Arachnologische Mitteilungen Heft 39 Nürnberg, Oktober 2010 QL 453.4 .Al A73 ENT ISSN 1018-4171 www.AraGes.de/aramit Herausgeber: Arachnologische Gesellschaft e.V. URL: http://www.AraGes.de «g^VTHSOity^ APR 29 2015 U BRAKES- Arachnologische Mitteilungen Schriftleitung: Theo Blick, Forschungsinstitut Senckenberg, Entomologie III, Projekt Hessische Naturwaldreservate, Senckenberganlage 25, D-60325 Frankfurt/M., E-Mail: theo.blick@senckenberg.de, aramit@theoblick.de Dr. Oliver-David Finch, Carl-von-Ossietzky Universität Oldenburg, Fk 5, Institut für Biologie und Umweltwissenschaften, AG Biodiversität und Evolution der Tiere, D-26111 Oldenburg, E-Mail: oliver.d.finch@uni-oldenburg.de Redaktion: Theo Blick, Frankfurt/M. Dr. Oliver-David Finch, Oldenburg Dr. Jason Dunlop, Berlin Dr. Ambros Hänggi, Basel Dr. Detlev Cordes, Nürnberg (Layout, E-Mail: bud.cordes@t-online.de) Wissenschaftlicher Beirat: Dr. Elisabeth Bauchhenß, Schweinfurt (D) Dr. Peter Bliss, Halle (D) Prof. Dr. Jan Buchar, Prag (CZ) Prof. Peter J. van Helsdingen, Leiden (NL) Dr. Peter Jäger, Frankfurt/M. (D) Dr. Christian Komposch, Graz (A) Dr. Volker Mahnert, Douvaine (F) Prof. Dr. Jochen Martens, Mainz (D) Dr. Dieter Martin, Waren (D) Dr. Uwe Riecken, Bonn (D) Dr. Peter Sacher, Abbenrode (D) Prof. Dr. Wojciech Star^ga, Warszawa (PL) Erscheinungsweise : Pro Jahr 2 Hefte. Die Hefte sind laufend durchnummeriert und jeweils abgeschlossen paginiert. Der Umfang je Heft beträgt ca. 50 Seiten. Erscheinungsort ist Nürnberg. Auflage 450 Exemplare Druck: Fa. Isensee GmbH, Oldenburg. Autorenhinweise/Instructions for authors: bei der Schriftleitung erhältlich, oder unter der URL: http://www.arages.de/aramit/ Bezug: Im Mitgliedsbeitrag der Arachnologischen Gesellschaft enthalten (25 Euro, Studierende 15 Euro pro Jahr), ansonsten beträgt der Preis für das Jahresabonnement 25 Euro. Die Kündigung der Mitgliedschaft oder des Abonnements wird jeweils zum Jahresende gültig und muss der AraGes bis 15. November vorliegen. Bestellungen sind zu richten an: Dr. Peter Michalik, Zoologisches Institut und Museum, Johann-Sebastian-Bach-Straße 11/12, D-17489 Greifswald, Tel. +49 (0)3834 86-4099, Fax +49 (0)3834 86-4252 E-Mail: michalik@uni-greifswald.de oder via Homepage: www.AraGes.de. Die Bezahlung soll jeweils im ersten Quartal des Jahres erfolgen auf das Konto: Arachnologische Gesellschaft e.V.; Kontonummer: 8166 27-466; Postbank Dortmund, BLZ 440 100 46 IBAN DE75 4401 0046 0816 6274 66, BIC (SWIFT CODE) PBNKDEFF Die Arachnologischen Mitteilungen sind berücksichtigt in: Scopus (http://info.scopus.com), E-Bibliothek (http://rzblxl.uni-regensburg.de/ezeit), Directory of Open Access Journals (http://www.doaj.org), Zoological Records und Biological Abstracts. Umschlagzeichnung: P. Jäger, K. Rehbinder Arachnologische Mitteilungen 39: 1-56 Nürnberg, Oktober 2010 Arachnologische Mitteilungen 39: 1-4 Nürnberg, Oktober 2010 Cryptachaea blattea, e ine weitere nach Deutschland eingeschleppte Spinnenart (Araneae:Theridiidae) Alexander Sührig doi:10.5431/aramit3901 Abstract: Cryptachaea blattea, a further spider species introduced into Germany (Araneae:Theridiidae). Cryptachaea blattea (Urquhart, 1886) has been recorded for the first time from Germany (Nordstemmen, rural district of Hildesheim, Lower Saxony). One male was found by means of pitfall traps in a tree and shrub nursery. The species was most likely introduced with plants or cargo. Information about its appearance, habitat, and distribution is given. Key words: alien spider species, biological invasions, Central Europe, cosmopolitan, global trade Im vergangenen Jahr erhielt ich von meinen Kollegen P. Sprick und U. Baur eine Aufsammlung von Spin- nen und Weberknechten aus einer Staudengärtnerei in Nordstemmen (Lkr. Hildesheim, Niedersachsen). Unter den gefundenen Spinnen und Weberknechten (Gesamtartenliste s. Appendix) befand sich auch eine männliche Kugelspinne, die mit der gängigen Bestimmungsliteratur (z.B. NENTWIG et al. 2003) nicht bestimmt werden konnte; auffällig war aber eine genitalmorphologische Ähnlichkeit zu Crypta- chaea riparia (Blackwall, 1834) (ROBERTS 1995). B. Thaler- Knoflach undT. Blick bestimmten die Spinne dann als Cryptachaea blattea (Urquhart, 1886) (Locus typicus: Te Karaka, Nordinsel von Neuseeland), die in der Paläarktis bisher nur in Belgien und Portugal (Porto, Azoren, Madeira) nachgewiesen werden konnte (VlNK et al. 2009). Material Cryptachaea blattea (Urquhart, 1886) (Syn Achaearanea acoreensis (Berland, 1932)) 1 <3 Staudengärtnerei in Nordstemmen (Lkr. Hildesheim, Niedersachsen; Straße: Rauhe Wiese 17), 52° 9' 56.66" N, 9° 47' 33.35" O, TK 25 (Messtischblatt) 3824.2/8, 78 m ü. NN, Bodenfalle 30.05.-20.06.2008, leg. P. Sprick &U. Baur, det. B. Thaler- Knoflach &T. Blick, Aufbewahrung: Museum für Naturkunde Berlin (Inventarnummer: ZMB 48384) (Quelle der Straßenkoordinaten: Internet: http:// mygeoposition.com) In der Untersuchung von P. Sprick und U. Baur zur Käferfauna kamen insgesamt sechs Bodenfallen (BF) Dr. Alexander SÜHRIG , Breite Str.4 , D-37077 Göttingen E-mail: asuehri@gwdg.de eingereicht: 27. 1.2010, akzeptiert: 4. 2. 2010; online verfügbar: 10.5.2010 zum Einsatz; vier Bodenfallen (Nr. 1-4) standen unter bestimmten Stauden im Mutterpflanzengar- ten ( Knautia drymeia , Sedum telephium , Symphytum grandiflorum , Waldsteinia geoides ), eine weitere (Nr. 5) unmittelbar an einer randlichen Thuja occidenta- /zf-Hecke (Krautschicht: Spontanvegetation: Gräser u.a.) und eine zusätzliche (Nr. 6) in einer Topfkultur {Phlox paniculata) im Freiland (BF 1-5: 0 10,0 cm (nach MELBER 1987), BF 6: Plastikbecher 0 9,5 cm; Fallen mit Metalldach; Fangflüssigkeit: Mischung aus gesättigter Kochsalzlösung und Ethylenglykol, Deter- genz; Erfassungszeitraum: 11.04.-01.09.2008). Da die Spinnentierfänge pro Leerungstermin zusammenge- fasst wurden, konnte das Männchen von Cryptachaea blattea nur einem Leerungsintervall, nicht aber einer einzelnen Falle zugeordnet werden. In die Artenliste im Appendix wurden nicht nur die Bodenfallenfänge aus dem Jahr 2008, sondern auch weitere Fänge aus dem Jahr 2009 aufgenommen (leg. P. Sprick & U. Baur). Bei den Bodenfallen, die 2009 zum Einsatz kamen, handelte es sich um ins- gesamt 16 „Minifallen“ (mit Dach; 0 ca. 4,0 bzw. 4,5 cm; Fangflüssigkeit: reines Ethylenglykol), die direkt in die Töpfe bestimmter Topfkulturen im Freiland eingegraben wurden. In das Sortiment der o.g. Staudengärtnerei gehören Wildstauden für spezielle Standorte, Dachgartenstau- den, Bodendecker, Beetstauden, Gräser und Farne, Sumpf- und Wasserpflanzen sowie Repositionspflan- zen. Nach Auskunft von W. Tangermann existiert für bestimmte Pflanzen eine Tauschbörse insbesondere mit Kollegen aus Deutschland, aber auch aus Holland und Belgien; bestimmte Jungpflanzen werden aus einigen Ländern außerdem direkt importiert (z.B. 2 A. Sührig Holland). Damit wäre eine Verbindung zu einem Land hergestellt (Belgien), in dem Cryptachaea blat- tea bereits nachgewiesen wurde (B OSMANS 2009, VANUYTVEN 2004). Bis vor wenigen Jahren gab es in direkter Nachbarschaft der Staudengärtnerei außer- dem noch einen Zierpflanzenbetrieb, der europaweit importierte. Es darf also angenommen werden, dass Cryptachaea blattea mit Pflanzen oder Frachtgut nach Nordstemmen gelangte. Beschreibung des gefundenen Männchens Maße: Körperlänge: 2,75 mm, Prosomabreite: 1,02 mm. Färbung: dunkelgelbes Prosoma schwärzlich über- tönt (dunklere Kopfregion nach hinten verschmälert); dunkelgelbes Sternum unregelmäßig dunkel gerandet; Opisthosoma schwarz-weiß gezeichnet (dorsal mit dunklem Mittelband, ventral mit breitem, dunklem Mittelteil, lateral mit ausgedehnten dunklen Zeich- nungen); Beine gelb weiß/ gelb- dunkelbraun geringelt (Femur I und Tibia I fast einfarbig dunkelbraun, nur basal heller); Spinnwarzen kranzartig schwarz-weiß eingefasst. Weitere Merkmale: Opisthosoma in der hinteren Hälfte mit medial-dorsalem, vorne dunkel gefärbtem Höcker; langbeinig. Folgende Informationen zu Lebensraum und Ver- breitung sind der Arbeit von VlNK et al. (2009) entnommen, mit der auch bestimmt werden sollte (Details, weitere Zitate und Abbildungen der Geni- talmorphologie s. dort): Lebensraum: In hohem Gras, auf niedrigen Büschen sowie in der Laubstreu von Gebüschen und jungen Wäldern; in Neuseeland, Chile und auf den Azoren auch in Agroökosystemen. Die Art webt kleine Netze. Verbreitung: Neuseeland, Australien, Chile, USA, Kanada, St. Helena, Kap Verde, Portugal, Belgien und Deutschland (eingeschleppt; vorliegender Artikel). Es konnte bisher nicht geklärt werden, wo Cryptachaea blattea indigen ist; sollte es sich aber bei Cryptachaea riparia um eine Schwesterart handeln, die in Europa und Asien verbreitet ist, könnte Cryptachaea blattea ebenfalls in der Paläarktis oder angrenzenden Gebie- ten indigen sein (VlNK et al. 2009). Ob sich in der o.g. Staudengärtnerei bereits eine Population von Cryptachaea blattea etablieren oder sich die Art sogar ausbreiten konnte, kann nicht gesagt werden und muss künftigen Untersuchungen Vorbehalten bleiben. In der rezenten ökologischen Situation sind für die Ausbreitung einer eingeschleppten Art mehrere Fak- toren(-Komplexe) von Bedeutung: (1) die Biologie einer eingeschleppten Art (intrinsische Faktoren wie Mobilität, Dispersionsfähigkeit, Körpergröße, Typ und Länge des Lebenszyklus, bevorzugtes Stratum oder Grad der Euryökie), (2) extrinsische Faktoren wie das Muster der Landschaft, Verbreitung begünstigende Faktoren (z.B. klimatische Bedingun- gen), die Gunst des Lebensraums und spezifische Habitateigenschaften sowie (3) die Struktur lokaler Artengemeinschaften im Hinblick auf biotische Interaktionen (vgl. SCHAEFER 1999). Aufgrund der Vielzahl einwirkender Faktoren und der Dynamik der (multidimensionalen) Prozesse (inklusive historischer Ereignisse, anthropogener Interaktionen, „time-lags“ und auch des Zufalls) kann daher die Frage, wie sich eine eingeschleppte Art in neuer Umgebung wann und mit welchen Folgen verhalten wird, nicht sicher beantwortet werden; demgegenüber hat sich als ein vergleichsweise zuverlässiger Prädiktor das Kriterium „invades elsewhere“ erwiesen (vgl. KOWARIK 2003). Cryptachaea blattea könnte daher über ein hohes in- vasives Potenzial verfugen; offenbar kann sich die Art aber nur dann ausbreiten, wenn auch die klimatischen Bedingungen geeignet sind. KOBELT & NENTWTG (2008) gehen davon aus, dass mit dem weiter zunehmenden globalen Han- del in Kombination mit möglichen Auswirkungen des Klimawandels auch die Anzahl gebietsfremder Spinnenarten in Europa weiter zunehmen wird; so ist vorstellbar, dass sich auch Cryptachaea blattea in Europa (weiter?) ausbreiten könnte. Danksagung Dr. Peter Sprick und Dr. Ursula Baur (beide Hannover) danke ich für die Überlassung der Spinnen und Weber- knechte aus der Staudengärtnerei in Nordstemmen. Dr. Barbara Thaler- Knoflach (Innsbruck) und Theo Blick (Hummeltal bzw. Frankfurt am Main) danke ich für die Bestimmung von Cryptachaea blattea. Dr. Peter Sprick danke ich außerdem für Angaben zur Methodik und zum Fundort und Willi Tangermann für Angaben zu seiner Staudengärtnerei. Dr. Jason Dunlop (Berlin) danke ich für das Vermessen des Tiers. Theo Blick, Dr. Oliver-David Finch (Oldenburg) sowie zwei anonymen Gutachtern danke ich für hilfreiche Anmerkungen und (Literatur-) Hinweise zum Manuskript. Cryptachaea blattea nach Deutschland eingeschleppt Literatur BLICK T. & C. KOMPOSCH (2004): Checkliste der We- berknechte Mittel- und Nordeuropas. Checklist of the harvestmen of Central and Northern Europe (Arach- nida: Opiliones). Version 2004 Dezember 27. - Internet: http://www.AraGes.de/checklist.html#2004_Opi- liones Blick T., R. Bosmans, J. Buchar, R Gajdos, A. Hänggi, R Van Helsdingen, V. Rüzicka, W. STAREGA & K. Thaler (2004): Checkliste der Spin- nen Mitteleuropas. Checklist of the spiders of Central Europe (Arachnida: Araneae). Version 2004 Dezem- ber 1. - Internet: http://www.AraGes.de/checklist. html#2004_Araneae BOSMANS R. (2009): Een herziene soortenlijst van de Belgi- sche spinnen (Araneae). - Nieuwsbriefvan de Belgische Arachnologische Vereniging 24: 33-58 KOBELT M. &W. NENTWIG (2008): Alien spider introduc- tions to Europe supported by global trade. - Diversity and Distributions 14: 273-280. - doi: 10.1111/j.l472- 4642.2007.00426.x KOWARIK I. (2003): Biologische Invasionen: Neophyten und Neozoen in Mitteleuropa. Ulmer, Stuttgart. 380 S. MELBER A. (1987): Eine verbesserte Bodenfalle (Kurz- artikel). - Abhandlungen des Naturwissenschaftlichen Vereins Bremen 40: 331-332 3 Nentwig W., A. Hänggi, C. Kropf &T. Blick (2003): Spinnen - Bestimmungsschlüssel. Version 08.12.2003. - Internet: http://www.araneae.unibe.ch/index.html PLATNICK N.I. (2010): The world spider catalog, version 10.5. American Museum of Natural History. - Internet: http :/ / research . amnh . org/iz/ spiders/ catalog ROBERTS M.J. (1995): Spiders of Britain ScNorthern Eu- rope. Harper Collins Publishers, London. 383 S. RÜZICKA V. (2009): The European species of the micro- phthalmum-gyowp in the genus Porrhomma (Araneae: Linyphiidae). - Contributions to Natural History 12: 1081-1094 SCHAEFER M. (1999): The diversity of the fauna of two beech forests: some thoughts about possible mechanisms causing the observed patterns. In: KRATOCHWIL A. (ed.): Biodiversity in ecosystems: principles and case studies of different complexity levels. Kluwer Academic Publishers, Dordrecht a.o. S. 45-64 VANUYTVEN H. (2004): Achaearanea acoreensis (Berland, 1932), een zuiderse immigrant (Araneae, Theridiidae). - Nieuwsbrief van de Belgische Arachnologische Ver- eniging 19: 85-86 Vink C.J., N. Duperre, P. Paquin, B.M. Fitzgerald & P.J. SlRVID (2009): The cosmopolitan spider Cryptachaea blattea (Urquhart, 1886) (Araneae: Theridiidae): Rede- scription, including COI sequence, and new synonymy. - Zootaxa 2133: 55-63 Tab. 1: Arteninventar (579/Juv.) der untersuchten Staudengärtnerei in Nordstemmen (Niedersachsen) (Erfassungszeiträume: Bodenfallen (BF): 1 1 .04.-01 .09.2008 & 20.04.-03.08.2009, Handfänge (HF): 28.08.2009). Systematik und Nomenklatur nach Buck & Komposch (2004), Blick et al. (2004), Platnick (201 0) ( Cryptachaea ), RÜZICKA (2009) ( Porrhomma ). Tab. 1: Species inventory (d/$/juv.) of the studied tree and shrub nursery in Nordstemmen (Lower Saxony) (sampling periods: pitfall traps (BF): 1 1 .04.-01 .09.2008 & 20.04.-03.08.2009, hand catches (HF): 28.08.2009). Systematics and nomenclature according to Buck & Komposch (2004), Buck et al. (2004), Platnick (2010) ( Cryptachaea ), RÜZICKA (2009) ( Porrhomma ). Taxon BF 2008 BF 2009 HF 2009 total Araneae Mimetidae Ero aphana (Walckenaer, 1802) 0/1 1 Theridiidae Cryptachaea blattea (Urquhart, 1886) 1/0 1 Enoplognatha caricis (Hckert, 1876) 0/1 1 Enoplognatha thoracica (Hahn, 1833) 7/0 7 Neottiura bimaculata (Linnaeus, 1767) 0/1 1 Robertus lividus (Blackwall, 1836) 1/0 1 Linyphiidae Cnephalocotes obscurus (Blackwall, 1834) 2/0 2 Diplostyla concolor (Wider, 1834) 4/1 5 Erigone atra Blackwall, 1833 3/1 1/0 5 Erigone dentipalpis (Wider, 1834) 1/0 1 Meioneta rurestris (C.L. Koch, 1836) 0/1 1 Micrargus subaequalis (Westring, 1851) 1/0 1 4 A. Sührig Taxon BF 2008 BF 2009 HF 2009 total Oedothorax retusus (Westring, 1851) 29/3 1/3 36 Palliduphantes pallidus (O.P.-Cambridge, 1871) 1/0 1 Porrhomma microps (Roewer, 1931) i /n 1 (Syn.: Porrhomma lativelum Tretzel, 1956) 1/U 1 Tenuiphantes tenuis (Blackwall, 1852) 16/4 20 Tetragnathidae Pachygnatha degeeri Sundevall, 1830 0/2 2 Lycosidae Alopecosa pulverulenta (Clerck, 1757) 6/1 7 Pardosa amentata (Clerck, 1757) 18/22 1/0 41 Pardosa prativaga (L. Koch, 1870) 4/2 6 Pardosa pullata (Clerck, 1757) 9/11 20 Pirata latitans (Blackwall, 1841) 2/0 2 Trochosa ruricola (De Geer, 1778) 6/3 9 Xerolycosa nemoralis (Westring, 1861) 6/7 13 Pisauridae Pisaura mirabilis (Clerck, 1757) 0/0/1 1 Agelenidae Tegenaria domestica (Clerck, 1757) 1/0 1 Dictynidae Cicurina cicur (Fabricius, 1793) 0/1 1 Corinnidae Phrurolithus festivus (C.L. Koch, 1835) 0/1 1 Gnaphosidae Drassyllus pusillus (C.L. Koch, 1833) 1/0 1 Philodromidae Philodromus dispar Walckenaer, 1826 0/1 1 Tbomisidae Ozyptila praticola (C.L. Koch, 1837) 38/9 47 Ozyptila trux (Blackwall, 1 846) 1/0 1 Xysticus cristatus (Clerck, 1757) 2/2 4 Xysticus kochi Thorell, 1872 1/0 1 £ Individuen 235 6 3 244 L Arten 31 3 3 34 Taxon BF 2008 BF 2009 HF 2009 total Opiliones N emastomatidae Nemastoma dentigerum Canestrini, 1873 2/6 + 10* 18 Phalangiidae Opilio saxatilis C.L. Koch, 1839 0/1 1 £ Individuen 19 19 £ Arten 2 2 * det. P. Sprick Arachnologische Mitteilungen 39:5-21 Nürnberg, Oktober 201 0 Spinnen (Arachnida, Araneae) im Winter - kleinräumige Unterschiede als Folge tageszeitlicher Temperaturschwankungen Julia Käser, Valentin Amrhein & Ambros Hänggi doi:10.5431/aramit3902 Abstract: Spiders (Arachnida, Araneae) in winter - differences in the appearance of species in small- scale spaces as a response to daily temperature fluctuations. Pitfall traps were positioned for the in- vestigation of the spider fauna at the northern and southern slopes of three mountain ridges (Chilchberg, Riedberg, and Buechenberg, municipalities Nünningen and Zullwil, canton Solothurn, Switzerland) within the Swiss Jura Mountains.The temperature in the upper litter was measured at three hour intervals. Independent of the weather more or less clear differences between northern and southern slopes could be observed. Maximum day temperature fluctuations of 1 5.8 °C were measured.There were no significant differences in spider communities based on quantitative comparison methods. However, a qualitative analysis showed major differences in species composition. More than 50% of all species per investigation area showed clear preferences for the northern or the southern slope, with more then two thirds of the individuals only found on either the north or south slopes. Key words: appearance of adults, daily temperature, forests, Jura mountains, Switzerland, winter fauna Im Zusammenhang mit der Diskussion um den Klimawandel kommen verstärkt auch Spinnen ins Gespräch. Dabei stehen zwei Themenfelder im Vordergrund: 1) Neue invasive Arten und deren Einfluss auf die einheimische Fauna; 2) Effekte auf die Autökologie einheimischer Arten, wie zum Beispiel die Verschiebung der Reifezeit. Während zum Thema „invasive Arten“ bereits eine ganze Reihe von Arbeiten vorliegen (zum Beispiel Buck et al. 2006, BONTE et al. 2002, HÄNGGI 8t Bolzern 2006, Kobelt 8t Nentwig 2008, Wun- derlich 8t HÄNGGI 2005), sind die Fragen rund um die möglichen Auswirkungen des Klimawandels (Temperaturanstieg) auf die indigene Spinnenfau- na noch wenig untersucht (EICHENBERGER et al. 2009, GOBBI et al. 2006, JlMENEZ-VALVERDE 8c LOBO 2007, KlRITANI 2006). Jean-Pierre Maelfait, Julia KÄSER, Naturhistorisches Museum Basel, Augustiner- gasse 2, CH -4001 Basel, Institut für Natur-, Landschaft- und Umweltschutz (NLU), Universität Basel, St. Johanns-Vorstadt 1 0, CH-4056 Basel, k.julia@gmx.net Valentin AMRHEIN, Universität Basel, Zoologisches Institut, Vesalgasse 1, CH-4051 Basel, Forschungsstation Petite Camargue Alsacienne, Rue de la Pisciculture, F-68300 Saint- Louis, v.amrhein@unibas.ch Ambros HÄNGGI, Naturhistorisches Museum Basel, Augusti- nergasse 2, CH-4001 Basel, ambros.haenggi@bs.ch eingereicht: 1 1 .6.2009, akzeptiert: 25.2.201 0; online verfügbar: 10.5.2010 inzwischen leider viel zu früh verstorben, hat während des 24. European Congress of Arachnology 2008 in seinem nicht publizierten Vortrag eine Analyse von rund 20 Jahren Spinnenfängen vorgestellt. Dabei wurde untersucht, ob der Beginn des Auftretens der ersten adulten Tiere einer Art mit den Jahresmitteln der Temperatur korreliert ist. Maelfait hat darauf hingewiesen, dass die Ergebnisse nicht schlüssig sind: für einige Arten war ein früheres Auftreten der ersten Individuen festzustellen, für andere nicht. Dabei stellt sich die Frage, ob die Jahresdurch- schnittstemperatur für die Entwicklung der Spin- nen überhaupt relevant ist. Ganz allgemein ist der Kenntnisstand betreffend Autökologie der Arten eher gering. Auch heute noch werden die Angaben von TRETZEL (1952) hinsichtlich ökologischer Ansprüche bzw. von TRETZEL (1954) in Bezug auf Reifezeiten mangels genauerer, neuerer Informatio- nen regelmässig zitiert. Nur ganz vereinzelt doku- mentieren Arbeiten die autökologischen Ansprüche einzelner Arten (ENGELHARDT 1964, FRICK et al. 2007a, 2007b, JlMENEZ- VALVERDE 8t LOBO 2007, Romero 8t Vasconcellos-Neto 2005). Demgegenüber ist es auffällig, dass bei den meisten Versuchen, Arten ökologisch zu charakterisieren, als Referenzeinheiten irgendwelche makroökologischen Nischen (Makrohabitate), wie zum Beispiel pflan- zensoziologische Einheiten, hinzugezogen werden (z. B. Hänggi et al. 1995, Schultz 8t Finch 1996). Dies wird aus praktischen Gründen weiterhin 6 J. Käser, V. Amrhein & A. Hänggi Abb. 1 : CH: Kt. Solothurn, Nünningen mit den drei untersuchten Hügelkämmen. 1 . (O) Chilchberg; 2. (□) Riedberg; 3. (O) Buechen- berg; Länge eines Quadrats entspricht 1 km. Fig. 1 : Switzerland, Canton Solothurn, Nünningen with the three investigated mountain ridges. 1 . (O) Chilchberg; 2. (□) Riedberg; 3. (O) Buechenberg; Length of a quadrate equals 1 km. immer dann der Fall sein, wenn es darum geht, eine Zusammenstellung über viele Arten zu bieten. Bei der Betrachtung der wirklichen ökologischen Ansprüche einzelner Arten und damit auch den Reaktionen der Arten auf Änderungen der Umwelteinflüsse sind aber ganz andere Ansätze gefragt. Nicht der Grosslebens- raum, zum Beispiel „Xerobrometum“, bestimmt das Vorhandensein oder Nichtvorhandensein einer Art, sondern die Verhältnisse genau dort, wo das betref- fende Tier lebt: Auf Blättern, in Gebüschen, in und um Kleinhohlräume, in der Baumrinde oder in und auf den obersten zwei Zentimetern der Streuschicht. Hier herrschen im Detail ganz andere Verhältnisse als bei der Betrachtung der makroökologischen Parameter des Lebensraumes „Xerobrometum“, wie schon BAUCHHENSS (1990) sehr eindrücklich zeigen konnte. Bei dieser genaueren Betrachtungsweise wird auch klar, dass eine Korrelation zwischen Jahrestem- peraturmittel und zeitlichem Auftreten erster Adulti einer Art wohl kaum funktioniert. Wenn die Tem- peratur eine Rolle spielen sollte, so müsste das eher die Temperatur im Winter oder Frühling sein, welche es den Spinnen früher oder später erlaubt, aktiv zu werden. Mit der vorliegenden Arbeit, welche auf der Masterarbeit von KÄSER (2008) basiert, werden drei Ziele verfolgt: 1. die Untersuchung von kleinräumigen Tempera- turunterschieden in der obersten Streuschicht unterschiedlich exponierter Hänge, 2. die Analyse der Spinnengemeinschaften dieser Hänge unter Berücksichtigung dieser mikroklima- tischen Unterschiede als mögliche Einflussgrösse für die Artenzusammensetzung, 3 . die Beschaffung von Informationen über die Win- teraktivität der Spinnen. Material und Methode Projektgebiet und Untersuchungsflächen Die Spinnenfänge fanden in Nünningen und Zullwil, Kanton Solothurn statt. Das Gebiet liegt im Nord- westen der Schweiz an erhöhter Lage zwischen zwei Juraketten (Abb. 1). Die typische Faltenjuralandschaft ist zusammengesetzt aus 45% Wald, ebensoviel Landwirtschaftsgebiet und die restlichen 10% sind überbaute Fläche. Spinnen im Winter 1 Die Untersuchungsgebiete lagen auf drei Jura- kämmen: Chilchberg (mit einem Kreis gekenn- zeichnet), Riedberg (Kennzeichen Quadrat) und Buechenberg (Kennzeichen Rhombus) (Abb. 1). Sie verlaufen von Ost nach West, besitzen also ausgepräg- te Nord- (ausgefiillte Symbole) und Südhänge (offene Symbole). Alle drei Untersuchungsgebiete befinden sich im Wald. Die dominierenden Baumarten sind am Südhang Rot-Buche ( Fagus sylvatica) und Wald- Föhre (Pinus sylvestris) und am Nordhang Weisstanne (Abies alba) und Rot-Buche. Lage Untersuchungsgebiet 1 auf dem Chilchberg (Nord- hang • / Südhang O): Es liegt nordwestlich des Dorfzentrums von Nünningen auf dem Gemeinde - gebiet von Zullwil (Abb. l,Tab. 1 und 2). Mit einer Höhe von ca. 760 m ü. NN. ist es das tiefstgelegene Untersuchungsgebiet. Untersuchungsgebiet 2 auf dem Riedberg (Nordhang ■ / Südhang □): Es liegt südlich des Dorfzentrums von Nünningen und befindet sich auf einer Höhe von ca. 890 m ü. NN (Abb. l,Tab. 1 und 2). Dieses Untersuchungsgebiet befindet sich in einem kanto- nalen Waldreservat. Untersuchungsgebiet 3 zwischen Buechenberg und Brand (Nordhang ♦ / Südhang O): Es befindet sich nordöstlich des Dorfkerns von Nünningen und liegt auf 780 m ü. NN. (Abb. 1, Tab. 1 und 2). Habitatparameter Es fand eine Biotoperfassung nach HÄNGGI (1992) statt. Neben den Vegetationsstrukturparametern (Kraut-, Strauch- und Baumschichtbedeckung) wurden auch die Hangneigung, die Exposition, die Beschattung, die Ausprägung der Moosschicht und Streuschicht sowie der Anteil Steine aufgenommen. Alle Parameter beziehen sich auf eine Fläche von Tab. 1 : Geographische Lage und Habitattypen der Untersuchungsflächen. Tab. 1 : Geographical data and habitat types for the sites. Legende: Ausgefüllte Symbole = Nordhänge; Leere Symbole = Südhänge / filled symbols = north facing slopes; open symbols = south facing slo- pes; Kreis = Chilchberg; Quadrat = Riedberg; Rhombus = Buechenberg / circle = Chilchberg; quadrat = Riedberg; diamond = Buechenberg; 5 = 5 m Abstand zum Hügelkamm; 30 = 30 m Abstand zum Hügelkamm / 5 = 5 metres distance to the mountain ridge; 30 = 30 metres distance from the mountain ridge Symbol Untersuchungs- gebiet Standort Lebenraum m. ü. NN WGS84-Koordinaten CH-Koordinaten •5 Chilchberg Nordhang 5 m Weissseggen-Buchenwald 760 47°23’53”N, 7°26’2”E 612230/249686 •30 Chilchberg Nordhang 30 m Lungenkaut-Buchenwald 750 47°23’53”N, 7°26’2”E 612225/249710 ■5 Riedberg Nordhang 5 m Tannen-Buchenwald 890 47°22’59”N, 7°37’12”E 613713/248024 ■30 Riedberg Nordhang 30 m Tannen-Buchenwald 880 47°22’59”N, 7°37’12”E 613701/248033 ♦5 Buechenberg Nordhang 5 m Zahnwurz-Buchenwald 780 47°24’7”N, 7°37’41”E 614313/250126 ♦30 Buechenberg Nordhang 30 m Zahnwurz-Buchenwald 770 47°24’7”N, 7°37’41”E 614308/250139 05 Chilchberg Südhang 5 m Weissseggen-Buchenwald 760 47°23’53”N, 7°26’2”E 612227/2496 75 O30 Chilchberg Südhang 30 m Weissseggen-Buchenwald in einer Ausbildung mit "kriechendem" Liguster 750 47°23’53”N, 7°26’2”E 612224/249657 □5 Riedberg Südhang 5 m Blaugras-Buchenwald mit Eichenfarn 890 47°22’59”N, 7°37’12”E 613728/248011 □30 Riedberg Südhang 30 m Linden-Zahnwurz-Buchen- wald in einer Ausbildung mit Immenblatt 880 47°22’59”N, 7°37’12”E 613730/247990 05 Buechenberg Südhang 5 m Lungenkaut-Buchenwald mit Immenblatt 780 47°24’7”N, 7°37’41”E 614319/250108 O30 Buechenberg Südhang 30 m Lungenkaut-Buchenwald mit Immenblatt 770 47°24’7”N, 7°37’41”E 614336/250091 8 J. Käser, V. Amrhein & A. Hänggi Tab. 2: Charakterisierung der Untersuchungsflächen. Tab. 2: Description of the study sites. *1 = voll exponiert; 2 = Vi exponiert; 3 = Vollschatten / 1 = fully exposed; 2 = Vi exposed; 3 plain shadow. **1 = viel; 2 = vorhanden; 3 = wenig; 4 = keine / 1 = a lot; 2 = existent; 3 = few; 4 = none. Legende siehe/see Tab. 1 Standorte Parameter 05 O30 □5 □30 05 O30 •5 #30 ■5 ■30 ♦5 ♦30 Neigung % 20 30 30 30 35 35 20 30 50 50 40 40 Exposition S S SSO SSO SSO SSO N N NNW NNW NNW NNW Sonnenexposition (1,2,3)* 2 2 1 1 2 2 2 2 3 3 2 2 Moosschicht (1,2, 3, 4)** 3 3 3 3 3 3 3 3 2 3 2 3 Krautschichtbedeckung % 60 80 60 80 10 50 20 20 35 5 30 10 Strauchschichtbedeckung % 20 10 20 40 20 20 40 100 20 0 30 50 Baumschichtbedeckung % 80 90 80 50 95 90 70 40 90 80 90 70 Steindeckung % 5 0 30 10 5 0 10 5 5 5 5 5 Streuschicht (1,2, 3, 4)** 3 3 3 3 2 3 1 1 1 1 1 1 10 x 20 m rund um die Standorte der Fallen (Tab. 1 und 2). Die Streuschicht wird als hauptsächlicher Lebens- raum der epigäischen Spinnen verstanden. Diese war an den Nordhängen deutlich mächtiger als an den Südhängen (Tab. 2). Die Nordhänge sind durch- schnittlich etwas steiler als die Südhänge. Die Kraut-, Strauch- und Baumschichtbedeckungen wurden am 21.05.2008 aufgenommen. Im Winter waren ihre Deckungsanteile deutlich kleiner. Somit konnte die Sonne im Winter ungehindert auf den Waldboden der Südhänge scheinen. Die Daten zur pflanzensoziologischen Kartierung stammen aus dem Kommentar zur standortskundli- chen Kartierung der Wälder im Kanton Solothurn (Danner 1992). Fangmethode Pro Untersuchungsgebiet wurde je ein Transekt mit 4 Standorten festgelegt. Ein Standort war in 30 m Entfernung südlich des Hügelkamms, ein zweiter war 5 m südlich des Hügelkamms, die anderen zwei Standorte befanden sich auf der nördlichen Seite auch in 5 und 30 Meter Abstand zum Hügelkamm (Abb. 2). Pro Standort waren drei Fallen aufgestellt (Z 36 Fallen) (HÄNGGI 1989). Je nach Auswertung wurden die Fänge dieser drei Fallen zusammengezählt und je als ein einziger Datenpunkt in die Auswertung aufgenommen oder es ging jede Falle für sich in die Auswertung ein. Pro Standort wurde je ein Tinytalk Temperature Data Logger (Gemini Data Loggers, Chichester, UK) in die oberste Streuschicht gelegt 5m 5m Südhang Nordhang 30m 30m Hügelkamm 5m 30m Abb. 2: Position der Fallen im Querschnitt (oben) und in der Aufsicht (unten) eines Transektes. Fig. 2: Position of the traps within a transect from a cross-sec- tional (above) and from a top view (below). (nie direkt im Sonnenlicht), also in den bevorzugten Lebensraum von Spinnen. Dieser zeichnete die Tem- peratur alle drei Stunden auf. Als Fanggefässe dienten Bodenfallen modifiziert nach BARBER (1931). Die Resultate der Fallenfänge sind einerseits von der Dichte der Population und anderseits von der Aktivität der einzelnen Individuen abhängig (GREENSLADE 1964). Mit dieser Fangme- thode wird daher nicht die gesamte Artendiversität erfasst, sondern die Resultate sind als Aktivitäts- Spinnen im Winter 9 dichten der epigäischen Makrofauna zu verstehen (UETZ &UNZICKER 1976). Dennoch erlaubt diese Methode eine standardisierte Aufnahme der bewe- gungsaktiven epigäischen Makrofauna (BLICK 1999, MÜHLENBERG 1989) und kann bei identischem Methodendesign gut für vergleichende Analysen verwendet werden. Die Fallen bestanden aus weissen Plastikbechern mit 7 cm Durchmesser und 5,5 cm Tiefe (212 ml Inhalt). Als Fangflüssigkeit diente 4% Formaldehyd- lösung in Wasser. Zur Verminderung der Oberflä- chenspannungwurde ein geruchsneutrales Detergens verwendet. Um die Fallen vor Regen zu schützen wur- de mit Hilfe von drei Holzstäben eine transparente Plexiglasscheibe (15x15 cm) ca. 10 cm über der Falle montiert. Um Kleinsäuger, Amphibien und Reptilien zu schützen, wurden zusätzlich Drahtgitterhauben (Maschenweite 2 cm) über die Fallen gesetzt (Abb. 3). Der Abstand zwischen den drei Fallen innerhalb eines Standortes betrug 3 m. Die Bodenfallen waren während 11 Fangperioden vom 12.09.2007 bis zum 27. 04. 2008 fängig. Die Leerung fand im Herbst und Frühling alle 2 Wochen statt. Im Winter wurden die Fangperioden auf 4 Wochen verlängert, da wegen der geringeren Aktivität und der geringen Verduns- tungsrate ein häufigeres Wechseln unnötig gewesen wäre und der Zugang zu den zum Teil sehr steilen Hängen bei Schnee sehr gefährlich und schwierig war (genaue Daten siehe Anhang 2). Die Fänge wurden in der folgenden Vegetationsperiode weitergeführt. Der daraus resultierende Ganzjahresfang wird später veröffentlicht (Hänggi 8c Käser in Vorbereitung). Die Fänge wurden mit Hilfe eines Teesiebes (Russell-Smith 2005) ausgewaschen, in 75% Ethanol überführt und unter einem Stereomikroskop aussortiert. Zur Bestimmung der adulten Spinnen wurde in erster Linie der Internetschlüssel der Universität Bern (NENTWIG et al. 2003) benutzt. Als weitere Hilfen dienten ROBERTS (1993), WlEHLE (1956, 1960) und, wo nötig, weitere Fachpublikationen. Die Nomenklatur der Spinnen folgt PLATNICK (2009). Juvenile und subadulte Spinnen wurden wenn mög- lich auf Gattungs- beziehungsweise Familienniveau bestimmt. Die angelegte Vergleichssammlung wurde zusammen mit den Beifängen im Naturhistorischen Museum Basel deponiert. Auswertung Juvenile und subadulte Spinnen wurden nicht in die Auswertung aufgenommen, da sie grösstenteils nur Abb. 3: Bodenfallen im Feld (oben) und schematische Zeich- nung (unten). Fig. 3: Pitfall trap as installed in the field (top) and its sche- matic design (bottom). auf Familienebene bestimmbar waren (Ausnahme: erstes Auftreten juveniler Lycosidae im Frühjahr, vgl. Abb. 10). Zur statistischen Auswertung wurden das Sta- tistikprogramm R 2.8.1 (R Develpoment Core TEAM 2008), sowie Microsoft® Office Excel 2003 verwendet. Die Fangzahlen pro Falle waren Pois- son-verteilt. Um diese nicht-normale Verteilung zu berücksichtigen, wurden "generalized linear mixed models" GLMM (package lme4) (BATES et al. 2008), mit den Faktoren Fangperiode (12 levels), Distanz vom Hügelkamm (2 levels) und Nord-Süd-Aus- richtung (2 levels) verwendet. Als "random factor" wurden die Standorte und die Fallen eingefügt, die dafür korrigieren, dass die saisonalen Fangzahlen von den jeweils gleichen Fallen und Standorte stammten. 10 J. Käser, V. Amrhein & A. Hänggi Abb.4:Temperaturmessungen im Untersuchungsgebiet Chilchberg in der obersten Streuschicht während der Fangperiode F (07.1 2.2007 - 03.01 .2008), jeweils in 5 m Abstand zum Hügelkamm: Schwarze Linie = Nordhang, graue Linie = Südhang; oben:Temperaturkurven (Messung im 3 Stunden Intervall), unten:Tagesdurchschnittswerte. Fig. 4:Temperatures as measured in the upper litter at the Chilchberg site during the period F (07.1 2.2007 - 03.01 .2008) at 5 m distances from the mountain ridge: Black line = north facing slope, grey line = south facing slope; upper:Temperature curves (as measured every 3 hours), lower: Daily mean temperatures. Die Modell- Auswahl wurde nach CRAWLEY (2005) gemacht. Mittels "backward selection" wurden die nicht signifikanten „interactions“ und „main effects“ aus dem Modell entfernt. Die Berechnung des Shannon-Wiener-Index (//’ = -Zpi * ln pp Anteil einer Art Z gemessen an der Gesamtzahl) und der dazugehörigen Evenness (J = H’An (S), S= Gesamtartenzahl) wurde nach MAGUR- RAN (1988) und KREBS (1989) durchgeführt. Für die qualitativen Analysen der Verbreitung der Arten über Nord- bzw. Südhänge wurden nur jene Arten einbezogen, welche mindestens mit 6 Individuen gefangen wurden. Weitere Auswertungen, wie Vergleich von Artenge- meinschaften, Korrespondenzanalyse und multivari- ate Analysen, werden später mit der Auswertung des Gesamtjahresfangs veröffentlicht (Hänggi &c Käser in Vorbereitung). Ergebnisse Temperaturunterschiede - Vergleich zweier Fang- perioden Die grösste Temperatur- Amplitude innerhalb ei- nes Tages lag bei 15,8 °C, die kleinste bei 0,0 °C. Während der ganzen Untersuchungsperiode (Sep- tember-April) schwankte die Temperatur in den Untersuchungsgebieten zwischen -5,8 °C und 22,0 °C. Beide Extremwerte wurden an einem Südhang aufgezeichnet. Die Schwankungs-Amplitude war an den Nordhängen durchschnittlich um 6,6 °C kleiner als an den Südhängen. Um das Ausmass dieser unterschiedlichen Schwankungs -Amplituden zu illustrieren, wurden zwei zeitlich nahe zusam- men liegende Fangperioden mit unterschiedlicher Witterung ausgesucht. In der Fangperiode (F) vom 06.12.200 7 - 03.01.2008 (Abb. 4) herrschte in den ersten zwei Wochen durchgehend Bewölkung und Spinnen im Winter 11 oooocooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooo oooooooooooooooooooooooooooo un vo oo cr> o o o o o o o «- qqqppqppqpoo dr-f\iro\t'Ln\diN'CÖO'd'~ r\irM<-Nr\ir\irNrNir\irMr\imro Abb. 5:Temperaturmessungen im Untersuchungsgebiet Chilchberg in der obersten Streuschicht während der Fangperiode G (04.1 .2008 - 31 .01 .2008), jeweils in 5 m Abstand zum Hügelkamm: Schwarze Linie = Nordhang, graue Linie = Südhang; oben:Temperaturkurven (Messung im 3 Stunden Intervall), unten:Tagesdurchschnittswerte. Fig. 5:Temperatures as measured in the upper litter in the Chilchberg site during the period G (04.1 .2008 - 31 .01 .2008) at 5 m distances from the mountain ridge: Black line = north facing slope, grey line = south facing slope; upper:Temperature curves (as measured every 3 hours), lower: Daily mean temperatures. gelegentlich Niederschlag. Die Temperatur in der Streuschicht über alle Untersuchungsgebiete gesehen schwankte während dieser Fangperiode zwischen -4,9 °C und +11,7 °C. An den Nordhängen schwankte die Temperatur zwischen -3,1 °C und +7,3 °C, an den Südhängen zwischen -4,9 °C und +11,7 °C. Diese stärkere Schwankung an den Südhängen ist auch an den Temperaturkurven der zwei ausgesuchten Stand- orte (Chilchberg; 5 m Nord (#5) und 5 m Süd (05)) zu erkennen (Abb. 4a). Von besonderem Interesse ist der Vergleich der Tagesspitzen und Tagesmittelwerte vom 20.12.2007 - 25.12.200 7 (Abb. 4). Am Südhang sind klare Tageshöchstspitzen zu erkennen, während die Temperatur in der Nacht wohl wegen der feh- lenden Blätter in den höheren Straten sogar tiefer ist als am Nordhang, der auch einen leicht höheren Anteil Nadelbäume aufwies. Der Nordhang zeigt demgegenüber nur geringe Schwankungen. Wegen der tieferen Nachttemperaturen am Südhang sind die Tagesmittelwerte von Nord- und Südhang kaum zu unterscheiden (Abb. 4, unten). Der Unterschied der Individuenzahlen zwischen Nord- und Südhängen ist in dieser Fangperiode relativ klein (Abb. 6). In der zweiten gezeigten Fangperiode (G) vom 03.01.2008 - 31.01.2008 (Abb. 5) war die Witterung, bis auf einzelne Tage, fast durchgehend sonnig und trocken. Hier wurden Minimaltemperaturen von -1,4 °C und Maximaltemperaturen von +16,7 °C in der Streu aufgezeichnet. Vor allem die Maximaltempe- ratur ist für diese Jahreszeit sehr beachtlich. An den Nordhängen schwankte die Temperatur zwischen -1,0 °C und +7,3 °C, an den Südhängen zwischen -1,4 °C und 16,7 °C. An der Temperaturkurve ist zu erkennen, dass die Temperaturen des Südhanges immer am Mittag ihre Spitze erreichen, was auf die fast senkrechte Sonneneinstrahlung auf den Südhang im Winter zurückzuführen ist. 12 Tab. 3: Individuen- und Artenzahlen der Standorte und ihre jeweiligen Shannon-Wiener-Indices (Hs) und die Evenness (Es). Decodierungen der Standortsymbole vgl. Tab. 1 . Tab. 3: Numbers of individuals and of species per site, with the relevant H' (Shannon-Wiener) and E (Evenness) indicies. Codes for the sites as in Tab. 1 . Standorte Individuenzahl Artenzahl Hs Es •5 123 27 2,77 0,84 •30 141 29 2,74 0,81 ■5 56 13 2,08 0,81 ■30 109 19 2,17 0,74 ♦5 117 21 2,8 0,92 ♦30 115 15 2,25 0,83 05 104 21 2,52 0,83 030 153 20 2,48 0,83 □5 133 21 1,99 0,65 □30 197 16 1,89 0,68 05 150 22 2,39 0,77 030 98 22 2,59 0,84 Total 1496 58 Diese Schönwetterphase zeigt sich auch in den am Südhang registrierten Individuenzahlen. Mit einer 2,4-fach höheren Individuenzahl an den Südhängen ist der Unterschied sehr gross (Abb. 6). Die Fangzahlen an den Nord- bzw. Südhängen zeigen eine deutliche, signifikant unterschiedliche Entwicklung zwischen den beiden Perioden (Abb. 6; GLMM, interaction: x2 = 6,3, df = 1, p = 0,012). Gesamtfang Insgesamt wurden vom 12.09.2007 - 27.04.2008 in 11 Fangperioden 1496 adulte Individuen an den drei Waldstandorten mit je Nord- und Südexposition erfasst. Die Individuen waren auf 58 Arten und 10 Familien verteilt (Anhang). Davon waren 1024 Indi- viduen männlich und 472 weiblich. Das Geschlech- terverhältnis betrug demnach 2,17:1. 661 der 1496 Individuen wurden an den Nord- hängen erfasst, die restlichen 835 an den Südhängen. Die durchschnittliche Anzahl gefangener Individuen pro Falle und über alle Fangperioden gesehen war be- zogen auf die Exposition signifikant unterschiedlich (Abb. 7; GLMM, x2 = 4,98, df= 1, p = 0,026). An den verschiedenen Standorten schwankten die Individuenzahlen zwischen 56 und 197, die Ar- tenzahlen zwischen 13 und 29 (Tab. 3). Auffallend war der nördliche, obere Standort auf dem Riedberg J. Käser, V. Amrhein & A. Hänggi (■5), welcher sowohl bei den Individuenzahlen wie auch bei den Artenzahlen die tiefsten Werte zeigte (Tab. 3). Arten- und Individuenzahlen der Untersuchungs- gebiete und der jeweiligen Nord- und Südhänge Im Untersuchungsgebiet 1, auf dem Chilchberg, wur- den am meisten Individuen und Arten nachgewiesen (521 Individuen, 43 Arten, Anhang). Die gefangene Spinnenfauna am Nordhang des Chilchbergs war aus 264 Individuen (34 Arten) zusammengesetzt. Der Südhang wies mit 257 Individuen (27 Arten) eine etwas kleinere Artenzahl auf. Vom Untersuchungsgebiet 2, dem Riedberg, wur- den 495 Individuen aus 36 Arten bestimmt (Anhang). In diesem Untersuchungsgebiet war der Unterschied der Individuenzahlen zwischen Nord- (165 Individu- en) und Südhang (330 Individuen) am grössten. Die Artenzahlen unterschieden sich aber nur leicht (25 resp. 27 Arten). Untersuchungsgebiet 3, der Buechenberg, hatte mit 480 Individuen und 32 Arten am wenigsten Individuen und Arten (Anhang). Sowohl die Indivi- duen- wie auch die Artenzahlen wiesen hier ähnliche Werte auf (Nordhang 232 Individuen aus 24 Arten, Südhang 248 Individuen aus 27 Arten). Qualitativer Vergleich von Nord- und Südhängen Ein Vergleich der numerischen Charakterisierung (Individuenzahlen, Artenzahlen, Diversitätswert H’, Evenness E) der Fänge an den verschiedenen Standorten zeigt, ausser bei den Individuenzahlen und zum Teil bei den Artenzahlen, keine grösseren Unterschiede (Tab. 3). Eine Analyse der Verteilung der einzelnen Arten ergab aber ein deutlich anderes Bild. Viele Arten konnten in den jeweiligen Un- tersuchungsgebieten nur an den Süd- oder an den Nordhängen nachgewiesen werden. Die meisten dieser Arten waren aber nur durch eine sehr kleine Individuenzahl vertreten und somit konnte keine verlässliche Aussage über das tatsächliche Vorkom- men dieser Arten gemacht werden. Für die weitere Analyse wurden daher nur Arten betrachtet, die mit mindestens 6 Individuen nachgewiesen werden konnten. Einige dieser Arten zeigten klare Unter- schiede im Nachweis für die Nord- beziehungsweise die Südhänge (Abb. 8). Bei 6 Arten wurden mehr als 2/3 der Individuen am Nordhang nachgewiesen, bei 7 Arten mehr als 2/3 am Südhang. Von den hier dargestellten Arten waren 16 (55%) relativ indifferent in Bezug auf die Hangexposition. Spinnen im Winter 10 -i 13 c c < t: . 12 • 18 December 2009 NATURHISTORISCHES MUSEUM BERN NATURHISTORISCHES MUSEUM BERN No. 12 • 18 December 2009 Bildtafel Seite 1479: Konrad Thaler durchklettert als 20-Jähriger die senkrechten Wände des Schlicker Nordturms in den Tiroler Alpen. Es ist immer wieder der Anblick dieses Fotos, bei dem ich das Schmökern in diesem vielseitigen Werk unterbreche und in jene andere Welt aus kargem Fels und klarer Fuft ein- tauche, in Konrads Welt. 45 Jahre später, wiederum in den Stubaier Alpen: Konrad Thaler führt seine letzte Studentenexkursion in die Lebensräume des nivalen Mughiphantes armatus ... und stirbt in seinen geliebten Bergen. Dazwischen? Ein Streben, ein Geben, ein Leben. Volker Mahnerts Worten folgend hat Konrad Thaler eine Schule für Taxonomie- und Biodiversitätsstu- dien aufgebaut, die Ihresgleichen in Mitteleuropa sucht. Richard Maurer hat es in seinem Beitrag zum Gedenkband das Einläuten des „Diamantenen Zeital- ters“ genannt. Die Gedenkschrift für Konrad Thaler: in 3 Bänden und auf mehr als 1500 Seiten zeigen 121 Autoren mit ihren wissenschaftlichen Beiträgen ihre Verbundenheit zu jenem herausragenden Arachno- logen, begeisterndem Zoologen und hilfsbereiten Mitmenschen. Erdgeschichtlich gesehen am weitesten holt wie gewohnt Dunlop mit einer Rekonstruktion eines trigonotarbiden Spinnentiers aus dem frühen Devon aus, Seiden &, Penney würdigen Thaler mit einer fossilen Pisauride aus dem Mittleren Eozän. Auch eine lebende fossile Spinne trägt nun Thalers Namen: Schwendinger widmet einen neu entdeckten Liphis- tius aus Thailand seinem Lehrer. Knoflach beschreibt Buchbesprechungen Arach nologische Mitteilungen 39 (2010) 43 Konrad Thaler in Aarhus, Dänemark, August 2000 (Foto:C. Komposch) eine neue, bezüglich ihrer Herkunft mysteriöse Oono- pide, welche unter Kiefernborke im Stadtgebiet von Innsbruck gefunden wurde. Deeleman- Reinhold stellt neue skurril beborstete Theridiiden vor, Jocque eine Zoropside aus Kenia, Ono eine Anapide aus dem Vietnam, Trotta eine Pimoide aus Indien, Platnick eine Tengellide aus Mexiko und Levi eine Araneide von den Galapagos Inseln. Logunov bereichert die Springspinnenfauna der Türkei und des Iran um mehrere novae species, Szüts 8c Scharff jene des kontinentalen Afrika und Madagaskars und Weso- lowska die Salticidenfauna Südafrikas. Kronestedt 8c Zyuzin legen eine Wiederbeschreibung der Wolf- spinne Wadicosa vor. Muster 8c Hänggi heben - auf Vorschlag von Konrad Thaler - Erigone tenuimana aus der Versenkung der Vergessenheit, grenzen sie gegen E. cristatopalpus und E. tirolensis ab und infor- mieren über die Verbreitung dieser Zwergspinnen im Alpenraum. Eine beachtliche Variabilität bezüglich Färbungs- und Geschlechtsmerkmalen zeichnen Eusemann 8c Jäger anhand der südostasiatischen Riesenkrabben- spinne Heteropoda tetrica. Baehr &, Raven, Dankit- tipakul 8c Schwendinger sowie Bosmans revidieren tasmanische, thailändische und mediterrane Zodari- iden, Bauchhenß klärt die Identität von Anyphaena furva. Thaler hat sich in zahlreichen Arbeiten mit der schwierigen Gattung Porrhomma auseinandergesetzt, hier revidiert Rüzicka die microphthalmum- Gruppe. Breuss dankt seinem Mentor mit einem Einblick in die Spinnen- und Weberknechtfauna kanadischer Höhlen, durch Gardinis Beschreibung trägt nun ein endogäischer Chthonius aus der Provinz Padua Thalers Namen. Aus Konrads gern besuchtem Sammelgebiet Griechenland geben Chatzopoulou 8c Chatzaki einen „taxonomic review of some Drassodes species“, und Buchar zeichnet hier beginnend einen Transekt anhand von Wolfspinnengemeinschaften bis nach Tschechien. Herve 8c Rollard präsentieren Drassodes thaleri aus dem Pare National du Mercantour, knapp 25 Jahre nachdem Maurer &Thaler die Spinnenfauna der Französischen Meeralpen kartiert hatten. Kraus stellt Konrad Thaler in die Tradition jener großen Meister der Spinnenkunde von Menge bis Wiehle, welche den Bau von Geschlechtsorganen bei Spinnen stets aus funktionsanatomischer Sicht zu interpretieren versucht haben. Dem bislang kaum beachteten männlichen Genitalsystem mit Testes und Samenflüssigkeit widmet sich Michalik in vergleichender Sicht. Van Helsdingen wirft in seinem Beitrag über das Auftreten zweier adventiver Mermessus- Arten in den Niederlanden die Frage auf „why some species are transported more easily and fre- quently, while others are not?“ Eine Charakterisierung von Urwald-Spinnenzönosen nehmen Milasowszky, Hepner &, Waitzbauer anhand von Studien im öster- reichischen Wildnisgebiet Dürrenstein vor. Ballooning wird durch Hunger verstärkt aus- gelöst - experimentell belegt von Stebler 8c Nent- wig. Anhand von Feldstudien zeigt Nyffeler, dass Argiope bruennichi vorzugsweise Orthopteren und Hymenopteren und zwar im Ausmaß von 20 % ihres Körpergewichtes täglich fängt. Mit dem zarten und radienarmen Netz von Tetragnatha sho shone werden vor allem Chironomiden und Culiciden gefangen (Sa- cher). Den Einfluss der Beutequalität auf die Fitness von Pardosa prativaga untersucht Toft. Vor knapp 20 Jahren erst aus der Anonymität der Namenlosen ge- hoben, kennen wir heute dank Schikora die Biologie der Baldachinspinne Meioneta mossica besser als jene vieler Wirbeltiere. Huber 8c Schütte bringen erste Ergebnisse zur Biologie costaricanischer Pholciden. Leiobunum roseum ist nicht nur einer der schönsten Weberknechte Europas, sondern auch ein anspruchs- voller und thermophiler Bewohner von Kalkfelsen der Südostalpen; Sajna, Kusar, Novak 6c Novak dokumen- tieren die Verbreitung dieses Sclerosomatiden sowie 44 Arachnologische Mitteilungen 39 (2010) Buchbesprechungen seiner Schwesterart L. limbatum in Slowenien. Kaum ein Stein auf dem anderen bleibt nach der Revision der Trogulus-hirtus- und -falcipenis- Gruppe am Bal- kan: Schönhofer 5e Martens erheben Trogulus hirtus in den Artstatus und beschreiben vier neue Arten. Auch Alberti, Giribet 5c Gutjahr widmen ihre We- berknechtstudien an Cyphophthalmi Konrad Thaler. Krisper 5c Schuster liefern eine Wiederbeschreibung der Hornmilbe Provertex kuehnelti. Mahunka 5c Ma- hunka-Papp erhöhen die Zahl der aus der Schweiz gemeldeten Carabodiden (Oribatida) von 8 auf 16. Schatz 5c Schatz legen eine Hornmilbenfaunula, bestehend aus 36 Arten und einer nova species, der „Isola del Garda“ im von Thaler oft besammelten Gardaseegebiet vor. Einen Bestimmungsschlüssel für prostigmate Bodenmilben von der Alpinforschungs- stelle in Obergurgl, einer „Außenstelle“ der Univer- sität Innsbruck, macht Zacharda verfügbar. Ricinulei wurden hinsichtlich der Ultrastruktur ihrer Ovarien untersucht (Talarico, Zeck-Kapp, Palacios-Vargas 5c Alberti). Der zoologische Bogen des Gedenkbandes spannt sich weiter von Oligochaeten und Tardigraden über Chilopoden, Pauropoden und Diplopoden bis hin zu Coleopteren, Hemipteren, Dipteren, Hymenopteren, Trichopteren, Lepidopteren und Neuropteren. Die Breite an Themen reicht von der Faunistik Osttiroler Höhlen (Kofler) über die Frage nach der Vertikalver- breitung als Indikator für Gefährdung von Insekten (Fandmann) bis hin zu „morphology-based taxonomy is essential to link molecular research to nomencla- ture“ (Steiner, Schlick-Steiner 5c Seifert). Die Liebe zu den alten Büchern und Schriften unserer Wissen- schaft hat Konrad mit vielen Kollegen verbunden, wie Aspöck 5c Aspöck anhand der Neuropterenfamilie Coniopterygidae eindrucksvoll zeigen. Ein autobio- graphisches Fragment des Tiroler Biospeläologen Leo Weirather legt Hauser vor. Gruber widmet seine Arbeit der Verbreitung und Ökologie einer für Österreich neuen Trachysphaera mit dem Hinweis, dass Thaler dieses Taxon in seiner ersten Diplopoden betreffenden Publikation aus dem Jahr 1966 behan- delte. Ferner dokumentiert Aescht die Spinnentier- und Typensammlung des Biologiezentrums in Linz, Konrads Schüler Zingerle präsentiert sein junges und „lebendiges“ Naturmuseum Südtirol. Christian Kropf und Peter „Otto“ Horak haben als Editoren des Konrad-Thaler-Gedenkbandes ein internationales Autorenteam zu ihren 79 Fachbei- trägen in jeweils deutscher oder englischer Sprache begleitet, das Naturhistorische Museum Bern hat mit dem schönen Druck dieser reich bebilderten, mehr- bändigen und bibliophilen Ausgabe neue Maßstäbe gesetzt. 78 neue Taxa von Annelida, Tardigrada, Trichoptera, Acari, Opiliones, Pseudoscorpiones und Araneae werden beschrieben, beginnend bei Attalea- chernes th alert Mahnert bis Zodarion konradi Bosmans. Malicky beispielsweise macht die Kärntner Saualpe zum locus typicus für Rhyacophila konradth alert. Die wissenschaftlichen Zugänge und Stile der zahlreichen Autoren sowie die behandelten Themengebiete sind sehr unterschiedlich - und gerade in dieser vielfäl- tigen Gesamtheit spiegeln sich das Interesse, die wissenschaftliche Breite und zwischenmenschliche Größe Konrad Thalers wider. Allein jene von Barbara Knoflach minuziös und liebevoll zusammengestellten, mehr als 120 Seiten umfassenden „Dokumente zum wissenschaftlichen Werk von Konrad Thaler“ sind den Kauf dieses Opus wert. Sollten Sie, lieber Leser, in ihrem Bücherregal noch irgendwie 11 Zentimeter freimachen können, mit dem Dreibänder „In memoriam Konrad Thaler“ bereichern Sie nicht nur Ihre Fachbibliothek um ein Opus Magnum, sondern werden auch den von Kon- rad Thalers großer Wissenschaftlerfamilie zu Papier gebrachten Geist spüren. Christian Komposch Buchbesprechungen Arachnologische Mitteilungen 39 (2010) 45 P.A. Sebastian & K.V. Peter (Hrsg.) (2009): Spiders of India Universities Press, Hyderabad. 614 S. & 96 Tafeln mit 1 70 Farbfotos. ISBN 978-81-7371-641 -6. Fester Einband, Format: 22 x 15 cm. Preis inkl. Porto 3201 Indische Rupien (ca. 50 Euro). Bestellung: http://www.universi- tiespress.com Dieses Buch (mit einem Vorwort des leider ver- storbenen Jean-Pierre Maelfait) wurde von einem Kollektiv von 10 Autoren verfasst und besteht aus zwei Teilen. Der erste Teil, welchem eine Liste aller im Buch vorgestellten Gattungen und Arten voran- gestellt ist, enthält eine kurze allgemeine Einleitung in die Biologie der Spinnen, mit Beschreibungen von Anatomie, Physiologie, Reproduktion und des Netzbaus (S. 1-63), sowie eine Einführung in das Sammeln von Spinnen (S. 64-69). Zusätzlich sind dort noch zwei Schlüssel zu Spinnenfamilien, einer basierend auf morphologischen Merkmalen und ein zweiter basierend auf den Netztypen, vorhanden. Der zweite, umfangreichere Teil des Buches porträtiert alle in Indien vorkommenden Spinnenfamilien mit exemplarischen Beschreibungen einzelner Gattungen und Arten (insgesamt 156 Arten, S. 91-396). Dieser Teil enthält außerdem eine kurze Bibliographie (S. 397-398), ein Glossar (S. 399-431), eine aktuelle Checkliste der 1520 in Indien bekannten Spinnenar- ten (S. 432-603), eine Liste mit Kontaktadressen der 10 Autoren des Buches (S. 604-605) und einen Index mit den wissenschaftlichen und Englischen Namen (S. 606-614). Das Buch schließt mit 170 schönen Farbfotos der im vorangehenden Kapitel (wieder) beschriebenen Arten. Aus praktischen Gründen präsentieren wir diese Besprechung der beiden Buchteile mehr oder weniger separat. Erster Teil Da es wenig wahrscheinlich ist, dass die Leser der ’Arachnologischen Mitteilungen das Buch wegen der Kapitel im ersten Teil des Buches kaufen werden, verzichten wir darauf, diesen Teil auf die übliche Art und Weise zu besprechen. Stattdessen möchten wir auf einige Besonderheiten hinsichtlich der Zu- sammenstellung von Text und Abbildungen dieses Buchteils eingehen. Vor nicht allzu langer Zeit musste FOELIX (2007) berichten, dass Fred Punzo für sein Buch ‘Spiders. Bi- ology, ecology, natural history and behavior’ (PUNZO 2007) sehr viele Bilder aus seinem Buch ‘Biology of doi:10.5431/aramit3907 Spiders’ (FOELIX 1996) und aus anderen Quellen kopiert hatte, ohne dafür um Erlaubnis zu bitten und dabei oft auch noch „vergessen“ hatte, die Quelle überhaupt bzw. richtig anzugeben. Dieser Umstand führte nach einigem Hin und Her dazu, dass Punzos Buch vom Verlag aus dem Verkauf zurückgezogen wurde. Was sich aber einige Kollegen aus Indien im ersten Teil des Buch ‘Spiders of India’ erlaubt haben, geht leider teilweise noch einiges weiter als das Plagiat von Punzo. Erstens haben sie - wie Punzo - großzügig Ab- bildungen und Texte aus verschiedenen Quellen kopiert (oft durch Abzeichnen, manchmal auch 1:1) und dabei weder die Autoren der Originalarbeiten um Erlaubnis gebeten (Foelix 6c Jocque pers. Mitt., eigene Feststellung) noch haben sie bei den kopier- ten Abbildungen und Texten die Quelle angegeben. Das einzige, was man als Quellenangabe betrachten könnte, ist die Empfehlung in der Einleitung, die in der Bibliographie genannten Bücher zu lesen, da diese die Grundlage für einen Teil der Informationen in 46 Arachnologische Mitteilungen 39 (201 0) A B Buchbesprechungen Fig. 7 Fig. 39 Web of Cyclosa confraga (family Araneidae) Cheliceral fang action in Mygalomorph spiders Abb. 1 : Vergleich zwischen (A) den Abb. 7 und 8 aus dem Buch 'Spiders of India' und (B) den Originalen (Abb.2 des Bu- ches'Biology of spiders' von Foelix 1996). Die große Ähnlichkeit ist kaum zufällig. Zu beachten ist, dass durch das Abzeich- nen Fehler und Ungenauigkeiten ent- standen sind. So sollte die rechte Klaue in Abb. 7 hinter dem linken Grundglied liegen und der Doppelpfeil in Abb. 8 gibt die Bewegungen der Cheliceren nicht so gut wieder wie die beiden Doppelpfeile des Originals. Fig. 1. Comparison of the figures 7 and 8 of the book 'Spiders of India' (A, left) together with their putative originals (figure 2 in 'Biology of Spiders' by Foelix; B, right). Note that the right cheliceral fang in figure 7 should have been drawn behind the left basal segment and that the single arrow in figure 8 does not ac- curately represent the movements of the cheliceral fangs. Abb. 2: Vergleich zwischen (A) den ge- fälschten Abb. 39 und 40 aus dem Buch 'Spiders of India' und (B) den Originalen der Internetseite 'Spinnen-Netzbau- galerie' (Zschokke 2009, zum besseren Vergleich invertiert). Die Radnetze sind eindeutig identisch. Die einzigen Unterschiede sind das Einzeichnen bzw. Entfernen des Stabilimentes, etwas Beschneiden und die Beschriftung. Zu erwähnen wäre noch, dass entgegen der Abb. 39 das Stabiliment bei Cyclosa Netzen entlang einer Speiche angelegt ist und nicht zwischen zwei Speichen. Fig. 2: Comparison of (A) the forged figures 39 and 40 from the book'Spiders of India' with (B) the originals from the web page 'Spider web construction gallery' (inverted for easier comparison). The orb-webs are clearly identical; the only differences are the addition or removal resp. of the web decoration (stabilimen- tum),some cropping and the change in labeling. Note also that web decorations in Cyclosa spp. usually follow a radial line and are not placed between two radial lines as it was drawn in figure 39. vorliegenden Buch seien („Readers are further recom- mended to read the books and literature given in the reference list provided at the end of the book for more information since these references are the basis for some of the information provided in this book“, S. ix). Zudem bedanken sich die Autoren in der Einleitung bei Rudy Jocque für seine Hilfe bei der Vorbereitung des Buches. Das korrekte Vorgehen wäre aber gewesen (1) alle Autoren der Originalarbeiten um Erlaubnis zu bitten, einen Teil ihrer Arbeiten reproduzieren zu dürfen und (2) diese Quellen korrekt zu zitieren. Zweitens, zusätzlich zum Abkupfern von Ab- bildungen und Textteilen, haben die Autoren von ’Spiders of India mehrere Abbildungen gefälscht. Buchbesprechungen Arachnologische Mitteilungen 39 (2010) 47 Tab. 1 . Vergleich zwischen drei kurzen Textabschnitten aus dem Buch 'Spiders of India' und den Originaltexten (aus 'Biology of spiders' Foelix 1 996, und 'Spider families of the world', Jocque & Dippenaar-Schoeman 2006). Trotz kleiner Umformulierungen ist die Verwandtschaft zwischen Original und Kopie offensichtlich. Tab. 1: Comparison brief text excerpts from 'Spiders of India' with their putative sources 'Biology of spiders' (Foelix 1996) and 'Spider families of the world' (Jocque & Dippenaar-Schoeman 2006). Despite some rephrasing, the relatedness of the texts is quite obvious. ’Spiders of India’ (SEBASTIAN & PETER 2009) Originale (reproduziert mit Genehmigung der jeweiligen Autoren) The mid-gut originates directly behind the sucking stomach. Its proximal part is situated in the cephalothorax and the median and posterior portions lie in the abdomen (S. 26) The midgut has its origin directly behind the sucking stomach. Its proximal part is still situated in the prosoma, while its median and posterior portions are in the opistho- soma. (Foelix 1996, S. 47) Fresh spider haemolymph appears bluish because of the presence of copper-containing respiratory pigment hae- mocyanin. Most of the organic substances of the haemo- lymph are proteins and of these haemocyanin constitutes 80%. Others are free amino acids, carbohydrates (mainly glucose) and fatty acids. (S. 24-25) Fresh spider hemolymph appears bluish because of the copper-containing respiratory pigment hemocyanin. [. . .] Most of the organic substances of the hemolymph are proteins, and of these hemocyanin makes up 80%. Oth- ers are free amino acids (mainly proline), carbohydrates (mainly glucose) and fatty acids (palmitic, linoleic, and stearic acid). (FOELIX 1996, S. 58, 60) Leg tarsi with few (4-6) clavate trichobotria basally or none; apical segment of posterior spinnerets short and dome-shaped; anterior lobe of maxillae not well devel- oped; clypeus not wide Barychelidae (S. 72) Leg tarsi with few (4-6) clavate trichobotria basally or none; apical segment of posterior spinnerets short and dome-shaped (K); anterior lobe of endites not well-devel- oped (L); clypeus not wide BARYCHELIDAE (Jocque & Dippenaar-Schoeman 2006) Wahrscheinlich weil die Autoren kein Bild des Netzes von Cyclosa confraga finden konnten, haben sie ein anderes Radnetz (eines der Kreuzspinne Araneus dia- dematus) aus dem Internet kopiert (von ZSCHOKKE 2009), ein Stabiliment eingezeichnet und dann als Netz von Cyclosa confraga beschriftet (Abb. 2). Auf ähnliche Weise haben sie ein Netz der Wespenspinne Argiope bruennichi (aus derselben Quelle) in ein Netz von Leucauge decorata verwandelt, nur dass sie diesmal das Stabiliment nicht einzeichnen sondern entfernen mussten, sowie ein Theridiidennetz (von FOELIX 1996) in ein Linyphiidennetz durch Entfernen der Klebtropfen auf den Leimfussfäden. Zusätzlich ha- ben sie ein Netz von Uloborus walckenaerius (wieder von ZSCHOKKE 2009) als Netz von Zosis geniculatas ausgegeben, dies ohne erkennbare Änderungen. Plagiarismus ist klar abzulehnen. Dennoch haben kopierte Bilder wenigstens den Vorteil, dass die wis- senschaftliche Information korrekt wiedergegeben wird (zumindest falls beim Abzeichnen keine Fehler unterlaufen sind, vgl. Abb. 1). Gefälschte Bilder hin- gegen sind schlicht und einfach falsch. Ein Linyphii- den-Netz ist etwas anderes als ein Theridiiden-Netz ohne Klebtropfen und ein C. confraga-Netz ist nicht dasselbe wie ein Kreuzspinnennetz mit Stabiliment. Solche groben Fehler in einem Kapitel eines Buches führen zu einem Vertrauensverlust, de,r das ganze Buch betrifft. Zweiter Teil Der zweite Teil ist der Hauptteil des Buches. Er beginnt mit den umfangreichen Kapiteln (S. 91- 396) ’Mygalomorphae’ und ’Araneomorphae’, in welchen alle 60 in Indien vorkommenden Spinnen- familien, sowie eine Auswahl von 144 Gattungen und aus diesen Gattungen mit insgesamt 156 Arten beschrieben werden. 92 der Gattungen sind mit Schwarzweiß-Zeichnungen illustriert, welche jeweils eine nicht näher genannte Art dieser Gattung zeigen. Die Beschreibungen der Familien und Gattungen enthalten eine taxonomische Diagnose, was leider bei den Artbeschreibungen fehlt. Leider fehlen dort auch Angaben zum untersuchten Material und den genauen Fundorten. Laut den Angaben in der Einlei- tung wurden die meisten Spinnen im Süden Indiens gesammelt, vor allem im Bundesstaat Kerala. Dabei gehen die Autoren davon aus, dass die im Buch vor- gestellten Arten trotzdem einigermaßen repräsentativ sind für ganz Indien, da die meisten vorgestellten Arten eine weite Verbreitung in Indien hätten. In 48 Arachnologische Mitteilungen 39 (2010) Buchbesprechungen diesen beiden Kapiteln findet sich der größte Teil an originaler Information. Die Nomenklatur einzelner Arten wirft Fragen auf. Zum Beispiel wurde Phidippus yashodharae Tikader, 1977 (Salticidae) innerhalb der Gattung Ptocasius Simon, 1885 (S. 307), vorgestellt, aber wieso und wer diese Art in Ptocasius transferiert hat bleibt unklar. Jedes Taxon wurde mit einem um- gangssprachlichen Namen versehen, dessen Herkunft schleierhaft ist. Zum Beispiel werden Philodromidae als ’elongated crab spiders’ bezeichnet (S. 250) und die Art Tibellus elongatusTik&Mr, 1960 als ’elongated philodromid spider’ (S. 254). In diesen beiden Kapiteln werden insgesamt neun Arten neu beschrieben: Araneidae (2), Linyphiidae (1), Liocranidae (1), Oonopidae (1), Philodromidae (1), Salticidae (l),Theraphosidae (1) undThomisidae (1). Überraschenderweise ist keine dieser Arten ab- gebildet (abgesehen von je einem Farbfoto am Ende des Buches) und jede Art wurde zwar beschrieben, aber nicht diagnostiziert. Eine genaue Bestimmung einer Art nur aufgrund eines Farbfotos ist aber nicht möglich - insbesondere bei Spinnen aus den Gattun- gen Linyphia , Misumena , Opopaea und Philodromus. Obwohl jeder neuen Art ein umgangssprachlicher Name gegeben wurde, erfährt der Leser nicht, wie viele Individuen untersucht wurden, wo in Indien diese Spinnen gefunden wurden und in welchem Museum die Typusexemplare aufbewahrt werden. Da bei den Größenangaben bei beiden Geschlechtern Bereiche angegeben wurden (z.B. 4-6 mm) und die Lebensweise kurz beschrieben wird, kann man aber davon ausgehen, dass mehrere Individuen untersucht wurden. Zum Beispiel wurde Philodromus kuttanaden- sis (für die als umgangssprachlicher Name ’aggressive crab spider’ vorgeschlagen wurde) aufgrund einer unbekannten Anzahl 9 9 beschrieben und deren Lebensweise folgendermaßen beschrieben: „These spiders are extremely agile, commonly found on stems, foliage and panicles of rice plants“ (S. 252). Die Ver- breitung von dieser und anderen neu beschriebenen Arten wurde mit ’India (endemic)’ angegeben, was bei einem so großen und reichhaltigen Land nur wenig aussagekräftig ist (aufgrund den Bemerkungen in der Einleitung kann man aber vermuten, dass diese vor allem in Kerala gesammelt wurden). Leider sind die Angaben zu den neuen Arten in der folgenden Checkliste der in Indien vorkom- menden Spinnen (S. 432-603) eher verwirrend. Das Hauptproblem liegt darin, dass alle diese Namen be- reits von den verschiedenen Autoren in ihren Disser- tationen beschrieben oder genauer gesagt als nomina nuda erwähnt wurden (alle Referenzen befinden sich im Text). So ’beschrieb’ PD. Acusilas indicus , Linyphia striata und Misumena chrysanthemi im Jahr 2007 (S. 436, 487, 585), A.V. Sudhikumar ’beschrieb’ Philodromus kuttanadensis im Jahr 2007 (S. 518) und PD. Samson 8c PA. Sebastian ’beschrieben’ Bavia kairali im Jahr 2002 (S. 529). Diese vier Arachnologen sind die Koautoren des oben erwähnten großen Kapi- tels über die Araneomorphae, zu denen die fünf Arten gehören. Die anderen vier neu beschriebenen Arten ( Annandaliella albolimbatus , Cyrtarachne keralayensis, Sphingius cornua und Opopaea indica\ S. 443, 488, 508, 568) ’beschrieb’ K.S. Jose 2005 in seiner Dissertation. K.S. Jose ist aber nicht Koautor des Buchkapitels, in dem drei dieser Arten beschrieben werden ( Annanda- liella albolimbata gehört zu den Mygalomorphae und K.S. Jose ist Koautor des entsprechenden Kapitels). Nach den geltenden Regeln der Nomenklatur gelten nun für alle diese Namen 2009 als Publikationsjahr und als Autorenschaft Sebastian et al., d.h. die vier Koautoren des entsprechenden Kapitels. Das erweiterte Glossar (S. 397-431) enthält kurze Beschreibungen der verschiedenen körperlichen und genitalen Merkmale. Viele dieser Beschreibungen - wie auch große Teile der Schlüssel zu den Spin- nenfamilien am Ende des ersten Teils des Buches — wurden hemmungslos und ohne Quellenangabe aus dem Buch ’Spider families of the world’ abgekupfert ( JOCQUE 8c DlPPENAAR-SCHOEMAN 2006: S. 20- 26), z.B. die Beschreibungen von ’accessory claws’, ’anal tubercle’, ’atrium’, ’cephalothorax’, ’copulatory opening’, usw. Das nächste taxonomische Kapitel ist eine Über- sicht aller indischen Spinnen (S. 432-603) mit den Referenzen zu den Originalbeschreibungen. Diese Checklist wurde auf Basis des online Katalogs von N. Platnick zusammengestellt, sowie aufgrund von Daten aus den Dissertationen der verschiedenen Autoren. Die Liste umfasst 1520 Arten aus 377 Gat- tungen und 60 Familien und ist somit eine wertvolle Grundlage für alle, die in Südasien arbeiten. Dennoch bleiben einige Fragen offen, z.B. ist bei den meisten Arten nur die Referenz der Originalbeschreibung aufgeführt. Ein Beispiel um diesen Punkt klar zu ma- chen (S. 529): die Referenz für Bianor albobimaculatus Lucas, 1846 (Salticidae) ist die Originalbeschreibung von Lucas, obwohl diese Art von LOGUNOV (2001) zum ersten Mal in Indien nachgewiesen worden war. In diesem Fall wäre es richtiger gewesen, auf letztere Arbeit hinzuweisen, denn die Originalarbeit enthält keinen Hinweis auf das Vorkommen dieser Art in Buchbesprechungen Arachnologische Mitteilungen 39 (2010) 49 Indien. Auch wurden einige Taxa fälschlicherweise in die Checkliste aufgenommen. Zum Beispiel sollten alle drei Arten der Gattung Capheris Simon, 1893 (S. 601-602), Zodariidae unter der Gattung Cydrela Thorell, 1873, aufgeführt werden, in die sie schon vor längerer Zeit transferiert worden sind (JOCQUE 1991, 2009). Insgesamt dürfte die Checkliste hilfreich sein zum schnellen Auffinden von Spinnenarten, welche in Indien beschrieben oder nachgewiesen wurden. Lei- der fehlen in dieser Liste aber einige Informationen, wie zum Beispiel Angaben zur Verbreitung der Art innerhalb Indiens, zum Typusort (falls sie in Indien liegen) und welche Geschlechter beschrieben worden sind. Solche Angaben müssen im Platnick- Katalog oder in den entsprechenden Arbeiten nachgeschaut werden. Dieses Buch hatte als hehres Ziel „to popularize the study of spiders in India“ (Einleitung). Leider müssen wir aber feststellen dass dieses Buch wegen einer Vielzahl von Fehlern, taxonomischem Durch- einander, wenig informativen Originalkapiteln (S. 91-396) und klaren Fällen von Plagiarismus an verschiedenen Orten kaum als Anleitung zum Spin- nenstudium empfohlen werden kann. Es ist eindeutig kein nachahmenswertes Beispiel. Im Gegenteil müs- sen wir mit Bedauern und Enttäuschung empfehlen, dieses Buch sehr kritisch zu lesen und die enthaltene Information nur mit Vorsicht zu benutzen. Danksagung Wir danken Rainer Foelix und Rudyjocque für die Erlaub- nis, Abbildungen und Textabschnitte aus ihren Büchern zu reproduzieren. Referenzen FOELIX R.F. (1996): Biology of spiders, 2nd edition. Oxford University Press, Oxford. 330 S. FOELIX R.F. (2007): Statt einer Buchbesprechung: Wie geht man mit Plagiaten um? - Arachnologische Mitteilungen 34: 41-42 - doi: 10.5431/aramit3408 JOCQUE R. (1991): A generic revision of the spider fam- ily Zodariidae (Araneae). - Bulletin of the American Museum of Natural History 201: 1-160 JOCQUE R. (2009): Some keep it short: on the radiation in the Afrotropical spider genera Capheris and Systenoplacis (Araneae, Zodariidae) without male pedipalp complexity increase. - Journal of afrotropical Zoology 5: 77-148 JOCQUE R. & A.S. DlPPENAAR-SCHOEMAN (2006): Spider families of the world. Royal Museum for Central Africa, Tervuren. 336 S. LOGUNOV D.V. (2001): A redefinition of the genera Bianor Peckham & Peckham, 1885 and Harmochirus Simon, 1885, with the establishment of a new genus Sibianor gen. n. (Araneae: Salticidae). - Arthropoda Selecta 9: 221-286 PUNZO F. (2007): Spiders. Biology, ecology, natural history and behavior. Brill, Leiden & Boston. 428 S. ZSCHOKKE S. (2009): Spinnen-Netzbaugalerie. - Internet: http :/ / www. conservation .unibas . ch / team/ zschokke/ spi- dergallery.php Samuel Zschokke & Dmitri V. Logunov 50 Arachnologische Mitteilungen 39 (2010) Diversa Einmal Siedlce und wieder zurück - der 1 8. internationale Kongress der Arachnologen in Polen doi:10.5431/aramit3908 Gruppenfoto (Foto: M. Zabka) In diesem Jahr fand vom 11. bis 17. Juli der 18. In- ternationale Kongress der Arachnologen in Siedlce, welches ca. 90 km östlich von Warschau liegt, statt. Der Kongress wurde von Marek Zabka, Barbara Pa- toleta und unzähligen weiteren fleißigen Helferlein organisiert. Schon die Liste derjenigen die einen Hauptvortrag halten würden war vielversprechend. Dabei waren Friedrich Barth (Österreich), William Eberhard (Costa Rica), Mark Eigar (Australien), Gonzalo Giribet (USA), Rudy Jocque (Belgien), Wayne Maddison (USA), Robert Raven (Australien), Paul Seiden (USA), Gabriele Uhl (Deutschland) und Samuel Zschokke (Schweiz). Dem entsprechend war die Vorfreude auf diesen Kongress sehr groß und die hochsommerlichen Temperaturen von durchschnitt- lich 37-39°C im Schatten brachten wohl auch den Letzten auf Touren. Nebenbei sei jedem, der sich den Gang zur Sauna sparen möchte, eine zweitägige Fahrt in einem VW-Bus ohne Klimaanlage bei diesen Tem- peraturen „wärmstens“ empfohlen. Die klimatischen Bedingungen im größten der drei Vortragssäle mögen auch dazu beigetragen haben, dass selbst bei den Hart- gesottensten das Konzentrationsvermögen manchmal ein wenig nachließ und die ungünstige Akustik dieses Saals dabei noch ihr Übriges tat. Nichtsdestotrotz wartete eine Unmenge von Vorträgen und Postern darauf vorgetragen bzw. vorgestellt zu werden. Aber bevor das Programm starten konnte, stand natürlich zu allererst das Finale der Fußballweltmeisterschaft auf dem Programm. Es ist ganz erstaunlich wie viele Menschen in einen kleinen Hörsaal passen können, wobei allerdings von nicht wenigen Teilnehmern das Fehlen von Bier als kleines Manko angesehen wurde. Am Ende gewann Spanien und eine kleine Gruppe von Landsleuten hüpfte vor Freude und viele freuten sich mit ihnen. Richtig los ging es dann am nächsten Morgen mit der Begrüßung durch den Veranstalter Marek Zabka und den ISA-Präsidenten Nikolaj Scharff (Däne- mark), welcher den Startschuss für ein abwechslungs- reiches wissenschaftliches Programm gab. Wer sich für Systematik und Biogeographie begeistert, kam thematisch voll auf seine Kosten, da der Schwerpunkt der dargebotenen Arbeiten eindeutig in diesem Be- reich zu finden war. Dementsprechend groß war die Zahl der präsentierten Stammbäume und Untersu- chungen, die neue Einblicke in phylogenetischen Be- ziehungen unterschiedlicher Taxa gewährten. So gab es zum Beispiel neue Einblicke in die Systematik der Erigoninae, in die interfamiliären phylogenetischen Beziehungen der Oonopiden und einen Vergleich des Kreislaufsystems verschiedener Taxa der Skorpione. Diversa Arachnologische Mitteilungen 39 (2010) 51 Oben: Neben vielen Störchen gab es auch watende Arachnologlnnen (Foto: O.Vöcking), mitte: Die Organisatoren Barbara Patoleta (2 v.l.) und Marek Zabka (2 v.r.), zusammen mit Marzena Stahska (I.) und Nikolaj Scharff (r.).(Foto:C. Kom- posch), unten: Impressionen vom Kongress-Dinner (Foto: C. Komposch). Aber auch andere Themenbereiche wie Ökologie, Verhalten, Biodiver- sität, Naturschutz, Faunistik und Spinnenseide dürfen nicht uner- wähnt bleiben. Hier gab es neue Analysen der Farbvariation von Krabbenspinnen, zur Kopfstruk- tur-Erkennung von Beutetieren durch Salticiden und zu Verteidi- gungsmechanismen bei Kapuzen- spinnen und natürlich noch vieles mehr zu bestaunen. Besonders gut besucht war auch das Symposium zur Reproduktionsbiologie von Spinnen, wobei die Themen der hierbei vorgestellten Arbeiten zum Beispiel von Paarungsstrategien unterschiedlichster Taxa, der Ak- tivierung von Spermien, oder der Funktionen männlicher Kopfsekre- te von Zwergspinnen handelten. Da die schlichte Anzahl der qualitativ hochwertigen Vorträge und Poster viel zu groß war, um auf sie alle eingehen zu können, seien an dieser Stelle explizit diejenigen erwähnt, die bei der „student competition“ ausgezeichnet wurden. Den ersten Preis in der Kategorie Morphologie, Systematik und Phylogenie für den besten Vortrag gewann Hannah Wood aus San Fransisco (USA), für ihre Arbeit über Archaeiden und Mecysmaucheniiden. Für das beste Poster in dieser Kategorie wurde Katarina Huckstorf aus Rostock für ihre besonders sehenswerte, dreidimensionale Darstellung des Kreislaufsystems von Cupiennius salei ausgezeichnet. In der Kategorie Verhalten, Ökologie und Faunistik wurde Po Peng aus Taichung (Tai- wan) für seinen Vortrag über die Beziehung von Kleptoparasiten zu ihrer Wirtspinne geehrt und der Preis für das beste Poster dieser Kategorie ging an Christina Holm aus Aarhus (Dänemark), welches den Nahrungserwerb bei sozialen Spinnen zum Thema hatte. 52 Arachnologische Mitteilungen 39 (2010) Diversa Natürlich bestand der Kongress nicht nur aus Vorträ- gen, die umgebene Stadt bot mit zahlreichen kleinen Cafes und Bars viele Möglichkeiten der abendlichen Freizeitgestaltung. Auch die traditionelle Kongressex- kursion an den Fluss Bug - einen unbegradigten Fluss dieser Breite sieht man nicht alle Tage, weil er für Mitteleuropa einzigartig ist — nahe der weißrussischen Grenze mitsamt dem Besuch eines Pferdehofs war gut besucht. Hierbei schienen die Pferde jedoch bei manch einem weniger Interesse zu wecken, als die im Stall herum krabbelnden Spinnen. Außerdem brachte die ansehnliche Landschaft den Naturliebhaber ins Schwärmen und die Fotoapparate zum klicken. Eine kleine Gruppe besonders Wagemutiger riskierte zudem schlammige Füße bei der Erkundung des örtlichen Stehgewässers. Den Höhepunkt der abendlichen Veranstaltungen war das Kongress-Dinner am Donnerstagabend. Der Begriff feuchtfröhlich scheint geradezu maß- geschneidert für diesen Abend zu sein, denn sobald die ersten Liter Bier und Wodka konsumiert waren, wurde die Tanzfläche gestürmt und bis in die frühen Morgenstunden okkupiert. Die mit großer Leiden- schaft vorgetragenen tänzerischen Darbietungen einiger Teilnehmer waren mehr als nur sehenswert und konnten einen Kongress-Neuling durchaus zum Staunen bringen. Die Folge dieses Abends war jedoch, dass sich die Anzahl der aufrecht sitzenden Kongress- teilnehmer am darauf folgenden Morgen zunächst auf ein Minimum beschränkte und sich die Reihen erst im Laufe des Tages wieder füllten. Hier mag auch der Grund liegen, warum es bei der legendären Russian Party am Freitag eher ruhig zuging, aber vielleicht war auch nur die am nächsten Tag bevorstehende Heimreise der Grund für diese Zurückhaltung. Zu guter Letzt gibt es auch von der Vollversammlung der Internationalen Arachnologischen Gesellschaft (ISA) einiges zu berichten. So wurde unter anderem die Zukunft des „World Spider Catalog“ auf Grundlage eines Angebotes von Peter Jäger vom Naturmuseum Senckenberg (Frankfurt) diskutiert. Auch die Präsen- tation von Christina Rheims zu dem verheerenden Feuer in den wertvollen Sammlungsbeständen im Institute Butantan (Brasilien) soll hier erwähnt wer- den, da sie doch eindrücklich zeigte wie wichtig die sachgemäße Unterbringung von Sammlungsgut ist. Viel erfreulicher waren dann die Ehrungen der Ge- sellschaft. Zunächst wurden der sichtlich überraschte Gerd Alberti aus Deutschland, Christo Deltshev aus Bulgarien und Peter van Helsdingen aus den Nie- derlanden als neue Ehrenmitglieder ausgezeichnet. Dann wurden die 2007 ins Leben gerufenen Preise der Gesellschaft vergeben - der Bonnet-Preis für Verdienste in der internationalen wissenschaftlichen Gemeinschaft ging an Jerzy Pröszynski (Polen) für seine umfänglichen Arbeiten an Springspinnen, den Brignoli-Preis für eine herausragende Einzelarbeit erhielt Hirotsugu Ono (Japan) für sein umfängliches Buch „Spiders of Japan“ und den Simon-Preis für das Lebenswerk ging an Valerie Todd Davies (Australien) für ihre Arbeiten zu australischen Spinnen und das Engagement für die Arachnologie in Australien. Einen Schlagabtausch erster Güte gab es bei der Entscheidung, ob der nächste Kongress in Australien, oder Taiwan stattfinden solle. Nachdem die Fürspre- cher der jeweiligen Länder Mark Harvey für Austra- lien und I-MinTso für Taiwan in zwei mit jeweils viel Enthusiasmus gehaltenen Vorträgen ihre jeweiligen Länder vorgestellt hatten, fiel die sich anschließende Abstimmung mit deutlicher Mehrheit für Taiwan aus. Am Ende der Versammlung gab Nikolaj Scharff das Präsidentenamt an seinen Nachfolger Charles Griswold weiter und es bleibt nur noch zu sagen, dass man sich sicherlich auf den nächsten internationalen Kongress der Arachnologen in Taiwan freuen darf. Oliver Vöcking &, Peter Michalik (Greifswald) Diversa Arach nologische M itteilungen 39 (2010) 53 Bericht zur AraGes-Tagung 201 0 und zur 5. Mitgliederversammlung der Arachnologischen Gesellschaft von 1 7. bis 1 9. September 201 0 in Berlin doi:10.5431/aramit3909 Das Logo der Tagung: Cryptomartus hindi (Pocock, 1911) (Arachnida,Trigonotarbida, Anthracomartidae) aus britischer Steinkohle (spätes Silur/frühes Perm) Der 200. Geburtstag des Museums für Naturkunde Berlin war ein gebührender Anlass, das diesjährige Treffen der deutschsprachigen Arachnologen in die- sen „historischen Gemäuern“ stattfinden zu lassen. Der Einladung des Organisationsteams rund um Jason Dunlop folgten erfreulicherweise mehr als 60 Spinnenfreunde aus Albanien, Dänemark, Deutsch- land, Österreich, Serbien und der Schweiz. Zu Beginn des dreitägigen Spinnenwochenendes begrüßte am Freitag Abend Ferdinand Damaschun vom Naturkundemuseum die angereisten Gäste. Als spinnenkundlichen Einstieg refe- rierte Christian Kropf in seinem kurzweiligen Abendvortrag über die faszinierenden, vielfältigen und oft noch unbekannten Eigenschaften von Spinnenseide und Spinnen- netzen. Zum Ausklang des ersten Abends luden die Gastgeber zu einem entspannenden „Icebreaker“ in den Sauriersaal des Naturkun- demuseums ein. Hier konnten die Teilnehmer das durch die AraGes finanzierte, sehr köstliche Buffet genießen. Die sprichwörtlich „urige Atmosphäre“ im Schatten des welt- weit größten Dinosaurierskeletts Brachiosaurus brancai hinterließ ihre Spuren. Nicht alle Teilnehmer konnten sich rechtzeitig von ihren lebhaften Gesprä- chen und fachlichen Diskussion des Abends losreißen und verpassten den Start am kommenden Samstag Morgen. Mehr oder weniger erholt trafen zahlreiche Spinneninteressierte im Vortragssaal ein um sich den sehr abwechslungsreichen Vorträgen zu wid- men. Zu Beginn des ersten Themenblockes „Netze &c Vernetzungen“ berichtete Peter Jäger über ein interdisziplinäres Projekt, in dem zum ersten Mal 3D-Modelle von Spinnennetzen entwickelt und im Maßstab von 17:1 rekonstruiert wurden. Danach gab Christoph Hörweg einen Überblick zu neuen Entwicklungen und Ausbaumöglichkeiten des sehr erfolgreichen AraGes-Projektes „Europäische Spinne des Jahres“. Ambros Hänggi erläuterte die wichtigsten Neuerungen des Internetauftritts „Spinnen Europas“. Diese Gemeinschaftsleistung der vielen beteiligten Arachnologlnnen stellt mit mehr als 17.000 Ab- bildungen schon jetzt einen der größten Internet- Bestimmungsschlüssel überhaupt dar. Während des folgenden Tagungsabschnitts zur „Phylogenie 8c Systematik“ zeigten Holger Frick, Steffen Bayer und Jörg Wunderlich in ihren Vorträgen, dass unterschied- lichste Herangehensweisen dazu genutzt werden, die noch offenen Fragen der Spinnentaxonomie zu klären. So wurden neueste morphologische Erkenntnisse zur Savignia-Gnippe (Linyphiidae) sowie zur tropischen Familie Psechridae präsentiert und abschließend ta- Lustige Gespräche in uriger Atmosphäre 54 Arachnologische Mitteilungen 39 (2010) Diversa ObeniVollversammlung in der neuen Nasssammlung, unten:Zwei Christophs und die Spinne des Jahres xonomische Merkmale der europäi- schen Ariadna- Arten (Segestriidae) zur Diskussion gestellt. Die ausreichend vorhandenen Pausen zwischen den Themenblök- ken wurden wie immer gerne für anregende Gespräche bei belegten Brötchen, Kaffee und Kuchen ge- nutzt. Interessante Alternative dazu war das Studium der ausgestellten Poster über arachnologische Un- tersuchungen zum Einfluss des Mikroklimas auf die (lokale) Spin- nenfauna, faunistische Studien in Apfelplantagen und Wäldern Ama- zoniens und einiges mehr. Wer sich die Beine vertreten wollte, konnte kostenlos das neu gestaltete Natur- kundemuseum erkunden. Zusätz- lich bot das Museum Führungen in die modernisierte „Nasssammlung“ an. Kaum ein Teilnehmer verpasste die Chance, sich einen kleinen Teil der insgesamt 82.000 Liter umfas- senden Gläser anzusehen. Gut gestärkt durch „Berliner Spezialitäten“ wie Currywurst und anderes widmete man sich der „Evo- lution, Genetik & Naturschutz“ von Spinnentieren. Der „Hausherr“ Jason Dunlop startete mit einem Vortrag über die innovative Me- thode der Röntgentomographie von Weberknechtfossilen aus dem Karbon, die zur Entwicklung von Computermodel- len genutzt wurde. Diese „virtuellen Weberknechte“ bieten die Möglichkeit, viele anatomische Fragen zur Entwicklung der Gruppe und ihrer morphologischen Kennzeichen zu klären. Jessica Krüger erläuterte die Kontroverse zur evolutionären Stellung der für Mitteleuropäer exotisch anmutenden Geißelspinnen, die noch nicht abschließend geklärt ist. Anschließend berichtete Henrik Krehenwinkel über erste Ergebnis- se seiner Untersuchung zur Populationsgenetik von invasiven Tierarten, die anhand der Wespenspinne Argiope bruennichi erforscht werden soll. Die „stief- mütterliche Behandlung von Spinne, Weberknecht 8c Co.“ wurde von Christian Komposch in seinem Vortrag zum gesetzlichen Schutz von Spinnentieren in Österreich thematisiert. Er zeigte, dass diese arten- schutzrechtlichen Defizite in der mangelnden Präsenz von Arachnologen und dem Fehlen der öffentlich wirksamen Roten Listen zu suchen sind. Er plädiert für eine Stärkung des gesetzlichen Schutzes von Spin- nentieren, um zukünftig verstärkt arachnologische Erfassungen in Umweltplanungen zu etablieren. Dies hätte auch positive Effekte für die Arachnologie im Allgemeinen. Zum Ende des zweiten Tages stand die 5. Mitgliederversammlung der AraGes an, die einige personelle Neuerungen mit sich brachte. Peter Jäger führte die Anwesenden erprobt und souverän durch die 13 Punkte der Tagesordnung. Nach neun Jahren Engagement im Vorstand der AraGes, davon die ver- gangenen sechs als Vorsitzender, scheidet Peter Jäger aus seinem Amt. Er möchte mit der Entscheidung unter anderem „neuen Wind“ in die Vorstandsarbeit bringen. Als „neuer Wind“ wurden dementsprechend Diversa Arachnologische Mitteilungen 39 (2010) 55 ein neuer Vorstand aus Christoph Muster (neuer 1. Vorsitzender), Ambros Hänggi und Holger Frick gewählt. Ebenfalls nicht zur Wiederwahl stand Dirk Kunz, der sein vorbildlich geführtes Amt an den neu gewählten Kassenwart Peter Michalik übergibt. Mit der neu eingeführten Position des „Mitgliederverwal- ters“ wird Sascha Buchholz ihn zukünftig unterstüt- zen. Festliche Momente gab es zu späterer Stunde der Versammlung: Aus Anlass des 80. Geburtstages von Prof. Dr. Otto Kraus, der die Arachnologie seit Jahr- zehnten durch sein Wirken gefördert hat, verlieh ihm (in Abwesenheit) die Arachnologische Gesellschaft die Ehrenmitgliedschaft. Peter Jäger erhielt für seine Arbeit der vergangenen Jahre eine besondere Aus- zeichnung: Im Auftrag von Barbara Thaler- Knoflach wurde ihm von Christian Kropf als Anerkennung und Dank die Lupe von Hermann Wiehle überreicht, die sich zuletzt im Nachlass Konrad Thalers befand. Die- sen „Wanderpokal der Arachnologie“ - wie Peter Jäger die Lupe würdevoll nannte - nahm er dankend und gerührt an. Im Rahmen der 5. Versammlung wurden zwei Preisträger der zweiten Ausschreibungsrunde des „Konrad-Thaler-Gedächtnispreises“ gekürt. In diesem Jahr konnten Steffen Bayer und Axel Schön- hofer die Auszeichnung für ihre herausragenden Arbeiten entgegennehmen. Steffen Bayer referierte daraufhin über seine ausgezeichnete Diplomarbeit über laotische Höhlenspinnen. Axel Schönhofer, der aufgrund eines Forschungsaufenthaltes in Nord- amerika nicht anwesend war, stellte einen Vortrag mit synchronisierten Audiokommentar über seine Doktorarbeit zur Phylogenie von Brettkankern zur Verfügung. Nach diesen Präsentationen waren sich die Anwesenden einig, würdige Preisträger gehört zu haben. Theo Blick berichtete für Schriftleitung und Redaktion über die Entwicklungen bei den Arach- nologischen Mitteilungen (AraMit) seit der letzten Mitgliederversammlung. Notwendige Anpassungen der Satzung der AraGes an veränderte Gegebenheiten wurden einstimmig angenommen. Der Samstag Abend klang bei einem gemein- samen Abendessen im nahe gelegenen Restaurant „Porta Nova“ aus. Bei gutem Essen und zahlreichen Getränken konnten all die Gespräche zu Ende ge- führt werden, die tagsüber nicht vollendet worden waren. Auch an diesem Abend zeigte sich, dass Arachnologen auch beim gemütlichen Teil einer Tagung bemerkenswerte Ausdauer besitzen. Einige Tagungsteilnehmer zog es danach noch hinaus, die Hauptstadt bei Nacht kennen zu lernen. Ob die Alte Bekannte treffen sich wieder; Fotos: Benjamin Nitsche Nachtschwärmer am nächsten Morgen pünktlich im Museum anwesend waren, ist unbekannt. Der dritte und letzte Tag stand ganz im Zeichen ökologischer und faunistischer Fragestellungen. Ralph Platen zeigte neue Studien zur tageszeitli- chen Aktivität von Spinnen in Agrarbiotopen und sprach dann im Namen von Jessika Konrad über den Einfluss der Vegetationsstruktur verschiedener Anbaukulturen auf Spinnenzönosen. Christa Volkmar berichtete von neuen Erkenntnissen des Einsatzes einer Luft- Saugfalle, die das Auftreten von Spinnen als „Luftplankton“ erfasst. Ludger Scheuermann und Stefan Otto entführten die gespannten Zuhörer in die Küstenregenwälder Brasiliens und nach Georgien, in die Hochgebirgslandschaft des Kaukasus, wo neue ökologische und faunistische Spinnendaten erfasst wurden. Mit anspruchsvollen und ansprechenden Vorträgen zeigten Christoph Muster und Sascha Buchholz, dass Spinnen zur naturschutzfachlichen Bewertung von bedrohten Biotopen genutzt werden können. Ihre anwendungsorientierten Untersuchun- gen zeigten, dass Torfmoos-Rekultivierungsflächen Lebensräume für Hochmoorspinnen bieten können und welche Spinnenarten als Indikatororganismen in Sandlebensräumen genutzt werden können. Den letzten Vortrag des abwechslungsreichen Tagungs- 56 Arachnologische Mitteilungen 39 (2010) Diversa Wochenendes hielt Theo Blick. Er gab einen aktuellen Überblick über die umfangreichen Bodenfallenfänge in hessischen Naturwaldreservaten. Die Daten zeigen deutlich, dass in mitteleuropäischen Buchenwäldern weit mehr Spinnenarten leben, als bisher bekannt war. Am Ende der Veranstaltung am Sonntag Nach- mittag waren sich die Teilnehmer einig: Die Tagung am Berliner Naturkundemuseum war ein großer Erfolg und die oft lange Anreise wert. Durch die große Bandbreite der Vorträge und die zahlreichen Gespräche konnten sich alle Teilnehmer ihr „persön- liches Highlight“ und viel Motivation für die weitere arachnologische Arbeit mit nach Haus nehmen. Dem Organisationsteam sei an dieser Stelle noch einmal herzlich für ihre tolle Arbeit gedankt. Auf Wieder- sehen beim kommenden Treffen im Jahr 2013 in Karlsruhe! Volker Hartmann Arachnologische Alexander Sührig: Cryptachaea blattea , a further spider species introduced into Germany (Araneae: Theridiidae) 1-4 Julia Käser, Valentin Amrhein &, Ambros Hänggi: Spiders (Arachnida, Araneae) in winter - differences in the appearance of species in small scale spaces as a response to daily temperature fluctuations 5-21 Johan Van Keer & Robert Bosmans: Description of the male of Steatoda ephippiata (Araneae: Theridiidae) 22-24 Stefan Otto & Andreas Floren: The canopy spiders (Araneae) of the floodplain forest in Leipzig 25-38 Guido Gabriel: Nesticodes rufipes - first record of a pantropical spider in Germany, Saxony (Araneae: Theridiidae) 39-41 Book Reviews 42-49 Diversa 50-56 ISSN 1018-4171 www.AraGes.de Arachnologische SMITHSONIAN LIBRARIES 111 ill 111 111 3 901 38 C 18 11 9< 365 Heft 39 Nürnberg, Oktober 2010 Inhalt Alexander Sührig: Cryptachaea blattea, eine weitere nach Deutschland eingeschleppte Spinnenart (Araneae: Theridiidae) 1-4 Julia Käser, Valentin Amrhein & Ambros Hänggi: Spinnen (Arachnida, Araneae) im Winter - kleinräumige Unterschiede als Folge tageszeitlicher Temperaturschwankungen 5-21 Johan Van Keer &. Robert Bosmans: Description of the male of Steatoda ephippiata (Araneae: Theridiidae) 22-24 Stefan Otto & Andreas Floren: Die Baumkronenspinnen (Araneae) des Leipziger Auwaldes . . . 25-38 Guido Gabriel: Nesticodes rufipes - Erstnachweis einer pantropischen Kugelspinne in Deutschland (Araneae: Theridiidae) 39-41 Buchbesprechungen 42-49 Diversa 50-56 ISSN 1018-4171 www.AraGes.de