorn und hinten gebrochen).

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13. Taf. X, 11: Auf dorn äusseren Iioden eines sehr feineu Tellers (alte Schicht) vielleicht Ligiuur von A ^^^^ V, Aue oder Aug, falls nicht die Zahl XX zu erkennen ist.

14. Taf. X, 12: Auf Tellerbodenstüek, vorn und hinten gebrochen, ...ixt... ('t)

15. Taf. X, 16: Tässchen der Form Dras^. 25 mit aufgesetzter Volute . . as . . .

16. Taf. X, 8: Vorn und hinten gebrochenes Tellerbodenstück . . . ol . . .

Die weiteren Kinritzungen Taf. X, 4, 10, 18, 19, 20, 21, 22, 26 stehen auf Tässchen- und Tellerstücken aus Sigillata.

2. Die graue, blaue und schwarze bezAv. hellrote Ware, deren von Dragendorff vor- geschlagene Bezeichnung als .,belgische'' auch hier angewendet wird, sollte, von einigen weniL'pn. noch dazu nicht sehr charakteristischen Stücken abj^esehen, in "Wiesbaden bisher noch i-ar nicht «'efunden worden sein, ist aber jetzt an fast allen Punkten des hier in Betracht kommenden Stadtgebietes, wenn auch nur in Scherben, aber geradezu massenhaft zu Tage ge- kommen. Im Hinblick auf die Menge und die grosse Mannigfaltigkeit derartiger (iefässreste in Grösse und Form gewinnt man fast den P'indruck, als ob in einer gewissen Zeit nahezu das sämtliche dem täglichen Gebrauch dienende Thongeschirr, mit Ausnahme natürlich der Sigillataware und einiger anderer tiefässgattungen, aus Gefässen belgischer Technik bestanden habe. Zur Zeit, als die jüngere Ansiedelung entstand, muss dieses Verhältnis schon ein ganz anderes gewesen sein; es fanden sich zwar auch in der oberen Schicht noch Scherben belgischer "NVare, aber doch verhältnismässig sehr wenig.

Ganz auf die alte Schicht beschränkt waren die schwarzen und hellroten Teller und Essnapfe, die auch darum ein besonderes Interesse beanspruchen, weil sie auf rechtsrheinischem Gebiete sonst sehr selten sind, und schon in der Zeit nach Xero kaum noch in allgemeinem Gebrauch gewesen sein können. Es fanden sich Stücke von protilierten Tellein wie Koenen IX, 19, zum Teil mit dem den "Winkel zwischen Boden und "Wandung ausfüllenden Viertelrund- stab der italischen Sigillatateller, Koenen XIII, 1 und 2 (sowohl hell- und rosenrot, wie schwarz), merkwürdigerweise auch den Sigillatatellern der Form Dragendorff, Fig. 16 ent- sprechende schwarze Tellerstücke, die ein Gegenstück bieten zu den oben (S. 142) erwähnten, in belgischen Formen ausgeführten Tellern aus Sigillata.^^j Ganz besonders häufig sind die flachen Xäpfe mit schlichter, leicht nach einwärts gebogener Wand (wie Koenen IX, 2.3 und 24), sowie ziemlich hochwandige Xäpfe (die Höhe, ohne Fuss, schwankt zwischen 6 und 7 cmj, deren Rand auf der Aussenseite wulstig verdickt ist (ein Beispiel abgebildet Taf. VII, 23). Auch die tiefen Xäpfe mit kegelförmig nach innen getriebener Bodenmitte (Koenen IX, 20) sind, z. T. in einer an die vorrömische Technik stark erinnernden Ausführung, auf der Innen- seite aber spiegelglatt poliert, mehrfach vertreten; einige Randstücke gehören vielleicht dem Napfe Koenen IX, 25a an. Die Bodenstücke zeigen öfter den fein gestrichelten Ring um die Mitte; in einem Falle ist dieser Ring statt der Schraffierung mit scharf eingedrückten Grüb- elten (ähnlich wie Koenen X i) gefüllt. Von Stempeln finden sich auf derartigen Tellcr- böden, ausser mehreren ganz fragmentarischen, die auf Taf. IX, 54 bis 56 abgebildeten:

Taf. IX, 54, Cicaru(3) steht auf dem Bruchstück eines roten radial gestempelten Tellers mit feiner Striclielung; der Fabrikantenname begegnet z. B. in Trier ( B. Jahrb. 89, S. 10 Xo. 75), sowie in Köln und Andernach (Mitteilung Bohn's). Taf. IX, 55 und 56 finden sich in der Mitte schwarzer Teller, eine Deutung ist nicht gelungen (der letzte ist in der Abbildung vielleicht umgekehrt wiedergegeben). Diese Teller und Xäpfe, stets auf der Innenseite spiegelglatt, haben ausser der tief- schwarzen, dunkel- oder hellgrauen Färbung der Oberfläche sehr häufig ( namentlich die Xäpfe mit dem Protil Taf. VII, 23 und Koenen IX, 22 und 23\ einen silbergrauen, metallisch glänzenden Überzug, der die unmittelbar dem feuchten Boden entnommene Scherbe fast wie

''^) Erwähnt sei noch ein ;,'unz erhaltener, leider nicht gestempelter, f1a<'her, schwarz ge- färbter Tellerboden in der Form iler italischen Sigillatateller bester Zeit: der hohe Ringfuss, auf dfi- Aussenffäche >tark geknickt, läuft unten gunz scliarf zu, die fluche Oberseite des Bodens wird nur durch zwei parallele Ringe vorziert.

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polierten Stahl erscheinpn liisst, und, ohfjloich ebenfalls sohabliar, schwerlich allein durch Dämpfung der Gefiisse in einfachem Rauchqualra erzielt worden sein kann. Nicht selten zeigen unsere Teller, namentlich auf der Innenseite, eine fast reine weisse Farbe; so z. B. ein etwa dem Typus Koenen XIII, 1 angehörendes Stück, welches auf der Aussenseite bis zu «leni wulstigen Rande geschwärzt, innen aber, der natürliclion Farbe des Thones entsprechend, nahezu weiss gelassen ist. Denn der zu diesen Gefässen verwendete Thon ist meist heller, als derjenige der unten zu l)espreehenden Urnen und hohen Töpfe, mehr bläulich weiss als blaugrau, und namentlich bei den etwas dickwandigeren in der Art, wie er bricht, fast schieferartig. F,s wird dies besonders hervorgehoben, weil die in den Trierer Töpfereien '^e- fundenen schwarzen und grauen Teller, die ül)rigens auch den metallartigen (Uanz vieler Wiesbadener Stücke vermissen lassen, fast siinitlich, soweit sie im Trierer Museum zu untersuchen Gelegenheit war, im Bruche einen mehr oder weniger roten oder rotbraunen Thon zeio'en. Die überwiegende Mehrzahl der Wiesbadener Fundstücke stammt also schwerlich aus den Trierer Töpfereien; nur einige wenijfe fein hellgraue Bruchstücke besitzen dieselbe rote Färbung des Thones, und diese sind allerdings den Trierer Exemplaren auch im übrigen ausser- ordentlich ähnlich.

Technisch nicht ohne Interesse ist vielleicht ein kleines Bruchstück, das von einem flachen Tellerboden herzurühren scheint, und mit einem zart rosafarbenen, auf der einen (der Innen-) Seite spiegelglatten Überzug versehen, im Thonkern aber hellgrau gefärbt ist.

Fig. 24.

Die ungemein zahlreichen Scherben von Urnen und hohen Töpfen, sowie den gleich- artigen Bechern (Koenen Taf. IX, 10— 18a, X, 1—23) lassen sich im einzelnen den bestimm- ten Gefässformen natürlich meist nicht mit Sicherheit zuweisen; doch zeigen sie alle für die betreffenden (Jefässgattungen kennzeichnenden Merkmale in Thon und Färbung, Verzicrungs- weise und Randprotilen. Der Thon «lieser Scherben, welche meist, namentlich soweit sie zu grösseren Gelassen gehören, auf der Innenseite zahlreiche breite Gurtfurchen, die bis-

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weilen Nvulstiof naeh au-^sen liorausgeilrüokt sind (z. B. unter den abgebildeten Bruchstücken Tat". VII, 25 u. 291, aufweisen, liat meist eine mehr oder weniger helle, blaugraue Farbe und ist gewühnlirh sehr fein und dicht im üet'iige, nur selten durch Zusatz von feinem Quarzsand etwas rauher und poröser gemacht; häufig sind auch Bruchstücke aus rötlichem Thon, deren Aussenseite hell- oder gelbbraun gefärbt erscheint ( z. B. Tat". VII, 17 und Fig. 24, Xo. 21, 22); in der Technik nahe verwandt sind auch im Bruch und auf der spiegelglatten Aussenseite tiefrote, sowie aus feinem lichtrotem Thone gebrannte, auf der Aussenseite schön chokolade- braun überflirbte Oefässscherben (z. B. Taf. VII, 2 u. *>). Zum Teil erscheint die Aussenseite in der natürliciien Farbe des Thones, freilich stets wie poliert und häufig metallisch glänzend, zum Teil ist sie tief schwarz, glänzend schwarz oder blauschwarz, bei den rotthonigen, wie eben bemerkt, braun überzogen. Dass dieser L'berzug wenigstens teilweise durch Auftragen einer tliissigen Farbmasse erzeugt ist, lässt sich aus den Fällen entnehmen, in welchen diese Farbe an einzelnen .Stellen über (Jefässteile, die ungefärbt bleiben sollten, übergelaufen ist. Denn nicht selten ist der untere Teil eines Gefässes auf der .Vussenseite, der natürlichen Farbe des Thones entsprechend, blaugrau, der obere tief schwarz gefärbt, wobei beide häufig noch durch einen breiten, si'hneeweiss gefärbten .Streifen geschieden sind. Die weisse Farbe ist namentlich auch bei den (ietassräudcrn zur Anwen<lung gekommen; so ist das Urnenbruchstück Fig. 24, Xo. 7 aussen blausclnvarz, der Rand und der obere Teil «ler inneren Wand mit weisser Farbe über- zogen. — Von den mannigfaltigen Verzierungsarten, welche sich auf den "Wandungen dieser (iefässe finden, sind einige Proben auf Tut". VII al>gebildet. Besonders zahlreich sind die Scherben mit auf dunklem Hintergrunde mittels Holz- oder Hornstäbchen eingeglätteten Linien, welche balil parallel laufend die Rundung des (lefässbauches meridianartig umspannen (z. B. Taf. VII, lU u. 27, vergl. Koenen X, 211, bald schief- o<ler rechtwinklig sich kreuzend eine Art fiitterwerk darstellen (Taf. VII, 11, vergl. Koenen X, 2). Besonders sauber und exakt sind derartige eingeglättete Linien ausgeführt auf der Innen- und Aussenseite eines feinen schwarzen Deckels, dessen Mitte sie in konzentrischen Kreisen umziehen, sowie auf dem Taf. VII, 7 abgebildeten Bruchstück eines kelchartigen (iefässes (ähnlich wie Koenen XI, 2), hier ebenfalls auf Aussen- und Innenseite. Mit einem Stäbchen aus freier Hand eingetiefte Linien zeigt die Scherbe Taf. VII, 9, während sonst bei dieser Ritztechnik meist ein metallenes, drei-, vier-, sechs- und mehrzinkiges Instrument angewendet zu sein scheint : so bei Taf. VII, 29 auf der Schulter einer schwarzen Flasche, bei VII, 6, l)ei VII, 2 (in feinen Wellenlinien auf dem oberen Teil), bei VII, 12 (schwärzlicher, weniger stark gebrannter Thon, nur aussen glatt und glänzend weiss übertarbtj. Umlaufende Bäniler, mit eingedrückten ürübchen und Punkten gefüllt, zeigt Taf. VII, 16 (silbergraues Bruchstück eines Bechers); ähnlich Taf. VII, 17 (von einem Becher aus feinem rotem Thon, gelbbraun); die ganze Aussenseite ist mit derartigen Grübchen verziert bei Taf. VII, 5, einer Scherbe aus hellgrauem Thon, der aussen schwach g^'lblich ülterzogen, auf der glatten Innenseite mit geraden und wellenförmigen aufgemalten breiten Streifen in brauner Farbe verziert ist. Aufgeklebte Thonkügelchen zeigen die Scherben Taf. VII, 15 u. 24, sowie Fig. 24, Xo. 6, und das bhuie Bruchstück Taf. VII, 26. Auch die übrigen bei Koenen X, a i skizzierten Arten der Verzierung sind sämtlich vertreten, am häufigsten die verschiedenartige Rädchenverzierung (davon Beispiele auf schwarzen oder silber- grauen Scherben Taf. VII, 4, 18, 20, 21, 22, 25), sowie das Schachbrettmustor (so Taf VII, 14 u. 19 in e.xakter, 8 in weniger sauberer .Vusführungj.

Von Randprofilen schwarzer, grauer und gelbbrauner Urnen und Becher sind in Text- figur 24 einige Beispiele zusammengestellt. Der Zahl nach überwiegen Bruchstücke mit dem dünnen, mehr oder weniger breiten, steiler oder flacher gestellten Schrägrando (so Xo. 1, 5, 9, 15, 16, 20, 21, 22, letztere bei<len von gelbbraunen Gefässen); der nicht seltene, beinahe horizontal liegende Schrägrand, der meist mit einer wulstigen Kiiiziehung des oberen Teiles der Gefässwand nach innen verbumlen ist (etwa von der ,Vrt wie Koenen X, 23) fand sich öfter .auch in der oberen Schicht (so das unter X"o. 2 abgebildete Bruchstück aus ziegelrot gebranntem Tiinii, aussen schwarzbraun, innen hellgrau gefärbtj. Diese Profilierung könnte für da.s im letzten Drittel des 1. und in der ersten Hälfte des 2. Jahrhunderts bei den einfachen irdenen Kodigescliirron vorherrschende Randi)rofil (Hacher, wagrecht abstehender, häufig nach unten verdickter Rund, meist mit einer oder zwei Rillen) vorldidlich gewesen sein. Sehr häufig

IGl

ho^ejjiieton auch Stücke mit einfachem ijlattem, leiclit nacli iiu<sen um^ebojjenem Runde (so V\^. 24, Xi). 6, 10, 11, 12, 1.1, 18, 19 j; der .MehrziiliI nach werden sie zu Oefässen der bei Koenen IX, 10 18 abi^ebildeten Art gehören; auch von diesen kamen Exemplare noch in der oberen Schicht vor. Ktwas wulstii^er (vielleicht ähnlich wie Koenen IX, I8a) ist Xo. 7 (weiss übermalt, s. oben), stark verdickt Xo. 17 (etwas rauher, porüser Thon, au>-ien «glänzend sdiwarz).

Einer besonderen Gefiissgattung, glänzend schwarzen oder dunkelgrauen flachen Schalen, gehören die Fig. 24, Xo. ;{ und 4 wiedergegebenen Randprofile an. Sie erinnern ungemein an die nur etwas düiinwaiidigereii feinen Sigillatascluilen mit dem Profil Koenen XIV, 9, bei denen sich auch der leichte Absatz am obersten Teil der Innenseite (wie bei X'o. 3) wiederfindet, und scheinen diese schon verhältnismässig früh verdrängt zu haben (vgl. unten S. 165). Sie dürften im Haushalt eine ähnliche Verwendung gehabt haben, wie die sog. Reib- schalen aus gewöhnlichem grobem Thon, deren Profil in der frühesten Form sich noch sehr eng an diese schwarzen, eb(Mifalls (wie auch die entspreclienden Sigillatanäpfe) mit Ausguss versehenen schwarzen Schalen aiiscliliesst. Hierher gehört vielleicht auch das eigentümlich ge- staltete Randprofil Fig. 24, X'^o. 8 aus feinem grauem, schwarz und raattglänzend überzogenem Thon. Die schwarzen Schalen stammen zum grösseren Teile aus der oberen Schicht (von den abgebildeten X'o. 4 und 8 sicher aus der unteren).

Von einzelneu durch ihre Formen bemerkenswerten Gefassresten seien noch erwähnt:

a) Bruchstücke eines feinen kleinen Bechers (Koenen IX, 13) mit nur l'/a mm dicker, tief schwarzer Wandung; bei einem weiteren, wahrscheinlich zu einem zweiten Exemplar gehörigen, etwa 2 mm dicken Bruchstück ist der Thon zu rosa Färbung gebrannt, auf der spiegelglatten Aussenseite halb zartrosa, halb schwarz.

b) Dass das Tat". VII, 7 abgebildete Bruchstück von feinem hellgrauem, dunkelgrau glänzendem Thon zu einem dem bei Koenen XI, 2 skizzierten I gelblichrutenj ganz ähnlichen Kelchgefäss gehören muss, wurde schon oben erwähnt; auch von der breiten Schale Koenen XI, 3 fanden sich in der gelblichroten Farbe und Technik mehrere Bruchstücke.

c) Die Tat". VII, 28 abgebildete, nahezu halbkugelige ziemlich dickwandige Schale aus graublauem Thon ist innen, sowie auf beiden Seiten des etwas verdickten Randes spiegelglatt und tiefschwarz, aussen im oberen Teil schwarz, im unteren grau gelassen; vom Rande ziehen sich senkrechte, mit dunkelgrauem Thonschlamm aufgeträufelte Streifen nach dem Boden. Bruchstücke anilerer gleicher, nur weniger feiner Schalen kamen, z. T. in der oberen Schicht, zum Vorschein. Welcher Gefässform das feine, in der Mitte stark eingeschnürte, rote und braun überfärbte Fragment Tat". VII, 2 angehört, muss unentschieden bleiben; ebenso ob Tat". VII, 1 (roter Thon, gelblich überfärbt) etwa von einem Becher der Form Koenen X, 18 herrührt.

3. Bruchstücke von eigentlich bemalten Gefässen aus feinem Thon wurden im ganzeu nur wenige gefunden, und diese stammen zum weitaus grösseren Teile aus der jüngeren Kultur- schicht. Erwähnt seien hier:

a) Bruchstücke eines feinen Ürnchens aus gelblichem Thon mit abgedrehtem Fuss und schmalem, ziemlich steilem Rand; die Aussenseite ist dunkelrot (vielleicht dazwischen auch schwarz?) gesprenkelt, innen zeigt es die X'aturfarbe des ge- brannten Thones. (ief. bei l in der gelben Schicht.

b) Dicker Schalenboden aus rötlichem Thon, rotgelb überfärbt und innen mit purpur- roten Streifen, von denen auch aussen Spuren vorhanden sind, bemalt.

cj Bruchstück aus feinem orangerotem Tlion (innen mit Drehfurchen), aussen ziegel- rot überfärbt und mit dunklen Streifen bemalt (gelbe Schicht).

d) Zwei flache schmale Randstücke von verschieilenen, aber gleichartigen Gefässen (vielleicht Schalen ähnlieh Koenen XI, 7) von sehr sorgfältig geglättetem röt- lichem Thon, der orange- bezw. dunkelrot überfürbt und au.ssen wie innen mit ilunkleu Streifen verziert ist (gelbe Schicht).

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e) Boden eines Tässchens aus weissgelbera, zartem Thon, auf beiden Seiten zinnober- rot überfärbt (vielleicht Xachahmung von SigillataVj.

f) Stück von der Wand eines Bechers oder Tässchens, aussen <lurch mehrere feine Absätze gegliedert, aus gelblichem Thon, auf beiden Seiten tiefrot gesprenkelt. Nur die beiden letzten Stücke sind sichpr in der Moorschicht gefunden worden.

Die Verwendung von Croldgliramerplättohen (Koenen S. 79) zur Verzierung der Aussenseite vonGefässen fand sich bei ziemlich zahlreichen, aber meist chronologisch indifferenten Scherben, so namentlich auf rötlichgelben Amphnren und feinen gelblichen Urnenbruchstücken; erwähnt sei der Hals (vermutlich von einer P'lasche), abgebildet Fig. "25, No. 5 aus schwarzem, zart hellgrau überzogenem Thon, der auf der Aussenseite mit Goldglimmer bedeckt ist; der breite flache Rand ist oben mit einer muldenförmigen Rinne versehen.

4. Krüge, Amphoren und Dolien. Der Mangel vollständig erhaltener Stücke wird durch die ausserordentlich grosse Zahl der gerade bei dieser Gefässgattung so besonders wichtigen und für die Zeitbestimmung in erster Linie in Betracht kommenden Gefäss- teile, Hals mit Mündung und Henkel, einigermassen ausgeglichen. Von den für die Krüge der alten Si-hicht charakteristischen Typen ist in Fig. 25 eine Auswahl in '/•' 'ler natürlichen Grösse zusammengestellt worden (nur 'So. 5 gehört zu einer Flasche, 13 und 17 zu Urnen). Der stets cylindrisch geformte und vom Bauch scharf abgesetzte Hals verjüngt sich bei einigen Stücken von oben nach unten um ein geringes (so bei Xo. 1, 3, 4); bemerkenswert ist ilas fast kragen- artige Übergreifen des fein profilierten Randes über den oberen Teil des Halses ( so bei No. 3, 4, 8, 11, 14, 18). Die Mündung ist innen oft trichterförmig gestaltet. Die fast stets mit (meist zwei, aber auch drei und vier) Längsrillen versehenen, niemals unmittelbar am Rande ansetzenden Henkel sind ausnahmslos gestreckt, im Querschnitt meist sehr flach und bandartig und erreichen eine Breite bis zu 4 und mehr Centiraeter. Die zu diesen Krügen gehörigen Fü.sse sind stets sauber abgedreht. Der verwendete Thon ist rot, gelblich, graugelb, selbst schwärzlich, niemals weiss*'); überfärbt sind sie meistens gelb oder graugelb. Der auch durch seine weniger glatte Aussenflüche, sowie die etwas geschweifte Form von den übrigen ab- weichende, aber zweifellos sehr frühzeitige Krughals No. 6 ist aus etwas rauhem, schwärzlichem Thon gebrannt und bräunlich gefärbt; ein nicht abgebildeter, der Form Koenen XI, 23a ent- sprechender Hals mit zwei schmalen Henkeln nebst dazu gehörigem flachem Fuss aus dunkel- grauem, fast schwarzem Thon ist dick mit schneeweisser Farbe überzogen. Vor allem zahlreich aber sind Krüge, welche, in der Form den schon den Übergang zur zweiten Periode (Schuhmacher, B. Jahrb. lUO, S. 106 f.) andeutenden Krughälsen No. 7 und 9 entsprechend, aus feinem hellblau- grauem Thone hergestellt sind, ganz ähnlich dem, welcher bei den Vasen belgischer Technik die ausgiebigste Verwendung gefunden hat; ihre Aussenseite, die wie bei allen der älteren Schiclit entstammenden Krügen mit seltenen Ausnahmen äusserst sauber geglättet ist, war nicht überfärbt, sondern in der Naturfarbe <les gebrannten Thones belassen worden; dunklere Flecken, welche sich vielfach auf ihnen flnden und bisweilen fast den Eindruck einer Marmorierung machen, sind wohl nachträglich durch Brand oder die Einflüsse des Bodens, in dem sie gelegen haben, entstanden. Von Krügen dieser Technik und Form fanden sich noch zahlreiche Reste auch in der oberen Sr-hicht. Während wir es bei der Mehrzahl der ältesten fein prortlierten Krüge aus rotem und gelblichem Thon wohl mit (freilich S(.'hwerlich von jenseits der Alpen) eingeführter Ware zu thun haben, dürften die schon etwas jüngeren Krüge aus blaugraueni Thon zwar nicht an Ort und Steile, aber doch wohl an nicht sehr entfernten Plätzen des linken

^•*j Nur Fig. 25 No. 12 ist aus weissem steingutartigem Thon und grau überfärbt; aber die Form des Halses ist auch sonst von denen der alten Henkolkrüge sehr abweichend und er- innert mit dem oben minz flachen Rande, sowie dem unmittelbar an diesem ansetzenden Henkel (dem vielleicht auf der anderen Seite ein zweiter entsprochen hat) sehr an gehenkelte Urnen dieser Zeit; dagegen ist der Absatz zwischen Hals und Bauch ein sehrscharfer. Auch Fig. 25 No. 15 be-iteht aus u'rauwei.sst'm, ähnlichem Thon. Andere im Thon steinguturtige, meist gelb oder grau überfärbte iJauchscherhen können ebenso gut zu Urnen wie zu Krügen gehört haben; da entsprechende Hälse fehlen, ist ersteres das Walirsclieinlichoro.

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Rheinufers hergestellt worden sein; auch der Krug Xo. 6 könnte in diesem Sinne einheimisches Fabrikat sein.

Fig. 25.

Von grossen zweihenkeligen Krügen der alten Schicht ist Fig. 25, No. 2 ein Beispiel"); auch Xt). 15 h;it zu einem dem bei Koenen XI, 23 skizzierten sehr ähnlichen Gefässe ge-

^♦) Dieser Krug, von dem sich noch andere Bruchstücke, auch der breite schön abge- drehte Fuss fanden, besteht aus fein geschlämmtem rotem Thon mit graugelblicher Überfärbung; der lichte Durchmesser der Mündung beträgt etwa 15 cm, der oben ganz flache Rand ist 16 mm, die Henkel mit einer starken Rippe in der Mitte 5 cm breit. Auf der Innenseite dieser Bruchstücke haftete überall eine dicke gelbe Masse, die auch sonst öfter an anderen Getass- scherben beobachtet wurde; nach freundlicher Mitteilung des Herrn Dr. (ilaser in Mainz handelt es sicli um ein wnhrscheinlich aus Terpentinöl gewonnenes Pech.

11

164

hört. Aber von eigontliclion Amphoron Funden sich, falls unsere Beobachtungen nicht täuschen, keine erheblichen Reste in der früheren Kulturschicht, mit Ausnahme vielleicht einer (ohne die abgebrochene Spitze) über 80 i'ra hohen, schlauchartig ( die grösste Breite des Bauches, etwa :}6 cm, liegt in dem unteren Teile) gestalteten Amphora aus gelbem Thon mit 15 cm langen, ziemlich gestreckten Henkeln und scharf abgesetzter Schulter (Inv. 14648), die ganz zu Anfang auf der Baustelle h in unbekannter Tiefe zu Tage kam, noch ehe die Bedeutung der verschiedenen Bodenscliichten richtig erkannt war. Dagegen waren hier sehr zahlreich Bruchstücke von mächtigen, nahezu kugelförmigen dickwandigen Fässern aus äusserst grobem, häufi<' mit Zieeelbröckcheu, (Juarzkörnern und anderen Bestandteilen vermischtem, verschieden- farbigem Thon; die nach innen weit vorspringenden, wagrecht stehenden flaclien Ränder haben eine Breite bis zu 10 cm (im Durchschnitt 8 cm); die horizontalen Bodenflächen sind verhältnis- mässig klein, nur abgestrichen, nie abgedreht. Derartige Scherben kamen auch noch in der oberen Schicht zum Vorschein; ausserdem aber begegneten hier neben den einhenkeligen Krügen, z. T. aus dem oben erwähnten blaugrauen Thon, deren Formen der Mehrzahl nach der zweiten von Schuhmacher a. a. O. statuierten Periode angehören, sowie späteren Arten (darunter auch solche wie Koenen XV, 24 und XVII, 15), sehr viel Reste von Amphoren und Dolien etwa von den bei Jacobi, Saalburg, Taf. XXVIII, 1 und 2 abgebildeten Formen, meist aus gelbem oder grauem, gelb ülierfärbtem rauhem Thon. Auf den dicken Henkeln von Amphoren fanden sich folgende Stempel:

1. (abgeb. Taf. IX, 62a): Ael(i) Italfici?) Sten . . . ; derselbe Stempel ist offenbar, worauf Bohn aufmerksam macht, der aus Ste-Colombe bei Vienne stammende, etwas anders gelesene Stempel C. XII 5683, 20. Auf unserem Exemplare ist die Ligatur von X, A "ii'i L 9i<'her, ebenso kann der Querstrich über dem S nur Andeutung eines T sein; was das letzte Wort bedeutet, muss dahingestellt bleiben,

2. (abgeb. Taf. IX, 64): Vielleicht ebenfalls Ael(i) [It]al(ici) S ; der Stempel ist

zweimal schief übereinander gedrückt und daher sehr umleutlich; doch sind die drei ersten Buchstaben jedenfalls AEL? *"* ^lem Raum vor A kann ein ligiertes | und X gestanden haben; am Schluss ist die Biegung des S 'i'" Original noch deutlich erkennbar.

3. (abgeb. Taf. IX, 61): Bro(c) . . . Odu . . . begegnet mehrfach, in Südfrankreich C. XII 5686, 44, ohne, und Schuermans 879 (Rossum) mit dem C -i"! Ende des ersten AVortes; die Deutung ist bisher nicht gelungen.

4. (abgeb. Taf. IX, 65): Nach freundlicher Mitteilung Bohn's ist es der Anfang des in Ems und Urmitz gefundenen Stempels ||| ENN IVL, '1er zu: trium Enn(iorum) Jul(iorum) aufzulösen sei nach C. XV 2816 c und d; vergl. auch C. XII, 5683, 89 aus Südfrankreich. Der charakteristische Querhaken über dem Zahlzeichen ||| finde sich gerade nur bei diesem Stempel.

'). (abgeb. Taf. IX, 62): Eine sichere Lesung ist bisher nicht gelungen: die drei punkt- artigen Erhöhungen, welche die zwei ersten Buchstaben (AI) von den übrigen trennen, sind deutlich; hinter denselben scheint zu stehen ODVICC'); oder ist der Stempel umgekehrt zu lesen';*

Von Einritzungen auf Amphorenschorben und Henkeln seien noch erwähnt:

1. (Taf. IX, 63): Wohl Nici ...

2. (Taf. IX, 66): Wohl Vim . . . (Henkel).

3. (Taf. IX, 67): Die Zahl XIV (Henkel).

4. (Taf. IX, 68): Wohl auch eine Zahl (Henkel).

Auf einer Scherbe von gelblichem, gut geglättetem Thon (von einem Henkelkrug oder einer L'rne) Taf. X, 1 : 'Retisonis oder, wenn ilie drei ersten Zeichen vielleicht zum voran- gehenden Worte gehören, . . . rii Tisonis,

Auf der Schulter eines glatten Kruges von gelblichem Thon, Taf. X, la: ist wohl um- gekehrt zu lesen . . . VCi reclits gebrochen.

Hier sei glei<'h angefügt die Einritzung auf der Schultor eines schwarz gefirnissten Bechers, Taf. X, 17: ....vin,...

16.'

5. Urnen und Ähnliches ftus gowöhnlirhem Thun. fiegpn die Gefässreste belgischer Technik, sowie uua Sii,'illata traten, wie schon erwähnt, die ühri/^en OetVissarten an Zahl und Manniijfaltigkeit in der älteren Kulturschicht .stark zurück.

Krwähnung verdienen nur folgende (iattungen:

a) Scherben, welche die von Kueneu, S. 70 f. besprochenen Eigentümlichkeiten vor- römi.scher Technik, vor allem die Dicke und den lederartigen Klang der auf der Aussenseite z. T. durch Rei!<ig rauh gemachten, schwach i^el^rannten Wände aufweisen, fanden sich nicht eben selten; z. T. rühren sie von (lefässen, Kumpen und Urnen her, welche noch ohne An- wendung der Drehscheibe hergestellt und künstlich i durch (iraftit oder eingeriebene Kohlen- teilchen':') geschwärzt sind. Die RandproHle verlaufen meist einfach glatt, doch begegnen auch Profile wie Koenen IX, 6 in hellgrauen, auf der Aussenseite irlatten, aber dickwandigen schwach gebrannten Stücken aus etwas porösem Thon. Wahrscheinlich gehört hierher auch die Taf. VII, 12 abgebildete Scherbe aus schwärzlichem, mit sehr kleinen Quarzkörnern ver- mischtem Thon, welche auf der glatten Aussenseite glänzend weiss überzogen ist; vielleicht auch Taf. VII, 3 aus grauem, schmutzig gelb überfärbtem, mit Quarzsand vermischtem Thon, deren Verzierungen mit der Hand bezw. mittels Stäbchen eingedrückt sind; doch zeigt das Rand- protil schon eine ausgebildetere Form, als sonst die (fefässe Koenen IX, 1 9 besitzen.

Derartige Scherben fehlten in der oberen, jüngeren Kulturschicht durchaus.

b) Bruchstücke bauchiger grosser Urnen (Koenen XI, 19—22) mit festgebrannten dünnen und sehr glatten AVänden aus gelblichem oder rötlichem, nicht selten auch aus dem oben erwähnten graublauen Thon der Henkelkrüge; Scherben solcher Gefdsse aus reinem weissem Thon wurden nicht angetroffen. Häutig zeigten diese Urnen zwei, meist sehr kleine, wohl nur zum Durchziehen von Seilen bestimmte Henkel, die bisweilen unmittelbar an dem Rande (ähnlich wie Koenen XI, 19), meist aber etwas tiefer (wie Koenen XI, 20 und 22) ansetzen (vergl. das Beispiel Fig. 25 Xo. 13). Die Ränder, oben stets breit und flach, zeigen im Durchschnitt ein fast vierkantiges Profil. Rauhwandige Urnen mit anders gestaltetem ßand- profil fehlten, abgesehen von den schon oben S. 130 berührten seltenen Ausnahmen in der älteren Schicht, soviel sich erkennen Hess, noch vollständig, wie andererseits Scherben der glatt- wandigen gelblichen bezw. graublauen Henkelurnen unter den zahlreichen Urnenresten der oberen Schicht, welche sehr mannigfaltige Randprofile aufwiesen (^oben rund abschliessend wie Koenen XII, 3 und 5, a, b etc. oder horizontal abstehender flacher gerillter Rand oder herz- förmig gestalteter wulstiger Rand in den verschiedensten Entwicklungsstufen Koenen XV, a— d), durchaus fehlten.

c) Reibschalen aus gewöhnlichem Thon von weisser, rötlicher, gelblicher, grauer und schwarzgrauer Farbe und z. T. mit anders farbii^em Überzuge sind sowohl in der älteren wie in der jüngeren Kulturschicht zahlreich zu Tage gekommen. Doch zeigen die Randprofile in beiden bemerkenswerte Un-

terschiede.Die älterenStücke weisen meist einen flachen, leicht nach unten gebogenen Rand auf, welcher durch einen schmalen runden Stab von dem Innern des (refäs- ses geschieden wird, die späteren sind dagegen meis- tenteils sehr dick und wul- stig gestaltet. Die ersteren stehen den oben S. 161 be- sprochenen, mit schwarzem schabbarera Überzuge ver- sehenen Schalen ausseror- dentlich nahe und scheinen beide, die schwarzen wie die

^'^

eigentlichen Rcibschalen äl-

Fig. 26.

Fig. 27.

166

terer Form, auoh zeitlich nebeneinander benutzt worden zu sein, da erstere sowohl in der älteren, wie in der jünt,'eren Kultursohicht begegnen und jedenfalls bis in «las 2. Jahrhundert hinein in (rebrauch geblieben sind. Die im 2. Jahrhundert herrschend gewordenen, immer wulstigere und ausgebildetere Randprofile aufweisenden Reibsehalen aus gewöhnlichem Thun mussten allmählich gegen das Ende des 2. und namentlich im 3. Jahrhundert den bekannten Sigillatareibschalen der Forinen Koenen XVI, 24 u. 25, die in der jüngeren Schicht zahlreiche Reste hinterlassen haben, weichen (vgl. Limesblatt Sp. 778).

d) Einzelheiten:

Eine grosse rauhwandige Urne mit drei Ausgüssen (abgeb. Fig. 26), gef. auf

der Sohle eines Brunnens, ^[ehrere kleinere Gefässe aus gelblichem Thon (ein Stück abgeb. Fig. 27 J.

B. Verschiedenes.

a) An Lämpchen fanden sich:

1. p]in weissthoniges, braun überfärbtes Stück, mit rundem flachem Bauch in der Form etwa wie Koenen XVIII, 30; auf der Überseite eine sehr verwaschene erotische Darstellung (Inv. 14651, 102), gef. bei l.

2. Ein ähnliches Lämpchen fand sich schon früher beim Bau des Hauses Kirch- gasso 60, damals „Bayrischer Hof finv. 1924).

3. Ein Lämpchen aus grauem Thon, mit langem Hals, dessen Dochtloch die Spuren von Benutzung trägt; ohne den abgebrochenen Henkel 7 cm lang (Form Koenen XVIII, 29); auf dem Boden der Stempel SATTONISi S^^- bei der grossen ornamentierten Schale ( Taf. VI, 14j auf Baustelle e (Inv. 14651, 104J.

4. Ein ähnliches Stück, 7,2 cm lang, gef. in der alten Schicht bei /"(Inv. 14651, 103).

b) Bruchstück einer stehenden Gewandfigur aus feinem, weissem Thon, 15 cm hoch, gef, bei l (Inv. 14651, 97).

c) Rundes, aus einer Strichziegelplatte von 2 cm Dicke herausgeschnittenes Plättchen von G^ji cm Durchmesser (Inv. 14651, 101); dieses, sowie ein anderes ganz gleiches (Inv. 14636) hat wohl als Deckel für Krüge oder Amphoren gedient. Ebenfalls als Stöpsel für der- artige grössere Getasse sind wohl verwendet worden aus gelbem grobem Thon gebrannte, dem URL. Hotlieim, Taf. VI, 43 abgebildeten sehr ähnliche Gegenstände; das hier er- gänzte Randprofil fehlt auch bei unseren Exemplaren.

d) Perlen aus Thonfritt, z. T. braun glasiert (Inv. 14651, 105 und 105a).

e) Gewichte aus rotem Thon, die in der Bodenfläche rechteckig, im Querschnitt trajyez- förraig gestaltet und oben abgei»lattet sind; im oberen Drittel ihrer Höhe (12 cm hoch) befindet sich ein quer durchgebohrtes Loch. Ob sie als Thürgewichte oder beim ^Vebel) gedient haben, nuig dahingestellt bleiben.

C. Ziegel.

Unter den namentlich in der oberen S<^hicht zahlreichen Bruchstücken von Rand- und Hohlziegeln, Heizröhren und Verblendplatten, sowie dickeren Backsteinen befanden sich nur zwei gestenii)elte;

1. (i= Inv. 14651, 95), abgebildet Taf. X, 25, gef. bei Z, leider ungewiss in welcher Tiefe, ist nur zur Hälfte erhalten, wird aber ergänzt durch ein zweites, zufällig kurze Zeit darauf an einem anderen Punkte Wiesbadens (Ecke der Wilhelm- uml Taunusstrasse, vergl. Mitteil, an die Mitglieiler des Nass. Altertums- Vereins 1897, Sp. 117j zu Tage gekommenes unversehrtes E.xemplar, welches, wie auch die Abbildung Taf. X, 24 zeigt, zweifellos aus derselben Matrize ausgepresst ist. Beide Stempel stehen auf 6 cm dicken Backsteinen, welche wahrscheinlich einen römischen Fuss (^29,60 cm) im Geviert massen: der eine Stein hat noch die ursprüngliche (durch das Schwinden beim Brennen verminderte) Länge von 29,20 cm und eine jetzige Breite von 26 cm, der andere jetzt nur noch 20 cm Seitenlange. Der Stempel, deutlich zu Ic-^cii iiU If^lui) \11II g(emina) mit den Buchstaben cf^ uml V 'i ''''" Si.'liwalbenschwänzcn, i.'it, wie es si'ln'int, uiidtM^wu liislmi;,' nicht gestunden; er gewinnt ein be-

167

somlfTOS Interesse dadurch, düss er in seinem Tvi)us von iillcn in den Nieder Zieireleien ire- bräuehlielien Stempeln dieser Le;,'iun, soweit sie uns bis jetzt bekannt simi, stark abweidit, sieh dage!,'en auf das Engste berührt mit einer Reihe unter sich zwar verschiedener, aber dofli die charakteristischen Merkmale gemeinsam aufweisender Typen, die sich auf Fabrikaten links- rheinischer, vor Domitians Chattenkrieg vom Jahre 83 im Betrieb gewesener Legionsziegeleien (in Rheinzaberny ) finden. Eine Zusammenstellung und Besprechung der bis jetzt bekannten, auch in den blassen (35 38 mm hoch, 1U5 115 mm lang) einander sehr nahestehenden Varianten dieses Typus soll an einer anderen Stelle gegeben werden; hier sei nur erwähnt, dass die in so eigen- tümlicher AVei.-e in ilen Schwalbenschwänzen der Stempel angebrachten einzelnen Buchstaben ausser denen unseres Wiesbadener Stempels RR V finden sich noch an gleicher Stelle AT G "■'i'* Rbeinzabern und Main.-;, R N '^■»s Rheinzabern, L ei« linksgewendetes jq (oder auch A) aus Mainz, |V! bei einem Stempel in Spiegelschrift aus Rheinzabern, G t>ei dem ORL. Hofheim, Taf. VII, 20 abgebildeten Stempel aus Hotlieim und Heddernheim als Anfangsbuchstaben der Namen des Zieglers aufzufassen sind, welcher das betreffende Werkzeug handhabte. Da unsere Stempel sämtlich in die Zeit zwischen dem Jahre 70 und dem Jahre 82 gehören, so sind sie, nächst gewissen Stempeln der XXI. und XXII. Legion, die ältesten Namenstempel aus obergermanischen Ziegeleien. Unser Exemplar X, 24 ist weiterhin auch aus dem Grunde von Wichtigkeit, weil es den kleinen halbkreisförmigen, zeitlich hinter dem grösseren rechteckigen eingedrückten Stempel, der in mehreren sehr ähnlichen Exemplaren bereits früher im Wiesbadener Kastell gefunden worden ist i Inv. d. Wiesb. Mus. 9923 u. 9936J, gleichfalls als aus jener Erühzeit stammend, erweist und dadurch die schon unter Yespasian erfolgte Errichtung mancher Bauten in hohem Grade wahrscheinlich macht. Da derselbe, übrigens sehr an die hufeisenförmigen bekannten Stempel der leg IUI Macedonica aus neronischer Zeit erinnernde Stempel auf einem in Mainz gefundenen Backstein ebenfalls gemeinsam mit einem der oben berührten Namenstempel erscheint ( Westd. Korr.-Bl. 1897, Sp. 37; die Identität ist nach einem mir von Herrn Konservator Lindensclimit freundlichst zugesandten Abklatsch ausser Zweifel), so könnte er vielleicht als eine Art Kontrollstempel aufzufassen sein, der von dem aufsichtführenden Offizier bei Abnahme der Lieferungen der einzelnen Ziegler den Schlussziegeln aufgedrückt wurde, ähnlich wie es von dem bekannten, in den späteren Nieder Ziegeleien der XXII. Legion angewendeten Stempel: iustum fecit, in hohem Grade wahrschein- lich ist (vergl. Wolff: Archiv für Frankf. Geschichte und Kunst, III. Reihe Band 4 S. 321 f.). 2. ('= Inv. 14651, 97), abgeb. Taf. IX, 69 auf einer 2V3em starken Platte, gef. bei m in einer Ziegelpiäktung | s. oben S. 122). Der in Spiegelschrift geschriebene Stempel, zweifel- los als Socunidi) zu lesen, giebt uns den Namen des Besitzers einer Privatziegelei, wie sie im rechtsrheinischen Gebiet wohl nicht vor Mitte oder Ende des 2. Jahrhunderts entstanden sind.

V. Glas.

1. Verhältnismässig häufig waren Bruchstücke flacher, stark gerippter Schalen mit glattem, etwas verdicktem Rande, von der Form, wie sie z. B. bei Houben: Denkmäler aus Vetera, Taf. XXXVIII, 7 abgebildet ist. Die Mehrzahl derselben besteht aus hellgrünem Glase; es fanden sich aber auch aus Millefioriglas hergestellte: ein prächtiges Stück in weiss, braun, gelb und blau (Inv. 14651, 81, gefunden bei k, 1. 5. 1897, abgebildet Taf. VI, 17), ein Bodenstück in blau und weiss, 2,5 mm dick (Inv. 14651, 82a, gef. bei /^ ), ein anderes in dunkelblau und weiss, 4,5 mm dick (Inv. 14651, 82bj. Es mag nicht unerwähnt bleiben, dass diese Millefiorischerbon sicher, die hellgrünen Bruchstücke wahrscheinlich sämtlich aus der Moorschicht stammen; danach wäre diese Schalenform vorzugsweise im 1. Jahrhundert in Gebrauch gewesen.

2. Bruchstücke eines feinen Becherchens aus sehr dünnem blauem Glase mit eingeschliffeiicn Linien, sowie solche eines Crncheus mit Steilrand, aus dem verhältnismässig seltenen schwarzen Glase (Inv. 14651, 80).

3. Viele Bruchstücke von breiten gerippten, oder mit spiralartig gezogenen Glasfäden be- legten Henkeln, die meist zu Kannen, aber auch zu Urnen geliörc zu haben scheinen.

168

aus hellgrünein, einige au''h aus hriiunlichem Glase; ein 11 cm lantjer Hals einer Glas- kanne, sowie mehrere Teile von den bekannten vierkantigen (Hasflaschen, welche auf den cenae der Grabsteine so häufig dargestellt erscheinen.

4. Ein kleines, unversehrt erhaltenes, 6,2 cm hohes, cyliudrisches, henkelluses Fläschchen (luv. 14651, 85, gel', bei l in der oberen Schicht); sowie ein dem bei Dorow, Opfer- stätten, Taf. XIII. 3 abgebildeten ähnliches zerbrochenes Salbfläschchen.

5. Vier blaue und violette geriefelte Glasperlen (vergl. Jacobi, Saalburg, Taf. LXYI, 5 und 6), hoch durchschnittlich 2 cm (= Inv. 14651, 84, gef. bei /, Sept. 1897).

7. Bruchstücke von Fensterglas kamen an den verschiedensten Stellen, und zwar sowohl in der unteren wie in der oberen Kulturschicht zu Tage.

VI. Leder.

Gegenstände aus Leder, die sich in dem feuchten moorigen Boden ausgezeichnet hätten erhalten können, sind autfälligerwoise jetzt an keiner Stelle gefunden, wenigstens nicht be- merkt worden; dagegen ist im April 1887 beim Ausschachten der Baustellen Kl. Schwalbachor- strasse 6 8 eine benagelte Schuhsohle (jetzt luv. 13897) zu Tage gekommen.

Vir. Knochen und Hörn, Muscheln.

Von bearbeiteten Gegenständen aus Bein sind zu nennen:

1. (= Inv. 14651, 66, abgeb. Fig. 28) Zerbrochenes Ortband einer Schwert- oder Dolchscheide, ähnlich z. B. der bei Jacobi, Saalburg S. 486 Fig. 78, 5 abgebildeten; gef. bei /', Mai 1896.

2. Mehrere Nadeln mit verziertem, gedrechseltem (Inv. 14G51, 67) oder mit rundem geschnitztem Knopfe, 63 bezw. 73 mm lang (Inv. 14651, 69 und 70), gef. wie 1.

Ausserdem als Werkzeuge zureclitgeschnitzte Rehstangen und Hirschgeweihzinken.

Sehr zahlreich waren die sonstigen, als Küchenabfälle anzu- sehenden, unbearbeiteten Tierknochen. Unter denselben waren ganz besonders stark Pferdeknochen vertreten, so dass die Annahme, dass das Pferd damals nicht allein als Zug- und Reittier, sondern Fig. 28. auch zur Nahrung gedient habe, sehr nahe gelegt wird; weiter viele

Knochen und Horuzapfen vom Rind, einige auch von der Ziege, viel vom Schwein, Hirsch und Reh; namentlich seien die ungemein häutigen Eberzähne hervorgehoben, von denen einer, an seinem oberen Ende zum .Vnhängen durchbohrter, die bedeutende Länge von 13 cm (vom Ende in gerader Linie zur Spitze gemessen) besitzt; seine Spitze war au der äusseren Seite stark abgewetzt.

Muscheln waren durch einige Austernschalen, sowie Flussmuscheln vortreten.

VIII. Holz.

.Vbgesehen von den Bestandteilen des oben besprochenen Pfahlrostes, von welchem einzelne Stücke im Museum aufliewahrt werden, verdienen folgende (fCgcnstände aus Holz er- wähnt zu werden:

1. Mehrere Stücke eines feinen Korbi^eflechtes aus Weidenruten (luv. 14651, 87), gef. auf Baustelle /", iliclit über dem Kies; ein Stück ist in Fig. 29 abgebildet (vergl. Jacobi. Saalburg, S. 436, Fig. 67).

2. Der oben Anmerkung 25 erwähnte Brunnenrost (Inv. 14651. 86) fand sich hart an der Stadtmauer. Bei deren Erbauung ist das in die Baulinie vorspringende

169

Stück seiner Aussenseite mit ilora Beile glatt abt^ehauen worden. Kr besteht aus drei 0,10m diikeii Teilen aus Eichenholz, die innen als Se-^niente eines Kreises sauber zuj,'erichtet. aussen nicht iranz reireliiii'issiü: l)ehnuen sind. Interessant ist die Art, wie ilie einzelnen Teile untereinander verbunden waren. Zuerst waren die geraden Stussfliichen mit eingebohrten Lüchern versehen zur .Vufnahme eines (hölzernen oder ei- sernen ?) Dübels; da sich diese Verbind- ung aus irgend einem Grunde als unzurei- chend erwies (viel- leicht fürchtete man, dass unter dem Druck der auf dem Roste errichteten Trocken- mauer die Ilolzteile ihre horizontale Lage vorändern könnten), wendete man die Überschneidung an, wul)ei au den ausge- schnittenen Flächen noch Reste der Dübellöcher erhalteu blieben; die durch diese Veränderung bedingte Verkleinerung des inneren Kreisdurchmessers wurde dadurch wenigstens z. T. ausgeglichen, dass man ein viertes kleineres Stück Eichenholz, ebenfalls durch Überschneidung mit den anderen verbunden, einschob. Die Breite des Rostes und demnach auch der auf ihm ruhenden Trockenmauer betrug annähernd 25 cm. 3. Ein ovales (33 : 37 nun) Scheibchen aus Eichenholz, nur 1'/j nim dick; wozu es gedient haben mag, ist nicht erkennbar. Ausserdem wurde auf Baustelle k eine Art Trog oder Kahn aus Eichenholz angetroffen, der, fast unmittelbar auf dem Kies ruhend, noch unter das benachbarte Grundstück i^Kirch- "■asse 42a) hineinreichte; das vorstehende, etwa 1 m lange und 40 cm breite Stück wurde in Stücken abgehauen.

Fi''. 29.

IX. stein.

In diesem Material fanden sich nur eine Anzahl Mühlsteine, sowohl Bodensteine wie Läufer: schon 1S9Ü Kircligasse 44 (luv. 14265); auf Baustelle /" (Inv. 14651, 91 u. 92); auf k und l (Inv. 14651, l'Oa und b); sämtliche Steine bestehen aus der bekannten Mcndigcr Lava.

Ein Hügelgrab bei Holzhausen a. d. Haide,

Ausgrabungsbericht Yon Lehn ST»

Hierzu die Tafeln XI und XII.

Im Mai dieses Jahres wurde auf Kosten des Nassau'schen Allertums- vereins ein grosser Hügel bei Holzhauseu a. d. H. ausgegraben. Er liegt dicht an der Landstrasse Holzhausen-Langenschwalbach, etwa eine Viertelstunde von ersterera Orte entfernt in dem der Gemeinde Ilolzhausen gehörigen Distrikt Räudig.^) Der Hügel hatte den ungewöhnlich grossen Durchmesser von 23 Metern bei einer Höhe über dem gewachsenen Boden, welche zwischen 2,16 und 2,55 m schwankt. Auf der Grundrisszeichnung, Taf. XI, Fig. 1 sind an den vier Orien- tierungspunkten an der Peripherie des Hügels Ziffern eingetragen; die obere Zahl bedeutet die Entfernung des Punktes vom Mittelpunkt des Hügels, die untere die Höhe des Hügelscheitelpunktes über dem gewachsenen Boden an den be- treffenden Stellen. Aus der Zeichnung ist ersichtlich, dass die Hügelperipherie ziemlich regelmässig kreisförmig ist, auch die Wölbung war noch ziemlich regel- mässig (Taf. XI, Fig. 2). Der Hügel war noch im vorigen Jahre mit hohen Kiefern bestanden, welche aber bereits einige Zeit vor Beginn der Ausgrabung von der Gemeinde Holzhausen entfernt waren. Bei den ungeheuren Dimensionen des Hügels schien es aus Sparsamkeitsrücksichten geboten, von einer völligen Umgrabung mittels konzentrischer Gräben abzusehen und sich darauf zu beschränken, kreuz- weise breite Gräben durch den Hügel zu treiben. Erschien es nachher notwendig, auch die stehengebliebenen Zwickel noch ganz oder teilweise abzuheben, so konnte dies immer noch von innen heraus geschehen. Es wurden also genau die Nord-Süd- und West-Ostlinie bestimmt und in diesen Richtungen je ein drei Meter breiter Graben bis auf den gewachsenen Boden durch den Hügel ge- triebea. Auf der Grundrissskizze geben die punktierten Linien die Ausgrabungs- grenzen an, so dass die Vervollständigung der Ausgrabung auch in späterer Zeit, falls sie wünschenswert erscheinen sollte, noch möglich ist.

Von einem den Hügel umgebenden Steinring ist keine Spur gefunden worden. Der äussere Hügelaufwurf, aus gewöhnlicher leichter Walderde be- stehend, enthielt nur sehr spärliche Scherbenreate und einige verbrannte Lehm- brocken, sowie ganz geringe Kohlenreste.

') Die Liii,'«' dos Jlii^'.'ls i>t aus Ami. VI, lieft 2, Tut'. IV iiiicli einer Aufnahme des Liiiidmessers \V(ij,'ner ersichtlith. Ks ist der zunächst bei Holzhnusen dicht an der Chaussee

Em8-.SehwHlba<h liegende.

171

Ziemlich genau in der Mitte des Hügels, wo die bei'.'en Grüben sich recht- winklig schnitten, stiessen wir auf einen inneren Hügel, der sich durch sein Material, feinen Thonboden, ganz scharf gegen den äusseren Erdmantel abhob. Er hatte eine elliptische Grundform, der längste Durchmesser (von West nach Ost) betrug 7,05 m, der kürzeste (Xord-Süd) 5,52 m, seine Höhe war 1,60 m über dem gewachsenen Boden. Die Grundfläche dieses Hügels ist in der Plan- skizze mit A bezeichnet. Am Rande dieses inneren Thonhügels waren, teils mit demselben sich berührend, teils in ihn etwas einschneidend, vier höchst merkwürdige säulen- oder obeliskenartigo Anhäufungen aus sehr festem Lehm aufgestellt, welche in der Höhe dem Thonhügel gleichkamen, eine Erscheinung, welche ich bisher weder aus eigener Anschauung noch aus Beschreibungen kenne. Um so bedauerlicher ist es, dass diese vier Lehmsäulen in Folge eines Missverständnisses entgegen meiner ausdrücklichen \Yei8ung von den Arbeitern in meiner xVbwesenheit entfernt wurden, bevor eine genaue Untersuchung und Aufnahme derselben möglich war. Ich habe zwei derselben gesehen und kann nach eigener Anschauung und nach der Angabe der Arbeiter über die Stand- orte der übrigen nur soviel sagen, dass sie nicht in gleichen Abständen, sondern unregelraässig den beschriebenen Thonhügel umstanden und einen unteren Durch- messer von etwa 1 Meter hatten. Über die Bedeutung und den Zweck dieser Säuleu lässt sich natürlich erst recht nichts sicheres mitteilen. Nach dem In- halt des Thonhügels aber zu schliessen, scheint es mir nicht unmöglich, dass die Lehmsäulen pfeilerartige Verstärkungen der Hügelwände bilden sollten, um das Ausweichen derselben unter dem zu erwartenden Erddruck des grossen äusseren Hügels zu verhindern.

Selbst wenn aber diese Deutung der Lehmsäulen unrichtig ist, darf mau als sicher annehmen, dass der festgefügte Thonhügel infolge der Konsistenz seines Materiales seine ursprüngliche Gestalt bewahrt hatte, dass er also ein anschauliches Bild eines Grabhügels bot, den der Pflug und die Abschwemmung noch nicht verflacht haben. Um so mehr musste es darauf ankommen, dieses Bild festzuhalten, was denn auch erfreulicher Weise in genügendem Masse ge- schehen konnte. Herr Amtsgerichtsrat Düsseil, der Vorsitzende des Altertums- vereins, machte zwei wohlgelungene photographische Aufnahmen des Thonhügels, deren eine, von Westen aus angefertigt, auf Taf. XII, Fig. 1 reproduziert ist. Auf dem Hügel steht ein Stab, dessen Spitze die Höhe und zugleich den Mittel- punkt des äusseren Hügels anzeigt, dessen stehengebliebene Wände den Thon- hügel umgeben. Ausserdem veranschaulichen auch die Figg. 3 und 4 auf Taf. XI nach genauen Messungen die Durchschnitte dieses Thonerdehügels in west- östlicher und in süd-nördlicher Richtung.

Als der Thonhügel nunmehr sorgfältig entfernt wurde, fand sich darunter ein ansehnlicher Stein hügel, dessen Seitenansicht von Süden aus die nach einer Photographie von Herrn Amtsgerichtsrat Düssell reproduzierte Fig. 2 der Taf. XII veranschaulicht, während seine Grundfläche auf Taf. XI, Fig. 1 mit B bezeichnet ist. Der Steinhügel rühre auf einer tennenartigen, ganz ebenen festgestampften Lehmunterlage, welche ca. 30 cm mächtig mit dem abgetragenen Thonhügel dieselbe Grundflächenausdehnung hatte (sodass also A in Fig. 1,

172

Taf. XI gleichzeitig die Ausdehnung der Tenne bezeichnet). Der Steinhügel, mit unregelmässig elliptischer Grundfläche, war 5,45 ra laug und 3,60 m breit. Seine höchste Erhebung in seinem westlichen Teil betrug 0,79 m. Er bestand aus grösseren und kleineren Schieferstücken, deren Schichtung aus der Ab- bildung deutlich ersichtlich ist. Das Material bricht ganz in der Nähe der Aus- grabungsstelle.

Im Innern dieses Steinhügels fVind sich eine rechteckige Bettung aus- gespart (C in Fig. 1 auf Taf. XI), welche 1,80 m lichte Länge bei 45 cm hchter Breite aufwies. Sie war nicht in die Lehmtenne eingetieft, sondern letztere bildete ihre Unterlage. Sie hatte, wie auch die Zeichnung zeigt, eine genaue west- östliche Längsachse. Im westlichen Ende der Bettung (bei D) lag eine sehr zerdrückte Urne des Hallstatttypus mit eingeritzten Strichverzierungen, bestehend aus schrägen Gruppen von 4 bis 5 Parallelstrichen. Von dem, nach der Gestalt der Bettung zu urteilen, augenscheinlich bestatteten, nicht verbrannten Leichnam war nicht die geringste Spur mehr zu finden, auch von sonstigen Beigaben fand sich trotz vorsichtigsten Suchens nichts. Immerhin ist das Resultat der Ausgrabung interessant genug, insofern als meines Wissens hier zum ersten Mal ein Umschliessen der öfter vorkommenden Steinpackung-) mit einem festen Thonerdehügel und mit den merkwürdigen Lehmpfeilern, um und über denen dann erst der eigentliche Tumulus aufgeschüttet wurde, nachgewiesen ist. Es wäre sehr zu wünschen, dass dem Altertumsverein erheblichere Mittel zur Unter- suchung noch mehrerer von den vielen in nächster Nähe des ausgegrabenen liegenden Hügeln baldigst zur Verfügung stehen möchten, damit festgestellt werden kann, ob diese besonders sorgfältige Grabbergung nur einer vereinzelten Laune ihren Ursprung verdankt oder ob sie etwa, begünstigt durch das Vorhandensein des erforderlichen Materials, als eine Eigentümlichkeit der dortigen Begräbnisse überhaupt zu betrachten ist.

-| Veiirl. z.B. V. Culijuisoii, Die Hallstatt^'rilbor im Kanimertürst zwischen Loreh und Küdesheim, Ann. XII, S. 241 ff. und Taf. IV, Fif,'. '2, Taf. V, Fig. 1 u. ö.

Ciarenthaler Studien.

Von

Fr« Otto»

I. Die Äbtissinnen des Klosters Ciarenthal bei Wiesbaden.

Weder die Reihenfolge noch die Zahl, ja nicht einmal die Namen aller Äbtissinnen') des Klosters Clarenthal sind bis jetzt, soweit es überhaupt möglich ist, endgültig festgestellt. In den uns vorliegenden Verzeichnissen zeigt die Reihenfolge an einigen Stellen bedenkliche Lücken und ist an anderen über- laden ; in die Zahl der Äbtissinnen sind einige aufgenommen, die es nicht waren, andere dagegen ausgelassen, die als solche bezeugt sind.

Betrachten wir zuerst die bis jetzt aufgestellten Verzeichnisse der Äbtis- sinnen. Das älteste ist wohl dasjenige, von dem Roth in dem Korrespondenz- blatte des Gesamtvereins 1882 S. 70 Nachricht giebt; es ist, wie es scheint, am Ende des 15. Jahrhunderts verfasst und als Sophie von Hunolstein Äbtis- sin war (1486 1508), niedergeschrieben, denn mit ihr schliesst es ab. Obgleich es an denselben Mängeln als die später aufgestellten leidet, sodass alle eine gemeinschaftliche Quelle gehabt haben müssen, so ist doch das eine bemerkens- wert, dass es, was sein Verfasser aus eigener Erfahrung wissen konnte, auf Margarethe von Nassau im Jahre 1486 sofort die genannte Sophie von Hunol- stein folgen lässt und nicht, wie man später unbegründeter Weise that, die Bertha von Nassau zwischen jene beiden einschiebt, wenn diese auch nicht den richtigen Platz fand (No. 17), ja sie überhaupt nicht genannt wird. Aus der nach- her beliebten Anordnung Margarethe Bertha Sophie schliessen wir, dass jene Aufzeichnung unbekannt blieb oder nicht benutzt wurde.

Der erste, welcher eine Geschichte Ciarenthals und damit eine chrono- logisch geordnete Reihe der Äbtissinnen, soweit er sie „ausfündig" machen konnte, veröffentlichte, war der fleissige und gewissenhafte G. A. Schenck, der die Resultate seiner Nachforschungen der „Geschicht-Beschreibung der Stadt W'ies- baden" 1758 S. 391 ff. einverleibte. Doch ist seine Darstellung weder voll- ständig noch fehlerfrei. Nachdem er bereits in dem zweiten Teile seiner „Memo- rabilia urbis W^isbadenae" 1739 S. 57 ff. einige wertvolle Notizen aus Büchern

*) Wir gebrauchen die übliche Xamensform Äbtissin, obgleich die richtigere Abtin wäre, wie auch neben dem lateinischen Priorissa Priorin steht.

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und aus ungcdruckten Materialien, die er selbst aufgefunden oder von befreun- deter Seite erhalten, zusammengestellt hatte, erschien im Jahre 1753 das genea- logische Werk des Idsteiner Archivars Hagelgans über den walramischen Stamm des Hauses Nassau, welches über die Äbtissinnen aus diesem Hause genauere Ansraben machte, da es sich auf Grabschriften und Urkunden stützte, aber doch nicht frei von Irrtümern blieb, denn es hat z. B. die eben berührte unrichtige Einreihung der Bertha von Nassau ohne Zweifel veranlasst, wie wir unren nachweisen werden. Nachher muss sich Schenck mit Hagelgans in Verbindung gesetzt und von ihm weitere Mitteilungen aus dem Archive erhalten haben, die zwar auch nicht frei von Irrtümern waren, wie die falsche Datier- ung der zwei päpstlichen Bullen von 1344 und 1366 beweist'), aber ihn doch in den Stand setzten seine Nachrichten über Ciarenthal zu vervollständigen'') und die jetzt freilich ungenügende Geschichte Clarenthals abzufassen. Von den Grabschriften des Klosters hat er selbst zu Ciarenthal nur eine einzige gelesen und sie in seiner Darstellung erwähnt; die nach Wiesbaden verbrachten Grab- steine boten keine Namen von Äbtissinnen.

Im Jahre 1779 veröffentlichte Kremer in den „Origines Nasso'cae" II, S. 412 ff. einen Auszug (Extractus) aus dem Nekrologium des Klosters, der trotz seiner Unzulänglichkeit genug Stoff zu Ergänzungen und Berichtigungen Schencks hätte geben können; jedoch zieht es Schliephake in seiner Ge- schichte von Nassau IV vor sich genau an Schenck anzuschliessen, obgleich ihm als Archivar die Möglichkeit offenstand nach Lust und in Müsse nicht nur Kremers Auszug nachzuprüfen und zu erweitern, sondern auch die anderweitigen Schätze des Archivs auszubeuten; er bringt nur S. 48 noch zwei vorher nicht genannte Namen -von Äbtissinnen bei (s. No. 8 und 16 unserer Aufzählung), versucht es aber nicht sie an ihre Stelle in der Reihenfolge einzufügen.

Nach Schliephake (1875) hat F. W. E. Roth die Geschichte Clarenthals dreimal bearbeitet, zuerst im Korrespondenzblatt des Gesamtvereins 1882 No. 8 ff., dann in seiner Geschichte von Wiesbaden 1883 S. 648 ff. und zuletzt im Wies- badener Tagblatt 1896 No. 542 ff. Die beiden ersten Darstellungen weichen nicht wesentlicli von Schenck und Schliephake ab, die dritte bietet manche Zusätze und Verbesserungen, berichtigt aber nicht alle Fehler seiner Vorgänger.

Der Rheinische Antiquarius endlich giebt H, 13, 156 nur die Namen, wie sie im Nekrologium verzeichnet sind, ohne eine chronologische Ordnung zu versuchen.

Als Grundlagen, auf denen die Feststellung der Namen und der Reihen- folge der Äbtissinnen beruht, dienen uns:

1. die Urkunden des Klosters, in denen der Name einer Äbtissin vorkommt ;

2. die Epitaphien der Äbtissinnen ; von ihnen konnte der Mainzer Dom- herr Helwich im Jahre 1614 noch sechs lesen und hat Abschriften derselben seiner Sammlung von Epitaphien einverleibt; Abschriften

^) Ver;,'l. di.'ii liil 11 ilioser Stuilieii.

') Die K|»itai)hit'ii dor zwei eratt-n .ibtissiiuieu fand (.-r i)oi 11 iigt- lyuu r».

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von ihnen wie auch der andern besitzt der Verein für nassauische Altertumskunde; diese, durchgesehen und nach dem Original mehr- fach berichtigt von Rössel, hat der Verfasser dieser Abhandlung benutzt. Bei Kremer II, 457 sind die Grabschriften der zwei ersten (nassauischen) Äbtissinnen aus dem Epitaphienbuch des Archivs ab- gedruckt, aber nicht ohne die ihm eigentümlichen Fehler; 3. das Nekrologiura oder Seigeredbuch des Klosters; es bietet siebzehn Namen mit dem Zusatz abbatissa (Abb.) oder Eptissen, zwei, von denen es sicher oder so gut wie sicher feststeht, dass sie an der Spitze des Klosters standen, ohne denselben, Richardis und Adelheid (No. 1 und 2 unserer Reihe); vier Namen fehlen: eine Imagina (No. 3), Jutta von Lurenburg (No. 5), Marie von Hanau-Lichtenberg (No. 24) und Anna Brendelin von Homburg (No. 25); von der Katherina*) (No. 4) ist es sehr zweifelhaft, ob sie genannt ist, und bei einer, der Rheingrätin Katherina (No. 19), ist der Titel ausgelassen oder verschrieben. Für unsere Untersuchung haben wir nicht den fehlerhaften Auszug Kremers (nicht einmal sein Register der Äbtissinnen S. 498 ist fehlerlos, da eine der- selben fehlt, die beiden ersten aber wenigstens in Parenthesen hätten zugefügt werden müssen), sondern das Original des hiesigen Staatsarchivs benutzt, das zugleich durch die Schrift erkennen lässt, welche Namen dem 14. Jahrhundert ano-ehören (es sind No. 1 12), und welche dem 15. und 16. Jahrhundert zu- zuweisen sind.

Die Abkürzungen, welche wir anwenden, sind: AV. = Roths altes Ver- zeichnis aus dem Ende des 15. Jahrhunderts; Seh. = Schenck, Geschichts- Beschreibung der Stadt Wiesbaden 1758; Schi. = Schliephake, Geschichte von Nassau IV, 1875; R.^ = Roth im Korrespondenzblatt 1882 a. a. 0.; R.2 = Roth in seiner Geschichte der Stadt Wiesbaden 1883; R.3 = Roth im Wiesbadener Tagblatt 1896; Nekr. = Nekrologium; Urk. = Urkunde; Epit. = Epitaphium.

Ehe wir uns zu unserm eigentlichen Thema wenden, schicken wir eine Bemerkung über das Verhältnis des Hauses Nassau zu dem Kloster voraus. Es ist selbstverständlich, dass eine Anstalt, die von den hervorragendsten Gliedern dieses Hauses, dem Könige Adolf und seiner Gemahlin Imagina, gestiftet war, vor allem von den Töchtern des Geschlechts aufgesucht wurde und dass diese eine bevorzugte Stellung darin einnahmen, ebenso dass auch die jüngeren Generationen des Hauses dem Kloster ihre Gunst in gleichem Masse angedeihen liessen als die Stifter. Das Nekr. bestätigt dies: es nennt sechs Äbtissinnen, die unzweifelhaft Töchter von nassauischen Grafen waren (eine siebente haben wir ausscheiden müssen)^), Richardis, Adelheid, Agnes und Margarethe (No. 1,

*) So ist die älteste oder der ältostea am nä.-hsten sstehende Schroil.ung des Wortes ( A'.x'yLt2plva oder Katerine), wie sie auch im Nekrolo!,'ium durchgäugis,' und im Miüdalter meist beobaiditet wird; es selbst liat mit doni griecliisclion y.otOoi;.'-:; ni.dits zu scliatfcMi. Vg'- funrady, Vi(>r rtioiniscl'.e Paliistlua-lMlg^rsfliriften, S. 351.

■'') Siehe unsere Austulirung nach Xo. 13, sowie No. 12 und No, 8.

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2, 6 und 10) in dem 14, Jahrhundert mit etwa 54 Jahren, Bertha und eine zweite Margarethe (Xo. 17 u. 20) in dem 15. Jahrhundert mit etwa 18 Jahren, zusammen also mit etwa 72 Jahren, d. h, mit nicht viel weniger als einem Drittel der ganzen Lebensdauer des Klosters. Von Nassau heissen ferner sechs Schwestern, die aber vielleicht nicht alle aus dem gräflichen Hause abstammten: drei in dem 14. Jahrhundert, Anna, die Tochter Adolfs I., eine Anna antiqua und eine Lysa de Nassau, drei in dem 15. Jahrhundert, eine dritte Anna und eine Bertha, beides Töchter des Grafen Johann, und eine Katherina von Nassau, über welche unten No. 4. Die Zahl endlich und Namen der Wohlthäter (bene- factores) aus dem Grafenhause hierher zu setzen, würde zu weit führen ; es sind ilirer nach dem Nekr, wohl mehr als zwanzig, deren Gedächtnis im Nekr. aufbewahrt und von den Klosterschwestern gefeiert wurde.

Die Äbtissinnen, welche nicht dem Hause Nassau ani^ehörten, entstammten fast alle dem höheren oder niederen Adel; nur einmal begegnen wir dem Namen der Tochter eines Mainzer Patrizierhauses, Cecilie von Mainz (No. 12).

Endlich bemerken wMr in Bezug auf die Tagesangaben des Nekrologiums und der Epitaphien, die mehrfach nicht zusammen stimmen, dass wir die Unter- suchung über die verschiedenen Datierungen überhaupt und ihre wahrschein- lichen Ursachen von der vorliegenden Arbeit über die Reihenfolge der Äbtis- sinnen ausgeschlossen haben, da diese ganze Frage einer breiteren Auseinander- setzung bedarf.

Schreiten wir nunmehr zur Aufstellung der Reihenfolge der Äbtissinnen.

1. Richardis von Nassau, Schwester des Königs Adolf, die zwar weder in ihrem Epit. noch im Nekr. Äbtissin heisst, aber es sicher war, wie schon früher erkannt worden ist; vergl. Seh. S. 400. Das Epit. setzt ihren Tod in das Jahr 1311, V. Kai. Aug. = 28. Juli: es lautet bei Helwich und Hagel- gans: „Anno Domini MCCCXI V. Kai. Augusti ob. soror Richardis de Nas- sauwia germana Domini Adolffi regis Romanorum. Quorum animae requiescant", dazu fügt Helwich ein „etc.", Krem er H, 457 gibt als Datum H. Kai. Aug. = 31. Juli; das Nekr, setzt als Todestag an Pantaleonis mart. = 27. Juli und schreibt: „ob. Ricardis de Nassowe germana Adolfi regis romanorum, que fuit prima sororum in Clarindal." Der Grabstein befand sich in dem Kreuz- gang und war der einzige des 14. Jahrhunderts, den Helwich hier (noch?) antraf; die andern, welche er daselbst verzeichnet, gehören in das folgende Jahr- hundert, wo nach einer bei Kremer ausgelassenen Notiz des Nekr. zum 12. April (ca. 1430 1440) der Kreuzgang eine bauliche Veränderung, vielleicht eine Er- weiterung erfahren hatte. S. u. No. 14.

Der Name der Äbtissin wird bei dem gleichzeitigen Wernher von Saulheim (Schi. II, 225) geschrieben Richart, bei Seh. Richard, bei Schi. Richarde, bei R.>'2-3 und in dem AV. sowie in dem Epit. Richardis, im Nekr. Ricardis.

Hier ist auch die Stelle, wo wir eine Auslassung Kremers in seinem Extractus rügen müssen. Schi. IV, 44 bemerkt, dass bei dem Bau des Klosters ein kunstverständiger Franziskaner, der Maler Peter, thätig gewesen und der Pfarrer Wigand zu Mosbach das Werk eifrig gefordert habe; er beruft sich dabei auf zwei Einträge des Nekr., die er bei Kremer fand, eine vom 27. Oktober

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(nicht am 26., wie Schi, schreibt), die andere vom 24. November. Einen dritten Namen, der ebenfalls hätte genannt werden müssen, hat Kremer übergangen; am 23. April nämlich (Georgii mart.) ist verzeichnet mit denselben Worten wie der Pfarrer Wigand : „ob. frater Gotfridus de ordine minorum, qui fideliter laberavit pro claustro construendo.*' Es ist nicht mehr als billig, dass wir das Versäumnis Kremers gutmachen und dem braven Franzis- kaner Gottfried zu derselben Ehre, als Förderer des Baues genannt zu werden, verhelfen, deren jene beiden teilhaftig sind.

2. Adelheid von Nassau, Tochter des Königs Adolf, heisst im Epit. Abbatissa, nicht aber im Nekr., wo dieser Titel umschrieben wird. Das Epit. bei Helwich und Hagelgans lautet: „Anno domiui MCCCXXXVIII VII. Kai. Junii (= 26. Mai) ob. Alheidis Abbatissa de Nassowe Regis filii. R. I. P. A." Kremer a. a. 0, schreibt hier Alheydis und Nassuwe, lässt auch am Schlüsse das A aus. Das Nekr. setzt den Tod auf den 12. Mai, Nerei, Achillei atque Pan- cracii, und schreibt: „ob. sor. Adelheidis primogenita domini Adolfi regis romanorum, que laudabiliter prefuit nostro claustro. XXVII aunis," sie war also von 1311 bis 1338 Äbtissin. Der Grabstein befand sich nach Helwich und dem Epitaphien- buche in choro Virginum, nach Hagelgans im Chor der Kirche (!) vor dem Altar.

Der Name wird in den Verzeichnissen willkürlich Adelheid oder Adelheidis, in dem AV. mit dem Zusatz „vel Alheydis" geschrieben.

3. Imagina I., f vor dem 13. Jan. 1348. Ihren Namen lernen wir durch zwei Urkunden des J. 1347 kennen, deren Inhalt Schenck, Mem. II, 61 und Reimer, Urkundenbuch zur Geschichte der Herrn von Hanau, II, No. 712 Zusatz mit- teilen. In der einen bekennt die Äbtissin Imagina und der Konvent von Ulrich (III.) von Hanau zehn Mark in Gold, durcli welche das Kloster eine jährliche Ein- nahme von einem Pfund Heller erhält, empfangen zu haben; in der zweiten bescheinigt sie und die Klosterschwester Agnes, Tochter des Grafen Gerlach und Enkelin Ulrichs II, dass die der Agnes von ihrem Grossvater vermachten zwanzig Goldgulden ausgezahlt worden seien. Von Hagelgans wird die zweite, offenbar durch einen Druckfehler, da er sich auf Schenck beruft, in das Jahr 1337 gesetzt. Weil nun die Nachfolgerin Imaginas am 13. Januar 1348 in einer Urk. genannt wird, so muss diejenige Äbtissin Imagina, deren Todes- tag nach dem Nekr. der 28. Januar war, eine andere sein, die denn auch wirklich in einer Urk. des Jahres 1358 als solche vorkommt (No. 7), und die ältere Imagina bereits im Jahre 1347 oder in den ersten Tagen von 1348 ge- storben sein ; eine dritte Imagina des Nekr., die am 22. September starb, wird nicht Abbatissa genannt. Der Grund, warum die ältere (wie auch die jüngere) Imagina im Nekr. fehlen, wird darin zu suchen sein, dass, als man das uns vorliegende Nekr, nach älteren Aufzeichnuugen am Anfang des 15. Jahrhunderts anfertigte*^), die Namen der beiden sich nicht mehr vorfiinden, mag nun das betr. Blatt verloren oder beschädigt oder unleserlich gewesen sein.

Ob eine der beiden Imagina, wie man bereits früher von der ersten ver- mutet hat, eine Limburgerin war, wie die Königin Imagina, und welche von

^) Darüber werden wir in olneni besonderen Ab.'^chnitt Imiideln.

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beiden oder gar beide, ist nicht festzustellen; keinesfalls war eine die Schwester der Adelheid und Tochter des Königs Adolf, da diese auf dem bekannten Bilde bei Hagelgans und Kremer II nicht im Nonnenkleide dargestellt ist, man müsste denn bei Anfertigung desselben von ihrem Leben gar nichts mehr ge- wusst haben, was unwahrscheinlich ist.

4. Katherina, 1348. Ihr Name fehlt in allen Yerzeichnissen, ausser R.', doch erscheint er in mehreren Urk. des Jahres 1348, deren erste, wie er- wähnt, am 13. Januar und letzte am 9, Dezember ausgestellt ist; Anfang und Ende ihrer Amtsführung sind unbekannt, indessen kann sie noch im Jahre 1349 und 1350 gelebt haben. Denn sie kann diejenige Äbtissin sein, die in einer Urkunde von 1349 vorkommt. Graf Gerlach und seine Söhne, Adolf und Johann, hatten nämlich am 13. Januar 1347 dem Kloster ein Gebüsch, die Geis- hecke genannt, geschenkt, und achtzehn Ritter und Edelknechte als Mit- märker ihre Zustimmung dazu gegeben. Zwei Jahre später, infra octavam assumptionis b. virg., also zwischen dem 16. und 21. August erlaubt nun Graf Adolf „minre suster undt dem Convent" zu Ciarenthal dies Gebüsch zu roden, und die Klosterjungfrauen legten hier einen Weinberg an. Unter der „suster" ist natürlich die Äbtissin zu verstehen, die an der Spitze des Convents stand. Da nun „Schwester" ein Ehrenname aller Nonnen war, so ist es nicht glaublich, dass der Graf die Äbtissin blos Schwester genannt habe, da sie mehr als eine einfache Schwester war; sie muss seine leibliche Schwester gewesen sein. Treffen wir das Richtige, so geht daraus hervor, dass die Katherina 1. im August 1349 noch im Amte war, 2, dass sie dem Hause Nassau angehörte und eine Tochter des Grafen Gerlach und Schwester der Äbtissin Agnes (No. 6) war. Wenn Hagelgans eine Katherina als Tochter Gerlachs nicht kennt, so kann uns das nicht beirren, da er auch sonst nicht fehlerfrei ist, der Name Katherina aber dem gräflichen Hause nicht fremd war. Eine andere Frage ist, ob die Katherina des Nekr., die am 22. Juli eingetragen ist, unsre Äbtissin sei. Wir glauben dies bezweifeln zu müssen, da die Schrift auf die zweite Hälfte des 15. Jahr- hunderts hinweist. Dürften wir aber beide für dieselbe Persönlichkeit halten, so würde die Äbtissin mindestens noch den Juli 1350 erlebt haben.

5. Jutta I. von Lurenburg, 1351; auch bei ihr ist Anfang und Ende ihrer Amtszeit nicht bekannt, sie ist aber durch eine Urk. vom 30. Juni 1351 über das Besthaupt zu Biebrich bezeugt. Sie fehlt in allen Verzeichnissen und im Nekr.; denn die hier genannte Jutta von Lurenburg (9. Juni) ist die Äbtissin des Jahres 1371, welche im Jahre 1352 in einer Urk. des Heyne von Luren- burg vom 16. März^) als „filia mea in novo claustro" bezeichnet wird. Wäre sie bereits 1351 Äbtissin gewesen, so würde sie im Jahre 1352 auch so ge- nannt worden sein. Auch spricht der Umstand, dass Heyno ihr damals sechs Mark jährlicher Gült und dem Kloster zwölf Mark zur Beschaffung einer jähr- lichen Gült von einer Mark vermachte, dafür, dass sie erst kurze Zeit in dem Kloster war. Die ältere Jutta mag eine Schwester oder Verwandte Heynes gewesen sein, der vom Jahre 1324 an vielfach in der Umgebung des Grafen

1 (ju.l. III, :i(>o.

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vorkommt.^) Jutta hat wie Katlieriua ihr Amt nur kurze Zeit bekleidet, denn bereits im August des Jahres 1353 ist es in andern Händen.

6, Agnes von Nassau, Tochter des Grafen Gerhich, Äbtissin von 13ö3 bis 1350. Das Nekr. setzt ihren Tod auf den 16. Mai und giebt ihr drei Jahre Amtszeit: „ob. soror Agnes filia domini Gerlaei comitis de Nassauwe, que fuit abbatissa uostra tribus annis". Da kein Tagesheiliger hier zugefügt ist, fügt Kremer als Datum nach seiner Weise diesmal richtig XVI. Kai. (Jun.) hinzu. Zu der Angabe des Nekr. (tribus annis) stimmt, dass wir drei Urkunden aus den Jaliren 1353, 1355 und 1356 besitzen, welche ihren Namen nennen: in der ersten vom 24. August 1353 vermacht Mene von Biergestad zum Dank dafür, dass ihr die „erbarn geistlichen lüde, die aptissen undt frauwe Agnes von Nassowe undt der Convent zu den nuwen Closter . . ire bruderschaft" gegeben haben, eine Jährliehe Rente von einem Malter Korn; durch die zweite vom 17. Dezember 1355 schenkt der Pfalzgraf Ruprecht, das Andenken an seine Mutter Mechtildis von Nassau und seine Nichte, die damalige Äbtissin Agnes ehrend, dem Kloster die Pfarrei Rheinböllen in der Pfalz; in der dritten vom 25. Mai (in die s. Urbani p. et confess. = 25. Mai) 1356 vermacht Kraft von Nassau, Sohn des Grafen Gerlach, seiner Schwester Agnes zu Clarenthal die Gülte, die ihm von seinem Hause zu Sonnenberg fällt. Nehmen wir die drei Jahre des Nekr. genau, so muss Agnes etwa im Mai des Jahres 1353 zur Äbtissin erwählt und im Mai 1356 gestorben sein. Die Angabe des Nekr. aber, dass der 16. Mai ihr Todestag gewesen sei, muss gegenüber der zuletzt ange- führten Urkunde vom 25. Mai auf einem Irrtum oder darauf beruhen, dass der Gedächtnistag auf einen anderen als den Sterbetag verlegt wurde, wie dies öfter vorkommt. Sie wird in allen Verzeichnissen genannt, aber ihre Amts- zeit ungenau oder allgemein angegeben: Seh. sagt „nach Imagina", Schi, „in der Mitte des Jahrhunderts", R.^---^ „um 1348".

Nach der bei Hagclgans S. 15 im Auszuge mitgeteilten Urkunde über eine Schenkung des Grafen Gerlach an seine Tochter in Clarenthal war Agnes bereits im Jahre 1333 im Kloster; sie mag damals etwa 20 Jahre alt gewesen sein. Die Urkunde von 1347, die gleichfalls Hagelgans im Auszuge mit falscher Jahresangabe mitteilt, haben wir oben in No. 3 erwähnt.

7. Imagina IL war wohl die Nachfolgerin der Agnes und im Jahre 1356 erwählt worden. Sie siegelt eine Urkunde vom 27. März 1358 mit, durch welche Sifrid von Lindau dem Kloster eine jährliche Gülte vermacht. Sie starb nach dem Nekr. am 28. Januar; denn auf sie geht, wie war oben gezeigt haben, sein Eintrag: „Octava s. Agnetis virg. (== 28. Januar) ob. soror Imagina, que fuit longo tempore abbatissa et priorissa in claustro nostro." "Wie lange das longum tempus gedauert habe, wird nicht gesagt, auch nicht, wie es auf beide Ämter verteilt werden soll. Zur Klärung dieser Sache sowie zur Feststellung der Abfolge der Äbtissinnen bis zum Ende des Jahrhunderts dienen vielleicht die nachstehenden Erwäsunsren.

") ViM-i,"l. Schiioi)liuko IV, 120 ii:',-24l, ICl ( H'-'S). 171 (1333), 17(] (1340) uinl liie uiigedruckteii rrkuiuleii von IH'Jt), 1341, 1347.

12

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Nach dem Charakter ihrer Schrift im Nekr. werden bis zum Ende des 14. oder bis zum Anfang des 15. Jahrhunderts, d. h. bis auf Paze von Lin- dau ausser und nach Imagina II. noch fünf Äbtissinnen genannt; von diesen werden der Margaretha von Nassau 16, der Paze von Hofheim 6, zusammen 22 Jahre zugeschrieben; zwei, Gele von Nassau und Jutta 11. von Lurenburg, waren „longo tempore abbatissae et priorissae", Cecilie von Mainz ebenfalls „longo tempore abbatissa". AVie sind diese anzuordnen? Nur für eine, Jutta IL, steht ein Jahr ihrer Amtszeit durch eine Urkunde fest, das Jahr 1371. Es können also die 16 Jahre der Margarethe nicht vor diesem Zeitpunkt gelegen haben, da der Zeitraum von 1358, wo Imagina IL vorkommt, bis 1371 nur 13 Jahre umfasst, auch das vermutUche Alter der Margarethe (s. u.) einen früheren Termin ihrer Wahl zur Äbtissin nicht wohl zulässt. Dieser letzte Grund verbietet aber auch die Paze von Hof heim vor 1371 (Jutta) und vor Margarethe zu setzen (s. u.). Nehmen wir nun an, wie es auch wohl der Fall war, dass um das Jahr 1400 Paze von Lindau ihr Amt antrat, so ergiebt die Zeit von 1356 (Imagina IL) bis 1400 (Paze von L.) 44 Jahre, von denen 22 der Margaretha und Paze von Ilofheim gehören, die andern 22 unter Imagina IL, Jutta 11., Gele von Nassau und Cecihe von Mainz zu verteilen sind, so dass also auf jede im Durchschnitt 5 6 Jahre kommen; nehmen wir ferner an, dass ebensolang im allgemeinen jede vor ihrem Amte als Äbtissin das Amt einer Priorin verwaltete, wenn auch Cecilie nicht so genannt wird, so können die elf Jahre einer Abbatissa und Priorissa den Ausdruck „longum tempus" im Gegensatz zu der kurzen Amtsdauer der drei vorhergehenden Äbtissinnen recht wohl rechtfertigen. Unmöglich bleibt uns freilich, die Jahre der einzelnen genauer festzustellen und deren Verteilung auf beide Ämter anzugeben; nur soviel dürfen wir ohne die Gefahr zu irren annehmen, dass zwischen 1358 und 1371, d. h. Imagina IL und Jutta IL eine Äbtissin einzuschieben ist und ebenso zwischen Paze von Hofheim und Paze von Lindau. Die zwei einzureihenden sind Gele und Cecilie, und da es den vornehmen Damen schwer gefallen sein mag und lange gedauert haben wird, bis sie einer Mainzer Patrizierin die ehrenvolle Stellung einer Äbtissin einräumten (denn ganz frei von menschlichen Schwächen sind die edlen Klosterjungfrauen sicherlich nicht gewesen und geblieben)^), so geben wir der Gele von Nassau den ersten Platz, den nach Imagina IL, und der Cecilie von Mainz den nach Paze von Hofheim.

Es mag also Imagina IL von 1356 bis 1361 oder 1362 die Stelle einer Äbtissin inne gehabt haben.

8. Gele von Nassau. Nekr.: „Dedicatio basilice s. Michahclis archangeli (= 29. September), ob. soror Gele de Nassauwe, quo fuit longo tempore abba- tissa et priorissa in nostro claustro". Sie mag ihr Amt von 1361 oder 1362 an mehrere Jahre lang inne gehabt haben. Ihr Name fehlt in allen Verzeich- nissen; bei Schi, findet sie sieh unter den Gliedern des Hauses Nassau, die

") Wir iM-iiiiKTii Hill' 1111 illi- ZiMlfn, wclclio aiil' <li'i- Iiiiii'ii'ii'iti' di^s luiiti'iTTi Di'ckcls im Nekr. i'iti::iTr;ii:i-ii >iinl; >it' i'iii[itV'lil('ii u. u. ilrii Klii^tiMJuiintViUicii xorni'liiiilirli ,Ku-lifit und di; in udeki.'i t".

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zu Clarentbal Schwestern und Äbtissinnen waren, genannt, aber weder in die Reilie der letzteren eingefügt noch ihre Verwandtschaft mit der gräfliolion Familie näher begründet, offenbar weil er die Art derselben nicht kannte. Wir gestehen auch nichts davon zu wissen, ja wir glauben, dass sie gar nicht bestand. Der Name Gele ist dem Grafenhause fremd und wird nirgends in Genealogien desselben genannt. Daher scheint die Vermutung berechtigt, dass sie aus einem anderen Geschlechte, dem der Herrn von Nassau, stammte, die Burgmanuen von Nassau und Lehnsleute der Grafen waren. Bestärkt wird sie dadurch, dass zu dem Namen der Gele nicht zugefügt ist der Name des Vaters wie bei No. 1 und 3 u. a. oder ein ehrendes Beiwort wie domina oder illustris. Vergl. die Bemerkung zu Walpurgis nach No. 15. Doch bleibt die Sache dunkel.

9. Jutta von Lurenburg II. ist wahrscheinlich Geles Nachfolgerin ge- wesen. Wir haben oben No. 5 die Vermutung ausgesprochen, dass sie die in der Urkunde Heynos von Lurenburg vom Jahre 1352 genannte Tochter Ileynos ist. Am 10. Februar 1371 stellt sie eine Urkunde über die Feier des Anniversariums der zu dieser Zeit noch lebenden'") Gräfin Margarethe, Ge- mahlin des Grafen Adolf von Nassau, aus. Das Nekr. schreibt: „Primi et Feliciani mart. (= 9. Juni) ob. soror Jutta de Lurinborc, que fuit longo tempore abbatissa et priorissa in nostro claustro". War sie ca. 13GG zur Äbtissin er- wählt, so wird sie um 1371 oder 1372 gestorben sein.

10. Margarethe von Nassau, eine Tochter des Grafen Adolf I. und der Margarethe von Hohenzollern. Hagelgans setzt sie unter den Kindern Adolfs, der sich wahrscheinlich im Jahre 1332 vermählt habe (die Ehepakten sind am 23. Februar 1330 ausgestellt), an die fünfte Stelle; nach dem bekannten Bilde, das Kreraer am Ende des zweiten Bandes der Origines Nass. mitteilt, ist sie unter den Töchtern die zweite; sie wird also um das Jahr 1340 ge- boren und etwa 13G0 in das Kloster getreten sein. Folgte sie bereits im Jahre 1371 der Jutta im Ä.mte, so war sie damals etwa 30 Jahre alt. Das Nekr. sehreibt: „Kiliani et sociorum eins mart. (=8. Juli) ob. soror Margareta (Kremer: Margaretha) filia domiui Adolfi comitis de Nassauwe, que fuit abbatissa nostra XVI annis." Hagelgans gicbt als Datum den 5. Juni an. Seh. und Schi, setzen sie „ungefähr gegen Ende des Jahrhunderts", R.^'--' lässt sie auf Agnes folgen und 137 . . sterben, was, wie wir gezeigt haben, nicht der Fall gewesen sein kann; sie wird etwa 1387 oder 1388, ca. 47 48 Jahre nlt, gestorben sein.

11. Paze (Elisabeth) von Ilofheim war Margarethas Nachfolgerin, wie wir bereits oben mit Berufung auf ihr Alter angedeutet haben; sie ist etwa im Jahre 1365 in das Kloster eingetreten, da ihr in diesem Jahre ihre Mutter

*") Diese Urkunde, weli'lie Ilagelgans S. 19 und Menzel IV, 27 nicht beachtet haben, und die Urk. vom 25. Juli 1:j7ü (betr. das Atzun^'srecht der Grafon im Kloster) beweisen, »lass sie nach dorn Toile ihres Uemahls (17. Jan. lo'O) starb; sie heisst hier (iraf Adolfs AVitwe. Sie lebte aber auch noch am 14. November 1382, wo sie eine Urkunde für ihre Tochter Katherina, (lomahlin des Hcinliard von Westerburg, ausstellt. Das Urii^inal der Urkunde be- findet sich im Staatsarchive zu Wiesbaden, flu Abdruck nach einer späteren Abschrift bei Lehiiiiinn, (ie'-chiclite der Dynasten von Westerburi;, S. l'jy.

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Agnes und ihr Bruder Henne eine ewige Gülte festsetzen.") Wenn sie damals etwa 20 Jahre alt war, so konnte sie nicht vor der älteren Margarethe zur Äbtissin erwählt werden, wohl aber unmittelbar nach derselben in dem Alter von ca. 43 Jahren. Sie starb nach sechsjähriger Amtsführung, also etwa 1393. Nekr. : „Gervasii et Prothasü (Kremer: Perthasii, = 19. Juni) ob. soror Paze de Hoveheira, que fuit YI annis abbatissa nostra." Bei Seh. und Schi, fehlt ihr Name, nach R.'- war sie kurze Zeit, nach R.^ seit 137 . . Äbtissin; im AV. steht sie, wie bei uns, nach Margaretha.

12. Cecilia von Mainz schliesst die Reihe der Äbtissinnen des H.Jahr- hunderts ab. Nekr. : „Barnabe apostoli (^ 11. Juni) ob. soror Cecilia de Moguncia, que fuit longo tempore abbatissa in nostro claustro". Ihr Name fehlt in allen Verzeichnissen ausser R.--^, von dem sie nach Marie von Hanau- Lichtenberg (s. unten No. 24) angesetzt ist. Warum wir sie hierhin verweisen, haben wir oben gesagt. Sie war die Tochter eines Mainzer Patriziers, wie denn vor der Katastrophe von 1462 viele vornehme Mainzeriunen zu Ciarenthal Auf- nahme suchten und fanden. Leider lässt Kremers dürftiger Auszug aus dem Nekr. nicht erkennen, wie gross deren Zahl war; wir führen daher einige Namen hier an, die nach den Verzeichnissen von Gudenus im dritten Band seines Codex und Schaabs Geschichte der Stadt Mainz unzweifelhaft dahin ge- hören, und fügen den Tag, an welchem sie im Nekr. eingetragen sind, hinzu: soror Dyna dicta Berwelf (11. Juli), soror Agnes de Dente (zum Zahn, 5. Februar), Katherina zum Dulman (11. Januar), Elyzabeth de Dölman (21. Mai), Fygen von Mencz soror nostra (16, Februar), soror Agnes Guldenschaff (21. Januar), soror Kattherina iuvenis (zum Jungen) dicta zum alten Suab (4. November), soror Margaretha de Landeck (25. Juni), für welche Jacobus von Landeck civis Mogunt. jährlich ein Pfund Heller entrichtete (2. November), soror Clara zum Milden und Mechtildis de Milden (24. Juni und 17. April), soror Margareta zu den Rinwaden (10. Juli), die sorores Clara, Helena und Katherina de an- tiquo Suevo oder zum alten Suab (10. Juli, 25. November, 18. April), soror Clara de Speculo (9. März), für welche Jutta de Speculo civa (sie) Mogunt. jährlich eine Mark zahlte (15. April), soror Udewigis de Moguncia (3. Dezember), soror Clara de Walpbodin (25. Januar) und Margareta zum Walpoden (25. Juli), die sorores Adelheidis, Elyzabeth und Nesa zu dem (zum) Widenhofe (18. Juni, 10. April, 8. September), soror Agnes de Stelle (zum Stern, 13. Juni) u. a. m. Welchem Geschlecht unsere Cecilie angehörte, wird nicht gesagt und ist wohl kaum auszumachen; man könnte an die zum Baumgarten denken; denn bei ihnen kommt im Jahre 1342 eine Cecilie vor, „Jakobs sei. Dochter zum Baum- garten" (Schaab, Erfindung der Buchdr. H, 160), und ein „Jacobus zu dem Baumgart civis Mogunt. et uxor eins Geza contulerunt sororibus [zu Ciarenthal] annuatim dimidiam marcani" ; Nekr. am 6. Juni in der Schrift der älteren Ein- träge (des 14. Jahrb.). Indessen ist der Schluss aus dem Vorkommen eines Namens zu gewagt, um überzeugend zu sein.

Das Todesjahr der Cecilie ist unbekannt, vielleicht erlag sie der Pest, die

'j Vergl. «las Merkorlmch von F'. Otto S. 59.

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nach einer ungedruckten Nachricht hei R.' im Jahre 1405, bei R.^ im Jahre 1403 viele Insassen des Klosters h nweggerafft haben soll.

13. Paze von Lindau. Xekr. (ara 20. November, ohne Angabe des Tagesheiligen, Krem er aber schreibt XII. Kai. Dec.)-' «ob. soror Pacze de Lindau, que fuit longo tempore abbatissa et priorissa in nostro claustro XXIX annis." Rechnen wir als den Antritt ihres Priorats das erste Jahr ihrer Vor- gängerin als Äbtissin, wie es sich uns ergeben hat (etwa 1393), so umfasst der angegebene Zeitraum von 29 Jahren die Zeit von 1393 1422 oder bis zum Amtsantritt ihrer Nachfolgerin Agnes von Hanau. Als Äbtissin siegelt sie mit andern die Urkunde von 1412, durch welche Agnes und Alheit von Hanau, Kloster- jungfrauen von Clarenthal, auf die Herrschaft Hanau verzichten ; sie heisst hier Petze von Linden.'-) Wann sie an die Spitze des Klosters trat, ist nicht angegeben. Seh. bestimmt ihre Zeit durch: ^Petze von Linden um 1399 und noch 1412"; Schi, verwandelt dies in „1399, 1412" und R.*---^ noch genauer in „1399 bis 1412". Von allen diesen Angaben ist nur die Schencks in Bezug auf den Anfangstermin einigermassen zutreffend, alle andern ungenau oder falsch. Noch schlimmer steht es mit den Jahren 1412 1422, die wir noch der Paze zu- weisen müssen.

Als Nachfolgerin Pazcs nämlich nennt Seh. die Tochter Adolfs IL, Mar- garetha von Nassau, Schi, setzt sie „in den Anfang des 15. Jahrhunderts", R.''2 fügt ihrem Namen die Zahl 1415 hinzu, R.' gibt ihr die Jahre 1412 bis 1415, und auch in dem AV. steht sie nach Paze von Lindau. Was die Ursache dieser, wie wir sogleich sehen werden, wunderbaren Anordnung ist, vermögen wir nicht zu ergründen. Hagelgans sagt, dass diese zweite Tochter Adolfs U., von der weiter nichts zu sagen sei, nach dem Bericht der alten nassauischen Genealogien Äbtissin zu Clarenthal gewesen sei, fügt aber keine Jahreszahl hinzu und konnte keine hinzufügen, weil sie gar nicht Äbtissin war, am aller- wenigsten im Jahre 1415 oder 1412 1415; deswegen beruft er sich nicht auf Urkunden usw., sondern auf den Bericht der alten Genealogien. Nach seiner Berechnung war Adolf II. um das Jahr 1386 geboren; er verlobte sich im Jahre 1414, wie Menzel, Geschichte von Nassau V, 245, wahrscheinlich macht, aber mit ihm die Yermählung in das Jahr 1418 hinabrückt. Für uns ist es gleichgültig, welcher Zeitpunkt der richtige ist, denn keinesfalls konnte eine Tochter dieses Grafen in dem Jahre 1415 um von 1412 ganz zu schweigen Klosterjungfrau, geschweige denn Äbtissin sein, da sie frühestens im Jahre 1415 geboren wurde. Und wenn sie auch aus einer früheren Ehe des Grafen stammte, von der wir nichts wissen, so könnte sie doch damals noch nicht das Alter gehabt haben, um Äbtissin zu werden. Wir dürfen sie also getrost aus unserer Liste an dieser Stelle streichen, ebenso wie auch später für sie kein Raum bleibt. Übereinstimmend mit diesem Ergebnis ist der Um- stand, dass das Nekr. ihren Namen nicht kennt, und zwar in einer Zeit, wo die Eintragungen nicht nach einer vielleicht mangelhaften älteren Vorlage, sondern sofort nach dem Tode erfolgten. Vgl. übrigens No. 17 am Ende.

'-') Schenck, Mein. II, 61.

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El)onso wie die nassauische Margaretlia mnss die Wild- und Rheingräfin Margaret he, welclie überall nach jener eingereiht wird, aus unserer Liste ge- strichen werden. Das Xekr. kennt überhaupt ihren Namen nicht, und auch Schneider in der Geschichte der Wild- und Rheingrafen 1854 S. 94 ver- zeichnet keine Margarethe, die Klosterjungfrau zu Clarenthal gewesen wäre. Schenck stützt sich in dem Mem. II, 59 auf Rittershusins tabula gen., die wir nicht einsehen konnten, die aber sicher Schneider nicht unbekannt, jedoch nicht beachtenswert war. Wir schliessen sie daher aus unserer Aufzählung aus, nicht minder, um das vorauszunehmen, die Anna von Hoheulohe, die R.^ dieser Margarethe als Nachfolgerin ohne Jahresangabe ihres Amtsantritts gibt, während er als Sterbejahr 1440 zufügt. Damals starb in der That die Schwester Anna von Ilohonlohe, sie heisst jedoch weder im Nekr. (8. September) noch in dem Epitaph bei Hei wich abbatissa, was auch nicht möglich war, da eine andere diese Stelle inne hatte. Von Paze ist noch zu berichten, dass sie wahr- scheinlich unser jetziges Nekrologium anlegte, worüber wir ein anderes Mal reden werden. Über anderes, was ihr zugeschrieben werden kann, siehe die folgende Äbtissin.

14. Agnes, die Tochter des Grafen Ulrich V. von Hanau und seiner Gemahlin Elisabeth von Ziegenhain. Sie fehlt bei Seh., Schi, und R.'--, ist aber bei R.^ und in dem AV. genannt. Im Nekr. steht sie am 22, November: .jCecilie virg. ob. Ilhistris domina soror Agnes de Hanauwe, que fuit abbatissa huius conventus viginti et (juatuor annis" ; den hier genannten Todestag be- stätigt das Epit. bei Ilelwich und gibt zugleich das Todesjahr an: „Anno Domini MCCCCXLYI die s. Ceciliae virginis ob. Illustris domina Abbatissa soror Agnes de Hanauw. C. A. R. I. P. Amen," Somit umfasste ihre Amtszeit die Jahre 1422 1446. In Urk. erscheint sie als Äbtissin dreimal, 1432, 1435 und 1436; wenn also in einer Urk, von 1438 eine Äbtissin Anna von Hanau genannt wird, so niuss dies auf einem Irrtum der Aussteller, des Schultheissen und der Schöffen tler Stadt Wiesbaden, beruhen, da Agnes damals noch lebte; eine Anna von Hanau kommt überdies im ganzen Nekr. nicht vor. Einem ähnlichen Irrtum begegnen wir in No. 17.

Es befand sich gleichzeitig mit Agnes im Kloster zu Clarenthal ihre Schwester Adelheid (Alheit), welche, wie wir gesehen haben, im Jahre 1412 zugleich mit ihr auf die Herrschaft Hanau Verzicht leistete und ungefähr um dieselbe Zeit als sie starb; denn ihr Name steht mit denselben Schriftzügen unter dem 13. November in dem Nekr. mit der Bemerkung: „que contulit nol)is üctoginta Horenos." Zu beiden Schwestern gesellte sich wohl gleich bei ihrem Eintritt in das Kloster ihre Mutter Elisabeth; denn sie starb hier am 1. Dezember 1431, wie der Grabstein besagt, nachdem sie nach dem Nekr. zwanzig Jahre zu Clarenthal als Mutter und Freundin der Schwestern gelebt, dem Konvent viele Wohlthaten erwiesen und zuletzt hundert Goldgulden vermacht hatte. Sic wohnte in einem Hause, das sie sich in der Nähe der Klosterkirche erbaut hatte, und nahm wohl an vielen geistlichen Übungen der Jungfrauen Anteil. Sie mag es auch gewesen sein, die ihren Bruder, den Erzbisihof Otto von Trier (1418

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bis 1430), veranlasste, dem Kloster 35 GuUlcn „in remedium anime sue* zu vermachen, wie das Xekr. zum 14. Februar angibt.

Hier ist die Stelle, an der wir das einschalten wollen, was wir oben an- gekündigt haben ; mehrere Werke nämlich, die einer Besprechung bedürfen, sind aller Wahrscheinlichkeit nach von der Äbtissin Paze begonnen und entweder von ihr selbst oder ihrer Nachfolgerin Agnes vollendet worden. Die nahezu fünfzigjährige Amtszeit der beiden bildet, wie es scheint, aber hier nicht weiter erörtert werden kann, die Blütezeit des Klosters ; eine geregelte Bewirtschaftung seiner nicht unbedeutenden Güter lieferte hinreichende Mittel nicht blos zur Bestreitung der notwendigen Ausgaben, sondern erlaubte auch an die Ver- schönerung der Kirche durch Kunstwerke zu denken. Leider ist von diesen nichts erhalten, und nur Kopien'') aus späterer Zeit, fast hundert Jahre nach dem Ende der Anstalt, geben uns Zeugnis von zwei bildlichen Darstellungen, deren Entstehung wir in jene Zeit setzen zu dürfen glauben ; das dritte, ein Bauwerk, ist gänzlich von der Erde verschwunden.

Die beiden Bildwerke sind die Darstellung der Stifter des Klosters, des Königs Adolf und seiner Gemahlin, mit ihren Kindern und die ihres Enkels Adolf mit seiner Gemahlin und seinen Kindern. Sie befanden sich in der Kirche des Klosters, jenes an der rechten Seite des Chores, wie Hei wich angibt (ad latus dextrum chori), nach Dors Epitaphien „im niederen Chor auf der linken Seite", dieses nach demselben „über dem Epitaphio des Grafen und der Gräfin an der Mauer''. Dass das zweite Bildwerk aus der Zeit Pazes stammt und nicht früher begonnen wurde, ist daraus zu entnehmen, dass der siebente Sohn Adolfs, Johann, im erzbischöflichen Schmucke dargestellt ist wie sein älterer Bruder Adolf, er aber erst im Jahre 1397 auf den erzbischöflichen Stuhl zu Mainz er- hoben wurde; zudem entspricht die Linienführung der Ornamente der des An- fangs des 15. Jahrhunderts, wie Kunsthistoriker versichern. Das letztere findet aber auch bei dem ersten Bilde statt, sodass beide etwa derselben Zeit an- gehören mögen und ihre Entstehung unter die Äbtissin Paze gesetzt werden darf, wenn auch die Vollendung vielleicht einige Jahre später erfolgte.

Ähnliches gilt von dem dritten Kunstwerk, das wir nur aus dem Nekro- logium kennen lernen; leider hat Kremer die betr. Stelle desselben in seinem Auszuge nicht mitgeteilt, so dass man davon früher keine Kunde bekam. Unter dem 12. April heisst es: „Es ist zu wiszen, daz wir alle iar ierlichen sollen begen Rulmans selgen Jargezijt mit der vigilien des abendes und mit den sel- messon des morgens, wann er gewesen ist unser getruwer hofmeister unsers closters me wan zwentzig iar und hat uns vil gutes gethan, mit namen dasz er unsz hat laszen vil groszen Summen geltes varen, die wir ym schullig [waren, am Rande], dar zu hat er uns gegeben viertzig und hundert gülden an gelde zu stuher zu dem crutzgang an dem buhe." Rulman starb nach dem Charakter der Schrift des Eintrags, während Agnes Äbtissin war; mehr als 20 Jahre war er Hofmeister gewesen; als Beisteuer zu dem Bau des Kreuz-

^'^) Beide hat Kremor, Or. Nass., verötfentlicht, ihis ersco vun ilinen auch Hagelgans. y\"iv haben ihrer schon oben Erwähnung thun müs.sen.

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gangs gab er 140 H. Es wurJc also wahrscheinlich Wiihrend seiner Dienstzeit dieser Bau unternommen, was noch durch Paze geschehen sein kann, vielleicht auch erst unter Agnes vorgenommen wurde. Übrigens bestand schon ein älterer Kreuzgang,, da nach Hei wich die erste Äbtissin „in ambitu" begraben war und dort ihr Grabstein lag. Es mag also der neue Bau eine Erweiterung oder ein Umbau des alten gewesen sein.

15, Margaretha von Eppenstein, f 1450, war wohl die Nachfolgerin der Agnes. Ihr Xame findet sich bereits in einer Urk. vom 14. Oktober 1448, in welcher der frühere Zinsmeister des Klosters Conrad „bodel zu Wiesbaden'* bekennt der edlen und geistlichen Frau Margaretha von Eppenstein, Äbtissin zu Clarenthal, fünfzig Gulden, die er aufgehoben und eingenommen hat, schuldig zu sein u. s. w. Das Epit. bei II el wich lautet: „Anno Domini MCCCCL in die s. Laurentii mart. (= 10. August) ob, Illustrissima Domina soror Margaretha de Eppestein Abbatissa huius Conventus. C. A. R. F. P, Amen"; das Nekr. sagt: „Octava 3. Laurentii mart, (= 17. August I) ob. domina Margaretha de Eppe- stein abbatissa huius conventus". Krem er verbessert Eppestein in Eppenstein.

In Betrert' der Nachfolgerin Margarethas sehen wir uns gezwungen, aber- mals von der bislier angenommenen Reihenfolge abzuweichen und wiederum den Namen einer Äbtissin zu streichen. In sämtlichen Verzeichnissen, bei R.^ mit der Jahreszahl 1450, folgt auf Margaretha die Tochter dos Wild- und Rhein- grafen Johann IV, (f 1476) Walpurgis. deren Namen Sehenck, Mem. II, 59, der Germania ^^acra des Bucelinus II, 161 (nicht 61, wie dort steht) entnommen bat, statt Walpurga aber Walpurgis schreibt. Und wirklich hatte nach Hübners genealogischen Tabellen No. 458 der Wild- und Rheingraf Johann IV. eine Tochter Walpurgis ; leider aber war sie, wie derselbe Hübner angibt, Gemahlin des Cuno von Solms uud nach dessen Tod des Gottfried von Eppenstein, kann also nicht Klosterjungfrau gewesen sein. Nach Schneider a, a. 0. war sie aber vielmehr Schwester Johanns IV,, der vielleicht gar keine Töchter, die damals Äbtissinnen sein konnten, hatte, wenigstens keine Walpurgis. Macht uns dieser Umstand schon misstrauisch gegen Bucelins Angabe, so nuch viel mehr die Unsicherheit, die er in Beziehung auf den Namen Clarenthal verrät, indem er die Walpurga Äbtissin in Claenthal nennt und dazu die Vermutung setzt, dass damit wohl Clarenthal gemeint sei : gewisslich kein Gewährsmann, auf den man ohne weiteres bauen kann. Hühner vollends richtet mit den zwei Töchtern, die er ausser der Walpurgis Johann IV. gibt, die aber Schneider weder als Töchter Johanns III. noch IV. oder V. kenut, eine bedenkliche Ver- wirrung an: er nennt die jüngere, Katherina, die doch als Äbtissin von Claren- thal durch unser Nekr. bezeugt ist (s. No. 19), Äbtissin von Marienberg, und ihre ältere Schwester Margarethe Äbtissin von Clarenthal, obgleich unser Nekr. eine Wildgräfin dieses Namens gar nicht, auch nicht als soror autführt; in ihm findet sich nur eine soror Walpurg (21. März), geschrieben in der schönen Schrift, die von 1430 an vorkommt, aber bereits bei der Eppensteinerin (f 1450) verlassen ist, und diese Walpurg heisst weder abbatissa noch filia comitis Rhenani oder Ringräfin wie die Katherina (Xo. 19) und Anna (12. November), hat auch kein ehrendes Beiwort, wie domina, illustris oder generosa, dergleichen

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in (lieser Zeit den Jungfrauen fürstlicher Abkunft in der Regel zu Teil wird. Unter diesen Umständen halten wir es für am geratensten die Walpurgis aus unserer Liste als irrtümlich eingereiht auszuschlie;sen und auf die am 10. August 1450 gestorbene Margarethe von Eppenstein folgen zu lassen

16. Sophie von Bernbach, f am 29. März. Das Nckr. gibt ihr eine Amtsdauor von 2V2 Jahren, indem es zum genannten Tage in der Schrift, die der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts angehört, schreibt: „ob. soror Soffija de Bernbach, que fuit 27-» (TT ) annis abbatissa nostra, dedit nobispost mortem eius

I libr. III sol." Da kein Tagesheiliger, sondern nur der Sonntagsbuchstabe D angegeben ist, setzt Kremer vor den Eintrag das gleichfalls fehlende diesmal richtige Datum IV. Kai. Aprilis, liest Soffya und verkennt die Ziffer 2V2, in- dem er übersah, dass der letzte Strich des römischen III heruntergezogen und quer durchstrichen ist. Bei Seh. und seinen Nachfolgern fehlt der Name in dor Reihe der Äbtissinnen, Schi, bringt ihn nur in der Reihe der adeligen Schwestern (lY, 48). Die im Nekr. angegebenen 272 Jahre veranlassen uns, Sophie hier einzureihen; denn nirgends sonst ist es möglich, zwischen den Todes- tagen zweier Äbtissinnen diesen Zeitraum festzustellen. Wir nehmen also mit gutem Grunde an, dass Sophie etwa im September 1450 gewählt wurde und am 29. März 1453 starb, was eine Amtsdauer von annähernd vollen 2^8 Jahren ergibt. Dem Geschlecht der Bernbach gehörte eine zweite Nonne von Claren- thal an, die soror Eisgin, die am 15. Februar 1508 starb, und der Schultheiss von Wiesbaden, Ulrich von Bernbach, der in einer Urk. des Jahres 1477 ge- nannt wird.

17. Bertha von Nassau, f 1457. Sie ist zweimal als Äbtissin bezeugt; zuerst durch eine Urk. vom 22. Mai 1454, in welcher sie „Bertha von Nassauwe Eptissen zum Nuwen Closter" und der Konvent bekennen, dass sie „dem ersamen Henne Kotter von Itzstein, burger zu Wiesbaden, und Kuse, itzund siner elichen Husfrauwen" 27 Morgen in Wiesbadener und Mosbacher Mark auf Lebenszeit gegen jährliche drei Malter Korn und zehn Turnes ge- liehen haben. Das Nekr. ferner gibt als Todestag der Bertha den 10. April an, den Kremer, weil der Tagesheilige nicht zugefügt ist, mit der leider falschen römischen Bezeichnung II Idus ausstattet; hier nun heisst es: „ob. domina Bertha de Nassauwe abbatissa huius conventus 1457". Die Jahreszahl, die Kremer ganz übersehen hat, steht zwar am Rande unmittelbar hinter der vorhergehenden Zeile; der Schreiber bemerkte indessen selbst seinen Irrtum und zog dieselbe durch einen feinen Strich zu der folgenden Zeile, welche denn auch wirklich dieselbe Tinte und dieselben Züge als die Zahl aufweist, während die erste die Tinte und Schriftzüge der älteren Zeit darbietet. Auch das muss beachtet werden, dass die früheren Einträge nicht mit Jahresangaben versehen sind, die erst von Mai 1453 an eintreten, ohne jedoch zur Regel zu werden. Aus allen diesen Gründen müssen wir ohne Bedenken das Jahr 1457 als das Todesjahr der Äbtissin Bertha ansetzen. Sie kann also nicht die Tochter des Grafen Johann, der sich erst 1436 vermählte, gewesen sein. Wir vermuten, dass sie dessen Schwester war und vielleicht noch zu Lebzeiten ihrer Gross-

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mutter, Bertha von Westorburg (f 1418), der Gemahlin Walrams, geboren wurde und von ihr den Namen erhielt. Sie fehlt freilich in der Aufzählung der Kinder Adolfs IL bei Hagelgans, weil dieser sie offenbar mit einer zweiten Bertha, der Tochter Johanns, vermischte (s. unten) und sie zur Nachfolgerin von deren Schwester Margarethe (Xo. 20) im Jahre 1486 machte. Denn er gibt ihr denselben Todestag (10. April); das Jahr, fügt er hinzu, sei (in dem Epitaph) unkenntlich.

Wir können noch weiter gehen und wagen die Vermutung auszusprechen, dass die bei Hagelgans als Tochter Adolfs H. verzeichnete Äbtissin Margarethe, die wir oben aus unserer Liste streichen mussten, weil sie an ganz unmöglicher Stelle eingereiht war, den Namen der Bertha verdrängt habe und an deren Stelle als Abtij^sin von ihm eingesetzt worden sei, wenn er auch keine Jahres- zahl, weder ihrer Amtszeit im allgemeinen noch ihres Todes, angibt ; erst seinen Nachfolgern blieb es vorbehalten, sie am verkehrten Orte einzuschalten.

Aber wie kam man dazu die Äbtissin Bertha ganz auszumerzen und an ihre Stelle, wenn wir recht vermuten, die Margarethe einzuführen'? Die Antwort auf diese Frage ist leicht. Es gibt in der That eine Urk, (vom 28. Februar 1455) mit dem Namen der Äbtissin Margarethe; sie ist ausgestellt von dem Pfalzgrafen Friedrich, der durch sie bekennt, dass ihm die wohlgeborne Margarethe von Nassau, Äbtissin zu Ciarenthal bei Wiesbaden, und der ganze Konvent die Gift des Altars zum h. Kreuz in Rheinböllen gegeben haben. Diese Urkunde war den älteren Genealogen, auf die Hagelgans sich stützt, bekannt und ist der Grund ihrer Annahme, unbekannt aber blieb ihnen die oben an- geführte Urkunde der Äbtissin Bertha und die Stelle des Nekrologiums, die beide schwerer wiegen als jene; denn sie sind im Kloster selbst in den betr. Jahren niedergeschrieben, während man auf der Kanzlei des Pfalzgrafen leicht einem Irrtum im Namen unterliegen konnte. Wir halten uns also auch hier für berechtigt den Namen der Margarethe aus der Reihe der Äbtissinnen zu streichen.

18. Margarethe von Scharfenstein, f am 9, September 1466. Nekr.: „Gorgonis mart. (= 9. September) ob. Margaretha de Scharpensteiu Abbatissa huius conventus anno domini MCCCCVI". Ihren Namen hat das AV. und R.*, nicht aber Soh., Schi., R.'--.

19. Katherina Rheingräfin, f am 27. Dezember 1473. Sie fehlt in allen Verzeichnissen, erscheint aber in einer Urkunde vom 4. April 1468, die der Bruder und Schaffner des neuen Klosters zu Clarenthal Philipp das aus- stellte, als Äbtissin und starb nach dem Nekr. im Jahre 1478: „lohannis apostoli evangeliste (= 27. Dezember) ob. Domina Ringrafin huius monasterii [abbatissa] sub anno MCCCCLXXIII". In dem Original fehlt das Wort abbatissa, das wir ohne Bedenken eingefügt haben. Denn wenn schon der Genetiv huius monastrii ein ihn regierendes Substantiv verlangt, das die ehrende Benennung domina nicht sein kann, so wird unsere Ergänzung durch die erwähnte Urk. bestätigt. Man könnte auch auf die Vermutung verfallen, dass statt sub das Wort abb. als Abkürzung von abbatissa gelesen werden miisse. Eine solche

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scheint aber nirgends von den Schreibern des Nekr. angcwcnd(>t zu sein, und sub bei einer ähnlichen Zeitangabc ist auch bei der illustris soror Anna de Iloenloch (8. September 1440) gebraucht: „?iub anno MCCCC quadragesimo". Katherina wird von Ilübner, wie wir .-chon oben erwähnt haben, als Tochter des Rheingrafen Johann IV. und der Elisabeth von Hanau, aber fälschlich als Äbtissin von ^farienberg bezeichnet; eine „Ringreftin Anna", vielleicht ihre Schwester, starb als Nonne von Clarenthal am 12. November 1466. Die Vor- liebe der Hanauer für Clarenthal (vergl, No. 14) mag beide unter der Äbtissin Agnes von Hanau dahin geführt haben. So hat denn endlich eine Wild- und Rheingräfin eine Stätte als Äbtissin zu Clarenthal gefunden, wenn auch an andrer Stelle, als man bisher annahm.

20. Margarethe von Nassau war die Nachfolgerin der Katherina; denn sie starb, nachdem sie dreizehn Jahre, also seit 1473, Äbtissin gewesen, am 27. Mai 1486. Nekr.: „lohannis pape et mart. {= 27. Mail ob. Generosa domina Margaretha de Nassauwe, que fuit abbatissa tredecim annis huius nionastrii. Anno M°CCCC°LXXXyp''. Sie wird in allen Verzeichnissen mit ihrem Todesjahre genannt, dem Seh. ausserdem das Jahr 14S3 beifügt, offenbar weil er von der Urk. (jetzt im Staatsarchiv, s. No. 25), die sie am 25. Januar dieses Jahres ausstellte, Kenntnis hatte. In ihr stand zum letzten Male eine Jungfrau aus dem grätiichen Hause Nassau an der Spitze des Klosters; sie war die Tochter des Grafen Johann von Nassau-Wiesbaden und Idstein.

Ihr folgt bei Seh., Schi, und R.^---^ diejenige Bertha von Nassau, welche wir oben (No. 17) einfügen mussten. Wir haben ihrer schon zweimal Erwähnung gethan, können aber nicht umhin, alles, was wir gegen unsere Vorgänger auf dem Herzen haben, hier zusammenzufassen. Es war wohl die gewichtige Autorität von Hagelgans, die seinem Irrtume Eingang und Glauben ver- schaffte, dass Bertha, die Tochter des Grafen Johann, „um das Jahr 1446^ geboren, nach ihrer Schwester Margarethe Äbtissin gewesen sei. Dagegen spricht zunächst, dass das alte Verzeichnis, welches Roth dem 15. Jahrhundert zuschreibt, den Namen Bertha an dieser Stelle nicht darbietet (s. oben S. 173); da es aber mit deren Nachfolgerin Sophie von Ilunolstein schliesst (Roth sagt: „soweit das Copiar"), so muss es während deren Amtszeit, etwa 1490, verfasst sein, also von einem Zeitgenossen der Sophie, der die letzten Veränderungen im Kloster miterlebt oder von andern erfahren hatte. Aus seinem Schweigen dürfen wir den Sciduss ziehen, dass es am Ende der achtziger Jahre eine Äbtissin Bertha nicht gegeben habe. Noch zwingender ist folgender Umstand: schon im August 1486, also noch nicht drei Monate nach Margarethens Tod, erscheint Sophie von Hunolstein in einer Urkunde des Klosters über die Geisheck, eine Besitzung desselben, und im Oktober in einer zweiten, durch welche die Stadt Wiesbaden für ein von dem Kloster geliehenes Kapital von 200 ff. jährlich zehn Gulden Zinsen zu zahlen verspricht. Schieben wir vor sie Bertha ein, so müsste diese schon vor Ablauf von kaum zwei Monaten seit ihrer Wahl, die frühestens Anfang Juni stattgefunden hätte, gestorben sein. So unwahrscheinlich eine so kurze Amtsdauer an sich ist, so ist noch unwahrscheinlicher, dass man im Nekr. diesen raschen Wechsel (drei Äbtissinnen in einem Jahr!) nicht vermerkt hätte.

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Wir glauben somit berechtigt zu sein, die Angaben von Hagelgans, Seh., Schi, und R. zurückzuweisen, und das umsomebr, als die Quelle des Irrturas von Hagelgans nicht verborgen ist; sie ist darin zu suchen, dass er die ältere Bertha (So. 17), die er nicht kennt, mit seiner jüngeren zu einer Person ver- schmilzt: von jener entnahm er den Charakter als Äbtissin und das Datum ihres Todes, den 10. April, von dieser die Abstammung von Graf Johann. Hätte er das Nekr. zu Rate gezogen, so würde er gefunden haben, dass es in der That zwei Klosterfrauen ihres Namens in der zweiten Hälfte des 15. Jahr- hunderts nennt; ausser der älteren, die im Jahre 1457 am 10. April starb, er- scheint eine zweite am 3. September (ohne Jahresangabe) : „ob. Illustris domina soror Berta de Nassauwe**. Diese ist die Tochter des Grafen Johann, die ältere aber, wie wir oben vermuteten, muss als Tochter des Grafen Adolf (H.) an- gesprochen werden.

21. Sophie von Hunolstein, 1486 1508. Yon ihr haben wir schon gesagt, dass sie die unmittelbare Nachfolgerin der Margarethe von Nassau war und in Urkunden vom August und Oktober 1486 vorkommt. Auch während ihrer langen Aratsdauer begegnet sie oft, da sie in einen unerquicklichen Konflikt geriet, den Seh., Schi, und R. erzählen, wir aber übergehen können. Wir be- schränken uns darauf, zwei gedruckte Urkunden anzuführen: die eine findet sich bei Schenck, Memorab, H, 61 und ist am 18. August 1499 ausgestellt; sie wird bei No. 24 zur Sprache kommen; die zweite vom 12. Juli 1500 hat Töpfer in dem Urkundenbuch der Vögte von Hunolstein H, 49 veröffentlicht; in ihr verzichtet „Sophie von Hunolstein Eptissin des Closters zu Clarenthal genannt zu dem Nuwen Closter by Wisebaden" auf die Verlassenschaft ihres sei. Bruders Nikolaus. Ihren Tod meldet das Nekr. also: „Ioseph[i] nutritoris domini (= 19. März) Obiit die edel Schwester Suffia von Hundelstein Eptissen

und Ir swester Evde auch von Hundelstein haben unserra closter geben \\\^

T gülden und salman In lerlichen Ir largezeit uff sant Franciscus öbent begen.

Anno 158."'*) Die Schwester der Sophie, deren Namen hier Eyde geschrieben

ist, starb nach dem Nekr. am 27. September 1494: „Cosme et Damiani mart.

ob. soror Yda de Honnelstein anno 1494" (fehlt bei Kremer).

22. Magdaleue Schenk von Erbach, f 1512. Epit. bei Helwich: „Anno domini 1512 ipso die Simonis et ludae (= 28. Oktober) ob. Illustris domina soror Magdalena Schenckin de Erpach Abbatissa huius conventus". Gleichlautend ist der Eintrag des Nekr. Bei Seh. und Schi, fehlt ihr Name. Sie war wohl die Tochter des Grafen Georg zu Erbach (f 1481). Vier Jahre vor ihr, am 25. Mai 1504, war eine andre Erbacherin, die soror Margaretha, im Kloster gestorben, zwanzig Jahre nach ihr, am 8. Januar 1532, starb eine zweite Magdalena Schenk von Erbach, die zwanzig Jahre Priorin des Klosters

'*) K re in e r liefert wieder mehrere Uiigeii(iuij,'keitoii, wie .S<'li woster statt swester und III C. statt ]7[ C, Abend statt 6l)0nt. Die Ziilil 1.j8 ist = 1508. Dtis Fest des li. Franeiscus (Senipliicus)

r

ist um i. < iktulttM".

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gewesen war, und im Jahre 1523 wurde Katharina, Gräfin Schenk von Erbach, als Schwester aufgenommen") (vergl. No. 24).

23. Margaretha Freiin von Dern, f 1518. Sie fehlt bei Seh., Schi. R.2>3 und ist bei R.' als uneinreihbar angegeben, offenbar weil Krem er sich nicht die Mühe gegeben hat den Eintrag im Nekr. bis zu Ende zu lesen und die daselbst deutlich stehende Jahreszahl also auslässt. Es sagt: „Conceptio beate virginis (= 8. Dezember) ; ob. Domina Margareta Frien von Dern abba- tissa, hat unsz geben XXXX (Krem er: XXXV) gult gülden vor zwe ewege gult. Darvor sal man sie alle lar uff Sant Anna dagk began mit eyner messen und vigilien etc. XV^ XVIII". Die Worte von gult gülden an fehlen bei Kremer. Die Freien von Dern waren im Rheingau begütert und wohnten zu Eltville; schon im 15. Jahrhundert war eine „Liebmuth Frien de Dern" Schwester zu Clarenthal gewesen; sie starb nach dem Nekr. am 21. September 1477.

24. Maria Gräfin von Hanau-Lichtenberg wird in zwei Urkunden, 1521 Dienstag nach Laurentius und 1523 Ascens. dom., über die Aufnahme der „Grettgen" Cambergerin von Bleidenstadt und „Katrina Schenck von Er- pach" in das Kloster Äbtissin genannt; sie selbst war im Jahre 1499 durch „Frya von Hunoltstein" (Sophie von Hunolstein) aufgenommen'®) und ohne Zweifel im Jahre 1518 zur Äbtissin erwählt worden. Die Wahl des Klosters Clarenthal ist wohl daher zu erklären, dass die Schwester ihres Vaters, des Grafen Philipp von Hanau-Lichtenstein, die Gemahlin des Grafen Adolf III. von Nassau war; auch mochte die alte Vorliebe der Hanauer für Clarenthal nach- gewirkt haben. Die eben genannte Gemahlin Adolfs, Margarethe von Hanau- Lichtenberg, war zudem eine Wohlthäterin des Klosters, dem sie, wie das Nekr. zu ihrem angeblichen Todestag, dem 25. Mai 1504'^) bemerkt, einen ewigen Gulden und eine Kasel geschenkt hatte. Der Äbtissin wird im Nekr. nicht gedacht; Seh. und Schi, nennen sie mit den Jahren 1522 und 1523, R. in seinen drei Verzeichnissen schliesst sie unmittelbar an die Magdalene Schenk von Erbach an, in dem letzten von 1896 mit dem Zusatz: „noch 1523 ini Amt".

Auf Marie von Hanau-Lichtenberg lässt R.'-' die Cecilie aus Mainz folgen, die nach den Schriftzügen des Nekr. in das 14. Jahrhundert gehört und von uns an dessen Ende gesetzt worden ist. Siehe No. 12.

25. Anna Brendelin von Homburg, 1525 1553, die letzte Äbtissin. Erwählt wurde sie nicht im Jahre 1526, wie Seh. und nach ihm Schi, und R.i.2,3 angeben, sondern bereits im Laufe des Jahres 1525; denn sie nennt in dem Haushaltungsbuch des Klosters von 1550 1554, das in dem Staats-

'^J Simon. Geschichte der Djimsten und Grafen zu Erbach 1858 S. 378, nennt drei Erbacherinnon >i\h Schwestern des Klosters Clarenthal, Mag<lalcna, Tochter des Grafen Georg, Elisabeth, anfangs Nonne zu Marienburn, dann zu Clarenthal, und Katharina, geb. im Jahre 1.')IG; die Urkunde bei Schenck, ^[enior. II, 60 gibt für die letztere („Katrina") das Jahr 1523 als Zeit ihrer Aufnahme an; s. No. 24. Elisabeth und Katharina traten später aus dem Kloster aus.

■8) Die Urk. von 1523 und 1499 bei Schenck, Mom. II, 00 u. 61, die von 1521 im Staatsarchive. Fryae ist verschrieben statt Fya.

^^) Nach dem Epit. bei Ilelwich ist sie am 26. Mai gestorben.

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archive aufbewahrt wird, das Jahr 1550 ihr 25. Amtsjahr; ihre erste erhaltene Urk. ist allerdings im Jahre 1526 ausgestellt. Im Nekr. fand sie keine Auf- nahme, wohl aber erhielt sie einen Grabstein mit der Inschrift: ^Anno 1553 die Kal.(!) 25. Octob. ob. veneranda et nobilis Domina Soror Anna Brendelin de Homburg Abbatissa huius conventus". Ihre Familie war in der letzten Zeit des Klosters durch viele Glieder vertreten ; im Nekr. finden sich ausser der Anna noch folgende Schwestern verzeichnet: Dorothea Brendeln, f am 7. Nov. 1472, Kungundis, f am 21. März 1480, Dorothea, f am 22. Januar 1495, Ilt'belgin, f am 6. Januar 1507, Kungundis, f am 17. September (15)24; es sind ihrer also im ganzen sechs. Für zwei von ihnen, Hebele und Dorothea (die jüngere) verzichten in einer Urk. vom 17. Mai 1483 die Äbtissin Margarethe und der Konvent auf alle Ansprüche an Johann, Bernhard und Anna Brendel gegen Empfang einer Summe Geldes; die beiden Schwestern heissen hier Tüühter des Friedrich Brendel von Homburg und seiner Frau Kunigund.

Die Äbtissin Anna erhielt keine Nachfolgerin mehr, das Kloster ging seiner Auflösung entgegen. Die Geschäfte der Äbtissin versah anfangs die Priorin Margarethe Reinbergerin ; nach deren im August 1554 erfolgten Tode wird einigemal die Schwester Marie Nassauerin als Statthalterin oder Verwalterin genannt, die im Beisein der Margarethe von Diez mit Ilandwerksleuten ab- rechnet; so nach dem Ilaushaltungsbuch am 14., 23. und 24. September 1554. Aber schon vorher, am G. September, war die Oberaufsicht über die Verwaltung der Anstalt thatsäch'ich in die Hände des Grafen übergegangen; denn an diesem Tage „besichtigten" in seinem Auftrage zwei Beamte von Wiesbaden in Gegen- wart der sechs anwesenden Klosterjungfrauen die Briefe und Siegel des Klosters und Hessen am 13. September und 18. Oktober Inventare über den Viehbestand aufnehmen. Die endgültige Auflösung der Anstalt erfolgte erst unter dem Sohne des Grafen Philipp, dem jüngeren Philipp, im Jahre 1559. Eine neue Äbtissin zu wählen hatten beide verhindert, von einer anderen Statthalterin hören wir nichts, aber Marie bewohnte bis zu ihrem Scheiden aus dem Kloster die sog. „alte Abtei". Ein Schreiben an den Grafen vom 15. März 1555 ist von fremder Hand geschrieben (da „keine persone under uns [den Kloster- schwestern] ist, welche etwas schreyben möge") und unterzeichnet „Der gantz Convent zum Nuwen closter". Doch näher auf diese Zeit einzugehen, gehört nicht hierher.

Anhang. Die Priorinnen.

So dürftig auch die Nachrichten über die Priorinnen des Klosters sind, so wollen wir doch die überlieferten Namen hier kurz zusammenstellen und möglichst die chronologische Folge wahren. Unsere Quelle ist hier nur das Nekrologium.

1. Dem 14. Jahrhundert gehören an:

1. Soror Ymagina, longo tempore abbatissa et priorissa, f am 28. Januar. Sie ist unsere Äbtissin No. 7 und war also vor 1356 Priorin.

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2. Soror Gele de Nassauwe, longo tempore abbatissa et priorissa, j am 29. September. Unsere Äbtissin No. 8.

3. Soror Jutta de Lurinborc, longo tempore abbatissa et priorissa, f am 9. Juni. Unsere Äbtissin No. 9.

Völlig unbestimmt sind die Jahre folgender drei Priorinnon:

4. Soror Agnes de Deute, priorissa X annis, f ^"i •"^- Februar. Sie war die Tochter eines Mainzer Patriziers.

5. Soror Margretha de Landeck, priorissa VI annis, f am 25. Juni. Gleichfalls eine Mainzerin.

6. Soror Agnes de Ar müde, priorissa nostra, f am 21. Dezember.

7. Soror Pacze de Lindau, longo tempore abbatissa et priorissa, f am 20. November (1422); ihr Priorat füllt in das letzte Jahrzehnt des 14. Jahrhunderts.

2. Dem 15. Jahrhundert gehören an:

8. Soror Elisabeth de Yringen, priorissa XVI annis, f am 19. April. Kremer schreibt XIII annis.

9. Soror Nesa zum Widenhoffe, f am 8. September. Sie war eine Mainzerin und starb bald nach 1440.

10. Soror Katherina Elkershusen, f anno domini M°CCCC^LXI° am 20. August.

11. Domina Katherina de Lindauwe priorissa, j am 21. Juni.

3. Dem 16. Jahrhundert gehören an:

12. Soror Margaretha de Schön born priorissa, f am 25. März 15[0J9.

13. Generosa Magdalena Schenkin de Erbach, 20 Jahre preyorin, t am 8. Januar [15|32.

14. Margaretha Reinbergerin"*), die letzte Priorin, nicht im Nekro- logium, aber 1550 im Visitationsbericht, im Haushaltungs- und Rech- nungJibuch des Klosters genannt, f im August 1554.

Auf den zwei folgenden Seiten, S. 194 und 195, geben wir eine über- sichtliche Zusammenstellung der Äbtissinnen, wie sie sich uns ergeben hat, mit Angabe der Quellen, auf denen unsere Anordnung beruht, und der An- nahmen ueuerer Darsteller der Geschichte Ciarenthals.

'*) Nirht (.'ambergeriii, wie sie in Zeitsrhril't für Kircheng-esoliichte XV, 435 irrtümlich gedruckt ist.

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ir. Zwei päpstliche Bullen.

Zwei Päpste des 14. Jahrhunderts, ein Clemens und ein Urban, glaubten in die Verwaltung der Besitzungen des Klosters Ciarenthal eingreifen zu müssen, um die dort bestehenden Missbräuche zu beseitigen. Veranlasst wurden sie zu diesem Schritte ohne Zweifel durch Berichte des Provinzials der oberrheinischen Provinz des Franziskaner-Ordens, dem das Kloster unterstellt war. In den beiden fast ganz gleichlautenden'^) Bullen, die aber an verschiedene Personen gerichtet waren, sagen sie, es sei ihnen zu Ohren gekommen, dass die jetzigen und frühe- ren Äbtissinnen und Konvente Einkünfte und Besitzungen des Klosters zu dessen grossem Schaden Klerikern und Laien teils auf Lebenszeit, teils auf unmässige Fristen und andern für immer überlassen hätten; manche hätten sogar, wie es heisse, die Bestätigung des päpstlichen Stuhls erlangt. P. Clemens gibt daher dem Scholasticus der Kirche des h. Mauritius zu Mainz, an den seine Bulle gerichtet ist, P. Urban dem Decan der Kirche des h. Gangolf ebenda die Weisung dahin zu wirken, dass die auf solche Art veräusserten oder zer- splitterten Güter, soweit es möglich sei, wieder in den Besitz des Klosters kämen. Sie schliessen mit Bestimmungen über das Verfahren gegen Contra- dictores und Zeugen, die sich einer Aussage entziehen wollen.

Es ist der Mühe wert, die zw^ei Bullen genauer zu betrachten, da bisher von Schenck an weder die Zeit ihrer Abfassung und damit die Namen der zwei Päpste richtig angegeben wurden, noch ihr Inhalt den bisherigen Dar- stellungen entspricht und schliesslich aus ihnen Folgerungen gezogen worden sind, die, weil ihre Grundlagen nicht Stich halten, mit diesen hinfällig werden. Wir schicken voraus, dass wir nicht glauben können, dass Schenck in seiner Geschichte Clarenthals (Geschicht-Beschreibung der Stadt Wiesbaden S. 391 ff.) der eigentliche Urheber dieses Wespennestes von Irrtümern war, sondern der- jenige, welcher ihn über den Inhalt der Bullen unterrichtete, sei es nun der Archivar Hagelgans gewesen oder ein anderer; denn er selbst hat nicht für nötig erachtet die Bullen genau anzusehen, sondern begnügt sich mit fremdem Bericht, da seine Mitteilung sonst sicherlich anders lauten würde, jedenfalls anders hätte lauten müssen. Schenck war viel zu bedächtig und sorgfältig in Benutzung seiner Quellen, zu umsichtig, um nicht seine Vorlagen genauer zu prüfen und mehr auszubeuten, als hier geschehen ist. Das Nähere siehe unten.

Ohne uns auf den Nachweis der in den Bullen angegebeneu Missstände einzulassen, zumal wir davon höchst mangelhaft unterrichtet sind, fragen wir zunächst: wann und von welchen Päpsten sind die beiden Bullen erlassen? Im Laufe des 14. Jahrhunderts erscheinen die Namen Clemens und Urban bei den Päpsten mehrmals. Sehen wir von Clemens V. ab, dessen Pontifikat

'") Wir lii>^fn b^ide unten folgen; verschieden ist in ihnen einigemal die Wortstellung; iiei Aufzählung d(.'r uIhmi erwähnten Besitzungen des Klo-sters fügt P. Urban casalia et grangias bei. Das Kloster nennt l*. (,'lemen.s monasterium zum Nuen Kloster prope Wysebadon, Urlian monasttM-ium Sancto Cläre in ClarfMidayl prope Wysebaden. Üi«' beiden rrkuiideii betiiidfii sieh im Sfuat.^ari'tiive zu Wiesiiudeii.

197

(1305 1314) der Griimlung Clarenthals zu nahe Hegt, als dass von mehreren Äbtissinnen, jetzigen und früheren, geredet werden konnte, so kommen vier Päpste in Betracht; Clemens VI. und VII, sowie Urban V und VI.

Clemens VI. wurde erwählt am 7. Mai, geweiht am 10. Mai 1342 und

starb am 1. Dezember 1352; er residierte zu Avignon.

Clemens VII. wurde erwählt am 20. September, geweiht am 31. Oktober

137S und starb am 16. September 1394; er residierte zu Avignon.

Urban V. wurde erwählt am 27. September, geweiht am 6. November

1362 und starb am 19. Dezember 1370; er residierte zu Avignon.

Urban VI. wurde erwählt am 9. April, geweiht am 18. April 1378 und

starb am 15. Oktober 13S9; er residierte zu Rom.

Die Bulle des Papstes Clemens ist ausgestellt zu Avignon „III Non. Novembres pontificatus nostri a. tertio", also entweder am 3. Nov. 1344 von Clemens Vf., oder an demselben Tage des Jahres 1381 von Clemens VII.; die des P. Uiban ist gleichfalls zu Avignon ausgestellt und zwar Idibus lunii, also am 13. Juni „pontificatus nostri a. quarto" = 1366 von Urban V. oder 1382 von Urban VI,

Welche Datierung ist die richtige? Schenck, Schliephake, Geschichte von Nassau IV, 53 und Roth, Geschichte von Clarenthal in seinen drei Be- arbeitungen (Korrespondenzblatt des Gesamtvereins 1882 S. 68, Geschichte der Stadt Wiesbaden S. 653 und im Wiesbadener Tagblatt 1896 No. 455) nennen die beiden letzten ihres Namens, Clemens VII. und Urban VI., müssen also die Jahre 1381 und 1382 als die Zeit der Abfassung annehmen.

Fragen wir die Urkunden selbst, so hängt an der von Clemens noch die Bleibulle mit dem sehr deutlichen Namen Clemens VI., so dass kein Zweifel darüber bestehen kann, dass die Bulle im Jahre 1344 und von diesem Papste erlassen ist. Ergänzend fügen wir hinzu, dass Clemens VII., der als Papst wieder nach Avignon zurückkehrte und dadurch das grosse Schisma einleitete, in fast ganz Deutschland und insbesondere in Mainz nicht anerkannt wurde und daher im Jahre 1382 keine Weisung dahin ergehen lassen konnte.

An der Urkunde des P. Urban ist leider die Bleibulle nicht erhalten; aber eine kurze Erwägung, die sich an den Ausstellungsort anknüpft, belehrt uns, dass auch hier von Schenck eine unglückliche Wahl im Namen getroffen wurde. Die Bulle ist nämlich wie die erste zu Avignon erlassen. Nun schlug aber Urban VI. seine Residenz in Rom auf; er konnte also keine Bulle im Jahre 1382 zu Avignon ausstellen, wohl aber Urban V. im Jahre 1366, auf den wir daher zurückgehen müssen.

Nachdem wir die Päpste (Clemens VI. und Urban V.) und die Jahre 1344 und 1366 festgestellt haben, wenden wir uns zum Inhalte der Bullen. Von Urban sagt Schenck, er habe an den Erzbischof von Mainz einen Befehl er- gehen lassen u. s. w. Dagegen ist zu betonen, dass der Titel oder Name eines Erzbischofs in der betr. Urkunde gar nicht genannt wird, sondern an die oben genannten Würdenträger zweier Mainzer Kirchen die Weisungen der beiden Päpste ergehen. Am allerwenigsten kann man an den Erzbischof Gerlach, den

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Roth an einer Stelle nennt, hier denken, da derselbe im Jahre 1381 (Clemens VII.) oder 1382 (Urban VI.) längst tot war; er war nämlich zehn resp. elf Jahre vorher (1371) gestorben.

"Weiter ist bei Schenck die Weisung selbst ungenau wiedergegeben. Urban, den er fälschlich voranstellt, habe befohlen, meint er, dass der Erz- bischof dem Kloster zu allen seinen verkommenen und veräusserten Gütern ver- helfen solle. Es springt in die Augen, dass die Worte „verkommene und ver- äusserte Güter" im Zusammenhang der Bulle einen anderen Sinn haben als hier, wo sie aus ihrer Verbindung herausgerissen sind.

Noch schlimmer steht es mit dem. was nach Schenck Clemens verordnet habe, dass nämlich ein eigner Richter sollte eingesetzt werden, um die abgängig gewordenen Klostergüter wieder herbeizubringen. Will man den einen der beiden Mainzer Geistlichen einen bestellten Richter nennen, was er nicht war, so war es der andere auch, und alsdann hätten beide Päpste Richter bestellt, nicht blos der eine. Ebenso unrichtig ist, was Roth sagt, Clemens habe Schiedsrichter be- stellt, welche die wegen Schulden entstandenen Streitigkeiten entscheiden sollten. Mehr Worte über diese Sache zu verlieren ist nicht der Mühe wert; es genügt unsere obige Mitteilung über den Inhalt der Bullen oder die Bullen selbst zu vergleichen, um den Irrtum Schencks zu erkennen.

Doch wie kam Schenck dazu, diese neue Behörde eines Richters zu schaffen? Die Antwort liegt auf der Hand. Auf der Rückseite der Bulle des P. Clemens ist der Inhalt des Pergaments mit folgenden Worten angegeben: „Clemens hott unsz geben eyn richter wieder zu brengen an das Closter alle unser gutter die von unsern vorfaren versetzt undt verphant sind." Auf der Rückseite der andern Bulle, Urbans V., finden sich zwei Notizen, deren erste besagt, dass „der P. Urban V. dem Dechent zu sant Gangolff zu Mentz wieder zu bringen alle gutter undt freyheyt, die von dem closter verändert [alienata] syut, befiehlt." Die andere lautet: „Pabst Urbani Befelch an Bischof zu Mayntz, das [er] den Closter frawen zu S. Ciaren wieder zu Ihren verkommen undt veralinierten gutteru helffe." Die erste dieser Inhaltsangaben wurde offen- bar Schenck nicht mitgeteilt, da er sonst doch auch die richtige Zahl (V) bei dem Namen Urban erfahren hätte, aus der zweiten wird uns klar, wie er zu dem Erzbischof von Mainz kam. Der Archivar, welcher ihn über die zwei Bullen unterrichtete, begnügte sich damit, die kurzen Inhaltsangaben, und zwar von der Bulle Urbans nur die zweite mit der Erwähnung des „Bischofs" von Mainz abzuschreiben, ohne die Pergamente selbst einzusehen, um Jahr und Namen festzustellen; die Jahre sind denn auch bei Schenck und seinen Nach- folgern nicht zugefügt, sondern nur die falschen Namen der Päpste.

Es bleibt uns noch übrig, einige Worte über die Folgerungen zu sagen, die man aus den unrichtig datierten Bullen gezogen hat. Schenck leitet ihre Erwähnung mit folgenden Worten ein: „Um diese Zeit [er meint, um das Ende des 14. Jahrhunderts, als Margaretha, die Tochter Adolfs I, Äbtissin war] hat das Kloster (durch was für Zufälle? solches ist unbekannt) allbereits einen be- trächtlichen Abgang an seinen Gütern erlitten."

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Roth gibt als Gründe dieser Verluste an: Einbusse durch den Kampf um das Mainzer Erzbistum zwischen Kuno von Falkenstein und Gerlach vou Nassau in der Mitte des 14. Jahrhunderts und die Geldkrise der Zeit habe das Kloster genötigt Güter zu veräussern; die Äbtissin Margaretha habe dem drohenden Ruin noch Einhalt gethan. Nach unserer BuTichtigung der Jahres- zahlen jedoch muss dieser Ruin schon vor dem Jahre 13-14 gedroht haben, d. h. vor der ersten Einmischung der Päpste in die Verwaltung der Güter, also mehrere Jahre vor der Mainzer Stiftsfehde, die erst, nachdem Erzbischof Heinrich abgesetzt und Gerlach von Nassau zum Erzbischof ernannt worden war (7. April 1346), ausbrach, geschweige denn, wie Schenck will, gegen Ende des Jahrhunderts. Und die Äbtissinnen, durch welche der Grund zu den drohenden Güterverlusten gelegt wurde, müssen die ersten gewesen sein, oder vielmehr, da die erste, Richardis (f 1311), kaum in Betracht kommen kann und ebensowenig die dritte, die im Jahre 1344 erst seit wenigen Jahren ihr Amt inne hatte (Imagina seit 1338). Es bleibt also nur die zweite, Adelheid, die Tochter des Königs Adolf, die von 1311 bis 1338 an der Spitze des Klosters stand, übrig. In deren Amtszeit fällt zwar die Belagerung der Stadt Wies- baden durch König Ludwig im Herbste des Jahres 1318, durch welche die Klosterjungfrauen anderswohin flüchten raussten, und durch die Vervvüstungen, die der Krieg mit sich brachte, grossen Schaden erlitten; aber dieser wurde durch die reichen Gaben, die dem Kloster bald zuflössen, wie vou der Pfalz- gräfin Mechtildis, dem Grafen Gerlach u. a., sowie durch die Ruhe der folgenden Jahre bald wieder ersetzt. Unseres Erachtens waren die in der ersten Bulle wie nachher auch in der zweiten gerügten Missstände mehr eine Folge der verkehrten Bewirtschaftung der Güter des Klosters als der äusseren Umstände und äusserer Störungen, Der Sinn der ersten Klosterjungfrauen war, so bedünkt uns, wie es bei allen derartigen Neugründungen der Fall zu sein pflegte, an- fangs mehr auf die strenge Erfüllung ihrer geistlichen Obliegenheiten gerichtet als auf weltliche Geschäfte, für die ihnen alle Übung und Erfahrung, auch wohl Lust und Neigung abging. Um die Mitte des 14, Jahrhunderts aber begann ein so rascher Wechsel in der Oberleitung des Klosters, dass sich eine feste Praxis in der Bewirtschaftung der Güter nicht bilden konnte. Von der dritten Äbtissin an folgten rasch hintereinander die kurzen Amtszeiten der Katherina, Jutta L, Agnes, Imagina IL, Gele und Jutta 11 , die höchstens etwa sechs Jahre dauerten, und gerade deren Verwaltung muss die Veranlassung zu dem zweiten Einschreiten des Papstes gegeben haben, und wenn ein solches nachher nicht mehr für nötig erachtet wurde, so muss das auf einer Besserung der Zustände nach jenen beruhen. Diese fällt also zusammen mit den Zeiten der Äbtissinnen Margarethe von Nassau, Paze von Lndau und Agnes von Hanau, von denen jede mehr als anderthalb Jahrzehnte an der Spitze des Klosters stand. Unter ihnen muss sich der Wohlstand der Anstalt so gehoben haben, dass nicht blos die laufenden Ausgaben ohne Schwierigkeit bestritten werden konnten, sondern auch Mittel zu Bauteu und Verschönerungen und zur Ausschmückung der Kirche vorhanden waren. Denn in die Zeiten der Paze und Agnes fallen die Unternehmungen, die wir bei ihnen (oben S. 185) anführten.

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Fassen wir unser Urteil kurz zusammen, so waren die ersten Zeiten des Klosters in Bezug auf seine »ökonomischen Verhältnisse, die Verwaltung und Bewirtschaftung seiner Güter nicht eine Zeit der Blüte, wie man geraeint hat; wir möchten sie lieber die Zeit der Lehrjahre nennen. Die Äbtissinnen und der Konvent mussten erst lernen, wie sie zu verfahren hätten, und machten dabei ohne Zweifel Fehler, die das Eingreifen des Provinzials und des Papstes hervorriefen. Erst nachdem dies zweimal geschehen war und man genug Er- fahrungen gesammelt hatte, fand man den rechten Weg, der den Wohlstand und die Blüte der Anstalt im 15. Jahrhundert begründete.

Eine eingehendere Betrachtung dessen, was wir über die Einkünfte und Wirtschaft des Klosters wissen, bedarf einer besonderen Behandlung.

Bulle des Papstes Clemens VI.

1344. 3. Nov. (III. Non. Xov. ) Avignon.

Clemens episcopus servus servorum Dei. Dilecto filio Scolastico ecclesie Sancti Mauricii Maguntinensis Salutem et apostolicam beuedictionem. Ad audien- ciam nostram pervenit, quod tam dilecte in Christo filie, Abbatissa et con- ventus Monasterii Zum Nuen kloster prope Wysebaden ordinis sancte Cläre, qui- bus licet habere proprium in communi ex indulto sedis apostolice speciali, Maguntinensis diocesia, quam ille, que in Monasterio ipso precesserunt easdem, decimas, terras, domos, vineas, possessiones, piscarias, prata, pascua, molendina, redditus, iura, iuriadictiones et quedam alia bona ipsius monasterii, datis super hoc litteris, confectis exinde publicis instrumentis, interpositis iuramcntis, factis renunciacionibus et penis adiectis, in gravera ipsius Monasterii lesionera non- nullis clericis et laicis, aliquibus eorum ad vitam, quibusdam vero ad immodicum tempus et aliis perpetuo, ad firmam vel sub censu annuo concesserunt, quorum ali([ui dicuntur super hijs in forma communi a sede apostolica confirmacionis litteras impetrasse. Qiiia vero nostra interest super hoc de oportuno remedio providere, discreeioni tue per apostolica scripta mandamus, quatenus ea, que de bonis ipsius monasterii per concessiones huiusmodi alienata inveneris illicite vel distracta, non obstantibus litteris, instrumentis, iuramentis, renunciacionibus, penis et confirmacionibus supradictis, ad ins et proprietatem eiusdem monasterii lef^itime revocare procures, Contradictores per censuram ecclesiasticam appella- cione postposita compescendo, Testes autem, qui fuerint nominati, si se gratia, odio vel timore subtraxerint, censura simiü appollacione cessante compellas veritati testimonium perhibere. Datum Avinione III Nonas Novembres Ponti- ficatus nostri anno tertio.

Bleibulle erhalten mit dem Namen CLE— MENS— PPVI. SPASPP und den Kopfbildern der Apostel Petrus und Paulus. Über die Rückseite s. S. 198.

Bulle des Papstes Urban V.

1:566, 13. luii. (Id. luii.) .Vvif^iiuii.

Urbanus episcopus servus servorum dei. Dilecto filio decano ecclesie sancti Gvngoltl'i Maguntinensis salutem et apostolicam bcnedictionom. Ad audien-

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ciam nostram pervenit, quod tarn dilocte in Christo filie Abbatissa et Convetitus Monasterü sancte Cläre in Clarendayl pi-ope Wysebadcn ordinis eiusJem sancte Maguntin. diocesis, quibus ut asseritur licet habere proprium in cummuni ox iüdulto sedis apostolioe special!, quam ille, que in monasterio ipso easdem pre- cesserunt, decimas, redditus, terras, vineas, possessiones, domos, casalia, grangias, iura, iurisdictiones et quedam alia bona ad dictum monasterium spectantia, datis super hoc litteris, confectis exinde publicis instrumentis, inteipositis iuramentis, factis renunciacionibus et penis adiectis, in gravem ipsius monasterii lesionem nonnuUis clericis et laicis, aliquibus eorum ad vitam, quibusdam vero ad immo- dicum tempus et aliis perpetuo, ad firmam vel sub censu annuo concesserunt, quorum aliqui dicuntur super hijs in forma communi a sede apostolica contir- macionis litteras impetrasse. Quia vero noatra interest super hoc de oportuno remedio providere, discrecioni tue per apostolica scripta mandamus, quatenus ea que de bonis ipsius monasterii per concessioues huiusmodi alienata inveneris illicite vel distracta, non obstantibus litteris, instrumentis, iuramentis, renuncia- cionibus, penis et confirmacionibus supradictis, ad ius et proprietatem eiusdem monasterii legitime revocare procures, Contradictores per censuram ecclesiasti- cam appellacione postposita compescendo, Testes autem, qui fuerint nominati, 31 se gratia, odio vel timore subtraxerint, censura simili appellacione cessante compellas veritati testimonium perhibere. Datum Avinione Idibus lunii Ponti- ficatus nostri Anno Quarto.

Bleibulle nicht erhalten.

Auf der Rückseite: Urban der V gebuth dem dechent zu sant Gangolff zu Mentz wieder zu bringen alle uwere gutter undt freyheyt die von uwerem closter verändert synt. Saec. XV.

Und: Papst Urbani Befelch an Bischof zu Mayntz, das [er] den Closter frawen zu S. Ciaren wieder zu Ihren verkommen u. veralienerten guttern helflfe. Saec. XVI.

Beiträge zur Geschichte des Märkerwesens

zu Niederlahnstein/)

Von

F. MicheL

Die Niederlahnsteiner Mark besass nur geringe Ausdehnung. Sie hatte vor einisren Jahrhunderten fast dieselben Grenzen wie heute. Von dem mit dem N. -Lahnsteiner Gerichtswappen geschmückten Steine, der dicht vor Horch- heim an der Landstrasse steht, lief die Grenze nach einem Begang von 1692^) anfangs durch Felder, sodann durch den Wald den Berg hinauf über den Lichterkopf nach der oberen Micheibach, diese entlang bis zum Bucher Wald, „der alte Hau" genannt, und von dort zum Baurenherg. Vom Bauren- berg zog sie sich über den „kalen Born" im Distrikt Ilühr längs der Mühlcn- bach über „Brückwies" nach Fachbach, von wo fortan die Lahn die Grenze bildete. Von dieser an und für sich schon bescheidenen Mark verkaufte die Gemeinde Schulden halber im 17. Jahrh. noch einige Teile, so den Baurenberg an die Herren v. d. Leyen und 1662 den Distrikt Struth bei Fachbach eben- falls an einen v. d. Leyen, Hugo Ernst, Herrn zu Adendorf und Fachbach.')

Die hauptsächliche Nutzniessung dieser Mark, sowie die Oberaufsicht darüber stand in alten Zeiten jedem ansässigen Freien zu. Sei es nun, dass die alten freien Geschlechter allmählich ausgostorben waren, oder dass sie ihre Anrechte auf die Mark ihre Märkerrechte oder Märkerschaft an Fremde verkauft hatten, im Jahre 1527 werden in dem ältesten, im Kgl. Staatsarchiv zu Wiesbaden befindlichen N.-Lahnsteiner Märkerbuch*) nur wenige Vertreter alteingesessener Familien als Mäiker aufgeführt. Es sind Johann Wenz und N. Schilling v. Lahnstein als Repräsentanten der beiden damals allein noch blühenden Geschlechter derer v. Lahnstein zu N. -Lahnstein, sowie die drei

'j Die (Quellen zu vorlio-^ender Arbeit entstammen grösstenteils den im Wiesbadener Kjjfl. StantPiiri'liiv und d<Mi im X.-Lalinsteiner Stadtarchiv botindlichon , N.-Lahnsteiner Märker- ukten". Wo nicht, sind dieselljon an^j^egeben.

*) (iemeindo-Rechiiungsbuch dos XVII. Jahrli. Stadt. An-liiv N.-Liihn^tein.

^) (;em('ind«.>-K>M.-hnungslnicli. Stallt. Archiv N. -Lahnstein.

*) Dieses Miirkerl)U<-h enthält einige Wi-i-tümer, sowie die .MärkertagsprotokoUe von ir>ii4- ltji;>. J.di. W.Miz V. Lahnr-t.in liat es zu Anfaiiir d.'s WII. .Jahrh. der Handschrift nach durch den clamaligen Licrichtsschreiber W.'iidcl Fabricius zusammenstellen lassen.

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sogen. „BcUiernmärker" Joh. Wesen, Wilh. Leym, Jakob Figes und der ScLult- heiss Rörich ILirtfuss. Daneben werden aber verschiedene mächtige Klöster und Herren, die in der Lahnsteiner Murk grosse Liegenschaften hatten und durch Kauf oder Erbschaft Märker geworden waren, als solche aufgezählt, an erster Stelle der Kurrurst von Trier, der Landeslierr, sodann die Klöster Arn- stein und Alteuberg, die Deutschordensballei Koblenz, sowie Joh. Herr zu Helffenstein und Müllenbach, Adam vom Waldt-Reckroidt, Georg v. Naunheim, ein Herr v. Fleckenstein und einer v. Stein.

Bevor ich nun das eigentliche Märkerwesen behandele, will ich in Kürze die Geschichte der eben angeführten Märkerschaften verfolgen.

Das Trierer Ministerialgeschlecht der Wenz v. Lahnstein oder N.-Lahn- stein, wie sich einige seiner Vertreter schrieben, besass seinen Stammhof an der Lahn, das heutige „Weisse Ross". 1350 wird zum erstenmal ein Wenz, Joh. Konrad, als „Edler Märker zu N.-Lahnstein'' genannt.*) 1524—1565 ist ein Joh. Wenz im Besitze dieser Märkerschaft. Das Grabmal seiner Frau, einer Margaretha von Cleburg, befindet sich in leider stark beschädigtem Zu- stande auf dem Friedhofe der St. Johanniskirche. Schon vor dem Tode Johanns wird sein Sohn Gerlach Wenz als sein Nachfolger im Märkenate aufgeführt. 1595 stritten Johann und sein Vetter Gerlach Wenz v. Vallendar um die Märkerschaft. Der Mäikerrat gab hierin den Bescheid: „dieweill die merker- schafft uff dem haus gelegen und das Wentzen stammhauss dem jungen Johan Wentz erblich als sein vetterlich erb zuertheilt, auch erfindtlich, das Gerlach seinem vetter in der tüteil rechnung das merkergelt urloffs wein uifgerechnett, als solle Junker Gerlach sein lebenlangh dem mi-rkerrat beiwonen und sein vetter Johan soll die abnutzung der eckers undt anders geniessen undt das beschwernus tragen. Nach Gerlachs todt soll die merkerschafPt allerdings uff Joh. Wentz sein vetter ererbt sein." Zwei Jahre später wurde Johann Wenz „uff gutwillige resignation seines vetters Gerlach zu einem merker angenomon und vereidigt." Er starb 1630 und wurde in der St. Johanniskirche zu Nieder- Lahnstein begraben, wo sein schön gehauener Grabstein unter dorn Turm im Fussboden eingemauert ist. Nach seinem Tode kam das Stammhaus samt der Märkerschaft an eine den Wenz verschwägerte Faraiüe, die Boos v. Waldeck, die es bis 1819 besassen, in welchem Jahre Graf Klemens Boos Waldeck zu Sayn das Hofgut für 1150 Thlr. an Fr. Staas verkaufte.^)

Die Schilling v. Lahnstein stammen ebenfalls aus N.-Lahnstein, wo sie Anfang des 13. Jahrhunderts zum erstenmal erscheinen. 1455 wird ein Juh. Schilling, 1528 Gerlach Schilling') als Märker aufgeführt. In den folgenden Jahren werden die Schilling zwar oft als Märker genannt, doch nie mit Vor- namen. 1578 ist Werner Schilling, Amt- und Hauptmann der Veste Ehren- breitstein, im Besitze dieser Märkerschaft. Nach seinem Tode 1598 folgte ihm hierin sein Bruder Emmerich. Doch am selben Tage, an welchem er zum Ritter-

*) Huni p raeht, Wenz v. Lahnstein.

") Rhenus, Jahrgang II 1884, 8. 80.

') Urkunde betr. das Olüekneninit zu St. Juliann 1528. l'farrarrhiv N. -Zahnstein.

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bürgermeister gewählt wurde, hat sich „ein geschwinder, jämmerlicher fall zu- getragen mit obgemelten Emrich Schillink seligen, welcher des abents ungefer zwischen fiinff und six uhren von der trapen am gemeinen hauss geglitschet oder gestrauchelt und sich todt gefallen." Die erledigte Märkerstimme erhielt der Sohn Werner Schillings, Hans KonraJ, der letzte seines Stammes. Mit seinem Tode 1608 erlosch das Geschlecht. Die Märkerschaft erbte "Werners Tochter Katharina, die Gemahlin Georgs v. d. Leyen-Nickenich. Ihr Enkel, Heinrich Ferdinand, späterer Chorbischof von Trier, wird 100 Jahre nachher als Märker aufgeführt, nach dessen Tode das Märkergut an die Adendorfer Linie fiel.

Die 1524 noch bestehenden „Bauern-Märkerschaften" des Wilhelm Leym, Dietze Figes und Joh. Wiesen wechselten schon in den nächsten Jahren ihre Besitzer, so dass 1580 Joh. Lener, Thomas Haman und Georg von der Neuer- burg „Bauernmärker" sind.

Als Joh. Lener 1619 starb, wurde an seiner Stelle Heinrich Weikel, Kellner im „Dahl" als Märker aufgenommen. Nach dem Tode seines Sohnes Servatius verkaufte 1694*) dessen Witwe sein in N.-Lahnsteiner Mark gelegenes Gut samt Märkerschaft dem kurtrierischen Hauptmann Jakobs, nach dessen Tode der Geheimrat Umbscheiden dasselbe erwarb. Durch Erbschaft erhielten es sodann die v. Cohausen, welche es in ein Fideikommiss umwandelten.

Die Märkerschaft des Thomas Haman blieb auch nicht mehr lange in bürgerlichen Händen. 1610 „trug Thomas seine baurenmerkerschafFt dem ge- strengen Anthon Cratzen von ScharfFenstein, churtrier. rhatt und ambtmann von Coblentz auf, als dass er, Thomas, oder seine erben nichts zu predentiren haben sollen, und so haben die adeligen merker uff anhalten obgem. herrn amt- manns selbigen forters zum adligen Merker angenommen." Noch 1660 wird der Graf Cratz'sche Hof erwähnt, dann aber ging er, wie es scheint, in andere Hände über. Möglicherweise hatte ein Thomas Breuer, der um diese Zeit als Märker genannt wird, denselben gekauft. 1684 versetzte Salome Brawerin ihr „frey- adliches" Märkerhaus im Schlüssel gelegen und verkaufte es später samt der Märkerschaft an den kurtrierischen Kammerrat Joh. Heimbach'), der sich des- wegen auf einer Votivtafel in seiner Eigenschaft als Märker „miles huius oppidi" nennt.'") Nach seinem Tode erlosch die Märkerschaft höchst wahrscheinlich. An ihre Stelle tritt Ende des 18. Jahrhunderts die des Freiherrn M. v. Eyss.

Die Bauernmärkerschaft des Georg von der Neuerburg kaufte 1604 Philipp Anton von Stein, Amt- und Hauptmann auf Ehrenbreitstein. 1606 wurde er, „dieweill Ihro churfürstl. Gnaden gnedigst bewilligt, dass er für ein Edel- raerker soll uf- und angenommen werden, zu einem adligen Merker uffgenommen, nachdem er zuvor den gepurlichen Eydt geleistet." Nach seinem Tode erbte sein Sohn Ludwig das Märkergut, welches nach einer Stelle „an der Strassen""), nach einer anderen „im kredenpuU"'-) gelegen war. Der Sohn Ludwigs, Ludwig

*) Gerichtsbuch. Stadt. .Vrrhiv N.-Lahnstein.

') (Jerii litsiljinh. >>täilt. .Vnhiv N.-Lahustcin,

'") St. Barlxira-Kapolle, X.-Lahnstt'in.

") Schatzbuch von 1650. Stadt. Arcliiv N.-Lahnstcin.

'■*) Gerichtsbuch. Stadt. Archiv N.-Lahnstein.

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Christoph, entlehnte 1688 von der St. Johanniskirche 294 fl. gegen 5% und setzte seinen zu N.- Lahnstein gelegenen freiadligen Märkerhof u. s. w. als Unterpfand.") 1690 verpfändete er seine in N.-Lahnstein , habende niemandt sonsten verpfändete") freye Ritterschaft sammt allen Apertineuzen etc." für 1000 Gulden dem münsterschen Obristlieutnant Kempf. Unter Ludwig Adam V. Stein, der vermutlich mit dieser noch die zweite v. Stein'sche Märker- schaft vereinigte, kam eine dieser Märkerschaften wahrscheinlich an die v. Adels- heim, von denen sie aber später wieder an die v. Stein zurückfiel, so dass die von Stein in den Besitz einer sogen. „Doppelraärkerschaff* gelangten.

Was nun die Märkerschaft des Rürich Hartfuss betrifft, so ist es uogewiss, ob dieselbe mit seiner Familie oder seinem Amte verbunden war. Ausser ihm wurden 1552 sein Sohn Wilhelm und 1563 Hans Wirt, der Schultheiss, als Mitmärker genannt. Doch schon 1577 wird, „weil klagh kommen, dass andere sich für Merker eindringen wollen", von den Märkern ausdrücklich erklärt, dass Hans Wirt kein Märker zu N.-Lahnstein sei, und dieses Urteil auch in den folgenden Jahren aufrecht erhalten, indem man dem Schultheiss sagte, „man lasse es bey vorrichten Jar abscheitt bleiben ; wo er nit zufrieden, mach er weiter, wo im gefeilig, ansuchen". Da in der Folgezeit nie mehr von dieser Märker- schaft die Rede ist, so ist sie anscheinend hiermit beseitigt worden.

Der Märkerhof des Klosters Arnstein bei Nassau, heute noch „der Arn- steiner Hof" genannt, gehörte ehemals dem mächtigen Dynastengeschlechte der Grafen von Arnstein. Als Ludwig IH. 1139 seine Stammburg in ein Prämon- stratenser-Kloster verwandelte, schenkte er seiner neuen Stiftung u. a. auch einen Hof zu N.-Lahnstein'^), der denn auch dem Kloster bis zu seiner Säku- larisation verblieb. 1247 wurde dieser Hof samt den dazu gehörigen Liegen- schaften von dem Grafen Heinrich von Nassau und seiner Gemahlin Mechtilde „zu ewigen zelten von allen ahnlagen, leib- und anderen ferneren fröhnen, Schätzungen, und allen vogteyrechten absolvirt und freygesprochen ". Ein Schöffen weistum'^) vom Jahre 1583 sagt ferner, dass dieser Hof ein „gefreyter hof sei, darinnen nicht zu pfänden noch zu kümmern, und wann ein todschläger sich in denselbigen hof begeben und darinnen aufhalten würde, dass derselb in solchem fall gefreyet und nicht angegriffen werden soll. Zu diesem Märker- hofe gehörten ausserdem 2 Mühlen, die schon eine Urkunde des Erzbischofs Johann v. Trier 1197 unter den Besitzungen des Klosters aufzählt: , curia in inferiore Logenstein cum molendinis et locis, ubi raolendina fieri debent, cum vineis et agris".") Die eine war zu Hohenrhein gelegen, die andere wurde das „kleine Michelmühlchen" genannt und vom Abte Heinrich Schupp gegen einen dem Amtmanne Philipp von Nassau gehörigen Hof zu Niederselters 1563 ein- getauscht.'")

^^) Gcrifhtsbuoh. Stadt. Archiv X.-Lixlinstein.

") Gerichtsljuch. Stiidt. Archiv N.-Lahnstein.

'^) Ann. des Vereins f. niiss. Altertumskunde u. üeschichtsforsohung XVIII, 'J45.

'") Abschrift im Pt'arr- Archiv N.-Liihnstein.

'') Mittelrheinisches Urkundenbuch II, 206.

'-) Gerichtsbuch von 1480. Stiidt. Archiv X.-Luhnstein.

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Die Abtei Altenberg bei Düsseldorf besass schon 1210, in welchem Jahre Papst Innocenz III, der A.btei ihre Besitzungen bestätigte, Weinberge in „Loginstein"'.'"^) Der ihr gehörige Hof lag im „kredenpuU" und wurde meist verpachtet, da ja das Kloster auch einen Hof zu Horchheim hatte, wo sein Hofraann wohnen konnte. So vorlehnte Gerhart von Erklens, Prokurator des Klosters zu Horchheim, 1511 dem Philipp Seibach des Klosters Hof in N.-Lahn- stein für l'/'j Gulden jührl. Zinses.-") 1524 „sass einer von Dern" in dem Hofe, 1530 wurde er an Swyns thons für 1 Gulden 13 Albus jährlich verlehnt: „und wass von noit in und an dem haus zu bühen were, sollen die herren von dem Aldenberge ussrichten; wenn aber über 12 alb. gedeckt wirdt, sollen die herren bezahlen''.^') Von dieser Lehnung erzählen die Gerichtsbücher in der Folgezeit nichts mehr, so dass wohl das Märkergut von einem Hofmann oder Laienbruder verwaltet wurde.

Zwischen der St. Johanniskirche und dem Bahndämme, an der Stelle des Raffauf'öchen Hause*, lag der in den 40er Jahren abgebrannte „Deutschherrn- hof*. Er gehörte der Deutschordensballei Koblenz, die schon 1249 Liegen- schaften in N.-Lahnstein hatte.-') 1412 sehloss der Komthur Konrad von Boich- sette mit der Gemeinde einen Vertrag, wonach dieselbe für 150 rhein. Gulden, 6 G. zu einer Mark Silbers gerechnet, jährlich in den Deutschherrnhof zu N.-Lahnstein 6 Ohm „Beedewyu und l'/.j Ohm Kreiffswyn (?)" zu liefern hatte.-^} 1430 vermachte Ritter Diether Hunswin v. Lahnstein zu N.-Lahnstein'-*) dem Deutschordenshause, sowie der Abtei Altenberg je eine Hälfte seiner Güter zu N.-Lahnstein behufs Stiftung von Memorien. Der Hof selbst wurde meist von einem Ilofmanne verwaltet.

Der Hof und Baumgarten derer v. Helffenstein lag in der Nähe des alten Rathauses bei der Fähre. 1480 übertrug") Job. v. Helffenstein zu Müllenbach seiner Hausfrau Irmgard von Seynheim „myt halin und mond all syn goyt etc. zo Niderlainstein." Ihm folgten in der Märkerschaft seine männlichen Erben, die fast alle den Namen Johann führten und deshalb schwer zu unter- scheiden sind. c. 1580 erbte Otto von Roishausen ausser Lehengütern seines Schwiegervaters auch die N. -Lahnsteiner Märkerschaft. Nach dem Tode seines Sohnes Friedrich, der 1604 „uff fleisich anhalten in platz seines vatters sei. zum merker angenommen worden war," erbten die v. Vrede das Märkergut, das ihnen auch bis in unser Jahrhundert verblieb. Den grossen Baumgarten an der Lahn, welcher an den Hof der Wenz v. Lahustein stiess, verkaufte 1707"^) Joh. Philipp von und zu Hess namens seines Eidams Jost Beruhard v. Freden, Herrn zu Müllenbach.

*®) Müller, Beiträge zur Geschichte <ier Clsterzieni^cr- Abtei Altenberg, ßensborg 1882. *") Gerirhtsbuch von 1480. *') (jerieht.-ibuch \on i-iSO. '^*) Hannes, Urkundenburh, p. 133. *') F'<'ri;ament-Urkun«le im 3t;i<lt. Anliiv X.-r.ahii^tt'iii.

'^') Becker, Nekrolog <ler Abtei Arnstein, Amnilcn dos Vereins für nass. Altcrtiinis- kuiide und (J.-seliiehtstursf'iiung XVI, S. 138 Anni. 2.

") (ierielits- ri'sp, Seiiötfenbucli von 1480. r^tädt. Archiv N.-Laliiistoin. -*j Conte.s9- und L'rkundenijuch vun UJUS. .Stildt, Ardiiv N.-Liihiistein,

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Die Märkerschaft des Adam von Reckroidt gehörte ehedem deaeu vom Wald. 1480 wird ein Junker Hermann, 1485 ein Diether von dem Walde in einem alten Schöffenbuche-') erwähnt. 1522 überträgt ^jungfrawe Margreit vom Wald eyn eliche hausfrawe Junker Adolff Rechenroyds im, Juncker, myt halm und mit mond allet, dat sy hat in Niederlahnsteyner marken, hüss, hoff, acker etc."'") Mit diesen Gütern ging auch die damit verbundene Märkerschaft an Adam vom Wald-Reckroidt, wie er sich jetzt nannte, über. Am 1. April 1531 verkauften er und seine Ehefrau dem Amtmann von N.-Lahnstein, Quirin von Nassau, für 766 Goldgulden das Märkergut.-") Nach seinem neuen Be- sitzer hiess der Hof der „Nassauer Hof". Es ist jener spitzgiebelige, von einem Turme flankierte Bau neben der Elementarschule. Von 1563 1585 ist der Amtmann Philipp von Nassau und nach seinem Tode sein Sohn Heinrich im Besitze des Märkerhofes. Letzterer starb um 1600. Auf dem Märkertag des Jahres 1603 wurde nun beschlossen, ^das, wiewoU und verschiedlich wegen der nassawischen Merkerschaft angehalten worden, dass Hans Dietrichs v. Metternich ehester Sohn von wegen sembtlicher Nassawischen Stammes zu einem Merker angesetzt werden sollt, in ansehung dass seine Altmutter die elteste vom Stamme Nassawisch und sollt sich künftigen Merkertag zum gewohnlichen Eydt legi- timieren." Im folgenden Jahre aber wurde die Wittib v. Metternich auf den nächsten Märkertag „verabscheit, weil semptliche Merker nit zugegen, und frau von Söttern als Miterb der Nassauischen Guitter protestirt." Erst 1606 wurde die Sache endgültig entschieden. „Da nunmehro", so heisst es in dem betreffenden Protokoll, „der woll edell und gestreng Ludtwig Alexander von Söttern seines anteilis halber cedirt, so haben unser gnedigster Churfürst als vornmnt des edlen Joh. Tietterich v. Metternich sei. unmündigen Kindern den ehrsamen Joh. Hessgen, keiner zu Spurkenburg vollkommen Gewalt geben, wegen gedachter pupillen die Merkerschaft gepuirlich zu entfangen, und da gedachter von Soetern mündlich vor den herrn Merkern cedirt, ist Joh. Hessgen anstatt obgem. pupillen mit gepurendtem eydt uffgenommen worden." Drei Jahre später wurde Wilhelm von Metternich, kurtrierischer Rat und Amtmann zu Mayen in der Pelenz, zu Monreal und Kaiseresch, an Stelle seines verstorbenen Yaters als Märker angenommen und vereidigt. Den 4. April 1617 machte ihm der damalige Kurfürst Lothar v. Metternich-Sinzig anlässlich eines Streites, den die Gemeinde mit Joh. Wenz führte, mit grossem Gefolge in N.-Lahnstein einen Besuch, und zwar ist er damals, wie es in der betreffenden Auf- zeichnung des Joh. Wenz heisst^'^), „abgestanden und eingekeret in seiner schwegerin behausung, welch behausung sie von Henrichen von Nassau seligen geerbt ... in der stoben uff an der windenstegh, da etliche ihrer annichen dern von Nassau seligen abgemalet stehen." (Es folgt die Verhandlung des Kurfürsten mit Johann Wenz und seine Entscheidung des Streitfalles; darauf fährt Wenz fort:) „Darselbsten war eine lange taffei mit allerhandt guter für-

") StJldt. Archiv y.-Lahnstein.

'^') Stiidt. Arcliiv X -Lahnstein.

'■'^I Original-Urkunde i:u Künii:;!. >^taat3arr1iiv Wiiv^baden.

•'"') Märkerbuch iiu Staatsarchiv WiesbadiMi.

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nemblioher zugerüster speys zu menschlichen leibs uffenthaltens wohl bedecket und besetzet, da seindt ihro cf. Gnaden sambt anwesendten nur bey umb und an die tafFel gestanden und durchaus nit sitzent, sondern stehend eine gute stundt etwas gessen, getrunken, darnach alsbaltt trombet zu pferdt geblassen und sich widerum nacher Coblentz gereist." Nach dem Tode Wilhelms kam das Märkergut an Lothar, Frhrn. v. Metternich, kaiserl. Obristen, kurtrierschen Rat, Marschall und x\mtmann zu Coblenz, der das ererbte Gut bedeutend ver- grösserte und durch einen Befreiungsbrief von 1657 '') das in der Lahnsteiner Mark erkaufte „Bauerngut" von aller Schätzung und Beede loskaufte. Sein Nachfolger war Diether Adolf von Metternich. Ein in der Hofmauer des Hauses befestigter Stein zeigt das schön ausgeführte x\llianz\vappen Diether Adolfs und seiner Gemahlin Lucia v, Wolf-Metternich zu Gracht. Nach dem Tode Diether Adolfs 1695 wurde die verwitwete Gräfin v. Waldbott zu Bornheim vom Kurfürsten in diese Güter „inmittirt" trotz des Protestes der Metternich'schen Erben. 1626 hatlen nämlich die 5 Brüder Johann, Reinhard, Karl, Emmerich Wilhelm und Lothar v. Metternich mit Joh. Jakob zu Eltz 4000 Goldgulden und 2000 Reichsthaler aufgenommen und ihr Haus zu Koblenz auf dem Alten Graben sowie den Nassauer Hof zu N.-Lahnstein als Unterpfand gesetzt. Die Gräfin von Waldbott-Bornheim war in Besitz dieser Hypothek gelangt, und da die Schuld bei dem geringen Ertrag der Güter bis 12992 Reichsthaler angewachsen war, so wurde vom Hofgericht die Versteigerung der Güter angeordnet, bei welcher sie dem Grafen v. Waldbott-Bornheim als Meistbietenden zufielen. Doch schon um 1740 sind die den Metternichs verschwägerten v. Hohenfeld im Besitze des Lahnsteiner Hofgutes und behielten dasselbe auch bis 1820, wo es zunächst an einen Frhrn. v. Schütz, Kapitular zu Speier, sodann an Wilhelm Haas käuf- lich überging.

Das Märkergut derer v. Naunheim lag im „Schlüssel". Als sein Besitzer wird um 1500 Junker Georg v. Nunym genannt.^') V^on diesem erbte es um 1534 Geors: von Monreal zu Dietz, dem sein Sohn Hans Balthasar in der Märkerschaft folgte. Bei seinem Tode ca. 1593 waren seine Kinder noch un- mündig und so traf der Märkerrat die Entscheidung, dass „die kinder, wann sie erwaxen wären, erscheinen undt als merker angenommen werden sollten ; iumit'els sollen sie die gerechtigkeit geprauchen und gemessen" und wies das Ansuchen eines Doktor Staude, dem die Güter verpfändet waren, zurück. So- bald Joh. Jakob v. Monreal mündig wurde, ward er als Märker aufgenommen, doch schon 1601 fiel er in einem Feldzuge in Ungarn. Nun brachte die Witwe V. Metternich die MonreaFsche Erbschaft von dem Doktor Staude pfandweise an sich und Ludwig Alexander v. Suetern erhielt sie gegen Verzichtleibtung auf die Nas~au'dche Erbschaft. Nach seinem Tode behielt seine Witwe noch eine Zeitlang das Gut, bis es in Besitz des Joh. Schweikart Vogt zu Hunol- stein kam. Doch dieser, der wegen einiger in der N.-Lahn.steiner Mark gelegener Liegotischaften mit dem Bürgermeister von Köln, v. Leisskirchen, in heftigem

*') (ieiiu'inde-lli'clmuiiir^^lmfli ties 17. Jalirh. Stadt. Ardiiv N.-Luliii.stoiii. ^■'j Öchüttenbuch von liÖO.

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Streite lag"), hat es anscheinend nicht lange besessen. Seine Nachfolger in der Märkerschaft wurden wahrscheinlich die Freiherrn von Bassenheim, welche sie bis 1808 behielten, worauf sie noch für kurze Zeit in Besitz des Kanonikus Faber kam.

Als Besitzer der Märkerschaft Derer von und zum Stein, Herren von Frucht und Schweighausen, sowie des dazu gehörigen Hofgutes wird 1527 Viocentius von und zum Stein genannt. Ihm folgten als Milrker sein Sohn Friedrich, diesem Adam von und zum Stein und 1633 dessen Sohn Gottfried. Nach dem Tode seines Nachfolgers Joh. Friedrich wurde diese Märkerschaft wahrscheinlich mit der schon erwähnten anderen v. Stein'schen Märkerschaft vereinigt.

Das in späterer Zeit bedeutendste Märkergut war das der v. Fleckenstein, welches ca. 1548 an den damaligen Amtmann von Boppard, Michel v. d. Leyen, Herrn zu Adendorf, überging. Nach seinem Tode erbte es sein Bruder Johann V. d. Leyen, und von diesem Michels Sohn, Damian, Amtmann zu Cochem. Damians Enkel, Carl Caspar erbte anfangs des 18. Jahrb. das Märkergut Derer V. d. Leyen-Nickenich, sodass in der Folge die v. d. Leyen zwei Stimmen im Märkerrate und bedeutende Liegenschaften besassen. Sie waren ausserdem Mitbesitzer des „grossen Zehnten". Das Märkerhaus derer v. d. Leyen ist das heutige Hotel Douque, in dessen Hofe sich noch das Leyen'sche Wappen befindet.

Die Märkerschaft des jeweiligen Landesherrn war eine ganz eigenartige. Er war der „Obermärker" und befasste sich besonders damit, die geheimen Beratungen der Märker gewöhnlich durch seinen Kellner im „Thal" be- aufsichtigen zu lassen, um etwaigen eigennützigen oder gegen seine landes- herrlichen Rechte verstossenden Massregeln der Märker vorzubeugen.

Die Märker hatten nämlich nicht nur die hauptsächliche Nutzniessung und Oberaufsicht der Mark, sondern hatten auch infolge ihrer Macht und ihres An- sehens einen bedeutenden Einfluss auf die Verwaltung der Gemeinde.

Alljährlich, und zwar bis 1530 um St. Briciustag, von da an am ersten Tage nach St. Lucas, kamen die Märker, und zwar die auswärtigen mit grossem Gefolge oder durch ihre Abgeordneten vertreten, zur Beratung ihrer Angelegen- heiten auf dem „Märkertag" in N.-Lahnstein zusammen. Wer unentschuldigt fehlte „es wehr den saeb, das er an seiner ehren geleckt werbe" musste einen Goldgulden Strafe bezahlen. Nur „libs noit" entschuldigte, und „sallen deghen de erscheinen mechtig sin zu handeln, zue setzen, glicherweiss als were 86 alle dae." Für ihre Zehrung während dieser Zeit musste natürlich die Ge- meinde sorgen und ein stattliches Essen geben, für dessen Zubereitung der Bürgermeister 2 Fuhren Holz aus dem Gemeindewald bezog, und, da ein guter Schluck auch nicht fehlen durfte, so kam, wie oft der zeitige Bürgermeister klagt, ein solcher Märkertag der armen Gemeinde recht teuer zu stehen.

An diesem Tage nun wählten die Märker zunächst den Märker- oder Ritterbürgermeister, dessen Amtszeit immer nur ein Jahr dauerte. Er hatte den Märkertag anzuberaumen, bei den Verhandlungen den Vorsitz zu führen, die neu

■'^) Oerlchtsbufh d. 17, Jalirb, Stadt. Ardiiv X -Laliiistoiii,

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aufgenommenen Miirker, sowie die neu gewählten Beamten zu vereidigen und überhaupt die Märker nach aussen zu vertreten. Er musste ritterbürtig sein, und zwar wählte man gewöhnlich solche, die durch ihr Ansehen oder Ver- wandtschaft beim Landesherrn etwas zu bedeuten hatten. Die Wahl geschah auf die Weise, dass alle Märker den Saal verliessen und dem vereidigten Se- kretär ihre Stimme abgaben, wobei Stimmenmehrheit entschied. Von dem Stell- vertreter des Obermärkers wurde sodann der Neugewählte in Eid und Pflicht ge- nommen. Einen weiteren wichtigen Punkt in den Verhandlungen bildete die Auf- nahme eines neuen Märkers. Wenn derselbe den Beweis geführt hatte, dass er rechtmässiger Besitzer eines Märkergutes sei, so wurde über seine x^ufnahme abgestimmt. Hatte die Abstimmung ein bejahendes Resultat, so wurde ihm die Märkerkonstitution vorgelesen, auf die er einen feierliehen Eid leisten musste. Die Formel, welche die Pflichten der Märker enthielt und vor der Eidesleistung voro-elesen wurde, lautete nach einer Aufzeichnung aus dem Jahre 1592: „Dem- nach von undenklichen Jaren hero üblich ist das die vierzehn mercker alhie zu Niderlonstein järlichen den andern tag nach Sanct Laux Evangelisten ufF ein o-olt gultin aurii peen zu erscheinen schuldigh, gestallt der gemeine diffi- cultät zu berahtschlagen undt abzuhelfen, auch gemeine ärabter alss heimburger, geschworen kirchenmeister undt andere pestens fleiss helffen zu ordtoen, auch solche leut anordtnen helffen, die unserem gnedigsten hern sein reyss geltt auch andere gemeine onera kuindten tragen und verrichten, desgleichen auch solche kirchenmeister ordtnen helffen, die gottesforchtig, auch also geschaffen, dass sie der kirchen reudt befordern davon gute rechnung kündten thun, da- bev auch des Merckerrahts heimblichkeit verschweigen, undt alles anders thun rahtsohlagen undt volnpringen helffen, das adlichen Kitter uud Merkerrahtt dienstlieh nutzlich und beforderlich ist, demselben also treulich nach zu kommen so folgtt hiruff der gewohnlich aydt."

Hiernach schritt man zur Verhandlung der Gemeinde- und Markangelegen- heiten, und zwar zunächst zur Besetzung der Gemeindeämter. Man wählte den Bürgermeister, oder, wie er im 16. Jahrhundert genannt wurde, „Haim- burger", dessen Amt alljährlich unter den Bürgern wechselte. Nach einem Weistum von 1524 sollte man ihn „setzen uss den scheffen ader uss der ge- mein, we in eben kompt." Später schlugen Schultheiss und Scheffen den Märkern zwei geeignete „subjecta" zur Wahl vor. Nach der Wahl wurde er in üblicher Weise vom Ritterbürgermeister vereidigt.

Sodann wählten die Märker die 4 Geschworenen, die ebenfalls „vereidigt, vermahnt und mit fleiss erindertt wurden, dass sie als mitglieder der gemein und des haimburgers dem haimburger beystant leisten, ime von allen innahmen und ausgaben gutte Rechenschafl"t thun helffen, der gemein nutzen allzeit prieffen und furdern sollten etc."

Ferner ernannten die Märker die Mark- und Polizeibeamteu, als da waren: Unterkäufer, Aicher, Hüter, Schützen, Fleischsetzer und Aufheber.

Die Unterkäufer hatten den Weinschank und die Wirte zu beaufsichtigen. Es waren ihrer drei. Einer wurde von den Märkern gewählt, und zwar sollte es nach einem Beschluss von 1534 abwechselnd ein Jahr einer von tlen „in-

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wendigen" und das andere Jahr einer von den „auswendigen" Märkerhofleuten sein, „welcher geschickt dazu ist". Die beiden anderen wählten einerseits die Schöffen, anderseits die Gemeinde resp. die Geschworenen. War aber ein „ge- meyn man eyn heimborgcr, der sael auch eyn underkeuffer syn von der ge- meyn wegen", damit er die Vorteile dieses gar nicht so unangenehmen Amtes mitgeniessen konnte. Es mussten nämlich „die zween gemeyn wirdt den wein mit den underkeuffern kauffen, und alsdann durch den haimbursrer undt «-e- schworen sambt den underkeuffern den weinschank, es sey rodt oder weiss wein, setzen, wie hoch sie denselbigen schenken sollten. Auch sollen die underkeuffer macht haben, wan klag über den Weinzapen geschieht, soln sie den wein in wuirts keller probireu. Da er sich nit in der prob findt, wie er eingeschraden ist, soll der wuirdt 3 gl zu straff geben, die wirt sollen auch den underkeuffern ihr malzeitt geben, wie von alters, wurden aber die under- keuffer in solchem allen seumigh, soln sie mit gleicher straff gestrafft werden.'' Den Unterkäufern zur Seite standen die Aicher, die in dem ihnen vom Ritterbürgermeister abgenommenen Eide geloben mussten, „dem kauffmann wie dem haussmann, dem armen wie dem reichen, recht zu eichen, stechen undt ritzen."

Das Hüteramt sollte nach dem Weistum von 1524 „forters unter den Merkern umbgehen". Es waren jedesmal vier, die auf dem Märkertage ihre vier Nachfolger selbst wählen konnten. Ihnen lag die Polizeiaufsicht über Mark und Gemeinde ob. Sie wurden in ihrem Amte teilweise unterstützt von den vier Schützen oder Förstern und den sogen. „Eichlen"schützen, die alljährlich am St. Laurentiustag gewählt und ebenso wie die Förster vom Ritterbürgermeister vereidigt wurden. Sie erhielten für ihre Bemühungen von jedem Märker 14 Quart Wein, und „wae nit wyn waess, sael er gelt davor haben".

Die Fleischsetzer, deren jährlich zwei angesetzt wurden, hatten den Fleischpreis festzusetzen, während die Holzgeber solchen, welche die Erlaubnis erhielten, Holz im Walde zu fällen, die betreffenden Stämme anzuweisen hatten. Zum Aufheber, der anscheinend die Rügen einzutreiben hatte, wählte man ge- wöhnlich den zeitigen Schöffenmeister.

Auch die Besetzung der Kirchenämter lag in den Händen der Märker. Sie ernannten die Kirchenmeister, Sendschöffen oder Almosenmeister und stimmten mit bei der Wahl des Schulmeisters und des Frühmessers. 1540 verordnete der Märkerrat, dass an jedem Märkertag, nicht wie vorher geschah, am Andreastag der älteste der drei Kirchenmeister abtreten und an seiner Stelle ein neuer gewählt werden solle. Bei seiner Yereidigung durch den Ritterbürgermeister musste er versprechen, „alle kirchische guitersachen, reuten und gefeil zum getrewlichsten und fleissigsten zu handthaben und alle die kirchen innerliche undt auswendige gebew desgleichen alle ornamenta mit allem ernst bewlich undt in esse zu erhalten, sowie von allem innehmen und ausgeben rechte gutte uffrichtige undt redhche Rechenschafft zu thun." Sendsohöffen wurden zuerst 1585 angesetzt und ausdrücklich bemerkt, dass zuvor „nihe kein alhie zu Niederionstein gewest" seien.

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Der Schulmeister, welcher zugleich den Glöcknerdienst in St. Johann ver- sah, wurde zwar nicht nur von den Märkern angesetzt, sondern bei seiner Wahl hatten der Pfarrer und die Gemeinde auch je eine Stimme, Doch wurde er vom Ritterbürgermeister „mit handgegebener treu an geschworenen Aydts in pflicht" genommen und musste ihm auch alljährlich am Märkertag die Kirchenschlüssel zurückgeben, die er, falls gegen seine Amtsführung nichts einzuwenden war, wieder zurückerhielt; lagen jedoch Beschwerden wegen seines Lebenswandels oder zu geringer „capacität" vor, so konnte ihn der Ritter- büro-ermeister absetzen. Dass die Märker auch bei der Wahl des Frühmessers um ihre Stimme ersucht wurden, hatte wohl darin seinen Grund, dass sie in der Stiftungsurkunde der Frühraesserei vom Jahre 1358 ausdrücklich als „Collä- tores" aufgeführt wurden.^*)

Die damaligen Bürger wussten aber das Vertrauen, das man ihnen durch die Übertragung dieser Ehrenämter erwies, nicht so zu würdigen und be- schwerten sich wiederholt über die ihnen widerfahrene Ehre. So heisst es 1599; „Dieweill den herren Merkern kläglich furkoramen, wen man jarlich die ämter verwantelt das diejenige, so angesetzt werden, die mercker und an- dere so bey dem rat sitzen verfluchen und schmähe undt andere unnütze wort ausgiessen, so haben die hern mercker mit allem ernst geboten, gebieten und verbieten hiermit uif straff 10 goltgultin unsern gnedigsten hern und den merckern unnachlessig zu erlegen, das solche angesetzte gemeine diener sich solchen fluchens verwuntschens enthalten und müssig gehen; der darüber er- griffen wird, soll beyneben betrauter straff an seinem leib gestrafft werden.''

Der Märker- oder Ritterbürgermeister als Repräsentant des Märkerrates besass nach einem alten Weistum „gebott und verbott von wegen des Kur- fürsten."'*) Dieses Gebot resp. Verbot bezog sich vor allem auf die Ver- waltung der Mark. Die Märker sorgten dafür, dass alljährlich die Grenze be- gangen wurde und, wo es nötig war, neue Grenzsteine gesetzt wurden. Und zwar sollte dieser Begang geschehen „mit einer gemeine volgh, als sich das gepurt." Sie regelten die Aufforstung des Gemeindewaldes. Ihrem Ermessen stand es frei, ganze Distrikte, ja den ganzen Wald für gewisse Zeit hindurch zu schliessen. Niemand durfte Holz schlagen, ohne dass sie es zuvor in einer „Heymreiden einem burgermeister geheissen und doselbst erlaupt". Hatte nua einer die Erlaubnis, eine bestimmte Last Holz zu hauen, so musste er dasselbe auch innerhalb einer bestimmten Frist verbauen bezw. verbrennen, und strenge Strafe drohte ihm, falls er sich unterfing, „dasselbige holtz in ander herlikeit zu sleuffen oder zu werffen" oder etwa zu verkaufen. „So sollen alle Mercker und bürger in der mark laissen, was ihnen aus den weiden wirdt von holz, phele undt laub bei einer phene von 5 mark." Auch die alljährliche Verteilung der „röder und hecken" sowie der gebrannten Holzasche lag in ihrer Hand. Ge^en Wilderer gingen sie streng vor. So heisst es u. a. : „Demnach die mercker vor lengst in gewisse erfahrung kommen, dass der fruihemesser allhie

^') Notiiriell b(?},'!iiul)i<<te Kopie dor Stit'tuiigsurkuiide im Pt'urr-Archiv X. -Lahnstein. ^^) Urijjiual im stiiclt. Archiv N.-I.nhiistein.

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Selbsten mit hassen schissen, strick zu setzen oder zu legen velt liöner zu fangen ohn nachlessig sich gebrauchen lass, als haben die mercker verordnett und ihm ufferlegt 10 goltgulden stratf zu erlegen und dessen hinfurters müs- sigen soll."

'o

Mit der Ausführung ihrer Strafbefchle befassten sich die Märker nicht, sondern betrauten damit den Schultlieiss und den Bürgermeister. Die Bestrafung von Felddiebstahl sowie Flurbeschädigung stand natürlich ihnen auch zu. Es war den Schützen bei Strafe des Halseisens geboten, die Frevler anzuzeigen und es bestand die Verordnung: „welcher trauben, epfel, nuss, bieren, Wein- garten, garten, wiessen oder wasserley schaden durch die hueter oder schützen erfunden werden, soll der schultiss von wegen unsers gnedigsten herrn ulf den schwengell setzen, ihme ein stumbig messer in die band geben, sich selber dor- mit zu erlossen und vor ein heller weck im zu essen geben. Auch die in der N.-Lahnsteiner Mark begüterten Bürger von Hurchheim unterstanden der Straf- gewalt der Märker. „Uraltem löblichen wohlherbrachten brauch nach" mussten sie „diesen sontagh nach Maria himelfarht allhie zu Niderlonstein uff ge- meiner haradt gehorsam erscheinen, einem adlichen bürgermeister oder seinem befehlhaber gelübtt und handtastung in aydts statt thun, das sie und alle ihre haussgenossen unser gemeiner vole mitt gebott und verbott underworfen sein wollen, nemblich das sie in der zeitt, wen alle erscheinedte fruchtt und obs als trauben apffel bieren nöss gewechs und anders in feldt, wiessen und gärtten reiffet und zu nutz erscheinett, in dieser marken jeder ufF dem seinigen bleiben, andern nachbarn alhie das irige nit geferlicher weiss abschütten, schlagen, brechen, schneiden etc." wollten. Und sie wurden jedenfalls um so lieber zur Bestrafung herangezogen, da die Bestimmung vorhanden war, dass „gemelte straff durch den schultissen, heimburger und geschworn soll uffgehebt werden, diesselbig behalten biss an den eschtag, wann die gemein uff gemeltem eschtag die beum in den waltt setzen, dasselbig dann zum teill fritlich verdrinken und das übrig soll in gemeinen notz angewendet werden."

Auf die eigentliche Verwaltung der Gemeinde hatten die Mürker schon durch die in ihrer Hand ruhende Wahl der Beamten einen bedeutenden Ein- fluss, der sich in einer gewissen Oberaufsicht der gesamten Gemeindeangelegen- heiten äusserte. „Hinfordter" so heisst es in einer Bestimmung vom Jahre 1577 „soll kein rechnung so die scheffen, heimburger, geschworen thun, angehördt werdt oder passiren, es hab dan der edelbürgerraeister und einer von den 3Iercker wegen den recess unterschrieben uudt soll vornemblich an allen merckertagh gehendelt undt geredt werden, wie die gemeine rendt und gefell an jalichen inkommens gebessert und vermertt werden mögten." Auch bei der Festsetzung der „Schätzung und Beede" sollten der Ritterbürgermeister nebst zwei Märkern dabei sein und „sollen zeren in eyns offene wirtshuss das malezit und das verrechen." Sie übten ferner die Ortspolizeibehürde aus. Sie wachten insbesondere darüber, dass kein fremdes Gesindel hinzuziehe, und es durfte sich „nimant frembs in das dorff bestaden, es sihe dan mit wisse und willens der mercker." Ausserdem solle nach einem Märkerbeschluss von 1554 „der heimburger uff einer liarat verkuudigen, ob jemant hi sess

14*

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ehelich oder unehelich undt het keinen briff von seiner oberkeitt wie er von seiner oberkeitt gescheidten sey, sie sollen weichen, wo net soll man innen Wasser und weydt verbiedten, auch ist beslossen, dass sich niemandt herin bestalen soll, er brengh dan auch ein sehein von seiner oberkeitt." Sie ver- baten deshalb auch das Halten von Winkelherbergen und verordneten zwei Bürger eigens dafür, die Zureisenden „der gepur zu trakteren." Sie achteten ferner darauf, dass keine fremden Weine eingeschroden wurden, und wenn das geschah, so nur mit ihrer Erlaubnis und gegen Entrichtung von 2 Gulden „da- mit einesteils die schlechteren Wachstümer, als Rhenser, aus unserm ort abgehalten werden, andereteils aber, um die unsrigen weine desto besser und höher anzubringen und consumiren zu können, gestalten ohnzählig mal geschieht, dass die schlechten ausswärtigen Weine aufF ohnzulässige Art mit unseren untermischt werden und also unsere eigene Crescentz in schlechtes Renomme verfallet. Wolle jedoch" so heisst es in einer späteren Verordnung^'') „einer ein gut fass Obermosel oder rheingauer herein bringen, so solle ihm dies erlaubt sein unter der Bedingung, dass er, so lange Wax- tum vorhanden, nicht verzapft werden dürfte." Die Bäcker waren streng verpflichtet, nach Cobienzer Gewicht zu backen und keinen „bürger wider willen zu beschweren noch mehr abzunemen." Durch den Bürgermeister Hessen sie alljährlich die Schornsteine und Keltern besehen und achteten darauf, dass die Bürger ihr „keltergezeugh gedeckt verwarten, wie die nitt gedeckt werden, soll man denselben keine mehr geben, es sey bäum, gebindet, tocher, svellen, wess darzugehörig."

Auch um die Pflege der Sittlichkeit und eines frommen Lebenswandels in der Gemeinde suchten sich die Märker verdient zu machen. Ehebruch wurde streng bestraft und der Kirchenbesuch zur Verpflichtung gemacht. In einer Märkersitziing des Jahres 1555 wurde u. a. beschlossen: „so welche heillige tage in der pfarhen zu sanct Johanne uff der Cantzellen verkündigtt zu feyren, demselbigen soll ein jetlicher alss sonder argelist nach kommen undt feyren undte ob einer in der gemein befondten würdte undt desselbige heylige tage mit irem verniöglichen gottesdienst nit heyligten, sollen ufF peene undt straff verfallen seyn den merckern für einen gultin undte der pharen zu sankt Jo- hanne ein pfondt wachs so ufft nott geschehen möge. Welcher weiters uif den sondagh oder andere feyertags zu senkt Johan in der kirchen sey und auss der kirchen gehen besonderlich in der predicten an den rheyn oder uff den kirch- hoff irem geschwetz nach, der soll in obgemelter straff verfallen." Auch Nachen zu fahren war des Sonntags oder Feiertags streng verboten, und „wer einen hondt hatt, soll denselbigen daheim behalten undt in die kirchen nitt lauffen lassen.""

Für alle diese Bemühungen und Sorgen um das Gemeindewohl genossen die Märker auch besondere Yergüustigungen. Sie waren, wie ja überhaupt der Adel seit 1575, frei von Steuern und Lasten, sofern sie kein sogen. Bauern- gut neben ihrem „freiadeligen Märkergut" bcsassen. Auch ihre Ilofleute waren

'•") .Märkurratsprotokull von 171.").

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wenigstens im 16. Jahrhundert in diesem Falle von allen -.bürgerlichen Beschwerden" u. s. w. befreit.

Als „Märker" waren sie ferner in alleinigem Besitze der Jagd- und Fischerei- gerechtigkeit. Die Nutzniessung einzelner Distrikte, wie z. B. ..im Scheide*', stand ihnen allein zu. Wenn .,ufF dem alten hochen walde phele gehaugen würden"^, so hatten die Märker je zwei Hauer, während die Bürger täglich je nur eine Bürde Holz hauen durften. Falls ..abe eckern utf den weiden wurde, so magh ein jeklich mercker ein vierthel schwein darin schlagen". Im Herbste durften sie die „sommerhämmel in die Stoppelfelder und weiden gehen lassen ohne ander leud schaden". „So man laufF dragf" heisst es weiter ..sael eyn marcker de ersten zwene tage alle male zween dreger haben", ebenso „sollen de marcker im herbst de fore laess haben sael nemans lesen bussen irem wissen und wee darober leest, sael den merckern verfallen sin". Auch hatten sie die Freiheit, einzuschraden, was ihnen beliebte, und brauchten keine Abgaben dafür zu entrichten. Für seine besonderen Bemühungen hatte der Ritterbürgermeister ausserdem noch einige kleine Vergünstigungen. Ihm gehörte das Heu auf dem „Rödelwert" und er bezog für die Revision der Gemeinde- rechnung 4 Gld. und für die der Kirchen- sowie Hospitalsrechnung je 3 GM. Ferner war er von der Entrichtung der 14 Maass Wein frei, mit denen sich jeder Märker alljährlich freie Überfahrt über die Lahn erkaufen musste. Da?u kamen noch die Essen, „so von undenlilichen Jaren geben worden seint" und noch : Den ersten Donnerstag im Mai wurde dem Edelbürgermeister oder seinem „Statthalter" samt einem Diener, sowie dem neuen Heimbürger, den vier Hütern, den Schützen und dem Frohnen im Altenberger Hof zu Horchheim aufgewartet, den folgenden Donnerstag zu Lalmstein im Arnsteiner Hof, den dritten Donners- tag ebendaselbst, im Deutschherrnhof. Im Herbste wurden „obgemelte personen im HelflFensteiner hoff zu Horchen zur martell ganss" geladen.

Solange nun die Märker an Ort und Stelle wohnten und sich persönlich um das Gemeindewohl kümmerten, hatte die Einrichtung des Märkerrats für die Gemeinde die besten Folgen. „Nidetlahnstein" so heisst es in einem Berichte des Amtes Ehrenbreitstein von 1810 „ist hierdurch zu einem sol- chen Wohlstand gelangt, dass es dazumal viele Städte übertraf und dass man sogar die in Höhr befindlichen Wiesen zu 294 Morgen unter Märker und Bürger als Alimenta austeilte.'' Nach und nach aber erkaltete das Interesse der Märker, die zum Teil ihren Wohnsitz überhaupt nicht mehr in Lahnstein hatten, oder sich doch nur vorübergehend dort aufhielten, sodass die kurtrier'sche Regie- rung ausschliesslich der Polizei-Verwaltung anzunehmen sich genötigt sah. Seit 1682 schon waren alle Holzverkäufe aus den N. -Lahnsteiner Waldungen ohne kurfürstlichen Befehl verboten, und durch spätere kurfürstliche Erlasse betr. das Forst- und Rechnungswesen verblieb den Märkern schliesslich fast nur noch die Jagd und Fischerei, sowie die Anstellung der Gemeindebeamten. Das teure Essen, welches die Gemeinde alljährlich am Märkertage geben musste und das nach einer Klage der Gemeinde von 1682 ca. 60 fl. kostete, wurde Ende des vorigen .lahrhumlerts auf Bitte der Gemeinile trotz des heftigen Protestes des damaligen Ritterbürgermeisters Frhr. v. Eyss abgeschafft. Letz-

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terer betonte besonders, es würde, im Falle das Märkeressen abgeschafft werde, überhaupt kein Märker mehr erscheinen, ein Einwand, der ja am besten auf das Interesse scbliessen lässt, welches die damaligen Märker für die Gemeinde besassen. Als Entschädigung hierfür verlangte v. Eyss natürlich auch die Ab- schaifuno- der Essen, welche einige Märker den Gemeindebeamten zu geben hätten, sowie der 14 Maass sogen. Schützenwein, da ja jeder Märker ebensogut wie der Bürger auf die allgemeine Feldhut und Polizei-Aufsicht Anspruch machen könne. Diese Forderungen wurden auch bewilligt, nicht aber die eben- falls verlangte Sistierung der 14 Maass für freie Lahuüberfahrt, weil die Über- fahrt von der Hofkammer vermietet wurde, und dieser alte Kontrakt nur mit beiderseitiger Zustimmung gelöst werden konnte. Im Interesse der Hofkammer aber lag es, dass diese Abgabe bestehen blieb, weil sie bei der Versteigerung der Brückenmiete sehr in Betracht kam. Selbst der Vorsitz im Märkerrate wurde dem Ritterbürgerraeister abgesprochen, und statt seiner präsidierte der kurfürstl. Kellner im Thal als Vertreter des Obermärkers. Der Ritterbürger- meister hatte nur noch das Recht, den Märkertag anzuberaumen und die dort gewählten Beamten zu vereidigen, ein Recht, das ihm, resp. Frhn. v. Eyss, auch noch bis in das zweite Jahrzehnt unseres Jahrhunderts verblieb. Mit dem Tode dieses für die alten Freiheiten und Privilegien seiner eigenen Güter so- wohl, wie die der Lahnsteiner Märker mit aller Entschiedenheit und Schroff- heit eintretenden Mannes erlosch die ganze Märkerherrlichkeit.

Anhang.

Verzeichnis der Ritter- oder Märker-Bürgermeister,

soweit sicli (liesollHMi ermitteln Hessen:

1455

.loli. Schillin^i: v. Lahiistein.

1615-18

1524

Jdli. V. Hcltfenstein u. Müllenl

)aoh.

1526-27

N. Srliilling V. Lalinsteiii.

1619

1528

Uerlai'h Sohillini; v. Liiliii-t(

'in.

1620

1530

-^ 1 •» •>

1621—22

1560—70

Gerhich ^

1626—30

15»2-97

Werner , ,

1632-33

1598

Kinnierich ., ., ,

1634—35

1599

Hans Conrad., .,

1636-37

16U0-01

Joh. Wenz von Lalinstein.

1638

1602

Ant. Haussniiinn als Stellvertreter

1643

(li's Kurfürsten.

1644 -.50

1603-04

Dentschunlenskointhur.

1651

1605—09

Daniian v. d. Leyen.

1657 58

1610—12

Philipp Ant. v. u. z. Stein.

1659—63

1613—14

Joh. Wenz v. Lahnstein.

1664

Kointliur Hans Werner v. u. z.

Bunigart. Williolin V. Metternich. Hans Werner v. u. z. Bunigart. Anton Kratz v. Schartfeiistein. Hans Werner v. u. z. Bunigart. («otttVied v. u. z. Stein. Ludwij; V. u. z. Stein. (iotttVied v. u. z. Stein. Lothar v. Metternich. (iottfr. v. u. z. Stein. Ludwig v. Metternich. (rottfried v. u. z. Stein. M. Walpott V. Bassenheim. Ludwig v. Metternich. Diethor Adolf Frhr. v. Metternich.

217

1665 1666—69

1670

1673

1674

1676

1678 1680—81

1682

1695

1697

17'_'8

1729

Komthur v. Xewhorst.

Job. Friedrich v. u. z. Stein.

Diether Adolf F'rhr. v. Metternioli.

Ludwi<jf Christoph v. u. z. Stein.

Caspar Christian v. Newhorst.

Job. Friedr. v. u. z. Stein.

X. V. d. Leyen.

Ludwig Christoph v. u. z. Stein.

Komthur v. .Metzenhuusen.

Karl Caspar v. d. Leyen.

Ludwig Christoph v. u. z. Stein.

X. Frhr. Boos v. AValdeck.

X. Frhr. v. .Vdelsheim.

1733 Wilh. Lothar JuM?f Boos v. Wal-

deck.

1734 >'. V. .Vdelshoim.

1735 Carl Philijjp v. u. z. Stein. 1737 N. V. Adelsheiin.

1738-42 Wilh. Lothar Frhr. v. Boos-Wal- deck.

1747 N. V. llohenfeld.

1750 W. V. Huhenfold. 1755—59 X. V. Boos- Waldeck.

1765 J. Frhr. v. Eyss.

1775 X. Frhr. v. Boos- Waldock. 1800—07 J. M. Frhr. v. Evss.

Vertrag zwischen Märkern und Gemeinde.")

1455, Donnerstag nach Elisabeth [Nov. 20.]

Zue wissen utf heudttage, dato diesses zetteis, durch die vesten und ehrbaren Wilhelm von Statfel amptraann zue zeit zue Lainstein, Johan Scbillink von Lainstein burgermeister da- selbs, Johan von Dauttenbach keiner unsers g. h. von Trier von Ehrenbreitstein etc. verdingt ist zusehen den merckern am eine und der gemeine daselbs zue Lainstein am andern theill etc. etc.

Zum ersten so hain wir beredt und bededingt so welche zeit ein burgemeister raarck und walde beghan soll oder will, das soll ehr thun mit den merckern und denjenchen die Jetzuner in den raidt gehen, und das mit einer gemeiner volgh als sich das gepurt. Doch beheltnus unsers herren gnaden vor und nach seiner herlichkeit.

Item zum andern maill so soll man einen jeklichen inheimischen mercker verboden zue alle mercker raith mit underscheit, is wehr dan »ach, das er ane seiner ehren geleckt werbe.

Item zum dritthen maill wau man heimburger, geschworn, schützen, underkeuffer undt uffheber setzen saell, dabey soll man die merker verboden in maissen vorgeschr. Item so sollen dye huder mit rait eins burgermeister vier andere huiter kiesen, wun des noit ist und gopurt als das von alders herkommen ist.

Item zum vierten maill der in die merckerschatt't und in der merkerraith kommen saell, der saill geloben und schweren den mercker raith zue helen als eine der burgermeister zur zeit erzelen saill.

Item zum fünften maill so saell man kein bauholtz im forder noch hinter walt nicht hauen, man hab es dan einem burgermeister zuvor uffenbarlichen an eyner heyu reden go- heissen und ime doselbst erlaupt.

Item zum sechsten maile wan man rüder undt hecken ausgeben saill, das soll man thun als das herkommen ist. Fnd die sollen die mercker lechen und dieghene die ein burgemeister zur zeitt darzu erkiesen wirdt.

Item so sollen alle mercker undt burger in der marck laissen, was ihen aus den weiden wirdt von holtz, phele undt laub bey einer phene 5 Mark.

Item wan der burgemeister järlichs die rechnung legt, das saill ehr thun mit den merckern und anderen zu ihrae nehmen Und ist fortter mit der rügen halten, in maissen das herkommen ist.

Item werben auch einige freihe pletz in der marken gelegen, der saill sich niemandt insonderheit gebrauchen, ehr endhu es dan mit raithe eines burgemeisters mercker undt dem gemeinen raith.

^") Abschrift aus dem Ende des XYI. Jahrhunderts, Märkerbuch, Königl. Staatsarchiv zu Wiesbaden. Zum Schlüsse sei es mir gestattet, Herrn Archivrat Dr. Wagner für das überaus liebenswürdige Entgegenkommen, welches er mir gegenüber zeigte, auch an dieser Stelle meinen verbindlichsten Dank auszusprechen.

218

Item ob eiiiijfje osch in den weiden }^ebraiidt wuidde saill der burgermeister und nier- eker keren als das herkommen ist.

Item utf Laine das soll man halden nach ausweisung des versiegelten briefs der dar- über geben ist.

Item uff Meerseiehe das soll man theilen ingesessen mert-kern und bürgern, als man das bisher getheilt. Jeklichen nach seiner gepuer.

Item uff den alten hochen walde saell niemandt kein pele haugen man überdinigh dhan eines geraeinen hauchs.

Wan das geschie, so soll ein mercker zwoon hauer hain un<l ein burger einen tag eine bürde, in maissen das herkommen ist undt whers saeh, das jemandt das über fuer und da- rüber hiebe, der saill ein niarok verlorhen han, als dick der gerüoht wirdt.

Item im scheide, das stehet den merckern allein zu.

Item abe eckern utf den weiden wurde, so mag ein jeklich mercker ein vierthell schwein darin schlagen, und ein heimburger funtf schwein, und das geleuflichen beiu'eu ane einer hein- reiden als sich das gopurt. .Man enwurdo dan eins andere zu ruithe zum minderen da solt eim jederen abghen nach seiner gepur.

Item uf den merckertägh zue herpst saell niemandt lesen, ehr en sei dan ein mercker und was zue der zech gehört snill uti" den tagh gelesen werden. Und wehr es sach das ehr enbowen uberfurhe so manchen leser ehr hette, saill vor jecklichen ein niarck verlorhen hain.

Item wan 7nan das laub ausgibt so mag ein mercker die ersten zwene tiigh zwene laub- dreger haben und sunst ein bürger eine. Undt wehr das überführe und gerügt wurde als dick das geschehe, saill er den schillingh verlorhen hain.

Undt saill auch niemandt laub in kein kaulen drägen bei derselb vorgenannt pene man überdrüghe es dan mit denjhenen sich gepurt.

Item soll ein jeklich mercker jarlichs den Schützen geben 14 quarten weins es enwehr dan sach, das misswachs keme, so soll man es bezalen mit gelde als man das zuraith würde.

Disse vereinigungh und guitliche beredung ist beredt undt bededingt wordde uff Donners- tag nach sanct Eisbetts dagh der heiligen witwen. Anno MCCCC quinquagesimo quinto.

Ein Inventar der St. Valentinskirche zu Kiedrich.

A'un

Verzeiclinlsse kirchlicher Gebrauchsgegenstände dürfen in der Regel nach mehrfacher Richtung Interesse beanspruchen : einmal als Quellen der Kunst- geschichte, dann als sprachliche Fundgrube, aus der auch die liturgische Ter- minologie Vorteil zieht. Das hier folgende Inventar, das mit andern von Zaun') benutzten Kiedricher Handschriften aus dem Nachlasse des Weihbischofs Würdt- wein stammt und sich im Besitz des Nassauischen Altertums-Vereins befindet, verdient vom sprachlichen Standpunkte aus Beachtung. Es ist an Gewändern, unter denen sämtliche liturgische Farben vertreten sind, ziemlich reich : von diesem alten Bestände ist heute nichts mehr vorhanden. Die Pfarrkirche St. Valentin selbst stammt aus dem 14. Jahrhundert, wurde indess im letzten Viertel des 15. Jahrhunderts durch Zufügung von Emporen und Erhöhung des Mittelschiffes in eine Hallenkirche umgewandelt und durch einen glänzenden Chorbau nebst Anbauten erweitert.-) Die ungleich mehr bekannte Totenkapelle St. Michael, die den rheingauischen Ort zu einem beliebten Wanderziel der Kunstfreunde gemacht hat, gehört der Zeit von etwa 1440 an.

Für die Worterklärungen wurde zum Teil das Mittelhochdeutsche Hand- wörterbuch von Lex er heranorezosren.

Inventarium der kleynoden in der kirgen, so Marx VV agenern') gelieffen worden wie volgt (15)83 denn 11 Juuii.

It. 7 kelch sampt ihren patenen

It. 5 corporal

It. eynn silber ubergult furgestpang')

It. eynn gross silbern creutz

It. eyne bücks mitt eynen silbern fuss ubergult sampt eynen silbern henken, darinnen 3 silber kleynen creutzer so geopffert worden

It. eynn güldene korkap^) mitt eynem silbern knop so ubergult

'l (iescliiolite des (Jrtes und der Pfarrei Kiedrirh. Wiesbaden 1879. -') Lotz, Die Baudenkmäler im Re<;ieruni;shezirk WiesVmden. 8. 252. ^) 8o hie.ss der 1ÖS2 angestellte Küster. Vergl. Zaun a, a. ü. S. 153. *) Das dewand vurn zusammenhaltende Sj)ange.

■") Die Cliorkappe (pluviale) mit dem für sie bezeichnenden ^[etallknopf erinnert an die in Kiedrich von Alters hergebrachte Wallfahrt.

220

It. It. It. It. It.

V

V

?7

V

It.

V

It. It.

It. It.

•5

•n

eynn rott verblömet sammatt korkap

eynn gelb gülden stück messgewan

eyn rodt sammat Messgewan mit perlen und silber bestickt

2 rott sammat verblömet korkappen

2 bloen Levitenröck

1 braun scharalot*) messgewand

eynn grönes verblömet sammatts Messgewandt ., weyss damastes Messgewand rott verbliimet sammat Messgewand ., gelbes von seyden

eynn lederfarb sammats

2 verblömet seyden korkappen hatt der pharher zerschnitten') evn rodt damastes Messgewand

schwartz sammat Messgewand 14 alter bioer Messgewan [Item eynen bloen furhanck ahn einem altar]**)

eynn seyden gelb verblömet kap') mitt eynem kristallen sampt eyner seydenn dradel

3 alpenn'") mitt bloen sammatt schilten")

2 alpenn mitt rodt verblömet sammat schilten eynn alb mitt rod verblömet damasten schilten

., alb mitt gülden schilten

., weysem damast

., ^ ,, rodem bursatt'")

«, ., ,, schwarzem duch 2 humeral'^) mitt güldenen kragen mit perlen und silber bestickt

eynn Altarduch mitt eynem guldenn mitt perlenn bestickten furhanck

noch eynen furhanck mit denn 12 Aposteln 1 blo sammat stol mitt 3 manipel 1 schwarz verblömet sammat stol mit manipel 1 rode sammat stol mit eyner manipel eynn guldenn stol mit eyner manipel

1 weiss damasten stol mitt manipel

2 rodt sammat verblömet schilt

*) Ein Zeu«: aus Kamellumron.

^) Am Rande steht: nota pro 2 geblocmet seiden korkappon sein 2 f^runenn i^c

furheng für den altar daraus gemacht,

*) Andere Hand.

^) Churkappe, deren Eigenschaft noch deutlicher als vorhin ilurch die seidene Quaste und den Knopf bezeichnet wird.

'") Das weisse (.'horhenid der (ioiütlichen.

") Wohl die Iänglirli<.-n L!e8atzstiicke ( i)lagae) von demselben Stoffe, aus dem die Kasel bestand.

'*) Haib^eidenzeug.

'^ Hehultcrtuch bei der Me>iskleidung.

221

[It.] eynn braunes samniat stück so der frawen bild umgehcuckt mit

grossen ubergulten sternen ,, eynn gross handsweP') dareynn eynn roden seyden dopfett'^) ., 2 alter handswel ^ 1 Messgewan auff den kerner") 3 koreck'")

4 kiissenn und eynn widerscheyna küssen ,, 2 bloenn samraatt bumeral

1 duch über den Thauffsteynn niitt weyssen dradeln ,, 2 bloe gestrupte handswellen so gebraucht werden corporis christi 15 messkannen ., 1 halbgeraoss zinnkann

[ittem eynn mesig zinnenkandt]'®) It. 1 raessinge kanndt

^ 18 messingenn leuchter gross und kleyn eyn messioge handfass ^ phuldduch

messing becken so dem Altar Michaelis'^) gehörig Ittem eyn deckduch auff die cantzell grün kap mit grünen schiltenn

grünen stol mit einem manipel und l grünen humeral ,, 4 altar dücher eins zu dem hohen altar, 2 zu den anderen, mit

weissen dradeln ein gross hungerduch") mit weissen dradeln"')

'^J AN'asclituch für die Hände.

'^) Wolil ein Gefäss in Form einer Vase, ein Ornament, dem man, .sei es eingewirkt oder eingestiekt, von der Mitte des 16. Jahrhunderts an häutig in der Textilkunst begegnet.

*®) Carnarium I Beinhaus). Es ist die Totenkapelle St. Michael gemeint.

*' ) Chorrock (Chorhemd), ein weites leinenes, bis zu den Knieen gehendes Überkleid.

^^) Andere Hand.

") Der 1427 in der Pfarrkirche gestiftete Michaelsaltar wurde 1445 in die Kapelle über den Karner übertragen.

'■''') Teppich mit biblischen Bildern, der während der Fastenzeit vor dem Sanctuarium der Kirche aufgehängt wurde.

^') Die fünf letzten Einträge von anderer Hand.

Wiesbaden eine königliche Stadt im Jahre 1241,

Von

F. Otto.

Bei Gelegenheit des kurzen Berichts über die Zerstöriiog der Stadt Wiesbaden im Jahro 1242 siehe Mitteihmgen 1897/98 Sp. 118 ist er- wähnt, dass in einem Schreiben jener Zeit, welches, wie wir hier nachtragen, hinsichtlich seiner Echtheit nicht ohne Bedenken ist und dazu der Jahres- angabe entbehrt, Wiesbaden eine kaiserliehe Stadt, imperatoria civitas, genannt wird. Mittlerweile hat diese Bezeichnung eine schöne Bestätigung und zu- gleich Erweiterung durch eine Verüflfenrlichung von J. Schwalm im Neuen Archiv der Gesellschaft für ältere deutsche Geschichtskunde 23, 517 er- fahren. Hier ist ein*h(3chst bedeutsames Verzeichnis der Reichssteuern einer. Reihe königlicher (kaiserlicher) Städte und Dörfer aus der Zeit des Kaisers Friedrich II. mitgeteilt, das sich auf einem Pergamentblatt des Münchener Archivs befindet. Der Herausgeber hat sorgfältig alles zusammen gesucht und erwogen, was einen Anhaltspunkt zu einer genauen Datierung des Schriftstücks abgeben kann, und kommt zu dem Resultat, dass als Zeitpunkt der Nieder- schrift das Jahr 1241 anzunehmen ist (wir werden dies durch eine Urkunde des hiesigen Staatsarchivs bestätigt sehen) und dass ein Verzeichnis der Reichs- steuern der dort genannten Orte für das Jahr von Ostern 1241 bis dahin 1242 gegeben werden sollte.

Wiesbaden wird also hier unter den königlichen Städten aufgeführt. Wir wissen, dass noch im Jahre 1123 der Kaiser Heinrich V. eine „curtis regia Wisibad vooata'' daselbst besass, wann aber dieser königliche Hof in den Besitz der Grafen von Nassau überging, war bisher nicht zu bestimmen. Nunmehr sehen wir, dass dies vor dem Jahre 1241 noch nicht geschehen war, und dürfen auch annehmen, dass es im Jahre 125.5 noch nicht stattgefunden hatte; denn nur so erklärt sich die sonst auffallenile Thatsache, dass in dem Teilungsvertrag der l3rüder Walram und Otto von diesem Jahre die Stadt Wiesbaden, ohne Zweifel damals der beileutendste Ort des späteren walramischen Gebiets, nicht genannt wird; sie war eben noch königlich. Dagegen hatte sie in oder kurz vor dem Jaiire 1283 offenbar diesen Charakter eingebüsst, als Gottfried von Eppstein in seiner Fehde mit Graf Adolf von Nassau dieselbe angriff und zer- störte. (Im Jahre 1298 nennt sie derselbe Graf, damals König Adolf, in dem

223

Stiftungsbrief des Klosters Claronthal seine Stadt, ^,oppidum nostrum", nicht regiura, und die erste Belelinung, die König Karl im Jahre 134>5 den Brüdern Adolf und Johann von Nassau erteilt, zählt auf „die Stadt zu Wisebaden .... mit allen Zugehörungen . . . . , als sie und ihre Eltern von Alter her es her- bracht haut " Der Übergang von königlichem in grätlichen Besitz muss also bald nach dem Jahre 12ö5 stattgefunden haben, und wir glauben nicht zu irren, wenn wir annehmen, dass die kaiserlose Zeit des Interregnums diese Veränderung herbeigeführt hat; König Rudolf liess es dabei bewenden, ohne, wie anderwärts, die Herstellung des früheren Zustandes zu unternelimen oder zu fördern.

Betrachten wir den Inhalt des Verzeichnisses, soweit er für uns Interesse bietet, genauer.

Von Wiesbaden heisst es:

Item de Wisebaden LX. mr., ille cedent ad edificia eorum.

Die Stadt hatte also 60 Mark zu entrichten, die, wenn wir die Mark zu 20 Schilling rechnen, die Summe von 1200 Schilling ausmachen; ein Betrag, den in unsere Währung zu übertragen schwierig und wegen des veränderten Geldwertes trügerisch ist; er kann wohl auf etwa 450 Mark angesetzt werden. Belehrender ist die Vergleichung mit einigen anderen Orten. Von den vier wetterauischen Städten ist Frankfurt mit 250 Mark, also etwas mehr als vier- mal so hoch angesetzt, Gelnhausen mit 200 Mark, Friedberg mit 130 Mark, Wetzlar mit 120 Mark, also doppelt so. hoch; auch Oppenheim hat 120 Mark, Ulm und Boppard 80 Mark zu zahlen, dann folgt Wiesbaden, Bopfingen mit 50 Mark, Wimpfen mit 40 Mark, Giengen mit 25 Mjrk, Buchhorn und Wangen mit 10 Mark. Wir haben nur einige Namen herausgegriffen, um für Wiesbaden eine Stelle in deren Reihe zu finden: es steht etwa in der Mitte, aber den kleineren Orten näher, tiefer als die benachbarten rheinischen Reichsstädte, aber höher als andere, die bis zum Ende des Reiches diesen stolzen Namen fortgeführt haben.

Mehrmals ist angegeben, dass die Steuer für das Jahr 1241 ganz oder teilweise nachgelassen ist, und dabei wird jedesmal der Grund angegeben, z. B. „Augusta nihil, quia combusta est"; bei andern heisst es: „ad edificia eorum" ; so bei Wiesbaden; bei Friedberg wird die Hälfte dafür bestimmt. Es liegt nahe daran zu denken, dass Wiesbaden durch die Zerstörung der Erzbischöf- lichen, von der die obengenannte Urkunde spricht, stark gelitten und desshalb für ein Jahr von der Steuer befreit worden sei; in diesem Falle müsste das Er- eignis, wenn wir an Schwalms Datierung festhalten, vor die Abfassung der Steuerrolle, also vor das Jahr 1241 fallen. Doch dagegen sprechen mehrere Gründe. Sicherlich würde wie bei den verbrannten Städten der Zusatz lauten etwa „quia destructum est". Da dies nicht der Fall ist, wird der Grund ein anderer spin, und wir sind berechtigt die Zerstörung später anzusetzen. Dazu aber nötigt uns der Gang der Ereignisse des Jahres 1242. Der Erzbischof von Mainz rüstete erst im März dieses Jahres zum offenen Kampf gegen die kaiserliche Partei und schlug im April los, indem er den Pfalzgrafen Otto an- griff. Im Juli liess er Kastei bedrohen') ohne Erfolg. Für den Zug gegen

') Schirr m acher, Kaiser Friedrich IL, lY, 5U6.

224

Wiesbaden bleibt uns also der Juni und vielleicht schon das Ende des Mai zur Verfügung, und dahin haben wir denn auch ohne Zweifel die Zerstörung der Stadt zu setzen.

Eine erwünschte Bestätigung endlich der notwendigen Ausbesserung der Stadt „ad edificia'^ bringt uns eine Urkunde vom 14. Juni 1241.') In dem Streit des Klosters Altmünster in Mainz mit dem Schultheiss Dietrich und einigen Bürgern von Wiesbaden nebst Bewohnern von Erbenheim ergeht an diesem Tage der Schiedsspruch, dass das Kloster ,,propter necessitatem et emendacionem civitatis in Wisebaden mera liberalitate" eine bestimmte Summe zahlen solle gegen das Versprechen künftiger Freiheit von Abgaben. Leider erfahren wir wieder nicht, wodurch die necessitas et emendatio veranlasst war, ob private Gebäude, wie unser Verzeichnis doch wohl meint, oder ob die ganze Stadt, weil der Schultheiss handelnd auftritt, etwa wegen der gemeinen Bauten, des Rathauses oder Backhauses u. s. w., oder der Verteidigungsanstalten in Frage kommt. Hatte vielleicht der Aufenthalt Friedrichs II. im Jahre 1236 oder der des lateinischen Kaisers Balduin im Jahre 1239 die Notwendigkeit einer emendatio fühlbar gemacht? Keinesfalls sind wir berechtigt an die Zer- störung des Jahres 1242 zu denken, wohl aber stimmt die „emendatio'' der Urkunde trefflich zu dem „ad edificia" des Steuerverzeichnisses vom Jahre 1241.

Schliesslich sei bemerkt, dass, während bei anderen Orten in dem Steuer- verzeichnis die Abgaben der Juden getrennt von denen der Bürger aufgeführt werden, bei Wiesbaden überhaupt Juden nicht genannt sind; wir folgern daraus, dass damals kein Jude daselbst wohnte, sie erscheinen hier erst nach der Mitte des 14. Jahrhunderts vereinzelt, bis ihre Zahl geraume Zeit nach dem 30jährigen Kriege allmählich zunimmt.^)

-) \i)<ff'(lru('kt l)oi Sauer, cod. Xass. I, Nr. 404. ••') Aiiiial. \Xn[, 12!» tr.

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verglichen, solle traktiert und gehalten werden wie andere Reichs- und Kreys- Obersten.'-*)

Dieser Mangel eines förmlichen, den oberrheinischen Kreis dauernd bindenden Vertrages macht es erklärlich, dass Walrad nach dem Kriege so grosse Schwierig- keiten fand, seine rückständige Besoldung zu erhalten, und dass er sich schliess- lich mit einer Abschlagszahlung begnügen musste/) Der oberrheinische Kreis hatte schon von Anfang an versucht, weniger als die andern für den Krieg zu leisten.') Was für Ansprüche dagegen Walrad in seiner Kapitulation stellen wollte, geht aus einem wohl auf seine Veranlassung aufgesetzten Schriftstücke mit dem Titel „Ohnvorgreifflicho Gedanken, wie ich vermeinte, dass man eines undt anderes in der Capitulation disediren (!) undt begehren solte", hervor.*) Hiernach verlangt der Oberst eine Gage von monatlich 400 oder wenigstens 300 Gulden, sowie die Versicherung, dass das Regiment nach dem Friedens- schlüsse — er rechnet auf zwei oder mehr Feldzüge nicht aufgelöst (.,reformiert"), sondern wenigstens der Oberst selbst mit der Hälfte des Regiments und der nötigen Anzahl von Offizieren weiterhin unterhalten werde; ferner fordert er das Recht, Offiziere zu ernennen und die Justiz im Regiment allein auszu- üben. Die Kreisstände sollen für das Regiment einen evangelischen Pfarrer halten, sowie Fahnen und Musikinstrumente („Spiel und Trommeln") beschaffen; zahlen sie dem Regimente den Sold für volle 12 Monate, so will der Oberst von ihnen keine Winterquartiere begehren. Für den Fall, dass Offiziere des Regiments in türkische Gefangenschaft geraten, sollen die Stände sich verpflichten, beim Kaiser oder bei den Reichsgeneralen auf Auswechselung jener Offiziere gegen gefangene Türken hinzuwirken oder, wenn ein Kartell für die Ranzionierung der Gefangenen aufgerichtet wird, sich um baare Erlegung der Ranzion bemühen; wäre aber kein solches Kartell zu erlangen, so kann man den Ständen nicht zumuten, die Gefangenen auszulösen, da man wohl weiss, dass die Türken „übermenschlich die Leuth schätzen undt die Ständte zu einer solchen über- grosfen Summen zu erlegen nicht würdten zu disponiren sein.''

Diese Frage spielt auch sonst in den Verha'ndlungen über die Aufstellung des Reichsheeres eine nicht geringe Rolle. So hatte der Reichsfeldmarschall, Markgraf Leopold Wilhelm von Baden, in einer am 24. März 1664 dem Reichs- tage eingereichten Denkschrift unter anderen Anträgen auch den gestellt, dass das Reich die Ranzionierung der Gefangenen übernehmen möge, um nicht deren Familien (die sonst ja die nötigen Gelder aufbringen mussten), zu ruinieren.')

Zum Schlüsse wünscht der Verfasser des Kapitulationsentwurfes noch „dass dem Obersten mehr alss die specificirte 12 Pferdte weiten gut gethan werden nur so lang als die Campagne weren möchte". Aus einem Schreiben Walrads an seineu Vertreter in Regensburg wissen wir bereits, dass der Kreis

•') Iliiusarcliiv Woilburg a. u. (). Chor die Deputierten vergl. Aiuiali'ii XX, l.'i'J. M Aniüil.'ii XX, HO.

^1 Sriirriljcn fl'jr kiii.s<Tliciion I{ovi)lliiiäclitinti'n jiti die ausscltreiberiden Kürstim des ober- r1n'iiii>oli('ii Kri'ises viun 'J7. März 1(5G4 Ix'i Lundori), Acta pulilicii IX, 248. "I llauMircliiv Wi-illiur;,' a. a. i). 'j Loiidorp, .\.(tu publica IX, 'J.jO.

Nachtrag zu dem Aufsätze:

„Graf Walrad von Nassau-Usingen bei den ober- rheinischen Kreistruppen im Türkenkriege 1664"

(Annalen Bd. XX, S. 112—138).

Von

Forst

Als ich im Jahre 1887 den oben bezeichneten Aufsatz veröffentlichte, hatte ich nur die im Königlichen Staatsarchive zu Wiesbaden vorhandenen, leidet unvollständigen Akten dafür benutzen können. Neuerdings nun wurde es mir durch das freundliche Entgegenkommen des Herrn Archivrat Hölzgen ermöglicht, im Herzoglichen Hausarchive zu Weilburg weitere Nachforschungen anzustellen. Hier fand ich eine Reibe von Schriftstücken, welche zu der in jenem Aufsatze gegebenen Darstellung wesentliche Ergänzungen bieten.

Zunächst geht aus diesen Schriftstücken hervor, dass der oberrheinische Kreis mit Graf Walrad keine förmliche Kapitulation, wie sie sonst in jener Zeit bei den Führern geworbener Soldtruppen üblich war, abgeschlossen hat. W^alrad erhielt zuerst einen zu Regensburg unter dem 5, April 1G64 ausge- stellten Schein des Inhalts, dass die versammelten Kreisstände ihn zum Obersten über die Kavallerie des Kreises bestellt hätten.') Dieser Schein ist mit dem „Fürstlich Wormbsischen Direktor'al-Indiegel" versehen. Da der Kreis jedoch zwei Direktoren hatte, nämlich Worms und Pfalz-Simmera, so genügte jener Schein nicht; Walrad erhielt daher kurz vor der bei Frankfurt stattfindenden Musterung auch von dem pfalz-simmernschen Direktorium einen Schein, datiert Kreuznach den 10./20. Juni 1664, über seine Bestallung zum Obersten des Regiments zu Pferde.'*) Bei der Musterung selbst endlich stellten drei der Kreisdeputierteo, nämlich Freiherr Johann Werner von Plitterstorf, Dr. Quirin Mertz und Andreas Gauss, eine neue Urkunde, datiert Frankfurt den 24./14. Juni 1664, aus, welche besagt, dass „die gegenwärtige Zeit und Gelegenheit nicht leiden wolle", eine „förmliche Kapitulation und Bpstalluugsformul" für Graf Walrad „in forma aolenni aufzurichten", dass er aber „in allem, doch was nicht anders mit ihm

M Akton des Herzo;;!. Ifausftrcliivs zu Woilburg No. 1S6: ,Graf postoa Fürst Wfilrmls zu Xnssaw-Siiarbrück in L'siiif^on getragene Kriegs-ehar;jen und expeditiones *• '-) Hausarchiv Weilburg a. a. 0.

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dem Obcrdtcu ursprüuglicli nur 8 Pferde bevvilligcu wollte, Walrad aber mindestens 17 für sieh verlangte.'')

Vermutlich ist die xVufstellung einer förmlichen Kapitulation daran ge- scheitert, dass die Forderungen Walrads den Kreisständen zu hoch erschienen.

Der Kreis vermoclite in der That weniger zu leisten als andere, weil mehrere seiner vornehmsten Stände der rheinischen Allianz angehörten, also bereits ihre Truppen nach Ungarn gesandt hatten und sich deswegen an der Aufstelhing der Kreisregimenter nicht beteiligten. Die Kreistruppen, zwei Regimenter zu Fuss und eins zu Pferde, sollten am 10. 20. Juni bei Frankfurt zur Musterung bereit stehen; doch war an diesem Tage erst ein Teil beisammen. Die drei Obersten reichten am 12. Juni (alten Stils) den zur Musterung ab- gesandten Kreisdeputierten eine Denkschrift ein, in welcher sie darlegten, was noch vor dem Abmarsch "roreselt werden müsse.') Dieser Denkschrift zufolijc war noch nicht bestimmt, wie die Truppen im Felde ihren Sold ausgezahlt erlmlten sollten; es fehlte noch an Fahnen und bei der Infanterie an Piken, sowie an leichten Geschützen (den sogenannten Regimentsstücken), ferner an Feldapotheken und au Rüstwagen zum Transport der Gerätschaften und der Munition; letztere war für jeden Musketier auf 5 Pfund Pulver, 10 Pfund Kugeln (16 auf das Pfund) und 10 Pfund Lunten angesetzt, aber ebenfalls noch nicht vollständig vorhanden. Es war noch keine Marschroute für die Truppen auf- gestellt, nichts über Rekrutierung der Ersatzmannschaften bekannt, keine Ver- einbarung über die Ranziouierung der Gefangenen getroffen. Zugleich wünschten die Obersten den Abschluss einer förmlichen Kapitulation.

Diese Forderungen haben, wie der über die Musterung aufgenommene und im Druck verötfentlichte Rezess beweist, nur zum Teil Berücksichtigung ge- funden. Die Kreiskasse war so erschöpft, dass der Kurfürst von Mainz einen Vorschuss geben musste, um nur die dringendsten Bedürfnisse zu befriedigen. So konnte die Reiterei am 14. '24., das Fussvolk am 17. '27, Juni gemustert und in Marsch gesetzt werden.'") Ende Juli langten sie in Wien an und wurden dann mit den von andern Reichsständen nachgesandten Ersatztruppen zu einem Korps unter dem Befehl des Prinzen Ulrich von W^ürtteraborg vereinigt; dieses Korps stand am 3./ 13. August in der Nähe von Steinamanger") und stiess dann zum Heere Montecuculis, der den Angriff der türkischen Hauptmacht bei St. Gotthard an der Raab erfolgreich abgewiesen hatte und nun nach Norden zog, um Preisburg und Oberungarn zu decken. Da der türkische Grosswesier in der That auf dem linken Donauufer gegen die Waag vorrückte, so überschritt auch Montecuculi mit seinem Heere die Donau und stand den ganzen Monat

""l AiiiialL'ii >L\, 12.3.

^) .,Meiiiorial ahn des liochlöbl. OlienlHMuisclu'n (.'rcysscs Depuürto zur Mustemni; dessen Yülckoi- zu lloss und Fuess bei Frauckfurth, dariunou unib Krleutenitii;- iiiul lii'-ülutiuu \ou n. Obristen uiiclm-osucht wird." Konzept mit dem Verni<>rk .,denoii H. üeputirteu uber;^eben Ffortli den l'J. Junii H5ß4'* im llausarchiv zu Weilburi;- a. a. ( >.

"l Annaleu XX, 117. Der Kezess ist auch bei Londorp, Acta publica IX, 29) tf. und bei Lünig, Teutsehes Keiciis-Archiv, pars specialis, coutinuatio I, 2. Fortsetzung, 329 tf. abgedruckt.

"i Theutrum luu'upaoum IX, 1141, 12:i.').

15

228

September hiudiircli an der Waag dem Feinde gegenüber, ohne dass es uoelimals zu einem ernsten Kampfe kam.

Aus dieser Zeit liegen wieder einige Schriftstücke vor, welche über die Schicksale des von Graf Walrad geführten Regimentes etwas Licht verbreiten. Zunächst Rndet sich eine vom 12, September 16G4 datierte Abrechnung über das Begräbnis des Junkers Conrad von Meysenbuch.'-) Dieser war als Kornet in die dritte Kompagnie des Regiments eingetreten, auf dem Marsche erkrankt, in Oedeuburg zurückgeblieben und dort am 9. September gestorben, am 11. be- stattet worden. In seinem Nachlass fand man an baarem Gelde 76 Reichs- thaler oder nach Reichswährung 1 14 Gulden. Davon wurden für Deckung der Verpflegungs- und Begräbniskosten zusammen 111 Gulden 24 Kreuzer 'ver- ausgabt, und zwar erhielten zwei Arzte jeder einen Dukaten (der Dukaten = 3 Gulden), die Geistlichen, Schullehrer, Schüler, Messner und Leichenträger zusammen 34 fl. 39 kr., der Schreiber, der den Lebenslauf und Dankzettel schrieb, musste sich mit 24 kr. begnügen. Das Zeug zum Sterbekleid kostete 9 fi. 58 kr., der schwarze Tafft zur Trauerfahne 12 ti. 6 kr., die Schneiderarbeit am Sterbekleid und an der Fahne 1 H. 35 kr., während der Maler, der die Fahne nialie, 3 fl. 45 kr. bekam, der Tischler für Sarg und Fahnenstange 4 fl. Den Türmern (Musikanten) wurden 3 fl. gezahlt, dem Wirte für die während der Krankheit und zum Begräbnis gelieferten Speisen und Getränke 30 fl., ausserdem erscheinen in der Abrechnung noch mehrere kleine Posten. Den Rest des Geldes, 2 fl. 30 kr., erhielt der Diener des Verstorbenen als Zehrgold; unbezahlt blieben die Rechnungen des Apothekers (20 fl.) und des Barbiers (5 fl. 30 kr.), sowie noch ein Teil der Wirtsrechnung.

Von Graf Walrad selbst wissen wir bereits, dass er am l./ll. September mit seinem Regimeute bei Tvrnau stand und damals bitter über das Ausbleiben des Soldes für seine Leute klagte.'') Später lagerte das christliche Heer bei Freystadt, und von hier aus richtete Walrad einen Brief an den Grafen von Hanau, worin er schreibt: ;,Ew. Liebden ist vorliin wohlbowust, dass die von Deroselben geworbene und meinem Regiment übergebene 42 Man zu Pferdt sambt denen Officiren \on der Compagnio ausser des im Anfang gereichten einzigen Monath Soldts biss dato noch das geringste nicht empfangen habe (!) Weiln aber Dieselbe von selber leichsamb erachten können, welchergestalt besagte M;in- schart't auss Mangel der so tewer versprochenen Bezahlung in eusserste Ruin uml Al)gang gerathen müsste, so habe ich dannoch obliegenden Ambts und Pflichten halber Ew. Ldn. ein solches zu Gemüth führen und dabenebens ahn- suchen wölln, damit dermahleins die ohnverlengte Anstalt gemacht werden möchte, dass besagter Manschatft der restirende Soldt ehist gereicht werde, dahe sonsten in Enstehung dessen Ihrer Kayserl. Majestät und dem heiligen römischen Reich wenig erspriesliche Dienste geleistet und ich in grossem Zweiff'el stehe, ob deren drey oder G in die Winter-Quartier zurück gebracht werden können

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imJ also Ew. lAn. obliegen würde, dieselbe mit grosseren Küsten zu recroutirn und wieder auft'zubringen/''*)

Noch schärfer und bitterer schildert Walrad die durch Ausbleiben des Soldes hervorgerufenen Ubelstünde in einem an einen Rat dos Kurfürsten von Mainz gerichteten Briefe mit den Worten:

„Monsieur! Die grosse Noth zweyer Compagnion, wie auch des Stabs von meinem undergebenen Regimendt obligirt mich nochmahls, denselben ahn die von sambtlichen Herren Deputirte zu r[rank|f()rtt gegehbene parrole, das nomblich stracks nach unserm ab-marche von gedachtein Ort ein solcher gewisser Anstaltt solte gemacht werden, das es nieht an richtiger Zahlung zur subsistance der Truppen ermangeln solte [zu erinnern]. Nulm müssen wihr aber leyders gantz das contraire erfahren und nicht nuhr allein wissen, das wihr seither unserm ab-marche von dem rendevous nicht den geringsten Heller (; ausser etlicher Officir, welche von dem Creysscommissario einen Monahtsoldt en passant zu Wien empfangen :) gesehen haben, sondern auch noch dabey in der Unge- wissheitt leben ob noch einiger Ahnstalt dazu gemacht seye oder nicht, weilen ich schon zum tritten oder 4ten Mahl ahn Ihro churf[ürstliche] Gn[aden] von Maintz, wie auch zum zweyten Mahl ahn meinen hochgeehrten Herrn geschrieben, es auch zum üfFtern durch Hrn. Licentiaten Hagemayer bey dem Crayss-Convent zu Regenspurg erinnern lassen: hab aber so unglücklich sein müssen, das ich noch zu Zeitt die geringste Antwortt von niemandt erhalten hab, das wihr also noch nicht einmal wissen, worahn das wihr seindt, da hingegen andere Crayss ihre Vülcker nicht allein alle Monaht richtig bezahlen, sondern noch fast die meiste auf trey oder vier Monaht ihr Geltt vorauss zu Wien liegen haben. Fulda, Strasburg und F[rank]f()rtt haben bisshero ihre leudt richtig bezahlt; fäldt derowegen den andern sehr beschwährlich, das jene zu essen, diese aber das Zusehn haben und Hunger leyden müssen, sonderlich in diesem Landt, wo die Parteien vor einem Jahr alles verbrandt undt ruiniit haben undt deswegen nichts zu bekommen ist. Es werden auch fast alle Officirs undt Soldaten in diesem Landt kranck ; welche dann kein Geld haben undt sich nicht etwan mitt einem Drunck Wein oder Stück Fleisch wieder enjuicken können, die müssen als die Hundt sterben undt elendiglich verderben, undt muss auch manches Pferdt urab einen geringen Schaden oder auss Mangel Eyssen, weiln die Reuther kein Geldt [haben], zu Schanden gehn. Es kann auch kein Officir keinem Soldaten mit nichts zu Hülff kommen, weiln sie selbsten keine Mittel haben. Lass also meinen hochgeehrten Herrn consideriren, was dieses vor Affection bey den Soldaten giebt, undt wurd inskünfftig unser Crayss schwL'hrlich wieder Soldaten bekommen können zu Recrouttirung ihrer Regimentter, undt würde unsern Ständen viel reputirlicher gewesen seyn, das sie gahr keine Yölcker gegeben wann sie selbige so liederlicher Weiss zu Grundt gehen lassen wollen, und hülift den- jenigen Ständen wenig, welche ihre Leuth bezahlen, wann nicht alles zugleich bezahlt wurd, weiln diejenige Compagnien, welche noch in gutem Standt seindt,

"l Kuiizopt, <l;itiort „im Fcldtla^or bey Froystättl den l.'l./23. Soptenib. Ao. lf;G4." Ilfius- arclüv Weilburij u. a. ü. Üass der Brief an den UratVii von Hanau gerichtet ist, ^r^lit aus der Erwiilinuiijj; der 42 Reiter hervor.

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vor die ruinirtcn Compagnion (lesfo mehre Dienst tliiin müssen uudt also eine mitt der andern zu Griindr gehen muss. Bitte also meinen hochgeehrten II[crrn], [er] wolle doch zuvorderst bey Ihro churf. Gn. undt übrigen Ständen die Sach so remonstriren und die Sach so heltfen vermitteln, das sich die sambtliche Crayssvölcker dessen mügten zu erfreuen haben uudt wihr Ihro M[aje3tät] dem Kavsser undt dem Reich desto bessere Dienst leysten mögen." ^)

Diese trauriire Schilderung wird bestätigt durch die vorhandenen Rapporte über den Bestand des Regiments an Mannschaften und Pferden. Nach den am 15. September aufgestellten Listen zählte die erste, aus den Kontingenten von Nassau und Hanau gebildete Kompagnie damals 60 Köpfe ; von der Mannschaft waren 4 Reifer durchgegangen, 2 gestorben, aber durch zwei andere ersetzt; ein Korporal war krank. Die zweite Kompagnie, bestehend aus den Mannschaften der Reichsstädte Strassburg, Kolmar und Schiet tstadt, sollte 67 Pferde stark sein ; doch waren zwei Reiter krank in Pressburg zurückgeblieben. Die dritte, zu welcher der Abt von Fulda, der Graf von Wittgenstein und der Rheingraf Johann von Diemeringen die Leute gestellt hatten, zählte mit Einschluss der Offiziere und Unteroffiziere noch 52 Berittene; 2 Mann waren unberitten, 4 krank,

einer tot.'*)

Die Nachweisuugen über den Stand der 4. und 5. Kompagnie vom gleichen Tage sind bereits früher mitgeteilt.") Einen bedeutend stärkeren Abgang zeigt der elf Tage später, am 26. September, aufgestellte Rapport über das Regiment. Bei der ersten Kompagnie waren zwei Reiter tot, 8 krank, 4 unberitten und 12 mit matten Pferd n, bei der zweiten 5 Reiter krank, 2 leicht durch Pferde- schlag verletzt, einer unberitten. Von der dritten war der Körnet (der oben- erwähnte Junker von Meysenbuch) zu Oedenburg gestorben, ferner ein Reiter tot.'') Der Rittmeister Graf Wittgenstein lag krank in Wien, der Quartier- meister in Bi)singen; von den Reitern waren 6 krank, 10 unboritten, 7 hatten matte Pferde. Auch die vierte und fünfte Kompagnie hatten jede einen Toten; von der vierten waren der (^uartiermeister und 8 Reiter krank, 8 Reiter un- beritten und 5 mit matten Pferden; die fünfte endlich hatte ihren Wachtmeister zu Tyrnau verloren, der Kornot und 10 Reiter waren krank, 5 Reiter zu Fuss, und 6 konnten keinen Dienst thun. Von den Kranken des Regiments lag der geringere Teil in Pressburg oder Tyrnau; die meisten befanden sich im Lager selbst. Das Regiment konnte nur noch mit 196 „dienstfertigen Pferden", ein- sidiliesslich der Ofrizlere. ausrücken, hatte also über ein Drittel seines ursprüng- lichen Bestandes eingebüsst; der ILiuptverlust bestand in abgetriebenen oder ganz zu Grunde gegangeneu Pferden.") Hierin zeigten sich eben die Folgen

'■■') riid(iti..'rto,s Konzept von Wnlnids eigener Hand im Ifuusnrcliiv Weilburg a. a. O. Der Xanie des Adi-es>aten i>t nicht ang(>goben.

i"t I/i>tiMi d'H- 1, '-*. und 3. Koniiiagnie im llansarclüv Woillmrg a. a. O.

^'\ Annnlen XX, I.!.')— 136. ßozüglich des Datums dieser Listen ist zu l)ea<'liten, dass der Kais.T für die lleicliätrui.pen den (Jebraucli des gregorianischen Kalend.M's verlangt hatte (Lundnrp, Acta i.ubliea I\, 'J.jO— 2.>1 ).

•") In einem späteren Kappuite lieisst es, dieser Reiter sei vun ITusnren crseliussen

\vi_)rilen.

''l luipjpurt vutM L'tj. Septomljer im lliinsan'iiiv Weilbiiig a. a. »».

231

der schlechten Besoldung uud Verpflegung. Dass auch die Disziplin darunter litt, darf nicht Wunder nehmen. Bei den Akten tindet sieh ein im Lager zu Freistadt am 20./30. September aufgenommenes Protokoll über ein Yerbör sowie das undatierte Konzept eines daraufhin gefällten Todesurteils.'") Angeklagt war ein aus Fischhausen in Preussen gebürtiger Korporal der dritten Kompagnie, ]i[artiD Kortalik. Derselbe war mit seinen I-euten zum Fouragieren ausgeschickt worden und dabei an ein Franziskanerkloster gekommen, welches eben von kaiserlichen Reitern und Dragonern geplündert wurde; er hatte sich an dem Raube beteiligt und sich Kirchengeräte angeeignet.

Alles, was sich über die Schicksale Walrads in dem kurzen Feldzuge von 1664 aus den Akten ermitteln lässt, giebt einen neuen Beweis von der Unzu- länglichkeit der damaligen Reichskriegsverfassung und bestätigt zugleich die Schilderung, die Montecuculi in seinen Denkwürdigkeiten von der Notlage des kaiserlichen Heeres im September entworfen hat. Man kann danach begreifen, dass der kaiserliche Hof wenig Vertrauen auf die Reichshülfe setzte und mit den Türken so bald wie möglich Frieden schloss. Ebenso begreiflich ist es, dass ein thatendurstiger Offizier, wie Graf Walrad, nach solchen Erfahrungen den Reichsdienst aufgab und sein Glück zuerst bei den Herzögen von Braun- schweig-Lüneburg, später aber bei der Republik der Niederlande suchte.

20

) Hausarchiv , Weilburg a. a. 0.

Annal. d. Vereins f. Nass. Altert, n. Gesch. Bd. XXIX

Tafel III,

Situationsplan zu Rom. Funde aus Wiesbaden.

Annal. d. Vereins 1. N.iss. Altort. u. Gesch. Bd. XXIX.

Tafel V.

Römische Getaßscherben aus Wiesbaden.

Annal. d. Vereins f. N'ass. Altert, u. Gesdi. Bd- XXIX.

Tafel VI.

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Tafel XII.

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