BT = B N > er mer - “,, r Archiv für Biontologie. Herausgegeben von der (resellschaft naturforschender Freunde zu Berlin. Zweiter Band. 1908—1909. Mit 31 Tafeln. Berlin. In Kommission bei R. Friedländer & Sohn. 1909. Inhaltsverzeichnis. Erstes Heft. Der Obersee bei Reval. Von Guido Schneider. Seite 1—192, Tafel I—X. Zweites Heft. Die Eryoniden des oberen Weißen Jura von Süddeutschland. Von Walther von Knebel +. Seite 193—234, Tafel XI—XV. Untersuchungen über die Augen pentamerer Käfer. Von Otto Kirchhoffer. Seite 235--290, Tafel XVI—XXI. Neue Beiträge zur Kenntnis der Histologie und Entwicklung von Sycon raphanus. Von Ernst Hammer. Seite 291—3354, Tafel XXIII—XXVII. Über Isopoden: 15. Aufsatz. Von Dr. Karl W. Verhoeff. Seite 335—387, ‚Tafel XXIX—XXXI. Die Entstehung und das Verhalten neuer Getreidevarietäten. Von Friedrich Körnicke T. Seite 389 —457. ur IE TE a “ Day‘) Pa r ü 4, ‘ A ( [2 _ Archiv für Biontologie. Herausgegeben von der (sesellschaft naturforschender Freunde zu berlin. Von Guido Schneider. Berlin. In Kommission bei R. Friedländer & Sohn. | } 1908. Il. Band, 1. Heft. Der Obersee bei Reval. Mit 10 Tafeln und 6 Figuren im Text. u_- ERDE Archiv für Biontologie. Gesellschaft naturforschender Freunde zu Berlin. Il. Band, 1. Heft. Der Obersee bei Reval. Von Guido Schneider. Mit 10 Tafeln und 6 Figuren im Text. Berlin. In Kommission bei R. Friedländer & Sohn. 1908. Der Obersee bei Reval. Von Guido Schneider unter Mitwirkung von K. M. Levander, Ebba v. Husen, H. v. Winkler und anderen Mitarbeitern. Hierzu Tafel 1—10 und 6 Figuren im Text. Berlin. In Kommission bei R. Friedländer & Sohn. 1908. ’ NR IRA NND NUN y R Kir N, if, 5 RE 1er ee 25 ( j L 4 Bun Key, Einleitung. Südlich von der Stadt Reval in einer Entfernung von etwa zwei Kilometern von der Südspitze der Revaler Bucht des Finnischen Meerbusens liest der 922 ha große Obersee in einer Höhe von etwa 37 m über dem Meeresspiegel. Seinen Namen trägt dieser See wegen seiner Lage über dem Niveau der Stadt Reval, die er schon im Mittelalter mit Wasser versorgte. Als Oberen oder Jerweküllschen ') See finden wir ihn schon in Balthasar Rüssouw’s Chronik bezeichnet in einer Schilderung der Belagerung der Stadt Reval durch die Russen im Jahre 1577. Rüssouw berichtet?) auch schon von einem „Waterhuse in den Sandtbergen“ am See, das offenbar den Anfang eines offenen Wasserleitungsgrabens bezeichnete, denn der Feind hatte im Lauf der erwähnten Belagerung „vth dem Waterhuse, dar dat Water in de Stadt lopen moth, eine Rackerye gemaket, vp datlı de Reuelschen niehts reines van Water in de Stadt krygen scholden“ ?). Eine ähnliche Geschichte‘) wird uns aus dem Jahre 1710 berichtet, wo während der Belagerung Revals durch Peter den Großen „der russische Oberst Sotow gleich zu Anfang der Belagerung den Kanal, der die Stadt aus dem Obern See mit Wasser versorgt“, zerstörte und dadurch einen Notstand hervorrief, der die Stadt um so empfindlicher schädigte, als zugleich auch die Pest ausbrach. Daraus ersehen wir, daß der Obersee, welcher heute noch wegen seiner Größe, der guten Qualität seines Wassers und infolge seiner günstigen Lage sowohl über dem Meeresspiegel, als auch über dem Niveau des größten Teils der Stadt Reval eine sehr große Rolle in der Versorgung der Stadt mit Trinkwasser spielt, schon in alter Zeit den Bewohnern Revals fast unentbehrlich war. Aber ungeachtet der großen praktischen Bedeutung, die der Obersee besitzt, und vieler geographisch, geologisch und biologisch interessanter Fragen, die an ihn sich knüpfen lassen, sowie der großen Gefahren, die sein Durchbruch für die Stadt im Gefolge haben kann, hat man erst im Jahre 1898 begonnen, diesen See wissenschaftlich und genau zu erforschen. Die Veranlassung zu den vom Revaler Stadtamt angeordneten wissen- schaftlichen Untersuchungen bildete ein massenhaftes Auftreten von Wasserblüte im Jahre 1896. Das Wasser im Rohrsystem der neuen seit dem Jahre 1867 !) Genannt nach dem Dorf Jerwekülla, südöstlich vom See. N ?) Balthasar Rüssouw, Chronica der Provintz Lyffland. Rostock MDLXXIII. p. 177—1S0. °®) D. h. „aus dem Wasserhause, von wo das Wasser in die Stadt laufen muß, eine Schinderei gemacht, auf daß die Revalschen nichts reines an Wasser erhalten sollten.“ *) Eduard Pabst, Der revalsche Trinkwasserkanal und die Säule beim Obern See. Illu- strierter Revalscher Almanach für 1856. p. 40. 1* 4 Einleitung. bestehenden Wasserleitung wurde durch die eingedrungenen kleinen Algen stark verunreinigt, und zur Feststellung der Ursachen dieser Verunreinigung erhielt der durch seine geologischen Arbeiten rühmlichst bekannte Ingenieur August v. Mick- witz vom Stadtamt den Auftrag, den Obersee zu untersuchen und über die Resul- tate seiner Untersuchung einen Bericht!) einzureichen. Aus diesem sehr interessanten, mit Karte und Tabellen ausgestatteten „Bericht über die Untersuchung des Ober- sees“, der eine wertvolle Grundlage für alle weiteren Forschungen über diesen See abgibt, werden wir im folgenden vieles über die Lage, die Dimensionen, die Entstehung und die Zusammensetzung des Bodens des Obersees referieren müssen. Bald nach der außerordentlich viel neues Material zur Kenntnis des Ober- sees und Anregung zur weiteren Erforschung desselben bietenden Arbeiten von Mickwitz erschien ein kleiner Aufsatz des Stadtingenieurs K. Jacoby?), in welchem die von Mickwitz vorgeschlagenen Maßnahmen zur Verminderung der Verunreinigungen und zur Entfernung des Schlammes kritisiert werden. Da K. Jacoby’s Schrift in wissenschaftlicher Hinsicht nichts neues bietet, wird sie uns im folgenden nur wenig zu beschäftigen haben. Die Stellungnahme des Autors zu den seiner Meinung nach unerfüllbaren Wünschen und Plänen von Mickwitz hinsichtlich der Bewirtschaftung des Obersees will ich schon hier in wenigen Worten kurz berühren. Mickwitz’ Vorschläge zur Verbesserung des Wassers im Öbersee, die im wesentlichen auf rationellere Regulierung des Wasserstandes zur Vermeidung von Überschwemmungen des Ufergeländes und auf Entfernung eines großen Teils der kolossalen Schlammasse abzielen, werden als untunlich und kostspielig abgelehnt. Seinerseits rät Jacoby der Stadtverwaltung, das Wasser aus dem Öbersee zu filtrieren und sich nach neuen Quellen umzusehen. Die Verwaltung der Stadt Reval befand sich nunmehr in der unbequemen Lage, zwischen den Vorschlägen der beiden Ingenieure, von denen der eine zur Beibehaltung des Obersees als Trinkwasser- bassin und Reinigung und Vertiefung desselben, der andere zur Preisgabe des Sees und Aufsuchung anderer Wasseradern rät, wählen zu müssen. In diesem Dilemma betrat auf Antrag des Ratsherrn Eugen Erbe das Revaler Stadtamt den einzig richtigen Weg zur Lösung der schwierigen Frage, indem es den Beschluß faßte, den Obersee einer möglichst vielseitigen wissenschaftlichen Untersuchung zu unter- werfen. Infolge dieses Beschlusses erhielt ich im Frühjahr des Jahres 1904 vom Revaler Stadtamt den Auftrag, den Obersee zu untersuchen und einen Bericht ein- zureichen über die Resultate meiner Beobachtungen, gleichzeitig aber auch ein Projekt einer regelrechten Bewirtschaftung des Sees sowohl hinsichtlich der Be- setzung mit geeigneten Fischarten, als auch hinsichtlich des Modus der Exploitation der Fischerei auszuarbeiten. Leider hatte ich nur sehr wenig Zeit, die notwendigsten Apparate, Reagenzien, Bücher u. s. w. zusammenzubringen und dabei noch ein möglichst geeignetes Labo- ratorium so nahe als möglich am Ufer des Sees zu mieten, weil ich den Auftrag '!) A. v. Mickwitz, Bericht über die Untersuchung des Obersees, ausgeführt im Jahre 1898 im Auftrage der Revaler Gas- und Wasserkommission (russisch). Reval 1899. 2) K. Jacoby, Über die Resultate der Untersuchung des Obersees nach dem Berichte des Ingenieurs Mickwitz und über Maßnahmen zur Verbesserung der Wasserzufuhr der Stadt Reval (russisch). Reval, Lindfor's Erben, 1899. Einleitung. 5 ganz unerwartet in den ersten Tagen des April erhielt und spätestens in den letzten Tagen desselben Monats schon mit meiner Laboratoriumseinrichtung fertig sein mußte, um sogleich nach dem Eisgang mit den Beobachtungen beginnen zu können. Eine als temporäres Laboratorium ganz gut anwendbare kleine Wohnung fand ich zwar ziemlich bald am Ostufer des Sees im Garten des Landgutes Moik. Zeitraubender war die Beschaffung von Literatur, die zum Teil aus Berlin verschrieben wurde, von Reagenzien und Glaswaren, die durch Vermittelung der Apotheke von R. Leh- bert aus St. Petersburg beschafft wurden, und der Fischernetze, die zwar im all- gemeinen nach meinen Angaben, jedoch in Details mit solchen Abweichungen von meinen Wünschen von einem Revaler Händler angefertigt wurden, daß deren Um- arbeitung sehr viel Zeit nahm. Drei Barschnetze, jedes 20 Faden lang, eine große Reuse mit etwa 20 Faden Spannweite der beiden seitlich von der Mündung ange- brachten Flügel und eine kleine Reuse zum Gebrauch im Schilf am Ufer wurden gleich zu Anfang bestellt und zugleich das Material für eine Langleine mit 200 Haken angeschafft. Später im Lauf des Sommers wurde die große Reuse durch Ver- längerung der Flügel und Entfernung einer von den beiden Kehlen zu einem 40 Faden langen Zugnetz umgemacht, ferner wurden eine kleine Doppelreuse und ein Setzkorb aus Weidenruten gemietet und weitere drei Netze zum Fang von Brachsen und Hechten von einem Fischer erstanden. Ein gutes und noch fast neues qualitatives Planktonnetz (Seidengaze Nr. 20) von 19 cm Durchmesser, welches die Stadtverwaltung zu Mickwitz’ Untersuchungen angeschafft hatte, stand zu meiner Verfügung, und außerdem verfügte ich über ein eigenes größeres Planktonnetz mit Seidengaze Nr. 9. Nachdem mir noch Herr Ingenieur Mickwitz seine kleine Triangeldredge geliehen hatte, fehlte mir nur noch ein Boot, um mit dem Ein- sammeln von Plankton und Schlammproben beginnen zu können. Auf dem Obersee verkehren zwar genug Boote, da die Bauern der Umgegend eine lebhafte Raub- fischerei betreiben und zu diesem Zweck eine kleine Flottille selbstgefertigter, kiel- loser Boote in der Mündung des Cournalflusses verborgen halten, mit denen sie nächtliche Streifzüge längs den Ufern unternehmen. Ich mußte jedoch auf die Anwendung dieser primitiven Fahrzeuge schon deshalb verzichten, weil ich nicht gern mit ihren Besitzern irgendwelche Beziehungen anknüpfen mochte. Außerdem werden die übrigens sehr schlecht gebauten Boote nicht mit Rudern, sondern durch Schieben mittels einer langen Stange längs den Ufern fortbewegt, eignen sich also schlecht für Exkursionen bei Wind und Wellenschlag mitten auf dem See. Auch größere und kleinere Segelboote von Privatpersonen, die die Erlaubnis hatten, auf dem See umherzugondeln, waren ungeeignet für meine Zwecke, und deshalb kaufte ich vom Hofrat Borck ein starkes, geräumiges Kielboot von tadelloser Konstruktion mit zwei Paar Rudern, das auf einem Wagen von dem Meeresufer bis hinauf nach dem Obersee transportiert werden mußte. Ein paar alte Thermometer lieferte mir das Gas- und Wasserwerk, und ein neues Tiefenthermometer, ein sogenanntes träges Thermometer in dieker Hartgummi- hülse verschrieb ich von Dr. R. Küchler aus Ilmenau in Thüringen. Dasselbe war von der Großherzogl. Sächs. Prüfungsanstalt für Glasinstrumente geprüft, und ich benutzte es, außer direkt zum Messen der Wassertemperaturen, auch noch zur Korrigierung der anderen von mir gebrauchten Thermometer. / 6 Einleitung. Alle diese Vorbereitungen erforderten in Reval so viel Zeit und Umstände, daß ich erst am 29. April in Moik eintreffen konnte, um mein Laboratorium auf- zustellen. Das Boot wurde einige Tage später hingebracht, so daß die erste ordent- liche Exkursion erst am 5. Mai stattfinden konnte. Es wäre zwar sehr wichtig gewesen, die Beobachtungen schon vor dem Eisgang zu beginnen, doch gelang es mir nicht, die nötigen Ausrüstungsgegenstände einige Tage früher zu erhalten. Am 27. April, also zwei Tage vor meiner Ankunft, war das letzte Eis auf dem See gesehen worden. Ich fand kein Eis mehr vor, und die Laichzeit der Hechte war schon zum Teil vorüber, als meine Untersuchungen begannen. Am liebsten hätte ich nun meine ganze Zeit auf das Sammeln verwendet, aber da es mir darauf ankommen mußte, so bald als möglich ein klares Bild über die physikalischen und biologischen Verhältnisse im Obersee zu gewinnen, um schon am Ende des Sommers 1904 der Stadtverwaltung meine Stellung zu den schwebenden Fragen auseinandersetzen zu können, war ich genötigt, einen großen Teil meiner Zeit der vorläufigen Bearbeitung solchen Materials zu opfern, das sonst ebenso gut erst im nächsten Winter hätte in Angriff genommen werden können. Die Resultate dieser vorläufigen Untersuchungen publizierte ich in einem kleinen Aufsatz unter dem Titel: „Ein Vorschlag zur Reorganisation der Bewirtschaftung des Obersees bei Reval“. Die Publikation enthält die ein wenig verkürzte deutsche Übersetzung meines mit Photographien und Plänen ausgestatteten und in russischer Sprache abgefaßten offiziellen Berichtes, den ich am 6. September 1904 in einer zu diesem Zweck angesagten Sitzung dem Stadtamt vorlegte. Mein „Vorschlag zur Reorganisation der Bewirtschaftung des Obersees“ lehnt sich eng an Mickwitz’ Propositionen an, und ich plaidiere, ebenso wie Mick witz, für Beibehaltung des Obersees als „Hauptquelle für die Versorgung der Stadt Reval mit Trinkwasser“ namentlich im Hinblick darauf, daß es meiner Ansicht nach sicherer ist, durch geeignete Bewirtschaftung dieses ergiebige und schöne Wasserreservoir rein und ergiebig zu erhalten, als sich auf das ungewisse Resultat der Erschließung unterirdischer Wasseradern durch Bohrung!) zu verlassen und die Pflege des Sees darüber zu vernachlässigen). Auch ich komme zu dem Re- sultat, daß es nötig ist, den Wasserstand im See so zu regulieren, daß keine Über- schwemmungen eintreten können, durch welche nicht nur Exkremente und Parasiten- keime (z. B. von Bothriocephalus latus) dem See zugeführt werden, sondern auch die Abrasion der Ufer und dadurch die Schlammbildung in hohem Grade gefördert wird. Ferner bin ich mit Miekwitz der Ansicht, daß es nicht nur möglich, son- dern auch notwendig ist, einen Teil des Schlammes aus dem See durch Baggern zu entfernen, damit der See wenigstens stellenweis tiefer und seine Durchschnitts- temperatur dadurch ein wenig herabgesetzt wird. Man muß den See, der sich im Beginn des Greisenalters befindet und „mit raschen Schritten seiner Umwandlung aus einem See in einen Sumpf“ entgegengeht, verjüngen. Die großen Schilfwiesen der Uferzone müssen jährlich abgeerntet werden, da die absterbenden Gräser viel '‘) Die im Jahre 1905 betriebenen Probebohrungen haben, wie ich erfahre, in der Tat wenig ermutigende Resultate gegeben. & ?) Hinsichtlich der Möglichkeit einer Verwendung des bisher noch nutzlos abfließenden Über- schusses an Wasser aus dem Obersee zu industriellen Zwecken vergl. A. v. Mickwitz’ oben zitierten „Bericht über die Untersuchung des Obersees im Jahre 1898“, p. 12 und 13. Einleitung. 7 zur Schlammbildung beitragen. Zum Schluß gebe ich Ratschläge bezüglich der Reorganisation des Fischereibetriebes auf dem Obersee, der durch die augenblicklich noch herrschende Raubwirtschaft völlig ruiniert ist und doch bei einiger Pflege wegen des großen Reichtums an Plankton und anderer Fischnahrung eine Quelle von Einkünften für die Stadt sein könnte. Es dürfte im Interesse der Stadt und des ganzen Landes legen, hier am Ufer des Obersees eine Zentralanstalt für Fischerei und Fischzucht zu errichten etwa nach dem Muster der biologischen Station am Müggelsee bei Berlin mit den lokalen Verhältnissen entsprechenden Ab- änderungen. Bereits auf der erwähnten Sitzung des Stadtamtes und später in der Revalschen Zeitung ward mein Bericht einer heftigen Kritik unterworfen, in der mir namentlich von Ingenieur W. Trompeter, damals Direktor des Gas- und Wasserwerks der Stadt Reval, vorgehalten wurde, die Ausbaggerung des Obersees sei nicht möglich wegen des zu hohen Kostenaufwandes für derartige Arbeiten. Ich wandte mich in dieser Sache an den Landeskulturingenieur Herrn Johansen in Reval mit der Bitte, zusammen mit mir das Gelände am westlichen Ufer des Obersees daraufhin zu untersuchen, ob es nicht möglich wäre, den mittels Saugbaggers gehobenen Schlamm durch einen Kanal oder eine Rohrleitung auf ein niedriger gelegenes, unbebautes, sandiges und sumpfiges Terrain zu leiten, das der Stadt gehört und dessen Wert durch die Düngung mit dem ausgehobenen Schlamm so steigen würde, daß dadurch ein Teil der Baggerkosten gedeckt werden könnte. Das Resultat ‚unserer Nachforschungen war ein durchaus positives, da wir feststellen konnten, ‘daß in dem tiefen Flugsand, der das westliche Ufer zum größten Teil bildet, die Anlage eines gradlinigen temporären Kanals von etwa 2 km Länge und genügend starkem Gefälle bis zum erwähnten Sandfelde keinerlei Schwierigkeiten technischer Art bietet‘). Einen anderen Einwand, daß der beim Baggern aufgewühlte Schlamm das Wasser des Sees verunreinigen und in die Wasserleitung eindringen würde, konnte ich leicht beseitigen durch den Hinweis auf die große Entfernung derjenigen Stellen, wo vorzugsweise gebaggert werden müsse, vom Anfang der Stadtwasser- leitung und durch die Bemerkung, daß jeder einigermaßen starke Wind weit mehr das Wasser des Obersees trübt, als es eine Baggermaschine beliebiger Konstruktion vermag. Bevor ich mit der genaueren Beschreibung des Obersees und der Wiedergabe der rein wissenschaftlichen Resultate meiner Untersuchungen beginne, will ich in dieser Einleitung noch kurz den Arbeitsplan angeben, nach welchem ich die Unter- suchungen angestellt habe. Da die Zeit, welche ich ganz und gar dem Obersee widmen konnte, leider etwas kurz bemessen war, denn meine temporäre Beobach- tungsstation am Ostufer des Sees in Moik bestand nur vier Monate, vom 29. April bis zum 29. August 1904, mußte ich versuchen, jeden einigermaßen geeigneten, d. h. nicht stürmischen Tag, zu Exkursionen zu benutzen. Leider war jedoch in jenem Jahr der Sommer so ungeeignet wie nur irgend möglich wegen des anhaltend stürmischen Wetters, welches mich zwang, den Gedanken an regelmäßige, zu be- stimmten Stunden an voraus festgesetzten Tagen auszuführende Beobachtungen über 1) Vergl. Guido Schneider, Der Obersee bei Reval. Meddelanden af Geografiska Fören. i Finland. Bd. VII, 1905 p. 7. 8 Einleitung. die Temperatur und Durchsichtigkeit des Wassers und über die Zusammensetzung des Planktons aufzugeben und solche Beobachtungen nur in den meist sehr kurzen Zwischenpausen zwischen den oft dicht aufeinander folgenden Zyklonen vorzunehmen ohne Rücksicht auf die Tageszeit. Wenn trotzdem die meisten Beobachtungen in die Zeit zwischen 9 und 12 Uhr vormittags fielen, so ist das dem Umstand zuzu- schreiben, daß in den Vormittagsstunden der See meist ruhiger war als am Nach- mittag. Das Nähere über die Temperaturmessungen und über die Durchsichtigkeits- bestimmungen wird weiter unten in einem besonderen Kapitel über das Wasser er- wähnt werden. Zugleich mit den 'Temperaturmessungen wurden auch stets Beobachtungen über die Zusammensetzung und Menge des Plankton gemacht, in der Weise, daß an jedem Beobachtungspunkt, dessen Lage ich durch Kreuzpeilung jedesmal wieder- finden konnte, wenigstens zwei, meist aber drei Proben entnommen wurden. Von diesen Proben wurde regelmäßig eine vertikal gefischte konserviert und mit Nummer, Datum ete. versehen zur Kontrolle aufbewahrt. Eine zweite Vertikalprobe von demselben Ort wurde aber sogleich nach Beendigung der Exkursion untersucht und die ungefähre Zusammensetzung der Fauna und Flora annotiert. Zuweilen wurde noch eine dritte und vierte Planktonprobe horizontal an der Oberfläche oder nach Befestigung des Planktonnetzes an einer Stange aus einer bestimmten Tiefe ent- nommen. Mit einander vergleichbare Angaben über die Menge des Planktons zu verschiedenen Zeiten des Sommers und an verschiedenen Orten im See wurden durch Schätzung des Rohvolumens der bei Behandlung mit Alkohol in Glasröhren sich niederschlagenden Planktonmengen aus ungefähr gleichen Wasservolumina ohne Anwendung der Zentrifuge erhalten. Damit die frisch zu untersuchenden Plankton- proben nicht verdarben, durften die kombinierten Temperatur- und Planktonexkur- sionen nicht zu lange dauern, und deshalb konnten höchstens nur zwei bis drei Punkte an einem Vormittag besucht werden. Viel Zeit beanspruchte die Untersuchung der Uferzone, da es hier besonders darauf ankam, die Planzenwelt des Sees zu untersuchen, zu verschiedenen Zeiten des Sommers Pflanzen zu sammeln und ein möglichst umfassendes Herbarium an- zulegen. Die hierzu erforderlichen Fahrten ließen sich nicht mit anderen Zwecken kombinieren, da die zwischen den Pflanzen lebenden Protozoen und anderen Mikro- organismen lebendig beobachtet und deshalb möglichst rasch vom Fundort in das Laboratorium transportiert werden mußten. Sie wurden zugleich mit den im Schilf- diekicht sich verbergenden Fischjungen mittels eines kleinen Handnetzes gefischt und unmittelbar nach dem Einfangen untersucht. Die botanischen und plankto- logischen Untersuchungen der Uferregionen erforderten also stets gesonderte Ex- kursionen. War das Wetter, was sehr oft der Fall war, für Exkursionen im Boot ganz ungeeignet, so wurden botanische Exkursionen zu Fuß längs den Ufern unter- nommen, oder es wurden in Lee vor dem Winde die im Wasser liegenden Steine und Hölzer bezüglich der auf und unter ihnen lebenden Tiere und Pflanzen untersucht. Parallel mit allen diesen Untersuchungen und ganz unabhängig von ihnen betrieb ich Versuchsfischerei mit Reusen, Zug- und Setznetzen, wobei mir der Verwalter des Gutes Moik, Herr Mölder, hilfreichen Beistand leistete. Er hatte nämlich Einleitung. g früher einen großen Fischereibetrieb an der Westküste Estlands geleitet und erwies sich als ein geschiekter Fischer, der zugleich ein lebhaftes Interesse auch für die Methoden und Ziele der Versuchsfischerei an den Tag legen konnte. Von großem Nutzen war mir ferner die Liebenswürdigkeit und das klare Verständnis, welches Herr E. Raudith, der Arrendator des Gutes Moik, meinen Untersuchungen ent- gegenbrachte. Nicht nur begleitete er mich gern, wenn Zeit und Gesundheit es ihm erlaubten, auf meinen oben erwähnten hydrographischen Exkursionen, sondern seiner Initiative verdanke ich auch die Hilfe, welche mir bei Anwendung des Zugnetzes von seiten der Arbeiter des Gutes Moik zu teil wurde. Auf seine Anordnung ge- schah es, daß mir von Zeit zu Zeit 5 bis 4 Knechte zur Disposition gestellt wurden, von denen ich das große, 40 Faden lange Zugnetz an den verschiedensten Stellen des Ufers ziehen lassen konnte. Über die auf die Versuchsfischerei verwendete Arbeitszeit und über die dabei erreichten Resultate wurde natürlich genau Buch geführt. Rechne ich alle Arbeits- stunden zusammen, die laut Auszug aus meinem Fischereitagebuch für den Obersee vom 29. April bis zum 29. August 1904 auf Aussetzen, Nachsehen, Reinigen und Reparatur der Reusen und Setznetze und auf die Zugnetzfischerei entfallen, so er- halte ich die Summe von 27'/a Arbeitstagen, für welche ein Arbeitslohn im Be- trag von ungefähr 27 Rubeln zu zahlen gewesen wäre. Ich hatte jedoch mit der Gutswirtschaft die Abmachung getroffen, daß sie für geleistete Arbeit kein Geld, sondern ein entsprechendes Quantum Fisch erhalten sollte, und der Zufall wollte es, daß sich der Arbeitslohn fast genau durch den Wert der erbeuteten Fische decken ließ. Der Auszug ergibt folgende Fischereibilanz. Arbeitstage ER Anzahl der Fische R. K. Vom 29. April bis 29. August 27!/s Tag Für Extraarbeiten . Barsche — 574 Stück | — | — Plötzeen — 42 ,„ — | — Kaulbarse — 102 „ — | — Brachsen — 58 „ — — Hechte — 37 „ —_— | — Summa Rubel 27 | 85 || Fische — 1213 St., Rubel| 26 | 20 Der Ertrag war also sehr wenig lohnend, insofern als er kaum die Arbeit be- zahlt machte. Dieses ungünstige Resultat hat seinen Grund einerseits in der Me- thode jeder Versuchsfischerei, bei der es nicht darauf ankommt, mit dem geringsten Kostenaufwand die größtmögliche Menge Fisch zu erhalten, sondern nur darauf, aus den verschiedensten Teilen eines Gewässers möglichst alle Arten, die dort vor- kommen, zu konstatieren, andererseits aber auch in der Armut des Obersees an Fischen überhaupt, deren Bestand von Fischdieben stark dezimiert worden ist. In engem Zusammenhang mit der Versuchsfischerei sind meine Untersuchungen über den Darminhalt und die Parasiten aus einem Teil der von mir erbeuteten Fische anzuführen. Im Kapitel über die Fauna und besonders im Abschnitt über die Fische des Obersees werden diese Arbeiten genauer dargelegt werden. Hier sei nur erwähnt, daß 214 Exemplare von Fischen, nämlich 24 Hechte, 43 Brachsen, 10 Einleitung. 41 Plötzen, 30 Stichlinge (Gasterosteus pungitius), 25 Kaulbarse und 51 Barsche von mir nach denselben Methoden bezüglich des Darminhaltes und der Parasiten untersucht wurden, wie in einer früheren Arbeit") die Fische des Finnischen Meer- busens. ‚Jeder von den zu untersuchenden Fischen wurde zuerst gemessen, d. h. seine Totallänge von der Schnauzenspitze bis zum Schwanzende und die größte Höhe des Körpers festgestellt. Ferner wurden das Geschlecht und der Reifezustand der Geschlechtsorgane notiert und schließlich der Magen- und Darminhalt mikro- skopisch analysiert und die Parasiten auf der Haut, im Darm und in der Leibes- höhle nach Arten und Individuen bestimmt und gezählt. Es gab also für die vier Monate genug Arbeit, und ich mußte, um allen meinen Aufgaben einigermaßen gerecht zu werden, oft den Tag um 4 Uhr morgens beginnen. Kein Wunder ist es, zieht man hierbei noch die Größe des zu unter- suchenden Gewässers (922 ha) in Betracht, wenn die Forschungen in manchen Richtungen nicht den von mir gewünschten und angestrebten Umfang erreichten. Um nachträglich noch einige Lücken auszufüllen, die sich bei Bearbeitung des Tier- und Pflanzenmaterials fühlbar machten, unternahm ich im Mai und September 1905 vereinzelte Exkursionen an den Obersee. Namentlich lehrreich waren die Septemberexkursionen 1905, weil in diesem Monat das Niveau des Sees viel tiefer gesunken war, als im Jahre vorher zu derselben Zeit. Ich konnte auch bei dieser Gelegenheit einige Quellen am Ostufer südwestlich vom Garten des Gutes Moik beobachten, die ich vorher infolge des hohen Wasserstandes nicht gut hatte auf- finden können. Nachdem ich am 6. September 1904 dem Revaler Stadtamt meinen vorläufigen Bericht eingereicht und darauf meinen „Vorschlag zur Reorganisation der Bewirt- schaftung des Obersees“ publiziert hatte, unternahm ich noch am 30. September zusammen mit dem Landeskulturingenieur, Herrn Johansen, die bereits erwähnte Exkursion an das Westufer des Sees, um daselbst über die Ausführbarkeit der von mir vorgeschlagenen Baggerarbeiten und der Befestigung des stark unter der Abrasion durch Hochwasser leidenden Torfufers im Südwesten des Sees mit Herrn Johansen zu konferieren, und begab mich wenige Tage später mit meinen am ÖObersee gesammelten Proben und Notizen nach Helsingfors, wo mir die Hilfe mehrerer Kollegen bei Bearbeitung meiner verschiedenartigen Sammlungen zuge- sichert war. Von meinen Sammlungen habe ich selbst bearbeitet die Fische, Anneliden, Acanthocephalen, Cestoden, 'Trematoden, Nematoden und die Hauptmasse der In- fusorien. An der Bearbeitung der übrigen Gruppen des 'Tier- und Pflanzenreiches beteiligten sich: Mag. phil. J. E. Aro in Helsingfors — Ephemerida und Perlida Professor Fr. Elfving in Helsingfors — Oyanophyceae und Diatomaceae Mag. phil. Pehr Gadd in Helsingfors — parasitische Copepoden. Dr. phil. K. E. Hirn in Jyväskylä — Algen Mag. phil. T. H. Järvi in Helsingfors — Araneae Herr E. Lemmermann in Bremen — Planktonalgen ') Guido Schneider, Ichthyologische Beiträge. Acta Soc. pro Fauna et Flora Fennica. Bd. 20 Nr. 1, Bd. 22 Nr. 2, Bd. 22 Nr. 4. Einleitung. 11 Dr. phil. K. M. Levander in Helsingfors — Plankton und Rhizopoda Professor CE. Lundström in Helsingfors — Diptera Dr. phil. Al. Luther in Helsingsfors — Turbellaria und Mollusca Cand. zool. Max von zur Mühlen in Dorpat — Phanerogamen. Dr. phil. Erik N. Nordenskiöld in Helsingfors — Hydrachnida Dr. phil. B. Poppius in Helsingfors — (oleoptera Professor ©. M. Reuter in Helsingfors — Hemiptera Stud. phil. K. Siitoin in Helsingfors — Planktonalgen Dr. phil. A. J. Silfvenius in Helsingfors — Trichoptera Dr. phil. K. E. Stenroos in Helsingsfors — Ostracoda. Außer den genannten Herren haben sich noch um das Zustandekommen meiner Arbeit verdient gemacht: ApothekerR. Lehbert inReval, der mir eine große Anzahl von Mikrophotographien zur Verfügung stellte, die er zu verschiedenen Jahreszeiten von den im Wasser der Revaler Wasserleitung vorkommenden Organismen angefertigt hat, die Herren Oscar Koch und Wallace Russow in Reval, die mir bereit- willigst ihre Notizen über die Vogelwelt des Sees und seiner Umgebung übergaben, und Fräulein Ebba von Husen und Herr Henry v. Winkler, die die Bearbeitung des Kapitels über die Bakterien im Wasserleitungswasser übernahmen. Allen, die in der einen oder anderen Weise meine Arbeiten an dieser Monographie des Ober- sees gefördert und unterstützt haben, namentlich auch den Herren August v. Mickwitz, Eugen Erbe und E. Raudith, spreche ich an dieser Stelle meinen wärmsten Dank aus. Ferner bin ich zu großem Dank verpflichtet den Chemikern, Herrn S. Stenius in Helsingfors und meinem Bruder Carl Schneider in Riga, von denen der erstere einige Schlammproben untersuchte und der letztere eine genaue Wasseranalyse und eine photographische Abbildung des Obersees anfertigte l. Lage, Entstehung und Dimensionen des Obersees. Die bereits in der Einleitung erwähnte Arbeit von A. v. Mickwitz gibt uns sehr wertvolle Aufschlüsse nicht nur über die Lage und die Dimensionen des Ober- sees, sondern auch über die geologische Beschaffenheit seiner Ufer und des Unter- srundes und im Zusammenhang hiermit über die wahrscheinliche Entstehungsweise des Sees. Der Obersee liegt auf einer Terrasse der untersilurischen Kalksteinschichten, die nach Westen hin abfallen und dort von Glazialschutt überlagert sind. Den höchsten Punkt dieser glazialen Ablagerungen bilden die sogenannten Blauen Berge, die sich etwa 59 m über den Meeresspiegel erheben. Während also im Osten das Ufer des Sees aus festem Kalkstein besteht, wird es im Westen nur von quartären, mehr oder weniger losen Sanddünen gebildet. Die Gestalt des Sees ist ungefähr birnförmig. Seine Längsachse liegt in der Richtung von Nordost nach Südwest und hat eine Länge von 4,5 km. Die breiteste Stelle befindet sich etwa 1,5 km nördlich vom südlichsten Punkt des Sees und mißt in der Richtung von Ost nach West 3,2 km. Inseln fehlen im Obersee, falls man nicht zwei große erratische Blöcke finnischen Ursprungs, die jedoch nur wenige Quadratmeter Oberfläche haben und nahe am Nordostufer im See liegen, als Inseln bezeichnen will. Auf dem von meinem Bruder, dem Ingenieurtechnologen Carl Schneider, hergestellten photographischen Bilde des nördlichen schmalen Teiles des Obersees (Tafel I) sind diese beiden nahe bei einander liegenden Steine bei sehr niedrigem Wasserstande des Sees sehr gut zu sehen. Der größere von beiden Steinen ist ein sog. Dreikanter. Im Hinter- grunde des Bildes sieht man rechts die Türme der Stadt Reval und links die hohen Sanddünen des Nordwestufers. Als Buchten kann man nur zwei breite, flache Aussackungen, die eine im Norden, die andere im Nordosten des Sees, bezeichnen. Sie bilden aber eigentlich beide zusammen eine einzige große Bucht, die durch die engste Stelle des ganzen Seebeckens, welche 1,6 km breit und 0,5 km von der Nordspitze des Sees entfernt ist, von der Hauptmasse des Obersees abgegrenzt gedacht werden kann. Diesen verschmälerten nördlichen Teil des Sees werde ich im folgenden als Nordbucht bezeichnen. An seinem nördlichsten spitzen Ende besitzt der See seinen Ausfluß, der auf künstlichem Wege in drei Zweige geteilt ist. Der nördlichste von diesen Zweigen ist ein in historischer Zeit angelegter Graben, der in der Richtung nach Norden 14 Guido Schneider: sein Wasser den Gräben und Teiehen im kaiserlichen Park Katharinental zuführte. Am steilen nördlichen Abhang der silurischen Terrasse, dem sogenannten Glint, bildet dieser Zweig des Ausflusses aus dem Obersee einen Wasserfall. Wichtiger sind die beiden anderen in der Richtung nach Nordost und Ost den See verlassenden Abflüsse. Der eine von ihnen ist das Rohrsystem der Wasserleitung der Stadt Reval, der andere strömt durch Fabriken, die aus ihm ihren Wasserbedarf ent- nehmen und deren Abwässer er als übelriechender kleiner Bach, die sogenannte Retschka, östlich vom Hafen der Revaler Bucht des Finnischen Meerbusens zuführt. Andere deutliche, oberirdische Abflüsse besitzt der Obersee nicht, doch kann man mit voller Sicherheit annehmen, daß die Quellen, welche am Fuß der den See nordwestlich umrahmenden Sanddünen entspringen, ihr Wasser aus dem Obersee erhalten. Miekwitz schreibt hierüber: „Am Fuß der gewaltigen Dünen, welche das nordwestliche Ufer des Obersees begleiten, entspringen zahlreiche Quellen, welche die dem Herrn Fahrenholz gehörenden Wiesen, die sog. „COhristinentäler“, bewässern und schließlich teils in die Retschka, teils in das Flüßchen Schwarzen- beck ausmünden.“ Diese Quellbäche können, wie wir unten sehen werden, gewisser- maßen als letzter Rest eines bedeutenden Flusses angesehen werden, der zur Eis- zeit durch den Obersee strömte und sieh in die Bucht von Ziegelskoppel, westlich von der Stadt Reval ergoß. Hinsichtlich der Zuflüsse des Obersees bemerkt Mickwitz folgendes: „Als eigentlichen Zufluß kann man nur das kleine Flüßchen ansehen, das aus dem Cournalschen Morast entspringt, darauf «durch Quellen auf dem Gute Moik verstärkt von Süden her in den See sich ergießt. Dagegen führt das kleine Bächlein, welches aus dem Johannishofer Moosmoor entspringend nicht weit vom Moikschen Kruge in den See mündet, keine bedeutende Wassermenge. Dasselbe gilt vom kürzlich angelegten Abzugskanal aus dem Cournalschen Torfmoor zum südwestlichen Ufer des Obersees. Bei so geringen sichtbaren Zuflüssen müssen wir annehmen, daß ein bedeutender Teil des Oberseewassers Quellwasser ist und daß die Hauptquellen sich am Grunde des Sees befinden, da die zahlreichen kleinen Quellen am Moik- schen Ufer und sogar auf dem Hofe von Moik, die aus untersilurischen Kalkstein- schiehten treten, keine besondere Bedeutung hinsichtlich der Wasserzufuhr des Obersees haben können.“!) Die unter dem Landvolke verbreitete Ansicht von der Existenz solcher ver- borgener Quellen hat übrigens Mickwitz nicht direkt bestätigen können durch Auffindung schwach oder garnicht zufrierender Stellen. Doch erinnert sich Ratsherr üusen Erbe, daß vor etwa 30 Jahren es in der Südhälfte des Sees eine solche Stelle gab. Die enorme Menge von Gyttja, die sich im Lauf dieses Zeitraumes besonders im südöstlichen Teil des Sees abgelagert hat, kann sehr wohl ehemals vorhandene Quellen zugedeckt und abgelenkt haben. Trotz eifrigen Suchens mit dem Tiefenthermometer ist es auch mir nieht gelungen, oberhalb der Schlammschicht die Einwirkung irgendwelcher Quellen auf die Wassertemperatur des Seebodens in jener Gegend nachzuweisen. Trotzdem halte ich mit Miekwitz das Vorhandensein ergiebiger Quellen am Boden des Obersees für sehr wahrscheinlich. Die weiter ') A. v. Mickwitz, Bericht über die Untersuchung des Obersees im Jahre 1898, p. 2. Der Obersee bei Reval. 15 unten zu besprechenden Boden- und Schlammverhältnisse des Sees werden die Schwierigkeit der Auffindung von Quellen darlegen. Die Entstehungsgeschichte des Obersees wird von Mickwitz!) auf Grund seiner geologischen Untersuchungen sowohl der Umgebung, als auch des Untergrundes folgendermaßen geschildert: „Der große Gletscher, der zur Eiszeit den größten Teil Rußlands bedeckte, führte bei seinem Vorrücken aus Skandinavien und Finland enorme Mengen archäischen Gesteins (Granit, Gneiß, Syenit, Quarzit usw.) haupt- sächlich als Grundmoräne mit sich, schürfte und schliff bei der Weiterbewegung in unserer Gegend die devonischen und silurischen Sehiehten bis zum Echinosphäriten- kalk ab und ließ dieses Material bei seinem hKückzug liegen, sodaß die ganze Gegend mit Sand, Lehm und erratischen Blöcken bedeckt wurde. Die aus dem abtauenden Gletscher hervorbrechenden großen Gletscherflüsse, welche dieses Moränenmaterial verarbeiteten, sortierten es, indem sie den Lehm und feinkörnigen Sand wegschlemmten und das Steingeröll abschliffen. Auf diese Weise entstanden „Age bekannt sind. Zu diesen Ablagerungen gehören auch die „Blauen Berge“, die sich die enormen Eiszeitablagerungen, die unter dem wissenschaftlichen Namen etwa 20 Werst südlich erstrecken. Hinter diesen gewaltigen Ablagerungen bildeten sich infolge des Abschmelzens des Gletschers Seenbecken, an deren Ufern sich eine völlig arktische Fauna und Flora ansiedelte.“ Speziell auf den Obersee angewendet, ergibt sich aus dem soeben zitierten folgendes Entwicklungsbild: „Der Brigittenfluß hatte noch nieht die harten Schichten der silurischen Formation durchschnitten und ergoß sich in ein weites, flaches Seebecken, welches die Niederungen von Johannis- hof und Cournal bedeckte und sich vielleicht bis zum Gut Maart (etwa 10 Werst östlich von Reval) erstreckte. Das Wasser aus diesem Bassin strömte entweder aus der nördlichen Ecke des Sees (bei der Dorpater Straße), oder aus der west- lichen (bei der Pernauer Straße), oder auch aus beiden zugleich nach der Bucht von Ziegelskoppel. Der Abfluß an der Dorpater Straße hörte auf, sobald das Wasser die harten silurischen Schichten erreicht hatte, und es blieb nur der Abfluß am westlichen Ende des Sees (bei der Pernauer Straße) übrig. Der Brigitten- fluß durchspülte die harten Schichten bei Hirro (ungefähr 6 Werst östlich von Reval) und beraubte so den Obersee des größten Teils der Wasserzufuhr. Der Spiegel des Sees sank infolgedessen auf ungefähr 1,25 Faden unter das heutige Niveau. Die Umgegend wurde nun soweit trocken gelegt, daß auf dem Cournal- schen Ufer des Sees und an der Stelle der heutigen der Stadt gehörenden Torf- moore ein Kieferwald entstehen konnte. Entweder infolge von Dünenbildung, oder aber durch ein zweites Vorrücken des Gletschers und der Endmoräne, oder infolge einer Hebung der ganzen Gegend wurde der Ausfluß aus dem See ganz unter- brochen, das Wasser stieg und der Wald wurde von den sich vermehrenden Moosen erstickt und vertrocknete. Diese Vorgänge wiederholten sich, sodaß im Lauf der Zeit einige Waldvegetationen übereinander entstanden. Zum Schluß versiegte der Ausfluß an der Pernauer Straße definitiv, und der heutige Zustand des Obersees war erreicht.“ Diese kritische Stelle, an der der See wiederholt seinen Abfluß gehabt hat, der stets nur durch Flugsand, den die Winde von den umliegenden Dünen hintragen, ) 1. c. p. 5-6. 16 Guido Schneider: gesperrt wurde, befindet sich am westlichen und nordwestlichen Ufer des Sees. Hier haben auch noch in historischer Zeit und sogar gegen Ende des vorigen Jahr- hunderts kleinere Durchbrüche stattgefunden, die durch Menschenarbeit wieder ver- stopft werden konnten. Da aber von der Nordspitze des Sees bis etwa 3,5 km nach Süden das Westufer fast überall aus reinem, feinem Flugsand besteht, der zwar stellenweise 10 m hoch über den Spiegel des Sees sich erhebt, an anderen Stellen aber tiefe Einsenkungen bildet und in jedem Fall bis tief unter den Spiegel des Sees hinabreicht, droht der Stadt Reval die immerwährende Gefahr, infolge eines größeren Durehbruches nicht nur starken Ueberschwemmungen ausgesetzt zu “ werden, sondern auch den überaus wertvollen See für längere Zeit ganz zu verlieren.) Im Südosten und Süden besteht das Ufer aus Torf, der stellenweise von Flug- sand bedeckt, meist aber mit Kieferwald bewachsen ist. Diese Strecke des Ufers, die sich im Süden an die Sanddünen des Westufers anschließt, ist etwa 2 km lang und gegen den See senkrecht abfallend als eine etwa 2 m hohe, braune Wand. Zum Teil mit Sand bedeckt, erstrecken sich die untersten Torfschichten bis über 200 m weit in den See hinein. An diesem Ufer findet eine besonders starke Abrasion statt, als deren Zeugen zahlreiche umgestürzte Kiefern und große abge- stürzte Torfquadern im Wasser sichtbar sind. Weiter nach Süden bis zur Mündung des Cournalschen Flusses ist das Ufer flach und besteht aus Moos- und Grasmooren, die vom See durch niedrige Sand- dünen geschieden sind. Östlich von der Mündung des Cournalschen Flusses bis zur Mitte des östlichen Ufers ungefähr finden wir Wiesen auf einer mehr oder weniger dieken Humuslage, die bei Hochwasser ebenfalls der Abrasion stark unter- liegen; denn das Ufer ist hier sehr niedrig und wird bei Frühlingshochwasser 500 m und weiter -landeinwärts überflutet. An diesem Ufer kann man leicht er- kennen, wie der See durch Zerstörung des Ufers immer mehr an Umfang zunimmt. Vergleicht man nämlich die Karten des Gutes Moik, dem dieser Teil des Ufers ge- hört, aus den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts mit dem heutigen Zustand der Ufer, so erweist es sich, daß der See nicht nur einen Teil des Gartens von Moik jetzt bedeckt, der früher unter Gemüse stand, sondern auch Teile einer zerstörten Ziegelei überflutet. Ferner sieht man am Ufer die Stümpfe und Wurzeln abge- storbener Bäume, die dem vordringenden See weichen mußten. Die Oberflächen- vergrößerung des ganzen Sees ist übrigens nicht bedeutend, da er das, was er durch Abrasion der aus Torf und Wiesen bestehenden Ufer im Süden, Südosten und zum Teil auch im Osten gewinnt, durch das Vorrücken der Dünen an seinem westlichen Ufer zum größten Teil wieder einbüßt. Er wandert also gewissermaßen von Westen noch Osten.?) Der Rest des Ufers im Nordosten des Sees zu beiden Seiten des Bächleins welches in die nordöstliche Eeke des Sees sich ergießt, ist felsig, erreicht aber nur stellenweise eine Höhe von 3 m über dem Spiegel des Sees und ist an der Mündung des obengenannten Baches sogar so flach, daß hier bei Hochwasser aus- gedehnte Überschwemmungen stattfinden, die sich bisweilen sogar über den 300 m ') Vergl. Guido Schneider, Der Obersee bei Reval, Meddelanden af Geogr. Fören i. Finland. VII. 1905. p. 4—6. 2) Guido Schneider, Der Obersee bei Reval. Meddel. Geogr, Fören i. Finland VII 1905. p. 3. Der Obersee bei Reval. 17 vom Ufer entfernten Begräbnisplatz der Ritter- und Domkirche erstreckt haben. Auf dem ganzen östlichen Ufer findet man viele erratische Blöcke oft von bedeutender Größe, und im nordöstlichen Teil, wo die untersilurischen Kalkschichten zu Tage treten, besteht der Strand vorzugsweise aus gröberem und feinerem Kalkstein- geschiebe von kopfgroßen bis nußgroßen, tafelförmigen oder unregelmäßig geformten Stücken, die oft Versteinerungen enthalten. Die Tiefenverhältnisse und der Boden des Öbersees sind von Mickwitz in mustergültiger Weise studiert und beschrieben worden. Eine Karte und 31 Profil- zeichnungen geben einen so umfassenden und splendiden Überblick über die an 365 Punkten im Winter 1595 angestellten Tiefenmessungen und Bohrungen nebst den sich ergebenden Resultaten, wie man ihn sich nicht besser wünschen kann. Auf der Karte finden wir außer den Isobathen noch ein anderes System von Linien eingezeichnet, welche die Punkte gleicher Schlammdicke mit einander verbinden. Verfolgen wir zunächst die Isobathen, so finden wir, daß der Obersee an seinen tiefsten Stellen nur wenig tiefer als 4,25 m ist. Diese Tiefe erreicht der Obersee an zwei Stellen, erstens ungefähr in der Mitte des birnförmig erweiterten südlichen Teils und zweitens etwas nördlich von der Mitte des kürzesten Querdurchmessers, nämlich ungefähr 1 km südlich von der nördlichsten Spitze und der Ausflußstelle. Die Isobathe von 1,50 Faden (= 3,2 m) ist besonders instruktiv, da sie uns die wesentlichste Eigentümlichkeit der Bodengestaltung des Obersees zeigt, einen durch- schnittlich etwa 400—500 m breiten Graben, der geradlinig und parallel dem Ost- ufer verlaufend von der Mündung des Cournalflusses in der Richtung zur Aus- mündung des Sees an der Nordspitze sich hinzieht. Ungefähr in der Mitte zweigt sich von diesem Graben, den ich mit dem Namen „Ostrinne“ späterhin bezeichnen werde, ein anderer nach Südost ab, dessen tiefste Stelle der obenerwähnte Punkt in der Mitte des südlichen Abschnittes des Sees ist. Seine Entstehung verdankt dieser Kessel, den ich ferner „Westrinne“ nennen werde, nach Ansicht von Mick- witz, dem Vorhandensein von Quellen unter dem Schlamm. Im übrigen ist der Boden des Obersees sehr gleichmäßig flach, und nur am nordwestlichen Ufer zeigen die diehter gedrängten Isobathen an, daß die Tiefe an dem aus Flugsanddünen ge- bildeten Ufer sehr bald ungefähr 2,5 m erreicht. Die übrigen Uferstrecken sind sehr seicht und fallen nur ganz allmählich gegen die Mitte des Sees ab.") Mit der liebenswürdig gewährten Erlaubnis des Autors gebe ich auf Taf. IV eine verkleinerte Kopie dieser Karte wieder, in der ich jedoch die Angabe der 365 Punkte, an denen Mickwitz seine Messungen vorgenommen, und die im Original durch gerade Linien verbunden sind, der besseren Übersicht wegen weg- gelassen habe. Ferner hielt ich es für nützlich, die Karte so umzukehren, daß die Nordspitze des Sees nach rechts oben gerichtet ist, anstatt nach links unten, wie im Original. Das der Karte zu Grunde liegende Längenmaß, den russischen Faden (= 2,13 m), habe ich in der Kopie beibehalten müssen, weil die Umrechnung in Meter sehr unbequeme Brüche ergeben hätte, die man nicht gut in die Karte hätte eintragen können. Der vertikale Abstand zwischen den Isobathen und ebenso zwischen den Linien gleicher Schlammdicke beträgt '/ı Faden russisch, d. h. ungefähr l/a m. \ ') A. v. Mickwitz, Bericht über die Erforschung des Obersees im Jahre 1898. Archiv für Biontologie II. (1) 08. 2 18 Guido Schneider: Der Schlamm, dessen Zusammensetzung in einem anderen Kapitel dieser Arbeit berücksichtigt werden soll, bedeckt nach Mickwitz’ Untersuchung 76,2 °/ des ge- samten Seebodens. Wie wir oben erwähnten, hat Mickwitz in seiner Karte des Obersees ein Liniensystem gezeichnet, das die Punkte gleicher Schlammdicke ver- bindet. Sowohl im Original, als auch in der von mir angefertigten Kopie (Taf. IV) werden im Gegensatz zu den durch ununterbrochene Linien dargestellten Isobathen die Linien gleicher Schlammdicke punktiert wiedergegeben. An der Hand dieses Liniensystems können wir uns ebenso leicht über die Dicke der Schlammschicht, die an einem beliebigen Punkt des Sees den Boden bedeckt, orientieren, wie durch den Anblick der Isobathen über die Wassertiefe oberhalb der Schlammschicht. Zunächst ersehen wir aus dem Liniensystem, das die Schlammdicke andeutet, daß die größten Schlammassen sich in der westlichen Hälfte des Sees abgelagert haben. Teilen wir den ganzen See in zwei annähernd gleiche Teile durch eine Linie, die von Nordost zum Nord nach Südwest zum Süd verläuft, so finden wir westlich von dieser Linie vier Vertiefungen des Seebodens, in denen der Schlamm die Dieke von 4,3 bis 5,5 m erreicht, während östlich von der gedachten Linie die größte Schlammdicke nur 3,75 m beträgt und außerdem weite schlammfreie Ufer- strecken sich befinden. Die größte Dicke überhaupt erreicht der Schlamm des Obersees merkwürdigerweise dieht am nordwestlichen Ufer, das aus Sanddünen be- steht, die bis unter den Wasserspiegel reichend den Schlamm sogar stellenweise überlagern. In 400 m und 300 m Entfernung vom Ausfluß befinden sich hier am Nordwestufer die beiden tiefsten mit Schlamm gefüllten Gruben, die von Mick- witz in zwei ziemlich genau in westöstlicher Richtung durch die Nordbucht des Obersees aufgenommenen Profilen anschaulich dargestellt sind (l. e. Taf. 1, Profile 5 und 10). Aus diesen Profilen, deren Kopien ich zusammen mit Kopien zweier anderer Profile (1. ec. Taf. 2, Profil 13 und Taf. 3, Prof. 20) auf Taf. III dieser Arbeit wiedergebe,!) ist ferner ersichtlich, daß der Schlamm nicht direkt dem aus Kalkfels bestehenden Untergrund aufliegt, sondern daß sich dazwischen meist noch Schichten von Sand und Lehm befinden. Besonders deutlich ist diese verhältnis- mäßig dünne Sand- und Lehmschicht in den Profilen 15 und 20 zu erkennen, von denen 18 (Taf. III) einen Querschnitt durch den breitesten Teil des Obersees 200 m östlich von der Mündung des Cournalflusses in ungefähr nordwestlicher Richtung bis zu den Sanddünen des Westufers, 20 aber einen genau parallelen Schnitt etwa 500 m südwestlich von dem vorigen darstellt. Auch diesen Profilen liegt das russische Maßsystem, der Faden, zu Grunde. Die oben geschilderte eigentümliche Verteilung des Schlammes und seine Nähe am nordwestlichen Dünenufer, wo er zum Teil von Dünensand bedeckt über die Uferlinie hinaus sich nach ‚Westen erstreckt (vergl. Profile 5 und 18, Taf. III), spricht deutlich für die Annahme, daß die Sanddünen gegen den See in fortschreitender Bewegung begriffen sind und bereits einen bedeutenden Teil ehemaligen Seebodens bedecken, während das Seeufer nach Osten zurückgedrängt wurde. ') Während das Wasser und der harte, aus Kalkfels bestehende Untergrund in den Profilen nicht besonders schraffiert sind, erkennt man die dazwischen befindlichen weichen Sedimente daran, daß der Schlamm von links oben nach rechts unten, der Lehm von rechts oben nach links unten schraffiert und der Sand punktiert gezeichnet ist. Der Obersee bei Reval. 19 Von den schlammfreien Teilen des Bodens im Obersee sind die meisten mit Sand bedeckt. 16,99 %/ des gesamten Seebodens ist Sand, der nach Mickwitz hauptsächlich am östlichen, südlichen und an einer Stelle des südwestlichen”, Ufers sich vorfindet (vergl. Profil 18, Taf. III). Ferner treten an der Oberfläche des Seebodens zu Tage: Kalkfels in einer Ausdehnung von 3,39 %% der Gesamtfläche ganz im Norden des Sees, Torf in 2,77 °/% am Südwestufer und Lehm in nur 0,65 °/ vor der Mündung des Cournalflusses. Der Schlamm (Gyttja) bildet über den meist dünnen Schichten von Sand und Lehm eine große zusammenhängende Schicht, die nur an einer Stelle in der Nähe des Westufers in der Linie des Profils 13 von einem flachen Hügel aus Dünensand durchbrochen wird. Nach Mickwitz’ Berechnung kann die Gesamtmasse des Schlammes im Obersee auf 15 Millionen Kubikmeter geschätzt werden, während die Gesamtmasse des Wassers ungefähr durchschnittlich 23 Millionen Kubikmeter beträgt. Die Wassermenge im Obersee ist übrigens wegen der großen Oberfläche und sehr geringen Tiefe recht bedeutenden Schwankungen unterworfen. Veranschlagen wir beiläufig die mittlere Tiefe auf 2 m, so können wir uns leicht vorstellen, wie ungeheuer groß im Verhältnis zum vorhandenen Wasservolumen der Zuschuß ist, den eine Niveauerhebung von nur 10 cm verursacht, während in tiefen Alpenseen mit steilen Ufern dieselbe Niveauerhebung nur eine verhältnismäßig unbedeutende Vermehrung der ganzen Wassermasse bedeutet. Mickwitz hat nach den täglichen, vom technischen Bureau des Revaler Stadtamtes ausgeführten Wasserstandsmessungen am Obersee die mittleren jährlichen und monatlichen Niveauhöhen für die Jahre 1879 bis 1898 berechnet. Im Laufe dieser zwanzig Jahre wurde der niedrigste Wasserstand mit 36,50 m über dem Meeresspiegel im August des Jahres 1887 erreicht. Der höchste Wasserstand betrug im Juli des Jahres 1892 38,05 m über dem Meere. Doch war dieses Jahr ein abnormes, da Sonst im Juli kein Hoch- wasser zu sein pflegt, sondern im April und Mai, wie aus dem von Mick witz ge- zeichneten Diagramm der mittleren monatlichen Wasserhöhen in den Jahren 1879 bis 1898 hervorgeht.) Aus diesem Diagramm ersehen wir ferner, daß die durch- schnittlichen Schwankungen des Wasserstandes im Obersee etwa 32 cm im Jahre ausmachen. Wie wir jedoch sahen, bedeuten so geringe Niveauschwankungen schon sehr ansehnliche Veränderungen im Volumen der Wassermasse des Obersees. Dazu kommt noch, daß die Ufer im Süden und Nordosten des Sees so flach sind, dab bedeutende Überschwemmungen schon durch verhältnismäßig geringe Erhöhung des Wasserstandes verursacht werden. Niedrigen Wasserstand zeigen die Monate Februar und März; darauf steigt im April und Mai infolge der Schneeschmelze das Wasser rapid, um im Juni, Juli und August wieder zu fallen. Im September ist das zweite Minimum des Jahres erreicht. Infolge der Herbstniederschläge steigt im Oktober, November bis Dezember das Niveau ein wenig und beginnt im Januar wieder zu fallen. Wir haben also zwei in jedem Jahr regelmäßig sich wiederholende Minima und zwei Maxima des Wasser- standes. Erstere sind einerseits bedingt durch die starke Abdunstung, welche das Wasser des Obersees im Sommer wegen der großen Oberfläche, der starken Er- wärmung und der vor Winden nicht geschützten Lage erleidet, und andererseits eine !) A. v. Mickwitz, Bericht über die Untersuchung des Obersees im Jahre 1898. p. 10—11. 2* 20 Guido Schneider. Folge der Winterkälte, die den größten Teil der kleinen Zuflüsse erstarren läßt. Die Abhängigkeit der Maxima von den vermehrten Niederschlägen im Frühjahr und Herbst ist augenscheinlich. K. Jacoby'), der in seiner bereits erwähnten kleinen Schrift die Arbeit von Mickwitz kritisiert, gibt zwar das Vorhandensein zweier Maxima des Wasser- zuflusses zum Obersee im Jahre zu, macht aber darauf aufmerksam, daß infolge der am Ausfluß angebrachten Schleusen, «die seit einigen Jahren wesentlich dazu benutzt werden, um das Wasser im Obersee aus Rücksicht auf industrielle Unternehmungen aufzustauen, die von Mickwitz ausgerechneten Resultate nicht genau den natür- lichen Verhältnissen entsprechen, die ohne jenes Absperrungssystem herrschen würden. Uns genügen die Schilderungen der faktischen Niveauverhältnisse, wie sie Mickwitz gibt, vollkommen zur Beurteilung der allgemeinen jährlichen Niveau- schwankungen im Obersee, deren bis in die letzten Jahre fortgesetzte graphische Darstellung wir auf den von Winkler gezeichneten Tafeln VI bis X (für die Jahre 1901—1905) erblieken. Die Zahlen, welche den von Mickwitz ausgeführten Berechnungen zu Grunde liegen, sind einer langen Reihe von Beobachtungen entnommen, die der Leiter des Wasserwerks am Obersee ausgeführt hat. Es wäre jedoch zu wünschen, daß künftig- hin nicht nur der Wasserstand des Obersees regelmäßig notiert werde, sondern auch die Temperatur des Wassers, der Sauerstoffgehalt des Wassers, die Zeiten des Zufrierens und Auftauens, die Dicke des Eises und der Schneebedeekung und biologische Veränderungen ete. von kompetenten Personen beobachtet und auf- gezeichnet werden. Von der Nützlichkeit und Notwendigkeit der Anlage einer ständigen Beobachtungsstation verbunden mit einer Fischzuchtanstalt und Versuchs- station für Fischerei habe ich die maßgebenden Kreise der Revaler Stadtbevölkerung schon in einer früheren Publikation zu überzeugen versucht.?) ') K.Jacoby, Über die Resultate der Untersuchung des Obersees ete. Reval 1899. p. 7, 10 und 13. 2) Guido Schneider, Ein Vorschlag zur Reorganisation der Bewirtschaftung des Obersces bei Reval. 1904. IH. Das Wasser, Wegen seiner geringen Tiefe, großen Ausdehnung, abgerundeten Form und ungeschützten Lage am Nordrand einer weiten Terrasse ist der Obersee den Ein- wirkungen eines jeden Windes, gleichviel von welcher Seite er weht, außerordentlich stark ausgesetzt. Ein Wind von 5 bis 4 Beaufort Stärke erregt schon kurze hohe Wellen mit weißen Kämmen, deren Bewegung, nach der Trübung des Wassers zu urteilen, sich bis auf den Boden bemerkbar macht. Die Temperatur des Wassers ist deshalb in allen Teilen des Sees sehr gleichförmig. Der Unterschied zwischen den Temperaturen an der Oberfläche und am Boden ist sehr gering, und nur an zwei Stellen, an der südöstlichen Ausbuchtung des Sees bei dem Gute Moik und an der südwestlichen Ausbuchtung am Torfufer, habe ich stets Temperaturen gefunden, die von der Durchschnittstemperatur des übrigen Sees etwas abweichen. Am Ufer bei Moik war das Wasser in der Regel etwas kälter, wegen der zahl- reichen dort entspringenden kalten Quellen, die auch mitten im Monat Juli sich nicht über 6°C erwärmten. Am südwestlichen Ufer dagegen war das Wasser wärmer, weil diese Partie des Strandes von dem Cournalschen Kiefernwald einiger- maßen geschützt und von der Vormittagssonne stärker erwärmt wird. Am Boden des Obersees ist die Temperatur nur an ganz windstillen Tagen etwas kälter als an der Oberfläche. Es gelang mir jedoch nicht, wie ich bereits im vorigen Kapitel berichtete, mittels des Tiefenthermometers, eines sog. trägen Thermometers in Hartgummihülse, das ich bis zu einer Stunde auf dem Seeboden ruhen ließ, so niedrige Temperaturen an irgend einer Stelle des Seebodens, mit Ausnahme des Ostufers, nachzuweisen, daß die Anwesenheit einer Quelle dadurch bewiesen wäre. Bei ganz schwachem Winde beobachtet man oft Streifen spiegelglatten Wassers auf der Oberfläche des leicht vom Winde gekräuselten Sees. Einmal, am 30. Juli um 7°/ı Uhr nachmittags, beobachtete ich diese Erscheinung genauer und fand einen deutlichen Temperaturunterschied zwischen dem glatten und dem gekräuselten Wasser auf einer Entfernung von nur wenigen Metern zwischen den Beobachtungs- punkten. Das glatte Wasser war an der Oberfläche um 1,5°C kälter als das gekräuselte und stammte höchstwahrscheinlich aus einer der kalten Quellen am Ufer des Gutes Moik, in dessen Nähe die Untersuchung stattfand. Hinsichtlich der Wassertemperaturen im Obersee bin ich leider nur auf meine während des Sommers 1904 angestellten Messungen angewiesen, da mir sonst von keiner Seite im See selbst mehr oder weniger regelmäßig ausgeführte Temperatur- bestimmungen zur Verfügung gestellt werden konnten. Namentlich ist die Lücke PR) Guido Schneider: sehr bedauerlich, die durch das Fehlen regelmäßiger Temperaturmessungen im Winter verursacht wird. Meine Beobachtungen begannen am 29. April, 2 Tage nachdem das letzte Eis auf dem Obersee gesehen worden war. Wie aus der weiter unten folgenden Tabelle und der Kurve B auf Taf. V hervorgeht, stieg die Temperatur, abgesehen von einigen Rückschlägen, die durch kaltes Wetter ver- ursacht waren, ganz beständig bis zum 4. August, an dem das Maximum der Ober- flächentemperatur mit 21,9°C neben einer maximalen Bodentemperatur von 19,3° C beobachtet wurde. Am Südwestufer war das Wasser, wie gewöhnlich, noch wärmer. Nachdem die Temperatur des Sees dieses Maximum erreicht hatte, sank sie infolge eingetretenen kühlen Wetters rapid und betrug schon am 15. August an der Ober- fläche in der Mitte des Sees nur 14,3°C, am Boden 14,5° C. Zugleich mit der Temperatur habe ich oft auch die Durchsichtigkeit des Wassers gemessen und deshalb in der Tabelle, in welcher die Temperaturangaben verzeichnet sind, die letzte Kolumne für Angaben über die Transparenz des Wassers reserviert (S. 23—25). Letztere wurde nicht durch die Leseprobe ermittelt, sondern es wurde ein weißer Gegenstand senkrecht hinab in den See versenkt und die Tiefe in Zentimetern notiert, in der der Gegenstand eben unsichtbar wurde. Bis zum Juni benutzte ich hierzu ein kleines Planktonnetz, welches einen Durchmesser von 19 cm hatte, später aber einen weißen Porzellanteller von 24 cm Durchmesser, der in der Mitte durchbohrt und an einem dünnen Stock befestigt wurde, auf dem mit Ölfarbe der Maßstab aufgezeichnet war. Ich wählte diese primitive Methode aus dem Grunde, weil sie sich schneller und bequemer im Boot bewerkstelligen ließ und zugleich auch dem Einfluß der Menge und Verteilung des Planktons auf die Durchsichtigkeit des Wassers Rechnung trägt. Aus der Tabelle und der Kurve E auf Taf. V ersehen wir, daß die bereits im Mai sehr geringe Durch- sichtigkeit des Oberseewassers im Laufe des Sommers ziemlich konstant abnimmt. Während am 2. Juni der weiße Teller in einem Abstande von 110 cm von der Oberfläche des Wassers unsichtbar wurde, verschwand er am 23. August schon in 35 em Tiefe den Blicken. Die Ursachen der geringen Transparenz des Wassers im Obersee finden wir einerseits in der sehr reichen Entwicklung von Plankton, namentlich Phytoplankton, im Laufe der Sommermonate und andererseits in der beständigen Anwesenheit gelöster organischer Substanz, die dem Wasser stets eine hellgelbe Farbe verleiht. Die gelbe Farbe des Wassers ist übrigens in verschie- denen Teilen des Sees von sehr verschiedener Nuance. Sie ist heller in der nördlichen Hälfte des Obersees und dunkler in der südlichen. Namentlich in der Nähe des Torfufers und der überschwemmten Wiesen im Süden ist die gelbe Farbe recht gesättigt und geht auf den überschwemmten Wiesen selbst stellenweise in ein dunkles Braun über infolge der Auslaugung des Humus und der abgestor- benen Pflanzenteile durch das stagnierende Wasser. Die untenstehende Tabelle habe ich versucht übersichtlich zu gestalten dadurch, daß ich die Temperaturangaben nach der Region und Tiefe, aus der sie entnommen sind, in verschiedene Kolumnen eingeteilt habe. Am Kopf jeder vertikalen Kolumne ist die topographische Lage des Beobachtungspunktes im allgemeinen angegeben. Die Bezeichnungen „Ostrinne“ und „Westrinne“ beziehen sich auf die beiden im südlichen Teil des Sees divergierenden, grabenartigen Vertiefungen in der Schlamm- Der Obersee bei Reval. 95 schicht des Bodens, welche bereits im vorigen Kapitel näher beschrieben wurden (S. 17). Die Bezeichnung „Nordbucht“ bezieht sich auf den nordöstlichen Teil, der von der Hauptmasse des Sees durch die 1,6 km breite Einschnürung abge- grenzt ist, im Norden den Abfluß und im Nordosten die Mündung des Moikschen Baches aufweist (s. S. 15). In den horizontalen Reihen der Tabelle finden sich Angaben über Tag und Stunde, wann die Beobachtung geschah, und ferner genauere Angaben über den Ort und die Tiefe. Wo in den horizontalen Reihen nur eine Richtung angegeben ist, z. B. „Linie Moik—Liiwa“, da findet man leicht auf der Karte den Punkt, wenn man den Kreuzungspunkt der Linie mit der am Kolumnen- kopf angegebenen Lokalität aufsucht. Die Linie „Moik—Liiwa“ bezeichnet die Richtung vom Garten des Gutes Moik am Ostufer fast genau westlich zum Restaurant Liiwa am Torfufer im Südwesten des Sees. Die Linie „Moik-Reval (Dom)“ ist die Richtung vom Garten des Gutes Moik nach Nordnordwest auf den Turm der Domkirche in Reval zu. Verfolet man in den drei Kolumnenpaaren mit den Überschriften „Ostrinne“, „Westrinne“ und „Seemitte“ getrennt die Temperaturangaben von der Oberfläche und vom Boden, so erhält man ein Bild vom Steigen und Fallen der Temperatur in den mittleren Regionen des Obersees, wie ich sie im Sommer 1904 beobachten konnte. Die letzte vertikale Kolumne enthält in Zentimetern Angaben über die Entfernung unter der Wasseroberfläche, in der ein oben näher erwähnter weißer Gegenstand (Planktonnetz, resp. Teller) anfing unsichtbar zu werden. Temperatur und Transparenz des Wassers im Obersee während des Sommers 1904. aaa nee = ee: Sl Saas ale ja) ne |)E ® 3 Ort und Tiefe =i13|3|:3|s/s|s|s|is|gla |8|& 2 21215 |. E E = || 2 |. ze Sale 5) BER Erz eselseenerenle = \s|8 212 |2|5 5 = za 99. IV. | 6 p. m. |Am Garten von Moik . . .\— |I— | 4,4 — || — | — | —.jj — | Fe ee 30. IV. [10.45 a.m.| Am Garten von Moik . . .|— I—- [441 -| — I|-|I—- | -ı - | —-| — |-—- N fe V: 6.B0p.m.] Am Garten von Moik . . .|— I -— 1831-1 —- |-!I-|-|I-|-—-| — |< | — ae, | =) -[-|- | =1-[|- I- | DEV. 15:30.p-m. | ‚, ” Br 25 ee a 5. V. | 10 a. m. | Linie Moik-Reval (Dom), Oberfl. _ — |69| -I1—|-|I —- |- | — eV. 2110 a2.m. |, » a „Amen = | |) | || ||, 7. V. |12a/p.m. | Linie Moik-Liiwa, Oberll. . .|— | - I —- | —- | — | -|70|-1—-|—| — | — || 100 Te N ” „ „ „ sSmtief. .| — Zn, — e— = Ben I 6,9 u Per pe e= Bi TINE ” ” „ „ 4m ie || I ie) ME _ _ — 3433|) — || — — elle 10. V. 111.30 a.m.| Linie Moik-Liiwa, Obef. . . — I —- | —- | — | — | - [73] —- I - |—-| — | < |< 10. V. 2 » Bene ee | — | 117.011 16. V. 3.45 p.m.| Linie Moik-Liiwa, Ober... — I—-|—-|I—| — —1-—- | —- [8387| — | — | — || — 16. V. ä E a ns ee ee Tre a 18. V. 1.30 p.m.| Mündung d. Cournalfluss., Obfl.| — 192 | — | -I| — | -|I|- | - | <- | <-| — | — | — 18. Ye ” ” ” „ 3,5 mtief | — 9,1 Zn (lee GE a | =. FR —= I A Voe lea Anl GartensvoneMole a 6a [Pl I .V. | 12a/p.m. | Überschwemmte Wiese vonMoik| I74I| | -| - | -| | Ze) 7 =, | — . . .. wg: Tree (rg | . V. [10,10a. "| Linie Moik-Liiwa, Oberfl. . .— || -|-|s5 | —-I-|-|-!-—-| — | — | 100 DV. n ” Er A suormetiete I Ei —- IL —- \s2l Zi Sl Zn Guido Schneider: D=] u - [=] E= 3 & 3 EN „| 18 | [ee © eI&|s|I|2I15 |Jalos |a| oO „REES &n = & Sue Be = 5 5 | & = =: Ort und Tiefe Seel 2 1.0 |’@ Sole 3 3 8 = = |:|j82|j82|8|5| 8 [E38 S.1° [ale 2. V. 1la.m. | Linie Moik-Liiwa, Oberfl. E= 8,7 — | — || 80 95V: Er » 3,0 m tief 82 — | — 25V. I2a/p.m Quelle am Gartenufer von Moik | 4,5 _ —|—-| —_ SER 1 p.m. |Überschwemmte Wiese von) Moik, tief 2.2.2... [12371 - | —I — | -|- | -|1-|— | — | [| 2b: s Überschwemmte Wiese von) — Moik, Hach 2.0.2. 11 119,21 — ll — — — | — 27. V. [11,45 a. m.| Linie Moik-Liiwa, Oberfl. — | — | — | — [103 = —_ — || 100 DIN: Rs es ” „ 3,5 m tief 10,0] — | — I — | — | Ze 2. VI. [9,55 a.m. | Linie Moik-Liiwa, Oberfl. . — 1 — [7 1 — 18,6 —_ || — ZENAE e a n » 83,5 m tief 32] —- | —-I-|-| - | —- | — DNS 0:5.a.mEl 7, 2 „» Oberfl. 13,81 — | — | — || — DEN 2 „85 m tief 13,11 — | — 2. VI. 110,55 a. m. Linie Moik- Reval (Dom), Oberfl. || — 13,6 —1 — | — | 110 DIN: 5 vSbmtietl -— I — | —- I - | — | —- |< (3321| -— |) - | —- |< | — 2. VI. ]5,30 p.m. Quelle am Gartenufer von Moik 4,5 —I— | - | — 10. VI. [10-11a. m.] Linie Moik-Liiwa, Oberfl. . — K )E ) = 1 — 10. VI. 5 5 5 » 3,5 m tief —I1-|-|1-—-]| - [131—-\-I-|-| —- | —- | — 14. VI. Mündung des Cournalflusses — [12,6 - 20. VI. |10-11a. m.| Linie Moik-Liiwa, Oberfl. . —I-|-1ı1-|-|-|-<-|- [|52| — | — | — | 60 20. VI. n 3 en »„ 2,6 m tief — ZZ Ze) = || = || = 21. VI. [10-11 a.m.| Linie Moik-Liiwa, Oberfl. — 1 — | — | — [15,6 — || — 21. VI. x > = „ 8,5 m tief 14,4 — | — 28. VI. ]9-10p.m.| Am Garten von Moik . — | — 114,7 — I —- | — | — 28. VI. ” Linie Moik-Liiwa, Oberfl. — I-1-|- |141]| - I —-|— — ir | — 29. VI. | 4-5a.m. |Am Garten von Moik . — | — 11391 — | — | — | - | — —I—- | —- | — 29. VI. n Linie Moik-Liiwa, Oberfl. — [|—- I — | — I|3839| — I— | -— | — | -| — | <=| — 29. VI. |9-10a.m.| Am Garten von Moik — | — ]45]| — | — | — I - | — — | ae | —_ 29. V. R Linie Moik-Liiwa, Oberfl. a — 60 DIN]. e » 325 m tief. — I— | —- I — | — |140 _ PR 10 a. m. Linie Moik- Reval (Dom), Oberfl. | — | — | — | — 14,6 — | 29. NL. n ‚3,75mtief|l -—I—- I|—- | —- | — | — | — |14,0 Zr ||| — 29... VL22168: pm Linie Moik- Liiwa, Oberfl. —1I— | — | — [14,8 — _ — || — 29. VI. N „ 83,5 m tief = 1] | = 1401. | — | | 2 Sg ee 29. VL. | 8Sp.m Linie Moik-Reval (Dom), Oberfl.!! — | — | — | — [14,6 = — —_ ||| — 29. VI. AN rn „„ 3,0 m tief 14,21 — | — | — | — | I 2IZNT. a5 Am Garten von Moik — | — [14,5 = —|—| — | | — 4. VII. [10-11 a.m.{ Linie Moik-Liiwa, Oberfl. —I—- | — | —- I156| —-—I-| -|-|-| - |—- | — 4. VIl ” re r „8325 mtief.| — I — I — | — | — [14,8 — | — 4. VII 5 j e » Oberfl. —I—-I—-1|1- | — | — | — | — [15,7| —ıI — ZZ 4. VII en 15 5 » 8,0 m tief —I-|I —-|— 14,81 — | — | — 4. VII. 15,45 p.m r > „ Oberfl. — I-1-|- |1163| — | - | —- I -| —| — || — 14. VII. 19,30 a.m. | Linie Moik-Liiwa, Oberfl. —[— | — | — [144 — — | — || — 14. VII. 11-12 a.m.| Im Schilf am Torfufer — 1 — I — |[16,7| — | — I — | —.| — | — a je 14. VII |12,30 p. m.| Linie Moik-Liiwa, Oberfl. —I-|I—-|-| — | —- 1656| — | — | — | — If en I | 2 | ee 16. VII. | 9,30 p. m. | Linie Moik-Liiwa, Oberfl. . —I1-|-—- | - |I17|- |- | —- | - | —| — | — | — 16. VI. 3 * r 1228 mutieft. 16,81 — | - I-|I- | — | — | — 18. VII. |11,30 a. m | Linie Moik-Liiwa, Oberfl. — I— | —- | - [1713| -I-|-1-|-]| - | — 1% 18. VII. n : % „ 8dmtie. —I—-1-1-]| —- |167I1—- | —I-|-| — |<-|— 18. VII. 111,50 a. m. "4 :Obertd. - Ii—-I- 1] - | = — 1170) 2 A 18. VII + „ 2,6 m tief — I — 1171| — | — | — 18. VII. |12,40 p. m. Am Garten von Moik — I — [16 | - I|-I-|-|-|—-| — | — | — 18. VII. [12,50 p. m.| Quelle am Gartenufer von Moik 55 — I — I - I — | - I - | - I -|-| — | — | — 23. VII | 3,30 p. m. | Linie Moik-Liiwa, Oberfl. . —I1—-1-—-]|-—- [1631-1 —- | - | —- | —| — | — | — 23. VII. ;, er Pr „ 85 m tief - I -|I-|- | - ss] — |- 1-1 - 1 - 1-1 > Der Obersee bei Reval. 24. Tag Stunde 12 a/p.m. 1 „10 p. m. Ort und Tiefe Eine Quelle Linie Moik-Liiwa, Oberfl. 2,5 m tief Vor dem Ausfluß, Nordspitze .| Südufer Ostufer Westufer Ostrinne, Oberfl. ÖOstrinne, Boden Seemitte, Oberfl. Seemitte, Boden Westrinne, Oberfl. Westrinne, Boden 19 wi} Nordbucht, Oberfl. | Nordbucht, Boden Transparenz 16,6 il a. m. Quelle am Gartenufer von Moik |5,95 .| Linie Moik-Liiwa, Oberfl. . .) 3 m tief .| ”„ E£} „ 16,4 8,30 D. m. ” .| Unter gekräuselter Oberfläche Mündung des Moikschen Baches | Unter spiegelglatter Oberfläche | Linie Moik-Liiwa, Oberfl. 3 m tief. „ i2 „ 10 a. m. 11 2. m. 12 ap. m. 12,30° p- m. ” Linie Moik-Liiwa, Oberfl. Smtie. . Oberfl. . .|) 3,75 m tief. } Linie Moik- Reval (Dom), Oberfl. | „4,0 m tief | | Linie Moik- Liiwa, Oberf. | En smtief. .| „ ” „ „ ”„ „ ”„ 19,0 20,0 20,1 16,9 12 a/p.m. Linie Moik-Liiwa, Obefl. . .| Boden . . Oberfl. Boden „ ” ” „ ” „ 20,3 20,6 18,0 Linie Moik-Liiwa, Oberfl. 3m tief. Ober. . . Ostrand der nn Oberfl. | vs I mtief) ” ” ” „ ”„ 21,9 119,8 21,9 Linie Moik-Liiwa, Oberfl. „ ” N „ raemltiels. Linie Moik-Liiwa, Obeıfl. 3 m tief. Linie Moik-Reval (Dom), Oberfl. „ 3mtief ” ” ” Linie Moik-Liiwa, Oberfl. 3m tief. ” ”» ” Linie Moik-Liiwa, Oberfl. 5 Su m2>5° mötiee Oberfl. 3 m tief. Oberfl. . 3 m tief. 14,6 . Zt p. m. F be ” . -] 10 a. m. = r „ . B B a.m, . Y4ll. 112,30 p.m. E 7 „ d. ill am 5 Snlcnm: 2 « ” -| 10 a.m. ” ” . | 12 a/p.m. 2 „ - 1 9,45 a. m. 2 „ 5 12 a/p.m. ad m. ah} 1p.m. ”„ 9,30 a. m. ” y 10 a. m. 12 a/p.m. ) ” 1p.m. 6,45 p. m. ” Linie Moik-Liiwa, Oberfl. 3 m tiet . Oberfl. „85 m tief Vor dem Ausfluß, Oberfl. 2,25 m tief Linie Moik- Liiwa, Oberfl. 2,5 m tief Oberfl. 2,5 m tief ” ” ” ” ” ”» 11,30 a. m. 12,40 p. m. E In m. Am Südended. Torfufers, Oberfl. Mündung d. Cournalfluss., Obfl. Am Torfufer, Oberfl. . ER 6 Guido Schneider : Die Ergebnisse einer vom Leiter des Revaler Untersuchungslaboratoriums, Herrn H. v. Winkler am 18. Februar 1905 auf meine Bitte unternommenen Ex- kursion an den Obersee sind in obige Tabelle nicht aufgenommen worden, sondern sollen hier gesondert besprochen werden. Etwa 200 m westlich von der Mündung des Moikschen Baches begab sich Winkler vom nördlichen Ufer auf das Eis des Obersees zu Eislöchern, die zum Zweck der Eisernte angelegt waren. Der Himmel war völlig mit Wolken bedeckt und die Lufttemperatur — 3° G, als zwischen 12 und 1 Uhr nachmittags die Oberflächentemperatur des Wassers gemessen wurde, zwei Proben zur Bestimmung des Sauerstoffgehalts und zwei Planktonproben genom- men wurden. Das Eis hatte eine Dicke von beinahe °/ı Meter. Die Wassertempe- ratur an der Oberfläche in einem Eisloch etwa 100 m vom Ufer betrug 0,4° C und der Sauerstoffgehalt an derselben Stelle gleichfalls im Oberflächenwasser war 7,0 cem im Liter. Die Tiefe des Wassers betrug an dieser Stelle 1 m. In einem anderen Eisloch, das etwa 250 m vom Ufer entfernt war, betrug der Sauerstoff- gehalt des Oberflächenwassers 6,8 cem'). Die Tiefe war hier 2 m. Interessanter wäre es gewesen, Nachrichten über die Temperatur und den Sauerstoffgehalt am Boden des Obersees in größerer Tiefe zu erhalten und nicht mit Benutzung eines fertigen Eisloches, sondern unter einer eigens dazu durch die Schnee- und Eisschicht gebrochenen Öffnung, weil noch gar keine Beobachtungen über die Temperatur und die Sauerstoffabsorption der dieken Schlammlager des Obersees im Winter vorliegen und solche Daten nötig sind, um einen intensiveren rationellen Fischereibetrieb ein- richten zu können. Wichtig ist jedenfalls Winklers Beobachtung über die Dicke des Eises, welches demnach an den Ufern in mehr oder weniger breiter Zone bis auf den Boden des Sees hinabreicht. Am 27. April wurde im Jahr 1904 das letzte Eis auf dem Obersee gesehen, und am 4. November war, wie mir Arrendator Raudith aus Moik schreibt, der See wieder mit Eis bedeckt, das im Lauf des Winters eine Dicke von etwa 70 cm erreichte. Die Zahl der eisfreien Tage betrug im Jahr 1904 also nur 190, und auf dieselben folgten 163 Tage, an denen der See mehr oder weniger eisbedeckt war, denn im Frühjahr 1905 schwand das Eis etwa um eine Woche früher, als im Jahre vorher, nämlich schon um den 20. April herum?). Die auf Taf. V abgebildeten Temperaturkurven sind dazu bestimmt, einen all- gemeinen Überblick über das Steigen und Fallen der Oberflächentemperatur im Öbersee, die sich von der Temperatur am Boden nicht sehr wesentlich unterscheidet für die Monate April bis Oktober (exkl.) zu geben. Da die Temperaturen nicht immer zu derselben Tageszeit gemessen wurden, und da, wie wir aus der oben an- geführten Tabelle ersahen, die Temperatursteigerung vom Morgen bis zum Nach- mittag oft sehr beträchtlich ist, z. B. am Ostufer am 2. Mai von 6,2° um 9 Uhr ‘) Bei beiden Sauerstoffbestimmungen wurde der Barometerstand nicht mit in Rechnung ge- zogen, was in diesem Fall wenig bedeutet, weil der Sauerstoffgehalt an der Oberfläche von Eis- löchern bekanntlich sehr wechselnd ist und seine Kenntnis deshalb von geringem Wert. 2) Nach Abschluß des Manuskriptes erfahre ich von Herrn Raudith, daß im Jahre 1905 sich das erste Eis auf dem Obersee erst am 29. November zeigte. Infolge des warmen Herbstwetters und starker Stürme bildete sich jedoch keine feste Eisdecke, und große Stellen offenen Wassers wurden noch am 16. Dezember gesehen. Am 17. oder 18. Dezember. schloß sich, wie ich annehmen kann, die Eisdecke. Im Jahr 1905 war also der Obersee wenigstens 223 Tage lang als eisfrei zu betrachten, und während etwa 17 Tagen war die Eisdecke unvollständig. Eine so lange Dauer der eisfreien Zeit muß jedoch als abnorm bezeichnet werden und ist eine Folge abnormer Witterungs- verhältnisse im Herbst. Der Obersee bei Reval. 97 40 Min. vormittags bis auf 8,5° um 5 Uhr 30 Min. nachm., so erhalten wir eine Ziekzacklinie, wenn, wie ich es getan habe, in der graphischen Darstellung alle an einem Punkte gemessenen Temperaturen ohne Rücksicht auf die Tageszeit aufge- nommen werden. Lassen wir die täglichen Temperaturschwankungen unberück- sichtigt, so erhalten wir den Eindruck, daß die Wärme an der Oberfläche des Ober- sees allmählich vom April bis zum 4. August bis auf 21,9 ° m der Nähe des öst- lichen Ufers, d. h. über der Ostrinne (Kurve D), und bis auf 22,3° im Schutz des Cournalschen Waldes in der Nähe des westlichen Ufers (Kurve C) ansteigt, um von diesem Zeitpunkt an im Lauf des Monats August rapid und darauf im Sep- tember etwas langsamer bis auf 11 bis 12° zu fallen. Die Hauptkurve B ist aus den Temperaturmessungen an der Oberfläche der Ostrinne auf der Linie Moik-Liiwa (etwa °/a Kilom. vom Ufer des Moikschen Gartens entfernt) zusammengestellt. Da hier jedoch die Temperaturmessungen erst am 25. Mai begannen, ergänzte ich die Kurve B mit einigen Messungen, die ich vom 5. bis 10. Mai etwas weiter in der Mitte des Sees ausgeführt hatte, und fügte dazu die Kurve A aus Temperaturen, die ich noch vor Ankunft meines Bootes dicht am Ufer des Moikschen Gartens be- obachtete. Diese letzteren erwiesen sich jedoch, wie die bis in den Monat Juli fortgesetzte Kurve A zeigt, stets etwas niedriger als die Temperaturen in der See- mitte wegen der kalten Quellen, welche in dieser Gegend des Ufers entspringen. Die punktiert gezeichnete Kurve © gibt einige Temperaturmessungen in der Nähe des westlichen oder richtiger südwestlichen Ufers wieder und enthält die höchste von mir im Obersee gemessene Oberflächentemperatur von 22,3° ©. Die Kurve D gibt eine graphische Darstellung der Temperatur in einigen Quellen wieder, die am Ostufer des Obersees am Garten von Moik entspringen. Sie zeigt, daß die Erd- temperatur in der Tiefe, aus welcher das Quellwasser kommt, auch während der wärmsten Zeit des Sommers die Höhe von 7 ® noch nicht erreicht. Aus Reval sind mir sonst keine Beobachtungen über Erdtemperaturen bekannt geworden; aber in Friedrichshof bei Riga, wo seit einer Reihe von Jahren Dr. F. Buhse Erd- temperaturen in verschiedenen Tiefen bis zu 2,30 m gemessen hat, betrug die Mitteltemperatur im Juli 1892 in 2,30 m Tiefe 8,9° GC.) Ich brauche wohl kaum noch hinzuzufügen, daß in einem so seichten Gewässer, wie der Obersee eines ist, die Temperaturkurven verschiedener Jahre entsprechend den atmosphärischen Verhältnissen sehr verschieden ausfallen müssen. Eine Folge der hohen Temperatur und die hauptsächliche Ursache der geringen Durchsichtigkeit des Wassers im Obersee ist die große Menge des Planktons, namentlich des Phytoplanktons, welches im Laufe der Sommermonate kolossal sich vermehrt. Eine genaue Schilderung der Zusammensetzung dieses Planktons werden die folgenden Kapitel bringen. Hier soll es uns nur darauf ankommen, annähernd vergleichbare Werte bezüglich der Menge der im Wasser des Obersees suspendierten Lebewesen zu gewinnen, um ein ungefähres Maß für das Anwachsen dieser Menge im Laufe des Sommers zu haben. Leider sind die Methoden der quantitativen Planktonbestimmung sehr umständlich und immer noch nicht ganz exakt. Ich habe !) F. Buhse. Erdtemperatur in Friedrichshof bei Riga, Korrespondenzbl. des Naturf.-Vereins Riga 1893. Die Mittelwerte sind in 2,80 m um 7 Uhr morgens: Januar 5,8°; Februar 5,0°, März 4,4°; April 3,9°; Mai 4,8°; Juni 7,2°; Juli 8,9°; August 10,5 °; September 10,8°; Oktober 10,2%, November 8,6 °; Dezember 7,1 °. 28 Guido Schneider: aus diesem Grunde darauf verzichtet, die von Hensen!) und Apstein?) aus- gearbeitete und namentlich von letzterem mit staunenswertem Fleiß angewendete Zählmethode zu gebrauchen, und mich mit der rohen Schätzung der Volumina von ın Glasröhren unter Alkohol sich absetzenden Planktonproben begnügt. Ein riehtiges sog. quantitatives Planktonnetz nach Hensens Konstruktion konnte für meine Unter- suchungen nicht beschafft werden, hätte auch bei der sehr geringen Tiefe des Sees wenig genützt. Anstatt dessen verwendete ich das in der Einleitung erwähnte kleine qualitative Netz, dessen Durchmesser an der Öffnung 19 em betrug. Dieses aus Müllergaze No. 20 hergestellte, einfach trichterförmige Netz wurde, am Ende einer mit Meterteilung versehenen Stange befestigt, bis in die Nähe des Bodens versenkt und in gleichmäßig langsamer Bewegung wieder vertikal heraufgezogen. Die primitive Konstruktion des Netzes und die Feinheit des Gewebes, dessen enge Maschen sich um so schneller mit Algen verstopften, je mehr Phytoplankton im See vorhanden war, bewirkten eine mit zunehmender Planktonmenge vermehrte Ver- drängung der zu filtrierenden Wassersäule. Ohne diese Fehlerquelle weiter zu be- rücksichtigen, entnahm ich meiner Sammlung von Planktonproben eine Anzahl solcher „Vertikalproben“ und füllte sie in gleiche Röhren aus Glas, die bis zum Rand mit Alkohol nachgefüllt wurden. Nachdem diese Röhrchen drei Wochen unberührt ge- standen hatten, wurde der Kubikinhalt des aus Plankton bestehenden Bodensatzes geschätzt und in die graphische Tabelle (Taf. V) eingetragen, indem das gemessene Rohvolumen auf Kubikzentimeter in 1000 Liter Wasser umgerechnet wurde. Wenn auch infolge der Nichtberücksichtigung zweier großer Fehlerquellen, erstens der oben erwähnten stärkeren Verdrängung der zu filtrierenden Wassersäule durch Verstopfung der Netzmaschen bei reichlich vorhandenem Phytoplankton und zweitens des Hin- durchschlüpfens kleiner Planktonalgen durch die Maschen des Netzes, die Resultate um so ungenauer werden, je mehr Phytoplankton vorhanden war, so geben doch die auf Taf. V über der Zeitabszisse errichteten Ordinaten einen ungefähren graphischen Ausdruck für die zu den angegebenen Zeiten gefundenen Plankton- mengen. Wäre es mir gelungen, für das von mir angewendete Planktonnetz die beiden recht bedeutenden und je nach der Zusammensetzung des Planktons wohl nicht immer konstanten Koeffizienten für Verdrängung?) (v) und Durchlassung (d) der in der zu filtrierenden Wassersäule vorhandenen Organismen zu berechnen und mit Hülfe der Formel «xXvxd, d. h. das gefundene Rohvolumen (a) vermehrt um den Betrag der durch Verdrängung und Durchlassung verloren gegangenen Planktonmenge, die Resultate der Schätzung zu korrigieren, so wären die Ordinaten noch länger geworden und zwar um einen Betrag, der ihrer angegebenen Länge ziemlich direkt proportional wäre. Da somit die von mir gefundenen Zahlen nicht der wahren Menge des in der filtrierten Wassersäule vorhanden gewesenen Planktons entsprechen, ist es unmöglich, auf Grund derselben auch nur eine annähernde Be- rechnung der im ganzen See vorhandenen Planktonmenge vorzunehmen. Sie können uns nur dazu dienen, über die Art der Volumschwankungen des Planktons im Laufe von vier Sommermonaten einige Auskunft zu geben. !) Hensen. Über die Bestimmung des Planktons. 5. Bericht der Kommission zur wiss. Untersuch. der deutschen Meere. Kiel 1887. 2) C. Apstein. Das Süßwasserplankton. Kiel und Leipzig 1896 und andere Schriften. °) Vergl. 0. Amberg. Beiträge zur Biologie des Katzensees. Inaug.Diss. Zürich 1900. p. 29—35. | | | | | Der Obersee bei Reval. 29 Bei der Auswahl der quantitativ zu schätzenden Proben habe ich es, wenn möglich, so eingerichtet, daß möglichst schnell nach einander aus dem östlichen und westlichen Teil des Sees gefischte Planktonproben mit einander verelichen werden können. Die voll ausgezogenen Ordinaten auf "Taf. V bezeichnen das Rohvolumen der aus dem östlichen und die unterbrochenen Linien das Rohvolumen der aus dem westlichen Teil des Sees entnommenen Proben (berechnet, wie gesast, auf cem in 1000 Liter Wasser). Aus dem nördlichen Teil, dieht vor der Ausflußschleuse, wurde nur eine Probe vom 23. August gemessen und das Resultat in Form der langen, gestrichelt punktierten Linie (— - — -) eingetragen. Vergleichen wir nun die meist an demselben Tage und oft sogar in derselben Stunde geschöpften Proben aus «(dem Osten (Ostrinne) und Westen (Westrinne) des Sees, so sehen wir, dab die westlichen Proben wenigstens ebenso viel (4. August), meist aber bedeutend mehr (25. Mai, 10./20. Juni, 15. Juli, 31. Juli und 23. August) Plankton enthielten, als die östlichen. Besonders auffallend tritt dieser Umstand zutage in der zweiten Hälfte des Monats Juli, und er ist offenbar bedingt durch die auch aus den Temperaturtabellen ersichtliche stärkere Erwärmung des Wassers im westlichen Teil des Sees. Das Anwachsen und Abnehmen der Planktonmenge im allgemeinen folgt nicht genau der in Taf. V B abgebildeten Temperaturkurve, denn die Vermehrung der in einem Gewässer ansässigen Planktonorganismen geschieht nieht immer direkt proportional der Wärme, sondern nimmt nach Überschreitung des Temperaturoptimums wieder ab. Auch im Obersee wurde von mir das erste Maximum der Plankton- vermehrung im Juni und Juli vor Eintritt der heißesten Tage beobachtet. Während aber die Wassertemperatur im See ihren höchsten Grad erreichte (31. Juli bis 4. August), hatte sich die Menge des Planktons auffallend verringert durch massen- haftes Absterben und Zubodensinken der Organismen, und erst nach Ablauf dieser kritischen Zeit erreichte die Planktonmenge wieder die frühere Höhe. Nieht unerwähnt lassen will ich die letzte Ordinate meines Planktondiagramms (Taf. V, durch Striche und Punkte dargestellt — - — - — ). Sie bezeichnet die leider einzige quantitative Vertikalprobe aus dem nördlichsten Winkel des Sees kurz vor der Ausflußschleuse und zeichnet sich durch ihre auffallende Länge aus. Die Schätzung und Berechnung ergab nämlich, daß hier (am 23. August) mehr als 52 cem Plankton in 1000 Litern Wasser (d. h. 52 cem X v» x d) gewesen sein müssen. Ich habe die interessanten Planktonverhältnisse hier vernachlässigen müssen, weil dieser Teil des Sees zu weit von meinem Laboratorium entfernt war, und kann deshalb kein Vergleichsmaterial aus anderen Monaten beibringen. Es muß wohl angenommen werden, daß hier in dem vor Winden noch am besten geschützten und von der Mittagssonne am intensivsten beschienenen Winkel des Sees (das Plankton sich reicher noch entfalten kann, als in der Mitte. Die an demselben Tage (23. August) im westlichen und östlichen Teil der südlichen Hälfte des Sees gefischten Proben enthielten nur halb so viel Plankton als jene Probe aus der Nordbucht. Die Farbe des Planktons ist im Mai und in der ersten Hälfte des Juni gelblich weiß wegen der überwiegenden Menge tierischer Organismen und wird später im Sommer gelblich bis bläulich grün. 30 Guido Schneider: Einen Beweis für die Richtigkeit des aus der Messung der Rohvolumina der Planktonproben und Vergleichung derselben gezogenen Schlußsatzes, daß während der wärmsten Tage, also nach Überschreitung des Temperaturoptimums, eine Ver- minderung der Planktonmenge eintrat, liefern mir die Untersuchungen über die Transparenz des Wassers. Die Kurve Z auf Taf. V gibt die graphische Darstellung der schon oben zu- sammen mit den beobachteten Wassertemperaturen in einer Tabelle aufgeführten Beobachtungen über die Durchsichtigkeit des Wassers in den Monaten April bis August. Die Kurve verläuft im Mai fast horizontal. Die Durchsichtigkeit ist zwar sehr gering im Vergleich mit anderen Gewässern (nur 100 em für einen weißen Teller von 24 em Durchmesser), fällt dann plötzlich während der Zeit des Auf- tretens der Wasserblüte sehr steil auf 60 cm und weiter auf 50 und 45 cm, um während der wärmsten Tage, in der ersten Augustwoche wieder bis auf 55 zu steigen. Diese plötzliche Zunahme der Transparenz des Wassers in der wärmsten Zeit fällt genau zusammen mit der oben beschriebenen und in Taf. V graphisch dargestellten Verminderung der Planktonmenge. Eine zweite Ursache, die neben dem reichlichen Plankton viel zur Verminde- rung der Durchsichtigkeit des Oberseewassers beiträgt, ist der Reichtum des Wassers an gelöster organischer Substanz. Im Oktober 1896 führte Cand. chem. F. Lehbert!) im Auftrag des Revaler Gas- und Wasserwerks mehrere Analysen aus und bestimmte unter anderem den Gesamtgehalt des Wassers an organischer Substanz in der Mitte des Obersees zu 28 Teilen in 100000 Teilen Wasser, während in einem Freibrunnen der Wasser- leitung fern vom See 14 Teile zur selben Zeit gefunden wurden. Apotheker R. Lehbert bestimmte während eines Orkans die Gesamtmenge der organischen Substanz im Wasserleitungswasser, das „tintenähnlich“ aussah, zu 58,6 Teilen in 100090 Teilen Wasser im Jahr 1897. So hohe Zahlen gehören jedoch zu den Ausnahmen und werden hervorgerufen durch Verunreinigung des Wassers mit Boden- schlamm infolge starker Winde. Mag. Paul Nass, der 1855 im Oktober das Wasser im Obersee auf organische Substanz analysierte, fand nur 11,06 Teile in 100000 Teilen Wasser. Diese Zahlen beziehen sich auf die Gesamtmenge der organischen Substanz im Wasser, also gelöste Stoffe + Plankton + eventuell Bodenschlamm. Es gibt aber auch zahlreiche Analysen des Oberseewassers und zwar nach Proben, die der Wasserleitung entnommen waren, in denen die gelösten Stoffe besonders berücksichtigt sind. So fand Apotheker R. Lehbert am 3. Sep- tember 1886 im unfiltrierten Leitungswasser 6,35, im filtrierten 4,1 Teile organischer Substanz, am 17. Oktober 1890 4,42, beziehungsweise 2,05 Teile in 100000 Teilen Wasser. Auf meine Bitte untersuchte mein Bruder, Leiter der chemischen Versuchs- station am Polytechnischen Institut zu Riga, Carl Schneider, eine Wasserprobe, die wir gemeinsam am 8. September 1905 der Wasserleitung in unserem Hause (Baltischporter Straße 5) entnahmen, sowohl auf die chemische Zusammensetzung ') Rudolph Lehbert. Die organischen Verunreinigungen des Oberen Sees. Revalsche Zeitung 1897 No. 274 (4. Dezember). Der Obersee bei Reval. 3 nach dem Filtrieren, als auch hinsichtlich der Farbe. Sein Bericht über die Analyse lautet: Analyse des filtrierten Wassers. Eigenschaften: geschmack- und geruchlos. Farbe — derjenigen einer gleich dicken Schicht einer 0,00918 prozentigen Kaliumbichromatlösung. SRReTBsotn verbrauch: Sure. u 0,0107, gr. O) pro Liter AND ampinuekstandesr een. 0,1464 grpro) 1 Liter olulae ss Ları OOTTE . nach Behandlung mit Ammonearbonat . . 0,1126 „ 4 4% FAT ON a en dee... Dicht, vorhanden EL TIEE SARITE ne ® ee ln 0 # KO nn 1.0002 pr, 1 Liter SEHWEIeISAnTeH(S OB) ne ORT Keselsdiira. oe rt ee ee ee 0 1\0\0|!> Kap Fa u ER nnerde er. ne OO Kalk co 0 0 fees ee re Br 0110737. | EEE EER TE IVO TIER Da ern 15 OO EN [care u ee u unbestimmt; Gesamthartesinn deutschen Graden a 27. 2.20... 6. Berechnen wir aus dem in der Analyse meines Bruders angegebenen „Sauer- stoffverbrauch = 0,0107 gr O pro 1 Liter“ die ungefähre Menge der gelösten organischen Substanz, so erhalten wir 0,214 gr im Liter oder 2,14 Teile in 100 000 Teilen Wasser, also eine Zahl, die gut übereinstimmt mit den von R. Lehbert 1856 und 1890 gewonnenen Resultaten. Eine solche Menge gelöster organischer Substanz, die etwa um das Zehnfache die Menge übertrifft, welche nach dem hygienischen Schema ein gutes Trinkwasser haben darf, könnte auf den ersten Blick den Anschein erwecken, als sei das Wasser des Obersees nicht nur nicht vorzüglich, wie ich es in der Tat bezeichne, sondern im Gegenteil recht schlecht. Gedenken wir aber des Umstandes, daß der Obersee sein Wasser aus Torfmooren zum größten Teil bezieht, und daß die gelbe Farbe des Wassers fast ausschließlich der Beimengung von Humussäuren zuzuschreiben ist, die einen schlechten Nährboden für Bakterien abgeben‘), so werden uns die hohen Zahlen nicht schreeken. Daß fäulnisfähige organische Substanz im Wasser des Obersees kaum gelöst vorkommt, beweist die völlige Abwesenheit gelöster stickstoffhaltiger Verbindungen. Das Verhältnis der anorganischen Salze und auch der Härtegrad sind sehr günstig. Seinen genügenden Kalkvorrat erhält das Wasser des Obersees hauptsächlich wohl durch Vermittlung von Quellen. Das Wasser der Quellen am Ostufer ist so stark kalkhaltig, daß es z. B. zum Verdünnen von Alkohol nicht zu brauchen war wegen des Niederschlags, den kohlensaurer Kalk auf dem Boden und an den Wänden der Flasche bildete. Das im Südwesten aus den Torfmooren rinnende Wasser ist !) Vgl. C. Metz. Mikroskopische Wasseranalyse, Berlin 1898. p. 285. BR) Guido Schneider: stellenweise sehr stark eisenhaltig, wie die Reaktion mit Ferrocyankali und Salz- säure bewies. Es gelangt aber nur wenig von diesem Eisen bis in die Wasser- leitung, «denn das meiste geht im sauerstoffreichen Wasser des Sees in unlösliches Ferrioxyd über. Der Ursprung des Bisens ist wohl im den verwitternden Geröll- steinen der Moränen zu suchen, «die sich im Westen und Süden vom Obersee reichlich finden. Zum Vergleich will ich hier eine von M. Kutscheroff!) ausgeführte Analyse des Wassers aus dem See Bologoje anführen, der in einiger Beziehung dem Ober- see Ähnlich ist. Er liegt in der Nähe der Eisenbahnstation gleichen Namens der Nikolaibahn in der Mitte zwischen St. Petersburg und Moskau inmitten der großen Moräste der Waldaigegend und ist sehr flach infolge immenser Schlammablagerung am Boden. Sein Wasser ist von gelblicher Farbe, schwach alkalischer Reaktion und schmeckt und riecht ein wenig nach Sumpfwasser. Die Zusammensetzung des Wassers ist folgende: Abdampirückstand > nr nr Zr 30.097 Srapron liter Glahruekstand 2 HA Em Ne ODE ze Ammoniak 5 nu ES MET 20 Salpetrige Säure . 2 . . . ......... nicht vorhanden Salperersauten Mu Re Er EEE puren Chlor E25 0NOEBeproeelnier Schwelelsanteg 0 ct 2 u lt ne. SENDE En e Kueselsaures Melanie ra a NR ROOT ee IEER Eisenoxyd + Tonerde . . . . . . .. micht vorhanden Kalka. min. zn. m Sue ER VDTZreTSprowlaITer Masnesia. or U Na ea ODE Alkaliens.s 41 Sl ee NN ITTER en Gesamthärte in deutschen Graden . . . 34°. Vergleichen wir die mineralischen Bestandteile im Wasser beider Seen, so finden wir, daß sich der Obersee vor dem Bologojesee vorteilhaft auszeichnet durch erößeren Kalkgehalt und geringeren Gehalt an Schwefelsäure. Organische Substanz findet sich in beiden Seen viel im Wasser gelöst, und trotz des Vorhandenseins von ein wenig Ammoniak und Salpetersäure erklärt Kutscheroff das Wasser des Bologojesees noch für „nieht unbedingt untauglich als Trinkwasser.“ '!) M. Kutscheroff. Analyse des Wassers vom Bologoje-See. Berichte der Biolog. Süß- wasserstation der K. Naturf. Gesellsch. St. Petersburg, Bd. 1, 1901, p. 260, 261 III. Der Schlamm. Die außerordentlich große Schlammasse, deren Menge und Verteilung im Ober- see bereits oben im ersten Kapitel nach den von Mickwitz gesammelten Daten r geschildert wurde, ist im Laufe der Zeiten entstanden zum Teil aus Sedimenten, welche die Zuflüsse dem See zugeführt haben. Zu dieser Kategorie gehört offenbar das lehmige Sediment, welches Mickwitz vor der Mündung des Cournalflusses feststellte. Eine andere Portion wird von Winden in den See geweht als Staub, Blätter, Heu, Stroh, Blütenstaub, Früchte und Samen verschiedener Gewächse. Die Menge Quarzsand, die dem Schlamm überall im See reichlich beigemengt ist, wird offenbar von den im Nordwesten den See umrahmenden hohen Flugsanddünen in das Wasser geweht. Drittens liefern die im See selbst absterbenden Tiere und Pflanzen ihren Beitrag zur Schlammbildung, da ihre festen unlöslichen Teile sich reichlich auf dem Seeboden ablagern. Besonders viel solchen organischen Schlammes liefern die großen Schilfbestände an den Ufern. Die Hauptquelle der Schlamm- bildung ist aber die Erosion der Ufer, die bei hohem Wasserstand gewaltige Mengen von organischer und anorganischer Substanz dem Bodenschlamm zuführt. Wie schon Mickwitz!) konstatiert hat, besteht der Schlamm im Obersee stellenweise wesentlich aus Resten abgestorbener Organismen, unter denen besonders die Kieselschalen von Diatomaceen zu nennen sind, und Sand, der von den Dünen herab in den See geweht wird. Die Farbe des Schlammes ist grüngrau oder bräunlich, stellenweise weißlich infolge seines Gehaltes an kohlensaurem Kalk organischer Herkunft. In feuchtem Zustand bildet der Schlamm, nach Mickwitz, „eine ungewöhnlich elastische Masse, die an Gummi elasticum erinnert.“ Im all- gemeinen ist die von Mickwitz gegebene Beschreibung des Schlammes, von dem er in der Lage war, eine große Anzahl Proben zu untersuchen, durchaus zutreffend. Hinsichtlich des Gehaltes an organischer Substanz bin ich aber doch zu einem abweichenden Resultat gelangt, insofern als ich nirgends Schlamm von rein organischer Herkunft im Obersee gefunden habe, sondern stets in mehr oder weniger starker Vermengung mit Flugsand. Allerdings stammen meine Proben nur von der Oberfläche der Schlammschicht und wurden teils direkt mit Wasserschöpfer oder Dredge geschöpft,teils aus dem Darm schlammfressender Fische (Abramis brama und Leueiscus rutilus) entnommen, während Mickwitz mit einem Erdbohrer durch die ganze Dicke des weichen Untergrundes reichende Proben sammeln konnte. 1) A. v. Mickwitz, Bericht über die Untersuchung des Obersees, p. 10 und 12, Archiv für Biontologie II. (1) 08. 3 34 Guido Schneider: Die größte Menge organischer Substanz enthält der Schlamm am Südwestufer, wo er hauptsächlich aus Blättern und Stengeln von Hypnum und Sphagnum be- steht. Die großen, viele Kubikmeter Torf mit Wurzeln von Pinus silwestris, Vac- einiumarten, Rubus chamaemorus ete. enthaltenden Quadern, die alljährlich längs dem ganzen etwa 2 km langen Torfufer in den See abstürzen, werden schnell vom Wasser zerfasert und zerrieben, und ihre Spuren in Form von Hypnum- und Sphagnumblättern finden sich über den ganzen See verstreut überall im Schlamm. Sehr reich an organischer Substanz ist ferner der Schlamm längs dem West- und Nordwestufer unterhalb der hohen Uferdünen. Hier sind es große, aus Arundo phragmitis, Graphephorum arundinaceum und Seirpus lacustris bestehende Schilf- diekichte, die jährlich den Schlamm vermehren helfen und deren Stengel, Blätter ete. man in allen Stadien der Zersetzung hier vorfindet. Siebt man eine größere Portion Schlamm von diesem Uferteil durch ein Fischnetz, so erhält man ein,bis mehrere Dezimeter lange Stücke von Halmen der oben erwähnten Gramineen und in großer Menge leere Schalen von Anodonta varzabilis. Bedeutend reicher als am ganzen westlichen Ufer ist der Schlamm mitten im Obersee an Sand. Mit unbewaffnetem Auge kann man allerdings schwer abschätzen, wieviel Sand ungefähr in der grauen bis graubraunen Masse sich findet, die als dicke Schieht jeden Gegenstand umhüllt, den man auf den Seeboden hinabsenkt. In feuchtem Zustand sind nämlich die organischen Bestandteile des Schlammes be- deutend voluminöser als nach dem Eintrocknen und verhüllen die reichliche Menge Sand, mit der sie vermengt sind. Trocknet man eine solche Schlammprobe.an der Luft, so erhält man einen harten Klumpen von der Farbe und Konsistenz des grauen quartären Lehms in lufttrockenem Zustand. Die Oberfläche solch getrock- neten Schlammes glitzert infolge der reichlichen Menge kleiner Quarzkörner des Sandes, den er enthält. Auf meine Bitte untersuchte Herr Mag. Sigurd Stenius Assistent für Chemie an der Hydrographisch-biologischen Kommission in Helsingfors, drei Schlammproben aus dem Obersee auf ihren Gewichtsverlust nach dem Glühen. ine von diesen Proben, die wir als Nr. 1 bezeichnen wollen, hatte ich am 2. Juni aus einer Tiefe von 3,5 m etwa 2 km südlich von der Nordspitze des Sees un- gefähr in der Mitte zwischen dem westlichen und östlichen Ufer mit einer eisernen Schöpfkelle entnommen. Eine andere Probe (Nr. 2) hatte ich aus 4 m Tiefe am 10. Mai ungefähr mitten im See auf der Linie vom Landgut Moik in nordwestlicher Richtung zu den Sanddünen mit derselben Schöpfkelle entnommen. Nr. 3 ist eine Probe, die am 10. Juni mit der Triangeldredge aus 3,5 m Tiefe. auf der Linie vom Landgut Moik nach Osten aus der Rinne entnommen wurde, die von der Mündung des Cournalflusses nordwärts zum Ausfluß sich hinzieht. Alle drei Proben hatten frisch eine dunkel graubraune Farbe, getrocknet aber waren sie lehmgrau. Sie wurden vom Mag. S. Stenius, jede für sich, folgendermaßen behandelt. Die luft- trockenen Proben wurden vorsichtig zerrieben und 5 g von jeder in einer Platin- schale abgewogen, in der sie während 4 Stunden einer Hitze von 100° C ausgesetzt wurden. Darauf wurden die Schalen mit ihrem Inhalt von neuem gewogen und alsdann geglüht bis ein konstantes Gewicht erreicht war. Das Resultat der Unter- suchung ist folgendes: EV Der Obersee bei Reval. 35 Probe Nr. 1 Nr. 2 Nr. 3 Gewichtsverlust bei Erwärmung auf 100°C 1,81% 6,61% 4,58 Gewichtsverlust beim Glühen 8.03, 107142222605 Rückstand nach dem Glühen ION ERST EUER 100% 100% 100% Die Untersuchung geschah am 15. und 16. Februar 1905, also 8—9 Monate, nachdem die Proben gesammelt und getrocknet waren. Obgleich sie während dieser langen Zeit in völlig gleicher Verpackung in demselben Kasten aufbewahrt worden waren, zeigte doch die Probe Nr. 2 einen bedeutend größeren Gehalt an hygro- skopisch festgehaltenem Wasser als die beiden anderen Proben. Vielleicht beruht diese Erscheinung auf einer größeren Menge von Moosresten, da sonst die absolute Menge organischer Substanz kleiner ist, als in der Probe Nr. 3. Der Rückstand war in allen drei Proben in der Hauptmasse Sand von gelblicher Farbe. Schwefelwasserstoffgeruch habe ich niemals an Schlammproben aus dem Obersee selbst wahrgenommen. Nur auf den in der ersten Hälfte des Sommers über- schwemmten Wiesen des Gutes Moik entsteht durch Zersetzung von Pflanzenteilen stellenweise reichlich ein Gas, das in Blasen entweicht und nach Schwefelwasser- stoff riecht. Während die im Schlamm enthaltene organische Substanz, wie wir oben sahen, am Westufer hauptsächlich aus Moos- und Gramineenresten sich bildet, entsteht sie am östlichen Ufer zum größten Teil durch Abrasion der Wiesenränder des Landgutes Moik bei Hochwasser und gleichfalls durch Absterben der die Schilf- diekiehte bildenden Gramineen (Arundo phragmites, Graphephorum arundinaceum, Seirpus lacustris und Seörpus paluster). Die feinen Wurzelfasern aus dem zer- waschenen Humuslager der Uferwiesen erblickt man im Frühjahr massenhaft im Wasser in der Nähe des Ostufers. Die größte Masse des die Mitte des Sees einnehmenden Schlammes setzt sich an der Oberfläche aus folgenden Bestandteilen zusammen, die man durch Siebe aus verschieden dichter Müllergaze und gröberen Geweben, z. B. Jutestoff, Fisch- netz u. S. w., von einander trennen kann. Siebt man den Schlamm durch die feinste Müllergaze (Nr. 20), so entweicht sehr feiner Sand und hauptsächlich eine sehr feine Substanz von schwarzbrauner Farbe, die zum größten Teil wohl aus den abgestorbenen Zellen der die Wasserblüte bildenden Algen (Clathrocystis aeruginosa, . Mierocystis und Anabaenaarten) besteht. Verwendet man ein gröberes Filter, so passieren durch dasselbe noch zahlreiche andere Überreste von kleinen Pflanzen und Tieren, die meist dem Plankton angehören. Es würde hier zu weit führen, alles aufzuzählen, was ich an Resten von Planktonorganismen im Schlamm des Obersees gefunden habe. Es dürfte eine teilweise Wiederholung der in einem späteren Kapitel über das Plankton befindlichen Listen aller Planktontiere und -pflanzen werden. Ich will hier nur einige besonders häufige und charakteristische Schlamm- bildner aus der Zahl der Planktonwesen herausgreifen. Da finden wir in erster Linie Pediastrum und Reste anderer Algen in großer Menge; ferner Schalen und Ephippien von Cladoceren, namentlich die charakteristischen Schnäbel von Bosmina coregoni, Panzer von Rotatorien u. s. w. 3* 236 Guido Schneider: Andere sehr charakteristische Bestandteile unter diesen feineren Schlamm- körnchen sind Fichtenpollenkörner, Teile von Hypnum und Sphagnum und stark zerkrümelte Reste von Phanerogamen, hauptsächlich Gramineen, und von Schalen der Anodonta variabihs. Siebt man eine größere Menge Schlamm durch ein sehr weitmaschiges Gewebe, z.B. ein Fischnetz, so erhält man neben mehr oder weniger heilen Schalen von Ano- donta variabilis, Fichtenzapfen, Stücke von Zweigen und Wurzeln verschiedener Bäume und Sträucher, namentlich aber große Mengen von Arumdo phragmites, Graphe- phorum arundinaceum, Seirpus- und Carexarten in allen Stadien allmählicher Zer- störung. Läßt man eine Portion frisch mit der Dredge gehobenen Schlammes mit Wasser bedeckt einige Stunden in einer flachen Schale stehen, so sammeln sich an der Oberfläche zahlreiche schlammbewohnende Tiere an. Das wie ein beständiger Regen auf die Oberfläche des Schlammes niederfallende absterbende Plankton ist für diese Schlammbewohner eine sehr reichliche Nahrung. In erster Linie fallen durch ihre leuchtend rote Farbe die bis 4 cm langen Larven von Ohironomus plumosus auf. Daneben finden sich auch andere, kleinere Chironomidenlarven und Larven aus anderen Insektengruppen. Von limicolen Anneliden ist Tubifex viwulorum nament- lich in der zweiten Hälfte des Sommers überall im Schlamm reichlich anzutreffen. In seiner Nähe finden sich stets freilebende Nematoden, Dorylaimus stagnalıs Duj., von denen ich sowohl Weibchen, als auch Männchen in großer Zahl beobachtete. Ein sehr charakteristischer Schlammbewohner ist ferner das rhabdocoele Turbellar Plagiostoma lemani Dupl., ein bis 4 mm langer, weißer Wurm, der stellenweise auf dem Schlamm in großen Mengen vorkommt. Soweit gelangte ich bei der Untersuchung frischer und getrockneter Schlamm- proben. Wie man aber im Ozean oft Tierformen, z. B. Cephalopodenarten, in un- eeahnter Fülle und Mannigfaltigkeit findet, wenn man den Darm der Walfische') durchsucht, während sonst einige Arten dieser Tintenfische im offenen Meer nur selten oder nie mit Trawls und Planktonnetzen erbeutet werden, so ergab auch die Untersuchung des Darminhalts schlammfressender Fische in unserem Fall über- raschende Resultate. Weder im Plankton, noch in den obersten Schlammschichten oder in der Uferzone konnte ich mit Planktonnetz und Dredge mehr als nur einige vereinzelte Exemplare der Gladocerenspezies Lynceus affinıs auffinden, die aber einen wesentlichen Bestandteil der Nahrung 15 bis 30 em langer Brachsen (Abra- mis brama) im Obersee bildet. Daß Zymceus affinis in der Tat im Schlamm und nicht im Plankton lebt, beweist, abgesehen von seiner Abwesenheit in fast allen Planktonproben, der Umstand, daß im Brachsendarm diese Cladocere stets zusammen mit Tubifex riwulorum, Dorylaimus stagnalis und anderen echten Schlammtieren, ferner mit Sand, Moosblättern, Bodendiatomaeeen u. s. w., also mit deutlichen Schlammbestandteilen gefunden wurde. Auch kann man nicht annehmen, daß die im Brachsendarm gefundenen Zymneeus affinis Leyd. nur leere Schalen waren, die schon den toten Bestandteilen des Schlammes angehörten, denn es fanden sich namentlich im Vorderdarm zahlreiche Exemplare, die so wohlerhalten waren, als ') Vgl. Fürst A, v. Monaco. Eine Seemannslaufbahn. Berlin 1903. p. 160 fi. Der Obersee bei Reval, 37 ob sie soeben lebend verschluckt worden wären. Ich glaube, aus diesen Erfahrungen schließen zu dürfen, dab Zymceus affinis ein ständiger Bewohner des Schlammes im Obersee ist, der stellenweise sehr häufig vorkommt und in gewisser Tiefe im Schlamm wühlt. In weit geringer Anzahl fand ich neben Zynceus affinis im Darm der Oberseebrachsen den Zynceus quadrangularıs ©. F. M. und Ostracoden. Überhaupt findet man im Fischdarm gewisse Bodentiere viel bequemer als im Schlamm, wo sie sich mit weit größeren Quantitäten von totem Detritus mengen, und ich kann diese Methode der Schlammforschung nur angelegentlichst empfehlen. So beweist z. B. auch die Anwesenheit zahlreicher Reste von Pisidien und jungen Anodonten im Darm, daß die Brachsen diese kleinen Muscheln, die in den Dredge- proben nur äußerst selten gefunden wurden, mit Erfolg aufzusuchen verstehen. Von erwachsenen Anodonta variabılıs gelang es mir ungeachtet der großen Menge von Schalen, die jeder Zug mit der Dredge oder dem Fischzugnetz herauf- befördert, kein einziges lebendes Exemplar auf diesem Wege zu erhalten. Die ersten lebenden Exemplare fand ich erst im Spätsommer 1905 bei sehr niedrigem Wasserstande, als weite, im Jahr vorher mit Wasser bedeckte Uferstrecken trocken gelegt waren, die ich wie einen Ebbestrand nach Bodentieren absuchen konnte. Von schlammbewohnenden Rhizopoden wurden bisher im Obersee außer Arcella vulgaris 17 Arten von Difflugien gefunden, deren genaue Bestimmung ich Dr. K. M. Levander verdanke und die im Kapiıel über die Fauna des Obersees namhaft gemacht werden sollen. IV. Die Vegetation. In seiner höchst anziehend geschriebenen „Flora der Umgebung Revals“ schildert Edmund Russow') die Pflanzenwelt des Obersees und seiner Umgebung folgender- maßen: „Der schmale Wiesensaum von der Papierfabrik bis zum Moikschen Kruge ist ausgezeichnet durch das häufige Vorkommen von Inula britannica und Trifolium hybridum; zerstreut wachsen hier: Melilotus macorrhiza und Malachium aquaticeum; hart am Ufer: Heleocharis palustris und uniglumis, Polygonum terrestre und lapa- thifolium, im Wasser Potamogeton heterophyllus. Dagegen ist das SO.-Ufer des Sees in seiner ganzen Ausdehnung mit hohen Phragmites-Stauden, Festuca borealis?) und Seirpus lacustris bewachsen, die stellenweise bis über eine viertel Werst vom Ufer mit ihren Rispen über die Oberfläche des Wassers hervorragen. Ferner zieht sich diesem Ufer entlang ein sandiger Wall, der bis auf eine kurze Strecke in der Nähe des Gutes Moik mit Salix bicolor, nigricans und Caprea bebuscht ist, unter deren Schutz Calamagrostis epigeios, Veronica longifolid, Lysimachia vulgarıs, Ptar- mica vulgaris und cartilaginea, Spiraea Ullmaria, Epilobium amgustifolium und hirsutum, Iris Pseud-Acorus und Phalaris arundinacea gedeihen, beide letztere an Gräben, die den Wall durchschneiden. Wo das Weidengebüsch fehlt, bedeckt den trockenen, sandigen Boden: Braya supina, Potentilla salisburgensis, Ranumeulus polyanthemus, Dianthus deltoides, Armeria elongata, Carex hirta, Bromus arven- sis und Botrychium Lrmaria; an feuchten Stellen, die vom Wasser bespült werden, findet sich Ranuneulus reptans. Auf den sumpfigen Wiesen von der Dörptschen Straße bis zum Gute Moik treten Cnidium venosum und Thalietrum simplex hervor in Gräben und an überschwemmten Stellen: Nasturtium amphibium mit seinen Varietäten, Hottonia palustris, Utrieularia vulgaris und intermedia. Von dem sandigen Uferwall erstrecken sich nach $ bis zu den feuchten Busch- wiesen Cournalls und dem Hochmoor in Sauss, zwischen dem Strich sumpfiger Wiesen, der sich von Moik bis Coumall hinzieht und dem Nadelwalde, der sich vom Ristischen Kruge zu beiden Seiten der Raudiaschen Straße bis an die Grenze des Gebiets erstreckt, Grasmoräste, die zum Teil strauchlos, zum Teil, namentlich zum Rande des Waldes hin, mit Betula alba und pubescens, Salix Lapponum, rosmarinifolia, einerea und bicolor und Myrica gale bestanden sind, letztere in Sauss. Die schwankende Decke dieser Moräste setzen folgende Cyperaceen zusammen: ') E. Russow. Flora der Umgebung Revals. Archiv für die Naturkunde Liv-, Est- und Kur- lands, 2. Serie, Bd. III 1862. p 39—42. ?) Festuca borealis M. et K. = Graphephorum arundinaceum Aschs, Der Obersee bei Reval. 39 Carez teretiuscula, chordorrhiza, filiformis, limosa, flava, Oederi, strieta, vulganıs, Eriophorum amgustifolium, alpinum und vaginatum, deren Rhizome mit Sphagnum aeutifolium, Hypmum adumeum, flwitans, stramineum und giganteum zu einem dichten Filz verwebt sind; von höheren Pflanzen gesellen sich hinzu: Menyanthes trifoliata, Comarum palustre, Calla palustris, Triglochin palustre, Pedieularis palustris und inter- media. Mitten «durch diese Grasmoräste windet sich in zahllosen kleinen Krüm- mungen ein Gewässer, das kurz vor der Ausmündung,in den oberen See aufgestaut wird, so daß die mit Typha angustifolia, Phragmites, Festueca borealis, Seirpus lacustris, Rumex Hydrolapathum, Sium latifolium und Ranumeulus Lingua bewachsenen Ufer durchaus unzugängig sind; auf dem Bache kann man nur mühsam sich auf kleinen, flachbödigen Fischerböten durch das diehte Gewirre von Nymphea alba, Nuphar luteum, Stratiotes aloides, Potamogeton natans, Tucens, rufescens und hetero- phyllus weiter bewegen; oberhalb dieser überschwemmten Stelle finden sich im Bache: Hottomia palustris, Utrieularıa vulgaris, Myriophyllum spieatum, Callitriche vernalis und hamulata und Chara vulgaris').* Auf den Hochmooren in der Umgebung des Obersees, deren Boden vorzugs- weise von Sphagnum acutifolium gebildet wird, finden sich, nach Russow, als be- sonders charakteristische Pflanzen: Ledum, Andromeda, Rubus Chamaemorus, Vacei- mium uliginosum, Scheuchzeria palustris und Kiefern. Auf den weiten Sandflächen und den Dünen am Westufer wächst Zlymus arenarius L. Diese vor etwa vierzig Jahren von unserem hervorragendsten baltischen Bota- niker gegebene Beschreibung paßt in ihren großen Zügen auch noch heute für die Ufervegetation des Obersees, wenn wir von geringen Veränderungen im Lauf der seither verflossenen Jahre, z. B. der Einwanderung und Einschleppung von Wiesen- unkräutern, dem Breiterwerden der Schilfwiesen und der Bepflanzung der Sand- dünen mit Kiefern, absehen. Ohne weiter auf diese Veränderungen in der Flora der Umgebung des Obersees einzugehen, wende ich mich der Beschreibung der eigentlichen Wasserflora zu, wie sie sich im Sommer 1904 mir darstellte. Eine sehr wichtige Rolle nicht nur in biologischer, sondern namentlich auch in ökonomischer Hinsicht spielen in unserem See die Wasserblüte bildenden Algen, weil sie durch massenhaftes Einströmen in die Wasserleitung das Trinkwasser der Stadt Reval verunreinigen. Im Jahr 1396 beobachtete Miekwitz ein starkes Auf- treten von Wasserblüte im Obersee?): „es bildete sich, wahrscheinlich infolge der starken Erwärmung der Wasseroberfläche durch die Sonne, eine feine, grüne Algen- vegetation, bestehend aus der zur Familie Nostocaceae gehörenden Anabaena flos aquae in so kolossaler Menge, daß nicht nur alles Wasser im See grün wurde, sondern auch die Oberfläche des Sees sich mit einer rahmartigen Schicht der er- wähnten Pflanzen bedeckte. Obgleich im folgenden Jahr das Auftreten der kleinen Pflanzen bedeutend geringer war, gab doch die Qualität des Wassers Veranlassung zu vielen und gerechten Klagen, weil die absterbenden Algen dem Wasser einen !) In dem systematischen Pflanzenverzeichnis auf p. 110 der zitierten Arbeit wird die Characee als Chara fragiis Desv. von Russow aufgeführt mit der Fundortsangabe: „Im Zufluß des oberen Sees!“ 2) A. v. Mickwitz, Bericht über die Untersuchung des Obersees im Jahr 1898 p. 1, 40 Guido Schneider! unangenehmen Geruch und Geschmack verliehen.“ Über die ihm von Mickwitz zugesandte Wasserprobe gab Professor Edmund Russow ein schriftliches Gut- achten!) ab, das vom 20. September 1896 datiert, folgendermaßen lautet: „Die mir von dem Herrn Stadtingenieur Aug. Miekwitz übergebene Wasserprobe aus dem Oberen See bei Reval ist erfüllt von einer mikroskopischen Alge aus der Gruppe der Spaltalgen, Familie der Nostocaceae, der sogenannten Wasserblüte Anabaena flos aquae. Diese Alge ist infolge ihres Clorophyll- (Blattgrün-) gehaltes nicht ge- sundheitsschädlich wie die nahe verwandten nicht grünen Mikroorganismen, doch kann sie durch rapide Vermehrung, was zu Zeiten aus noch nicht aufgeklärten Ursachen geschieht, sehr lästig werden und soll sogar dann den Fischen gefährlich werden können. Eine Vertilgung erscheint unausführbar ohne das Wasser zu ver- giften. Eine Vermehrung in den Wasserleitungsröhren ist ausgeschlossen, da diese Algen, wie alle grünen Pflanzen, direkt vom Licht abhängig sind. Wahrscheinlich waren die Witterungsverhältnisse (Temperatur und Insolation) des verflossenen Sommers besonders günstig der Entwicklung besagter Alge, und da kein Sommer dem andern gleicht, so ist nicht zu befürchten, daß im nächsten Jahre oder in der Folge die Alge in gleicher Massenhaftigkeit auftreten werde.“ Wir werden im weiteren die Ursachen kennen lernen, weshalb sich Russow’s Hoffnung auf Ver- minderung oder Schwinden der Wasserblüte im Obersee nicht erfüllt hat. Apotheker Rud. Lehbert teilt in einem kleinen Aufsatz über Mikrophoto- graphie?) mit, daß er „von Anfang 1897 bis 1903 etwa 400 Negative von inter- essanten Planktonteilen“ angefertigt hat. Das Material entnahm er seinem Wasser- leitungshahn und stellte fest, daß Anabaena „etwa zu Anfang März bis zu ihrem nahezu völligen Verschwinden im Oktober“ * gefunden wurde. In einer früheren Publikation°) berichtet Lehbert, daß er schon vor dem Jahre 1896 zu verschie- denen Malen das aus dem Obersee stammende Wasserleitungswasser mikroskopisch untersucht und fast zu jeder Zeit Vertreter derselben Formen von Algen, die auch jetzt darin vorkommen, gefunden habe, ohne aber damals Anabaenen zu bemerken. Er nimmt deshalb an, daß Anabaena flos aquae entweder anfangs in ganz beschei- denen Verhältnissen am sumpfigen Ufer bei Liiwa vorkam und erst infolge starker Abbröckelung jenes Ufers im Jahr 1895 in größerer Menge in den See gelangte und hier so ungeheuer stark sich verbreitete, daß das Wasser in den Jahren 1896 und 1897 in der zweiten Hälfte des Sommers und den Herbst über trüb und grün gefärbt erscheinen konnte, oder aber „aus einem vielleicht sehr weit vom See ab- gelegenen Graben, Teich oder Tümpel, der etwa schon lange eine Wohnstätte der Wasserblüte bildete“, durch Ableiten oder zufälligen Abfluß in den Obersee ge- bracht wurde. Ich kann mich dieser Auffassung nicht anschließen, sondern muß annehmen, daß Wasserblüte bildende Algen, die z. B. in Finland schon seit langer Zeit in kleinen und großen Seen beobachtet worden sind, auch lange schon den Obersee 1!) Eine Kopie dieses Briefes, der sich bei den Akten des Revaler Gas- und Wasserwerks befindet, verdanke ich Herrn H. v. Winkler. 2) R. Lehbert, Einiges über Mikrophotographie. Pharmaceutische Centralhalle 1905, Nr. 5, p. 585—588. ®) R. Lehbert, Die organischen Verunreinigungen des Oberen Sees. Reyvalsche Zeitung 1897, Nr. 274. Der Obersee bei Reval.- 41 bevölkerten, in welchem allerdings die Lebensbedingungen für sie mit jedem Jahr sich günstiger gestalteten, je mehr der Spiegel des Sees sich nach Süden und Osten ausbreitete durch Abrasion der Ufer und die Tiefe durch Schlamm- und Sandablagerung auf dem Boden abnahm. Übrigens ist Anabaena flos aquae weder die einzige, noch die wichtigste Wasserblütenalge im Obersee. Außer ihr, die zu- erst von Russow sicher bestimmt wurde, kommen, wie wir im Kapitel über das Plankton ausführlicher sehen werden, noch zwei andere Arten von Anabaena, näm- lich A. eireinalis und A. levanderi viel häufiger vor, ferner Olathroeystis aeruginosa und andere Chroococcaceen. Es ist daher gar keine Hoffnung vorhanden, daß diese Wasserblüte bildenden Algen alle schwinden, oder auch nur sich stark vermindern werden, solange der See immer seichter und infolgedessen immer schneller und stärker während der warmen Jahreszeiten durchwärmt wird. Der Sommer des Jahres 1904, der sich durch ganz exzeptionell kaltes und stürmisches Wetter aus- zeichnete, brachte trotzdem die Wasserhlüte zur schönsten Entwicklung. Besonders war es Clathroeystis aeruginosa, die das Wasser des Obersees erfüllte und den Hauptbestandteil der Wasserblüte ausmachte. Die Anwesenheit der letztgenannten Blaualge zeigte sich schon dem unbe- waffneten Auge deutlich durch Symptome, die ©. Apstein!) sehr treffend in fol- gender Weise schildert: „Wenn Olathrocystis ihre Hauptvegetationszeit hat, dann sammelt sie sich bei ganz windstillem Wetter direkt an der Oberfläche des Wassers an, man sagt, das Wasser „blüht“. Im Dabersdorfer See habe ich am 24. Ok- tober 1891 die Wasserblüte sehr gut beobachten können. Kein Lüftchen regte sich, als ich auf den See hinausruderte, der wie mit einem zarten, grünen Schleier bedeckt war. Erst als ein leiser Luftzug sich bemerkbar machte, zerriß dieser Schleier aber nicht beliebig, sondern es bildeten sich senkrecht zur Windrichtung Streifen von geringer Breite, die sich natürlich auf die äußerste Oberfläche be- schränkten. Erst bei weiter zunehmender Luftbewegung, bei der kleine Wellen entstanden, verschwanden die Streifen, und man sah die Olathroeystis von der Oberfläche verschwinden und in geringer Tiefe schweben.“ Eine ganz ebensolche Erscheinung beobachtete ich am 6. August, einem der seltenen windstillen Tage des Sommers 1904. Clathroeystis aeruginosa hatte sich, vermischt mit Anabaena- arten an der Oberfläche gesammelt und bedeckte in langen, etwa 2 bis 3 cm breiten Streifen den ganzen See. Sah man näher zu, so konnte man überall in und zwischen den Streifen kleine Wirbelbewegungen sehen. Es waren zahllose Exemplare von Leptodora kindti, die ebenfalls an die Oberfläche gestiegen waren und durch ihre stoßweisen Ruderbewegungen diese Wirbel veranlaßten. Im Darm einiger Exemplare von Leptodora und anderen Cladoceren fand ich, was auch schon Apstein bei Daphniden beobachtet hat (1. c.), Anabaena flos aquae und andere Blaualgen als Nahrung. Vielleicht sind es die massenhaft namentlich auf Anabaena flos aguae verankerten Vorticelliden, welche den Cladoceren und anderen Planktontieren den Genuß von Wasserblütenalgen schmackhaft und begehrenswert machen. Auch im Darm kleiner Fischjungen fand ich sowohl Anabaena, als auch Olathrocystis, namentlich bei Zeueiseus rutilus.?) 1) Carl Apstein, Das Süßwasserplankton. Kiel und Leipzig. 1896. p. 135. 2) Vgl. S. Strodtmann, Über die vermeintliche Schädlichkeit der Wasserblüte. Forschungs- berichte. Plön. Teil 6, 1898, Abt. II, p. 206—212. 2 Guido Schneider: Nach dem 6. August sammelten sich bei mäßig starkem Winde an dem über dem Wind liegenden Ufer dieke Massen von Clathrocystis und Anabaena an, die als grüne, teils blaue, flottierende, mehrere Meter breite und von der Oberfläche bis an den Boden reichende Bank den dem Winde ausgesetzten Teil des Ufers umsäumten. Die bei starkem Wind ans Ufer geworfene und abgestorbene Wasser- blüte wird schwarzbraun, und auch der sehr reichlich bei Sturm auf dem Obersee sich bildende Schaum, der sonst in schneeweißen Ballen ans Ufer getrieben wird, erscheint zuweilen blau oder schwärzlich grau, wenn er viel abgestorbenes Plankton, namentlich Wasserblüte enthält. Die übrigen im Plankton vorkommenden Algen sollen zusammen mit dem ganzen Plankton des Obersees in einem späteren Kapitel eingehend besprochen werden. Hier mag nur noch zweier für den Obersee sehr typischer Formen Erwähnung getan werden. Diese sind erstens Pediastrum kawraiskyi Schmidle und andere Arten des Genus Pediastrum, die überall massenhaft im ganzen See und im Boden- satz des Revaler Wasserleitungswassers zu finden sind und zweitens Meridion eirculare (Grev.) Ag. Meridion circulare kommt ebenfalls überall zahlreich im See vor, bevorzugt aber insbesondere solche Stellen, wo am Boden des Sees Quellen entspringen. Hier wird die oberste Schicht des Bodenschlamms fast nur aus lebenden und toten Exemplaren dieser Diatomacee gebildet, und an der dunkel- olivbraunen Farbe, welche den massenhaften Anhäufungen dieser Spezies eigen- tümlich ist, kann man, falls das Wasser durchsichtig genug ist, die Stellen er- kennen, wo sich Quellen finden. Ungeachtet der großen Einförmigkeit, die, wie wir sehen werden, in der Ver- teilung des Planktons über den ganzen Obersee herrscht, und die eine Folge der geringen Tiefe und abgerundeten, fast buchtenlosen Form des großen Seebeckens ist, können wir unter den Pflanzen, abgesehen von der Mehrzahl der Planktonalgen, doch eine Uferflora deutlich feststellen. Diese finden wir überall, wo mehr oder weniger diehte Schilfbestände längs den Ufern wachsen, in deren Schutz die Ufer- formen gedeihen können. Nach den in ihnen vorherrschenden Phanerogamen können wir in der Uferzone des Obersees folgende Regionen unterscheiden: 1. die Carexregion, 2. die Region von Graphephorum arundinaceum und 3. die Region von Arundo phragmites. Diese drei Regionen sind an den verschiedenen Stellen des Ufers sehr verschieden breit und umfassen keineswegs als drei geschlossene konzentrische Ringe den_ ganzen See, sondern sind auf mehr oder weniger lange Strecken einzeln, oder alle drei gleichzeitig völlig unterbrochen. Dicht am Ufer findet sich die Carex- region. Sie bildet, wenn man von den Überschwemmungsgebieten bei Hochwasser ab- sieht. einen sehr schmalen Streifen, der nur am Süd-, Südost- und Nordostufer, namentlich in der Nähe der beiden Bachmündungen in längerer Ausdehnung zu sehen ist. Außer Carexarten kommt in dieser Region stellenweise Zquisetum limosum L. in größerer Menge vor. Utricularia vulgaris L. kommt in den Mün- dungen kleiner, halbversandeter Wiesengräben am Südostufer vor. Ferner wachsen in der Carexregion, also im Wasser, Gräser, deren Wurzeln durch Zerstörung des Wiesenrasens durch Hochwasser hierher gelangt sind, die aber weder blühen, noch Früchte tragen. Die Wassertiefe beträgt in der Carexregion O bis 25 cm bei nor- malem Wasserstand. | | Der ÖObersee bei Reval. 43 ‚Weiter ab vom Ufer folgt auf die Oarexregion die Region von Graphephorum arundinaceum, welche für den Obersee besonders charakteristisch ist. Sie breitet sich in der Zone von 25 bis 150 cm Wassertiefe weithin aus und ist namentlich nordöstlich von der Mündung des Cournalflusses, im Süden, Westen und Osten zu finden. Die Graphephorumregion ist gegen die nächstfolgende Region von Arundo phragmites nicht scharf abgegrenzt. Die größte Breite beider Regionen zusammen dürfte etwa 1 km betragen, und sie findet sich im Südwesten des Sees. Graphephorum arundinaceum Aschs. bildet sehr dichte Bestände, entfaltet seine Rispen in der zweiten Hälfte des Juni und gedeiht sowohl auf Sand und Lehmboden, als auch auf Torf. Seirpus paluster L. kommt in dieser Region nicht selten vor, und stellenweise wechseln weite Strecken mit Polygonum amphibium L. ab mit den Graphephorumbeständen. In tieferem Wasser sieht man schon Büschel von Arundo phragmites L. neben solchen von Graphephorum auftreten, und in 150 bis 250 cm tiefem Wasser auf Sand oder Schlammboden ist die Haupt- verbreitungszone von Arundo, die aber weder an Breite, noch an Länge der Graphephorumrxegion gleichkomnt. Arundo phragmites L. erhält etwa zwei Wochen später Rispen als @Graphephorum arundmaceum Aschs. Gelegent- liche Begleiter des Schilfrohres sind Seirpus lacustris L., Potamogeton praelongus Wulf. und Potamogeton perfohatus L. Die estnischen Fischer am Obersee nennen Arumdo phragmites wegen der stattlichen dicken Halme „pilliroog“, d. h. Pfeifen- rohr, im Gegensatz zu Graphephorum arundinaceum, das sie „roog“ nennen. Da die gewaltigen aus Graphephorum arumdinaceum und Arundo phragmites bestehenden Wiesen bisher nicht abgeerntet wurden, sondern alljährlich nach dem Absterben die Halme von Eis und Wogen zerbröckelt und zerrieben einen beträcht- lichen Zuschuß zur Schlammbildung lieferten, habe ich dem Revaler Stadtamt geraten, es solle „jedes Jahr zur Zeit des niedrigsten Wasserstandes, also im September“, die Schilfwiesen abmähen und die abgemähten Gräser fortführen lassen.) Als ich übrigens am 30. September 1904 eine Exkursion an den Obersee machte, konnte ich feststellen, daß an einigen Stellen am Südufer G@raphephorum arundinaceum von Rindern abgeweidet war, deren Spuren deutlich im Ufersande zu sehen waren. Wenn Kühe freiwillig im Herbst im kühlen Wasser stehen, um dort zu weiden, so kann man wohl mit Recht annehmen, daß sie es nicht eines unschmackhaften Grases wegen tun. Während die lebenden Halme von Graphephorum arundinaceum und Arundo phragmites im Obersee meist frei von ansitzenden kleineren Pflanzen und Tieren sind, bedecken sich die abgestorbenen, aber noch aufrecht stehenden Halme bis zum Wasserspiegel im Frühjahr mit einem diehten Pelz von Diatomaceen (Gom- phonema olivaceum, Cymbella eaespitosa, Tabellaria u. a.) und Vorticelliden, zwischen denen Hydra vulgaris, Rotatorien (Rotifer vulgaris, Colurus umeinatus, Fureularia forficula) und zahlreiche Infusorien leben. Die im Obersee vorkommenden Potamogetonarten lassen sich nieht gut in das oben skizzierte Schema der drei Uferregionen und ihrer Vegetation einfügen, weil sie auch dort, wo sie nah am Ufer vorkommen, freies Wasser ohne Gramineen- ) Guido Schneider, Ein Vorschlag zur Reorganisation der Bewirtschaftung des Obersees bei Reval. 1904. p. 9. 44 Guido Schneider: vegetation bevorzugen. Nach einer schriftlichen Mitteilung des Herrn Max von zur Mühlen, des sehr verdienten Sekretärs des Livländischen Fischereivereins in Dorpat. der die Güte hatte, die von mir im Obersee gesammelten Pflanzen zu be- stimmen, fanden sich in meiner Sammlung hauptsächlich fünf Arten von Potamogeton, nämlich P. gramineus L., P. perfoliatus L., P. praelongus Wulf., P. lucens L. und P. filiformis = marinus L.. Potamogeton gramineus, der sich im Obersee durch auf- fallend große Blätter auszeichnet, und P. perfoliatus sind sehr gemein an allen Ufern. Weniger verbreitet sind P. praelongus und P. lucens. Ersterer kommt zusammen mit P. perfoliatus in der Arundoregion vor, erstreckt sich aber noch weiter hinaus in das offene Wasser, letzteren, nämlich ?. lucens, fand ich nur in der Mündung des Cournalflusses. P. filiformis fand ich nur auf den am Ostufer zutage tretenden silurischen Kalkschichten und zwischen Kalksteingeröll. Im all- gemeinen sind die Potamogetonbestände des Obersees im Vergleich zu anderen Gewässern dürftig zu nennen. Die Blütezeit der Potamogetonarten begann im Sommer 1904 nicht vor dem Monat Juli. Am 12. Juni 1595 erhielt Dr. Al. Luther mit der Dredge im nördlichen Teil des Sees eine Anzahl Hibernacula von Potamogeton crispus L., einer Art, die demnach wohl auch noch im Obersee anzutreffen sein dürfte, obgleich sie mir beim Botanisieren entgangen ist. Die Hibernacula gleichen sonst der Zeichnung, die C. Raunkiär!) von ihnen gibt, besitzen aber weniger Blätter. In vereinzelten Exemplaren fand ich am Südufer Nuphar luteum Sm. und am Ostufer Stratiotes aloödes L. Potamogeton perfoliatus und noch mehr P, praelongus dienen reichlichen Algen- massen als Anheftungspunkt. Proben solcher an den Stengeln, Blättern und Blüten von P, praelongus befestigten Algenbüscheln übersandte ich Herrn Dr. K. E. Hirn in Jyväskylä, der die Liebenswürdigkeit hatte, sie mir zu analysieren. Cladophora glomerata (L.) Kütz. mit reichlichem Überzug von Diatomaceen (Gomphonema, Oym- bella u. a.) und Pediastrum boryanım Ehbg. bildete die Hauptmasse dieser Algen- vegetation. Daneben fanden sich noch Arten von Zygnema und Spirogyra, die nicht bestimmt werden konnten, weilihre Fädensteril waren. Eine ähnliche Zusammensetzung zeigten auch die langen, grünen an Steinen und Pfosten fottierenden Algenbärte. Nach Dr. Hirns Untersuchung bestanden sie zum größten Teil aus Cladophora glomerata (L.) Kütz. im „status ramosus“?), die oft einen diehten Überzug von Diatomaceen (Gomphonema u. a.) tragen. Daneben fanden sich in meinen Proben sterile Spirogyren S. inflata (Vauch.) Rab. und Zygnema sp., zahlreiche Diato- maceen und vereinzelt Anabaena flos aquae Breb., Pediastrum boryanım Ehbg., Cosmarium meneghimi Breb. und Oedogontum oblongum Witte. An Kalksteinstücken, die stellenweis das östliche Ufer dicht bedecken, fand ich in Menge eine graugrünliche Alge, die durch starke Kalkinkrustation die Kon- sistenz eines Kalkschwammes besitzt. Dr. K. M. Levander bestimmte mir diese Alge als Rivularia haematites D. C. Am Schluß dieser Schilderung der Flora des Obersees sei noch der falschen Wasserblüte gedacht, die während der Blütezeit der Kiefern durch den mit süd- I ') C. Raunkiär, De danske Blomsterplanters Naturhistorie, Kjöbenhavn 1895—1899 p. 83, Abb. 46. 2) Brand, Cladophora-Studien 1899 p. 39 Der Obersee bei Reval. 45 lichem und südwestlichem Wind massenhaft in den See gewehten Pollenstaub von Pinus silvestris hervorgebracht wird. Am 11. Juni war die Oberfläche des Obersees namentlich längs dem östlichen Ufer ganz gelb von einer dieken Schicht von Kiefern- pollen, zwischen denen zahllose Individuen der Protozoenspezies Coleps hürtus sich tummelten. Auch späterhin fand ich reichlich Pollenkörner im Plankton. In dem nun folgenden systematischen Verzeichnis sind alle bisher aus dem Obersee bekannt gewordenen Pflanzenformen und die am meisten charakteristischen seiner nächsten Umgebung der Reihe nach aufgezählt. Schizophyceaue. Chroococeus limneticus Lemm. Im Plankton (Lemmermann det.). Chroococeus minimus (v. Keißler) Lemm. Im Plankton (Lemmermann det.). Mieroeystis viridis (A. Br.) Lemm. Im Plankton (Lemmermann det.). Mierocystis incerta Lemm. Im Plankton (Lemmermann det.). Clathroeystris aeruginosa (Kütz.) Henfr. Im Plankton (s. p. 41) (Levander et Lemmermann det.). Gomphosphaeria lacustris Chodat. Im Plankton (Levander et Lemmermann det.). Gomphosphaeria lacustrıs var. compacta Lemm. Im Plankton (Lemmermann det.). Coelosphaeruum dubium Grun. Im Plankton (Lemmermann det.) Coelosphaerium naegelianum Unger. Im Plankton (Lemmermann det.). Merismopedia elegans A. Br. Im Plankton (Levander det.); im Wasserleitungswasser (R. Lehbert det.). Anabaena flos-aquae (Lyngb.) Breb. Im Plankton (s. p. 40, 41) (E. Russow det.). Anabaena eireinalis Rabenh. var. macrospora (Wittr.) Lemm. Im Plankton (Lemmermann det.). Anabaena levanderi (Lemmermann in litt.)'). Im Plankton (Lemmermann det.). Lynbya contorta Lemm. Im Plankton (Lemmermann det.). Lyngbya limnetica Lemm. Im Plankton (Lemmermann det.). Nostoc lineki (Roth) Bornet. Wenige haselnußeroße Kugeln wurden von mir am südöstlichen Ufer am 21. und 26. Juni gefunden (Levander det.). !) Wie mir Herr Lemmermann brieflich mitteilt, wird diese neue Art zusammen mit der weiter unten erwähnten Synedra revaliensis n. sp. „in Kürze in den Ber. der deutsch. botan. Ges, publiziert werden |Bd. XXIV, 1906].“ 46 Guido Schneider: Rivularia haematites D. C. Bildet am Ostufer auf Kalksteingeröll dichte Überzüge von graugrüner Farbe (s. p. 44) (Levander et Elfving det.). Chlorophyceae. Sphaeroeystis schroeteri Chodat. Im Plankton (Lemmermann det.). Ineffigiata negleeta W. et G. West. Im Plankton (Lemmermann det.). Dietyosphaerium pulchellum Wood. Im Plankton (Lemmermann det.). Solenococcus fareinahs Schmidle et Zach. Im Uferplankton (Lemmermann det.). Raphidium brauni Naeg. Im Uferplankton (Lemmermann det.). Oveystis lacustris Chodat. Im Uferplankton (Lemmermann det.) Ooeystis marssoni Lemm. Im Uferplankton (Lemmermann det.) Chodatella_ eitriformis Snow. Im Uferplankton (Lemmermann det.). Crueigenia rectangularıs (Naeg.) Gay. Im Uferplankton (Lemmermann det.). Coelastrum microsporum N aeg. Im Uferplankton (Lemmermann det.). Coelastrum sphaericum Naeg. Im Uferplankton (Levander et Lemmermann det.). Coelastrum retieulatum (Dang.) Lemm. Im Plankton und Wasserleitungswasser (Levander det.). Dimorphococeus lunatus A. Br. Im Wasserleitungswasser am 24. Juli 1905 (K. Siitoin det.). Scenedesmus quadricauda (Turp.) Breb. Im Plankton (Levander et Lemmermann det.). Scenedesmus bijugatus (Turp.) Kütz. Im Wasserleitungswasser am 24. Juli 1905 (K. Siitoin det.). Scenedesmus brasiliensis Bohlin. Im Uferplankton (Lemmermann det.). Selenastrum bibraianum Reinsch. Im Wasserleitungswasser am 24. Juli 1905 (K. Siitoin det.). Tetraödron minimum (A. Br.) var. serobieulatum Lagerh. Im Uferplankton (Lemmermann det.). Tetraödron marssoni Lemm. Im Uferplankton (Lemmermann det.). Pediastrum angulosum (Ehbg.) Menegh. var. araneosum Raeib. Im Plankton (Levander et Lemmermann det.). Der Obersee bei Reval. 47 Pediastrum kawraiskyi Schmidle. Im Plankton (Levander det.). Pediastrum kawraiskyi var. brevicorne Lemm. Im Uferplankton (Lemmermann det.). Pediastrum boryanım (Turp.) Menegh. Im Plankton (Levander et Lemmermann det.); Uferflora (Hirn. det.); Wasserleitung (Lehbert det.). Pediastrum boryanım var. longicorne (Reinsch.). Im Plankton (Levander et Lemmermann det.). Pediastrum boryanım var. brevieorne A. Br. Im Uferplankton (Lemmermann det.). Pediastrum duplex Meyen. Im Plankton (Levander et Lemmermann det.). Pediastrum duplex var. pulchrum Lemm. Im Uferplankton (Lemmermann det.). Pediastrum duplex var. elathratum A. Br. Im Plankton (Levander et Lemmermann det.). Pediastrum tetras (Ehbg.) Ralfs. Im Plankton (Levander det.). Stigeoelomium Sp. Am Boden (Silfvenius det.). Oedogonium oblongum Witte. An Ufersteinen (Hirn det.). Oedogonium Sp. Im Plankton (Levander det.). Cladophora glomerata (L.) Kütz. Bildet in seichtem Wasser am Ufer dichte schwimmende Algenmassen, die ein Zufluchtsort für viele Tiere sind (s. p. 44) (Hirn. det.). Genicularia spirotaenia De By. Im Revaler Wasserleitungswasser (K. Siitoin det.). Cosmartum meneghini Breb. In den an Steinen und Pfählen haftenden Algenmassen (s. p. 44) (Hirn det.). Spirogyra inflata (Vauch.) Rab. (?) Bildet dichte schwimmende Massen in den Grabenmündungen am Ostufer (s. p. 44) (nicht ganz sicher von Hirn det.). Mougeotia minutissima Lemm. Fäden im Plankton von Levander beoachtet (Lemmer- mann det.). Zygnema Sp. Kommt mit Oladophora und Spirogyra zusammen reichlich vor. Staurastrum paradoxum Meyen. Im Plankton (Levander et Lemmermann det.). Guido Schneider: Staurastrum paradoxum var. longipes Nordst. Im Plankton (Levander et Lemmermann det.). Staurastrum pelagieum W. et. G. S. West. Im Plankton (Levander et Lemmermann det.). Staurastrum tenwissimum West var. anomalum Lemm. Im Uferplankton (Lemmermann det.). Diatomaceae. Melosira ambigua (Grun.) O. Müll. Im Plankton (Levander det), Lemmermann findet im Uferplankton vom 30. September Übergänge zu M. italica Kütz. (briefl. Mitteil.). Stephanodiseus hantzschi, var. pusillus Grun. Im Uferplankton (Lemmermann det.). Ichizosolenia eriensis H. L. Smith. Im Plankton (Levander det.). Tetracyelus lacustris Ralfs. Im Uferplankton (Lemmermann det.). Tabellaria fenestrata (Lyngb.) Kütz. var. asterionelloides Grun. Im Plankton (Levander et Lemmermann det.); in der Wasserleitung (Lehbert det.). Tabellaria floceulosa (Roth) Kütz. Im Plankton (Levander et Lemmermann det.). Meridion eireulare Ag. Bildet an seichten Stellen des Ostufers, wo Quellen ent- springen, dunkle, olivbraune Flecke auf dem Seeboden bis zu einem Meter im Durchmesser, die aus zahllosen lebenden und toten Exemplaren dieser Diatomacee be- stehen (s. p. 42) (Elfving det.). Meridion constrietum Ralfs. Im Wasserleitungswasser (Lehbert det.). Fragilaria capueina Desm. Im Plankton (Levander et Lemmermann det.). Fragilaria construens (Ehbg.) Grun. Im Uferplankton (Lemmermann det.). Fragilaria construens, var. venter Grun. Im Uferplankton (Lemmermann det.). Fragilaria mutabilis (W. Sm.) Grun. Im Uferplankton (Lemmermann det.). Fragilaria parasitica (W. Sm.). Grun. Im Uferplankton (Lemmermann det.). Fragilaria erotonensis (Edw.) Kitton. Im Plankton (Levander et Lemmermann det.); in der Wasserleitung (Lehbert det.). Synedra delicatissima W. Sm. Im Plankton (Levander det.). Der Obersee bei Reval. Synedra delicatissima, var. angustissima Grun. Im Uferplankton (Lemmermann det.). Synedra revaliensis (Lemm. in litt.). Im Plankton. Von Lemmermann als neue Art erkannt (briefl. Mitteil.; s. p. 45, Anm. I): Asterionella graeillima (Hantzsch.) Heib. Im Plankton (Levander et Lemmermann det.). Stauroneis phoenicenteron (Nitzsch.) Ehbe. Im Uferplankton (Lemmermann det.); in der W (Lehbert det.). Navieula radiosa Kütz. Im Uferplankton (Lemmermann det.). Gomphonema olivaceum Lyngb. Im Uferplankton (Lemmermann det.). Cymbella caespitosa (Kütz.) Schütt. Bedeekt in der Uferzone alle abgestorbenen Pflanzenteile mit büschel- oder pinselförmigen Kolonien (8. p. 43) (Le- vander et Elfving det.). Pleurosigma attenuatum Kütz. Im Uferplankton (Lemmermann det.); in der Wasserleitung (Lehbert det.). Cymatopleura solea W. Sm. Im Wasserleitungswasser (Lehbert det.). Surirella biseriata (Ehbg.) Breb. Im Uferplankton (Lemmermann det.). Nitzschia linearis (Ag.) W. Sm. Im Uferplankton (Lemmermann det.). Nitzschia palea (Kütz.) W. Sm. var. fontieola Grun. Im Uferplankton (Lemmermann det.). Nitzschia mierocephala Grun. var. elegantula Grun, Im Uferplankton (Lemmermann det.). asserleitung Musei. Sphagnum euspidatum Ehrh. Sphagnum aeutifolium Ehrh. Diese beiden Torfmoosarten, namentlich die letztgenannte, sind die häufigsten Vertreter ihrer Gattung in den Torf- mooren der Umgebung Revals nach den Angaben von E. Russow.') (s. p. 38, 39). Hypnum stramineum Dieks. Hypnum giganteum Schpr. Hypnum flwitans L. !) Edmund Russow, Flora der Umgebung Revals. Archiv für die Naturkunde Liv-, Est- und Kurlands, 2, Serie, Bd. III, 1862. Archiv für Biontologie II. (1.) 08. 4 20 Guido Schneider: Hypnum aduncum Iledw. Zusammen mit den Torfmoosen und den Rhizomen diverser Cypraceen bilden nach E. Russo w diese Aypnumarten die schwankende Decke der Moräste im Süden des Obersees. Ophioglosseae. Botrychium hınaria Swartz Auf trockenen sandigen Stellen des Oberseeufers von E. Russow gefunden. Phanerogamae. Pinus silvestris L. Bildet große Wälder im Süden und Südwesten vom Öbersee in dem zur Blütezeit der Kiefernpollen so massenhaft sich ansammelt, daß man diese Erscheinung als falsche Wasserblüte bezeichnen kann (s. p. #5). Digraphis arundinacea L. An Bachufern und Gräben in der Nähe des Obersees von E. Russow gefunden. Calamagrostis epigeios Rth. Auf sandigen Ufern des Sees von E. Russow gefunden. Arundo phragmites L. Schützt mit seinen langen, starken Halmen die näher am Ufer wachsenden Pflanzenbestände vor dem Anprall der von der freien Seefläche kommenden Wellen und dringt bis auf eine Entfernung von !/ bis 1 km vom Ufer in den See vor. Blüht Mitte Juli. Die Halme werden 1,5 bis 3 m lang und noch länger (Ss. p. 43). Graphephorum arundinaceum Aschs. Bildet im Schutz der Phragmiteszone näher zum Ufer breite Wiesen und blüht schon Anfang Juli (v. z. Mühlen det.). Die Halme werden 1 bis 2 m lang (s. p. 43). Bromus arvensis L. Wurde von E. Russow am Oberseeufer und auf Äckern gefunden. Elymus arenarius L. Auf den Sandflächen und Dünen am Obersee von E. Russow bestimmt. Carex dioica L. Auf moorigen Wiesen von E. Russow gefunden. Carex davalliana Sm. An denselben Standorten wie die vorige Art in Cournal und Johannishof von E. Russow gefunden. Carex pulcaris L. Auf Buschwiesen in Johannishof von E. Russow gefunden. Der Obersee bei Reval. 51 Carex chordorrhiza Ehrh. Auf schwammigem Torfboden sehr verbreitet, in Cournal und Johannishof von E. Russow gefunden, Carex distieha Huds. Auf feuchten Wiesen an Gräben in Cournal und Johannishof von E. Russow gefunden. Carex paradoxa W. Auf Torfwiesen unter Gesträuch nicht selten in Johannishof von E. Russow gefunden. Carex diandra Rth. Mit ©. chordorrhiza an gleichen Standorten nur noch häufiger von E. Russow gefunden. Carex leporina L. Überall auf Weideland von E. Russow gefunden. Carex echinata Murr. Auf Moorboden und sumpfigen Wiesen von E. Russow gefunden. Carex heleonastes Ehrh. Auf sumpfigen Moorwiesen in der Nähe des Öbersees von E. Russow gefunden. Carex strieta Good. Auf sumpfigem Waldboden, Wiesen und an Gräben von E. Russow gefunden. Carex caespitosa L. Häufig an Gräben und auf sumpfigen Wiesen von E. Russow gefunden. Carex graeilis Curt. An den Ufern stehender und fließender Gewässer von E. Russow gefunden. Carez goodenoughi Gay. Überall gemein, von E. Russow gefunden. Carex limosa L. Auf schwammigem Moorboden gemein, von E. Russow gefunden. Carex flacca Schreb. Zerstreut in Johannishof von E. Russow gefunden. Carex panica L. Carexz vaginata Tausch. Carex globularis L. Carex mierostachya Ehrh. Die letztgenannten vier Arten auf Moorwiesen in der Nähe des Obersees von E. Russow gefunden. Carex fulva Good. Auf Buschwiesen häufie in Cournal und Johannishof von E. Russow gefunden. 4* Guido Schneider! Carex flawa L. Auf Moorwiesen in Cournal und Johannishof von E. Russow gefunden. Carex spadicea Rth. An Gräben, auf Moorwiesen unter Gebüsch nicht selten in Cournal und Johannishof von E. Russow gefunden. Carex riparia Gurt. Auf Moorwiesen in Gebüschen zerstreut, von E. Russow gefunden. Carex filhformis L. Auf schwammigen Mooren nicht selten in Cournal von E. Russow gefunden. Carex hirta L. An trockenen, sandigen Stellen des Oberseeufers von E. Russow gefunden. Sehoenus ferrugineus L. Auf Moorwiesen in Cournal von E. Russow gefunden. Seirpus lacustris L. Auf Torfboden am Westufer und in der Mündung des Cournal- flusses im Süden vom See (v. z. Mühlen det.). Wurde auch von E. Russow gefunden. Seirpus uniglumis Lk. AmNordufer des Obersees am Wasservon E. Russo w gefunden. Seirpus paluster L. Zusammen mit der vorigen Art von E. Russow am Nord- ufer gefunden. Von mir am südöstlichen Ufer zahlreich gesammelt (v. z. Mühlen det.). Eriophorum alpinum L. Eriophorum vaginatum L. Eriophorum polystachyum L. Alle drei Eriophorumarten wurden von E. Russow auf den schwankenden Morästen am Cournalschen Ufer gefunden. Typha angustifolia L. In dem Unterlauf des Cournalflusses von E. Russow zuerst gefunden, wurde diese in der Gegend sonst seltene Art von R. Lehbert im Sommer 1850 wieder beobachtet. Iris pseudacorus L. Am Südostufer des Sees von E. Russow gefunden. Calla palustris L. Auf den Morästen am Südufer des Sees von E. Russow eefunden. Potamogeton natans L. Im Unterlauf des Cournalflusses von E. Russow gefunden. ee eh ne Der Obersee bei Reval. Potamogeton gramineus L. Sehr gemein namentlich am östlichen und nordöstlichen Ufer (v. z. Mühlen det.). Potamogeton zizü M. et K. Selten (v. z. Mühlen det.). Potamogeton gramineus X perfoliatus. Selten (v. z. Mühlen det.). Potamogeton perfoliatus L. An allen Ufern, jedoch nicht massenhaft (v. z. Mühlen det.). Potamogeton praelongus Wulf. An einigen Stellen des westlichen und östlichen Utfers (v. z. Mühlen det.). Potamogeton lucens L. In der Mündung des Cournalflusses von E. Russow und von mir gefunden (v. z. Mühlen det.). Potamogeton erispus L. Am 12. Juni 1898 wurden die Überwinterungsorgane dieser Art im nördlichen Teil des Obersees beim Dredgen von A. Luther gefunden (Vgl. p. 4). Potamogeton pusillus L. In Zuflüssen des Obersees von E. Russow gefunden. Potamogeton pectinatus L. „Im Graben der Wasserleitung“ von E. Russow gefunden. Potamogeton filiformis L. Diese seltene Art wurde auf Kalkfels wurzelnd am Ostufer von mir gesammelt (v. z. Mühlen det.) (Vgl. p. 44). Stratiotes aloides L. Im Zufluß des Obersees von E. Russow gefunden. Ich fand ab und zu bei Sturm am Ostufer ausgeworfene Exemplare. Triglochin palustris L. Auf den schwankenden Morästen am Südufer des Obersees von E. Russow gefunden. Pedieularis palustris L. Auf Morästen am Südufer von E. Russow gefunden. Menyanthes trifoliata L. Zusammen mit der vorigen Art von E. Russow gefunden. Utrieularia vulgaris L. In den Mündungen von Wiesengräben im Südosten des Sees (v. z. Mühlen det.). Utrieularia intermedia Hayne. Zusammen mit der vorigen Art auf überschwemmten Wiesen im Süden und Südosten des Sees von E. Russow gefunden. Guido Schneider: Hottonia palustris L. In Gräben und an überschwemmten Stellen am Ostufer von E. Russow gefunden. Vaceinium uliginosum L. Diese und andere Arten der Gattung Vaceinium finden sich häufig auf dem Torfufer im Südwesten des Sees. Nymphaea alba L. Im Unterlauf des Cournalflusses von E. Russow gefunden. Nuphar luteum Sm. Ebendaselbst von E. Russow und von mir im Obersee nahe am Südufer gefunden. Thalietrum simplex L. Auf sumpfigen Wiesen im Nordosten des Sees von E. Russow gefunden. - Ranuneculus lingua 1. An der Mündung des Cournalflusses von E. Russow gefunden. Nasturtium amphibium R. Br. "In Gräben und an überschwemmten Stellen am Ostufer von E. Russow gefunden. Drosera rotundifolia L. Drosera anglica Huds. Beide Arten auf Morästen am Südufer von E. Russow gefunden. Salix lapponum L. Salıxz rosmarimifolia L. Saliz arbuscula L. Salz cinerea L. Wurden auf den Morästen im Süden des Öbersees von E. Russow gefunden. Salıx nigricans Sm. Salix caprea 1. Wurden am Südufer zusammen mit $. arbuseula von E. Russow beobachtet. Rumex hydrolapathum Huds. Im Unterlauf des Cournalflusses von E. Russow gefunden. Polygonum amphibium L. Bildet dichte Bestände bis zu etwa 100 m im Durchmesser am Südostufer und kommt auch, wenn auch nicht in so dichten Massen im Südwesten vor (v. z. Mühlen det.). Die Form P. terrestre Leers wurde am Nordufer von E. Russow gefunden. Polygonum lapathifolium L. Zusammen mit der Form P. terrestre von E. Russow am Nordufer des Obersees gefunden. Der Obersee bei Reval. 55 Malachium aquaticum Fr. Auf dem Südufer gefunden von E. Russow. Sagina nodosa Fenzl. Auf Grasmooren im Süden vom Obersee von E. Russow gefunden. Betula alba L. Namentlich in der strauchartigen Form B. pubescens Ehrh. auf den sumpfigen Ufern des Obersees von E. Russow gefunden. Betula nana 1. Häufig auf den Torfmooren südlich und südwestlich vom Obersee, wie mir R. Lehbert mitteilt, und tritt oft dicht an das Ufer heran. Stum latifolium 1. An der Mündung des Cournalflusses von E. Russow gefunden. Myriophyllum spieatum L. Im Cournalfluß von E. Russow gefunden. Callitriche verna L. Zusammen mit der vorigen Art von E. Russow gefunden. Comarum palustre L. Sehr gemein auf allen feuchten Ufern des Obersees; auch von E. Russow erwähnt. Rubus chamaemorus L. Häufig auf den Torfmooren am Südwestufer. Nachtrag zum Kapitel IV. Auf einem toten Exemplar von Perca fluviatilis, das ich im September im Obersee fand, beobachtete ich einen dichten Pelz von Saprolegnien, deren Zuge- hörigkeit zur Saprolegnia ferax-Gruppe von Mag. Ernst Häyren in Helsingfors konstatiert wurde. V. Die Fauna. Über das Tierleben im Obersee war bisher auffallend wenig bekannt geworden. Man wußte nicht einmal genau, was für Fische in diesem See vorkommen und fehlen, obgleich die Stadt Reval in früheren Zeiten durch Verpachtung der Fischerei einige Revenuen bezogen hat. Die zoologische Literatur über den Obersee be- schränkte sich auf eine Arbeit von Dr. Al. Luther über die Mollusken. Im allgemeinen kann man sagen, daß die Fauna des Obersees arm an Arten ist. Wegen der Abwesenheit geschützter Buchten fehlen eine Menge Arten, die in kleineren Gewässern und als Uferfauna in größeren Seen mit reicherer Gliederung gedeihen. Eine eingehendere Charakteristik will ich bei Besprechung der im Ober- see vertretenen Tierklassen im Folgenden geben. Protozoa. Ebenso wie aus den übrigen Klassen des Pflanzen- und Tierreiches, so fehlen auch aus der Klasse der Protozoen im Obersee verschiedene Gruppen, die sonst in kleineren und vor Winden mehr geschützten Gewässern unserer Gegenden arten- reich vertreten sein können. Diejenigen Arten aber, welche dennoch im seichten, windgepeitschten See sich haben ansiedeln können, kommen meist in großer Indi- viduenzahl vor. So z. B. fehlen, wie es scheint, hier völlig die nackten Amoeben, und nicht einmal Amoeba proteus Leidy, die doch in Finland!) verbreitet ist, konnte ich in der Uferregion an Pflanzenteilen oder im Schlamm nachweisen. Da- gegen sind die Difflugien recht reichlich im Schlamm des Obersees vorhanden, und Dr. K. M. Levander, der sich der Mühe unterzog, die in meinen Schlamm- proben enthaltenen Rhizopoden zu bestimmen, schreibt mir, der Obersee enthalte, „wie es scheint, eine lakustrische Rhizopodenfauna, die durch ihren Reichtum an kräftig entwickelten Formen mit aus Sandkörnern gebildeten Schalen charak- terisiert ist, wie in Teichen mit üppiger Vegetation. Formen, die sphagnophil sind?) (Nebela- und Hiyalospheniaarten), fehlen. Ebenso fehlen auch oder sind schwach vertreten Formen mit Kalkschalen (Quadrula), Kieselschalen (Euglypha) und chitiniger Schale (Arcella). Auffallend ist es namentlich, daß so allgemein verbreitete Formen, wie O'yphoderia und Euglypha, vermißt werden, während die großen, echt lakustrischen Difflugien an Arten und Individuen zahlreich sind. Sie ') K. E. Steuroos. Das Tierleben im Normijärvi-See. Acta Soc. pro Fauna et Flora Fennica 17, No. 1, 1898. p. 32. 2) Vgl. K. M. Levander, Zur Kenntnis des Lebens in stehenden Kleingewässern auf den Skäreninseln. Acta Soc. pro Fauna et Flora Fennica 18, No. 6, 1900. p. 76, 78. Der Obersee bei Reval. 57 besitzen jedoch die Eigentümlichkeit, daß sie ihre Schalen ausschließlich aus Sand- körnchen zusammensetzen und nie, wie es scheint, aus Diatomeenschalen. Auch Difflugia elegams und Lecequereusia spiralis besitzen im Obersee nur Sandkorn- schalen.“ Es fehlen übrigens nicht nur unter den Rhizopoden die vorzugsweise sphagno- philen und die kalkliebenden Formen, sondern es wurden auch die Kalkschalen der Flagellatenform Phacotus und das nach Levander echt sphagnophile Heliozoon Olathrulina elegans vermißt. Sehr auffallend ist ferner die völlige Abwesenheit von Volvocineen, Mallomonas, Synura u. a. Mastigophoren im OÖbersee. Das Fehlen namentlich der kalkliebenden Rhizopoden in der Schlammregion im südlichen Teil des Öbersees, wo die von Dr. Levander untersuchten Proben aus einer Tiefe von 2 bis 3 m mit der Dredge entnommen waren, ist um so merk- würdiger, als das Wasser hier besonders stark kalkhaltig ist infolge der in der Nähe entspringenden, sehr kalkhaltiges Wasser führenden Quellen. Es berechtigt uns aber dieser negative Befund vorläufig noch nicht zu irgendwelchen sicheren Schlüssen, die für den ganzen großen See gelten könnten, weil das bisher untersuchte Material noch allzu gering war. Im Plankton zeigten sich nach dem Auftreten der Wasserblüte große Mengen der auf Anabaena lebenden Vorticella rhabdostyloides Kellic. Ungefähr zur selben Zeit trat auch eine andere Peritrichenart, nämlich Zpistylis lacustris Imhof auf, die in der zweiten Hälfte des Sommers stets reichlich im Plankton zu finden ist. Von holotrichen Infusorien ist namentlich Coleps hirtus O. F. M. sehr viel vor- handen. Meist an der Oberfläche des Schlammes lebend findet sich dieses Protozoon massenhaft an der Oberfläche des Wassers ein, wenn dieses sich mit Kiefernpollen- staub bedeckt, wie am 11. Juni 1904 (s. S. 45 „falsche Wasserblüte“). Gefunden wurden bisher im Obersee folgende Arten von Protozoen: Rhizopoda. Arcella vulgaris Ehbg. Meist recht hoch gewölbte Schalen. Überall im Schlamm und im Darminhalt schlammfressender Fische, jedoch nicht gerade häufig. Difflugia pyriformis Perty. Sehr zahlreich im Schlamm (Levander det.). Difflugia pyriformis var. elaviformis Pen. Viel im Schlamm (Levander det.). Difflugia pyriformis var. lacustris Pen. Viel im Schlamm (Levander det.). Difflugia pyriformis var. nodosa Leidy. Im Schlamm (Levander det.). Difflugia pyriformis var. inflata Pen. Im Schlamm (Levander det.). Difflugia acuminata Ehbe. Im Schlamm (Levander det.). Difflugia acuminata var. umbilicata Pen. Im Schlamm (Levander det.). Esox luweius') beschreibt. Anatomie, Guido Schneider: Difflugia elegans Pen. Im Schlamm (Levander det.). Difflugia curvicaulis Pen. Im Schlamm (Levander det.). Difflugia scalpellum Pen. Schlamm (Levander det.). Difflugia globulosa Duj. Im Schlamm (Levander det.). Difflugia wrceolata Curt, var. olla Leidy. Im Schlamm (Levander det.). Difflugia lobostoma Leidy. Im Schlamm (Levander det.). Difflugia limnetica Levander. Im Plankton (Levander det.). Difflugia amphora Leidy. Im Schlamm (Levander det.). Difflugia constrieta Ehbg. Im Schlamm (Levander det.). Centropyzis aculeata Stein. Im Schlamm (Levander det.). Leequereusia spiralis Ehbe. Im Schlamm (Levander det.). In > Mastigophora. Diplosigopsis frequentissima (Zach.) Lemm. Auf Asterionella (Lemmermann det.). Colacium vesieulosum Ehbe. Auf Gyelopiden (Levander det.). Dinobryon bavaricum (Imh.) var. affine Lemm. Im Plankton (Lemmermann det.). Peridinium einetum Ehbg. Im Plankton, sehr selten (Levander det.). Ceratium hirundinella ©. F. M. Häufig im Plankton. Sporozoa. Henneguya psorospermica Thel. An den Kiemenspitzen eines Barsches (Perca fluviatilis) fand ich vier Stück 1,5 mm lange und 1 mm dicke Cysten. meisten denen bei der Varietät lohosus, die L. Cohn von den Kiemenblättchen bei Die Länge der Spore ist 16,3 p, die Breite ist 5 y. Die Länge des in zwei Fäden sich spaltenden Schwanzes beträgt etwa 2,5 y. Die Polkapseln sind 6,2 » lang und 1,7 x breit. Über die Myxosporidien von Esox lueius und Perca fluviatilis. Zool. Jahrb. p. 262, Taf. 18, Figg. 26—27. Die Dimensionen der Sporen gleichen am Der Obersee bei Reval. 59 Ooelosporidium chydoricola Mesnil et Marchoux. In Chydorus sphaericus (Levander det.). Infusoria. Ichthyophthirius multifilüs Fougqu. In der Uferregion parasitisch in Cysten der Haut wenige Monate alter Cypri- nidenbrut. Etwa 4° von den von mir untersuchten zwei Monate alten Leueiseus rutılus waren mit Z. multifilüs infiziert. Mehr als 3 Exemplare an einem Fisch wurden nicht gefunden. Die Länge der von mir im Obersee gefundenen Exemplare von I. multifiliis betrug ungefähr 300 bis 400 x. Der Maeronueleus ist sehr lang, etwa ebenso lang wie die größte Achse des Infusors, wurstförmig und spiralig in der Weise gebogen, daß die Enden sich kreuzen‘). In den Nahrungsvaenolen des Endoplasma fanden sich viele Epidermiszellen, weiße und rote Blutkörperchen des Wirtes, von denen die letzteren wegen ihres Haemoglobingehaltes sich sehr deutlich mit Eosin rot färbten (s. Taf. II, Fig. 1). x Coleps hirtus ©. F. M. Sehr zahlreich am Boden in der Uferregion und bisweilen auch im Plankton. Amphileptus carchesiv Stein. Zahlreich zwischen Vorticellen auf alten Schilfhalmen. Trachelius ovum Ehbe. Zwischen den auf alten Schilfhalmen wuchernden Vorticellen- und Cymbella- rasen. Ohilodon cueullus O. F. M. Massenhaft im Spätsommer in schwimmenden Cladophoramassen, die beim Sinken des Wasserspiegels in Ufertümpeln zurückbleiben. Wird ungefähr 90 bis 100 y lang. Paramaecium caudatum Ehbe. Kommt gleichzeitig mit Chilodon eueullus und an denselben Orten noch beinah zahlreicher vor. Länge etwa 200 x. Paramaecium bursarıa Ehbeg. Wird zusammen mit den beiden vorhergehenden Arten, aber weit weniger häufig angetroffen. Die Länge der von mir beobachteten, mit Zoochlorellen dicht erfüllten Exemplare erreichte nur 100 1. Opalina ranarum Ehbeg. Wurde massenhaft im Enddarm einer Rana temporarıa am 9. September von mir gefunden. Sipirostomum teres Öl. et L. Zahlreich im Spätsommer an Oladophora zusammen mit Chilodon und Paramaeeium. Wird bis 400 y. lang. Stentor polymorphus Ehbg. In der Uferregion an Pflanzenteilen. !) Nach W. Schewiakoff, der die von Zacharias aufgestellte Art Ichthyophthirius eryptostomus mit der Hauptform wieder vereinigt, ist der Kern nierenförmig oder hufeisenförmig, wie er sonst auch abgebildet wird. Mem. de l’Acad. Imp. des Sciences de St. Petersbourg, 1896, Vol. IV, Neal 9: 128. 60 Guido Schneider: Tintinnidium fluwviatile Stein. Im Plankton (Levander det.). Tintinnopsis lacustris Entz. Überall im Plankton. Urostyla weissei Stein. An alten Schilfstengeln zwischen Cymbellarasen. Stylonychia mytilus O. F. M. In der Uferregion zwischen Algen. Balladıina elongata Roux. An alten Schilfhalmen und zwischen Algen. Euplotes charon Ehbe. In der Uferregion. Euplotes patella Ehbe. In der Uferregion und in Grabenmündungen. Aspidisca costata Du). An alten Schilfhalmen. Cyclochaeta domergui Wallengren. Es wurden von mir nur zwei Exemplare auf der Haut eines 10 mm langen Leweisceus rutilus gefunden. Carchesium polypinum Ehbg. An Schilfhalmen. Vorticella campanula Ehbg. An alten Schilfhalmen. Vorticella convallaria Ehbg. An faulenden Pflanzen. Vorticella rhabdostyloides Kellie. Im Plankton auf lebenden Anabaenen (Levander det.). Vorticella sp. Auf Oyelops. (?) Rhabdostyla ovum S. K. Am 7. Mai fand ich an einer O'yelopsart angeheftete Exemplare einer Peritrichenart die sehr ähnlich ist der Abbildung, welche Seville Kent!) von R. ovum gibt, das er in einem Teich bei London auf Wasserpflanzen reichlich fand. Die Lage und Gestalt des Kerns (Maeronucleus) sind ganz gleich, und nur der Fuß ist bei meinen Exemplaren dieker, mehr konisch und weniger scharf vom Körper abgesetzt. Epistylis lacustris Imhof. Überall im Plankton (Levander det.). Epistylis artieulata Fromentel. Auf Diaptomus (Levander det.). Epistylis sp. Auf Oyelops. (?) Opereularia lichtensteini Stein. Am 10. Mai fand ich vereinzelte, aus zwei Individuen bestehende Stöcke auf Cyelops. Die Gestalt des schwach quergestreiften Körpers erinnert sehr an die ') 5. Kent, A Manual of the Inlusoria. Vol. II. 1881—1882. p. 664. Der Obersee bei Reval. 51 vorhandenen Abbildungen von O, lichtensteini sowohl in den Umrissen, als auch in der Gestalt des kurz ovalen, fast runden Kerns. Der dieke, scharf gegen den Zellkörper abgesetzte Stiel, der sich auf dem Substrat zu einer kreisförmigen Platte ausbreitet, ist jedoch nicht quergestreift, sondern durch feine Punkte und Striche längsgestreift.') Ophrydium eichhorni Ehbe. Auf Pflanzenteilen am Ufer. Cothurniopsis vaga Schrk. Auf Harpactieiden. ?) Lagenophrys ampulla Stein. Fünf Exemplare wurden am 10. August auf der Schale einer lebenden Cypris pubera g‘ gefunden. Der Durchmesser der Hülle betrug ungefähr 100 u. Tokophrya eyclopum Clap. et Lachm. Auf Oyelops viridis im Oktober 1905 in einem Aquarium mit Wasser aus dem ÖObersee von Dr. Levander gefunden. Acineta grandis S. K. Wurde zuerst von Apotheker R. Lehbert aus dem Wasser der Revaler Wasserleitung photographiert und alsdann von Dr. Levander auch in den Plankton- proben aus dem Obersee gefunden (Levander det.). Dendrosoma radıans Ehbeg. Wurde von Apotheker R. Lehbert und von mir zahlreich im Wasser der Revaler Wasserleitung gefunden, welches aus dem Obersee strömt. Es gelang mir aber nicht, ein einziges Exemplar im Obersee selbst zu finden. Spongiae. Keine einzige lebende Spongie konnte ich im Obersee entdecken und vermißte auch die Nadeln und Gemmulae von Spongien in den Schlammproben. Nur eine einzige einachsige Spongillennadel fand Dr. K.M. Levander unter einer Menge von Difflugienschalen, die er aus einer meiner Proben durch ein Schlemmverfahren isoliert hatte. Coelenterata. Hydra grisea L. ist einer der häufigsten Bewohner der Wasserleitungsrohre in Reval. Apotheker Lehbert hat zu verschiedenen Jahreszeiten zahlreiche Exemplare aus seinem Wasserleitungshahn erhalten und in verschiedenen Stadien der Knospung und Nahrungsaufnahme photographiert. Demnach sollte man meinen, daß der Polyp auch im Wasser des Obersees an den diversen Stengeln und Blättern von Wasserpflanzen reichlich anzutreffen sei. Das ist jedoch nicht der Fall. Hydra grisea ist im Gegenteil im Obersee selbst selten anzutreffen. Nur am 11. Mai sah ich einige Exemplare auf alten Schilfhalmen, die ich zum Zweck näherer Untersuchung der auf ihnen festsitzenden Mikroorganismen im Aquarium beobachtete. Diese Exemplare starben bald ab, und neue fand ich im Lauf des Kent, A Manual of the Infusoria II. 1851—1882. p. 712. Blochmann, Die mikroskopische Tierwelt des Süßwassers I. 1895. p. 122. 9) Guido Schneider: ganzen Sommers nicht mehr. obgleich ich oft meine Aquarien mit Schilfhalmen füllte. Erst im Herbst nach starker Senkung des Wasserspiegels fanden sich wieder häufiger Exemplare dieses Süßwasserpolypen in flachen Ufertümpeln, wo sie vor Wind und Wellen besser geschützt sind als im See. Plathelminthes. Turbellaria. Es spielen nur zwei Turbellarienarten, das große, milchweiße alloiocoele Tur- bellar Plagiostoma lemani und das rhabdocoele Bothromesostoma essenit durch häufiges Vorkommen eine gewisse Rolle in der Tierwelt des Obersees, während die übrigen nur mehr vereinzelt und selten angetroffen werden. Dendrocoelum lacteum ist nur im Spätsommer häufig. Die genaue Artbestimmung der rhabdocoelen Turbellarien verdanke ich der Liebenswürdigkeit meines Freundes Dr. Al. Luther. Stenostoma leucops ©. Schmidt. In einer Schlammprobe vom 9. September (Luther det.). Mierostoma lineare Örst. Im Plankton, ziemlich selten. Mesostoma tetragonum OÖ. F. M. Ein Exemplar am 24. Juni am Südostufer innerhalb der Carexregion gefunden (Luther det.).- Bothromesostoma essenii Braun. Zahlreich an Pflanzen der Uferregion während des Sommers (Luther det.). Automolhuıs morgiensis Dupl. Ein Exemplar am 12. August in der Nähe des Südufers gefunden (Luther det.). Plagiostoma lemani Dup!l. Häufig auf Schlamm in zwei Meter Tiefe zwischen Schilf namentlich im Juli und August (Luther det.). Dendroceoelum laeteum Örst. Am Ostufer in flachem Wasser unter Kalksteinstücken. Ist vom April bis August recht selten und tritt erst im September so zahlreich auf, daß man mit leichter Mühe viele Exemplare sammeln kann. Planaria torva M. Schultze. Kommt zusammen mit Dendrocoelum lacteum aber weit seltener vor. Es wurden nur im September einige Exemplare von mir im Obersee gefunden. Ein Exemplar, das wahrscheinlich auch hierher zu rechnen ist, fand sich in_einer konservierten Probe des Bodensatzes aus dem Wasserleitungswasser vom Juni. Polycelis sp. In den Wasserleitungsrohren im September häufig, wurde aber im See nicht zefunden. Trematoda. Die Zahl der in den Fischen des Obersees als Darmparasiten vorkommenden Trematodenarten ist ganz auffallend gering. Besonders merkwürdig ist das voll- ständige Fehlen von Distomum globiporum Rud. und Distomum teretieolle Rud., die ich in den Plötzen, Brachsen und Hechten des Obersees ganz vermißte, ob- Der Obersce bei Reval. 63 gleich sie nicht nur in den Flüssen und Seen des Balticums, sondern auch stellen- weise im Finnischen Meerbusen') häufig gefunden werden. Dieses Fehlen sonst in der Nachbarschaft stark verbreiteter Arten läßt sich nieht durch Mangel an Zwischenwirten erklären, da die Molluskenfauna im Obersee reich und mannig- faltig genug vertreten ist, und wir müssen deshalb annehmen, daß die völlige Abgeschlossenheit des Sees, der Mangel an offener Kommunikation mit anderen Gewässern, die hier lebenden Fische vor der Infektion geschützt hat. Die Tre- matodenlarven in den wirbellosen Tieren sind von mir noch nieht gesammelt und untersucht worden. Im Darm, in den Augen und in der Leibeshöhle bei Fischen und Fröschen fand ich folgende Formen. Distomum nodulosum Zed. In etwa 4° der von mir untersuchten Barsche, nämlich nur einmal im Mai und einmal im Dezember, wurden wenige Exemplare gefunden. Distomum ceylindraceum Zed. Nur ein Exemplar fand ich am 9. September in der Lunge einer Rana tem- poraria vom Ostufer des Obersees. Es war ungefähr 12 mm lang. Tylodelphys elavata v. Nordm. In den Augen von Acerina cernua, Perea flwviatilis und Leueisceus rutilus des Obersees kommen 'Trematodenlarven vor, die entsprechend dem „Typus der zweiten Gruppe“ nach v. Nordmann gebaut sind. Wie die folgende Art, so wurde auch diese von mir nur im Glaskörper und nicht in der Linse des Fischauges gefunden. Die Gestalt dieser Würmer ist viel schlanker als bei der unten zu beschreibenden Larve von Hemistomum spathaceum. Der Längsdurchmesser beträgt bei meinen konservierten Exemplaren 350 bis 450 p, die Breite nur 120 bis 170 x und die Höhe etwa 100 x. Die Cuticula ist deutlich quergerunzelt. Die Entfernungen der beiden ziemlich kleinen Saugnäpfe und der längsovalen Bauchdrüse von ein- ander sind wegen der stärkeren Kontraktion meiner Exemplare etwas andere als in den Abbildungen von v. Nordmann?). Die Distanz zwischen dem Mund- und Bauch- saugnapf ist nämlich bei meinen Exemplaren größer im Verhältnis zur Entfernung des Bauchsaugnapfes von der Bauchdrüse. Da jedoch im Übrigen der Habitus der Larven ein sehr ähnlicher ist, kann dieser Unterschied nur als ein scheinbarer betrachtet werden. Starke Infektionen mit Trematodenlarven habe ich an den Augen der Oberseefische nicht beobachtet. Viele Augen schienen ganz gesund zu sein. Hemistomum spathaceum Dies. A. v. Nordmann?) beschreibt aus dem Auge einiger Pereiden und von Lota vulgaris eine Holostomidenlarve unter dem Namen Diplostomum volvens, die ich auch im Auge von Acerina cernua aus dem Obersee wiedergefunden zu haben glaube. Leider hatte ich die Gelegenheit versäumt, lebendes Material zu studieren und war angewiesen auf wenige Exemplare, die ich den in Formol konservierten 1) Guido Schneider, Beiträge zur Kenntnis der Helminthenfauna des Finnischen Meerbusens. Acta Soc. pro Fauna et Flora Fennica 26 Nr. 3, 1903, p. 4. e R 2) A. v. Nordmann, Mikrographische Beiträge zur Naturgeschichte der wirbellosen Tiere, Heft I, Berlin 1832, p. 28—41. ®)1l. ec. p. 42-49. 64 Guido Schneider: Augen entnahm. Da diese Exemplare stark in der Längsachse kontrahiert und fast kreisförmig sind, sehen die aus ihnen angefertigten Präparate etwas anders aus, als die Abbildungen, die v. Nordmann gibt. Da jedoch in der Lage und den relativen Dimensionen der Organe Übereinstimmung herrscht, so brauche ich an der Identität der von mir beobachteten Larven mit Hemistomum spathaceum Dies. umsoweniger zu zweifeln, als es M. Braun!) und seinen Schülern gelungen ist, bei Königsberg Diplostomum volvens zu finden und experimentell seine Zugehörigkeit zur Art H. spathaceum nachzuweisen. Der durch einen Wulst vom übrigen Körper abgegrenzte Schwanzabschnitt ist wegen der Kontraktion des ganzen Körpers nicht so prominent wie in Nordmann’s Zeichnungen, aber immer noch deutlich genug erkennbar. Der Mundsaugnapf ist klein, längsoval, der Bauchsaugnapf größer und queroval. Zu beiden Seiten des Mundes ragen die von je einem ceuticularisierten Spalt durchsetzten Seitenorgane hervor. Die beiden Darmschenkel ziehen an der Bauchdrüse vorbei. Holostomum variegatum Duj. Bei den meisten von mir untersuchten Exemplaren von Acerina eemua L. fanden sich im Peritonealüberzug der Schwimmblase, des Darmes, der Leber, der Milz u.s. w. in mehr oder weniger großer Zahl, oft sogar zu traubenförmigen Klumpen vereinigt, die etwa 0,5 mm langen und 0,3 bis 0,4 mm breiten ellipsoi- dischen, weißen Cysten von Holostomidenlarven, die man als Tetracotyle bezeich- nete, so lange man das zu diesen Larven gehörige geschlechtsreife Stadium noch nicht kannte. Es sind verschiedene Tetracotylearten beschrieben worden, von denen jedoch nur zwei, nämlich Tetraeotyle pereae fluwviatilis Moulinie und 7. ovata v. Liustow hier in Frage kommen. Die erste der genannten Arten wurde im Barsch?), die andere in Blicea björkna, Osmerus eperlanus und Acerina cernua?) eingekapselt ge- funden. Trotzdem die von mir im Kaulbars beobachtete Form nicht die Größe erreicht, welche v. Linstow für 7. ovata angibt, so halte ich sie doch eher mit dieser Art für identisch und zwar aus folgenden Gründen. Die neben dem Mund- saugnapf befindlichen Haftorgansanlagen, die sogenannten „akzessorischen Saug- gruben“, wie sie v. Linstow nennt, sind nicht größer als der Mundsaugnapf. Die Ränder der Saugnäpfe tragen konzentrische Reihen kleiner, zähnchenartiger Papillen, die nach v. Linstow’s Beschreibung charakteristisch für 7. ovata sind, aber, wie wir sehen werden, auch bei Tetracotyle pereae-fumwiatilis nicht fehlen. Bekanntlich ist von A. und ©. Ehrhardt und M. Braun*) in Königsberg die Zugehörigkeit der Larvenform Tetracotyle ovata v. Linst. zur Spezies Holostomum variegatum Duj., die in Larus ridibundus, L. marinus?) und anderen Seevögeln parasitiert, nachgewiesen worden. !) A. u. O. Ehrhardt, Zur Entwicklungsgeschichte der Holostomiden. Zool. Anz. XVI. 1894. p. 165—167. 2) J. J. Moulini6, De la Reproduction chez les Trömatodes endo-parasites. Genöve 1856, p- 230 bis 233. °) O0. v. Linstow, Enthelminthologiea. Arch. f. Naturgesch. Jahrg. 43, Bd. I, 1877, p. 192 bis 198. *) A. u. O. Ehrhardt, Zur Entwicklungsgeschichte der Holostomiden. Zool. Anz, XVII, 1894, p. 165— 167. °) Diesing, Systema Helminthum. or & 2 Der Obersee bei Reval. 65 Von der von E. Claparede!) aus Acerina cernua beschriebenen und von Diesing Tetracotyle echinata benannten Form unterscheiden sich meine Exemplare durch das Fehlen des Schwanzanhanges und der seitlichen Stacheln auf den ersten Blick (s. Taf. II, Fig. 4). Im übrigen entspricht der Bau der von mir beobachteten Holostomidenlarven aus dem Kaulbars den Schilderungen, welche wir von den sogenannten Tetracotylen schon früher besitzen. Der Mundsaugnapf ist rund mit einem Durchmesser von 50 bis 100 x. Der Bauchsaugnapf ist oval mit einem größten Durchmesser von 80 bis 150 x. Die Zähnchenpapillen auf den Rändern der Saugnäpfe stehen sehr unregelmäßig alternierend in zwei konzentrischen Kreisen und sind nur bei recht starker Vergrößerung deutlich wahrnehmbar. Seitlich vor und neben dem Mundsaugnapf befinden sich die 50 bis 100 u langen, spaltförmig von vorn nach hinten sich erstreckenden Gruben, in welche die Drüsen der Haftorgane einmünden. An den Mundsaugnapf schließt sich an ein sehr kurzer, kugelförmiger unpaarer Darmabschnitt, der sich alsbald in die beiden langen, dünnen Darmschenkel spaltet, die sich bis an die große Bauchdrüse erstrecken, ohne aber, wie v. Linstow beschreibt, im das Lumen dieser Drüse einzumünden, Die Holostomidenlarven haben ebensowenig einen Anus, wie die übrigen Trematoden. Die Bauchdrüse liegt dieht hinter dem Bauchsaugnapf als eine ovale undurchsichtige Zellenmasse von etwa 100 1 Länge und 120 y Breite. Sie enthält ein enges Lumen in Gestalt eines X, das durch einen quergestellten, etwa 40 x langen Schlitz hinter dem Bauchsaugnapf nach außen mündet (s. Taf. II, Fig. 5 und 5). Das Pigment besteht aus rundlichen oder ovoiden Hohlkugeln (Taf. II, Fig. 6), von 5 bis 10 x im Durchmesser ähnlich denen, welehe Moulinie bei Tetracotyle pereae-flwviatilis beschreibt. Es bildet zwischen Mund- und Bauchsaugnapf eine netzförmige Figur, von der nach hinten jederseits vom Bauchsaugnapf ein Ausläufer bis in die Gegend der Bauchdrüse sich erstreckt. Diese Anordnung des Pigments ist ähnlich, wie sie Claparede bei Tetracotyle echinata Diesing abbildet. „Elles se dissolvent avec effervescenee dans l’aeide aecdtique“, bemerkt Moulinie hin- sichtlich der Konkretionen in Tetracotyle percae-flwwviatilis, die er mit Recht als „eoneretions ealeaires“ bezeichnet. Aber Clapar&de meint, daß sie auch bei dem Tetracotyle des Kaulbarses aus kohlensaurem Kalk bestehen. Bezüglich der von mir in Acerina cernua gefundenen Form muß ich jedoch eine andere chemische Zusammensetzung der fraglichen Konkretionen annehmen. Ich behandelte in For- malin konservierte Exemplare sowohl mit Salzsäure, als auch mit starker Essig- säure, ohne daß das Pigment sich auflöste und verschwand. Es erfolgte beim Eindringen der Säure in den Körper des Trematoden eine geringe Gasentwicklung, die Pigmentkügelehen behielten aber völlig das Aussehen bei, welches sie vor der Säurebehandlung hatten. Falls also die Pigmentablagerungen kohlensauren Kalk enthielten, so war dieser jedenfalls mit einem organischen Pigment vermengt, das nicht in den erwähnten Säuren und auch nicht, wie ich experimentell feststellte, in Kalihydrat löslich ist. Die Cutieula ist 2,5 px dick. 1) E. Clapare&de, Über die Kalkkörperchen der Trematoden und die Gattung Tetracotyle. Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. 9. 1858. p. 103—105, Taf. VIII, Fig. 6 u. 7. Archiv für Biontologie II. (1) 08. b) 66 Guido Schneider: Die Cyste, welche die Holostomidenlarven umgibt, besteht außen aus einer dünnen, vom Peritoneum stammenden bindegewebigen Hülle, der nach innen eine etwa 12 y dicke, chitinige, auf Schnitten parallel zur Oberfläche gestreifte, also geschichtete Membran dicht anliegt. Außer der Trematodenlarve besteht der Inhalt der Cyste aus einer wahrscheinlich eiweißhaltigen koagulierenden Flüssigkeit. Holostomum Sp. Nicht in so großer Menge und weniger oft als in Acerina cernua fand ich in der Leibeshöhle von Perea fluviatilis aus dem Obersee Holostomidenlarven, die sich von den oben beschriebenen Larven aus dem Kaulbars in einigen Punkten nicht unwesentlich unterscheiden und sehr wahrscheinlich zu einer anderen Art gehören, die als Larve den provisorischen Namen Tetracotyle percac-fluwviatilis Moulinie trägt. In der Größe und Gestalt ist diese Larve, die namentlich an der ventralen und dorsalen Wand der Schwimmblase von Barschen gefunden wurde, von der Larve aus der Leibeshöhle der Kaulbarse nicht verschieden. Jedoch schon bei schwacher Vergrößerung erkennt man, daß ihr das dunkle Pigment fehlt, welches in jener oben beschriebenen Larve, in Hohlkugeln angeordnet, eine netz- förmige, sehr charakteristische Figur bildet. Anstatt des dunklen Pigments enthalten die Larven aus dem Barsch mehr oder weniger diekwandige, ganz durch- sichtige Hohlkugeln, die, wie es scheint, fast nur aus kohlensaurem Kalk bestehen. Ihr Durchmesser beträgt 6 bis 12 x und ihre Form entspricht den Abbildungen, die Moulinie gibt!). Sie befinden sich überall im Körper dicht beieinander und nur im Abschnitt hinter dem Bauchsaugnapf, wo sich die große Bauchdrüse befindet, fehlen sie. In verdünnter Salzsäure lösen sich diese kugeligen Kalkkonkremente unter heftigem Aufbrausen auf, wie schon Moulinie beobachtet hat, und ver- schwinden. Es ist also ein bedeutender Unterschied in der chemischen Zusammen- setzung der Konkremente in den Geweben der Holostomidenlarven aus dem Barsch und dem Kaulbars vorhanden; erstere enthalten ein dunkles Pigment, letztere fast nur Kalk. Der größere Durchmesser des auch bei’dieser Form querovalen Bauchsaug- napfes beträgt etwa 100 4, der Durchmesser des Mundsaugnapfes nur 50 x und die Länge der spaltförmigen Haftdrüsenöffnungen, sowohl derjenigen, die seitlich vom Mundsaugnapf sich befinden, als auch derjenigen der Bauchdrüse, ist un- gefähr 60 1. Die Saugnäpfe sind, ebenso wie bei Tetracotyle ovata, mit zwei Reihen kleiner Zähnchenpapillen bewaffnet. Cestoda. Caryophyllaeus mutabilis Rud. In 14° der von mir untersuchten Exemplare von Abramis brama L. und in 7,2’ von Leueiseus rutilus L. aus dem Obersee fand ich bis 25 mm lange Exem- plare von Caryophyllaeus mutabilis Rud., die vollkommen typisch gestaltet und mit schön gefaltetem Kopfende versehen waren. Der Halsabschnitt ist dünn, oft faden- ') J.-J. Moulini6. De la Reproduction chez les Tr&matodes endo-parasites. Geneve 1856. p. 231. Taf. VII, Fig. 14. nt Der Obersee bei Reval. 67 förmig. Exemplare von 5 mm. Länge lassen schon deutlich Hals und Kopf er- kennen, haben aber noch keine ausgebildeten Genitalorgane, deren Anlagen nur erst als dichtere Zellenanhäufungen in diesem Stadium sichtbar sind. Bei etwas größeren Exemplaren von 6 mm Länge sind die Genitalorgane schon deutlich aus- gebildet, aber erst bei 5 bis 10 mm langen Würmern finden sich reife Eier im Uterus. Ligula intestinalis L. . En 290 =; 7 R DE er In der Leibeshöhle von 23,3°/, von Abramis brama und 12,2°/ von Leueiseus rutilus fand ich bis 55 cm lange Exemplare von Zigulalarven. Die Schädigungen, welche die großen Parasiten ihren Wirten verursachen, sollen weiter unten im Abschnitt über die Fische näher besprochen werden. Bothriocephalus latus L. Selten, nämlich nur in 8,3°/, der von mir untersuchten Hechte fand ich die Larven des breiten Bandwurms. Da jedoch nur die Eingeweide und nicht die Muskulatur der Fische untersucht wurden, so entspricht obige Zahl nicht dem wirklichen Vorkommen der Bandwurmlarven, welches gewiß weniger selten ist. Triaenophorus nodulosus Pall. Sehr gewöhnlich im Darm von Zsox lueius des Obersees. 37,5% aller unter- suchten Hechte waren mit diesem Bandwurm infiziert, dessen Larven ich nur in der Leber von Barschen in diesem See finden konnte. 25,5°/ der untersuchten Exemplare von Perca fluviatilis beherbergten solche Larven in der Zahl von 1 bis 7 Stück in der Leber, oder hatten an der Leber deutliche Spuren von zugrunde gegangenen Triaenophoruscysten. Ichthyotaenia percae ©. F. M. Sehr häufig während des Monats Mai im Anfangsdarm und in den Pylorus- anhängen von Perca fluviatilis, verschwindet dieser Parasit in der zweiten Hälfte des Sommers, tritt aber wahrscheinlich schon im Spätherbst wieder zahlreicher auf. 27,50% von allen untersuchten Barschen waren mehr oder weniger stark mit diesem Bandwurm infiziert. Die stärkste Infektion wurde am 5. Mai beobachtet. Zwei an diesem Tage untersuchte Barsche hatten 75, resp. 196 Exemplare von Ichthyotaenia percae im Darm. Ichthyotaenia esoeis Gui. Schn. Von dieser neuen Art, die ich zum ersten mal nach Exemplaren aus dem Öbersee beschrieben habe!), fand ich am 30. April 15 Exemplare im Dünndarm eines Zsox lueius 2 von 62,5 em Länge zusammen mit 40 Exemplaren von Triaeno- phorus nodulosus. Ichthyotaenia ambigua Duj. Kommt oft, wenn auch nicht zahlreich, in Gasterosteus pungitius des Obersees vor. 40° der untersuchten Stichlinge bargen je 1 bis 4 Exemplare dieses kleinen Bandwurms, den ich anderen Orts genauer beschrieben habe, im Dünndarm?). !) Guido Schneider, Die Ichthyotaenien des Finnischen Meerbusens. Festschrift für Palmen. Nr. 8, p. 19—21, 2), ]. c., p. 21—24. 5* 68 Guido Schneider: Acanthocephala. Im Obersee kommen als Fischparasiten nur zwei Arten von Eehinorynchen vor, während im Finnischen Meerbusen nicht weniger als neun Arten konstatiert worden sind. Ebensowenig wie bei den Trematoden, kann auch hier der Mangel an Arten ausschließlich durch das Fehlen gewisser Wirte und Zwischenwirte erklärt werden. Die isolierte Lage des Sees wird auch hier in gewissem Grade dazu bei- getragen haben, die Einwanderung mancher Arten zu verhindern. Sehr charak- teristisch für den Obersee ist namentlich das Fehlen von Eehinorhynehus globu- losus, der in den Cypriniden der Ostsee oft genug vorkommt!). Echinorhynchus celavaeceps Zed. Sehr selten im Darm von Leuweiseus rutilus L. In 41 Plötzen, die untersucht wurden, fanden sich nur zwei Exemplare. Echinorhynehus angustatus Rud. Von Esox lueius waren 37,5%, von Perca fluwviatilis 33,3%, von Acerina cernua S"/, von Gasterosteus pungituus 3.3°/ aller untersuchten Exemplare aus dem Obersee mit Zehimorhynchus angustatus infiziert, der meist im Mittel- und Enddarm selten im Magen seiner Wirte gefunden wurde. Die Anzahl der infizierten Barsche war wohl kleiner, als die der Hechte, welche mit Z. angustatus behaftet waren, aber die Infektionen erwiesen sich beim Hecht nicht so stark als wie beim Barsch, der bis 535 Exemplare des Wurms in einem Fisch beherbergte, während die größte Zahl der Kratzer in einem Hecht des Obersees nur 30 Stück betrug. Unter den Hechten waren es namentlich ganz junge Exemplare, die fast alle mit E. angustatus infiziert waren, weil sie sich hauptsächlich vom bekannten Zwischenwirt dieses Wurmes, dem Asellus aquaticus, ernähren. Die größten Exemplare von Zeh. an- gustatus fand ich in Barschen, wo die größten Weibchen die Länge von 20 mm erreichten. Die meisten Echinorhynehen wurden in den Monaten Juli und August gefunden. In der ersten Hälfte des Sommers waren sie selten. Nematoda. Bei Betrachtung der Nematodenfauna des Obersees fällt sofort das vollständige Fehlen des Genus Ascaris auf. Wenigstens hätte man darauf rechnen können, Ascaris mueronata Schrank, die sowohl im Finnischen Meerbusen?), als auch im Onegasee?) in Esoxr lueius oft vorkommt, anzutreffen. Aber auch dieser Wurm fehlt in den Hechten des Obersees. Charakteristisch für diesen See ist das massenhafte Vorkommen einigerfreilebender Nematodenarten, namentlich des schlamm- bewohnenden Dorylaimus stagnalis Duj., der, wie wir im Abschnitt über die Fische sehen werden, einen charakteristischen Bestandteil in der Nahrung schlamm- fressender Fische ausmacht. Aphanolaimus sp. In einer Bodenprobe vom Südostufer (aus der Gegend, wo am Seeboden Quellen entspringen) des Obersees, die ich, ohne sie zu konservieren, zum Zweck der Be- obachtung vom 9. September an im Zimmer hielt, fand ich am 28. Oktober in !) Guido Schneider, Beiträge zur Kenntnis der Helminthenfauna des Finnischen Meer- busens. Acta Soc. pro Fauna et Flora Fennica 26 Nr. 3. 1903. p. 22. ®) Guido Schneider, Ichthyologische Beiträge III. Acta Soc. pro Fauna et Flora Fennica 22 Nr. 2. 1902. p. 834—36. », K. Kessler, Materialien zur Kenntnis des Onegasees. Arb. d. I, Versammlung russ, Naturforscher. St. Petersburg 1868. p. 120. Der Obersee bei Reval. 69 1 mm langes Exemplar einer Art von Aphanolaimus, von der jedenfalls das / noch unbekannt ist. Der schlanke Körper, dessen dickste Stelle hinter der Mitte liegt, verjüngt sich sehr stark gegen das zugespitzte Vorderende. Die Länge des Schwanzes beträgt etwa !/ der Körperlänge. Die Cuticula ist deutlich geringelt, aber eine Felderung konnte ich auch bei starker Vergrößerung nicht sehen. Der Ösophagus ist sehr dünn und gegen den Darm sehr undeutlich abgegrenzt. Seine Länge konnte deshalb nicht genau festgestellt werden. Vielleicht betrug sie !/s der Körperlänge. Sehr nahe am Vorderende finden sich kreisförmige Seitenorgane von 3,2 u im Durchmesser. Eine Seitenmembran scheint vorhanden zu sein. Am Kopfende finden sich Andeutungen von Lippen, die Kopfborsten waren aber nur ganz undeutlich und kaum zu bemerken. Deutliche Borsten stehen in 2 bis 3 Paaren in den ventralen Submedianlinien am Schwanz. Die Spieula sind ziemlich plump, am distalen Ende zugespitzt und nur sehr wenig gebogen. Hinter ihnen liegt ein, von der Seite gesehen, im Winkel von 110° geknicktes, kleines akzessorisches Stück. Vor der männlichen Genitalöffnung stehen in der Mittellinie 13 kleine Papillen, und hinter einer jeden tritt ein Röhrchen an die Cuticula heran. Die Abstände der Röhrchen von einander sind hinten sehr kurz, werden aber nach vorn sukzessiv länger, sodaß die beiden vordersten etwa doppelt so weit von einander entfernt stehen, als die beiden hintersten. Der Abstand des letzten Röhrchens von der Genitalöffnung ist ebenso groß, wie der Abstand der beiden vordersten Röhrchen von einander. W. Plotnikoff!) beschreibt aus dem See Bologoje das 2 einer lebendig ge- bärenden Art, die er Aphanolaimus viviparus nennt, und von der er nur ein ein- ziges Exemplar fand. Da die Möglichkeit vorliegt, daß das von mir im Obersee- wasser gefundene Exemplar das bisher noch unbekannte gJ' dieser Art repräsentiert, so sehe ich mich vorläufig der Mühe enthoben, einen neuen Artnamen ausfindig zu machen, bevor das Gegenteil erwiesen ist. Die fc‘ der drei übrigen in Europa gefundenen Arten, Aphamolaımus attentus de Man aus Holland, A. aquaticus Daday aus dem Plattensee in Ungarn und A. pulcher Gui. Schn. aus dem Finnischen Meerbusen haben viel weniger mediane Drüsenröhrehen vor der Genitalöffnung, nämlich nur 5 bis 8. Alaimus primitwus de Man. Nur weibliche Exemplare auf Sandboden zwischen Fadenalgen in der Nähe des südöstlichen Ufers in den Monaten August bis September wurden gefunden. Chromadora bioeulata M. Schultze. Die in den süßen Gewässern Mitteleuropas häufige Art lebt auch im Obersee sehr zahlreich zwischen Algen und an der Oberfläche des Schlammes am Böden, erreicht aber hier nur eine auffallend geringe Größe. Während nämlich die von Bütschli!) und de Man?) beobachteten Exemplare 0,8 bis 0,9 mm lang wurden, 1) W. Plotnikoff, Nematoda, Oliyochaeta u. Hirudinea. Berichte der Biologischen Süß« wasserstation der Kais. Naturf. Gesellsch. St. Petersburg. Bd. I. 1901. p. 244—245. 70 Guido Schneider: erreichten die von mir gemessenen nur eine Länge von 0,55 mm (J') und 0,6 mm (2) im Durchschnitt. Die größten Exemplare waren nicht länger als 0,7 mm. Der Körper ist am dieksten hinter der Mitte. Nach vorn wird er all- mählich, nach hinten gegen die Schwanzspitze schnell schmäler. Die Cutieula ist außen glatt. In der tieferen Schicht finden sich jedoch in Querreihen regelmäßig angeordnete sehr kleine, bei starker Vergrößerung erkenn- bare Feldchen, die den Eindruck einer deutlichen Querringelung hervorbringen. Vier Reihen ziemlich langer Haare, die in ziemlich gleichen Abständen von ein- ander stehen, erstrecken sich über den ganzen Körper. Das Kopfende ist abgerundet und mit 6 nach vorn gerichteten Borsten ver- sehen. Lippen und Papillen fehlen. In der durch Chitinplatten versteiften Mund- höhle findet sich ein dorsaler Zahn. Der Ösophagus schwillt in seinem letzten Viertel zu einem voluminösen Bulbus an, sehr bald nachdem er den Nervenring passiert hat. Noch vor der Grenze des ersten Viertels des Ösophagus erblickt man zwei der dorsalen Mittellinie sehr genäherte, braunrote Ocellen von birnförmiger Gestalt. Die Länge des Ösophagus kommt ungefähr !/s der Gesamtlänge des Kör- pers gleich. Die Vulva liegt in der Körpermitte ziemlich gleich weit entfernt vom Vorder- und Hinterende.. Die weibliche Geschlechtsdrüse ist paarig, und die Ovarien sind an den Enden umgeschlagen. Der männliche Kopulationsapparat besteht aus 2 Spieula und 2 akzessorischen. Stücken. Die Spieula sind klein und spitz, am hinteren Rande verdiekt und stark gebogen, nach vorn zu einer nur sehr wenig ausgebuchteten, feinen Lamelle zuge- schärft. Die akzessorischen Stücke erreichen etwa °/ı der Länge der Spieula. Sie stellen feine, wellenförmig gebogene Stäbchen dar, die gegen die Genitalöffnung konvergieren und an den distalen Enden etwas verdickt sind. Papillen vor der männlichen Geschlechtsöffnung fehlen vollkommen. Ein f und 2%, die genau gleich lang waren, sah ich in copula. Doch trennte sich das Paar unter dem Deckglas sofort unter sehr lebhaft schlängelnden Be- wegungen, welche diesen Tierchen eigentümlich sind. Der Schwanz trägt am Ende den röhrenförmig verlängerten Ausführungsgang der Klebdrüse, den sog. Spinnzapfen, und ist in beiden Geschlechtern gleich lang. Seine Länge beträgt !/s bis !/r der Körperlänge. Ohromadora bioculata findet sich, wie es scheint, zu jeder Jahreszeit häufig im Obersee und wird auch in der Revaler Wasserleitung nicht selten angetroffen. Chromadora lehberti Gui. Schn. Seltener als die oben beschriebene Art, aber immerhin noch ziemlich häufig, fand ich im Obersee unter Fadenalgen und im Schlamm eine größere Art, die ich im Zool. Anzeiger’) zuerst beschrieben habe und nach dem ersten Entdecker, dem eifrigen Revaler Botaniker R. Lehbert, Ohromadora lehberti benannte. ‘) O. Bütschli, Beiträge zur Kenntnis der freilebenden Nematoden. Nova Acta Academiae Leopold.-Carolinae. T. 86, p. 70—71, Taf. V, Fig. 32; Taf. VI, Fig. 87. 2) De Man, Die frei in der reinen Erde und im süßen Wasser lebenden Nematoden der Niederländischen Fauna. Leiden 1884. p. 60—61. Taf. VIII, Fig. 82. °) Guido Schneider, Süßwassernematoden aus Estland. Zool. Anz. 1906. Bd. 29, Nr. 28, p. 680, 681. Der Obersee bei Reval 71 Fig. 1. Chromadora lehberti Gui. Schn. Vorderende. Am nächsten verwandt scheint diese neue Art mit Chromadora viridis v. Linstow!) zu sein, die in Deutschland im Ratzeburger See zwischen Faden- algen gefunden wurde, sie unterscheidet sich aber von letzterer, außer durch die erößereLänge, noch besonders durch das Vorhandensein von Ocellen. Von Ohromadora örleyi”), der sie auch nahe steht, unterscheidet sieh C. Zehberti durch die Zahl der vor der männlichen Genitalöffnung befindlichen Papillen und durch die Farbe der Ocellen, von beiden erwähnten Arten aber durch die Gestalt der männlichen Kopulationsteile. Der Körper ist 0,9 mm lang in beiden Geschlechtern und erreicht die größte Dicke ungefähr in der Mitte. Nach den Enden zu wird er allmählich schmäler, zum Schwanzende schneller als zum Kopfende. Die Cuticula erscheint in ihrer mittleren Schicht stark geringelt durch das Vorhandensein kleiner, rechteckiger Feldehen, die in Querreihen geordnet sind und schon bei schwächeren Vergrößerungen, als bei ©. bioculata, sichtbar werden. Wie hei dieser, so ist auch bei (©, Zehberti «die Seitenlinie nicht durch Unterbrechung der Ringelung oder Vergrößerung der Feldehen besonders ausgezeichnet. Die Breite jedes Ringes beträgt etwa 1,2 x und die Felder die ihn zusammensetzen, alternieren in den aufeinander folgenden Ringen wie die Schuppen einer Schlangen- haut. Dadurch wird außer der Querringelung noch der Eindruck von sich kreuzenden Spiralstreifen auf der Cutieula hervorgebracht. Kurze Borsten finden sich, außer den hinter schwach entwickelten Lippen inserierten 4 Kopfborsten, ziemlich dicht aufeinander folgend in 4 Längsreihen über den ganzen Körper. Fig. 2. Chromadora lehberti Gui. Schn. Hinterende d‘. Die Mundhöhle ist in gewöhnlicher Weise durch Chitinleisten gestützt und mit einem Zahn bewaffnet, dessen Lage nicht genau dorsal, sondern etwas rechts von ‚der Mittellinie ist. Ihm gegenüber befindet sich ein Chitinhöcker. !) Dr. v. Linstow, Helminthologische Beobachtungen. Arch. f. Naturgesch. Jahrgang 42. 1876. Bd. I. p. 14, 2) De Man, Die frei in der Erde und im süßen Wasser lebenden Nematoden der Nieder- ländischen Fauna. Leiden 1884, p. 59—60. -ı IV Guido Schneider! Die Länge des Ösophagus beträgt !/s der Körperlänge. Er erweitert sich in seinem hintersten Viertel zu einem birnförmigen kleinen Bulbus. Die Lage der beiden ovalen, nach hinten divergierenden rotbraunen Ocellen ist an der Grenze des ersten Fünftels des Ösophagus. Der Nervenring liegt hinter der Mitte des Ösophagus. Seitenorgane fehlen wie bei ©. bioculata. Die Vulva liegt ungefähr 50 x vor der Körpermitte. Es sind zwei an den Enden umgeklappte Ovarien vorhanden. Vor der männlichen Genitalöffnung finden sich in der Regel 16, nur aus- nahmsweise 15, Papillen in der ventralen Mittellinie, die in sehr kurzen und fast gleichen Abständen von einander und von der Genitalöffnung auf einander folgen. Die Spicula sind in der Mitte scharf gebogen, sichelförmig. Der proximale Schenkel, der sozusagen den Handgriff der Sichel bildet, ist am Ende abgerundet und hohl. Der distale Teil ist am Hinterrande wulstförmig verdickt und am Ende keulenförmig angeschwollen. Der vordere Rand der Spieula, die recht breit sind, ist zu einer dünnen Lamelle abgeplattet. Der Winkel, in dem die beiden Schenkel jedes Spieulums gegen einander gerichtet sind, beträgt ungefähr 120° Die akzes- sorischen Stücke sind 2 kleine Stäbchen, die nur etwa Y/s der Länge der Spicula erreichen und sich an den distalen Enden berühren. Der Schwanz nimmt beim 2 !/s, beim Z "s der Körperlänge ein und trägt an Seiner Spitze das Mündungsröhrchen der Klebdrüse, das recht groß ist. Chromadora revaliensis Gui. Schn. Eine ganz eigentümliche, neue Art, die mit keiner der bisher bekannt gewordenen Chromadoraarten in näherer Verwandtschaft steht und wahrscheinlich als eine be- sondere Gattung wird abgetrennt werden müssen, fand ich in wenigen Exemplaren im Obersee.!) i Die gesamte Körperlänge ist in beiden Geschlechtern gleich und beträgt 0,9 mm. Fig. 3. Chromadora revaliensis Gui. Schn. Vorderende d'. Die Länge des Ösophagus verhält sich zur Körperlänge beim 2 wie 1:5, beim Z wie 1:6. Der Schwanz ist ganz auffallend kurz; seine Länge beträgt beim 2 !/s, beim d‘ "/» der Körperlänge. Ocellen fehlen. Die Cutieula ist in ihrer mittleren Schicht deutlich gefeldert geringelt, und die Ringelung zeigt an den Seitenlinien keine Unterbrechung. Die Feldehen auf- einander folgender Ringe stehen alternierend ungefähr wie bei der vorigen Art. Der Körper ist ziemlich schlank, nach vorn wenig, nach hinten mehr ver- schmälert. !) Guido Schneider, Süßwassernematoden aus Estland. Zool. Anz. 1903. Bd. 29, Nr. 23, p. 681—688. Der Obersee bei Reval. 73 Das Kopfende ist quer abgestutzt und mit Lippenrudimenten versehen, auf denen die sehr kurzen, wenig deutlichen Kopfborsten inseriert sind. Die Mundhöhle ist von einer stark muskulösen Wand umgeben, welche durch eine scharfe Rinne gegen den Ösophagus abgegrenzt ist. Sie birgt in ihrem er- weiterten, vorderen Teil 5 fingerförmige Papillen und kleinere Chitinstückehen in der Wand. Dahinter folgen die den Chitinleisten von Chromadora entsprechenden Verdiekungen der Schlundwand, deren dorsale einen stumpf hökerförmigen Zahn trägt. Fig. 4. Chromadora revaliensis Gui. Schn. Vorderende Q. Dicht hinter dem Querschnitt dieses Zahnes, also dem Vorderende sehr ge- nähert, finden sich beim g die beiden großen Seitenorgane von 7,5 p. im Durch- messer. Sie sind kreisförmig mit einem etwas exzentrischen Tüpfel in der Mitte. Ganz anders sahen die Seitenorgane beim 2 aus. Die Lage ist ähnlich wie beim fZ. Es sind aber jederseits 2 kleine Kreischen vorhanden. Der vordere hält 5 » im Durchmesser, und hinter ihm liegt, seinen Rand berührend und ein wenig schneidend, der zweite etwas größere Kreis, dessen Durchmesser 6 x er- reicht. Jedes der beiden Seitenorgane hat also die Form der Ziffer 8, und jeder der beiden Kreischen, die das Seitenorgan bilden, hat im Zentrum einen Tüpfel. Der mittlere Teil des Ösophagus ist schmal und ungefähr in der Mitte vom Nervenring umgeben. Sein hinterstes Viertel aber schwillt zu dem starken, fast kugelförmigen Bulbus an. zen, LNLAÄF. FA 4 r , 9, % PART Fe l- \EeNmass N w 7 e 7 NV eb Fig. 5. Chromadora revaliensis Gui. Schn. Hinterende d'. Die Vulva befindet sich ein wenig hinter der Mitte des Körpers. Das weib- liche Geschlechtsorgan ist paarig. Der Schwanz, dessen Länge bereits oben angegeben wurde, trägt beim j auf der Ventralseite bisweilen einige feine Haare und dieht vor der J' Genitalöffnung zwischen dieser und der hintersten Papille steht zuweilen eine kurze Borste. Es sind 15 mediane Papillen vor dem Anus des 5 vorhanden. Die Spicula sind breit und stark gebogen. Die akzessorischen Stücke sind klein und entsenden einen Fortsatz nach hinten. Tripyla setifera Bütschli. Exemplare bis zu 1,7 mm Länge fand ich in mehreren Proben vom östlichen und nordöstlichen Ufer des Sees in Schlamm und Sand. Ein reifes 2 wurde so- 4 Guido Schneider: gar in einer Planktonprobe vom 18. Februar gefunden, die übrigens auch sonst noch Bodentiere enthielt. Dorylaimus stagnahs Du). Findet sich sehr zahlreich im Bodenschlamm des Obersees und. wird auch im Darminhalt von Abramis brama als Nahrung angetroffen. Die 2 2 sind häufiger als die fd. Angtostomum nigrovenosum Kud. Einige Exemplare aus den Lungen zweier Frösche (Rana temporarıa) vom Obersee. Nematoxys Sp. Es wurden nur 2 2 in den Därmen zweier Exemplare von Rana temporaria gefunden, die ich aus Mangel an Vergleichsmaterial, und weil ich die zuge- hörigen {5 nicht gesehen habe, nicht genau bestimmen kann. Wahrscheinlich war es N. ornatus Duj.,. der auch von Cholodkowsky im See Bologoje gefunden worden ist sowohl in Rana temporaria als in Bufo vulgaris. ") Cueullanus elegans Zed. Von Acerina cernua waren 44°, von Perca fluwwiatilis 37.3°/ der untersuchten Exemplare mit diesem Nematoden infiziert, und einmal fand ich auch drei Exem- plare von €. elegans im Darm eines Zsor lucius. Während im Barsch dieser Nematode meist die Pylorusanhänge bewohnt und seltener in den Darm hinabsteigt, findet er sich im Kaulbarsch meist im Mitteldarm und sogar im Enddarm, wo ich einmal 2 hochgravide 2 2 und ein gZ beisammen fand, die sehr fest an der Wand des Enddarms sich angeheftet hatten, also durchaus nicht auf der Auswanderung begriffen schienen. Ichthyonema sanguineum Rud. Ein einziges Exemplar fand ich am 15. Juni in einer Abramis brama, wo es sich in der Leibeshöhle am Darm aufhielt. Agamonema bicolor Diesing. 20°% der untersuchten Kaulbarse (Acerina cernua) hatten in der Leber, im Mesenterium, oder am Peritonealüberzug des Darmes 1 bis 53 Cysten, in denen die ungefähr 25 mm langen Nematoden eingerollt liegen. Gordius aquaticus Römer. Tritt im Juli auf und findet sich sowohl nah am Ufer, als auch mitten im See, wo dieser Wurm sich bisweilen in den Maschen der dort ausgesetzten Barsch- netze verwickelte. Annelida. Oligochaeta. Obgleich die Anneliden im Obersee keine unbedeutende Rolle spielen, da sie in großer Individuenzahl auftreten und anderen Tieren, namentlich den Fischen, vielfach zur Nahrung dienen, ist ihre Fauna doch sehr arm an Arten. Es sind nur drei Familien mit zusammen vier Arten bisher von mir in diesem See ge- funden worden. Das Fehlen zahlreicher Familien und Arten ist bedingt durch die ') N.A. Cholodkowsky, Helminthologische Notizen (russisch). Berichte der Biologischen Süßwasserstation der Kais. Naturf. Gesellschalt. St. Petersburg 1901. Bd. I. p. 258. Der Obersee bei Reval. 75 geringe Gliederung der Ufer des Sees, der den meisten Formen keine genügend geschützten Verstecke oder sonst günstige Lebensbedingungen darbietet. Aus diesem Grunde fehlt wohl hauptsächlich z. B. die ganze Familie der Enchytraeiden, deren Vertreter in stillen Buchten anderer Gewässer unter Ufersteinen reichlich vor- kommen. Die vier bisher aus dem Obersee bekannt gewordenen Oligochaetenarten sind: Chaetogaster diaphanus Gruith. Findet sich im Mai zahlreich auf den bei Hochwasser überschwemmten Wiesen und sonst in der Carexregion nahe am Ufer. Die Nahrung dieses Wurmes besteht hauptsächlich aus Nauplien verschiedener Crustaceen und erwachsenen Gyelopiden. Am 15. September fand ich ein Exemplar in der Revaler Wasserleitung, wo es sich von den zahlreich dort lebenden Chydorus sphaerieus genährt hatte. Nais elinguis ©. F. M. Überall in der Uferregion, namentlich am Boden und auf Pflanzen in enormen Mengen vorhanden. Stylaria lacustrıs L. Kommt zusammen mit der vorher genannten Art und an denselben Stellen massenhaft vor. Tubifex riwulorum D’Ud. Im Schlamm des Obersees überall, wie es scheint, häufig. Hirudinea. Gleich vielen anderen Fischparasiten scheint auch Piscicola geometra L., die im Finnischen Meerbusen und anderen Gewässern unserer Gegend viel vorkommt, im Obersee ganz zu fehlen. Die wenigen Hirudineenarten, die ich in diesem See finden konnte, sind: Nephelis vulgaris Moq.-Tand. Sehr zahlreich zwischen Pflanzen und unter Steinen am Ostufer. Coeons an diversen im Wasser befindlichen Gegenständen sehr häufig besonders im Juli und August. Ein großes Exemplar von 4 cm Länge erhielt ich am 15. September lebend aus der Wasserleitung. Olepsine heterochta L. Diese kleine, durchscheinende Art fand sich zuweilen an denselben Orten, wo die vorhergehende lebt. Im August trugen einige Exemplare ihre Brut am Bauch. Olepsine bioeulata Bergm. Ein kleines Exemplar dieser Art wurde von mir in einem Ufertümpel am 9. September. gefunden. Rotatoria. Bezüglich der meisten Rotatorienarten des Obersees kann ich mich kurz fassen und brauche in diesem Kapitel über die Fauna des Sees nur ein Verzeichnis der Arten zu geben, weil die meisten als Planktonformen zusammen mit dem übrigen Plankton in einem späteren Kapitel von Dr. K. M. Levander genauer abgehandelt werden. j 16 Guido Schneider: Floseularia cornuta Dobie. Wurde von mir nach lebenden Exemplaren bestimmt und zahlreich sowohl am Ufer zwischen Pflanzen, als auch weiter entfernt vom Ufer an Fäden von Anabaena angeheftet gefunden in den Monaten von Ende Mai bis Mitte August. Die ersten Exemplare sah ich am 25. Mai. Rotifer vulgaris Schrank. Wurde von mir am 11. und 13. Mai an abgestorbenen Schilfhalmen vom West- ufer und aus der Nordbucht beobachtet. Zeigte sich nieht im Plankton. Conochilus unicornis Rousselet. Sowohl lebend von mir, als auch in Planktonproben von Levander erst vom Juli an gefunden. Die ersten Exemplare sah ich am 4. Juli. Asplanchna priodonta Gosse. Wurde sowohl lebend als in Planktonproben von Anfang Mai bis Mitte Juni beobachtet. Synchaeta pectinata Ehbg. Im Plankton (Levander det.). Polyarthra platyptera Ehbg. Im Plankton des Obersees und im Wasserleitungswasser. Triarthra longiseta Ehbg. var. limnetica Zach. Im Plankton des Sees und im Wasserleitungswasser (Le- vander det.). Furecularia forficula Ehbg. Wurde von mir am 11. Mai an abgestorbenen Schilfhalmen vom Westufer gefunden. Rattulus capucinus Wirz. et Zach. Im Plankton (Levander det.). Euchlamis dilatata Ehbg. Im Plankton (Levander det.). Metopsidia solida Gosse. Im Plankton (Levander det.). Monostyla cornuta O. F. M. Im Plankton (Levander det.). Colurus caudatus Ehbg. Im Plankton (Levander det.). Brachionus angularıs Gosse. Im Plankton (Levander det.). Anuraea aculeata Ehbg. Im Plankton des Obersees und in der Wasserleitung sehr häufig. Anuraea cochlearis Gosse. Im Plankton und in der Wasserleitung. Notholca striata ©. F. M. Im Plankton (Levander det.). Notholca labis Gosse. Im Plankton (Levander det.). Der Öbersee bei Reval. -ı I Notholca longispina Kellieott. Im Plankton und im Wasserleitungswasser sehr häufig. Crustacea. Oyelops strenuus Fischer. Im Plankton und im Wasserleitungswasser (Levander det.). Cyelops leuckarti Claus. Im Plankton (Levander det.). Oyelops viridis Jurine. Am Ufer (Levander det.). Öyclops serrulatus Fischer. Im Plankton (Levander det.). Cyelops maerurus G. O. Sars. Am Ufer (Levander det.). Diaptomus graciloides Lillj. Im Plankton und im Wasserleitungswasser (Levander det.). Canthocdmptus Sp. Harpactieiden gibt es im Obersee sehr wenig. Einzelne Exemplare sah ich im Mai und Anfang Juni in Wasserproben aus dem Überschwemmungsgebiet im Südosten des Sees. In den Planktonproben zeigten sich keine. Ergasilus sieboldi Nor dm. Es wurden nur zwei Exemplare an den Kiemen eines 26,2 cm langen Exem- plars von Perca fluviatilis am 26. Juli gefunden (vergl. Nahrungs- und Parasiten- tabelle Nr. 6 im Abschnitt dieses Kapitels über die Fische) (Pehr Gadd det.). Argulus foliaceus L. : Sehr häufig auf der Haut von Leueiseus rutilus, Abramis brama, Gasterosteus pungitius und Perca flwviatilis. Ganz kleine Exemplare findet man schon auf 15 bis 20 mm langen Leueiseus rutilus (Pehr Gadd det.). Cypris pubera O. F. M. Dr. K. E. Stenroos in Sordavala in Finland, dem ich meine im Lauf des Sommers 1904 gesammelten Ostracoden übersandte mit der Bitte, sie zu bestimmen, schreibt mir: „Die großen grünen Ostracoden sind eine sehr gemeine Art, Uypris pubera O. F. M., die mehr gelben sind entweder jüngere Exemplare derselben oder eine sehr nahestehende Art.“ Sida erystallina ©. F. M. Sehr häufig im Frühjahr auf den überschwemmten Wiesen und später im Sommer zwischen den Uferpflanzen im See. Diaphanosoma brachyurum Lievin. Im Plankton (Levander det.). Daphnia hyalina Leyd. var. galeata G. ©. >. Im Plankton (Levander det.). Daphnia eueullata G. ©. Sars. Im Plankton (Levander det.). Ceriodaphnia pulchella G. ©. Sars. Im Plankton (Levander det.). Ss Guido Schneider: Seapholeberis mueronata O. F. M. var. bispinosa De Geer. Von dieser im Obersee seltenen Art wurden von mir nur einmal am 1. Juli einige 2 2 im Schilfdickicht des südöstlichen Ufers gefangen. Im Plankton fehlt die Art. Simocephalus vetulus Schoedler. Dieser in Schweden!) häufige Bewohner der Tümpel und Sümpfe wurde von mir im Obersee nur einmal am 20. Mai und zwar an einer überschwemmten Stelle des Südostufers beobachtet. Fehlt im Plankton. Bosmina longvrostris ©. F. M. Im Plankton (Levander det.). Bosmina coregoni Baird. Nimmt im echten Zooplankton des Obersees hinsichtlich massenhaften Vor- kommens die erste Stelle ein. Ilyoeryptus acutifrons G. O. Sars. Im Plankton (Levander det.). Euryeercus lamellatus ©. F. M. Lebt während der ganzen eisfreien Zeit des Jahres zahlreich an allen Ufern des Obersees. Acroperus harpae Baird. Nicht selten am Ostufer des Obersees. Namentlich im Mai auf den über- schwemmten Wiesen häufig. Lyneceus quadrangularıs ©. F. M. Im Plankton (Levander det.). Lynceus affinis Leyd. Im Plankton sehr selten (Levander det... Wurde von mir sehr oft und zahl- reich im Darminhalt von Adbramis brama aus dem Obersee gefunden. (Vgl. p. 36). Lymceus costatus @. O. Sars. Im Plankton (Levander det.). Lynceus intermedius G@. OÖ. Sars. Im Plankton (Levander det). Limeeus reetangularis @. O. Sars. Im Plankton (Levander det.). Leptorhynchus falecatus G. ©. Sars. Wurde häufig, namentlich im Juli, am Ostufer und im Darm junger Cypriniden gefunden. Alonella nama Baird. Im Plankton (Levander det.). Peratacantha truncata O. F. M. Wurde im Mai von mir nicht selten am Ostufer beobachtet und auch von Dr. Levander in Planktonproben vom Juni und August gefunden. Chydorus sphaerieus OÖ. F. M. Obgleich keine echte Planktonart, findet sich Ch. sphaericus doch massenhaft in allen Teilen des Obersees und sehr zahlreich auch in allen Rohren der Revaler !) Lilljeborg, Cladocera Sueciae. 1900. p. 172. Der Obersee bei Reyal. 79 Wasserleitung sowohl im Sommer, als auch im Winter und ist die Hauptnahrung der Jungfische des Obersees. Monospilus dispar G. O. Sars. Im Plankton (Levander det.). Polyphemus pedieulus L. Schwärme dieser Spezies sind im Obersee ziemlich selten. Bythotrephes cederstroemi Schoedler var. connectens Lillj. Auch in anderen mehr oder weniger seichten Seen im nördlichen Rußland sind kleine, verkümmerte Formen von D. cederstroemi gefunden worden, hinsichtlich deren ich auf die Arbeit von Zykoff!) über den See Kubinskoe, einen Quellsee des in das Weiße Meer mündenden Flusses Dwinä, verweise. Die von W. Zykoff beschriebene Form unterscheidet sieh von derjenigen des Obersees hauptsächlich, wie es scheint, durch größere Länge des Endstieles und stärkere Krümmung des- selben bei kleineren Exemplaren, die bei der Oberseeform oft fast gerade Endstiele besitzen. Die nähere Beschreibung folgt im Kapitel VI über das Plankton (Levander det.). Leptodora kindti Focke. Diese schöne Art wurde zuerst von Dr. K. M. Levander schon im Jahr 1894 in einer Planktonprobe vom nordöstlichen Ufer des Obersees gefunden, die ich ihm zuschickte. Am besten gedeiht sie während der heißesten Zeit des Sommers. An windstillen Tagen des Juli und August sieht man während der Mittagshitze vom Boot aus allenthalben in der dicken Schicht von Amabaena und Clathroeystis, welche die Wasseroberfläche bedeckt, kleine Wirbel, die von den Bewegungen der langen Ruderantennen von Zeptodora verursacht werden. Das Tier selbst ist natürlich wegen seiner vollkommenen Durchsichtigkeit nieht zu sehen, verrät aber seine Anwesenheit immer durch die erwähnten ceharakteristischen Strudel, an denen man es auch im Aquarium leicht zwischen den massenhaft am Rand der Wasser- fläche angesammelten Algen und Chydorus sphaericus erkennen kann. Als Nahrung fand ich im Darm einiger Exemplare, die ich genauer untersuchte, Anabaena eireinalis neben Überresten von Crustaceen, namentlich jüngeren Exemplaren der eigenen Art. (Vgl. p. 41). Nähere Angaben über die Zeit des Auftretens, über Saisonformen u. Ss. w. der meisten oben angeführten Crustaceen sowohl wie Rotatorien des Obersees, die mit einigen Ausnahmen auch im Plankton vorkommen, oder wenigstens in die Vertikal- und Uferproben gerieten, finden sich weiterhin in dem Kapitel über das Plankton (s. Kap. VD). Asellus aquatieus L. Im Anfang des Sommers spärlich, im Hochsommer und Herbst aber sehr zahl- reich findet man Asellus aquatieus in der Uferregion zwischen Pilanzen, namentlich viel aber unter flachen Kalksteinstücken, die einen großen Teil des östlichen Ufers bedecken. Gammarus pulex L. Im Obersee selbst habe ich nie ein Exemplar gefunden. Die Art muß aber doch wohl vertreten sein, weil sie im Wasser der Revaler Wasserleitung vor- ı) W. Zykoft, Das Plankton einiger Gewässer Nordrußlands. Zool, Anz. 1906, Nr, 6, p. 166—168, S0 Guido Schneider: kommt, wenn auch selten. Am 15. September 1905 ließ ich das stagnierende Wasser aus mehreren Leitungsblindsäcken durch Kanevas filtrieren und fand unter anderem auf diese Weise auch mehrere Exemplare von Gammarus pulex, die in dem an Kohlensäure sehr reichen, an Sauerstoff aber armen Wasser sich ganz wohl zu befinden schienen. Die Augen waren normal vorhanden. Astacus fluviatilis Fabr. Der Flußkrebs, der in den Zuflüssen zum Obersee vorkommt, soll auch gelegentlich, wenn auch selten im Obersee gefangen werden. Ingenieur Staszewiez teilte mir mit, daß in der Lutherschen Holzwarenfabrik, deren technischer Leiter er ist, ein Teich sich befindet, der durch einen offenen Graben sein Wasser aus dem Obersee erhält, aber durch allerlei ölige Abwässer aus der Fabrik stark ver- unreinigt wird. Jährlich einmal wird dieser Teich gereinigt, und regelmäßig werden dabei 30 bis 40 Exemplare vom Flußkrebs im dicken Bodenschlamm gefunden, der sich aus den Abfällen der Fabrik bildet. Fische fehlen in diesem Teich, der eigentlich als Abwässerteich bezeichnet werden kann, völlig, und es ist schwer zu verstehen, wie die Krebse dort leben können. Zweifellos stammen sie aus dem Obersee. Tardigrada. Maerobiotus macronyz Du). Wurde nicht selten von mir zwischen Algen am Ostufer und auch im Wasser- leitungswasser zu sehr verschiedenen Jahreszeiten beobachtet. Arachnoidea. Hydrachnida. Aus der Klasse der Arachnoiden sind im Obersee nur die Hydrachniden reich vertreten. Weniger imponieren sie durch die Zahl ihrer Arten, als durch die sroße Individuenmenge, in der sie innerhalb des Vegetationsgürtels auftreten und namentlich die seichte Carexregion dicht bevölkern. Die Bestimmung der 11 von mir gefundenen Arten verdanke ich der Liebens- würdigkeit von Dr. Erik N. Nordenskiöld in Helsingfors. Da ich weiter keine biologischen Beobachtungen über diese Gruppe gesammelt habe, lasse ich hier einfach das Verzeichnis der Arten folgen, wie ich es von Dr. Nordenskiöld erhielt: Eulais hamata Koenike. Eulais extendens Müll. Hydrochoreutes ungulatus Koch. Limmesia undulata Müll. Limnesia koenikei Piers. Piona ceonglobata Koch. Piona longipalpis Krend. Piona nodata Müll. Piona rotumda Kramer. Piona rufa Koch. Piona fuscata Herm. Der Öbersee bei Reval. s1 Araneae. Die Fauna der eigentlichen Wasserspinnen ist im Obersee sehr arm. Argyro- neta scheint gänzlich zu fehlen, und die einzige Spinne, die ich auch nur in einem Exemplar im Mai in der Mündung eines kleinen Grabens erbeutete, wurde mir von Mag. T. H. Järvi bestimmt als: Dolomedes fimbriatus ©. Insecta. Im Gegensatz zu tieferen und stilleren Gewässern fehlen oder sind sehr schwach vertreten im Obersee alle diejenigen Insektenarten, die als Larven oder Imagines frei im Wasser schwimmen. Ausnahmen von dieser Regel sind zwei Hemipteren- spezies, eine Corixa und eine Mieronecta, die überaus zahlreich in der Uferregion vorkommen und im Schutz der Ufervegetation schwimmend ihre räuberische Tätig- keit entfalten. Die im Schlamm, unter Steinen und in Algenbüscheln lebenden Larven von Ephemeriden, Trichopteren und Chironomiden kommen in großer Menge vor und spielen eine nicht unbedeutende Rolle im Stoffwechsel des Obersees, indem sie einen wesentlichen Teil der Fischnahrung bilden. Libellenlarven habe ich dagegen garnicht in diesem See gefunden. Ephemerida. Die beiden von mir im Öbersee als Larven gefundenen Ephemeridenspezies wurden von Mag. J. E. Aro in Helsingfors bestimmt: Caenis dimidiata Steph. Nur ein Exemplar wurde zwischen Uferpflanzen gefunden. Echdyurus Sp. Die Larven dieser Art, die nicht näher bestimmt werden konnte, weil ich die zugehörigen Imagines nicht gesammelt hatte, kommt zahlreich namentlich in der ersten Hälfte des Sommers unter den am östlichen Ufer stellenweise den Boden bedeckenden flachen Kalksteinstücken vor. Perlida. Zusammen mit den oben erwähnten Eehdyuruslarven lebt unter Kalksteinen am Ufer eine Perlidenlarve, die Mag. J. E. Aro als zur Gattung Nemura Sp. gehörig bestimmte. Sie wurde recht häufig gefunden. Hemiptera. Mit Ausnahme einer Art von Microneeta, deren auffallend zahlreiehes Vor- kommen für den Obersee charakteristisch ist, ist die Hemipterenfauna arm. Die wenigen von mir gefundenen Arten, die Professor ©. M. Reuter zu bestimmen die Güte hatte, sind: Gerris rufoseutellata Latr. Gerris lacustris L. Gerris odontogaster Zett. Corixa distineta Fischer. Archiv für Biontologie II. (1) 08, 6 89 Guido Schneider: Mieronecta sp. Die wichtigste Hemipterenart des Obersees, eine Mieronecta sp., konnte leider nicht bestimmt werden, weil die dazu nötige Literatur nicht vollständig zu er- halten. war. Trichoptera. Die Triehopteren spielen in der ganzen Uferzone des Obersees eine sehr wich- tige Rolle. Bis auf etwa vier Arten, nämlich je eine Art der Gattungen Neuronia, Phryganea, Agrypnia und Molanna sind sämtliche Larven der im Obersee laichenden Triehopteren herbivor und verzehren, da sie, namentlich die Zimnophilusarten, in großer Menge vorkommen, viel Pflanzenstoffe, die somit in geeignete Fischnahrung umgewandelt werden. In anbetracht ihrer nutzbringenden Tätigkeit im Haushalt des Sees, verwandte ich auf diese Insektengruppe größere Sorgfalt, als auf die übrigen Wasserinsekten, und suchte eine möglichst umfassende Sammlung zustande zu bringen. Dabei half mir in freundschaftlichster Weise Dr. J: A. Silfvenius in Helsingfors, der es nicht nur übernahm, die von mir gefundenen Formen zu bestimmen, sondern auf meine Bitte im Mai 1905 mich an den Öbersee begleitete, um mit erfahrener Hand selbst meine Sammlung noch um weitere neun Arten zu vermehren. Die von uns gesammelten Arten!) sind folgende: Neuronia retieulata L. In einer Grabenmündung am Ostufer am 16. Mai (Silfvenius coll.). Phryganea grandis L. (oder striata L.?). In der Mündung des Cournalflusses am 16. Mai (Silfvenius coll.). Agrypnia pagetana Curt. Zahlreiche aus Schilfstücken bestehende 4 bis 5 em lange Gehäuse wurden in den Rohren der Wasserleitung gefunden. Grammotaulis Sp. In einer Grabenmündung am Ostufer am 16. Mai (Silfvenius coll.). Limnophilus rhombieus L. Am Ostufer im Mai zwischen Pflanzen und tote Exemplare in der Wasserleitung. Limnophilus borealis Zett. Auf einer überschwemmten Wiese am Südufer am 20. Mai. (?) Limnophilus flavicornis Fabr. In der Mündung des Cournalflusses und eines Graben, am 20. Mai (Silfvenius coll.). Limmophilus decipiens Kol. Auf einer überschwemmten Wiese und in einer” Grabenmündung am Ostufer. Limmophilus politus Me. Lach. Am östlichen Ufer selten. Limnophilus nigriceps Zett. In der Mündung des Cournalflusses am 16. Mai (Silfvenius eoll.). ') Wo nicht die Imago besonders erwähnt wird, ist nur die Larve gemeint, Der Öbersee bei Reval. a Limmophilus bimaculatus 1. Die häufigste Art. Ihre aus Sand gebauten Röhren bedecken stellenweise förmlich den Boden, besonders in Grabenmündungen im April und Mai. Limnophilus fuseicornis Rumb. In der Mündung des Cournalflusses (Silfvenius coll.). Anabolia laevis Zett. Zahlreich am Ostufer zwischen Kalksteinen und in der Mündung des Cournalflusses. Stenophylax dubus Steph. In einer Grabenmündung am Ostufer (Silfvenius coll.). Molanna angustata Curt. Imagines Anfang August am Ostufer. Leptocerus cinereus Curt. Zahlreiche Imagines Anfang August über dem See am Ostufer. Mwystacıides longieornis L. Larven am Ostufer (Silfvenius coll.). Triaenodes bicolor Curt. Leere Häute wurden zahlreich im See gefunden. Hydropsyche sp. Reste einer abgestorbenen Larve fanden sich in einer Probe aus der Wasserleitung. Agraylea multipumetata Curt. Eine Puppe an einem Kalkstein befestigt am Ostufer, 16. Mai (Silf- venius coll.). Coleoptera. Meine Käfersammlung aus dem Obersee ist nicht reich an Arten. Da ich aber jeden Käfer in die Sammlung aufnahm, dessen ich habhaft werden konnte und trotzdem die Zahl der Individuen nicht sehr diejenige der Arten überstieg, ist es klar, daß die Käfer keine erhebliche Rolle in der Fauna unseres Sees spielen. Ihr Vorkommen ist hauptsächlich auf die Carexregion und die Mündungen der Bäche und Gräben beschränkt. 10 Arten fand ich im Obersee und 4 als ziemlich stark zerstörte Leichen m dem Wasserleitungswasser. Letztere können auch nur aus dem Obersee in die Leitung gelangt sein. Die Bestimmung der Coleopteren wurde von Dr. B. Poppius, Assistenten am entomologischen Museum der Helsingforser Universität, freundlichst ausgeführt. Die Arten sind folgende: Coelambus impressopunetatus Schall. Deronectes depressus Fabr. Hydroporus rufifrons Duft. Nur schlecht erhaltene Reste von einem Exemplar aus der Wasserleitung. Noterus erassicornis Fabr. Agabus bipustulatus L. , Platambus maculatus L. Flügeldecken eines Exemplars aus dem Leitungswasser. 6* 34 Guido Schneider: Rantus exoletus Forst. Dytiscus marginalis L. Dytiscus latissimus 1. Von beiden Dytiscusarten wurden die Flügeldecken einiger Exemplare in der Wasserleitung gefunden. Im See selbst sah ich nie ein Exemplar. Gyrinus marinus Gyll. Laecobius minutus L. Philhydrus melanocephalus Oliv. Helephorus granularis L. Hydrothassa marginella L. Lebt in den Schilfbeständen des Sees. Diptera. Larven von Nematocera finden sich allenthalben im Obersee. In der Pflanzen- region des Ufers, namentlich zwischen den auf Steinen und an alten Schilfrohr- halmen und den größeren Potamogeton-Arten angehefteten Büscheln von Cladophora, Spirogyra und Zygnema wimmelt es von Larven einiger ÜUulex-, Chironomus- und Ceratopogon-Arten. Im Schlamm dagegen finden sich sehr zahlreich die großen, zoll- langen, roten Larven, die allgemein der Federmücke (Chironomus plumosus) zuge- schrieben werden.') Larven von Corethra habe ich im Obersee stets vermißt, da- gegen finden sich andere freischwimmende Mückenlarven, die wahrscheinlich der Gattung Tanypus angehören. Reichliche Chironomidenschwärme beobachtete ich nur Ende Mai und Anfang Juni. Namentlich am 14. Juni 1904 und den folgenden Tagen waren dicht über der Oberfläche des Sees massenhaft kleine Chironomiden von schwarzer Farbe mit hellen Flügeln zu sehen, deren Anwesenheit große Schwärme von Schwalben und Seglern herbeilockte. Auch auf dem Sand des Ufers fanden sie sich in enormer Menge ein und suchten, wenn der Wind wehte, Schutz in allen Vertiefungen, aus denen man sie zu tausenden mit der Hand schöpfen konnte. Bei stillem Wetter sammeln sie sich gern über den Zweigen der Uferweiden. Professor Carl Lund- ström in Helsingfors hatte die Güte, nach den zahlreichen von mir gesammelten Exemplaren, die meist Zg' waren, die Art als Orthoeladius barbicornis L. zu be- stimmen. Eine andere Art, die zu derselben Jahreszeit ebenfalls Schwärme bildet, erwies sich als Metrienemus atratulus Zett. Von Anopheles claviger Fabr. fand ich bei Einrichtung meines Laboratoriums am 29. April in Moik 5 überwinterte 2 2 an den Wänden der von mir gemieteten Wohnung.?) Am 2. Juni erschien die neu& Generation, jedoch wegen des kalten, windigen Sommers in geringer Menge. Es wurden folgende Nematocera am Obersee konstatiert: Öulex sp. Anopheles celaviger Fabr. Chironomus plumosus L. Große, rote Larven im Schlamm, die gern von Brachsen gefressen werden. !) Kurt Lampert, Das Leben der Binnengewässer. Leipzig 1899, p. 126. ®) Guido Schneider, Anopheles claviger Fabr. im Winter und Sommer. Korrespondenz- blatt des Naturf. Vereins. Riga 1904,.p. 41—45. Der Obersee bei Reval. top) Orthocladius barbicornis L. In massenhaften Schwärmen von Ende Mai bis Mitte Juni (Lund- ström det.). Metrioenemus atratulus Zett. Im Mai Schwärme bildend (Lundström det.). Ceratopogon Sp. Unbestimmbare Larven zwischen Algenfäden. Tanypus sp. Unbestimmbare Larven. Mollusca. Dr. Alexander Luther, der sehr fleißig in der Umgebung der Stadt Reval und auch am Obersee Mollusken gesammelt hat, und dem die Sammlung des Ingenieurs A. v. Mickwitz zur Verfügung stand, hat eine ganze Reihe von Gastro- poden und drei Arten von Lamellibranchiaten aus dem Obersee bestimmt und in seinem „Verzeichnis der Land- und Süßwassermollusken der Umgebungen Revals“!) mit Angaben über den genaueren Fundort aufgezählt. Ich kann dieser 13 sicher be- stimmte Arten umfassenden Liste nur eine Gastropodenart, nämlich Zimnaea auri- eularia Dr., hinzufügen und begnüge mich, abgesehen von einigen kleinen Zusätzen, in der Hauptsache mit einem Referat über die Resultate von Luther’s Arbeit. Gastropoda. Succinea pfeiffer, Rossm. „In sehr großer Menge am Strand des Obersees auf ausgeworfenem Schilf u. a. Pflanzenteilen kriechend“ (Luther). Limnaea stagnalıs L. „Zahlreich am Strande des Obersees“ (Luther). Lebende Exemplare fand ich auch in der Revaler Wasserleitung. Limnaea auricularıa Dr. Leere Schalen, am östlichen Ufer wohlerhalten ausgeworfen (Schneider eoll., Luther det.). Limnaea ovata Dr. „Obersee, an der Mündung des Moikschen Baches in großer Anzahl“ (Luther). Limnaea trumcata Müll. „Strand des Obersees bei Moik“ (Luther). Amphipeplea glutinosa Müll. „In großer Menge am Strand des Obersees bei der Mündung des Moikschen Baches“ (Luther). Physa fontinalis L. „Obersee, an der Mündung des Moikschen Baches“ (Luther). Planorbis corneus L. „Obersee zahlreich. Retschka (Abfluß des Obersees).“ (A. v. Mick witz coll.) In einem Teich bei Cournal“ (A. Lundgren coll.). !) Al. Luther, Verzeichnis der Land- und Süßwassermollusken etc. Acta Soc. pro Fauna et Flora Fennica 20 Nr. 2. 1901. Guido Schneider: je 2) [e7} Plamorbis umbilicatus Müll. „Obersee an der Mündung des Moikschen Baches, spärlich vorkommend*“ (Luther). Planorbis vortex L. „Obersee, Bachmündung bei Moik — — nur spärliche Exemplare“ (Luther). Planorbis contortus L. „In großer Menge an denselben Lokalitäten wie die vorige Art“ (Luther). Planorbis erista L. „Obersee“* (Luther). Planorbis complamatus L. „Obersee. An Limmophilus-Gehäusen aus Cournal“ (Luther). Bythinia tentaculata L. „Obersee“ (Luther). Valvata antiqua Sow. _ „Lebt im Obersee in großer Menge — — sowohl am Strande, auf Wasser- pflanzen sitzend, wie auch in der Mitte des Sees (ea. 21/e m Tiefe) in losem Schlamm“ (Luther). Wird nach Ing. Miekwitz von Stürmen manchmal in un- geheuren Mengen ausgeworfen, so daß ein förmlicher Schneckengrand entsteht. Auch aus Cournal an Limnophilus-Gehäusen (Luther). Valvata eristata Müll. „Obersee. Teich bei Cournal, an Limnophilus-Gehäusen“ (Luther). Lamellibranchiata. Anodonta variabilis Lam. Luther fand im Obersee „eine Anodonta mit heller, gelblich-brauner und ziemlich fester Schale zahlreich“, und ©. A. Westerlund bestimmte die ihm von Luther übersandten Exemplare „als zu 4. anatina L. gehörend.“ Ich fand eben- falls in großer Menge leere Schalen von dieser Muschel überall am östlichen Ufer des Obersees. Bei Schleppnetzzügen im östlichen Teil des Sees erhält man oft viele hundert leerer Schalen vom oben erwähnten Typus. Perlen sind recht selten zu finden. Am 10. Juli fand ich in einer großen, etwa 8 em langen Schale eine 3 mm lange Perle, die eine von der Schalensubstanz der Muschel eingehüllte, kleine Schneckenschale, vielleicht von ZLimnaea ovata, ist. Die größten Schalen, die ich am Ostufer fand, waren 92 mm lang und 53 mm hoch (nach der morphologischen Orientierung der Muschel). Am 7. Mai 1905 war das Ostufer des Sees stellenweise bedeckt mit zahlreichen kleinen Schalen ganz junger Exemplare, die nur 20 bis 31 mm lang und 13 bis 20 mm hoch waren (s. Taf. II, Fig. 2A). Außer dieser im erwachsenen Alter mehr langgestreckten Form fand ich eine andere, die auch sehr viel im Obersee vorkommt, aber seltener an den Strand ge- worfen wird, weil sie im tiefen Schlamm im westlichen und nordwestlichen Teil des Sees vorkommt. Bei Versuchen, in jener Gegend mit dem Zugnetz zu fischen, versank dieses nahe beim Ufer im tiefen Schlamm und war, als es vom Schlamm befreit wurde, gefüllt mit Schalen einer Form von Anodonta variabilis, die sich von der am Ostufer gefundenen Form durch folgende Merkmale unterscheidet. Das Verhältnis der Länge zur Höhe ist bei der Schlammform wie 81:50. Die Schale Der Obersee bei Reval. 87 ist dunkler braun und weniger fest als bei der Sandform aus dem Obersee. Sie blättert sich namentlich am kürzeren und breiteren Hinterrande leicht auf. Beide Formen werden annähernd gleich groß (s. Taf. II, Fig. 2B). Dr. Riemschneider in Dorpat, der die Liebenswürdigkeit hatte, über die ihm übersandten Exemplare von Anodonta aus dem Obersee sein Gutachten abzugeben, hält die breitere Form für eine „Grenzform zwischen Anodonta anatina L. und Anodonta piseinalis Nulsse Lebende Exemplare sind bei hohem Wasserstande schwer zu erlangen, bei niedrigem dagegen wurden von Mickwitz an flachen Stellen des westlichen Dünen- ufers und von mir sowohl im Sande des östlichen, als auch zwischen Kalkgeröll am nördlichen Ufer lebende, meist ziemlich junge Anodonten gefunden, die beim Umherkriechen auf Sand und Schlamm ihre bekannten Spuren hinterlassen. Larven im Glochidiwmstadium fand ich am 16. Juni an der Analflosse und an der Bauchhaut eines Gasterosteus pwngitius (vgl. Nr. 12 der Nahrungs- und Para- sitentabelle VI, Gast. pungitius). Sphaerium corneum L. „Obersee, an der Mündung des Baches bei Moik [var. nueleus Studer, Clessin det.]* (Luther). Pisidium anmicum Müll. „Obersee, Sandstrand bei Moik [var. elongatum Baud. Clessin det.]. — Retschka (Abfluß des Obersees)“ (Luther). Pisidium sp. Unter dieser Bezeichnung faßt Luther nicht näher bestimmte Pisidien zu- sammen, die er im Öbersee fand. Ich fand Pisidien recht häufig im Darmkanal von Abramis brama aus dem Öbersee zusammen mit Schalenresten von ganz jungen Anodonta variabılıs. Bryozod. Es ist mir während meiner Untersuchung des Obersees keinmal gelungen Bryozoen zu finden. Die Ursache, weshalb in diesem See sowohl Spongien als auch Bryozoen fehlen oder wenigstens so äußerst selten sind, daß noch nie ein Exemplar gefunden wurde, ist wohl in der ungeschützten Lage zu suchen. Die häufigen starken Winde, die das Wasser des Sees in allen seinen Teilen sehr oft bis auf den Grund in heftige Bewegung versetzen, sind offenbar der Entwicklung festsitzender Tiere hinderlich. Unwahrscheinlich ist es, daß in den Zuflüssen des Obersees sonst allgemein verbreitete Arten von Spongien und Bryozoen ganz fehlen. Ein einziges Exemplar eines Statoblasten von Plumatella fruticosa Allm., das Dr. Levander bei Bearbeitung meines Difflugienmaterials zusammen mit einer vereinzelten Spongiennadel in einer Schlammprobe fand, spricht dafür, daß diese Bryozoenspezies dem System des Obersees nicht absolut fremd sein kann. Falls Bryozoen im See selbst aber vorkämen, so müßte man erwarten, daß sie infolge ihrer festsitzenden Lebensweise und der aus organischem Detritus be- stehenden Nahrung in der Revaler Wasserleitung recht wohl gedeihen könnten, ebenso gut wie in den Leitungsrohren der Stadt Hamburg, wo sie nach Kraepelin') ı) Karl Kraepelin, Die Fauna der Hamburger Wasserleitung. Abhandlungen aus dem Ge- biete der Naturwissenschaften. Herausgeg. v, Naturwiss. Verein. Hamburg 1886, Bd. IX, Heft I. 88 Guido Schneider: massenhaft in mehreren Arten auftreten und als sogenanntes „Leitungsmoos“ die Rohre verstopfen. Hauptsächlich um Bryozoen zu suchen, ließ ich am 15. September 1905 in meiner Gegenwart etwa 12 Hydranten unserer Wasserleitung, die fast armdicke Strahlen liefern, öffnen und untersuchte den durch Filtration des Wassers durch einen Sack aus Kanevas erhaltenen Rückstand, ohne eine Spur von Bryozoen zu finden. Dieses für die Ingenieure des Revaler Wasserwerks ganz er- freuliche Resultat kann ich nur dadurch erklären, daß bisher die Infektion der Leitung mit Bryozoen noch nicht erfolgt ist. Das negative Resultat bestätigt auch die Richtigkeit meiner Beobachtung, daß im Obersee selbst lebende Bryozoen wohl nicht vorkommen. Vertebrata. Pisces. Wegen der günstigen Lebensbedingungen, die der Obersee mit seinem reichen Plankton und seinen dichten, weiten Schilfbeständen darbietet, sollte man meinen, “ daß auch die Fische wenigstens in reicher Individuenzahl vorhanden wären. In der Tat ist aber der Obersee nicht nur sehr arm an Fischarten, sondern auch an Fischen überhaupt. Die Armut an Arten läßt sich nur erklären durch die isolierte Lage des Sees, der mit keinem anderen Fluß- oder Seensystem in Verbindung steht und vom Finnischen Meerbusen durch den steilen Abhang der Kalksteinterrasse, des Glintes, getrennt ist. An Hechten, Barschen, Brachsen und Plötzen soll der See in früheren Zeiten recht reich gewesen sein, wie mir von einigen älteren Freunden des Angelsports versichert wurde. Die Ursache der Verminderung des Bestandes an nützlichen Fischen ist die schonungslose Raubfischerei, die seit unendlichen Zeiten von Bauern der Umgegend und von durchaus unberechtigten Personen aus der Stadt mit Reusen, Zugnetzen, Stecheisen und anderen Fanggeräten betrieben wird. Nur die Größe des Sees und die schlechte Beschaffenheit der Fischerfahrzeuge gewähren den Fischen einigen Schutz vor den Fischräubern. In einem kleineren Gewässer hätte solch eine intensive Raubwirtschaft schon längst mit völliger Vernichtung des ganzen Fischbestandes enden müssen. Obgleich die Stadt Reval, der nur 33,60°% von dem Flächeninhalt des Obersees gehören, seit einigen Jahren den Gütern Moik und Cournal jährlich eine gewisse Summe als Arrende für deren Anteile am Obersee bezahlt, um die Fischereiwirtschaft auf dem ganzen See ordnen zu können, war doch wenig geschehen zur wirksamen Bekämpfung der Raubfischerei, und ich konnte mir im Sommer 1904 noch bequem die Methoden ansehen, nach denen die irratio- nellste Fischerei von dazu ganz unberechtigten Leuten in dem von der Stadt ge- pachteten Gewässer ziemlich offen betrieben wurde. In der weiter unten folgenden Beschreibung der im Obersee vorkommenden Fischspezies soll auch des Fanges und der Verwendung gedacht werden. Nur sechs Arten von Fischen konnte ich im Obersee konstatieren, nämlich den Hecht, Esox lweius L., den Brachsen, Abramis brama L., die Plötze, Leuweiscus rutilus L., den Stichling, @asterosteus pungitius L., den Kaulbars, Acerina cernua L. und den Barsch, Perca fluwiatilis L. Nach Aussagen der Bauern sollen auch Quappen, Zota vulgaris Cuv., und Aale, Anguilla vulgaris Flem., gelegentlich Der Obersee bei Reval. 839 im Obersee gefangen worden sein. Über die Wahrscheinlichkeit oder Möglichkeit des Vorkommens dieser beiden letztgenannten Arten wird bei Besprechung der ein- zelnen Arten die Rede sein. Im Jahre 1902 machte die Revaler Stadtverwaltung den Versuch, Maränen- brut (Ooregonus lavaretus L.) und Zander (Lucioperea sandra Cuv.) im Obersee aussetzen zu lassen, und es wurden, nach einem Bericht von von zur Mühlen), nach 9 Monaten, im Februar 1905, bei einem Probefischen bereits Maränen von 18 bis 20 cm Länge wiedergefangen, „auch zeigten die im Winter eingesetzten "Zander ein gutes Wachstum.“ Späterhin müssen aber diese eingesetzten Fische doch wohl ein Raub entweder der Barsche und Hechte des Sees, oder der Fischer der Umgegend geworden sein, denn im Sommer 1904 fand ich unter 1213 von mir erbeuteten Fischen weder eine Maräne, noch einen Zander, und die Fischer wußten auch nichts von den neuen Fischen zu berichten. Esox lueius L. Die Hechte aus dem Obersee zeichnen sich durch besonderen Wohlgeschmack aus, sodaß sie sich auf dem Revaler Markt einer besonderen Aufmerksamkeit von seiten der Käufer zu erfreuen haben, die sie leicht an der Farbe von den im Meere gefangenen Artgenossen zu unterscheiden verstehen. Die Hechte aus dem Obersee fallen nämlich durch Mangel an dunklem Pigment auf, da die Zahl der dunklen Schuppen meist stark reduziert ist gegenüber den weißen und goldgelben Schuppen. Namentlich die goldgelbe Farbe, die bei den Hechten aus dem Finnischen Meerbusen sich auf einen mehr oder weniger schmalen Saum an der Grenze der dunklen Flecke beschränkt, breitet sich bei den Oberseehechten stark aus auf Kosten des dunklen Pigments. Dadurch erhalten die Hechte aus dem Obersee ihren hellen goldigen Schimmer, während die gleich großen Meereshechte nebenbei grau und unscheinbar aussehen. Übrigens sind nur die kleinen und mittelgroßen Hechte als Speisefische beliebt. Die größten Exemplare dagegen, die ein Gewicht bis zu 10 kg im Obersee erreichen, sind nicht mehr schmackhaft. Sie schmecken nach Aussage des Oberförsters W. Russow in Cournal, der im Frühjahr 1904 einen sehr großen Hecht aus dem Cournalfluß erhielt, „holzig“. Die meisten und größten Hechte werden während der Laichzeit, d. h. während ‘und sogleich nach dem Eisgang gefangen. Die besten Fangresultate ergeben Reusen, die auf den überschwemmten Wiesen mit der Mündung zum See und namentlich in den Wiesengräben aufgestellt werden. Am frühen Morgen werden diese Reusen nachgesehen und erweisen sich oft mit Hechten ganz vollgestopft. Diese Beute genügt den Fischern aber noch keineswegs. Sie begeben sich in sehr langen Stiefeln oder auf flachen Booten, Lodsik genannt, auf die überschwemmten Stellen, wo die Hechte zum Laichen versammelt sind, und versuchen mit Fischspeeren, die mit 9 oder mehr Zinken mit Widerhaken versehen sind, möglichst viele Hechte zu stechen. Ferner versuchen sie den Fischen durch etwa 40 mlange und 1 bis 1,5 m hohe Zugnetze, die von zwei Mann gezogen werden, den Rückzug zum See abzu- schneiden und sie einzukreisen. Während der ganzen übrigen eisfreien Jahreszeit 2) M. v. z. Mühlen, Protokoll der Generalversammlung des Livländischen Fischereivereins. Baltische Wochenschrift. 1904. Nr. 11, p. 116. an Guido Schneider! werden kleine und mittelgroße. bis 50 em lange Hechte zusammen mit Barschen, Brachsen und vielen Plötzen mit den oben erwähnten Zugnetzen am Ufer, meist in der Nähe von Schilfdiekiehten oder Potamogetonbeständen gefangen. Im Jahre 1904 begann die Laichzeit der Hechte spät wegen des späten Eisganges, nämlich um den 20. April herum, und hörte am 30. April auf. Von drei Exemplaren, die in der Nacht vom 29. auf den 30. April in einer Reuse in einem Wiesengraben gefangen waren, enthielt ein 65.5cm langes 2 fließenden Rogen, während ein anderes 2 von 62,5em und ein f' von 5l em Länge schon völlig ausgelaicht waren. Später erhielt ich nur noch ausgelaichte Hechte. Die laichenden Hechte begnügen sich nieht mit der nächsten Umgebung des Sees, d. h. den überschwemmten Uferwiesen, sondern steigen im Cournalfluß strom- aufwärts bis auf eine Entfernung von’ 6 bis 7” km von der Mündung, wie mir Oberförster Wallace Russow berichtete. Auch die stark überschwemmten Ufer des Moikschen Baches waren, wie man nach der Unmenge von ausgestellten Reusen urteilen kann, von laichenden Hechten eifrig besucht. Den ersten kleinen Hecht erhielt ich am 10. Juni. Er wurde in einem Ufer- tümpel mit der Hand gefangen und hatte eine Länge von 3,4 cm (s. Nr. 10 der ersten Nahrungs- und Parasitentabelle). Wenn wir mit F. A. Smitt die Entwieklung des Hechtes im Ei auf etwa 3 Wochen schätzen!), so war dieser kleine Hecht ungefähr 5 bis 6 Wochen alt und für sein Alter recht groß, denn Smitt berechnet die Länge 7 bis 8 Wochen alter Hechtjungen auf nur 2,6 cm. Die aus Chiro- nomidenlarven und Crustaceen bestehende reichliche Nahrung, die die flachen und stark von der Sonne erwärmten Uferlachen den jungen Fischen darbieten, ist wohl geeignet, deren Wachstum zu beschleunigen. In dem von mir untersuchten Exem- plar bestand der Mageninhalt aus zwei noch lebenden Chironomidenlarven und einigen Exemplaren einer Cyclopsart. Erst am 30. und 31. Juli gelang es mir wieder, Hechtjungen zu erbeuten. Sie hatten in einem Wiesengraben gelebt und waren beim schnellen Fallen des Wassers im See in einer Grube, in die sie sich geflüchtet hatten, abgesperrt worden. Die Länge dieser ungefähr 11 Wochen alten Fischehen betrug 7 bis 10 em (s. Nr. 13 bis 13 der ersten Nahrungs- und Parasitentabelle Seite 92), und ihre Nahrung bestand immer noch aus Chironomidenlarven und Crustaceen. Bei diesem schnellen Wachstum ist es nicht unwahrscheinlich, daß die 30 bis 35 em langen Hechte, die ich im Juni fing, nur 1 Jahr und 1 bis 1!/ Monate alt waren. Die 30 bis 50 em langen, also 1 bis 2jährigen Hechte halten sich meist nah am Ufer auf, wo sie zwischen Schilf und Potamogeton ihrer Nahrung nachgehen, die hauptsächlich aus jungen Barschen und Kaulbarsen besteht. Alte Hechte sind bekanntlich mit Vorliebe Kannibalen, d. h. fressen gern ihre jüngeren Art- genossen. Erwischt der Hecht einen freischwimmenden Fisch, so verschlingt er ihn immer mit dem Kopf voran. Sehr gern aber plündert er die Setznetze und scheut sich in diesem Fall auch nicht, den im Netz befindlichen Barsch oder Kaulbars trotz der scharfen Stachelnin der Rückenflosse mit dem Schwanz voran hinabzuschlingen. ') F. A. Smitt, Skandinaviens Fiskar. Stockholm 1895, p. 1006. Der Obeırsee bei Reval. 91 Die Zahl der in den Hechten des Obersees vorkommenden Parasiten ist eine ganz außerordentlich geringe. In anderen süßen Gewässern und sogar im Meer ist die Anzahl der Hechtparasiten bedeutend größer. Namentlich auffallend ist das Fehlen von Trematoden und der Nematodengattung Ascaris in den Oberseehechten, deren vorzügliche Gesundheit ebenfalls ein schnelles Wachstum begünstigen mag. Wie aus der weiter unten wiedergegebenen Nahrungs- und Parasitentabelle hervorgeht, fand ieh nur 4 Arten von Darmparasiten in den Hechten des Obersees. Unter diesen waren zwei Arten Cestoden, nämlich Triaenophorus nodulosus Pall. und Ichthyotaenia esocis Gui. Schn. Beide wurden hauptsächlich in der ersten Hälfte des Sommers gefunden. Von Acanthocephalen fand ich nur Eehinorkımehus angustatus Rud. und zwar in recht großer Zahl in den etwa 11 Wochen alten Hechtjungen vom 30. und 31. Juli, von denen nur der kleinste, 6,9 em lange, frei war, während ein 7 cm langes Exemplar schon 31 Stück Zeh. angustatus in seinem Darm beherbergte. Die Ursache dieser verhältnismäßig starken Infektion junger Hechte mit Zch. angustatus ist wohl die Ernährung mit Crustaceen, unter denen auch Asellus aquaticus (s. Seite 92 Exempl. Nr. 16) angetroffen wurde, der bekannte Zwischenwirt für Echinorhynehus angustatus. Der Nematode Cucullanus elegans Zed., von dem ich nur einmal 3 Exemplare im Darm des Hechtes Nr. 12 fand, kann nur als zufälliger Gast im Hechtdarm angesehen werden, in welchen er wahrscheinlich schon in ausgewachsenem Zustande aus dem Darm der verdauten Barsche und Kaulbarse gelegentlich übergeht. Von sehr großer praktischer Bedeutung ist aber das wenn auch seltene Vor- kommen von Larven des Bothriocephalus latus L. in Hechten des Obersees. Denn es ist ein deutlicher Beweis, daß das Wasser des Sees, das ohne Filtervorriehtung in die Wasserleitung der Stadt Reval fließt, durch Exkremente verunreinigt wird. Ich habe auf diesen Übelstand mehrmals hingewiesen!) und zugleich gezeigt, daß durch die in den letzten Jahren geübte fehlerhafte Regulierung des Sees Abwässer- behälter, die den See vor Verunreinigung schützen sollten, bei Hochwasser mit ihm direkt kommunizieren und ihren Inhalt unbehindert in den Obersee ergießen können. Hinsichtlich der nun folgenden Tabelle über die Totallänge, den Zustand der Genitalorgane, die Nahrung und die Parasiten der von mir untersuchten Hechte aus dem Obersee bedarf es keiner weiteren Erläuterungen. Gleich wie in analogen Tabellen, die ich früher über Fische des Finnischen Meerhusens?) veröffentlicht habe, ist unter Länge des Fisches die Entfernung von der Schnauzenspitze bis zur äußersten Schwanzspitze verstanden. !) Guido Schneider, Ein Vorschlag zur Reorganisation der Bewirtschaftung des Obersees bei Reval. 1904, p. 6. » > Wasser- und Fischereiverhältnisse unseres Oberen Sees. Revalsche Zeitung, 1904, Nr. 192. In Sachen des Oberen Sees. Revalsche Zeitung, 1904, Nr. 194. 2) Guido Schneider, Ichthyologische Beiträge. Acta Soc. pro Fauna et Flora Fennica Bd. 20, Nr. 1; Bd. 22, Nr, 4 und Bd. 22, Nr. 2. Guido Schneider: a [oz] Nahrungs- und Parasitentabelle Nr. I. Esox lueius L. Endoparasiten Nr. Nahrung Triaenophorus | Ichthyotaenia | Echinorhynchus Oucullanus Bothriocephalus nodulosus esocis angustatus elegans latus larva 1 | 30. April | 65,5 | Q | fließend | Im Magen ein kleiner verdauter Fisch 16 Exx. im _ _ Ei 1 Ex. im und’ein Hechtei . . Anfangsdarm Ovarium ZUIBD'EE, 62,5 | 2 leer Im Magen ein kleiner stark verdauter 40 Exx. im 15 Exx. im _ —_ 1 Ex. im IBURGHe Se 2 02 ee Anfangsdarm Mitteldarm Leberperitoneum Bu lBOSE „= 1551.02 lcorleleer IMapentleer. gr na ee ee: 3 Exx. im _ _ _ — Anfangsdarm 4| 9. Juni | 34,5 Marenslcar: „em ie ee Tee _ _ _ _ _ DI 97 7, 30,7 | d leer NMapenBleenA 2. Nee. — _ 1 Ex. im Darm — — G2l=9,; 30,0 1 d leer Magen@leen- 3 Eee Er In. m Darm 1 Ex. im Darm —_ _ Tu I9:.85,, 85,1 | d leer Im Magen 2 Exx. von Acerina cernua = _ _ —_ _ 8 Shan 32,3 | 2 leer Magen leer. . — —_ _ — _- 9:14. 7, 33,5 Im Magen 1 Ex. von Perca luviatilis . 12 Exx. im Darm _- —_ u _ 10:21, 3,4 Im Magen 2 Chironomidenlarven u. Cyelops — _ _ _ — 11128: ,, 36,5 Magen’leer. . 5 a 3 Exx. im Darm _ _ E _ 12 | 3. Juli | 36,5 Im Magen 1 Ex. Acerina cermua . . - _ —_ _ 3 Exx. im Darm _ 13 |80. „ 6,9 Im Magen 7 Chironomidenlarven, im Darm viel Reste von Chironomidenlarven und ACHTIÜCHE N ae 2 _ — -- En 142 (181.,, 9,5 IMarenvleer u ten I —_ _ 20 Exx.im Magen — — und Darm TDJNBl.zr,, 10,0 Magen leer. . - — 28 Exx. — _ 16 |] 31. „ 7,0 Im Magen 2 Exx. von Asellus aquaticus _ _ 31 Exx. _ _ tzellehler,, 8,1 Im Magen 2 Chironomidenlarven, 1 Per- 20 Exx. im lidenlarve, 2 Exx. Oyclops ah dr _ — Enddarm _ _ 10:0] ER 8,4 Im Magen wenig Uferschlamm . . . . _ 10 Exx. im —_ _ Enddarm 19 | 3. Aug. | 32,4 Im Magen 2 Exx. von Perca fluviatilis | 1 Ex. im Darm _ _ — u sehr klein DR Eh en 43,0 12 Im Magen 1 Ex. von Perca flwviatilis — _ —_ _ _ 21ER; 34,0 | d' Im Magen 2 Exx. von Perca fluviatilis . u _ - _ —_ DRAN 5 43,9 IQ Magennleen 18 kleine Exx. im _ _ — _ Anfangsdarm BaCI2A,, 42,4 | d' INORCHWICKTE En 0. 3 sehr kleine Exx. — 3 Exx. im Darm _ _ im Anfangsdarm AR DA.n „; 51,0 | 2 MagenPleet.ur ErRe Er _ _ 1 Ex. im End- _ _ darm Der Obersee bei Reval. 93 Abramis brama L. Der in ökonomischer Hinsicht zweifellos wichtigste Fisch im Obersee ist der Brachsen, da er einer sehr guten Rasse angehört und hohe Preise auf dem Fisch- markt in Reval erzielt. Leider ist eben deshalb der Brachsenbestand des Obersees dureh die Raubfischerei ganz besonders stark geschädigt und dezimiert worden. Noch vor einigen Jahren wurden mit Zugnetzen gute Fänge gemacht und recht große fette Brachsen erbeutet. Die schonungslose Verfolgung hat aber die größeren, etwa 60 cm langen Exemplare sehr selten werden lassen. Nicht einmal der junge Nachwuchs von 15 bis 25 em langen Brachsen, die äußerst grätenreich und keines- wegs sehr wohlschmeckend sind, wird verschont, sondern während der ganzen eis- freien Jahreszeit mit Zugnetzen am Ufer eifrig gefangen. Die jungen Brachsen nennt der estnische Fischer „lattikas“ und hält sie meist für eine andere Spezies als die großen, alten Brachsen, die er mit dem Namen „lasna“ bezeichnet.) Letztere, die großen, fetten Brachsen, werden in der Stadt verkauft, die sogenannten „lattikad“ aber werden zum eigenen Gebrauch für «den Winter eingesalzen. Die schlimmste Brachsenvertilgung findet während der Laichzeit statt. Mit Reusen und aus Weidenruten geflochtenen Setzkörben, hauptsächlich aber mit den- selben Zugnetzen und Fischspeeren, die oben beim Hechtfang beschrieben wurden, wird den laichenden Brachsen mit so viel Lärm und Geschrei nachgestellt, daß man schon von weitem die wilde Hetze vernimmt. Viele Fische werden beim Stechen nur verwundet und verenden später im See. Bisweilen treibt das Ver- wesungsgas solche Fischkadaver an die Oberfläche, an denen man noch deutlich die Speerwunden konstatieren kann. Das größte Exemplar, welches ich im Sommer 1904 erhielt, war ein solcher, an einer Speerwunde verendeter Brachsen von 60 em Länge. Zieht man ferner in Betracht, daß infolge des Schreiens und Plätscherns viele Brachsen, die ja bekanntlich sehr scheue Fische sind, im Brut- geschäft gestört und vom Ufer verscheucht in die Schlammregion unverrichteter Sache zurückkehren, so kann man leicht verstehen, wie groß die Schuld ist, welche die Fischer und die untauglichen Seewächter für Schädigung des Brachsen- bestandes trifft. Die Laichzeit der Brachsen umfaßt im Obersee, ebenso wie auch in anderen Gewässern, ungefähr einen ganzen Monat und ist sehr von dem Wetter abhängig, da Sturm und Regen das Laichen stören, während stille, warme Abende die Fische in Menge zum Laichplatz strömen lassen. Im Sommer 1904 verlief die Laichperiode sowohl nach meinen eigenen Beobachtungen, als auch nach den Aussagen der Leute ganz exzeptionell ungünstige. Vom 10. Juni an erwarteten die Fischer jede Nacht die Ankunft der laichenden Brachsen und hatten an stillen Abenden im ganzen Umkreis des Sees Wachen ausgestellt, die bei richtigen Wachtfeuern kampierend die Ufer beobachteten und ab und zu einen Probenetzzug unternahmen. Ihre Be- rechnung stimmt auch recht gut. Am 15. Juni erhielt ich an der Mündung des Cournalflusses in einer großen Reuse zwei Brachsen () mit gefüllten Hoden, die offenbar zum Laichen sich anschickten, und am 25. Juni ein schon völlig aus- gelaichtes Exemplar (*, vgl. Nahrungs- und Parasitentabelle II, Nr. 12—14, Seite 96). !) Guido Schneider, Zur Fischkunde in den Ostseeprovinzen. Korrespondenzblatt des Naturf,-Vereins Riga 1904, p. 65—66. YA Guido Schneider: Nach den Angaben der Leute sollen am 18. Juni die Fischer mit Zugnetzen und Speeren den besten Brachsenfang jenes Sommers am nordwestlichen Ufer am Rande des Schilfdiekiehts gehabt haben. ; Das Ende der Laichzeit fällt wahrscheinlich in den Juli. Die Laichplätze der Brachsen befinden sich je nach der Höhe des Wasser- standes entweder auf den überschwemmten Wiesen, wo, wie wir sahen, auch die Hechte laichen, oder aber überall an den Rändern der Schilfdickichte im ganzen Umkreis des Sees, wenn das Wasser so niedrig steht, daß die Wiesen nicht über- schwemmt sind. Auch in die beiden Bäche steigen gern die laichbereiten Brachsen. Der außerordentlich schwache Besuch der Laichplätze seitens der Brachsen des Obersees im Sommer 1904 hatte zur Folge, daß ich mit meinen Plankton- und Handnetzen weder Eier, noch junge Brut von Brachsen erlangen konnte. Das kleinste Exemplar, das ich erhielt, war am 9. Juni gefangen und hatte eine Länge von 16,9 em. Seine Nahrung bestand aus im Schlamm lebenden Cladoceren, namentlich Zynceus affinıs. Die Nahrung der jungen Brut wird aber wahrschein- lich, wie bei der später zu besprechenden Brut von Leueiseus rutilus, hauptsächlich aus Ufererustaceen, namentlich Chydorus sphaericus und Bosmina longirostris bestehen. Die Nahrung älterer Brachsen besteht im Obersee, wie ich durch Unter- suchung des Darminhalts von ungefähr 40 Exemplaren von 16,9 bis 43 em Länge habe feststellen können, ausschließlich aus Bodentieren, die in oder auf dem Schlamm leben, und aus Pflanzen und dem Detritus des Seebodens. Da jedoch im Brachsendarm die Bodentiere viel zahlreicher sind im Verhältnis zu den mit- verschluckten Pflanzen, Detritus und Sand als sonst an der Oberfläche des See- bodens, so muß man annehmen, daß der Brachsen nicht mechanisch blos Schlamm schluckt, sondern daß er die Fähigkeit hat, mit Hilfe seiner feinfühligen Schnauze lebende und bewegliche Organismen aus dem Schlamm hervorzulesen, und den Darm nicht mit minderwertigem Detritus und Sand zu überfüllen braucht. Seine Vorliebe für die rote Farbe, die einigen Schlammbewohnern eigen ist, z. B. Tubrfex rivulorum und Larven von Chironomus plumosus, ist den Fischern wohlbekannt, die zum Fang von Brachsen mittels der Angel gern als Köder Lumbrieidenarten von auf- fallend roter Farbe wählen. Sie beweist, daß auch die Augen der Brachsen beim Aufsuchen der Nahrung, wie es scheint, nicht untätig, sind. Larven von Chiro- nomiden und Triehopteren, Tubifer rivulorum, Dorylaimus stagnalis, Lynceus affinis und andere Cladoceren, Gastropoden, Pisidium und junge Anodonta variabilıs bilden die wesentlichen Bestandteile der Nahrung von Abramis brama im Obersee während des Sommers. Als eine Folge dieser Ernährungsweise muß es betrachtet werden, daß die Brachsen, sowohl die alten als auch die jungen, sobald sie an- gefangen haben Schlammtiere zu fressen, sich hauptsächlich in den zentralen Teilen des Sees, wo der Boden aus Schlamm besteht, aufhalten. Alte Brachsen sieht man nur während der Laichzeit am Ufer, junge dagegen, die noch nicht länger als 25 em und höchstens 3 bis 4 Jahre alt sind, nähern sich seltener im Mai und Juli, häufiger aber im August dem Ufer. Es sind jedoch solche Exkursionen offen- bar nieht von langer Dauer, da auch die mit dem Zugnetz auf Sandboden ge- fangenen Brachsen stets Schlamm. und Schlammbewohner im Darm mit sich führten. Der ÖObersee bei Reval. 95 Was die Parasiten der Oberseebrachsen betrifft, so fällt uns beim Anblick der umstehenden Nahrungs- und Parasitentabelle IT sofort das völlige Fehlen aller Trematoden und Acanthocephalen auf, von denen die Brachsen des Finnischen Meerbusens sogar einige Arten beherbergen.!) Sehen wir ab von dem einmaligen Vorkommen eines Nematoden, Ichthyonema sanguineum Rud. (vgl. Tab. II, Nr. 12), so bleibt nur Caryophyllaeus mutabilis Rud. als Endoparasit übrig, für den Abramis brama hier der Hauptwirt ist. Doch auch dieser Cestode wurde nur in den drei größten von mir untersuchten Brachsen (Nr. 12—14 der Tab. ID) reich- lich, sonst aber nur vereinzelt gefunden, ungeachtet dessen, daß sein Zwischenwirt, Tubifex rivulorum, so oft und viel den Brachsen im Obersee als Nahrung dient. Als Hauptwirt hat der Brachsen hier also sehr wenig von seinen Parasiten zu leiden, mehr dagegen als Zwischenwirt für Zigula intestinalis L. Die Larven dieses Bandwurms fand ich im Mai und in der ersten Hälfte des Juni fast regel- mäßig in der Leibeshöhle 19 bis 21 em langer Brachsen, wo sie bisweilen eine -o kolossale Länge erreichten. Die größte Zigula-Larve im Brachsen Nr. 10 war 55 cm lang. Im Brachsenexemplar Nr. 5 lebten 3 Stück solcher Würmer, die zusammen 65 em lang waren. Durch diese großen Parasiten wird natürlich der Fisch in seiner Entwicklung gestört und aufgehalten. Namentlich wird die Entwicklung der Genitalorgane völlig gehemmt, so daß in dem fadenförmigen Strang, der die ver- kümmerten Geschlechtsorgane repräsentiert, das Geschlecht nieht zu erkennen ist.?) Die Brut von Abramis brama ist im Obersee sicher ebenso den Angriffen von Ichthyophthirius multifiliis und Cyelochaeta domergui ausgesetzt, wie die Plötzenbrut desselben Sees. An erwachsenen Brachsen fand ich Argulus foliaceus als einzigen Ektoparasiten. Die nun folgende Tabelle zeigt die Anzahl und Verteilung der Parasitenindividuen, die ich in und auf den Brachsen fand. !) Guido Schneider, Ichthyologische Beiträge II. Acta Soc. pro Fauna et Flora Fennica Bd. 22, Nr. 2, p. 59. 2) Bruno Hofer, Handbuch der Fischkrankheiten 1904, p. 268. Guido Schneider 9 Nahrungs- und Parasitentabelle Nr. II. Abramis brama L. ; Ekto- Endoparasiten parasiten Nr. Darminhalt Caryophyllaeus | Ichthyonema Ligula intesti- | Argulus mutabilis sanguineum nalis larva foliaceus 1| 8.Mai | 18,6 B,7 VerkümmerbssDarmuleerkn m ee, on ee ee _ _ 1 Ex. 35 cm lang — Zu 20.7, 19,1 6,0 unreif DALnWIlEEn.A N ee IR, —_ _ _ _ BEEIR IN 18,6 5,6 verkümmertsiDDAnTNlEErS.; ern ee ne ee u —_ 1 Ex. (sehr groß) — 4 | 9. Juni | 21,1 7,05 verkümmert | Lynceus affinis, Tubifex rivulorum, Chironomuspuppen, Ceratopogonlarven, Schlamm und Sand . . — = 1 Ex. 86 cm lang _ ler 19,1 6,2 verkümmert | Lynceus affinis, Phryganidenlarven, Schlamm und Sand _ _ 3 Exx., 19, 24 u. — (ol tr 16,9 5,4 unreif Viel Lynceus affinis und andere Cladoceren, Schlamm 25 cm lang und Sand . . ; EL N N, —_ _ —_ — vl) Ir 19,1 7,0 verkümmert | Viel Dorylaimus stagnalis, Tubifex rivulorum, Chiro- noınuslarven, Ks undssandıy a er _ —_ 1 Ex. 42 cm lang .- 82129, ,;, 20,0 6,5 verkümmert | Ebenso wie in Nr. 7 . . a Let — - 1 Ex. 40 cm lang _ On PORERE 19,9 6,7 unreif Cladoceren, N en, Sande Akira — _ —_ _ 10859:7 7, 19,9 5,3 verkümmert | Ebenso wie in Nr.9. . . RE LE = n— 1 Ex. 53 cm lang —_ al EEE 20,0 6,8 verkümmert | Viel Gastropodenschalen, Insektenreste, Oligochaeten- borsten und Sand . . . B E= - 1 Ex. 36 cm lang —_ K2ullb- 37,0 | 12,5 fast reif Gastropodenschalen, Insektenreste, Algen u. Schlamm: viel Eier von Caryophyllaus . » » 2»... . |48Exx.imDarm | 1 Ex. am Darm _ 2 187110. ., 85,5 | 11,5 fast reif | Ebenso wie in Nr. 12. „.. . . 121 Exx.im Darm _ - = 14 125. „ 43,0 | 14,0 leer Viel Trichopterenlarven, Larven von Chironomus und Ceratopogon, Ostracoden, Schlamm . . . . . . [65 Exx.imDarm —_ 2 2 15 | 26. Juli 19,9 6,5 Lynceus affinis, Chydorus sphaericus, Clathrocystis, Fadenalgen, Diatomeen, DONE EUER, Schlamm . . —_ _ — 16 | 3. Aug. | 19,6 6,0 Bodenschlamm und Sand . . . i 5 _ _ _ —_ Kiaımiar, 19,9 6,8 Wenig Bosmina coregoni und Clathror ystis aeruginosa — u E= u darin: 22,8 1,2 Lynceus affinis und L. quadrangularıs, Schlamm mit Sphagnumblätten . . . te 1 Ex. _ —_ ı Ex, 19 iD. 2,7 6,8 Lyneeus affinis, Dorylaimus stag ‚gualis, Clathroeystis aeruginosa, Schlamm und Sand . . ». 2.2... = — _ —_ 20: 5, 28:05 .5,8 | 2J"|“B. 202 | 6 2 er E Eine 2 Viel Lynceus affinis und Reste von Muschelschalen | 28 | 5. 21,2 6,8 (Pisidium sp. und Anodonta variabilis), wenig Lynceus 4|\o. „ 20,2 6,2 quadrangularis und Chironomuslarven, sehr wenig — = = == RBEI.D. >, 20,0 6,0 Dorylaimus stagnalis. Sonst Schlamm und Sand . 36 |’. ., : | 199° 106,1 | T> => = — —_ ° ° ° pueg pun muejgog Dtuaa 'saunf/o snoouhT = pun (2 ‚pn 6) sypußugs snunpphioT YyequasseW 9°9 817 erziller, e e puesupun EN ‘sdopf) ‘sıulj ur ‘sısß00.0y907J) "wafıgng 5) smpubvgs smunmphdog OT9.IqoaUL "TaATBIEnW1oU0.nYN [DIA aqyag Tr 387 “lo = = — _ * 7 pung pın wmergog (2) sıpwubogs snwm | Auog xxY 3 unypisig u9alejsmuouo.y‘) TolA AUTOS 6°9 3.06 N = — — E= ' * pueg pun mureyog "sappubngs smunpphiorf "X T “uaddng- pun uaArejsnuouony] FJUENN syskoound pun wahıanz wmpısıg TaIA GL 8'37 “2 0r = = _ — Re, ° pueg pm zuob3.109 DUNUSoT UOA UOISaYy Yrır wureggog “(Zuep wo ]) supga.ıma Dyuopoup x T sıppubogs snunmkaorg ‘smuflo snaaußg pun | | I LE 0) Zyuom „mafonL Du UERER EIN 9 #05 relnce „er = — _ S Ener yraıq u g pun wareog ‘sımubos snwmmyliuog UOAIBIENUONO.MO) 8 er er zaluse == Sue wo sp x I — “ pueg pun wwenyg *TIAAB[SNWoUO.ıy) “UONSUILON ee |) | Er — — _ xx > 2 "pueg pun wuregog ‘u99uLo4 = -wIq “uasly Tora "um.opnanı walıyng “uoarejsnurouo.un) | || vice ©“ pal 98 E — — _ _ "0 - uopodonseHg uGppug wur “uadıy en sıyshd EN 0427907) TOT wohn] “uaarejsnuouonyg sw] snaaußT 6.9 Ele egzilgee 2 — Sue] wo 05 'XA 1 — X soump IT| " ° pues pun mwrgg "uniopnanı zapgnL = ‘uarsgdoyor] pun snwououYy) UOA U9AIBT] [aA | | 2 — — — — er rr nueigog: ypubugs. sıruuD] E -R1oT SH I sngoom} ‚enzyoufly. 109daT ‘saun//jo snasußt rel SEZTHgE © en = = —_ EI TF “ (smmmod 2 zoypstun3:1o) wuwıgag Byuom 'suy/snaoußrr yeyuossen bias zei ee D [3 [3 [73 N [= = — _ — urjeos "uaaeaopeid sıapug pun sup snasußrt 9 L6l 6 | IE 73 = 2z I % . © snmnb xXH € un.ıponb pr pun szun//o snooußT unıommı wahgn], Le Est hal > — _- — : - wuelyog 'sdopfn 'snartamyds sn.ophryd "umsopnan.s wahıgng *sıwubogs snunpph.torg TotA auog 19 805 Nor _ — = — ° * purg pun murjyag ‘sumpnBum.ıponb snaaufr ; pun +u0b3.09 vunusog Fam Er snaaußr DIA 9°9 904 Se ll8z = _— —_ — . 2 = pueg pun (‘099 apfeaıy ‘94saıyjıyasg “uagjod j : uopoLy) wwepgog Sruomn 'szur/p snaoußT Tora Aayas 99 07% | SnyY 'ı | 23 sna9n10] Are] sızpu wunaumbuns sapguamu snnh.ip | -usogur opmbrT DuauohrpyoT snapykydok.n) (6) wo ur | wo ut yjeyurwaeg uaıperruag) |'po yo} adun] wunyeq |'IN wonsered uayıswıedopumg 2 od j "T »wun4q sıwnsgp "II IN PlTPqrJuSJISwıeg pun -SdunIgeN Archiv für Biontologie II. (1) 08. 98 Guido Schneider: Leueiseus rutilus L. Bedeutend häufiger, als der Brachsen, kommt die Plötze im Obersee vor. Da beide Fischarten bis zu einem gewissen Grade Nahrungskonkurrenten sind, ver- mehrt sich infolge der räuberischen Dezimierung der Brachsen die Plötze recht ungehindert. Sie wird zwar auch viel gefangen in Zugnetzen, Reusen und nament- lich in den sehr beliebten Setzkörben aus Weidengeflecht, kann aber ungestörter laichen, als der Brachsen, und wird ihres geringen Marktpreises wegen überhaupt weniger verfolgt. Der Bauer hat aber die Gewohnheit, auch nicht den geringsten Fisch wegzuwerfen, der in seine Netze gegangen ist, und so wandern auch die unscheinbarsten Plötzen zusammen mit kleinen Brachsen, Barschen und Hechten in das Faß mit Salzlake, wo der Bauer «den Wintervorrat für sich und seine Familie sammelt. Große Exemplare von Leueiseus rutilus, nämlich solche, die 30 bis 40 em lang sind, schmeeken übrigens vorzüglich, sind fett und erinnern im Geschmack an Leueiscus idus, den Aland. Den moddigen Geschmack, der Plötzen aus kleinen sumpfigen Gewässern meist anhaftet, habe ich auch bei kleineren Plötzen nicht bemerkt, die aus dem Obersee stammten. Die Plötze laicht im Obersee im Monat Mai. Am 8. Mai fand ich das erste ausgelaichte Exemplar mit noch etwas rinnender Milch, doch dauert die Laichzeit wahrscheinlich bis zum Ende des Monats oder bis in den Anfang des Juni. Ende Juli erhält man schon wieder Exemplare, deren Geschlechtsorgane sieh stark ge- füllt haben. Am 31. Mai ließ ich einige hundert Plötzeneier in einer Glasschale künstlich befruchten und hielt sie in meinem Laboratorium auf dem Gute Moik bei Zimmer- temperatur. Die Eier entwickelten sich vorzüglich, und der Prozentsatz absterbender war minimal, obgleich das Wasser höchstens nur einmal am Tage gewechselt wurde. Am 5. Juni erschienen die Augenpunkte, am 9. Juni schon schlüpften die ersten Plötzenjungen aus, und am 10. Juni verließ die Mehrzahl die Eihüllen. Die Larven hatten beim Auskriechen eine Länge von 6 mm, einen großen retortenförmigen, orangefarbenen Dottersack und sehr wenig Pigment. Die Augen waren zwar schwarz, sonst aber fand sich nur wenig Pigment am Kopf. Am Körper waren die Pigment- zellen zu zwei undichten Reihen längs der Bauchseite von der kugelförmigen An- schwellung des Dottersackes an bis in die Gegend der Schwanzwurzel und längs der Rückenseite zu zwei noch undichteren Reihen angeordnet. Zwei Wochen nach dem Ausschlüpfen hatte sich der Dottersack etwa um die Hälfte verkleinert. An Kopf, Rücken und Ventralseite waren die Pigmentflecke etwas dichter geworden, und jederseits am Körper war eine aus Pigmentzellen bestehende Seitenlinie auf- getreten. Große Pigmentzellen bedeekten den dorsalen Teil der durchscheinenden Schwimmblase. Ein Pigementfleck an der Schwanzwurzel, wie er bei anderen Cyprinidenlarven beobachtet worden ist, fehlte stets bei den jungen Leueiseus rutilus, deren Länge zwei Wochen nach dem Ausschlüpfen etwa 7 mm betrug. Längere Zeit wurden die Larven im Aquarium nicht gehalten, weil die Sterblich- keit unter ihnen sehr stark zunahm. Etwas größere und weiter vorgeschrittene Plötzenbrut fischte ich am 13. Juni am südöstlichen Ufer in der Carexregion mit dem Handnetz in ganz flachem, stark ya Der Obersee bei Reyal. 99 von der Sonne durchwärmtem Wasser, das infolge von angeschwemmtem Detritus trübe und undurchsiehtig war und zahlreiche Bosmina longirostris, Lymeeus affınis und Rotatorien (Notholea longispina, Anuraea aculeata und Euehlanis dilatata) ent- hielt. Nahrung hatten jedoch auch diese etwa 7'/ı mm langen Plötzenjungen noch nicht zu sich genommen, weil der Dotter noch nicht völlig aufgebraucht war. In der Verteilung des Pigments glichen sie dem ältesten, von mir im Aquarium ge- züchteten Stadium von 15 Tagen nach dem Ausschlüpfen aus dem Ei. Die erste Nahrung fand ich im Darm eines 10 mm langen Exemplars am 24. Juni. Sie be- stand aus 13 Exemplaren von Bosmina longirostris (vgl. Nahrungs- und Parasiten- tabelle II Nr. 20, Seite 102). Im nächsten, von mir untersuchten Wachstumsstadium von 15 bis 21,5 mm Länge war die Nahrung der Plötzenjungen schon recht mannig- faltig. Am 28. und 29. Juli fischte ich mit dem Handnetz in der Carexregion an derselben Stelle, wo ich am 13. und 24. Juni ganz junge Plötzenlarven gefangen hatte, massenhaft Exemplare, deren Länge schon bis 20 und mehr Millimeter betrug und deren Nahrung (s. Tab. HI Nr. 26 bis 31) aus verschiedenen Cladoceren, namentlich Bosmina coregoni, Chydorus sphaericus, Leptorhynchus falcatus, haupt- sächlich zusammengesetzt war. Algen und Detritus fanden sich auch reichlich im Darm dieser kleinen Fischjungen. Der Umstand, daß nicht Bosmina longirostris die sonst massenhaft die Carexregion bevölkert, sondern Bosmina coregoni, die sonst meist in der mittleren Region des Sees vorkommt, diesen Fischjungen als Nahrung gedient hatte, erklärt sich dadurch, daß bei NW-Wind viel Oberflächenwasser mit Clathroeystis, Anabaena und Bosmina coregoni am Südostufer angetrieben worden war, während Bosmina longirostris, wie eine am Ufer entnommene Planktonprobe, die ich sofort untersuchte, ergab, nur in sehr wenigen Exemplaren sich zeigte. Das Aussehen von ZDeueisceus rutilus in diesem etwa 20 mm langen und beinahe 2 Monate alten Entwicklungsstadium!) war keineswegs mehr larvenartig. Alle Flossen sind voll ausgebildet, und die Gestalt ist die einer kleinen Plötze. Hin- sichtlich der Pigmentverteilung sind diese zwei Monate alten Plötzen den Brachsen- jungen ganz ähnlich, wie sie Seligo?) beschreibt. Sie sind jedoch bedeutend schlanker, nur 3 bis 4 mm hoch, haben keinen Silberglanz auf dem Kiemendeckel und keine großen Schuppen aut der Mitte der Seiten, durch welche die jungen Brachsen sich auszeichnen, die nach Seligo bei einer Länge von 25 bis 35 mm 6 bis S mm hoch sind. Das Pigment bildet zwei größere Anhäufungen oben auf dem Kopf hinter den Augen. Vom Kopf bis zur Wurzel der Rückenflosse zieht in der Medianlinie ein unpaarer Pigmentstreif, aus einer Reihe größerer Pigmentzellen gebildet, über den Rücken. Kleinere Pigmentzellen, unregelmäßig verstreut oder zum Teil in Längsstreifen geordnet, bedecken den ganzen Rücken bis hinab zur Seitenlinie, die als ein feiner, tiefschwarzer Strich von der Schwanzwurzel sich bis in die Körpermitte erstreckt, wo sie sich in eine Längsreihe undicht gestellter Pigmentfleckehen auflöst. Eine andere tiefschwarze Pigmentlinie umsäumt die Wurzel der Analflosse und zieht sich bis zur Wurzel der Schwanzflosse, wo sich keine Ansammlung von Pigment bemerkbar macht. Von der Kehle bis zum Anus verläuft eine Reihe undicht gestellter Pigmentfleckchen. 1) Vel. F. A. Smitt, Skandinaviens Fiskar, Stockholm 1895, p. 776. 2) Seligo, Beschreibung einiger Jungfische 1901. 7* 100 Guido Schneider! Am 15. Juli fing ich in der Graphephorumregion am Südwestufer einige Exemplare von jungen Leueiseus rutilus, die etwa 48 bis 60 mm lang waren und in großen Schwärmen zwischen den Wassergewächsen sich aufhielten. In ihrem Betragen, wie sie in dichten Schwärmen sich tummelten, oft aus dem Wasser sprangen oder scheinbar unbeweglich vor einem Sehilfhalm standen, erinnerten sie lebhaft an Phoxinus laeris und Albiormus hreidıs, die im Obersee garnicht vorkommen und deren vikariierende Vertreter die einjährigen Plötzen sind. Für solche halte ich nämlich die 48 bis 60 mm langen Fische, von denen hier die Rede ist. In der Struktur der Schlundzähne und der Flossen sind sie schon den erwachsenen Plötzen ähnlich. In der Verteilung des Pigments aber gleichen sie noch ganz dem letzten, oben beschriebenen Stadium. Ihre Nahrung ist fast ausschließlich Ohydorus sphaerteus in enormen Mengen und wenig andere Öladoceren (Tabelle III Nr. 21—53). Junge Barsche und sehr wahrscheinlich auch junge Brachsen schließen sich diesen Schwärmen der Jungfische an. deren Hauptbestandteil jedoch überall im Obersee die Plötzen bilden. Die Nahrung älterer Plötzen ist sehr mannigfaltig, aber meist doch animalisch. Gleich den Brachsen verzehren die Plötzen viel Schlammtiere, besonders Insekten- larven, daneben aber auch viel Mollusken und gelegentlich auch Algen. Während bei allen von mir untersuchten Brachsen Algen und Detritus nur in kleinen Mengen neben den animalischen Bestandteilen der Nahrung im Darm gefunden wurden, bildeten sie im Plötzendarm bisweilen einen wesentlichen Teil der Nahrung, so z. B. bei den Exemplaren 7 bis 10 der Nahrungs- und Parasitentabelle IH. Interessant war besonders der Darminhalt beim größten Plötzenexemplar (Nr. 40 der Tabelle III) von 32,3 em Länge, welches zeitweilig nur grüne Algen (Oladophora glomerata, Spirogyra inflatau. a.) mit den an ihnen lebenden Diatomaceen (CUymbella u. a.) und Hydrachniden gefressen hatte, da der hintere Teil des Darmes nur damit angefüllt war, aber späterhin ausschließlich Gastropoden, deren Schalen und sonstigen Überreste ganz allein den Vorderdarm erfüllten. Abwechselnd Gemüse und Fleisch! Die Parasitenfauna der Oberseeplötzen ist derjenigen der Brachsen sehr ähnlieh. Nematoden wurden hier garnicht beobachtet. Dafür aber fand ich zwei Exemplare von Echinorhynehus elavaeceps Zed., dem einzigen Acanthocephalen der Friedfische des Obersees. Caryophyllaeus mutabilis und Larven von Ligula intestinahs kamen in den Plötzen weniger oft vor, als in den Brachsen, erreichten aber in beiden Fisch- arten die gleiche Größe. Die Verkümmerung der Geschlechtsorgane konnte ich an den mit großen Larven von Ligula intestinalis behafteten Plötzen noch besser wahrnehmen, als bei den Brachsen. So erhielt ich z. B. am 8. Mai drei fast gleich große Exemplare von Leueiseus rutilus, von denen eines in seiner Leibes- höhle eine 40 em und eine 27 em lange Zigulalarve beherbergte. Während nun die beiden gesunden Exemplare (Nr. 2 und 3 der Tabelle III) mit reifem Sperma gefüllte Hoden besaßen, waren die Geschlechtsorgane des dritten mit Zigula infizierten Exemplares (Nr. 1 der Tabelle III) fadenartig dünn und so unentwickelt, daß nieht einmal das Geschlecht ohne mikroskopische Untersuchung festgestellt werden konnte. In den Augen einiger daraufhin im Mai untersuchter Exemplare von Leueiseus rutilus fand ich Tylodelphys elavata Nordm. (Vergl. Seite 63). ee ee. zu a a He Der Obersee bei Reval. 101 Da leider die jungen Brachsen im Sommer 1904 so selten waren, daß ich ihrer zur Untersuchung nicht habhaft werden konnte, so bin ich, was die Krank- heiten und Feinde der Cyprinidenbrut im Obersee betrifft, nur auf das Studium der Plötzenjungen angewiesen. Mit Sicherheit kann ich jedoch voraussetzen, daß beide Arten in ganz gleicher Weise von denselben Schädlingen zu leiden haben. Im allgemeinen kann man sagen, daß die sanitären Verhältnisse der Cyprinidenbrut im Obersee durchaus günstige sind. Das Fehlen von Distomum globiporum im Obersee ist von großem Vorteil für die Plötzen- und Brachsenbrut, die sonst in anderen Gewässern recht bedeutend durch diesen Darmparasiten zu leiden hat. Es bleiben also nur Hautparasiten übrig, welche die Brut der Cypriniden im Ober- see anfallen, und diese sind 1. sehr junge Exemplare von Argulus foliaceus L. während die alten Exemplare auf größeren Fischen leben, 2. Ichthyophthirius mul- tifilüis Fouqu. und 3. Oyelochaeta domergui Wallengren. Von den beiden letzt- genannten ektoparasitischen Protozoen werden nur ganz kleine Cypriniden bis zum Alter von nur wenigen Monaten angegriffen. Unter 150 zwei Monate alten Exem- plaren von Zeueiseus rutilus fand ich nur 6, die mit Ichthyophthirius multifilüs infiziert waren. Von diesen hatte nur 1 Exemplar 3 Cysten auf seiner Haut, die von jenem Parasiten hervorgerufen waren, 2 hatten je 2 Cysten und 3 nur je eine Cyste (s. Taf. II Fig. 1). Cyelochaeta domerguwi zeigte sich noch seltener. Glochidien von Anodonta variabilis wurden an den jungen Plötzen nicht gefunden. Viel gefährlichere Feinde, als die Ektoparasiten, scheint die Fischbrut des Obersees in den massenhaft in der Carexregion lebenden kleinen Wasserwanzen Corixa distineta Fieber und Mieronecta sp. zu besitzen, die massenhaft an denselben Stellen vorkommen, wo sich die junge Fischbrut im warmen Uferwasser der Carex- region tummelt. Guido Schneider: 102 Nahrungs- und Parasitentabelle Nr. III. Leweiscus rutilus L. r iR Endoparasiten Ektoparasiten änge| Höhe 24078 Gh: B in em [i GeRMEn Daynumal? Caryophyl- | Zchino- | Ligula | Ichthyo- Toren) A laeus rhynchus intestinalis | phthirius 2 er rgulus x : mutabilis clavaeceps larva multifilüis vergui foliaceus 1| 8.Mai | 16,8 4,4 verkümmert | Darm leer . . ... — = 2 Exx. v. 40 u. _ —- = 27 cm Länge DAB. 16,0 BE lc reif Schnecken, Cyclops, FnauE ne; —_ —- — — Pi —. gr i8i 5 16,9 8,7|d reif Ebenso wie in Nr. 2. sn — = n- Be a En Aal. 5, 23,0 52 192 fast reif Bodenschlamm mit viel Sand . : — — —. 2 > —_ Dealer. 16,7 8,7 | o'| fast reif Darm leer. . EB, SEHan. — = u u = ui BEILEIEES.; 18.8 45 IQ fast reif Darm leer. : a _ - = — —e et an nlore 20,0 4,719 fast reif Bodenschlamm, enthaltend: "Sand, viel Algen, Reste von Cr ustaceen, Insekten, Moos, Pediastrum, Diatbmaceenerr So, — _ _ _ —_ - BulTbe >, 18,2 41 12 fast reif Ebenso wie in Nr. 7. . . _ — = — — = Elan 18,1 4,5 IQ fast reif Zähe grünbraune Masse aus Algen, Detritus und Sand .... — _ _ _ — _ LOSINIE,, 17,6 44 |2 fast reif Ebenso wie inNr. 9. .... — _ _ _ _ _ 1120,25: 22,6 5,4 I2 leer Darm leer . . rar 2 — _ —_ —- — 1221126., °,, 19,6 2 fast reif Limnaea und Planorbis — = — — = — 18-1120, 7, 19,7 Q| fast reif Bodenschlamm mit Algen, Gastro. podenresten u. Tubifexrivulorum |1 Ex. im Darm —_ _ — - 122126, 16,4 d'| fast reif Ebenso wie in Nr. 13 . ... _ 1 Ex. im Darm — _ _ — 15 126. „ 15,7 Jg] fast reif Bodenschlamm mit Insektenlarven _ 1Ex. im Darm _ _ _ —_ 16 | 9. Juni | 13,4 3,3 verkümmert | Darm leer. . . —_ — 1 großes Ex — — _ Ia220 2, 20,9 leer Viel Pflanzenteile, Algen, Schlamm, wenig Chironomuslarven eh: —_ — _ _ — —_ 182728, 22,5 Viel Üladophora u. a. Algen, Schlamm und Sand. . . . — — _ _ —_ - 1971287 7, 18,4 Ebenso wie in Nr. 8 . ... — —_ _ _ _ u 20 | 24. „ 1,0 18 Exx. von Bosmina longirostris — _ _ 3 Exx 2 Exx _ 21 | 15. Juli 6,0 Massenhaft Chydorus sphaericus . _ - - = —_ 22.110. ,„ 4,8 Viel Chydorus sphaerieus . . _ — _ _ — _ DBAINLDEEN, 5,7 Viel Chydorus sphaericus, 1 Ex. Daphnia cucullata wenig Cathro- cystis aeruginosa. . ee: —_ _ _ _ _ = 24 |25. „ 22,0 5,119 gefüllt Pflanzendetritus, Diatomaceen, Cladoceren- u. Ostracodenreste, Schlamm . — E— _ o u _ >19.) PD 21,5 5,0 I 2 gefüllt Ebenso wie in Nr. 24, dazu 1 "große Trichopterenlarve u. weiße Eier von 1,5 mm Diam. (nicht Fischeier) 103 Der Obersee bei Reval. "X SIg01d (Zunf ayas) x I 2 _ Zueg wO OI —_ — ue1a00peI) SIU9M (UHATEISRWUOU N XX4Z 0.9 anqaossem yeyuasseyy srl _— — _ _ DC Se 3 " - wopıu -yoeipÄy aynepasaun pun 27%q uf) ‘“uadjy aunıd ugppug ut ‚uapodonseg nu uLepIOpIoA WI öl 08 [749 ee 3 B E: Ar “9 9 pueg ‘aaAre[snwouo.uay) ‘U9IB90peI) “umnuopoahugg 'snd.umoosapr "uaysaı -uazuepg Ju Wwwepgosuapog [OLA Sl «tg — — "xx Su —_ —_ : saure LS * = B% 2 = en gea] wngd 18 _ _ n— _ _ " °° 0° MOPIWOUOLT) UOA uoddng pun usAler] reyuassew —_ _ _— —_ _ "9 Fe an Ur 9m osuagT rad _ _ = _ u "9. 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Auch half es nicht, wollte man die Leute nach dem Vorkommen sonderbarer Fische fragen, weil bei dem äußerst niedrigen Kulturzustand der Bauern und Fischer man immerfort wunderliche und sagenhafte Berichte auch ohne Nachfrage genug zu hören bekommt. Zwei sehr eifrige Sportangler aus Reval, die seit zehn Jahren auf dem Ober- see und anderen Gewässern der Umgegend Revals geangelt haben, erzählten mir, daß sie im Obersee bisweilen merkwürdige Fische erhalten hätten, die weder Brachsen, noch Plötzen wären, graue (nicht rote) Flossen hätten und in dem Körper- umriß am meisten der Maräne glichen, mit der sie aber keineswegs identisch seien. Nach dieser Beschreibung muß ich annehmen, daß jene Herren das Glück hatten, einige Exemplare von Abramidopsis buggenhagü Bl., dem Bastard von Plötze und Brachsen, zu fangen. Bedauerlich ist es sehr, daß diese Exemplare keinem Museum einverleibt wurden. „ Nach K. E. Stenroos!) werden im See Nurmijärvi in Finland jährlich nicht weniger als 2 bis 3 Exemplare von Abramidopsis buggenhagü gefangen, und diese Hybriden sollen in jenem See so zahlreich sein, daß man sie an gewissen Plätzen zum Laichen sich hat sammeln sehen. Nach der Beschreibung von Stenroos sind diese Fische schlanker als Brachsen und höher gebaut als Plötzen, ähneln in der Farbe den Rotaugen (Leueiscus erythrophthalmus), haben aber nicht rote, sondern graue Flossen. A. Westerlund?) gibt eine schöne Abbildung von einer Abramidopsis buggenhagü aus dem See Rantasalmi im östlichen Finland. Anguilla vulgarıs Flem. Als ein sehr seltener Fisch im Obersee wird von den anwohnenden Leuten der Aal bezeichnet. Da in unserer Gegend, d. h. im Finnischen Meerbusen, Aal- montee nicht beobachtet wird, muß man annehmen, daß zu uns die jungen Aale schon nicht mehr als sogenannte Glasaale, sondern bereits einige dem lang aus dem Meere anlangen. Es ist nicht gut denkbar, daß Aale von solcher Größe durch die an Hindernissen reichen Abflüsse des Obersees in diesen gelangen können. Stände ihnen dieser Weg offen, so würde es an Aalen im Öbersee nicht fehlen. Die Seltenheit der Aale beweist aber, daß diese wohl einen bedeutenden Umweg machen müssen und auch auf einem solehen nur zufällig den See erreichen können. Am wahrscheinlichsten ist es nach meiner Meinung, daß die Aale den östlich in einer Entfernung von 6 bis 7 km am Obersee vorüberströmenden Brigittenfluß hinaufsteigen und durch kleine Nebenflüsse, Feldgräben u. s. w. über die ungefähr 47 m hohe Wasserscheide (47 m über dem Meeresspiegel und 10 m über dem ı) K. E. Stenroos. Om Abramis Leuckartii Heckel och des förekomst i Finland. Meddel. af Soc. pro Fauna et Flora Fennica, 9. 1893. p. 54 und 55. 2) A. Westerlund. Abramidopsis Leuckartii Heck. Meddel. af Soc. pro Fauna et Flora Fennica 23. 1898. p. 102—105,. Der Obersee bei Reval. 105 Spiegel des Obersees) in das sumpfige Quellgebiet des Cournalflusses und schließlich durch diesen in den Obersee selbst gelangen. Während des Sommers 1904 wurde übrigens, so viel ich weiß, kein Aal im Obersee gefangen. Lota vulgaris Cuv. Häufiger als der Aal soll die Quappe im Obersee vorkommen. Die Angaben der Fischer werden durch die Mitteilung des Oberförsters Wallace Russow gestützt, der mir berichtete, daß Zota vulgaris auch im Cournalflusse gefangen wird. Der Fang im Obersee soll in früheren Zeiten bei einem unter Wasser be- findlichen erratischen Stein im nordöstlichen Teil des Sees erfolgreich mit Reusen und Setzkörben betrieben worden sein. Seit einigen Jahren hat man aber diesen Zweig der Oberseefischerei als zu wenig lohnend ganz aufgegeben. Mir gelang es nicht, eine Quappe aus dem Öbersee zu erhalten. Gasterosteus pungitius L. Die einzige Stichlingsart im Obersee ist Gasterosteus pungitius und auch dieser ist nur ein seltener Gast in dem See selbst. @. pumgitius lebt und „nistet“ eigentlich nur in den Zuflüssen zum Obersee, in den er blos ab und zu kurze Ex- kursionen unternimmt. Mich interessierten besonders die zahlreichen Exemplare, welche in einem kleinen, flachen Teich am Ostufer des Sees auf dem Hof des Gutes Moik dieht bei meiner temporären biologischen Station lebten. Dieser Teich ist das Sammelbecken einiger Quellen, die offenbar aus einer Tiefe kommen, wo die Temperatur während der heißesten Zeit des Sommers + 7’C noch nicht erreicht. Außerdem ist das Wasser dieser Quellen überaus kalkhaltig. In dem kalten Wasser dieses: kleinen Teiches, der nur ungefähr 20 Schritt lang und höchstens 1 m tief ist, wimmelt es von Stichlingen, die hier zwischen den den Boden bedeckenden Algen ihre zahlreichen Nester anlegen und nur selten durch das flache Rinnsal, das aus dem Teich in den See abfließt, in den Obersee sich verirren (s. S. 10). Die Nester sind sehr primitiv und kunstlos. Sie bestehen nur in einer röhren- oder grottenförmigen Vertiefung zwischen den flottierenden Büscheln von Cladophoren, Spirogyren und anderen Algen, in der das Männchen bei den Eiern haust und zum Angriff auf äußere Feinde stets bereit ist. Dabei frißt aber namentlich das Stich- lingsmännchen selbst sehr gern und viel Stichlingseier, wie aus der Nahrungs- und Parasitentabelle IV zu ersehen ist (Nr. 5, 10,12, 14, 15, 18 bis 20, 26, 25, 30). Im übrigen besteht die Nahrung dieser Fische hauptsächlich aus Chironomidenlarven, Ostracoden, die im Quellteich sehr viel vorkommen, und Öyclopiden. Die Laichzeit erstreckt sich, wie es scheint, über den ganzen Sommer. In den Monaten Mai, Juni und Juli fand ich stets Exemplare mit stark gefüllten oder ganz leeren Genitalorganen. Die Farbe der Männchen war sehr dunkel, am Bauch und Rücken schwarz, an den Seiten olivenbraun mit 7 bis 11 dunklen Querbinden. Die Farbe der Weibchen war heller und am Bauch fast weiß. Die dunklen Querbinden fanden sich in beiden Geschlechtern, ebenso wie jederseits ein Hautwulst, der von der Schwanz- wurzel nach vorn verschieden weit sich erstreckt, bei dem Männchen weiter, nämlich bis vor die Verbindungslinie zwischen den hinteren Enden der Rücken- und Anal- flosse, bei den Weibchen nicht ganz bis zu dieser Linie. 106 Guido Schneider: Die Parasitenfauna der Stichlinge im Obersee unterscheidet sich sehr wesent- lich von der Parasitenfauna des Gasterosteus pungitius im Finnischen Meerbusen. Während im Meer!) ebenso wie in zahlreichen Binnengewässern?) die Larve von Schistocephalus solidus sehr oft vorkommt, fehlt sie merkwürdigerweise ganz in den von mir am Öbersee untersuchten Exemplaren von @. pungitius. Dieser Mangel, der um so merkwürdiger erscheint, als Ligula intestinalis als Larve recht oft in der Leibeshöhle von Plötzen und Brachsen des Obersees von mir gefunden wurde und beide Cestodenarten bekanntlich zusammen durch dieselben Vogelarten (Mergus), in deren Darm sie geschlechtsreif werden, Verbreitung finden, erklärt sich übrigens recht einfach durch den Umstand, daß die von mir untersuchten Stichlinge alle in der Nähe menschlicher Wohnungen gefangen waren in jenem Quellteich, der von wilden Wasservögeln gewiß immer gemieden wird. Ein anderer Cestode, Ichthyo- taenia ambigua Duj., wurde von mir ziemlich regelmäßig im Darm der Stichlinge aus dem Obersee gefunden, in den Meeresstichlingen aber äußerst selten. Von Acanthocephalen wurde nur ein einziges Exemplar von Echinorhynchus angustatus in einem Oberseestichling gefunden (s. Tabelle IV Nr. 18). Die Ektoparasiten wurden repräsentiert durch junge Exemplare von Argulus foliaceus, von dem im ganzen nur 3 Stück gefunden wurden, und 2 Exemplare der Larve von Anodonta variabılıs. Eigentlich hatte ich erwartet, die Muschellarven auf den Flossen junger Cypriniden zu finden, entdeckte aber auf 160 Exemplaren 1 bis 6 em langer Leueiscus rutilus, deren Flossen ich genau untersuchte, kein einziges Glochidium. An dem einzigen Stichlingsexemplar, das mit Glochidien behaftet war, saßen diese direkt auf der Haut am Bauch und auf der Analflosse (s. Tabelle IV Nr. 12). !) Guido Schneider. Ichthyologische Beiträge III. Acta Soc. pro Fauna et Flora Fennica 22, Nr. 2. p. 13—14. 2) K. Kessler. Materialien zur Kenntnis des Onegasees (russisch). Arb. d. I. Versammlung russ. Naturforscher. St. Petersburg. 1868. s. 46. 107 Der Obersee bei Reval. —_ | _ _ — ee I a er uopjasu] ‘19198N2780.131804) 199] el ve OR Wr; st... er Be SD ee era ee Ma re A re ee Me Te Are " °* 99891U0IMoSU] joa [[oA ö 19 “ 'F 65 er et a: — nn 9 .2919829750.69750H) ‘UapIWIOUOLY,) UoA sauwewj | puagory | 5 | 79 RT, 8G je a | —: ET on Sa Ben + Sr or ug su sdojoh) pun usAarejuoprwouonyg) | puagerg | 5 | 1% pp LG a ne — [HULABCTETERTETEN Sn ee a ne Ep " .19198N9980.19180) SI 1991 el #s “65 | 95 _ — = — en re addndza7nd T “aarejuopımouongg T | erg IS | gs “65 | &@ = = —_ — ne Val eg ea wondgunso “sdopofi, i9 “uaprwouoayg a9 |e| 2% EN EGLIRTG >. er sn = DO Our ey 0 arg, se ° * UOPIWOLOATU,) om |5| #7 | = I = = ee er NHPOIRLNSO, ‘SA0706y “uapıwouonıgg | yeraser |OI Z9 “6 | 56 — = — wwqtxaI| "re UOPOORLISQ ‘sdopk) “usArejuapımouoagN 199] 5| 97 “6: | Te a = = = ee = sdopohiy "uaAre[uHpLUIOUO.LTU/) “IOTO8N9780.1750 199] 5| rs “6 | 0% = — _ _ ner" addndusprurououy) [ ‘19T9SN94504180H 199[ öl 1 “65 | 61 — xql wie UXAI wwqgTxxgc| "9 rer poeg ‘aprwouorng]) T ‘19198%5750.37809) Jo | puagaryg | 5 | 1'9 “66 | 8I == — — — a We LELEA! 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Sehr charakteristisch für den Obersee ist die große Menge von Kaulbarsen, die in ihm lebt. In jeder Tiefe kommt dieser Fisch vor, und in allen genügend feinmaschigen Fanggeräten, die in den See gebracht werden, fängt und verwickelt er sich mit seinem scharfkantigen Körper zum Ärger des Fischers, dessen Netze er oft unheilbar verwirrt. Die im Gegensatz zu den übrigen Fischen des Obersees sehr geringe durchsehnittliche Körpergröße des Kaulbarses trägt auch noch dazu bei, ihn völlig unbeliebt zumachen. Während nämlich die durchschnittlich größeren Kaulbarse des Peipussees gute Preise auf russischen Märkten erzielen. wird der Kaulbars des Obersees von den Fischern höchstens nur zum eigenen Gebrauch gefischt und mit anderen kleinen Fischen, jungen Barschen, Plötzen und Brachsen, zum Winter eingesalzen. Die durehschnittliche Länge der Kaulbarse des Obersees beträgt nach meinen Messungen bei 2 2 etwa 113,6 mm, bei fd‘ nur 101,7 mm. Die größten 2 2 waren 155 mm, die größten Jg‘ 112 mm lang. Die Laichzeit beginnt wahrscheinlich in den ersten Tagen des Mai, in warmen Jahren vielleicht noch früher. Die ersten Exemplare, die ich im Frühjahr 1904 erhielt, waren am 8. Mai gefangen worden aus einer großen Menge, die sich in der Mündung des Moikschen Baches im Nordosten des Sees zum Laichen gesammelt hatte. Der Kaulbars laicht überall in flacherem Wasser auf Sandboden, in der genannten Flußmündung aber versammelt er sich zu solehen Schwärmen, daß der Boden schwarz aussieht. Das Ende der Laichzeit fällt in die letzten Tage des Mai. Im Juni erhielt ich keine laichreifen Exemplare mehr, sondern nur noch ausgelaichte. Am 24. Mai erhielt ich zahlreiehe Exemplare mit vollkommen reifen, rinnenden Genitalprodukten, die sich für einen Versuch mit künstlicher Befruchtung vorzüglich eigneten. Der Versuch gelang auch sehr gut. Die Eier entwickelten sich in einer Glasschale bei Zimmertemperatur und einmal täglich vorgenommenem Wasserwechsel, ohne daß eine größeres Sterben oder Schimmelbildung eintrat. 7 Tage nach der Befruchtung, am 31. Mai, entschlüpften aus den Eiern in großer Zahl die 3 bis 3,5 mm langen, glashell durchsichtigen Kaulbarsjungen. Sie besitzen einen großen, nach hinten ungefähr keilförmig verschmälerten Dottersack, der in seinem vorderen, erweiterten Ende eine etwa 200% im Durchmesser haltende, gelbe Ölkugel birgt. Sehr auffallend ist an den frisch ausgekrochenen Larven des ersten Tages das meist völlige Fehlen von Pigment sowohl im Körper, als auch besonders in den Augen. Im Lauf der ersten 5 Tage nach dem Ausschlüpfen wachsen die Larven bis zur Länge von 4 bis 5 mm heran, und ihre Augen erhalten dunkelbraunes Pigment, während der ganze übrige Leib noch unpigmentiert, glashell bleibt. Der Dottersack schwindet sehr stark mit Ausnahme der Ölblase, deren Größe nicht abgenommen hat. Erst am 7. Tage nach dem Ausschlüpfen zeigen sich große stern- und baum- förmig verzweigte Pigmentzellen auf dem ganzen Dottersack und in der ventralen Mittellinie bis in die Gegend vor der Schwanzspitze. Besonders groß und dick ist eine Pigmentzelle mit baumförmiger Verästelung, die wie ein Ordensstern dem nach vorn gerichteten Ende des Dottersacks aufsitzt. Die Brustflossen, welche beim Ausschlüpfen aus dem Ei kaum 100% lang waren, erreichen in diesem Stadium schon eine Länge von etwa 400 p. Der Obersee bei Reval. 109 Bis zum 14. Juni lebten die am 31. Mai ausgekrochenen Kaulbarsjungen ganz munter in der Glasschale. An diesem Tage aber und am folgenden starben die meisten, und der kleine Rest wurde konserviert. Der Dottersack ist in diesem letzten von mir beobachteten Entwicklungsstadium schon fast ganz aufgezehrt. Das Pigment hat sich nicht wesentlich vermehrt. Nur hie und da, namentlich in der vorderen Hälfte zeigen sich auf dem Rücken und an den Seiten vereinzelte, sternförmige Pigmentzellen mit langen, schmalen Ausläufern. Die Rückbildung des embryonalen Flossensaumes hat noch nicht begonnen, und außer ihm sind nur die bereits sehr großen Brustflossen vorhanden. Die Körperlänge hatte seit dem 5. Tage nach dem Ausschlüpfen nicht zugenommen. Am 20. Mai fand ich in einer Plank- tonprobe, die ich am Südostufer auf der überschwemmten Wiese mit dem Handnetz genommen hatte, einige Kaulbarsjunge, deren noch unpigmentierte Augen anzeigten, daß sie noch nicht einen vollen Tag alt waren. Ältere Stadien, an denen die Nahrung der Jungen hätte studiert werden können, erhielt ich nicht. Die Nahrung erwachsener Kaulbarse besteht im Obersee hauptsächlich aus Chironomiden- und Triehopterenlarven und wird offenbar meist vom Boden aufge- lesen, da Schlamm und Sand oft im Darm zu finden sind. Gleich dem Stichling verzehrt der Kaulbars viel Eier” von seinesgleichen und auch Laich von anderen Fischarten. Einige während der Laichzeit auf dem Laichplatz gefangene Kaul- barsmännchen hatten so viel Laich gefressen, daß ihre Bäuche ganz dick und aufge- trieben waren (s. Tabelle V Nr. 6 und 7). Der häufigste Darmparasit von Acerina cernua im Obersee ist Oueullamus elegams. Neben ihm kommt im Darm recht selten Zehinorhynchus angustatus vor. Sehr groß ist die Zahl der im Peritonealüberzug des Darmes, der Leber, der Schwimmblase und anderer Organe in der Bauchhöhle von Acerina cernua des Ober- sees eingekapselten Larven von Holostomum varıegatum Duj., die mit der von Linstow nicht nur im Kaulbars, sondern auch am Darm und Mesenterium von Büieca bjoerkna und Osmerus eperlamus eingekapselt gefundenen und als Tetraeotyle ovata bezeichneten Larvenform übereinstimmen. Die meisten Exemplare vom Obersee- kaulbars, die ich untersuchte, enthielten diese Larven, und bei mehreren waren die Organe der Bauchhöhle dieht besäet mit ihren Cysten (s. 8. 64). Seltener, nämlich nur in 5 von 25 Exemplaren fand ich in der Leber, am Mesenterium und am Darm die Cysten des Nematoden Agamonema bieolor Diesing. Das Maximum des Vorkommens bildeten 3 Cysten in einem Fisch (s. Nahrungs- und Parasitentabelle V Nr. 22). In den Augen der Kaulbarse des Obersees und zwar nur im Glaskörper und nieht in der Linse fand ich zwei parasitische Arten von Trematodenlarven, nämlich Tylodelphys clavata v. Nordm. und Hemistomum spathaceum Dies. Namentlich die von Nordmann als Diplostomum volvens beschriebene Larve von H, spathaceum scheint recht regelmäßig vorzukommen (s. S. 63). Wegen seiner Trägheit ist der Kaulbars, wie aus den Nahrungstabellen I und VI ersichtlich, trotz seiner Stacheln ein von den Hechten und Barschen oft gefressener Futterfisch und hat als solcher eine recht große Bedeutung in den biolo- gischen Verhältnissen des Obersees. Weil er so leicht zu erlangen ist, geben die größeren Raubfische sich keine Mühe, die flinken Plötzen und unbequem hohen 110 Guido Schneider: Brachsen zu fangen, sondern begnügen sich meist mit dem Kaulbars. Das ist der Grund, weshalb im Obersee weder Hechte, noch Barsche auf die schönsten silbern und rot gemalten künstlichen Köder beißen, die man an der Schleppangel befestigt. Ich habe oft mit Schleppangeln den See in allen Riehtungen gekreuzt, ohne daß auch nur einmal ein Hecht oder Barsch angebissen hätte, weil alle meine künst- lichen Köder Plötzenimitationen waren, welche die mit Kaulbarsen sich sättigenden Rauhfische des Obersees offenbar garnicht reizten. 111 Der Obersee bei Reval. asr[qummayog yıınya3 ’ 19P UR 'XX[ ofary = was] ur x I — ee ep N ur 9a os | ya 19 | 001 6 196 aserquummamag 'p’e'n — — SIE NE " * uAAIB[UOpIUL : u, "IOJUISIW TXXMOJOIA ‚ouorg) pun (as snaouhrf) U91990peI) 2 | rs 6 | #5 asepquumyog — = = “9 uopyasuf J9p ue 'xXTf 9JfpIA 9apue pun UAPLWOUOHYT) UOA UAAIEBTT OlTEnT Any ‘6 174 "A9JUISIW I XXTOJaLA "IOJUOSON UL 'XXA E — — 7. SmpacL pun U9AB[UOPTWOLOALT]) s’oT ‘La | 26 ISELqWULATIS == use] u 'xA T = So 77 * * smyugoq “uopım : 5 J9p U 'xX[ora.Lgo N ‚ououy) UOA uoddng pun uaAılw] TOIA 60T ‘95 | 1% WNLIOJUOSIN — =: — 3 " pusg pun q wı "xx odtaM wwe[ydg «UHATR[UIPLWOUOALT *U9LB90PEII “ll hell org ayoIq N 3-1 pun odue] n ga—zI | puayaarıy oyoy — > puss UaaWLoysL(T U9AIB[UOPLWOLL uUoA uay9gqwIg Aayds |-saqra]'p’t rang I pun u9uoAıquumg run -odyg snuophyg ‘ sngugaum] SN2LBDRAIMT -1umje3sÄay UASSBN |puwmuaserqummyag wumauoyLıad & 65 'uadosadur 'smu)/p snaaukT ‘uapooe.ıso "Woßa.oa Sse[quuwrmgogaopu]|xop ur 'xxzf oforA | -Wag] ur 'xsg IT sojungppumg UxXAg »unusogr U0A UOLIPS pun wwerypsuopog] &| 90T | mp '9T | 61T ‚I94U9SI 'T ’PueygIoA — — = z "0° osupqy 199[ &| ı’or EB EIERT "I9JUISIW TXXTIIOTA = — = RE a EN EFOSUSOHT| 199] | «er BES A: "A9JUISIWUXXMOJOLA | TIOJUISIN UL 'XXA G — wuae(] I ick 0070007 0° 0° 97 AN UF om osuagg| 80 ö| ı’or Selle ‚A9JUISI LT 'PueyIoA _ -- UOALB[LOPWOORT Jreyuossew uosew wp| .100[ &\.ıı | mp '6 la 'A9JUISON I 'PurlIoA — une] ut "x I _ : .° oypsıg | pun uagyasup| puayary |,9 6 TE ZUlEHT "IOJUISINL TXXMOJOLA _ wıeg wit 'xq IT _ "2.2 wmeigog ‘uopoduusg ‘uayyasuf you ge | ıır ra — we] we x I — Net " °°,1900[ uodem | puayaıy | So | 2‘01 Serzlizy _ _ we] Ur xx G — “5 muepgosuopog pun a7soruaggasuf | puayary |2 | 6'8 stallın: _ _ -- _ ra = ° WPOILISO urayeqsoom “uodpy Ju wumjyosuspogg | puagerg | & | LT SS ra|lhoj; — — — — — .° WPOHENNSK) “uayfod -uIOFOLy (uaa]y uounıs Jr wurepgosuopog | pusyorg | 5 | 1“ıı Erin _ "I9}U9SaOW u x I _ _ ugd]y aunız pun u9Aare[ua}Nasu uoA o9say | rar Ise4 | 2 | o°TT SETZE pueAusseqwunayog — une(] "p UL xx ofolA u xx odtumg = N YORBLNOSKT [Or | ya sup [2 | ZıT BEE = d9qa’ op ur x T = 7 De A TE OSTHRTETN au 2 | v6 = NEAR wnLIOJUasa"euarsÄg uoA uadumy ug _ _ — ee maAarzjuaragdoypuız, | joa gswy | 5 | FT 8 Klug _ E= "xx odturg _ er uorogdomotug | Fer gsep I & | FT SB pueausserquumayog Ad9p pun wnmLIY} unte(] wıefexxggıe ° 9 99 97° OSnRYON) Yrur -UOSOM 'T'XXy adıurg — ur xx adıug sazuoptaeäkıyg oyoıd aut Use uf you se} | & | F'eI SSPRUER "Yuasapy "U’XXATOZTLUIT — wIepdurJuy TxXg _ z " a99[ use aa 2 | 501 RR 7 _ - Es _ snamonbo snyasy [ara | par 9sey | & | 2'01 ww 8 II eareg “unb snyvysnbun „22.109. 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Ich erhielt die großen Exemplare haupt- sächlich mit gewöhnlichen Setznetzen, wie sie im Finnischen Meerbusen zum Fang von Barschen und Flundern benutzt werden. Die größten jedoch gingen nicht einfach in das Netz, sondern fielen bisweilen ihrem Appetit auf Kaulbarse zum Opfer. Wenn letztere sich nämlich im Barschnetz verwickelt hatten, so wurden sie oft von einem Barsch zusammen mit dem Stück des Netzes, das sie gründlich verwirrt hatten, verschlungen, und an Stelle des armseligen Kaulbarses erhielt ich ihn und noch dazu den großen Barsch, der ihn im Magen hatte. Während der Laichzeit werden viele Barsche von den Bauern in den aus Weidenruten geflochtenen Setzkörben gefangen, die auch in Schweden unter dem Namen „Videmjärde* im Gebrauch sind, und in einfachen Reusen mit zwei gleichen Armen, oder in Doppelreusen, die an beiden Enden eines Armes befestigt sind.?) Um den Barschen den Eintritt in die Weidenkörbe und Reusen besonders ver- loekend zu machen, wird die Öffnung mit einem Kranz von Ledum palustre oder Empetrum migrum umgeben, an dem die Barsche massenhaft Laich absetzen. Später im Jahre werden die Barsche, außer mit Angel und Regenwurm, haupt- sächlich mit Zugnetzen zusammen mit anderen Fischen gefangen. Eine sehr auffallende Erscheinung bei den Barschen des Obersees ist das starke Variieren in der Färbung und Zeichnung. Besonders häufig sind ganz helle, weißliche Exemplare, bei denen die sonst tieflunkle Farbe des Rückens und der seitlichen Querbinden nur ganz leise schattenhaft angedeutet ist. Die Bauch- und Analflossen solcher blasser Exemplare sind nur sehr wenig gerötet. Am 29. Juli erhielt ich mit der Angel ein 17,7 cm langes 2, das sehr hell war, und gleich darauf ein ebenso langes Z, das ganz außerordentlich dunkel gefärbt war. Die paarigen Flossen und die Analflosse des letzteren waren dunkelrot, und die dunkle Farbe des Rückens und der Querstreifen war so tief und ausgebreitet, daß aus diesem Grunde die Streifung undeutlich erschien (in der Nahrungs- und Parasiten- tabelle VI sind die beiden Exemplare als Nr. 34 2 und 35 g' aufgeführt). Die dunkle Variation war übrigens sehr viel seltener, als die helle. Das Geschlecht hat keinen Einfluß auf die Farbenvariationen, denn es wurden unter den sehr hellen Exemplaren, sowohl Weibehen, als auch Männehen gefunden. Die Ursache ist wohl zu suchen in dem Anpassungsvermögen der Fische an die Farbe des Bodens. Wegen der geringen Tiefe des Obersees wird der Boden überall unge- !) Vgl. F. A. Smitt, Skandinaviens Fiskar, Stockholm 1892, p. 82, Fig. Ga und p. 83, Fig. 7. Der Obersee bei Reval. 113 [5] achtet des wenig durchsichtigen Wassers stark genug beleuchtet, so daß seine verschiedene Färbung dem Auge der Fische deutlich sichtbar wird. Die größere Anzahl der hellen Barsche erklärt sich durch die Anpassung an die weißliche Farbe des Seebodens am nordöstlichen und östlichen Ufer, wo Kalkfels und feiner Quarzsand mit Kalkgeschiebe vermischt vorherrschen. In der Mitte des Sees ist der Schlamm grau oder graubraun entsprechend der Farbe des Rückens und der Seitenstreifen der Mehrzahl der Barsche mit normaler Färbung. Die geringe An- zahl der auffallend dunklen Exemplare hat sich wohl angepaßt der dunkelbraunen, fast schwarzen Farbe des aus Torf bestehenden Uferstreifens im Südwesten des Sees, der sehr geringe Ausdehnung hat im Vergleich zu den weiten Flächen weiß- lichen Kalk- und Sandbodens im Osten. Da ich helle Exemplare in der Mitte des Sees und nicht nur auf hellem Boden, schwarze Exemplare dagegen sogar auf hellsten Sandboden gefangen habe, muß ich annehmen, daß die Anpassung an die Farbe des Untergrundes bei den Barschen sehr langsam vor sich geht. Experimente mit Barschen, die von Stark!) in der Weise angestellt wurden, daß die Fische in weiße und schwarze Gefäße gesetzt wurden, ergaben als Resultat, daß sie recht schnell ihre Farbe veränderten: „In wenigen Stunden sind die Farben so ver- ändert, daß man sie für andere Gattungen halten sollte.“ Nach meinen Erfahrungen an den Barschen des Obersees genügen wenige Stunden noch nicht, um merkliche Veränderungen in der Farbe hervorzubringen. Die beiden bereits oben erwähnten Barsche von 17,7 cm Länge, von denen das eine Exemplar sehr hell, das andere sehr dunkel war, wurden fast gleichzeitig an demselben Platz am Rand des Schilf- dickichts am Südostufer geangelt. Darauf lebten sie, ohne im mindesten ihre Farbe zu ändern, wenigstens eine Stunde in einer Wasserlache im Boot. Eben- sowenig wurde auf dem Transport in das Laboratorium, bei der Vivisektion und beim Konservieren in Formalin eine Farbenveränderung beobachtet. Auch in Formalin erhielt sich die Farbe wochenlang unverändert. Das helle Exemplar blieb stets so hell, wie es in dem Augenblick war, als es an der Angel aus dem Wasser gezogen wurde, und beim dunklen Exemplar konnte trotz aller schädigenden Eingriffe, die mit dem Tode in Formalin endeten, kein Erblassen am dunklen Körper oder an den dunkelroten Flossen wahrgenommen werden. Ich gebe gern die Möglichkeit zu, daß, wie bei anderen Fischarten, so auch bei den Barschen die Farbe, wenn auch vielleicht langsamer als Stark berichtet, sich bis zu einem gewissen Grad der Farbe des Bodens anpaßt, auf dem die Fische leben. Es wäre aber doch zu untersuchen, ob nicht im Lauf der individuellen Entwicklung schon bei der Brut die Bildung mehr oder weniger reichlichen Pigments durch die Farbe des Untergrundes beeinflußt wird, auf dem die Eier sich entwickeln und die junge Brut lebt. Ist das der Fall, wie ich vermute, so wird das Variieren der Färbung nicht nur, wie bisher angenommen wurde, durch Expansion und Kon- traktion der Pigmentzellen zustande kommen, sondern es muß in jedem größeren Gewässer, dessen Boden größere zusammenhängende hellere und dunklere Stellen aufweist, verschiedenfarbige Barschrassen geben, die durch die absolute Menge des !) Stark, Über den Farbenwechsel der Fische, Isis 1832, zitiert nach Georg Seidlitz, Bei- träge zur Deszendenz-Theorie, Leipzig 1876, p. 10—11. Vgl. ferner Constantino Soein, Il mi- mismo del regno animale, Rovereto 1887, p. 20. Archiv für Biontologie II, (1) 08. 8 114 Guido Schneider: in ihrer Haut angesammelten Pigments sieh dauernd, wenn auch nicht erblich, unterscheiden. Die Laichzeit der Barsche im Obersee fällt in die zweite Hälfte des April und die erste Hälfte des Mai. Bis zum Beginn der Hauptvegetationszeit der Wasser- blüte hat die Barschbrut genug Gelegenheit, sich in der Farbe dem wegen des noch verhältnismäßig klaren Wassers stark beleuchteten Seeboden dauernd anzu- passen. Daß in der Tat die junge Brut von Perea fluwwiatilis sich wenigstens dem hellen Sandboden am Ostufer des Obersees gut anpassen kann, beobachtete ich am 29. Juli an einem kleinen Barsch von nur 30 mm Länge, der nur sehr spär- lich pigmentiert war. Leider gelang es mir nicht, junge Barsche vom Südwestufer zu erhalten, wo der Seeboden dunkelfarbig ist, und mein Laboratorium war nicht genügend mit Aquarienzubehör ausgerüstet, um in demselben Barschbrut wochen- lang lebend zu erhalten. Für meine Annahme starker individueller Variationen in der absoluten Menge des Hautpigments bei den Barschen des Obersees spricht auch noch der Umstand, daß die während der wärmsten Zeit des Sommers in den Netzen häufig tot ange- troffenen Barsche sehr verschieden gefärbt waren. Ich machte diese Beobachtungen speziell an Netzen, die mitten im See auf grauem Schlammboden ausgesetzt waren. Ließ ich die Netze nur acht Stunden im See, so erhielt ich meist nur lebende Fische. War ich aber gezwungen, die Netze doppelt so lange Zeit, nämlich un- gefähr 16 Stunden, im See zu lassen, so waren zahlreiche Barsche in den Maschen umgekommen. Unter den toten Barschen, von denen ich also annehmen kann, daß sie mehrere Stunden im Netz und eine unbestimmbar lange Zeit auf dem Wege zum Netz auf grauem Schlammboden zugebracht hatten, fand ich neben normal ge- färbten Exemplaren auch helle und dunkle, namentlich viel helle Barsche, die, wie wir sahen, im Obersee überhaupt sehr zahlreich sind und die auf grauem Grunde die normale graue Farbe keineswegs angenommen hatten, welche sonst den Barschen eigen ist. Wie gesagt, laichen die Barsche im Obersee im April und Mai. Die Schilf- bestände und überhaupt die Stellen, wo Wasserpflanzen reichlich vorkommen, sind die Laichstätten des Barsches. Der Setzkorb und die beiden Reusen, die ich zum Fang laichender Barsche in der Schilfregion ausgesetzt hatte, waren oft mit Barsch- laich über und über bedeckt, namentlich an der Mündung, die ich in landesüblicher Weise mit Zweigen von Empetrum nigrum reichlich dekoriert hatte. Am 25. Mai fand ich in den Laichmassen schon sehr viel leere Eihüllen neben 5 bis 6 mm langen Embryonen, die gerade im Begriff standen, die Eier zu verlassen. Im Gegensatz zu den oben beschriebenen Larven von Acerina cernua hatten die Barschjungen im Moment des Ausschlüpfens aus dem Ei und früher schon schwarz pigmentierte Augen. Im übrigen ist wenig Pigment vorhanden, das in einigen stark dendritisch verzweigten Zellen auf dem Dottersack und in einer Reihe kleiner Pigmentzellen in der ventralen Mittellinie deponiert ist. Der Dottersack ist nicht keilförmig, wie bei Acerina eermua, sondern ellipsoidisch und enthält auch eine große Ölkugel von 450 j. Durchmesser am vorderen Ende. Freie Barschbrut habe ich mit meinen Hand- und Planktonnetzen nicht er- halten und kann deshalb nichts über die erste Nahrung der jüngsten Barsche aus- Der Öbersee bei Reval. 115 sagen. Das kleinste Exemplar, das ich untersuchte, war am 29. Juli aus einem diehten Schwarm kleiner, etwa 20 mm langer Plötzenjungen am südöstlichen Ufer in der Carexregion auf hellem Sandboden gefangen worden. Der kleine Barsch, der bereits oben erwähnt wurde, war 30 mm lang und in der Verteilung des spärlich vorhandenen Pigments den beinahe 2 Monate alten Plötzen, mit denen er zusammen lebte ganz ähnlich. Auf dem Kopf über und hinter den Augen fanden sich drei Ansammlungen von Pigmentflecken und je ein Pigmentfleck auf jedem Kiemendeckel. Ein Pigmentstrich zieht vom Kopf über den Rücken bis zur Schwanzwurzel, ein anderer in der ventralen Mittellinie vom Anus bis zur Schwanz- wurzel. Jederseits in der Mittellinie zieht ein Pigmentstrich von der Scehwanz- wurzel bis in die Gegend über dem Anus. Die Flossen sind alle schon voll aus- gebildet. Die Zahl der Flossenstrahlen ist in der hinteren Rückenflosse ?/ıs. So klein er auch noch war, so betätigte sich dieser Barsch doch schon als Raubfisch. In seinem Magen und Darm konnte ich deutlich die Reste von Augen verzehrter, noch kleinerer Fischjungen konstatieren, daneben Reste von Daphnien und Cyclops. Die aufgefressenen kleinen Fischehen waren wohl Plötzen- oder Brachsenjungen (s. Nahrungs- und Parasitentabelle VI Nr. 33). Erwachsene Barsche nähren sich hauptsächlich von Acerina cernua und be- treiben gern Kannibalismus. Die Parasitenfauna in den Barschen des Obersees weist die ganz stattliche Summe von 10 Arten auf. Ferner kann mit Sicherheit angenommen werden, daß die Larve von Bothriocephalus latus, die von mir zwar nur in den Hechten aus dem Obersee gefunden worden ist, auch in den Barschen vor- kommt, von mir aber bisher übersehen wurde. Unter den 10 Arten, die ich sicher konstatiert habe, sind vertreten: 3 Arten Trematoden, 2 Arten Cestoden, ein Acanthocephal, ein Nematode, 2 Arten Crustaceen und ein Sporozoon. Von den Trematoden kommt Distomum nodulosum Zed. frei im Darm vor, wurde jedoch nur in zwei Barschexemplaren gefunden. Holostomum sp. (Tetracotyle percae- flwviatilis Moulinie) wurde namentlich im Juli und August sehr häufig als Larve an der Schwimmblasenwand zahlreicher Barsche verschiedener Größe, seltener am Mesenterium eingekapselt gefunden. In den Augen scheint Tylodelphys elavata v. Nordm. nicht selten zu sein (s. S. 63). Von den beiden Cestoden ist der eine die auch in Barschen des Finnischen Meerbusens zahlreich vorkommende Ichthyotaenia pereae O. F. M., welche besonders im Anfangsdarm, oft auch in den Pylorusanhängen ihres Wirtes lebt. Der andere Cestode ist Triaenophorus nodulosus Rud., für welchen im Öbersee Esox Tweius der Wirt, Perca flwviatilis aber, wie es scheint, der einzige Zwischenwirt ist. Eehinorhynchus angustatus Rud. und Oueullanus elegans Zed. kommen, ersterer im Darm, letzterer meist in den Pylorusanhängen recht oft vor, namentlich in der zweiten Hälfte des Sommers, während in der ersten Hälfte des Sommers Ichthyo- thaenia percae durchaus dominiert. Von Ektoparasiten wurde nur ein einziges Mal Ergasilus sieboldi Nordm. in zwei Exemplaren auf den Kiemen eines Barsches gefunden (s. Tabelle VI Nr. 13). Argulus foliaceus L. wurde auch nicht häufiger auf der Haut des Barsches von mir gefunden, obgleich er offenbar viel zahlreicher vorhanden ist. Beim Fang und 8* 116 Guido Schneider. Transport gingen aber zahlreiche Exemplare dieses sehr mobilen Parasiten ver- loren, weil Argulus foliaceus auf dem harten Schuppenkleid des heftig sich be- wegenden Fisches nur schwer sich festhalten kann. Daß auch Sporozoen nicht ganz in den Fischen des Obersees fehlen, bewies mir ein Barsch, den ich am 5. Mai fing (s. Tabelle VI Nr. 2) und der an seinen Kiemenblattspitzen vier Kapseln von Henneguya psorospermica Thel. trug, die etwa 1,5 mm lang und 1 mm breit waren. In einer früheren Arbeit!) habe ich Messungen der Totallänge (von der Schnauzenspitze bis zur Mitte der Verbindungslinie beider Schwanzspitzen) und der größten Höhe bei Brackwasserexemplaren von vier verschiedenen Fischarten, die sowohl im Meer, als auch im Brackwasser bei uns vorkommen, notiert, um bei nächster Gelegenheit an Süßwasserexemplaren von denselben Arten die nämlichen Messungen zum Vergleich vorzunehmen. Unter diesen vier Arten befand sich auch Perca fluviatilis, deren durchschnittliche Länge und Höhe ich nun mit denselben Dimensionen bei Barschen aus dem Öbersee vergleichen kann. Von den übrigen drei Arten, die ich in den Jahren 1900 und 1901 aufgemessen habe, kommt keine im Öbersee vor. Nach Erfahrungen, die man an Barschen aus Finnländischen Seen gemacht hat, wo z. B. im See Ruovesi nördlich von Tammerfors Barsche vorkommen, die nur 2.9 mal länger als hoch sind, sollte man meinen, daß vielleicht im Süßwasser die Barsche überhaupt weniger schlank wären als im Meer. Daß das aber nicht der Fall ist, beweisen meine Messungen an den Oberseebarschen; denn bei 50 Exem- plaren, die aufgemessen wurden, war das durchschnittliche Verhältnis der Länge zur Höhe wie 4,032:1. Das Verhältnis der Länge zur Höhe bei den von mir gemessenen Barschen aus dem Finnischen Meerbusen betrug 3,592:1. Es erwies sich also, daß die Barsche des Obersees nicht nur nicht gedrungener, sondern sogar ein wenig schlanker gebaut sind, als die Meerbarsche. Die größere Höhe des Körpers ist demnach kein Kennzeichen für Süßwasserbarsche im allgemeiner, und die auffallende Höhe dieser Fische in gewissen kleinen Seen in Finnland’?), Schweden und England beruht wohl, wie Wahlgren mit Recht bemerkt, auf einer abnormen, rachitischen Verkürzung der Rückenwirbel?). Die Exemplare aus dem Ruovesi, die ich gesehen habe, waren nieht nur sehr kurz, sondern zeigten auch seitliche Buckel und Verkrümmungen, die auf Erkrankung des Knochensystems schließen lassen. !) Guido Schneider, Ichthyologische Beiträge II, Acta Soc. pro Fauna et Flora Fennica 22 Nr. 1, p. 52. 2) Mela, Suomen luurankoiset. 1882. p. 267. ®) Zitiert nach F. A. Smitt, Skandinaviens Fiskar I. Stockholm 1892. p. 29—30. j sapapwıanyf 09497 "IA IN 9][PqeyYuoyıswawg pun -söuniyeNn 1999] "Tquumauss ER, Er = — = aop ur xp I | 'P we orsıgom _ — = — “00° 299] uode ö | 0's [9'617 °z| 65 TaerE a ER = rn 3 [3 [3 U Ne — Jop ur 'xxq g _ _ 199] uadeM ö | 0'g [6'038 gs | 85 = Day = — —_ —_ = = rl ( eyorequaragdoystzL) | aaqay BSP] ISOUTJELES wIeK] u “YOSLA | Jopur x I NOBELUNZEEZEELZE ur uodewwuT oslıa) " 731] ı3 _ - == — = = = — 1097, uoden Re) 1% “ 7] 92 Be | — er a = _ —_ —_ u DE 199] uooe 77% ee) re | ‚zopÄd = mw — — _ -ddy xx plwıec]'T ei € = —_ Ge oe 199] uaseM 199] ö egg| ıme '@ | #5 e > = — 2 wae( UXA I — — DRUA9 DULV 'XXA G UadeN my 199] Slerl|seeel| * 12 | ez | ‚ıopid 'ddy Ze a a un — — we'xsp I | weg’ x I = — ee a9a] uazeml, ass [7 |K8:6110:07] ee dzilEcr et = — — == WAEL UXXA E| WIE UX I — _ DRULO DWOY X 1 uoden wy 199] SL [arzeı erg ge zu Ei — — — — _ — 0 snayıbund | sn9750.498D) "X T Ude ur #81 “93107 er ® = Pr = — — —_ — EL RT oe 199] uadeW 1991 #81 el Gl = er — — — — == = es = Dur -sog SsdopoRg ‘uaae[u9xaydorpeT, 199] 0'91 ea — = s: —- _ — — wie([ UXY I _ ; u9are[u9doydoypLLT, 199] 191 ZEN — = = — _ 2 ue([’UXXYOT _ _ * WAW[LSPTWOLOATN TOTA 109] 91 SE EZROE Er > de — _ waIe([ 'IXXTE — Dnu.d murntooy Xp I UOseN WI gs loseel * ‘6 | AT = R — — _ _ wae([ UXXN Z| We] TOJOIA —_ nu. muy 'XA I Ude wf 199[ ö| rs joe] ne °ı | HI | uowary [qwummgog (d’yv'nwaedg)) 'ıop4d 'ddyv — |'P’e xx _ - J9puvwasıumg = u "XXI OfolA \UHP UL’XXT EI| DRUL00 Dunioy UoA 'XX 910ayaN 199] ö Jo. lea “ °92| er 19997 ap une] u =E = = urosAy Te = = = "XXy 08 "6 Z: ee ee no wen nerdän 199] SlesiTee| " Tal or = — — _ — — _ aaa Igag — (92427) YoSLq aaufapy UI uodeny u 199] S|9s |yoea| “ ol Tr — = — — = —= — = == Ze roren -YOSIT JLur IonFoZ wae(] pun use 190] Else lgear) “ Ss Jor en i£ en a = = _ — — yorejyost 7 yım Iımyod uadem 199] & | s’z |0'31 gell a9qar] une(] ur 8 SMIER En ELLE TERT u ao = Ri Z= on aaa uode| puagaıg | E [6a |rieı| “ 8 — — — _ 2 — _ ° + 99891UaP]9S \ aaqar] -Uf asrofıria syaydayr [ uosepN u 199] slseljloeaı) "“ S1|z — — — a9p ur XI == — = afdlA ayaS = YpSL7 weul uoa agsoy use uf 199] 2 | 98 Jr ey |) E- Rn — — _ _ — "xx LI — Dr 199] usdem| puagaıg | E | zr |r'sı ee ie] Zala - le: a = 5 pr dopur xy I = = = XXy 69 =; 0 19a] Use | puagalyg | P | FF |L SI gs ıF7 = = = _ _ _ "xx GL — 199] uodem| puagaıg |» Jos Irocdl “ '< IE — _ "“wory ‘pe _ = == = (Ad 'ddy 'n = er Dun AOPO uppsdey p wae(] U'xX g|wıed) X 96I 99.49] UOAUITYEAFSUISSOT JUOSTHN UT 199] © laLi6oed| . zozıaz une] Be = — —. _ _ _ wr ‘xx 69 _ eo ge aaa] uodeN a9al &1|0'8 |e'6z| wm 's | powusads | ware] snso 2 snyngsnbun en BEIN HON SRG: -0.108d on En Barel; a e es snyouhry.t 5 Fe 5 = snynb.uy | smyısob.uT ofnbouuspg| -ouam.u, wmwosojof] | Smunnan) sun nuavgohrygyoT ISUT ee 5|® ER 5 B ” x u90z S uoyıseredogyA -02odg uoyıseaedopuy S|s 2. 2 ers 6... on Meere il ee ie iii ee ie ie se u Zu Fr De u A de ee ie er Ks u ee Nahrungs- und Parasitentabelle Nr. VI. Perca fluwviatilis L. = e E Endoparasiten Rare Ektoparasiten Nr. 8, | [oa Genitalien € - Than TrERERe Va 3|= em RER rhymchus RR a phorus nodu-| psoro- rasubl A i “| 12 angustatus Erden p- Sarva | ogus Jarva | spermica | dt foliaceus . 80 | 25. Juli j20,2] 4,7| "0 Fischrester m m. u _ 1Ex.im App. _ 1 Ex. i. Darm | Mehrere a. d. = Es _ _ pylor. Schwimmbl. | BI 120... 19,7| 5,11 d' Im Magen eine 'Trichopterenpuppe —_ _ 80Exx.i.Darm _ — — = | — BERND. 83,8] 8,61 2 Im Magen 1 Ex. Acerina cernua . — _ 5Exx. i. Darm/4 Exx.in App. - _ — — | — lor. 88:11:09. 3,0| 0,5 Fischlarven, Daphniden, C'yelops sp. _ — - > — 2. e en — 84.129: „, 117,2154,81:9 Im Magen 1 Ex. Acerina cernua . _ _ E— u Viele an der _ _ u Schwimmbl. 85 129. „ 17,7| 5,0| d' IMapennleer: Sa ne u. en —_ — 53Exx.i.Darm 8 Exx.in App.|Wenig an der _ = — | = pylor. | Schwimmbl. 836 | 1. Aug. [12,3] 2,7| Im Magen 1 kleine Limnaea sp. | und Gastropodenlaich, im Darm massenhaft Larven und Puppen | von Chironomiden . . ... u _ - — _ — = — Ser 121,7] 80,1 Im Magen Reste von einem kleinen 3 Exx. in der | BiSchuen ae ne Fe E= _ . en 1 Ex. i. Darm _ Leber _ _ 2 Exx. 8| S ,„ [|86,5| 9,8] 2 IMagenwleer.e Su... ee: _ _ 1 Ex. i.Darm 6 Exx.in App. Tote an _ _ _ — pylor. Schwimmbl. u. Mesenter. | 891 8 ,„ [82,01 8,0] 2 Im Magen I Ex. Acerina cernua . _ _ 2 Exx. i.Darm| 1 Ex.i. Darm _ - _ _ | _ 40 | 13. „ 184,0] 8,71 2 Im Magen 1 Ex. Acerina cernua . _ — u 1 Ex.in App. | Wenige a. d. = _ _ | _ Tg pylor. Schwimmbl. Ai IB BZ E78 a getüllta Mapennleeren Eee _ _ 9 Exx. i.Darm| 1 Ex.i. Darm | Wenige a. d. _ _ _ _ Schwimmbl. | 42 113. ,„ 128,7|5,55| 2 Im Magen 1 kleiner Fisch . . . _ _ _ 1 Ex.in App. _ = _ _ | _ pylor. | 43 118. „ 119,61 4,51 2 Im Magen 1 Ex. Perca flwviatilis _ — E— - - 2 Exx. in der _ _ _ Leber | [Ge DR 21 Be) Mapennleerte ah en — = _ 1 Ex.i. Darm _ _ = —- | — Ab I16. „ 1211| 4,91 2 Im Magen 1 kleiner Fisch (Cy- Viele an der _ —_ — I — DIIDIdO) ARE ER = — — 1 Ex. i. Darm — Schwimmbl. | 46 |15. ,„ []14,9| 3,0 Massenhaft Chironomidenlarven & Viele an der | 7 Exx. in der _ = | _ mit etwas Sand Ar. er :, — En 1 Ex. i. Darm — Schwimmbl. Leber | 47 |18. „ 185,6] 8,81 2 Magen: leer 2 esse. _ = 6 Exx. i.Darm|/7 Exx.in App. u 1 Ex. in der _ u | pylor. | Leber | 48.120. „ 182,5] 7,61 2 Im Magen 1 Ex. Acerina cernua . _ — 1 Ex. i.Darm 2 Exx. i.Darm| Viele an der | Viele leere _ - - Schwimmbl. | Cysten(?) in \ der Leber N 49 |20. „ Im Magen 1 Ex. Acerina cernua . —_ —_ _ _ Viele an der _ _ - = Schwimmbl. 50 |20. „ Im Magen 1 Ex. Acerina cernua . = — _ 2 Exx.i.Darm| Wenige a.d. — - — — Schwimmbl. 61 | ? Dez. |16,0 Magenzleer m,.@. . ae. cl 1 Er. Darm 4 Exx. 1 Ex. i. Darm |6 Exx.i. Darm] — 1 Ex.i.d.Leber — — Der Obersee bei Reyal. 119 Amphibia. Rana temporaria L. Das einzige Amphibium, welches ich im Obersee antraf, ist der braune Gras- frosch. Er kommt zahlreich auf den Wiesen am Ostufer vor, wo er auch an den Grenzen des Übersehwemmungsgebietes laicht. Seine Nahrung besteht hier, wie überall, aus Insektenimagines verschiedener Art. Als Parasiten fand ich in einem Exemplar 2, das ich am 17. August aus dem See fischte, 2 Exemplare von Angiostomum nigrovenosum Rud. in der Lunge und 5 Exemplare von Nematoays sp. 22 im Darmkanal. Ein anderes Exemplar (g‘) untersuchte ich am 9. September. Es hatte zahl- reiche Coleopterenreste im Magen und seine Parasitenfauna bestand aus folgenden Arten: In der Lunge fanden sich 5 Exemplare von Angiostomum nigrovenosum und 1 Ex. von Distomum eylindraceum Zed., im Darm 2 weibliche Exemplare von Nematoxys sp. mit großen Jungen im Uterus. Die zugehörigen Z cd‘ habe ich leider nicht gefunden. Das Rectum war angefüllt mit zahllosen Opalina ranarım, die dem früher untersuchten Frosch ganz fehlten. Reptilia. Pelias berus Merrem. Die Kreuzotter ist am Südwestufer in den Kiefernwäldern häufig. Tropidonotus natrıx Kuhl. Die Ringelnatter soll nicht selten am östlichen Ufer vorkommen. Es ist mir aber nicht geglückt, ein Exemplar zu erhalten. Aves. Eine reiche Vogelfauna kann man auf dem Obersee nicht erwarten wegen der Nähe der Stadt Reval, wegen der beiden Eisenbahnlinien, die im Norden und Westen nahe am Ufer vorüberführen, wegen der vielen Strolche, die namentlich am west- lichen und südlichen Ufer die Gegend unsicher machen und wegen der Armut des Sees an Fischen überhaupt, aber namentlich an kleinen Arten (Phoxinus, Alburnus, Blicca und andere fehlen). Der Obersee wird ferner im Frühjahr verhältnismäßig spät eisfrei und kann deshalb von solchen Zugvögeln, (die zeitig im Jahr unsere Gegend passieren, nicht als Zwischenstation auf der Wanderung besucht werden, wie z. B. von Oygnus musieus Bechst. und Gänsearten, die bereits im März ziehen. Der Obersee ist also kein sehr gutes Jagılrevier, und diesen Eindruck empfing ich auch im Sommer 1904 auf meinen Exkursionen am Ufer und im Boot, die inbezug auf ornithologische Beobachtungen ein sehr dürftiges Resultat ergaben. Um ein einigermaßen naturgetreues Bild vom Vogelleben auf dem Obersee und seinen Ufern geben zu können, wandte ich mich an die Herren Oscar Koch und Wallace Russow, zwei eifrige und erfahrene Ornithologen in Reval, mit der Bitte, mir ihre Beobachtungen mitzuteilen. Beide erfüllten meinen Wunsch in liebenswürdigster Weise, wodurch es mir möglich wurde, auch diesen Abschnitt über die Aves des Obersees meiner Arbeit angliedern zu können. Daß trotz geringer Individuenzahl die Wasservögel eine recht eingreifende Rolle im Haushalt des Sees spielen, sahen wir bereits oben im Abschnitt über die Fische, deren häufige Infektion mit Larven von Ligula simplieissima die Vögel verursachen. 12) Guido Schneider: Andere Beziehungen der Vogelwelt zum Obersee und seinen Bewohnern sollen weiter unten bei Besprechung der einzelnen Arten besonders angeführt werden. Ich folge bei Aufzählung der Arten dem System, das Valerian Russow!') in seiner „Ornis Ehst-, Liv- und Curlands“ anwendet, da ich häufig auf (dieses grundlegende Werk werde hinweisen müssen. Die Namen jedoch entnehme ich dem Namenklatur- werk von Henry E. Dresser „A List of European Birds“ ?). Oypselus apus L. Nistet hart am Ufer des Obersees unter dem Dach des einstöckigen Hauses, in welchem ich mein Laboratorium eingerichtet hatte, und in anderen Gebäuden. Verfolgt eifrig Chironomiden und andere Wasserinsekten. Erscheint nach V. Russow Mitte Mai und verschwindet erst im September (l. e. pag. 40). Die genauen Termine der Ankunft und des Abzuges sind, wie mir Oscar Koch mit- teilt, der 18. Mai und 23. August. Hirundo rustica L. Nistet an und in den Viehställen des Gutes Moik, erscheint nach V. Russow in den ersten Tagen des Mai und verschwindet im September. „Bei milder Herbst- witterung verweilen einzelne in wasserreichen Gegenden bis in den Oktober und da kann es sich zutragen, daß solche, da sie im Rohre zu übernachten pflegen, von einem Nachtfroste überrascht, erstarrt ins Wasser fallen und ertrinken“ (1. e. pag. 42). Die Beziehungen der Rauchschwalbe zur Insektenwelt des Sees sind dieselben wie bei der folgenden Art. Chelidon urbica L. Die Hausschwalbe nistet ebenfalls in der Nähe des Obersees an verschiedenen Gebäuden. Um den 15. Juni herum bot sich mir ein anziehendes Schauspiel. In dieser Zeit verließen kleine, dunkelfarbige Chironomiden, meist Orthocladius barbicornis L. in unermeßlichen Schwärmen das Wasser des Obersees und bildeten über dem Wasserspiegel und über Ufergebüsch dichte Wolken. Die Schwalben und Segler der ganzen Umgegend, verstärkt durch Zuzug aus der Stadt, hielten eine mehrere Tage andauernde große Chironomidenjagd ab. Zu keiner anderen Zeit habe ich so viel Vögel auf dem See versammelt gesehen. Nach V. Russow kommt die Hausschwalbe in der ersten Hälfte des Mai und bleibt bis in den September. Cotile riparia L. Bruthöhlen der Uferschwalbe sah ich an einem niedrigen, aber steilen Ufer- abhang im Osten des Sees, konstatierte aber nicht, ob die Höhlen noch bewohnt waren. Da jedoch nach Mitteilungen von Oscar Koch dieser Vogel an allen Gewässern unserer Gegend gemein ist, kann man nicht zweifeln, daß er auch am Obersee zu Hause ist. Ankunft und Abzug wie bei Cypselus apus. Sturnus vulgaris L. Stare nisten überall in der Umgebung des Obersees. „Nach der Brutzeit ver- einigen sich die Familien und bilden oft Flüge von Hunderten und Tausenden, ') V. Russow, Die Ornis Ehst-, Liv- und Curlands mit besonderer Berücksichtigung der Zug- und Brutverhältnisse. Archiv für Naturkunde Liv-, Ehst- und Curlands. Bd. IX, Lief. 1. Dorpat 1880. ?) H. Dresser, A List of European Birds. London 1881. Der Obersee bei Reval. 121 alsdann wählen sie zu ihrem Aufenthalte abgemähte Wiesen, Viehtriften und später im Herbste Felder und begeben sich des Abends an die mit Rohr oder Weiden- gebüsch bewachsenen Seen- oder Bachufer, um dort zu übernächtigen“ (V. Russow, l. e. pag. 52). In der zweiten Hälfte des Sommers sah ich oft solehe Schwärme von Staren in der Nähe des Sees. Corvus corax L. Nistet, wie mir Oscar Koch mitteilt, im Walde von Cournal. Corvus cornix L. Ist stets der gemeinste Vogel im Bereich des Obersees, der in Schwärmen von mehr als hundert Exemplaren oder auch einzeln überall und zu jeder Zeit sich unnütz und bemerkbar macht. Im Sommer 1904 sah ich fast täglich in einem großen Schwarm, der seinen ganz bestimmten Standort hatte, eine einfarbig hell- graue Nebelkrähe. Corvus frugilegus L. In den großen Schwärmen der Nebelkrähen sah ich fast regelmäßig einige oder zahlreiche Exemplare von Saatkrähen, doch blieben diese immer in der Minderzahl gegenüber Corvus cornix. Corvus monedula L. Sehr häufig in Reval und Umgegend. Oinclus melanogaster Brehm. Findet sich nach Oscar Koch am Abfluß aus dem Obersee. Oyanecula wolfi Brehm. Ist, wie mir Oscar Koch mitteilt, von Wallace Russow im Walde am Cournalschen Ufer beobachtet worden. Acrocephalus schoenobaenus L. Kommt, wie mir Oscar Koch mitteilt, in der Gegend vor. Locustella fluwviatiis Wolf. Ist von Oscar Koch am Birigittenfluß selten beobachtet worden. Locustella naevia Bo dd. In der Umgebung Revals auf feuchten, mit Gebüsch bewachsenen Wiesen regelmäßig gefunden von Oscar Koch. Motacilla alba L. Sehr häufig an den Ufern des Obersees. Nistet Ende April (V. Russow, l. e. pag. 90) und hat Anfang Juni oft eine zweite Brut, wie Oscar Koch be- obachtet hat. Motacilla flava 1. Häufig. Nistet nach V. Russow an Gräben, Bachufern u. s. w. (l. c. pag. 90). Anthus pratensis L. Erscheint nach Oscar Koch Ende März und verschwindet im Oktober. Anthus triialıs L. Nach V. Russow sehr häufig, „besonders an den Rändern trockener Kiefern- wälder und in Laubwäldern, die größere freie Grasflächen haben“ (l. e. pag. 92). Anthus campestris L. Nach V. Russow „regelmäßig auf den Sanddünen zwischen den Blauen Bergen (Kaddak), der Pernauschen Straße (Dunten) und dem Obern-See*, „Das Nest steht in einer kleinen Vertiefung und enthält Anfang Juni 5 Eier.“ 122 Guido Schneider: Alauda arvensis L. Sehr häufig auf den Wiesen östlich vom Obersee. Galerita eristata L. Von V. Russow und Oscar Koch im Gebiet beobachtet. Otocorys alpestris L. Wurde am 22. März 1898 und am 17. und 24. März 1902 von Oscar Koch beobachtet. Die Berglerche ist bei uns nur Zugvogel. Plectrophanes nivalhs L. Findet sich nach Osear Koch im Winter scharenweis ein an den Stellen, wo die Eisernte vor sich geht, angelockt durch die Exkremente der Pferde. Emberiza schoenielus L. In sumpfigen Gegenden; wurde von Oscar Koch bei Reval beobachtet. Passer domestieus L. Nistet überall in Höfen und Gärten. Porzana maruette Leach. In Reval und Umgegend von Oscar Koch beobachtet. Örex pratensis Bechst. Allgemein verbreitet. Fuhca atra L. Wurde einmal (21. August 1887) von Oscar Koch an der Mündung des Brigittenflusses erlegt. Findet sich vielleicht auch in den Rohrdickichten des Obersees. Grus commumis Bechst. Nicht selten auf Exkursionen von mir beobachtet; nistet offenbar in den Sumpfpartien südlich vom Obersee. Während der Getreideernte sah ich täglich Exemplare von dort zu den Kornfeldern von Moik fliegen. Oscar Koch teilt mir mit, daß er auf den ausgedehnten, mit niedrigem Buschwerk bewachsenen Wiesen südlich vom See Nester mit Eiern gefunden hat. Eudromias morinellus L. Ein großer Schwarm wurde von Oscar Koch vom 11. bis 14. Mai 1599 an der Petersburger Straße bei Katharinental nördlich vom Obersee beobachtet. Aegialites euronica Gmel. Nach V. Russow „bevorzugt er öde, von kleinen Wasserarmen durchzogene Landpartien; so findet man ihn z. B. auf den sandigen Strecken zwischen der Pernauer Poststraße und dem Obern-See bei Reval alljährlich in mehreren Paaren brütend. Er nistet im Juni auf bloßem Sande oder Kies“ (l. ce. pag. 158). Vanellus vulgaris Bechst. Kommt, wie mir Oscar Koch mitteilt, auf den Feldern in Moik vor, wo der Kiebitz von Wallace Russow beobachtet wurde. Totanus hypoleucus L. Nach Oscar Koch gemein in der Umgebung Revals. Gallinago gallinula L. Im Cournalschen Walde von Oscar Koch beobachtet. Gallinago coelestis Frenzel. Im Cournalschen Walde von Oscar Koch beobachtet. Der Obersee bei Reval. 1 N os Gallinago major Gmel. Im Cournalschen Walde von Oscar Koch beobachtet. Numenius arquata L. Oscar Koch beobachtete den Vogel und erhielt in Courmal gefundene Eier. Ciconia alba Bechst. Von Oscar Koch auf dem Durchzug in Reval und Cournal wiederholt gesehen. Uygnus musicus Bechst. Exemplare wahrscheinlich von dieser Art, des einzigen Schwanes, der für uns hier in Betracht kommt, sollen vor einigen Jahren auf dem Sce gesehen worden sein. Dafila acuta L. Querquedula erecca L. Brütet Ende Mai; kommt im April; zieht fort im September. Beobachtet von Wallace Russow am Ufer von Cournal. Anas boscas L. Brütet Anfang Mai; kommt im März; zieht fort im Oktober. Beobachtet von Wallace Russow am Ufer von Cournal. Olangula glaueion L. Erscheint als Zugvogel im März und Oktober. Beobachtet von Wallace Russow. Harelda glacialıs L. Erscheint in kleinen Trupps als Zugvogel im April und Oktober. Beobachtet von Oscar Koch und Wallace Russow. Oedemia nigra L. Auf dem Zug nach Süden im August gesehen von Oscar Koch. Mergus serrator L. Brütet im April; kommt im April; zieht fort im Oktober. Beobachtet von Wallace Russow. Larus argentatus Gmel. Larus canus L. Große Möwen, die wahrscheinlich den beiden oben genannten Arten angehören, lassen sich oft, vom Meere kommend, auf dem Obersee nieder. Namentlich bei stürmischem Wetter im Spätsommer kommen sie oft in großen Mengen. So sah ich am 9. September 1905 bei starkem Wind (8 Beauf.) sehr viele Exemplare von Larus canus, die in Schwärmen zu 25 und mehr Individuen namentlich an den Mündungen der Bäche fischten. ’ Larus ridibundus L. Fliegt gern ins Land und besucht sicher, nach Oscar Koch, auch den Obersee. Colymbus areticus L. Besucht wohl sicher, wie mir Oscar Koch mitteilt, den Obersee. Colymbus septentrionalis L. Den Balg eines vor einigen Jahren auf dem Obersee geschossenen Exemplars habe ich selbst gesehen. ; 124 Guido Schneider. Mammalia. Die in Finland im Gebiet des Saimasees vorkommende Süßwasservarietät!) von Phoca foetida Fabr. und die übrigen Phociden fehlen ganz auf dem Obersee und seinen Zuflüssen. Von Säugetieren, die zum Obersee in Beziehung treten, wären zu nennen: Alces palmatus Gray. Der Elch, der die stattlichen Kiefernforste des Gutes Cournal und besonders gern die Sümpfe am Südufer des Obersees bewohnt, muß mit demselben Recht in diesem Verzeichnis aufgeführt werden, wie die verschiedenen Sumpfvögel, die ich im vorigen Abschnitt aufzählte Er ist immerhin ein für die Umgebung des Sees sehr charakteristisches Tier, das dank der waidgerechten Fürsorge des deutschen Konsuls Nikolaus Koch, des Besitzers von Cournal, und seines Oberförsters Wallace Russow noch nicht ausgerottet ist trotz der Nähe der Stadt Reval mit ihren im ganzen Lande berüchtigten organisierten Wilddiebsbanden, gegen die die Behörden schon lange vor Beginn der Unordnungen machtlos waren. Mus decumanus Pall. Bewohnt in Menge verschiedene baufällige Hütten zur Aufbewahrung von Gartengerätschaften am Ostufer des Sees und nährt sich mit Vorliebe von toten Fischen, die der See auswirft. Arvicola amphibius L. Zahlreiche Erdhaufen auf dem Wiesenufer im Südosten des Sees halte ich für Produkte der Wühltätigkeit dieser Wasserratte, die ich übrigens direkt nicht be- obachtet habe. Lutra vulgaris Erxl. Spuren des Fischotters sah ich bisweilen an der Mündung des Cournalflusses. Foetorius lutreola L. Wurde noch nicht beobachtet, kommt aber wahrscheinlich in den den Obersee umgebenden Sümpfen vor. Vespertilio sp. Eine Fledermausart, deren ich nicht habhaft werden konnte, zeigte sich an Sommerabenden am Ostufer in der Nähe meines Laboratoriums und verfolgt, wie es schien, auch Wasserinsekten. 1) Phoca foetida var. saimensis Nordqv. Vgl. Oscar Nordgqvist, Beiträge zur Kenntnis der isolierten Formen der Ringelrobbe (Phoca foetida Fabr.). Acta Soc. pro Fauna et Flora Fennica Bd. '15, Nr.:7, p. 28. VI. Die Zusammensetzung und die biologischen Ver- hältnisse des Planktons im Obersee., Von K. M. Levander. In seiner Abhandlung „Vergleich der Planktonproduktion in verschiedenen holsteinischen Seen“ hat C. Apstein zwei Seentypen aufgestellt, welche durch die Beschaffenheit ihres Planktons und andere Merkmale charakterisiert sind: die Chroococeaceenseen und die Dinobryonseen. Die Hauptunterschiede zwischen diesen beiden Seentypen faßt Apstein!) folgendermaßen zusammen: in Chrooeoccaceenseen in Dinobryonseen Chroococcaceen zahlreich selten Dinobryon fehlend oder selten zahlreich Chydorus pelagisch litoral Plankton reich arın Wasser trübe (durch Organismen) klar. Der Obersee bei Reval in Estland zeigt in prägnantester Weise alle oben genannten Merkmale eines echten Chroococcaceensees. Außerdem können noch folgende planktonische Eigenschaften als charakteristisch für den Obersee hervor- gehoben werden. Unter den sehr zahlreichen Chroococcaceen sind quantitativ die wichtigsten und bilden Wasserblüte Mieroeystisarten und Clathroeystis aeruginosa. Auch hormogone Myxophyceen sind zahlreich und bilden Wasserblüte, nämlich Anabaena eireinalis v. macrospora, die neue Spezies Anabaena levanderi und weniger zahlreich Anabaena flos-aquae. Rivulariaceen fehlen im Plankton des Obersees, so auch Aphamizomenon flos- aquce, das z. B. im Finnischen Meerbusen so überaus zahlreich vegetiert. Die limnetische Flora des Sees ist sehr reich an Chlorophyceen, hauptsächlich Protocoecoideen. Durch ihre enorm große Individuenmenge ist die Gattung Pediastrum für den Obersee charakteristisch. Die Volvoeineen fehlen ganz, und die Desmidiaceen treten sehr zurück. !) C. Apstein, Vergleich der Planktonproduktion u. s. w. Sep. Abdr. aus den Berichten der Naturf. Gesellsch. zu Freiburg i. Br. Bd, 8, 1894, p. 8. 126 Guido Schneider: Die Diatomaceenflora ist dagegen reichlich vertreten. Zahlreich treten auf Melosira ambigua, Fragilaria erotonensis, Synedra revaliensis, Asterionella gracillima, Tabellaria floceulosa und T, fenestrata. Von Flagellaten sind sehr wenige Formen vorhanden. Die Chrysomonadinen sind spärlich und es fehlen z. B. Mallomonas, Synura, Chrysosphaerella. Eine Dinobryon-Form ist zwar vorhanden, spielt aber eine sehr unwesentliche Rolle im Plankton des Obersees. Von Peridineen kommen nur zwei Arten vor, von denen Ceratium hirumdinella häufig ist. Die Rhizopoden sind im Plankton nur durch eine einzige limnetisch lebende Form vertreten, die Ciliaten hauptsächlich durch Tintinmopsis lacustris, Epistylis lacustris und Vorticella rhabdostyloides. Vom Zooplankton sind die Rotatorien weder auffallend reich, noch auch arm vertreten. Die Familie der Ploeosomatiden, z. B. Pl. hudsoni (Imh.) und Pi. trum- catum (Lev.), die in flachen Binnenseen Finlands sehr verbreitet sind, fehlt im Obersee vollständig. Bemerkenswert ist in einem so großen See das Vorkommen von Brachionus angularıs, Monostyla cormuta und Floscularia cornuta im Plankton, das an Teichplankton erinnert. Die häufigsten Planktonrotatorien im Öbersee sind: Notholea longispina, Asplanchna priodonta, Conochilus unicorms, Anuraea aculeata, A. eochlearis, Brachionus angularis, Triarthra Tlongiseta, Polyarthra platyptera, Synehaeta pectinata und Flosceularia cornuta. Von «diesen verschwinden zur wärmsten Sommerzeit Anuraea aculeata, Asplanchna priodonta und Symehaeta peetinata, während Anuraea cochlearis und Triarthra longtseta seltener werden und BRattulus capueinus und Brachtonus amgularıs, als echte Sommerformen, auftreten und zahlreicher werden. Abgesehen von den oben schon besonders her- vorgehobenen Arten, Brachionus amgularis, Monostyla cornuta und Floseularia eornuta enthält das Plankton des Obersees die für unser Klima ganz gewöhnliche und normale limnetische Rotatorienfauna. Die wichtigste Rolle im Zooplankton des Obersees fällt den Copepoden und Cladoceren zu. Erstere sind limnetisch zwar nur durch drei Arten vertreten; aber sowohl die beiden Arten, Üyelops strenuus und C. leuwekarti, welehe auch sonst weit verbreitet und anpassungsfähig in größeren Gewässern wie in Tümpeln vor- kommen, als auch Diaptomus graeiloides treten in enormer Menge auf. Diaptomus graeiloides ist übrigens der einzige Calanide im Obersee, wo die sonst recht ver- breiteten Gattungen Eurytemora und Heterocope ganz fehlen. Unter den Cladoceren vermissen wir im Obersee Holopedium gibberum und Limnosida frontosa. Am zahlreichsten beleben das Plankton die Arten: Chydorus sphaerieus, Daphnia eweullata und Bosmina coregoni. Bosmina longirostris findet sich massenhaft in der Uferregion. Weniger massenhaft, aber immerhin recht zahl- reich finden sich die limnetischen Arten: Daphnia hyalina var. galeata, Leptodora kindti und Bythotrephes cederstroemi var. conneetens. Genaueres über die Lebensweise, das Auftreten und die Verbreitung der im Plankton des Obersees gefundenen sowohl echt wie zufällig limnetischen Organismen soll die nun folgende Besprechung der einzelnen Arten enthalten. Der Öbersee bei Reval. 1° ID -ı A. Phytoplankton. Myxophyceae. Ohrooeoceoceue, 1. Chroocoeeus Timmetieus Lemm. Sehr häufig vom Mai bis Ende September. Insbesondere in den Monaten Juli und August tritt diese Art zahlreich aut. 2. Chroococeus minimus (v. Keißler) Lemm. Diese Form (Synon. Chrooeoeeus minutus Naeg. var. minimus v. Keißler) wurde von Professor E. Lemmermann aus einer Planktonprobe vom 30. September 1904 notiert, die wir ihm zur Begut- achtung zuschiekten. 3. Microcystis viridis (A. Br.) Lemm. Von Lemmermann aus derselben Probe vom 30. September bestimmt. 4. Mieroeystis incerta Lemm. Ebenfalls von Lemmermann in der erwähnten Probe gefunden. Die Microcystisformen, die in den weiter unten wiedergegebenen Plankton- tabellen als Meeroeystis sp. bezeichnet werden, treten im Plankton (des Obersees massenhaft im Lauf des Sommers auf. Schon in den ersten im Mai gefischten Proben sind sie zahlreich vertreten. Da ich jedoch auf die schwierige Bestimmung der Mierocystisformen mich nicht einlassen und «die verschiedenen Formen und Entwicklungsstadien der eoceogonen Myxophyceen nicht auseinander halten konnte, habe ich sie in den Tabellen nicht gesondert aufgeführt. 5. Olathroeystis aeruginosa (Kütz.) Henfr. Die außerordentlich reichliche Entwicklung auch dieser Art ist für den ÖObersee sehr charakteristisch. Auf- gelockerte Kolonien fanden sich in den Fängen vom Februar und Mai vor, woraus man schließen kann, daß die Art auch während der kalten Jahreszeit nicht aus dem Plankton verschwindet. Von Mitte Juni bis in den September tritt sie in größter Menge auf, am meisten im August, und bildet den Hauptbestandteil der Wasserblüte des Sees. 6. Gomphosphaeria lacustris Chodat. Diese kleine, an Coelosphaerium er- innernde Form fand sich in allen Fängen, wo nur «die Aufmerksamkeit auf sie ge- richtet wurde. Nach Lemmermann ist auch die von ihm aufgestellte Varietät compacta Lemm. neben der Hauptform im Plankton des Obersees vertreten. 7. Coelosphaerium dubium Grun. Am 30. September nach Lemmermann. 8. Coelosphaerium naegelianum Unger. Am 30. September nach Lemmermann. Beide Arten «dieser Gattung sind wahrscheinlich im Obersee sehr häufig. 9. Merismopedia elegans A. Br. Die Art wurde von mir auffallend regelmäßig in den Planktonproben beobachtet, stets jedoch in vereinzelten Exemplaren. Sie scheint auch im Winter üppig zu vegetieren (Februar) und tritt in großen, sehr zahlreiche Zellen enthaltenden Tafeln auf, die zuweilen auch in dem Wasserleitungs- wasser der Stadt gefunden wurden (von Apotheker Lehbert photographiert). Hormogoneae. 10. Anabaena flos-aquae (Lyngb.) Breb. Diese Art tritt im Obersee weniger zahlreich auf, als die beiden folgenden. Besonders im Vorsommer muß die Menge von A. flos-aquae sehr gering sein, denn in den Mai- und Junifängen sah ich sie überhaupt nicht. Schon die ersten Exemplare, die aus einer Probe vom 4. Juli zur Beobachtung gelangten, waren in Sporenbildung begriffen. Das Maximum fiel 128 Guido Schneider! in die Mitte des August (11.—-18. August). Die Knäuel sind im ÖObersee, wie auch sonst in anderen Gewässern, regelmäßig mit kurzstieligen Vorticellen besetzt. 11. Anabaena eireinalis Rabenhorst var. maecrospora (Wittr.) Lemm. Durch ihre üppige Entwicklung tritt diese Form, welche von Lemmermann bestimmt wurde, besonders auffällig bei der Bildung von Wasserblüte in Erscheinung. Im Mai fehlte sie noch im Plankton und trat erst im Juni auf. Das Maximum des Anftretens fiel in den August und war viel stärker als bei A. flos-aquae. Die ersten sporenbildenden Fäden wurden in der letzten Hälfte des August (vom 24. August an) beobachtet, also viel später als bei A. flos-aquae. Die Sporenbildung (dauerte wenigstens bis Ende September. In den zwei von mir untersuchten Winter- proben (Februar) war diese Art verschwunden und ebenso auch die anderen Anabaenaarten. 12. Anabaena levanderi (Lemmermann in litt.). Diese sehr auffallende Form glaubte ich zuerst mit A. strxeta Ostenfeld Hansen oder A. maerospora Klebahn identifizieren zu müssen. Aber Professor E. Lemmermann, dem wir eine Probe mit sporentragenden Exemplaren (vom 30. September) zusandten, erkannte in der fraglichen Form eine für die Wissenschaft neue Art, für die er den Namen A. levanderi vorschlägt. Es ist zu erwarten, daß die nähere Beschreibung dieser Art, um die wir Herm Prof. Lemmermann gebeten haben, bald im Druck er- scheinen wird (s. S. 45 Anm. 1). Die langen, geraden, mit großen Heterocysten und großen Sporen versehenen Fäden der neuen Art finden sich im Obersee sehr zahlreich. Die ersten Exem- plare wurden in der Probe vom 20. Juni aus der Seemitte beobachtet als ver- einzelte Fäden. Von Ende Juni an findet eine starke Vermehrung statt, und das Maximum fällt, wie bei den anderen Arten in den August (von Ende Juli an). Die Bildung der Sporen begann um den 6. August, also später als bei A. flos- aquae. Sporentragende Exemplare waren bis Ende September zahlreich vorhanden. 13. Zyngbya eontorta Lemm. Von Lemmermann in der Probe vom 30. Sep- tember konstatiert. 14. Lyngbya limnetica Lemm. Zusammen mit der vorigen Art von Lemmer- mann gefunden. Über die beiden Arten dieser Gattung habe ich keine eigenen Beobachtungen zu verzeichnen. Chlorophyeeae. Protocoeeaeeae. 15. Sphaeroeystis schroeteri Chodat. Von Lemmermann in der Probe vom 30. September gefunden. 16. Tneffigiata negleeta W. et G. S. West. Die Art, die ich in meinen früheren Arbeiten nieht von Botryococeus brauni Kütz. geschieden habe, weil ich sie nur als eine unter günstigen Lebensbedingungen auftretende, üppigere Form auffaßte, will ich hier unter dem Namen aufführen, mit dem sie Lemmermann in der Liste der Algen verzeichnet, die in der ihm übersandten Probe vorhanden waren. Die Art kam im Plankton während der ganzen Beobachtungszeit von Anfang Mai an vor, war aber in den meisten Fängen nur spärlich vorhanden. Am häufigsten war sie noch im Juli und August. Der Obersee bei Reval. 129 Ein am 29. Juni konserviertes Exemplar aus dem Obersee war 453 y lang und bestand aus etwa 7 durch Gallertfäden mit einander verbundenen Öoenobien, die ungefähr 130 x lang und 110 y breit waren. 17. Dietyosphaerium pulchellum Wood. Kommt im Plankton spärlich während der Sommermonate Juni, Juli und August vor. Die ersten Exemplare wurden am 2. Juni gesehen. Im September scheint die Art schon sehr selten zu werden; sie wurde jedoch von Prof. Lemmermann noch aus der Probe vom 30. September verzeichnet. Im offenen Wasser ist sie häufiger als in den Litoralfängen. 18. Selenoeoceus farcinalis Schmidle et Zach. Probe vom 30. September. Lemmermann det. 19. Rrhaphidium brauni Naeg. lo. 20. Ooeystis lacustris Chodat. do. 21. Oocystis marssom Lemm. do. In einer Probe vom 2. Juni fand auch ich eine Ooeystisform, die jedoch nieht bestimmt wurde. 22. Chodatella eitriformis Snow. Probe vom 30. Septbr. Lemmermann det. 23. Crueigenia rectangularıs (Naeg.) Gray. do. 24. Coelastrum microporum Naceg. do. 25. Coelastrum sphaericum Naeg. Sehr selten. Wurde in einer Probe vom 15. August von mir und in derjenigen vom 30. September von Lemmermann be- obachtet. In beiden Fällen handelt es sich um Litoralproben. 26. Coelastrum reticulatum (Dang.) Lemm. Sehr selten. Wurde am 18. Juli in der Westrinne und am 14. September in der Wasserleitung gefunden. 27. Dimorphococeus lunatus A. Br. Wurde von K. Siitoin in einer Probe des Leitungswassers vom 24. Juli 1905 gefunden. 25. Scenedesmus quadricauda (Turp.) Breb. Von Anfang Mai bis Ende Sep- tember ziemlich regelmäßig in allen Proben vom Ufer und aus der Mitte des Sees, aber nie zahlreich. Auch im Wasserleitungswasser wurde diese Form beobachtet. Die Art kommt in kräftig entwickelten Exemplaren vor. Coenobien von mehr als vier Zellen wurden hin und wieder gesehen. 29. Scenedesmus bijugatus (Turp.) Kütz. Von K. Siitoin in einer Probe des Wasserleitungswassers vom 24. Juli 1905 gesehen. 30. Seenedesmus brasiliensis Bohlin. In Proben vom 18. Mai und 30. Sep- tember. Lemmermann det. 31. Selenastrum bibraianum Reinsch. Von K. Siitoin in der Wasserleitungs- probe vom 24. Juli gesehen. 32. Tetraödron minimum (A. Br.) var. serobieulatum Lagerh. Selten. 30. September. 33. Tetraödron marssoni Lemm. Selten. In einer Probe vom 29. Juni von mir und in derjenigen vom 30. September von Lemmermann gesehen. 34. Pediastrum angulosum (Ehbg.) Menegh. var. araneosum Racib. Diese Form zeigte sich von Anfang Mai bis Ende September, aber spärlich in den Fängen, in denen sie gesehen wurde. 35. Pediastrum kawraiskyi Schmidle. Diese charakteristische, in den Seen Nord- und Mitteleuropas verhältnismäßig seltene Form, ist im Obersee sehr häufig und bildet somit ein sehr typisches Element im Phytoplankton dieses Sees. Archiv für Biontologie II. (1) 08, 9 130 Guido Schneider: Sie wurde kaum in einer Probe vermißt. Außer der Hauptform hat Lemmer- mann eine var. brevicorne Lemm. unter den Exemplaren aus dem Obersee unter- schieden. In meinen Tabellen werden jedoch die beiden Formen nicht getrennt auf- geführt. Pediastrum kawraiskyi tritt, wie die anderen Pediastreen des Sees, schon im Frühling auf und vegetiert im Plankton den ganzen Sommer über wenigstens bis Ende September. 36. Pediastrum boryanıım (Turp.) Menegh. Diese Art mit ihren Varietäten ist ungemein häufig und in allen Planktonfängen aus dem OÖbersee vertreten. Zu- sammen mit P. duplex und P. kawraiskyi bildet P. boryanım durch ihre große Individuenmenge ein in quantitativer Hinsicht sehr wesentliches Element des Phyto- planktons im Obersee. Schon im Mai fanden sich kräftig entwickelte Exemplare häufig neben leeren Membranen. Letztere flottieren lange im Plankton. Auch im Winter wurde diese Art im See vegetierend angetroffen. Am gewöhnlichsten scheint eine grob granulierte Form der Varietät longicorne Reinsch. zu sein. Die langen hornartigen Fortsätze der Randzellen sind oft so gerichtet, daß sie sich mit den Fortsätzen der benachbarten Zellen kreuzen, wie bei var. divergens Lemm. Außer der Hauptform und der Varietät longicorne hat Prof. Lemmermann noch var. brevicorne A. Br. in der von ihm untersuchten Planktonprobe vom 30. September verzeichnet. 37. Pediastrum duplex Meyen. Auch diese Pediastrum-Art ist in den Fängen vertreten und ebenso häufig wie die vorhergehende. Am häufigsten erscheint sie in der Form von var. pulchrum Lemm. (?—= rugulosum Racib.), aber auch var. elathratum A. Br. ist im den Sommerfängen häufig. 38. Pediastrum tetras (Ehbg.) Ralfs. Wurde ziemlich selten und nur in einigen Fängen beobachtet. Stets nur vereinzelte Exemplare. Zygnemoidae. Hin und wieder wurden im Plankton Fäden von Spirogyra, Oedogonium und Mougeotia beobachtet. 39. Mougeotia minutissima Lemm. In der Probe vom 30. September nach Lemmermann. Desmidiaeeae. 40. Staurastrum paradoxum Meyen. Häufig im Plankton von Anfang Mai bis Ende September, und ebenso auch die Varietät longipes Nordst. 41. Staurastrum pelagieum W. et G. S. West. Ebenso häufig wie die vorige Art. 42. Staurastrum tenwissimum West var. anomalum Lemm. In einer Probe vom 30. September. Lemmermann det. Diatomaceae. 43. Melosira ambigua (Grun.) O. Müller. Sehr zahlreich im Plankton des Obersees. Die maximale Entwicklung fiel in den Mai. und im Juli— August stellte sich ein zweites Maximum ein. 44. Stephanodisceus hantzschi var. pusillus Grun. Von Lemmermann in der Probe vom 30. September konstatiert. 45. Rhtzosolenia eriensis H. L. Smith. Kommt spärlich im Mai vor. Der Öbersee bei Reval. 131 [9] 46. Tetracyelus lacustris Ralfs. In der Probe vom 30. September, nach Lemmermann. 47. Tabellaria fenestrata (Lyngb.) Kütz. var. asterionelloides Grun. Häufig von Anfang Mai an, zahlreicher, im Juli, August und September namentlich in Uferproben. 48. Tabellaria flocculosa (Roth) Kütz. Ebenfalls sehr häufig, besonders im Mai. 49. Fragilaria capueina Desm. Kommt allgemein, aber nicht zahlreich während des ganzen Sommers im Plankton vor. 50. Fragilaria construens (Ehbg.) Grun. Wurde zusammen mit der Varietät venter Grun. von Lemmerman in der Probe vom 30. September konstatiert. 51. Fragilaria mutabilis (W. Sm. Grun. Probe vom 30. September. Lem- mermann det. 52. Fragilaria parasitica (W. Sm.) Grun. do. 53. Fragilaria erotonensis (Edw.) Kitton. Von Anfang Mai an den ganzen Sommer über zahlreich. Eine gewisse Abnahme ließ sich im Juni konstatieren. 54. Synedra delicatissima W. Sm. Von Anfang Mai an im Plankton, jedoch spärlich. Die Varietät angustissima Grun. wurde in der Probe vom 30. Septbr. von Lemmermann konstatiert. 55. Synedra revaliensis Lemmermann. Über diese Form, die er gleichfalls in der Probe vom 30. September entdeckt hat, teilt uns Professor Lemmermann brieflich folgendes mit: „Die Zellen sind zu büschelförmigen, strahligen Kolonien verbunden. Die Form gehört in das Subgenus Belonastrum Lemm. und ist am nächsten mit $. berolinensis verwandt. Valvar- und Pleuraseite zeigen in der Mitte eine deutliche Anschwellung“ (s. S. 45 Anm. 1). Die Art gehört, wie Melosira ambigua, Fragilaria crotonensis, Asterionella graeillima, zu den am zahlreichsten vorkommenden Planktondiatomaceen des Ober- sees und wurde während der ganzen Beobachtungszeit (Anfang Mai bis Ende September) gefunden. 56. Asterionella graeillima (Hantzsch.) Heib. Die Art zeigt zwei Perioden stärkerer Vermehrung, die erste im Frühling (Mai) und die zweite im Herbst (August— September). Im Juni zeigte sie eine deutliche Abnahme. 57. Stawroneis phoenicenteron (Nitzsch.) Ehbg. Probe vom 30. September nach Lemmermann. 58. Navieula radiosa Kütz. do. 59. G@omphonema olivaceum Lyngb. do. 60. Pleurosigma attenuatum Kütz. do. 61. Surirella biseriata (Ehbg.) Breb. Vereinzelte Exemplare in den meisten Proben. 62. Nitzschia linearis (Ag.) W. Sm. Probe vom 30. September nach Lem- mermann. 63. Nitzschia palea (Kütz.) W. Sm. var. fonticola Grun. do. 64. Nitzschia mierocephala Grun. var. elegantula Grun. do. Flagellata. 65. Diplosigopsis frequentissima (Zach.) Lemm. An Asterionellen oder Stern- algen befestigt wurde diese Art vom Juni bis Ende September beobachtet. 9*+ 132 Guido Schneider: 66. Uroglena volvox Ehbg. In zwei Fängen vom 4. August häufig. Die Art konserviert sich schlecht in Formol, und es ist daher anzunehmen, daß ihr Auf- treten nicht ganz so sporadisch ist, wie man aus den Planktontabellen schließen könnte. 67. Dinobryon bavarieum (Imh.) var. affine Lemm. Wird vom Mai bis Sep- tember im allgemeinen spärlich im Plankton (des Obersees gefunden, am häufigsten noch im Mai. Die Form wurde aber auch noch in der Probe vom 30. September von Lemmermann bestimmt. Cysten wurden nicht gesehen, was bei der Armut an Material nicht auffallend ist. 68. Colaeium vesiculosum Ehbg. Häufig an Cylopiden befestigt Peridinea. Diese Gruppe ist hauptsächlich nur durch eine Art vertreten, nämlich: 69. Ceratium hirundinella O.- F. M. Kommt vom Mai bis September vor, be- sonders häufig aber im Juli und August. Sehr zahlreiche Exemplare fanden sich in einer Probe vom 23. Juli. Die im Obersee lebende Form besitzt zwei hintere Stacheln. Sehlanke und breitere Individuen fanden sich gleichzeitig, z. B. in der Planktonprobe vom 23. Juli, doch waren die schlanken (var. fwrcoides Lev.) zahl- reicher vertreten. 70. Peridinium einetum Ehbg. Im Plankton des Obersees sehr selten. Nur ganz vereinzelte Exemplare zeigten sich im Juli und August in Proben aus der Seemitte und der Ostrinne. Diese Art, die eigentlich in Moostümpeln zu Hause ist, findet sich im Seenplankton Europas ziemlich selten. In den Seen Schwedens (Lemmermann) und Finlands ist Peridinium awillei viel häufiger als P. einetum und P. tabulatum. Zooplankton. Rhizopoda. 71. Difflugia limmetica Lev. Ziemlich gemein in den Sommermonaten, trat aber erst im Juni auf. Auch in anderen Seen scheint diese Art ihre limnetische Lebensweise nur während der wärmsten Jahreszeit zu führen, während sie sich sonst wahrscheinlich nur am Boden aufhält. Sporozoa. 72. Coelosporidium cehydoricola Mesnil et Marchoux. Die Leibeshöhle vieler Exemplare von Chydorus sphaericus aus einer Probe vom 30. September war mit diesen Parasiten erfüllt. Infusoria. 73. Tintinnidium flwwiatile Stein. Sporadisch im Auftreten. _Vereinzelte Exemplare wurden im Mai und dann wieder am 31. Juli beobachtet. Nach Wesenberg-Lund erscheint in Dänemark diese Art im Frühling, um später im Mai und Juni zu verschwinden. 74. Tintinnopsis lacustris (Entz.). Diese Art kommt während des ganzen Sommers vor, wurde aber von mir in den Planktonproben nur vereinzelt, in wenigen Exemplaren jedesmal, gefunden. 75. Vortieella rhabdostyloides Kellieott. Sehr zahlreich auf Anabaena flos- aquae im Juni, Juli und August. Kleine Vorticellen mit ganz kurzem Stiel werden Der Obersee bei Reval. 133 häufig auch auf Fragiaria erotonensis, Asterionella gracillima und anderen Plankton- diatomaceen des Obersees gefunden. 76. Epistylis lacustris Imh. Häufig im Juni und Juli, seltener im Mai. Am meisten fand sich diese Art in den Planktonproben vom 20. Juni und 18. Juli. Im August wurde die Art nicht mehr beobachtet. 17. Epistylis artieulata From. (ef. S. Kent. Manual, Vol. III Pl. 39, Fig. 3). Auf Diaptomus sporadisch im Mai und Juli. Rotatoria. 78. Floscularia cornuta Dobie!). In konserviertem Zustand ist das Tier zu einem ovalen Körper kontrahiert, d. h. die beiden Enden des Körpers sind einge- zogen, so daß die für die Bestimmung wichtige Gestalt des Vorderendes und des Fußes nicht beobachtet werden konnte. Ich habe jedoch an mehreren Exemplaren mit Sicherheit konstatieren können, daß die Corona mit langen Borsten versehen und der Körper regelmäßig von einer Gallerthülle umgeben ist. Ich glaube des- halb annehmen zu können, daß die in den von mir untersuchten Planktonproben vorkommende Art identisch ist mit Floseularıa cornuta, welche von Guido Schneider in frischen Uferproben lebend beobachtet und bestimmt worden ist. Daß Fl. cornuta auch in anderen Seen eine limnetische Lebensweise, ähnlich wie FI. hbera Zach., Fl. mutabilis Bolton und FI. pelagica Rousselet, gelegentlich führt, scheint aus einer Andeutung von Zacharias (Plöner Forschungs- bericht III, p. 131) hervorzugehen. Die Art trat im Mai, Juni und August als sporadisch vorkommende Planktonform auf. Ziemlich häufig war sie in einer Ufer- probe (Ostufer) vom 2. Juni. 79. Conochilus unicornis Rousselet. Diese Art fand sich nur in den Monaten Juli, August und September, nicht aber in den Fängen aus dem Mai und Juni. Ende Juli und Anfang August war sie am häufigsten, aber doch stets in verhältnis- mäßig geringer Anzahl. 30. Asplanchna priodonta Gosse. Gleich der letztgenannten Art scheint auch diese im Obersee nicht zu perennieren, denn sie wurde in den Fängen vom Juli, August und September vermißt. Anfang Juni war sie häufiger als im Mai, ver- schwand aber schon in der Mitte des Monats Juni. S1. Synchaeta peetinata Ehbg. In konserviertem Zustand diese Art sicher zu bestimmen, ist kaum möglich. Der Größe nach möchte ich sie für S, peetinata halten. Die Art fand sich nur in Maiproben und war schon vom 2. Juni an ver- schwunden. Sie wurde erst wieder in einem Februarfang gefunden. In ihrem Auftreten im Obersee ist sie auf den Frühling beschränkt, ähnlich wie auch Asplanchna priodonta. Eiertragende Exemplare wurden nicht gesehen In allen Fängen, wo die Art überhaupt nachweisbar war, fanden sich von ihr nur wenige Exemplare. 82. Polyarthra platyptera Ehbg. Wurde in allen Sommermonaten, jedoch nieht in allen Proben, angetroffen und auch in einer Februarprobe. Die Induviduen- zahl war stets gering. Die Augustexemplare haben breite Ruder und gleichen der var. euryptera Wierz. 1) Floscularia appendieulata Leyd.= Fl. cornuta Dobie. 134 Guido Schneider: 83. Triarthra longiseta Ehbg. var. limnetica Zach. Im Obersee ist diese Art hauptsächlich ein Frühlingstier. Sie ist im Mai bis zum 2. Juni recht gemein, wurde dann in einem Julifang gesehen, trat aber im August wieder regelmäßiger auf, wenn auch spärlich. 84. Rattulus capuweinus (Wierz. et Zach.). Diese auch aus anderen Seen als eine notorische Sommerspezies bekannte Art fand sich nur in den Proben aus den Monaten Juli und August, am häufigsten vom 31. Juli bis 4. August. 85. Euchlanis dilatata Ehbg. Kommt während des ganzen Sommers vor, häufig am Ufer, seltener im offenen Wasser. Die Art ist nur als zufällig limnetisch anzusehen. 56. Metopidia solida Gosse. Diese litorale Form wurde in der Probe vom 12. August vom Ostufer gefunden. 87. Monostyla cornuta (O. F. M.). Diese für gewöhnlich nicht limnetisch lebende Art wurde doch in mehreren Fängen aus den Monaten Mai, Juli und August gesehen, sowohl in Proben vom Ufer, als auch aus der offenen Region des Sees. 38. Colurus eaudatus Ehbg. Kommt in der Schilfregion am Ostufer vor, wo die Art in einer Probe vom 21. Juni gefunden wurde. 89. Brachionus angularıs Gosse. Nach Voigt!) und Lauterborn?) gehört diese Art zu den Rädertieren, die inbezug auf die Dimensionen des Panzers sehr variieren. Nach Voigt sollen sich in den kälteren Monaten größere Exemplare Fig. 6. Brachionus angularis Gosse aus dem Obersee. finden als im Sommer. Auch im ÖObersee variiert B. angularis beträchtlich in Größe und Breite seines Panzers. Nach meinen Notizen über acht im Juli und !) Voigt, M., Die Rotatorien und Gastrotrichen der Umgebung von Plön. Forschungsbericht biol. Station Plön. Taf. XI. 1904. 2) Lauterborn R., Der Formenkreis von Anuraea cochlearis II. Teil. Heidelberg 1903. Der Obersee bei Reval. 135 August gefangene Exemplare variierte der Panzer zwischen 131—144 x Länge und zwischen 103—123 1 Breite. — Die Sommereier sind 75—85 p lang und 50 % breit (s. Fig. 6). Der Panzer war stets von einer granulierten Hülle umgeben. Nach Lauter- born finden sich derartige Formen besonders „in kleinen seichten Gewässern mit nicht ganz reinem Wasser.“ Diese Bemerkung paßt auf den Obersee insofern sehr gut, als die Wassertiefe hier sehr gering und das Wasser stets stark durch Plankton und Bodensediment getrübt ist. Nach Voigt dürfte der kleinere Panzer und die Ausscheidung einer Hülle bei Drachionus angularis eine Anpassung an die geringere innere Reibung des Wassers in den Sommermonaten sein. Die Art, welche ich übrigens nie in den Binnenseen Finnlands gefunden habe, ist sehr charakteristisch für das Sommerplankton des Obersees. Sie tritt Ende Mai auf und ist besonders zahlreich an der Oberfläche in den Monaten Juli und August. Das Maximum des Auftretens fällt in die Zeit vom 24. Juli bis 6. August. 90. Anuraea aculeata Ehbg. Zeigt sich sehr häufig im Mai und auch im Juni im offenen Wasser, wird aber später im Juli und August seltener. Im Uferplankton war die Art während des ganzen Sommers vorhanden. 91. Anuraea ceochlearis Gosse. Allgemein im ganzen See, am häufigsten im Juni, weniger häufig in den Monaten Mai, Juli und August. Wurde auch in einer Februarprobe gefunden. Vereinzelte Individuen der Variation hispida zeigten sich in den Proben vom 20. Juni, 23. Juli und 23. August. 92. Notholca striata (0. F. M.). Sehr selten. Gefunden in einer Probe, die am 18. Mai am Südufer gefischt wurde. 93. Notholea labis Gosse. Sehr selten. Am 23. August in der Nordbucht vor der Ausflußschleuse. 94. Notholea longispina Kellicott. Sehr häufig im Plankton des Obersees während der ganzen Beobachtungszeit. Namentlich sehr zahlreich im Mai, Juni und Juli, im August spärlich. Findet sich auch im Winter (Februarprobe). Orustacea. Copepoda. 95. Cyelops strenuus Fischer. Das jahreszeitliche Auftreten dieser Art stimmt sehr gut überein mit den Beobachtungen, die in dänischen und anderen Seen ge- macht wurden. Zahlreiche Individuen, namentlich auch viele eiertragende 2%, zeigten sich Anfang Mai in der Seemitte, während zu derselben Zeit in der Ost- rinne die Art weniger häufig war und in der Westrinne ganz fehlte. Eine Ober- flächenprobe aus der Mündung des Cournalflußes vom 18. Mai war auffallend reich an fd. Die Art hielt sich im Plankton nur bis Anfang Juni (2. Juni) und trat erst nach dem Sommer im September wieder am Südufer auf. In einer Februar- probe aus der Nordbucht war sie häufig. Es ist also diese Art, die schon früher als Kaltwasserform bekannt war, im Obersee an die kalte Jahreszeit gebunden und wird nach ihrer im Mai erfolgenden Sexualperiode zum Sommer so selten, daß auch nicht einmal in den Uferproben aus dem Juli und August ausgewachsene Exemplare gefunden wurden. 136 Guido Schneider: 96. Cyelops leuckarti Claus. Auch diese Art ist sehr häufig und zwar während des ganzen Sommers. Eine Maximalperiode dauerte vom 18. Mai bis 2. Juni und eine zweite vom 15. bis 23. August. Die Exemplare aus dem Öbersee sind sehr kräftig entwiekelt und sehr oft mit grünen Flagellaten bedeckt. 97. Cyelops viridis Jurine. Wurde nur in einer Probe von einer sehr seiehten Stelle des Ostufers, die im September 1905 gefischt war, gefunden. 98. Cyelops serrulatus Fischer. Im Plankton selten, wurde nur in den Vertikalfängen vom 31. Juli und 15. August aus dem offenen Wasser und sonst in drei Sommerfängen vom Ostufer beobachtet. 99. Cyelops maerurus G. ©. Sars. In einer Uferprobe vom 12. August. 100. Diaptomus graeiloides Lillj. Zu allen Jahreszeiten im Obersee sehr zahl- reich und eine der häufigsten Planktonformen kommt diese Art auch meist recht zahlreich in den Uferproben des Sees vor. Die Hauptsexualperiode fällt in den Frühling. Im Mai sind die Eiersäcke groß, später im Sommer aber enthalten sie nur 2 bis 4 Eier, und die eiertragenden Exemplare sind seltener. Oladocera. 101. Sida erystallina (O0. F. M.). Die Art ist häufig in der pflanzenreichen Uferregion des Ostufers und der Nordbucht, wurde aber nie im offenen Wasser beobachtet. h 102. Diaphanosoma brachyurum (Lievin). Auch diese sonst limnetisch lebende Art fand sich nur in der Uferregion des Obersees und wurde nur einmal (Ostrinne am 10. Juni) im offenen Wasser des zentralen Teils angetroffen. Die ersten Exemplare wurden vom 2. Juni, die letzten vom 21. August notiert. 103. Daphnia hyalina Leyd. var. galeata G. ©. Sars. Häufig, aber im all- gemeinen wenig zahlreich im Obersee. Am 5. Mai war die Art schon vorhanden, in den Juniproben häufiger als im Mai und am meisten im Juli. In die erste Hälfte des Juli fällt mit dem Erscheinen von fg‘ (Probe vom 12. Juli) die Zeit der sexuellen Fortpflanzung, auf welche sofort eine starke Verminderung erfolgt. Ephippialweibchen fand ich nicht. Im August war die Art in der Ostrinne seltener als in der Westrinne und wurde hier noch am 30. September beobachtet. Der Kopf der vier Embryonen tragenden Frühlingsform im Mai ist gleichmäßig abge- rundet; die Sommerform aber hat einen spitz nach vorn ausgezogenen Kopf. 104. Daphnia cueullata G. O. Sars. Diese Art trat später auf als D. hyalina, nämlich erst Anfang Juni. Am 20. Juni war sie schon häufig, aber zahlreich erst im Juli und August. Die Sexualperiode trat im September ein und in der Probe vom 30. September sind cd‘ und mit Ephippien versehene 2 2 gemein. Im Sommer zeigte sich die Art meist in den zwei als Varietäten früher aufgefaßten Sommerformen cederstroemi und kahlbergensis, seltener in der Form procurva'). Es ist wahrscheinlich Daphnia eueullata, von der die in großen Mengen an das Ufer getriebenen Ephippien herstammen. 105. Ceriodaphnia pulchella G. OÖ. Sars. Diese Art, die in manchen Seen pelagisch auftritt, wurde nie in den Planktonproben aus der offenen Region des Obersees gefunden, und auch in den Uferproben kam sie nur sporadisch vor. Sie ') Vgl. Lilljeborg, Cladocera Sueciae 1900. Taf. XIX, Fieg. 5 (kahlbergensis), 11 (procurva) und 12 (cederstroemi). Der Obersee bei Reval. 137 wurde nur aus drei am Ostufer gefischten Fängen (21. Juni, 4. Juli und 12. August) verzeichnet. 106. Bosmina longirostris (O. F.M.) P. E. Müll. Diese Art fand sich häufiger in der Ostrinne als in der Seemitte und der Westrinne. Sie zeigte sich im Plankton aber nur von Anfang Mai bis zum 10. Juni. Später im Sommer war sie aus dem offenen Wasser des Obersees verschwunden. Ähnliche Beobachtungen sind auch anderswo gemacht worden. Am Ufer wurde sie in allen Sommermonaten angetroffen und zwar als die var. cornuta (Jurine) besonders zahlreich in den Monaten Juni, Juli und August in den Schilf- und Polygonumbeständen des Ostufers, wo die Handnetzfänge hauptsächlich diese Bosminaform enthielten. Am 21. Juni traten dc‘ auf, und am 26. Juni wurden Ephippialweibchen beobachtet. 107. Bosmina coregomi Baird. s. str. Lillj. Im Obersee sehr zahlreich. Im Mai erschienen vereinzelte Exemplare, in der Probe vom 20. Juni ist die Art schon häufig. Die Hauptperiode fiel in die Monate Juli und August. Ende August wurde die Anzahl der Exemplare schon geringer, denn in der Mitte dieses Monats trat die Zeit der sexuellen Fortpflanzung ein. Schon am 24. August wurden Ephippial- weibehen gefischt und in der Probe vom 30. September finden sich noch außer zahlreichen 2£ 2 mit Ephippien auch ziemlich häufig fd. 108. Ilyoeryptus acutifrons G. O. Sars. Die Art, welche eine Bodenform und im Obersee selten ist, wurde in einer Verticalprobe vom 31. Juli gefunden. 109. Eurycercus lamellatus (OÖ. F. M.). Häufige Bodenform in der Uferregion des Obersees. 110. Aeroperus harpae Baird. Die Art ist wahrscheinlich im Obersee nicht selten, obwohl sie als Bodenform nur selten mit dem Planktonnetz erbeutet wurde. Gefunden wurde sie in vier Uferfängen aus dem Juni, Juli und August und in einem Vertikalfang von der Ostrinne am 23. Juli. 111. Lynceus quadrangularıs OÖ. F.M. (P. E. Müll.). Diese Bodenform wurde am 12. Juli aus der Nordbucht, am 31. Juli aus der Seemitte und am 23. August aus der Westrinne gefischt. 112. Lymeeus affinis Leyd. Skeletteile, besonders vom Abdomen, sah ich oft in solehen Uferfängen und Vertikalproben, welche Bodenmaterie enthielten, schr reichlich. Die Art muß also im Obersee recht häufig sein; trotzdem zeigten sich intakte Exemplare nur äußerst selten, nämlich nur in zwei Vertikalfängen, vom 20. Juni aus der Westrinne und vom 31. Juli aus der Seemitte. Man kann an- nehmen, daß sie tief in den oberen lockeren Schichten des Bodenschlammes lebt und die Art deshalb so selten in das Planktonnetz gerät. 113. Zynceus costatus (G. O. Sars). Vereinzelte Exemplare wurden in drei Uferfängen, am 26. Juni und 12. August vom Ostufer und am 30. September vom Südufer gefunden. 114. Lyneceus intermedius (G. O. Sars). Sehr selten. Gefunden in einem Vertikalfang vom 31. Juli. 115. Lymceus reetangularis (G. O. Sars). Mehrere Exemplare im Vertikal- fang vom 31. Juli aus der Seemitte. 116. Zeptorhynchus falcatus (G. ©. Sars). Diese Bodenform ist im Obersee häufig und findet sich fast in jeder Probe vom Ostufer. 138 Guido Schneider: 117. Alonella nana (Baird, Norman et Brady). Eine Bodenform, die wahr- scheinlich über einen großen Teil des Seebodens verbreitet ist. Sie zeigte sich in den Proben des 10. Mai und 21. Juni vom Ostufer, des 20. Juni von der Seemitte und der Westrinne und des 23. August von der Nordbucht. 118. Peratacantha trumeata (O. F. M.). Diese Bodenform wurde vereinzelt in den Proben des 26. Juni, 12. und 21. August vom Ostufer gefunden. 119. Chydorus sphaerieus (0. F. M.). Die Art lebt in den meisten Gewässern als Uferform; aber im Obersee und auch in gewissen anderen Seen mit reichlicher Schizophyceenflora (vgl. ©. Apstein, Das Süßwasserplankton 1896, p. 174) lebt sie auch im freien Wasser und zwar während der warmen Jahreszeit oft in kolossalen Mengen. Nicht immer ist jedoch, wie E. Lemmermann an einer An- zahl schwedischer Gewässer nachgewiesen hat, eine massenhafte Entwicklung von Schizophyceen begleitet vom Vorkommen des Chydorus’). Im Obersce bildet Chydorus sphaericus während der Monate Juni, Juli, August und September in allen horizontalen und vertikalen Fängen aus der offenen Region einen ganz wesentlichen Teil des Planktons. Anfang Mai ist die Art noch spärlich vertreten, am 25. Mai aber schon sehr häufig. Noch Ende September spielt sie eine dominierende Rolle im Plankton. 120. Monospilus dispar @. ©. Sars. Sehr selten im Obersee. Nur bei einem Vertikalfang am 15. August in der Ostrinne gefischt. Sowohl Lilljeborg?), als auch Stenroos?) fanden, daß diese Uferform in Seen mit schlammbedecktem Boden lebt. 121. Polyphemus pediculus (L.). Diese Art wurde in der Schilfregion des Ostufers nur wenige mal im Sommer in größeren Schwärmen beobachtet, nämlich am 21. und 26. Juni und 21. August. Exemplare mit Dauereiern wurden nicht gesehen. 122. Bythotrephes cederstroemi Schoedler var. conneetens Lillj. Daß die Gattung Bythotrephes in dem sehr seichten Obersee vertreten ist, erscheint auf den ersten Blick unerwartet. In der Schweiz und in Mitteleuropa überhaupt kommt die gewöhnliche Art, B. longimanus Leydig, nur in großen und tiefen Seen vor. In Norddeutschland lebt Bythotrephes nach G. Burckhardt?) in den tiefsten Seen (17 m und tiefer). Die seichtesten Seen, in denen die Tiere in Norddeutschland gefunden wurden sind: Müritz 22 m tief. Briesnerschloßsee DILIR RE Weißer See 20 Labenzsee . ee N © Zu ähnlichen Resultaten kommt auch Wesenberg-Lund bei Untersuchung dänischer Seen’). In Dänemark wurde Bythotrephes nämlich in folgenden Seen gefunden: 1!) E. Lemmermann, Das Plankton schwedischer Gewässer. Arkiv för Botanik, Bd. 2 Nr. 2, 1904, p. 5. 2) Lilljeborg, Cladocera Sueciae. 1900, p. 584. ») Stenroos, Zur Kenntnis der Crustaceenfauna von Russisch-Karelien. Acta Soc. pro Fauna et Flora Fennica. Bd. 15, Nr. 2, p. 67. *) G. Burckhardt, Zooplankton der Schweiz. 1900, p. 675. °) Wesenberg-Lund, Studier over de Danske Söers Plankton. 1904, p. 180. Der Obersee bei Reval. 139 Iunesone a 12 a. 38: mitier: ISTONSOMP et. 2A, Skanderboresö 2... 20, „ All) 2 000.06, Se U > EEE INITDITOSOBENIEAR I. 5080 In Finland habe ich, mit Ausnahme der nördlichen Teile des Landes, Byytho- trephes nur in Seen mit beträchtlichen Tiefen gefunden. Die im Obersee lebende Form zeichnet sich durch ihre geringe Körpergröße aus und ist sehr ähnlich dem von Lilljeborg gegebenen Habitusbilde von BDytho- trephes longimanus var. brevimanus Lillj. (Cladocera Sueciae, Taf. 82, Fig. 11). Als mit dieser Form gemeinsame Züge sind hervorzuheben die geringere Körper- größe, der fast gerade Endstiel, der ovale, stark nach vorm gerichtete Brutsack, die kurzen Füsse des ersten Paares und die breite Form der Vorderfühler beim Weibchen. Bei einem alten, großen 2, das gemessen wurde, betrug die Länge des Körpers nur 1,8 mm und die des Endstiels 3,3 mm. Die Länge des 5. Gliedes des 1. Beinpaares war 0,23 mm, die des 3. Gliedes 0,55 mm, oder mit anderen Worten die Länge des 5. Gliedes verhielt sich zur Länge des 3. Gliedes wie 3:5. Trotz dieser Ähnlichkeit im Habitus dürfte die vorliegende Form dennoch als eine Varietät der anderen in Nordeuropa vertretenen Art oder Formenserie von Bytho- trephes, nämlich B. cederstroemi Schödler zu betrachten sein. Von dieser Art, die nach Lilljeborg von B. longimanus dadurch unterschieden ist, daß der End- stiel eine mehr oder minder S-förmige, bestachelte Krümmung bildet, hat der aus- gezeichnete schwedische Veteran der Crustaceenforschung eine Form beschrieben, welche im Mullsee, unweit Hjo in Westergötland, lebt und sowohl hinsichtlich der Größe, als auch des Habitus mit der Varietät brevimanus von B. longimanus über- einstimmt und zu dieser einen deutlichen Übergang bildet. Diese die beiden Arten verknüpfende Form hat Lilljeborg var. connectens genamnt. Sie schließt sich hin- sichtlich der Gestalt des Endstiels an B. cederstroemi an. Ähnlich wie sie Lillje- borg bei der var. conneetens ahbildet (l. ec. Taf. 84, Fig. 4, 5, 6, 7), zeigen die Endstiele bei den Bythotrephes-Individuen des Obersees zuweilen eine kaum merk- liche S-förmige Krümmung, welche nur wenig stärker bestachelt ist, als die übrigen Teile des Stiels. Wegen des rudimentären Vorhandenseins dieses für B. ceder- stroemi charakteristischen Merkmals bei manchen Exemplaren ist die Form im Obersee als Varietät von B. cederstroemi aufzufassen. Bei anderen namentlich kleineren Exemplaren fehlt die Krümmung zugleich mit der stärkeren Bestachelung. Ob aber nun comneetens eine wirkliche Varietät, oder nur eine Lokalform ist, und ob B. cederstroemi überhaupt noch als selbständige, von B. longimanus getrennte Spezies zu betrachten ist, da beide durch so deutliche Zwischenformen, wie brevi- mamus und conneetens, mit einander verbunden sind, das sind Fragen, auf deren Erörterung ich mich bei dieser Gelegenheit nicht einlassen will. In Rußland scheint in der Gegend „der großen Seen“ B. cederstroemi häufiger vorzukommen als B. longimanmus. Linko führt die letztere Art nur aus zwei Seen (Onega und Weißer See), B. cederstroemi aber aus mehreren Seen an. Im Onegasee’) fand er beide Arten neben einander, in den seichten Seen: Bologoje 1) A. Linko, Liste des Cladoceres recueillis aus enrivons de la ville de Petrosawodsk. Bull. de la Soc. zool de France. 1899. Taf. 24, p. 144. 140 Guido Schneider: (bis 5'/s m tief), ITlosero (etwa 4 m tief) und Nowosero '), aber nur B. cederstroemi. Es ist zu bedauern, daß keine näheren Angaben darüber vorliegen, welche Form der Spezies BD, cederstroemi im seiehten Bologojesee vorkommt, dessen Schlamm- und Wasserverhältnisse in mehren Punkten denen des Obersees ähnlich sind. Die im Ilosero gefundene Form ist nach Linko (l. ec. p. 74) B. cederstroemi s. str. Lillj., obgleich sehr klein. Der Körper ist nämlich nur etwa 1,3 mm, der End- stiel aber 7,5 mm lang. Es wäre zu wünschen, daß die von Linko?) in seinem „Beitrag zur Kenntnis der Phyllopodenfauna des europäischen Rußlands“ ange- kündigte Abhandlung über die russischen Arten von Bythotrephes Klarheit in die Formverhältnisse bringen wird. Die ersten Exemplare von Bythotrephes wurden im Obersee am 19. Juni von Guido Schneider gesehen. In den von ihm mitgebrachten Fängen konnte ich aber keine Exemplare aus dem Mai und Juni finden, während in den meisten Fängen aus dem Juli und August, welche aus der Ostrinne und Westrinne gefischt waren, die Art sich zeigte. Offenbar entgeht sie bisweilen beim Fang mit dem kleinen Apsteinschen Netz. Fermer ist erwähnenswert, daß auch in horizontalen Oberflächenfängen und sogar in Uferproben vom Ostufer und aus der Nordbucht die Art nicht fehlte. Schon die im Juli gefangenen Weibchen hatten bereits weit- entwickelte Embryonen in der Bruthöhle. Da die Planktonfischerei im Herbst vor- zeitig abgebrochen wurde, erhielt ich keine 2 2 mit Dauereiern und keine Zd aus den mir überbrachten Proben. 123. Leptodora kindti (Focke). Sehr häufig im Obersee während der Monate Juli und August. Die Art erschien gleichzeitig mit Dythotrephes und wurde zuerst am 20. Juni in einer Probe aus der Westrinne gesehen. Am zahlreichsten fand sie sich in den Vertikalfängen aus der Ostrinne und Westrinne von Mitte Juli bis Anfang August. Männchen und mit Dauereiern versehene Weibehen wurden in den Sommer- proben nicht beobachtet. Lassen wir die durch Wind und Wellenschlag in das offene Wasser ver- schlagenen Zygnemaceen und die parasitisch lebenden Sporozoen bei Seite, so er- halten wir folgende statistische Übersicht über die im Plankton des Obersees ge- fundenen Arten. Phytoplankton. Zooplankton. Chrooeoccaceae .. 9 Arten Rhizopoda .... 1 Art Hormogoneae ... DD , Infusoria ....- 5 Arten Protococeoideae .. 24 „ Rotatoria ..... Nüayes Desmidiaceae ...: 3 Gopepodaimn IE EEE: Diatomaceae ...22 ,„ Gladoceral: nn 223, Flagellata :... 4 » Konsumenten: 52 Arten Pendineti. nl 2 Produzenten: 69 Arten !) A. Linko, Berichte der Biol. Süßwasserstation d. k. Naturf. Gesellsch. zu St. Petersburg. Bd. 1. 1901, p. 241. ®) A. Linko, Verhandl, der k. Naturf, Gesellsch. in St. Petersburg. Bd. 31. Heft 4. 1901, p. 89. Der Obersce bei Reval. 14 Die Veränderungen im Plankton des Obersees lassen sich, wie aus den am Schluß dieses Kapitels wiedergegebenen Tabellen genauer hervorgehen wird, für die einzelnen Monate (namentlich des Sommers 1904), aus denen mir Fänge zur Verfügung standen, etwa folgendermaßen resümieren: Mai. Das Phytoplankton besteht hauptsächlich aus Diatomaceen, Melosira ambigua, Synedra revaliensis und Pediastreen. Chroococcaceen sind auch schon zahlreich vorhanden. Im Zooplankton dominieren Diaptomus graciloides, Cyelops strenuus, Oyelops leuekarti, Daphnia hyalina, Chydorus sphaerieus, Notholea longispina, Asplanchna priodonta und Anuraea aculeata. Juni. Das Phytoplankton ist im großen und ganzen noch wie im Mai. Melosira nimmt ab und Anabaena (A. eireinalis und A. flos-aquae) treten auf. Im Zoo- plankton finden wir vorherrsehend: Diaptomus graciloides, Bosmina coregoni, Daphnia cucullata, Daphnia hyalına und COhydorus sphaerieus. Es treten auf: Daphnia eueullata, Leptodora kindti, Bythotrephes cederstroemi und Epistylis lacustris. Es verschwinden: Cyelops strenuus, Triarthra longiseta und gegen Ende des Monats Synehaeta peetinata und Asplanchna priodonta. Juli. Myxophyceen, sowohl coccogone, als auch hormogone Formen sind sehr zahlreich, Pediastrum ist häufig, Melosira zeigt ein sekundäres Maximum, Fragtiaria erotonensis und Tabellaria fenestrata sind zahlreich, ebenso auch Ceratium hirundinella. Im Zooplankton herrschen: Bosmina coregoni, Chydorus sphaerieus, Daphnia euweullata, Daphnia hyalina und Vortieella rhabdostyloides. Sonst sind noch häufig: Leptodora kindti und Bythotrephes cederstroemi unter den Uladoceren, Brachionus angularis unter den Rota- torien und Zpistylis lacustris unter den Infusorien. Es verschwinden Anuraea aculeata und Anwraea cochleanis. August. Die Entwicklung der Myxophyceen erreicht ihr Maximum. Pediastrum ist häufig, ebenso auch Ceratium hürundinella; Melosira ambigua und Fragilarıa crotonensis sind sehr zahlreich. Im Zooplankton dominieren Chydorus sphaenieus, Bosmina coregoni, Daphnia cueullata und Diaptomus graciloides. Sehr zahlreich lebt Vorticella rhabdostyloides auf Anabaenen. September. Noch Ende September ist kein wesentlicher Unterschied in der Zu- sammensetzung («des Planktons gegen den August wahrnehmbar. Vor- herrschend sind sowohl im Phyto-, als auch im Zooplankton dieselben Arten, wie im Monat vorher. Nur Ceratium hirumdinella ist selten ge- worden. Februar. In den beiden Proben vom 18. Februar 1905, die überhaupt sehr arm an Plankton sind, dominiert das Zooplankton, in dem Diaptomus graetloides und Uyelops strenwus am meisten vorkommen. Öbiges Resume soll uns zur Orientierung bei der Durchsicht der nun folgenden Planktontabellen dienen, denen ich einige Bemerkungen vorausschieken muß. Das Planktonmaterial aus dem Obersee, welches ich von Dr. Guido Schneider erhielt, bestand aus 65 Proben, die in der Zeit vom 5. Mai bis 30. Septbr. 1904 aus verschiedenen Teilen des Sees gefischt waren. Dazu kamen noch zwei Proben, die H. v. Winkler am 18. Februar 1905 aus Eislöchern in der Nordbucht gefischt 142 Guido Schneider: hatte. Entsprechend der von Guido Schneider vorgeschlagenen Einteilung des gesamten von ihm gesammelten Materials an Planktonproben, Temperaturbestim- mungen u.s. w. nach gewissen Beobachtungspunkten, die im Kapitel II über das Wasser näher bestimmt sind und als Südufer, Ostufer, Westufer, Ostrinne, Seemitte > Westrinne und Nordbucht kurz bezeiehnet werden, habe auch ich in den von Mir zusammengestellten Planktontabellen nicht alle untersuchten Proben in einer langen Reihe nur nach der Fangzeit geordnet, sondern in besonderen, größeren Kolumnen je nach dem engeren Fundort untergebracht. Obgleich innerhalb dieser Kolumnen (lie Proben chronologisch aneinander gereiht sind, so gehört sich doch eine Ver- eleiehung aller dieser Kolumnen mit einander «dazu, um einen richtigen Überblick über «die Veränderungen im Plankton des Obersees überhaupt zu gewinnen. Von den 67 Proben, die ich aus dem Obersee erhielt, wurden 5+ nach genauer Untersuchung in die Planktontabellen aufgenommen. Die übrigen wurden als Kontrollproben gleichfalls durehmustert, aber nicht in den Tabellen verzeichnet, weil sie nichts wesentliches und wichtiges enthielten. Zur Bezeiehnung des Grades der Häufigkeit der in den einzelnen Fängen ge- fundenen Arten benutzte ich folgende in «der internationalen Meeresforschung üblich gewordene Zeichen, welche bedeuten: cee = massenhaft ce — zahlreich e = häufig + — vereinzelt r = selten rr — sehr selten. Da nicht alle auf die Zeit und die Art der Einsammlung der Planktonproben bezüglichen Daten in den Planktontabellen platzfinden konnten, gebe ich zuvor ein chronologisches Verzeichnis der 54 genau untersuchten Fänge. Die durch das Multiplikationszeichen X verbundenen Ziffern in «der Kolumne mit der Aufschrift „Meter“ bedeuten, daß das Netz an derselben Stelle 2 oder auch 3 mal vertikal bis zu der durch die zweite Ziffer in Metern ausgedrückten Tiefe versenkt wurde. Das geschah, um größere und bequemer mebbare Quantitäten von Plankton zu er- halten. Zwischen jedem Mal wurde das Netz, wie sich von selbst versteht, ent- leert und gespült. Die mit Sternchen * in «der letzten Kolumne gekennzeichneten Proben wurden von Dr. Schneider zur quantitativen Schätzung des Planktons verwendet (vgl. Kapitel II, p. 27—29). 74 6r | 8P | 08 | 66 | es | ee | 98 | es | 08 | Fr | co$ | or sul 27 | oT I I8 | 8T | 9 nn reellen | | | 3 IF 1.90 | + a | Ri | | | Ir DER (01990,9) ıpury v.opogdarf a | 9 | | | | | “777 WLPOTOS Ar2U90.78.40P30 Saydaızoyglisr | | | Ir | + |» | | ee kr) snpmaıpad snwoydhgor |o50 | 00 | oo | 55 |oo0 | 05 | 09 | oo | 5 1999| | + a a» lo + + rt NT O) monamyds sniopfy) a [a a Ri | or CN TO) PRDUun.«g wyumoppD.ag | 1 | | Sr Ri | a er Tr lepueg) Dunu muy: ı|+|+ == 1 : : "(8 °0 9) map) snyoulry.ıordaT | A ar 2 | | Ba (SO 9) mIDs00 = a | | | = | | 3 pÄarg suu//o smaouht Sa | | a Iard,.|i mL BE pamgp and.ımy sn.ado.op | | | | ar | Br IN TO moon] sma.«soß.ungg |» |» 3 Seele) ) +/+1»]| | A a 09° pe as 's ‘paregp 2uoha.uoo e a + | 9» (aaa + Dr "NEHM TO) SRgsombuon Dunusog | IC) et a | 0.777809 Payomd munydopora) »Ila|+|I|2|21% 34/955 7904 9 | 99 | | | Ten | ENIOSEE =.°8°0 9) ppopnons |+1» a et Ri T | aa |IER 1 | 1 + wi: 0 '9 pmapb "a ‘pÄarg vunply vauydor E a a | ze | ° (uraorr]) un.inliyon.ıg DuosounydourT Sr ER ala | 77° LIST O0) BUnmgshun npıs | | | | | D.4990P»I) P) al 209290 1.09% 1199 11.090 |"=E- [ar 19011/0700: 1, + |, 00 er: »|>| Bi a ee ° {[eT sopropon.ıh snwogdouT | A | | ZIEH ESTALIID U Ri ar | sc "9 SET SMIDIN.LIS “ | +|9 P) A 3 | % El | +|» | 9 a Sarg yon] = P} | sr P) ee ost Snmualgs sdooin »podado,) | | | 9 a a + E Eee EERERDD DEmyAgs au a | | ; Be a an a 2 en Sa RT STDRT. | | | | 'SAUL.La A | | | | | Ai . 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V. [12a/p.m.| 2X2 | vert. |20| Ostrinne ) € 4217 10... 11,304. m 3 vert. |20| Ostrinne \ Linie Moik-Liiwa 5| 16. V. [3,45p.m. | 2x2 | vert [20] Seemitte, Linie Moik-Liiwa . BEE1S. 22 11,30)p.0. I — hor. [20| Westlich von der Mündung des Cournal- flusses . 2 EINOb NV. 10 a.m. |2x 1,5| vert. |20| Ostrinne 8| 25. V. [10,30 .a.m.]2x 1,5] vert. |20| Westrinne Linie, Moik-Liiwa . 9| 2, VI. |10,55a.m.| 2X3 | vert. |20| Ostrinne, Linie XV der Karte von A. Mickwitz Se RE IOSER2VIT: _ — | hor. || Ufer beim Garten von Moik” (Handnetz) 11 | 10. VI. [10,30a.m.| — hor. |20| Ostrinne £ 12 | 10. VI. |10,30a m.| 3 vert. |20| Ostrinne Tee Moe Dive OR 13 | 13. VI. - Ufer östlich vom Cournalfluß let) 14 | 20. VI. |10,30a.m.| 2 vert. |20| Westrinne, Linie Moik-Liiwa 15 | 20. VI. |10,30a.m.| — hor. |20] Linie Moik-Liiwa i 16 | 21. VI. [10,30 a m.| 3 vert. [20] Ostrinne, Linie Moik- Liiwa . I BO SVT. _ — — |-—| Ufer bei Moik im Schilf (Handnetz) . 18 | 26. VI. —_ — — |—| Ufer bei Moik im Schilf (Handnetz) . 19 | 29. VI. |9,80a.m.| 2,5 | vert. |20| Ostrinne, Linie Moik-Liiwa . Er: 20 | 4. VII. [10,15 a.m.| 2X2 | vert. | 9 Ostrinne, Linie Moik-Liiwa . 21 4. VII. _ _ — |—| Ufer bei Moik im Schilf (Handnetz) . 221 12. VII. — — | 9 | Nordostufer im Schilt . 0 23 | 14. VII. E= _ — | 9| Ufer bei Liiwa 24 | 18. VII. [11,30 a.m.|2x 2,5] vert. [20 | Ostrinne ) 25 | 18. VIL |11,50a.m.| 2X2 | vert. |20| Westrinne | Linie Moik-Liiwa.. 26 | 18. VII. | 12a/p.m.]| — hor. |20| Seemitte 27 | 23. VII [3,30p.m.| — | vert. |20| Ostrinne 6 re 28 | 24. VII. | 12 a/p.m.| 2x2 | vert. |20| Westrinne Linie Moik-Liwa 29 | 24. VII. | 1,10p.m.| 2X2 | vert. |20| Vor dem Schleusenbau der Wasserleitung 30 | 30. VII. | 1,20p.m.| — hor. |20| In der Mündung des Moikschen Baches . 31 | 31. VII. | 10a.m. [2x 2,5| vert. [20| Ostrinne 82 | 31. VI. | 1la.m. | 2x3 | vert. |20| Westrinne | BE M uk nme a 33 | 31. VII. | 12 a/p.m. |2 x 3,5| vert. |20| Seemitte, Linie Moik-Reval (Domturm) . 34 | 4. VIII.| 10a.m. [2x 2,5] vert. | 20 Ostrinne De: Nenn: 35 | 4. VUI.| Ila.m. [2x 2,5] vert. |20| Westrinne EEE ; 36 4. VII |12a/p.m.| — hor. |20| Östlicher Rand der eroßen Schilfwiese bei Liiwa.. & = 37 6. VIN. | 11 a.m. [2x 2,5| vert. | 9 | Ostrinne, Linie Moik- Liiwa . 85 | 6. VII.| I11a.m. _ hor. | 9 Ostrinne, Linie Moik-Liiwa in 1 m Tiefe 39 | 11. VIIL | 12a/p.m.]| — Dr | 9 | Westlicher Rand der Schilfwiese bei Moik 40 | 12. VIIIL.| 4p.m. — | hor. | 9 | In einer Polygonumwiese bei Moik 41 | 15. VIIL. | 10a.m. [2x 2,5] vert. |20 | Ostrinne, Linie Moik-Liiwa . 42 | 15. VIII. |10,30a.m| — hor. |20]| Im Schilf bei Moik . e 43 | 18. VIII. | 10a.m. — | hor. |20| Ostrinne, Linie Moik-Liiwa . En 21 vn Illa.m. | — | hor. |—| Ufer bei Moik (Handnetz) 4 23. VIII | 9,30 a.m.|2x 2,5] vert. |20| Ostrinne A ee 46 | 23. VIII.]| 10a.m. | 2x3 | vert. |20| Westrinne Linie Moik-Liiwa 47 | 23. VIII. | 10a. m. — | hor. |20| Westrinne in 2,5 m Tiefe 48 | 23. VII. | 12 a/p.m. |2xX 1,5| vert. |20| Vor dem Schleusenbau der Wasserleitung 49 | 23, VIII. | 12a/p.m.| — hor. |20| Vor dem Schleusenbau der Wasserleitung 50 | 24. VIII. |12a/p.m | — hor. | 9 | Westrand der Schiltwiese bei Moik \ in 1 m Tiefe 51 | 30. IX. [11,30a.m.| — | hor. |—| Vor der Mündung des "Cournalflusses (Handnetz) 52 | 30. IX. |12,30a.m.| — hor. |— | Zwischen Liiwa und “der Stadtgrenze (Handnetz) £ te 53 | 18. II. 12 a/p.m. 1 vert. |20] 100 m vom Nordostufer (1908) 54 | 18. II. [12,80p.m.| 2 vert. |20| 200 m vom Nordostufer ; Seeregion Seemitte Seemitte Ostrinne* Östrinne * Seemitte Südufer Östrinne * Westrinne* Ostrinne Ostufer Ostrinne Östrinne * Südufer Westrinne* Seemitte Östrinne Ostufer Ostufer Ostrinne Ostrinne Ostufer Nordbucht Westufer Ostrinne* Westrinne * Seemitte Ostrinne Westrinne Nordbucht Nordbucht Ostrinne* Westrinne* Seemitte Östrinne* Westrinne * Westufer Ostrinne Ostrinne Ostufer Ostufer Ostrinne Ostufer Ostrinne Ostufer Östrinne* Westrinne* Westrinne Nordbucht * Nordbucht Ostufer Südufer Westufer Nordbucht Nordbucht VI. Fauna und Flora in der Revaler Wasserleitung. Da das Wasser aus dem Obersee ohne Filtriervorrichtung und nur durch Siebe aus Metalldraht von den gröbsten mitgeführten Verunreinigungen befreit in das Rohrsystem der Revaler Wasserleitung strömt, so führt es natürlich alles mit, was an kleinen lebenden und toten Partikeln in ihm beständig oder infolge der Wirkung der Winde suspendiert ist. Es würde deshalb eine unnütze Wiederholung des im vorigen Kapitel über das Plankton gesagten sein, wollte ich hier alle Tier- und Pflanzenformen aufzählen, die leben« oder tot im Wasserleitungswasser gefunden werden. Von großem Interesse ist es aber, zu wissen, welche Organismen im Dunkel der Wasserleitungsrohre leben können und welche sogar bessere Lebens- bedingungen hier finden, als in dem offenen Wasser des Obersees. Die allgemeinen Gesichtspunkte für eine derartige Untersuchung hat Karl Kraepelin in seiner interessanten Arbeit!) über „die Fauna der Hamburger Wasserleitung“ auseinander- gesetzt. Auch diese Leitung entbehrte damals (vor 1556) noch einer Zentralfilter- anlage, und aus der Elbe konnten zusammen mit lebenden Organismen „die im Wasser suspendierten Mineralteilehen und organischen Detrituspartikelehen direkt in das Röhrensystem der Leitung eintreten“, wo sich eine ganz besondere Art von Lebens- gemeinschaft und ein „Gleiehgewichtszustand der Organismen“ herausbildete, die von den biologischen Verhältnissen, wie man sie in der Elbe vorfindet, recht ver- schieden waren. Nach Kraepelins Schätzung übersties „der Individuenreichtum in der Röhren- leitung denjenigen des Elbstroms um das vielfache“. Diese im erster Linie in die Augen fallende Erscheinung erklärt sich einerseits durch das Fehlen der Raub- insekten und ihrer Larven, andererseits durch die Fülle der Nahrung, die vom durchströmenden Wasser beständig den in den Rohren heimisch gewordenen, haupt- sächlich von Detritus sich ernährenden Tieren zugeführt wird. Das Leben grüner Pflanzen ist natürlich bei der absoluten Finsternis, die in den Rohren herrscht, ganz undenkbar. Von Tieren gedeihen nach Kraepelins Untersuchung am besten die festsitzenden und die im Schlamm wühlenden Detritusfresser und ihre an das Leben in der Dunkelheit sich leicht anpassenden Feinde und Vertilger „Asellen, Guammariden, Olepsiniden ete.“ bis hinauf zum Aal. Zur großartigsten Entwicklung gelangen die Bryozoen, von (denen fünf Arten in meist sehr großer Verbreitung an- getroffen wurden. Ferner wurden von festsitzenden Tieren zwei Spongienarten, !) Karl Kraepelin, Die Fauna der Hamburger Wasserleitung. Abhandlungen aus dem Ge- biet der Naturwissensch. herausgeg. v. Naturwiss. Verein, Hamburg 1886, Bd. IX, Heft 1. Der Obersee bei Reval. 145 zwei Arten von Coelenteraten (Cordylophora lacustris und Hydra fusca), eine Muschelart (Dreyssena polymorpha) und verschiedene Protozoen (Verticellen, Epistylis, Stentor, Acineta) gefunden. Reich sind auch die im Schlamm wühlenden Würmer (Anneliden 10 Arten, Nematoden 2 Arten und Turbellarien 4 Arten) vertreten, sehr wenig dagegen die Insekten und Rädertiere. S Schneckenarten, 4 Muschel- arten und 8 Crustaceenarten vervollständigen das Bild, das uns Kraepelin von der Lebensgemeinschaft der in der Hamburger Wasserleitung lebenden wirbellosen Tiere entrollt. Zu ihnen gesellen sich noch 4 Fischspezies, Anguilla vulgaris, Gasterosteus aeuleatus, Lota vulgaris und Platessa flesus, von denen der Aal „in finger- bis fußlangen Exemplaren einen nie fehlenden Bestandteil der unter- suchten Massen ausmachte.“ Mit Recht vergleicht Kraepelin die Lebensbedingungen, welche die Tiere im Rohrsystem einer Wasserleitung finden, mit den Zuständen, welche in den abyssalen Regionen tiefer Seen herrschen. In der Tat läßt sich eine gewisse Ähnlichkeit nicht leugnen. F. A. Forel gibt in seiner „Introduktion a l’etude de la faune profonde du lae Leman“ folgende Schilderung der Lebensbedingungen der Tiere in 50 bis 300 m Tiefe. 1. Der vermehrte Druck steigt mit je 10 m um eine Atmosphäre. 2. Die Temperatur ist konstant ohne Schwankungen nach Tages- und Jahres- zeiten. 3. Die Temperatur ist niedrig, etwa 5° bis 5° in verschiedenen Seen. 4. Es herrscht fast absolute Ruhe. . Das Licht fehlt oder ist sehr schwach. 6. Der Pflanzenwuchs fehlt fast ganz )). In einer späteren Arbeit?) macht Forel noch darauf aufmerksam, daß die Tiere, welche in der Tiefe leben, niemals Gelegenheit finden, direkt mit der Luft in Berührung zu kommen, weshalb luftatmende Evertebraten (Gastropoden und | Insektenlarven) gezwungen sind, „de modifier leur genre de vie normale et physio- logique“ und den nötigen Sauerstoff dem Wasser zu entziehen, um dort unten existieren zu können. Betrachten wir Punkt für Punkt die Wirkungen, welche die soeben aufgezählten Existenzbedingungen auf die Tiere ausüben müssen, so finden wir, daß der ver- mehrte Druck, der nach Kraepelin 5'/ Atmosphären in der Hamburger Wasser- leitung wohl nicht übersteigt, kaum wesentlich in Betracht kommt, da Flüssigkeiten nur in verschwindend geringem Grade kompressibel sind und die meisten Wasser- tiere, mit Ausnahme der Fische und Insekten, keine komprimierbaren, mit Gasen gefüllten Räume in ihrem Körper enthalten. In der Revaler Wasserleitung dürfte der Druck noch geringer sein als in Hamburg, indem er wohl 3'/e bis 4 Atmo- sphären nicht übersteigt. Die Temperatur ist in unterirdischen Wasserleitungen keineswegs so konstant, wie in den abyssalen Tiefen der Alpenseen. Während ich im Sommer 1904 Temperaturmessungen im Obersee anstellte, wurden gleichzeitig die täglichen Tem- peraturen in der Revaler Wasserleitung von H. v. Winkler im bakteriologischen 1) Bulletin de la Societe vaudoise des seiences naturelles, T X, Nr. 62, p. 218— 220. 2) Bulletin de la Societe vaudoise des sciences naturelles, T, XIII, Nr. 72, p. 22—23. Archiv für Biontologie II. (1.) 08. 10 146 Guido Schneider: Laboratorium der Privatklinik beobachtet. Ein Vergleich der beiden Temperatur- kurven in den Monaten April bis August lehrt uns, daß die Temperatur des Wassers in der Rohrleitung zwar nicht dieselbe Höhe erreichte, wie an der Oberfläche des Sees, aber doch eine ganz ähnliche Kurve hervorbrachte. (Vergl. Taf. V mit Taf. IX). Das Temperaturmaximum, das etwa 3 Grade niedriger war als im See, wurde in der Wasserleitung nur 3 Tage später erreicht. Im Winter platzen bei großer Kälte ab und zu einige Wasserleitungsrohre — ein Zeichen, daß die Temperatur in ihnen unter den Gefrierpunkt sinken kann. Im allgemeinen kann angenommen werden, daß die Amplitude im Lauf des Jahres ungefähr 19 bis 20 Grad ausmacht. In diesem Punkt ebenso wie in dem folgenden, der besagt, daß die Temperatur in tiefen Regionen der Alpenseen 5° nicht übersteigt, unterscheidet sich das Wasser- leitungswasser ganz erheblich vom Wasser abyssaler Seentiefen. Der vierte Punkt läßt eher einen Vergleich zu. Es herrscht allerdings in der Wasserleituug keine absolute Ruhe, aber der gleichmäßige, sehr selten nur hastige Strom, der immer in einer und derselben Richtung die Rohre passiert und den Tieren regelmäßig Detritus als Nahrung zuführt, entspricht weit eher dem all- mählichen Wasserwechsel in abyssaler Tiefe, als den heftigen Bewegungen in vertikaler und horizontaler Richtung, die jeder Wind im Obersee hervorbringt und die dem Gedeihen festsitzender Tiere (Ilydren, Spongillen und Bryozoen) so hinderlich sind. In der Revaler Wasserleitung ist deshalb Aydra grisea sehr ge- mein, während sie im Obersee viel seltener zu finden ist. Der Liehtmangel ist jedenfalls im Wasserleitungsrohr so absolut, wie er höchstens nur in sehr großen Tiefen offener Wasserbecken sein kann. Kraepelin erwartete deshalb, daß „in den Röhrensystemen vielleicht jene blinden Crustaceen- formen, Niphargus puteanus, Asellus Foreli ete., sich auffinden ließen, welche in dunklen Brunnen wie in den Tiefen der Schweizer Seen gleicherweise ver- breitet sind“. Er fand sie jedoch nicht und zwar wohl nur aus dem sehr triftigen Grunde, weil die Hamburger Wasserleitung nur erst 30 Jahre bestanden hatte, als die Untersuchung stattfand, und in dieser kurzen Zeit keine blinden Formen aus sehenden durch allmähliche Anpassung und Auslese entstehen konnten, namentlich da aus der Elbe beständig neue normale Exemplare der Wasserleitung zugeführt wurden, die die Auslese erschwerten. Eine Folge des Liehtmangels in großen Tiefen ist, wie Forel festgestellt hat, das fast vollständige Fehlen von Pflanzenwuchs. Die gleiche Ursache hat dieselbe Folge auch in Wasserleitungsrohren. Grüne Pflanzen können hier unter völligem Lichtabschluß nicht assimilieren und deshalb auch nicht wachsen. Wenn ich trotz- dem im Revaler Wasserleitungswasser zahlreiche lebende grüne Algen fand, so be- weist dieser Umstand nur die Lebenszähigkeit gewisser Chrococcaceen, Nostocaceen und anderer Algen, welche, wie es scheint, längere Zeit in völliger Dunkelheit existieren können, ohne abzusterben. Der siebente und letzte Punkt, den wir betrachten wollen, ist sehr interessant. Er betrifft die Modifikation in der Atmungsweise, welcher sich Insekten und ge- wisse Gastropodenarten unterwerfen müssen, um in großer Tiefe oder in Wasser- leitungsrohren leben zu können. Sowohl die Insekten, als auch die Lungenschnecken nehmen unter normalen Verhältnissen bekanntlich den Sauerstoff in gasförmiger Der Obersee bei Reval. 147 Gestalt aus der Luft in ihre Atmungsorgane auf. Die im Wasser lebenden Lungen- schnecken begeben sich, wenn sie neuen Sauerstoff in ihre Lunge aufnehmen wollen, an die Wasseroberfläche, wo sich der Gasaustausch vollzieht. Dasselbe tun auch viele Wasserinsekten und ihre Larven, wenn sie die Luft in ihren Tracheen er- neuern wollen. In großen Tiefen, wo jede direkte Berührung mit der Atmosphäre ausgeschlossen ist, leben demnach, z. B. im Genfer See nach A. Brot!), Limnaeen (Limnaea abyssicola) bis in Tiefen von 100 und über 200 m. Diese ursprünglichen Lungenatmer könnten dort natürlich nicht leben, wenn sie nicht Wasseratmer geworden wären. Kraepelin fand in der Hamburger Wasserleitung ebenfalls Schnecken, die sonst Lungenatmer sind, nämlich Physa fontinalis, Aneylus lacustris, Phanorbis erista und zwei Arten von Zimnaea (L. ovata und L. aurieularıs), von denen er jedoch annimmt, daß sie nieht „wie die berühmten Limnaeen der Schweizer Tiefseen zur Wasseratmung mittels der Lunge übergegangen seien“, sondern daß es sich „viel- mehr um eine intensive Hautatmung handelt.“ Es gelang mir in der Revaler Wasserleitung nur ein einziges junges Exemplar von Limnaea ovata zu finden, das noch lebte. Dieses brachte ich in eine mit Wasser, (das keine grünen Pflanzen- teile enthielt, genau gefüllte Flasche, die luftdicht verschlossen wurde. Hier lebte das Tierchen mehrere Wochen, ohne mit gasförmiger Luft in Berührung zu kommen, und konnte bequem beobachtet werden. Grewöhnlich hielt es sich am Boden auf und benagte den wenigen organischen Detritus, der sieh dort aus dem Wasser abgesetzt hatte. Ab und zu aber erfolgte eine Exkursion bis dicht unter den Glaspfropf, mit dem die Flasche verschlossen war, und es wurde eine Gasblase aus der Lunge ausgestoßen. Nach einigen Tagen waren zahlreiche solcher Gasbläschen im Flaschenhals zu sehen. Die Ausscheidung von Kohlensäure geht also sicher durch die Lunge vor sieh und wahrscheinlich auch die Absorbtion wenigstens eines Teils des zum Leben nötigen Sauerstoffes direkt aus dem Wasser, das nach Ausstoßung des Kohlensäurebläschens in die Lunge eindringt. Fine intensivere Hautatmung mag ja auch nebenbei noch bestehen. Wie ich bereits in einem der vorhergehenden Kapitel berichtete, war Apotheker R. Lehbert der erste, der sich mit Eifer auf das Studium der im Revaler Leitungs- wasser vorkommenden Mikroorganismen legte. Ihm verdanke ich eine große Anzahl mit Datum und anderen nützlichen Bemerkungen versehener, meist recht wohl- gelungener Mikrophotographien, mit deren Hilfe ich mich sehr bequem über das Vorkommen verschiedener Organismen orientieren konnte. Die von Lehbert photographierten Proben waren einem gewöhnlichen kleinen Leitungshahn im Zimmer entnommen und enthielten deshalb fast nur mikroskopische Lebewesen. Um reich- licheres Material zu erhalten, wandte ich mich an den Leiter des Gas- und Wasser- werks in Reval, Ingenieur Säck, und dieser war so liebenswürdig, am 15. Sep- tember 1905 in meiner Gegenwart etwa 12 Blindsäcke des Rohrsystems in der vom Obersee am weitesten entfernten Vorstadt, Fischermai, öffnen zu lassen. Den armdieken Strahl von grünlich brauner Farbe, der aus jedem Rohr zuerst heraus- strömte, fingen wir mit einem aus grobem Kanevas gefertigten Sack auf und brachten, ») A. Brot, Faune profonde du Leman, $ XV. Mollusques. Bull. de la Soc. vaud. des Sciences naturelles. T. XIII, Nr. 72, p. 112. 10* 148 Guido Schneider: nachdem das meiste Wasser durch die Maschen des Gewebes abgeflossen war, den Rückstand in einer Flasche unter. Durch Untersuchung der so gewonnenen Proben und einer Reihe anderer, die ich dureh Filtration oder Dekantierung kleiner Wassermengen aus gewöhnlichen Wasserleitungshähnen erhielt, konnte ich feststellen, daß der Gesamtcharakter der Revaler Wasserleitungsfauna sich ganz wesentlich von derjenigen in Hamburg unterscheidet. Das folgende Verzeichnis gibt einen Überbliek über die Organismen, welche bisher lebend in der Revaler Stadtwasserleitung gefunden wurden: Schizophyceae: Chroococeus limneticus Lemm. sehr viel. Mieroeystis viridis Lemm. viel. Olathroeystis aeruginosa Henfr. sehr viel. Merismopedia sp. viel. Anabaena flos-aquae Breb. viel. Anabaena eircinalis Rabenh. viel. Anabaena levanderi Lemm. viel. Chlorophyceane: Dimorphococeus lumatus A. Br. selten. Scenedesmus quadricauda Menegh. sehr viel. Scenedesmus bijugatus Keiz. ziemlich viel. Coelastrum mierosporum Naeg. wenig. Ooelastrum sphaericum Naeg. wenig. Ineffigiata negleeta W. et @. S. West viel. Pediastrum boryanım Menegh. sehr viel. Pediastrum kawraiskyi Sehmidle sehr viel. Pediastrum duplex Meyen viel. Conjugatae: Genieularıa spirotaenia De By. selten. Spirogyra sp. sehr wenig. Protozoa: Difflugia pyriformis Perty ziemlich häufig. Dinobryon bavarieum (Imh.) häufig. Paramaecium bursaria Ehbe. selten. Tintinnopsis lacustris Entz. häufig. Vorticella vhabdostyloides Kellic. häufig. Vorticella sp. nicht selten. Aecineta grandis S. K. nieht selten. Dendrosoma radians Ehbe. viel. Coelenterata: Hydra grisea L. viel. Turbellaria: Dendrocoelum lacteum Oerst. selten. Polycelis sp. häufig. Nematoda: Chromadora bioeulata M. Schultze nicht selten. Chromadora lehberti n. sp. nicht selten. Annehda: COhnaetogaster diaphanus Gruith. selten. Nais elingwis ©. F. M. viel. Stylaria Taeustris L. viel. Nephelis vulgaris Moq. Tand. selten. Rotatoria: Anuraca aculeata Ehbe. viel. Anuraea eochlearis Gosse nicht selten. Der Obersee bei Reval. 149 Synchaeta peetinata Ehbg. zeitweilig nicht selten. Notholca longispina Kellieott häufig. Polyarthra platyptera Ehbg. selten. Trierthra longiseta Ehbg. häufig. Orustacea: Cyelops strenuus Fischer viel. Diaptomus graciloides Lillj. häufig. Ohydorus sphaerieus O. F. M. massenhaft. Asellus aqwaticus L. nicht selten. Gammarus pulex L. ziemlich selten. Tardigrada: Mocrobiotus macrony& Duj. viel. Arachmoidea: Mehrere Arten von Hydrachniden sehr häufig. Inseeta: Chironomidenlarven selten. Mollusca: Limmaea ovata Dr. selten. Pisces: ? Lota vulgaris Cuv. juv. einmal. Die Bakterien habe ich in diesem Verzeichnis nicht erwähnt, da sie im nächsten Kapitel gesondert einer eingehenden Besprechung unterzogen werden sollen. Wie in Hamburg, so wurden auch in der Revaler Wasserleitung verschiedene Arten festsitzender Tiere gefunden, die in den Rohren besser gedeihen, als in der freien Natur, und deshalb in der Leitung weit häufiger gefunden werden, als im Obersee. So ist unter den Protozoen Acineta grandıs im Leitungswasser weit häufiger, als im See, und Dendrosoma radians ist in den Rohren so viel vorhanden, daß man fast mit Sicherheit darauf rechnen kann, in emigen Litern Leitungswasser stets einige bis zahlreiche Exemplare dieses schönen koloniebildenden Protozoons anzutreffen, welches ich bisher im Obersee garnicht gefunden habe. Ähnlich ver- hält es sich mit Aydra grisea, deren zahlreiches Vorkommen in dem Leitungswasser Apotheker Lehbert die erste Anregung gab, das Wasser aus seinem Leitungshahn genauer zu untersuchen. Im Obersee fand ich diesen Polyp nur relativ selten. Von frei beweglichen Tieren fand ich nicht im Obersee, wohl aber im Wasser- leitungswasser und zwar in ziemlicher Menge eine Art von Polycelis mit ungefähr 50 Augenflecken am Vorderrande, von hellbrauner bis dunkelbrauner Farbe und 6 bis 10 mm Länge. In derselben Weise kommt auch Gammarus pulex in der Leitung vor, ohne daß ich bisher ein Exemplar im See finden konnte. Sowohl Gammarus pulex, als auch Asellus aqwaticus, der hier sehr viel vorkommt, haben wohl ausgebildete Augen und unterscheiden sich nicht von den im Freien lebenden Exemplaren. Unter den Entomostraken ist Chydorus sphaericus besonders hervor- zuheben, der in der Hamburger Leitung nieht gefunden wurde, im Revaler Wasser- leitungswasser aber oft in großer Zahl munter umherschwimmt. Von lebenden Mollusken habe ich nur ein einziges kleines Exemplar von Limnaea ovata am 15. September 1905 in einem der Wasserleitungsblindsäcke ge- funden, deren ich an jenem Tage mehrere untersuchte. Leere Schalen von Gastro- poden sind aber nicht selten. Außer von Zimnaea ovata fand ich auch noch solche von Valvata antiqua, Physa fontinalis und einer Planorbisart. Lamellibranchiaten scheinen ganz zu fehlen. Dieser Mangel an lebenden Mollusken ist sehr auffallend, weil in der Hamburger Leitung Schnecken und Muscheln in reicher Menge gefunden wurden, und erklärt sich vielleicht dureh Sauerstoffmangel. Während nämlich in 150 Guido Schneider: Hamburg „der größtmögliche Sauerstoffgehalt des Wassers vermöge der gewaltigen Pumpvorrichtungen in Rothenburg zu allen Zeiten im Röhrensystem gewährleistet ist“ (Kraepelin, l. e. p. 13), absorbiert in der Revaler Leitung das massenhaft vorhandene lebende und tote Phytoplankton viel Sauerstoff. Weniger auffallend ist das Fehlen von Bryozoen, welche die Hamburger Rohre als soge- nanntes „Leitungsmoos“ stellenweise ganz erfüllten, weil auch im Obersee keine einzige Bryozoenart mit Sicherheit festgestellt werden konnte. Aus demselben Grunde fehlen auch die Spongillen. Lebende Insektenlarven finden sich im Leitungswasser überaus selten, tote Larven und Teile von Imagines sind dagegen recht gewöhnlich. Nicht selten er- scheinen z. B. die großen, 4 bis 5 em langen, aus Schilfstücken bestehenden Ge- häuse von Agrypnia pagetana und andere Triehopterengehäuse (Limmophilus rhom- bieus und Hydropsyche sp.). Auch Flügeldecken von Käfern (Platambus maculatus, Dytiseus latissimus, Dytiscus marginalis, Hydroporus rufifrons), die sonst im Obersee keineswegs häufig sind, fanden sich im Leitungswasser. Fische geraten wahrscheinlich häufig in die Wasserleitung, ersticken aber wohl bald infolge des geringen Sauerstoffgehalts; denn nur ein Fall ist mir bekannt ge- worden, in dem ein Fisch, nach der oberflächlichen Beschreibung zu urteilen, wahrscheinlich ein fingerlanges Exemplar von Lota vulgaris, lebend aus einem Wasserleitungshahn in eine Wohnung geriet. Der Fall wurde mir von A. v. Mickwitz mitgeteilt. Knochen toter Fischer finden sich zuweilen im Leitungssediment. Während höher organisierte Tiere mit starkem Sauerstoffbedürfnis schlecht in der Revaler Wasserleitung leben hönnen, scheint der Sauerstoffmangel von gewissen Grustaceen, Anneliden und Rotatorien gar nicht empfunden zu werden, die sich zu jeder Zeit und überall in den Rohren munter tummeln. Das Vorkommen lebender Algen in allen Teilen der Revaler Wasserleitung ist noch merkwürdiger. Ihre Anwesenheit trotz absoluter Dunkelheit erklärt sich am besten dadurch, daß von der großen Menge der Planktonorganismen, die täglich in die Rohre gelangen, gewisse Arten soviel Lebenszähigkeit besitzen, daß sie mehrere Tage in der Finsternis aushalten können, ohne abzusterben. Wie wir im nächsten Kapitel sehen, trat im Sommer 1904 das Temperaturmaximum in der Wasserleitung am 7. August ein (19,2°), während im Obersee schon am 4. August (21,9° bis 22,3%) der Kulminationspunkt war (s. S. 375). Daraus kann man einiger- maßen schließen, daß das Wasser ungefähr 5 Tage braucht, um sich im Rohrsystem zu erneuern. So lange und noch länger können gewisse Arten von Algen, Rotatorien und Crustaceen (z. B. Chydorus sphaericus) unter noch ungünstigeren Umständen am Leben erhalten werden. Um eine Übersicht zu erhalten über das Verhältnis und die relative Menge der hauptsächlichen Komponenten des Sediments in den Leitungsrohren, bat ich Herrn stud. phil. K. Siitoin in Helsingfors, zwei sehr reichliche Proben hinsichtlich der in ihnen enthaltenen Pflanzen- und Tierreste zu untersuchen und die ungefähre Häufigkeit der Arten «dureh die im vorigen Kapitel erläuterten konventionellen Zeichen der hydrographischen Kommisionen (ce, ce, r u. s. w.) anzugeben und zu- Der Obersee bei Reval. 151 gleich durch Hinzufügung der Zeichen t und 1 (tot, resp. lebendig) anzudeuten, ob die Exemplare teilweise lebensfrisch oder alle schon tot waren. Die folgende Tabelle enthält die Resultate der von stud. K. Siitoin an den beiden am 24. Juni 1905 entnommenen Proben, «die sogleich nach der Entnahme mit Formalin konserviert wurden. vorgenommenen Untersuchung. Die Kolumne mit der Überschrift 259 be- zieht sich auf den Hydranten 259 an der Kompaßstraße, «die andere mit 299 über- schriebene Reihe auf den Hydranten 299 an der Gonsiorstraße in Reval, aus denen die Proben stammten. Auffallend ist in beiden Proben das Fehlen von Ohydorus sphaericus, der sonst in der Revaler Leitung sehr gemein ist. 259 299 Schizophyceae. BA ONTOnGOCCUSESTE a 0. te cc6 l ce l DENGerogystusspe 2 N 6 3. Olathrocystis aeruginosa (Kz.) He 5, NORA: een | 1 ce ] BDWERISTIODERSD EN ee ee ce | 1 ce 1 5. Anabaena sp. (kleine Fadenstücke zu 6—27 Zellen) Ir DE OHGIGSHhBerIITEDE en 6 Chlorophyceae. DeEDımormhococeuswlungtuse Aa Bean rır ] SERODnnImI SD en : NDR Au | %, Selenastrum bibraiamım Reinsch. (ein ler aus &) Zellen) ae ee Se ee jBxe ll 10. Scenedesmus quadricauda (Turp.) Menegh, . . . ce l ce l ll, 5 Doyeraves (ii) Nas 5 Cr C 1 C l 12. Coelastrum mierosporum Naeg. . 2 2 2 2... IT l cc l 13. 3 Tr NE a 1Ex.| 1 I Ooeystslueustras.Chodate eur nn. LEx.| 15. Ineffigiata negleeta W. et G. S. Wett. . . .. r | 16. Pediastrum boryanum (Turp.) Meneeh, . . . . [© t [© t 17. 5 e. var. brevicorne A. Br. . . G t C t IS. En e var. longicorne Reinsch. . . CIRENDOHNeNE 0 © 6 cc l cc l 19), 5 kanıransyunschmidle . Mr nn... ce l ce 1 20. 5 dupleag even ee ec l cc l Aln » angulosuimakacıban na. e ti Conjugatae. 22. Gemicularia spirotaema De By. . .». . . 2... Ir 1 23. Staurastrum fureigerum Breb.. . » 2.2.2.0. rIT t 24. = DelaglamamSNIESUmE Le en r t 25. 5 ManadorumeVMeyenss an... € t 26. & n var. longipes Nordst. . . cc t e t 46. 47. Guido Schneider. 1. Staurastrum Sp. UNEERNE. 28. Spirogyra ap. I BEBdenn a en... Baeillariaceae. Melosura, Sp. nr sn . Tabellaria fenestrata var. asterionelloides Grun. floeculosa (Roth) Kütz. Fragilarıa crotonensis (Edw.) Kitton . r N 2 Synedra oxyrhynchus Kütz. A BDeie, ve...» Asterionella gracillima (Hantzsch.) Heib. Navteula phoenicenteron (Nitzsch) Ehbg. Son 0.6 . Pleurosigma attenuatum (Kütz.) W. Sm. . Cymbella prostrata Berk. . . sp. EINDNORAUASD 2 Ko 3. Epithemia sp. . ; 4. Surirella biseriata (E une) Breh. ; Pertidineae. 5. Ceratium hirundinella OÖ. F. M Bryophyta. Hypnum flwitans. Blätter sp. Blätter Protozoa. . Arcella sp. ee 9. Difflugia lobostoma Teidr . Codonella lacustris Entz.. Vorticella sp. Rotatoria. Anuraea eochlaris Gosse Oladocera. . Bosmina coregoni Baird. Fragmente (S2 au oe Jon — t? er mr er cr cc Tr cc cc 1Ex. t? VII. Die Bakterien. Da es mir sowohl an Erfahrungen in bakteriologischen Arbeiten, als auch an Zeit und an den notwendigsten Utensilien mangelte zum Studium der Bakterienflora des Obersees, übernahmen auf meinen Wunsch Herr Henry von Winkler, Inhaber eines chemisch-bakteriologischen Untersuchungslaboratoriums in Reval, und seine Assistentin Fräulein Ebba von Husen liebenswürdigst die Bearbeitung des nun folgenden Kapitels. Ohne hier näher auf die Details in den mir zur Veröffentlichung in dieser Beschreibung des Obersees zur Verfügung gestellten Aufsätzen einzugehen, will ich hier nur besonders darauf aufmerksam machen, daß die schon seit einer Reihe von Jahren von H. v. Winkler regelmäßig auf ihren Bakteriengehalt, ihre Temperatur und Durchsichtigkeit untersuchten Wasserproben der Revaler Stadtwasser- leitung entnommen wurden, in welche, wie bereits früher berichtet wurde, das Wasser aus dem Obersee ohne Filter einströmt. H. v. Winklers Mitteilungen über die Temperatur und Transparenz des Leitungs- wassers, das Steigen und Fallen des Wassers im Obersee und die Größe der Nieder- schläge, die in den zu diesem Kapitel gehörenden Tafeln VI—X graphisch illustriert werden, ergänzen vielfach das von mir in den Kapiteln II und VII gesagte. Ver- gleichen wir z. B. Taf. IX, die sich auf das Jahr 1904 bezieht, mit meinen auf Taf. V dargestellten Temperaturkurven des Obersees aus den Monaten Mai bis September desselben Jahres, so ergibt sich das von mir schon erwähnte Resultat, daß in der Leitung die Temperatur 3 Tage später kulminierte als im See. Während des Temperaturmaximums trat im See eine Verminderung des Plank- tons ein (s. Taf. V, F) und dadurch bedingt eine kurze Periode größerer Durch- sichtigkeit des Wassers. Auf die Durchsichtigkeit des Leitungswassers scheint nach H. v. Winklers graphischer Darstellung das massenhafte Absterben von Plankton- organismen im See keinen deutlichen Einfluß gehabt zu haben; wohl aber folgte (s. Taf. IX) auf das Temperaturmaximum eine lebhafte Vermehrung der Bakterien, die aber wahrscheinlich nicht so sehr auf das massenhafte Absterben von Plankton- organismen, als eher auf die gleichzeitig vermehrten Niederschläge zurückzuführen ist. Diese wenigen Andeutungen mögen genügen, um die Bedeutung der folgenden chemisch-bakteriologischen Abhandlungen für das Studium (der Vorgänge im Obersee kurz zu charakterisieren. Die Revaler Wasserleitung und das in ihr strömende Wasser aus dem Obersee bezüglich seiner chemischen Zusammensetzung, seiner Temperatur und seines Bakteriengehaltes. Beschrieben von Henry von Winkler. Es wird berichtet, daß es König Waldemar IV. von Dänemark gewesen sei, der die Herstellung von Wasserleitungen innerhalb städtischer Gebiete freigab!). Der Nutzen des 1345 erfolgten Privilegs wurde in der Hauptstadt Estlands bald erkannt, denn zu Beginn der Ordensherrschaft war die noch jetzt teilweis bestehende, durch die Pernauer Vorstadt führende und bei der Schmiedepforte mündende Wasserleitung bereits angelegt und der Mühlenbetrieb bei der Schmiedepforte, Karri- und Lehmpforte eröffnet. Die Lage der Stadt, etwa 20 m unterhalb eines mächtigen Seebeekens von rund 922 ha, erleichterte die Ausführung der Anlagen wesentlich. Damals wie auch jetzt bildete der Obersee, in ältesten Zeiten „Königs- see“ (stagnum regis) genannt, die Südgrenze des Stadtgebietes. Derselbe blieb jedoch dem Eigentum der Könige von Dänemark vorbehalten und fiel im Jahre 1346 bei der Abtretung Estlands an den Deutschorden letzterem als Staatseigentum zu.) Mag die Wasserleitung, besonders in ihrer ursprünglich offenen Form, vielfach zur Deckung des Trinkbedarfs gedient haben, der Hauptzweck, den erwähnten städtischen Mühlen die nötige Triebkraft herzugeben, blieb bestehen. In ältester Zeit ist dieser Kanal die einzige Wasserleitung in Reval gewesen?) und insofern als ein Vorläufer des im XIX. Jahrhundert angelegten, weit verzweigten Trinkwasserleitungssystems anzusehen. Wie jeder an bewohnten Orten vorbeiführende Kanal wird auch dieser äußeren Eingriffen und Verunreinigungen ausgesetzt gewesen sein, so daß die Überbrückung sich nachträglich als wünschenswert herausstellte. Bereits zu schwedischer Zeit war der Oberlauf unterirdisch angeordnet worden.*) Ob dieses gleichfalls für den innerhalb der Stadt befindlichenMittellauf zutraf, haben bisher zugänglich gewesenen Überlieferungen nieht ermitteln lassen. Der Rat hatte die fortlaufende Über- brückung des Kanals in Aussicht genommen. 1693 war der zwischen Lehm- und !) E. v. Nottbeck und W. Neumann. Geschichte und Kunstdenkmäler der Stadt Reval. Bd. I 1896, 1. Lief. p. 20; Bd. II 1904, p. 18. 2) Im Jahre 1432 wird der See als Eigentum des Ordens ausdrücklich erwähnt und 1456 und 1457 verpfändete der Ordensmeister Joh. von Mengden dem Revaler Rat für Gelddarlehen auch den Obersee mit Eigentumsrechten bis zur Einlösung. (Vgl. E. v. Nottbeck, Der alte Immobilien- besitz Revals. 1884, p. 80 und Harpe's Repertorium XIV p. 181. Prot. publ. de anno 1775. Revaler Ratsarchiv.) ®) Harpe's Repertorium XIX p. 177. B. ©. 13. *) Harpe, ]. c. Der Obersee bei Reval. 155 kl. Strandpforte belegene Ausfluß Gegenstand mehrerer Petitionen seitens der Bürgerschaft, welche bei Feuersgefahr fürchtete, von dem bequem gelegenen Lösch- mittel abgeschnitten zu sein. Man wies auf die Pestzeit von 1659 hin und hob die Notwendigkeit hervor, den Kanal, wie seinerzeit geschehen, einer gründlichen Reinigung zu unterziehen. Das letzte Stück des Kanals, von der Lehmpforte bis zum Meere, ist der einzige Teil, welcher der heutigen Generation überkommen ist. Zwar gingen die städtischen Mühlen erst zu Ende der XIX. Jahrhunderts ein, und die alte Wasserleitung, längs der jetzigen Rosenkranzstraße existiert auch eben noch, aber seit dem Herbst 1901 wurde der ungehinderte Zufluß aus dem Obersee abge- schnitten, weil zu wiederholten Malen der Verdacht, ansteekende Krankheiten ver- breitet zu haben, die weitere Nutznießung untunlich erscheinen ließ. Weniger dem Zufall als dem konservativen Geist des alten Revaler Bürgersinns wird es zuzuschreiben sein, daß der um die Beschreibung sanitärer Verhältnisse Revals hoch verdiente Arzt Dr. Ferd. Haller 1835 in der Stadt selbst nicht mehr als 18 öffentliche Brunnen aufzählen konnte.!) Freilich waren in der Innenstadt, besonders in den Vorstädten, viele private hinzugekommen. In Hinzuziehung des Domes mit allen Vorstädten zählte derselbe Gewährsmann 236 Schöpfstellen. Von denjenigen, welche in der Innenstadt lagen, war wenig Günstiges zu berichten. Obgleich nahe von oder in dem Hauptkanal gelegen, welcher den frischen Zufluß vom Obersee besorgte, versagten sie oft, enthielten oft Schlamm und Sand und lieferten ein schmutziges, dem Aussehen wie dem Geschmack nach widerwärtiges Genuß- und Gebrauchsmittel. Zudem kam noch ein weit wiehtigeres Moment als das Trinkwasserbedürfnis der anwachsenden Stadt in Frage Alle 8 Jahre, wie statistische Berechnungen aus jüngster Zeit erkennen lassen, unter Umständen früher”), drohte einem großen Teil der Einwohner die Überschwemmungsgefahr durch Aus- bruch des Sees aus seinen Ufern. Pfadlose Streeken Flugsand, in denen der Wanderer bis an die Knie einsank, bilden auf weite Strecken den einzigen Schutzwall nach der Stadt zu. Quellenreiches Land, in unmittelbarster Umgebung des Beckens gelegen, trug und trägt auch heute noch zur Lockerung des Ufergrundes bei. Die unglückliche Tendenz, seit Jahrhunderten befolgt, den Wasserspiegel möglichst hoch zu halten, damit die Versorgung der Stadt mit Wasser mühelos von statten gehe, machte die Gefahr zu einer unmittelbaren, sobald ein stärkerer Regenfall mit einem Südwinde zusammenfiel. Die Seichtheit und die große Flächenausdehnung des Beckens erklären diese Erscheinung hinlänglich. Über die Häufigkeit der Wassersnot geben Überlieferungen früherer Jahrhunderte nur spärliche Auskunft. Um den Wasserstand zu erhöhen, wird im Januar 1691 die Reinigung eines der Zuflüsse in Anregung gebracht. ?) 1718 entsteht im Sommer ein Dammdurchbruch. *) 1761 findet ein sehr heftiger Ausbruch statt). 1777 mußte der Ausflußkanal nach der Stadt zu wegen Wassermangel um 1!/a Fuß vertieft werden. ı) F. A. Haller, Specimen topographiae medicae Revalensis. Reval 1836, p. 16, 17. 2) A. v. Mickwitz, Bericht über die Untersuchung des Obersees im Jahre 1898, p. 10. °) Harpe’s Repertorium Suppl. I, p. 328. 4) 1. c. IX, p. 291. °) Revaler Ratsarchiv, B. O. 13. 156 Guido Schneider: Im Januar 1783 und März 1784 wurden Durchbrüche erwartet.) Der Rat der Stadt machte bekannt, daß der aus den Viehställen stammende Mist bei Zeiten ausgefahren und zum Schutzwall verwandt werden sollte. Einige Wochen später wurde beschlossen, an den gefährdeten Stellen eine solide Steinmauer vorzuziehen (Harpe I. c. VII, p. 267). 1502 gingen der Stadt von Privatpersonen besonders dringliche Anträge für die Vermehrung des Oberseewassers durch Gräben ete. zu. Dergleichen Anträge sind in den Ratsprotokollen jener Zeit nichts seltenes (Harpe 1. ce. p. 267). In den ersten Apriltagen d. J. 1536 fanden sieh die Bewohner des nächsten Vorstadtteiles allen Ängsten und Schrecken einer über Nacht hereinbrechenden Übersehwemmung ausgesetzt. a), Aus dem Jahre 1367 liegen ausführlichere Zeitungsberichte vor.?) Wiederum hatte sich die Gefahr wochenlang voraussehen lassen. Am 18. Juni trat ein Dammriß ein, um wenige Augenblicke später einen breiten Streifen Landes unter Wasser zu setzen. Manche Straßen waren 4 Fuß hoch bedeckt. Opfer an Menschen- leben und ein gewaltiger Sachschaden waren die weitere Folge. 1552 mußten umfassende Maßnahmen getroffen werden, um die Stadt vor dem Wasser zu schützen (Protokolle des Revaler Gas- und Wasserwerks). Seit dem Jahre 1567 besteht in der Stadt Reval die Wasserleitung, welche, mit Anschlüssen an die einzelnen Häuser versehen, allen billigen Anforderungen ge- nügt. Das diesem Zweck dienstbar gemachte Gefälle des etwa 20 m über dem Stadtgrund befindlichen Obersees reichte jedoch nicht aus, um auch höher ge- legene Häuser mit Wasser versorgen zu können. Nach Vollendung des Baues eines Wasserturmes mit Pumpwerk im Jahre 1582 ist nun auch der Domberg hinreichend versorgt. Es lassen sich mithin 2 Zonen unterscheiden: eine Hochdruckzone, in der Hauptfläche den Domberg und angrenzende Teile der Stadt umfaßend, und die rings um die Hochdruckzone liegende Niederdruck zone, welche weitaus den größten Teil ausmacht. Die ursprüngliche Anlage ist nach dem Verästelungssystem ausgeführt. Der Hauptarm führt aus dem Obersee in 457 und 350 mm starken Hauptrohren direkt bis in die Gr. Dorpater resp. Pernauer Straße, von wo Ver- ästelungen in 50 bis 230 mm starken Rohren sich abzweigen. Das gesamte Leitungsnetz besitzt die Länge von etwa 65 km mit ca. 2250 Hausanschlüssen. Außerdem existieren $ Freibrunnen in Stadt und Vorstadt. Wassermesser sind vorläufig und versuchsweise bei den Eisenbahnwerkstätten und einzelnen größeren Konsumstellen eingeführt. Der jährliche Verbrauch erreicht im 10jährigen Durchschnitt fast 2 Mill. Kbm., was pro Kopf der Bevölkerung etwa 50 1 pro Tag ausmacht. Wie obigen Ausführungen zu entnehmen ist, stellt das Niederdrucksystem der Wasserleitung ein kommunizierendes Rohr mit dem Obersee dar. Von einer Fil- tration kann keine Rede sein. Direkt beim Einlauf angebrachte Messingdrahtnetze, deren engstes 20420 Fäden pro 2,5 em im Quadrat zeigt, schützen notdürftig vor ‘) Harpe’s, Repertorium, VII, p. 264 und Suppl. I, p. 326. ?) Inland, Eine Wochenschrift für Liv.-Esth.- und Curlands Geschichte etc. 1836. ») Revalsche Zeitung 1867, Der Obersee bei Reval. 157 dem Hineindringen größerer Objekte. Wie jedes offene Tagewasser ist nun auch der Obersee allen möglichen Verunreinigungen ausgesetzt. Eine durch ihren leb- haften Verkehr sich auszeichnende Landstraße führt in unmittelbarster Nähe hart am Ufer vorbei. Grehöfte und Viehställe ergießen nachgewiesenermaßen bei jedem Hochstande ihre Verunreinigungen in das Wasser. Die Hauptmenge seiner Ver- unreinigungen birgt der See selbst. Schlammassen, zum großen Teil aus abge- storbenen, noch intensiv gefärbten Algen und Resten höher stehender Pflanzen zu- sammengesetzt, machen die Hauptmasse aus. Zudem findet ein kontinuierliches Abbröckeln torfiger Uferränder am Südufer statt. Winde von mäßiger Stärke ge- nügen, schon bei der außerordentlich flachen Beschaffenheit, um die Massen ins Schweben zu bringen. Einmal aufgerührt, fluten die Bestandteile direkt in das Wasserleitungssystem hinein und verleihen dem Wasser, nach der Jahreszeit wechselnd, ein typisches Gepräge. Kenner der Verhältnisse vermögen aus Färbung und Durchsichtiekeit des Wassers allein mit ziemlicher Sicherheit Rückschlüsse auf den jeweiligen Stand der Witterung zu machen. Die Nuancen vom hellsten selbgrün bis zum dunklen grüngelb verraten den Sommer. Farbloses Wasser liefert die Leitung nur während der kälteren Hälfte des Jahres. Für den Konsumenten ist der Winter die bessere Zeit. Solange die Eisdecke auf dem See anhält, ist das Wasser klar, von angenehmem Geschmack und frei von allen übelriechenden Bestandteilen. Die Beschreibung weiterer Eigenschaften fällt unter die folgenden Abschnitte. Aus äußeren Gründen mußte bei der Wahl der Methoden, welche für die Be- urteilung des Leitungswassers auf seine physikalische und chemische Be- schaffenheit in Betracht kamen unterschieden werden zwischen solchen Methoden, deren Anwendung möglichst oft erstrebt werden sollte, und Ermittelungen mehr gelegentlichen Charakters. Zu den ersteren gehörten die Bestimmungen der Fär- bung des Wassers, seiner Durchsiehtigkeit und Temperatur, zu letzteren eine Reihe chemischer Analysenbefunde. Außerdem konnten herangezogen werden die örtliche Regenhöhe und der Wasserstand im Seebecken. Die nach inter- national vereinbartem Maß gemessenen Niederschlagsmengen vermittelten die Über- sichtstabellen der „Baltischen Wochenschrift“, herausgegeben von der Kaiserlich Livländischen Ökonomischen Soeietät in Dorpat!). Soweit die Angaben der Bal- tischen Wochenschrift einer Ergänzung bedurften, wurden die „Metereologischen Berichte des Nikolai Observatoriums in St. Petersburg“ benutzt. Zur Zeit der Unruhen im Baltenlande versagten auch diese vollständig und verschiedene Lücken über mehrere Monate hinweg blieben unausgefüllt. Die Schwankungen des See- wasserspiegels ließen sich den täglich ausgeführten und registrierten Messungen der städtischen Maschinenmeister entnehmen. Die Messungen bezogen sieh auf den Nullpunkt, der im Jahre 1898, oder früher schon, von A. v. Mickwitz auf 17,3 Faden (= 36,9113 m) vom Normalhorizont der Ostsee festgelegt worden war.”) 1) Baltische Wochenschrift für Landwirtschaft, Gewerbefleiß und Handel. Herausgegeben von der kaiserlichen livländischen gemeinnützigen und ökonomischen Sozietät. Druck von H. Laakmann. Dorpat XXXVIII Jahrgang 1900. 2) A. v. Mickwitz, Bericht über die Untersuchung des Obersees, ausgeführt im Jahre 1598, im Auftrage der Revaler Gas- und Wasserkommission. Reval Mai 1889. Nicht im Buchhandel, 158 Guido Schneider: Zu den genannten Beobachtungsreihen ist zu bemerken, daß Färbung und Durehsichtigkeit gleichzeitig bestimmt wwden. Dazu dienten in Zentimeter geteilte 30 mm weite, zylindrische Meßröhren aus farblosem Glase mit eben geschliffenem Boden und nahe demselben angebrachten, verschließbarem Ausflußrohre. Unmittelbar nach dem Füllen mit Leitungswasser wurden die Zylinder über die Snellensche Schriftprobe Nr. 1,0 gehalten und «dureh Öffnen des Abflußrohres die Höhe der Wasserschicht so lange verkleinert, bis die Schriftzeichen der Leseprobe eben schon einzeln hervortraten. Die restierende Flüßigkeitssäule, in Zentimeter ausgedrückt, gab das Maß für die gesuchte Durehsiehtigkeit und ermöglichte zugleich auch die Schiehtfarbe aufzunotieren.!) Die größte Länge der Rohre betrug 60 em. Bequemer im Gebrauch waren, wenn sie ausreichten, Abstufungen von 20 und 30 em. Über 60 em hinaus betrugen die Abmessungsfehler meist mehr wie 1°, besonders bei einem Wechsel in der Person des Beobachtenden. Zunehmende Schiehthöhen be- dingten unmittelbar vor der Beobachtung eine Wartezeit von 3 bis 5 Mimuten, bis die gasförmig ausgeschiedene Kohlensäure entwichen war. Eine besondere Lieht- quelle kam nicht in Anwendung.?) Aufzeichnungen über die Liehtfülle jedes ein- zelnen Tages zeigten, daß in der Küstenstadt unter dem 58. Breitengrade mehr als die Hälfte des Jahres sonnenlos verstrich. Ängstliches Einhalten der hellsten Mittagsstunden bildete daher die Regel bei der Durehsichtigkeitsprobe. Weibe Unterlagen, weißes Reflexlicht gehörten zu den weiter eingehaltenen Bedingungen. Es war nicht gleiehgültig, ob der Beobachter in weißem oder andersfarbenem An- zuge vor dem Apparate Stellung nahm. Die Resultate der Durchsichtigkeitsproben sind, ebenso wie die Niederschlagswerte und Seewasserhöhen, am Schlusse des Abschnittes im Zusammenhange mit der Bakterienkurve auf Millimeterpapier eingetragen. Was nun die Bestimmungen der Färbung des Wassers anlangt, so ist zu kon- statieren, daß es über die Hälfte des Jahres gefärbt blieb. Nachfolgende Tabelle ermöglieht die Übersieht: Wird gleiehzeitig der Durehsichtigkeitsgrad berücksichtigt, dann läßt sich die Intensität der Färbung leieht beurteilen. Beispielsweise ist nach vorstehender Tabelle für die Tage vom 15. X. 05—8. XI. 05 die Farbe mit graugrün angegeben. Die zugehörigen Durehsichtigkeitsgrade (am Schlusse des Abschnittes graphisch dargestellt) zeigen Schwankungen zwischen 6 em und 25 em. Nun wird ohne weiteres klar, daß bei gleicher Nuance die Intensität der Farbe bei nur 6 em größer sein muß wie bei 25 em. Sobald sich jedoch die Färbung ändert, beispiels- weise von grünerau auf gelbgrün umschlägt, wie regelmäßig in der ersten Hälfte des Jahres, dann unterliegt die Intensität außerdem noch den Gesetzen der Licht- absorbtion für die betreffenden Farben. Vorzugsweise handelt es sich dabei um Körperfarben. Nur im Sommer wird die Eigenfarbe des Wassers gelbstichig. Der srößere Eisengehalt zur Zeit der Schneeschmelze und während der fortdauernden !) Soweit bekannt, stammt die Methode aus dem Hygien. Inst. Hamburg, wo sie schon vor 1898 zur Untersuchung von Abwässern Anwendung fand. Farnsteiner, Buttenberg und Korn, Leitfaden f. d. chem. Untersuchung vön Abwasser, 1902. Verlag R. Oldenburg, München, p. 6. ®) Es bleibt zu bedauern, daß kein internationales Maß dafür existiert. Die von J. König und H. Krüß vorgeschlagene Anordnung hätte sich schon akzeptieren lassen, wenn eine von der Jahreszeit und vom geographischen Ort unabhängige Lichtquelle vorgesehen worden wäre. J. König und H. Krüß, Zeitschr. f. Unters. d. Nahrungs- und Genußmittel 1904, p. 129. Der Obersce bei Reval. 159 Zufuhr intensiv gelb gefärbten Wassers aus den umliegenden Moosmorästen, wäre zu vermuten, wenn auch vollgültige Beweise ausstehen. Tabellarische Übersicht über die Färbung des Leitungswassers. Datum Färbung | Datum Färbung 1900. 1905. 7. XIL.—27. XI. farblos 1 1 TV. farblos 28. XI. schwach gelblich 12. IV.—13. IV. hellgrau 29. XTL.—31. XI. farblos 14. IV.—17. IV. gelblich 1901. NSS VE fast farblos 1... 1.—5. IV. farblos 19. IV.—20 IV. gelblich GT gelblich 21. IV.—23. IV fast farblos >23. W. gelblich 24. IV. gelblich a IV nv. farblos 25. IV.—26. IV fast farblos IK VE grünlich gelb 27. IV.—28. IV farblos Das y AoıX nen 29. IV.—7. V gelblich 5. IX.—6. X graugelb 8. V.—18. V grünlich gelb 7. X.—10. X. | dunkelgrau gelblieh || 19- V.—20. V helles graugelb DR XI hellgrau 21. V. grünlich gelb 29. XL Fast lee Da. 23. V helles graugelb 30. XL—31.XII. farblos 25. V.—19. VI graugrün 1902. A, NE gelbgrau 1. 1.—14. IV. farblos 1. VI v Be £ ß 22. VL—14. X gelblich Se rn hr v en 15. X.—6. XI. dunkel graugrün > u v. na 7. XL—8. MM. dunkler wiea.6. XI. 18. V. bis Anfang XI. gelblich a 1 nelerunelb 16. X. hellgraubraun 1904. IT di. XIT. gelblich 1. L-10.IV. farblos 12. XI. 14. X. grünlich grau 11. IV.—13. IV. | kaum merkbar grau 15. XIL_30. XII. gelblich 14. IV.—16. IV. fast farblos 31. XIL rblos 17. IV.—18. VI. gelblich 19 SVE graugrün 1906. 20. VL.—24. XI. gelblich JE farblos 25. XL.—31. XI. farblos Weiter ist hinzuweisen auf eine Reihe von Temperaturmessungen des Wasser- leitungswassers. Jenenser Glas. In Anwendung kam ein mehrfach geprüftes Thermometer aus Beobachtet wurde auf Y/ıo° genau. Während der Ablesung befand sich das Thermometer innerhalb eines fließenden Wasserstrahles von 1 em Dicke. Die Resultate sind ebenfalls fortlaufend dargestellt und zwar im Zusammenhange mit der Bakterienkurve (s. Taf. VI—X). 160 Guido Schneider: Weder in der Beschreibung physikalischer Eigenheiten, noch bei Untersuchung der bakteriologischen Trinkwasserverhältnisse war auf Vorarbeiten zurückzugreifen. Die Tatsache bedarf kaum einer Begründung.) Einerseits zählt die Bakteriologie zu den jüngsten Wissenschaften überhaupt, andererseits beschränkt sich die An- wendung physikalischer Methoden zur Charakterisierung von Trink- und Gebrauchs- wässern noch heute, auch in den Zentren wissenschaftlicher und technischer Wasser- beurteilung, auf nur wenige Beurteilungsmomente. Dagegen lag aus früheren Zeiten eine beträchtliche Anzahl chemischer Analysen vor. Nun zeigt sich der bemerkens- werte Umstand, daß in den älteren Angaben durchweg Ammoniak und Salpeter- säure aufgezählt werden, neuere Untersucher stets und ausdrücklich das Nicht- vorhandensein jener Stoffe feststellen. Der Widerspruch ist leiehthin nicht zu er- klären, da auch Analystiker ersten Ranges die stiekstoffhaltigen Bestandteile er- mittelt haben wollen. Als Typus der früheren Angaben mag die Analyse des verdienten Dorpater Professors Carl Schmidt (1876) hingestellt werden. ?) Chlor (Cl): 7,23 mgr perl, entsprechend mgr Koch- salz (Nacl). Schwefelsäure (H2 SO4): 2,62 mgr per 1 Salpetersäure (HNO5;): 8,14 mgr perl Phosphorsäure (Ps O5): 0,22 mgr perl Kieselsäure (SiO2): 1,00 mer per Eisenoxyd (Fee Os): 0,28 mgr per Kalk (CaO): 61,43 ımgr per Magnesia (MgO): 9,45 mgr per Kali (K2 0): 1,65 mgr per Natron (Nag 0): 4,81 mgr per Ammoniak (NHs): 0,13 mgr per Kohlensäure der Bicarbonate (2602): 104,48 mgr per Organische Substanz: 56,10 mer per 1 Härte: 7,47 deutsche Grade (ber. aus CaO + 1,4 MgO). Ebenfalls Ammoniak (NHs) bis zu 0,5 mgr per 1 und Salpetersäure (H N Os) bis zu 3,61 mer per | will Apotheker Scheibe in den ersten Tagen des April (1852) im Wasser, direkt aus dem See geschöpft, gefunden haben. ?) Von späteren Bearbeitern sind zu nennen: Die Brüder F. Lehbertt) und R. Lehbert’) 1584 und später, Paul Naß®) 1556, «die landwirtschaftliche Abteilung der Potyteehnischen Hochschule zu Riga’) 1598, Oskar Paulsen®) und !) Nachweislich die ersten Versuche, das Revaler Publikum mit der Bakteriologie bekannt zu machen, sind im Jahre 1891 durch den Chemiker Spohr erfolgt. Protokolle des Technischen Vereins zu Reval, aus dem Jahre 1891 und die Veröffentlichung des Vortrages im Revaler Beobachter am 26. Januar 1891. 2) Carl Schmidt, Prof Dr, Im Anhange seines Werkes: Die Wasserversorgung Dorpats, lI. Teil. Dorpat 1879. ») R. Scheibe, Über Trinkwasser. Revalsche Zeitung 1882, Nr. 112; J. W. Dehio ibid. Nr. 138 und 139. *) F. Lehbert, Bericht vom 20. IX. 1896 an die Sanitätskommission zu Reval, unveröffentlicht. °, R. Lehbert, gefl. Privatmitteilung. Einzelne Untersuchungsergebnisse sind in der Revaler Zeitung veröffentlicht. Z. B. 4./16. Febr. 1886. Weitaus das meiste findet sich in den Sitzungs- protokollen des Technischen Vereins zu Reval vom 26. Xl. Ol und 3. 1. 08. °, Paul Naß, Zur Karribrunnenfrage. Revaler Zeitung vom 4./16. Febr. 1886. ') Protokolle des Gas- und Wasserwerks zu Reval aus dem Jahre 1898, unveröffentlicht. °) Gefl, Privatmitteilung. Der Obersee bei Reval. 161 Carl Schneider!) mit je einer gelegentlichen Analyse aus den Jahren 1899 und 1905 und Verfasser mit seinen Mitarbeitern Harald Hunnius?), Georg Wieck- mann®), Ebba von Husen‘), in mehr oder weniger ausführlichen Untersuchungs- reihen, seit 1900. Einzelheiten sind im laufenden Text berücksichtigt. Größeres Interesse, als die gelegentliche Feststellung irgend eines der im. Wasser vorkommenden Bestandteile, beansprucht die Frage, welche von den Be- standteilen zu den veränderlichen, welche zu den unveränderlichen gehören! Als vor Jahren Professor Tammann?) diese Frage mit Bezug auf den Obersee vorgelest wurde, glaubte er antworten zu müssen: „in großen natürlichen Wasserreservoiren sind die Mengenverhältnisse der Salze fast gar nieht veränderlich“. Allgemein wird das heute noch angenommen und dort, wo wirklich große Wasserreservoire vorliegen, mag die Tatsache zu Recht bestehen. Im Obersee sind dagegen Differenzen von 30 und mehr Prozent innerhalb einer Beobachtungsreihe nichts seltenes. Auf periodische Änderungen in der Färbung ist vorhin schon hingewiesen worden. Weiteren Aufschluß gibt nachstehende tabellarische Übersicht über die chemischen Bestandteile.®) Ausdrücklich hervorgehoben werden muß, daß nur nach gleichartigen Methoden erhaltene Analysenwerte Berücksichtigung fanden. Trotz alledem weichen die ‚extremen Werte für Chlor, Schwefelsäure, Kalk und Magnesia zu weit vom Durch- schnitt ab, als daß unvermeidbare Analysenfehler angenommen werden dürften. Um dem Entscheid, wenigstens in Bezug auf einen der genannten Stoffe, näher zu kommen, bestimmte Verfasser an 169 Tagen den Chlorgehalt. Die Titrationen von je 100 ecem des auf + 17,5°C temperierten, möglichst frischen Leitungswassers wurden nach Knudsen’?) vorgenommen und mit äußerster Sorgfalt zu Ende ge- führt. Minimalzahlen unter 6,11 kamen dabei nicht vor, im übrigen war aber auch nicht die geringste Abhängigkeit vom Wechsel der Jahreszeit ausfindig zu machen. Das arithmetische Mittel gab: 7,00 mgr perl. Hinzuzufügen ist, daß Apotheker Lehbert im Wasser einzelner, am Südufer des Sees belegener Quellen von ein- ander völlig verschiedene Chlorgehalte bemerkt hat (Sommer 1906). Es wäre dann immerhin denkbar, daß,®) durch Temperatur- und Windverhältnisse bedingt, heute ein bestimmtes, morgen ein anderes Oberflächenwasser dem triehterförmigen Ausflußbereich, dem die meisten analystischen Proben entnommen worden sind, zu- getrieben wird. Geringe Schwankungen zeigten ferner der Kieselsäuregehalt: 1,0—3,0 mgr per 1 und der Gehalt an Phosphorsäure: 0,2—0,7 mgr per l, je nachdem, ob viel oder !) Gefl. Privatmitteilung. 2) Unveröffentlicht. ®) Henry von Winkler und stud. Georg Wieckmann, Vergleich des aus dem Oberen-See hergeleiteten Trinkwassers in Reval mit dem Karribrunnenwasser der gleichen Stadt. Revalsche Zeitung 6./19. Febr. 1902. *) Zum größten Teil bisher unveröffentlicht, teilweise enthalten in den Sitzungsberichten der Naturforschenden Gesellschaft zu Reval. Ergänzte Separatabdrucke aus der Revalschen Zeitung vom 7. September 1905. Nicht im Buchhandel. 5) Gefl. Privatmitteilung, die Verf. Herrn Apotheker Lehbert verdankt. ©) Bei Ausführung der Analysen haben sich Verfasser und seine Mitarbeiter, soweit nicht Ab- weichungen extra genannt sind, streng an die Vorschriften in den chemisch-technischen Untersuchungs- methoden, herausgegeben von G. Lunge IV. u. V. Aufl. gehalten. ‘) Martin Knudsen, Hydrographische Tabellen, 1901. Verlag von L. Friedrichsen u. Co., Hamburg und G. E. C. Gad, Kopenhagen. 8) Gefl. Privatmitteilungen. Archiv für Biontologie II. (1) 08. IE 162 Guido Schneider: wenig Diatomaceen aufgewühlt worden waren. Die Minimalzahlen beziehen sich auf filtriertes Wasser. Tabellarische Übersicht über die chemischen Bestandteile, = = o& 19, re) Palo) & male [>] 17) © Datum S as & ds säelees| z 335 und „ Sn] = | 8% 8E5|15% Er ® lza@| Analytiker Entnahmestelle 2 IEu| 2 |e& 3,|58se7| 3 [5584 Ener Eos je. Else 7 D-.5s = 1876 — in See geschöpft | 7,2 |2,6 | 61,4 | 9,4(?) | 7,47] — - — 56,1 | Carl Schmidt 1882 April „ = Zone an 44 |0G | -— | — | 2 lege : EB z a ae | E. Scheibe 1884 Nov. Leitung. . .| — |—| — —- I|-|-| — _ 44,1 1885 März 2 Fa —_ 2 — — —_|— —_ — 68,7 „ April Pe a DE 94,2 |? Rud. Lehbert „ Mai ee 0 a re 48,9 „ Juni ee N | 81,2 „. Okt. ea ll 110,6 | Paul Naß 1886 Sept. ee [tl 1890 Okt. . ” ° E . I 5,8 _ 44,2 „ nach besonders 3 " stürmisch. Tagen Rud. Lehbert aus der Leitung 5 ni E —_ — — | 586,0 1896 Okt. im See geschöpft | — = — [6,9 |3,6 _ — 279,7 en RR Fe | |: |, Marge ( Fritz Lehbert, 1897 Dez. ag: —_ —_ —_ — —|— — — 11832,2 ) “ n n Er | _ 115,5 | Rud. Lehbert ” ” ” HR: == = 77 Fo ER FE, 7; <. 123,3 \ 1898 — im See geschöpft | 5,3(?)| — | 53,1 | 45 591 — | — — | 106,0 | RigaPolytechnikum 1899 Jan. Leitung . . . 107,0 Oskar Paulsen 1900 I: en 21722 23521260,92 A 2er — | 166,3. | 4,40) — Henry von Winkler lee | = ZaBoN— | — 1600 E Zar B u 5.9 164,2 | 42,4 | 38.4 N stud. Har. Hunnius „» Sept. » 0.168 |235 | 606 | 42 14,7 18,7 171,4 | 46,0 | 37,0 Istud.Ge. Wieckmann 1903 Juli A () 4,8 Fıl. Ebba von Husen „ Dez. x 7,0 6,4 160,8 | 50,0 | 37,0 „an. Cam selben Tage | Henry von Winkler im See geschöpft | 7,0 6,4 160,6 | 48,2 | 37,0 \ 1905 Sept. Leitung . . . 4,2(2) 2,7| 546 | 4,6 |6,1 | — = u — Carl Schneider Minimalzahlen 5,8 1235 | 498 | 4,2 5,0 [3,6 [160,6 | 42,4 | 33,4 | Diem.(?)versehenen Im Mittel 6,77*)|2,57| 55,78 | 4,35 |6,01|3,65/164,66| 46,65 |118,53 die De Maximalzahlen 72 1237| 61,4 | 4,6 |7,4 18,7 171,4 | 50,0 | 586,0 | mit aufgenommen. *) Eine andere Mittelzahl ist wenige Zeilen weiter im Text hergeleitet. Zum Schluß ist noch einiger Bestimmungen der im Leitungswasser enthaltenen Gase zu gedenken, die Verfasser auf Anregung von Dr. G. Schneider fortsetzte. Nach mindestens Yastündigem Durehspülen der an den Zapfhahn angeschlossenen Rohrabschnitte ließen sich nachweisen am: 10. XI. 01. 14,0 cem freie und halbgebundene Kohlensäure (COs) per 1. 44,5 cem Gesamtkohlensäure (COs), 0,8 cem Sauerstoff (0). Der Druck im Rohrsystem betrug etwa 2,2 Atm. Die Wasser- temperatur betrug + 3,3°C in der Leitung. Auf dem See fand Eis- bildung statt. Der Obersee bei Reval. 1( o> 12. XIl. 05. 18,0 cem freie und halbgebundene Kohlensäure (CO2) per 1, 60,0 cem Gesamtkohlensäure (CO), 0,65 cem Sauerstoff (O). Der Druck im System betrug etwa 2,3 Atm. Die Wassertemperatur betrug + 2,0°C, der See wurde durch einen heftigen Sturm auf- gewühlt. Ganz andere Verhältnisse traten auf, wenn das erste im Rohrabschnitt befindliche Wasser untersuchte wurde. Ohne Vorsichtsmaßregeln aufgefangen, schäumte es leicht über und geberdete sich wie Schaumwein. 1. XI. 05. 199,2 cem freie und halbgebundene Kohlensäure (COs) per 1. 244,0 cem Gesamtkohlensäure (CO), 0,4 ecm Sauerstoff (O). Der Druck im System betrug 2,5 Atm. Die Wassertemp. + 5,0 °C. 2. XI. 05. 1420,0 ccm Gesamtkohlensäure (CO >), 3. XI. 05. 1404,2 ccm “ n bei annähernd gleichem Druck und gleicher Temperatur, aber verschiedenen Entnahmestellen. Mit einiger Wahrscheinlichkeit würden sich auch höhere Kohlensäurewerte finden lassen. Die einzuhaltende Bedingung bestand darin, daß der Zapfhahn mindestens 24 Std., im Winter länger, vor der Entnahme unbenutzt stehen bleibt Unterdessen reiehern sich die Gase an. Ein Teil desselben tritt dann luftförmig, der andere Teil im Wasser suspendiert zu Tage. Die Zählung der im Wasser des Revaler Leitungsnetzes suspendierten Bak- terienkeime wurde im regelmäßigen Gang der Untersuchung, wie nachstehend skizziert, aufgeführt: 1. Halbstündiges Fließenlassen des Wassers bei voll geöffnetem Leitungshahn. 2. Entnahme des Wassers mit sterilem Röhrchen, dessen Wattebausch abge- brannt war. 3. Verarbeiten von Bruchteilen eines cem im Sommer, von 1 eem im Winter, wobei ausschließlich Petrischalen und Fleischwasserpeptongelatine in Anwen- dung kamen. 4. Einstellen in den Brutofen von + 22°C. 5. Zählen der Kolonien nach 48 Stunden unter Zuhilfenahme einer Lupe, welche 2- bis 3-malige Vergrößerungen gestattete. Die zum Abmessen des Wasserquantums nötigen Pipetten wurden in größerer Anzahl aus Glasröhren hergestellt, durch Auswägen mit Quecksilber kalibriert und zum Gebrauch zugelassen, wenn der Vergleich mit einem aus Deutschland bezogenen, von der Physikalisch-technischen Reichsanstalt geaichten Pipette keine größeren Differenzen als + 0,03 cem ergab. Zu 7 oder 8 Stück in ein größeres Reagens- glas eingeschlossen, ließen sie sich bequem sterilisieren. Trotz häufiger Inanspruch- nahme während 5 Jahren sehen die aus Hartglas angefertigten Meßröhrcehen wie neu aus. Die genauere Präzisierung der auf den Wasserplatten vorgefundenen, oft un- gemein verschieden gestalteten Kolonien gelang nur notdürftig, obgleich das Aus- zählen der verflüssigten Kolonien oft monatelang durchgeführt wurde. Ohne an irgend welche Regel gebunden zu sein, häuften sich fluoreszierende Arten bisweilen le 164 Guido Schneider: so stark auf den Platten an, daß der ganze ihnen zur Verfügung stehende Gelatine- vorrat durcheinander zu fließen begann, bevor «die Sichtung als beendet angesehen werden konnte. Wie es sich nachträglich herausstellte, war die Eigenschaft des Fluoreszierens mindestens 4 Arten gemeinsam. Das Merkmal des Verflüssigens besaß die Mehrzahl der aufgefundenen Spezies. Im Allgemeinen fand eine nur unerhebliche nachträgliche Vermehrung der zuerst gezählten Keime statt. In 3X 48 Stunden betrug dieselbe maximal 47%, bewegte sich aber meist zwischen 12%% und 5%. Es mag diese Erscheinung mit der relativ geringen Anzahl vor- gefundener Arten in Zusammenhang gebracht werden, wenn nieht der Faktor der Auslese von ausschlageebendem Einfluß gewesen ist. Letztere Möglichkeit ge- winnt an Wahrscheinlichkeit,. da wiederholt durehgeführtes, wochenlanges, syste- matisches Absuchen der Platten nach Vertretern der Coligruppe bisher stets negativ ausfiel. Dagegen war der Nachweis aus frisch von der Oberfläche des Sees ge- schöpften Proben unschwer zu erbringen. Es ist auch weiter darauf hinzuweisen, daß während des ganzen Jahres neben lebenden grünen Algen eine Anzahl Plankton- bewohner mitgerissen werden. Dieselben verteilen sich gleichmäßig bis in die feinsten Rohrdurehmesser. Dem Lichte entzogen und nur auf den Luftgehalt des Wassers angewiesen, verbrauchen sie Sauerstoff (bis zu einem noch nicht fest- gestellten Minimum) und setzen Kohlensäure anstelle. Wie im vorhergehenden näher ausgeführt wurde, steigt dieser Kohlensäuregehalt bis zu erheblichen Größen und erreicht, ällerdings eng lokalisiert, den 200fachen Wert des im See selbst angetroffenen Gehaltes.. Auf das Vorkommen und die Vermehrungstätigkeit der Bakterien mögen die veränderten Lebensbedingungen nicht ohne Eintluß sein. Qualitative Bestimmungen aller gleichzeitig in einer Probe vorkommender Bakterien, wie sie beispielsweise in den Wasserplatten vorlagen, sind bislang nieht versucht worden. Augenscheilich bedürfen die Untersuchungen, auch für «den Geübten, mehr- jähriger Erfahrung. Nur für einzelne wenige Arten gelang es, «den Nachweis so weit zum Abschluß zu bringen, daß das Urteil über die Häufigkeit des Vorkommens spruchreif wurde. In allen übrigen Fällen muß der Ausweis über das Datum des Auffindens genügen. Als feststehend für das Revaler Leitungswasser zu betrachten ist folgende von Ebba von Husen ermittelte Gruppe: 1. Bacillus myceoides Flügge, besonders häufig im Frühling und Herbst, einmal im Juli 1904. 2. Baeillus Megatherium Be Bary, im November 1904. 3. Bacterium stellatuwm (Zimmermann) Mez, im Oktober 1909. 4. Baet. devorans (Zimmermann) Mez, sehr gemein während der wärmsten Jahreszeit und einmal im Januar 1905 gefunden. 5. Irisierender Baeillıs Tataroff, im November 1904. 6. Bact. arborescens (Frankland) Mez, zweimal im Dezember 1909. 7. Mierococeus er@moides Zimmermann, im Dezember 1904. 8. Bact. prodigiosum (Ehrenberg) Lehmann und Neumann, im März 1905. 9. Baet. fluorescens (Flügge) Lehmann und Neumann, sehr gemein, zu allen Jahreszeiten. 10. Baet. putidum (Flügge) Lehmann und Neumann [Baect. fluorescens 3 non lique- faeiens L. und N.], im Juli 1904. Der Obersee bei Reval. 165 11. Baet, violaceum (J. Schröter) Lehmann und Neumann, im Februar 1905. 12. Bact. indigoferum (Voges) Mez, im Oktober 1905. Die Aufzählung läßt eine ganze Reihe anderweitig bekannt gewordener Arten vermissen. Auch aus der Aktimomyces-Gruppe dürfte die eine oder andere Art hinzukommen. Die Untersuchungen darüber sind noch nieht abgeschlossen und sollen zu gelegenerer Zeit fortgesetzt werden. Das allgemeine Resultat lautet dahin, daß menschenpathogene Bakterienarten bisher im Revaler Leitungswasser nicht aufgefunden worden sind. Näheres über die einzelnen Bakterien findet sich im nächsten Abschnitt dieses Kapitels, dessen Bearbeitung Ebba von Husen ausgeführt hat. Die von mir hergestellten 5 Tabellen über die Frequenz der Bakterien im Allgemeinen im Vergleich zur Temperatur und Transparenz (des Wasserleitungswassers, zu den Niederschlägen und zu dem Wasserstande im Obersee sollen in den folgenden Zeilen erläutert werden. (Vergl. Taf. VI—X). Bei der zeichnerischen Eintragung der Untersuchungsergebnisse auf Millimeter- papier waren zu verarbeiten, aus den Jahren: 1900 und 1901. 1. 177 Bakterienzahlen, erhalten aus mehr als 340 Einzelproben; 2. {1 Temperaturzahlen; 1. und 2. verteilt auf 177 Beobachtungstage. 3. Die Niederschlagswerte für die genannte Zeit; 4. Die Ablesungen des Seewasserspiegels über den gleichen Zeitraum. 1902. 1. 72 Bakterienzahlen aus 131 Einzelproben ermittelt: 2. 36 'Temperaturzahlen; 3. 63 Durchsichtigkeitsmessungen; 1., 2. und 3. verteilt auf 70 Beobachtungstage. 4. Die Niederschlagswerte für die genannte Zeit: 5. Die Ablesungen des Seewasserspiegels über den gleichen Zeitraum. 1903. 1. 55 Bakterienzahlen aus 68 Einzelproben ermittelt; 2. 40 Temperaturzahlen; 3. 17 Durchsichtigkeitsmessungen; 1., 2. und 3. verteilt auf 42 Beobachtungstage. 4. Die Niederschlagswerte für die genannte Zeit, mit Ausnahme des August- monats, der unberücksichtigt bleiben mußte; 5. Die Ablesungen des Seewasserspiegels über den vollen Zeitraum. 1904. 1. 271 Bakterienzahlen aus 502 Einzelproben ermittelt; 2. 273 Temperaturzahlen; 3. 336 Durchsichtigkeitsmessungen; 1., 2. und 3. verteilt auf 271 Beobachtungstage. 4. Die Niederschlagswerte für die genannte Zeit; 5. Die Ablesungen. des Seewasserspiegels über den gleichen Zeitraum. 166 Guido Schneider: 1909. 1. 354 Bakterienzahlen aus 353 Einzelproben ermittelt; 2. 345 Temperaturzahlen; 3. 336 Durchsichtigkeitsmessungen; 1., 2. und 3. verteilt auf 537 Beobachtungstage. 4. Die Niederschlagswerte für die genannte Zeit, mit Ausnahme der Monate Juni, Juli, August, Oktober, November und den größten Teil des Dezember- monats. Die Auslassungen hängen mit den politischen Wirren jener Periode zusammen ;') 5. Die Ablesungen des Seewasserspiegels über den vollen Zeitraum. Wegen der ungleichmäßigen Verteilung «der Beobachtungsdaten mußte von einem Zusammenziehen derselben in Monatsmittel und Jahresmittel abgesehen werden. Infolgedessen ließen sich die einzelnen Jahre nicht nebeneinander, son- dern nur hintereinander vergleichen. Nur in Bezug auf den Seewasserspiegel lagen lückenlose Beobachtungsreihen vor. Das Urmaß für die zeichnerischen Eintragungen bildeten aufs genaueste her- gestellte Liniennetze in Quadratmillimetern. Daher mußten alle erhaltenen Zeit-, Raum- und Gehaltsmaße auf das Millimeter zurückgeführt werden. Die laufenden Tage des vollen Jahres wurden auf die Abszissenachse aufgetragen und zwar derart, daß einem Millimeter ein Tag entsprach. Die gleichnamigen Abschnitte auf der Ordinate bedeuten, je nachdem welche Gruppe aufeinanderfolgender Kurvenpunkte in Betracht kam, entweder 10 Bakterien oder 0,2° C Leitungswassertemperatur, ein wahres Millimeter Niederschlagshöhe, ein Zentimeter Durchsichtigkeit oder schließlich 10 em Wasserstand. Um das Durcheinanderfließen der Punktreihen zu vermeiden, wurden die Kurven räumlich getrennt von einander eingezeichnet und neue Abszissenachsen hinzugefügt, die in Dekaden, gerechnet von jedem Ersten des Monats, geteilt waren. Auf der Einzeltafel bezeichnen voll ausgezogene Linien die pro cem Leitungs- wasser ermittelten Bakterienmengen; die Reihe einander folgender Punktkreise gibt die Temperatur des Wassers an der Zapfstelle an; voll ausgezogene Quadrat- millimeter geben in natürlicher Größe die Höhe Niederschlagswasser pro Quadrat- zentimeter wieder; vertikale Säulen bezeichnen die Durchsichtigkeit, horizontale Balken die Seewasserhöhe. Schließlich sind noch die Beobachtungstage zu er- wähnen, deren Eintragung in fortlaufender Reihe direkt unter die Datumsinschrift zu stehen kam. Auslassungen in Beobachtungen wurden nicht besonders vermerkt. Daher be- anspruchen bloß diejenigen Kurvenabschnitte volle Zuverlässigkeit, an denen die Beobachtungstage mehr oder weniger lückenlos eingezeichnet dastehen. Des relativ hohen Multiplikationsfaktors wegen, fiel die Übertragung der Bakterienzahlen auf +5 Einheiten, die der Seewasserhöhen nur auf +5 cm genau aus. Eine größere Genauigkeit wurde gar nicht erstrebt. Seit die Prinzipien hygienischer Wasser- beurteilung nicht mehr so eng auf das Quantum der Bakterien als auf die Qualität derselben gerichtet sind, verliert die absolute Zahl an Interesse, Inbezug auf ') Wetterbericht der „Baltischen Wochenschrift“ vom November 1905. Der Obersee bei Reval. 167 die Seewasserhöhen ist zu bemerken, daß auch hier nur größere Schwankungen von sichtlichem Einfluß auf die Beschaffenheit des Leitungswassers waren. Dieses zeigt sich beim Vergleich der für die verschiedenen Jahre erhaltenen Kurven be- sonders deutlich. Die Regelmäßigkeit mit der die Bakterienzahlen im ersten Drittel des Jahres ansteigen, wird sicher auf die unmittelbar vorher eingetretene Schnee- schmelze und die damit verbundene, vergrößerte Zufuhr aller möglicher Schwemm- stoffe zurückzuführen sein. Die Anstiege erfolgten plötzlich und waren stets von kurzer Dauer. 3 Wochen stellen das Maximum vor. Nur ausnahmsweise gab ein Regenfall allein den Anstoß zu dieser Erscheinung (vergl. 1905). Stets bedurfte es des Zusammenwirkens mehrerer Faktoren, zu denen auch Windbewegungen ein- zurechnen sind, die leider aus äußeren Gründen im Untersuchungsmaterial nicht enthalten waren. Auffallend ist es, daß der Bakterienanstieg im Leitungswasser früher einsetzte wie die Trübung zunahm, was sich Mal für Mal an der verspäteten Herabminderung der Liehtdurchlässigkeit bestimmen ließ. Besonders kleine Durch- sichtigkeitsgrade kamen einzig im Spätherbst zustande, schienen jedoch in direkter Abhängigkeit vom jeweiligen Wasserstand und der Stärke und Richtung voraus- gegangener Windbewegungen zu stehen (25. IV. 02; 2. X. 04; 16. XI. 05; 14. XII. 05). Je später die für das Frühjahr geschilderten Vorgänge sich im Spätherhst, und zwar in umgekehrter Reihenfolge, wiederholten, um so milder war der zwischenliegende Jahresabschnitt. In Übereinstimmung mit älteren Angaben!) über die durchschnittlich höchste Lufttemperatur fallen die höchsten Temperaturen des Leitungswassers auf den Monat Juli. Bemerkenswert scheint das Auftreten zweier zeitlich von einander getrennter Spitzen in den Temperaturkurven (vergl. 1901, 1904, 1905) des gleichen Zeitraumes zu sein. Die heiße Jahreszeit ist durch das unregelmäßige Aufflackern der Bakterienkurve gekennzeichnet. Das Wasser hat ein trübes, unansehnliches Äußere, eine dem allgemeinen Geschmack wenig zusagende Temperatur, und nie verstummende Klagen der städtischen Ein- wohner lenken die Aufmerksamkeit auf die immer wiederkehrende Kalamität. Ohne weiteres fällt auch der große Unterschied zwischen den Jahren 1904 und 1905 auf. Sommer und Herbst des Jahres 1904 waren kalt und naß. Den metereologischen Beobachtungen nach bot der Sommer durch seine kurze Dauer ein vom mittleren Typus völlig abweichendes Gesamtbild.?) Erst wenn der Winter Herr der Situation wird, schützt die Eisdecke vor dem Hineinfallen von Bakterienkeimen, alle äußeren Zuflüsse aus Morästen und aus den Ansiedelungs- stätten des Menschen werden gehemmt; das organische Leben im Seebecken fällt dem Winterschlafe anheim, und, unbeeinflußt durch Regen und Wind, bleiben Mott und Schlick unbeweglich am Seeboden liegen. In wenigen Tagen tritt dann eine merkliche Klärung des Leitungswassers ein, und die Qualität desselben steigt auf den Höhepunkt seiner äußeren und inneren Beschaffenheit. ') Paul Jordan, Beiträge zur Geographie und Statistik des Gouvernements Estland. Reval 1888, p. 17. 2) Bulletins des Nikolai-Observatoriums, St. Petersburg. Zwölf Bakterien des Revaler Wasserleitungswassers. Von Ebba von Husen. Aus einer Anzahl von mir bestimmter Bakterien des Wasserleitungswassers in Reval übergebe ich nachstehend beschriebene Arten der Öffentlichkeit. Ich glaube annehmen zu dürfen, daß die Wuchsformen und Größenverhältnisse der- selben so genau wiedergegeben sind, wie es für die spezifischen Bewohner des Wassers bisher nicht üblich war. Unter Scheidung des Wesentlichen vom Un- wesentlichen wurde das Algemeingültige herauszufassen gesucht, nämlich dasjenige, was ebensowohl bei frisch aus der Natur herangezüchteten Arten übereinstimmend gleich blieb, wie dasjenige, was sich bei mehrfacher Umzüchtung auf den gebräuch- lichsten Nährböden als artengleiches Merkmal weiter forterbte. Auf diese Weise sollten Typen geschaffen werden, ähnlich wie es Lehmann und Neumann und anderen vor und nach ihnen für mehr oder weniger pathogene Arten ge- lungen ist. Zur Isolierung der beschriebenen Wasserbewohner wurden fast ausnahmslos die Wasserplatten benutzt, welche bei den täglich angestellten Keimzählungen 48-stündiger Gelatinekulturen den Zwecken bakteriologischer Wasseranalysen ge- dient hatten. Da das ursprüngliche Bild der Kolonie (gewachsen bei + 22°C nach 48 Std.) von den späteren Plattenkulturen mitunter abwich, wurde es nach dem Beispiele Tataroffs mit in die Tabellen aufgenommen. Für das Wiederauf- finden und das Aufsuchen einzelner Arten sind dadurch wesentliche Erleichterungen geschaffen. Die Umgrenzung der verschiedenen, aus dem Wasser stammenden Bakterien ist anerkannt schwierig. Vor der Hand erwies es sich als unmöglich, mit einem kurzgefaßten Schema an die Arbeit herantreten zu wollen. Wesentliche Vorteile bot dagegen die Auffassung, daß„fast alle Eigenschaften einerwohlumgrenzten Art sehr schwanken“ (Lehmann und Neumann p. 121). Dadurch wurde der Gefahr vorgebeugt, in den Fehler älterer Forscher zu verfallen, die sich durch eine geringfügige Abweichung — Häutehenbildung, stärkere oder schwächere Verflüssigung, nur wenig abweichendes Bild der Plattenkolonie ete. — veranlaßt sahen, die von ihnen isolierte Art als neu anzusprechen, wenn sie auch sonst in allem mit einer schon beschriebenen übereinstimmte. Die Häutchenbildung hängt meiner Beob- achtung nach hauptsächlich vom ungestörten Stehen ab. In nachstehenden Zeilen habe ich darauf hingewiesen, ohne aber differentialdiagnostische Kennzeichen darauf aufzubauen, Der Öbersee bei Reval. 169 Über die technischen Hilfsmittel und die angewandte Methodik ist wenig zu berichten. Benutzt wurden: 10° Gelatinenährboden, 1°/ Agar, Kartoffeln nach Bolton oder Globig oder in Petrischalen, Bouillon als 10° Peptonfleischwasser, Milch als Magermilch, die an 3 aufeinanderfolgenden Tagen bis zu °/ı Std. im Papinschen Kochtopf sterilisiert worden war. Zum Messen der Bakterienleiber dienten Mikrometerokular 5 und Linse VII, Seibert, Wasserimmersion. Die von der Fabrik aus mitgegebenen Mikrometerwerte bedurften keiner Korrektion, da sie Übereinstimmung mit einem feinen, auf photographischem Wege her- gestellten Maßstabe zeigten, der aus J. D. Möllers Werkstatt (Wedel i./Holstein) stammte. Zur Prüfung der Eigenbewegung wurde stets eine 24—48-stündige Bouillonkultur herangezogen, die Gramfestigkeit wurde aus einer jungen Agarkultur bestimmt. Bei der Doppelfärbung der Sporen kam die Möllersche Methode in Anwendung, die Darstellung der Geißeln gelang nach Löffler. Da sich alle vor- liegenden Arten mit den gewöhnlichen Anilinfarbstoffen färben ließen, wurde unter der Rubrik Färbbarkeit nur das Verhalten gegenüber der Gramschen Färbung be- rücksiehtigt. Die Umgrenzung des Artbegriffes mit Hilfe von Tierexperimenten vervollständigen zu müssen, lag kein Grund vor. Ebenso lag kein Grund vor, die Trennung von aeroben und anaeroben Arten streng vorzunehmen. Letztere Unter- suchungen sind nur mit einem großen Aufwande wissenschaftlicher Hilfsmittel durchzuführen (vergl. G. Koraen, Centralbl. Bakt 1905 [T] 39. 508). Zum Bestimmen benutzte ich: Lehmann und Neumann, Atlas und Grundriß der Bakteriologie, 3. Aufl. 1904, Verlag J. F. Lehmann, München. Tataroff, Die Dorpater Wasserbakterien, Ing. Diss., Dorpat 1891, gedruckt bei ©. Mattiesen. Zimmermann, Die Bakterien unserer 'Trink- und Nutzwässer I 1890, II 1894, III 1900, Verlag C. Brunner, Chemnitz. Ferner Mez, Mikroskopische Wasseranalyse 1598, Verlag Jul. Springer Berlin. Lustig, Diagnostik der Bakterien des Wassers 1893, Verlag Gustav Fischer Jena und Matzuschita, Bakteriologische Diagnostik 1902, Verlag Gustav Fischer Jena. Außerdem standen zur Verfügung: Kolle-Wassermann, Handbuch der pathogenen Mikroorganismen 1903, Verlag Gustav Fischer Jena. Fränkel, Grundriß der Bakterienkunde, 3. Aufl. 1391, Verlag August Hirsch- wald Berlin und Thumm, Beiträge zur Biologie der fluoreszierenden Bakterien 1895. Separatabdr. aus d. Arb. d. bakt. Inst. der Großh. Hochsch. zu Karlsruhe, Verlag Otto Nemnich Karlsruhe. Die Anregung zu der Arbeit, die hilfsbereite Auskunft bei derselben danke ich Herm Henry von Winkler, Besitzer und Leiter des Untersuchungs- laboratoriums Reval. 170 Guido Schneider: Ohne Farbstoffbildung. I. Baecillus mycoides Flügge. Mikroskopisches Aussehen: Große, starke Stäbchen, an den Enden kaum merklich abgerundet. Länge 2—4 y, Breite ca. 1 p. Häufig lange Fäden bildend. Sporen oval. Eigenbewegung: Nicht vorhanden. Das leichte Hin- und Herschlängeln und Vibrieren einzelner Individuen ohne seitliche Ortsveränderung konnte nicht als Einzelbewegung angesprochen werden. Auch die Geißelfärbung ergab negative Resultate. Färbbarkeit: (Grampositiv. Wachstum: Ziemlich schnell, am besten bei 22°, gar nicht bei 37°. Wasserplatte: Große, schimmelpilzähnliche Kolonie mit weißem kompaktem Zentrum, von dem aus sich vielfach verschlungene, faserige Ausläufer wurzelartig in die Gelatine erstrecken. Gelatineplatte: a) Nat. Größe: Aufliegende: Anfangs ganz feine, leieht gebogene, sehr lange Härchen, die sich an ein punktförmiges Zentrum ansetzen. Später ist die Mitte dicht faserig und weiß, während die feinen Haare in vielfachen Windungen weiter in die Gelatine vordringen, wie auf der Wasserplatte- Verflüssigt ziemlich schnell. b) 7Ofache Vergrößerung: Aufliegende: Mitte filzig, Ausläufer lang, fein, in den verschiedensten Windungen, Locken und Verschlingungen. Gelatinestich: Feine, wagereehte, parallellaufende Härchen rings um den Stich herum geben der Kultur ein lampenbürstenartiges Aussehen. Die Verflüssigung beginnt nach einigen Tagen, erst schalenförmig, dann zylindrisch werdend. Das feste „an einen Asbestteller“ (L. et N.) erinnernde Häutchen sinkt bei der Berührung zu Boden, erneuert sich aber immer wieder. Agarstrich: Belag ziemlich ausgebreitet, grauweiß, anfangs zart und an die Plattenkultur erinnernd, später zäh und lederhart, so daß er mit der Platinöse schwer abzuheben ist; mattglänzend bis matt, chagrinartig geschrumpft und runzelig- Die sehr zarten Ausläufer am Rande laufen entweder parallel oder sind in viel- fachen Windungen ineinander verschlungen. Kondenswasser klar mit weißlichem Bodensatz und festem Häutchen, das durch die taschenartige Vorwölbung des Be- lages gebildet scheint. Agarstich: Stich anfangs uncharakteristisch, später Lampenbürste, wie in Gelatine. Auflage anfangs knopfförmig, später wie in der Striehkultur. Bouillon: Schon nach etwa 24 Std. schwimmt in der sonst klaren Flüssig- keit ein weißes, sehr zartes Häutchen, wie ein Schleier aus Seidengaze mit Sternchen besetzt. Bei der Berührung sinkt es zu Boden, erneuert sich aber wieder. Nach einigem Stehen bildet sich auch an der Oberfläche der Bouillon ein Häutchen, das zuweilen nur ringförmig an der Glaswand anliegt und die Mitte freiläßt. Die Bouillon bleibt klar. Milch: Wird äußerlich nieht verändert. Kartoffel: Belag weiß, matt, körnig bis krümelig, ziemlich flach, über die ganze Schnittfläche ausgebreitet. Der Obersee bei Reval. 171 Bemerkungen: Wurde besonders häufig im Frühling und Herbst auf den Wasserplatten beobachtet. Stimmt überein mit Dac, mycoides Flügge, Matzuschita p. 150, Bae. radiciformas Fränkel, Tataroff p. 16 und Bae, radieosus Zimmermann Ip. 30, und könnte wegen der fehlenden Eigenbewegung mit den genannten Arten als forma immobilis an Dac. mycoides Flügge, L. et N. p. 349 und Zimmermann I p. 12 angegliedert werden. 2. Baeillus Megatherium De Bary. Mikroskopisches Aussehen: Stäbchen mit nur leicht abgerundeten Enden von sehr wechselnder Größe, Länge 1,6—5 1, Breite 1—1,4 y, auf Agar mitunter noch kürzer und gedrungener, fast coccenartig. Häufig lange Fäden bildend. Sporen oval. Eigenbewegung: Träge bis lebhaft schlängelnd, durch viele lange, peritriche Geißeln. Färbbarkeit: Grampositiv. Wachstum: Schnellwüchsig; gedeiht gut bei allen gebräuchlichen Temperaturen; Optimum 37°. Wasserplatte: Blaßgraue Kolonie mit weißer krümeliger Mitte und farb- loser Verflüssigungszone. Gelatineplatte: a) Nat. Größe: Aufliegend: Grau, rund, einige Kolonien homogen verflüssigt, andere mit stärker bewachsenem Zentrum; sehr groß werdend. Tief- liegend: rundlich. Verflüssigt schnell. b) Bei 7Ofacher Vergrößerung. Aufliegend: Fein granuliert, im Zentrum kompakt, am Rande von einem dichten Kranz feinster Härchen umgeben. Tiefliegend: Kern dunkel, Randzone weiß, auf der ganzen Fläche mit feinen, radiär verlaufenden Härchen bedeckt, die über den Rand herüber- ragen. Gelatinestich: Verflüssigung oben schalen- bis spitztrichterförmig, im Stich schlauchförmig mit Krümeln und Flocken, schnell zylindrisch werdend. Später ist die Verflüssigungssäule klar mit gelblichem Bodensatz und zartem Häutchen. In alten Kulturen verfärbt sich die Gelatine rötlich. Agarplatte: a) Nat. Größe: Grauweiße, glänzende, leicht erhabene, rundliche Kolonien. Tiefliegende: rundlich bis zackig. b) Bei 7Ofacher Vergrößerung: Aufliegend: Anfangs sehr zart, fein granuliert, durehscheinend, rundlich, später bräunlich, krümelig, undurch- scheinend, mit opakem Kern, der den tiefliegenden Kolonien entspricht, d. h. aus einem filzigen Gewirr ziemlich radiär verlaufender, stark ge- wundener Ausläufer bestehend. Später werden in den tiefliegenden Kolonien die korkzieherähnlichen Ausläufer dicker und stärker, so daß sie zu einer rundlichen Kolonie verschmelzen, die aus groben Strängen und Klümpehen zusammengesetzt erscheint. 112 Guido Schneider: Agarstrich: Belag üppig, mattglänzend, mitunter leieht geripst, mit glattem bis gebuchtetem Rande. Kondenswasser klar oder leicht getrübt mit weißlichem Bodensatz, ohne Häutchen. Agarstich: Stich spärlich bewachsen, stückrig; Auflage wie in der Strich- kultur, die ganze Oberfläche bedeekend. Bouillon: Anfangs stark trübe, mit ziemlich reichlichem, weißem, faden- ziehendem Bodensatz, ohne Häutehen. Nach längerem Stehen völlig klar mit stärkerem Bodensatz und leichtem Häutchen. Mileh: Wird bei 37° nach 48 Stunden fest koaguliert und dann allmählich wieder aufgehellt und in eine bouillonähnliche, trübe Flüssigkelt verwandelt. Reaktion alkalisch. Kartoffel: Belag auf den Impfstrieh beschränkt, leicht erhaben, matt, weiß- lich, mit wellig zackigem Rande. Später rauh und trocken, gelblich werdend. Bemerkungen: Traubenzuckerboullon wurde nicht vergohren, auch Indol- bildung fand nicht statt. Stimmt demnach mit Bac. Megatherium De Bary, Leh- mann et Neumann p. 556, Matzuschita p. 12, Mez p. 40 überein. Im Gegen- satz zu den nicht abgerundeten Enden bei Lehmann et Neumann spricht Fränkel (p. 235) von stark abgerundeten Enden, und auch der Stamm aus dem Hygienischen Institut zu Helsingfors, mit dem Parallelkulturen angestellt wurden, wies abgerundete Enden auf. 3. Bacterium stellatum (Zimmermann) Mez. Mikroskopisches Aussehen: Abgerundete Kurzstäbchen (Colitypus), Länge 0,5—1,26 », Breite ca. 0,5 x. Sporen konnten nicht beobachtet werden. Eigenbewegung: Mäßig lebhaft. Färbbarkeit: Gramnegativ. Wachstum: Ziemlich schnellwüchsig; Temperaturoptimum 22°, gedeiht gut auch bei niedrigerer Temperatur, aber bedeutend schwächer bei 37°. Wasserplatte: Kolonie aufliegend: Um einen zentralen Kern lagern sich breite, verzweigte Strahlen, an Elchschaufeln errinnernd. Schön bläulich irisierend. Gelatinepatte: ” a) Nat. Größe: Aufliegende: Kolonie anfangs durchscheinend, farblos, rund- lich bis weinblattartig.. Allmählich erweitern sich die Weinblattlappen zu verzweigten Strahlen, die sich zum Ende zu verbreitern und am Rande fein gekerbt sind. Die Kolonien werden weiß, opak und den auf der Wasserplatte gleich. Andere behalten die gebuchtete Form bei. "Tief- liegende: Rund bis wetzsteinförmig. bh) Bei TWOfacher Vergrößerung: Aufliegende: Anfangs rund, geschuppt, ohne Ausläufer. Dann mit braungrauem, rundem Kern, hellerer, geäderter Mittelzone, und den fast farblosen, breiter werdenden Strahlen, die am Rande gekerbt und mit kleinen Spitzen und Zacken versehen sind. Tief- liegende: Bräunlich, undurchscheinend, homogen granuliert. Platte unverflüssigt. Der Obersee bei Reval. 17: Gelatinestieh: Stieh fadenförmig, uncharakteristisch, Auflage knopfförmig. Nach etwa 10 Tagen bildet sieh oben eine napfförmige Einsenkung der Gelatine, nur am Boden mit blaugrauem Belag bedeckt; darunter beginnt die sehr langsam fortschreitende Verflüssigung. Der Napf wird allmählich rund ausgebaucht und im unteren Teil mit verflüssigter Gelatine gefüllt. Endlich wird die Verflüssigung zylindrisch, mit grauem Bodensatz und Ansatz zu einem bläulichgrauen Häutchen. Verflüssiet sehr lanesam, nach 2 Monaten ist erst ca. ein Viertel «der Gelatine- säule verflüssigt. Asarstrich: Belag mäßig ausgebreitet, anfangs sehleierig, fast durchscheinend, leicht irisierend. Später nur wenig diehter, leicht gelblich, mit gekerbtem Rande, Kondenswasser klar mit weißem Bodensatz, ohne Häutchen. Agarstieh: Stich spärlich und unregelmäßig bewachsen. Auflage bis an die Glaswand reichend, saftig glänzend, bläulichgrau. Bouillon: Stark getrübt, mit grauweißem Bodensatz, der sich beim Schütteln stückrig zerteilt. Später weniger trübe, mit herumsehwimmenden Körnchen und Flocken. Milch: Äußerlich unverändert. Reaktion schwach alkalisch. Kartoffel: Belag weiß, erhaben, anfangs völlig glatt und glänzend. Nach ca. 45 Stunden (bei 22°) m der Mitte zierlich quer gefaltet, schmutzig blaßgrau. Am 3. Tage wieder völlig glatt und glänzend, bedeckt allmählich die Kartoffel von allen Seiten, verschleimt und gleitet hinab. Späterhin graubraun gefärbt. Bemerkungen: Stimmt mit Daet. stellatum (Zimmermann) Mez p. 62, Zimmermann II p. 14, Matzuschita p. 290 überein, bis auf die, wenn auch langsame Verflüssigung der Gelatine, die nach den genannten Autoren nicht statt- findet. Da aber die Verflüssigung keine konstante Eigenschaft zu sein braucht, konnte dieses einzigen Unterschiedes wegen der vorliegende Stamm nicht als ge- sonderte Art angesehen werden. Sporenbildung, die Zimmermann gesehen haben will, findet nach Mez auch nicht statt. 4. Bacterium devorans (Zimmermann) Mez. Mikroskopisches Aussehen: Kurze, an (den Enden abgerundete Stäbchen, Länge 1,6—2,5 px, Breite 0,5—0,S p. Fadenbildung wurde nieht beobachtet. Eigenbewegung: Ungemein lebhaft hin- und herschießend und kreisend, durch mehrere, lange, peritriche Geißeln. Färbbarkeit: Gramnegativ. Wachstum: Wächst recht schnell; Temperaturoptimum bei 22°, bei 37° nur langsames und spärliches Wachstum. Wasserplatte: Runde Kolonie innerhalb der Gelatine, einer kugeligen Luft- blase gleichend, mit kleiner, runder Öffnung oberhalb und unbewachsenem, gegen- überliegendem Pol. An den Innenwandungen des Kugelbauches ein gelblicher Belag. Im Alter erweitert sich die obere Öffnung, bis die Kolonie eine schalen- förmige, verflüssigte Vertiefung bildet mit gelblichem Bodensatz und blaßgrauer Randzone. Wurde auch als Oberflächenkolonie auf der Wasserplatte angetroffen (siehe Gelatineplatte). 174 Guido Schneider: Gelatineplatte: a) Nat. Größe: Aufliegende: Schalenförmig verflüssigt, grauweiß, einige ganzrandig, andere von einem Strahlenkranz feiner, zungenartiger Ausläufer umgeben. Tiefliegende: Meist kugelig. wie auf der Wasserplatte. b) Bei 7Ofacher Vergrößerung: Aufliegende: Anfangs kleine bräunliche, kreisrunde, homogen granulierte Scheiben., später mit krümeligem Boden- satz, blaßgrauer Randzone und sehr feinem Härchenkranz. Die zungen- artigen Strahlen sind fein gezähnt bis gezackt. Tiefliegende: Glattrandig, fein granuliert; geben ein undeutliches Bild, weil in verschiedenen Ebenen liegend. Verflüssigt ziemlich schnell. Gelatinestich: Mit minimalem Material angelegt, bildet sich oberhalb eine typische, pokalartige Vertiefung („kraterförmiger Substanzverlust, Tataroff), die sich allmählich über den ganzen Stiehkanal ausdehnt und sich stellenweise an den Wandungen mit einem grauweißen Belage bedeckt. An den Seiten des Kanals bilden sich vereinzelt stehende, steeknadelkopfgroße, kugelige Kolonien, die sich aufblähen und der Kultur das „weintraubenähnliche“ (Tataroff) Aussehen geben. Wird jedoch mit zu reichlichem Material geimpft (siehe auch Zimmermann und Tataroff); so entsteht entweder sofort eine schlauchförmige Verflüssigung mit wurmförmige eingelagerten Bakterienmassen, oder der Hohlraum, der sich zuerst regelrecht gebildet hatte, wird nach einiger Zeit mit verflüssigter Gelatine gefüllt und erhält sich nur im oberen Teil. Asarstrich: Belag anfangs schleierig, leicht irisierend; später nur wenig dieker, grauweiß, saftig glänzend, wellig glattrandig. Kondenswasser klar oder leicht getrübt, mit weißem Bodensatz, und zuweilen mit Häutchen. Agarstich: Stich fadenförmig, uncharakteristisch; Auflage wie auf der Strich- kultur. Bouillon: Trübe, mit spärlichem, weißem, fadenziehendem Bodensatz. Nach längerem Stehen bildet sich ein sehr zartes Häutchen, das bei der geringsten Be- wegung zu Boden sinkt. Mileh: Äußerlich unverändert, bis auf ein zartes, weißes Häutchen, das sich nach längerem Stehen bildet. Kartoffel: Spärlicher, sehr zarter, grauweißer Belag, der sich nur durch seinen Glanz von der Kartoffel abhebt, im Alter grünlich-gelblich verfärbt. Bemerkungen: Entwickelt auf der Gelatineplatte einen angenehmen, aroma- tischen Geruch. Sehr gemein während der wärmeren Jahreszeiten. Entspricht dem Bac. devorans Zimmermann I p. 45, Tataroff p. 30, Matzuschita p. 96, Mez p. 58. L. et N. zitieren ihn kurz p. 292. Auch Bae. annulatus Zimmermann II p. 30, den L. et N. p. 291 zu den Coli-Verwandten rechnen, dürfte mit ihm identisch sein. Ein zweiter Stamm bildete bei sonst typischem Wachstum auf Agar eine leicht bräunliche Auflagerung und auf Kartoffel einen rötlichbraunen, erhabenen Belag. Der Obersee bei Reval. 175 Gelben Farbstoff bildend. ö. Irisierender Bacillus Tataroff. Mikroskopisches Aussehen: Lange, feine Stäbehen, an den Enden leicht abgerundet, Länge 1—4 u, Breite 0,84 u, sehr häufig lange Fäden und verworrene Knäuel bildend. Sporen deutlich sichtbar. ließen sich aber nach der Möllerschen Methode nicht färben. Eigenbewegung: In dem, allerdings mehrere Generationen alten Stamm zeigten nur wenige Individuen eine langsame, schlängelnde Eigenbewegung. Daher machte auch die Darstellung der Geißeln Schwierigkeiten, doch glaube ich mehrere Exemplare mit einer polaren Geißel gesehen zu haben. Färbbarkeit: Gramnesativ. Wachstum: Mäßig schnell; Temperaturoptimum 22°, bei 37° nur anfangs spärliches Wachstum, aber prachtvolles Irisieren, dann Stillstand. Stirbt überhaupt ziemlich rasch ab. Wasserplatte: Schön irisierende, gelappte Kolonie mit gelbem, rundlichem Kern, hellerem Hof und durchscheinender Randzone. Gelatineplatte: a) Nat. Größe: Aufliegende: Kolonien zuerst klein, wasserhell, in der Mitte vorgewölbt, dann typhusähnliche Auflagerungen bildend, bläulich irisierend mit opakem, bräunlichem Zentrum. Nach einigen Tagen wird die Mitte ausgesprochen hellbraun, und die Randzone erscheint fein radiär gefaltet. Tiefliegende: Runde, gelbliche Kolonien. b) Bei 7Ofacher Vergrößerung: Aufliegende: Kern rundlich, Mittelzone bräunlich, deutlich granuliert oder gestrichelt, geht allmählich in die farb- lose, gelappte, leicht marmorierte Randzone über. Später wird die Struktur gröber und furchenartiger. Tiefliegende: Rundlich, hellbraun, granuliert bis geschuppt. Verflüssigt langsam nach 5—10 Tagen. Gelatinestich: Stich spärlich, uncharakteristisch. Oben bildet sich eine schalenförmige Einsenkung, in der die Verflüssigung erst nach einer Woche beginnt, langsam fortschreitend und allmählich zylindrisch werdend. Bodensatz reichlich, krümelig, gelb. Bei ungestörtem Stehen bildet sich ein festes, gelbes Häutehen. Agarstrich: Belag anfangs zart und prachtvoll in allen Farben irisierend, (bes. bei 37°), dann opak werdend, üppig, saftig glänzend, wellig-glattrandig. Farbe anfangs gelblich, dann sattgelb, im Alter bräunlich. Kondenswasser leicht setrübt, mit gelblichweißem Bodensatz. Agarstich: Stich uncharakteristisch; Auflage anfangs schleierig, dann gelb, zackig, später bis an die Glaswand reichend. Bouillon: Trübe, mit anfangs weißlichem, dann gelbem, fadenförmigem Boden- satz, zuweilen ein zartes Häutchen bildend. Bei 37° bleibt die Bouillon klar. Mileh: Nicht koaguliert. Allmähliche Aufhellung unter Bildung einer grün- lichen Zone oben, bis endlich die ganze Milchsäule grünlich verfärbt erscheint, mit er&mefarbenem Bodensatz und festem, weißem Häutchen. 176 Guido Schneider: Kartoffel: Entwicklung ziemlich langsam, Wachstum auf den Impfstrich be- schränkt, anfangs leuchtend gelb, troekenglänzend, später matter und rotbraun. Bemerkungen: Identisch mit dem irisierenden Bacillus Tataroff p. 57, von Matzuschita als Bae. iridens Tataroff p. 35 beschrieben. 6. Bacterium arborescens (Frankland) Mez. Mikroskopisches Aussehen: Schlanke Stäbchen mit abgerundeten Enden, Länge 1,6—2,5 p., Breite 0,5—0,5 p., mitunter lange Fäden bildend. Wachstum: Wächst nicht bei 37°, bei Zimmertemperatur ziemlich schnell. Wasserplatte: Aufliegende Kolonie mit weißem Kern und filziger Randzone. "%ı. Kern anfangs garbenförmig, später rundlich werdend, braungrau, verfilzt. Rand- zone farblos, weniger filzig, leicht durchscheinend, anfangs leicht gelappt, von einem Gewirr bizarr gekräuselter locken- bis bretzelförmiger Ausläufer umgeben. Später bis an den Rand filzig, gelb, verflüssigt; Ausläuferzone unverändert. Tiefliegend wurde dieselbe Art als garbenförmige Kolonie gefunden. Gelatineplatte: a) Nat. Größe: Aufliegende: Durchscheinend, irisierend, lappig gebuchtet mit opakem Kern. Später gelb und verflüssigt. Tiefliegende: Rundlich bis wetzsteinförmig. b) Bei 7Ofacher Vergrößerung: Aufliegende: Kern sehr unregelmäßig geformt, knorrig verästelt, mit feinen gewundenen Ausläufern, zuweilen an Krätzmilben erinnernd. Randzone durchscheinend, gelappt, gemasert, mit rankenartigen Ausläufern besetzt — wie auf der Wasserplatte. Tief- liegende: Einige rund bis wetzsteinförmig, braungelb gemustert oder schwarz gestrichelt, andere milbenartig, dem Kern der aufliegenden Kolonie ent- sprechend. Verflüssigt mäßig schnell. Gelatinestich: Stich fadenförmig, uncharakteristisch, Verflüssigung anfangs schalenförmig, später zylindrisch; Bodensatz gelb. Agarstrich: Belag saftig glänzend, wellig glattrandig,. ziemlich ausgebreitet, anfangs schön irisierend, später schmutziggelb und opak. Kondenswasser leicht getrübt oder klar, mit gelbem Bodensatz und gelblichem Häutchen. Bouillon: Trübe; Bodensatz fadenziehend, anfangs weißlich, später gelb; Häutchenbildung spärlich und unregelmäßig. Kartoffel: Belag auf den Impfstrich beschränkt, anfangs gelb, im Alter braun- rot, mattglänzend. Bemerkungen: Diese Art konnte nur unvollständig beschrieben werden, da der Stamm einging, bevor er in der gewöhnlichen Ausführlichkeit geprüft worden war. Trotzdem schien er, schon seiner charakteristischen Plattenkultur wegen, identisch mit Dac. arborescens Frankland, Zimmermann II p. 20, Matzuschita p. 115, Tataroff p. 55, Lustig p. 55, Mez p. 52. 7. Micrococcus er&emoides Zimmermann. Mikroskopisches Aussehen: Coccen von etwa 0,5—1,1 a im Durchmesser. hauptsächlich in Trauben und zu zweien angeordnet, doch auch Tetraden und sehr vereinzelte kurze Ketten bildend. Sporen wurden nicht beobachtet. Der Obersee bei Reval. | | I Eigenbewegung. Nicht vorhanden. Färbbarkeit: Grampositiv. Wachstum: Schnellwüchsig; gedeiht gleich gut bei allen gebräuchlichen Temperaturen. Wasserplatte: Rundliche, weißliche, schleierartige Kolonie mit punktförmiger Mitte; unverflüssigt. %ı. Rundlich, gelappt, braungrau, grobgranuliert, mit rundem, dunklem, homogen schattiertem Kern. Gelatineplatte: a) Nat. Größe: Aufliegend: Anfangs rund, gleichmäßig, gelblich; später haben die größeren Kolonien einen helleren, grobgekörnelten, am Rande gekerbten Hof, die übrigen sind opak, unregelmäßig rund, mit buckeligem, höckerigem Rande. Leicht eingesunken. Inliegende: Rund, blaßgelb, einige schleierig mit punktförmiger Mitte. b) Bei 7Wfacher Vergrößerung: Aufliegende: Die ziemlich dunkelbraune, undurchscheinende, homogene Mitte geht ohne scharfe Abgrenzung in die sehr grob gekörnelte, hellbraungelbe Randzone über, die wiederum am Rande zackig ausgefressen erscheint. An einigen vorragenden Zacken sind die einzelnen Tetraden deutlich unterscheidbar. Bei einem Teil der Kolonien war noch eine völlig farblose, durchsichtige, gelappte äußerste Zone bemerkbar (wohl beginnende Verflüssigung). Inliegende: Unregel- mäßig rund mit gewelltem bis höckerigem Rande, einige ganz homogen dunkel erscheinend, andere schildpattartig gemustert mit dunklerem Kern. Über Verflüssigung siehe Bemerkungen. Gelatinestich: Über dem uncharakteristischen Stich bildet sich eine napf- förmige Einsenkung, deren Wände mit sehr blassem, gelblichweißem Belage be- deckt sind. Der Napf sinkt immer tiefer ein und wird allmählich spitztrichter- förmig. Nach etwa einer Woche beginnt unter ihm die Verflüssigung und vertieft ihn noch mehr. Der jetzt satt cremefarbene Belag sinkt nach, bekommt an den Rändern ein zackiges, zerfetztes Aussehen („Erlenblattfigur“ Tataroff) und schwimmt endlich mit der Mitte auf dem schlauchförmig verflüssigenden Stich als zerfetztes bröckeliges Häutchen, dessen Ränder jedoch noch an der Glaswand anliegen, so daß die Spitztrichterform erhalten bleibt. Verflüssigt sehr langsam und unvollkommen. Agarstrich: Belag cr&mefarben, mattglänzend, ziemlich ausgebreitet, mit ge- buchtetem oder fein gekerbtem Rande. Im Alter mitunter zierlich gefaltet und netzartig gemustert, matt. Kondenswasser fast klar mit cr&mefarbenem Bodensatz, zuweilen mit zartem Häutchen nach längerem Stehen. Häufig wurden zweifarbige Kulturen erzielt, die im crömefarbenen Belag dunklere Inseln aufweisen (siehe Bemerkungen): Agarstich: Stich fadenförmig, uncharakteristisch. Auflage bis an die Glas- wand ausgebreitet, anfangs weiß, später er&mefarben, fettglänzend. Bouillon: Leicht getrübt, Bodensatz spärlich, gelblichweiß; an der Oberfläche anstatt des Häutchens eine unzusammenhängende Brockenmasse, bei der geringsten Bewegung in einzelne Flöckchen zerfallend und zu Boden sinkend. Archiv für Biontolosie II. (1) 08. 12 178 Guido Schneider: Milch: Wird (bei 37%) nach ea. einer Woche völlig koaguliert. Reaktion deutlich sauer Kartoffel: Belag anfangs nur längs dem Impfstrich, recht erhaben, matt, stark krümelig, er&mefarben, mit einem Stich ins Rosa. Später etwas ausgebreiteter mit gleichmäßig glatter, völlig matter Oberfläche. Bemerkungen: Stimmt überein mit Micrococceus erömoides Zimmermann I p. 74, Tataroff p. 74, Matzuschita p. 204. Zimmermann weist auf List’s er&mefarbenen Mierococeus hin, der die Gelatine nicht verflüssigt und also nicht mit seinem identisch sein kann. Dazu sei bemerkt, daß der vorliegende Stamm anfangs die Gelatine auch nicht verflüssigte, weder auf der Platte, noch in der Strich- und Stiehkultur, und erst von der vierten Generation an die oben beschrie- benen verflüssigenden Kulturen bei sonst völliger Übereinstimmung im morpho- logischen Verhalten ergab. Die häufige Zweifarbigkeit der Kulturen bestätigt L. et N’s Annahme einer Verwandtschaft mit Mier. bicolor (l. e. p. 202). Roten Farbstoff bildend. 8. Bacterium prodigiosum (Ehrenberg) L. et N. Mikroskopisches Aussehen: Kleine, fast coccenartige Stäbchen mit zuge- spitzten Enden, von Agar ca. 1 x im Durchmesser, von Bouillon 1—1,68 » lang und 1,1 x breit. Eigenbewegung: Nur aus ganz jungen Bouillonkulturen lebhaft hin- und herschießend, aus älteren Kulturen meist starr oder mit nur träger Bewegung. Geißeln lang, peritrich. Färbbarkeit: Gramnegativ. Wachstum: Schnellwüchsig; gedeiht bei allen gebräuchlichen Temperaturen. Wasserplatte: Im März aus einer stark verflüssigten Platte als rosarotes Fetzchen herausgefischt. Gelatineplatte: a) Nat. Größe: Aufliegende: Schnell verflüssigende, runde, graue Kolonien mit rosarotem Saum und ebensolchen Krümeln am Boden, die später satt blutrot werden. Tiefliegende: Anfangs grau, später rosarot bis sattrot werdend. b) Bei 7Ofacher Vergrößerung: Aufliegend: Randzone granuliert, Boden- satz krümelig. Tiefliegende: Rund bis wetzsteinförmig, granuliert, anfangs blaß bräunlich, dann rot. Verflüssigt schnell. Gelatinestich: Schon nach 24 Stunden (bei 22°) Beginn der trichterförmigen Verflüssigung. In der rötlichgelben Verflüssigungsmasse schwimmen rosarote Klümpchen, die oberste Schicht ist blutrot verfärbt. Später wird die Verflüssigung zylindrisch, stark bläulichrot getrübt mit bläulichrotem Bodensatz. In späteren Generationen ist die Farbstoffbildung bedeutend schwächer. Agarstrich: Belag erhaben, saftig glänzend, wellig glattrandig, in der ersten Generation ziegelrot mit starkem Goldreflex, wie bei Baet. seiliense (Fischer et Breunig) L. et N.; später mehr bläulichrot mit geringerer Farbstoffproduktion. Kondenswasser trübe, mit rötlichem Bodensatz, zuweilen mit schwachem Häutchen. Der Obersee bei Reval. 179 Agarstich: Stich uncharakteristisch, grau; Auflage schön goldrot, wie in der Striehkultur. Der Agar verfärbt sich im oberen Teil granatrot. Bouillon: Trübe, anfangs unverfärbt, mit weißem, fadenziehendem Boden- satz; später sind Bouillon und Bodensatz leuchtend blutrot, mit sehr zartem, rotem Häutchen. Milch: Wird nach 48 Stunden (bei 37°) fest koaguliert und ganz leicht rosa getönt. Später in der oberen Hälfte wieder aufgehellt, rötlich gelb, mit zartem rosa Häutchen. Kartoffel: Belag erhaben, krümelig, matt. Anfangs weißlich mit roten Flecken, später rosarot, dann blutrot, zuweilen mit Goldreflex. Bemerkungen: Farbstoffbildung sehr unregelmäßig, bei 37° garnicht vor- handen, in späteren Generationen häufig erst nach mehreren Tagen auftretend und fleckig. Identisch mit Baet. prodigiosum (Ehrenberg) L. et N., p. 302, Matzuschita p. 144, Mez p. 52. Grünen Farbstoff bildend. 9. Bacterium fluorescens (Flügge) L. et N. (B. fluorescens et liquefaciens). Mikroskopisches Aussehen: Feine Stäbchen mit abgerundeten Enden. Länge von Agar 1,1—2,2 y, aus Bouillon 2,3—3,36 u, Breite 0,5—0,8 ». Einzelbewegung: Lebhaft mittelst einer oder mehreren monopolaren Geißeln, aus älteren Kulturen phlegmatisch. Färbbarkeit: Gramnegativ. Wachstum: Mäßig rasch; Temperaturoptimum 22°; bei 37° sehr mangel- hafte Entwicklung. Wasserplatte: Runde, verflüssigende, weiße Kolonie, die erst nach mehreren Tagen grün wird. Gelatineplatte: a) Nat. Größe: Aufliegende: Anfangs unverflüssigt, knöpfehenartig, wasser- hell, später erhaben, perlmutterweiß, rund oder typhusartig gelappt. Die grüne Verfärbung beginnt am 3.—5. Tage, ebenso die Verflüssigung. Dann sinkt die Kolonie ein und bildet eine kreisrunde Verflüssigungsschale mit Bodensatzklümpehen im Zentrum. Andere behalten noch die gelappte Form bei. Die Gelatine fluoresziert stark gelbgrün. Tiefliegende: Anfangs punktförmige, weiße Scheibehen, später größer, bläulich durehscheinend, dann gelblich. b) Bei 70facher Vergrößerung: Aufliegende: Anfangs rundlich oder ge- lappt und gebuchtet, gleichmäßig bräunlichgelb, homogen granuliert, häufig mit einem dunkleren exzentrischen Kern. Später mit heller, farbloser, durchscheinender gelappter Randzone, die von der fein granulierten gelb- lichen Mitte allmählich ganz ausgefüllt wird, bis die ganze Kolonie opak ist. Die verflüssigten Kolonien sind rund; Verflüssigungszone hellgrau granuliert, am Rande mit sehr feinen, verfilzten Härchen; Zentrum filzig, krümelig, mitunter radiär angeordnete Stränge bildend. Tiefliegende Rund bis wetzsteinförmig, homogen granuliert, braungelb. 12* 180 Guido Schneider: Verflüssigt ziemlich schnell. Gelatinestich: Stich unregelmäßig, krümelig. Verflüssigung anfangs meist spitztrichterförmig, später zylindrisch mit reichlicher, krümeliger, gelblicher Boden- satzablagerung und Häntchenbildung nach längerem Stehen. Die Gelatine beginnt erst nach mehreren Tagen grün zu flureszieren, auch die Verflüssigungszone färbt sich gelbgrün. Agarstrich: Belag weißlich grün, saftig glänzend, wellig glattrandig, über die ganze Fläche ausgebreitet. Kondenswasser fast klar mit weißem Häutchen und reichlichem, weißem Boclensatz. Der Agar fluoresziert stark gelb- bis blau- erün und färbt sich im Alter braun. Agarstich: Stich fadenförmig, uncharakteristisch, schwach entwickelt. Auf- lage wie auf der Strichkultur. Agar gelb- bis blaugrün fluoreszierend. Bouillon: Trübe, mit weißem, fadenziehendem Bodensatz und Häutchenbildung, die jedoch nur bei längerem ungestörtem Stehen eintritt. Die grüne Fluoreszenz beginnt oben und breitet sich allmählich nach unten hin aus. Mileh: Wird nicht koaguliert, bildet vielmehr sehr bald eine blaßgrüne Auf- hellungszone, die rasch fortschreitet, bis die Kultur nach etwa 3 Wochen sich von der Bouillonkultur nur durch die stärkere Trübung und die bläulichere Fluorescenz unterscheidet. Häutchenbildung und Bodensatz wie in Bouillon, Reaktion schwach alkalisch. Kartoffel: Belag üppig, hellbraun, erhaben, mit hirnwindungsartiger Ober- fläche und wellig gebuchtetem Rande. Später glänzend, mit glatter Oberfläche und elattem Rande, verschleimt und hinabgeflossen. Bemerkungen: Bei der Differenzialdiagnose gegen Bact. pyoeyaneum (Gessard, Flügge) L. et N., das nach L. et N. neuerdings auch häufig im Wasser gefunden wird, wurde nach L. et N. (p. 516) das Fehlen oder Vorhandensein des Pyocyanin als maßgebend betrachtet. Die zu diesem Zweck auf Oblaten (auf denen nach L. et N. p. 5312 auch pyocyaninarme Kulturen noch Pyocyanin liefern) ge- züchteten Kulturen ergaben, ebenso wie die Bouillonkultur, mit Chloroform ge- schüttelt, kein Pyocyanin. Auch das Verhalten der Milchkultur entspricht dem Bact. fluorescens et liquefactens. Daher wohl identisch mit Dact. liquefaciens (Gessard, Flügge) L. et N., p. 315, Zimmermannl p. 22, Matzuschita p. 132, Lustig p. 98. Tataroff unterscheidet seinen p. 57 beschriebenen Stamm durch das Fehlen der Rahmhaut auf verflüssigter Gelatine und Bouillon, was ich jedoch nieht als Differenzierungs- merkmal ansehen möchte, da auch vorliegende Art das Häutchen nur bei unge- störtem Stehen bildete, und Tataroff seine Kulturen in den ersten 10—14 Tagen fast täglich revidierte (l. e. Vorwort p. 10). Bei Matzuschita findet Koagulation der Milch statt. Im Obersee sehr gemein zu allen Jahreszeiten. 10. Bacterium putidum (Tlügge) L. et N. (Bact. fluorescens ß non liquefaciens L. et N.). Mikroskopisches Aussehen: Schlanke Stäbchen mit abgerundeten Enden, 209 Länge: von Agar ca. 1,1 p, aus Bouillon 2,8—3,3 », Breite 0,5—0,8 1. Der Obersee bei Reval. 181 Eigenbewegung: Ziemlich lebhaft wackelnd, rotierend und schlängelnd, mit Hilfe einer polaren Geibßel. Färbbarkeit: Gramnegativ. Wachstum: Ziemlich schnell bei 22° und Zimmertemperatur, bei 37° nur spärliche Entwickelung. Wasserplatte: Weißliche, unverflüssigte Kolonie mit dunklerer Mitte und hellerer Randzone. Gelatineplatte: a) Nat. Größe: Aufliegende: Rundlich, mit grünlich-gelblicher erhabener Mitte und durchscheinender, gelappter Randzone. Tiefliegende: Rundlich his wetzsteinförmig, weiß. b) Bei 7TOfacher Vergrößerung: Aufliegende: Typhusähnlich; allmählich wird die anfangs durchscheinende, gemaserte Randzone von der hellbraunen, opaken, nachwachsenden Mittelzone ausgefüllt. Tiefliegende: Homogen granuliert, gelbgrau. Verflüssigt nieht. Nach ca. 5 Tagen fluoresziert die Gelatine leuch- tend grün. Gelatinestich: Stich kömig, stark bewachsen; Auflage zackig, graugrünlich, matt bis saftig glänzend, sinkt allmählich leicht napfförmig ein. Gelatine fluores- ziert leuchtend grün bis gelbgrün. Agarstrich: Belag reichlich ausgebreitet, grünlich weiß, saftig glänzend, mit leicht gewelltem bis glattem Rande, später stark schleimig. Kondenswasser trübe mit weißem Bodensatz und grünlich-weißem Häutchen. Agar fluoresziert intensiv grün, meist etwas bläulicher als Gelatine. Wird im Alter braun. Agarstich: Stich fadenförmig, uncharakteristisch; Auflage und Fluoreszenz wie bei der Strichkultur. Bouillon: Anfangs Trübung ohne Verfärbung, nach ca. S Tagen allmähliche, oben beginnende grünliche Verfärbung. Bodensatz grauweiß, fadenziehend, Häutchen weiß bis blaßgrün. Milch: Bleibt äußerlich unverändert; bildet mitunter ein sehr zartes, weißes Häutchen, und nach monatelangem Stehen eine schmale, unverfärbte Aufhellungs- schicht. Reaktion schwach alkalisch. Kartoffel: Belag reichlich, erhaben, braungelb, anfangs matt. Später kartoftelfarben, saftig glänzend, verschleimt und hinabgeflossen. Bemerkungen: Unterscheidet sich von Baet. fluorescens (Flügge) L. et N. nur durch den Mangel an Gelatineverflüssigung, das Verhalten zu Milch und den schleimigeren Belag. Stimmt mit Baet. putidum (Flügge) Lehm. et Neum. p. 317 und Baet. flworescens non liquefaeiens Matzuschita p. 356 überein. Tataroff hat bei seinem Bae. fluorescens putidus Sporen nachgewiesen (l. ce. p. 42). Violetten und blauen Farbstoff bildend. 11. Bacterium violaceum (J. Schröter) L. et N. Mikroskopisches Aussehen: Stäbehen mit abgerundeten Enden, Länge 2,2—3,1 u, Breite 0,5—1,1 y, mitunter kurze Ketten bildend, 182 Guido Schneider: Eigenbewegung: Lebhaftes Hin- und Herschießen und Rotieren. Färbbarkeit: Gramnegativ. Wachstum: Ziemlich schnell; bevorzugt 22". Wasserplatte: Aufliegende, wasserhelle, tröpfehenartige Kolonie, verflüssigt. °%/,. Kern hellgrau, granuliert, Randzone durchscheinend, gelappt, gemasert. Gelatineplatte: a) Nat. Größe: Aufliegende: Wie auf der Wasserplatte. Tiefliegende: Un- durchscheinend, punktförmig. b) Bei 7Ofacher Vergrößerung: Aufliegende: Typhusähnlich, wie auf der Wasserplatte. Tiefliegende: Kreisrund, sehr fein granuliert, anscheinend doppelt konturiert, weil eine ganz schmale, hellere Randzone vorhanden ist. Nach 10 Tagen noch keine violette Färbung, Kolonien nur brauner und gröber granuliert. Verflüssigt langsam. (Platte nach 10 Tagen noch unverflüssigt). Gelatinestich: Strich uncharakteristisch; Auflage grauweiß, knöpfechenartig. Verflüssigung beginnt nach etwa 8 Tagen, erst schalenförmig, dann zylindrisch. Bodensatz fleckig violett, Häutchen intensiv violett gesäumt. Agarstrich: Belag anfangs grauweiß, saftig glänzend, wellig glattrandig, sich langsam über die ganze Oberfläche ausbreitend. Kondenswasser klar, mit weißem Bodensatz und weißem Häutchen. Erst nach längerem Stehen färben sich Bodensatz und Häutchen erst blaß-, dann dunkelviolett, und auch im bräunlich gewordenen Belage finden sich mitunter violette Stellen. Agarstich: Stich fadenförmig, uncharakteristisch. Auflage wie in der Strich- kultur, später mit schwach grauviolettem Saum. Bouillon: Mäßig getrübt, mit fadenziehendem, anfangs grauem, dann violettem Bodensatz und zartem, grauem, violett gesäumtem Häutchen. Milch: Nicht koaguliert, sondern im Laufe eines Monats in eine violettgraue Flüssigkeit verwandelt, mit weißem Bodensatz und violett gesäumtem, grauem Häutchen. Kartoffel: Belag matt, anfangs graugelb, dann blaßviolett, fein gekörnelt, endlich (nach ca. 14 Tagen) intensiv violett bis schwarzviolett, stark erhaben mit gewundener oder gekörnelter Oberfläche. Im Alter zuweilen braun werdend. Bemerkungen: Identisch mit Baect. violaceum (J. Schröter) L. et N. p. 307, und nach Lehmann und Neumann folglich wohl auch mit Bact. janthinum Zopf, Bac. violaceus Laurentius (Lustig p. 105), Bac. violaceus (Lustig p. 75), und Bac. violaceus Mac& (Ann. d’hygiene 1887). Auch Mez beschreibt es, p. 51. 12. Bacterium indigoferum (Voges) Mez. Mikroskopisches Aussehen: Coliartige Kurzstäbchen mit abgerundeten Enden, Länge 0,5—1,3 y., Breite 0,5 y. Eigenbewegung: Ungemein lebhaft, an Typhus und Coli erinnernd. Färbbarkeit: Gramnegativ. Wachstum: Schnellwüchsig; Temperaturoptimum 22—37°, doch auch bei Zimmertemperatur gutes Wachstum. Wasserplatte: Stark rot-blau-grün irisierende coliartige Auflagerungen. ?%/ı. Der Obersee bei Reval. 183 ID Weinblattartig gelappter, durchscheinender, gemaserter Rand, dann bräunliche, eben- falls gemaserte Mittelzone mit dunkler braunem Kern. Keine F arbstoffbildung. Gelatineplatte: a) Nat. Größe: Aufliegende: Wie auf der Wasserplatte. Tiefliegende: Rund bis wetzsteinförmig. b) Bei TOfacher Vergrößerung: Aufliegende: Anfangs ganz durchscheinende, zarte Auflagerungen ohne Kern, später durchaus coliartig, wie auf der Wasserplatte. Tiefliegende: Rund bis wetzsteinförmig, fein granuliert. Keine Verflüssigung und keine Farbstoffbildung. Gelatinestrich: Belag anfangs durchscheinend, wellig glattrandig, stark irisierend. Später diek, opak, saftig glänzend, am Rande gekerbt, ganz leicht grünlich-weiß getönt. Gelatinestich: Stich fadenförmig, mit Knötchen, an den Rändern gezähnt. Auflage rund oder gelappt, wie die Kolonie auf der Platte, später schalenförmig einsinkend mit stark gelappten Rändern. Agarstrich: Belag anfangs dünnschichtig mit festerer Mittelrippe, prachtvoll in allen Farßen irisierend. Später opak, weiß, saftig glänzend, ganz ausgebreitet, Rand wellig bis gelappt. Kondenswasser trübe mit reichlichem grünlichgelbem Bodensatz und festem Häutchen. Der Agar tingiert sich leicht bräunlich gelb. Agarstich: Stich ungleichmäßig bewachsen, gekörnelt, am Rande fein ge- zähnt. Belag opak, ausgebreitet, ganz leicht bräunlich. Bouillon: Stark getrübt mit reichlichem, grauweißem, fadenziehendem Boden- satz, kein Häutchen. Milch: Wird nicht koaguliert und nicht verfärbt. Bei Traubenzuckerzusatz bildet sich ein sehr geringer, blaßblauer Bodensatz. Kartoffel: Belag sehr reichlich, erhaben, saftig glänzend oder matt und ge- körnelt, sehr bald die ganze Kartoffel bedeckend. Anfangs ist er kartoffelfarben, “nach einigen Tagen bilden sich blaue bis schwarzblaue Inseln und Flecken, während gleichzeitig die Ränder teilweise blau werden. Die Hauptmasse des Be- lages behält jedoch die erste Farbe bei. Bei alkalischer Reaktion ist der Farb- stoff schmutzig grün. Bemerkungen: Nach 5tägigem Stehen bei 37° wurden für 100 cem 2pro- zentiger Traubenzuckerbouillon 3,2 cem !/ı N.—NaOH verbraucht. Traubenzucker- bouillon wurde nicht vergoren. Mit dieser Art sah ich mich der Schwierigkeit gegenübergestellt, einen Farb- stoffbildner, der seine Farbstoffproduktion zum größten Teil eingebüßt hat, zu be- stimmen. Doch da das Verhalten sonst typisch coliartig (siehe Baet. indigoferum Mez p. 50), der Farbstoff auf Kartoffel bei alkalischer Reaktion schmutziggrün war, und einmal, nach längerer Züchtung auf Kartoffel, auch auf Gelatine ein ganz schmaler blauer Saum erzielt wurde, mußte diese Art als Bacterium indigoferum (Voges) Mez angesehen werden. Bestimmt nach Mez p. 50, Lehmann et Neu- mann p. 309, Zimmermann II p. 16, Matzuschita p. 356. Anhang zu: Il. Das Wasser. Nachdem ich schon den größten Teil meines Manuskripts nach Berlin abge- schiekt hatte, gelang es mir, was während der schlimmsten Revolutionszeit nicht gut möglich war, eine Winterexkursion auf den Obersee zustande zu bringen zum Zweck der Untersuchung der Temperatur, des Sauerstoffgehaltes und des Planktons unter der Eisdecke. Am 19. Februar dieses Jahres (1906) begab ich mich in Begleitung des Herm H. v. Winkler und mit mehreren Arbeitern auf das Eis des Sees. Der am Morgen noch klare Himmel bedeckte sich etwa um 10 Uhr vorm., also kurz vor Beginn unserer Untersuchungen mit einer ununterbrochenen Wolkenschicht. Die Luft- temperatur betrug um 1 Uhr am Tage — 1,6°C. Der Wind wehte aus SW mit einer Stärke von etwa 3 bis 4 Beauf.; der Barometerstand war 760 mm. Die Mächtigkeit des Eises schien überall 35 bis 39 cm zu betragen, war also viel ge- ringer als am 18. Februar 1905, wo sie etwa 75 cm betrug. Der Wasserstand war sehr niedrig, etwa 36,7 m über dem Wasserspiegel. Alle Beobachtungen wurden an Eislöchern ausgeführt, die nur zu diesem Zweck, mit Durchmessern von etwa Y» m und möglichst fern von solchen Stellen, wo sich natürliche oder künstliche Spalten und Wuhnen befanden, gebrochen wurden. War durch ein Instrument der Bodenschlamm aufgewühlt worden, so ließen wir durch die Arbeiter in geringer Entfernung ein neues Loch schlagen, an dem die Be- obachtungen fortgesetzt wurden. Im ganzen wurden drei Stationen gemacht, die ich mit I, II und III bezeichnen will. Um 10 Uhr 25 Min. vorm. wurde bei Station I in der Nordbucht in der Nähe des Ausflusses die Tiefe gemessen, die hier 1,52 m betrug, und vom Grunde eine Probe zur Sauerstoffanalyse genommen. Um 11 Uhr vorm. wurde Station II erreicht, deren Lage nach der in Kap. II angegebenen Örientierungsweise durch die Formel „Ostrinne, Linie Moik-Liiwa“ bestimmt ist. Hier war die Tiefe 1,56 m. Das Wasser war so durchsichtig, daß der weiße Teller von 24 em Durchmesser bis auf den Boden sichtbar blieb. Die Dicke des Eises betrug 38,5 cm, die Wassertemperatur dicht unter der Eisdecke + 0,4°C, am Boden + 1,25°C. Das Plankton war hier am reichlichsten vor- handen, viel mehr als an den beiden anderen Stationen und sogar mehr als in vielen Sommerproben, nämlich etwa 24,5 cem in 1000 Litern Wasser. Es war aber sehr monoton und bestand zum größten Teil aus Diaptomus graciloides Lillj., von dem zahllose Exemplare zum Teil mit Eiern und Spermatophoren, vorhanden Der Obersee bei Reval. 155 waren. Cyelops strenuus Fischer war viel weniger vorhanden, und von Daphnia hyalına Leyd. var. galeata G. O. S. fand ich nur sehr wenige Exemplare. Von Rotatorien waren zahlreich nur Notholea longispina Kellieott und Anuraea aeuleata Ehbg. vertreten. Anwraea cochlearis Gosse fand sich selten. Das Phytoplankton war außerordentlich arm. Es bestand nur aus wenig zahlreichen, aufgelockerten Kolonien von Clathroeystis aeruginosa Henfr., Microeystis viridis Lemm. und spär- lichen Fädchen von Fragilaria crotonensis Kitton und Melosira sp. Die Wasser- probe, welche, wie auch alle übrigen an diesem Tage zur Sauerstoffanalyse entnommenen Proben, nahe der Schlammoberfläche mittels einer mit Stickstoff ge- füllten Flasche aus braunem Glase entnommen und nach der Heimkehr von !L. v. Winkler in seinem Laboratorium untersucht wurde, zeigte nur 0,57 ccm Sauerstoff im Liter Wasser. Es war jedoch beim Öffnen der Flasche am Seeboden viel Schlamm aufgewirbelt worden, der das Wasser verunreinigte und wahrscheinlich schuld war an der so auffallend geringen Menge Sauerstoff, die gefunden wurde; denn es dauerte doch wenigstens drei Stunden, bis die Titrierung nach der Winklerschen Methode eingeleitet werden konnte, und in dieser Zeit hatten viel- leicht der Schlamm und die in ihm lebenden Diatomaceen viel Sauerstoff absorbiert. Als Station III wählten wir um 11 Uhr 45 Min. den in Kap. II als „West- rinne, Linie Moik-Liiwa“ bezeichneten Ort. Die Tiefe betrug hier 2,10 m, und der weiße Teller war bis in 1,5 m Tiefe sichtbar. Die Eisdeeke war genau so dick wie bei der Station II. Die Wassertemperatur betrug dicht unter dem Eise + 0,02°C und am Boden + 0,9°C. Die Zusammensetzung des Planktons war hier dieselbe, wie an der Station II, die Quantität aber viel geringer. In einem Vertikalfang aus der Tiefe von 1,5 m bis an die Oberfläche fanden sich 450 Exem- plare von Diaptomus graciloides und Cyelops strenuus zusammen und die übrigen Organismen nur in verschwindend kleiner Zahl. Das Rohvolumen ließ sich aus diesem Fang auf etwa 3,6 cem.in 1000 Liter Wasser berechnen. Es wurden an dieser Station zwei Proben zur Sauerstoffuntersuchung genommen, beide aus etwa 2 m Tiefe und nur wenige Meter von einander entfernt, und doch erwies sich eine große Differenz im Sauerstoffgehalt. Die eine Probe, deren Wasser ein wenig durch Schlamm verunreinigt war, zeigte nur 2,85 cem, die andere, ohne sichtbare Verunreinigungen, aber 7,99 cem Sauerstoff im Liter Wasser. Auf dem Rückwege wurde nochmals um 1 Uhr 15 Min. die Station I besucht und festgestellt, daß hier die Durchsichtigkeit ebenfalls 1,5 m betrug. Die hier entnommene Planktonprobe war von allen an diesem Tage gefischten die ärmste, Sie ergab an Rohvolumen nur etwa 2,5 cem in 1000 Liter Wasser und bestand aus- Diaptomus graciloides, sehr wenig Oyelops strenuus und einigen Exemplaren von Anuraea aculeata. Die schon um 10 Uhr 25 Min. hier entnommene Wasserprobe war recht stark durch Schlamm verunreinigt und zeigte nur 1,19 cem Sauerstoff im Liter Wasser. Die auffallend geringe Menge des Phytoplanktons in allen Februarproben aus dem Obersee scheint mir anzuzeigen, daß eine Eisdecke von höchstens 39 cm Dicke nebst einer dünnen Schneedecke von vielleicht 10 bis 15 cm Höhe doch schon genügt, um soviel Licht abzuhalten, daß die Algenvegetation unterdrückt 186 . Guido Schneider: wird. Das Nahrungsbedürfnis des stellenweise recht reichlichen Zooplanktons, das bei Station IT das Quantum der reicheren Sommerfänge erreichte, kann unmöglich nur durch das gleichzeitig vorhandene Phytoplankton befriedigt werden, und ich muß annehmen, daß die Planktontiere sich hauptsächlich von der während der eisfreien Jahreszeit massenhaft gebildeten organischen Substanz ernähren, die als abgestorbene Algenzellen den Boden bedeckt. Damit würde auch gut die Beob- achtung R. Lauterborn’s') übereinstimmen, der in einigen Gewässern der Ober- rheinebene eine an Arten und teilweise auch an Individuen sehr reiche Tierwelt fand, die „sowohl im Schlamme am Grunde der Gewässer als auch in den freien Wasserflächen unmittelbar unter der Eisdecke“ im Winter jene Gewässer belebt. Mir schien es, daß im ÖObersee die Copepoden sowohl an der Oberfläche des Schlammes, als auch dicht unter der Eisdecke am meisten vorhanden waren und dieselben Arten (Diaptomus graciloides und Cyelops strenuus) einerseits organischen Detritus vom Boden und andererseits die spärlich unter dem Eise vegetierenden Algen verzehren. Die äußerst geringe Artenzahl, die das Zooplankton des Ober- sees im Winter aufweist und die geringer ist als im Winterplankton finnländischer Seen, welche von K. M. Levander?) untersucht wurden, zeigte an, daß die Lebensbedingungen im Obersee nur für wenige Arten sich im Winter erträglich gestalten. Die Spärlichkeit des Vorkommens von lebenden Planktonalgen einer- seits, die durch den Lichtmangel bedingt wird, und andererseits der stellenweise sehr geringe Sauerstoffgehalt sind wohl die Hauptursache der Monotonie des Zoo- planktons im Winter. Die sehr verschiedenen Resultate unserer Sauerstoffbestimmungen beweisen, gleichviel ob die Sauerstoffabsorption durch Schlamm in der Probenflasche oder im See vor sich gegangen ist, daß der Schlamm an seiner Oberfläche Substanz enthält, die in kurzer Zeit Sauerstoff absorbieren kann. Die geringe Menge lebender Pflanzen kann nur sehr wenig zur Produktion von Sauerstoff beitragen. Durch Spalten und Risse im Eise, die infolge von Niveauveränderungen des Wassers entstehen, und deren ich einige während meiner Exkursion beobachten konnte, kommt stellenweise das Wasser in nähere Berührung mit der Luft und kann sich hier mit Gas sättigen, das alsdann durch Diffusion sich allmählich weiter der übrigen Wassermasse mitteilt. Auch künstlich angelegte Wuhnen befördern die Aörierung des Wassers im Obersee, da im Nordosten, in der Nähe der Mündung des Moikschen Baches jährlich große Eismengen zur Versorgung der Stadt Reval mit Süßwassereis abgeführt werden. Es scheint also, daß bei der geringen Ent- faltung vegetativen Lebens die Sauerstoffdiffusion von der Oberfläche her im Winter genügen muß, um einem verhältnismäßig individuenreichen Zooplankton das Dasein zu ermöglichen, ungeachtet der Sauerstoffabsorption durch die Schlammoberfläche im Obersee. Die Versorgung eines Sees mit Sauerstoff auf diesem Wege ist eben nur denkbar, wenn die Oberfläche groß und die Tiefe so gering ist wie im Obersee, weil bekanntlich die Verbreitung des Gases im Wasser durch Diffusion sehr lang- ı) R. Lauterborn, Über die Winterfauna einiger Gewässer der Oberrheinebene. Biolog. Centralbl. Bd. XIV. Nr. 11, 1894, p. 8390—898. 2) K. M. Levander, Kleine Beiträge zur Kenntnis des Tierlebens unter dicker Eisdecke in einigen Gewässern Finnlands. Meddel. Soc. pro F. et Fl. Fennica. H. 20, 1894, p. 66—71. Der Obersee bei Reval. 187 sam vor sich geht.) Um so auffallender ist der hohe Sauerstoffgehalt, der von uns aus 2 m Tiefe bei der Station II in einer Probe konstatiert wurde, nämlich 7,99 ecem im Liter, während die von Herrn v. Winkler im Februar 1905 titrierten Proben von Oberflächenwasser aus alten künstlichen Wuhnen nur 6,8 bis 7 cem ergaben (s. S. 26). Ich hätte nicht erwartet, daß ein so hoher Sauerstoffgehalt am Grunde des Obersees im Februar überhaupt möglich wäre, und kann mir dieses vereinzelte Resultat, das noch der Nachprüfung bedarf, vorläufig nicht erklären. Die gleichzeitig gefischte Planktonprobe war keineswegs reicher an grünen Algen, als die übrigen. ı) M. v. Fürth, Vergleichende chemische Physiologie der niederen Tiere. Jena. Verlag von G. Fischer. 1903, p. 125. Sehluss. Der Obersee, der größte See Estlands mit einer Oberfläche von 922 ha, ist ein Quellsee. der, wie A. v. Miekwitz nachgewiesen hat, aus einem weit größeren, in der Glazialzeit gebildeten Flußsee entstanden ist. Er erhält zur Zeit sein Wasser sowohl aus den ihn im Süden und Osten umgebenden Torfmooren und Sümpfen, als auch aus Quellen, die zwischen den untersilurischen Kalksteinschichten am Ostufer hervorbrechen. Der Öbersee ist ferner em Dammsee. Die natürliche Talsperre, der Damm, der das Wasser aufstaut, wird von Sanddünen gebildet, aus- denen in einer Aus- dehnung von ungefähr 4 km das nordwestliche und westliche Ufer des Sees besteht. Die Wanne des Obersees ist sehr flach im Osten und wird nach Westen sukzessiv tiefer. Am tiefsten ist sie in der Nähe des nordwestlichen Ufers, wo ihre Tiefe, gerechnet von der Oberfläche des Sees, ungefähr 12 m erreicht. Das eigentliche Seebecken ist überall seicht und erreicht nur an wenigen Stellen Tiefen von etwa 4,5 m. Die Mächtigkeit der im Obersee abgelagerten Sedimente ist sehr bedeutend und nimmt immer noch schnell zu, weil durch Abrasion der Torf- und Wiesenufer im Südwesten, Süden und Osten viel Schlamm gebildet wird, der mit reichlichem Fhugsand vermengt fast ausschließlich am Grunde des Sees sich ablagert. Da nämlich ein natürlicher oberirdischer Abfluß nicht mehr besteht und der Zutritt des Wassers zu den künstlich angelegten Wasserleitungsgräben und -rohren durch Schleusen reguliert wird, geschieht die Wasserabfuhr sehr langsam, und nur ein ganz verschwindend kleiner Teil des Schlammes verläßt auf diesem Wege den See. Am Westufer erstrecken sich die Sedimente stellenweise bis unter die Ufer- dünen, deren Vorrücken gegen den See hierdurch erwiesen ist. Infolge dieser Dünenwanderung und der Abrasion der Ufer an anderen Stellen verändert der Obersee seine Gestalt und verschiebt sich im allgemeinen in der Richtung von West nach Ost. Die Temperatur des Wassers im Obersee ist starken täglichen und jährlichen Schwankungen unterworfen und zeigt wegen der geringen Tiefe und der abgerun- deten Form des Sees nur ganz minime Unterschiede zwischen den Temperaturen der Oberfläche und des Seebodens. Die Durchsichtigkeit des durch stickstoffreie organische Substanz schwach gelblich gefärbten Wassers ist im Sommer sehr gering. Der Obersee bei Reval. 189 In der chemischen Zusammensetzung des Wassers ist der Obersee- dem See Bologoje der Waldaigegend ähnlich, der gleichfalls nicht tief ist und sein Wasser aus Sümpfen erhält. Vorteilhaft zeichnet sich das Wasser des Obersees durch größere Härte und das Fehlen gelöster Stickstoffverbindungen vor dem des Bolo- gojesees aus. An Plankton ist der Obersee quantitativ sehr reich namentlich während der warmen Jahreszeit. Nach Erreichung des Maximums der Wassertemperatur im Hochsommer vermindert sich für einige Wochen die Menge des Planktons, um gegen Ende August wieder zuzunehmen analog der von A. Lebedinzeff für den See Pestowo im Waldaigebirge festgestellten Planktonkurve.!) In der Flora des Obersees, der ein echter Ghroococcaceensee ist, spielen mehrere Wasserblüte bildende Myxophyceen, unter ihnen eine neue Art, Anabaena levanderi Lemm., die Hauptrolle. « Auch die Diatomaceen mit einer neuen Art von Synedra und die Chlorophyceen, mit Ausnahme der schwach vertretenen Desmidiaceen, sind reichlich vorhanden. Sehr schwäch vertreten nach Arten wie Individuenzahl sind aber die Flagellaten und Peridineen. Es fehlen z. B. die Volvocineen. Die Litoralflora bildet einen breiten am östlichen und nördlichen Ufer auf weite Strecken unterbrochenen Gürtel, m dem ich drei Zonen unterscheide und als Carex-, Graphephorum- und Phragmiteszone bezeichnet habe. Von pathogenen Bakterien ist bisher nur Bacterium coli im Obersee kon- statiert worden. In der Fauna überrascht uns noch mehr als in der Flora des Obersees das Fehlen zahlreicher Formen, die in den Seen der Nachbarländer reichlich zu finden sind. Einerseits hat die isolierte Lage des Sees der Besiedelung große Hinder- nisse bereitet, andererseits macht das starke Schwanken der Temperatur des Wassers im Sommer und der Mangel an geschützten Buchten zahlreichen Arten die Existenz im Obersee unmöglich. Es fehlen von Protozoen die Amoeben und Heliozoen. Es fehlen die Spongien und Bryozoen. Unter den Rotatorien fehlt der größte Teil der Arten, die z. B. von K. E. Stenroos im See Nurmijjärvi in Finnland gefunden worden sind. Häufig ist eine Form von Brachionus angularis mit granulierter Hülle. Die Anneliden sind nur in wenigen Arten vertreten. Unter den parasitischen Nematoden fehlt das Genus Ascaris vollständig. Die frei lebenden Nematoden dagegen sind reichlich vorhanden, und es fanden sich unter ihnen wenigstens zwei neue Arten (Ohromadora lehberti und ©. revaliensis). Unter den Örustaceen werden die Gattungen Eurytemora, Heterocope, Holo- pedium und Limmosida besonders vermißt, während Biythotrephes cederstroemi und Leptodora kindti reichlich vorhanden sind. Unter den Mollusken fiel uns besonders das Fehlen von Ancylus fluviatilis auf, den weder Dr. A. Luther, noch ich im Obersee haben finden können. Eigentümlich ist die Fischfauna. Salmoniden fehlen, und die vorhandenen Fischarten, mit Ausnahme von Gasterosteus pungitius, sind die gemeinsten Nutzfische !) A. Lebedinzeff, Versuch einer hydro-chemisch-biologischen Untersuchung eines Sees. Aus der Fischzuchtanstalt Nikolsk, Nr. 10, 1906. Diagramm 1. 190 Guido Sehneider. Estlands: Hecht, Brachsen, Plötze, Quappe, Barsch und Kaulbars. Es fehlen alle als Speisefische ungeeigneten Cypriniden, z. B. Albürnus lueidus, Leueiscus erythroph- thalmus, L. vulgaris, Phoxinus laevis, Gobio fluwviatilis, die in anderen Gewässern Estlands und im Finnischen Meerbusen reichlich vorkommen. Bei der Größe des Sees ist der Gedanke, diese Nahrungskonkurrenten von Abramis brama und Leu- eiseus rutilus wären systematisch in früheren Zeiten ausgerottet worden, gar nicht zulässig. Die Zusammensetzung des Fischbestandes im Obersee macht eher den Eindruck, als hätte man mit Absicht einen ganz fischleeren See mit nur wenigen Arten besetzen wollen. Wie dem auch sein mag, es beweist die Fischfauna besser als alles andere die seit Jahrhunderten bestehende Isolation des Obersees. Es ist aber noch nicht möglich, die Frage zu entscheiden, wann der See völlig von jeder für Fische und andere Wassertiere passierbaren Verbindung mit anderen Gewässern abgeschnitten wurde, weil weder die quartäre Geologie der nächsten Umgebung, noch die Fauna der anderen Gewässer Estlands so genau studiert sind, » daß man sichere Schlüsse darauf bauen kann. Tafel-Erklärung. Tafel 1. Der nördlichste Teil vom Obersee mit den Sanddünen (links) und der Stadt Reval (rechts) im Hintergrunde, vom Nordostufer aus photographisch aufgenommen von Ing. Carl Schneider. Tafel 2. Fig. 1. Drei junge Exemplare von Leueiscus rutılus, die mit Cysten von Ichthy- ophthirius multifiliis behaftet sind. !/ı natürl. Größe. Fig. 2. A. Anodonta variabılıs, Sandform vom Ostufer. Etwa "/ natürl. Größe. B. Anodonta variabilıs, Schlammform vom Westufer. Etwa !/s natürl. Größe. 3. Tetracotyle ovata (Larve von Holostomum varıiegatum Duj.), Längsschnitt durch das Tier in der Cyste, ungefähr in der Medianebene. Vergr. X 40. Rechts der Mundsaugnapf, links die Bauchdrüse und vor letzterer der Bauchsaugnapf. 23) = = = Fig. 4. Tetracotyle ovata, von oben Totalansicht der Pigmentverteilung. Vergr. X 60. Fig. 5. Tetracotyle ovata, Querschnitt durch die Bauchdrüse und die Hinterenden der beiden Darmschenkel. Vergr. X 800. Fig. 6. Tetracotyle ovata, Schnitt durch mehrere Pigmentkugeln. Vergr. x 800. Tafel 3. Profile des Untergrundes vom Obersee, nach A. v. Mick witz. Tafel 4. Karte vom Obersee, nach A. v. Miekwitz. Bezüglich der Tafeln 3 und 4 vergl. p. 17—19 im Text. Tafel 5. Die Durchsichtigkeit (Kurve E), die Temperatur an verschiedenen Stellen des Obersees (Kurven A, B, C und D) und Planktonmengen (Fig. F), im Rohvolumen gemessen, aus den Sommermonaten des Jahres 1904 in graphischer Darstellung. Über die Durchsichtigkeit des Wassers vergl. p. 30, über die Temperatur p. 23—27 und über die quantitative Planktonbestimmung p. 23—30 im Text. Tafel 6 bis 10. Die Bakterienmengen, die Temperatur und die Durchsichtkeit des Obersee- wassers, nach Proben aus der Revaler Wasserleitung von H. v. Winkler nach seinen eigenen Untersuchungen graphisch dargestellt für die Jahre 1901 bis 1905 (einschl.), und dazu die Höhe des Wasserstandes im Obersee und die Menge der Niederschläge ebenfalls in graphischer Darstellung. Inhalts-Verzeichnis. Einleitung z : 3 I. Lage, Entsbehrine il ee enstonen des OD I. Das Wasser IH. Der Schlamm - IV. Die Vegetation. V. Die Fauna a) Protozoa b) Spongiae c) Coelenterata d) Plathelminthes e) Acanthocephala f) Nematoda ) Anmnelida h) Rotatoria 1) Orustacea k) Tardigrada )) Arachnoideu . m) Insecta n) Mollusca 0) Bryozoa p) Vertebrata : A VI. Die Zusammensetzung a biologischen Vorkälhunds des Planktons im Obersee. Von K. M. Levander VII. Fauna und Flora der Revaler Wasserleitung . VIII. Die Bakterien 30 SEE 0: 0, a) Die Revaler Wasserleitung und das in ihr strömende Wasser aus dem Obersee bezüglich seiner chemischen Zusammensetzung, seiner Temperatur und seines Bakterien- gehaltes. Beschrieben von Henry von Winkler b) Zwölf Bakterien des Revaler Wasserleitungswassers. Von Ebba von Husen Anhang zu: II. Das Wasser Schluß Tafel-Erklärung Seite 3— Al 13— 20 21— 32 33— 57 33— 55 56—124 56— 6 61 61— 62 62— 67 68 683— 74 74— 715 75— 11 77— 80 s0 80— 81 81— 85 85— 87 87— 88 88124 125— 143 144—152 153—183 154—167 168—183 154— 187 188— 190. 191 'sH NS uag "ONYDIEIS le el \ II 'pg 1dojouoıg An} alyaıy Er = —— Archiv für Biontologie, Bd. II. Tafel II. 1 2 J. F. Starcke, Berlin SW. 48. = gamsumsg'yn] ggolpryN ur) 'gelS TEN. dOTeNILI9 IA SE UMTSSMA SL A &L a [2 ol 6 8 L 9 Ei " 8 [2 4 [4 E& WUPDISSNL 05L 00L 059 009 055 005 05% 00h 0SE 008 08% 00% [777 00L 08 o "qeisgep] IOTEFUOZLION Do 5 F CNTITe _ Ei FE PUnS CE Do LÜGE HH Zen 00% = GTZ, HET. 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Be Von Walther von Knebel F. 2. Nene Beiträge zur Kenntnis der Histologie und Ent- ii ‘ wicklung von Sycon raphanus. Von Ernst Hammer. 3 chungen über die Augen pentamerer Käfer. : Von Otto Kirchhoffer. 4. Über Isopoden: 15. Aufsatz. = Von Dr. Karl W. Verhoeff. , 5. Die Entstehung und das Verhalten neuer Getreide- varietäten. Von Fisdsich Körnicke Y. Mit 21 Tafeln. ee Berlin. In Kommission bei R. Friedländer & Sohn. 1909. Archiv für Biontologie. Herausgegeben von der Gesellschaft naturlorschender Freunde zu Berlin. II. Band, 2. Heft. l. Die Eryoniden des oberen Weißen Jura von Süd- deutschland. Von Walther von Knebel }. 2. Neue Beiträge zur Kenntnis der Histologie und Ent-= wicklung von Sycon raphanus. Von Ernst Hammer. 3. Untersuchungen über die Augen pentamerer Käfer. Von Otto Kirchhoffer. 4. Über Isopoden: 15. Aufsatz. Von Dr. Karl W. Verhoeff. 5. Die Entstehung und das Verhalten neuer Getreide- varietäten. Von Friedrich Körnicke }. Mit 21 Tafeln. —K EEE Berlin. In Kommission bei R. Friedländer & Sohn. 1909. Ne ü; Im FL KL FO Die Eryoniden des oberen Weissen Jura von Süddeutschland. Walther von Knebel 7. Mit Tafel XTI—XV und 2 Figuren im Text. Berlin. In Kommission bei R. Friedländer & Sohn. 1907. BES. und E: a \ FR ’ = # PR. ’ N x j# . Er N Ur IE r 1 Y fi 4 Ye x f :JasE 3 - * . 4 | » N Ruh | 2 la y y a i I BE ATER [ fe * 4 w Ira | 1 ‚a FO TE IE 1t ur wo Einführung. Untersuchungsmaterial, Hauptergebnisse. Das Tierreich mag wenig Klassen und Ordnungen aufweisen, deren Studium gerade den Paläontologen in gleicher Weise zu fesseln vermöchte, wie die Krebse. Von den fossilen Tierformen besitzt man ja nur die Hartgebilde und diese stellen — seien es die Schalen von Mollusken, seien es die Platten der Echino- dermen, seien es die Skelette der höchsten Formen des Tierreiches — stets nur mehr oder weniger unzulängliche Teile dar, welche uns von der Organisation des Tieres selbst nicht allzuviel zu sagen vermögen. Anders verhält es sich aber bei den Krebsen, namentlich bei den höheren Formen derselben. Bei diesen ist der ganze Körper von einem festen Hautpanzer umgeben, dessen Form sich eng an die Organe anschmiegt, die er verhüllt. Da nahezu der gesamte Hautpanzer auch fossil erhaltungsfähig ist, so ist es möglich, bei sorgfältiger Präparation der einzelnen fossilen Stücke den gesamten Aufbau des Körpers jener ausgestorbenen Formen zu ermitteln.) Oftmals wird allerdings jede Präparationsmethode versagen. Nicht in jedem Gestein sind die Fossilien gleichmäßig gut erhalten und namentlich die oft nur sehr feinen Häute, welche die einzelnen Glieder einhüllen, sind bis zur Unkennt- lichkeit zerdrückt oder aber überhaupt nicht mehr zu finden. Glücklicherweise aber kam es vor, daß die abgestorbenen Krebstiere oftmals in einen weichen, fein- körnigen Kalk- oder Tonschlamm eingehüllt wurden, so daß alle ihre Organe, wenn auch etwas gepreßt, so doch in ihren Umrissen nur wenig verändert, sich er- halten konnten. In den feinen Kalkschiefern des obersten Weißen Jura, namentlich aus der Gegend von Solnhofen und Eichstedt in Bayern, ferner Nusplingen in Württemberg, kommen die Fossilien zahlreicher Krebse vor, welche in derartig glücklicher Weise in das Gestein eingepackt wurden. Wenn auch selbst hier wohlerhaltene Stücke zu den Seltenheiten gehören, so ist es doch nicht so schwer, ein reichliches Unter- suchungsmaterial zu erhalten, denn infolge des Umstandes, daß diese Schichten zu lithographischen Schiefern ausgebeutet werden, hat sich namentlich in Solnhofen 1) „Bei sorgfältiger Präparation“ muß betont werden, denn nur unter stärkerer Vergrößerung (20 -60fach linear) ist es überhaupt möglich diese Präparation auszuführen. Mit den feinsten Nadeln muß Körnchen um Körnchen des Gesteins entfernt werden, bis schließlich nur noch das Tier selbst an allen Fugen und Nähten geputzt daliegt. Die Präparation eines derartigen Tieres ist nicht die Arbeit von Stunden, sondern, je nach der Härte des Gesteins, von Wochen, ja Monaten. 1* 196 Walther von Knebel: einer der größten und ältesten Steinbruchsbetriebe der Welt gebildet. Sorgfältig wird zu technischen Zwecken Platte um Platte des dünnschichtigen Gesteins ab- gehoben, wobei fast alle in den Platten enthaltenen Fossilien zum Vorschein kommen. Von den Krebstieren der Solnhofener Plattenkalke beansprucht, wie wir später sehen werden, namentlich die Familie der Eryoniden ein ganz besonderes Interesse. Als ich während meiner Tätigkeit in Erlangen in den Jahren 1902—1904 Gelegen- heit hatte, die in der dortigen Sammlung befindlichen jurassischen Krebse durch- zuarbeiten, habe ich ganz besonders den Eryoniden meine Beachtung geschenkt. Unter meiner Anleitung erschien daselbst die Inaugural-Dissertation von G@. Peiser in Gestalt einer kleineren Abhandlung über die Gattung Eryon.!) Weitere Studien habe ich an dem reichen Material der Universitätssammlungen in Berlin und München, welches mir in gütigster Weise von den Herren Professoren W. Branca und A. Rothpletz zur Verfügung gestellt wurde, sowie an einzelnen Stücken der Sammlungen des Naturhistorischen Museums zu Wiesbaden, die mir ebenfalls in freundlichster Weise zur Bearbeitung überlassen wurden, vor- nehmen können. Es ist mir eine angenehme Pflicht, an dieser Stelle den genannten Sammlungen bezw. deren Direktoren meinen ganz ergebensten Dank zum Ausdruck zu bringen. Auf Grund einer derartigen Durchsicht des vorhandenen Materials an Eryo- niden und geeigneter Präparation desselben ist es mir nunmehr gelungen, nicht nur die genauen Formen der Tiere und die Proportionen der einzelnen wichtigeren Teile derselben zu ermitteln, sondern auch die Formen nahezu aller Organe, so wie sie am äußeren Aufbau des Krebses teilnehmen, festzustellen. Dadurch sind wir nunmehr endlich in den Stand gesetzt, eine Reihe offener Fragen zu beant- worten, welche der Forschung auf diesem Gebiete noch vorbehalten waren. Ich will in folgendem in einem kurzen Überblick die Hauptpunkte meiner Studien zusammenfassen: 1. Eine genaue und vollständige Charakteristik der Familie der Eryoniden. Bisher langte das paläontologische Beobachtungsmaterial nicht aus, um eine vollständige Charakteristik zu geben. Ein gewisser Vergleich konnte wohl mit den rezenten Formen dieser Familie gezogen werden, welche durch die be- deutungsvollen Funde der Challenger-Expedition in den Tiefen der Weltmeere ge- wacht wurden. Aber eine genauere Charakteristik der Familie der Eryoniden mußte eben des unzureichenden paläontologischen Materials wegen unterbleiben. Da wir aber nunmehr — wie im Folgenden gezeigt werden wird — den gesamten Aufbau des Körpers dieser Formen in fast allen Einzelheiten kennen, kann eine umfassende Charakteristik der Familie der Eryoniden gegeben werden. Daher sind wir nunmehr auch in der Lage, 2. eine vollständige Rekonstruktion des Tieres auszuführen, wie eine solche wohl nur von sehr wenigen Formen fossiler Tiere möglich ist. An die genaue Kenntnis des Körperaufbaues der fossilen Formen knüpft sich ') Beitrag zur Kenntnis der in den Kalkschiefern von Solnhofen auftretenden Gattung Eryon und ihrer Beziehungen zu verwandten rezenten Tiefseekrebsen. Erlangen. Die Eryoniden des oberen Weißen Jura von Süddeutschland. 197 3. eine Reihe von Ergebnissen über die Bewertung der Formenunter- schiede ausgestorbener und rezenter Gruppen. Aus diesen ergaben sich schließlich 4. bemerkenswerte Anpassungs- und Umbildungserscheinungen, deren Energie jedoch, wie wir sehen werden, zu gering war, um die neu gebildeten Arten zum Ausgangspunkt neuer Gattungen und Familien werden zu lassen. Die Eryonidenarten der jurassischen Zeiten bekunden, soweit wir sie zu be- trachten in der Lage sind, teilweise den vergeblichen Versuch dieser Familie, sich durch besondere Anpassungen zu spalten. Die entstandenen Variationen sind in- dessen untergegangen. Es hat sich aber die bemerkenswerte Tatsache ergeben, daß schon in jurassischer Zeit selbst bei uns hochentwickelte Formen vorkamen, welche genau die gleichen Gattungsmerkmale heute noch lebender Formen aufweisen. Der Körperaufbau der Eryoniden. Die Familie der Eryoniden besitzt eine Reihe von Eigenschaften, welche sie auf den ersten Blick von anderen Krebsfamilien unterscheiden. Jene Charakteristika sind folgende: erstens ein flachgedrücktes Kopfbrustschild ohne die als Rostrum bezeichnete vordere Zuspitzung. Zweitens: die äußere Schwanzklappe ungeteilt (ohne Diaeresis). Drittens: eine größere Zahl von Scherenfüßen (vier oder fünf). Diese drei Eigenschaften lassen die Familie der Eryoniden scharf gesondert erscheinen. Infolgedessen kommt ihnen ein hoher systematischer Wert zu. Bei einer Beschreibung der Familie müssen indessen neben diesen besonders hervortretenden Eigenschaften einzelner Organe auch die übrigen Körperteile in Betracht gezogen werden. Von diesen namentlich hat man bisher nur wenig, und dieses wenige noch dazu recht ungenau, gewußt, sodaß es erforderlich war, das vorhandene Material von neuem zu untersuchen; und es ist nun auch gelungen, fast alle übrigen Organe zu ermitteln, sodaß die Kenntnis des Aufbaues der jurassischen Eryoniden jetzt als eine vollständige zu bezeichnen ist. Zu den zuvor genannten hauptsächlichsten Eigentümlichkeiten der Familie der Eryoniden kommen also noch die Merkmale, (die erst bei eingehenderen morphologischen Studien auffallen, welche aber dennoch bei einer genauen Kenntnis der Familie und ihrer Charakteristik nicht unberücksichtigt bleiben dürfen. Wir geben daher im folgenden die vollständige Beschreibung der Formen- verhältnisse dieser Familie und werden dann noch, auf das tatsächlich Beobachtete gestützt, die allgemeinen paläontologischen Schlüsse daran anknüpfen. Das Kopfbrustschild (Cephalothorax). Der Kopfbrustpanzer der Eryoniden ist durch seine von oben her flachgedrückte Form sehr charakteristisch, wenn auch bei anderen Krebsgattungen, z. B. den Sceyllariden, ähnliche Formen vorkommen. Der Vorderrand ist im allgemeinen flach, von vorne betrachtet konkav eingeschnitten und läßt auch nicht die Spur eines Rostralfortsatzes erkennen. Nur bei den noch lebenden Vertretern dieser Gattung befindet sich ein Stirnstachel, welcher möglicherweise als ein Äquivalent des Rostrums anderer Krebse angesehen werden könnte, obschon hierfür keinerlei Beweise oder bereehtigte Mutmaßungen vorliegen. Die Augen sind größtenteils gestielt gewesen und schauen aus zwei seitlichen Öffnungen am Cephalothoraxrande heraus. Das Kopfbrustschild umschließt nach Art einer Weste den Körper, wobei die für die Augen bestimmten Öffnungen des Panzers den Ärmellöchern entsprechen würden. Die Eryoniden des oberen Weißen Jura von Süddeutschland. 199 Die ganze Oberfläche des Panzers ist mit kleinen Höckern versehen, an welche sich möglicherweise ehemals Haare gesetzt hatten. Der seitliche Rand des Kopfbrust- schildes ist scharf geknickt, sodaß die Rückenseite ziemlich flach ist und im spitzen Winkel die an der Bauchseite befindlichen Flügel des Panzers sich anschließen. Eine Nackenfurche, wie sie bei den höheren Krebsfamilien im allgemeinen auftritt, ist auf der Rückseite des Cephalothorax zwar auch zu erkennen, aber — wenigstens bei den jurassischen Formen — nur wenig ausgesprochen, während sie bei den gegenwärtig noch lebenden Eryoniden deutlicher vorhanden ist. Vom mittleren Teil der Nackenfurche verläuft nach dem Hinterrande des Cephalothorax eine durch zwei Reihen von Tuberkeln bezeichnete Naht. Die ge- kniekten Seitenränder des Cephalothorax sind bei allen Formen, wie es scheint, gezähnt bezw. gesägt, ja, sie weisen oftmals sogar scharfe Stacheln auf. Bei einigen Formen finden sich auch ausgesprochene Reste bezw. Abdrücke von Wimperhaaren. Es ist jedoch nur bei wenigen gut erhaltenen Exemplaren diese Bewimperung nach- gewiesen und es ist noch nicht sicher, ob auch alle Formen dieser Gattung Haare getragen haben. Außer diesen zuvor genannten Zacken und Zähnen befinden sich am Rande des Cephalothorax gewöhnlich Einschnitte, welche, wie überhaupt die gesamte Form des Cephalothorax, zur Unterscheidung der einzelnen Arten von Bedeutung sind. Die gesamten randlichen Teile des Schildes lassen einen etwas verdickten, aber glatten Saum erkennen, welcher gewöhnlich durch eine Furche von den gra- nulierten Teilen des Schildes getrennt erscheint. Die Granulation selbst ist, wie es scheint, systematisch als Unterscheidungsmerkmal der einzelnen Arten unverwertbar, wenigstens konnte ich trotz eifriger Bemühungen keine Regelmäßigkeit erkennen, wie solche von älteren Autoren angenommen wurde. Die Formen des Kopfbrustschildes, welche sich namentlich in den Rücken- ansichten der Krebstiere aussprechen, sind sehr verschieden. Die jurassischen Eryoniden sind größtenteils durch sehr breite Kopfbrustschilde ausgezeichnet, während die gegenwärtigen Vertreter der Familie, soweit sie bekannt sind, sehr viel schmälere Rückenpanzer haben. Indessen kennt man auch unter den fossilen Eryoniden Formen, die nach Art der jetzt in den Tiefen der Weltmeere lebenden Vertreter ıler Familie einen sehr viel schmäleren Cephalothorax besitzen. Es wird auf diese Verschiedenheiten noch besonders einzugehen sein. Der Schwanz (Pleon). Das sich an den Hinterrand des Cephalothorax ansetzende Pleon ist sehr ähnlich dem aller höheren Krebse gebaut. Es besteht aus sechs einzelnen Seg- menten, welche auf der sonst glatten Rückseite, wie es scheint, stets eine mediane stachelartige Erhöhung besitzen. Auf der Bauchseite umschließt eine sehr viel dünnere kalkige Haut die inneren Weichteile des Tieres. Das sechste Segment hat zwei verbreiterte Anhänge, welche blattartig gestaltet sind und mit dem spitz zulaufenden letzten Segment (dem Telson) die Schwanzflosse des Krebses (Riphidura) bilden. Die ersten fünf Segmente des Pleon scheinen bei allen Vertretern der Familie einander sehr ähnlich gewesen zu sein. Nur in den Anhängen des sechsten 200 Walther von Knebel: Segmentes und in der Form des Telson zeigen sich erheblichere Abweichungen, die, wie es scheint, ausgezeichnet zur Systematik verwendet werden können. Die Extremitäten. Die Extremitäten der Eryoniden zeigen eine ebensolche Einteilung und Grup- pierung, je nach den Funktionen, die sie übernommen haben, wie die anderer Makruren. Die Sinnes-Extremitäten. Wenn man die Augen als umgewandelte Extremitäten ansieht, so sind die ersten drei Extremitätenpaare in den Dienst der Sinnesorgane gestellt. Die Augen sind indessen imfolge der scharf ausgesprochenen rückwärts gerichteten Kopfbeuge der Krebse und der bei Eryoniden ausgesprochenen Ausdehnung in die Breite derart gelagert, daß von oben betrachtet die Augen am weitesten nach außen stehen. Von den zwischen den Augen befindlichen Antennenpaaren sind die vorderen weiter nach innen gelegen. Die Antennulae liegen also zwischen den hintersten Paaren der Sinnes-Extremitäten, den Antennen. Die Augen sind bei den jetzigen Vertretern der Familie im allgemeinen stark rückgebildet oder aber sie fehlen gänzlich. Es hat dies seine Ursache darin, daß die heutigen Formen auf die Tiefen der Weltmeere beschränkt sind, auf deren Boden niemals Tageslicht hinabgelangen kann. Die jurassischen Eryoniden waren jedoch, wie es scheint, Bewohner der Flachsee; sie haben daher allesamt Augen besessen. Die Form der Augen ist sehr verschieden gewesen. Manche Arten, wie Eryon arctiformis, besaßen langgestielte Augen, andere Formen, wie Eryon propin- quwus, beispielsweise nur ganz kurzgestielte, so kurz, daß es kaum wahrscheinlich ist anzunehmen, daß sie freie Bewegung gehabt haben. Die Antennulae der Eryoniden sind einander und jenen aller höheren Krebse sehr ähnlich (Taf. XI, Fig.1). Sie bestehen aus einem dreiteiligen basalen Teil, an welchen sich ziemlich kurze vielgliedrige Geißeln anschließen. Bei den heutigen Eryoniden sind die Geißeln sehr lang, was vielleieht auf den Mangel der Sehkraft zurück- zuführen ist, denn dieselben tragen feine Sinneshaare, die möglicherweise auf den Geruchssinn, vielleicht aber nur auf den des Gefühls, zurückzuführen sind. Be- merkenswert ist, daß das unterste Glied der inneren Geißel der Antennulae ge- wöhnlich beträchtlich verlängert ist und eine Reihe feiner Poren aufweist, deren Deutung indessen Schwierigkeiten verursacht. An der Wurzel der Antennulae be- findet sich das Gehörorgan der Krebse, welches bei sorgfältigster Präparation merk- würdigerweise von mir aufgefunden wurde. Es- bestand aus einer schlitzartigen Vertiefung, welche nach außen zu von einem Wulste halb verdeckt wurde, welcher an seiner Oberfläche durch seine Granulation das ehemalige Vorhandensein von Haaren anzeigt. Das (rehörorgan der Eryoniden ist auf unserer Figur (Taf. XI, Fig. 1 bei A) dar- gestellt worden. Es weist mit jenem anderer Krebse keine große Ähnlichkeit auf. Die Formen des basalen Gliedes der Antennulae sind bei den jetzigen Eryoniden fast nieht bekannt, da das bisher vorhandene spärliche und wertvolle Material in dieser Hinsicht noch keine eingehendere Durcharbeitung erfahren hat. Die Eryoniden des oberen Weißen Jura von Süddeutschland. 20] Die großen Antennen bestehen, wie Taf. XI, Fig. 2 zeigt, aus einer Anzahl von fünf Gliedern, von denen das zweite Glied je nach der Art verschieden gestaltete Schuppen trägt, während das fünfte Glied zum Ansatzpunkte einer Geißel dient. Die Antennengeißel der jurassischen Krebse war im allgemeinen wohl sehr kurz: sie ist bei den jetzigen Tiefsee-Eryoniden indessen ebenso wie die der Antennulae sehr viel länger, ja sogar fast so lang wie der gesamte Körper des Tieres. Es ist dies wohl ebenso darauf zurückzuführen, daß die Fühlorgane das mangelnde Gesicht ersetzen mußten. Das unterste Glied der Antennen ist im allgemeinen durch den Cephalothoraxrand verdeckt. Es ist mir indessen gelungen, durch Weg- präparation des Letzteren, bei dem einen Exemplare wenigstens, auch dieses Basal- glied zu Gesicht zu bekommen. Es war dies deswegen von besonderem Interesse, weil in diesem basalen Gliede, wie bekannt, jene Öffnung sich befinden mußte, aus welcher bei anderer Form höherer Krebse das Exkret der grünen Drüse der Krebse hervortritt, und es hat sich denn auch glücklicherweise gezeigt, daß auch das basale Glied des jurassischen Eryon (propinguus) jene Austrittsöffnung besitzt (Taf. XT, Fig. 2, G. V.). Dieselbe ist verhältnismäßig groß und von einem etwas gewulsteten Saume umgeben. Naturgemäß sind die Teile der immerhin sehr feinen Fühlorgane etwas zusammengedrückt, indessen ist es sehr wohl möglich, sich ein Bild von ihren Formen zu machen, und man kann die Antennen der Eryonen, besonders die basalen Glieder derselben, zur Unterscheidung der einzelnen Arten oftmals sehr wohl verwenden. Die Kau-Extremitäten. An die drei beschriebenen Sinnes-Extremitäten schließt sich nach hinten zu eine Reihe von anderen Extremitäten an, die in den Dienst der Nahrungsaufnahme, ebenso wie bei allen anderen höheren Krebsen, gestellt sind. Die einzelnen Organe sind teilweise ungemein fein, so fein, daß sie nicht mehr in ihrer Gesamtheit fossilisationsfähig gewesen sind. Man kann beim Prä- parieren der Mundorgane nur noch feine Kalkplättehen abheben, welche die Über- reste darstellen. Deutlich ist nur das Vorhandensein der großen Kauladen, der Mandibeln. Die Gestalt der Mandibeln ist sehr charakteristisch. Sie enthalten einen großen, sehr kräftigen Mittelzahn und eine Reihe von daran anschließenden Seitenzähnen. Die Kauplatten der Mandibeln waren ungemein groß und auf diese Größe ist wohl der Mangel oder die Verkümmerung der bei anderen Krebsen zur Nahrungsaufnahme und Zerkleinerung dienenden beiden Maxillenpaare zurückzuführen. Die Mandibeln mit den beiden zurückgebildeten Maxillen stellen die Segment- anhänge der hinteren Kopfsegmente dar. Die nun folgenden drei Extremitätenpaare gehören zwar dem eigentlichen Brustteil, dem Thorax, an, aber sie sind zum Er- greifen und Festhalten der Nahrung bestimmt, weswegen wir sie bei der Behand- lung der Freß-Extremitäten beschreiben. Wir unterscheiden drei Maxillen-Füße auch bei den Eryoniden, ebenso wie bei anderen Makruren. Aber auch hier hat eine Rückbildung zweier Maxillenfüße zugunsten des hintersten größten stattgefunden. Die Gestalt des dritten Maxillenfußes ist aus unserer Abbildung (Taf. XII, Fig. 1) zu ent- nehmen. Es bestand derselbe aus fünf Gliedern, von denen das unterste eine trapez- artige Gestalt besaß, während die übrigen zylindrische bezw. konische Formen hatten. Der Innenrand des großen Basalgliedes war mit starken Höckern besetzt, so daß 202 Walther von Knebel: es sich vorzüglich zum Festhalten der Nahrung eignete. Zwischen den beiden Innenrändern der Basalglieder des dritten Maxillenfußes ist gelegentlich bei sehr sorgfältiger Präparation das scharfe Zahnwerkzeug der vorderen beiden Maxillen- füße zu erkennen. Die Schreitfüsse. Die folgenden fünf Paare von Extremitäten, die letzten des Kopfbruststückes, sind als Schreitfüße in den Dienst «der Lokomotion gestellt. Aber auch sie sind gleichzeitig zum Ergreifen und Festhalten von Nahrung bestimmt. Eigenartig ist, daß von den fünf Fußpaaren die vier vordersten sogenannte Scheren tragen, während das hinterste Paar nur einen einfachen Nagel besitzt. Bei einigen Ver- tretern der Familie ist jedoch auch das fünfte Fußpaar durch das Vorhandensein einer Schere ausgezeichnet. Der Aufbau des vordersten Schreitfußes ist aus unserer Figur (Taf. XI, Fig. 3) zu ersehen. Er besteht aus sieben Gliedern, von denen die drei basalen Glieder sehr unbedeutend und fast miteinander verschmolzen sind. Das folgende Glied (der Meros) ist langgestreckt (vergl. unsere Figur). An ihn schließt sich, wie gewöhnlich im spitzen Winkel geknickt, der Carpos an, welcher die beiden letzten Glieder, die die Schere bilden, trägt. Die Krebsschere der Eryoniden ist besonders dadurch bemerkenswert, daß der bewegliche Finger nicht, wie bei allen anderen Krebsarten, auf der Innenseite sich befindet, sondern außen zu liegen kommt. Das sechste Glied (der Propodos), dessen verlängerter Dorn den festen Finger der Schere bildet, ist im allgemeinen äußerst schlank ge- staltet. Dicke Scheren nach Art jener der Astacomorphen kommen bei den Eryo- niden niemals vor. Selbst bei den Formen dieser Gattung mit sogenannten dicken Scheren ist diese letztere immer noch im Vergleich zu jener der Krebse und Hum- mern äußerst zierlich gebaut. Da der Propodos sich also durch eine geringe Breite auszeichnet, ist wenig Raum vorhanden für die Muskeln, welche die Bewegung des beweglichen Fingers der Schere des siebenten Gliedes bewerkstelligen. Namentlich ist, wie es scheint, der Öffnungsmuskel der Schere äußerst schwächlich gewesen. Man kann nämlich in dem langen aber schmalen Scherenfuß oftmals sehr gut noch die Trennung zwischen dem Öffnungsmuskel und dem Schließmuskel durch eine leichte Einfurchung der Scherenschalen erkennen. Ähnlich wie das erste Fußpaar sind auch die drei folgenden Fußpaare gebaut, nur sind sie in ihren Formen immer mehr verjüngt. Das fünfte Fußpaar (Taf. XI, Fig. 4) trägt im allgemeinen keine Schere, sondern einen einfachen Nagel; nur bei der auch in mancher anderen Hinsicht isoliert stehenden Form Eryon Redenbacheri trägt auch das fünfte Schreitfußpaar eine Schere. Die Wurzel des vierten bezw. des fünften Schreitfußpaares trägt die weiblichen bezw. männlichen Geschlechtsorgane, genau ebenso wie dies bei den anderen Formen höherer Krebse der Fall war. Die Pleonalfüsse. Der Hinterleib der Krebse besitzt ebensowohl Segmentanhänge wie die übrigen Krebssegmente. Aber wie überhaupt die Schwanzsegmente gleichmäßiger ausgebildet sind, so sind auch deren Anhänge einander sehr ähnlich, Die Pleonalfüße- sind Die Eryoniden des oberen Weißen Jura von Süddeutschland, 203 nun äußerst schwierig zu erkennen. Gewöhnlich findet man auch bei sorgfältigster Präparation nur noch kümmerliche Reste von ihnen. Nur bei einem einzigen Exemplar (Taf. XI, Fig. 5) ließen sich die zweilappigen Füße beobachten, an welchen der eine Ast kleine Borsten trug. Das sechste Segment trägt zwei große Anhänge an jeder Seite, die sich mit dem Polsegment, dem Telson, zu der großen Schwanzflosse (Riphidura) vereinigen. Wir haben die Form der Schwanzflosse bereits beschrieben. Es sei nur nochmals auf den eigenartigen Umstand hingewiesen, daß die äußere Platte der Schwanzflosse nicht, wie bei allen übrigen Formen höherer Krebse, ge- teilt ist. Es fehlt den Eryoniden jene als Diaeresis bezeichnete Teilung. Das Telson ist spitz zulaufend, und nur bei einer einzigen Form, nämlich wiederum Eryon Redenbachert, findet sich eine Ausnahme. Es verjüngt sich zwar ebenso wie bei den übrigen Formen, indessen läuft das Ende nicht in eine einfache abgerundete Spitze aus, sondern es besteht aus zwei kleinen Spitzen. Zwischen diesen mag wohl ein Rudiment gesessen haben, welches den wahren Körperpol ge- bildet hat; indessen ist es jedenfalls so klein und so fein gewesen, daß es fossil nieht erhaltungsfähig war. Bei den Astacomorphen-Krebsen findet sich ja ebenfalls am Ende des Telson ein besonderes Glied, das an dem zweistacheligen Hinterrande des vorderen Gliedes angeheftet ist. Auf unserer Abbildung sind die Schwanzflossen von Eryon aretiformis (Taf. XI, Fig. 6) und Eryon Redenbacheri(Taf. XI, Fig.7) zum Verständnis neben einander gestellt. Die Grössenverhältnisse der einzelnen Körperteile höherer Krebse im Hinblick auf die Eryoniden. Versucht man durch Ausmessung die einzelnen Teile des Körpers von Krebsen ein und derselben Art in ihrem Verhältnis zu einander festzustellen, so wird man sehr bald zu der Überzeugung gelangen, daß die Größenverhältnisse ein und der- selben Art sehr beträchtlichen Schwankungen unterworfen sind. So findet man beispielsweise keinerlei bestimmte Gesetzmäßigkeiten, wenn man das Verhältnis zwischen der Breite und der Länge des Öephalothorax und des gestreckten Pleon ermittelt. Bei meinen Messungen an den verschiedensten Familien und Gattungen der Krebse habe ich nun auch untersucht, ob innerhalb einer und derselben Art zwischen der Länge der Scheren und jener des Cephalothorax — zwei der am meisten charakteristischen Gebilde eines Krebses — ein bestimmtes Verhältnis bestünde. Dabei hat sich ergeben, daß dies Verhältnis bei weitem bestimmter ist als das der übrigen Körperteile zu einander, wenn auch dies noch gelegentlich recht beträchtlich schwankt. Noch weit vollkommener aber gestaltete sich dieser Versuch, als ich die Länge nicht der ganzen Schere, sondern allen des Daktylus des vordersten Schreitfußpaares im Verhältnis zur Länge des Cephalothorax (letztere gleich 100 gesetzt) ermittelte. Dabei ergab sich, daß bei allen von mir bisher untersuchten Arten der höheren Krebse dies Verhältnis bei ausgewachsenen Exemplaren innerhalb der Art nahezu konstant ist. Die Konstanz (dieses als X bezeichneten Verhältnisses wird auch bei den Exemplaren nicht wesentlich beeinträchtigt, bei welchen eine Verschiedenheit in der Größe der Scheren auffällt. Durch Regeneration einer abgestoßenen Schere entsteht nach der folgenden Häutung zunächst eine neue sehr viel kleinere, bei der zweiten Häutung aber nimmt diese bereits derartige Dimensionen an, daß die Länge des Daktylus nahezu jener der anderen Schere gleicht. Die regenerierte Schere ist nur durch eine oft um ein sehr beträchtliches geringere Dieke ausgezeichnet; auch ist der Propodos im Verhältnis zum Cephalothorax gewöhnlich noch kürzer, aber der Daktylus besitzt im allgemeinen wohl nahezu die gleiche Länge wie an der anderen Schere. Nur dann, wenn in verhältnismäßig hohem Alter die Regeneration einer Schere stattfand, bleiben größere Unterschiede bestehen. So findet man beispiels- weise bei einzelnen sehr großen Exemplaren von Homarus erheblichere Abweichungen von diesem Gesetz. Die Eryoniden des oberen Weißen Jura von Süddeutschland. 205 Im Hinblick auf die jurassischen Eryoniden der Erlanger Universitäts-Sammlung hat auf meine Veranlassung G. Peiser (die entsprechenden Messungen vorgenommen und er hat festgestellt, daß bei den untersuchten Arten (Eryon propinguus, Eryon arctiformis sowie E. Redenbacheri) das Verhältnis zwischen Daktylus und Cephalo- thorax, wie angegeben, in der Tat nur ganz unbedeutend schwankte. Auch bei anderen Formen kriechender Maeruren, namentlich bei den Asta- comorphen, konnte ich diesen Nachweis erbringen; so betrug das in Rede stehende Verhältnis X des Daktylus (in °% der Cephalothoraxlänge) bei den beiden ver- wandten Formen Eryma modestiformis und Eryma leptodactylina 45.5, 45.6, 46.6, 46.2, 46.0, 44.6, 44.7, (Mittel: 45.5) bezw. 44.6, 45.6, 46.4, (Mittel ebenfalls 45.5). Bei Astacus ergab sich das Verhältnis X etwa zu 60, bei Homarus zu 58. Um einen Begriff von den bei weitem schr beträchtlicheren Schwankungen der Verhältnisse der anderen Körperteile zu einander zu geben, lassen wir hier eines der am meisten sieh gleiehbleibenden Verhältnisse, nämlich das des Propodos (ohne Dorn) zum Cephalothorax folgen. Es betrug dieses Verhältnis Y (in %/, der Cephalothoraxlänge) z. B. bei der zuvor genannten Form Eryma modestiformis 37.8, 50.4, 45.9, 34.5, 39.7, 40.8, 33.5, 37.7. Sehr stark schwankt dies Verhältnis bei den rezenten Astaciden und Homariden. Bei einer größeren Reihe von Exemplaren der Art Eryon arctiformis aus dem oberen Weißen Jura ergaben sich für das Verhältnis Y die Werte 62.3, 58.6, 65.5 9950051.3955095,582,2511@191%6% 93:6.2.0.0.9,7062.0% 543, 58.3, 52:3, 61.9, 52.93 57.8, 63.0. Wir sehen also, für das Verhältnis Y gibt es innerhalb einer und der- selben Art sehr verschiedene Werte. Ein anderes Verhältnis, das zwischen der Länge des Cephalothorax und der Gesamtlänge vom Stirnrand bis zum Ende des Telson — wir nennen es Z — ist ebenfalls sehr unbestimmt. Bei Eryma modestiformis betrug es beispielsweise 56.4, 40.9, 42.7, 49.8, 47.6, 49.0, 50.2, also noch größere individuelle Abweichungen. Bei der Gruppe der Astacomorphen ist auch eine andere Größe ziemlich bestimmt, nämlich das Verhältnis des Abstandes der Nackenfurche vom Hinterrande des Cephalothorax zu der (gleich 100 gesetzten) Länge des Letzteren. Bei den von mir untersuchten Exemplaren von Eryma modestiformis betrug dies Verhältnis (U) im Mittel 44.6 (Abweichungen: +1.3, —1.6). Bei dreizehn hierauf geprüften Exemplaren von Astacus fluviatilis ergab sich: U = 35.0 (Abweichungen: 42.3, —1.0). Bei den Eryoniden läßt sich die Größe U nur in den allerwenigsten Fällen ermitteln, da die Nackenfurche bei dieser Familie nur undeutlich ausgesprochen ist oder aber gänzlich fehlt. Jedenfalls ist sie nur bei wenigen der fossilen Arten zu erkennen und auch da gleichsam nur angedeutet. Zudem hat sich da, wo dennoch der Versuch gemacht wurde, die Größe U zu bestimmen, ergeben, daß diese gelegent- lich erheblichere Abweichungen zeigt. Im allgemeinen beträgt bei den Eryoniden U etwa 50°/ der Cephalothoraxlänge. 206 Walther von Knebel: Alle diese Beobachtungen erstrecken sich jedoch nur auf die ausgewachsenen Exemplare einer Art. Bei den fossilen Formen kennt man ja auch nur selten die Jugendexemplare. Um aber dennoch zu ermitteln, ob und inwieweit die Größen- verhältnisse der Körperteile in den verschiedenen Entwicklungsstadien sich ver- ändern, habe ich an einer Reihe von Individuen der Art Astacus Awiatilis diese Messungen vorgenommen. Bei diesen Messungen hat sich ergeben, daß die Länge des Daktylus im Verhältnis zu der des Cephalothorax mit der Größe schwankt, und zwar war bei kleinen Exemplaren von Astacus flwviatilis dieses Verhältnis geringer als bei großen. Während bei den ausgewachsenen Flußkrebsen, welche einen Cephalothorax von 40—60 mm Länge besitzen, die Größe X zwischen 55 und 60 schwanken kann, betrug X bei kleineren Formen (Cephalothoraxlänge unter 36 mm) im Mittel (aus 22 Beobachtungen) 38.3°% (Abweichungen: -+4.7, —3.4). In den Jugendstadien ist demnach die Größe X bei weitem weniger konstant als bei ausge- wachsenen Exemplaren. Auch Y variiert noch stärker als bei ausgewachsenen dies üblich ist. Durchschnittlich betrug Y 27.2 der Cephalothoraxlänge (Ab- weichungen: —2.4, +7.2). Von den fossilen Krustern sind nur sehr wenig Jugendexemplare auf- gefunden worden. Jugendformen der Astacomorphen sind bisher überhaupt. unbekannt, dagegen kennt man einige Eryoniden. Diese letzteren sind größtenteils so schlecht erhalten, daß sie nicht zu bestimmen sind oder aber sie werden gewöhnlich mit der kleinen Art Zryon Schuberti aus Mangel an genügenden Merk- malen vereinigt. Sicher bestimmbare Jugendformen habe ich nur von Zryon arcti- formis, E. propingwus, sowie von E. Redenbacheri gefunden. Von den erstgenannten beiden Formen standen mir nur je ein Exemplar zur Verfügung; da diese beiden nur von der Ventralseite zu beobachten waren, konnten lediglich die Verhältnisse X und Y sowie Z (das Verhältnis des Cephalothorax in °/ der Gesamtlänge) ermittelt werden. Wir stellen die Messungsergebnisse zum Vergleich mit den entsprechenden bei ausgewachsenen Formen ermittelten Verhältnissen in einer Tabelle (Seite 207) nebeneinander. Bei den jugendlichen Formen der jurassischen Eryonen läßt sich, wie es scheint, stets eine größere Länge der (durch die Verhältniszahlen X und Y aus- gedrückten) Scherenteile feststellen als bei den älteren. Es herrschen also nicht umgekehrte Entwicklungsverhältnisse wie beispielsweise bei den Astacomorphen. Es ist denkbar, daß dieser Unterschied auf die Veränderung der Lebensweise während des Entwicklungsganges der Arten zurückzuführen ist: die jurassischen Eryoniden — wenigstens die &. latiforme — werden, (wie später gezeigt wird,) zu Bodenformen, während die Astaciden im Verlaufe der individuellen Entwicklung sich zu freischwimmenden Raubtieren heranbilden. Auf die weiteren Verhältnisse der Dimensionen der einzelnen Körperteile wird in den folgenden Abschnitten bei Behandlung der einzelnen Arten noch eingegangen werden. Wir haben deswegen in diesem Abschnitt nur ein einziges herausgegriffen, um einen Überblick über die Größenverhältnisse und deren Gesetzmäßigkeiten innerhalb einzelner Gruppen der höheren Krebse zu geben. 136-152 95.9 Die Eryoniden des oberen Weißen Jura von Süddeutschland. 207 ; Tabelle zur Erläuterung der Größenverhältnisse jurassischer Eryoniden in verschiedenen Wachstumsperioden der Individuen. - | | | Art Jugendform Ausgewachsene Formen | Anormal große Formen. | | Cephalo- thorax- x länge A in mm. Eryon propinquus | een? 17.5 |40.0| 60.0 30-45|32.1| 53 | 49 | 133 \> 50| 39-43 | 65-82| 47-60 v. Schlotheim Eryon arctiformis £ , 15.9 35.2 | 64.2 30 - 50 [30.751 57.6 | 48.1 1134.4 v. Schlotheim | | | Palaeopentacheles Reden- >9mm| _ _ | h 1.3-7.8 | 77.2 79.73 k 71.0 | 71.0 | 48.6 | 87.6 129.2 | 78.8 | 73.6 48 | bacheri v. Münster. bis 15 X = Länge des Dactylus des vordersten Schreitfußpaares im Verhältnis zur Breite des Cephalothorax (letztere gleich 100 gesetzt). Y = Verhältnis des Propodos (ohne Dorn) zum Cephalothorax (in °/ der Cephalothoraxlänge). Z = Verhältnis zwischen der Länge des Cephalothorax und der Gesamtlänge vom Stirnrand bis zum Ende des Telson. U = Verhältnis des Abstandes der Nackenfurche vom Hinterrande des Cephalothorax zu der (gleich 100 gesetzten) Länge des letzteren. Zeitliche Verbreitung der Eryonen. Die Familie der Eryoniden tritt zuerst gegen Ende der Triasperiode auf. Die aus den Raiblerschiehten 1558 von Bronn als Bolina raiblana beschriebene Form, jetzt Eryon raiblianus genannt, ist derart mangelhaft erhalten, daß nicht einmal die Zurechnung der Form zur Familie der Eryoniden völlig gesichert erscheint. Die Reste aus den Sammlungen von Berlin und München — sie ent- halten die besten bisher aufgefundenen Stücke — sind zur Beschreibung völlig unzureichend. Aus dem untersten Lias (Zone des Psiloceras planorbis und der Schlotheimia angulata) wurde 1562 von Oppel ein Exemplar des Eryon Escheri beschrieben. Das von Oppel abgebildete, einzige bisher gefundene Exemplar ist in einem derart mangelhaften Erhaltungszustand, daß nur die Breite des Pleon und die externe Länge des Daktylus die Zustellung der Form zu den Eryoniden berechtigt. Aus dem unteren Lias von Barow-on-Soar in England wurde 1349 von M’Coy eine Krebsform als Eryon barowensis beschrieben. Die Form soll durch kurze und dicke Scheren, sowie eine Diaeresis ausgezeichnet sein. Das einzige Exemplar der Sammlung von Berlin ließ deutlich eine Diaeresis und die Gestalt der Scheren des vorderen Schreitfußes erkennen. Die Schere stimmt vollkommen mit jener der Astacomorphen überein. Auch die Lage des Daktylus an der Innenseite scheint ebenso wie die charakteristische Diaeresis die Zugehörigkeit der Art zu den Astacomorphen — am nächsten steht die Form der Gattung Eryma — und nicht zu den Eryonen zu beweisen. 208 Walther von Knebel: Eine weitere Form aus dem unteren Lias von Lyme Regis (Dorsetshire) wurde 1535 von Broderip als Coleia antiqua beschrieben: Oppel stellte diese Form zur Gattung Eryon als Eryon antiguus. Die gegebenen Abbildungen sind sehr mangel- haft und die Zugehörigkeit zur Familie der Eryoniden scheint mir nicht völlig erwiesen. Ich habe die Exemplare selbst nicht zu Gesicht bekommen, möchte aber im Hinblick auf die schlecht erhaltenen Reste meine Zweifel bezüglich der Stellung (dieser Spezies aussprechen. Der erste «deutlich erhaltene Vertreter der Eryoniden wurde 1835 von H. v. Meyer aus dem oberen Lias Frankens und Schwabens (Zone der Posidonia Bronni) als Eryon Hartmanni besehrieben. Die Form stellt einen Vertreter der breit gebauten Eryonen dar, wie sie am besten durch die ziemlich häufige Form Eryon propinguwus «des obersten Weißen Jura «dargestellt werden. Eryon Hartmanni weist alle charakteristischen Eigenschaften der Eryonen (breiten Cephalothorax, schmale Form des ersten Scherenfußes, vier Paar Scherenfüße mit an der Außen- seite befindlichem Daktylus, Fehlen der Diaeresis usw.) auf. Aus dem Oxford von Calmoutier (Dep. Haute-Saöne) wurde 1558 von Etallon ein Bruchstück eines Krebses als Eryon Perroni beschrieben und abgebildet. Wir halten gerade den Teil eines Krebses — nur der hintere Teil des Cephalothorax und die vordersten Glieder des Pleon sind gefunden — am wenigsten für geeignet, die Gattung festzusetzen. Jedenfalls beweist das Auftreten des zuvor genannten Aryon Hartmanmnı im oberen Lias, daß dieser Fund zweifellos in die zeitliche Verbreitung der Eryonen fällt; ob aber «die erhaltenen Fragmente wirklich die eines Eryoniden sind, mag unentschieden bleiben. Anus dem mittleren Malm sind keine Eryoniden bekannt. Erst aus dem obersten Weißen Jura ist namentlich im den Solnhofener Plattenkalken eine große Reihe von Formen der Eryonen gefunden worden. (Eryon aretiformis, E. propinquus, E. elongatus, E. orbieulatus, ME. spinimanus, E. bilobatus, E. Schuberti, E. Reden- bacheri, E. longipes.) Wir haben diese Eryonen des oberen Malm zum Gegenstand unserer Darstellungen gewählt, daher ist es überflüssig, in diesem Abschnitt auf sie einzugehen. Seit dem Ausgange der Jurazeit scheinen die Eryonen stark an Bedeutung eingebüßt zu haben, wenigstens haben sich fossile Reste (und diese nur in sehr kümmerlichen Exemplaren) nur noch im Neocom von Schlesien gefunden. Von jener Periode an galten die Eryonen für ausgestorben, bis die Expedition des Challenger (1873—1376) lebende Vertreter der Familie aus den größten Meerestiefen (bis über 4000 m) zutage förderte. Seitdem ist von den verschiedenen Tiefsee-Expeditionen eine Reihe von Eryoniden aufgefunden worden, welche in die Gattungen Willemoesia, Polycheles, Pentacheles und Eryoneicus zerfallen. Die Entdeckung lebender Eryoniden in den Tiefen der Weltmeere könnte «die Vermutung nahelegen, daß die Formen aus der Flachsee — deren Ablagerungen beispielsweise die Solnhofener Plattenkalke sind — in die Tiefsee übergegangen ist. Da wir nun keine Tiefseegebilde — wenigstens nicht seit mesozoischer Zeit — kennen, würde es sich erklären, daß keine fossilen Tiefsee-Eryonen bekannt sind. Möglicherweise hat es auch bereits zur Jurazeit Tiefseeformen der Eryoniden gegeben, wenn wir auch nur die Flachsee- formen der Fossilien kennen. Allerdings gleichen einzelne der selteneren fossilen Die Eryoniden des oberen Weißen Jura von Süddeutschland. 209 Vertreter dieser Familie in hohem Maße den heute noch lebenden Formen der Tiefsee, trotzdem sie zwischen den Flachseeformen auftreten. Vielleicht stellen diese Formen (Eryon Redenbacheri, Eryon bilobatus und Eryon longipes) Tiefsee- formen dar, die gleichsam in die Flachsee sich verirrten. Oder aber, und das ist noch wahrscheinlicher, ein Zweig der Tiefseefamilie der Eryonen ist im Verlaufe der Erdgeschichte vorübergehend zu Bewohnern der Flachsee geworden und hat sich den Verhältnissen der Flachsee angepaßt. Dieser Teil der Familie wäre dann im Verlaufe der Kreidezeit erloschen, während die verwandten Arten der Tiefsee bis auf den heutigen Tag erhalten blieben. Archiv für Biontologie II. (2) 08. Systematik jurassischer Eryoniden. Die Vertreter der fossilen Eryoniden, die größtenteils aus der Juraformation und zwar den von uns in erster Linie berücksichtigten Plattenkalken des Weißen Jura C vorkommen, konnten bisher nicht in Gruppen geteilt werden, da die spärlichen Kenntnisse vom Körperaufbau der einzelnen Formen dies nieht zuließen. Man gab ihnen allen daher den Gattungsnamen Zryon und beschränkte sich bei den ver- schiedenen Formen auf einige kleine unterscheidende Merkmale, welche zur Be- stimmung der Art ausreichten. Nur die rezenten Formen der Eryoniden sind in verschiedene Gattungen (Pentacheles, Polycheles, Willemoesia und Eryoneteus) geteilt. Bei genauerer Kenntnis der fossilen Fryoniden muß man aber auch diese, wie wir sehen werden, in verschiedene Gattungen, ja sogar Gruppen, einteilen. So sind im äußeren Aufbau zwei Gruppen deutlich von einander getrennt: die eine — Eryonidae latiformes — aus breit gebauten Arten bestehend, deren Cephalo- thorax gewöhnlich sehr viel breiter als lang ist und deren Pleon gleichfalls stark in die Breite entwickelt war; die andere Gruppe — Eryonidae angustiformes — aus elegant gebauten Formen mit schmalerem Cephalothorax und feinerem Pleon bestehend. Eryonidae latiformes. Als charakteristisches Merkmal der Gruppe der Eryonidae latiformes ist von uns die große Breite des Cephalothorax und des Pleon angeführt worden. Hierzu gesellt sich nun noch eine Reihe von anderen Unterschieden. Zunächst ist es die verhältnismäßig geringe Länge des Pleon, die oftmals noch um ein beträchtliches hinter der des Cephalothorax zurücksteht. Ferner ist die Schwanzflosse der zu dieser Gruppe gehörigen Formen im allgemeinen durch lanzettliche Platten gebildet. Das Telson ist stets in eine sanfte Spitze auslaufend, niemals abgestumpft. Der Cephalothorax besitzt verschiedene Einschnitte, deren Lage und Größe zur Unterscheidung der einzelnen Arten systematisch von Bedeutung ist. Wenn man die Länge des Cephalothorax in seiner Mittellinie, vom Hinterrande desselben bis zur Mitte des Stirnrandes gemessen, mit der größten Breite des Cephalothorax vergleicht, so wird man finden, daß der Cephalothorax stets sehr bedeutend breiter als lang ist. Bei manchen Formen, wie beispielsweise bei Ergon orbieulatus, ist dieses Verhältnis derart, daß die Cephalothoraxbreite bis zu 177% der Cephalothoraxlänge ansteigt. Da die fossilen Formen gewöhnlich Die Eryoniden des oberen Weißen Jura von Süddeutschland. 211 etwas platt gedrückt sind, ist naturgemäß das Verhältnis zwischen Länge und Breite des Cephalothorax nicht in dem Maße entsprechend den Körperverhältnissen des lebenden Tieres, wie beispielsweise die Verhältnisse zwischen Cephalothorax und den Gliedern der Extremitäten. Gleichwohl liegt in den Verhältnissen der Breite zur Länge des Cephalothorax bei den verschiedenen Arten dieser Gruppe oft ein gutes Merkmal zur Unterscheidung der Arten dieser Gruppe. Entsprechend der großen Breitenentwicklung der Eryonidae latiformes ist auch die Anordnung der Sinnesextremitäten eine andere als bei anderen Krebsen, liegen doch hier die Organe nicht übereinander, sondern nebeneinander, sodaß von der Dorsalseite oder der Ventralseite aus betrachtet, sowohl Augen als innere und äußere Antennenpaare nebeneinander zu erkennen sind. Hierin liegt auch ein wesentlicher Unterschied dieser Gruppe von der anderen, der Eryonidae angustiformes. Zu den genannten Merkmalen dieser Gruppe kommt noch die verhältnismäßig . geringe Länge der Scherenteile des vordersten Schreitfußpaares. Der Propodos erreicht niemals 60 °% der Cephalothoraxlänge und der Daktylus selten 45 %%. Die Eryonidae latiformes enthalten nur die eine Gattung Zryon, und wir halten es nicht für richtig, die verschiedenen unterscheidenden Merkmale der einzelnen Formen als Gattungsmerkmale anzusehen, wenigstens nicht bei den Formen des oberen Jura. Die Gattung Eryon zerfällt innerhalb des Weißen Jura T in die Arten: Eryon arctiformis, von Schlotheim, Eryon propinquwus, von Schlotheim, Eryon elongatus, von Münster, Eryon orbieulatus, von Münster, Eryon spinimanus, Germar, Eryon Schuberti, Meyer, Eryon armatus. von Knebel. Eryonidae angustiformes. Wir haben unter der Gruppe Eryonidae angustiformes eine Reihe von selteneren Formen der Jurazeit zusammengefaßt, welche im Gegensatz zur ersteren Gruppe (der latiformes) durch ihren eleganteren Körperbau auffallen. Der Körper ist sehr in die Länge gestreckt, der Umriß des Cephalothorax gewöhnlich oval oder länglich, das Pleon ist schmal und die Schwanzflosse besteht aus lanzettlichen Platten. Das Telson ist, wenigstens bei Palaeopentacheles und bei Münsteria, rechtwinklig ab- gestumpft. Die Sinnesextremitäten sind entsprechend der geringeren Breite näher aneinander gerückt, und es bedarf äußerst sorgfältiger Präparation und sehr gut erhaltener Exemplare,"um sie gleichzeitig zu erkennen. Die vordersten Schreitfußpaare sind sehr verlängert. Der Propodos (ohne seinen Dorn) kann gelegentlich sogar 95 °/ der Cephalothoraxlänge erreichen und auch der Dactylus ist im allgemeinen länger als bei den Eryonidae latiformes. Eine Ausnahme hiervon bildet Münsteria bilobata, woselbst der Daktylus etwa 39 °%% der Cephalothoraxlänge beträgt. In diese Gruppe gehören die rezenten Formen Polycheles, Pentacheles und Willemoesia. Die jurassischen Formen, die Eryonidae Pi 212 Walther von Knebel: angustiformes, wurden bisher zur Gattung Eryon gerechnet, indessen muß jetzt, wo wir die Formen dieser Gruppe genauer erkannt haben, eine Einteilung in ver- schiedene Gattungen erfolgen. Wir unterscheiden: Münsteria nov. gen., Palaeopentacheles nov. gen., Palaeopolycheles nov. gen. Eryonidae latiformes. Genus Eryon. Eryon propinquus von Schlotheim (Taf. XII). Syn: Macrourites propinguus v. Schlotheim (1822), Eryon Schlotheimi König (1825), Eryon speciosus u. E. Meyeri v. Münster (1839). Eryon propinguus ist eine der häufigsten Formen der Eryoniden, die in den Solnhofener Plattenkalken auftreten. Die Form erreicht beträchtliche Dimensionen. Im Umriß ist die Form durch Oppels Beschreibung zur Bestimmung hinlänglich genau bekannt. Wir wiederholen daher nur, daß der Cephalothorax rundlich ist, auf jeder Seite zwei rundliche Einschnitte trägt und daß die Oberfläche mit Wärzcehen bedeckt ist. Der Rand des Cephalothorax ist schwach gesägt und zeigt ziemlich nahe den Antennen einen dorsalen Ausschnitt zum Hervortreten der nur sehr kurz gestielten Augen. Der Vorderrand des Cephalothorax ist konkav und von perlschnurartig an einander gereihten Warzen umfaßt. Die Nackenfurche ist nur sehr undeutlich; von ihrem Hinterrande verläuft bis zum Pleon ein schwacher, durch zwei Warzenreihen markierter Kiel. Die Pleuren sind vom zentralen Teil des Cephalothorax durch zwei nach vorn schwach eonvergierende Warzenreihen geschieden. Das Pleon ist ungefähr ebenso lang als der Cephalothorax und ist ziemlich breit angelegt, ohne aber in seinem Aufbau irgendwelche Eigenheiten aufzuweisen. Die übrigen von Oppel angegebenen Merkmale sind die der Eryoniden überhaupt. Im einzelnen hat sich aber durch meine Untersuchungen, namentlich bei Betrachtung der Sinnesorgane, eine Reihe von weiteren Merkmalen ergeben. Die Augen sind kurz gestielt und treten kaum merklich aus einem Einschnitte an der Rückseite des Cephalothorax hervor. Die Antennulae tragen zwei Geißeln, von denen der innere Ast durch ein langes Basalglied ausgezeichnet ist. Der äußere Ast besteht aus einer Reihe kurzer Glieder. Die beiden Geißeln stehen auf kurzem zweigliedrigem Fuß, an dessen Basis die Gehörorgane liegen, welche aber vom Cephalothorax verdeckt und wenig deutlich ausgebildet sind. Die Antennen bestehen aus einer kurzen Geißel, welche an das fünfte der breiten Basalglieder angeheftet ist. Diese Basalglieder waren bisher niemals genauer beobachtet worden, und Oppel gibt von ihnen an, daß sie bei Eryon propinguus eine schmale Schuppe tragen. Bei feinerer Präparation hat sich ergeben, daß der Antennenfuß genau analog jenem aller rezenten höheren Krebse aus fünf Gliedern besteht, deren Aufeinander- 214 Walther von Knebel: folge aber schwer zu erkennen ist, da die einzelnen Glieder stark in die Breite entwickelt sind und neben einander zu stehen scheinen. Das erste Glied trägt einen am Ende mit feinen Wärzchen (die ehemals Haare trugen) versehenen kurzen Ast, welcher die rundlichen Austrittsöffnungen des Guanin führenden Exkretes auf der Unterseite erkennen läßt. Das zweite Glied ist halb nach auswärts gedreht und trägt auf der Außen- seite einen blattförmigen Exopoditen, die Schuppe genannt; auf der Innenseite trägt es ein lanzettlich gestaltetes Glied, dessen Entwicklung aber durch das sehr große darauf folgende, breit angelegte vierte Glied wesentlich beeinträchtigt wird. Der Exopodit, die Schuppe, ist durch einige Dornen am inneren basalen Teile ausge- zeichnet, welche dessen freie Beweglichkeit namentlich nach unten zu erschweren. Die verschiedenen Glieder sind teils durch kleine Poren, teils durch Wärzchen ausgezeichnet. Namentlich die Schuppe hat an der Außenseite Warzen, welche kleine Stacheln getragen haben mögen. Die Poren deuten auf das ehemalige Vor- handensein von feinen Haaren. Die untere Seite der inneren Geißel der Antennulae trägt sowohl an dem langen basalen Glied als den darauf folgenden kurzen Geißelgliedern eine Reihe von Dornen, welche möglicherweise als Austrittsöffnungen ehemaliger Riechborsten aufzufassen sind. Die Mandibeln sind groß und kräftig gebaut und schon von Graf Münster beobachtet, aber zuerst von Oppel richtig bezeichnet. Sie besitzen im (Gegensatz zu den Mandibeln anderer Eryonen keinen besonders kräftigen Mittelzahn. Im Gegensatz zu den Mandibeln sind die beiden Maxillenpaarefäußerst schwach ent- wickelt. Es ließen sich nur spärliche Reste der die Zähnchen tragenden Platten beobachten. Sie scheinen ebenso wie die beiden vorderen Kieferfüße, von denen ebenfalls nur papierdünne noch in ihren Formen erkenntliche Kalkhäutchen vor- handen sind, auf Kosten der Mandibeln einerseits, des dritten Kieferfußes anderer seits zurückgebildet zu sein. Der dritte Kieferfuß ist, wie schon Graf Münster durchaus richtig beobachtet hat, fünfgliedrig. Das basale Glied ist das größte und am Innenrand mit kleinen und stumpfen Zähnchen versehen, welche diesen Gliedmaßen die Hilfsleistungen beim Aufnehmen der Nahrung erleichtern. Die fünf Paare von Schreitfüßen sind je siebengliedrig. Münster sowohl wie Oppel haben die Koxalglieder nicht beobachtet, sodaß die Beine als sechs- gliedrig dargestellt wurden. Das erste Paar der Schreitfüße ist das größte: es ist wie bei allen Eryoniden schmal gebaut. Der Propodos trägt eine schlanke Schere, deren beweglicher Finger glatt und an der Spitze etwas gebogen ist, sodaß er über den Dornfortsatz des Propodos hinübergreift. Das Verhältnis der Länge des Daktylus zu der des _Öephalothorax ist X= 32%, während Y, der Propodos, durchschnittlich etwa 53° der Cephalothoraxlänge beträgt. Die folgenden drei Paare von Gliedmaßen entsprechen ebenso wie das fünfte Paar denen anderer Eryoniden. Die Pleopoden bieten keine bemerkenswerten Eigenschaften. Die Eryoniden des oberen Weißen Jura von Süddeutschland. 91: en Der vorliegenden Art sieht Eryon orbieulatus gelegentlich ähnlich. Dieser letztere ist aber wesentlich breiter angelegt, ferner sehr viel kleiner und durch die weit kräftigeren, kürzeren Scheren ausgezeichnet. Eine Verwechslung mit anderen Formen der Eryonidae latiformis halten wir für ausgeschlossen und wir verweisen auf die bei den betreffenden Arten hinge- wiesenen Unterscheidungsmerkmale. Eryon orbiculatus von Münster. Syn.: E. latus Münster (1839), E. subrotundus v. Münster (1839), E. orbieulatus v. Münster (1839). Die Form wurde von Münster zuerst beschrieben, indessen trennte jener Autor, allerdings auf Grund mangelhaft erhaltener Stücke, die Form in drei Arten: Eryon orbieulatus, E. subrotundus und E. latus. Oppel jedoch vereinigte die Formen wieder unter der Art Eryon orbieulatus. Eryon orbiculatus besitzt einen sehr breiten Cephalothorax, dessen Rand fein gesägt ist. Zwei randliche Einschnitte, ähnlich wie bei Eryon propinguus, nur etwas weiter nach vorn gelegen, befinden sich am Seitenrand des Cephalothorax. Der Stirnrand ist wie gewöhnlich schwach eingebuchtet. Augenstachel, von welchen Oppel redet, besitzt die Form nicht. Es ist möglich, daß Oppel Exem- plare unserer neuen Art Eryon armatus vorgelegen haben, welche am Stirnrand zahlreiche Zähne besitzt, allerdings ebensowenig einen besonders scharfen Augen- stachel erkennen läßt. Das Pleon ist normal gebaut, indessen im Verhältnis zur Größe des Cephalo- thorax sehr unbedeutend. Gewöhnlich ist es kürzer als der Öephalothorax und erreicht gelegentlich kaum die halbe Länge der Cephalothoraxbreite. Die Augen sind wie bei Eryon propinguus ungestielt. Auch hierin ist die Angabe Oppels, welcher gestielte Augen beobachtet zu haben glaubte, zu berichtigen. Ferner liegen die Augen durchaus nicht so nahe an den Antennen, wie Oppel vermeinte festzustellen. Die Antennenpaare sind wie gewöhnlich bei der Gattung Eryon gestaltet. Die Scheren des ersten Schreitfußpaares sind verhältnismäßig diek und gekrümmt, ein, wie schon Oppel hervorhebt, charakteristischer Unterschied von Eryon propinguus, mit dem die Art leicht verwechselt werden könnte. Eryon orbieulatus besitzt im allgemeinen nur eine ziemlich geringe Größe und erreicht niemals die Dimensionen ausgewachsener Exemplare von Eryon propinquus. Eryon orbieulatus besaß einen zarten Panzer, weswegen die Form oftmals nur im Abdruck erhalten ist, während der Panzer völlig zerdrückt wurde. Eryon armatus nov. spec. (Taf. XIV). Diese nicht häufige Form wurde bisher wohl stets mit Eryon orbieulatus ver- wechselt, ohne daß man auf ihre besonderen Merkmale achtete. Der Cephalothorax ist jedoch beträchtlich schmäler als bei Zryon orbieulatus; auch ist der Rand, namentlich die Stirne und der vordere Teil der Seitenränder mit weit kräftigeren Zähnen besetzt, weswegen wir der Form den Namen Eryon armatus gegeben haben. Die wenigen Exemplare haben nur schlecht erhaltene Antennen, deren basale Glieder jenen von Eryon orbieulatus und Eryon propinquus ähnlich sind. Die vordersten Schreitfüße tragen verhältnismäßig starke Scheren mit kurzem Propodos 216 Walther von Knebel: und kurzem Daktylus. Die Verhältnisse X und Y betragen im Mittel 35,6 bezw. 49,4. Im Hinblick auf die Scheren steht die Form also zwischen Eryon propinguus und Eryon orbieulatus. Der Seitenrand des Cephalothorax besitzt zwei Einschnitte ähnlich jenen bei Eryon propinguus und Eryon orbieulatus. Der hintere der beiden Einschnitte liegt aber weiter zurück als bei Eryon orbieulatus. Verbindet man die beiden hinteren Einschnitte mit einander, so schneidet die gedachte Linie etwa die Basalglieder des zweiten Fußpaares, während bei Eryon orbieulatus jene Linie kaum die ersten beiden Schreitfüße schneiden würde. Die Lage der Einschnitte des Cephalothorax wie überhaupt der Umriß des letzteren gleicht also mehr Eryon propingwus, nur die sehr viel kürzeren und dickeren Scheren erinnern wiederum an Eryon orbieulatus. Von dieser letzteren Form ist Eryon armatus aber, abgesehen von den schon genannten Merkmalen, auch durch die Form der Augeneinschnitte unterschieden. Die Austrittsöffnungen für die Augen sind rundlich, wärend sie bei Eryon orbieulatus fast dreieckig sind. Das Pleon ist kürzer als der Cephalothorax, gleichwohl aber im Verhältnis zur geringen Länge kräftig entwickelt. Die Schwanzflosse besteht aus lanzettlich- blattförmigen Gliedern. Von einer Behaarung ist niehts wahrzunehmen. Eryon armatus scheint die durchschnittliche Größe von Eryon propinguus oder Eryon aretiformis nicht zu erreichen. Immerhin ist die Art aber noch be- trächtlich größer als Zryon Schuberti. Eryon elongatus von Münster. Eryon elongatus besitzt einen verhältnismäßig kleinen Cephalothorax, dessen Rand nicht gezähnt ist. Der Seitenrand trägt zwei Einschnitte ähnlich jenen von Eryon propinguus und Eryon armatus. Der Cephalothorax ist gleichmäßig mit Wärzchen bedeckt und diese sind es auch, welche bei oberflächlicher Betrachtung den Rand schwach gezackt erscheinen lassen können. Das Pleon ist verhältnismäßig lang, wesentlich länger als der Cephalothorax, was bei Vergleich mit den übrigen Eryoniden dieser Gruppe auffällt. Eryon elongatus besitzt kurze und verhältnismäßig dieke Scheren am ersten Schreitfußpaare, welche ähnlich jenen von Eryon armatus sind. Von- den Kopfanhängen zeigen die beiden Antennenpaare keine bemerkens- werten Eigenschaften. Die Augen sind kurz gestielt und schauen aus einem nicht am Rande, sondern mehr auf der Dorsalseite des Cephalothorax gelegenen Ein- schnitte hervor. Eryon elongatus ist bisher wenig bekannt gewesen. A. Oppel weist nur auf die Länge des Pleon im Verhältnis zum Cephalothorax und auf die Gestalt der Scheren hin. Die von Graf Münster gegebene Abbildung ist einigermaßen richtig, die Beschreibung aber ebenso wie jene Oppels unzulänglich. Eryon elongatus steht in naher Beziehung zu Eryon propinguus als auch Eryon armatus und Eryon orbieulatus. Von Eryon propinguus ist er durch die Scheren zu unterscheiden, von den anderen Arten durch die Lage der Augen und den ungezähnten Cephalothoraxrand. Da, wo der ganze Panzer des Tieres erhalten ist, weist auch die verhältnismäßig große Länge des Pleons von vornherein auf Eryon elongatus. Die Eryoniden des oberen Weißen Jura von Süddeutschland. al Eryon spinimanus. Germar. (Taf. XV). Eine äußerst seltene Art, welche in erster Linie dureh einige, gewöhnlich drei, Dornen am beweglichen Finger des vordersten Scherenpaares ausgezeichnet ist. (vergl. Abb. 1). Fig. 1. Eryon spinimanus Germar. Die Schere des rechten vorderen Sehreitfußes von der Ventralseite. (Vergrößerung über 5-fach.) Die Art wurde zuerst 1755 in Knorrs Sammlung von Merkwürdigkeiten ab- gebildet. Die Knorrsche Zeichnung läßt auch deutlich die charakteristischen Dornen erkennen. Späterhin beschrieb Germar die Art als Eryon spinimanus. Leider aber ist das Exemplar, welches ihm vorlag, nicht abgebildet worden. Später haben O. Fraas und H. v. Meyer in den Jahren 1855—1856 noch einige in den lithographischen Schiefern von Nusplingen gefundene Reste von Zryon spinimanus beschrieben. Von den wenigen vorhandenen Exemplaren dieser Art befindet sich eins der besten in München (vergl. Taf. XV). Durch sehr schlechte Präparation (durch Schaben mit dem Messer!) ist es jedoch stark zerstört, so daß selbst der Umriß des Cephalothorax nicht einmal mehr völlig erhalten ist. So war von Eryon spinimanus bisher nur bekannt, daß die Form an Eryon propingwus erinnere und nur durch die erwähnten Dornen am beweglichen Finger des ersten Schreitfußpaares sich unterscheide. Gleichwohl ist es mir bei vorsichtigster Präparation an den 218 Walther von Knebel: wertvollen Exemplaren unter starker Vergrößerung dennoch gelungen, immerhin noch eine Reihe von Eigentümlichkeiten dieser Art festzustellen. Der Cephalothorax war breiter als lang, indessen keinesfalls so auffällig viel breiter, als dies früher vielfach angegeben wurde. Es lagen den Autoren, nament- lich H. v. Meyer, der besonders auf die bedeutende Breite des Cephalothorax hinwies, stärker gepreßte Exemplare vor. A. Oppel hat denn auch in der Breite des Öephalothorax keine besondere Eigentümlichkeit der Formen zu erkennen vermocht. Der Seitenrand des Gephalothorax besitzt von oben gesehen zwei stumpfe Ecken (vergl. unsere Umrißfigur Taf. XV!) An-dem vorderen Teil des Seitenrandes sind zwei Einschnitte ganz analog jenen von Zryon propinguus. Die Tiefe der Ein- schnitte ist an den wenigen bisher gefundenen Exemplaren nicht sicher festgestellt worden, indessen scheinen die Einschnitte nicht so tief zu sein als bei Eryon arctiformis. Der seitliche Rand des Cephalothorax ist außerdem gezähnt. Die beiden Antennenpaare sind mit jenen von Eryon propingwus fast identisch, nur der Exopodit (die Schuppe) der großen Antennen ist mit reichlicheren Warzen versehen. Von den Kauwerkzeugen ist nur (die Mandibel erhalten, welche bemerkens- werter Weise keinen besonders kräftigen Mittelzahn, wie er bei den übrigen Eryo- niden fast allgemein auftritt, besitzt. Der dritte Kieferfuß ist, wie bei allen jurassischen Eryoniden, fünfgliederig, nur das basale Glied ist ausgesprochen drei- eckig gestaltet, eine Eigentümlichkeit, die zur Unterscheidung der Art ver- wendbar ist. Das vorderste Paar der Schreitfüße ist auffallend lang, länger als das ge- samte Tier vom Vorderrand des Öephalothorax an gemessen bis zur Spitze des Telson. Von den drei basalen Gliedern (Coxa, Basis, Ischium) ist die Basis be- sonders schwach entwickelt. Von den distalen Teilen der Fußpaare ist der lang- gestreckte, randlich gezähnte Meros bemerkenswert; Carpos wie üblich entwickelt. Der Propodos ist schmal mit langer am basalen Teile schwach gekrümmter Spina. Der Daktylos besitzt die erwähnten charakteristischen Dornen. Eine exakte Darstellung des vorderen Schreitfußes fehlte bisher, da die von Oppel gegebene neuere Zeichnung nicht besser ist als jene von Knorr aus dem Jahre 1755. Der Propodos ist nämlich nicht so scharf gebogen und die Gestalt der Dornen ist eine ganz andere als auf diesen Zeichnungen angegeben ist. Wir haben in unserer Figur ein genaues Bild des Scherenfußes von Zryon spinimanus gegeben. Das bei allen Krebsen so wichtige innerhalb der Art nahezu konstante Längen- verhältnis zwischen Daktylos und Cephalothorax (X) beträgt 40,9 %%. Es ist also höher als das der Eryon spinimanus im übrigen sehr ähnlichen Art Zryon pro- pingwus. Wntsprechend der Länge des Scherenfußes ist auch das Verhältnis zwischen Propodos (ohne Dorn) und Gephalothorax (Y) ein ziemlich hohes. Bei den vor- liegenden Exemplaren ist Y = 65,2 ". Das Abdomen von Eryon spinimanus ist normal entwickelt; nur fällt die Breite der Schwanzflosse und die sich gleiehbleibende Größe der einzelnen Seg- mente auf. Es ist nieht sicher, ob die eigenartige Gestalt der Schwanzflosse der Die Eryoniden des oberen Weißen Jura von Süddeutschland. 219 Art eigentümlich war oder ob sie durch den Erhaltungszustand des Exemplars be- dingt wurde, daher geben wir eine genaue Abbildung derselben. Eryon Schuberti Meyer. Syn. E. ovatus v. Münster (1839). Die Art Eryon Schuberti zeichnet sich durch ihre geringe Größe von den anderen Formen der Gattung Zryon aus. Die Gesamtlänge des Tieres erreicht wohl niemals mehr als 4 cm. Die meisten sind jedoch beträchtlich kleiner. Hermann v. Meyer hat sie als eine besondere Art aufgefaßt und als Eryon Schuberti beschrieben. Auch Graf Münster hat Studien an dieser Art gemacht und sie unter dem gleichen Namen abgebildet. Indessen glaubte Münster unter diesen kleinen Formen noch eine andere Art herausgefunden zu haben, welche er als Eryon ovatus beschrieb. Quenstedt hat nun die kleinen Formen von Zryon nicht als eine besondere Art aufgefaßt, sondern die Ansicht wiederholt vertreten, daß es sich um Brutformen handele. Demgegenüber erklärte aber Hermann v. Meyer, dab die Auffassung Quenstedts „völlig aus der Luft gegriffen sei“. Späterhin hat G. Peiser unter meiner Anleitung die in der Sammlung zu Erlangen befindlichen Exemplare dieser Form untersucht und ist im Einverständnis mit meinen gleichzeitigen Beobachtungen zu dem Ergebnis gelangt, daß die Auf- fassung Quenstedts die richtigere sei. Indessen bin ich nunmehr auf Grund meiner weiteren Untersuchungen an einem bei weitem größeren Material doch zu dem Ergebnis gelangt, daß wir eine gesonderte Spezies aus ihnen machen müssen. Ich habe nämlich sowohl von den beiden häufigsten Arten Eryon arctiformis und Eryon propinguus Jugenlexemplare erhalten, die ganz zweifellos zu den genannten Formen zu stellen sind und welche ganz erheblich von Eryon Schuberti abweichen. Wenn also Eryon Schuberti eine Brutform darstellt, so müßten wir den Schluß ziehen, daß wir die ausgewachsene Art dieser Form nicht kennen. Nun sind aber Brutformen der größeren Krebse ungemein seltene Fossilien, und es wäre in höchstem Maße eigenartig, wenn wir von einer Spezies nur die Jugendexemplare noch dazu in so großer Menge kennen sollten, während die ausgewachsenen noch nicht auf- gefunden wären. Es ist also wohl mit großer Sicherheit der Schluß zu ziehen, dab Eryon Schuberti eine selbständige Art von sehr geringen Dimensionen darstellt. Allerdings ist es ja wohl denkbar, daß man unter den gewöhnlich recht schlecht erhaltenen als Eryon Schuberti bestimmten Exemplaren gelegentlich Brutformen anderer Krebse finden mag, indessen müssen wir daran festhalten, daß wir dennoch eine gesonderte Spezies vor uns haben. Mit der Erkenntnis, daß Eryon Schuberti eine selbständige Form ist, erwächst naturgemäß die Notwendigkeit, die Form näher zu beschreiben. Hierbei sind wir aber in einer sehr schwierigen Lage, da der Erhaltungszustand der Formen ein so ungünstiger ist. Auch bei Anwendung der sorgfältigsten Präparation lassen sich nur sehr wenig genaue Angaben über die Formen dieser Spezies machen. Auch A. Oppel hat eigentlich nur negative Merkmale als charakteristische Eigenschaften aufstellen können. Wir lassen die kurze Charakteristik Oppels hier folgen: Der 220 Walther von Knebel: ovale Cephalothorax ist, wie auch die Reste der übrigen Körperteile gewöhnlich nur sehr undeutlich erhalten, weshalb es Schwierigkeiten verursacht, bestimmte Charaktere aufzufinden. Nur bei wenigen Exemplaren hat es den Anschein, als ob die Stimme ähnlich wie bei Zryon bilobatus in zwei seitlichen Lappen auslaufen würde. Dies und eine ähnliche Granulation der Schalen könnte für Vereinigung von Eryon Schuberti mit Eryon bilobatus sprechen, besäße ersterer nicht etwas diekere und gekrümmtere Vorderfüße. Da auch in Beziehung auf die Größen- verhältnisse keine Übergänge existieren, so behalte ich die kleine Art als gesonderte Spezies bei. Die Darlegungen Oppels würden uns allerdings nicht überzeugen können, daß wir bei Eryon Sehuberti keine Jugendformen anderer Tiere dieser Gattung hätten, und G. Peiser hat auch verschiedene Einwendungen hiergegen gemacht. Wir müssen nun auf den Umstand zu sprechen kommen, auf den G. Peiser hinsichtlich der Übergänge hinweist. Peiser gibt nämlich an, daß gelegentlich Übergänge der kleinen Art zu größeren vorkämen. Dies ist indessen doch nicht völlig sicher, da die vorhandenen zwei Exemplare, welehe Peiser hinsichtlich der Größe als Über- gänge anzusehen glaubte, dennoch um ein beträchtliches größer waren, als die meisten Exemplare von Eryon Schuberti. Vor allen Dingen kommt es bei Beurteilung dieser Frage eben darauf an, ob wir bestimmte Merkmale aufstellen können, welche die Spezies Eryon Schuberti scharf von anderen Spezies unterscheiden, sodaß man die Art von Brutformen anderer Arten trennen kann. Solche Unterschiede habe ich nun endlich gefunden. Zur Beurteilung der Zugehörigkeit eines Individuums zu einer Spezies muß man bei undeutlich erhaltenen Exemplaren, wie diese ja alle sind, in erster Linie das Längenverhältnis zwischen Daktylus und Cephalothorax, das bei allen höheren Krebsen innerhalb einer Spezies nur ungemein geringen Schwankungen unterliegt, heranziehen. Die Länge des beweglichen Fingers am vordersten Schreitfußpaar beträgt nun durchschnittlich etwa 50 °% der Gephalothoraxlänge. Der Daktylus ist also wesentlich länger im Verhältnis zur Cephalothoraxlänge als bei den meisten größeren Eryoniden-Arten. Nun ist ja allerdings sehr wohl denkbar, daß im Jugend- zustande die Schere beträchtlich größer ist, weil eine zu schwache Schere den Tieren ja ohne irgendwelchen Nutzen sein würde. Indessen hat sich bei meinen Untersuchungen herausgestellt, daß «die wirklichen Brutformen der größeren Krebse ılennoch eine weit geringere Länge des Daktylus aufweisen, wenn dieses Verhältnis auch ein größeres ist als bei den ausgewachsenen Exemplaren. Die Form des Cephalothorax bei Zryon Schuberti ist wenig deutlich zu erkennen. Der Gesamtumriß war mehr in die Länge gezogen als beispielsweise bei den häufigen Formen von Eryon propinqwus bezw. Eryon arctiformis. Es erinnert dieser Umriß etwas an E’ryon bilobatus, er besitzt aber nicht jene so charak- teristischen Lappen am Vorderrand des Rückenschildes wie jene zuletzt genannte Art. Die Augen von Eryon Schuberti sind schlecht erhalten, waren indessen vor- handen und unterhalb einer ziemlich tiefen Einbuchtung am Cephalothoraxrande gelegen. Am Rücken des Cephalothorax zeigt sich gelegentlich eine schwache Nackenfurche und jene eharakteristische Seitenlinie, welche annähernd parallel der Körperachse in einiger Entfernung von der dorsalen Mittellinie des CGephalothorax Die Eryoniden des oberen Weißen Jura von Süddeutschland. 221 sich hinzieht. Die Granulation der Schalen ist eine äußerst feine. Von den Extremitäten ist gewöhnlich nur das vorderste Paar Schreitfüße sichtbar, welche indessen oftmals auch nicht mehr deutlich zu erkennen sind. Die Schwanzflossen der Art sind gewöhnlich nicht mehr erhalten. Sie müssen ungemein schwach verkalkt gewesen sein. Da wo die Schwanzflosse erhalten ist, erinnert sie mehr an jene von Eryon aretiformis als an die von Eryon bilobatus, welch letztere Form im übrigen mehr an Eryon Schuberti erinnert. Da Eryon Schuberti so wenig genau bekannt ist, halten wir es nicht für erforderlich, eine genauere Abbildung des Tieres zu geben. Wir verweisen also auf die bisher gemachten Darstellungsversuche von Oppel und Münster, denen wir die hier gegebene Beschreibung zur genaueren Kenntnis hinzufügen. Tabelle zur Darstellung der Körperdimensionen von den verschiedenen Arten der Gattung Eryon. Art A X N Z U Eryon propinquus 2 30—45 mm 32.1 53 Ay 133 v. Schlotheim Eryon orbiculatus he 39.6 51.8 50.2 162.7 —42 mm v. Münster (+ 1.1,-0.9) | (+3.6,-2.3) | (+ 2.2-1.8) | (+ 14.3-12.2) 35.9 49.1 58.8 127.7 Eryon armatus v. Knebel | 26—27.5 mm 3 } x (+0.5,-1.0) | (+ 0.6.-0.7) | (+ 2.6,-3.3) | (+ 6.2,-6.1) Eryon elongatus 138 20—25 mm 34.2 51.2 47.7 v. Münster (— 23) Eryon spinimanus 44 mm 40.9 68.2 49,7 143.2 Germar Eryon arctiformis ner 30.75 57.6 48.1 134.4 —50 mm v. Schlotheim (+3.0,-1.4) | (+ 8.0,-8.0) | (+ 5.5,-8.0) | (+ 22.6-21.0) A = Cephalotoraxlänge. X—Länge des Dactylus des vordersten Schreitfußpaares im Verhältnis zur Länge des Cephalo- thorax (letztere gleich 100 gesetzt). Y = Verhältnis des Propodos (ohne Dorn) zum Cephalothorax (in °/. der Cephalothoraxlänge). Z— Verhältnis zwischen der Länge des Cephalothorax und der Gesamtlänge vom Stirnrand bis zum Ende des Telson. x U— Verhältnis des Abstandes der Nackenfurche vom Hinterrande des Cephalothorax zu der gleich 100 gesetzten Länge des letzteren. Eryonidae angustiformes. Münsteria nov. gen. Die Gattung Münsteria ist durch eine einzige bekannte Art vertreten, welche man bisher als Eryon bilobatus bezeichnet hat. Die Form ist indessen derart von der Gattung Eryon unterschieden, daß wir nicht nur eine neue Gattung aus ihr machen müssen, sondern daß wir sie auch zu einer anderen Gruppe dieser Familie stellen müssen. Wir haben ihr daher zur Erinnerung an Graf Münster, den ersten umfassenden Bearbeiter der jurassischen Krebse, den Namen Münsteria gegeben. Münsteria besitzt einen oval gebauten Cephalothorax, dessen hinterer Rand tief eingebuchtet ist, um das Pleon heraustreten zu lassen. Der Seitenrand besitzt keine Einschnitte und ist beinahe glatt oder nur sehr unbedeutend gezähnt. Der Vorderrand des Cephalothorax enthält zwei große und breite Lappen, welche einen tiefen Einschnitt in der Mitte offen lassen, durch welchen die Antennenpaare heraus- treten. Hinter den breiten Lappen befinden sich die Augen. Oppel nahm bereits an, daß die Augen bei dieser Form, wenn sie überhaupt welche besaß, an dieser Stelle liegen müßten. Bei sorgfältiger Präparation eines Exemplars der Münchener Sammlung konnte ich nun deutlich einen schlitzförmigen Augeneinschnitt mit hervor- tretendem Stielauge herauspräparieren. Die Lage der Augen, die nunmehr sichergestellt ist, ist vollkommen abnorm; während sie bei allen anderen Eryoniden nahe den Antennenpaaren gelegen sind, werden sie hier bei Münsteria durch die breiten Lappen des Cephalothorax getrennt. Auch der Vorderrand des Öephalothorax ist durchaus anormal. Er ist nicht flach, nach vorn konkav gerundet, sondern in scharfen Winkeln nach hinten ausspringend. Diese verschiedenen Merkmale gehören mit zu den tiefgehendsten Unterschieden, welche zwischen verschiedenen Formen dieser Familie gestellt worden sind. Sie sind es daher auch, welehe zur Aufstellung dieser Gattung Veranlassung gaben. Das Pleon von Münsteria entspricht im allgemeinen dem der Eryonidae angusti- formes das Telson ist nicht, wie man bisher annahm, zugespitzt, sondern ab- geschnitten und endet demnach in zwei kleinen nebeneinander gelegenen Ecken. Von dieser Gattung ist nur eine Art bekannt, nämlich die von Münster bereits zuerst als Eryon bilobatus beschriebene Münsteria bilobata. Die Eryoniden des oberen Weißen Jura von Süddeutschland. WW WW Münsteria bilobata v. Münster. sp. Zu den schon genannten Merkmalen dieser Art kommen noch folgende hinzu: Der Cephalothorax ist schwach granuliert. Auch das gesamte Pleon mit Ausnahme der Schwanzilosse zeigt eine gleichartige Granulation. Die vorderen Schreitfußpaare sind sehr lang. Die gesamte Schere ist länger als der Cephalothorax; während X nur etwa 39% der Cephalothoraxlänge beträgt, hat Y S0—95 %%. Auch die übrigen Glieder des vorderen Schreitfußpaares sind langgestreckt. An dem Vorderrand des Meros fällt eine feine Zähnung in die Augen. Die vier hinteren Schreitfußpaare sind im Verhältnis zu den vordersten Paaren nur sehr klein und ragen kaum über den Rand des Cephalothorax hinaus. Die übrigen Verhältnisse der Körperdimensionen sind aus unseren Tabellen ersichtlich. Palaeopolycheles nov. gen. Unter den Eryoniden des oberen Jura haben sich von sechs Individuen einer Krebsart Reste gefunden, welche von O. Fraas als Eryon longipes beschrieben wurden. Die Gattung gehört jedoch ganz unzweideutig zu der Gruppe der Eryonidae angustiformes, läßt sich aber weder mit der Gattung Münsteria noch mit Palaeopen- tacheles vereinigen. Dagegen weist die Form große Ähnlichkeit im Bau des Cephalothorax und in der Gesamtgestalt mit der rezenten Gattung Polycheles auf. Indessen lassen die wenigen Stücke nicht zu, die Gattung mit der rezenten Gattung ohne weiteres zu vereinigen. Wir haben daher den Gattungsnamen Palaeopolycheles angewendet. Palaeopolycheles besitzt einen schmalen Cephalothorax mit einer etwas deutlicher als gewöhnlich ausgesprochenen Nackenfurche. Der Stirnrand ist ziemlich glatt und vorgebaut, beiderseits in Stacheln endend. Das Pleon ist schmal gebaut und weist keinerlei besondere Merkmale auf. Die Augen sind nicht bekannt. Die Antennen tragen lange Geißeln. Charakteristisch ist die Form des ersten Scherenfußes, welcher einen unge- wöhnlich langen Propodos besitzt. Palaeopolycheles weist, wie alle Formen der Eryonidae angustiformes, nahe Beziehungen zu den jetzt noch lebenden Vertretern der Familie der Eryoniden auf. Der einzige Vertreter der Gattung ist Palaeopolycheles longipes OÖ. Fraas sp. Eryon longipes OÖ. Fraas 1859. Die Art zeigt die schon genannten Gattungsmerkmale. Die lange Gestalt des ersten Schreitfußpaares, insonderheit des Propodos, hat ihr den Namen gegeben. Palaeopentacheles nov. gen. Der Cephalothorax ist eirund, der Stirnrand eingebuchtet und hat an den Seiten zwei scharfe Eeken oder Stacheln, hinter welchen die Augenausschnitte sieh befinden. Der Seitenrand ist ziemlich glatt, am hinteren Teile etwas gezähnt, nach vorn endet er in eimem Stachel, dem Augenstachel, welcher die Augen nach den Seiten begrenzt. Die Augen sind ungestielt und lagen wahrscheinlich unbeweelich in der von den Augenstacheln begrenzten Augenhöhle. Die Antennen sind neben einander gelagert, ähnlich wie bei Afänsteria; sie tragen lange Geißeln. Namentlich die Geißeln des zweiten Antennenpaares sind sehr lang, sie übertreffen an Länge oftmals um ein Beträchtliches jene (des Cephalothorax. Die Schreitfüße sind an allen fünf Paaren mit Scheren versehen, weswegen die Gattung den Namen führt. Das erste Schreitfußpaar zeichnet sich durch schlanke Scheren aus. Das Pleon ist im allgemeinen länger als der Gephalothorax. Die Schwanz- flosse ist etwas anders als bei den übrigen Eryoniden gebaut. Der Exopodit des sechsten Pleonal-Segmentes besitzt zwar ebensowenig eine Diaeresis wie bei den übrigen Eryoniden, aber er hat in der Mitte einen nach außen gerichteten charakteristischen Stachel. Das Telson ist abgestumpft und endet in zwei kleine Spitzen, ebenso wie bei der Gattung Münsteria. Die Gattung gleicht in den wesentlichen Merkmalen der rezenten Gattung Pentacheles Spence Bate. Die Lagerung der Kopfsegmente und die Gestalt des Cephalothorax ist so ähnlich, daß man die Form mit dem rezenten Pentacheles ver- einigen dürfte, wenn nicht eben die abweichende Gestalt der Schwanzflosse und der große geologische Altersunterschied die Ausscheidung der Gattung als Palaeo- pentacheles erheischen würde. Hierzu kommt, daß die einzige bisher bekannte Form dieser Gattung, Palaeopentacheles Redenbacheri, namentlich dureh die Form der Scheren sehr stark von den Vertretern der rezenten Gattung Pentucheles abweicht. Der hier gegebenen Definition von Pentacheles lag (das Originalexemplar des Grafen Münster zugrunde, welches durch sorefältigste Präparation die hier ge- nannten Merkmale erkennen ließ. Die Trennung der Gattung Palaeopentacheles von der Gattung Eryon, zu der erstere früher gestellt wurde, wurde schon von P. @. Krause als zweckmäßig Archiv für Biontologie II. (2) 08. 3 226 Walther von Knebel: angedeutet. Von den von Krause erkannten Merkmalen — fünf Paar Scheren- füße, abgestumpftes Telson, glatter Rand des Cephalothorax — sind aber nur die ersten beiden den Tatsachen entsprechend. Die Gattung Palaeopentacheles weist mit der Gattung Münsteria gewisse Be- ziehungen auf. So in der Gestalt des Telson, in der geringen Granulation des Cephalothorax, dem beinahe glatten Cephalothoraxrande. Andererseits sind aber die Unterschiede doch beträchtlich genug, sie zu verschiedenen Gattungen zu rechnen. Sie beide gehören indessen zur gleichen Gruppe der Eryonidae an- gustiformes. Palaeopentacheles Redenbacheri von Münster. sp. Die einzige Art dieser Gattung weist abgesehen von den schon beschriebenen Gattungsmerkmalen als Hauptmerkmal die Gestalt der Scherenfüße auf. Der Daktylus ist sehr lang und durch eine Reihe von scharfen Zähnen (vergl. Abb. 2!) ausgestattet, ebenso der gleichartig gestaltete Dornfortsatz des Propodos. Fig. 2. Schere von Palaeopentacheles Redenbacheri von Münster. Der Propodos ohne den Dornfortsatz ist kürzer als der Daktylus. Die ganze Schere ist in hohem Maße charakteristisch und gestattet selbst sehr schlecht er- haltene Exemplare zu bestimmen. Die Beschreibung Oppels, die letzte ausführ- liche dieser Art, weist noch mancherlei Irrtümer auf. Die eigenartige Gestalt der Schwanzflosse sowie die fünf Scherenpaare sind nicht bekannt geworden. Auch die Die Eryoniden des oberen Weißen Jura von Süddeutschland. 227 Augen sind nicht, wie Oppel annahm, Stielaugen, sondern kurze rundliche, wahr- scheinlich unbewegliche Augen. Neben dem der Berliner Sammlung angehörigen Original Münsters, das durch die an ihm vorgenommene Präparation sehr ge- wonnen hat, lagen mir eine Reihe von Exemplaren dieser nicht häufigen Form aus den Sammlungen von Berlin, Erlangen und München vor. 3% Vergleich der rezenten Eryoniden mit den fossilen Vertretern des oberen Weissen Jura. Die Hauptmassen der in den Plattenkalken des oberen Weißen Jura ent- haltenen Eryoniden gehören der Gattung Eryon an. Diese Gattung weist nun mit keiner der rezenten Formen auf den ersten Anbliek Ähnlichkeit auf. Eryon ist breit gebaut, mit breitem aber kurzem Cephalothorax, mit unbe- deutendem Pleon. Zryon besitzt kurze Antennengeißeln, deutliche Augen, kurze aber kräftige Schreitfüße. Anders die rezenten Vertreter der Familie der Eryoniden. Sie haben einen schmal gebauten Cephalothorax, langes Pleon, sehr zurückgebildete Augen (oftmals sind sie überhaupt blind). Sie haben lange Antennengeißeln und schmal und lang gebautes erstes Schreitfußpaar. Dennoch aber gehören die rezenten Eryoniden der gleichen Familie an wie die Gattung Eryon. Die Unterschiede bei der jurassischen Gattung Zryon sind, wie wir sehen werden, auf ihre andere Lebensweise zurückzuführen. Wir fanden aber, daß unter den jurassischen Eryoniden bereits eine zweite Gruppe auszuscheiden ist, welcher wir den Namen Eryonidae angustiformes gegeben haben. Die Eryonidae angustiformes stehen den jetzt lebenden Eryoniden sehr viel näher, ja so nahe, daß man im Zweifel sein könnte, ob nicht in den rezenten Formen Vertreter derselben Gattung vorliegen, wie sie zur Zeit des oberen Jura auftraten. Bemerkenswerter Weise sind die Eryonidae angustiformes verhältnismäßig recht selten, was eben darauf zurückzuführen ist, daß die Formen dieser Gruppe vermöge ihrer weit eleganteren Körpergestaltung nicht an den Boden angepaßt waren, sondern als die besseren Schwimmer frei sich herumbewegten. Die Eryonidae angustiformes weisen zum Teil sehr lange Fühlorgane auf, ganz ebenso wie die rezenten Eryoniden, wie auch ihre Körperform vollständig jener der heute noch lebenden Formen glich. Von diesen letzteren rezenten Formen ist nur eine Grattung Eryonaeteus be- kannt, welche sich durch einen breiten Cephalothorax auszeichnet. Die Form weist aber so viele Merkmale der Rückbildung auf, daß man sie nicht mit den wohl- entwickelten Formen des Jura, wie sie uns in der breitgebauten Gattung Zryon entgegentreten, vergleichen darf. Die Eryoniden des oberen Weißen Jura von Süddeutschland. 229 Wenn nun auch zwischen den fossilen Eryoniden und den rezenten im all- gemeinen — wenigstens in ihren hauptsächlichsten Vertretern — beträchtliche Unter- schiede bestehen, so sind sie dennoch alle derselben Familie angehörig, und man wird, sobald man die einzelnen Körperteile genauer untersucht, einen hohen Grad der Ähnlichkeit in den wesentlichen Dingen feststellen können. Wir werden in den folgenden Abschnitten sehen, daß da, wo größere Verschiedenheiten auftreten, diese nur auf Anpassung an verschiedene Lebensbedingungen zurückzuführen sind. Die Bewertung der Unterschiede der Gruppe der Eryoniden aus dem oberen Weissen Jura und der Jetztzeit. Die Unterschiede, welche uns zur Trennung der Eryoniden des oberen Jura in zwei Gruppen, den Eryonidae angustiformes und den Eryonidae latiformes, ver- anlaßten, können wir auf Anpassung an verschiedene Lebensverhältnisse zu- rückführen. Die Eryonidae latiformes, die uns in der Gattung Zryon aus dem oberen Jura entgegentreten, waren ausgesprochene. Bodenbewohner. Die breit entwickelte Ge- stalt des Cephalothorax bei der schwachen Ausbildung des Pleon zeigt an, daß sie schlechte Schwimmer waren. Sie waren, wie alle breit gestalteten Formen der Wassertiere, Bodenbewohner und vielleieht nach Art der Seyllariden im Schlamm oder Sand des Bodens halb vergraben gewesen. Hierauf ist es zurückzuführen, daß die Gattung Eryon so häufig und meist in derart guter Weise erhalten ist. Wurde doch das Individuum nach seinem Absterben gleich von neuem Schlamm bedeckt und nicht erst in den Wellen herumgeworfen. Da die Gattung Zryon aus Bodenbewohnern bestand, welche sich wenig oder gar nicht bewegten, — darauf weist auch die gute Erhaltung des fast immer ge- streckt erhaltenen Pleon hin — war es nicht erforderlich, daß sich die Sinnes- und Greiforgane besonders ausbildeten. Nur die Augen sind normal erhalten gewesen, während die Fühlorgane in Gestalt der Antennengeißel sehr zurückgebildet sind. Die Antennulae sind nur verhältnismäßig sehr klein, und wenn in ihnen die sogen. Riechhaare sich befanden, so war dieser Sinn wohl nur unbedeutend entwickelt. Die Fühler des zweiten Antennenpaares mußten sich ebenfalls zurückbilden, da sie nieht in gleicher Weise wie bei den frei schwimmenden Formen angewendet werden konnten. Der Körper nahm, um ein Einsinken in den Schlamm zu verhindern, bei diesen Formen jene breite Gestalt an, und die Schreitfüße, in Sonderheit das erste Paar, wurden kräftig, aber zur Fortbewegung wohl wenig angepaßt. Vergleichen wir damit die andere Gruppe der Eryonidae angustiformes, So finden wir, daß diese in jeder Weise die Merkmale frei schwimmender Formen an sich trug. Der schmale Öephalothorax bei kräftig und schlank entwickeltem Pleon mochte das Schwimmen sehr erleichtern. Dazu kam, daß die Sinnesorgane, wie bei allen sich frei bewegenden Tierformen, verfeinert waren. Sie besaßen, wie Die Eryoniden des oberen Weißen Jura von Süddeutschland. 23] beispielsweise Palaeopentacheles und Palueopolycheles, Antennen mit recht beträcht- lichen Geißeln; sie hatten schlank gebaute Schreitfüße, welche ebensowohl zum Kriechen geeignet waren. Die Augen waren bei den frei schwimmenden Formen niemals gestielt, aber im Gegensatz zu manchen lebenden Formen stets vorhanden. Dieser letztere Unterschied ist darauf zurückzuführen, daß die jetzt lebenden Formen großen Meerestiefen entstammen, in welche kein Licht mehr fällt, während die Vertreter dieser Familie aus dem oberen Jura, so weit wir sie kennen, Be- wohner der Flachsee gewesen sind, denn wie alle Merkmale zeigen, sind die Plattenkalke des oberen Weißen Jura in ganz seichtem Wasser abgesetzt worden. Das beweist das Auftreten von Insekten oder Landtieren, welche wohl nur im seichten Wasser auf den Grund gelangen können und dort im Schlamm eingebettet sich erhalten. Ob nun zur Jurazeit in den Tiefen der Meere auch blinde Eryonenformen wie heute vorhanden waren, ist nicht bekannt. Alles in allem genommen vermögen wir in (den Unterschieden der beiden Gruppen, der Eryonidae latiformes und Eryonidae angustiformes, nur Anpassungs- unterschiede zu erblicken. Die niedriger stehenden EZryonidae latiformes waren, wie es scheint, nur auf eine vorübergehende geologische Periode beschränkt, während die Zryonidae angustiformes mit äußerst geringen Veränderungen bis in die Jetztzeit sich erhalten konnten. Die Eryonidae angustiformes stellen einen seltenen Fall dar, wie ungemein geringe Veränderungen innerhalb ungeheurer Zeiträume vorkommen können. Die Familie der Eryoniden war schon zur Jurazeit mit allen Merkmalen ausgestattet und hat diese bis auf den heutigen Tag bewahrt. Reste von im Häutungsprozess verstorbenen Eryoniden. Zwischen den Exemplaren der Eryoniden des oberen Jura Süddeutschlands finden sich, wenn auch äußerst selten, gelegentlich Exemplare, welche wenig be- stimmte Formen bei ziemlich guter Erhaltung aufweisen. Man hat diese Formen früher niemals beachtet. Kin gutes Exemplar, das jetzt der Berliner Sammlung gehört, wurde von mir eingehender Prüfung unterzogen. Es ergab sich, daß bei einer Gesamtlänge von 67 mm und einer Gephalothoraxlänge von 34 mm die Größe des Daktylus nur 15°% der Cephalothoraxlänge betrug. Auch die Länge des Propodos = Y war ungewöhnlich niedrig, (= 25%) dagegen wies das Ver- hältnis zwischen der Breite und der Länge des Cephalothorax (V = 153) auf eine Vereinigung des Exemplars mit der Gattung Zryon hin. Aber es war nicht möglich, etwa eine Artbestimmung vorzunehmen, denn der Cephalothorax war verbogen, slattrandig und äußerst dünn, so daß keinerlei Warzen oder Stacheln an ihm zu bemerken waren. Wir können dies Exemplar nur als den Überrest eines gerade in Häutung befindlichen Tieres ansehen, bei welchem der Panzer noch keine Festigung infolge der Verkalkung erhalten hat und infolgedessen bei der Fossilation so starke De- formation erlitt. Darauf weist ferner die geringe Größe der Scherenteile, welche bei ausgewachsenen Exemplaren weit größer ist. Das Tier mochte eben den Panzer abgeworfen haben, was wohl durch das bedeutende Anwachsen des Gesamtkörpers bedingt wurde. Die Extremitäten waren jedoch noch nicht entsprechend gewachsen, so daß das Mißverhältnis der Scherenlänge ein derart großes ist. Bei Durchsicht des Materials an Eryoniden in der Münchener Sammlung ist mir dort ein zweites Exemplar aufgestoßen, das minder deutlich erhalten ist, als das eben beschriebene. Jedoch zeigt der unbestimmte Umriß des Cephalothorax, daß auch hier ein kurz nach der Häutung verstorbenes Exemplar vorliegt. Indessen scheint bei diesem Tiere die Verkalkung des Panzers bereits weiter vorgeschritten zu sein, da das Pleon besser erhalten ist. Die Scherenfüße sind bei dem Münchener Exemplar nicht erhalten, so daß deren Dimensionen nicht festgestellt werden konnten. Eine Artbestimmung konnte bei den beiden nach dem Häutungsprozeß fos- silierten Exemplaren nieht vorgenommen werden. Die Bestimmung des Münchener Exemplars als Eryon orbieulatus infolge der runden Gestalt ist nicht berechtigt, ebenso ist die Bestimmung des besser erhaltenen ersten Exemplars eine vollendete Unmöglichkeit. Fig. Tafel-Erklärung. Tafel XI. Antennula von Eryon arctiformis SCHLOTH. Bei A befindet sich das Gehörorgan. Die aus fünfGliedern bestehende,große Antenne von Zryon propinguus SCHLOTH. Das fünfte Glied dient zum Ansatzpunkt der Geißel. Bei G@. V. ist die Mündung der grünen Drüse sichtbar. Der aus sieben Gliedern bestehende, vorderste Schreitfuß eines Eryoniden (Eryon propinquus SCHLOTH.). Der linke Fuß des fünften Schreitfußpaares eines Eryoniden (Zryon pro- pingquwus SCHLOTH.). Er trägt keine Schere, sondern einen einfachen Nagel; nur bei der auch in mancher anderen Hinsicht isoliert stehenden Form Eryon (Palaeo- pentacheles) Redenbachert MÜNST. trägt auch das fünfte Schreitfußpaar eine Schere. Hinterleibssegmente von Eryon (Palacopentacheles) Redenbacheri MÜNST. mit teilweise erhaltenen Pleonalfüßen. Schwanzflossen von Eryon aretiformis SCHLOTH. Das Telson läuft in eine einfache, abgerundete Spitze aus. Schwanzflossen von Eryon (Palaeopentacheles) Redenbacheri MÜNST. Das Telson besitzt zwei kleine Spitzen. zwischen «denen wohl ein Rudiment gesessen haben mag, das den wahren Körperpol gebildet hat; indessen ist es jedenfalls so klein und so fein gewesen, dal) es fossil nicht erhaltungs- fähig war. Tafel XI. Eryon aretiformis SCHLOTH., vorderer Teil des Cephalothorax von unten gesehen, um (die Sinnes- und Kau-Extremitäten zu zeigen. Dasselbe, von oben gesehen. Der Panzer ist stellenweise wegpräpariert, um namentlich die Kau-Extremitäten zu zeigen. Tafel XII. Rekonstruktion eines Eryon propinguus SCHLOTH., von der Unterseite gesehen. (Nach einem vorzüglich erhaltenen Exemplar der Berliner Sammlung.) Nat. Größe. Tafel XIV. Eryon armatus nov. spec. Nach dem Exemplar der Berliner Sammlung. Nat. Größe. Tafel XV. Umriß des Münchener Exemplars von Eryon spinimanus GERMAR. Nat. Größe. Archiv für Biontologie, Bd. II, Taf. XI. B) J. F. Starcke, Berlin SW. 4S. N S en Taf. XII. ‚im 2 BR : f P} £ 3 > x >38 x i 2.2 x Ki 22“ e% 3 2) RE 2% >»: IE an 3 <- BI 2 P>7 Pe DS 3 32,2. >> I,» > > » N 3 Y») SER, B) 2 > 2 SEITEN hi % )» > >. f 2 a I 5 We SER ieı 125) . > >) Da Sy ek u J. F. Starcke, Berlin SW. 48. Archiv für Biontologie, Bd. II. Taf. Xlll. Özyon pzopinguus Schloth. Rekonstruiert. J. F. Starcke, Berlin SW. 4s. al Archiv für Biontologie, Bd. Il. Taf. XIV. özyon azmalus nov. spec. Exemplar der Berliner Sammlung. (Tlat. Größe). | = J. F. Starcke, Berlin SW. 48, Ki „e Mr a HERE A RI A Me, NR 3 vr * Archiv für Biont Bleeie Ba Il | Taf. XV. J. F. Starcke, Berlin SW. 48. Untersuchungen über die Augen pentamerer Käfer. Otto Kirchhoffer. (Aus dem zoologischen Institut der Universität Berlin.) Hierzu Tafel XVI—XXI, Berlin. In Kommission bei R. Friedländer & Sohn. 1908. dann LI 180 \ H } v 3 Geschiehtlieher Überblick. Die Untersuchungen Grenachers über die Sehorgane der Arthropoden (1879) bilden die Grundlage für alle weiteren Forschungen auf diesem Gebiete. Die vor- hergehenden Autoren erkannten zwar, daß das Omma, d. h. der Einzelstrang des zusammengesetzten Auges aus zwei Teilen, dem Kristallkegel und dem Nervenstab (Leydig 1855) oder Sehstab (Max Schultze 1365) besteht. Die Hauptauf- merksamkeit richtete sich jedoch auf den Kristallkegel, welcher nach damaliger Ansicht sämtlichen Arthropoden zukommen sollte, und welcher von Leydig (1855) als nervöser rezipierender Teil des Auges aufgefaßt wurde. Unter dem Seh- oder Nervenstab verstand man das im Imneren stark liehtbrechende Achsengebilde, welches als einfache Optieusfaser aufgefaßt wurde, die durch Nervenfasern mit dem Kristallkegel in Verbindung stehe. Die den Nervenstab umgebenden Zellen betrachtete man als dessen Hülle, welche dem Sarcolemm der Muskelfasern oder der Hülle der Nervenfasern entspreche. Es ist das Verdienst Grenachers (1879) Aufklärung über die Bedeutung der beiden Teile des Ommas — des dioptrischen Apparates (Kristallkegel) und des rezipierenden Teiles (Rhabdom) — gegeben zu haben. Er weist nach, daß der sogenannte Sehstab aus einer Anzahl der Länge nach aneinander liegender Zellen besteht, welche eine durchsichtige Ausscheidung — Stäbehen — bilden. Diese Stäbchen treten meist als Säume auf und bilden die gegen die Achse des Ganzen gerichtete Kante. An die Zellen treten die Nerven des Optieus heran. Diesen Komplex von rezipierenden Zellen hinter dem Kristall- kegel bezeichnet Grenacher als Retinula, während er als Rhabdom die zu den einzelnen Zellen gehörigen, mit einander verschmolzenen Stäbchen bezeichnet. Die Zahl dieser Zellen gibt er als sieben an, nur bei Hymenopteren und Cieaden zählte er acht. Die Stäbehenbildungen faßt er als Cutieularsäume der Retinulazellen auf. Während man nun vor Grenacher annahm, daß der Kristallkegel allen zusammengesetzten Augen zukomme, bewies er das Gegenteil und je nach dem Vorkommen oder Fehlen, sowie nach der Ausbildung desselben teilt er die Augen der Arthropoden in folgende Gruppen ein: 1. „Acone Augen, d. h. solche, in welchen die Kristallkegel nicht nachzu- weisen sind, sondern diese zeitlebens durch typische Zellen vertreten werden. Bei diesen Augen setzt sich an die Innenfläche jeder Facette ein meist kurzer und flacher Kegel an, dessen Spitze nach innen gerichtet ist. Daß dieser Kegel nicht mit den Kristallzellen zu identifizieren ist, trotzdem er aus vier Segmenten zusammengesetzt ist, ergibt sich daraus, daß jeder dieser Segmente im Inneren einen deutlichen Zellkern führt, der beim echten Kristallkegel sich nie da findet.“ 1* 938 Otto Kirchhofter: Die Zellen bezeichnet Grenacher als Kristallzellen, deren Kerne den Sempersehen Kernen homolog sind, welche bei euconen Augen als Überreste der die Kristall- kegelsegmente bildenden Zellen zwischen Kegel und Corneafacette sich erhalten. 2. „Pseudocone Augen, d.h. solche, bei welchen zwar ein besonderes kegel- förmiges und liehtdurchlassendes Medium vorhanden ist, das aber nicht mit jenen Zellen, auch nicht mit den typischen Kristallkegeln morphologisch in die gleiche Linie gestellt werden kann. Von (en aconen und den euconen Augen unterscheidet sich das pseudocone, wie ich es auffasse durch folgende Charaktere. Während beim aconen Auge die vier hinter der Facette gelegenen und sie abscheidenden Zellen zeitlebens als solehe unverändert persistieren; bei euconen aber außer der Facette noch den aus ebensoviel Segmenten als Zellen vorhanden sind, bestehenden Kristallkegel aussondern, (und zwar erscheint jedes Segment ursprünglich im Inneren (der zugehörigen Zelle): scheiden die vier Kristallzellen beim pseudoconen Auge eine weiche, halb oder ganz flüssige Substanz aus, die zusammengehalten durch triehterförmig gestaltete Hauptpigmentzellen, funktionell dem Kristallkegel zu ver- gleichen ist. Sie ist aber vor den Zellen gelegen, durch deren Tätigkeit sie ent- standen ist, zwischen denselben und der Facette. Die Kerne jener Zellen, die man als Sempersche bezeichnet, liegen demnach nicht wie bei den anderen zusammen- gesetzten Augen, der Facette stark genähert, sondern in einem oft recht erheblichen Abstand von ihr abgerückt.“ 3. „Eucone Augen mit echten Kristallkegeln, wie sie bisher allen Facetten- augen zugeschrieben wurden.“ Während nach Grenacher die pseudoconen Augen sich nur bei den echten kurzfühlerigen Dipteren finden, kommen die aconen und euconen Augen bei den Coleoptera in der Weise vor, daß sich diese Insekten in zwei Reihen spalten, die ler damaligen üblichen Unterabteilung nach der Zahl der Tarsenglieder ziemlich ent- sprächen, wenn aus seinen angesteliten Untersuchungen schon einsicherer Schluß gezogen werden könnte. Wenn nach seiner Ansicht diese Untersuchungen noch nieht völlig genügend sind, um diesen Schluß zu ziehen, so bemerkt er doch, daß er keinen Käfer von der Gruppe der Pentameren (mit fünf Tarsalgliedern) kennen gelernt habe, der echte Kristallkegel vermissen ließe, (dagegen keinen aus den Gruppen der Heteromeren, Tetrameren und Trimeren, der solche besäße. „Diese Aufzählung verglichen mit der großen Anzahl der hierher gehörigen Gattungen und Arten, vermag natürlich nicht zu beweisen, daß alle unter die genannten Gruppen gehörigen Käfer acone Augen haben; ebensowenig wie die Auf- zählung der paar untersuchten Arten aus der Gruppe der Pentamera das Vorkommen der aconen Augen bei dieser Gruppe auszuschließen vermag. Aber da die Wahl der Untersuchungsobjekte in beiden Fällen eine sozusagen zufällige und rein durch äußere Umstände bedingte war, und die Resultate immer je nach der Kategorie, mit einander in der Ilauptsache übereinstimmten, so läßt sich wenigstens die Wahrscheinlichkeit vorerst noch nicht bestreiten, daß «die Charaktere, die in der Bildung der Augen einerseits, in der Zahl der 'Tarsen andererseits gegeben sind, mit einander vergesellschaftet sich finden.“ Hiekson (1885) dagegen kommt zu dem Schlusse, daß zwischen pseudoconen und euconen Augen nicht der von Grenacher angenommene fundamentale Unter- Untersuchungen über die Augen pentamerer Käfer. 239 schied bestehe; indem er den Pseudoconus aus vier mit Flüssigkeit gefüllten Vacuolen in den Kristallzellen bestehen läßt, setzt er die pseudoconen Augen gleich eueonen, in welchem die Kerne statt vor hinter dem Kegel lägen. Nach Carriere (1355) kann die Kluft zwischen euconen und pseudoconen Augen nicht so leicht überbrückt werden und es ist ihm nieht möglich, die pseudoconen Augen von den aconen zu trennen. Das Auge eines Ohrwurms und einer Fliege sind nach ihm in ihren lichtbrechenden Teilen nur extreme Formen eines Typus, des aconen, welchem als zweiter das eucone Auge gegenüber steht. Diese beiden abweichenden Ansichten haben indessen die Klassifizierung Grenachers nicht zu verdrängen vermocht. Desgleiehen wird noch heute die Ansicht dieses Forschers, daß die pentameren Käfer mit euconen, die übrigen aber mit aconen Augen ausgestattet sind, als maßgebend betrachtet. Einen bedeutenden Fortschritt in der Kenntnis der Insektenaugen haben wir Hesse (1901) zu verdanken. Er stellte fest, daß bei Myriopoden, Insekten, Crusta- ceen und Arachnoideen die rezipierenden Endorgane an den Sehzellen, welche vor- dem als Cutieularsäume bezeichnet wurden, stets nach demselben Plane gebaut sind: „Es sind Stiftehensäume, deren einzelne Stiftchen das gewöhnlich verdiekte Ende einer Neurofibrille bilden, welche ihrerseits durch die Sehzelle hindurch in deren Nervenfortsatz verläuft und in diesem wahrscheinlich zum Zentralorgan (Ganglion opticum) oder Gehirn geht. So wäre also jedes Stiftehen durch eine kontinuierliche Leitung mit einer zentralen Zelle verbunden.“ „Die Stiftehensäume selbst sind in verschiedener Weise modifiziert. In voll- kommenster Ausbildung zeigt jedes Stiftchen an seiner Basis eine rundliche oder längliche Verdiekung, ein Knöpfehen, an welches sich dann die Fibrille anschließt; zwischen der Lage der Knöpfehen und dem granulierten Zellplasma liegt eine helle Zone, die Schaltzone, in der die Fibrillen am deutlichsten zu Tage treten, während sie zwischen den Granulationen des Zellplasmas oft ganz verschwinden. Die Knöpfehen und die Schaltzone werden nicht‘ selten vermißt, die Stiftchen und die Neurofibrillen jedoch sind notwendige Bestandteile (des Stiftehensaumes. Die Aus- bildung «der Stiftehen wechselt sehr: sie können von verschiedener Länge sein, zu- weilen ganz kurz bleiben und selbst zu hlättchenartigen Bildungen (Helophilus- Stirmauge) werden. Weiter können sie in ihrer Substanz mehr oder weniger ver- ändert sen — was sich zunächst an ihrer verschiedenen Färbbarkeit kund gibt, ja ich zweifle nicht, daß sie zuweilen eine cutieuläre Beschaffenheit annehmen. Das wird besonders deutlich, wenn sie eng (vielleicht durch eine Kittsubstanz) mit einander verbunden sind — wobei man wenigstens ihre gesonderte Existenz an dünnen Schnitten noch erkennen kann (z. B. Dyticus-Komplexauge) oder wenn sie zu einer homogenen Masse verschmolzen sind (Rhabdomeren der Phryganeen-Larven).“ Hesse vermutet daher, daß auch bei Dytieus echte Stiftehensäume vorliegen. Bei diesem Käfer fand er, daß das Rhabdom nicht aus vier, sondern aus sieben Zellen zusammengesetzt wird, deren eine rudimentär ist. Ferner fand er an der Basis jeder Retinula eine Zelle mit großem Kern, die sich proximal in eine Nerven- faser auszieht, distal aber einen stark färbbaren Aufsatz trägt, der da, wo er der Zelle aufsitzt, eine Längsstreifung erkennen läßt. Er vergleicht diesen Aufsatz 240 Otto Kirchhoffer: mit einem Rhabdomer und betrachtet ihn als Sinneszelle, welche hauptsächlich zum Erkennen von sehr nahe gelegenen Gegenständen dienen soll. Über die Entstehung dieser Basalzellen gibt uns Johannsen (1893) in seiner Entwieklungsgeschichte des Imagoauges von Vanessa urticae L. Auskunft: „Im Laufe der weiteren Entwicklung rücken nun ein oder zwei Kerne (der Retinulazellen) proximalwärts, um am basalen Ende der Retinula zu verbleiben und hier eine kleine Anschwellung der Retinula zu verursachen. Ob die diese Kerne enthaltenden Zellen in besonderer Beziehung zu den mit der Retinula verbundenen zwei Ganglienzellen stehen, läßt sich schwer beantworten. Die Zellen beteiligen sich an der Bildung des Rhabdoms wie die übrigen Retinulazellen. Auffallend ist jedenfalls die konstante Lagerung von mindestens einem Kern in der Nähe dieser Ganglienzellen und es dürfte vielleicht möglich sein, daß die dazugehörenden Zellen die Vermittlung der Retinula mit den Ganglienzellen übernommen haben.“ Derselbe Forscher gelangt auch bezüglich der Entstehung der Kristallkegel zu einem anderen Resultate als Clarparede (1859), welcher es für das Wahrscheinlichste hält, daß die vier dicht aneinander liegenden Zellen in der Mitte auseinander weichen und daß in dem auf diese Weise gebildeten mittleren Intercellularraum die Kristallkörper als äußere Ausscheidungen entstehen. Nach Johannsen findet dagegen bei Vanessa und Sphinz kein Auseinanderweichen der Semperschen Zellen statt. „Die Kristallkegel- genese ist daher als eine Art innerer Ausscheidung resp. Umbildung eines Teils des Protoplasmas der Semperschen Zellen aufzufassen.“ Eigene Untersuchungen. Ich hatte es mir zur Aufgabe gemacht eine möglichst große Anzahl von Augen pentamerer Käfer auf das Vorhandensein echter Kristallkegel, sowie auf die Be- schaffenheit des rezipierenden Apparates zu untersuchen. Von vielen dieser Käfer ist nun allerdings bereits bekannt, daß ihre Augen echte Kristallkegel besitzen, so daß es gar nicht nötig gewesen wäre, dieselben in meine Untersuchungen ein- zubeziehen. Vergleicheshalber begann ich jedoch meine Untersuchungen mit bereits bekannten Formen und die hierbei gefundenen kleinen Abweichungen veranlaßten mich, auch dieser Gruppe eine größere Beachtung zu schenken, als ich ursprünglich beabsichtigt hatte. Zur Konservierung der Augen benützte ich eine Lösung von Sublimat in 63% Alkohol mit einem Zusatz von 5° Essigsäure, sowie Pikrinsäure nach Purcell (1594). Vor der Konservierung wurde der Kopf des Käfers mit einem Rasiermesser halbiert. Um dünne Schnitte anfertigen zu können, war die Entfernung sämtlicher chitiniger Teile in der Umgebung des Auges nötig, worauf die schichtenweise Ab- tragung der Cornea mit einem scharfen Messerchen erfolgte. Hierzu war ein wiederholtes Einbetten in Paraffin nötig (Hesse 1901). Bei denjenigen Augen, bei welchen die Cornea zapfenartige Fortsätze als Homologa der Kristallkegel trägt, war das gänzliche Entfernen der Cornea ohne Beschädigung der Zapfen und der zwischen ihnen liegenden Weichteile nicht möglich. Die Cornea war bei Anfertigung von Medianschnitten auch nicht hinderlich. Zur Anfertigung von Querschnitten mußte ich mich mit der Entfernung der oberflächlichen Schichten begnügen. Die Dicke der zur Untersuchung benützten Schnitte beträgt 2 bis 5 x. Zur Färbung der Schnitte verwendete ich Hämatoxylin nach M. Heidenhain und solches nach Delafield, letzteres jedoch lediglich zur Anfertigung von Übersichts- präparaten. Versuche mit Nachvergoldung nach Apathy (Mitt. Z. Stat. Neapel Bd. 12, 1897) ergaben nur in einem einzigen Fall, bei dem Basalorgan von Dyticus marginalis L., ein günstiges Resultat. Zur Darstellung der Beschaffenheit der Cornea derjenigen Augen, bei welchen die Cornea zapfenförmige Fortsätze besitzt, leistete mir die Flemmingsche Dreifachfärbung (Saffranin — Gentian- violett — Orange G) vorzügliche Dienste. Die pentameren Käfer, auf welehe sich meine Untersuchungen beziehen, sind: 1. Scearabaeides 2. Gieindelides 3. Carabides 4, Dytieides 5. Gyrinides 6. Malacodermata Otto Kirchhoffer: Scarabaeus varieulosus F. Geotrupes silvatieus Panz. Geotrupes laevigatus F. Geotrupes vernalhs L. Melolontha vulgaris F. Hoplia farinosa L. Phyllopertha hortieula F. Cetonia aurata L. Cetonia metallica F. Trichius faseiatus L. Cieindela campestris L. Cieindela silvatıca L. Cieindela hybrida L. Carabus auratus L. Carabus auronicus F. Carabus granulatus L. Carabus hortensis L. Carabus nemoralis Müll. Carabus arvensis F. Carabus glabratus Payk. Calosoma sycophanta L. Procustes coriaceus L. Harpalus seripes Quensel. Harpalus aeneus F. Amara fulva de Geer. Poeeilus lepidus Leske. Poeeilus cupreus L. Elaphrus cupreus Duft. Calathus fuscus F. Pseudophonus ruficornis F. Abax striola F. Abax paralellus Duft. Pterostichus vulgaris L. Pterostichus metallicus F. Proscus cephalotes L. Molops elata F. Spodrus leucophthalmus 1. Dytieus marginahs L. Dytieus eirumeinetus Ahr. Dytieus latissimus 1. Acilius suleatus L. Gyrinus mergus Ahr. Eros auroa F. Lampyris noetiluca L. Untersuchungen über die Augen pentamerer Käfer, IV Cantharis dispar F. Rhagonycha melanura F. 7. Elaterides Blater samgwineus L. Ludius cupreus v. veruginosus F. Corymbites aeneus L. S. Dermestides Dermestes lardarius L. 9. Byrrhides Dyrrhus prtlula L. 10. Silphides Neerophorus humator F. Necrophorus investigator Zett. Necrophorus vespillo F. Silpha atrata L. Silpha thoracica L. 11. Histerides Hister sinuatus F. 12. Staphylinides Staphylinus caesareus Cederh. Staphylinus erythropterus L. Leistotrophus nebulosus F. 13. Clerides (lerus formicarius L. Trichodes apiarius L. Die Käfer wurden größtenteils von Herrn Dr. Obst im zoologischen Museum zu Berlin bestimmt, wofür ich ihm auch hier meinen verbindlichsten Dank ausspreche. Die Umrisse der Zeichnungen habe ich mit dem Zeiehenapparat angefertigt, die Feinheiten mit der Hand eingetragen. A. Käfer mit Kristallkegeln. 1. Dioptrischer Apparat. Ich glaube von einer Beschreibung der Kristallkegel absehen zu können, in- sofern . nicht besonders abweichende Formen vorkommen. Dieses ist lediglich bei Scarabaeus varieulosus F. (Taf. XVI Fig. 1), der Fall, bei welchem der Kristall- kegel (k) im Medianschnitt nahezu die Form einer Sanduhr hat. Dagegen sah ich mich veranlaßt, der Kristallkegelscheide und ihrem Zusammenhang mit der Retinula größere Beachtung zu schenken. Es ist bekannt, daß sie am basalen Umfang der Corneawölbung inseriert und sich proximal vom Kristallkegel, dessen Umrissen sie sich sonst genau anschließt, in eine lang auslaufende Spitze fortsetzt, die mit dem Vorderende der Retinula zusammentrifft. Wir finden bei ihr die verschiedensten Modifikationen. Bei Scarabaeus variculosus F. umhüllt sie den Kristallkegel gleichmäßig ohne mit der Retinula in Verbindung zu stehen. Während bei Melolontha vulgaris F. nur die äußerste Spitze der Kristallkegelscheide in die Retinula eindringt, wird bei Cetonia aurata L., Trichius fasciatus L. (Taf. XVI Fig. 5) und @eotrupes (Taf. XV Fig. 9) auch noch der proximale Teil des Kristallkegels mehr oder weniger von den Sehzellen kelehförmig umschlossen. Die Kristallkegelscheide (ks) ist bei diesen Augen nieht gleichmäßig beschaffen, was aus der verschiedenartigen Färbbarkeit hervorgeht. Bei Cetonia aurata und Trichius fasciatus besteht sie aus einer dem Kristallkegel anliegenden hellen und einer peripheren dunklen Schicht und sie er- hält bei ihrem Eintritt in die Retinula eine Verstärkung, indem sie an jeder Spitze von einer helleren Schicht (s) trichterförmig umgeben wird. Diese (s) schmiegt sich den distalen Rundungen der Sehzellen an und endigt mit nach außen geneigten Flächen (Taf. XVI Fig. 3). Auf Querschnitten durch den proximalen Teil der Kristallkegelscheide (ks) (Taf. XVII Fig. 4) erkennt man, daß dieselbe aus vier Teilen zusammengesetzt ist. Die vierstrahlige Figur entspricht der dunkel gefärbten Kristallkegelscheide, der sie umgebende hellere Teil der vorhin erwähnten Ver- stärkung. Bei Cetonia metalliea F. scheint der Kristallkegel nur mit seiner äußersten Seite von den Sehzellen umgeben zu sein, was ich daraus schließe, daß sich am Anfang («der Retinula eine kleine Vertiefung befindet. Einerseits gelang es mir nicht die Cornea wegen ihrer großen Härte mitzuschneiden, andererseits gingen die Kristallkegel bei Entfernung der Cornea regelmäßig zu Grunde. Untersuchungen über die Augen pentamerer Käfer. 245 Bei @eotrupes vernalis L. und G@eotrupes silvatieus Panz. wird nur der proximale Teil der Kristallkegelscheide, bei @eotrupes Iaevigatus F. (Taf. XVII Fig. 9) auch der proximale Teil des Kristallkegels (k) von den Sehzellen umschlossen. Die dem Kristallkegel anliegende, sowie die periphere Schichte der Kristallkegelscheide (ks) färben sich stärker als die mittlere. Querschnitte durch den proximalen Teil lassen auch hier erkennen, daß sie aus vier Segmenten zusammengesetzt ist (Taf. XVII Fig. 10 ks). Es sind dies wohl jene Gebilde, welche Max Schultze (1868) für einen Fortsatz der Nerven gehalten hat. Er schreibt hierüber: „Bei Searabaeus stercorarius (Geotrupes) läuft der in die verdickte Scheide eingeschlossene Nerv in vier stäbehenförmige Gebilde aus, welche schwach divergierend an das hintere Ende des Kristallkörpers gelangen und sich hier in feine Fibrillen aufzulösen scheinen, während die Scheide des Kristallkegels in die Scheide der Nerven übergeht. “ Bei Hoplia farinosa L., Phyllopertha horticula F. (Taf. XVIIL Fig. 14), sowie den Cieindeliden (Taf. XVIII Fig 16) ist die Kristallkegelscheide (ks) dagegen stabartig verlängert, taucht in die Retinula ein und erstreckt sich bis zum Rhabdom (Rh). Bei den beiden ersten konnte ich eine Struktur der Kristallkegelscheide nicht er- kennen. Bei den Cieindeliden dagegen färben sich die zentrale und periphere Partie stärker als die mittlere. Die zentrale Färbung erstreckt sich jedoch nur bis zum Anfang der Retinula. Auf Querschnitten (Taf. XVII Fig. 17) erscheint diese zentrale Partie (ks) als kleines, rundes sich stark färbendes Gebilde. Wesentlich anders ist die Kristallkegelscheide der Carabides, Dytieides und von Gyrinus beschaffen. Es ist durch Grenacher bekannt, daß sich bei Dyticus marginalis im Zentrum der vorderen Retinulaanschwellung ein axiales Gebilde befindet, welches sich nach hinten konisch verjüngen und mit der hinteren Anschwellung in Verbindung stehen sol. Um dasselbe gruppieren sich die Zellen der Retinula; eine Teilung ver- mochte Grenacher nicht zu erkennen. Es gelang mir nun auf Grund von dünnen Medianschnitten zu erkennen, dab dieses Gebilde (ksa), welches einen kreisrunden Querschnitt zeigt (Taf. XIX Fig. 23) bei den Carabides, Dytieides und @yrinus distal in unmittelbarer Verbindung mit der Kristallkegelscheide steht (Taf. XVIII Fig. 20, Taf. XIX Fig. 32), und demnach als ein erweiterter Teil derselben zu betrachten ist. Bei den Dytieiden, für welche Dytieus marginalis L. (Taf. XIX Fig. 32) als Bei- spiel dienen möge, verjüngt sich diese Anschwelluug der Kristallkegelscheide in proximaler Richtung und endigt spitz. Sie steht aber keineswegs, wie Grenacher angibt, mit der hinteren Anschwellung der Retinula in Verbindung, was mit Sicher- heit aus Querschnitten hervorgeht, die durch den sogenannten Verbindungsstrang geführt werden. Bei den Carabiden ist jedoch der Nachweis, daß diese Anschwellung ein Teil der Kristallscheide ist, wesentlich schwieriger als bei den Dytieiden und Gyrinus. Während bei diesen die Kristallkegelscheide kurz und breit ist, ist sie bei den Carabiden von beträchtlicher Länge (Taf. XVII Fig. 20). Der Nachweis des Zu- sammenhanges wird daher nur auf nahezu idealen Medianschnitten möglich sein, da auf Sagittalschnitten die Verbindung der Anschwellung mit der stabartigen Kristallkegelscheide unterbrochen ist, so daß die Anschwellung distal elliptisch 246 Otto Kirchhoffer: abgerundet erscheint. Am proximalen Ende ist sie elliptisch abgerundet, sonst aber von verschiedener Form. Sie ist langgestreckt mit nahezu gleichlaufenden Seitenwänden bei Carabus auronicus, auratus, granulatus, hortensis, wrvensis, gla- bratus und Calosoma sycophanta, während sie bei den anderen untersuchten Cara- biden kurz und elliptisch geformt ist (Taf. XVII Fig. 20 ksa). Auch in ihrer Struktur konnte ich Unterschiede finden. Im allgemeinen färbt sie sich gleichmäßig und ist strukturlos, so bei Pterostichus vulgaris L.; bei Carabus auratus, gramulatus, nemoralis, arvensis und glabratus färbte sie sich zentral stärker als an der Peri- pherie (Taf. XIX Fig. 23 ksa), während ich bei Procustes coriaceus, Carabus hortensis, Harpalus seripes, Dytieus marginalıs, eircumeinctus und latissimus, sowie Gyrinus mergus eine wabenartige Struktur erkannte. Abweichend hiervon ist die Kristall- kegelscheide von Zlaphrus eupreus (Taf. XIX Fig. 29) beschaffen; sie ist stabförmig ohne proximale Anschwellung. Eine Zusammensetzung der Kristallkegelscheide aus vier Teilen konnte ich nur bei Carabus nemoralıs (Taf. XIX Fig. 22) feststellen. Pigmentzellen. Wir wissen, daß zu jedem Omma zwei Hauptpigmentzellen gehören, welche zu Seiten des Kristallkegels liegen und deren Kerne meistens dem distalen Ende der Retinula aufsitzen oder nicht weit von demselben entfernt sind. Hiervon habe ich nur zwei Ausnahmen zu verzeichnen; bei Searabaeus variculosus (Taf. XVI Fig. 1) umschließen die Hauptpigmentzellen (Pz), welche sich distal an die Cornea ansetzen, den Kristallkegel vollständig und lassen nur an seinem proximalen Ende einen, dem Durchtritte des Lichtes «dienenden Spalt frei. Ihre Kerne (Pzk) liegen in der Einbuchtung des Kristallkegels und umschließen ihn vollständig, was ich durch Querschnitte ermittelte. Bei Elaphrus cupreus (Taf. XIX Fig. 29) fand ich „vier“ Hauptpigmentzell- kerne (Pzk), von welchen zwei zu Seiten der Kristallkegelspitze liegen, die anderen zwei dagegen zu Seiten der Kristallkegelscheide, dicht oberhalb des distalen Endes der Retinula. Das Pigment, welches diese vier Zellen ausscheiden, ist durch schmale Pigmentstreifen mit einander verbunden. Zu jedem Omma gehören außer den Hauptpigmentzellen mehrere Nebenpigmentzellen. Hesse (1901) betont in der Einleitung zu den Komplexaugen der pterygoten Insekten, daß man «die Haupt- pigmentzellen den einzelnen Ommata nicht zurechnen kann. „Sie sind indifferente Zellen, welche zwischen den Ommen stehen, aber nicht etwa so, daß jedes Omma seinen eigenen Kranz von Pigmentzellen hätte.“ Meine Untersuchungen ergaben in einigen Fällen abweichende Resultate. Bei Scarabaeus varieulosus wird der Kristallkegel von sechs Nebenpigment- zellen (pz) umgeben, deren Kerne annähernd in gleicher Höhe mit denen der Hauptpigmentzellen (Pzk) liegen; sie sind jedoch derartig angeordnet, daß jede Zelle drei Ommatidien gemeinsam ist, und haben auf Medianschnitten spindelförmige Gestalt mit langen fadenförmigen Ausläufern, welche ich bis zum distalen Ende des Retinapigments (rp) verfolgen konnte. Bei Melolontha vulgarıs, Geotrupes (Taf. XVII Fig. 11A), Cetonia aurata und Trichius fasciatus (Tat. XVII Fig. 5B) sind die Nebenpigmentzellen (pz) um den Kristallkegel derartig regelmäßig angeordnet, daß zu jedem Omma ein Kranz be- Untersuchungen über die Augen pentamerer Kifer, 247 stimmter Zellen gehört. Die «reieckigen Zwischenräume zwischen den Ommata sind dagegen mit indifferenten Nebenpigmentzellen ausgefüllt. Auch bei diesen Augen konnte ich die Nebenpigmentzellen bis zum Beginn des Retinapigments ver- folgen. Nur bei Triehüus faseiatus (Tal. XVI Fig. 3) liegen die Kerne der Nebenpigment- zellen (pzk) annähernd in gleicher Höhe, so daß sie gleichzeitig von einer Schnitt- ebene getroffen werden. Bei den Gieindeliden (Taf. XVII Fig. 17) sind die Neben- pigmentzellen rosettenartig um die Achse des Ommas gelagert und gehören aus- gesprochen zu einem bestimmten Omma. Ihre Kerne (pzk) liegen jedoch in ver- schiedener Höhe, in dem Raum zwischen Retinula und Kristallkegel verteilt. Bei Hoplia furinosa, Phyllopertha hortieula, den Garabiden, Dytieiden und Gyrinus mergus konnte ich eine regelmäßige Anordnung der Nebenpigmentzellen nicht er- kennen. Während die Kerne bei allen von mir untersuchten Augen sich in dem Raume zwischen Cornea und Retinula befinden, lagen sie bei Cetonia metalliea zwischen den distalen Anschwellungen der Retinulä. 2. Rezipierender Apparat. Scarabaeides (exel. Hopha farimosa und Phyllopertha hortieula). Die Retinula dieser Augen, von welchen Melolontha vulgaris von Grenacher bereits eingehend beschrieben wurde, besteht aus drei Teilen: Einem distalen Teil (der «distal. Anschwellung), in welchem die Kerne der Sehzellen liegen, einem mittleren oft sehr dünnen Teil (sog. Verbindungsstrang) und einem proximalen Teil, in welchem die Rhabdomere von den Sehzellen gebildet werden. Die Zusammen- setzung der Retinula aus sieben Zellen war nieht auf jedem Querschnitt zu er- kennen; desgleichen konnte die Anzahl der Kerne nieht ohne Weiteres festgestellt werden, da sie nur selten gleichzeitig von einer Schnittebene getroffen wurden, Mit Ililfe von Seriensehnitten konnte ich jedoch bei allen Augen die gewünschte Aufklärung erhalten. Searabaeus vartieulosus. Die Kerne der Sehzellen (szk!) liegen zwar in verschiedener Ilöhe, doch vermochte ich auf dieken Längsschnitten sieben zu zählen. Die Sehzellen scheinen nicht sämtlich bis zum distalen Ende der Retinula zu reichen, da auf Quersehnitten durch diesen Teil nur vier bis fünf Zellen zu einer Gruppe, d. h. zu einer Retinula gehörig, vereinigt erscheinen. Dagegen lassen Querschnitte, welche durch den am meisten proximal gelegenen Kern geführt sind (Taf. XVI Fig. 2 A), ersehen, daß die Retinula aus sieben Zellen besteht, welche radiär zur Achse angeordnet sind. An tiefer gelegenen Stellen tritt in der Lagerung der Zellen öfters eine Verschiebung ein, indem eine der sieben Zellen eine zentrale Lage annimmt, während die anderen sechs Zellen sich um die mittlere gruppieren. Jede Retinula steht mit den benachbarten Zellen derartig in Verbindung, daß die benachbarten Zellen im distalen und proximalen Teil der Retinula direkt aneinander liegen während sie im mittleren Teil durch dünne Stränge (s) mit einander verbunden sind. (Taf. XVI Fig. 2B). Hierdurch entstehen große Räume, deren Inhalt ich nieht erkennen konnte und welehe ich als Intereellularräume (iz) bezeichnen will. (Fig. 2A 248 Otto Kirchhofter: und 2B); in ihnen befinden sich die spindelförmigen Nebenpigmentzellen (pz). Jede der sieben Sehzellen bildet an ihrer inneren Seite ein zentralwärts zuge- spitztes Rhabdomer (rh) (Taf. XVI Fig. 20). Die Rhabdomere sind von einer helleren Plasmazone umgeben, welche der Hesse’schen Schaltzone entsprechen dürfte, und strahlen radial in feine Fibrillen aus, welche in dem stark granulierten Plasma der Sehzellen nicht weiter verfolgt werden konnten. Das Vorkommen dieser Fibrillen läßt darauf schließen, daß die Rhabdomere aus Stiftehensäumen bestehen, deren Stiftehen mit einander verklebt sind. Die Rhabdomere sind voll- kommen von einander getrennt, so daß sich im Innern der Retinula ein heller, sternförmiger Raum befindet. Gegen das proximale Ende wird der Zwischenraum zwischen den Rhabdomeren geringer, ja sie verschmelzen des öfteren an ihren peripheren Enden miteinder (Taf. XVI Fig. 2D). Auch nimmt die starke Granulierung des Plasmas ab und in der Mitte jeder Sehzelle tritt ein kleines, rundliches und sich stark färbendes Gebilde auf, das aus einzelnen Punkten zusammengesetzt ist und wohl den an die Neurofibrillen herantretenden Nervenfasern entsprechen dürfte. Proximal von den Rhabdomeren umschließen die an die Sehzellen heran- tretenden Nervenfasern eine Zelle (sz!!) mit großem Kern (szk!), welchem distal ein stark färbbares Gebilde (bo) aufsitzt, das etwas in den axialen Raum zwischen den Rhabdomeren hineinragt (Taf. XVI Fig. 1); an diesen Kern treten proximal Nervenfasern (ef) heran. Dementsprechend konnte ich auf Querschnitten durch das proximale Ende der Rhabdomere (Taf. XVI Fig. 2D) ein zentral gelegenes, sieh in gleicher Weise wie die Rhabdomere färbendes, rundes Gebilde (bo) erkennen, während Querschnitte durch den Kern der Basalzelle (Taf. XVI Fig. 2E) zeigen, daß diese von den sieben Sehzellen (sz!) umgeben ist, an deren inneren Seite die Nervenfasern (nf) liegen. Auf Querschnitten proximal von der Basalmembran konnte ich Gruppen von je acht Nervenfasern erkennen. Die sieben Nervenfasern, welche um die axial gelegene achte gruppiert sind, dürften denjenigen entsprechen, welche zu den Sehzellen führen, während die achte zu der axialen Zelle gehören dürfte. Das Vorhandensein dieser acht Nervenfasern, sowie des stark färbbaren Aufsatzes berechtigen zu dem Schlusse, daß die Basalzelle einer achten Sehzelle entspricht, wie sie Hesse (1901) bei Dyticus marginalis beschrieben hat. Trichius faseiatus. Wenn auch bei diesem Auge die Kerne der Sehzellen in verschiedener Höhe liegen, konnte ich doch auf Serienquerschnitten feststellen, daß sieben Kerne vorhanden sind. Die Zusammensetzung der Retinula aus sieben Sehzellen (sz!) kommt erst auf Schnitten durch den Verbindungsteil zum Ausdruck (Taf. XVILFig.5A), während Querschnitte, die durch das distale Ende der Retinula gelegt sind, nur eine Zusammensetzung derselben aus sechs Zellen kennen ließen. Eine besondere Beschaffenheit zeigt das Plasma der Sehzellen, indem es sich in dem Verbindungsteil besonders stark färbt und den Farbstoff im Vergleich zu den andern Teilen ungemein lange festhält. Außerdem hat es sich von den Zell- wandungen zurückgezogen und im Innern der Zellen dicht gelagert. Hierdurch entstehen auf Querschnitten (Taf. XVII Fig. 5 B) im Innern der Sehzellen dunkle pris- matische Körper von ziemlich scharfen Umrissen, die sich der Form der Seh- Untersuchungen über die Augen pentamerer Käfer. 249 zellen anpassen, Die Zwischenräume zwischen den Retinulä sind durch Neben- pigmentzellen ausgefüllt, welche die Retinula bis zur proximalen Anschwellung be- gleiten. Die Bildung der Rhabdomere beginnt distal damit, daß an den inneren Flächen der Sehzellen ein feiner Stiftehensaum gebildet wird. Weiter proximal rücken die Rhabdomere vom Zentrum ab und bilden einen kreisrunden, stark färbbaren Saum um einen hellen Hof, welcher zentral stärker als an der Peripherie gefärbt ist; die Rhabdomere sind seitlich vollkommen miteinander verschmolzen. Auf tieferen Schnitten (Taf. XVII Fig. 5C) ist alsdann zu erkennen, daß die Rhab- domere seitlich von einander getrennt sind, sowie daß von ihnen feine Fasern radial in das Plasma der Sehzellen ausstrahlen, was auf die Zusammensetzung aus Stiftehen schließen läßt. Eigentümlicher Weise unterbleibt hier an einer Seite die Bildung der Rhabdomere, so daß sie hufeisenförmig um den hellen Hof angeordnet liegen. Ich kann für dies abweichende Verhalten keine Erklärung finden. Die vollständige Trennung der Rhabdomere und ihre Zugehörigkeit zu sieben Sehzellen kommt erst auf Querschnitten durch den proximalen Teil (Taf. XVII Fig.5 D) voll- ständig zum Ausdruck. Hier erscheint auch ein zentral gelegenes, rundes Gebilde (bo) wie bei Scarabaeus. Die Schaltzone war meistens nur schwach ausgeprägt. Auf Medianschnitten (Taf. XVI Fig. 3) erscheinen die Rhabdomere (rh) als stark gefärbte Leisten an der Innenfläche der Sehzellen, sınd durch einen hellen Raum von einander getrennt, distal jedoch mit einander vereinigt. Auch hier liegt proximal von den Rhabdomeren eine Basalzelle (sz"), welche von den Nervenfasern (nf) um- schlossen wird und deren Kern sehr nahe an den Rhabdomeren liegt. Einen Aufsatz wie bei Scarabaeus konnte ich auf Medianschnitten jedoch nicht finden; dagegen erkennen, daß an den Kern (szk!) Nervenfasern herantreten. Querschnitte durch die Nerven proximal von der Basalmembran ergaben, daß auch hier wie bei Scarabaeus acht Nervenfasern an die Sehzellen herantreten. Dieser Umstand, sowie das Vorhandensein eines axial gelegenen Gebildes (bo)(Taf. XVII Fig. 5D) berechtigen mich auch hier das Vorhandensein einer basalen Sehzelle mit liehtempfindlichen Elementen anzunehmen, wenn letztere auf Medianschnitten auch nicht zum Aus- druck kommen. Cetonia aurata L. Das Auge des Käfers ist wie das von Thrichius fasciatus beschaffen; nur in der Anordnung des stark färbbaren Plasmas der Sehzellen im Verbindungsteil zeigt sich einen Unterschied. Die starke Färbbarkeit des Plasmas ist hier auf den distalen Teil der rhabdombildenden Anschwellung beschränkt. Es wird hierbei der Anschein erweckt, als ob besondere Gebilde vorhanden wären (Taf. XVII Fig. 6), welche dem distalen Teil der Rhabdomere aufsitzen. Die Eigenschaft den Farb- stoff besonders lange festzuhalten äußert sich in der Weise, daß diese Plasma- partien noch tief schwarz gefärbt sind, nachdem die anderen Teile der Retinula gänzlich entfärbt waren. Auf Querschnitten (Taf. XVII Fig. 7) zeigen sie die gleiche Anordnung wie bei Trichius fasciatus. Cetonia metallica F. Die Kerne der Sehzellen sind in zwei Gruppen angeordnet und zwar liegen sechs Kerne im distalen Teil der Retinula, während der siebente mit ansehnlichem 350 Otto Kirchhofler:! Abstand proximal von erstern liegt. Die Grenzen der Sehzellen sind im distalen Teile leicht auf Querschnitten erkennbar, dagegen verschwinden sie in dem stark färbbaren Plasmas des Verbindungsteils. L Ein Verhalten des Plasmas wie bei Triehius faseiatus und Cetonia aurata fand ich bei diesem Auge nicht. An der Bildung der Rhabdomere beteiligen sich sechs Sehzellen, während die siebente (x) in der Weise ausscheidet (Taf. XVII Fig. 5 A), wie es Hesse (1901) bei Dytieus beschrieben hat. Auf Medianschnitten bieten die Rhabdomere das gleiche Bild wie bei Cetonia aurata, bis auf den proximalen Teil, in welchem sie vollkommen mit einander verschmolzen sind. Auf Querschnitten durch diesen Teil erscheinen sie als dunkle, kreisrunde Gebilde, die Grenzen der Sehzellen waren nicht sichtbar. Auf Querschnitten (Taf. XVII Fig. SB) durch die Mitte der Rhabdomere, treten dagegen die Grenzen der sie bildenden sechs Zellen (sz!) deutlich hervor und die Schaltzone (schz) ist gut ausgebildet. Eine basale Zelle mit großem Kern, an welchen - Nervenfasern herantreten, ist gleichfalls vorhanden, ein Basal- organ konnte ich jedoch nicht finden. f Geotrupes silvaticus, laevigatus und vernalis. Die Kerne der sieben Sehzellen (szk!) werden aufQuerschnitten (Taf. XVII Fig. 10) von einer Ebene getroffen; die Zellgrenzen sind sowohl im distalen Teile der Retinula, als auch im dünnen Verbindungsteil (Taf. XV ILFig. 11 A) deutlichzuerkennen. Jede Retinula wird von einem Kranz von Nebenpigmentzellen (pz) umgeben, welche die Zwischenräume zwischen den benachbarten Retinulä ausfüllen. Das Plasma (pl) des Verbindungsteiles (Taf. XVII Fig. 9) färbt sich dieht überhalb der Rhabdomere besonders stark. Mediansehnitte durch die Rhabdomere, welche bei allen drei Arten gleich beschaffen sind, geben keinen genügenden Aufschluß über ihre Bauart. Querschnitte durch die Mitte der Rhabdomere (rh) (Taf. XVII Fig. 11B) zeigen, daß sie von sieben Zellen (sz!) gebildet werden, deren Grenzen jedoch nicht sichtbar waren. Die Sehzellen scheiden an ihrer inneren spitzwinkeligen Kante starkgefärbte Säume aus, die Rhabdomere stehen nur an den peripheren Enden mit einander in Verbindung. Auf Querschnitten durch das proximale Ende der Rhabdomere (Taf. XVII Fig. 11C©) treten die Grenzen der Sehzellen wieder scharf hervor und die Bildung der Rhabdomere (rh) beschränkt sich hier auf die innerste, stark abgerundete Kante der Sehzellen; auch kommt in diesem Teile eine Zusammensetzung aus Stiftehen (sti) schwach zum Ausdruck. Es ist ferner zu erkennen, daß eine Basal- zelle mit großem Kern (szk!) von den sieben Sehzellen (sz!) umschlossen wird. Ein Basalorgan ist jedoch nicht vorhanden. Melolontha vulgaris. Die Grenzen der sieben Sehzellen sind auf Querschnitten durch den distalen Teil gut erkennbar und obwohl die Kerne in verschiedener Höhe liegen, konnte ihre Anzahl auf Serienschnitten leicht festgestellt werden. Im allgemeinen stimmen meine Untersuchungen mit denen Grenachers überein, so daß ich mich auf die Beschreibung des Rhabdoms beschränken kann. Nach Grenacher überziehen die Cutieularsäume, als welche er die Stäbehenbildungen auffaßt, die inneren Flächen der meist dreikantig prismatischen Retinulazellen vollständig und die einander zugewandten Lamellen treten in innigen Kontakt, um ein Rhabdom zu bilden, das Untersuchungen über die Augen pentamerer Käfer. 251 man, nach Analogie der Stempelbildung bei vielen Pflanzen, als ein geflügeltes bezeichnen könnte. „Die stark liehtbrechenden Strahlen dieser unregelmäßigen Strahlenfiguren, bei denen die Zahl der Radien die gleiche, nämlich sieben ist, heben sich durch ihre Durehsichtigkeit sehr deutlich von dem trüb granulierten Grunde der Hauptmasse der Retinula ab. Jeder ist durch eine zarte Linie halbiert, die sich kontinuierlich, am inneren Ende des Strahles sich teilend, auf die beiden nächst benachbarten fortsetzt.“ Nach meinen Untersuchungen färbt sich das Rhabdom mit Heidenhainschem Hämatoxylin tief schwarz. Bei entsprechender Differenzierung behalten jedoch nur die peripheren Grenzen des Rhabdoms (Rh), sowie die der einzelnen Rhabdomere, mit welchen sie aneinander stoßen, die starke Färbung bei (Taf. XVII Fig. 13). Die peripheren Grenzen (g) scheinen jedoch nicht aus einer Membran, die sich als Linie darstellen würde, sondern aus einzelnen, eng aneinander gelagerten Punkten zu bestehen. Sie (dürften wohl als die Knöpfchen bezeichnet werden, welche sich nach Hesse an (der Basis der Stiftchen befinden. Letztere sind allerdings nicht getrennt zu erkennen, sondern miteinander verklebt. Auch die innere, nach Grenacher zarte Halbierungslinie ist zu stark um als Zellerenze bezeichnet werden zu können. Die Ursache ihrer stärkeren Färbbarkeit dürfte darin zu suchen ein, daß die Stiftehen, der aneinander stoßenden Rhabdomere, sich entweder ineinander schieben oder an ihrem Ende anders differenziert sind. Auch die Schaltzone ist in Form eines Hofes von hellerem Plasma, der das Rhabdom umgibt, deutlich ausgebildet. Es bilden demnach auch hier die inneren, oft zapfenartig ausgezogenen Kanten der Sehzellen wie bei @eotrupes die Stiftchen- säume; die Rhabdomere treten jedoch miteinander in Verbindung und bilden ein Rhabdom. Gegen das proximale Ende spitzt es sich stark zu und nimmt auf Querschnitten eine kreisförmige Gestalt an. An dieser Stelle konnte ich nur fünf Sehzellen, deren Grenzen allerdings schlecht zu erkennen waren, zählen. Die Retinula ist hier von Tracheen umgeben, welche auch zwischen den Sehzellen liegen. Zwischen Rhabdom (Rh) und Basalmembran (bm) liegt ein ungewöhnlich großer Kern (Taf. XVIILFig. 12szk!!) von welchem Nervenfasern proximalwärts abgehen. Eine Basalzelle, zu welcher dieser Kern gehört, konnte ich weder auf Quer- noch Medianscehnitten finden, dagegen erkennen, daß diesem Kerm ein Gebilde (bo) auf- sitzt, das sich distal besonders stark färbt und mit dem proximalen Ende des Rhabdoms in Verbindung tritt von dem es sich durch seine größere Breite abhebt. Hoplia farinosa, Phyllopertha hortieula. Die Augen dieser beiden Käfer weichen gänzlich von denen der Scarabaeiden ab. Die Retinula ist überall gleich beschaffen und nimmt in proximaler Richtung gleichmäßig an Durchmesser ab (Taf. XVIII Fig. 14). Die langgestreckten Kerne der Sehzellen (szk!) liegen im distalen Teile der Retinula in zwei Schiehten dieht übereinander. In der distalen Schichte liegen fünf Kerne, welche die Kristallkegel- scheide umgeben, in der proximalen Sehiehte die zwei andern Kerne zu Seiten des Rhabdoms. Das Rhabdom beginnt dicht unterhalb der Kristallkegelscheide und durchzieht die Retinula als langer Stab ihrer ganzen Länge nach bis zur Basalmembran. Auf Querschnitten durch die Retinula proximal der Kerne (Taf. XVII Fig. 15) ist zu Archiv für Biontologie II (2) 08. >) 252 Otto Kirchhoffer: erkennen, daß das Rhabdom von sieben Zellen gebildet wird. Sie scheiden an ihren inneren Kanten die Stiftehensäume aus, welche vollständig zum Rhabdom (Rh) verschmelzen. An den Stellen an welchen zwei Sehzellen aneinander grenzen ist das Rhabdom zipfelförmig ausgezogen; außerdem ist es von einer hellen Plasma- schicht, der Schaltzone umgeben. Im proximalen Teil der Retinula liegt ein weiterer Kern, jedoch seitlich von dem Rhabdom und nieht immer in gleicher Höhe. Querschnitte durch die Nerven proximal von der Basalmembran ergaben auch hier das Vorhandensein von acht Nervenfasern. Leider konnte ieh nicht weiter ermitteln in welcher Weise dieser Basalkern (szk!") mit dem Rhabdom in Verbindung steht. Cteindelides. Die Augen der drei untersuchten Arten unterscheiden sich nur wenig von einander; es möge daher ein Medianschnitt durch die Ommata («des Auges von Cieindela campestris (Taf. NVIII Fig. 16) als Beispiel dienen. Die Retinula ist ihrer Länge nach ziemlich gleichmäßig ausgebildet, nur distal, im kernhaltigen Teile ist sie etwas angeschwollen, behält aber im übrigen Teil bis zum Durehtritt durch die Basalmembran (bm) den gleichen Durchmesser bei. Nicht alle Kerne der Sehzellen liegen in gleicher Höhe; es wurden (durchschnittlich sechs Kerne von einer Schnittebene (Taf. XVII Fig. 18A) getroffen, während sieh auf einem weiter proximal geführten Querschnitt der siebente Kern befand. Die Grenzen der sieben Sehzellen treten auf diesen Schnitten deutlich hervor. Das Ithabdom durchzieht die Retinula in Form eines Stabes in ihrer ganzen Länge und endigt mit einer knopfartigen Anschwellung (Fig. 16) meistens «dicht über der Basalmembran. Bei manchen Ommata trat das Rhabdom jedoch durch die Basal- membran hindurch, so daß die Anschwellung proximal von derselben lag. Nicht sämtliche sieben Sehzellen beteiligen sich an der Bildung des Rhabdoms, indem eine Zelle in der bereits bei Cetonia metallica beschriebenen sWeise ausscheidet, welche auf Querschnitten durch den distalen Teil des Rhabdoms (Taf. XVII Fig. I9A) noch deutlich zu erkennen ist. Die Bildung des Rhabdoms ist bei den drei Arten verschieden. Bei Cieindela campestris wnd Aybrida (Fig. 19A) hat (das Rhabdom im distalen Teil auf Querschnitten die Form eines Rechtecks mit un- gleichen Seiten. Die sechs Sehzellen beteiligen sich an seiner Bildung in der Weise, daß von je zwei einander gegenüberliegenden Zellen die langen Seiten, von «den beiden andern Zellen die kurzen Seiten gebildet werden. Im proximalen Teil des Rhabdoms ändert sich der Querschnitt (Taf. XVII Fig. 18B) indem er hier die Form eines Sechseckes annimmt, so daß alle sechs Sehzellen an der Bildung des Rhabdoms gleichmäßig beteiligt sind. Das Rhabdom hat an der Peripherie einen dunklen Saum, welcher, wie bei Melolontha vulgaris, aus einzelnen Punkten zusammengesetzt erscheint. Die Schaltzone, welche das Rhabdom als heller Hof umgibt, ist sehr gut sichtbar, doch waren Neurofibrillen in derselben nicht zu erkennen. Das Rhabdom von Cieindela silwatiea zeigt in seiner ganzen Länge die Beschaffenheit wie im distalen Teil von Cieindela campestris. Bei diesen Augen ist die Basalzelle besonders gut ausgeprägt; in ihr liegt die am proximalen Ende des Rhabdoms befindliche knopfförmige Verdickung (bo). An Untersuchungen über die Augen pentamerer Käfer. 2553 der Stelle, an welcher Rhabdom und Verdickung aneinandergrenzen konnte ich eine feingezackte Linie erkennen, welche sich durch stärkere Färbung von ihrer Umgebung unterschied. Der Kern (szkl!), der zu dieser Zelle gehört, liegt proximal von der Basalmembran. Auf Querschnitten durch diese Verdiekung (Taf. XVIII Fig. 19B) sehen wir die sechs Sehzellen (sz!), welche eine zentral gelegene, sechsseitige Zelle (sz!) umgeben, in der ein rundes, gleichmäßig gefärbtes Gebilde (bo) liegt, (las an seiner Peripherie einen dunkler gefärbten Saum hat. Querschnitte proximal von der Basalmembran zeigten dagegen, daß die Retinula wieder aus sieben Zellen zusammengesetzt ist, die eine zentral gelegene Zelle mit großem Kern umgeben. Auf Querschnitten durch die Nerven konnte ich acht Nervenfasern zählen, die zu einem Komplex vereinigt waren. Es kann «demnach diese basale Zelle mit der Verdiekung am Ende des Rhabdoms als eine achte Sehzelle aufgefaßt werden, deren rezipierendes Element in der Verdickung besteht. Carabides. In der äußeren Form der Retinula konnte ich auf Medianschnitten drei Haupt- typen unterscheiden. Sie ist auf ihrer ganzen Länge von gleichem Durchmesser und wird erst kurz oberhalb der Basalmembran dünner bei: Carabus granulatus, hortensis, nemoralis, arvensis, glabratus, Calosoma sycophanta, Abax striola und paralellus sowie Proerustes coriaceus (Taf. XVII Fig. 20). Sie ist in den ersten zwei Dritteln von gleichem Durchmesser, der alsdann gegen die Basalmembran allmählig abnimmt bei Carabus auronieus, auratus, Harpalus aeneus und Calathus fuseus, während sie Harpalus seripes, Amara fulva, Poecilus cupreus und lepidus sich bereits von ihrem distalen Anfang an konisch zuspitzt. Eine Längsdifferenzierung, wie sie Leydig bei Procrustes beschreibt, konnte ich in dieser ausgeprägten Form bei keinem Auge finden. Nur bei Sphodrus leucophthalmus hat die Retinula im distalen Teil eine flache Einschnürung. Die Retinula besteht aus sieben Zellen, was jedoch auf Querschnitten durch den distalen Teil, in welchem die Kerne der Sehzellen liegen, nicht immer zum r Ausdruck kommt. So waren auf einem Querschnitt durch den distalen Teil der Retinula von Pterostichus vulgaris lediglich sechs Zellen zu erkennen, und zwar nur an den Kernen, welche in ihnen liegen.. Ich führe dieses Beispiel besonders an um zu zeigen, wie leicht daraus ein trügerischer Schluß auf das Vorhandensein von nur sechs Sehzellen gezogen werden könnte, wie es tatsächlich bei Dytieus manrginalis der Fall war. Bei den meisten Augen läßt sich jedoch die Zusammen- setzung der Retinula aus sieben Zellen auch schon auf Querschnitten durch den distalen Teil der Retinula leicht erkennen. Wo dies jedoch nicht der Fall war, brachten stets Querschnitte, welche etwas weiter proximal geführt waren, die gewünschte Aufklärung. Die zu den sieben Sehzellen gehörigen Kerne liegen sämt- lich im distalen Teil der Retinula. Nur bei Pterostichus vulgaris, Carabus granu- latus, Broscus cephalotes und Calathus fuseus fand ich bei einigen Retinulä die Kerne der Sehzellen in einer Schnittebene liegen; meistens aber liegen sie in ver- schiedener Höhe. Es war mir jedoch möglich, auf diekeren Längsschnitten oder mittels Serienquerschnitten festzustellen, daß stets sieben Kerne vorhanden sind. 9* 254 Otto Kirchhoffer! Das Rhabdom läßt auf Medianschnitten keine besondere Längsdifferenzierung erkennen und eine spindelförmige Anschwellung im hinteren Teil (Grenacher 1879) konnte ich bei keinem Auge finden. Es nimmt von seinem distalen Aufane an ständig und gleichmäßig an Durehmesser ab und hat die Form eines langgestreckten Konus bei Proerustes eoriaceus (Fig. 20), Harpalus seripes und aeneus, Amara fulva, Poeeilus lepidus und eupreus, Pseudophonus rufieornıs. Bei den andern untersuchten Carabiden ist es in seinem distalen Teil von gleichem Durchmesser und spitzt sich erst im proximalen Drittel oder nahe der Basalmembran allmählig zu. Innerhalb dieser beiden Formen finden jedoch auch Übergänge statt. Eine Ausnahme bildet das Auge von Blaphrus eupreus, bei welchem.das Rhabdom auf Medianschnitten wie bei Hoplia farinosa beschaffen ist. } Grenacher, welcher die Abbildungen einiger Querschnitte durch das Rhabdom von (arabus auratus bringt, ist der Ansicht, dal es aus vier Stäbchensäumen besteht; die Zahl der Sehzellen konnte er nicht erkennen. Sie sind nun allerdings bei denjenigen Retinulä, «deren Plasma das Rhabdom nur als schmaler Saum, wie bei Carabus auronieus (Taf. XIX Fig. 26) umgibt, schwer zu erkennen. Unter der großen Anzahl von Augen, auf die ich meine Untersuchungen ausgedehnt habe, sind jedoch auch sehr viele, bei welchen «die Grenzen der Sehzellen recht deutlich ausgeprägt sind. Es ist aus Querschnitten dureh deren Retinulä zu erkennen, daß das Rhab- dom von „sechs“ Zellen gebildet wird und zwar in der gleichen Weise, wie ich es bereits bei den Cieindeliden geschildert habe. (Taf. XIX Fig. 25, 26, 27, 31.) Es hat durehgängig die Form eines Rechtecks, dessen lange Seiten zu je zwei Sehzellen gehören. Die siebente Zelle scheidet bereits im distalen Teil der Retinula aus (Taf. XIX Fig. 21x) und ist auf Querschnitten durch das Rhabdom nur selten mehr zu erkennen (Taf. XIX Fig. 3la). An den Außenseiten hat das Rhabdom Einbuch- tungen, welche nur ganz schwach angedeutet sein können, wie bei Poeeilus cupreus (Taf. XIX Fig. 25), anderseits aber auch so stark ausgeprägt sind, daß sie ein- springenden Winkeln gleichen, wie bei Carabus glabratus (Taf. XIX Fig. 51). An den vier Ecken ist das Rhabdom stets abgerundet. Die feineren Details, welche in den verschiedensten Abstufungen vorkommen, «dürften wesentlich ein Produkt der verschiedenen Differenzierungen nach der Färbung mit Ileidenhainschem Häma- toxylin sein. Ich sehe daher von einer Klassifikation nach der Beschaffenheit der Rhabdomere ab und beschränke mich auf eine Darstellung derjenigen Rhabdome, die sich am deutlichsten von einander unterscheiden. Die Querschnitte dureh dreißhabdomere von Carabus auronieus (Taf. XIX Fig. 26) zeigen, in welcher Weise man bei ein und demselben Präparate durch geringfügige Zeitunterschiede bei der Differenzierung verschiedene Bilder erhalten kann. Ich gehe hierbei von dem Stadium der Färbung aus, in welchem das Rhabdom noch vollkommen schwarz gefärbt ist. Bei fortschreitender Differenzierung wird es von der Peripherie nach innen zu heller, so daß im Innern eine kreuzförmige Figur entsteht (Rhabdom a). Im weiteren Verlauf der Differenzierung treten die inneren Grenzen der Rhabdomere scharf hervor (Rhabdom b). In diesem Stadium war die Färbung öfters ungleichmäßig, indem die an den langen Seiten liegenden Stiftchen- säume bereits hell erschienen, während die an den kurzen Seiten liegenden noch dunkel gefärbt waren. Dieses Stadium entspricht den Abbildungen, welche Hesse Untersuchungen über die Augen pentamerer Käfer. 255 (1901) von dem Rhabdom von Dytieus marginalis gegeben hat. Als Endpunkt der Differenzierung möchte ich dasjenige Stadium bezeichnen, bei welchem die inneren Grenzlinien der Rhabdomere als kreuzförmige Figur scharf hervortreten (Rhabdom e). Sie sind aber nicht als einfache Zellgrenzen aufzufassen, sondern dürften wohl auch wie bei Melolontha vulgaris dadurch zu Stande kommen, daß die Enden der Stiftehen ineinander greifen. Die getrennte Beschaffenheit der Stiftehen konnte ich an einigen Stellen, be- sonders an der Peripherie der Rhabdome erkennen. Die Schaltzone ist sehr schmal, aber immerhin siehtbar. Diese Form und Beschaffenheit des Rhabdoms fand ich am häufigsten. Die Abweichungen hiervon dürften lediglich in einer anderen Be- schaffenheit der Stiftehen zu suchen sein. Bei Broscus cephalotes (Taf. XIX Fig. 27) und Carabus glabratus (Taf. XIX Fig. 31) färben sich die Rhabdome an der Peripherie dunkler, so daß die Stiftehensäume gegen die mittlere Grenzlinie hin heller werden. Etwas größere Unterschiede zeigten die Rhabdome von Poeeilus cupreus und Calathus fuseus. Bei ersterem (Taf. XIX Fig. 25) beginnt die Entfärbung der Rhab- dome in der Mitte; eine innere kreuzförmige Grenzlinie konnte ich hier nieht erkennen. Besonders auffallend ist ein das Rhabdom umgebender heller Hof, der aber gegen (las Plasma der Sehzellen abgegrenzt ist und daher wohl nicht als Schaltzone ge- (deutet werden kann. Bei dem Rhabdom von Calathus fuscus vermochte ich eine detaillierte Differenzierung nicht zu erzielen. Die Rhabdomere sind durch hellere Zwischenräume von einander getrennt, eine innere Grenzlinie war jedoch nicht zu Sehen. Das Auge von Zlaphrus eupreus (Taf. XIX Fig. 50) weicht auch in der Be- schaffenheit der Rhabdome von den Augen der Carabiden gänzlich ab. Das Rhabdom hat die Form eines Sechseckes, bei welchem die Kanten zipfelförmig ausgezogen sind. Die Schaltzone ist sehr deutlich, die Grenzen der Sehzellen konnte ich jedoch nicht erkennen. Auf Medianschnitten (Taf. XIX Fig. 29) ist das Rhabdom stäbförmig; ich fand in ihm helle Schichten, die mit dunklen abwechseln, was auf eine Plättchenstruktur schließen läßt. Auch bei den Carabiden befindet sich distal von der Basalmembran eine Zelle mit großem Kern (szk!!), welche meistens eine keulenförmige Gestalt hat (Taf. XVIIL Fig. 20, sz); sie liegt jedoch seitlich des Rhabdoms und es war mir nicht möglich sie in Beziehungen zu (diesem zu bringen. Es wird dies besonders dadurch er- schwert, daß an derselben Stelle das Retinapigment pallisadenartig zwischen die Retinulä eindringt. Ich habe mir daher auch die Frage vorgelegt, ob in dieser Zelle vielleicht eine Pigmentzelle zu suchen wäre. Bei «den meisten Carabiden konnte ich jedoch ein Durchtreten von acht Nervenfasern durch die Basalmembran erkennen, von welchen sieben zu den Sehzellen gehören, die achte dagegen nur (dieser Zelle angehören kann. Es wäre aber auch denkbar, daß sie ursprünglich eine basale Sehzelle gewesen wäre, welche ihre Funktion geändert hat und zur Pigmentzelle wurde. Bei denjenigen Rhabdomen, welche sich erst dicht über der Basalmembran zuspitzen, verdrängt diese Zelle einen Teil des Rhabdoms, was auf Querschnitt Taf. XIX Fig. 28 zur Darstellung gelangt. Zwischen Rhabdom und Basalmembran fand ich öfters einen runden, licht- brechenden Körper (0) liegen, der sich besonders stark färbte (Fig. 20). 256 Otto Kirchhoffer: Dytieides, @yrinus. Das Auge von Dytieus marginalıs wurde bereits von Grenacher (1579) und Hesse (1901) untersucht. Während Grenacher annimmt, daß das RKhabdom von vier Zellen gebildet wird, konnte Hesse nachweisen, daß sich sechs Sehzellen an (der Bildung beteiligen und daß die Retinula aus sieben Zellen besteht, von welchen eine bei der Bildung des Rhabdoms ausscheidet. Ich habe hier einen Irrtum zu beriehtigen, welcher in Bezug auf die Anzahl der Kerne der Sehzellen besteht. Grenacher zählte im distalen Teil der Retinula nur sechs Zellen und sechs Kerne. Die Zusammensetzung der Retinula aus sieben Zellen kommt aber gerade in diesem Teile, in welehem die Zellen noch alle die gleiche Größe haben, auf Querschnitten zweifellos zum Ausdruck. Die Kerne dieser sieben Zellen liegen nun allerdings nieht immer in einer Schnittebene. Ich fand jedoch ständig eine Anzahl von Retinulä, bei welchen die sieben Kerme von einer Schnittebene getroffen waren. Außerdem war ihr Vorhandensein auf Serienschnitten festzustellen. Bei der Untersuchung des Basalorganes erhielt ich Resultate, welche sich mit den von Hesse angeführten im allgemeinen decken. Der Längsschnitt, welchen dieser Forscher zur Darstellung gebracht hat, dürfte jedoch einem Sagittalschnitt entsprechen, denn nur auf einem solchen ist ein heller Raum zwischen den Stiftehensäumen zu sehen. Auf Medianschnitten (Taf. XIX Fig. 35) präsentiert sich die Basalzelle mit dem proximalen Ende des Rhabdoms in anderer Weise. Das basale Rhabdomer (bo) steht mit dem von «den sechs Sehzellen gebildeten Rhabdom in innigster Verbindung, so daß es wie ein Fortsatz «(desselben erscheint; lediglich an der Verbindungsstelle ist eine stärkere Färbung zu erkennen. Ich konnte aber auch auf manchen Schnitten sehen, daß es sich von dem Rhabdom in der Weise getrennt hatte, «daß zwischen beiden ein zentral gelegener kleiner, heller Raum vorhanden war, während die Verbindung außen noch bestand. Wenn (dieser Zustand auch nur einer Schrumpfung zuzuschreiben ist, so macht er «doch die Trennungsstelle sichtbar und es kann daraus auf eine getrennte Anlage geschlossen werden. Das basale Rhabdomer wird von der Basalzelle (sz!) voll- ständig umschlossen, während diese von den Nervenfasern (nf) umgeben wird. Helle Räume, wie sie Hesse darstellt, waren auf meinen Präparaten nicht vorhanden. Querschnitte durch den proximalen Teil der Retinula (Taf. XIX Fig. 34) bestätigen die auf den Medianschnitten erhaltenen Resultate. Die drei Querschnitte sind nicht willkürlich zusammengesetzt, sondern liegen auf einem Präparate nebeneinander und veranschaulichen daher den Übergang des Rhabdoms in das Basalorgan. Auf Schnitt a ist das Rhabdom dicht über dem Basalorgan getroffen. Es ist hier noch ebenso wie an den weiter distal gelegenen Stellen beschaffen und hat nur an Durchmesser bedeutend abgenommen; «die Grenzen der Sehzellen sind noch deutlich zu erkennen. Auf Schnitt b ist das Basalorgan in seinem distalen "Teil getroffen. Es hat die Form einer Ellipse und ist an der Peripherie dunkler als innen gefärbt; in der Riehtung der Hauptachse konnte ich eine zarte Linie erkennen, eine Spaltung, wie sie Hesse beschreibt, war jedoch nieht vorhanden. Die Zellgrenzen der Itetinula sind nieht mehr sichtbar und die Basalzelle (sz!!) wird von sieben Zellen umgeben, deren helles Plasma zentral stärker gefärbt ist. Diese Zellen (nf), Untersuchungen über die Augen pentamerer Käfer. 2357 welche auch auf Schnitt e siehtbar sind, dürften wohl den Nervenfasern entsprechen, welche an die Sehzellen herantreten.” In Schnitt e kommt alsdann der zur basalen Sehzelle gehörige Kern zur Darstellung. 3. Pigmentverschiebungen. Wir verdanken Exner die interessante Entdeckung der Pigmentwanderunge im Lieht- und Dunkelauge. Er fand, daß das Irispigment im Lampyrisauge bei einem Tiere, das im Hintergrunde eines Zimmers getötet wurde, eine andere Lage ein- nimmt, als bei einem solchen, das in der Sonne gesessen und in der Sonne ge- tötet wurde. Ersteres bezeichnet Exner als Dunkelauge, letzteres als Lichtauge. Im Dunkelauge liegt das Irispigment lediglich zwischen den Kristallkegeln, wodurch die liehtstarken Superpositionsbilder zustande kommen. Sie entstehen da- durch, daß die von einem entfernten Punkte ausgehenden Lichtstrahlen annähernd parallel auf die Cornea auffallen, durch die Kristallkegel gebrochen und in einem Punkte der Retina vereinigt werden. Solche Superpositionsbilder sind jedoch nur bei einem Auge möglich, bei welchem der dioptrische Apparat und die empfindliche Netzhautschichte durch einen namhaften Zwischenraum, durch den die Lichtstrahlen verlaufen können, getrennt sind. Im Lichtauge dagegen hat sich das Irispigment in den Raum zwischen Kristallkegeln und Retinulä geschoben und zwar ungefähr um die Länge des Kristallkegels. In diesem Falle empfängt jede Retinula das Licht nur von dem zum gleichen Omma gehörigen Kristallkegel und es entstehen die Appositionsbilder. Außer bei ZLampyris fand Exner dieselben Verhältnisse unter den Käfern bei Cantharis fusca, Dyticus marginalis und Hydrophilus piceus. Bei diesem Käfer konnte er sieh von dem Zustandekommen des Superpositions- bildes direkt überzeugen. Eine Verschiebung (des Retinapigments konnte Exner nicht erkennen; es ist vom Irispigment scharf getrennt und er fand, daß diese Trennung auch dann nicht verwischt wurde, wenn letzteres in exzessive Licht- stellung überging. Nach ihm ist für die Bedeutung des Irispigments die Tatsache von Wichtigkeit, daß unter den zahlreichen Gliedertieren, welche er auf photo- mechanische Reaktion des ITrispigmentes geprüft hat, nur die Nachttiere eine Pig- mentverschiebung zeigten; es sind dies jene Tiere, welche ihre Augen sowohl bei Tage, als auch bei Nacht zu benutzen haben. Eine derartige Pigmentverschiebung würde nach seiner Ansicht bei einem Auge, das kein Superpositionsbild hat, sinnlos sein. „Andererseits wird man aus dem Vorhandensein der Pigmentverschiebung auf Belichtung in zweifelhaften Fällen einen Fingerzeig dafür entnehmen können, daß man es mit einem Superpositionsbilde, nicht mit einem Appositionsbilde zu tun habe.“ Die Untersuchungen, welche ich in dieser Hinsicht mit den Augen von Melo- lontha und Geotrupes anstellte, brachten nichts Neues; sie bestätigen lediglich das vorhin Angeführte. Außerdem habe ich auch die Augen der Cieindeliden, Käfer, welche ausschließlich als Tagestiere bezeichnet werden können, untersucht. Man findet sie fast nur im hellen Sonnenlichte fliegen, während sie sich bereits an trüben Tagen zwischen Gräsern verborgen halten und nur geringe Beweglich- keit zeigen. 958 Otto Kirchhoffer: Einige der zur Untersuchung bestimmten Käfer hatte ich vor der Tötung zwei Stunden lang dem direkten Sonnenlichte ausgesetzt, andere dagegen ebenso lange im Dunkeln gelassen; ich erhielt folgende Resultate: Taf. XVII Fig. 16b stellt den Medianschnitt durch ein Rhabdom eines Auges dar, das dem Sonnenlicht ausgesetzt war. Das Irispigment (ip) ist am dichtesten um die Kristallkegelscheide gelagert, während sich zwischen den Kristallkegeln nur wenig Pigment befindet; es hüllte außerdem noch die distale Hälfte der Retinula ein. Das Retinapigment (rp) umgibt den untern Teil der Retinula und hat sich dem Irispigment so weit genähert, daß nur eine schmale pigmentlose Zone vor- handen ist. Es ist ohne weiteres ersichtlich, daß bei einer derartigen Pigment- lagerung ein Superpositionsbild ausgeschlossen ist. Bei dem Dunkelauge a ist eine Pigmentverschiebung zu erkennen, wie ich sie bei keinem Käfer mit Nachtaugen finden konnte. Das Irispigment (ip) hat sich in distaler Riehtung verschoben, so daß es nur noch den kernhaltigen Teil der Retinula umgibt, zwischen den Kristall- kegeln jedoch dicht gelagert ist. Auch das Retinulapigment (rp) hat sich in proxi- maler Richtung verschoben und umhüllte den untersten Teil der Retinula. Hier- durch ist aber, im Vergleich mit dem Lichtauge, zwischen Iris- und Retinapigment eine recht ansehnliche pigmentfreie Zone entstanden. Diese Pigmentverschiebung dürfte aber noch nicht genügen um ein Super- positionsbild zustande kommen zu lassen, da ja das Irispigment außer dem Kristall- kegel noch einen Teil der Retinula einhüllt. Immerhin mag es möglich sein, dab Superpositionsbilder an den äußersten Rändern der Augen zustande kommen, wo die Ommata zur Basalmembran nicht mehr .in der Richtung des Radius gestellt sind, sondern mit diesem einen spitzen Winkel bilden. Diese Pigmentverschiebungen dürften indessen schwerlich bei Tage zustande kommen, da der Unterschied zwischen grellem Sonnenlicht und Schatten kein so großer ist, wie derjenige, welcher diesen Untersuchungen zu Grunde liegt. Unter normalen Verhältnissen dürften daher Superpositionsbilder bei diesen Augen aus- geschlossen sein. Die Cieindeliden sind außerdem Käfer, welehe nur bei Tage auf Beute ausgehen, nachts (dagegen ruhen, daher auch keine Superpositionsbilder brauchen. Wozu kommen dann bei ihnen die Pigmentverschiebungen vor? Sie wären nach der "Theorie von Exner sinnlos. Es liegt mir ferne, auf Grund dieses einen gegen die Richtigkeit sprechenden Befundes, die ganze Theorie vom Zwecke der Pigmentverschiebung angreifen zu wollen. Bis durch weitere Untersuchungen ähnliche Fälle bekannt geworden sind, kann er möglicherweise als Ausnahme angesehen werden. B. Käfer ohne Kristallkegel. 1. Dioptrischer Apparat. Malacodermata, Elaterides, Dermestides, Byrrhides. Zwei Familien, die Malacodermata und Elaterides nahmen bisher in bezug auf die Augen eine besondere Stellung unter den Käfern mit euconen Augen ein. Man nahm an, daß die Kristallkegel mit der Cornea vollkommen verwachsen sind, so daß auch nieht die Spur einer Grenze zwischen beiden zu erkennen ist. Die erste Begründung für diese Ansicht finden sich in den Untersuchungen von Leydig (1355) und Max Schultze (1565). Wir lesen bei ersterem Forscher: „Eine eigentüm- liche Beschaffenheit der Kristallkegel gewahre ich bei Zlater noctilueus. Während bei den vorausgegangenen Käfern diese Gebilde weich sind und in Wasser, Essig- säure etc. sich leicht verändern, zeigen sie hier eine derbe Natur. Sie bestehen aus Kern und Schale, welch letztere durch unmittelbare Erweiterung («des Nerven- fadens gebildet ist. Nach Zusatz von Kalilauge schwellen sie leicht an und spalten sich, ohne jedoch auseinander zu fallen nach der Quere in schmale scheibenartige Schiehten; das vordere Ende scheint auch mit der dazu gehörigen allgemeinen Scheide fester der Hornhaut angewachsen zu sein.“ Ähnliches beobachtete er auch bei Cantharıs melanura Fabr. In gleicher Weise gestalteten sich auch die Unter- suchungen von Max Schultze (1868): „Bei einigen Käfern gewinnen sie die Härte des Chitinpanzers und bilden mit der Cornea ein Ganzes, wie Leydig (1555) zuerst bei Blater noctilucus, dann bei Lampyris und Oantharis melanura beobachtete. Die Hornhaut erscheint nach innen wie mit stumpfen Stacheln dicht besetzt. Andere Kristallkegel hinter diesen mit der Hornhaut verwachsenen fehlen. Sie lassen sich nur mit Gewalt von der Hornhaut trennen und brechen dann mit unregelmäßigen Bruchflächen ab, ein Beweis für den innigsten Zusammhang mit jener Haut, welcher letzterer sie auch in der Resistenz gegen Säuren und Alkalien gleichen.“ „Ganz ähnlich ist das Verhalten bei Zlater moetilueus, wie ich nach eigenen Untersuchungen dieses merkwürdigen Käfers bestätigen kann, nur übertrifft die Dicke der Hornhaut die von Lampyris bedeutend, auch finde ich zwischen Cornea und Kristallkegel eine scharf markierte Grenzlinie. Bei Lampyris und Elater noctilueus ist keine Spur der Semperschen Kerne wahrzunehmen.“ „Die chitinisierten Kristallkegel von Zampyris lassen bei längerem Aufenthalte in konzentrierter Oxalsäurelösung eine Schichtung von Bogenlinien, nahezu kon- zentrisch dem unteren abgerundeten Ende erkennen. Es sind dies Linien, die 260 Otto Kirchhoffer: wahrscheinlich auf Wachstumserscheinungen zurückzuführen sind und auf der An- wesenheit wasserärmerer und wasserreicherer Schichten beruhen, die sich in Säuren verschieden resistent verhalten.“ Aus dieser Beschreibung, sowie aus seiner vorzüglichen Abbildung (Taf. 2 Fig. 27) geht eigentlich bereits hervor, daß die vermeintlichen Kristallkegel ein Teil der Cornea sind und lediglich ihre Form berechtigte dazu sie mit Kristall- kegeln zu vergleichen. Man muß der Ansicht dieser Zeit, nach welcher die zu- sammengesetzten Augen sämtlicher Insekten Kristallkegel haben, Rechnung tragen, um den Widerspruch verstehen zu können. Diese Ansicht erhielt noch eine wesentliche Unterstützung durch die Unter- suchungen Grenachers (1879), welcher einen Vergleich zwischen den Augen von Cantharis fusca und Limulus anstellte. Er fand, dab bei Camtharis fusca der Kristallkegel von der Linsenfazette durch einen weiten Zwischenraum getrennt ist. Eine Chitinmasse, welche augenscheinlich erst nach Bildung beider ausgeschieden wurde, soll jedoch verursacht haben, daß die beiden Bildungen, «die denselben zelligen Elementen ihre Entstehung verdanken, zu einem unbeweglichen und un- trennbaren Ganzen verbunden wurden. Die Zellen, welche diese mit der Cormnea verwachsenen Kristallkegel bilden, sind weder den Autoren noch Grenacher bekannt. Auch Exner (1891) fand, daß bei Cantharis fusca, BRhagonycha melanura, Lampyris splendidula und Elater die Kristallkegel mit der Cornea verwachsen sind. „Die Kristallkegel sind mit der Cornea verwachsen, nur sieht man bei Cantharis fusca eine Trennungsfläche zwischen beiden. Sie hebt sich bei Färbung mit Säure- fuchsin und Pikrinsäure in gesättigtem Ton ab. Im hinteren Ende der Kegel sieht man kleine auch kegelförmige (rebilde eingelassen.“ Bei Trichodes sah Exner die hintere Wölbung der Cornea anscheinend in eine blättrige-gallertartige Masse übergehen, die ihm eine Vorstufe des Zustandes zu sein scheint, der bei Cantharis fusca existiert. Das Leuchtkäferchen, bei dem der eingeschlossene Kegel nicht mehr gesehen wird, stellt nach seiner Ansicht eine weitere Entwicklungsstufe dar. Ich habe bei Cantharis dispar und Bhagonycha melanura F. die gleichen Verhältnisse gefunden. Der abgeschnürte Teil des Comeafortsatzes hebt sich stark von seiner Umgebung ab und hat ausgesprochen die Form eines Kristallkegels. Bereits Carriere (1556) machte darauf aufmerksam, daß die Schichten der Cormea oft ungleiche Härten besitzen, welche dadurch auffallen, daß sich die äußere nicht, die innere stark mit Carmin und Hämatoxylin färbt. „Oft zerfällt der innere Teil der Cornealinse in zwei Abschnitte von wungleicher Beschaffenheit, von denen der innerste kegelförmige am weichsten ist. Alle drei Teile stehen in unmittelbarem Zusammenhange, «doch ist gerade wegen der verschiedenen Dichte oft eine (konvexe) Grenze zwischen dem zweiten und dritten, eine weniger scharfe konvexe oder konkave Grenze zwischen dem zweiten Abschnitt bemerkbar.“ Bei der Untersuchung dieser Augen fiel mir zunächst auf, daß sie sich bei Anfertigung von Querschnitten anders verhielten, als die Augen mit Kristallkegeln. Diese setzten nach Entfernung der Comea dem Messer keinen nennenswerten Widerstand entgegen. Die Segmente der Kristallkegel trennten sich zwar öfters Untersuchungen über die Augen pentamerer Käfer. 261 von einander, ein Abbrechen und eine damit verbundene Änderung ihrer Lage konnte ich jedoch niemals bemerken. Die vermeintlichen Kristallkegel in den Augen der Blateriden und Melacodermata setzten jedoch dem Messer einen großen Widerstand entgegen. Sie brachen meistens dicht an der Cornea ab, so daß trotz Anwendung von Mastix-Collodium nur wenig brauchbare Querschnitte erzielt werden konnten. Auf Längssehnitten konnte ich dagegen häufig ein Einreißen der ver- mutlichen Kristallkegel beobachten, was bei echten Kristallkegeln nie vorkam. Außerdem vermochte ich, selbst auf dünnen Schnitten, bei keinem dieser Augen die kreuzförmige Trennungslinie der Kristallkegelsegmente zu finden. Diese Umstände ließen mich bereits daran zweifeln, daß diese langen Fort- sätze der Cornea als Kristallkegel aufzufassen sind. Ich wäre indessen wohl kaum zu einem Resultate gelangt, wenn ich nicht in dem Auge von Eros aurora gewisser- maßen den Schlüssel zum Verständnis der anderen Augen gefunden hätte. Die von Carriere (1855) und Exner (1891) angegebenen Färbemethoden brachten zwar die lamellöse Struktur der Cornea und ihrer Fortsätze gut zum Ausdruck; nennenswerte Aufschlüsse konnte ich jedoch nicht damit erzielen. Heidenhainsches Hämatoxylin war zur Färbung der Keme und der Rhabdome nötig, zeigte sich dagegen bei Färbung der Cornea unbrauchbar, da es dieselbe gleich- mäßig färbte. Sehr brauchbar waren dagegen die Resultate die ich mit Flemmingscher Dreifachfärbung erzielte, da die einzelnen Schichten der Cornea und ihrer Fortsätze mit außerordentlicher Deutlichkeit hervortraten. Die vermeintlichen Kristallkegel werde ich in der Folge als Corneafortsatz (Processus corneae) bezeichnen. Die Berechtigung hierzu wird aus der folgenden Beschreibung der einzelnen Augen hervorgehen. Melacodermata. Eros aurora F. (Taf. XIX Fig. 35). Der distale Teil der Cornea (Cd), in welchem die einzelnen Fazetten miteinander verschmolzen sind, färbt sich blaß violett. In gleicher Weise färbt sich auch der innere Teil (ei) des Corneafortsatzes (Pe) und zwar geht diese violette Färbung ununterbrochen von der Corneafazette in diesen über. Aus dieser gleichmäßigen Färbung kann gefolgert werden, daß Corneafazette und innerer Teil des Cornea- fortsatzes aus Chitin von gleicher Beschaffenheit bestehen; sie müssen daher als ein homogenes Ganzes bezeichnet werden. An der Peripherie ist der innere Teil stärker gefärbt. Der Übergang zur helleren Färbung findet jedoch allmählig statt. Auch die Corneafazette hat an ihrer distalen konvexen Wölbung eine dunkler ge- färbte Partie. Der innere Teil ist von einer, sich im allgemeinen hellgelb bis orange färbenden Schichte umgeben, welche ich in der Folge als äußere Schichte (ea) des Corneafortsatzes bezeichne. Diese verschiedenen Schichten, sowie die Fazetten selbst, stehen mit den benachbarten in innigem Zusammenhange, so daß ich eine Trennungslinie nicht erkennen konnte. Der innere Teil zeigt distal eine flache Einschnürung, der äußere dagegen eine dieselbe ausfüllende Verdiekung. Die verschiedenartige Färbbarkeit der Cornea dürfte im einer ungleichen chemischen Beschaffenheit, Härte oder verschiedenem Wassergehalt beruhen. Wenn auch eine Schichtung der Cornea in Richtung der Längsachse vorhanden ist, so fehlt sie in senkrechter Richtung zu dieser Achse gänzlich. Es liegt demnach keine Berechtigung vor, den Corneafortsatz bei diesem Auge als Kristallkegel zu bezeichnen. 262 Otto Kirchhoffer: Über die Lage der Semperschen Zellen bei diesen Augen konnte ich in der Literatur keine Angaben finden. Grenacher stellt lediglich Kristallkegel von Cantharis fuseca dar; Exner bezeichnet den Teil des Auges, der zwischen Cornea und Retinula gelegen ist, als Glaskörper der Autoren. Man wird die Semperschen Kerne auch vergebens an der Stelle suchen, an welcher sie sich bei den euconen Augen befinden. Auf dem Medianschnitt sieht man zahlreiehe Kerne in dem Raum zwischen Cornea und Retinula zerstreut liegen. Von diesen Kernen fallen je zwei (kk) durch ihre isolierte Lage, proximal von dem Corneafortsatz, auf. Sie sind auch in der Form etwas gedrungener und liegen in je zwei Zellen (kz), welche sich an das Ende des Corneafortsatzes anschließen und sich bis zur Retinula erstrecken. Diese nehmen in proximaler Rientung an Durchmesser ab und bilden zusammen einen Konus. Die Kerne haben nieht immer (die gleiche Lage; ich fand sie ebenso oft dicht unterhalb der Corneafortsätze, als in einiger Entfernung von diesen liegen. Auf Querschnitten durch diese Zellen in Höhe eines Kernes (Taf. NIX Fig. 36 D) sieht man, daß dieser Konus aus vier Zellen (kz) besteht, welche dicht aneinander gelagert sind und unregelmäßige (Gestalt haben. Sie haben die gleiche Lage, wie die Semperschen Zellen bei den aconen Augen, schließen sich wie diese an die Cornea an und dürften daher auch bei diesem Auge als solche bezeichnet werden. Auf dem Medianschnitt erkannte ich ferner, daß zu beiden Seiten der Sem- perschen Zellen je eine weitere Zelle liegt (ch), die sich von ihrer Umgebung durch ein helleres Plasma unterscheidet, und sich zu seiten des Corneafortsatzes bis zu dessen distalem Ende erstreckt. In ihnen fand ich zwei Kerne (chk) und zwar dieht am unteren Ende des Corneafortsatzes liegen, die jedoch die gleiche Form, wie die Kerne zwischen «den Corneafortsätzen, haben. Sie wurden oft so getroffen, daß nur ein Kern auf dem Schnitte zu sehen war (Omma b) und lagen nicht ständig in gleicher Höhe. Dieht an ihnen liegen zwei weitere Kerne (Pzk) von gleicher Gestalt wie die vorigen und ebenfalls in verschiedener Höhe, von denen auf Omma b nur einer zu sehen ist. Nur Querschnitte vermögen eine weitere Aufklärung über die Natur dieser Kerne zu bieten. Auf einem solchen dureh die Spitze des Corneafortsatzes (Taf. XIX Fig. 36C) erkannte ich, dab derselbe von vier Zellen (ch) umgeben ist, welche sieh durch ihr helles und fein granuliertes Plasma auszeiehnen und in welchen, jedoch bei den einzelnen Ommatidien wechselnd, ein bis vier Kerne (chk) liegen. Auf dem folgenden, weiter distal geführten Quer- schnitt (Taf. XIX Fig. 36B) waren diese vier Zellen zwar nicht zu erkennen, dagegen fand ich vier Kerne (chk) um den Comeafortsatz liegen und zwar dicht an ihn gepreßt. Sie liegen nicht immer wie hier von einander getrennt, sondern treten öfters seitlich derartig mit einander in Berührung, daß der Comeafortsatz von ihnen vollständig eingehüllt wird und sie nur schwer von einander zu unterscheiden sind. Diese Kerne gehören offenbar zu den bei Fig. 360 erwähnten Zellen mit hellem Plasma. In einem noch weiter distal geführten Querschnitt (Fig. 36A) sind diese Zellen (ch) wieder deutlich zu erkennen; es befinden sich jedoch nur mehr zwei Kerne (ehk) in ihnen, woraus ich schließe, daß die Kerne dieser Zellen in verschiedener Höhe liegen, so daß sie nicht gleichzeitig von jeder Schnittebene getroffen werden. Untersuchungen über die Augen pentamerer Käfer. 263 Beim Vergleich «dieser Quersehnitte mit dem dazu gehörigen Medianschnitt (Fig. 35), findet man, daß diese den Comeafortsatz umgebenden vier Zellen mit jenen identisch sind, welche auf dem Medianschnitt zu seiten der Semperschen Zellen liegen (ch). Über ihre Funktion vermag ich nichts anzugeben und kann sie daher nur ihrer Lage nach als Hüllzellen bezeichnen. Die in ihnen liegenden vier Kerne entsprechen jenen, welche auf dem Mediansehnitt zu seiten der Spitze des Corneafortsatzes liegen (chk). Sie sind von einer großen Anzahl anderer Kerne umgeben (Fig. 36B), von welchen zwei durch ihre langgestreckte Gestalt auf- fallen (Pzk). Diese sind mit den Kernen identisch, welehe auf dem Medianschnitt den Kernen der Hüllzellen (chk) dieht anliegen und dürften als Kerne der Haupt- pigmentzellen anzusprechen sein. Die übrigen Kerne (pzk), welche sich noch zwischen den Corneafortsätzen be- finden und dieselben in unregelmäßiger Anordnung umgeben (Fig. 36A u. B), ge- hören zu den Nebenpigmentzellen. Lampyris noctiluca L. Auf einem Medianschnitt durch dieses Auge (Taf. XX Fig. 37) sieht man, dab die innere Corneaschichte (ei) sich wie bei Zros aurora tief in den Corneafortsatz (Pe) hinein erstreckt. Der innere Teil der Corneafazette (Cd) ist hier dunkler gefärbt als wie bei Pros aurora und mit dem der benachbarten Fazette durch eine dünne, ebenso gefärbte Brücke verbunden. Wir haben bei Eros aurora gesehen, daß die äußere Schichte des Corneafortsatzes (ca) auf Kosten der inneren Schichte (ci) distal eine schwache Verdiekung aufweist. Sie hat bei dem Auge von Zampymis so zugenommen, daß die innere dunkle Schichte in zwei Teile zerlegt wird, welche nur mehr durch einen dünnen Strang mit einander verbunden sind. Auch in distaler Richtung ist die helle Schiehte zwischen die Comeafazetten vorgedrungen; an der Peripherie der Corneafortsätze ist sie mit einem dunklen Saum versehen. Auf Medianschnitten, welche mit Ileidenhain’schem Hämatoxylin gefärbt sind, tritt die lamellöse Struktur der Cornea gut hervor. Wie bei Eros aurora sind die Cornea und ihre Fortsätze in der Richtung der Längsachse aus verschiedenem Chitin zusammengesetzt. Es ist aber deutlich zu erkennen, daß der keulenförmige innere Teil des Corneafortsatzes von gleicher Beschaffenheit ist, wie der innere dunkle Teil der Fazette und mit ihr ein homo- senes Ganzes bildet. Demnach kann auch hier von einem Kristallkegel nicht ge- sprochen werden. Die Kerne der Nebenpigmentzellen sind nicht wie bei Eros aurora auf die Räume zwischen den Corneafortsätzen beschränkt, sondern liegen auch zwischen diesen und den Ritinulä, wodurch die Orientierung aufMedianschnitten bedeutend erschwert wird. Ich fand in der Verlängerung des Corneafortsatzes ebenfalls zwei Zellen (kz), welche sich bis zur Retinula erstrecken und sich in proximaler Riehtung konisch zuspitzen. Es sind die Semperschen Zellen, deren Kerne (kk) von denen der Nebenpigmentzellen (pzk) nicht zu unterscheiden und nur daran zu erkennen sind, daß sie in der Verlängerung des Corneafortsatzes liegen. Ihre Lage kann recht verschieden sein; ich fand sie manchmal in einiger Entfernung vom Corneafortsatz in verschiedener Höhe liegen, wie bei Omma a, manchmal aber auch dieht an den DI Otto Kirchhoffer: Corneafortsatz geprebt, wie bei Omma b. Querschnitte durch diesen Teil des Auges (Taf. XX Fig. 35A) lassen erkennen, daß die Semperschen Zellen (kz) segmentartige Gestalt haben und mit den Innenflächen aneinander gelagert sind. Ihre ziemlich großen Kerne (kk) kommen, ihrer Lage auf dem Medianschnitt entsprechend, nicht sämt- lich auf einem Querschnitt zur Darstellung. Den Außenseiten der Semperschen Zellen liegen zwei langgestreckte Kerne (Pzk) an. Sie entsprechen den Kernen, welche wir auf dem Medianschnitt, proximal vom Corneafortsatz, an den Außen- seiten der Semperschen Zellen liegen sehen und sind die Kerne der Hauptpigment- zellen. Die Kerne der Nebenpigmentzellen (pzk) sind von geringem Durchmesser und liegen um die Semperschen Zellen in unregelmäßiger Anordnung. Ich fand aber noch zwei kleine Kerne (chk) zwischen denen «der Hauptpigmentzellen und dem Corneafortsatz, die ich im Vergleich mit dem Auge von Eros aurora, für die Kerne der Hüllzellen halte. Diese konnte ich jedoch weder auf Median- noch auf Querschnitten finden. Rhagonycha melanura F. Bei Betrachtung eines Medianschnittes durch die Comea (Taf. XX Fig. 39) findet man in dem hellen Corneafortsatz einen dunkel gefärbten Teil (ei), der die typische Form eines Kristallkegels hat. Der äußere Teil der Cornea (Cd) ist eleichfalls gegen diesen vermeintlichen Kristallkegel zu dunkler gefärbt und spitz ausgezogen. Die Cornea von Cantharıs fusca, welche Grenacher (1579) beschrieben hat, gleicht der von Zrhagonycha melanura und es ist leicht verständlich, daß er diesen dunklen Teil für einen Kristallkegel hielt, der mit der Cornea durch eine chitinige Masse zu einem untrennbaren Ganzen verbunden ist. Vergleichen wir aber dieses Auge mit dem von Lampyris noctilueca, so werden wir leicht zu einer anderen Auslegung gelangen können. Wir haben bei Zampyris gesehen, daß die helle äußere Schichte des Cornea- fortsatzes so zugenommen hat, daß durch sie die innere dunkle Schichte in zwei Hälften geteilt wurde, die nur mehr durch ein dünnes Band mit einander verbunden sind. Stellen wir uns nun vor, daß «die helle Schiehte derartig zugenommen hat, r daß die beiden innern dunklen Teile vollständig von einander getrennt wurden, so erhalten wir eine Oornea wie bei Rhagonycha. Der vermeimtliche Kristallkegel wäre demnach nichts wie ein abgeschnürter Teil der inneren dunklen Cornea- schichte. Im Gegensatz zu der Theorie Grenachers wäre er nicht dureh die helle Substanz mit der Corneafazette zu einem Ganzen verbunden, sondern von ihr getrennt worden. Ich werde später noch andere Gründe anführen, weshalb dem dunklen Kern die Eigenschaften eines Kristallkegels abzusprechen sind. Die Hüllzellen konnte ich bei diesem Auge nicht erkennen, wohl aber ihre Kerne (chk), welche dem proximalen Ende des Corneafortsatzes dicht anliegen. Die Kerne der Hauptpigmentzellen (Pzk) waren nicht auf einem Schnitte gleichzeitig zu finden; sie liegen dieht unterhalb der Kerne der Hüllzellen. Die anderen Kerne, welche zwischen den Corneafortsätzen liegen, gehören zu den Nebenpigmentzellen. Cantharis dispar FE. Die Cornea dieses Auges ist wie die, von Rhagonyeha beschaffen. Von einigen nebensächlichen Abweichungen in der Form abgesehen, sieht man auf dem Median- Untersuchungen über die Augen pentamerer Käfer. 265 schnitt (Taf. XX Fig. 40), daß die distale innere Sehichte der Cornea (Cd) von der benachbarten Fazette durch die helle äußere Schichte getrennt ist. Auffallend ist, daß die Corneafortsätze so nahe aneinander liegen, daß die Kerne der Neben- pigmentzellen aus den Zwischenräumen verschwunden sind. Sie liegen lediglich in dem Raume zwischen den Corneafortsätzen und Retinulä. Dieser Umstand er- schwerte die Orientierung in Bezug auf die verschiedenen Kerne ungemein. Die Fortsätze der Cornea sind außerdem sehr hart; sie brachen bei der Anfertigung von Querschnitten ab und zerstörten die umliegenden Teile. Es gelang mir daher nicht, sowohl bei diesem Auge als dem von Zhagonycha, brauchbare Serienquer- schnitte distal von der Retinula zu erhalten. Ich konnte lediglich erkennen, daß ein bis zwei isolierte Kerne, innerhalb eines Kranzes von Pigmentzellkernen lagen. Auf dem Medianschnitt liegen diese Kerne (kk) in der Verlängerung der Cornea- fortsätze in einem hellen Iaume, haben jedoch dieselbe langgestreekte Form wie die der Nebenpigmentzellen (pzk). Ihrer Lage nach entsprechen sie den Sem- perschen Kernen. Die Corneahülle (ch) konnte ich nur bis zur Spitze des Corneafortsatzes ver- folgen; die zu ihr gehörenden sehr kleinen Kerne (chk) waren deutlich sichtbar. Die Kerne der Hauptpigmentzellen (Pzk) liegen zu seiten des Corneafortsatzes an dessen Ende und sind etwas von ihnen abgerückt. Elaterides. Die Cornea hat nicht die typische Schichtung in der Richtung der Längsachse wie bei den Vertretern der Malacodermata. Die sich violett färbende Schichte, welche ich auch hier als innere bezeichnen will, dringt nicht so tief in die helle, orange gefärbte äußere Schichte ein. Immerhin fand ich letztere stets als hauben- artigen Überzug der ersteren. Elater sangwineus L. Die Corneafazette (Cd) tärbte sich auf Medianschnitten (Taf. NN Fig. 42) im Grundton blaß violete. Es traten jedoch einzelne lamellenartig gestaltete Partien auf, die sich besonders dunkel färbten. Von ihnen tritt die unterste (ci) dureh ihre Stärke hervor und dringt in den hellen Corneafortsatz (Pe) ein, indem sie sich in proximaler Richtung zuspitz. Auch der Corneafortsatz scheint nicht homogen beschaffen zu sein, da m ihm zwei dunkler gefärbte Längsstreifen sichtbar sind. Jeder Corneafortsatz steht mit dem benachbarten in Verbindung, indem die hellen äußeren Schichten in einander übergehen. Die Fazetten (Cd) sind jedoch durch nahezu farblose Streifen von einander getrennt. Die Töne gehen in einander über, so daß zwischen den verschieden gefärbten Schichten keine scharfe Grenze zu erkennen ist. Die Semperschen Kerne machen sich durch ihre isolierte Lage zwischen Cornea- fortsatz und Retinula ganz besonders bemerkbar, liegen nahezu alle in gleicher Höhe und dicht aneinander gedrängt in einem Konus, der durch die Semperschen Zellen (kz) gebildet wird. Das Lumen der Zellen wird von den Kernen (kk) fast vollständig ausgefüllt; mitunter konnte ich eine, durch die Kerne verursachte An- schwellung der Zellen beobachten. Die Zellen spitzen sich in proximaler Richtung 266 Otto Kirchhoffer: stark zu und treten mit dem distalen Ende der Ketinula in Verbindung, während sie in entgegengesetzter Riehtung eine Hülle um den Corneafortsatz bilden. Auf Quersehnitten (Taf. XXI Fig 43 A) durch die Semperschen Kerne (kk) waren nur diese, die Zellgrenzen jedoch nieht zu erkennen. Die Kerne sind von einem hellen Hof umgeben, der mit einer lichtbrechenden Substanz (x) erfüllt ist. Durch zarte Linien wird sie in zwei Hälften geteilt, was auf tiefer gelegenen Querschnitten (Taf. XXI Fig. 43B, x) noch deutlicher zum Aus- (druck kommt. Auf diesem Schnitte sind die Semperschen Zellen (kz), infolge ihres stark gramulierten Plasmas, nicht getrennt zu erkennen. Auf dem Median- schnitte (Fig. 42) sieht man, daß diese Zellen mit lichtbrechendem Inhalt (x) die Semperschen Zellen (kz) zwischen Corneafortsatz und Retinula einhüllen. Ich konnte in ihnen keine Kerne finden und vermag auch keine Erklärung für ihre Funktion zu geben. Sie werden von den Nebenpigmentzellen (ip) (Taf. XXI Fig. 43 A), deren Kerne zwischen den Corneafortsätzen liegen, röhrchenförmig umgeben. Die Kerne der Hauptpigmentzellen (Pzk) liegen zu seiten «der Spitze des Corneafortsatzes und unterscheiden sich von «den langen Kernen (der Nebenpigmentzellen durch ihre rundliche Gestalt. Ludius eupreus v. aeruginosus F. (Taf. XXI Fig. 44). Der violett gefärbte Teil der Cornea bildet auch den Iauptbestandteil des Sorneafortsatzes. Die Comea ist im äußeren Teil hell gefärbt und nimmt beim Übergang in den Fortsatz (Pe) eine dunkel violette Farbe an. Die äußere hellgelb gefärbte Schichte (ca) ist von geringer Dimension und überzieht «die innere (ei) kappenartig. Bei Färbung mit Hämatoxylin tritt die lamellöse Struktur des Corneafortsatzes deutlich hervor. An diesen setzt sich ein weiterer, langgestreckter und sich hell färbender Konus an, welcher den Corneafortsatz ebenfalls kappen- förmig überzieht und gewissermaßen einen Fortsatz von ihm bildet (kz). Er er- streekt sich bis zur Retinula und ist an seinem unteren Ende abeerundet. Eine Zusammensetzung aus Zellen konnte ich an ihm nieht erkennen. Auf Medianschnitten fand ich vier Kerne, welche ihm dicht anliegen; zwei von ihnen liegen in Höhe des proximalen Endes (kk), die andern zwei distal von diesen (Pzk). Auf Querschnitten konnte ich erkennen, daß distal zwei, proximal vier Kerne liegen, wovon die ersteren zu den Hauptpigmentzellen gehören. Es ist nun schwer zu entscheiden als was sowohl diese vier Kerne als der von ihnen eingeschlossene Konus anzusehen sind. Ich halte ihn für den Komplex der Semperschen Zellen, deren Kerne jedoch nieht innerhalb der Zellen liegen. Letzteres dürfte nicht da- gegen sprechen, da ja auch bei den pseudoconen Augen («die Kerne am Ende der Semperschen Zellen liegen. Die Kerne der Nebenpigmentzellen, welche durch ihre spindelförmige Gestalt auffallen (pzk) liegen zwischen den Corneafortsätzen dicht über den Retinulä. Corymbites aeneus L. Die Cornea gleicht der von Dermestes lardarius (Taf. XXI Fig. 45). Der Über- gang der Uornea in die Fortsätze trat sehr gut hervor, da die helle Färbung der Untersuchungen über die Augen pentamerer Käfer. 267 Corneafazette tief in den Fortsatz hinein verfolgt werden konnte. Dieser ist im inneren Teil nur an der Peripherie und an der Spitze dunkler gefärbt. Der äußere Teil des Corneafortsatzes überzieht den inneren als schmales helles Band. Eine Trennung der benachbarten Fazetten war nicht zu erkennen. Eine eigentümliche Anordnung zeigen die Semperschen Kerne, die sämtlich hinter einander in der Verlängerung der Längsachse der Öorneafacette liegen, und sich von den umliegenden Kernen durch ihre Chromatin unterscheiden. Dieses hält den Farbstoff sehr lange fest, ist stark konzentriert und läßt keine Struktur erkennen. Diese vier Kerne liegen innerhalb zweier Zellgrenzen, die an dem Cornea- fortsatz beginnen und mit der Retinula in Verbindung stehen. Über die Gruppierung der Semperschen Zellen, welche wohl auf einem Medianschnitt durch besagte Zell- erenzen zum Ausdruck gebracht werden, vermag ich keine weiteren Aufschlüsse zu geben, da die Querschnitte infolge der harten Corneazapfen millangen. Die Kerne der Hauptpigmentzellen liegen an der Spitze des Öorneafortsatzes; auch bei diesem Auge konnte ich keine Stelle finden, auf der die zwei Kerne gleichzeitig und in gleicher Höhe zu sehen gewesen wären. Der inneren Seite des Corneafortsatzes lag ein Kern an, der ebenso geformt ist, wie der an der Außenseite liegende Hauptpigmentzellkern; er lag aber höher wie dieser. Es wäre möglich, daß er gleichfalls der Kern einer Hauptpigment- zelle ist. Die Kerne der Nebenpigmentzellen liegen hauptsächlich zwischen den Cornea- fortsätzen und nur vereinzelt in Höhe der Semperschen Kerne. Auch bei diesem Auge ist die Existenz eines Kristallkegels ausgeschlossen. Dermestes lardarius L. und Byrrhus pilula L. In Anbetracht der Kleinheit dieser Augen und der damit verknüpften Sehwierig- keiten mußte ich mich mit der Untersuchung von nur je einer Art der beiden Familien begnügen, welchen die genannten Formen angehören. Auf dem Medianschnitt durch das Auge von Dermestes (Taf. XXI Fig. 45) ist die Cornea (Cd) hell violett gefärbt; diese Schichte (ei) reicht tief in den Corneafortsatz hinein und nimmt innerhalb desselben nur an ihrer Peripherie und an der Spitze eine dunklere Färbung an. Sie ist wie bei Zros aurora von einer hellorange gefärbten Schichte (ca) umgeben. Der Raum zwischen den Corneafortsätzen und den Retinulä wird durch lang- gestreckte Zellen (kz) ausgefüllt, die sich an die Corneafortsätze ansetzen und in proximaler Richtung nur wenig an Durchmesser abnehmen. Ihr Lumen ist mit einem Plasma von ausgeprägt wabiger Struktur erfüllt. Sie dürften den Semperschen Zellen entsprechen; die zu ihnen gehörigen Kerne (kk) liegen zu einer Gruppe vereinigt zwischen Corneafortsatz und Retinula. Die Kerne der Hauptpigmentzellen (Pzk) liegen zu seiten der Spitze des Öorneafortsatzes; sie waren auf Median- schnitten nur vereinzelt sichtbar. Die Kerne der Nebenpigmentzellen liegen zwischen den Corneafortsätzen. Byrrhus pilula L. Die Cornea, die wie bei Dermestes beschaffen ist, zeigte gleichfalls eine lamellöse Struktur, die auch in den Corneafortsätzen deutlich zu erkennen war. Archiv für Biontologie II (2) 08. B} 268 Otto Kirchhoffer: Von einer Beschreibung der Kerne muß ich absehen, da sie nur undeutlich zur Darstellung gelangten. Das Resultat dieser Untersuchungen fasse ich kurz in folgende Sätze zusammen. 1. Verschiedene Konsistenz der Cormeazapfen und der Kristallkegel, was sich durch verschiedenen Widerstand gegen das Mikrotommesser äußert. 2. Zusammensetzung der Cornea aus sich verschieden färbendem Chitin. Dies ermöglicht zu erkennen, daß Corneafacette und (deren Fortsatz homogen sind. 3. Die in den Corneafortsätzen liegenden isolierten, kristallkegelähnlichen Ge- bilde kann man sich dadureh entstanden denken, daß sie von der Corneafacette durch die helle Schichte abgetrennt wurden. 4. Eine lamellöse Struktur, wie sie der Cornea ständig zukommt, konnte ich bei den meisten Ausen im Corneafortsatz gleichfalls erkennen. 5. Die Semperschen Zellen mit ihren Kernen liegen stets zwischen Cornea- fortsatz und Retinula und schließen sich an das proximale Ende des ersteren an. 6. Eine Zusammensetzung des Corneafortsatzes aus vier Segmenten, wie bei den Kristallkegeln, war ich bei keinem Auge zu finden im Stande. Diese Gründe berechtigen mich wohl den angeführten Augen den Besitz eines Kristallkegels abzusprechen und sie demgemäß nicht mehr zu den euconen zu zählen, was jedoch keineswegs ausschließt, daß sie diesen physiologisch gleich- wertig sind. Zum Vergleich habe ich die Cornea nebst Kristallkegel von Dytieus marginalis auf die gleiche Weise gefärbt und erhielt folgende Resultate. Die Cornea färbte sich sehr hell karminrot, also anders wie der Kristallkegel, bei welchem ich wie bei den Malacodermata ebenfalls zwei verschiedene Schichten, eine innere violette und eine äußere hell orange «efärbte fand; außerdem trat die 'Trennungslinie der Kristallkegelsegmente dentlich hervor. Es läßt dies darauf schließen, daß doch eine gewisse Verwandtschaft zwischen «diesen Ausen besteht, worüber vielleicht die Entwieklungsgeschiehte Aufschluß geben könnte. Ich beab- sichtige daher in einiger Zeit einen Käfer, dessen Auge mit einem Corneafortsatz versehen ist, in diesem Sinne zu untersuchen. Es entsteht nun noch die Frage zu welcher Gruppe diese Augen zu rechnen sind. Sowohl der Corneafortsatz, als der in ihm liegende vermeintliche Kristallkegel legen es nahe, dieses Auge als ein pseudocones zu bezeichnen, wenn dieser Name nicht bereits für eine andere Art von Augen vergeben wäre. Da in ihm die Semperschen Zellen (Kristallzellen Grenachers) zeitlebens erhalten bleiben und lediglich die Cornea ausscheiden, muß es als acones bezeichnet werden. Die Semperschen Zellen unterscheiden sieh von denen der bisher bekannten aconen Augen, lediglich durch ihre langgestrecekte Form, was jedoch kein llindernis sein kann, sie als homolog mit diesen zu bezeichnen. Unter den von Grenacher untersuchten aconen Augen kommen bei den Semperschen Zellen gleichfalls die heterogensten Formen vor; sie wechseln zwischen einer flachen Form wie bei Forfieula aurieularia und einer langgestreckten wie bei Notonecta glauca. Untersuchungen über die Augen pentamerer Käfer. 269 Silphides, Staphylinides, Histerides. Grenacher (1879) führt unter den euconen Augen auch das von Neerophorus an (die Art ist nicht bezeichnet), welches durch den rudimentären Charakter seiner Kristallkegel ausgezeichnet ist. „Hinter den vorn glatten, hinten schwach konvex vorspringenden Corneafacetten liegen von fadenförmigen Pigmentzellen (Pe) um- geben, lange zuckerhutförmige Kegel, deren Spitzen von den Hauptpigmentzellen umgeben sind. Diese Kegel zerfallen in vier Segmente, die aber kernführend sind und die Kerne sind etwa in ihrer Mitte gelegen; sie sind demnach nicht mit den Kristallkegeln, sondern mit den Kristallzellen identisch.“ Er fand aber auch vier nicht miteinander in Kontakt stehende, nahezu prismatische Stücke, welche dieht an die Cornea anstoßen und je zu einer der Kristallzellen gehören und betrachtet sie als Vertreter der Kristallkegel. Sie sind von schwacher Licht- brechung, dreikantig und hinten abgerundet. Grenacher rechnet dieses Auge nur bedingungsweise zu den euconen. „Mit den pseudoconen hat es vor allem die relative Lage der Semperschen Kerne zu deren Ausscheidung gemein, die bei beiden hinter derselben liegen. Sonst ist das Kegelfragment keineswegs so flüssig und formlos und insofern dürfte die Einreihung unter die euconen Augen gebilligt werden.“ Eine weitere Verbreitung dieser Augenform ist Grenacher nicht bekannt. Silphides: Necrophorus. Die allgemeine Form der zuckerhutförmigen Kegel, welche sich an die Cornea- facetten anschließen und aus vier kernhaltigen Zellen bestehen, stimmt nach meiner Untersuchung mit den Angaben Grenachers überein. Die vier prismatischen Stücke, welche Grenacher als Vertreter der Kristallkegel bezeichnet, konnte ich jedoch bei keiner der drei untersuchten Arten finden. Da Grenacher den von ihm untersuchten Neerophorus nicht näher bezeichnet, ist es natürlich nicht aus- geschlossen, daß diese Gebilde bei einer Art vorkommen, die ich nicht unter- sucht habe. Der Medianschnitt (Taf. XXI Fig. 46) durch zwei Ommata des Auges von Neero- phorus humator F. möge als Übersichtsbild dienen. Die Augen von Neerophorus investigator Zett. und Necrophorus vespillo F. sind mit Ausnahme kleiner Ab- weichungen ebenso gebaut. Das Plasma der Semperschen Zellen ist verschiedenartig beschaffen; distal von den Kernen färbt es sich sehr stark und ist mitunter mit großen Granula durchsetzt, wie bei Necrophorus investigator, proximal von den Kernen ist es da- gegen sehr hell und von hyaliner Beschaffenheit. Bei Necrophorus humator und vespillo (Taf. XXI Fig. 49) fand ich den Kernen distal helle Kappen aufsitzen, in welchen ich anfänglich etwas ähnliches, wie die von Grenacher beschriebenen Kristallkegel, zu erkennen glaubte. Ich gelangte jedoch zu der Überzeugung, daß sie lediglich dadurch entstanden sind, daß sich das hyaline Plasma in distaler Richtung über die Kerne hinaus fortsetzt. Da die Kerne das Lumen der Zellen vollständig ausfüllen, erscheint es von dem Plasma, das proximal von den Kernen liegt, vollständig getrennt; ich konnte jedoch erkennen, daß beide Teile gleich beschaffen sind. g3*+ 270 Otto Kirchhoffer! Bei Necerophorus investigator fand ich in dem dunklen Plasma vereinzelt hellere Stellen, welche auf Querschnitten durch den äußersten Teil in größerer Anzahl und in unregelmäßiger Anordnung auftraten. An den tieferen Stellen kann man sie als lichtbrechende, intracytäre Einschlüsse bezeichnen; im distalen Teil dagegen dürften sie, ihrer oberflächlichen Lage nach zu schließen, dadurch entstanden sein, dab kleine Partikelehen an der Cornea beim Abpräparieren hängen blieben. Als ein Äquivalent der Grenacherschen Kristallkegel kann ieh sie nieht betrachten. Die Kerne (kk), von denen ich in einzelnen Ommatidien fünf fand (Taf. XXI Fig. 45A), zeichnen sich durch geringen Chromatingehalt aus. Die Grenzen der Semperschen Zellen waren im distalen Teil nur bei Necrophorus vespillo (Taf. XXI Fig. 50) gut zu erkennen. Aus diesem Querschnitt geht hervor, daß sich nur zwei Zellen in der Mitte berühren. Der von ihnen zebildete Konus erstreckt sieh bis zum Rhabdom, seine Spitze wird von den Sehzellen umgeben. Die Hauptpigment- zellen liegen dicht über der Retinula und umschließen die Semperschen Zellen voll- ständig (Fig. 45B, Pz). Die Kerne «der Nebenpigmentzellen (pzk) liegen zwischen den Retinulä, sind bei Neerophorus humator (Fig. 50) in die Tiefe ge- rückt, während sie bei den beiden anderen Augen zu seiten des obersten Teiles der Retinulä und auch in Höhe der Hauptpigmentzellkerne liegen. r Das Irispigment ist hauptsächlich im distalen Teil der Ommatidien angehäuft, füllt aber nicht nur den Raum zwischen «den Semperschen Zellen aus, sondern dringt auch zwischen die Sehzellen ein (Taf. XXI Fig. 46), so daß der distale Teil des Rhabdoms sich in einer Pigmenthülle befindet. In proximaler Richtung be- gleitet es sowohl die Retinulä wie auch «die Rhabdome als feiner Strang, tritt aber nach außen von der Basalmembran wieder in größerer Menge auf. Silpha atrata L., Silpha thoracica 1. Der dioptrische Apparat entspricht dem von Neerophorus, doch konnte ich ein Übergreifen des hyalinen Plasmas über die Semperschen Kerne nicht beobachten. Diese füllen die Zellen seitlich vollkommen aus und passen sich deren Form an (Taf. XXI Fig. 5LA). Die Nebenpigmentzellen (pz) umgeben die Semperschen Zellen kranzförmig in regelmäßiger Anordnung, doch werden die Zwischenräume zwischen den zu emem Omma gehörigen Pigmentzellen durch indifferente Nebenpigmentzellen auseefüllt. Ihre Kerne sind sowohl zwischen «den oberen Enden der Retinulä als auch in Höhe der Kerne «der Hauptpigmentzellen zu finden, während «diese dieht über der Retinula zu seiten der Semperschen Zellen liegen. Das Pigment füllt den Raum zwischen den Semperschen Zellen vollkommen aus und nıngibt die Retinula ihrer ganzen Länge nach als dünne Hülle. Staphylinides; Mister sinuwatus F. Das Auge dieser Käfer ist, von kleineren Abweichungen abgesehen, gleichfalls wie das von Neerophorus beschaffen. Charakteristisch ist die Form der Semperschen Kerne, welche die unteren zwei Drittel der gleichnamigen Zellen nahezu ausfüllen; das Chromatin der Kerne ist bei den einzelnen Arten verschieden angeordnet. Untersuchungen über die Augen pentamerer Käfer. 18 —ı jet Staphylinus erythropterus L. Die Semperschen Kerne, deren Chromatin brockenförmig verteilt ist, füllen den Teil der Zellen, welcher bei den Silphiden das hyaline Plasma enthält, bis auf einen kleinen Teil am proximalen Ende, vollkommen aus. Die Kerne der Haupt- pigmentzellen haben wie die der Nebenpigmentzellen eine spindelförmige Gestalt, sind in distaler Richtung spitz ausgezogen und liegen ziemlich dicht an den Sem- perschen Zellen. Staphylinus caesareus Gederh. (Taf. XXII Fig. 54). Das Chromatin der Semperschen Kerne hat sich um die Längsachse der Zellen angeordnet und die Gestalt einer mit Stacheln besetzten Keule angenommen. Die Kerne (kk) füllen den unteren Teil der Zellen nicht so vollkommen aus, wie bei vorigem Auge und das Plasma der Zellen färbt sich überall gleichmäßig. Dadurch, daß sich das Chromatin der Kerne von der Membran zurückgezogen hat, entstehen in denselben helle Räume, welche auf Querschnitten (Taf XXII Fig. 53) leicht zu Mißdeutungen führen können. In Omma 1 sehen wir, daß die Semperschen Zellen (kz) wie bei Necrophorus gestaltet sind. Bei Omma 2 finden wir in den Zellen helle Räume liegen, die sich der Querschnittsform derselben anpassen und den Bildern gleichen, welche’ Grenacher von den Querschnitten durch die Kristall- kegelsegmente bringt. Diese hellen Räume entsprechen jedoch lediglich den distalen, chromatinlosen Enden der Semperschen Keme. Gleiche Bilder erhielt ich auch auf Querschnitten durch die Semperschen Zellen distal von den Kernen bei Necro- phorus humator und vespillo. Die hellen Zonen entsprachen in diesen Fällen den Querschnitten durch das hyaline Plasma. Omma 3 zeigt einen Querschnitt durch die Semperschen Kerne. Leistotrophus nebulosus F. (Taf. XXII Fig. 55). Die Semperschen Kerne (kk) beanspruchen nahezu das ganze Lumen der Zellen, so daß nur wenig von dem Zellplasma zu sehen ist. Das Chromatin hat sich von der Kernmembran zurückgezogen und liegst im Innern in feinen Partikeln verteilt. Die Kerne der Haupt- und Nebenpigmentzellen, deren Lage die gleiche wie bei Staphylinus erythropterus ist, fallen durch die klumpenartige Anordnung des Chro- matins auf. Hister sinuatus F. Die Semperschen Kerne (kk) füllen die oberen zwei Drittel der Zellen, deren Plasma sich gleichmäßig färbte, vollkommen aus und reichen distal bis zur kon- kaven Rundung. In dem schlecht zu erkennenden Inhalt der Kerne traten einige dunkle runde Chromatinteilchen hervor. Die Anordnung der Haupt- und Neben- pigmentzellen ist gleichfalls wie bei Staphylinus erythropterus; das Pigment verhält sich wie bei Sülpha atrata. Die fraglichen Kristallkegel Grenachers habe ich bei keinem Auge der Silphiden, Staphyliniden und Histeriden, welche in ihrem Bau im allgemeinen übereinstimmen, gefunden, so daß ich doch an ihrem Vorkommen zweifeln muß. Die Semperschen Zellen unterscheiden sich von (denen der aconen Augen lediglich dadurch, daß der obere und untere Teil des 979 Otto Kirchhoffer: Plasmas meistens verschieden beschaffen sind. Nachdem die Kristallkegelfragmente- fehlen, kann dies jedoch kein Grund sein, diese Augen von den aconen auszuschließen. Clerides. Die Cleriden werden gleichfalls zu den pentameren Käfern gezählt, obwohl bei einigen Arten die Gliederung der fünf Tarsalglieder nieht mehr deutlich oder sarnicht zu erkennen ist. Das erste Tarsalglied ist bei Olerus formicarius größten- teils in der Schiene versteckt. während bei Trichodes apiarius die Hinterfüße nur viergliedrig sind. Da jedoch Leunis und Redtenbacher sie zu den pentameren Käfern rechnen, halte ich mich für berechtigt, sie in meine Untersuchungen einzu- beziehen. Der dioptrische Apparat ist bei Olerus formicarius L. (Taf. XXI Fig. 56) und Trichodes apiarius L. (Taf. XXII Fig. 58) gleichartig beschaffen. Man sieht auf diesen Medianschnitten zwei große Hauptpigmentzellen (Pz.), welche die Semperschen Zellen (kz.) vollständig umgeben. Diese sind proximal stark zugespitzt und schließen sich distal der Form der Corneawölbung an. Auf Quersehnitten (Taf. XXI Fig. 59 A) ist die Zusammensetzung aus vier Zellen (kz) gut zu erkennen. Bei Olerus formicartus fand ich auf dem Medianschnitt an der an die Cornea anschließenden konkaven Rundung stark gefärbte Punkte, von welchen feine, schwach sichtbare Linien proximalwärts zogen. Bei Trichodes apiarius erkannte ich in den Semperschen Zellen (kz) helle, lichtbrechende Einschlüsse von konischer Gestalt, die im allgemeinen eine konstante Lage zur Achse hatten. Sie begannen an der konkaven Rundung, nahmen proximalwärts an Durchmesser ab und endigten spitz in einiger Entfernung vom Rhabdom (Fig. 58a). Auf dem Querschnitt (Taf. XXII Fig. 59 A 1) ist ihre zentrale Lage innerhalb der Semperschen Zellen (kz) zu erkennen. Sie stellen sich als vier kleine, helle Gebilde dar, die um die Achse gruppiert sind und einander mit ihren inneren Flächen berühren. Ich fand jedoch, daß ihre Lage nieht immer so regelmäßig ist, da sie sich manchmal von der Achse entfernten und im oberen Teil nach außen krümmten (Fig. 58b). Mit dieser Beobachtung stimmt es überein, daß auf manchen Querschnitten durch den distalen "Teil der Semperschen Zellen (Fig. 50A 2) die hellen Einschlüsse unregelmäßig zur Achse gelagert und teilweise der Peripherie genähert sind. Die Semperschen Kerne (kk) liegen am untern Ende der gleichnamigen Zellen zwischen Hauptpigmentzellen und Retinulä. Die Kerne der Nebenpigmentzellen (pzk) liegen bei (lerus formicarius in Höhe der Semperschen Kerne, die sie in kranzförmiger Anordnung umgeben (Taf. XXII Fig. 57A), während sie bei Trichodes apiarius dagegen zwischen den Retinulä in wechselnder Höhe liegen. Der dioptrische Apparat dieser beiden Augen stimmt insofern mit der Definition überein, die Grenacher von den psendoconen Augen gegeben hat, als die Semper- schen Kerne am proximalen Ende der gleiehnamigen Zellen liegen. Die liehtbrechende Substanz, die sie bei Triehodes ausscheiden, kann wohl mit dem Kristallkegel funktionell verglichen werden. Aus diesen Gründen müßten diese: Augen zu den pseudoconen gerechnet werden. Andererseits besteht in der Form der Semperschen Zellen dieser und aconer Augen, wie ich sie bei Teenebrio molitor L. und Leptura Untersuchungen über die Augen pentamerer Käfer. 275 rubra L. gesehen habe, kein ‚Unterschied. Bei letzterem fand ich außerdem die gleiche Streifung der Semperschen Zellen wie bei Ülerus formieanius. Bei der Einteilung der Augen wurde der rezipierende Apparat zwar nicht in Betracht gezogen; er kann jedoch unter Umständen dem Auge ein derartiges Gepräge seben, daß seine Hinzuziehung nicht zu umgehen ist. So hat (die Retinula nebst Rhabdomeren bei Clerus formicarius derartig den Typus eines aconen Auges, daß (die Abtrennung von dieser Klasse, auf Grund der Lage der Semperschen Kerne, unnatürlich erscheinen dürfte. Umgekehrt haben wir bei den Malacodermata und Blateridae Augen kennen gelernt, die man füglich als pseudocone bezeichnen dürfte. Die Möglichkeit, daß noch fernerhin Augenformen gefunden werden, deren Ein- reihung in die drei Klassen Grenachers Schwierigkeiten bereiten dürfte, kann nicht als ausgeschlossen bezeichnet werden. Es dürfte sich daher empfehlen, den pseudoconen Typus nicht von dem aconen zu trennen, welche Anschauung bereits Carriere 1556 zum Ausdruck gebracht hat. Der Ansicht Hieksons (1555), welcher die pseudoconen Äugen nicht von den euconen trennen will, kann ich mich dagegen nicht anschließen. Der Unterschied zwischen dem Pseudoconus von Trichodes apiarius oder einer Fliege und einem echten Kristallkegel ist doch ein zu großer, als dab man sich darüber hinwegsetzen könnte. Unter Zusammenfassung der Resultate früherer Forscher und der meiner Unter- suchungen möchte ich daher die Komplexaugen einteilen in: 1. Eucone Augen, bei welchen von den Semperschen Zellen außer der Cornea ein Kristallkegel, der aus vier dieht miteinander verbundenen Teilen besteht, aus- geschieden wird. 2. Acone Augen, bei welchen von den Semperschen Zellen lediglich die Cornea gebildet wird. 2. Rezipierender Apparat. Malacodermata. Die Retinula steht distal mit dem Konus der Semperschen Zellen (kz) in Ver- bindung, indem sie sich wie bei Cantharis dispar (Taf. XX Fig. 40) zuspitzt oder ihn, wie bei Zros aurora (Taf. XIX Fig. 55) triehterförmig umgibt. Sie wird von sieben Sehzellen gebildet, deren Kerne (szk!) im distalen Teil, jedoch nur selten in einer Ebene liegen. Nur bei Zros aurora und Cantharis dispar (Taf. XX Fig. 41) fand ich einige Retinulä, bei welchen alle sieben Kerne auf einem Querschnitt zu erkennen waren. Bei Zampyris noctiluca \iegen sie in zwei Schichten; immerhin war es mir möglich, durch verschiedene Einstellung auf Querschnitten gleichfalls sieben Kerne zählen zu können. Bei Cantharis dispar gehören die sieben Sehzellen nicht einer Retinula allein an, indem die benachbarten Retinulä je zwei Sehzellen gemeinsam haben. Diese Eigenschaft kommt auf dem Medianschnitt nicht zum Ausdruck; man muß sieh ihn in der Richtung des auf Fig. 41 angebrachten Pfeiles geführt denken, um den schein- baren Widerspruch in beiden Zeichnungen verstehen zu können. Zwischen Rhabdom und Basalmembran liegt ein weiterer Kern (szk!) von gleicher Größe wie die Kerne der Sehzellen; etwaige Beziehungen zwischen ihm und dem Rhabdom waren nicht zu ermitteln, 974 Otto Kirchhoffer: Die Rhabdome sind bei den drei Arten verschieden beschaffen. Bei Eros aurora werden sie proximal von «den Kernen gebildet und überziehen (die innern Seiten der Sehzellen in Form von dunklen Säumen. Im Querschnitt (Taf. XIX Fig. 36E) haben sie die Form eines spitzen Winkels, dessen Spitze gegen die Achse gerichtet ist. Ich konnte fünf bis sechs Rhabdomere zählen, von denen ein bis zwei dureh ihre Größe auffielen. Hieraus schließe ich, daß auch bei diesem Auge sieben Rhabdomere vorhanden sind, von welchen einige paarweise mit ein- ander verschmolzen sind. Lampyris noctiluea. (Taf. XX Fig. 37.) Zwischen den Kernen der Sehzellen liegt ein Gebilde (z), das sich in gleicher Weise wie das tiefer gelegene Rhabdom färbt und zwar an den Rändern stärker als in der Mitte. Mit den Rhabdomeren steht es in keinerlei Verbindung, hat einen geringeren Durchmesser als diese und auf Querschnitten (Taf. XX Fig. 55B) eine elliptische Form. Mit van Gison gefärbt erscheint es rötlich, das Rhabdom dagegen gelb. Ich bin daher der Ansicht, daß das fragliche Gebilde nicht als ein Teil des Rhabdoms, wie man wohl annehmen könnte, sondern als lichtbrechender Apparat aufzufassen ist. Das tiefer liegende Rhabdom wird von sechs lappenartigen Rhabdomeren (rh) gebildet (Fig. 55C), von welchen je drei zu einer Gruppe verschmolzen sind. Die beiden Gruppen sind durch das fein granulierte Plasma der Sehzellen, das gleichfallsin Form von spitzen Winkelnzwischen (die einzelnen Rhabdomere eindringt, von einander getrennt. Nach außen hin schließen sich die sechs Sehzellen (szl) an, die jedoch seitlich nicht miteinander in Verbindung stehen. Sie sind so gelagert, daß jede Zelle zu zwei Rhabdomeren gehört, woraus ich folgere, daß sie in gleicher Weise wie bei Eros aurora an den innern Kanten der Sehzellen gebildet werden, jedoch seitlich miteinander verschmelzen. Mit Heidenhainschem Hämatoxylin gefärbt erscheinen sie tief schwarz mit ziemlich scharfen Ränder. Cantharıs dispar. Das stabförmige Rhabdom liegt in der distalen Hälfte der Retinula; an seiner Bildung beteiligen sich die sieben Sehzellen und dementsprechend ist es sieben- kantig. (Taf. XX Fig. 41.) Elaterides (Taf. XX Fig. 42). Die Retinula steht mit «dem proximalen Ende der Semperschen Zellen in Ver- bindung und nimmt in Richtung gegen die Basalmembran allmählig an Durchmesser ab. Die Kerne der Sehzellen (szk') sind bei Elater sangwineus auf den oberen Teil der Retinula, bei Zudius cupreus jedoch nahezu auf deren ganze Länge ver- teilt, so daß eine Feststellung ihrer Zahl nicht möglich war. Ein Kern (szk") liegt jedoch ganz besonders tief und in einiger Entfernung von den andern Kernen, aber gleichfalls seitlich vom Rhabdom. Unter diesen Umständen war es nicht fest- zustellen, ob er «den Kernen entspricht, welche bei den Malacodermata zwischen Rhabdom und Basalmembran liegen. Derartige Verhältnisse haben wir aber bereits bei den Carabiden kennen gelernt, bei welchen der Kern der Basalzelle gleichfalls Untersuchungen über die Augen pentamerer Käfer. 275 seitlich vom Rhabdom liegt. Es ist daher nicht ausgeschlossen, daß dieser Kern bei den Elateriden ebenfalls dem Basalkern entspricht, wenn auch eine Zelle, zu welcher er gehört, nicht zu erkennen war und seine Funktion nicht ersichtlich ist. Bei Elater sanguwineus scheiden sechs Sehzellen an ihrer innern spitzwinkligen Kante, wie bei Scearabaeus varieulosus, feine dunkel gefärbte Säume aus (Taf. XXI Fig 430), die durch helle Zwischenräume von einander getrennt sind. Auf tiefer gelegenen Querschnitten sind die Rhabdomere jedoch anders beschaffen, indem sie sich in zwei Gruppen gesondert haben, innerhalb welcher sie öfters miteinander verschmolzen sind. Auch stellen sie nicht mehr Säume der Sehzellen dar, indem sie an der äußeren Seite abgerundet sind. Bei Ludüus eupreus (Taf. XXI Fig. 44) (durchzieht das Rhabdom, das gleichfalls von sechs Sehzellen gebildet wird, die Retinula in ihrer ganzen Länge. Auf Querschnitten (Taf. XXI Fig. 44A) treten die Grenzen der Sehzellen deutlich hervor und das Rhabdom erscheint als kleines rundes, stark gefärbtes Gebilde, das von einem hellen Hof umgeben ist. Bei Corymbites aeneus ist das Rhabdom, nach Medianschnitten zu urteilen, wie bei Eros aurora beschaffen. Das Schieksal der siebenten Sehzelle, deren Ausscheiden bei den euconen Augen leicht zu verfolgen war, blieb mir bei diesen Augen verborgen. Silphides, Histerides, Staphylinides. Retinulä und Rhabdome sind im allgemeinen wie bei Necrophorus humator (Taf. XXI Fig. 46) beschaffen. Grenacher schildert das Auge des von ihm unter- suchten Necrophorus wie folgt: „Die Retinula ist wenig pigmentiert, vorn mehr nach hinten aber viel schwächer. Im ganzen ist sie zylindrisch mit regelmäßig abgerundeter Cannelierung. Das Rhabdom läßt sich als ein die Retinula gleich- mäßig von vorn bis hinten durchsetzender Stab erkennen und ist wie die Retinula aus sieben Zellen zusammengesetzt.“ Die Kerne der Sehzellen (szk!) sind erheblich vom distalen Ende der Retinula entfernt und liegen zerstreut in verschiedener Höhe, weshalb ihre Anzahl nicht festzustellen war. Im proximalen Teil der Retinula liegt stets ein vereinzelter Kern (szk"), seitlich vom Rhabdom und in wechselnder Entfernung von der Basalmembran, für den das bei den Elateriden Angeführte gleichfalls gilt. Das Rhabdom wird von dem umliegenden Plasma der Sehzellen dureh eine helle Zone, die Schaltzone, getrennt und ist seiner ganzen Länge nach von gleichem Durchmesser; nur bei Neerophorus ‚humator nimmt es in proximaler Richtung an Durchmesser ab. Die bei den einzelnen Arten vorkommenden Verschiedenheiten sind hauptsächlich auf Querschnitten zu erkennen. Neerophorus humator (Taf. XXI Fig. 47 A). Das Irispigment lagert sich nicht nur zwischen den Sehzellen, sondern um- gibt auch das Rhabdom mit einer Pigmenthülle. In dem hyalinen Plasma der Sehzellen treten dunklere Teile auf, welche distal deren Lumen nahezu ausfüllen, auf tiefer gelegenen Schnitten (Taf. XXI Fig. 47 B) sich jedoch auf den innern, dem Rhabdom zunächst liegenden Teil beschränken. Dieses hat den Sehzellen entsprechend sieben Seiten. 276 Otto Kirchhoffer: Neerophorus investigator. Auf dem Medianschnitt war zu seiten der Schaltzone ein dunkler Streifen zu erkennen, der sich von dem Plasma der Sehzellen abhob. Ihm entsprechen auf Quersehnitten (Taf. XXI Fig. 45 C) die in jeder Zelle liegenden dunklen Stellen, welche sich nach außen an die Schaltzone anschließen; sie dürften die zur Basal- membran führenden Neurofibrillen sein. Silpha atrata und Silpha thoraciea. Auf (dem Medianschnitt war eine axiale dunkle Linie im Rhabdom zu erkennen, welche aber auf Querschnitten (Fig. 51 B) nicht zum Ausdruck kommt. An der Peripherie ist das Rhabdom dunkler gefärbt und an den Zellgrenzen zipfelförmig ausgezogen. Staphylinus eaesareus (Taf. XXI Fig. 54). Bei dem Rhabdom trat eine Querstreifung hervor, «die der von Hesse (1901) bei Sphinz ligustri geschilderten gleicht. Er faßt die Struktur des Rhabdoms (dahin auf, daß es aus geschichteten Plättchen besteht, von denen wahrscheinlich jedes einzelne durch Verschmelzung einer Anzahl von Stiftehen entstanden ist. Bei diesem, sowie bei (em Rhabdom von Staphylinus erythropterus (Taf. XXI Fig. 52) ist die Schaltzone besonders gut ausgeprägt und ich konnte erkennen, daß feine Fibrillen von dem Rhabdom in sie ausstrahlten. Clerides. Clerus formicarius (Taf. XXII Fig. 56). Die Retinula ist his nahe an «ie Basalmembran von gleichem Durchmesser und wird beim Durchtritt durch dieselbe nur um geringes schmäler; in den rand- ständigen Ommatidien ist sie im proximalen Teile gekrümmt und bedeutend schmäler, als im distalen Teil. Die stäbchenartigen Rhabdomere, von welchen das mittlere nochmals so lang ist wie die seitlichen, sind unten zugespitzt. Auf Quer- schnitten (Taf. XXU Fig. 57 B) ist zu erkennen, daß ein zentrales Rhabdomer von sechs Rhabdomeren umgeben wird, die sich mit Heidenhain’schem Hämatoxylin tief schwarz färben, bei zunehmender Differenzierung jedoch von der Peripherie aus gegen «das Zentrum heller werden, wobei die Grenzlinien scharf hervortreten. Die Kerne der sie bildenden Sehzellen liegen proximal von den Rhabdomeren; bei manchen konnte ieh jedoch unter dem zentralen Rhabdomer zwei Kerne (szk!!) er- kennen, auf welche ich erst durch eimen Querschnitt (Fig. 57C), auf welehem ich zwei Kerne von verschiedener Größe fand, aufmerksam wurde. Sie finden sich aber auch bei aconen Augen, als deren Vertreter ich Tenebrio molitor und Leptura rubra untersuchte, bei welchen bisher nur ein an dieser Stelle liegender Kern bekannt war. Wir haben demnach auch bei diesen Augen acht Kerne, aber nur sieben Sehzellen und sieben Rhabdomere. Die Sehzellen,. sowie die Rhabdomere sind von einem Pigmentkranz eingehüllt. Trichodes apiarius (Taf. XXI Fig. 58). Die Retinula, die sich von der des vorigen Auges durch ihre Länge unter- scheidet, nimmt in proximaler Richtung an Durchmesser ab. In ihrem distalen Untersuchungen über die Augen pentamerer Käfer. IV -1 nn | Teil liegen sechs (szkV), im proximalen Teil zwei Kerne (szk"), diese jedoch seitlich des sehr langen zentralen Rhabdomers, das (die Retinula in ihrer ganzen Länge stabförmig durchzieht. Die sechs peripheren Rhabdomere, von denen zwei rudi- mentär geworden sind, liegen im distalen "Teil der Retinula und stellen sieh auf Medianschnitten als dunkle, apfelkernförmige Gebilde, die zu seiten des zentralen Rhabdomers liegen, dar. Die beiden rudimentären Rhabdomere gelangten lediglich auf Querschnitten, die durch die Retinula dieht unterhalb der Semperschen Kerne (k k.) geführt waren, zur Ansicht und zwar als zwei kleine dunkle Gebilde, die an den kurzen Seiten «der rechteckigen Retinula liegen. Die vier andern Rhab- domere, die auf einem tiefer geführten Querschnitt (Taf. XXII Fig. 59 B) gut zur Darstellung gelangten, liegen in den Ecken der vierseitigen Retinula. Das zentrale Rhabdomer erscheint auf Querschnitten als kleines rundes Gebilde, das von einem hellen Hof umgeben ist. Die extreme Beschaffenheit des rezipierenden Apparates bei Trichodes drängt mich zu einem Vergleich mit dem der andern von mir untersuchten Augen. Das getrennte Vorkommen der Rhabdomere, sei es, daß sie die inneren Kanten der prismatischen Sehzellen als Stiftehensäume überziehen wie bei Searabaeus, oder eine nagelförmige Gestalt wie bei Clerus formicarius haben, «darf ich wohl als eine niedere Stufe der Ausbildung bezeichnen. Als höhere Stufe stehen ihr die Augen gegenüber, bei welchen die Rhabdomere, wie bei den Cieindeliden voll- kommen zum Rhabdom verschmolzen sind. Es hat sich ferner ergeben, «dab sämtliche Retinulä von sieben Zellen gebildet werden, die sich der Länge nach um eine Achse gruppieren und deren Kerne im distalen Teil der Retinula liegen; nur bei einigen konnte die Anzahl der Kerne nicht bestimmt werden. Außerdem wurde bei den meisten Augen ein weiterer Kern gefunden, welcher zwischen Rhab- dom und Basalmembran, mitunter aber seitlich vom proximalen Ende des Rhab- doms liegt. Bei den Cleriden liegen zwei Kerne an der bezeichneten Stelle, während dafür distal sich nur sechs Kerne befinden. In einigen Fällen konnte außerdem die Zugehörigkeit dieses Basalkerns zu einer Basalzelle erkannt werden, «die ein besonderes Rhabdomer, das Basalorgan ausscheidet. Dieses dient nach Hesse (1901) dazu, um ganz nahe gelegene Gegenstände zu erkennen, deren Bild im proximalen Teil des Rhadoms zustande komme. Hierdurch soll eine besondere Zelle, die Basal- zelle, erregt und bei dem Tiere ein anderer Eindruck als dureh Erregung des Rhabdoms hervorgerufen werden. Die Richtigkeit dieser Ansicht kann eine große Wahrscheinlichkeit beanspruchen. Die Retinulä sind also aus acht Sehzellen, wie bei den Hymenopteren, zusammengesetzt und es läßt sich, trotz der heterogenen Beschaffenheit, das gleiche Prinzip der Bildung erkennen. Betrachten wir zu diesem Vergleiche die gewiß sehr verschiedenen Augen von Scarabaeus varieulosus und Triehodes apiarius. Bei ersterem wird der rezipierende Apparat von sieben Rhabdomeren gebildet, die um einen axial gelegenen hellen Raum angeordnet sind, in welchen das Basalorgan noch ein wenig hineinragt. Dieses könnte seiner Lage nach auch als axiales Organ oder Rhabdomer bezeichnet werden. Bei diesem Auge sind also die peripher gelegenen Rhabdomere sehr stark, das axial gelegene dagegen nur schwach entwickelt. Bei Trichodes dagegen 978 Otto Kirchhoffer: ist das axiale Rhabdomer stark entwickelt, die peripheren jedoch nur in geringem Maße, ja sie haben zum Teil rudimentären Charakter angenommen. Bei den Cieindeliden ist der zentral gelegene Hohlraum verschwunden und die Rhabdomere sind zum Rhabdom verschmolzen, so dab für das axiale Organ kein Platz mehr vorhanden war; es lagerte sich demgemäß an das proximale Ende des Rhabdoms. In vielen Fällen mag es seine Funktion verloren haben, so daß nur mehr der Kern zu erkennen ist. Demnach wären die proximal gelegenen Kerne nebst dem axial gelegenen Rhabdomer in den aconen Augen und die Kerne der Basal- zellen mit Basalorgan in den euconen Ausen homolog. Das Vorkommen eines Basalorgans kann ich alsdann nicht mehr als eine außergewöhnliche Erscheinung, sondern als normalen Zustand betrachten, während sein Nichtvorhandensein darauf schließen läßt, daß es rudimentär geworden ist. Zusammenfassung. Zum Schluß will ich die Ergebnisse dieser Untersuchungen kurz zusammen- fassen. Die Angaben beziehen sich jedoch nur auf die von mir untersuchten Käfer und es können erst noch weitere Untersuchungen von anderen Gattungen dieser Familien lehren, wie weit sie sich verallgemeinern lassen. Die wichtigsten Resultate vorliegender Arbeit sind folgende: 1. Die Augen der Staphylinides, Histerides, Silphides, Malacodermata, Clerides, Byrrhides, Elaterides und Dermestides, die nach alter Systematik zu den penta- meren Käfern gezählt werden, haben keine Kristallkegel. Die Ansicht, daß die pentameren Käfer eucone Augen besitzen, läßt sich daher nieht mehr in dieser Allgemeinheit aufrecht erhalten. a) Der mit der Cornea verwachsene, scheinbare Kristallkegel in den Augen der Malacodermata, Elaterides, Dermestides und Byrrhides ist lediglich ein Teil der Cornea. b) Die Silphides, Staphylinides und Histerides haben acone Augen, in deren Semperschen Zellen das Plasma verschiedene Zusammensetzung zeigt. ce) Bei den Clerides liegen die Semperschen Kerne am proximalen Ende der gleichnamigen Zellen. d) Die Semperschen Kerne in den Augen der Staphylinides und Histerides haben eine ungewöhnliche Größe und Länge und füllen das Lumen der Zellen oft nahezu aus. 2. Die Retinula besteht aus acht Sehzellen; von den dazu gehörigen Kernen liegen sieben im distalen Teil der Retinula, während der achte in die Tiefe gesunken ist. Bei den Silphides, Staphylinides, Histerides und bei Hoplia konnte die Anzahl der Kerne ihrer zerstreuten Lage halber nicht festgestellt werden. Bei den Clerides liegen sämtliche Kerne proximal von den Rhabdomeren und zwar zwei tiefer als die übrigen. 3. Nicht sämtliche sieben Sehzellen beteiligen sich an der Bildung des Rhab- doms, indem in einigen Fällen eine Zelle ausscheidet, so daß es nur von sechs Zellen gebildet wird. 4. Die Zelle, welche den in die Tiefe gesunkenen Kern enthält, ist bei Scara- baeus variculosus, Trichius fasciatus, Cetonia aurata, Melolontha vulgaris, den Cieindelides, Dytieides und bei Gyrinus mergus als basale Zelle zu erkennen, die ein basales Rhabdom, das Basalorgan bildet. 280 Otto Kirchhoffer: d. Eine Zusammensetzung der Stiftehensäume aus Stiftehen war direkt nicht zu erkennen, da sie stets mit einander verschmolzen waren; ihre Anwesenheit konnte nur aus dem Vorkommen einer Schaltzone und Ausstrahlungen der Stiftchen- säume in dieselbe gefolgert werden. Zum Schlusse ist es mir eine angenehme Pflicht, Herın Geh. Regierungsrat Prof. Dr. F. E. Schulze und Herrn Privatdozenten Dr. Deegener für die viel- fache Anregung und freundliche Förderung meinen ergebensten und herzlichsten Dank auszusprechen. IV Literatur -Verzeiehnis. . St. Apäathy, 1897. Das leitende Element des Nervensystems. In Mitt. aus der Zool. Station in Neapel. XII. Bd. . J. E.V. Boas, 1899. Einige Bemerkungen über die Metamorphose der Insekten. In: Zool. Jahrb. (Syst.) Bd. XL. 3. Carriere, 1355. Die Sehorgane der Tiere. München 1885. . Ders., 1886. Kurze Mitteilungen aus fortgesetzten Untersuchungen über die Sehorgane. In: Zool. Anz. Bd. IX. No. 217, No. 229. 5. K. Chun, 1896. Atlantis. In: Zoologica, 19. Heft. . Claparede, 1859. Zur Morphologie der zusammengesetzten Augen bei den Arthropoden. In Zeitschr. für wissensch. Zoologie. Bd. X. . 8. Exner, 1891. Die Physiologie der facettirten Augen von Krebsen und Insekten; Leipzig und Wien 1891. . C. Gegenbauer, 1895. Vergleichende Anatomie der Wirbeltiere. Bd. I. Leipzig 1898. . H. Grenacher, 1579. Untersuchungen über das Sehorgan der Arthropoden. Göttingen 1879. . R. Hesse, 1894. Zur vergleichende Anatomie der Oligochäten. In Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. LVII. . Ders., 1596, ff. Untersuchungen über die Organe der Lichtempfindung bei niederen Tieren. I, 1896. Die Organe der Lichtempfindung bei den Lumbrieiden. In Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. LXI. . 1I. 1897. Die Augen der Plathelminthen, insonderheit der trieladen Turbe- larien. Ebenda. Bd. LXII. 3. III. 1897. Die Sehorgane der Hirudineen. Ebenda. Bd. LXI. . IV. 1895. Die Sehorgane des Amphioxus. Ebenda. Bd. LXIH. 5. V. 1899. Die Augen der polichäten Anneliden. Ebenda. Bd. LXV. . VI. 1900. Die Augen einiger Mollusken. Ebenda Bd. LXVII. . VII. 1901. Von den Arthropodenaugen Ebenda. Bd. LXX. S. VIII. 1902. Weitere Tatsachen. Allgemeines. Bd. LXXL. ). J. Hiekson, 18855. The Eye and Optie Traet of Insects. In Quart. Jour. of Mier. Science, Vol. 25. 20. H. Johansen, 1893. Die Entwicklung des Imagoauges von Vanessa urticae L. im Zool. Jahrbuch. (Anat.) Bd. VI. . H. J. Kolbe, 1893. Einführung in die Kenntnis der Insekten. Berlin 1893. 22. E. Korschelt und R. Heider, 1893. Lehrbuch der Entwicklungsgeschichte der wirbellosen Tiere. Jena 1893. Literatur -Verzeichnis. . J. Leunis, 1556. Synopsis der Tierkunde, Bd. II., Hannover 1386. . F. Leidig, 1855. Zum feineren Bau der Arthropoden. In: Archiv f. Anat. u. Physiol. Jahrg. 1855. . Ders., 1864 a. Das Auge der Gliedertiere. Tübingen 1864. ;. Ders., 1864 b. Tafeln zur vergleichenden Anatomie. Tübingen 1864. . J. Müller, 1829. Fortgesetzte Untersuchungen über den Bau der Augen bei den Insekten und Crustaceen. In: Arch. f. Anat. u. Physiol. Jahrg. 1829. W. Patten, 1886. Eyes of Molluses and Arthropods. In: Mitteil. Zool. Stat. Neapel. Bd. XI. . Ders., 1557. Eyes of Molluses and Arthropods. In: Journ. of Morphologie Voll. . Fr. Purcell, 1894. Über den Bau der Phalangiden-Augen. In Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. LVII. L. Redtenbacher, 1574. Fauna Austriaca. Die Käfer. Wien 1874. OÖ. Schmidt, 1878. Die Form der Kristallkegel im Arthropodenauge. Zeitschr. f. wiss. Zool. Suppl. XXX. M. Schultze, 1568. Untersuchungen über (die zusammengesetzten Augen der Krebse und Insekten. Bonn 1568. . W. Sezawinska, 1590. Contribution a l’etude des yeux de quelques Crustaces. In: Arch. de Biolog., Tome X. 5. C. Zimmer, 1597. Die Facettenaugen der Ephemeriden. In: Zeitsch, f. wiss. Zool. Bd. LXI. Tafel-Erklärung. Abkürzungen: bm = Basalmembran. bo — Basalorgan (proximal ge- legenes Rhabdomer). ca —= äußere Schichte der Cornea. Cd = distaler Teil der Cornea. ch = Comeahülle. chk = Kern der Corneahülle. ci = innere Schichte der Cornea. iz —= Interzellularraum. ip = Irispigment. k = Kristallkegel. kk = Kern einer Semperschen Zelle. ks —= Kristallkegelscheide. kz — Sempersche Zelle (Kristall- pl = Plasma der Sehzellen. Pz = Hauptpigmentzelle. Pzk = Kern einer Hauptpigment- zelle. pz = Nebenpigmentzelle. pzk = Kern einer Nebenpigment- zelle. Rh = Rhabdom. rh =-Rhabdomer. ıp = Retimapigment. schz = Schaltzone. sti = Stiftehensaum. szI = Sehzelle der Retinula. szk! = Kern der Sehzelle. sz!! — proximal gelegene Sehzelle (Basalzelle). szk!! = Kern einer solchen Zelle. tra = Tracheen. INerell DONE zelle). - nf = Nervenfaser. p = Pigment. Pe == Processus comeae. Fig. 1. Scarabaeus varieulosus F. g. 2A. Ders. Medianschnitt durch em Omma des Komplex- auges ohne Cornea, entpigmentiert. Das Retinapigment ist nach einem nicht entpigmentierten Präparat eingezeichnet. Querschnitt durch einige Retinulä in Höhe des am meisten proximal abgelegenen Kernes der Sehzellen. Archiv für Biontologie II. (2) 08. Fig. Fig. SA. 10. 11A. 11B. 11C. 13. Tafel-Erklärung. Ders. Desgl. durch einige Retinulä und zwar dureh deren dünnsten Teil. Ders. Desgl. dureh einige Rhabdomer und zwar durch deren distalen Teil. Ders. Desgl. durch einige Rhabdome und zwar durch den proximalen Teil. sowie durch das distale Ende der Basalorgane. Ders. Desgl. dureh einige Ommata und zwar in Höhe des Kernes der Basalzellen. Triehius faseiatus L. Medianschnitt durch zwei Ommata des Komplex- auges ohne Cornea, entpigmentiert. Das Retinapigment ist nach einem nicht entpigmentierten Präparate eingezeichnet. Tafel XVII Cetonia auvata I. Querschnitt dureh den proximalen Teil eines Kristall- kegels nebst der ihn umgebenden Anschwellung der Kristallkegelscheide. Triehius fuseiatus I. Querschnitt durch eine Retinula und zwar in Höhe des am meisten proximal gelegenen Kernes der Sehzellen. Ders. Desgl. durch die Retinulä und zwar durch deren dünnsten Teil, den sogen. Verbindungsteil. Ders. Desgl. dureh drei Rhabdome. Ders. Desgl. durch das proximale Ende eines Rhabdoms nebst dem zentral gelegenen Basalorgan. Cetonia aurata 1. Medianschnitt dureh die untere Anschwellung einer Retinula nebst dem sieh besonders stark färbenden Plasma der Sehzellen. Ders. Querschnitt durch einige Retinulä und zwar durch die in voriger Ficur gezeichnete Anschwellung distal von den Rhabdomeren. Cetonia metallica I. Querschnitt «dureh «den distalen Teil des Rhab- doms, entpigmentiert. Ders. Desgl. durch die Mitte eines Rrhabdoms. Geotrupes Iaerigatus F. Medianschnitt durch ein Omma des Komplex- auges ohne Cornea, entpigmentiert. Ders. Querschnitt durch eine Retinula und zwar in Höhe der Kerne der Sehzellen. reotrupes silvatieus Panz. Querschnitt dnrch zwei Retinulä und zwar durch den dünnsten Teil des Verbindungsteiles. Ders. Querschnitt dureh einige Rhabdomere. Ders. Desgl. durch einige Retinulä, von welchen zwei am proximalen Ende der Rhabdomere, eine im Höhe des Kernes der Basalzelle ge- troffen sind. Tafel XVII. Melolontha vulgaris F. Mediansehnitt durch das proximale Ende eines Rhabdoms und den Kern der Basalzelle. Ders. Desgl. durch die Mitte eines Rhabdoms. Hoplia farinosa L. Medianschnitt durch ein Omma des Komplexauges ohne Cornea, entpigmentiert. Tafel-Erklärung. 285 Ders. Querschnitt durch zwei Rhabdome. Cieindela eampestris 1. Mecdianschnitt durch zwei Ommata des Teil des Kristall- kegels, entpigmentiert. Das Pigment ist nach nicht entpigmentierten Komplexauges, ohne Cornea und ohne den distalen Präparaten eingezeichnet und zwar bei Omma a nach einem Dunkelauge, bei Omma b nach einem Lichtauge. Ders. Quersehnitt durch eine Kristallkegelscheide nebst den umliegenden Nebenpigmentzellen; entpigmentiert. Cieindela hybrida 1. Querschnitt durch eine Retinula und zwar in Höhe der Kerne der Sehzellen. Ders. Quersehnitt durch eine Retinula nebst Rhabdom. Ders. @uersehnitt durch eine Retinula und zwar durch die Mitte des Rhabdons. Ders. Desgl. durch zwei Retinulä in Höhe der proximalen An- schwellung des Rhabdoms. Medianschnitt durch ein Omma des Komplexauges von Proerustes coria- ceus L. olme Cornea und ohne den distalen Teil des Kristallkegels, entpigmentiert. Tafel XIX. Proerustes coriaceus L. Querschnitt durch den distalen Teil der hetinula und zwar proximal von den Kernen der Sehzellen; x die ausscheidende Sehzelle. Carabus memoralis Müll. Querschnitt durch den Fortsatz der Kristall- kegelscheide distal der Anschwellung. Ders. Desgl. durch die Anschwellung (er Kristallkegelscheide nebst den sie umgebenden Sehzellen. Ders. Desgl. durch das proximale Ende des Rhabdoms und den da- selbst gelegenen Basalkern. Poeeilus eupreus L. Querschnitt dureh den proximalen Teil eines Rhabdoms. Carabus auronieus P. Querschnitt durch drei Rhabdome. Broseus cephalotes L. Querschnitt durch ein Rhabdom. Ders. Desgl. dureh das proximale Ende eines Rhabdoms und den seit- lich gelegenen Basalkern. Elaphrus seupreus Duft. Medianschnitt durch eine Kristallkegelscheide und den distalen Teil der Retinula. Ders. Querschnitt dureh eine Retinula nebst Rhabdom. Carabus glabratus Payk. Querschnitt durch eine Retinula nebst Rhabdom. Dytieus marginalis L. Medianschnitt durch den proximalen Teil eines Kristallkegels und durch die Anschwellung der Kristallkegelscheide. Ders. Medianschnitt durch das proximale Ende eines Rhabdoms nebst Basalorgan. Ders. Querschnitt durch drei nebeneinander liegende Retinulä und zwar durch deren proximales Ende nebst Rhabdom, durch das Basalorgan und durch den Kern der Basalzelle. 4* 38A. SB. 33C. = = g. 4. ig. 4TA, ig. 47B. g. 48A. . 48B. Tafel-Erklärung. Eros aurora F. Medianschnitt durch zwei Ommata des Komplexauges, entpigmentiert. . Ders. Querschnitt durch einen Cormeafortsatz nebst «den Kernen der Corneahüllzellen. . Ders. Desgl. dureh einen Corneafortsatz nebst den Kernen der Cornea- hüllzellen und der Hauptpigmentzellen. ). Ders. Desgl. durch das proximale Ende eines Corneafortsatzes. . Ders. Desgl. durch die Semperschen Zellen und zwar in llöhe der Kerne. \. Ders. Desgl. durch ein Rhabıdom. Tafel XX. Lampynis noetiluca L. Medianschnitt durch zwei Ommata des Komplex- auges. entpigmentiert. Ders. Querschnitt durch zwei Ommata im Höhe der Semperschen Kerne. Ders. Desgl. durch ein Rhabdom und zwar durch (den distalen Teil. Ders. Desgl. durch den proximalen Teil. Rhagonycha melanura F. Medianschnitt die Cormea zweier Ommatidien des Komplexauges; entpigmentiert. Cantharis dispar F. Medianschnitt durch zwei Ommata des Komplex- auges, entpigmentiert. Ders. Querschnitt durch ein Rhabdom und zwar in Höhe der Kerne der Sehzellen. Elater sanguwineus L. Mecianschnitt durch ein Omma (des Komplex- auges, entpigmentiert. Tafel XX. . Ders. Querschnitt durch zwei Ommata und zwar in Höhe der Semper- schen Kerne. . Ders., Desgl. durch drei Ommata und zwar durch den proximalen Teil der Semperschen Zellen. . Ders. Desgl. durch den distalen Teil der Rhabdomere. Ludius eupreus v. aerugimosus F. Medianschnitt durch zwei Ommata des Komplexauges, entpigmentiert. Ders. Querschnitt durch eine Retinula nebst Rhabıdom. Dermestes lardarius L. Medianschnitt durch die Cornea zweier Ommata des Komplexäuges, entpigmentiert. Necrophorus humator F. Medianschnitt durch zwei Ommata des Kom- plexauges ohne Cornea, entpigmentiert. Das Pigment ist nach einem nicht entpigmentierten Präparate eingezeichnet. Ders. Querschnitt durch eine Retinula und zwar distal von den Kernen der Sehzellen. Ders. Desgl. aber in Llöhe dieser Kerne. Necrophorus investigator Zett. (Querschnitt durch die Semperschen Kerne. Ders. Desgl. durch den proximalen Teil der Semperschen Zellen und zwar in Höhe der Kerne der Hauptpigmentzellen. Tatel-Erklärung. 287 Ders. Desgl. durch die Retinulä nebst Rhabdomen und zwar in Höhe der Kerne der Sehzellen. Neerophorus vespillo F. Medianschnitt dureh einen Komplex Semperscher Zellen. Ders. Querschnitt durch die Semperschen Zellen und zwar distal von den Kernen. Silpha thoracica L. (Querschnitt durch drei Ommata des Komplexauges und zwar in Höhe der Semperschen Kerne. Ders. Desgl. durch drei Retinulä nebst Rhabdomen. Tafel XXI. Staphylinus erythropterus L. Querschnitt durch drei Retinulä nebst Rhabdomen und zwar in Höhe der Kerne der Sehzellen. Staphylinus eaesareus Cederh. Querschnitt durch vier Ommata und zwar: 1. durch den distalen Teil der Semperschen Zellen. 2. durch den distalen Teil der Semperschen Kerne. 3. durch die Mitte der Semperschen Kerne. Ders. Medianschnitt durch zwei Ommata ohne Cornea, ohne den proxi- malen Teil der Retinulä, entpigmentiert. Leistotrophus nebulosus F. Medianschnitt durch die Semperschen Zellen und durch die Kerne der Pigmentzellen; entpigmentiert. Clerus formiearius I. Medianschnitt durch zwei randständige Ommata des Komplexanges, ohne Cornea, entpigmentiert. Ders. (Querschnitt durch drei Ommata in Höhe der Semperschen Kerne. Ders. Desgl. durch den distalen Teil der Retinulä nebst Rhabdomeren, entpigmentiert. Das Pigment ist bei zwei Retinulä nach einem nicht entpigmentierten Präparat eingezeichnet. Ders. Desgl, durch den proximalen Teil der Retinulä und zwar in Höhe der basalen Sehzellkerne. Trichodes apiariws L. Medianschnitt durch zwei Ommata des Komplex- auges, entpigmentiert. Ders. Querschnitt dureh drei Ommata und zwar durch die Semperschen Zellen und Hauptpigmentzellen. Ders. Desgl. durch eine Retinula nebst dem zentralen und den vier peripheren Rhabdomeren. a N: RR ea Hin NT: AN (ek, Ba he Ach, } YEAR Ara W or hr Ty ER Ma r Pe Aid sic 4 ar el] »inon Kar FE B we Der H h = j 7; ur ai \ LE: Ni; . ; is Hy sl # ee # Jin. ) h u vyırW if} f r 41 j f l r rar AER TIL ie . ii us I ‘h FR Dr - v I are ä rm su 97 1. 4 LEW u “ 4 Y . , Fu Pi » v Ar N) Archiv für Biontologie,Balll Tafel XV. 24. 10:4 /700:1 2D. v2 ES a en en f sek ___— - ui > Re ® { nf---=- Ad Vak Mu --——= sz? Im------ — Fr BR P 7 ER er aa ____ i 2 + r 080:4 B e; a "At 17700: ur ELaue Litiinst.Berin Q.Kirchhoffer gez DAEe a EN #s A 1%; ir u Ren a Archiv für Biontolo gie,Ball Tafel XV. — En ES f ee ® 1) , ---SCHZ : 88. \ ; > 84. ( \ & v a) 1700: 1 1700:7 54. i 4 BB’ 1700: 1 X a 7 SB. 1360:1 T1B. 9: »-——— | t ! 1} $ | Eu Se | = 1 i f 1 Ef Nı N 3 S 7700:7 » _ 7700: 7 Se: A 7714. a Bi } er ne TEN 0% TE | 3 EN 4 esse Pz ee Nee \r,. A le ee \ Se EIN Bl — Fa: ar TE. ee ss: MR -- Th wo Te E a Werk INN a: Ei ee. Eli Are, N s en n En ee ‚® ce“ = 20568 ER b---7 SD. /700:1 m PS O.Kirchhoffer gez E.Laue Iath Inst.Berlin Archiv für Biontologie,BaLll. SZkZ /700:7 79.B. 7700:1 ELaue,LithInst.Berlın. O.Kırchhoffer gez. ER 2“ ae ig K. “ Archiv für Biontolo gie,Balll. O.Kirchhoffer gez. Tafel XR. 1375: 7 ELaue Lithlnst.Berlin. 1000:1 ELaue Lithinst.Berlın Tafel XX. 0.Kirchhoffer gez. Archiv für Biontologie,BaLll Tafel IM. &Laue LithInst Berlin. N R ı Pal 1 I ve Wen ar kz ---- fer 0.Kirchhoffer gez. Archiv für Biontologie,BaLll Archw für Biontologie,BdLll O.Krchhoffer gez ELaus LithInst Berlin anno Neue Beiträge zur Kenntnis der Histologie und Entwieklung von Sycon raphanus. Ernst Hammer, Mit Tafel XXII—XXVII. Berlin. In Kommission bei R. Friedländer & Sohn. 1908. nur a * Ka) In Ins % N) ’ March! w* x A j PIE, 3 LER ii) N ae) 1 u j OHR Hl Bl “ #-4 ch r) v » k IE f AL“ PN & Hr NER SUR, s' ) u eeh1i r Ey 5 4 » h) ar ui, IE - eg und ; y y ya w en N - = ar er 3 2, # FE F Se IR Ti — a . r —— x u w: IH te TEARTS I Aa ai ‘ x . 2 ea 7 n DEGW. h IT 7 gr ’ GE ' $ % Ak 6 - “ Neue Beiträge zur Kenntnis der Histologie und Entwicklung von Syeon raphanus. Nach der ausgezeichneten Bearbeitung der Kalkschwämme durch eine größere Anzahl hervorragender Forscher war ich mir bei Beginn dieser Studien bewußt, daß man, abgesehen von den Streitfragen, welche jene in suspenso gelassen hatten, zu keinen überraschenden Resultaten mehr kommen könne. Der ursprüngliche Zweck dieser Untersuchungen war daher zunächst nur der, persönliche Erfahrungen auf spongiologischem Gebiete zu sammeln; dabei haben sich nun eine Reihe teils in histologischer, teils in entwieklungsgeschichtlicher Beziehung interessante Details herausgestellt, die zu veröffentlichen mir der Mühe wert erscheint. Die vorliegenden Studien wurden im März 1905 in der zoologischen Station zu Neapel, wo mir seitens des Königlichen Preußischen Kultusministeriums in dankenswerter Weise für längere Zeit ein Arbeitsplatz zur Verfügung gestellt worden war, begonnen und im April 1906 in Berlin zu Ende geführt. Dem Direktor des zoologischen Instituts der Universität Berlin, meinem verehrten Lehrer, Herrn Geheimen Regierungsrat Professor Dr. Franz Eilhard Schulze, der mir die direkte Anregung zu dieser Studie gab, spreche ich hierfür meinen ergebensten Dank aus. Sehr verbunden bin ich ferner den Herren von der zoologischen Station für das meinen Arbeiten entgegengebrachte Interesse ; insbesondere schulde ich Herrn Dr. S. Lo Bianco, der mich stets reichlich mit Material versorgte, vielen Dank. Material und Methode. Sycon vaphamus ist in dem Hafen Mergellina, dem schmutzigsten Teile des Golfes von Neapel, eine häufige Erscheinung. Wenn man mit einem Kratzer die Unterseite der dort liegenden Fischerbarken bearbeitet, so ergibt sich stets eine reiche Ausbeute von Aseidien (Ciona intestinalis), auf deren Oberfläche sich unser Kalkschwamm in großen Mengen vorfindet. Es muß bemerkt werden, daß für die Gattung Syeon, welehevon Risso(47) aufgestellt und innerhalb weleherO.Schmidt(4S) eine Art als Syeon raphanus unterschied, im Laufe der Jahre verschiedene Namen existierten. Während nämlich eine Anzahl von Forschern den Gattungsnamen Sycon beibehielten, fehlte es auch nicht an solchen, welche unsern Schwamm mit Sycandra bezeichneten und dies nicht ohne Grund. Haeckel (14) war es, welcher, gestützt auf die Tatsache, daß jede Gattung innerhalb der drei Familien der Kalk- 299 Ernst Hammer: schwänme durch die verschiedene Zusammensetzung des Skelettes aus verschieden- artieen Kalknadeln charakterisiert wird, wie bei den Asconen und Leueonen so auch bei den Syeonen durch Anhängen der Endungen altis, andra, etta, ılla, ortis, ulmis und yssa sieben Gattungen unterschied; auf diese Weise entstand die Gattung Sycandra. Aber so geistvoll und anschaulich diese Einteilung auch sein mag, so ist sie doch nieht einwandsfrei; da laut Prioritätsgesetz (Art. 25 der internationalen tegeln der zoologischen Nomenclatur, Paris 1905) nur derjenige Name emer Gat- tung oder Art gültig ist, mit dem sie zuerst bezeichnet worden ist. Da ferner auch die Bedingung a) daß dieser Name in Begleitung einer Kennzeichnung veröffentlicht worden ist, und b) daß der Autor den Grundsätzen der binären Nomenelatur folgte, erfüllt ist, so muß für unsere Gattung der Name Sycon und für die dieser Untersuchung zu Grunde liesende Art der Name Sycon raphanus beibehalten werden. Erwachsene Syeonen wurden behufs histologischer Untersuchungen unmittelbar, nachdem sie sorgfältig von ihrer Unterlage abgelöst waren, und zwar ohne daß sie mit der Luft in Berührung kamen, der Konservierunesflüssigkeit übergeben. Selbst Osmiumsäure, das beste Fixierungsmittel, welches wir nach den Angaben von F. E. Schulze und Minchin für Kalksehwämme kennen, gibt mangelhafte Resul- tate, wenn nach der oben erwähnten Riehtung hin gefehlt wird. Ich habe mich anfangs, namentlich als ich mir die Schwämme dureh Fischer von der zoologischen Station besorgen ließ, oft zur (renüge davon überzeugt, dab trotz Anwendung von Osmiumsäure die Collare und Geißeln der Choanoeyten schlecht oder garnicht er- halten waren, höchst wahrscheinlich deshalb, weil einerseits der Schwamm nicht unter den nötigen Cautelen gefischt worden war und andererseits bei dem Trans- port bis ins Laboratorium die äußerst zarten Gewebe gelitten hatten. Als Fixierungs- mittel kann ich einprozentige Osmiumsäure, am besten zur Hälfte mit Seewasser verdünnt, sowie Flemmingsche Lösung auf das wärmste empfehlen. Kleinere Syeonen blieben gewöhnlich 10 bis 15, größere etwa 30 Minuten in der Konservierungs- tlüssigkeit; sie wurden alsdann mehrfach mit Aqua destillata abgespült und mit Pikrokarmin, besser Pikromagnesiakarmin (durchgefärbt. Die gewöhnlichen Pikro- karmine (Ranvier, Weigert, Orth) wurden mit großer Vorsicht angewandt, da sich die namentlich von P. Mayer (37) vertretene Ansicht von der macerierenden Wirkung dieses Farbstoffes in manchen Fällen, besonders wenn die Objekte länger als 2 Stunden im Pikrokarmin gelegen hatten, bestätiete. Am besten tut man jedenfalls, wenn man da, wo es sich um die Erhaltung von Kalk handelt, nicht Pikrokarmin, sondern das von P. Mayer (37) angegebene Pikromagnesiakarınin anwendet. Die mit Wasser aufgeklebten, meist 5 x dieken Schnitte, wurden meist mit IHeidenhains KEisenhämatoxylin nachgefärbt, eine Methode, welche auch für die Darstellung des Spongiengewebes ganz ausgezeichnete Dienste leistet, und daher eine ausgedehntere Verwendung verdient, als dies bisher der Fall war. Es scheint mir gleichgültig zu sein, wie lange Zeit die Schnitte in der Beize (11% —2Y/e "/ Eisenoxydammoniak) bezw. dem Hämatoxylin verbleiben, da der Ausfall des Präpa- rates in der Hauptsache von dem Gelingen des Differenzierens abhängt. Einen sehr schönen blauen Ton habe ich damit erzielt, daß ich die überfärbten Schnitte vor Neue Beiträge zur Kenntnis der Histologie und Entwicklung von Sycon raphanus. 293 und nach dem Difterenzieren auf etwa 10 Minuten in Leitungswasser brachte. Neben der ausgezeichneten Färbung hat die Eisenhämatoxylinmethode, worauf bereits F. Urban (62) hinwies, noch «en Vorteil, daß «ünnere Schnitte in der Beize sehr schonend entkalkt werden. Außer der Osmiumsäure wurde mit vorzüg- lichem Erfolge die Flemmingsche Chromosmiumessigsäure (schwache und starke Lösung) gebraucht. Wenn auch die in ihr enthaltene Essigsäure eine rapide Ent- kalkung hervorruft, welehe immer bis zu einem gewissen Grade ein Kollabieren der Radialtuben zufolge hat, so kann ich doch die Anwendung der Flemmingschen Lösung für Caleispongien nicht genug empfehlen; namentlich in Verbindung mit Eisenhämatoxylin liefert sie die schönsten Zell- bezw. Kembilder. (Gegen das Färben auf dem Objektträger hat sich Bidder (2) gewandt, da nach ihm bei diesem Prozeß die Zellform zerstört wird, wenn nieht die Übertragung vom Benzol zum Alkohol mit langsamer, für das Gewebe notwendiger Sorgfalt bewirkt wird. Meine eigenen Erfahrungen haben mich von der Richtigkeit der Bidderschen Ansicht nicht überzeugen können; vielmehr bin ich der Meinung, daß wir grade behufs Herstellung histologischer Kalkschwammpräparate auf die Schnittfärbung angewiesen sind, sowie daß ferner das Übertragen der aufgeklebten Schnitte nieht so sorg- fältig gehandhabt werden muß wie etwa der Übergang ganzer Objekte vom Alkohol zum Benzol vor dem Einbetten in Paraffin. Neben Osmium und dessen Gemischen habe ieh hin und wieder absoluten Alkohol sowie Sublimat mit darauffolgender Azur-Eosinfärbung angewandt, ohne daß mich die damit erzielten Resultate sonderlich befriedigt hätten. Einer der größten Nachteile der Azur-Eosinmethode ist der ihrer geringen Haltbarkeit; auf diese Weise hergestellte Präparate verblassen in der 'Tat schon nach ganz kurzer Zeit, ein Übelstand, den auch Schulze an Hexactinelliden und Lungenschnitten konstatieren mußte. Um die freischwimmende Larve sowie deren Weiterentwieklung studieren zu können, brachte ich frische, lebenskräftige, soeben dem Meere entnommene Syconen in mit klarem Seewasser gefüllte Glasschalen von 15—30 cm Durchmesser, durchlüftete die so hergestellten Aquarien mit grünen Algen (Gladophora) und schützte sie durch lose aufgelegte Glasdeckel vor Staub. Die Behälter, in welchen sich die Spongien befanden, wurden stets den An- gaben F. E. Schulzes (55) folgend, an einem möglichst kühlen, aber hellen Platze unter Ausschluß direkter Sonnenbestrahlung aufgestellt. Für die Beobachtung am Lebenden leistete mir nach vielem vergeblichen Hin- ünd Herexperimentieren mit dem Schaudinnschen und Öorischen Mikroaquarium sowie der von Maass (32) angegebenen Methode vermittelst der Urschale, schließlich die F. E. Schulzesche feuchte Kammer die besten Dienste. Nur in dieser gelang es mir, falls normale Bedingungen vorlagen, was durchaus nicht immer der Fall ist, die mikroskopischen Larven bis zur Bildung «der Kalknadeln und darüber hinaus zu züchten. In den großen Aquarien (Glasschalen) war es jedoch des öfteren möglich, die Larven längere Zeit hindurch und zwar bis zur Bildung der Radialtuben lebend zu halten. Behufs direkter Beobachtung brauchte ich dann nur mit den entweder an der Wasseroberfläche besser aber an der Glaswand festgesetzten und zu Kolonien verschmolzenen Larven neue feuchte Kammern auszurüsten. Übrigens sind die 294 Ernst Hammer: jungen Spongien, sowie die Nadelbildung in größerem Umfang erfolgt ist, zur Lebend-Untersuchung nieht mehr recht geeignet und können eigentlich nur zur Orientierung über das Stadium, in dem sie sich befinden, benutzt werden. Um Totalpräparate herauszustellen, legte ich auf die Wasseroberfläche der Zuchtschalen Deckgläser unter welchen sich die ausgesehwärmten Larven mit Vorliebe ansammeln und an denen sie sich auch in großer Anzahl festzusetzen pflegen. Nachdem ich mich mit der Lupe von dem Vorhandensein von Larven überzeugt hatte, faßte ich vorsichtig mit einer Pineette die Deckgläser (eines nach dem andern) und führte sie durch sämtliche Reagentien bis auf den bereits mit einem Tropfen Canadabalsam versehenen Objektträger hindurch. Die auf diese Weise angefertigten Präparate wurden meist in einer sehr schwachen Osmiumsäurelösung für die Dauer einer Minute fixiert, kurz mit Aqua destillata abgespült und in Pikromagnesiakarmin ein- getaucht. Zum Einbetten behufs späterer Herstellung von Schnitten benutzte ich der Kleinheit der Objekte wegen — dieselben messen im Durehsehnitt 0,04—0,05 mm — große Mengen; in der Tat bedarf es einer Unzahl von Embryonen, da auf dem Wege vom Fixierungsmittel bis zum Paraffin — die Überführung geschah mit der Pipette unter Benutzung einer starken Lupe — viele verloren zu gehen pflegen. Diejenigen Larven, welche für das Mikrotom bestimmt waren, wurden ebenso wie die erwachsenen Schwämme mit sehr verdünnter Osmiumsäure, oder wenn es sich um Kernstrukturen handelte, mit Flemmingscher Lösung, in andern Fällen mit Sublimat oder absolutem Alkohol fixiert und mit Pikromagnesiakarmin oder ammoniakalischem Karmin vorgefärbt, um ihr Wiederfinden im Paraffin zu ermöglichen. Die Schnitte, welche im Mittel 3 bis 5 %, falls nötig auch dieker waren, wurden mitunter mit Eisenhämatoxylin nachgefärbt. Von optischen Hilfs- mitteln stand mir ein Zeissches Mikroskop-Stativ Ie zur Verfügung; zum Aufsuchen sowie zur oberflächlichen Betrachtung wurden achromatische Linsen, behufs Fest- stellung der feineren histologischen Verhältnisse hingegen die apochromatische Immersion 2 mm 1,30 Apert. in Verbindung mit den Kompensationsokularen 4, 8, 12 und 18 benutzt. Biologisches. Über die Zeit der Geschlechtsreife der Spongien gehen die Angaben der Forscher auseinander. Nach Lo Biancos Bericht (27) sendet Sycon raphanus vom September bis März, nach den Beobachtungen von Maass (am Adriatischen Meere) im Mai Larven aus, während nach den Angaben von F. E. Schulze Spon- gien im allgemeinen in der wärmeren Jahreszeit geschlechtsreif zu sein pflegen. In einer vorläufigen Mitteilung (15) habe ich mich bereits dahin geäußert, dab unser Kalkschwamm das ganze Jahr über geschlechtsreif zu sein scheint und den je- weiligen Temperaturverhältnissen entsprechend größere oder kleinere Quantitäten von Amphiblastulalarven liefert. Dabei hat es sich ferner herausgestellt, daß nicht nur, wie man nach Graeffes!) Bericht annehmen könnte, die großen Exemplare, sondern auch kleine Syconpersonen Larven zeitigen können. Ich habe mich des öfteren davon überzeugt, indem ich einen oder nur einige wenige solcher kleinen Syeonen in ein ruhig stehendes Aquarium setzte, «die dann mitunter eine außer- ordentlich große Anzahl von Embryonen ausschwärmen ließen. Das Ausschwärmen ’) Arbeiten aus dem zool. Inst. Wien und der zoo]. Stat. in Triest. Neue Beiträge zur Kenntnis der Histologie und Entwicklung von Sycon raphanus. 295 selbst geht häufig schubweise vor sich; zu wiederholten Malen konnte ich, als ich frühmorgens das Laboratorium betrat, bemerken, daß Syconen, die tags zuvor ge- fischt und in die Zuchtschale gebracht worden waren, obwohl geschlechtsreif, noch keine einzige Larve ausgesandt hatten, während bereits 10 Minuten später eine ungeheure Anzahl sich an der Wasseroberfläche herumtummelten. W iederholt bot sich mir auch Gelegenheit, das interessante Schauspiel, welches am besten mit rauchenden Schornsteinen zu vergleichen ist, zu beobachten. Während der im Jahre 1905 noch relativ kühlen Monate März, April ging das Ausschwärmen der Larven gewöhnlich während der Nacht vor sich; indessen ist dies keineswegs die Regel, denn oft genug war bereits kurze Zeit, nachdem die Schwämme in die Zuchtschale gesetzt worden waren, die dichtere Rindenschicht des Wassers mit Embryonen erfüllt. Ähnlich liegen die Verhältnisse bezüglich des Festsetzens der Larven; es geschieht dasselbe manchmal bereits nach einigen Stunden, in andern Fällen wieder erst nach 24—48 Stunden. Während so über den Zeitpunkt des Aus- schwärmens bezw. des Festsetzens der im mütterlichen Organismus ausgebildeten Larven sich keine Regeln aufstellen lassen, scheinen Temperaturverhältnisse doch einen gewissen Einfluß auszuüben. Dies zeigte sich besonders in der heißen Jahreszeit, wo die Larven schon nach ganz kurzer Zeit ausschwärmten und auch dementsprechend schnell zur Festsetzung gelangten. Daß schnelles Festsetzen das beste Kriterium für eine normale Entwieklung ist, wurde von verschiedenen Autoren, insbesondere von Maass, betont; in der Tat läßt sich beobachten, daß Larven, welche im hängenden Tropfen länger als 24 Stunden herumschwammen, mitunter, ohne daß sie sich festsetzen, eingehen; indessen konnte ich an Larven, welche in der großen Zuchtschale gehalten wurden, selbst wenn das freischwimmende Stadium länger, etwa bis zu 48 Stunden währte, keinerlei Anomalien feststellen, ebenso- wenig an solchen, die erst nach 43 Stunden den mütterlichen Organismus verlassen hatten. Im Gegenteil, letztere haben sieh oft ganz normal entwickelt, während andere, die sehr bald ausgeschwärmt waren und sich schnell fixiert hatten, in ihre Elemente zerflossen, ohne daß ich mir über die Ursache dieses Geschehens hätte klar werden können. Sehr wichtig ist es jedenfalls, daß die Embryonen von frischem lebenskräftigem Material stammen, welches sorgfältig von der Unterlage abgelöst wurde. Zerfallserscheinungen gelangten, selbst wenn ich alle. Vorbedingungen für eine normale Entwicklung erfüllt glaubte, hin und wieder an solchen Larven zur Beoachtung, welche behufs Festsetzens die Wasseroberfläche gewählt hatten. Von ebensolehen berichtet Maass (33), der außerdem noch bemerkt hat, daß in solchen Adhäsionsexemplaren von vornherein weniger Nadeln gebildet werden, so- daß also durch das Fehlen der Stütze der Zerfall des Schwämmehens bedingt wird. Von diesem ursächliehen Zusammenhang konnte ich mich allerdings nicht überzeugen, denn in den von mir berichteten Fällen schien mir das Skelett genau so gut entwiekelt wie bei anderen normalen Larven. Die Zellen hatten also nach dieser Richtung hin ihre Schuldigkeit getan, d.h. der nach der Ansicht von Maass notwendige Reiz für die Ausprägung des Hohlraumes war vorhanden, ohne daß es zur Bildung eines solchen gekommen wäre. Übrigens tritt jedes allmähliche Aus- breiten und Zerfließen keineswegs stets bei den an der Wasseroberfläche adhärierten Exemplaren in die Erscheinung, denn abgesehen davon, daß F. E. Schulze (53) 296 Ernst Hammer: grade solche Exemplare für seine Untersuchungen nach erfolgter Metamorphose wählte, sind sie auch von Maass (32) für die Betrachtung der Kontraktionszustände der Dermalzellen empfohlen worden und ich selbst habe auf diese Weise Asconen mit prachtvoll ausgebildetem Skelett sowie gänzlich normalen Zellen und eben- solchem Gastralraum gezüchtet. Über das Verhalten der ausgeschwärmten Amphi- blastulalarven im Aquarium habe ich bereits früher (15) gesagt, daß diese „nicht nur an der Lichtseite, sondern an jeder beliebigen Stelle des Aquariums aufge- funden werden können.“ Diese Tatsache scheint mir deshalb besonders erwähnens- wert, weil es in einer jüngst erschienenen Arbeit von Maass (34) heißt: „Auch nach meinen neuen Erfahrungen muß ich gegenüber einer Bemerkung Hammers bestätigen, daß die Larven nicht nur die Oberfläche, sondern auch die Lichtseite bevorzugen.“ Danach könnte man glauben, dal meinerseits der bis zu einem ge- wissen Grade zweifellos hier zu Tage tretende positive Heliotropismus bestritten wird. Dies ist jedoch keineswegs der Fall, denn ich bin vollkommen der Ansicht von Maass, daß in einer großen Anzahl von Fällen die Larven an der Lichtseite, genauer ausgedrückt, an den am meisten belichteten Stellen, angetroffen werden. Aber ebenso oft und sicher konnte ich mieh auch durch bestimmt gerichtetes Licht und entsprechende Abblendung davon überzeugen, daß sich die Larven an nicht belichteten Stellen, oft zu ganzen Nestern (Plaques) vereint, aufhielten. Die Er- scheinungen mögen dabei in der Tat wohl komplizierter und nicht zu allen Zeiten, z. B. nach längerer Lichteinwirkung, die gleichen sein. Diese meine Beobachtungen stimmen sehr gut mit denjenigen Heiders (17) an Oscarellalarven überein; hier sammeln sich die ausschwärmenden Blastulä zunächst an der Lichtseite des Glases an; dies gilt jedoch nur für die erste Zeit nach dem Ausschwärmen. Bevor sie nämlich den Invaginationsprozeß durchmachen und zum Festsetzen schreiten, zeigen sie ein verändertes Verhalten, indem sie die von der Lichtquelle abgewandte Seite des Glases aufsuchen. Auch läßt sich durch auf den Boden des Aquariums gelegte Objektträger der Nachweis erbringen, daß sich immer eine Anzahl von Larven, die sich vorher vielleicht an der Wasseroberfläche getummelt haben, wieder an den Boden begeben nnd sich dort in irgend welcher Weise fixieren. Dies ist auch von ©. Schmidt!) und Metschnikoff (35) bei Syconen, von Minchin (39) bei Asconen beobachtet worden. Morphologie der weiblichen Geschlechtszellen. Die Eier von Sycon raphanus wurden zuerst von Lieberkühn (26) beschrieben und abgebildet. Am ausführlichsten ist ihr Bau sowohl als auch ihre Herkunft von Haeckel (14) behandelt worden. Dieser Autor beschreibt sie als rundliche, amöboider Bewegungen fühige Zellen von ca. 0,04—0,05 mm Durchmesser mit einem von Körnehen, besonders im mittleren Teile, dem Endoplasma, reichlich durchsetzten hyalinen Protoplasma, in dessen Mitte ein großer heller membranloser rundlicher Kerm von gewöhnlich 0,015—0,02 mm Durchmesser mit großem glän- zendem kugeligem Kernkörperchen- von etwa 0,005 mm Durchmesser. Dieser Dar- Rn stellung fügte F. E. Schulze (51) noch hinzu, daß er ebenso wie Haeckel sehr N ') ©. Schmidt. Zur Orientierung über die Entwicklung der Schwämme. Zeitschr. für wiss. Zoo]. Bd. 25 Suppl. Neue Beiträge zur Kenntnis der Histologie und Entwicklung von Sycon raphanus. 297 häufig die äußere Partie der stets membranlosen Eizelle körnchenlos, oft ganz hyalin als eine besondere Exoplasmalage von dem körnchenreichen Endoplasma differenziert, aber keineswegs scharf geschieden gesehen habe, während allerdings gewöhnlich das Protoplasma bis an die Oberfläche von Körmncehen ziemlich gleiehmäßig durch- setzt erschien. Amöboide Bewegungen wurden von F. E. Schulze eleichfalls wahr- genommen. Meine eigenen Untersuchungsresultate stimmen im allgemeinen mit den Ergebnissen von Haeckel und F. E. Schulze überein; nur möchte ich noch er- wähnen, daß das Keimbläschen in den verschiedenen Ausbildungsstufen der Eier eine differente Form und Struktur zeist. Im allgemeinen‘ von kugelrunder oder zuweilen ellipsoider Gestalt, gibt es diese regelmäßige Form zuweilen auf und sendet längere oder kürzere pseudopodienartige Fortsätze in das umgebende Plasma. Die Bildung von Fortsätzen, welche später wieder eingezogen werden, hängt wohl mit der Ernährung (des Bies bezw. des Kernes, welcher sie beeinflußt, zusammen. Mit- unter verläßt das Keimbläschen seine gewöhnlich etwa zentrale Lage und begibt sich an eine Stelle des Eies, wo letzteres intensiv ernährt wird (Fig. 17). Die von Haeckel (14) beschriebene zentrale Lage des Keimbläschens ist somit keines- wegs konstant, worauf auch von Lendenfeld (21) hingewiesen hat, indem er (pag. 404) sagt: „Der kugelige oder etwas unregelmäßige Kern liegt meistens exzentrisch.“ Bezüglich der Membran des Keimbläschens bemerke ich, daß diese bei unreifen Eiern sich fast ausnahmslos nachweisen läßt und erst mit Eintritt der Reifeerscheinungen aufgelöst wird. Die Struktur des Keimbläschens stellt sich außerordentlich verschiedenartig dar und scheint auch in engem Zusammenhang mit den Umänderungen, welche der Eikörper während seiner Ausbildung und seines Wachstums durchmacht, in Zusammenhang zu stehen. Das Chromatin ist gewöhn- lich in feinen Körnchen, Stäbchen, Strängen oder Brocken auf dem Kermnetz aus- gebreitet. Der Kemsaft ist reichlich, die Stränge des Kerngerüstes daher aus- einandergedrängt. Innerhalb der Maschen (des Kerngerüstes befinden sich ein oder mehrere Nucleoli, die aber nur selten gänzlich frei von Chromatin zu sein scheinen. (Fig. 1—5). Viel häufiger ist die Vermengung von Plastin und Chromatin, und zwar in der Weise, daß letzteres in ersterem eingelagert ist. In Fig. S sieht man neben einer Anzahl solcher Amphinucleolen einen, welcher durch besondere Größe aus- gezeichnet ist. An diesem lassen sich deutlich eine intensiv färbbare (chromatinhaltige) sowie eine weniger färbbare (chromatinfreie) Partie unterscheiden. Ähnliche Verhältnisse zeigt die Fig.5, in welcher der Nucleolus gleichfalls aus zwei, Farbstoffen gegenüber sich verschieden verhaltenden, Teilen zusammengesetzt erscheint. Diese Unterschiede in der Beschaffenheit der Nucleolen sind insbesondere bei Molluskeneiern von Obst (43) ein- gehend gewürdigt worden, mit dessen Abbildungen ein Teil meiner Präparate gänzlich übereinstimmt. Ebenso wie Obst nehme ich an, daß die weniger färbbare Partie der eigentlichen Plastinsubstanz, welche die Nucleolen der Gewebezellen (darstellt, entspricht. Außer (den durchaus nicht immer zentral gelegenen Kernkörperchen erscheint ferner mit- unter innerhalb der Begrenzungslinie des Kernes ein Kranz von Kügelehen (Fig. 4 u. 5), welehe in übereinstimmender Weise Fiedler (10) bei Spongilla (pag. 97) und Nußbaum (42) an Eiern von Hydra (pag. 255) beschrieben haben. Ersterer Forscher bezeichnet die in der Peripherie der Kernmembran liegenden Gebilde als „Chromatinkügelchen“, letzterer als „Keimflecke“, die nach ihm dureh Auflösung 298 Ernst Hammer: des anfänglich einfachen entstanden sind. Innerhalb der Wirbeltiere ist besonders bei Fischen, Amphibien und Reptilieneiern das Vorkommen vieler, schlechthin Keimfleeke oder Nucleolen genannter Gebilde in der peripheren Schicht des Keim- bläschens beschrieben worden. Auf die sehr verschiedenartige Natur der Nucleolen ist jedoch wiederholt von seiten der Forscher hingewiesen worden. So unterschied Platner (44) (pag. 53) in dem Eikern von Arion empiricorum neben echten, durch charakteristische Merkmale von allen übrigen Elementen sich auszeichnenden Nucleolen, Chromatinsubstanz enthaltende runde Elemente, die er Karyosomen nannte, und auch Wilson (68) (pag. 589) stellte den echten Nucleolen einen Chromatinnucleolus gegenüber. Innerhalb der Spongien beobachtete von Lendenfeld (21) (pag. 209) in den Eikernen von Ascetta cerebrum außer «den in verschiedener Zahl vorkom- menden Nuceleolen, gelegentlich einen Nucleolus mit einem deutlichen, etwa 0,0005 mm eroßen Kerncehen, dessen Substanz sich nicht so stark zu färben schien, wie die umgebende Nucleolussubstanz. Ob es sich bei den von mir beschriebenen in der Peripherie des Keimbläschens anzutreffenden Gebilden um Chromatin oder Plastin- substanz oder etwa um eine Vermengung beider handelt, kann wegen der Kleinheit der Gebilde nicht ohne weiteres entschieden werden, ebenso wie sich auch über ihre Entstehung nichts Bestimmtes aussagen läßt. Indessen scheint es mir be- merkenswert, daß der Farbstoff (Kisenhämatoxylin) außerordentlich lange fest- gehalten wurde, eine Tatsache, welche «die Natur der Kügelchen als Chromatin- gebilde recht wahrscheinlich macht. Für das Studium derselben wie dasjenige der Nucleolen überhaupt, ist es jedoch nötig, noch andere '"Tinktionsmethoden, ins- besondere die von Obst (43) (pag. 1635), Goldschmidt (11) und Popoff (46) angewandten, sowie namentlich die von v. Lendenfeld (21) für Spongien empfohlene Karmin-Anilin-Doppeltinktion auszuprobieren. Ich bin zur Zeit damit beschäftigt und gedenke später über die diesbezüglichen Ergebnisse zu berichten. Zu wieder- holten Malen wurden fernerhin nucleolenähnliche Gebilde im Ooplasma und zwar in unmittelbarer Nähe des jeder Ruptur oder Fältelung entbehrenden Keimbläschens vorgefunden (Fig. 7). Sie verschwinden später wieder, ohne daß sich ihre Ab- stammung von Keimbläschen oder Ooplasma mit Sicherheit feststellen läßt. Über das Austreten von Teilen des Keimbläschens in das Plasma von somatischen und Grenerationszellen existieren ebenfalls eine Anzahl von Angaben, in die vielfach Zweifel gesetzt wurde; wie dem auch sei, scheinen unsere Befunde von neuem auf Beziehungen zwischen Kern (Keimbläschen) und Plasma hinzuweisen.!) An Eiern, die sich in der Wachstumsperiode befanden, wurden einige Male gleichfalls dem Keimbläschen bezw. dessen Membran dicht angeschmiegt, chromatisch gefärbte Sub- stanz angetroffen, welche namentlich bei einem Vergleich mit den Beschreibungen und Abbildungen, welche Goldschmidt (11) für Zoogonus und Popoff (46) für Paludina und Helix geben, an das Vorkommen von Chromidien im Spongienei denken ließen. Was das Ooplasma anbelangt, so habe ich das- selbe annähernd gleichmäßig von Körnchen bis an die Oberfläche durchsetzt vor- gefunden; ein von dunklerem Endoplasma differentes hyalines Ektoplasma konnte ') Neuerdings hat V. Franz (Verh. d. Deutsch. Zool. Ges. 1907, pag. 100) im Schollenei einen Dh Zellkern in das Eiplasma ausgestoßenen Nucleolus“ beschrieben und in den Fig. 9—11 abgebildet. Neue Beiträge zur Kenntnis der Histologie und Entwicklung von Sycon raphanus 299 deutlich nur an denjenigen Eizellen wahrgenommen werden, welche Pseudopodien ausgesandt hatten (Fig. 5). Über die Struktur des Ooplasmas soll hier keine definitive Auffassung gegeben werden, da die Untersuchung von Protoplasmastruk- turen die Anwendung besonderer Methoden erfordert, welche für diese Arbeit nicht in Betracht kamen. Durch das Ooplasma verteilt finden sich Dotterbestandteile, welche durch Osmiumsäure geschwärzt werden und daher Fett oder fettähnliche Substanz darstellen. Die Lagerung der Eizellen. Die Lage der weiblichen Geschlechtszellen bei Sycon raphamus ist von den Spongienforschern zu wiederholten Malen diskutiert worden. Haeckel (14) gibt an. die Eier ebenso oft im Entoderm wie in seinem Syneytium gefunden zu haben und berichtet speziell für die Syconen, «dab er sie gewöhnlich zwischen den Geißelzellen des Tubenepithels angetroffen habe. F. E. Schulze (52) dagegen erklärte, daß er die Eier niemals zwischen den Geißelzellen des Entoderms, sondern stets in der gallertigen Grundmasse des Meso- derms, sehr häufig allerdings dem Entodermzellenlager dicht anliegend gesehen habe. v. Lendenfeld (21) (pag. 404) beschreibt die Eier als frei in der Zwischen- schicht liegend; sie werden nach ihm entweder allseitig von Grundsubstanz um- geben, oder stoßen auf der einen Seite an die Hinterwand der Kragenzellenschicht. Obwohl die Annahme Haeckels heute wohl keinen Vertreter mehr besitzt, vielmehr alle Forscher inbezug auf die Lagerung der weiblichen Geschlechtszellen mit F. E. Schulze und v. Lendenfeld übereinstimmen, so muß doch zugegeben werden, daß die Eier, falls sie nicht allseitig von Grundsubstanz umgeben werden, auf der einen Seite oft scharf an die Hinterwand der Kragenzellenschieht stoßen, ohne daß immer ein mit der hyalinen Grundsubstanz zusammenhängender hyaliner Grenzsaum zwischen .dem Ei und der Kragenzellenschicht sich hätte nach- weisen lassen. Diese Tatsache soll indessen keineswegs so gedeutet werden, daß die Eizellen in irgendwelcher Beziehung zu den Choanocyten, bezw. denjenigen bewimperten Zellen der Larve, aus denen erstere hervorgehen, stehen. Es muß dies deshalb besonders hervorgehoben werden, da nach Minchins (39) Ansicht (pag. 49) nicht alle gastralen Zellen (ehemals bewimperten) der Larve zu Choano- eyten werden, sondern „höchstwahrscheinlich“ ein Teil davon zu den Wanderzellen des Schwammes wird. „I have not been able to make out whether all the gastral cells become collar cells, or whether some of them do not become the wandering cells of the adult, which seems very probable.“ Da nun aber einerseits der Übergang zwischen amöboiden Wanderzellen und Eizellen ein so allmählicher ist, daß man nie mit Bestimmtheit sagen kann, ob man noch eine amöboide, oder bereits eine Eizelle vor sich hat, es andererseits jedoch allgemein angenommen wird, daß wenn auch nieht alle amöboiden Zellen, so doch sicher ein Teil zu Eiern wird, so läßt die von Minchin ausgesprochene Ansicht kaum eine andere Deutung, als daß aus den bewimperten Zellen der Larve propagatorische Zellen hervorgehen können. Der Autor nähert sich damit sehr der Annahme Haeckels, der ja bekanntlich die Eier dureh direkte Umwand- lung der Kragenzellen entstehen ließ, eine Darstellung, die jedoch bisher von keiner 300 Ernst Hammer: Seite eine Bestätigung erfahren hat. Ich habe auf diese so wichtige Frage meine besondere Aufmerksamkeit gerichtet, ohne indessen für die Entstehung amöboider Zellen aus bewimperten Zellen der Larve sichere Anhaltspunkte gewinnen zu können. Immerhin soll ein Fall nieht unerwähnt bleiben, wo auf einem Schnitt durch eine gastrulierte festgesetzte Larve der Kern einer invaginierten Geißelzelle den übrigen Kernen dieser Zellensorte gegenüber eine mehr bläschenförmige (amöboide) Gestalt aufweist (Fig. 45 u. 46); deswegen aber an eine Umwandlung in eine amöboide Zelle denken zu wollen, erscheint mir mindestens recht gewagt. Es soll daher der eben erwähnte Befund durchaus nicht als Stütze für die Ansicht Minchins ver- wertet werden, zumal von einem Beweise der letzteren erst dann die Rede sein kann, wenn Bilder wie das oben beschriebene, oft in die Erseheinung treten, und, was bei weitem wichtiger ist, die Umwandlung eimer invaginierten bewimperten Zelle in eine Wanderzelle direkt beobachtet worden ist. Jedenfalls aber finden die Angaben von Maass (28) (pag. 35). wonach die amöboiden Zellen schon sehr frühzeitig in der Entwieklung der Larve auftreten, in meinen Beobachtungen eine volle Bestätigung; ich werde bei der Schilderung der freischwimmenden Amphi- hlastulalarve hierauf noch zurückkommen. Eibildung. Die Eizellen bedürfen für ihre weitere Ausbildung besonderer Hilfszellen, welche aber das Ei nicht, wie es Fiedler (10) (pag. 98) für Spongilla und Korschelt (19) (pag. 39) für Spongilla pallescens und Placina monolopha be- schreiben und abbilden, in einer mehr oder weniger regelmäßigen Schicht umgeben, sondern gewöhnlich in der Ein- oder Mehrzahl in unmittelbarer Nähe der Eizelle angetroffen werden. Die Eibildung, wie sie sich bei Sycon raphanus findet, wäre demnach zum Unterschied von der folliculären als nutrimentär im Sinne von Korschelt und Heider (20) (pag. 295) zu bezeichnen. Ei und Nährzellen unter- scheiden sich inbezug auf ihre Größe beträchtlich von einander, erscheinen aber im übrigen bis zum Zusammenfließen als im wesentlichen gleichartige amöboide Zellen (Fig. 12, 13, 14), von denen, wie ich glaube, die durch die Gunst der Ver- hältnisse einigermaßen herangewachsenen zu Eiern sich entwickeln, indem sie die anderen vermittels pseudopodialer Fortsätze umfließen, in sich aufnehmen und zu ihrem Aufbau verwenden. Der Vorgang der Nahrungsaufnahme, von Görich (13 und mir etwa überemstimmend beobachtet, ist in den Figuren 15—17 dargestellt. Bald nachdem die Nährzelle in das Innere der Eizelle geraten ist, eignet sich die letztere das Plasma der ersteren an und es wird auch der Kern unter Beteiligung des Eizellenkernes unterdrückt, indem die in ersterem enthaltene brauchbare Sub- stanz noch zur Ernährung verwandt wird. In diesem Stadium zeigt der Eizellen- kern Einbuchtungen und nimmt dadurch sowie durch direktes Aussenden von Fort- sätzen selbst amöboide Gestalt an. In dieser modifizierten Form wird er denn auch, worauf bereits hingewiesen wurde, oft nieht zentral im Ei liegend gefunden, sondern er tritt uns mehr peripher gelagert und zwar in unmittelbarer Nähe der vom Ei aufgenommenen Nährzelle entgegen. Eine ähnliche auffällige Lageveränderung des Keimbläschens, welche zugleich mit einer Modifikation seiner Gestalt verbunden ist, hat Korschelt (19) (pag. 39) bei Spongelia pallescens und Plaeina monolopha Neue Beiträge zur Kenntnis der Histologie und Entwicklung von Sycon raphanus. 301 beobachtet und in Wort und Bild dargestellt (Taf. 5 Fig. 111—117). Da jedoch die Bier von Spongelia und Placina von einem Follikel umgeben zu sein pflegen, (dessen Zellen die dem Ki zugeführte Nährsubstanz liefern, oder zum mindesten hindurchpassieren lassen, so ist nach Korsehelt im diesen Fällen die Annäherung les Keimbläsehens an die Umgebung (des Eies eine besonders starke. Bei Sycon ist diese letztere nieht nötig, weil «die Bier, wenigstens in diesem Stadium, eines Follikels entbehren; hier genügt es also, wenn das Keimbläschen sich an diejenige Stelle des Eies beeibt, wo die in «das Eiplasma geratene Nährzelle liegen ge- blieben ist. Reifung. Nachdem das Ei und mit ihm das Keimbläschen die Wachstumsperiode, während deren es sich aus einer gewöhnlichen amöboiden Zelle durch Aufnahme und Assi- milation ihrer Schwesterzellen zur eigentlichen Eizelle heranbildet, durchlaufen hat, machen sich an ihm noch die Reifeerscheinungen geltend. Über die Reife- erscheinungen der Spongieneier sind bisher nur wenig Beobachtungen mitgeteilt, die wichtigsten sind folgende: F. E. Sehulze (55) (pag. 641) beobachtete bei Euspongia „daß das Keim- bläschen im reifen Ei stets dem einen der beiden Pole bedeutend genähert ist und zuweilen die ursprüngliche Bläschennatur so vollständig verloren hat, daß an seiner Stelle nur noch ein verwaschener heller Fleck zu erkennen ist.“ Ebenso wurde über dem trennenden Spalt der zwei ersten Furchungszellen einmal ein kleines kugeliges Gebilde bemerkt, welches mit Wahrscheimlichkeit als ein Richtungskörper gedeutet werden konnte (pag. 643). Bei Plaeina monolopha fand F. E. Schulze (56) den Kern reifer Eier „bis nahe an die Oberfläche gerückt oder sah an seiner Statt nur eine undeutlich be- erenzte lichtere Stelle“ (pag. 415). Korschelt und Heider!) (pag. 1) bilden ein Ei von Plaeina trilopha nach Magdeburg ab; neben demselben liegen zwei kleine Bläschen, welche als Rich- tungskörper bezeichnet werden. Fiedler (10) (pag. 106) fand bei Spongilla, daß der Kern gegen die Ober- fläche des Eies hinwandert, um hier durch die Abstoßung der Richtungskörper einen Teil seimer Masse nach außen abzugeben. Dabei wie bei der späteren Furehung sollte das Kernkörperehen eine wichtige Rolle spielen, und zwar wird der erste Richtungskörper als ein Erzeugnis des großen Kernkörperchens, welchem letzteren er anfangs knospenartig aufsitzen soll, betrachtet. Mitosen wurden «dabei nicht gesehen. v. Lendenfeld (21) (pag. 209) fand in einem aus Lesina stammenden Exem- plar von Ascetta eerebrum Bier, deren Keimbläschen den Nucleolus vermissen ließen, dafür aber wurstförmige Körper (Chromatinschlingen) enthielten, welche letztere auf Mitosen hindeuten sollten. In den Abbildungen (Taf. IX Fig. 42) ist von dem vermeintlichen Richtungskörper nichts zu sehen. !) Korschelt und Heider, Lehrbuch der vergleichenden Entwicklungsgeschichte der wirbel- losen Tiere. 1890. Spec. Teil I. Hett. 302 Ernst Hammer: Neuerdings hat Maass (31) auf Grund von Untersuchungen an Sycon raphanus Mitteilungen über die Reifeerscheinungen gemacht und namentlich darauf hingewiesen, daß bei der Richtungskörperbildung kein Übergang zwischen direkter und indirekter Kernteilung stattfindet, sondern daß vielmehr echte, für die Richtungskörperbildung so bezeichnende Spindelfiguren, auftreten. Was die Bildung der Richtungskörper selbst anbelangt, so bemerkt der Autor (pag. 295), daß sein Material in dieser Beziehung etwas spärlich ist; immerhin spricht er sich dahin aus, daß zwei Körper gebildet werden und daß die kleinen Spindeln unregelmäßig, manchmal sogar tan- gential zum Ei stehen (pag. 294). Bei vorliegenden Untersuchungen kam es mir nun im besonderen darauf an, die Stadien der Abknospung bezw. des Ausstoßens der Richtungskörper mit wünschens- werter Klarheit zu erlangen; leider war jedoch auch mein Material nicht derart, daß ich mir darüber genügenden Aufschluß hätte verschaffen können. So empfindlich diese Lücke ist, so ausführlich soll hier wenigstens dasjenige mitgeteilt werden, was mir von den meiner Untersuchung zugänglichen Stadien der Richtungskörper- bildung bekannt geworden ist. Da die Entwicklung bis zur Flimmerlarve innerhalb des Muttertieres vor sich geht, so war es natürlich nicht möglich, die Veränderungen an einem einzelnen isolierten Ei ununterbrochen zu verfolgen; es stützen sich daher die Befunde, über die nunmehr berichtet werden soll, auf Schnitte durch teils mit Flemmingscher Lösung, teils mit Pikrinessigsäure konserviertes Material. Bei weitem am häufigsten sah ich die Stadien, in denen das Keimbläschen an die Ober- fläche des Eies gerückt war (Fig. 18, 19, 20). Niemals fand ich es jedoch an derjenigen Stelle, wo nach der Befruchtung das Ei dureh die erste Furche in zwei gleiche Teile geteilt wird, sondern es wurde an ganz beliebigen Stellen, ja oft in der Nähe des schmalen Poles des in seiner Gestalt, wie mir scheint nicht ganz konstanten, gewöhnlich aber längs ovalen Eies angetroffen. Daß in der Tat die Lage der Richtungskörper gar keine Beziehung zur Stelle der ersten Furche zu haben scheint, ist aus den Figuren 18, 19, 20 ersichtlich und verdient besonders hervorgehoben zu werden, da Maass im Texte seiner Arbeit nichts davon erwähnt, während seine Abbildungen mit memen Präparaten übereinstimmen. Die erste an dem Keimbläschen wahrzunehmende Veränderung ist die beginnende Auflösung der Membran; im Figur 20 ist von derselben nichts mehr zu sehen und es hat sich bereits ein aus unregelmäßig gestalteten Elementen bestehender Chromosomenknäuel gebildet. Die Chromosomen liegen in einem hellen Hof, der fast genau dem Um- fange des ehemaligen Keimbläschens entspricht und an etwas jüngeren Stadien (Fig. 19) ist der achromatische Rest der Kernmembran noch zu erkennen. In- zwischen sind die Nucleolen und zwar sowohl die echten plastinhaltigen als auch die Amphinucleolen verschwunden; hierin stimmen meine Präparate mit den Ab- bildungen von Maass nicht ganz überein (ef. des Autors Fig. 4), vielmehr habe ich durch Vergleich vieler Schnitte den Eindruck gewonnen, daß bei der Individu- alisierung der cehromatischen Elemente auch die Nucleolen verschwinden. Dies scheint von neuem dafür zu sprechen, daß eine Anteilnahme des Nucleolus bezw. der Nucleolen an der Bildung der Chromosomen stattfindet, obwohl natürlich von einem eigentlichen Beweise deshalb keine Rede sein kann, weil bei einer derartigen Deutung immer noch der Einwand bleibt, daß die Nucleolen einfach vom Ooplasma Neue Beiträge zur Kenntnis der Histologie und Entwicklung von Sycon raphanus. 303 resorbiert worden sind. Aus dem in Figur 20 dargestellten Knäuel in der Prophase der ersten Mitose entsteht dann das Stadium der Äquatorialplatte. Die Spindel lag in den mir zur Beobachtung gelangten Fällen teils parallel, teils schräg zu irgend einer peripheren Stelle des Eies (Fig. 21 u. 22). Die Spindelfasern waren deutlich zu sehen und schienen von einem Ende der Spindel bis zum andern zu durchlaufen. Die Chromatinelemente zeigten sich im Gestalt kurzer Stäbchen oder ‚Körner; Centrosomen oder Polstrahlung wurden vermißt. Von weiteren Stadien der Richtungsspindeln gelangte nur noch eines zur Beobachtung. Es ist in den Figuren 23 und 24 abgebildet und zeigt, daß sich die Spindel aus der ursprüng- lichen Lage in eine schräge gedreht hat, sonst aber in nichts von der schon be- schriebenen sich unterscheidet. Außerdem besitze ich ein Präparat, wo der erste Richtungskörper scheinbar in Teilung ist (Fig. 25), sodaß, falls dies die Regel wäre, drei Richtungskörper gebildet würden. Wie aus Figur 26 erhellt, wurden die Richtungskörper nebeneinander der Oberfläche des Eies dicht aufliegend, vor- gefunden. Sie zeigten sich als im wesentlichen aus Chromatin und Kernsaft be- stehende, deutlich durch eine Umhüllung abgegrenzte Gebilde. Das Chromatin trat in manchen Fällen in Gestalt gespaltener Chromosomen auf, während es mitunter ein mehr klumpenartiges Aussehen hatte. Die Frage, ob ein Riehtungskörper nach seiner Bildung im Ei verbleibt, wie es Maass für möglich hält, muß meinerseits zunächst unentschieden bleiben. Indessen mag darauf hingewiesen werden, daß die unregelmäßige tangentiale Lage der Spindel keinen Beweis dafür liefert, denn auch in anderen Tiergruppen wurde eine ursprünglich tangentiale Lage der Riechtungs- spindel beschrieben, welche letztere sich dann erst schräg bezw. radiär einstellt. Weismann und Ischikawa!) haben diese Verhältnisse bei Copepoden wohl zu- erst eingehend gewürdigt; später haben Brauer?) bei Artemia und Blane*) bei der zweiten Richtungsspindel der Forelle sowie Sobotta*) darauf aufmerksam ge- macht. Der letztgenannte Autor hat insbesondere die Vermutung ausgesprochen, daß die Erscheinung sich überall finden dürfte, daß jedoch ein Teil der Autoren hierauf kein Gewicht gelegt hat, während ein anderer Teil derselben die Verhält- nisse mehr oder weniger deutlich erkennbar in den Abbildungen scheinbar unbewußt darstellt (pag. 55). Ausnahmen von der Regel, daß die Richtungskörper an der- jenigen Stelle abgegeben werden, wo später die erste Furche aufzutreten pflegt, kommen auch bei anderen Tiergruppen z. B. den Copepoden (Häcker) sowie nach OÖ. Schulze, Herfort und Henking bei Vertebraten vor, sodaß meine sich hierauf beziehenden Befunde, die sich, wie bereits erwähnt, auch mit denen von Maass bei Spongien decken, nicht vereinzelt dastehen. Die Dauer der Richtungskörper scheint eine sehr kurze zu sein, wenigstens gelang es nicht, sie an dem in zwei Teile geteilten Ei noch vorzufinden. Diese Beobachtung deckt sich auch mit den Abbildungen von F. E. Schulze und Maass, und auch die sonstigen Literatur- angaben berichten über eine sehr verschiedene Dauer der Richtungskörper. Diese sollen sich zuweilen schon bald vom Ei ablösen, während sie in anderen Fällen längere Zeit ihre frühere Lage bewahren und den animalen Pol des Embryos bezeichnen. ı) Weismann und Ischikawa. (Ber. Naturf. Ges. Freiburg i. Br. Bd. III. 1887). 2) Brauer, A. (Arch. f. mikr. Anat. Bd. 43. 1894.) ®) Blanc. (Ber. d. naturf. Ges. Freiburg i. Br. Bd. VIII.) *) Sobotta. (Arch. f. mikr. Anat, Bd. 45. 1895.) 304 Ernst Hammer: Die männlichen Geschlechtszellen. Die Spermatozoen in allen ihren Teilen sicher nachzuweisen, bezw. ihre Genese zu studieren, war mir mangels geeigneten Materials leider nieht möglich. Immerhin bin ich in der Lage, die Angaben von Polejaeff (45) und Görich (13), welche für die von Syeon raphanus wenigstens die einzigen sind, insofern zu bestätigen, als ich im Parenchym eines erwachsenen Sycon neben befruchteten und unbefruch- teten Eiern Gebilde fand, welche den von Polejaeff in der Figur 3f und g ab- gebildeten so völlig gleichen, daß ich nicht zögere, sie mit denselben zu identifizieren und wie dieser Autor als Spermaklumpen zu bezeichnen. Auch konnte ich auf Schnitten durch lebende Syconen und zwar besonders wenn die Schnitteile von dem Objektträger entfernt wurden, wiederholt die Spermatozoen in ihren Bewegungen beobachten, aber auch die beste apochromatische Immersion (2 mm 1,30 Apert) in Verbindung mit den stärksten Kompensationsokularen (12 und 18) gestattete es nicht, mehr als das stark lichtbreehende Kopfende und den äußerst feinen und kurzen Schwanzfaden. zu erkennen. Auf Schnitten durch osmiertes und mit Eisen- hämatoxylin gefärbtes Material zeigte sich dann, daß die Kopfenden das Osmium bezw. «den Farbstoff begierig aufnahmen, ein Umstand, der die Sicherung der Diagnose als Spermatozoen wesentlich erleichtert. Befruchtung. Über das Eindringen des Spermatozoons in das Ei existieren Angaben von Maass (31); ihnen zufolge soll es noch vor völliger Ausbildung des zweiten Richtungs- körpers, die dermale Seite bevorzugend, stattfinden. Die Abbildung, die der Autor gibt, läßt jedoch weder die Richtungskörperbildung noch das Herantreten des Spermatozoons mit wünschenswerter Deutlichkeit erkennen, und bei Berücksichtigung seiner Figur 5 könnte man eher annehmen, daß das Spermatozoon an der gastralen Seite in das Ei eindringt. Wie dem aueh sei, soviel steht fest, daß der Schwanz- faden unmittelbar nach dem Eindringen des Spermatozoons verloren geht, denn in den Befruchtungsstadien, die ich in großer Anzahl zu beobachten Gelegenheit hatte, war keine Spur mehr von ihm zu erkennen. Die bei weitem am häufigsten in die Erscheinung tretenden Stadien lassen vielmehr männlichen und weiblichen Vorkern bereits mehr oder weniger stark aufgequollen erscheinen und zeigen deutlich, wie sie einander entgegenwandern. In den Figuren 26 bis 25 sind diese Verhältnisse dargestellt. Fieran schließt sich unmittelbar das Stadium der Figur 29, welches die Äquatorialplatte erkennen läßt. Die chromatischen Spindelfasern sind zart und können nur bei Anwendung sehr starker Vererößerungen deutlich wahrgenommen werden. Merkwürdig ist die Gestalt der Chromosomen, während diese nämlich bei (ler ersten Furehungsmitose nicht nur bei Asearis megalocephala, sondern fast allen untersuchten Eiern bis zu den Vertebraten hinauf zum Unterschied von denen der Richtungsmitosen, die Gestalt von Schleifen aufweisen, also von den stäbehenförmigen Chromosomen der Riehtungsmitosen so different wie nur irgend möglich sind, ließ sich hier ein solch scharf ausgeprägter Unterschied nicht konstatieren, denn die Chromosomen der Furehungsmitosen zeigten die nämliche Form kurzer Stäbchen oder Körner, wie diejenigen der Richtungsspinden. Während sich im Text der Arbeit von Maass keinerlei diesbezügliche Angaben finden, stimmt doch seine Ab- al SZ Neue Beiträge zur Kenntnis der Histologie und Entwicklung von Sycon raphanus. 305 bildung mit den von mir erhaltenen Bildern so völlig überein, daß ich hierin eine Bestätigung meines Befundes erblicken kann. Bezüglich der Zahl der Chromosomen muß bemerkt werden, daß die Beantwortung dieser Frage eine etwas heikle ist. Maass (31) gibt 16 an, sodaß die Normalzahl 32 betragen würde. Es bedarf keines besonderen Hinweises, wie schwer diese im ersten Augenblick so leicht er- scheinende Aufgabe ist. Mir standen nur einige wenige für die Zählung günstige Fälle zur Verfügung; Herr Geheimrat Schulze sowohl wie ich selbst haben wieder- holt Zählungen vorgenommen, bei denen sich annähernd genau die Zahl 14 ergab. Ich bin weit davon entfernt, diese Anzahl mit voller Sicherheit behaupten zu wollen; vielmehr nötigt mich die Treue meiner Schilderung einzugestehen, daß mitunter auch 16 herausgezählt werden konnten, welcher letzterer Befund, wie bereits er- wähnt, demjenigen von Maass entsprechen würde. Für gewöhnlich kommen jedoch die Chromosomen auf mehrere Schnitte zu liegen und gerade diese Tatsache ist es, welche die Zählung so ungeheuer erschwert, es können daher die erwähnten Be- funde meiner Meinung nach noch nicht als gesichert gelten, vielmehr sind neue gelegentliche Zählungen mindestens sehr wünschenswert. Die erste genau im Zentrum des Eies liegende Furchungsspindel zeigt namentlich bei Färbung mit Heidenheinschem Hämatoxylin an jedem Pole ein kleines ziemlich scharfes Gebilde, welches als Centrosoma zu bezeichnen ich keinen Anstand nehme; indessen war Polstrahlung, wenn überhaupt, nur ganz undeutlich zu erkennen, sodaß auf diesen Befund keinerlei Gewicht gelegt werden kann. Es erübrigt sich noch zu erwähnen, daß die Spindel innerhalb eines helleren, von Dotterbestandteilen ganz freien Hofes liegt. Den Vorgang der Längsspaltung der Chromosomen, der sicherlich in der Äquatorialplatte stattfindet, habe ich nicht direkt beobachten können. Das nächste beobachtete Stadium (Fig. 29) stellt die beginnende Metakinese nach Längsspaltung der Chromosomen dar. Die Abbildung erläutert sich im übrigen von selbst. Das Stadium des Dyasters in Figur 30 und 72 wurde wiederholt beobachtet; es zeigt insbesondere die bedeutende Länge der achromatischen Verbindungsfäden der mitotischen Figur. Jetzt in diesem Stadium fängt das stark ellipsoide Ei an sich zu furchen, indem von beiden Seiten her die Teilungsebene durchschneidet; die Verbindungsfäden sind jetzt noch zu erkennen. Die Chromosomen jeder Hälfte der ursprünglichen karyokinetischen Figur bleiben entweder noch eine zeitlang in ihrer plattenartigen Anordnung liegen, oder bilden sich alsbald zu den Kernen der beiden ersten Blastomeren um. Sie stellen jetzt ziemlich diehte oder auch lockere (Fig. 32) Knäuel dar, die lebhaft an die Knäuel der gewöhnlichen Mitosen erinnern. Um jeden Knäuel herum findet sich mitunter ein heller Fleck, ohne erkennbare Struktur. Um diese Zeit ist die vollständige Trennung der beiden Blastomeren bewirkt. Aus den Fadenknäueln entwickeln sich nun die ruhenden Kerne. Sie sind ziemlich groß und enthalten seltener einen, meist 2—3 nicht sehr intensiv färbbare Nucleolen, außerdem auf das Kerngerüst und die Kernmembranen verteiltes Chromatin. Die beiden bei der ersten Furchungsteilung entstandenen Blastomeren haben zunächst; keine Kugelform, sondern sind vielmehr ziemlich stark abgeplattet (Fig. 35), jedoch nicht so stark, daß sie halbkugelig gestaltet werden. Bereits F. E. Schulze (51) hat darauf hingewiesen, daß die beiden ersten Furchungszellen etwa abgerundeten Kegelhälften gleichen, sowie auch darauf, daß solche ersten Furchungsstadien von 306 Ernst Hammer: verschiedenen Seiten her betrachtet, die beiden jungen Zellen nicht nur an der Seite, mit welcher sie aneinanderstoßen, sondern auch an derjenigen Seite, welche sie dem nahen Entodermrohr zukehren, abgeflacht erscheinen lassen, daß aber die entgegengesetzte vom Radialtubus abgewandte Seite etwas konisch verjüngt ist. Ich kann diese Angabe in allen Punkten bestätigen. Das Protoplasma der Eizelle, sowie die deutoplasmatischen Bestandteile verteilen sich etwa gleichmäßig auf die beiden ersten Blastomeren. Ein Größenunterschied ist daher auch zuerst nicht zu konstatieren (Fig. 32). Im Verlaufe der Entwicklung jedoch nimmt eine der beiden Blastomeren allein an Größe zu (Fig. 34) und zeigt dabei manchmal eine deutlich hellere Färbung. Nach mehr oder weniger langem Verweilen der Kerne im Ruhe- stadium verlieren dieselben wieder ihre Nucleolen, und es geht aus dem Kern eine mitotische Teilungsfigur hervor, die mit ihrer Achse in der größten Ausdehnung der Furchungskugel, also parallel der ersten Furche, steht (Fig. 31). Die karyokinetische Figur ist kleiner als die erstere, weicht aber sonst von dem Typus derselben nicht ab. Häufig kommt es vor, daß während die eine der beiden Blastomeren sich teilt, die andere noch einen ruhenden Kern aufweist; einige Male wurden beide Zellen in Teilung beobachtet, aber in verschiedenen Phasen derselben (Fig. 51, 54 u. 73), einmal auch beide Zellen in annähernd gleicher Phase (Fig. 33). Auch der Größen- unterschied der beiden Blastomeren ist nicht konstant. Das Resultat der zweiten Teilung ist das Vierzellenstadium, in welchem ich übereinstimmend mit den An- gaben F. E. Schulzes (51) die erste Anlage der Furchungshöhle erkennen konnte (Fig. 36 u. 37). Von weiteren Furchungsstadien soll nur noch das Achtzellen- stadium (Fig. 38 u. 39) Erwähnung finden und zwar deshalb, weil auch dieses in überaus deutlicher Weise erkennen läßt, daß die einzelnen Zellen bezw. Kerne in verschiedensten Phasen der Mitose begriffen sein können. Im übrigen ist die Furchung dureh die Untersuchungen von F. E. Schulze (51) so genau bekannt geworden, daß ich hier nicht länger dabei zu verweilen brauche, sondern einfach auf die genannte Arbeit verweisen kann. Die freischwimmende Larve des Amphiblastulastadiums. Als das Resultat des befruchteten und gefurchten Eies haben wir die eiförmige, oft seitlich abgeplattete, aus zwei differenten Zellenlagern sich zusammensetzende Amphiblastulalarve anzusehen, welche, wie wir durch die Untersuchungen F. E. Schulzes (51) (pag. 277) wissen, den größten Teil ihrer Entwicklung in einer von Zellen des Parenchyms umschlossenen Höhle durchmacht. In derselben konnten wiederholt selbständige Drehungen der lebenden zum Ausschwärmen bereiten Larven beobachtet werden. Die Wahrscheinlichkeit derartiger Bewegungen, welche bisher noch nicht direkt wahrgenommen wurden, nahm bereits F. E. Schulze (51) (pag. 271) an und zwar aus dem Umstande, daß „während bis dahin stets das dunkel- körnige Zellenlager dem Radialtubus zugewandt war, man von jetzt an die Larve in sehr verschiedenen Stellungen, gewöhnlich sogar mit dem hellen konvexen Zellen- lager dem Radialtubus zugewandt, in der Kapsel antrifft.“ Mit Bezug auf die bindegewebige Kapsel sei hervorgehoben, daß zu der Zeit, wo die die Kapsel um- schließenden, inzwischen flachgewordenen Zellen einen epithelartigen Charakter zeigen, sie auch ein wirkliches Epithel mit deutlichen Zellgrenzen darstellen. An Neue Beiträge zur Kenntnis der Histologie und Entwicklung von Sycon raphanus. 307 der Amphiblastulalarve läßt sich eine anteriore, aus bewimperten, radiär gestellten und dicht aneinander gedrängten prismatischen Zellen sowie eine posteriore, aus viel größeren granularen, abgestutzte breite Pyramiden darstellenden Zellen bestehende Region unterscheiden. Auf Paraffinschnitten fand ich besonders da, wo eine Invagination der dunkelkörnigen Zellenhälfte gegen die bewimperte (Pseudo- gastrulation) erfolgt war, die schon wiederholt erwähnte Kapsel der ersteren so dicht anliegend, daß, worauf bereits an anderer Stelle (16) (pag. 271) von mir hin- gewiesen wurde, der Gedanke an eine durch Druck seitens der umgebenden Kapsel hervorgerufene Invagination nahelag. Wenn nun auch einerseits durch diesen Be- fund für die im mütterlichen Organismus so häufig anzutreffenden und von den ver- schiedensten Spongienforschern noch heute verschieden gedeuteten Pseudogastrulae eine annähernd befriedigende Erklärung gegeben sein mag, so bezieht sich anderer- seits letztere nicht auf die sowohl von F. E. Schulze als auch mir selbst beob- achteten Pseudogastrulationen während des freischwimmenden Stadiums. Ob diese merkwürdigen Einstülpungen mit darauffolgenden Wiederhervorwölbungen der dunkel- körmigen Zellenhälfte in der von F. E. Schulze (53) angedeuteten Weise sich auf nachträgliche, wahrscheinlich durch ungewöhnliche Spannungs- oder Diffusionsver- hältnisse oder sich vielleicht noch direkt von der früher bestandenen Invagination ableiten, wird sich schwer entscheiden lassen; eines scheint mir indessen festzu- stehen, daß die Pseudogastrulationen für den weiteren normalen Entwieklungsgang keine wesentliche Bedeutung haben, wenn es auch noch heute nicht an Forschern fehlt, welche, soweit sie unserm Schwamme überhaupt das Gastrulastadium zuer- kennen, dieses in der Pseudogastrula zu erblicken geneigt sind. Die von mir lebend beobachteten Larven schwärmten in der Zeit von März bis Dezember aus. Die weitaus größte Anzahl von Larven lieferten die Syeonen in den Monaten April, Mai, Juni sowie in der zweiten Hälfte des September. Nach dem Ausschwärmen bewegen sich die Larven unter beständigem Rotieren um und in der Richtung ihrer Längsachse rasch durch das Wasser, den Geißelzellenpol nach vorn, den dunkel- körnigen nach hinten gerichtet. Eine umgekehrte Bewegungsrichtung wurde niemals wahrgenommen. Bei der Beobachtung im hängenden Tropfen war es mir möglich, alle die von F. E. Schulze (53) in völlig erschöpfender Weise geschilderten morphologischen Veränderungen der Amphiblastulalarve bis ins Detail zu verfolgen, ohne daß ich in der Lage wäre, ihnen wesentlich Neues hinzuzufügen. Sehr interessant ist das Verhalten der ausgeschwärmten Larven in der großen Glas- schale; hier zeigen sie eine Anzahl von Erscheinungen, über die kurz berichtet werden soll. Es ist dies die Neigung, sich an feste Körper oder an die Oberfläche des Wassers zeitweilig festzuankern, jedenfalls um in dieser fixierten Lage aus- zuruhen. In diesem Stadium können die Larven ganz normaler Weise kürzere oder längere Zeit hindurch verharren, ohne daß an ihnen sonstige wesentliche Ver- änderungen vor sich gehen; nach einiger Zeit lösen sich die so verankerten Larven wieder los, um eine Zeitlang sich frei zu tummeln und sich dann an einem anderen Punkte festzusetzen. Anfangs war ich geneigt, dieses zeitweilige Festheften der Larve mit dem bevorstehenden Gastrulationsprozeß in Verbindung zu bringen. An der Hand sehr vieler Beobachtungen wurde es mir jedoch schließlich zur Gewißheit, daß dieses temporäre Festheften mit dem Prozeß der Gastrulation nichts zu tun 308 Ernst Hammer: hat, sondern einfach ein Ruhestadium darstellt. Man kann sich davon unschwer überzeugen, wenn man eine jener Larven, welche das eben geschilderte Verhalten längere Zeit hindurch erkennen ließen, aus dem Aquarium (Glasschale) in den hängenden Tropfen bringt. Anstatt daß diese, wie ich es unsprünglich erwartete, ja sogar hoffte, bald zur Gastrulation gelangte, schwamm sie vielmehr stets noch einige Stunden, unter Umständen die ganze Nacht, mehr oder weniger lebhaft herum, um dann erst die Invagination mit darauffolgender definitiver Festsetzung einzugehen. Es lag nun nahe, festzustellen, inwieweit sich dieses temporäre Festsetzen von dem definitiven unterscheidet; namentlich drängte sich mir die Frage auf, wie sich die Zellen der Amphiblastula bezw. die Geißeln dabei verhalten mögen. Leider standen mir nach dieser Richtung hin außer der gewöhnlichen Lupe keine genügenden optischen Hilfsmittel zur Verfügung, und so konnte bei der außerordentlichen Klein- heit der Objekte diesen Fragen leider nicht nähergetreten werden. Indessen er- weckten Befunde an dünnen Schnitten durch in Paraffin eingebettete Larven die Vermutung, daß bereits bei diesem temporären Festsetzen der Larven die dunkel- körnigen Zellen in hervorragender Weise beteiligt sind, indem sie bereits um diese Zeit die Fähigkeit besitzen, Pseudopodien auszusenden und damit amöboide Gestalt anzunehmen (Fig. 42). Hier muß ich K. Heiders (17) entwicklungsgeschichtlicher Studie an Oscarella gedenken, welche letztere, abgesehen von so vielen andern Punkten, in denen sie der Syconenentwicklung ähnelt, ganz besonders in dem zuvor von mir beschriebenen Verhalten der freien Larven ihr Analogon findet; allerdings unterscheiden sich Heiders Befunde von den meinigen insofern, als nach seinem Dafürhalten „das Festheften der Larven um so häufiger ausgeführt wird, je mehr sich die Larven dem Prozesse der Gastrulation nähern“, während ich mich bei den Embryonen von Sycon raphanus von einem derartigen ursächlichen Zusammenhange nicht habe überzeugen können. Und noch in einem zweiten Punkte, nämlich mit Bezug auf die Frage, ob bei dem temporären Festsetzen der Larve Pseudopodien ausgesandt werden, die ich im bejahenden Sinne beantworten zu können glaube, weichen meine Befunde von denen Heiders ab, nach dessen Darstellung die Zellen der Blastosphaera, welche ausschließlich von hohen prismatischen Geißelzellen ge- bildet werden, „normaler Weise keine Pseudopodien auszusenden und ihre Form überhaupt nur wenig zu verändern scheinen.“ Zur Histologie der Amphiblastulalarve. An feinen Schnitten, welehe mit Eisenhämatoxylin gefärbt sind, lassen sich zunächst ohne irgend welche Schwierigkeiten die beiden differenten Zellenhälften der Larve erkennen. Fassen wir zunächst die bewimperten Zellen ins Auge. An ihnen tritt auch nach Behandlung mit den verschiedensten Reagentien das Larven- pigment in einer den Verhältnissen am lebenden völlig entsprechenden Weise in die Erscheinung. In den Arbeiten von Lieberkühn (26), ©. Schmidt!) und Haeckel (14) wird dasselbe als ein feinkörniger detritusartiger brauner Inhalt der Zentralhöhle der Larve bezeichnet, während F. E. Schulze das Vorhandensein eines solehen in der Furchungshöhle in Abrede stellte, damit die Vermutung ver- bindend, daß jene Forscher mit dem detritusartigen Inhalt wahrscheinlich die fein- körnige braune Masse meinten, welche sich in dem inneren zentralen Teile sämt- j 1) 0. Schmidt. Zur Orientierung über die Entwicklung der Schwämme. Zeitschr. f. wiss. Zoologie. Bd. XXV. Suppl. Neue Beiträge zur Kenntnis der Histologie und Entwicklung von Sycon raphanus. 309 licher prismatischer Geißelzellen findet (51 pag. 272). Da auch Minchin (39) in seiner Darstellung über die Entwicklung von Zeucosolenia varıabilıs, deren frei- schwimmende Larve nach den Angaben dieses Forschers ganz besonders mit Bezug auf das Pigment sich genau so verhält wie die Amphiblastula von Sycon raphanus, die Lage in einer wie mir scheint mit meinen Befunden sich nicht ganz deckenden Weise beschreibt, pag. 43 „The centre of the transparent larva is occupied by a conspicuous mass of yellowish-brown pigment“, so möchte ich hier nochmals aus- drücklich darauf hinweisen, daß das Larvenpigment wenigstens bei Sycon raphamus ausschließlich in dem Inneren d. h. dem Zentrum der Larve zugewandten Ab- schnitte der prismatischen Geißelzellen, aber nieht in der Furchungshöhle, angetroffen wird. Bei ausschließlicher Beobachtung lebender Larven ist es in der Tat nicht ganz leicht, bestimmte Angaben über die Lokalisation des Pigmentes zu machen; dagegen tritt dieselbe um so deutlicher an wohlgelungenen Schnittpräparaten hervor. Hinsichtlich der Ausdehnung des Pigmentes sei den Ausführungen von F. E. Schulze (51) pag. 272 gegenüber bemerkt, daß es zwar an lebenden sowie in toto ge- färbten Larven den Anschein hat, als bestünde der etwa die Hälfte der ganzen Zelle ausmachende innere zentrale Teil aus der schon mehrfach erwähnten fein- körnigen Masse; aus Figur 40 und 41, welche einen Schnitt darstellen, geht jedoch wohl eher hervor, daß das Pigment im wesentlichen auf das innerste Drittel, d.h. den basalen Teil der bewimperten Zellen beschränkt ist. Auch habe ich die Kerne dieser Zellen, abweichend von den Angaben F. E. Schulzes, nicht in dieser bräunlichen Masse (51 pag. 273), sondern mehr apical, also nahe dem Übergange von Endoplasma in Ektoplasma etwas nach außen von der Mitte angetroffen. An dieser Stelle muß auf die Frage, ob überhaupt ein vom granularen Endoplasma scharf zu trennendes helleres körnchenfreies Ektoplasma in allen Fällen unter- schieden werden kann oder nicht, etwas näher eingegangen werden. Trotz Beob- achtung unendlich vieler lebender Larven war ich lange Zeit hindurch nicht imstande, mir hierüber klar zu werden, und es scheinen in der Tat diese Verhältnisse bei den verschiedenen Embryonen nicht immer die gleichen zu sein. So konnten denn auch, abgesehen von dem braungelben Pigment, nicht regelmäßig zwei differente Regionen unterschieden werden, ja es kamen mir wiederholt Geißelzellen zu Ge- sicht, welche gerade in ihren äußeren abgestutzten oder ein wenig vorgewölbten Endflächen granular erschienen, während der innere Teil der Zellen körnchenfrei und hell war (Fig. 41). Nach Minchin (39) ist dies bei den Larven von LDeuco- solenia die Regel. Er sagt (pag. 43): ... ., „the body of the cell is divided into an internal refraetile portion and an external granular portion. These two portions of ihe cell are so distinet in the living object that a superficial examination gives the impression of an internal layer of refractile cells covered by an external granular layer, but by more careful investigation it is easy to make out that these two apparent layers are merely parts of a single layer of cells.“ Auch das Studium von Schnitten bereitete dem Entscheid Schwierigkeiten; zumal die Einwirkung der Reagentien mit Bezug auf das Plasma sehr verschiedene Bilder hervorruft, wie ja auch in manchen Schnitten das Pigment genau wie im Leben, während es in anderen nicht einmal andeutungsweise erhalten ist. Immerhin glaube ich mich jetzt, und zwar auf Grund ausgezeichneter mir vorliegender Präparate 310 Ernst Hammer: dafür entscheiden zu müssen, daß der Körper der bewimperten Zellen unserer Larve in einen mehr oder weniger von Granula erfüllten endoplasmatischen sowie einen helleren ektoplasmatischen Teil geschieden wird (Fig. 40, 75 u. 77). Großes Interesse wurde von jeher der Frage geschenkt, ob die Geißelzellen unserer Larve einen deutlich entwickelten Kragen, etwa so wie er nach Heiders Befunden den Geißelzellen der Oscarellalarve zukommt, aufweisen. Die ersten Angaben über das Vorkommen von Kragenzellen bei Spongienlarven früher Stadien finden sich bei Haeckel (14), 1. Bd. pag. 335, der gelegentlich der Beschreibung der von ihm für die Gastrula und Planogastrula der Caleispongien gehaltenen Stadien von den Geißelzellen (Exodermzellen nach Haeckel) dieser bewimperten Larven folgende Darstellung lieferte: „An dem distalen, äußeren Ende ist jede Geißelzelle mit einem trichterförmigen oder zylindrischen Kragen (einem röhrenförmigen Fortsatz des hyalinen Exoplasmas) versehen, in dessen Achse die Basis des Geißelfadens sich befindet. Dieses Flagellum ist äußerst fein, bald ebenso lang, bald mehrmals länger als die Geißelzelle, aus deren körnigen Endoplasma seine Basis hervorgeht. Die Struktur der Geißelzellen des Exoderms ist demnach bei der Gastrula ganz ähnlich, wie diejenige der Geißelzellen des Entoderms bei dem ausgebildeten Kalk- schwamm.“ Ferner wurde von O. Schmidt pag. 129 an der Amphiblastula von Sycon raphanus das Vorkommen von Kragenzellen beschrieben. Dieser Forscher hebt jedoch besonders hervor, daß „auch an den frischesten Embryonen der Kragen- oder Randtrichter der Zellen, aus dessen Grunde die Geißel entspringt, nicht so tief ist, wie Haeckel ihn abbildet: oft sei er garnicht vorhanden, oft nur als eine ganz schwache Einsenkung, dasselbe gilt vom Kanalepithel.“ Die Beobachtungen von Haeckel und O. Schmidt über das Vorkommen von Kragenzellen bei Calei- spongienlarven wurden von Saville Kent!) pag. 140 durch eigene Beobachtungen an Grantia compressa bestätigt. Aus den Abbildungen auf Tafel 6 geht jedoch, worauf schon Heider (17 pag. 13) aufmerksam machte, was aber hier als zur Sache gehörig wiederholt werden muß, ganz evident hervor, daß dem Autor abnorme Entwicklungsstadien vorlagen; in der Tat weisen die Abbildungen einen so mäch- tigen Kragen an den Geißelzellen der Larven auf, daß, wie K. Heider sehr richtig bemerkt, es schwer verständlich erscheint, „wie derselbe den zahlreichen Unter- suchern der Caleispongienentwicklung entgangen sein konnte.“ Ich habe bei meinen ausgedehnten Untersuchungen an lebenden Larven, Totalpräparaten und ganz be- sonders an Schnitten auf etwaige kragenartige Bildungen geachtet, bin jedoch nach oft wiederholter sorgfältiger Prüfung meiner Präparate zu dem Resultat gelangt, daß den bewimperten Zellen unserer Larve ein Collare in Gestalt der für die ein- zelnen Choanocyten des erwachsenen Schwammes charakteristischen abgegrenzten Territorien nicht zukommt. Die Kerne, welche bereits Erwähnung fanden, zeigen wenn sie in ihrer Längs- achse getroffen werden, stets birnen- bezw. zwiebelförmige Gestalt. In einer An- zahl von Fällen waren Binnenkörper sichtbar. Das bei weitem interessanteste Ver- halten aber an den bewimperten Zellen der Larve zeigen die Geißeln. Diese sitzen nämlich nicht etwa dem Ektoplasma auf, sondern man kann bei Anwendung sehr starker Vergrößerung eine Fortsetzung der Geißeln in das Innere der Zellen bis ') W. Saville Kent. Ann. and Mag. of Nat. Hist. II. 1878. Neue Beiträge zur Kenntnis der Histologie und Entwicklung von Sycon raphanus. 311 zu dem Kern auf das deutlichste verfolgen. Die Geißel reicht jedoch nicht, wie es Minchin (39) beschreibt und in seiner Figur 3 abbildet, bis an den Kern, sonder es sitzen den birn- bezw. zwiebelförmigen Kernen kleine runde, mit Eisen- hämatoxylin sich intensiv färbende Anschwellungen, Blepharoplasten, auf, in welche dann die Flagellen eingepflanzt sind. Sehr merkwürdig waren ferner Befunde an Längs- und Querschnitten durch die Geißelzellenhälfte freischwimmender Larven; hier zeigten nämlich die Blepharoplasten mehr die Gestalt kleiner Stäbchen, welche sich in Fäden fortzusetzen schienen, eine Tatsache, die den Gedanken an eine seit- liche Verbindung der ersteren schon wegen der eventl. daraus resultierenden physiologischen Bedeutung nicht ganz unberechtigt erscheinen läßt. Auch Herr Creheimrat Sehulze, der die Präparate (Fig. 43 u. 75) gesehen hat, gab mir nach eingehender Prüfung derselben zu, daß meine Annahme sich sehr wohl als richtig herausstellen könne. Bei den großen Mengen von Larven, die ich mikrotomierte, gelang es dadurch, daß sie ihrer Kleinheit wegen nicht orientiert werden konnten, leider nicht, die Geißelzellen so zu treffen, als daß sich die vermutete Verbindung «ler Blepharoplasten sicher hätte nachweisen lassen. In einer unlängst erschienenen Arbeit von R. Goldschmidt (Lebensgeschichte der Mastigamöben. Mastigella vitrea n. sp. und Mastigina setosa n. sp. Arch. f. Protistenk. Suppl. I. Festband zum 25jährigen Profess. Jubiläum von R. Hertwig) sagt dieser Forscher auf pag. 113, daß er im gefärbten Präparat stets von dem in der Geißelwurzel liegenden Knöpfchen einen fein gefärbten Faden (Wurzelfaden) Fig. 47b abgehen sah, der an günstigen Präparaten, wie in Fig. 43wu, weit in das Plasma hineinverfolgt werden konnte. Es bedarf wohl kaum eines Hinweises, daß der eben zitierte Befund Goldsehmidts eine auffallende Ähnlichkeit mit der oben von mir beschriebenen Geißelstruktur verrät. Auf eine weitere Übereinstimmung der Geißelinsertion in den Choanoeyten mit derjenigen primitiver Flagellaten (Protomonadinen) soll weiter unten kurz ein- gegangen werden. Die Blepharoplasten sind übrigens auch an den lebenden Larven, natürlich nur bei Anwendung sehr starker Systeme und genauer Einstellung wahrnehmbar. In dieser Hinsicht ist eine Stelle aus F. E. Schulzes Arbeit (53) (pag. 273) be- merkenswert: „Inmitten der oft ein wenig hügelig vorgewölbten freien Endfläche glaubt man bei oberflächlicher Betrachtung ein dunkles, stark glänzendes Körnchen zu sehen. Bei genauer Einstellung und Anwendung starker Vergrößerungen über- zeugt man sich aber bald, daß dieses scheinbare Körnchen dem Insertionspunkt der langen schwingenden Geißel entspricht, welche eine jede dieser Zellen trägt, und daß es nichts ist, als eine kleine konische oder knopfförmige Erhebung des Zellenkörpers, welche direkt in den Geißelfaden übergeht.“ Es ist sehr wahr- scheinlich, daß die kleine konische oder knopfförmige Erhebung unserem Blepharo- plasten entspricht; allerdings konnte F. E. Schulze die Verbindung zwischen Geißel und Kern vermittelst des zwischen beide eingeschalteten Basalkörperchens nicht nachweisen. Es erübrigt sich nun noch, das Plasma der bewimperten Zellen zu besprechen. Das Ektoplasma insoweit es deutlich hervortritt, ist im Leben von elasheller hyaliner Beschaffenheit, erscheint aber mitunter fein granuliert, wodurch 1) Der Name „Blepharoplast“ stammt von Webber (Botanical Gazette Vol. XXIV) und wurde für die Basalkörperchen der tierischen Flimmerzellen von Studnicka (61) angewendet. 312 Ernst Hammer: dann der Unterschied zwischen Ekto- und Endoplasma verwischt wird. Der bei weitem größte Teil der prismatischen Zellen besteht aus Endoplasma, welches sich stark granuliert zeigt und auch das in Körnerform eingelagerte Pigment aufweist (Fig. 40, 41 und 43). Bei den um vieles größeren, im Leben so dunkelkörnig erscheinenden Zellen der posterioren Zellenhälfte fallen vor allem die bläschen- förmigen, runden oder mehr länglich amöboiden Kerne mit einem oder mehreren stark färbbaren Kernkörpern (Fig. 40, 41 u. 74) auf. Nachdem wir so unsere frei- schwimmende Larve in ihrer histologischen Beschaffenheit kennen lernten, muß nunmehr noch auf zwei weitere wichtige Fragen eingegangen werden. Es wird nämlich zu erörtern sein, ob: 1, an notorisch älteren freischwimmenden Amphiblastulalarven außer den bereits ausführlich beschriebenen zwei Zellsorten noch weitere unterschieden werden können, bezw. was damit in innigem Zusammenhange steht, ob 2. die Amphiblastulalarve während des freischwimmenden Stadiums histologische Veränderungen durchmacht. Der erste, welcher diesbezügliche Angaben machte, war Metschnikoff (36) (pag. 368). Er äußert sich wie folgt: „Bei den älteren Larven bleibt der hintere geißellose Teil nicht so einfach, wie man es auf früheren Stadien vorfindet. In seinem Innern findet man einen Hohlraum, welcher den ganzen Abschnitt in zwei Schichten sondert. Einige Male sah ich diesen Hohlraum bedeutende Dimensionen annehmen, während die beiden denselben begrenzenden Schichten je aus einer ein- zigen Reihe geißelloser Zellen bestanden, Bei anderen Larven fand ich dagegen den hinteren Abschnitt stark aufgetrieben, wobei der innere Hohlraum fast gänzlich mit kleineren Zellen ausgefüllt war, während die Außenschicht aus einer dünnen Epithellage zusammengesetzt erschien (Fig. 11 und 12). Wenn man solche Stadien mit den vorher beschriebenen zusammenstellt, so kommt man leieht zu dem Schluß, daß von den beiden Schichten des geißellosen Larvenabschnittes es der obere ist, welcher den erwähnten inneren Zellenhaufen darstellt, während der untere sich zur Epidermis gestaltet. Diesen Zellenhaufen kann man als Mesoderm deuten, wie es solche Larven beweisen, wo in demselben sich mehrere Nadeln vorfinden (Fig. 13). Ich will nicht behaupten, daß die von mir beschriebenen Stadien durchaus normale sind; ich glaube vielmehr, daß sie uns eine sehr verfrühte Bildung des Mesoderms resp. der Nadeln repräsentieren, welcher Vorgang aber mit dem normalen qualitativ ganz ähnlich verläuft. Wenigstens habe ich auch an voll- kommen regelmäßig und normal ausgebildeten Stadien eine, wenn auch bei weitem nicht so stark ausgebildete Mesodermanlage wahrgenommen (Fig. 7 und Sm).“ Während die Angaben von Metschnikoff sich nur auf Beobachtungen an lebenden Larven stützen, und besonders zu der Frage nach dem Vorhandensein bezw. der Herkunft des „Mesoderms“ in Beziehung stehen, immerhin aber auf das Vorkomm a von dreierlei Zellsorten innerhalb der freischwimmenden Larve hinweisen, hat neuer- dings Minchin (41) (pag. 51—52) sowie pag. 75 auf Grund seiner Beobachtungen an Leueosolenia sowie unter Berücksichtigung der Abbildungen von Barrois (1) bei Sycon und Grantia sowie denen Dendys (8) und F. E. Schulzes (51) be- hauptet, daß auch die Amphiblastulalarve von Syeon raphanus aus prismatischen bewimperten Zellen am anterioren Pole, runden nicht bewimperten am posterioren Neue Beiträge zur Kenntnis der Histologie und Entwicklung von Sycon raphanus. 313 Pole und einer zentralen Masse granularer Amöbocyten (pag. 76) bestehe. Eine Seite vorher (pag. 75) werden diese Zellen als Archäocyten bezeichnet. Ein Ver- gleich des von Minchin (41) gegebenen Berichtes mit demjenigen F. E. Schulzes (51) lehrt, daß ersterer Forscher die in Fig. 17, Taf. 20 von letzterem gezeichneten acht sehr dunkelkörmnigen Zellen nicht wie dieser als die zukünftige Dermalschicht bezw. die Körnerzellen, sondern für eine besondere Zellenart, nämlich die Archäo- eyten ansieht, welche zunächst zwar, entsprechend den Angaben F. E. Schulzes, einen mehr abgeflachten Teil der kugelig gewölbten Oberfläche bilden, später aber in das Innere der Furchungshöhle geraten, diese letztere beinahe ausfüllen, während sie selbst von der überwiegenden Mehrzahl der bewimperten Zellen eingeschlossen werden. Minchin nennt dies zwar das sogenannte Pseudogastrulastadium; dieses stellt jedoch, obwohl er es nicht als Gastrula deutet, nach seiner Ansicht kein für die Weiterentwicklung belangloses Stadium dar, sondern es geht aus ihm unmittelbar die Amphiblastulalarve dadurch hervor, daß die bewimperten Zellen der Reihe nach am posterioren Pole beginnend, ihre Geißeln einziehend, sich zu runden nicht bewimperten Zellen umwandeln und dotterreich werden. Es entstehen also nach Minchins (41) Ansicht die granularen Körnerzellen, nicht wie es F. E. Schulze (51) beobachtet hat, durch Teilung der acht Granularenzellen, sondern „the number of non-eiliated cells, at first small, inereases the two kinds contribute to the com- position of the embryo in about equal proportions“ (pag. 44). Minchins „central mass of granular amöbocytes or archäocytes“ (pag. 47) soll bei der Metamorphose mit dem Larvenpigment ausgestoßen werden. Maass (32), der gleichfalls dieser Frage seine Aufmerksamkeit geschenkt hat, sagt (pag. 218): „die Larve von Sycandra setosa ist vom bekannten sogenannten Amphiblastulatypus und besteht aus zwei Sorten von Zellen, Geißelzellen an der vorderen, Körnerzellen an der hinteren Hälfte. Wenn noch weitere Zellarten in ihr unterschieden werden können, so bilden diese doch keine besondere Kategorie, sondern sind frühzeitige Differenzierungen von Körnerzellen, insbesondere Spieulabildner, die manchmal in größerer Menge schon in der freien Larve sich unter den Körnerzellen aussondern.“ Nach diesen Literatur- angaben, welche ich der Orientierung wegen in möglichst vollständiger Form zu bringen mich bemühte, will ich nunmehr meine eigenen hierauf sich beziehenden Beobachtungsergebnisse mitteilen. Allem voran muß bemerkt werden, daß Beob- achtungen an lebenden Larven nicht ausreichen, um die hier in Rede stehenden Fragen ihrer Lösung näher zu bringen. Meine Ausführungen stützen sich daher vorwiegend auf Befunde an Schnitten durch mit Osmium bezw. Osmiumgemischen fixierte und mit Eisenhämatoxylin oder Pikromagnesiakarmin gefärbte Larven. Im allgemeinen stellt sich die Amphiblastula hinsichtlich ihres histologischen Aufbaues so dar, wie sie oben beschrieben wurde, d. h. es sind an ihr zweierlei Zellsorten zu unterscheiden, prismatische, bewimperte Zellen, welche die eine Hälfte und. größere nicht bewimperte Zellen, welche die andere Hälfte des Larvenkörpers aus- i machen. Nachdem mir lange Zeit hindurch nur so beschaffene Larven zu Gesicht kamen, begegneten mir später auch solche, welche einen von dem Amphiblastula- typus etwas abweichenden Charakter zu tragen schienen. Die von mir erhaltenen Bilder entsprachen in mehr oder minder modifizierter Form der Figur 41, welcher, da sie sich von selbst erläutert, wenig hinzuzufügen ist. Es hatte den Anschein, als 314 Ernst Hammer: wenn hier eine der Körnerzellen aus dem Körnerzellenlager auswanderte, um so vielleicht die ersten Zellen der mittleren Schicht (altes Mesoderm) darzustellen. Schon früher (16) (pag. 272) wurde meinerseits auf diesen Befund unter gleich- zeitiger Demonstration eines diese Verhältnisse zeigenden Präparates hingewiesen. Damals konnte ich noch daran denken, daß diese meine Beobachtungen sich mög- licherweise mit denen von Metchnikoff (36) in Einklang bringen ließen; indessen bin ich heute, obwohl ich an der Tatsache, daß sich in der Furchungshöhle älterer freischwimmender Larven mitunter eine von den übrigen Körnerzellen scheinbar losgelöste vorfindet, nach wie vor festhalte, weniger als je geneigt, den mitgeteilten Befunden größeren Wert beizumessen, nachdem das Studium einer großen Anzahl von Schnitten in mir die Vorstellung erweckt hat, daß man es in den oben ge- schilderten Fällen einer Einwanderung von Körnerzellen in die Furchungshöhle, wohl mit nicht ganz normalen Stadien zu tun hat. Wahrscheinlich handelt es sich um weiter nichts als um ein Überbleibsel einer früher bestandenen Invagination der dunkelkörnigen Zellen gegen das Geißelzellenlager, wie sie auch außerhalb des Muttertieres nach F. E. Schulze (53) und Barrois (1) sowie meinen eigenen Beobachtungen keineswegs selten vorkommen. Die Bildung von Nadeln (Ein- strahlern) während des freischwimmenden Stadiums habe ich niemals, weder an lebendem noch an konserviertem Material beobachtet, während andere Forscher dlarüber berichtet haben. Wie dem auch sei, scheint mir dieser Vorgang der Nadel- bildung stets ein Abweichen von der Norm zu bedeuten und nur ganz ausnahms- weise vorzukommen. Somit setzt sich nach meinen Erfahrungen, worauf nochmals hingewiesen sei, die Amphiblastula nur aus den schon oft erwähnten, oben aus- führlich beschriebenen Zellensorten zusammen. Ganz besondere Aufmerksamkeit richtete ich bei meinen Untersuchungen auf den Befund Minchins (41), nach dessen Ansicht wie bereits erwähnt, die dunkelkörnigen Zellen nicht, wie Schulze (51) annimmt, ein Produkt der Teilung sind, sondern vielmehr dadurch entstehen sollen, daß Geißelzellen der Larve vom hinteren Pole beginnend, ihre Geißel einziehen und unter gleichzeitiger Bildung von Granula ihren Plasmaleib abrunden und ver- größern. Eine derartige Umwandlung von Geißelzellen in Körnerzellen findet, wie ich versichern zu können glaube, bei Sycon raphanus während der Larvenperiode nicht statt, und es kann die Richtigkeit dieser Beobachtung nicht besser als unter Hinweis auf die Figur 1 von F. E. Schulze (53) sowie meine Figuren 40, 74 und 75 nachgewiesen werden. Aus denselben geht ganz evident hervor, daß die Abgrenzung des Körnerzellenlagers gegen das Greißelzellenlager eine durchaus scharfe ist, und es hat sich für das Vorkommen von Übergangs- formen in Gestalt der von Minchin (39) beschriebenen „intermediate cells“ keinerlei Anhalt ergeben. Hiernach will es mir scheinen, als ob die Syconen mit Rücksicht auf das Quantum der in der Amphiblastulalarve vorkommenden ver- schiedenen Zellsorten sowie ferner hinsichtlich der Herkunft der Körnerzellen mit den Leucosoleniden, welche letztere ich nicht aus eigener Anschauung, sondern nur aus den Publikationen Minchins kenne, nicht so vollkommen übereinstimmen wie dieser Autor es anzunehmen geneigt ist, ohne selbst die Syeonentwicklung studiert zu haben. Wenn nun auch einerseits Leucosolenia variabilis und Sycon raphamus einander in ihrem Entwieklungsgange wesentlich ähneln, so kann doch der Satz Neue Beiträge zur Kenntnis der Histologie und Entwicklung von Sycon raphanus. 315 Ninchinse,. ee ‚ the chief difference being with regard to the periods at which the various events take place“ meiner Meinung nach zur Zeit noch keine absolute Giltigkeit beanspruchen und zwar deswegen, weil der direkte Nachweis der Ent- stehung von Körnerzellen der Amphiblastula aus zuvor prismatischen bewimperten nicht erbracht werden konnte. Die Möglichkeit dieses Vorganges während der prälarvalen Periode, also im mütterlichen Organismus, ist mir von vorn herein nicht recht verständlich, denn wozu sollen wohl prismatische bewimperte Zellen gebildet werden, wenn ihnen keine antlere Funktion als die, sich in Körnerzellen umzu- wandeln, zukäme? Wir werden also, so lange keine neuen, das Gegenteil be- weisenden Tatsachen ermittelt werden, an den von F. E. Schulze (51) bis ins Detail erforschten morphologischen Daten bezüglich der Ausbildung der Amphi- blastula als ein Produkt anfangs äqualer, später inäqualer Furchung festhalten müssen. Gastrulation, Das allen Metazoen gemeinsame gastrulaartige Ahnenstadium ist bekanntlich gerade gelegentlich entwieklungsgeschichtlicher Untersuchungen an unserem Kalk- schwamm zum Gegenstand lebhafter Kontroversen geworden. Ohne jedoch hier auf ddie einschlägige Literatur näher eingehen zu wollen, will ich vielmehr gleich auf die Figuren 44, 78 und 79 verweisen, aus welchen erhellt, daß, ungeachtet der vorangegangenen Pseudogastrulation, welche bei regelmäßigem längerem Anhalten, möglicherweise eine in den Existenzbedingungen der Larven begründete physiologische Ursachen haben, die wirkliche Gastrula einzig und allein durch Invagination der prismatischen Geißelzellen zustande kommt. Es ist dies, wenn man von der Maassschen (32) Figur 9 absieht, welche übrigens die Invagination bezw. die dabei entstehende Höhle nicht erkennen läßt, die erste Wiederbestätigung der von Metchnikoff (35) und F. E. Schulze (53) mitgeteilten Ergebnisse ihrer Unter- suchungen am Lebenden. Mit Bezug auf das Vorkommen einer Invaginations- höhle muß ich gegenüber einer Bemerkung von Maass (34) (pag. 584), der einer- seits zwar das Auftreten eines Hohlraumes annimmt, andererseits solchen aber nicht für absolut nötig hält, wie bereits früher (16) (pag. 270) betonen, daß ich bei der außer- ordentlich großen Zahl der von mir beobachteten lebenden Larven eine Invaginations- höhle in völliger Übereinstimmung mit F. E. Schulzes (53) Ergebnissen niemals vermißte, sowie daß diese namentlich an guten Medianschnitten deutlich in die Er- scheinung tritt. In unmittelbarem Zusammenhange hiermit steht die nicht minder wichtige Frage nach der Continuität der Invaginationshöhle mit der späteren Gastral- höhle, eine Frage, die von den verschiedenen Forschern in verschiedenem Sinne beantwortet wurde. Um hierauf eine befriedigende Antwort geben zu können, ist es nötig, die weiteren Veränderungen unserer Larve während und nach beendeter Gastrulation zu verfolgen. Wie wir durch F. E. Schulzes zuverlässige Lebend- untersuchungen, die sich mit meinen Total- und Schnittpräparaten nahezu decken, wissen, biegt sich während des Einstülpungsprozesses der äußerste Kreis der dunkel- körnigen Zellen um den freien Rand der Einstülpungsöffnung nach innen herum und es wachsen die Randzellen in der Aperturebene radiär nach innen vor, wobei 316 Ernst Hammer: sie zunächst die Invaginationsöffnung bedeutend verengern und schließlich gänzlich zum Verschluß bringen. Wenn man solche Larven, die entweder grade vor der Fixierung stehen oder dieselbe bereits eingegangen sind, in Schnitte zerlegt, so zeigt es sich, daß die früher vorhandene Invaginationshöhle verschwunden ist und die Geißelzellen wahrscheinlich durch das vollständige Zusammentreffen der dunkel- körnigen Randzellen im Zentrum der Basalfläche sowie durch Zusammenziehen der ganzen basalen Gewebsmasse und damit in Verbindung stehendes Zusammenbiegen des basalen Randes des inneren Cylinderzellenlagers eine kompakte Masse dar- stellen (Fig. 45, 46, 80). Diese Tatsache ist es wohl auch, welche Metschnikoff und Maass bei Sycon, Minchin bei Zeucosolenia zu der Annahme geführt haben, daß die Geißelzellen der Larve sich ohne weiteres zu einer geschlossenen kom- pakten Masse zusammenballen und als solche in das Innere des Larvenkörpers geraten. Wenn ich nun auch dieses Verhalten der Geißelzellen als sekundäres bezeichnen muß, so stimme ich doch andererseits namentlich mit Maass in der Ansicht, daß der bei der Invagination auftretende Hohlraum sich nicht zum Gastral- raum des jungen Schwammes zu erhalten braucht, vollkommen überein. Insbesondere machen die Befunde an Schnittpräparaten es in hohem Maaße wahrscheinlich, daß eine Continuität der Invaginationshöhle mit der späteren Gastralhöhle wie sie F. E. Schulze annehmen zu müssen glaubte, nicht besteht. Es erübrigt sich noch kurz den histologischen Aufbau der beiden Zellschichten, aus denen unser Gastrula- stadium zusammengesetzt ist, zu betrachten. Die Geißelzellen haben im allgemeinen ihren Charakter bewahrt; Totalpräparate lassen noch, wenn auch nicht so deutlich wie früher, das Larvenpigment, soweit es noch nicht resorbiert ist, erkennen. Auf dem in Figur 45 dargestellten Schnitt ist es jedoch völlig verschwunden. Gradezu schematisch und zwar genau wie sie von F. E. Schulze (53) am Lebenden beob- achtet wurden, stellen sich die Geißeln dar. Sie bilden, wie aus Fig. 44 und 78 ersichtlich, entsprechend der jetzt mehr konvergierenden Stellung der Oylinderzellen, einen nach außen konvergierenden Schopf. Die Körnerzellen haben sich inzwischen stark abgeplattet und zeiehnen sich noch immer durch ihre körnige Einlagerung vor den prismatischen Zellen aus. Ob man diese Körner wirklich für Dotter zu halten hat, oder ob dieselbe mit der skelettogenen Tätigkeit der Dermalzellen zusammenhängt, ist eine offene Frage. Gegen die erstere Annahme hat L. S. Schultze (49) (pag. 51) mit Recht eingewandt, daß die Masse der Körnerzellen im Laufe der Entwicklung zunimmt, während eine Dottermasse grade abnehmen müßte. Wie dem auch sei, der Umstand, daß F. E. Schulzes Deutung der Schichten entsprechend das Ekto- derm in vielen Fällen körnerreicher wäre als das Entoderm, wäre gewiß als Aus- nahme einer allgemeinen Regel beachtenswert. Andererseits können wir vielleicht, wie es F. E. Schulze (53) getan (pag. 289), gerade aus der Entodermähnlichkeit der Ektodermzellen folgern, „daß die Figuration der bei der Furchung entstehenden Elemente für ihre Bestimmung als Teile des einen oder des anderen Keimblattes keineswegs so charakteristisch und entscheidend ist, wie man wohl früher glaubte.“ Mir will es denn auch scheinen, als ob bei der Beurteilung eines Zellenlagers als Ekto- oder Entoderm die physiologische Dignität desselben von hervorragenderer Bedeutung ist als seine Lage, und so würde ich denn auch das auf dem Gastrula- stadium eingestülpte Geißelzellenlager nicht, weil es das innere Blatt darstellt, als Neue Beiträge zur Kenntnis der Histologie und Entwicklung von Sycon raphanus. 317 Entoderm bezeichnen, sondern weil es, was wir nach v. Lendenfelds (22) Unter- suchungen wohl als ziemlich sicher annehmen können, die verdauende Schicht dar- stellt bezw. den Charakter derselben im Laufe der ferneren Entwicklung annimmt. Indessen ist dies nur eine Ansicht, und ich verziehte ausdrücklich darauf, an der Hand dieser Untersuchungen, welche sich nur auf einen Vertreter stützen, in der Keim- blätterfrage irgendwelche Deutung zu geben. Die Grenzen der Körnerzellen sind in- zwischen teilweise weniger deutlich geworden (Fig. 44, 78, 81). Zwischen äußerem und innerem Zellenlager befindet sich ein, wie es scheint, mit gallertiger Sekretmasse erfüllter Spalt, in welchem zellige Gebilde bemerkt werden, von denen das eine nur den Kern, das andere nur den Plasmaleib deutlich erkennen läßt, Bezüglich der Herkunft des Kernes, welcher wohl infolge Umbiegens des äußeren Zellenlagers um das eingestülpte Innere zwischen zwei Geißelzellen geraten ist, kann wegen seiner Übereinstimmung in Gestalt und Struktur mit den übrigen Körnerzellkernen kaum ein Zweifel bestehen. Ich neige der Annahme zu, daß wir es hier mit einer amöboiden Wanderzelle, deren Plasmahof, wie schon bemerkt, nicht deutlich hervor- tritt, zutun haben. Diese würden dann ebenso wie es Maass (25) für Kiesel- schwämme auseinandergesetzt hat, undifferenzierte Blastomeren des Eies sein, deren Chromatinstruktur die gleiche ist wie diejenige der sich teilenden befruchteten Ei- zelle, nur mit dem Unterschiede, daß hier die somatischen Elemente noch nicht zur Sonderung gelangt sind, während dies bei Kieselschwämmen bereits in der Larve geschieht. Auffällig ist die Tatsache, daß die amöboiden Zellen den an- gesetzten jungen Schwämmen, wie auch in älteren Stadien, ja sogar im erwachsenen Schwamm an Zahl außerordentlich variieren. Zuweilen finden sie sich in großen Mengen, zuweilen ist es schwer auch nur eine einzige zur Anschauung zu bringen, worauf bei Untersuchung erwachsener Syconen schon F. E. Schulze (51) (pag. 253 und v. Lendenfeld (21) (pag. 599) aufmerksam machten. Jedenfalls haben die Körnerzellen der Larve schon sehr früh die Fähigkeit, amöboide Gestalt anzu- nehmen, denn, wie wir bereits sahen, können namentlich diejenigen, welche den vorgewölbten Teil der freischwimmenden Amphiblastula bilden, sogar schon bei dem temporären Festsetzen pseudopodiale Fortsätze aussenden (Fig. 42). Die postlarvale Entwicklung. Unmittelbar nach beendeter Gastrulation erfolgt der wichtige Akt des Fest- setzens, über welchen wir durch F. E. Schulzes Arbeit so genau unterrichtet sind, daß hier einfach auf dessen Darstellung verwiesen werden kann. Ich habe mich an einer großen Anzahl lebender Larven davon überzeugt, daß sich die Larve weder mit dem Geißelzellenpole, noch mit dem Körnerzellenpole, sondern normaler- weise mit dem Gastrulamunde und zwar mit dem über dem Invaginationsrand nach innen sich umlegenden Randteile der äußeren Körnerzellenkuppe ansetzt. Das bei weitem wichtigste Ereignis in der postlarvalen Entwicklung ist aber die Trennung der dermalen Schicht in die äußere epithelartige Bedeckung und die innere Binde- gewebsschicht, ein Vorgang, der von jeher das größte Interesse der Forscher be- anspruchte. Um die Zeit des Festsetzens verlieren, worauf von den vielen Beob- achtern nur F. E. Schulze (53) aufmerksam gemacht hat, die Körnerzellen wohl 318 Ernst Hammer: infolge ihrer Ausdehnung beim Umwachsen der invaginierten Geißelzellen, vielleicht auch durch Resorption eines Teiles der stark lichtbrechenden rundlichen Körnchen ihren früheren dunkelkörnigen, opaken Charakter und werden so durchscheinend, daß man, wie F. E. Schulze (53) (pag. 269) beschreibt, unter günstigen Verhält- nissen die innere Cylinderzellenlage und die von diesen umschlossene Gastralhöhle erkennen kann. Dieser Schilderung kann ich bis auf die Gastralhöhle, welche wie oben erörtert, nach meinen Erfahrungen erst später durch Aufblähung des jungen Schwammes ausgebildet wird, in allen Punkten beipflichten. Hingegen wollte es mir anfangs lange Zeit hindurch nicht gelingen, die von F. E.. Schulze (51 u. 55) und Keller (18) gesehene, von letzterem Forscher aber abweichend gedeutete, helle Zone zwischen der äußeren und inneren Zellenschicht zu konstatieren. Auch . Haeckel (14), Metehnikoff (35 u 36). Barrois (1) und Maass (32) scheinen diese hyaline Zone nicht besonders beachtet zu haben. Je kontinuierlicher jedoch die im hängenden Tropfen befindliche Larve meinerseits beobachtet wurde, desto sicherer konnte ich späterhin die in ihrem Aussehen der Stützlamelle der Coelen- teraten ähnelnde hyaline Zone erkennen. Auch schien es mir namentlich beim Studium von mit Osmiumsäure und Pikrokarmin hergestellten Totalpräparaten immer, als wenn zwischen den äußeren Körnerzellen gleichfalls eine helle Substanz Platz nahm, wobei die Zellgrenzen mehr oder weniger undeutlich wurden (Fig. 81). Bei weitem schwieriger gestaltet sich der Nachweis der ersten Anlage der Grund- substanz an Schnitten, wo Eisenhämatoxylin nur eine schwachgraue Färbung hervor- ruft. Immerhin erkennt man im Figur 45, 46 deutlich zwischen Körner- und Geißel- zellenlager einen schmalen Spalt, welcher ganz der Ausdehnung der hyalinen Zone, wie sie am Lebenden in die Erscheinung tritt, entspricht. Sie ist wahrscheinlich, wie die Grundsubstanz des gallertigen Bindegewebes überhaupt, reich an Wasser und schrumpft bei der für das Schneiden in Paraffin nötigen absoluten Entwässerung zusammen. Ich stimme somit mit v. Lendenfeld (21) nach dessen Ansicht in Freihandschnitten von tingierten Osmiumschwämmen in Wasser die Zwischenschicht mächtiger erscheint als in Schnitten von entwässerten Exemplaren überein. Übrigens hat auch K. C. Schneider!) die Meinung ausgesprochen, als sei die Färbbarkeit der Grundsubstanz durch Anwesenheit einer äußerst feinen Granulation bedingt. Es wird daher die Anwesenheit der hyalinen Zone, in welcher ich mit F. E. Schulze die erste Anlage der im erwachsenen Schwamm stets mehr oder weniger reichlich vorhandenen Grundsubstanz erblicke, in die Charakteristik unserer sich stets festsetzenden bezw. bereits festgesetzten Larve aufgenommen werden müssen, selbst wenn sie sich nicht immer mit wünschenswerter Sicherheit nachweisen lassen sollte. Die Zellen, welche später in dieser Grundsubstanz an- getroffen werden, scheinen mir ausschließlich von dem äußeren Körnerzellenlager und zwar wahrscheinlich von dem an das Geißelzellenlager grenzenden Randzellen- kranz abzustammen. Dafür sprechen besonders die in ihnen sich zeigenden Mitosen (Fig. 45, 46, 53, 54), welche in den invaginierten Geißelzellen gänzlich vermißt werden. Wenn ich nun einerseits auch nicht wahrnehmen konnte, wie die eine der Tochterzellen sich von der epithelartigen Bedeckung trennt, um in die hyaline Zwischenlage hineinzugeraten, so halte ich doch andererseits den Mangel dieser ') Lehrbuch der vergleichenden Histologie der Tiere. 1902. pag. 259. Neue Beiträge zur Kenntnis der Histologie und Entwicklung von Sycon raphanus. 319 Beobachtung, welche letztere eben nur rein zufällig gemacht werden kann, für nicht relevant, da nach meinen neuesten Befunden an Sehnitten inmitten der Bindesubstanz gelegene als auch Zellen des äußeren Epithels selbst, jedoch nie Zellen des äußeren primären Keimlagers, sondern höchstens aus der Teilung solcher hervorgegangene, also Abkömmlinge von ihnen, an der Bildung der Kalknadeln, auf die später noch eingegangen werden muß, teilnehmen. Gerade dieses Ergebnis, welches sich mit dem von Minchin (39) bei Leucosolenia variabılıs und demjenigen Woodlands (69) bei Syeon coronatum und ciliatum völlig deckt, sowie des weiteren die Tatsache, daß die Epithelzellen selbst, wovon ich mich immer mehr überzeuge, keineswegs immer den Charakter von Epithelzellen bewahren, vielmehr oft in die Grundsubstanz hinein oder über die Oberfläche herausragen (Fig. 45, 49 u. 50), sowie die weitere Tatsache, daß nach K. C. Schneider auf Längsschnitten durch erwachsene Syconen am basalen (prostomalen) Pole sich hin und wieder eine grubenartige Einsenkung der epithelartigen Bedeckung vorfindet, von welcher aus eine Neubildung von Binde- zellen durch Auswanderung aus dem Körperepithel stattfindet, ist meiner Meinung nach ein neuer Beweis für die Einheit der dermalen Schicht. Zwar habe ich nie- mals ein Mesoderm in genetischem Sinne angenommen, da man ja unter einem solchen ein am Keim angelegtes Zellenlager versteht; indessen sprach ich (16) (pag. 271) von drei Schichten und zwar glaubte ich wegen des frühzeitigen Auf- tretens der Grundsubstanz für letztere Annahme einen Anhaltspunkt gefunden zu haben. Auf Grund meiner fortgesetzten ausgedehnten Untersuchungen und der eben geschilderten Befunde habe ich jetzt die sichere Vorstellung von der Zweischichtig- keit unseres Schwammes gewonnen, denn es hat sich gezeigt, daß die in der zwischen dem äußeren und inneren Zellenlager der fixierten Gastrula erscheinenden hyalinen Zone eingelagerten Zellen sich weder histologisch, noch funktionell durch- greifend unterscheiden. Mit den Veränderungen der festgesetzten Larve sind wir durch die Untersuchungen von Maass (32) bekannt geworden; ich brauche daher nicht näher auf sie einzugehen, umsoweniger als meine gerade hierauf sich be- ziehenden Beobachtungen nahezu völlig mit denen dieses Autors übereinstimmen. In etwas abweichender Gestalt kamen mir nur die in Fig. 47—50 abgebildeten Stadien, wo der Gastralraum bereits gebildet ist, zu Gesicht. Wenn auch nicht in allen, so doch in einer großen Anzahl von Präparaten war bereits um diese Zeit der Gastralraum nicht nur von Choanocyten ausgekleidet, sondern es hatten zwischen ihnen auch weniger zylindrisch gestaltete, ja sogar platte Zellen Platz genommen, welche letztere ja bekanntlich später nach erfolgter Radialtubenbildung überhaupt das eigentliche Gastralepithel repräsentieren. Irgendwelche Tatsachen, welche eine Entstehung dieser Plattenzellen aus Zellen des Dermallagers hätten vermuten lassen können, etwa in der Weise, daß letztere, wie es von Minchin (41) und Maass (32) für die Porocyten angenommen wird, durch das Parenchym hin- durch in die Reihe der Kragenzellen hineinwandern, ließen sich nicht ermitteln; wohl aber bemerkte ich öfter neben den Choanoeyten in ihrer typischen zylindrischen Gestalt auch solche von mehr abgeplatteter Form, welche Collare und Geißeln be- saßen (Fig. 49 und 52). Da sich diese scheinbaren Übergänge auch durch die in Figur 51, 52 abgebildeten asconartigen Stadien hindurch erhalten, so wäre es viel- leicht nicht ganz ausgeschlossen, daß auch nach erfolgter Tubenbildung die Platten- 320 5 Ernst Hammer: zellen des Gastralraumes bezw. der ausführenden Kanäle nichts anderes als abge- geplattete Geißelzellen sind. Obwohl ich die Entstehung der Radialtuben auf Schnitten bisher selbst nicht genügend verfolgen konnte, erscheint mir doch der Weg, welchen nach den Angaben von Maass (32) die Dermalzellen durch das Parenchym hindurch nehmen sollen, um zu dem Plattenepithel des Gastralraumes zu werden, ein etwas weiter zu sein. Übrigens hat bereits F. E. Schulze (56) in seinen verschiedenen Spongienarbeiten die Ansicht ausgesprochen, daß die Aus- kleidung der ausführenden Kanäle anderer Art ist als diejenige der äußeren Ober- fläche und der Wand der einführenden Kanäle. Auf der andern Seite und namentlich unter Berücksichtigung der Untersuchungen von Urban (62), nach welchen (pag. 47) auch bei Leucosolenia eleanor ebenfalls zwischen größeren Kragenzellenpartien flache Plattenzellen liegen, liegt jedoch die Möglichkeit vor, daß jene von mir vorgefundene scheinbar discontinuierliche Auskleidung der Gastralfläche entsprechend der von Urban gegebenen Deutung durch geschlossene oder durch den Schnitt nicht vollständig getroffene Porenzellen zustande kommt, obschon mir für den vor- liegenden Fall diese Annahme etwas gezwungen erscheint, da ich Poroeyten, welche im Gegensatz zu K. C. Schneider auch bei Sycon raphanus existieren (Fig. 69), während der Entwicklung nicht habe auftreten sehen. Nadelentstehung. Das Studium der Nadelentstehung bei Kalkschwämmen ist außerordentlich schwierig, eine Tatsache, welche schon zur Genüge aus der Fülle der über sie geäußerten, teilweise sich schroff gegenüberstehenden und keinen Ausgleich er- möglichenden Ansichten hervorgeht. Die einschlägige Literatur ist von Minchin (40) (pag. 532) zusammengestellt. Im Folgenden will ich daher nur meine wenigen Beobachtungen, welche sich auf die Bildung der Kalknadeln beziehen, niederlegen. Allem voran sei hervorgehoben, daß von im Wachstum begriffenen Syconen sich nur ganz bestimmte Teile des Körpers zum Studium der Nadel- entstehung eignen. Hierhin gehört in hervorragendem Maße das Gebiet des Oskular- randes, welches auch Woodland (69) speziell für diesen Zweck empfohlen hat. Nicht minder wichtig ist es jedoch, die Bildung der Nadeln an Schnitten durch _ Entwicklungsstadien zu verfolgen, obschon dies bei weitem größere Schwierigkeiten bereitet, insofern bei dem Mikrotomieren der so überaus feinen Gebilde trotz bester Härtung Zellen und Nadeln nur zu oft voneinander getrennt werden und was nicht weniger unangenehm ist, die meisten Farbstoffe wie auch der Canadabalsam die jungen Nadeln angreifen. Hieraus ergibt sich, daß die angewandte Methodik für die Resultate über die Nadelentstehung von eminenter Bedeutung ist. Die Skleroblasten besitzen gegenüber den Epithelzellen eine größere Bestimmtheit der Form, von denen sie, wie bereits gezeigt wurde, abstammen. Mit Bezug auf die Kerne sowie ihr körniges Aussehen unterscheiden sie sich wesentlich weder von den Dermal- noch von den Gastralzellen. Nach Maass (32) (pag. 221) sind bei Sycandra setosa die Skleroblasten merklich kleiner als die gewöhnlichen Dermal- zellen und fast ohne Körnelung, und die homogen erscheinenden Kerne sind sogar kleiner als diejenigen der Gastralzellen. Woodland (69) stimmt auf Grund seiner Untersuchungen an Sycon eoronatum und Sycon eiliatum hinsichtlich der Gestalt Neue Beiträge zur Kenntnis der Histologie und Entwicklung von Sycon raphanus, 321 der Skleroblasten mit der von mir gegebenen Schilderung überein; sie sollen jedoch größere Kerne und weniger Granulationen als die Choanocyten besitzen. Was nun die Entstehung der monaxonen Nadeln anbelangt, so glaube ich auf Grund von Befunden an Längsschnitten durch den Oskularrand erwachsener Syconen sowie solehen «durch Entwicklungsstadien verschiedensten Alters der Meinung Wood- lands (69) mich anschließen zu können, der zufolge an der Bildung der Einstrahler stets eine Protoplasmamasse mit zwei Kemen teilnimmt. Bilder, wie die in Figur 55—61 wiedergegebenen, erhält man relativ häufig, wenn man sie erst über- haupt einmal erkannt hat. Ob die zweikernigen Zellen der Figuren 55--61 durch Teilung einer einzigen oder Zusammentreten bezw. Verschmelzung zweier ursprünglich getrennter Zellen entstanden sind, vermag ich nicht zu entscheiden. Neben solchen zweikernigen Zellen, «die immerhin den Eindruck hervorrufen, als wären sie das Resultat einer unvollständigen Teilung, d. h. einer Teilung des Kernes ohne Durch- schnürung des Plasmas der Mutterzelle (Fig. 57), werden ferner Zellen wie die in (len Figuren 55, 56 u. 82 dargestellten, angetroffen, welche wie es scheint, durch Verschmelzung zweier ursprünglich getrennter entstanden sind. Beiden Zellarten fällt sicher die Aufgabe zu, monaxone Nadeln zu erzeugen (Fig. 60, 61). Die Kerne der doppelkernigen Skleroblasten haben sich getrennt, und es erscheint zwischen ihnen ein kleiner heller Stab. Solche Bilder sind jedoch recht selten und es bedarf besonders günstiger Präparate, um sie konstatieren zu können. Trotz- dem finde ich, abgesehen von den Figuren von Woodland (69), welche hinsichtlich der ersten Entstehung der Einstrahler gänzlich mit «den meinigen übereinstimmen, auch bei Urban (62) eine Abbildung (Taf. 7, Fig. 107), aus der hervorgeht, dab bei Zeucandra apiealis die Entstehung der Einstrahler in eben derselben Weise vor sich geht wie bei den Syconen. Urban bezeichnet, wie aus seiner Tafelerklärung ersichtlich, dieses Nadelbildungsstadium als eine junge Stabnadel mit ihren Bildungs- zellen, während ich in seiner Figur nur eine doppelkernige Zelle erblieke, die sich entsprechend dem Wachstum des Einstrahlers in die Länge gestreckt hat. Die Stabnadeln wachsen außerordentlich schnell in die Länge; ebenso wie die doppel- kernigen Zellen, welche wahrscheinlich, was ich aber nicht direkt beobachtet habe, sich später durchsehnüren. Wie sich das weitere Wachstum der monaxonen Nadel gestaltet, d. h. ob unter Mitwirkung einer, zweier oder mehrerer Skleroblasten bezw. ob letztere nur aus wiederholter Teilung der Mutterzelle hervorgehen, oder etwa neu aus dem Dermallager hinzutreten, konnte nicht mit aller wünschenswerten Sicherheit ermittelt werden. Indessen will es mir scheinen, als wäre das Wachstum (der Nadeln zwar ein sehr schnelles, aber kein kontinuierliches und zwar deshalb, weil häufig jüngere Nadeln ohne Zellen frei in der Grundsubstanz liegend, vor- gefunden werden. Gerade diese Tatsache ist es wohl auch gewesen, welche frühere Forscher zu der Annahme geführt hat, daß die Spieula durch Verdiehtung der gallertigen Grundsubstanz ohne Beteiligung von Zellen entstehen, wie ja auch v. Lendenfeld (21) (pag. 199), auf dem Boden der intracellulären Entstehung fußend, sich dahin äußert, daß die jüngsten «der Nadeln, welche im Schwammkörper gefunden werden, viel länger sind als irgend eine bekannte Schwammzelle mit Aus- nahme des reifen Eies. Sehr oft begegnet man ferner auf Schnitten Nadeln bezw. Nadelfragmenten, denen eine Zelle anliegt; solche Bilder kann man namentlich 322 Ernst Hammer: wenn sie sich auf junge Nadeln beziehen, leicht so deuten, als entstünden die letzteren durch Abscheidung nach Art der Sponginfasern seitens der Spongioblasten. Erst wenn man die jüngsten Stadien, wie die in Fig. 60, 61 abgebildeten, gesehen hat, was keineswegs leicht ist, gewinnt man die Überzeugung, daß die erste Anlage der Nadel in der doppelkernigen Zelle selbst erfolgt. Die Entstehung von Ein- strahlern in einer einkernigen Zelle, wie sie Maass (32) annimmt, konnte ich ebensowenig wie Woodland konstatieren. Über die Bildung der Dreistrahler existieren Angaben von Maass (32) und Woodland (69). Während Maass auch den Dreistrahler ebenso wie den Einstrahler als unregelmäßiges Kalkkonkrement in einer einzigen Zelle (32) (Fig. 24) entstehen läßt, die auch dann, wenn die Enden eine gewisse Länge erreicht haben, d. h. schon wirkliche Strahlen uni Winkel vorhanden sind, sich unverändert erhält, geraten nach Woodland (69) drei Dermalzellen, etwa wie es drei Billardkugeln tun würden, zu dem sogenannten „trefoil“ (Minchin) zusammen, um nach erfolgter Teilung, welche nicht direkt beobachtet, vielmehr nur aus dem Befund von vier, fünf und sechs Zellen mit entsprechend kleineren Kernen erschlossen wurde, den Dreistrahler aus drei Stücken, jedes aus einer doppelkernigen Zelle, entstehen zu lassen. Aus diesen drei anfangs getrennten Nadeln entwickelt sich der Dreistrahler dann durch weitere Tätigkeit der „Sextettzellen“*, von denen je zwei jedem der drei Strahlen gewidmet sind. Ich selbst konnte, so sehr ich mich bemühte, über die Entstehung der Dreistrahler keine beweiskräftigen Resultate zeitigen, muß jedoch Woodland (69) insofern ohne weiteres beipflichten, als sich auch in meinen Präparaten öfter das Minchinsche Trefoil in verschiedenen Abstufungen vorfand (Fig. 63). Die Choanocyten, Im Anschluß an die Darstellung meiner über die Entwicklung von Sycon raphanus gewonnenen Untersuchungsresultate soll hier noch auf die für sämtliche Spongien so überaus charakteristischen gastralen Zellen etwas näher eingegangen werden. Die Kragenzellen der Syconen sind besonders eingehend von Bidder (2) behandelt worden. Es stellen diese Zellen im Leben je nach ihrem physiologischen Zustande kurze säulen- oder tonnenförmige oder zylindrische Zellen mit getrennten zylindrischen, absolut homogen erscheinenden Kragen dar, welche letzteren normaler- weise wohl niemals vereinigt sind. Wie aus den Figuren 65 und 84—87 hervor- geht, lassen sich jedoch weder mit Bezug auf ihre Gestalt, noch über die Art ihrer Verbindung allgemein gültige Regeln aufstellen. Meistens berühren sich die Zell- leiber an einer Stelle und zwar gewöhnlich an ihrem ausgebauchten Teile. Nur in seltenen Fällen, in Paraffinschnitten, nie aber im Leben, trat zwischen den basalen Dritteilen einzelner Zellen eine, Farbstoffen gegenüber etwa wie das Plasma sich verhaltende Zwischensubstanz auf; in derselben sah ich einige Male, die schon von v. Lendenfeld (21) (pag. 254) beschriebenen und in Fig. 101 ab- gebildeten Enden der tangentialen Ausläufer, welche die basalen Enden der Cho- anoeyten zuweilen aussenden, verlaufen. Indessen sei besonders darauf hingewiesen, daß ich die Anwesenheit dieser Zwischensubstanz nicht, wie v. Lendenfeld (21), für die Regel, sondern vielmehr für die Ausnahme von derselben halte, und ihr (daher keinerlei Bedeutung beimessen kann. Ebenso habe ich infolge fortgesetzter Neue Beiträge zur Kenntnis der Histologie und Entwicklung von Sycon raphanus. Studien die sichere Vorstellung gewonnen, daß Verbindungen der quer abgestutzten Distalränder der Choanoeyten vermittelst Kittleisten, welche wie F. E. Schulze') beschrieb und in Tafel 3, Fig. 4 bei Hexactinelliden, wenigstens an kon- serviertem Materiale, nachweisen konnte und die zweifellos auch hin und wieder in Paraffinschnitten von Syeonen auftreten, doch bei der Charakteristik der Kragen- zellenverbindung keine weitgehendere Beachtung beanspruchen können. Es muß daher, wie schon expliziert, daran festgehalten werden, daß die Kragenzellen bei Sycon raphanus vermöge der ausgebauchten Teile miteinander in Kontakt stehen. Der Kern. Nach Minchin (41) (pag. 56) und Maass (32) (pag. 225) ist die Lage (des Kernes in den Choanoeyten gegenüber der basalen der Clathriniden als apicale zu bezeichnen. Bidder (2) (pag. 19) bemerkt, daß der Kern sich zwar im Proto- plasma bewege, im Leben aber in dem distalen Teile der Zelle angetroffen werde. Nach meinen Beobachtungen liegen die Kerne teils apical, teils basal, ja selbst im Zentrum des Zelleibes. Im Leben sah ich sie gewöhnlich aber keineswegs immer, ebenso wie F. E. Schulze (51) (pag. 257) in dem breiten Basalteile, während sie in Schnitten vorwiegend mehr apiealwärts angetroffen werden. Die Lage des Kernes ist jedoch, wie ich glaube, trotz einer gewissen Regelmäßigkeit eine so variierende (Fig. 64—67 u. 84—87), daß man ihr systematische bezw. phyletische Bedeutung im Sinne Minchins nicht beimessen kann. Das Chromatin tritt, ent- sprechend der angewandten Konservierungsmethode, entweder in Gestalt von Brocken oder als mehr oder weniger homogene Substanz auf. In vielen Fällen zeigen die Kerne deutliche Binnenkörper (Fig. 64—67). Die Gestalt des sich stark färbenden Kernes ist kugelrund oder birm- bezw. zwiebelförmig. Von dem distalen Ende jedes Choanocytenkörpers erhebt sich das in seiner Länge recht wechselnde Collare als eine durchaus homogene hyaline zylindrische Röhre, welche mit glattem kreisförmigen Rande ohne Seitenverbindung endet. Auf Schnitten durch konser- viertes Material werden mitunter mehr oder minder starke Schrumpfungen und Fältelungen bemerkt, welche letztere Tatsache es wohl auch gewesen ist, dem Collare eine bestimmte Struktur zuzuschreiben. Ich habe solche stabförmige Ver- diekungen in der Wand des Collares sowie ein irisähnliches basales Diaphragma mit radiären Verdickungen, Bildungen, welche Bidder (2) (pag. 14) beschreibt, trotz immer wieder darauf gerichteter Aufmerksamkeit auch bei Anwendung der stärksten Systeme nicht finden können, und auch Herr Geheimrat Schulze, der die betreffenden Bidderschen Präparate gesehen hat, teilte mir gelegentlich einer Diskussion über diesen Gegenstand mit, daß es sich bei der von Bidder (2) beschriebenen Struktur des Collares wohl um Kunstprodukte, wie sie trotz sorgfältiger Konservierung gerade an den Choanoeyten nicht zu vermeiden sind, handele. Ebenso bemerken Vosmaer und Pekelharing (63) ausdrücklich, nichts von einer Struktur des Collares gesehen zu haben. Neuerdings hat Min- ehin (41) (pag. 55—56) wiederum an dem Kragen von Ascandra falcata, welcher wenn völlig ausgedehnt, die Länge der Zelle weit übertrifft, eine Struktur in Ge- stalt eines sehr deutlichen, mehr proximal, sowie eines, gewöhnlich weniger deut- !) Fauna arctica Bd. I. Lfrg. I. 1900. pag. 98. 324 Eınst Hammer: lichen, mehr distal gelegenen Reifens beschrieben, sowie an dem Kragen von Clathrina coriacea einen einzigen Reifen, der wahrscheinlich mit dem proximalen von Ascandra falcata korvespondiert. In Figur 52a und b bildet der Autor die beschriebenen Verhältnisse ab. Bezüglich der Literatur über die Frage nach dem Vorhandensein der viel umstrittenen Sollasmembran, welche wie oben erwähnt, ab- gesehen von einigen Befunden in Paraffinschnitten, die aber auch in anderer Hin- sicht ein Abweichen von der Norm erkennen ließen, nach den Erfahrungen aller Spongiologen mit Ausnahme von Dendy (9) sowie Sollas (59 u. 60) auf einem (legenerativen Verhalten beruht, kann hier einfach auf die übersichtliche Zusammen- stellung F. E. Schulzes (57) verwiesen werden. Bei weitem am interessantesten ist ebenso wie bei den Geißelzellen der ausführlich beschriebenen Larve das Ver- halten der Geißel, welche in ihrem ganzen Verlauf gleichmäßig dick, mindestens das Doppelte der Zellenlänge selbst ausmacht. Sie ist in allen der Beobachtung günstigen Fällen auch intracellulär und zwar zweifellos mindestens bis zum Kern hin zu verfolgen. Der Einpflanzungsmodus variiert jedoch in mannigfacher Weise. Am häufigsten durchbricht jedenfalls die Geißel das distale Ende des Choanoeyten- körpers, um sich in das Innere der Zelle hinein fortzusetzen und in einem, dem in solchen Fällen gewöhnlich birn- oder zwiebelförmig gestalteten Kerne aufsitzenden Basalkörper (Blepharoplasten), zu enden (Fig. 66). Diese Art Insertion kann in- sofern noch eine Modifikation erfahren, als oft an der Stelle, wo die Geißel die (distale Grenzmembran der Kragenzelle durchbricht, noch ein zweiter sowohl mit Bezug auf seine Färbbarkeit, als auch seine Größe dem ersten völlig gleichender Blepharoplast vorkommt. Der Teil der Geißel, welcher zwischen den beiden Blepharoplasten gelegen ist (Fig. 68, 56), würde der Geißelwurzel oder dem Rhizoplasten der Flagellaten entsprechen. Etwas anders gestalten sich die Inser- tionsverhältnisse bei kugelrunder Form der Kerne. Hier zieht der mit einem am (distalen Zellenende liegenden Blepharoplasten beginnende Rhizoplast zum Kern hin und durchbricht dessen Membran, um dann im Caryosom zu enden. Bei einem Vergleich der Figur 64 mit denen, welche von Prowacek!) für Bodo lacertae (Grassi) gegeben hat, ist es nicht schwer sich von der auffallenden Übereinstimmung beider Objekte mit Bezug auf die Geißelinsertion zu überzeugen. Diesen meinen Beobachtungsergebnissen werde ich jetzt die Angaben anderer Autoren über den Kinpflanzungsmodus der Geißeln in den Kragenzellen und ihre Beziehungen zu diesen zur Vergleichung gegenüberstellen. In erster Linie müssen hier die Angaben von llaeckel (14) Erwähnung finden. Auf pag. 335 gibt er folgende Beschreibung: „Dieses Flagellum ist äußerst fein, bald ebenso lang, bald mehrmals länger als die Geißelzelle, aus deren körnigem Endoplasma seine Basis hervortritt. Auf Taf. 25 Fig. 3 und 5 gibt jener Forscher Abbildungen von Kragenzellen aus einer Geißelkammer von Leueyssa incerustans, an welchen sich die intracelluläre Fort- setzung der Geißeln bis in die Nähe des Kernes deutlich erkennen läßt. Indessen scheint Haeckel, worauf bereits Heider (pag. 17) hinwies, diese Tatsache nicht ganz klar erkannt zu haben, denn seine Beschreibung der Kragenzellen (1. Bd. pag. 141) „wenn man die Basis des Kragens möglichst genau mit Hilfe der stärksten '),S. von Prowacek, Untersuchungen über einige parasitische Flagellaten in: Arbeiten aus em kaiserliehen Gesundheitsamte Bd. XXI. Heft 1. 1904. Neue Beiträge zur Kenntnis der Histologie und Entwicklung von Sycon raphanus. 325 Vergrößerungen (1200—1600) betrachtet, so gewinnt man den Eindruck, daß der Kragen ebenso wie die Geißel eine unmittelbare Fortsetzung des verdiekten Ekto- plasmastückes ist, welches den „Hals“ bildet“, steht im Widerspruch sowohl mit den zitierten Abbildungen als auch mit seinen bereits von pag. 335 zitierten Aus- führungen. Nach Haeckel hat, soviel ich aus der Literatur ersehen kann, zunächst Heider (17) eine genaue Beschreibung von einer Fortsetzung der Geißel bis zum Kerne geliefert. Pag. 15 sagt er: „Wir haben an diesen prismatischen Geißelzellen der Blastulae (Taf. 1 Fig. Ta—m) von ÖOscarella noch ein äußerst interessantes Verhalten zu besprechen. Dasselbe betrifft den Ursprung der Geißel. Die Geißeln sitzen nämlich dem Exoplasma nicht auf, sondern man kann mit starken Ver- erößerungen eine Fortsetzung der Geißel in das Innere der Zellen auf das deut- lichste verfolgen. Es gelingt nicht schwer zu beobachten, wie die Geißel in der- selben Mächtigskeit den hyalinen Grenzsaum durchbricht und sich unter wellen- förmigen Krümmungen durch das Exoplasma dem Zellkerne nähert, so wie konti- nuierlich in die den Zellkern umgebende Schicht dichteren Plasmas übergeht. Von (dieser Fortsetzung der Geißel in das Innere der Zelle konnte man schon am lebenden Objekt einige Andeutungen bemerken (Taf. 1, Fig. 5, 4, 5). Am besten sah man diese Geißelwurzel natürlich in der Region des glashellen hyalinen Exo- plasmas. Nach Anwendung von Osmiumsäure konnte man jedoch den Verlauf der Geißelwurzel viel deutlicher verfolgen. Dieselbe erschien als ein zarter Strang meist von geringerem Lichtbrechungsvermögen, als die Geißel in ihrem freien Basal- teile zeigte, in der Regel schwach wellenförmig gekrümmt oder in gerader Richtung gegen den Zellkern verlaufend. Während die beschriebenen Verhältnisse für die überwiegende Mehrzahl der Geißelzellen gelten, fand ich an meinen Isolierungs- präparaten regelmäßig noch eine zweite Art von Zellen (Taf. 1, Fig. Sa—c), welche im übrigen von völlig übereinstimmendem Bau, sich nur in der Gestaltung der Geißelwurzel unterschieden. Bei diesen Zellen fand sich im Verlauf der Geißel- wurzel ein gerades, stark lichtbrechendes und ziemlich diekes Stück, das wie ein Stäbchen schräg gegen die Längsachse der Zelle gerichtet, der Geißelwurzel ein- gelagert war. Dieses Stäbchen artikulierte durch eine Art Knie mit dem freien Basalende der Geißel, und dieses Knie von schwach liehtbrechender Beschaffenheit schien mir öfters eine Art Varicosität zu enthalten. Das andere Ende des Stäb- chens ging m das den Kern umgebende dichtere Plasma über. Ich will die Frage nicht entscheiden, ob diese Zellen von denen der erstbeschriebenen Art spezifisch verschieden sind oder nur Zustände derselben darstellen, doch neige ich mich näher (der ersten Auffassung zu.“ Minchin (38) (pag. 154) äußert sich unter Berücksichtigung seiner Figur 2 und 3 über die Geißelinsertion bei Ascetta elathrus ©. S. wie folgt: „Above the nucleus, under the base of the eollar, a elear bright space in always present in the protoplasm. eireular in outline, of about the same size as the nueleus, and often containing 1—3 black granules. I am not certain as yet whether this space represents a Centralkörper, or a kind of food vacuole or whether it is in some way connected with the movements of the flagellum and collar. Immediately above this space, in the centre of the collar, is a dark spot, from which the 2396 Ernst Hammer: tlagellum arrizes. The eollar ist thiekened towards the base and exceedingly thim towards the extremity. "The flagellum is of equal thickeness throughout.“ Bidder (2) (pag. 29) sagt zusammenfassend: „that the flagellum is intimately connected with the nuelear membrane, and that when this is pherical in outline, the sphere slows a break at the print where the flagellum intersects it. 'The appearances are eonsonant with the flagellum being a rod-like or tube-like process of the nuclear sheath.“ Vosmaer und Pekelharing (64) geben in Figur 8 ohne Beschreibung eine Abbildung einer Geißelzelle von Halichondria panicea, aus welcher zu ersehen ist, daß Geißel und Kern in Verbindung stehen. Weltner (66) (pag. 285): „Am schnellsten gelingt der Nachweis der Wimper an der Zelle, wenn man ein Stückchen des Schwamms in gesättigter Sublimatlösung zerzupft; an den so isolierten Zellen sieht man dann auch, daß die Geibel bis an den Kern der Zelle herantritt.“ Minehin (39) (pag. 45) findet, daß bei den Geißelzellen der Larve der zwiebel- förmige Kern an der Grenze (des inneren vakuolisierten und äußeren granulierten Plasmas liegt und nach außen mit der Geißel verbunden ist. Auf späteren Ab- bildungen über die Bildung der (Greißelkammern zeichnet er ebenfalls nach der freien Zelloberfläche spitz ausgezogene Kerne, aber keine Geißeln. von Lendenfeld (23) zeichnet (pag. 78 Fig. 35) eine Geißelkammer, besetzt mit Kragenzellen, deren Geißeln sich deutlich bis zum Kernbinnenkörper fortsetzen, der an ihrem Ansatz spitz ausgezogen ist. In seiner Monographie (24), aus der (diese Zeichnung genommen sein soll, ist nichts davon zu sehen. Pag. 777 bemerkt er bei der speziellen Beschreibung der Kragenzellen nichts davon und gibt nur eine Zeichnung, nach der die Geißel sich in mehrere divergierende Wurzeln fort- setzt, die im oberen Teil der Zelle aufhören. Später gibt er (25) bei Olavulina chondrillanueula eine Verbindung zwischen Kern und Geißel an. F. E. Schulze!) (pag. 95): „Die aus dem Collare ziemlich weit frei hervor- ragende Geißel entspringt vom Zentrum der ebenen oder schwach vorgebuchteten «listalen Endfläche des Zellkörpers. Von der Ursprungsstelle läßt sich unter be- sonders günstigen Umständen durch die Längsachse des Zellkörpers ein sehr zarter Faden. bis zu der den Zellkern deckenden Kappe verfolgen.“ K. ©. Schneider?) (pag. 258): „Die Geißel verlängert sich ins Sare hinein, in eine Stützfibrille (Geißelwurzel), die wenigstens im distalen Zellabschnitt von (der Oberfläche bis zum Kern gut zu verfolgen ist, am Kern aber im diehteren Sarc zu enden scheint. Wenn der Kern basal liegt, was an Präparaten allerdings nur selten der Fall ist, ist auch die Stützfibrille in größerer Länge nachweisbar. Sie wird an der Zelloberfläche durch ein Basalkorn geschwellt, das sich mit Eisen- hämatoxylin intensiv schwärzt. Zu dieser Feststellung bedarf es besonders gün- stiger Präparate.“ Bei einer Vergleichung dieser verschiedenen Angaben über den Einpflanzungs- modus der Geißel ergibt sich, daß meine an den Choanocyten von Sycon raphanus gewonnenen Untersuchungsresultate am meisten mit den auf Hexaectinelliden sich 1) b e. cf. pag. 323 dieses Aufsatzes. 2) en '. cf. pag. 318 dieses Aufsatzes. Neue Beiträge zur Kenntnis der Histologie und Entwicklung von Sycon raphanus. 327 beziehenden Angaben F. E. Schulzes übereinstimmen. Während nämlich die übrigen Forscher, insoweit sie die intracelluläre Fortsetzung der Geißel erkannt und in mehr oder weniger bestimmter Weise zum Ausdruck gebracht haben, auf dem Standpunkt stehen, daß da, wo die Geißel den Kern tatsächlich erreicht, die erstere sich in die Kernmembran auflöst, oder umgekehrt, so vertrete ich vielmehr die Ansicht, daß im allgemeinen zwischen Kern und Rhizoplast ein Blepharoplast ein- geschaltet ist, der allerdings nur in besonders gut ausgefallenen Präparaten, dann aber mit um so größerer Sicherheit wahrgenommen werden kann. Ob nun dieses kernähnliche Gebilde, welches in neuerer Zeit zum Gegenstand zahlreicher Unter- suchungen, lebhafter Kontroversen und weitgehender theoretischer Spekulationen geworden, nuclearer oder plasmatischer Herkunft ist und vielleicht das Centrosoma darstellt, darüber vermögen die vorliegenden Untersuchungen kein Licht zu ver- breiten. Bezüglich des Blepharoplasten würde sich als künftiges Forschungsproblem die Frage aufdrängen, ob wir in Kern und Blepharoplast nur einen Stützpunkt für die Geißel (Bidder) oder in dem Blepharoplast allein, wie es K. ©. Schneider (pag. 25) andeutet, das wirkliche kinetische Zentrum zu erblicken haben. Das Protoplasma der Choanoeyten ist mehr oder .weniger deutlich vacuolisiert; eine kontraktile Vacuole an der Basis der Zelle, wie sie namentlich von James Clark (4) und neuerdings von K. ©. Schneider beschrieben wurde, habe ich im allgemeinen nicht konstatieren können und glaube mich daher Minchins (41) An- sicht (pag. 55), daß ihre Existenz als zweifelhaft angesehen werden muß, anschließen zu müssen. Die Choanocyten entstehen wie bei allen bisher untersuchten Spongien, direkt aus den Geißelzellen der Larve. Nach v. Lendenfeld (21) (pag. 252) entstehen dieselben jedoch aus jenen in der Nähe des Osculums vorkommenden Zellen der Zwischenschicht, die dieser Forscher in den Figuren 96—97, Tafel 13 abbildet und als erste Anlage von Geißelkammern bezeichnet. Ich selbst habe neben den in verschiedener Gestalt auftretenden Zellen der Zwischenschicht (Fig. 70, 71) diese birnförmigen Zellen auf Längsschnitten durch. erwachsenen Syconen zwar wiedergefunden, bin jedoch nicht in der Lage, dieselben mit der Bildung der Geißel- kammern in Beziehung zu bringen. Berlin, am 1. August 1907. Sy 16. Literatur-Verzeichnis. . Barrois, G@. Memoire sur l’embryologie de quelques Eponges de la Manche. Ann. se. nat., ser. 6. 1876. . Bidder, G. The collar-cels of Heterocoela. Quart. Journ. of Micr. Se. vol. 33 N. S. 1895. . Biedermann, W. Untersuchungen über Bau und Entstehung der Mollusken- schalen. Jen. Zeitschr. f. Naturw. Bd. XXXVI. 1901. . Clark, H. J. 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Bd. 317 878; — Die Gattung Spongelia. Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. 32. 1878. ie Familie der Spongidae. Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. 32. 1979. ie Plakiniden. Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. 34. 1880. Wiss. Berlin XIV. 1899. 58. Sobotta, J. Die Befruchtung und Furchung des Eies der Maus. Arch. f. mikr. Anat. Bd. 45. 1895. 59. Sollas, W. J. Artiele Sponges in Eneyelopaedia Britanniea 9 th ed. Vol. 22. Edinburgh. 1388. . — Challenger Report. on the Tetractinelledi. 18898. 1. Studnieka, F. K. Über Flimmer und Cutieularzellen mit besonderer Be- rücksichtigung der Centrosomenfrage. Sitz. Ber. d. kgl. böhm. Ges. d. Wiss. (mathem. naturw. Kl.) Jahrg. 35 (zitiert nach H. M. Meyer). 1899. 2. Urban, F. Kalifornische Kalkschwämme. Arch. f. Naturg. 72. Jahrg. 1905. Vosmaer und Pekelharing. On Sollas Membran in Sponges. Tijdschrift. der Needer. Dierk. Vereen. 2 Ruks Deel. 4 afl. 1. 1893. — Observations en Sponges. Verh. Koninkl. Ak. Amsterdam. 2 seet. No. 3. 1898. Literatur-Verzeichnis. 391 65. Weltner, W. Die Spongillen der Spree und des Tegelsees bei Berlin. Sitz. Ber. Gesellsch. naturforsch. Freunde. No. 10. 1886. 66. — Über Spongilla. Blätter für Aquarien- und Terrarienfreunde Bd. 7 No. 24. 1896. . — Spongillidenstudien V. Zur Biologie von Ephydatia fluviatilis und die Be- deutung der Amöbocyten für die Spongilliden. Arch. f. Naturgesch. 1. Bd. 2. Heft. 1907. 6S. Wilson, E. B. Experimental Studies in Cytology. I. A Cytological Study of Artifical Parthenogenesis in Sea-urchin Eggs. Arch. f. Entw. Mech. Bd. 12. 1901. 69. Woodland, W. Studies in Spicule Formation Part I. Quart. Journ. Mier. seince. n. s. vol. 49. 1905. 67 Tafel-Erklärune. Die Abbildungen wurden mit dem großen Abbeyschen Zeichenapparate ent- worfen und von Herrn Maler Rudloff nach dem Mikroskop und unter steter Kon- trolle meinerseits weiter ausgeführt. Die Mikrophotogramme sind Kopien, welche die Neue Photographische Gesell- schaft in Steglitz bei Berlin nach von Herrn Dr. Schubotz und mir hergestellten Negativen anfertigte. Da von jeder Retouche abgesehen wurde, so sind die Feinheiten teilweise nicht so deutlich, wie sie auf den Negativen bezw. bei okularer Betrachtung im Mikroskop erscheinen. Es durfte aus dem Grunde zweckmäßig sein, dieselben. mit Zuhilfenahme einer Lupe zu betrachten. Fig. 1— 8. Schnitte durch in Muttertieren angetroffene Eier, die verschieden- artige Beschaffenheit derselben zeigend. Fig. 1— 7. nach Präparaten, die teils mit Osmiumsäure, teils Flemmingscher Lösung mit darauffolgender Eisenhämatoxylinfärbung behandelt sind. Apochr. Immers. 2 mm. 1,350 Apert. Ok. 4. Fig. 8. Nach einem Flemmig E. H. Präparat. Apochr. Immers. 2 mm. 1.30 Apert. Ok. 12. Fig, 9—11. Mitosen amöboider Zellen. Nach Flemmig E. H. Präparate. Apochr. Immers. 2 mm 1.50 Ok. 12. Fig. 12—17. Eizellen, welche sich durch Aufnahme in ihrer Nähe liegender Zellen ernähren; nach teils mit Osmium, teils Flemmingscher Lösung be- handelten Präparaten. Apochr. Immers. 2 mm 1.50 Apert. Ok. 4. Fig. 18—26. Stadien aus der Richtungskörperbildung nach Flemming E. H. Prä- paraten Apochr. Immers. 2 mm 1.30 Apert. Ok. 4. Fig. 18. Das Keimbläschen hat sich nach der Peripherie begeben. Fig. 19. Die Membran desselben, in der Auflösung begriffen. Fig. 20. Keimbläschen, von einem hellen Hof umgeben. Fig. 21—24. Längs- und quergetroffene Eier wit parallel bezw. schräg zur Peripherie stehenden Spindeln. 25. Der erste Richtungskörper in Teilung. 26. Befruchtungsstadium, zwei Richtungskörper zeigend. 2. Befruchtungsstadium, längsgetroffen. Apochr. Immers. 2 mm 1.30 Apert. Ok. 4. . 43. Tafel-Erklärung. bBB) Befruchtungsstadium, quergetroffen. Apochr. Immers. 2 mm 1.30 Apert. Ok. 8. Aequatorialplatte. Flemming E. H. Apochr. Immers. 2 mm 1.30 Apert. Ok. 4. Metachinese, beginnende Durchschnürung (des Zellenleibes. Flem- ming E. H. Apochr. Immers, 2 mm 1.30 Apert. Ok. 8. Vollendete Zweiteilung. Flemming E. H. Apochr. Immers. 2 mm 1.30 Apert. Ok. 8. Zweizellenstadium, die verschiedene Beschaffenheit der Kerne zeigend. Flemming E. H. Apochr. Immers. 2 mm 1.30 Apert. Ok. 8. Apochr. Immers. 2 mm 1.30 Apert. Ok. 4. Vierzellenstadium. Flemming E. H. Apochr. Immers. 2 mm 1.30 Apert. Ok. 4. Vierzellenstadium, Anlage der Furchungshöhle. Flemming E. H. Apochr. Immers. 2 mm 1.30 Apert. Ok. 8. Achtzellenstadium. Flemming E. H. Apochr. Immers. 2 mm 1.30 Apert. Ok. +. Achtzellenstadium. Die Kerne in verschiedenen Phasen der Teilung. Flemmig E. H. Apochr. Immers. 2 mm 1.30 Apert. Ok. 8. Schnitt durch eine freischwärmende Amphiblastulalarve. Flem- ming E. H. Apochr. Immers. 2 mm 1.30 Apert. Ok. 4. Sehnitt durch eine Amphiblastulalarve, Überbleibsel einer früher bestandenen Pseudogastrulation zeigend. Flemming E. H. Apochr. Immers. 2 mm 1.30 Apert. Ok. 4. Zweikörnerzellen der Amphiblastulalarve von etwas amöboider Ge- stalt. Apochr. Immers. 2 mm 1.30 Apert. Ok. 8. Schnitt durch die Greißelzellenhälfte einer Amphiblastulalarve. Flemming E. H. Apochr. Immers. 2 mm 1.30 Apert. Ok. 4. Längsschnitt durch eine freischwimmende Gastrula. Flemming E..H. Apochr. Immers. 2 mm 1.30 Apert. Ok. 4. Querschnitt durch eine der Fixation sich nähernde Gastrula. Flem- ming E. H. Apochr. Immers. 2 mm 1.30 Apert. Ok. 4. Dieselbe Apochr. Immers. 2 mm 1.30 Apert. Ok. 8. Bildung des Grastralraumes nach Osmiumpichromagnesiakarmin- präparaten. Apochr. Immers. 2 mm 1.30 Apert. Ok. 4. Längsschnitte durch askonartige Stadien; kombiniert nach Osmium- Pichromagnesiakarmin und Flemming E. H. Präparaten. Achrom. Linse E. Ok. 4. Dermalzellen einer fixierten Larve in 'mitotischer Teilung. Flem- ming E. H. Apochr. Immers. 2 mm 1.30 Apert. Ok. 12. Je zwei Zellen der Bindesubstanz, welche scheinbar in Verschmelzung begriffen sind. Flemming E. H. Apochr. Immers. 2 mm 1.30 Apert. OR . 57-59. ig. 60—62. g. 69. ig. 64. (5 66. ig. 76. oe g. 84—87. Tafel-Erklärung. Doppelkernige Zellen der Bindesubstanz nach Osmium-Pichromagnesia- präparaten. Apochr. Immers. 2 mm 1.30 Apert. Ok. 12. Bildung der Einstrahler nach Osmium-Pichromagnesiapräparaten. Apochr. Immers. 2 mm 1.30 Apert. Ok. 12. Drei Zellen der Bindesubstanz, die sich aneinandergelegt haben. (Trefol. Minchin). Chanoeyte eines erwachsenen Sycon. Flemming E. H. Apochr. Immers. 2 mm 1.30 Apert. Ok. 18. Anordnung der Choanoeyten; basale Lage des Kernes. Flemming E. H. Apochr. Immers. 2 mm 1.30 Apert. Ok. 8. Choanocyte eines erwachsenen Sycon. Flemming E. H. Apochr. Immers. 2 mm 1.30 Apert. Ok. 12. Choanocyte aus einem in der Glasschale gezüchteten askonartigen Stadiums. Osmium E. II. Apochr. Immers. 2 mm 1.30. Apert. Ok. 12. Choanocytenkerne mit (Greißelwurzel (Rhizoplast). Flemming E. H. Apochr. Immers. 2 mm 1.30 Apert. Ok. 18. Porocyte eines erwachsenen Sycon. Osmium-Pichromagnesiakarmin. Apochr. Immers. 2 mm 1.30 Apert. Ok. 18. Zellen der Bindesubstanz. Flemming E. H. Apoehr. Immers. 2 mm 1.30 Apert. Ok. 18. Wie Fig. 30. Vergr. ca. 1000. Wie Fig. 51. Vergr. ca. 1000. Schnitt durch eine sehr in die Länge gestreckte Amphiblastulalarve. Flemming E. H. Vergr. ca. 1000. Schnitt durch eine Amphiblastulalarve, deren Geißelzellenkerne Bläphoroplasten von Stäbchenform besitzen. Vergr. ea. 500. Flem- ming E. H. Fragment eines Schnittes durch die Geißelzellenhälfte einer Amphi- blastulalarve, welche ebenfalls die Stäbehenform der Bläpharoplasten erkennen läßt. Flemming E. H. Vergr. ca. 1200. Schnitt durch die Geißelzellenhälfte einer Amphiblastulalarve, wie Fig. 76. Vergr. ca. 500. Wie Fig. 44. Vergr. ca. 500. Längsschnitt durch eine freischwimmende Gastrula, die Bläpharo- plasten zeigend. Flemming E. H. Vergr. ea. 500. Wie Fig. 45. Vergr. ca. 500. Totalpräparat einer fixierten Larve. Hyaline Zone Osmium-Pichro- magnesiakarmin. Vergr. ca. 500. Wie Fig. 56. Vergr. ca. 1500. Totalpräparat eines sechs Wochen alten Syeon, mit beginnender Radialtubenbildung. Osmium-Pichromagnesiakarmin. Verg. ca. 200. Anordnung der Choanoeyten; deren Gestalt, Lage des Kernes, Geißel- insertion. Tafel XXI. = “ > nee E.Lawe Lithinst.Berhin. Tafel NW. 27. Archiv für Biontolosie,BaLll. nn ea} De > . _ am M.Rudloffet E.Hammer del, Tafel ANY ElLaue,LithInst.Berlin ur Archiv für Biontologie,BaLll. M.Rudloffet E.Hammer del. - Tafel XI, E.Laue,Lithnst.Berlın. re Pr Archiv für Biontologie, Bd. II. RAN: Taf, —— Fig. 54 wulh 1 IE, ROSER TE Archiv für Biontologie, Bd. II. Fig. SO ig. SI Fig. 82 Fig. 83 Br nn“ Über Isopoden: 15. Aufsatz von Dr. Karl W. Verhoeff, Dresden-Striesen und Bonn. Mit Tafel XXIX—XXXI. Berlin. In Kommission bei R. Friedländer & Sohn. 1908, Inhaltsübersicht. I. Zur Kenntnis der Oniscinen-Gattungen und über neue Oniscinen. Schlüssel für die Gattungen und Untergattungen der Oniseinae. Gatt. Oniscus aut. lusitanus n. Sp. „» Oroniscus n. g. Untergatt. Petroniscus n. subg. » Philoseia m. Untergatt. Zepidoniseus n. sube. n Paraphiloseia s 5 Philoseia s. str. „ Chaetophiloseia n. @. „ Stenophiloseia n. g. „ Halophiloseia n. g. Verzeichnis der hier aufgeführten Oniseinen-Arten. Il. Über Porcellioniden. Porcellio gerstäckeri n. sp. (Nasigerio) » vulcanius „, „ (Proporcellio) Porcellio laevis und Verwandte. © albicornis Dollf. (Mesoporcellio) 2 Untergatt. Mesoporcellio Verh. or aetnensis n. sp. (Euporcellio) 5 montreola cassinensis n. subsp. Gatt. Agabiformius Verh. „» Leptotrichus B. L. Lucasius pallidus B, L. Il. Über Eluma, Syspastus und einige Trichonisciden. Gatt. Eluma B. L. „ Syspastus B. L. (Tracheensystem) » Hiyloniseus n. g. » Trichoniscus Verh. IV. Zur vergleichenden Morphologie und Biologie. Erklärung der Abbildungen. l. Zur Kenntnis der Oniseinen-Gattungen und über neue Onisceinen. Die mehrfach geäußerte Ansicht, daß unter dem Gattungsbegriff Philoseia recht verschiedenartige Elemente versammelt worden sind, habe auch ich längst geteilt. Eine praktische Verwirklichung solcher Ansicht, d. h. eine genauere Begründung natürlicher Gruppen habe ich im Folgenden zu geben versucht, wobei aber nicht allein Elemente der alten Mischgruppe Philoseia in genauer definierte Gruppen ge- gliedert worden sind, sondern auch einige bisher überhaupt unbekannte Formen und Gruppen angeschlossen werden konnten. Auf die bisher bei Phrlosceia und Verwandten gebrauchten systematischen Merkmale habe ich mich nicht beschränkt, sondern neue Charaktere herangezogen, so namentlich 1. die feinere Struktur der Trunkustergite, 2. die Verteilung von Epimerendrüsen, 3. die Gestalt des 1. — 3. männlichen Beinpaares, 4. das Vorhandensein oder Fehlen von Auszeichnungen des 7. männlichen Beinpaares, 5. den. Bau der männlichen Pleopode. — Die Wichtigkeit der Epimerendrüsen habe ich zuerst im 10. Aufsatz über Isopoden!) an der Hand der Porcellioniden systematisch praktisch dargetan. Für die Oniscinen sind dieselben nicht minder wichtig, doch möchte ich betonen, daß einmal wegen der zerstreuteren Anordnung der Drüsen und dann wegen der durchschnittlich geringeren Größe der hier in Betracht kommenden Formen eine mikroskopische Untersuchung ganz unerläßlich ist. Während bei Porcellio die Mündungen der Epimerendrüsen so gedrängt liegen, daß sie wie ein einzelner Porus erscheinen, begegnen uns in der Oniseinen-Gruppe viel zerstreutere Rand- poren-Drüsen, sodaß auch die Verteilung der einzelnen Drüsenporen von Wichtig- keit wird, ähnlich den Chilopoden z. B. bei welchen die Verteilung der Bauch- drüsenporen große systematische Bedeutung erlangt hat. Des Vergleiches halber und um Mißverständnissen vorzubeugen, wird es sich daher empfehlen, auch bei den Porcellioniden statt Poren allgemein die Bezeichnung Porenfeld zu verwenden. 1) Sitz. Ber. d. Ges. nat. Fr. Berlin 1907, 5. 229—281. 1* 340 Karl W. Verhoeff: In enger Beziehung zum Porenfeld steht die Porenfeldlinie, welche entweder im Bogen nach innen verläuft, wenn die Drüsenporen ein dichteres Feld darstellen, oder als Randfurche dem Epimerenseitenrand parallel läuft, wenn die Drüsen- poren mehr längs desselben verstreut sind. Als ein teils für Gattungen, teils für Arten wichtiges Merkmal habe ich ferner die Sohlenbürsten nachweisen können, welche namentlich am Carpopodit, in geringerem Grade auch am Meropodit des 1. — 3. männlichen Beinpaares auftreten. Das 1. Beinpaar der Oniscoidea ist als Putzfuß allgemein von Interesse und zwar bei g' und 2 ausgebildet, während beim g‘ dann noch manche andere Eigentümlichkeiten am 1. oder auch noch den weiteren Beinpaaren auftreten können. (Vergl. Abschnitt IV!) Schlüssel für die Gattungen und Untergattungen der Oniseinae: A. Kieferfüße am Endopodit mit bewimpertem Endrand, ohne Stachelborsten an demselben aber mit einem stäbehenführenden Höcker an der Innenecke. Exopodite der Kieferfüße zweigliedrig, die dreieckigen Endglieder außer dem Stäbchenbüschel am önde mit zwei kleineren auf Höckerchen sitzenden Stäbehenbüscheln am Innenrande. Rücken ohne Zellschuppenstruktur, höchstens mit sehr schwacher Zellstruktur. Seitenlappen des Kopfes unbedeutend. Querkante der Stirn fehlend. Cauda gegen den Trunkus stark abgesetzt, mit sehr kleinen Epimeren, welche nach unten gebogen sind, aber von oben etwas sichtbar bleiben. Telson kurz, hinten abge- rundet, in der Mitte nicht in eine Spitze ausgezogen. Trunkusepimeren völlig drüsenlos. 1. und 2. Beinpaar des 5 unten ohne Bürsten, aber Carpopodit und Propodit unten und an der ganzen Innenfläche mit diehtem Schuppenfeld, das 5. Glied nicht oder nur wenig dünner als das 4. Endopodite der 1. männlichen Pleopode verdickt und nach außen gebogen, am Ende mit Nebenspitze. Penis noch nicht die halbe Länge der 1. Endopodite erreichend. Meropodit des 7. männ- lichen Beinpaares ohne Fortsatz. 1. Tribus Halophiloscerini m. (Meerstrandtiere.) a) Tergite mit in Querreihen gestellten Höckern an Kopf, Trunkus und Cauda, die einzelnen Höcker mit einer Gruppe gedrängter Schuppen besetzt, Epimeren- ränder ohne auffallende Schuppen. Körper gestreckt, schmal, Antennen mäßig lang, Exopodite der 1. Pleopode des 5% abgerundet, nieht in einen Fortsatz ausgezogen, am Rande nackt, Endopodite keulig verdiekt. Exopodite der 2. Pleopode am Rand ebenfalls nackt. Uropoden-Exopodite des 5 noch nicht doppelt so lang wie die Endopodite. 1. Gatt. Stenophiloseia n. g. b) Tergite ohne Höckerchen und ohne Gruppen gedrängter Schuppen aber beborstet und die Borsten vielfach, namentlich an den Rändern, zu dreieckigen Schuppen erweitert. Körper breiter, Antennen sehr lang und dünn. Exopodite der Il. Pleopode des 5 in dreieckige Lappen ausgezogen, am Rande beborstet, Endo- podite gleichbreit oder verschmälert. Exopodite der 2. Pleopode am Rande ebenfalls beborstet. Uropoden-Exopodite des 5 mehr als dreimal länger wie die Endopodite. 2. Gatt. Halophiloseia n. g. Über Isopoden: 15. Aufsatz: 341 B. Kieferfüße am Endrand des Endopodit unbewimpert, ohne stäbchen- führenden Höcker, mit oder ohne Stachelborsten. Exopodit am Innenrand mit einfachen Borsten, ohne stäbchenführende Höckerchen. Trunkusepimeren mit Drüsen- poren von verschiedener Zahl und Anordnung, seltener ohne dieselben. 1.— 3. Beinpaar des 5 unten am Meropodit und namentlich Carpopodit mit einer diehten Bürste, das 4. und 5. Glied nicht mit Schuppenfeld, das 5. entschieden und auf- fallend dünner als das 4 Die Endopodite der 1. Pleopode des Z gegen das Ende allmählich verschmälert, nieht verdiekt, auch nicht auffallend nach außen gebogen. 2. Tribus Oniscini m. (Tiere außerhalb der Meeresküsten.) a) Hinterrand des 1. — 5. Trunkussegmentes in der Rückenmitte viel weiter zurückliegend als der im Bogen nach vorn geschwungene Hinterrand der Epimeren, er ist also jederseits tief ausgebuchtet und die spitzen Hintereeken treten wieder nach hinten kräftig vor. Die Wehrdrüsen fehlen entweder vollständig oder es sind nur am 1. Segment noch Spuren vorhanden. Meropodit am 7. Beinpaar des dJ‘ ohne Fortsatz. Seitenlappen (des Kopfes groß, Stirnquerkante vorhanden. Cauda kaum abgesetzt gegen den Trunkus, die Epimeren sehr groß, die 5. ungefähr so weit vorragend wie das an den Seiten eingebuchtete und mit starker Mittelspitze weit vorspringende Telson. Rücken mit Zellschuppenstruktur und zu zarten Schüpp- chen erweiterten Borsten. Exopodite der 1. Pleopode des cd sehr tief winkelig eingebuchtet. 3. Gatt. Oniscus aut. b) Hinterrand des 1. — 3. Trunkussegmentes meist einfach zugerundet, ist er aber jederseits ausgebuchtet, dann ist die Buchtung nur seicht, die Epimeren treten dann nach hinten zu am 1. Segment niemals vor, am 2. und 3. nur in geringem Grade und niemals spitz. Wehrdrüsen sind vorhanden, selten fehlen sie (Chaetophiloscia sieula) und dann sind die Pleonepimeren schwach und herabge- Urückte U N un ich.d! e) Hinterrand des 1. — 3. Trunkussegmentes entweder leicht ausgebuchtet oder jederseits schräg aber gerade verlaufend. Seitenlappen des Kopfes groß, Stirn- querkante deutlich. Epimerendrüsen zahlreich, in längliche Porenfelder gruppiert, welche durch nach innen gebogene Porenfeldlinien umgrenzt sind. Die Borsten an den Sohlenbürsten des 1. — 3. männlichen Beinpaares sind recht kräftig und lang und laufen in eine feine lange Spitze aus. Rücken dicht besetzt mit Zellschuppenstruktur, außerdem mit \ förmigen Spitzen, welche in zarte Schüpp- chen erweitert sind. Meropodit des 7. Beinpaares des o° ohne Fortsatz. Cauda wenig abgesetzt, ihre Epimeren sehr groß und seitlich abstehend, die 5. ungefähr so weit nach hinten vorragend wie das Telson, welches mit dreieckiger starker Spitze nach hinten ausgezogen ist, bei kräftig eingebuchteten Seiten. Exopodite der 1. Pleopode des g' leicht bogig eingebuchtet. 342 Karl W. Verhoeff: Noduli laterales am 1. Segment am weitesten nach innen gerückt. 4. Gatt. Oroniseus n. g. &. Hinterrand des 1. Trunkussegmentes jederseits eingebuchtet. Porenfelder kurz, etwa '/s der Länge des Epimerenseitenrandes erreichend. Noduli laterales am 2. vom Seitenrande entschieden weiter entfernt als am 3. Segment. Untergatt. Oronisceus s. str. ß. Hinterrand des 1. Trunkussegmentes jederseits schräg aber gerade ver- laufend. Porenfelder recht groß, mindestens die halbe Länge des Epimerenseiten- randes erreichend. Noduli laterales am 2. und 3. Segment vom Seitenrande un- gefähr gleich weit entfernt. Untergatt. Petroniseus n. subg. d) Hinterrand des 1.— 3. Trunkussegmentes vollkommen zugerundet, also jederseits weder gerade verlaufend noch ausgebuchtet. Seitenlappen des Kopfes klein oder ganz unbedeutend. Drüsenporen sehr verschieden auftretend, oft nur in geringer Zahl an den einzelnen Segmenten; wenn sie aber zahlreicher auftreten, finden sie sich nicht in länglichen Feldern, sondern sind längs einer Randfurche verteilt. Cauda entweder stark oder nur wenig abgesetzt. Im letzteren Fall kommen am Rücken entweder echte Schuppen auf Doppelbogen vor oder spitze aber einfache Haare ee e) Pleonepimeren mäßig groß bis stark, von oben her immer deutlich sichtbar. Telson mit vorspringendem, dreieckig-spitzen Mittelteil, die Seiten kräftig einge- buchtet. 1.— 3. Beinpaar des f‘ an der Unterfläche des Meropodit und Carpo- podit mit einer diehten Bürste aus langen, steifen Borsten. Endopodit der Kiefer- füße am Endrand mit zwei kräftigen Borsten. 5. Gatt. Philoscia mihi. a. Trunkussegmente ohne deutliche Randfurchen. Porenfeld der Epimeren- drüsen klein, durch eine kleine Delle angezeigt und vor der Mitte des Seitenrandes gelegen. Rücken mit dichter Zellschuppenstruktur und außerdem mit echten Schuppen, welche einem Doppelbogen aufsitzen. Meropodit am 7. Beinpaar des cd‘ ohne Fortsatz. Stirnquerkante fehlend. Cauda wenig abgesetzt, die Epimeren kräftig, die 5. soweit wie die Telsonspitze vorragend. 1. Untergatt. Lepidoniscus n. subg. ß. Trunkussegmente ohne deutliche Randfurchen. Porenfeld der Epimeren- drüsen kurz, höchstens !/s der Länge des Seitenrandes erreichend, meist aber noch viel kürzer, am 1. Segment bisweilen fehlend. Rücken mit dichter Zellschuppen- struktur und außerdem mit länglichen, spitzen oder auch stäbchenförmigen nicht zu Schuppen erweiterten Borsten, ohne Doppelbogen-Schuppen. Meropodit am 7. Bein- paar des 5° mit oder ohne Fortsatz. Stirnquerkante vorhanden. Cauda wenig abgesetzt, die Epimeren kräftig, die 5. fast so weit vorragend wie die Telsonspitze. 2. Untergatt, Paraphiloscia n. subg. Über Isopoden: 15. Aufsatz! 243 y. Alle Trunkussegmente mit deutlichen Randfurehen, die Drüsenporen neben ihnen in streifenartiger Längsgruppe über den größten Teil des Randgebietes ver- teilt. Rücken des Trunkus spärlich beborstet, ohne Schuppen und ohne Zellschuppen- struktur. Meropodit am 7. Beinpaar des 5‘ mit anliegendem oder abstehendem Fortsatz. Stirnquerkante vorhanden. Cauda stark abgesetzt, die Epimeren aber doch ziemlich kräftig, etwas herabgebogen, aber von oben her deutlich sichtbar, die 5. hinter dem Telson entschieden zurückbleibend. 3. Untergatt. Philoscia s. str. f) Pleonepimeren sehr klein, von oben her wenig oder gar nicht sichtbar. Telson ungefähr dreieckig, mit dem Mittelteil nicht vorspringend, daher die Seiten nicht oder höchstens ganz unbedeutend eingebuchtet. 1.—3. Beinpaar des gJ an der Unterfläche des Meropodit und Carpopodit ohne Bürste, nur mit einigen Stachel- borsten. Die Stirnquerkante fehlt meistens, bei illyrica ist sie vorhanden. Die Pleonepimeren sind herabgebogen, die 5. bleiben weit hinter der Telsonspitze zurück. Cauda stark abgesetzt. Den Trunkussegmenten kommen Randfurchen zu, welche aber schwächer sind als bei Philoscia und bisweilen auch recht undeutlich. Dem- entsprechend sind nur spärliche Drüsenporen am Seitenrande zerstreut und manchmal fehlen sie auch vollständig. Rücken zerstreut beborstet, die Borsten z. T. lang, namentlich in einer Längsreihe an den Epimeren. Die Zellschuppenstruktur fehlt an den pigmentlosen Stellen des Rückens vollständig, kann aber sonst, namentlich an den Epimeren deutlich sein. Keine Schuppen auf Doppelbogen, doch können an den Rändern Borsten vorkommen, welche zu dreieckigen Schüppchen erweitert sind. Meropodit am 7. Beinpaar des g' ohne Fortsatz. Endopodit der Kieferfüße am Endrand ganz nackt oder höchstens außen mit einer kurzen Stachelborste. 6. Gatt. Chaetophiloscia n. 2. Die Gatt. Anaphrloscia Racov.!) ist nur im weiblichen Geschlecht bekannt geworden, trotzdem aber genügend von allen hier behandelten Gattungen unter- schieden. Sie fällt in den Rahmen meiner Oniscini und ist neben Chaetophiloscia zu stellen, mit der sie im stark abgesetzten Pleon und in der Gestalt des Telson fast übereinstimmt. Epimerendrüsen sind von Racovitza nicht erwähnt worden, was aber noch kein-Beweis für das Fehlen (derselben ist, da dieselben bisher über- haupt nicht beachtet worden sind. Jedenfalls unterscheidet sich Anaphtloscia von Chaetophiloscia durch den Mangel der Ocellen, durch die mit Schüppchengruppen besetzten Beine und die mit stumpfen Stäbchen bekleideten Tergite. Was die verwandtschaftlichen Beziehungen der hier erwähnten Gattungen betrifft, so sehe ich zunächst in den Litoralgattungen, d. h. den Halophiloseiinen eine sekundäre Gruppe, während C'haetophiloscia als eine Gattung gelten kann, welche den gemeinsamen Vorfahren einerseits der Halophiloseciinen, andererseits den übrigen Oniscinen nahe zu stehen scheint. Chaetophiloscia ist vor den übrigen Oniscinen als primitive Gruppe ausgezeichnet einmal durch das stark abgesetzte Pleon, dann durch die kleinsten Epimeren, namentlich am !) Arch. Zoolog. exp. et gen. Paris 1907, N. 4, pag. 182. 344 Karl W. Verhoeff: Pleon, ferner dureh die in einfacher Reihe am Rande der Trunkusepimeren stehenden Drüsenporen, durch den Mangel der Bürsten an den vorderen Beinpaaren und das einfache, nach hinten nicht ausgezogene Telson. Im Vergleich mit den Halo- philoseiinen ergibt sich Chaetophiloseia ebenfalls als primitivere Gattung durch die einfacheren, der Wimperung und der meisten Stäbchengruppen entbehrenden Kieferfüße, durch die einfacher gebauten Beinpaare sowohl als auch Pleopode des ‘ö. während der Wegfall der Epimerendrüsen damit zusammenhängen dürfte, dab die Halophilosciinen der Nässe mehr ausgesetzt sind und bei ihrem Umherlaufen in Sand und Kies und Genist der Küsten, bei häufigem Wind und reichlichem Wogenwechsel sich mehr durch Schnellfüßigkeit zu schützen haben. Dement- sprechend sind sie auch durch längere Antennen ausgezeichnet. 1892 vertrat Fr. Dahl!) an der Hand seiner Philoseia bermudensis die An- sicht, daß einzelne Philoseia-Arten der Meeresküsten, (es sind die Angehörigen von Halophiloseia m.) von einzelnen mit ihnen zusammenlebenden Zigia-Arten ab- stammten. Er ging von der Voraussetzung aus, daß Zigia und Philosera „ähnlich gebaute Formen“ seien, Porcellio und Armadillidium dagegen von ihnen „außer- ordentlich verschieden“. Diese Voraussetzungen treffen aber nicht zu, vielmehr sind Zigia und Philoseia Angehörige so sehr von einander abweichender Familien, (nicht etwa allein durch die Antennen und Antennulen unterschieden), daß diese Hypothese unbegründet ist. M. E. hat Dahl auch ganz unnötig weit ausgegriffen, denn zur Ableitung einer Halophiloscia bermudensis müssen doch zunächst einmal andere Halophilosceia- (oder wie es bisher hieß Piloscia-) Arten in Betracht ge- zogen werden. Wenn aber die Halophiloscia-Arten allgemein Küstentiere sind, waren sie gerade diejenigen Onisceinen, welche für eine Verschleppung über See von Haus aus befähigt wurden. Halophiloseia bermudensis können wir also von einer anderen Halophiloscia ableiten. Ob das eine lebende Species ist oder sein kann, hängt mindestens noch davon ab, ob uni welche Halophiloscien noch an andern, namentlich amerikanischen, Gestaden vorkommen. Gatt. Oniscus autorum. Oniscus murarius Cuv. ist als eine recht variable Art noch wenig bekannt, auch wird die Variabilität noch durch den Umstand scheinbar vergrößert, daß die Jugend- formen von denen der Erwachsenen abweichende Strukturverhältnisse darbieten. Auf diese Jugendlichen wurden mehrere unberechtigte Arten gegründet, nämlich fossor und taeniola ©. Koch und erst neuerdings beschrieb auch L. Koch?) die Arten languidus und lamperti, welche ebenfalls jugendliche murarius vorstellen. S. 62 hat er dann noch ausdrücklich eine Lanze eingelegt für die Artberechtigung des taeniola, aber die angeführten Merkmale, „auffallende Färbung des” letzten Körper- und ersten Schwanzsegmentes“ und das „sehr kurze 1. Glied des Flagellum“ sind eben einige der charakteristischen Merkmale der epimorphotischen Jugendlichen, abgesehen von der entsprechenden, für Oniseus sehr geringen Größe von 4—5mm Länge. Aus zahlreichen Gegenden Mittel- und Westeuropas habe ich selbst ein großes Material vorliegen und dasselbe mit Rücksicht auf die angeblichen kleinen Arten ') Ergebnisse der Plankton-Expedition. Bd. IA. Die Landfauna von Bermuda, Kapverden usw. ?) Die Isopoden Süddeutschlands und Tirols, nat. Ges. Nürnberg 1901. Über Isopoden: 15. Aufsatz: >45 und die Variabilität überhaupt wiederholt geprüft. Verschiedene selbständige Arten konnte ich jedoch keineswegs unter mararius entdecken. Dennoch habe ich einen Fortschritt in der Kenntnis dieser Art dadurch gewinnen können, daß ich mehr- mals Weibchen mit Brutlamellen und Embryonen fand, welche sich ganz auffallend in Größe und Skulptur von den entsprechenden typischen murarius-Weibehen unter- scheiden. Da ieh neuerdings auch einerseits sichtlich erwachsene Männchen von gleicher Größe aber verschiedener Struktur des Rückens neben einander in dem- selben Walde aufgefunden habe, während andererseits an manchen Plätzen nur eine ganz bestimmte Form beobachtet wurde, so ergibt sich für mieh der Schluß, daß wir bei muranrius immerhin es mit beachtenswerten Varietäten zu tun haben, von denen ich die var. /atus aus Portugal schon früher erwähnt habe. Die Varietäten unterscheide ich in folgender Weise: &. Hinterrand der Caudalsegmente bei Erwachsenen und Halbwüchsigen mit sehr kleinen Knötchen, von denen je zwei an einigen Segmenten und zwar meistens dem 3.—5. in der Mitte etwas größer sind und zusammen einen Längszug bilden. Hinterhauptwulst innen neben den Ocellen kräftig. Körper bei den Erwachsenen besonders breit. Rückenmitte ohne gelbe Flecken, Rücken der Erwachsenen ziem- lich glänzend, der Jugendlichen matt. Bis 15 mm lg. (und 10V mm br.). murarius var. latus Verh. Portugal. ß. An den Hinterrändern der Caudalsegmente in der Mitte keine auffallenden Knötchen. 1. murarius (genwinus) Rücken der Ewachsenen glänzend, deutlich punktiert. Höckerung als deutliche z. T. längliche Wülste ausgebildet, namentlich am 2. und 3. Segment. Kopf des Z mit glattem Scheitel, 2 bis 17 mm Lg. erreichend, & meist etwa 12 mm lg. gegen 14 mm erreichend. Diese typische Form kenne ich von den Pyrenäen und England bis nach Ostdeutschland. 2. var. nodulosus mihi. Rücken der Erwachsenen matt, glanzlos, undeutlicher punktiert. Höckerung als kräftige, rundliche Körner ausgeprägt. Hinterkopf stark gehöckert. Kopf des 5 ebenfalls höckerig. 2 2 mit Embryonen 10—11 mm lang. dd bis 12!/ mm lg. Von mir in Rheinland und bei Kufstein gesammelt. 3. var. germanicus mihi. Rücken der Erwachsenen matt, glanzlos, undeutlicher punktiert, Höckerung als feine Knötchen ausgebildet. Hinterkopf schwach ge- höckert. Kopf des 5 ebenfalls höckerg. 2 2 mit Embryonen 11—11'/ mm Ig. dd bis 13 mm. Bisher von mir nur in Wäldern des mittleren Sachsens bei Dresden und Kreischa gesammelt. Oniscus lusitanus n. sp. 2 11 mm lg. (6'/; mm br.). Dem ©. simoni B. L. nahe verwandt, aber durch Folgendes unterschieden: Körper breiter, das 1.—3. Segment jederseits stark ausgebuchtet, aber mit seinen Epimeren weniger nach vorn gerichtet, die Hinterzipfel der 1. und 2. Epimeren noch spitzer, ihr Ende ungefähr auf derselben Querlinie gelegen wie das mittlere Hinterrandstück (bei simoni entschieden vor dieser Querlinie). Querkante der Stirn etwas schärfer ausgeprägt. Hinterrand des Kopfes mit 4—6 vorragenden Höckern (bei s. nur angedeutet). Hinter der Stirnkante erhebt sich jederseits ein länglicher, kräftiger und erhobener, schräger Wulst (bei s. finden sich statt dessen 2+2 (3+3) 346 Karl W. Verhoeff: rundliche Zapfen). Höckerung des Rückens im Allgemeinen stärker als bei simoni. Trunkussegmente mit zerstreuten, deutlichen Höckerchen übersät, namentlich die vorderen. (An den Trunkusepimeren des s. nur schwache Spuren von Höckerehen.) Hinterränder des Trunkus in «der Mitte mit einer Reihe nach hinten vorspringender Zapfen, welche stärker sind als bei s. In derselben Weise wie bei s. ist die Mediane der Pleonsegmente durch je einen nach hinten gerichteten, vorspringenden Zapfen ausgezeichnet. Außer «dieser Reihe ist das Pleon noch mit einigen zerstreuten Höckerchen besetzt, (welche bei s. fehlen). Letzte Epimeren deutlich divergierend. Telson lang und schlank, die Seiten stärker eingebuchtet als bei s., daher ist die Spitze am Grund kaum so breit wie die Uropodenpropodite. Seitenlappen des Kopfes in der Endhälfte breiter als bei s, nicht der Dreieckform genähert sondern stärker abgerundet. Ocellen in +4 Reihen übereinander (bei s. gedrängter und nur in 5 Reihen). — Vorkommen: Ein einzelnes 2 aus der Gegend von Coimbra verdanke ich Herrn Inspektor Moller daselbst. Gatt. Oroniscus n. g. a) Untergatt. Oroniscus s. str. Oroniscus helvetieus Verh. (= Oniscus helvetieus Verh.))). In seiner hübschen Monographie der schweizerischen Isopo den wollte J. Carl?) den helveticus als „var.“ des Oniscus maurarius auffassen, was aber schon nach meiner ersten Diagnose nicht hätte geschehen sollen, da es in derselben lautet: „Hinterrand des 1.— 3. Trunkussegmentes jederseits nur seicht ausgebuchtet, die Hintereceken nicht nach hinten vortretend“. Das ist doch ein so auffallender Unter- schied von den echten Oniscus-Arten, daß Carl den Vorwurf, die Unterschiede des helvetieus seien „etwas subtil und schwer meßbar“ ganz überflüssig erhoben hat. Nachdem ich bei meiner neueren Untersuchung weitere Eigentümlichkeiten nachweisen konnte, welche dem Oniscus helveticus einen Platz in einer neuen Gruppe anweisen, will ich meiner ersten Beschreibung noch folgendes hinzufügen: Die Endopodite der 1. Pleopode des 5 laufen gerade aus, sind also mit der Spitze nicht, wie das bei O. murarius der Fall ist, etwas schräg nach außen, son- dern genau nach hinten gerichtet. Dagegen besitzen die Oroniscus-Arten ebenso wie meararius einen länglichen Endstachel oben am Ende des 1. Endopodit, der aber in der Ansicht von unten versteckt liegt. Am abgerundeten Ende springt bei helveticus innen ein spitzes Zäpfchen vor, eine Anzahl solcher vor dem Ende am Innenrand. Die Exopodite der 1. und 2. Pleopode sind am Außenrand mit kräftigen spitzen Tastborsten besetzt. Die Borsten, aus welchen die Sohlenbürsten der vorderen Beinpaare des Z bestehen, sind kräftig und lang, das letzte Viertel auffallend dünner, spitz aus- laufend und meist mit feiner Nebenspitze. Das Porenfeld am 1. Trunkussegment steht nur wenig hinter den Vorderecken, an den folgenden Segmenten etwas weiter nach hinten, aber an allen vor der Mitte und auffallend kurz gedrungen im Ver- gleich mit den Petroniscus-Arten. Mehr als bei allen andern Oniscinen erinnern ') Zoolog. Anzeiger 1896, Bd. XIX pag. 22. *) Neue Denkschriften der schweizerischen naturforsch. Gesellsch. Zürich 1908. ee iu 2 EEE En Über Isopoden: 15. Aufsatz: 347 [2] die Porenfelder des helvetieus an die bei Porcellio vorkommenden. Die Poren stehen mehrreihig aber doch zerstreut, sodaß sie sich schwer zählen lassen; einige sind rundlich, die meisten aber länglich in der Richtung der Körperlängsachse. Die scharfe Randlinie, welche sonst dem Epimerenrand parallel läuft, biegt vor «dem Porenfeld unter spitzem Winkel nach innen, läuft um das längliche Feld herum und tritt ebenfalls unter spitzem Winkel hinter dem Porenfeld wieder an den Rand zurück. Dies gilt für alle Trunkussegmente. Noduli laterales (wie auch bei den Verwandten) mit einer kräftigen Tastborste besetzt. Im Vergleich mit O. murarius erwähne ieh noch, daß die stumpfwinklig gekniekte Stirnquerkante stärker ausge- Die Höckerchen Rückens sind auf dessen mittleres Gebiet beschränkt, fehlen also an den Epimeren. prägt und in der Mitte durchaus nicht abgeschwächt ist. des Sie sind rundlich, kleiner und feiner als bei m. die Pleonepimeren sind kürzer, die 5. reichen nach hinten aber trotzdem soweit wie die Telsonspitze, weil das Telson ebenfalls gedrungener ist. Die Kürze der Uropodenpropodite kommt darin zum Ausdruck, daß ihr Hinterrand fast so breit ist wie der Außenrand lang, während Die Telsonspitze ist nur wenig länger als am Grunde breit, bei m. erheblich länger. b) Untergatt. Petroniscus n. subg. bei m. der Hinterrand noch nicht die halbe Länge des Außenrandes erreicht. Die beiden hierhin gehörigen Arten sollen zunächst durch eine vergleichende Gegenüberstellung hervorgehoben werden: dolomitieus n. Sp. Rücken nur in der Mitte mit mehr oder weniger deutlichen Spuren von Körnelung. Epimeren ganz ohne Höckerchen. Stirnkante als geschwungener Bogen jederseits nach unten abbiegend, in der Mitte deutlich unterbrochen. Hinterrand des 2. und 3. Pereionsegmentes jeder- seits fast gerade lappen des Kopfes groß, stark nach außen gedreht; daher sieht man ihre Fläche von vorn her nur wenig. Endopodite der 1. Pleopode des f” am Ende mit abstehenden, langen aber sehr feinen Haaren, vor dem Ende innen nur mit Andeutung von Zäpfchen. verlaufend. Seiten- calewagus n. Sp. kücken quer über die Mitte mit deut- lichen Zügen von Höckerchen, die 1.—3. Epimeren mit zerstreuten kräftigen Höckerchen besetzt, die 4.—7. schwächer und vereinzelter. Stirnkante vollständig durchlaufend, abgerundet-dreieckig nach unten gezogen. Hinterrand des 2. und 3. Segmentes jederseits mit leichter Aus- buchtung. Seitenlappen des Kopfes groß, wenig nach außen gedreht, daher von vorn deutlich genug zu übersehen. Endo- podite der 1. Pleopode des Z am Ende ohne abstehende Haare, vor dem Ende innen mit einer Reihe spitzer Zäpfchen. 0. dolomiticus n. sp. (= Philoscia squamuligera Verh. in litt.). 2 2 mit Embryonen 91/3; —11!/2 mm Ieg. do‘ bis 11 mm Ile. Rücken braun, matt, mit graugelben Fleckchen gesprenkelt, welche namentlich in der Trunkusmitte eine unregelmäßige Marmorierung erzeugen, ebenso an der Scheitelfläche des Kopfes. In der Mediane macht sich, namentlich bei helleren Individuen, eine Längsreihe brauner Flecke bemerkbar, in denen ein helleres Fleckchen steht. Eine Längsreihe graugelblicher oder weißlicher länglicher Flecke 348 Karl W. Verhoeft! ziert jederseits den Grund der Trunkusepimeren, doch bleiben diese Flecke ein gut Stück vom Hinterrand entfernt. Weiter außen von ihnen steht vorn an den Epi- meren noch ein kleinerer, rundlicher heller Fleck, während die Epimerenhinter- zipfel nicht aufgehellt sind. Exopodite der 1. und 2. Pleopode des f am Rande kräftig beborstet, die 2. außen in tiefem Bogen ausgebuchtet. Die Porenfelder von Petroniseus zeichnen sich vor denen des Oroniscus helveticus sehr auffallend durch ihre langgestreckte Gestalt aus. Am 1. Segment des dolomitieus beginnen die Drüsenporen kurz hinter der abgerundeten Vorderecke und ziehen sich «dann 1—2 unregelmäßige Reihen bildend bis ungefähr zur Mitte des Seitenrandes. Die «das schmale Porenfeld ab- grenzende Linie biegt daher nicht auffällig, sondern nur unbedeutend nach innen ab, und zieht fortgesetzt dem Seitenrand parallel, steht nur da wo sich die Drüsen- poren befinden, etwas weiter von ihm ab. An den weiteren Segmenten 2—7 treffen wir dasselbe Porenfeld, also über reichlich die Hälfte des Seitenrandes ausgedehnt, doch wird es an den hinteren Segmenten etwas breiter, indem noch eine 3. Poren- reihe auftritt und zugleich die Drüsenporen etwas mehr vom Seitenrande abrücken, sodaß auch die Porenfeldlinie ein wenig mehr nach innen abbiegt. Vorkommen: Ende Aueust 06 entdeckte ich diese Art in ziemlicher Anzahl im Ampezzogebiet Tirols bei 1400—1450 m Höhe teils bei Höhlenstein, teils am Dürrensee unter Kalksteinen, z. T. solchen, welche auf dunklem Humus eingebettet lagen. 2 2 führten Embryonen. Anfangs glaubte ich in dieser Form die Philoseia squamuligera Kölbel erblicken zu sollen. Nachdem ich dann aber bei Brixen Tiere auffand, welche dieser Art viel besser entsprachen, ergab sich, daß vor- liegende Form eine neue Assel vorstellt. calewagus n. sp. d' und 2 10 mm lg. In Färbung und Zeichnung mit dolo- miticus sonst übereinstimmend, aber abweichend durch die hellen Hinterzipfel nament- lich der Epimeren des 5.—7. Trunkus- und 3.—5. Caudalsegmentes. Exopodite der 1.—2. Pleopode des 5 wie bei dolomitieus. Die Porenfelder sind noch entschieden länger als bei dolomiticus, indem sie am 1. Segment gleich an der Vorderecke beginnen und über mehr als ?/s des Seitenrandes ausgedehnt sind, bei unregelmäßig zweireihiger Verteilung der Drüsen- poren. An den folgenden Segmenten nehmen die Porenfelder auch etwa ?/s der Seitenrandlänge ein, sind aber breiter und enthalten 3—4 unregelmäßige Reihen. Noduli Tlaterales infolge der reichlicheren Körnelung viel weniger auffällig als bei dolomiticus. Vorkommen: Ende September 07 sammelte ich 2 f 2 2 im Laubwald unter Kalksteinen bei Podbrdo in Krain an einer der Sonne wenig ausgesetzten Bergwand bei etwa 550 m Höhe. Die Gattung Oroniscus ist in ihren drei Arten nach den bisherigen Erfahrungen sanz auf das Alpengebiet beschränkt und schon hierdurch von besonderem In- teresse. Nach der Höhe des Vorkommens können ©. helveticus und dolomitieus als subalpin, calewagus als alpino-montan bezeichnet werden. Von den Tricho- niseilen abgesehen ist aber Oroniseus die einzige Gattung der Oniscoidea welche als alpines Genus angesprochen werden darf. u Se ee Zul. Über Isopoden: 15. Aufsatz: 349 Gatt. Phüloscia mihi. Untergatt. Zepidonisceus n. subg. Philoseia germamica Verh. (= pruinosa Carl) hat als Typus dieser Gruppe zu gelten. Die Unterschiede, welche Carl a. a. ©. erwähnt hat, sind auf Rechnung der Variabilität und der etwas verschiedenen Auffassung zu setzen. Letzteres gilt namentlich für die sehr kleinen Seitenlappen des Kopfes, während die Schuppen der germanica der Beschreibung Carls ebenfalls entsprechen, jedoch in der Prä- Mit Garls Abb. 77 der 1. Pleopode des $ stimmt germanica gleichfalls überein. Als Besonderheit Größe von 7—9 mm aber auch nieht gelten, denn wenn die von mir beobachteten süddeutschen germanica nicht über 61/s mm le. sind, so beobachtete ich die Tiroler gung des zarten Randes etwas variieren. kann die bedeutendere dagegen bis 8 mm. Von den Rheinlanden abgesehen habe ich germanica im bairisch-böhmischen Walde und bei Kufstein nachgewiesen, an letzterem Ort unter Moos und in Erika- Diekicht Ende August. Gebiete der Südschweiz nachgewiesen. Car! hat die Art besonders für montane und subalpine Einige besonders wichtige Charaktere der germanica erwähne ich in Vergleich mit der folgenden Art: Ph. ericarum n. sp. cd‘ 5°/s mm, größtes 2 7Y/s mm Ie. In Habitus und Färbung der germanica sehr ähnlich, aber noch reichlicher beschuppt. ericarum N. SP. Carpopoditbürste am 1.— 3. Beinpaar des 5‘ mit Borsten, welche am Ende auffällig hakig nach endwärts ge- krümmt sind, ebenso die Borsten in der Endhälfte der Meropoditbürste des 1. und 2. Beinpaares. Exopodite der 1. Pleopode des tief winklig und zwar fast rechtwinklig ausgebuchtet. 5. und 4. Glied des 7. des J' ohne äuffällige Struktur. 7. Trunkussegment ohne Porenfelder, 1.—6. mit kleinem aus mehreren Poren bestehenden Felde vor der Mitte. (An den vorderen Segmenten zähle ich je 4 Drüsenporen.) Stirn zwischen den Augen jederseits mit recht deutlichem, etwas gegen die Augen gebogenem Eindruck. Vorkommen: 2 J 3 2 sammelte Kärnthen unter Erika-Dickicht. Beinpaares Ph. pannonica n. sp. nenne ich vorläufig ein 7 mm le, 2 welches ich bei Abaliget im Mecsekgebirge erbeutete. germantca V erh. Carpopoditbürste am 1.—3. Beinpaar des 5 mit Borsten, welche am Ende nicht umgebogen sind, sondern in 2-3 Spitzchen auslaufen, übrigens auch kürzer sind, dasselbe gilt für die Borsten in der End- hälfte der Meropoditbürsten des 1. und 2. Beinpaares. Exopodite der 1. Pleopode des 5 in leichtem Bogen ausgebuchtet. 3. und 4. Glied des g* unten mit einer schuppig-welligen Struktur. 7. Trunkussegment ohne Porenfelder, des 7. Beinpaares 1.—6. mit kleinem, aus wenigen Poren bestehenden Felde vor der Mitte. (Am 2. und 3. Segment z. B. zählte ich 4 Drüsenporen.) Stirn zwischen den Augen jederseits mit schwachem Quereindruck. ich Ende September 07 bei Pontafel in dieser Gruppe, Es unterscheidet sich von 350 Karl W. Verhoeff: den beiden vorigen Arten auffallend durch eine scharfe Längsfurche, welche die Epimeren des 2.—4. Trunkussegmentes innen abgrenzen. Das 1. Segment zeigt am Grunde der Epimeren jederseits eine Grube, eine schwächere vor dem Hinter- rand jederseits auch am 7. Segment. Rücken schwarz, matt, beschuppt. 2x2 Längsreihen weißlicher Flecke finden sich in der Rückenmitte und am Grunde der Epimeren. Aufgehellt sind die Vorderzipfel der 1. und die Hinterecken der 5.—7. Epimeren. Zwei Reihen heller Flecke ziehen über das Pleon, außerdem steht ein rundlicher heller Fleck am Grunde der Epimeren des 3. Caudalsegmentes. Stirn zwischen den Ocellenhaufen jederseits mit einem Quereindruck. Anmerkung: Die Philoscia madida Koch u. B. L. ist mir bis jetzt ein rätselhaftes Tier geblieben, umsomehr als sie im Rhöngebirge und Böhmen vor- kommen soll und ich selbst in Mitteldeutschland viele Exkursionen unternommen habe. Zwei Merkmale dieser Art sind besonders auffällig, nämlich „laevis“ und „lobi laterales longiores, angustiores“. Ich vermute aber, daß diese Angaben un- richtige sind. Dann bliebe nichts anderes übrig, als diese Art fallen zu lassen, zumal Budde-Lund seine Stücke selbst als „murtilata“ bezeichnet hat. Untergatt. Paraphiloscia n. subg. Hierhin gehören Ph. pyrenaica Dollf. squamuligera Kölb. und apenni- norum n. Sp. Ph. squamuligera Kölb. habe ich bisher nur in einem Walde bei Brixen ge- sammelt und zwar 3 2 von 6—8!/ mm Lg. Anfang September in der Nähe eines Wasserlaufes unter Moos. Sie stimmen mit der Diagnose Kölbels vollständig überein, wenn auch der Name nicht gerade als besonders bezeichnend gelten kann, doch hat Kölbel die Hautskelettanhänge offenbar nicht mikroskopisch untersucht, er würde sonst über die Beschuppung etwas gesagt haben. Diese Brixener Tiere aber besitzen keine eigentlichen Schuppen, wohl aber einen ziemlich diehten Besatz der für Paraphiloseia charakteristischen Haarspitzeu. Als einziges Bedenken bleibt nur der Umstand, daß K. seine squamuligera als „tenwiter gramulata“ schildert, während meine Brixen-Philoseia ganz ungekörnt ist. Auf Oroniseus (wie ich es anfangs glaubte) kann aber sguamuligera nicht bezogen werden, weil die Kopfseitenlappen als „vix prominentes“ geschildert werden, auf ZLepidoniscus nicht, weil er sagt, „frons linea marginali disereta.“ Zu Philoseia s. str. gehört squa- muligera nicht wegen des „squamulis obsita“ und die großen Caudalepimeren lassen auch die anderen Gruppen nicht in Betracht kommen. Wenn also in Südtirol nicht etwa noch irgend eine andere mir in natura nicht bekannte Art gefunden wird, so halte ich squamuligera für eine Paraphiloseia und modifiziere die Diagnose ent- sprechend. Meine Individuen von Brixen sind braunschwarz, graugelb marmoriert, in der Trunkusmediane eine Längsreihe heller Flecke in dunkler Längsbinde. Ebenso jederseits eine dunkle Längsbinde über den Epimerengrund, in welcher an jedem Segment ein heller Fleck eingeschlossen ist. Von pyrenaica unterscheidet sich squamuligera durch die in stumpfem Winkel geknickte, scharf ausgeprägte und in der Mitte durchaus nicht abgeschwächte Querkante. Die Noduli laterales stehen bei beiden Arten am 1. und 2. Segment in ungefähr gleicher Höhe. pyre- naica und apenninorum sollen durch die folgende Übersicht geklärt werden: Über Isopoden: pyrenaica Doll. 1. Segment etwas hinter der Vorder- ecke, aber noch im vordersten Drittel, mit einem einreihigen etwa 11—14 Poren füh- renden Feld. Am 2.—7. Segment ist das Porenfeld etwas länger, aber auch im Wesentlichen einreihig und geht kaum über die Mitte des Seitenrandes hinaus, Segment z. B. mit etwa - am 5. und 7. 24 Poren. 7. Beinpaar des X am Grunde des Meropodit ohne Fortsatz. Endopodite der 1. Pleopode des f' gegen das Ende allmählich verschmälert, kurz vor dem Ende plötzlich auffallend eingeschnürt und hinter der Einschnürung wieder er- weitert, diese Erweiterung abgerundet und ohne besondere Auszeichnung. Die 1. Exopodite leicht ausgebuchtet und mit wenigen Randborsten. Ränder und namentlich Hinterränder der Segmente mit kürzeren, am Ende abgerundeten, überhaupt nicht verdünnten, sondern stäbehenförmigen Borsten besetzt; nur am Hinterrand der Epimeren des 5.—7. Segmentes treten auch spitze Borsten auf. apenninorum m.: 51/a—5°/s mm Ig. 15. Aufsatz: 551 apenminorum n. Sp. Vom Porenfeld des 1. Segmentes ist nur ein einziger Porus übrig (vergl. die var.). drei, am 3. mit etwa 7 Poren, am 5. mit 8. Am 6. und 7. Porenfeld klem, länglich, vor der Mitte gelegen und enthält etwa 9—11 Poren. 7. Beinpaar des 5‘ am Grunde des Meropodit unten mit einem anliegenden Porenfeld am 2. Segment mit Segment ist das Fortsatz, dessen nach endwärts und innen gebogene Spitze nur von innen sichtbar ist. Endopodite der 1. Pleopode des 5 gegen das Ende gleichmäßig verschmälert, ohne Einschnürung, am Ende abgerundet, außen mit einem Höckerchen etwas vor- springend, innen mit einer Säge von 8—) vorragenden Spitzchen. Die 1. Exo- podite schwach ausgebuchtet mit wenigen kleinen Tastborsten am Rande. Ränder und namentlich Hinterränder und der Segmente mit ziemlich langen, gegen das Ende verschmälerten, also spitzen Borsten besetzt. Rücken gelblich, matt, dicht fein beborstet mit drei Reihen brauner Flecke, in der mittelsten Reihe stehen wieder helle Flecke, Querkante der Stirn jederseits im Bogen nach unten geschwungen, in der Mitte deutlich unterbrochen (und hierdurch von sguamuligera leicht unterscheidbar). Seitenlappen fehlen. Bürste am 3. und 4. Glied des 1.—5. Beinpaares aus steifen Borsten bestehend, welche gegen das Ende ungefähr gleich diek bleiben oder im letzten Teil bisweilen noch etwas dicker sind, am Ende abgerundet. Von den Arten der Untergatt. Phrlosera s. str. unterscheidet sich apenninorum auch durch die Bürste am 4. Glied des 1. männlichen Beinpaares, indem dieselbe gegen das 5. Glied eine auffallende Lücke läßt, in welcher das feine Putzkämmehen deutlicher hervortritt. var. vallombrosae m. bezieht sich auf ein j‘ welches bedeutend dunkler ist, nämlich am Rücken vorwiegend braun, aber mit einer Medianreihe heller Flecke und mit hellen Flecken am Grunde der Epimeren und an deren Vorder- und Hinter- ecken. Außerdem sind die Drüsen teilweise zahlreicher: 1. Segment mit einer Reihe von 6—7 Poren, 2. mit etwa 8 jederseits, das 5.—7. mit etwa 8—13 un- gefähr wie bei der Hauptform. Vorkommen: Hauptform und Varietät sammelte ich in den Wäldern bei Vallombrosa, September 99. Nach den bisherigen Vorkommnissen der Paraphi- 352 Karl W. Verhoeff: loscien kann diese Gruppe als montan bezeichnet werden, während die Zepi- doniscus-Arten teils montanes teils submontanes Vorkommen zeigen, indem sie zwar noch nie in der Ebene, wohl aber im niederen Bergland gefunden sind. Untergatt. Philoscia m. Ph. dalmatica V erh. kann als selbständige Art betrachtet werden. Das 7. Beinpaar des 5 besitzt am Grunde des Meropodit unten einen abstehenden, hakig zurückge- bogenen Fortsatz, dessen Basis nicht so breit ist wie bei «affinis und dessen Haken nach der entgegengesetzten Richtung gewendet ist, d.h. dem Ischiopodit zugekehrt. Exopodite der 1. Pleopode des 5‘ nur sehr schwach eingebuchtet, am Rande schwach und spärlich beberstet. Die 1. Endopodite weichen auffallend von denen des muscorum und affinıs ab, indem sie sich nicht allmählich verschmälern, son- dern hinter der Mitte zunächst gleich breit bleiben, dann nach außen zu beulig anschwellen und hinter der Anschwellung erst schnell verschmälern. Das Ende ist abgerundet und trägt innen 5—4 kleine Spitzchen. Die dieken Borsten der Sohlenbürsten am 1.—5. Beinpaar des 5 sind lang und am Ende schnell zugespitzt, am Carpopodit mit der Endhälfte etwas nach endwärts gebogen. Die Enddrittel Die Drüsenporen an den Epimeren sind fast über den ganzen Seitenrand zerstreut und stehen vorwiegend dieser Borsten sind äußerst fein quer ader schräg gerieft. einreihig. — Süddalmatien und Griechenland. Ph. muscorum affinis n. subsp. ist eine dem echten muscorum äußerst ähnliche aber doch bestimmt davon unterschiedene Form, welche in den männlichen Pleopoden aber abweieht durch den Fortsatz am mit muscorum übereinstimmt, auffallend 7. männlichen Beinpaar. muscorum (gen.) Unten am Grunde des Meropodit vom 1. Beinpaar des 5 findet sich ein durch aus angedrückter Fortsatz, der wie eine Abstutzung erscheint, während seine dem Ischiopodit abgekehrte Spitze nach endwärts und innen gerichtet ist Zeich- nung weniger variierend: Kopf schwärz- auch nur von innen her zu sehen. lich, meist mit hellem, queren Hinterrand- fleck. Die Epimeren sind außerhalb der schwärzlichen, helle Flecke enthaltenden hell durchlaufende Längsbinden entweder ganz oder zeigen wenigstens eine helle Längsbinde neben dunklem Seiten- randstreifen, namentlich sind die 1. Epi- meren der Länge nach ganz aufzehellt. Meist sind bei muscorum die hellen und dunkeln Farben kräftiger als bei affinis gegen einander abgesetzt. muscorum affınis m. Das 7. Beinpaar des 5 besitzt unten am Grunde des Meropodit einen auffallend abstehenden Fortsatz, der im Profil fast dreieckig erscheint, vorn ausgebuchtet ist, seinenurleicht umgebogene Spitze aber ebenfalls vom Ischiopodit abgekehrt hat. Zeichnung viel variabler, doch werden 2 auffallende Varietäten unten besonders Für die dunkleren, nicht zu dieser Var. gehörenden Individuen gilt Folgendes: Kopf hell und dunkel mar- moriert, am Hinterrand meist ohne Quer- fleck. Die Epimeren sind außerhalb der schwärzlichen oder braunen Längsbinden entweder ganz braun oder vorn und hinten hell gefleckt; wenn sie aber heller sind, ist ein querer dunkler Mittelwisch be- welcher eben hellen Längs- erwähnt. sonders charakteristisch, keinen durchlaufenden, streifen entstehen läßt. Über Isopoden: 15. Aufsatz: 353 Die Drüsenporen treten bei muscorum und affinıs in gleicher Weise auf, sind fast über die ganzen Seitenränder verstreut, vorwiegend einreihig, stückweise hier und da auch etwas zweireihig. Die Porenfeldlinie ist nicht mit der Randfurche zu verwechseln. Letztere liegt höher und also weiter nach innen, zwischen ihr und der Porenfeldlinie findet sich eine Längsreihe nach hinten gekrümmter Borsten und eine 2. aus spärlicheren aber längeren Borsten an der Randfurche. Die Sohlenbürsten entsprechen denen der dalmatica, ihre Borsten sind also im Endstück fein quergerief. Nur bei einem einzelnen Z aus Rheinpreußen fand ich die Sohlenborsten kürzer, nicht quergerieft und am Ende in 2 Spitzchen zerteilt. Ob dies ein jüngeres g‘ ist oder eine Varietät muß sich später zeigen. muscorum affınıs var. nigrovittata m. bezeichnet Tiere (2), welche durch ihre Zeichnung sehr von allen anderen Individuen abstechen, aber morphologisch ganz mit affinis übereinstimmen. Grundfarbe graugelb bis ockergelb, gegen die braune Marmorierung stark vorherrschend. Trunkus mit drei breiten braun- schwarzen Längsbinden, von denen die seitlichen über dem Epimerengrund hinziehen und keine hellen Längsflecke enthalten (wie sie sonst bei muscorum und affinis vorkommen), höchstens kleine helle Pünktehen, während die Mittelbinde helle Flecke enthält aber besonders breit ist. Epimeren außerhalb der Längsbinden breit aufgehellt und höchstens neben dem Rande mit einem feinnn dunkeln Längsstreifen. var. trifaseiata Verh. mit fuchsgelbem Rücken und drei oder nur einer dunkeln Längsbinde, deren seitliche aber helle Flecken enthalten, betrifft nach meinen bis- herigen Beobachtungen ausschließlich weibliche Tiere und kann daher besser als aberratio bezeichnet werden. Besonders sind lamellen- und embryonenführende Tiere in dieser Färbung zu beobachten und solche welche sich vor diesem Zustand befinden. Da ich aber auch Weibchen der normalen Färbung mit Lamellen und Embryonen gefunden habe, kann die aberr. trifaseiata nicht als ständiges Charak- teristikum trächtiger Weibchen gelten. Vorkommen des muscorum: Häufig in Rheinpreußen habe ich die typische Grundform in Italien bei Orvieto unter Basalttuffstücken in größerer Anzahl, in ein- zelnen Individuen auch bei Corpo di Cava gesammelt. In den charakteristischen Fortsätzen des 7. Beinpaares des 5‘ stimmen die deutschen und italienischen Stücke vollkommen überein. Vorkommen der muscorum affinis: Bisher ausschließlich südlich der Alpen, in Italien die häufigste Form der Oniscinen, von mir unter Steinen, Laub oder Moos gesammelt an verschiedenen Plätzen der östlichen Riviera, bei Massa, Car- rara, Florenz und recht häufig bei Corpo di Cava im Laubbuschwalde. Auf Sizilien habe ich nur weibliche Stücke gefunden, bei Monreale und Taormina. Nach der Zeichnung gehören dieselben ebenfalls zu affinis. Außerdem ist affinıs in Istrien (Abbazia) und an der Fiumaner Küste verbreitet. Die istrischen Männchen stimmen mit denen aus Italien ebenso wie mit denen der var. nigrovittata überein. Letztere habe ich nur in Kastanienbeständen gefunden, unter Laub und Moos und zwar bei S. Margherita und in der Umgebung von Massa und Carrara. Gatt. Chaetophiloscia n. 2. Chaetophiloscia sieula n. sp. 2 5Ys mm, % 4'/% mm lg. Ähnelt in Habitus, Glanz und Färbung am meisten der Philoseia elongata Dollf., welche als Typus Archiv für Biontologie If. (2) 08. 2 354 Karl W. Verhoeft: dieser Gattung gelten kann. Kleiner und dunkler als jene, was namentlich darin zum Ausdruck kommt, daß die Epimeren der sicula ganz verdunkelt sind und nur innen einen hellen Längsstreif oder länglichen Fleck aufweisen. Während die Epimeren der elongata unter «der Lupe deutliche Randfurchen er- kennen lassen, sind solche bei siczula nicht wahrzunehmen. Mikroskopisch sieht man bei sicula zwar deutlich eine feine Randlinie, aber Drüsenporen fehlen bis auf 2—3 in der Mitte des Seitenrandes der 7. Epimeren. (Ch. elongata besitzt zwar auch nur spärliche Drüsenporen, aber sie kommen an allen Trunkussegmenten vor, namentlich mehrere kurz vor den Hinterecken an den vorderen, mehr in der Mitte an den hinteren.) Die Epimeren des 2.—4. Segmentes, (welche bei elongata durch eine innere Längsnaht abgefurcht sind,) zeigen bei sicula nichts derartiges. Tergite mit zerstreuten und spitzen, ziemlich langen Tastborsten besetzt, von denen jederseits vorn am Seitenrande des 1. Pereionsegmentes vier lange abstehen. Außerdem bemerkt man an den Epimerenrändern noch kurze Börstchen, welche an ihrem Grunde schwach schuppig erweitert sind. (Bei elongata sind diese Rand- börstehen zu dreieckigen Schüppchen erweitert.) 1. Beinpaar des 5 unten am Carpo- podit außer einigen kürzeren mit 2 längeren Stachelborsten’neben den sehr zarten Putzerannen. Die längere Stachelborste ist am Ende 3spitzig, die kürzere 5spitzig. Am 2. und 3. B. stehen unten am Carpopodit mehrere Bspitzige Stachelborsten. (Bei elongata zeigt das 1.—3. Beinpaar des 5 dieselben Charaktere.) Bei sieula besitzt das Meropodit des 7. B. des 5% keinen Buckel, ist unten im Profil jedoch stumpfwinklig vorgebogen, (während bei elongata der stumpfe Winkel kaum zum Ausdruck kommt, die Unterfläche schwach eingebuchtet ist und vor dem Ende eine der Stachelborsten auf einem kleinen Wulst etwas erhoben ist). Sehr charakteristisch sind die Endopodite der 1. Pleopode des 5%, indem sie bei im Allgemeinen dreieckiger Gestalt vom breiten Grund aus sich allmählich verschmälern und vor dem Ende in zwei Teile gabeln, das dreieckige, eigentliche Endstück mit etwas rauhem Rande und einem nach außen stehenden abgerundeten Lappen, neben welchem sich noch eine vorspringende Spitze an der Bucht be- merklich macht. Die am Außenrande nackten 1. Exopodite sind stumpfwinklig ausgebuchtet. (Bei elongata laufen die 1. Endopodite einfach aus und sind mit den Enden leicht nach außen gebogen, während die 1. Exopodite fast rechtwinklig aus- geschnitten sind.) Vorkommen: Anfang April sammelte ich 5 Stück der sicula in einer Agrumenpflanzung, die sich in der Nähe eines Felsgeklüftes befindet bei Monreale unter Moos und Genist bei einem ausgetrockneten Wasserlauf. Ein einzelnes g', welches aber mit den Siziliern vollständig übereinstimmt, entdeckte ich bei Orvieto in Umbrien in einem Laubwald. Ch. glandulifera n. sp. 2 4°/s, d' 4 mm Ig. Rücken glänzend, ziemlich dieht und ziemlich lang beborstet. Epimeren ohne Randfurchen, das 2.—4. Segment ohne innere Epimerennähte. Braunschwarz, die Trunkusmediane durch Streifen und Flecken aufgehellt. Grauweiße Flecke bilden an den Rückenseiten Marmorierung. Regelmäßig treten an den braunen Epimeren grauweiße ziemlich große Flecke am Grunde derselben auf, während im Randgebiet in unregelmäßiger Weise hier oder da noch ein heller Fleck auftritt, wobei die ee Über Isopoden: 15. Aufsatz. 355 Hinterzipfel aber meist alle dunkel bleiben. Zellschuppenstruktur im Rückengebiet fehlend, an den Epimeren schwach. Tergite mit dreierlei Gebilden: die kleinsten sind zu dreieckigen Schüppchen erweiterte Randborsten, während die einfachen Tast- borsten wieder in zwei verschiedenen Längen auftreten, die längsten namentlich in einer Längsreihe im äußeren Epimerengebiet. Die Drüsenporen sind vereinzelt längs des Seitenrandes zerstreut, etwas zahl- reicher als bei elongata, am 6. u. 7. Segment ca. 11—14 in einer Reihe, nament- lich im mittleren Gebiet. Am Carpopodit des 1. Beinpaares des Z nur 3-spitzige Stachelborsten, keine 5—6-spitzige. Meropodit am 7. Beinpaar des 5 unten durchaus flach, ohne stumpfwinkligen Vorsprung. Die Endopodite der 1. Pleopode des X verschmälern sich ganz allmählich und gleichmäßig und laufen fein spitz aus, ohne besondere Auszeichnung, die 1. Exo- podite sind stumpfwinklig ausgebuchtet und am Rande mit 4—5 Borsten besetzt. Vorkommen: Ende April sammelte ich 8 Stück beider Geschlechter bei Cassino an einer der Sonne wenig ausgesetzten Stelle unter Kalkgeröll und Gestrüpp. Ch. piligera n. sp. 6 mm 1g., der glandulifera recht ähnlich, im Allgemeinen heller braun bei sonst gleicher Zeichnung, aber gelblicher bis rötlichgelblieher Auf- hellung der Hinterzipfel des 5.—7. Segmentes. Namentlich ist ein großes drei- eckiges Feld an den Hinterzipfeln des 7. Segmentes aufgehellt. Am 1.—3. Seg- ment stehen einige Drüsenporen hinter einander im vordersten Drittel des Rand- streifens, 2. B. 5—6 jederseits am 3. S., in der Vorderhälfte des 6. Segmentes r 13—16 und am 7. jederseits 7 ungefähr in der Mitte des Randgebietes. Eine Zellschuppenstruktur ist im mittleren Rückengebiet nur hier und da etwas ausgebildet, aber sehr deutlich und dicht auf den Epimeren des Trunkus, entschieden deutlicher als bei glandulifera. 1. und 7. Beinpaar des 5° ganz wie bei jener Art, also das Meropodit des 7. unten ganz flach und ohne Auszeichnung. Am stärksten weicht piligera von der vorigen Art in den Endopoditen der 1. Pleopode des 9 ab, indem dieselben nicht gleichmäßig gegen das Ende ver- schmälert sind, sondern verschiedene Auszeichnungen besitzen: Ungefähr in der Mitte findet sich eine quere Verdiekung, welche von außen nach innen zieht und dann im Bogen nach endwärts verläuft. Etwas hinter der Mitte sind die Endo- podite leicht eingeschnürt, schwellen dann auf längerer Strecke an, um vor dem Ende sich abermals plötzlich zu verengern und hinter einem leicht abgesetzten Knoten bald in eine Spitze auszulaufen. Die Spitze springt außen viel weiter vor als innen und am Innenrand verläuft eine nach endwärts sich verstärkende Reihe kleiner Spitzen. Die 1. Exopodite sind leicht bogig ausgebuchtet, außer einer Borste in der Buchtung ist der Rand nackt. Die meist wenig charakteristischen 2. Endopodite (welche bei glandulifera ganz allmählich und gleichmäßig sich gegen das Ende verschmälern,) sind bei piligera ebenfalls ausgezeichnet, indem sie ungefähr bis zur halben Länge sich kaum verschmälern, dann aber schmäler werden und plötzlich eingeschnürt, indem hinter der Einschnürung wieder eine leichte Er- weiterung erfolgt, darauf ein Auslaufen in einen langen dünnen Stab. Die Gestaltung 9%* 356 Karl W. Verhoeft: der 1. und 2. Endopodite steht in unverkennbarer Beziehung, indem namentlich die Sinschnürungen einander entsprechen. Vorkommen: Die zierliche Assel entdeckte ich Ende April in 16 Stück an der Burgruine Cassino,') wo sie sich teils im Kalkgeröll aufhielten, teils auch an einer schattigen Ruinenmauer umherliefen. Für die Charakteristik der C'haetophiloseia-Arten sind die männlicher Pleopoden von ausschlaggebender Bedeutung. Da ich nun von Philoseia italıca, attica und gravosensis Verh. kein g° zur Verfügung habe, kann ich nur vorläufig feststellen, daß diese Arten auch zu Chaetophilosceia gehören. Von elongata unterscheiden sie sich alle ebenfalls durch den Mangel der Randfurchen und den Mangel der inneren Epimerennähte des 2.—4. Pereionsegmentes. Ch. italica Verh. erinnert sehr an piligera, ist aber dunkler braun und die (reieckig aufgehellten Hinterzipfel des 7. Segmentes sind weißlich. Ch. gravosensis Verh. steht anscheinend glandulifera am nächsten, ist aber spärlicher hell gefleckt, an der Cauda überhaupt nieht und auf den Epimeren kleiner, die Beborstung ist kürzer. Philoseia penteliconensis Verh. ist eine Chaetophiloscia, welehe mit elongata nahe verwandt ist und auch deutliche Epimerenrandfurchen besitzt. Sie unter- scheidet sich von ihr leieht durch die nicht abgegrenzten 2.—4. Epimeren und die auffallend abgerundeten Hlinterecken des 7. Segmentes. Die Trunkusepimeren sind breit gelbliehweiß gerandet, während ein gelblichweißer Fleck oder Längsstreif weiter nach innen verläuft und einen braunen Längsstreif absetzt. Philoseia illyriea Verh. steht der elongata gleichfalls sehr nahe und stimmt mit ihr in Zeichnung, Abgrenzung der 2.—4. Epimeren und deutlichen Randfurchen überein, unterscheidet sich aber von allen Chaetophiloscia-Arten durch die deutliche, zwischen den Ocellenhaufen hinziehende Stirnquerkante. Leider besitze ich von dieser merkwürdigen Art nur ein einziges Weibchen. Chaetophilosceia scheint zu den Charaktergattungen der Mittelmeerländer zu gehören. Sie bevölkert die niedrigeren Gebirgesteile und die Küstengebiete, ohne aber die eigentliche Strandzone zu erreichen. Aus dieser Gruppe dürften noch zahlreiche Arten der Entdeckung harren. Gatt. Stenophiloscia n. g. St. glarearum n. sp. 4—5 mm lg. glänzend. Körper grau, mit graubräunlicher Marmorierung, der Kopf von den schwarzen Ocellenhaufen abgesehen, grau und braun genetzt, mit brauner Stirnquerbinde. Unterfläche einschließlich der Beine einfarbig weißlich. Rücken unbeborstet, mit zahlreichen lHöckerehen. Am Kopf stehen zwei Höckerchenreihen auf der Stirn, 2 am Scheitel. Das 1. Trunkussegment führt eine !) Zur Warnung für Andere will ich hier nicht unerwähnt lassen, wie ich in Cassino für meine wissenschaftliche Tätigkeit von der Polizei daselbst belohnt worden bin. Wegen meiner Beschäftigung an der Burgruine erwachte in der Polizei von Cassino der Verdacht, es könne eine sehr gefährliche Persönlichkeit vorliegen. Aus dem Gasthof wurde ich trotz Paß und Protest von drei Bewaflneten auf das Polizeiamt geführt, worauf nach einigem Ausfragen der Kommissar allerdings selbst einen Mißgriff seiner Leute erklären mußte Da aber derartige Chikanen gegen An in Italien schon an der Tagesordnung sind, ist es geradezu Pflicht dieselben öffentlich 'estzustellen. Über Isopoden: 15. Aufsatz. 357 regelmäßige Höckerchenreihe am Hinterrand, im Übrigen stehen dieselben mehr zerstreut. Am 2.—7. Segment stehen die Höckerchen in 4 nicht ganz regelmäßigen Querreihen. Das 1.—5. Caudalsegment mit je einer Reihe deutlicher Knötehen am Hinterrand und einer andern Reihe schwächerer vor denselben. Antennen deutlich abstehend beborstet, bei stärk. Vergr. stellen sieh die einzelnen Borsten als kleine Gruppen von Börstehen heraus, welche verschieden lang sind, die längste immer endwärts gestellt. An den Flagellumgliedern stehen meist nur 2 Borsten zusammen, eine mehrmals länger als die andere, die Länge der Flagellumglieder ist wenig verschieden. Endlappen der hinteren Maxillen ungefähr gleich breit, beide bewimpert, die inneren auch innen mit dichter Härchenbürste. Innenlappen der vorderen Maxillen mit zwei behaarten Zapfen. Rechte Mandibel mit vier braunen Endzähnen, vor denselben ein glasiger dreieckiger Zahn mit 2 Nebenhöckern, vor diesen zwei zurückgekrümmte Borsten mit zahlreichen Nebenfäserchen und auf dem Grundstück der Mandibel ein Höcker, welcher einen in 5 gefaserte Borsten zerschlitzten Fort- satz trägt. An der linken Mandibel finden sich 7 (2+2+5) braune Endzähne, kein glasiger Zahn, drei zurückgekrümmte gefaserte Borsten, während der basale Höcker einen zerfaserten Fortsatz trägt, an dem sich keine oder höchstens 2 Teil- borsten unterscheiden lassen. An den Epimerenrändern finden sich sehr kleine Börstehen, welche zu sehr schwachen Schüppchen erweitert sind. Viel deutlicher sind die stets in einer der Länge nach abgestuften, diehten Gruppe auf den Tergit- höckerechen stehenden Schüppchen, welche als ganze Gruppe im Profil dreieckig erscheinen. Zwischen den Schüppchen findet sich auf jedem Höckerchen eine Tast- borste, deren Gelenkporus man in der Mitte eines kleinen Wulstes da erkennt, wo (lie Schüppchen abgerieben sind. Die Zellstruktur ist sehr blaß und fein und springt nicht zu einer Schuppenstruktur vor. Das 5. Glied am 1. und 2. Beinpaar des 5 ist fast so dick wie das 4. Beide Glieder sind unten und namentlich an der ganzen Innenfläche dicht bekleidet mit am Ende breit abgerundeten Schuppen, während die Stachelborsten, welche daneben stehen, am Ende in einige Spitzchen zerfasert sind. Ein kleineres Feld von mehr zäpfehenartigen Schuppen findet sich auch unten am 3. Gliede des 1. und 2. Bein. paares, während an der Rückenseite des 5. Gliedes sich einige Gruppen an einander gedrängter Spitzen vorfinden, welche im Profil wie dreieckige Stachel erscheinen. Das 4. Glied des 1. Beinpaares ist unten etwas ausgehöhlt, in der Höhlung liegen die zarten Spitzen eines Putzkämmchens, neben welchem sich als Schutz eine Stachel- borste befindet, deren Ende etwas schuppenartig verbreitert ist. Größere Stachelborsten unten am Propodit des 1. Beinpaares zwei, des 2. B. drei, unten am Carpopodit derselben je 6 größere Stachelborsten. 7. Beinpaar des f ohne besondere Auszeichnung, das Meropodit unten einfach und gerade verlaufend. 1. Exopodite der Pleopode des Z ganz ohne Ausbuchtung, am Rande voll- kommen borstenlos. Die 1. Endopodite sind außerordentlich stark und mit den Endhälften wie zwei Hörner auseinandergebogen. Der Penis ist kurz, indem er ein gut Stück vor der halben Länge der Endopodite endigt, nämlich ungefähr in gleicher Linie mit dem Ende der Exopodite. Die Endopodite sind außen tief ausgebuchtet, wodurch ein rundlicher Vorderabschnitt gegen das hintere Horn stark abgesetzt 358 Karl W. Verhoeff: wird. Die Hörner sind in ihrer Grundhälfte ungerähr gleich diek, haben innen in der Mitte eine auffallende Einbuchtung und werden hinter derselben noch breiter, sodaß sie etwas keulig aussehen. Das breitere Endstück der Hörner ist außen etwas ausgehöhlt, in der Aushöhlung gerieft, springt mit einem abgerundeten Lappen nach außen vor und ragt über «diesen noch hinaus mit einem dreieckigen Fortsatz, auf dessen Grundkante eine Reihe von Borsten stehen. Die Exopoldite der 2. Pleo- pode sind mit einem Fortsatz nach außen herübergebogen, deshalb auch außen tief bogig ausgebuchtet, am Rande bis auf ein einzelnes Börstehen nackt. Die 2. Endo- podite sind säbelartig nach außen gebogen, namentlich vor der Mitte gekrümmt, aber sonst ganz allmählig und gleichmäßig verschmälert. Telson abgerundet-dreieckig, ohne vortretende Spitze, weit seitlich etwas aus- gebuchtet. Die Gelenke der Uropodenendopodite liegen ein gut Stück weiter nach vorn als die der Exopodite. Letztere sind reichlich 1'/a mal länger als die Endo- podite. Vorkommen: Über ein halbes Hundert Individuen dieses munteren, schnell- füßigen Krebschens sammelte ich im feinen Strandkies bei Taormina (Sieilien) auf einer sehr beschränkten Stelle unter Tang und Genist in der Nähe von Kalkklippen. Die schnellen Tierchen ließen sich am ehesten dadurch erlangen, daß ich eine ganze Hand mit Kies gefüllt aushob und darauf die Pincette benutzte. Gatt. Halophiloseia n. g. H. adriatica n. sp. Durchschnittlich 8 mm Ig. Mit Philoseia cowchü Kin., welche als Typus dieser Gattung zu gelten hat, in Habitus und Färbung überein- stimmend. Rücken kurz und zerstreut beborstet. Ränder der Epimeren mit deut- lichen, zu dreieckigen Schuppen erweiterten Börstchen besetzt. Die Noduli laterales sind kleine Erhebungen, auf welchen je eine kräftige, scheinbar zweigliedrige Tast- borste eingelenkt ist, während es sich in Wirklichkeit um je drei Borsten handelt, deren vordere und hintere ungefähr bis zur halben Länge der mittleren reicht. Die braunen Pigmentmassen sind höchst zierlich netzig verzweigt. Rechte Mandıbel mit 4 (5) braunen stumpfen Endzähnen und dreieckigem sowie dreispitzigen glasigen Vorzahn, linke mit 7 (4+3)braunen Endzähnen und ohne glasigen Vorzahn.!) Im Übrigen entsprechen die Mundteile im Wesentlichen denen der Stenophiloscia glarearum. An den sehr dünnen Antennen sind die Tastborsten im Wesentlichen einfach, nur 1—2 sehr kurze Spitzchen stehen vor dem Grunde derselben. Carpopodit und Propodit des 1. und 2. Beinpaares sind beim Jg durch ein diehtes inneres Schuppenfeld ausgezeichnet, die Schuppen reichen aber nicht (wie bei Stenophiloscia) bis an den oberen Rand, sondern lassen am 1. Beinpaar das obere Viertel und Drittel der Innenfläche schuppenfrei, am 2. B. die obere Hälfte. Am Meropodit unten fehlen die Schuppen. Größere Stachelborsten finden sich unten am Öarpopodit S—9, Propodit 4—5. (Bei cowchii reicht das Schuppenfeld am 1. und 2. Beinpaar des 5 weiter hinauf und läßt nur einen schmalen oberen Streifen der Innenfläche schuppenfrei. Längere Stachelborsten unten am Carpopodit der- selben 12—13, am Propodit 6—8.) ...) Bei couchi fand ich den glasigen Vorzahn nicht dreispitzig sondern einfach dreieckig und mit abgerundetem Nebenhöcker. Über Isopoden: 15. Aufsatz. 359 Meropodit am 7. Beinpaar des 5‘ unten leicht ausgebuchtet, aber sonst ohne Auszeichnung. (So auch bei couchit.) Endopodite der 1. Pleopode des 5 im Allgemeinen denen von Stenophiloseia ähnlich, die Hörner also auch entschieden auseinander gebogen. Sie bleiben aber gleichbreit bis zu einem eckigen innern Vorsprung und sind dann am Ende schräg nach außen abgestutzt. Am Ende ist die Aushöhlung außen nur gering, ein starker Stachelfortsatz, welcher spitz ausläuft, ist schräg nach außen gerichtet. Über ihm findet sich ein abgerundetes Läppchen, dessen Basis mit einer gebogenen Reihe Tast- borsten besetzt ist. Die 1. Exopodite sind in einen großen, dreieckigen Endlappen ausgezogen, außen stark bogig eingebuchtet und am Rande zerstreut beborstet, am Innenrande nur mit 2—3 Borsten. Dasselbe gilt für die 2. Exopodite, während die 2. Endopodite sich gleichmäßig verschmälern und leicht säbelartig nach außen gebogen verlaufen. (Als wesentlichen Unterschied des couchi erwähne ich, daß dessen 1. Endopodite an den Hörnern sich allmählig verschmälern, innen keinen eckigen Vorsprung besitzen sondern bogig sich nach außen wenden, während die Endteile abweichend geordnet sind, da der abgerundete Lappen stärker ist, mehr nach außen vorragt und durch den Endstachel nicht verdeckt wird. Die 1. Exo- podite sind am ganzen Innen- und Außenrand beborstet, am Innenrand mit etwa 14 Borsten.) Vorkommen: Bei Bukkari am Golf von Fiume sammelte ich diese Art aus- schließlich im Strandgebiet, wo sie sich teils unter Genist und Steinen aufhielt, teils an einer Mauer in Gesellschaft der Zigia italica schnellfüßig umherrannte. Wenige Stücke habe ich auch zwischen Geröll im Strandgeklüft bei Abbazia er- beutet, an Stellen, welche vom Gischt reichlich befeuchtet waren. Zu Halophiloscia gehören, außer cowchuüi und adriatica noch Philoscia aristotelis Verh. und bermudensis Dahl. Letztere Art scheint aber von den Übrigen etwas stärker abzuweichen. Vor allem ist sie „fast blind“, „und enthält kein Pigment“, im Zusammenhang mit ihrem Vorkommen in der Walsingham-Höhle Bermudas. Obwohl Dahls Abbildung vom 1. Beinpaar des Z etwas schematisiert ist, läßt sich doch aus derselben sofort erkennen, daß dieses Beinpaar dem entsprechenden der typischen Halophiloscien sehr ähnlich ist. Die feine Punktierung am 4. und 5. Gliede soll wahrscheinlich ein Schuppenfeld darstellen. Auch Dahls Abbildung eines Kieferfußes steht mit den Kieferfüßen anderer Halophiloseien genügend in Einklang. Oben habe ich die Philoscia bermudensis bereits besprochen und möchte hier erwähnen, daß die Möglichkeit gegeben ist, daß auch noch auf Bermuda selbst eine ocellenführende Küsten- HZalophiloseia vorkommt, von welcher die blinde Art abstammt. Nachdem ich selbst an der Küste von Istrien beobachtet habe, wie leicht die schnellfüßigen Halophiloscien sich in den Spalten des Küstengeklüftes zu verbergen wissen, sodaß man sie an rein klüftigen Stellen überhaupt nur ausnahms- weise zu erlangen vermag, kann ich mir Ähnliches von der ebenfalls kalkigen Bermuda-Küste sehr gut vorstellen. Dahl stützte sich bei dem Vergleich mit Philoscia couchiüi Kin. übrigens auf eine (von ihm auch wiedergegebene) Abbildung von Spence Bate, deren Unrichtigkeit sich ohne Weiteres aus sich selbst ergibt. Von der unrichtigen Darstellung des Kopfes und des Telson abgesehen ist die 360 Karl W. Verhoeff: Philoseia couchii überhaupt kein blindes sondern ein mit normalen Ocellenhaufen begabtes Tier. H. aristotelis Verh. schließt sich sehr nahe an couchiüi und adriatica. Da ich leider keine genügenden Objekte und namentlich kein $ zur Verfügung habe, kann ich vorläufig nur angeben, daß bei dieser Art die Beine recht abweichend pigmentiert sind, indem die Pigmente nicht ausschließlich in zierlichen braunen Zweigen und Sternen verteilt sind, sondern in kräftigeren braunschwarzen und schwarzen Tupfen auftreten, d. h. in gedrängten Fleckehen, welche z. T. gar nicht verzweigt sind, z. T. in geringerem Grade. (Ägina.) Verzeichnis der im Vorigen aufgeführten Oniscinen: Oniseus murarius Cuv. CE; fossor und taeniola ©. K., languidus und lamperti L. K.) 5 murarius var. latus Verh. x * var. nodulosus und germamieus n. var. lusitanus n. sp. und simomi B. L. Oroniseus n. @. helveticus Verh. Oroniseus (Petroniseus) dolomitieus und calewagus n. Sp. Philoseia, Lepidoniscus n. subg. Ph. (Lepidoniseus) germanica Verh. und ericarum n. Sp. : n panmonica n. sp. (madida ©. K.) Philoseia, Paraphiloseia n. subg. Ph. (Paraphiloscia) pyrenaica Dollf. und squamuligera Kölbel. 5 apenninorum n. SP. Philoscia, Philoscia s. str. Ph. dalmatica Verh. und muscorum Latr. Ph. muscorum affinis n. subsp. und var. nigrovittata n. var. Chaetophrloscia n. g. Ch. sicula n. Sp. Oh. elongata Dollf. und glandulifera n. sp. Ch. piligera n. sp. und italıca Verh. Ch. attica und gravosensis Verh. Ch. penteliconensis und ıllyrica Verh. Stenophiloscia n. g. glarearum n. Sp. Halophiloseia n. g. adriatica n. Sp. H. ceowchiüi Kin. aristotelis Verh. und bermudensis Dahl. II. Über Porcellioniden. 1. Gatt. Porcellio Latr. Porcellio (Nasigerio) gerstäckert n. Sp. d Se, 2 T mm. Ig. dem P. moebiusi Verh. zunächst verwandt, aber schon habituell durch etwas schlankere und flachere Gestalt, sowie namentlich längere Antennen unterschieden, auch durch anderweitige Merkmale reichlich abweichend, Die stimmen fast vollständig mit denen des moebiusi überein, sie sind also kräftig aus- so den schwärzlichen, einfarbigen hücken. Höckerehen des matten Rückens gebildet, springen aber nicht zapfenartig vor. Am Kopf und 1. Segment stehen sie zerstreut, am Hinterrand aller Trunkussegmente bilden sie eine Reihe, im übrigen ziehen quer über das 2.—7. Segment in deren Mittelgebiet je zwei recht deutliche Höckerchenreihen, von denen die vordere die schwächere ist und von vorn nach hinten allmählich abnimmt, sodaß sich also am 2. Tergit zwei vollständige Quer- reihen vorfinden (mit der Hinterrandreihe zusammen 3,) während dem 7. Tergit nur eine vollständige zukommt und eine Andeutung einer andern. Auf der Cauda sind nur die Hinterränder mit Körnchen gesäumt. Telson mit kräftig-stumpf- winklig ausgebuchteten Seiten und einem deutlichen medianen Längseindruck. Ocelleshaufen (wie bei moebiusi) kräftig vortretend. Die großen mehr als halb- kreisförmigen Seitenlappen des Kopfes bleiben (wie hei moebiusi) ein gut Stück hinter dem großen Mittellappen zurück. schräg nach außen gerichtet. Der Mittellappen ragt nach oben fast so stark empor als er am Grund breit ist. Vom abgerundeten Endrand schrägt er sich allmählig gegen den breiteren Grund ab. Von oben gesehen ist der Mittellappen deutlich nach vorn gewölbt und hinten ausgehöhlt. Die Seitenlappen sind abgerundet und Von der Seite gesehen ist sein Rand tief, fast: rechtwinkelig ausgebuchtet, während sich unter ihm weder Höcker noch Längskante findet. Das 2. Dornspitze (wie auch moebius:). zeige eine Gegenüberstellung: gerstaeckeri n. Sp. 1. und 2. Geißelglied ungefähr gleich ll: lang. Mittellappen des Kopfes mäßig > und 3. Antennenglied besitzen oben am Ende eine Folgende plastische Unterschiede beider Arten moebiusi Verh. Geißelglied höchstens °/s der Länge des 2. erreichend. Mittellappen groß, nicht breiter oder kaum so breit wie der Zwischenraum zwischen ihm und dem Seitenlappen jederseits. Furchung des 5. Antennengliedes seicht. Epimeren sehr groß, viel breiter als der Raum zwischen ihm und dem Seitenlappen. Furchung des 5. Antennengliedes tief. Epimeren des Pleon recht lang, die des 362 Karl W. Verhoeff: des Pleon mäßig lang, daher reichen 5. Segmentes reichen ein gut Stück über die des 5. Segmentes knapp bis zum den Hinterrand der Uropodenpropodite Hinterrande der Uropödenpropodite, hinaus und zwar ebenso weit wie das über den auch das Telson nur wenig Telson. Epimeren des 5. Segmentes hinausgeht. Epimeren des 5. Segmentes nur wenig divergirend. Rücken auf stark divergirend.. Rücken einfarbig hellerem Grunde mit dunkeln Flecken. schwärzlich. Am 7. Beinpaar des f ist das Ischiopodit unten leieht ausgebuchtet und elatt, im Übrigen von der Seite gesehen fast «dreieckig. Das Mero- und Carpo- podite sind unter sehr fein rauh und unbedeutend ausgebuchtet Exopodite der 1. Pleo- pode des 5 fast dreieckig, gegen das schmal abgerundete Ende allmählig verjüngt. Am Außenrand dieses verjüngten Endzipfels finden sich 10 kurze Stachelborsten, welehe am Ende in 3 —+ Spitzchen zerschlitzt sind. Endo- podite außen vor der Mitte durch einen Wulstbogen deutlich abgesetzt, gegen das Ende allmählich verschmälert, die Spitze einfach, ziemlich stumpf, nieht nach außen gebogen. Exopodite der 2. Pleopode schlanker als die der 1., außen auch stärker ein- gebuchtet, am Außenrande bis zum Ende mit 11—12, am Ende in 3 zerschlitzte Stachelborsten. Die Endopodite ragen genau so weit nach hinten wie die Exopodite und laufen in einen feinen, einfachen Spieß aus, dem gegenüber der Innenrand der Exopodite äußerst zart gewimpert ist. Vorkommen: Mit moebiusi ist gerstaeckeriı auch biologisch verwandt. Während ich Ersteren in Dalmatien aber zwischen den feuchten Steinen unmittel- bar am Ufer der brakischen Ombla nachwies, sind mir von gerstaeckeri zwei Indi- viduen (2 0) unter Lavastücken an der Küste selbst zu Händen gekommen und zwar nicht weit von Ognina bei Catania, 7. IV. 08. Die betr. Steine waren zwar nicht von den Wogen befeuchtet, aber nur wenige Meter vom Strandgeklüft entfernt, sodaß sie umsomehr ebenfalls als halophile Formen betrachtet werden können, als die heftige Brandung ihren Gischt auf noch erheblich weitere Ent- fernungen zu schleudern vermag. Porcellio (Proporcellio) vulkamius n. Sp. 9 5", d 4 mm. lg. Kopf und 2.—5. Caudalsegment schwarz, sonst grau- braun, die Trunkussegmente mit 2+ 2 schwarzen Fleckenreihen, die einzelnen Flecke vor den Hinterrändern und zwar rundliche auf den Epimeren und quergezogene mehr nach innen. Ist mit corticicolus Verh. nahe verwandt und stimmt mit ihm in zahlreichen Punkten, der Hauptsache nach auch in der deutlichen Körnelung über- ein. Kopf und 1. Trunkussegment deutlich und zerstreut mit Höckerchen besetzt. An den Hinterrändern der Trunkussegmente stehen feine Knötchen in nach hinten zunehmender Deutlichkeit, quer über die Mitte des 2.—T. Segmentes verlaufen zwei Reihen von Höckerchen, deren hintere allenthalben ziemlich kräftig ist, während die vordere schwächer ausgeprägt ist und nur am 2. und 3. Segment bis zur Rückenmitte reicht. Am Pleon sind nur die Hinterränder mit Körnchen geziert und zwar deutlichere am 1. und 2., schwächere am 3.—5. Segment. Ocellen (von oben nach unten) 5, 4, 3, 3, also 15 bei F und 2 in 4 Reihen, Seitenlappen 4 Spitzchen Über Tsopoden: 15. Au.satz. 365 des Kopfes ziemlich groß, halbkreisförmig, abgerundet, der Mittellappen klein aber ziemlich breit, abgerundet, von oben gesehen nach vorn nieht oder nur wenig weiter vorragend als die seitlichen. Durch feine, eine tiefe Einbuchtung begleitende Kantenlinie sind Mittel- und Seitenlappen verbunden. Stirn unter dem Mittellappen etwas gewölbt, aber ohne Auszeichnung. 2. und 3. Antennenglied am Ende oben mit kleiner Spitzecke. Schaftglieder gefurcht. Die Tergite sind ziemlich dicht be- setzt mit Gebilden, welche unter der Lupe als graue Pünktchen erscheinen und im Profil nur ganz unbedeutend vorschauen, mikroskopisch aber sieh überall als / förmige, d. h. Am 7. Beinpaar des g‘ ist die Unterfläche des 2.—4. Gliedes annähernd gerade, das von dreieckigem Ansatz ausgehende Spitzchen darstellen. 3. und 4. etwas rauh, abgesehen von den Stachelborsten. Exopodite der 1. Pleopode des g außen m weitem Bogen ausgebuchtet, der Außenrand ohne Stachelborsten. Der dreieckige Endzipfel ist abgerundet, an seinem Innenrand stehen 5—6 einfache Spitzen. Die Endopodite verschmälern sich allmählich gegen das Ende und sind mit den Spitzen sehr schwach nach außen geneigt, nicht umgebogen. Innen vor dem Ende finden sich einige feine Spitzchen. Die Exopodite der 3. Pleopode sind dreieckig, außen leicht ausgebuchtet und am Außenrande mit 11—12 kurzen spitzen Tastborsten bewehrt, eine etwas größere steht vor dem ab- gerundeten Ende. borsten und hinter dem äußeren Grunde eine fast halbkugelige Grube. Sehr ähnlich sind die 2. Exopodite, doch haben sie nur 3 Tast- Ihr Ende wird um ein gut Stück überragt von der langen, dünnen Spitze der 2. Endopodite. Das Verhältnis zu cortieieolus möge die Übersicht verdeutlichen: vulcanius n. Sp. corticicolus Verh. 1. Geißelglied nur halb so lang wie das 2. Hinterecken des 4. 'Tergit recht- winklig, des 5.—7. spitzwinklig, d. h. mit spitzen Zipfeln nach hinten vor- ragend. 3.—D5. Caudalsegment quer über die Mitte ohne Körnchen. schwach eingedrückt. Telson nur 1. und 2. Geißelglied gleich lang oder das 1. noch etwas länger. Hinter- ecken des +. Tergit stumpfwinklig, des 5. und 6. rechtwinklig und fast recht- winklig, nur das 7. mit spitzem Zipfel nach hinten vorragend. 3.—5. Caudal- segment quer über die Mitte mit feinen zerstreuten Körnchen. Telson mit tiefer Längsrinne und Knötchen jederseits. Vorkommen: 1 gg 1 2 des vulecanius entdeckte ich bei Catania unter denselben Verhältnissen, wie bei gerstäckert. Die Proporcellio-Arten cortieieolus und vuleamius stehen unter allen mir be- kannten Porcellionen den Agabiformius am nächsten, unterscheiden sich aber durch den Mangel der Stirnauftreibung, durch den Mangel deutlich abstehender Börstehen und das Verhalten der Epimeren des 3. und-4. Trunkussegmentes, deren Hinterzipfel einfach abgerundet sind, während sie bei Agabiformius in deutliche Zipfel nach hinten vorgezogen sind, sodaß also auch «die entsprechenden Hinter- ränder mit einer geschwungenen Ausbuchtung verlaufen. In naher Verwandtschaft mit cortieicolus und vulcanius steht offenbar auch der mir in natura nicht bekannte provineialis Dollf., welcher sich durch große Seiten- lappen unterscheidet, „presques quadrilateres“. Die fast gleichen Geißelglieder nähern ihn dem corticicolus ebenso wie die ungefähr 20 Ocellen (was für cortiercolus 364 Karl W. Verhoeft: sleichfalls gilt). Die Verteilung der Höckerehen ist leider zu ungenau beschrieben um einen Vergleich zu ermöglichen. Porcellio laevis und Verwandte. Auf die Variabilität des Porcellio laevis Latr. in der Ausbildung der Rücken- körnelung habe ich schon früher hingewiesen und vollkommen glatte Tiere als var. marinensis Verh. hervorgehoben. Auf Sieilien treten nun zwei dem /aeııs sehr nahe verwandte Formen auf, welche in allen übrigen Charakteren mehr oder weniger vollständig mit ihm übereinstimmen, hinsichtlich der Höckerbildung aber das Gegenteil von marinensis darstellen, indem sie durch reichliche Körmelung ausge- zeichnet sind. Eine dieser Formen, welche von Dollfus als P ragusae aus West- sieillien bekannt gemacht wurde, habe ich am Mt. Pellegrino bei Palermo wieder aufgefunden, während die andere, noch unbekannte in Ostsieilien den ragusae zu vertreten scheint. Ich unterscheide diese drei Formen in folgender Weise: a) Mittellappen des Kopfes wenig kürzer als die seitlichen. Höckerung des Rückens so reichlich, daß die Noduli laterales sieh wenig aus den Höckerchen hervorheben. Die Höckerehen sind kräftig und auf der Höhe aller Trunkusseg- mente mehrreihig, mindestens zweireihig, ohne die Hinterrandknötchen. ragusae Dollf. b) Mittellappen des Kopfes erheblich kürzer als die seitlichen. Höckerung auf der Rückenhöhe des 2.—7. Trunkussegmentes höchstens in einer deutlicheren Querreihe auftretend, daher stehen die Noduli laterales auffallend von den Höcker- chen ab. a) Kopf meistens ganz glatt, selten spärlich schwach gehöckert: Trunkus meistens nur an den Epimeren mit Knötchen und auch hier meist nur am 6. und 7. Segment deutlich, bisweilen aber auf allen Epimeren. Manchmal ziehen spär- liche und schwache Körnchen auch über die Rückenmitte, dann aber nur am 5.-—7. 'Trunkussegment, seltener und zwar noch schwächer und spärlicher auch über die vorderen. laevis Latr. (genuinus). B) Kopf reichlich zerstreut mit feinen Höckerchen besetzt. Alle Trunkussegmente der ganzen (Juere nach mit einer recht deutlichen und ziemlich diehten Reihe von Höckerchen, neben denen es im mittleren Teile des 2.—7. Segmentes auch noch einige zerstreute feinere Knötchen gibt, während das 1. Segment auf den Epimeren reichlich und etwas weniger in der Mitte zerstreute Höckerchen führt. laevis trinaerius n. subsp. P. Iaevis trinaerius m. besitzt im Vergleich mit /aevis einen mehr bräunlichen Körper, gleicht ihm aber sonst in allen Charakteren. Außer einem bei Taormina ge- sammelten 2 habe ich S Stück an dem Nordabhang des Aetna bei 750 m Höhe aufgefunden. Über Isopoden: 15. Aufsatz 365 Auch in den männlichen Pleopoden habe ich laevis, trinaerius und ragusae übereinstimmend gefunden, namentlich waren bei allen die auffallenden Längs- rinnen, welche den inneren Lappen der 1. Exopodite vom äußeren absetzen, in gleicher Weise ausgeprägt. Ebenso herrscht Übereinstimmung hinsichtlich der Ver- längerung der männlichen Uropoden-Exopoldite. Porcellio (Mesoporcellio) albieornis Dollf. (=Lueasius albieornis Dollf.) Nach einem einzigen weiblichen Stück von 104» mm. Lg. welches ich am Mt. Pellegrino auffand, ergänze ich die Diagnose von Dollfus durch Folgendes: kücken allenthalben mit zahlreichen, kurzen, dicht stehenden und ein wenig nach hinten stehenden Börstehen. Die Poren der Epimerendrüsen sind vorhanden und haben, wie bei /adevis und Verwandten, eine offene Lage in geringer Entfernung vom Seiten- rande, ungefähr in der Mitte desselben. Als graues Fleckehen heben sie sich ein wenig von der braunen RKückenfarbe ab. Ocellen 19 in etwas unregelmäßiger An- ordnung. Den Mittellappen des Kopfes beschreibt Dollfus als „tres court, large- ment triangulaire“. Ich finde es aber richtiger ihn als abgerundet und in der Querrichtung wenig breit zu bezeichnen; übrigens sind die 3 Kopflappen besonders deutlich beborstet. 2. und 3. Antennenglied oben am Ende mit einer kurzen, vor- springenden Ecke. 1. Geißelglied etwa °/; so lang wie das 2. Die Hinterränder des 1. und 2. Segmentes sind an den Epimeren etwas stärker" nach vorn ge- schwungen als es Dollfus in seiner Abb. a angab. Die Gattung Zucasius besitzt kräftig geschweifte Seiten des Iiinterrandes des 1. Trunkussegmentes und fast gerade Telsonseiten; beides Merkmale welche albicornis nicht zukommen. Porcellio, Unterg. Mesoporcellio Verh. Im 10. Isopoden-Aufsatz habe ich Mesoporcellio als eine 2. Sektio die Gruppe Proporcellio beigestellt, betrachte sie jetzt aber ebenfalls als Untergattung, da ich mich überzeugt habe, daß Euporcellio und Mesoporcellio einander näher stehen als Mesoporcelio und Proporcellio, welche letzteren Gruppen schon durch die Ver- schiedenheit der Epimerendrüsen so getrennt sind, daß bei weiterer Durcharbei- tung sich Proporcellio vielleicht noch schärfer umgrenzen läßt. Auch Mesoporcellio wird gegenüber Euporcellio noch weiterer Oharakterisierung bedürfen und es fragt sich, ob nicht vielleicht ein Teil von Zuporcellio, (dann freilich bei veränderter Mesoporcellio-Definition) mit Mesoporcellio zu vereinigen sei. Vorläufig lasse ich die im 10. Aufsatz gegebene Darstellung der Mesoporcellio Gruppe I bestehen und erweitere sie nur mit Rücksicht auf den Poreellio imbutus B. L., welcher ebenfalls zu Mesoporcellio gehört. Es sind dann Formen, welche, wie z. B. achilleionensis Verh., am 1. 3. Seg- ment jederseits eine leichte Einbuchtung besitzen, aber doch am 1.—3. in schwache nach hinten vorspringende Zipfel vorragen, zu Euporcellio zu rechnen, während Formen, welche, wie ragusae Dollf. am 1.—3. Segment jederseits zwar auch eine seichte Einbuchtung zeigen, aber nach hinten nieht oder doch nur an- deutungsweise in Zipfel vorspringen, Angehörige von Mesoporcellio darstellen. 366 Karl W. Verhoeft: Mesoporcelhio gruppiere ich also in folgender Weise: Die Trunkussegmente besitzen dicht am Seitenrande oder nur wenig von dem- selben abgerückt in der Mitte oder nahe der Mitte deutliche Drüsen-Porenfelder. Der obere Hinterrand der Uropoden-Propodite verläuft von oben gesehen entweder ungefähr gerade, also quer oder etwas schräg gewunden von außen vorn nach innen hinten. Höckerung des Rückens entweder deutlich und reichlich oder spär- lich oder ganz fehlend. Stirnquerkante etweder ohne eigentlichen Mittellappen oder Derselbe ist aber niemals breit sondern in der Querrichtung Hinter- Das Telson überragt mit einem solchen. kurz, sodaß er durch breiten Abstand von den Seitenlappen getrennt wird. rand des 1. Segmentes höchstens mit seichter Ausbuchtung. die Uropodenpropodite stets um ein beträchtliches Stück. A. Rücken mit zahlreichen kurzen, aber im Profil doch etwas abstehenden, dicht gestellten Hinterrand Uropodenpropodite länger als der Außenrand, diese Außenränder ungefähr parallel. Börstehen. der albicornis Dollf. B. Rücken ohne abstehende Borstenbekleidung. a) Die Außenränder der Uropodenpropodite konvergiren deutlich nach hinten zu, der Hinterrand derselben verläuft schräg von außen vorn nach innen hinten und die Innenfläche ist deutlich vom Telson abgewendet. imbutus B. L. und imbutus pellegrinensis n. subsp. b) Die Außenränder der Uropodenpropodite sind ungefähr parallel gestellt, der IHinterrand derselben verläuft im Wesentlichen und die Innenfläche ist mehr oder weniger dieht an das Telson gedrängt. (Vergl. oben!) P. imbutus fand ich auf Sieilien in eine westliche und östliche Unterart geteilt, quer Hierhin laevis und seine Verwandten. welche ich in folgender Weise unterscheide: imbutus pellegrinensis n. subsp. Erwachsene Weibchen von 14— 15mm. Lg. an Kopf und allen Trunkussegmenten sehr deutlich auch in der Mitte, ge- höckert, Hinterrand, namentlich des Segmentes mit deutlichen Höcker- dg ebenso etwas spärlicher gehöckert, die 5.— 1. chen. oder in der Rücken- mitte Epimeren ebenfalls reichlich. So auch SROR der 5.—7T. Epimeren mit feinen Höckerchen. bei jüngeren Hinterränder r. Vordere Höckerchenreihe des 3.—D. Caudalsegmentes bei J' und 2 deutlich. imbutus B. L. ErwachseneWeibchen von 15—16 mm. Lg. am Kopf schwach gehöckert, quer über die Mitte der Trunkussegmente nur mit schwachen Spuren von Höckerchen, an den Hinterrändern ohne, am 5.—7. mit schwachen Spuren von Höckerchen, d in der Rückenmitte fast völlig glatt, Epimeren feiner und spärlicher ge- höckert, Hinterränder der 5.—7. fast glatt. Vordere Höckerehenreihe des 2 3.—D. Caudalsegmentes beim 2 deut- lich, beim 9°‘ fast erloschen. Beide Formen sind im Vergleich mit laevis und seinen nächsten Verwandten recht charakteristisch gezeichnet: Rücken braunschwarz mit zahlreichen graugelb- lichen Fleckehen, wobei sich bald mehr bald weniger deutlich drei braunschwarze Längsbinden bemerklich machen, welche graugelbliche Flecke enthalten. der mittleren Rückenbinde bilden unregelmäßige Jederseits graugselbe Muskelflecke eine Über Isopoden: 15. Aufsatz: 367 Marmorierung, während sich auf den Epimeren außerhalb der äußeren Längsbinden zerstreute runde Fleckchen finden. Vorkommen: P. imbutus B. L. s. str. sammelte ich nur im östlichen Sieilien und zwar bei Randazzo im Nordgebiet des Aetna im Laubbuschwald unter Laub und Lava. Bei Castrogiovanni im freien Felde am Bergabhang unter Steinen. P, imbutus pellegrinensis m. war Anfang April in der Umgebung von Palermo häufig, die meisten 2 2 bei mehr oder weniger fortgeschrittener Embryonenent- wicklung, aber nirgends mit schlüpfreifen Larven. An den Abhängen des Pelle- erino teils auf Kalk teils auf Sandstein, namentlich in Opuntien-Beständen. Bei Monreale in Zitronenpflanzung. Bei der Giganten-Höhle unter Steinen. Boca di Falco. — Bei beiden Formen ist das g‘ dunkler gezeichnet als das 2, eine Er- scheinung, welche sich bei zahlreichen Isopoden wiederholt. Zur illyrieus-Gruppe gehören die Arten N. 18—22 in meinem 10. Aufsatz über Isopoden 1907 und eine neue Form P. aetnensis m., welche unter b, 2, neben a) ater B. L. und B) phaeacorum Verh. als 'y) einzureihen ist und zwar unter folgenden hervorzuhebenden Charakteren: y) Äußere Kopflappen überhaupt nicht nach außen gebogen, sondern vom Grunde an ganz gerade mit der Außenkante nach vorn ziehend. Der Winkel zwischen dem mittleren und den seitlichen Kopflappen ist zwar noch ein spitzer, nähert sich aber dem rechten Winkel, er ist also nicht so spitz wie bei «ater aber ungefähr wie bei phaeacorum. Die Drüsenporen der Trunkussegmente sind vom Epimerenrande etwas abgerückt, stehen demselben aber viel näher als bei «ter und sind größer als diejenigen des phaeacorum. Porcellio (Euporcellio) aetnensis n. sp. Körper 13—16 mm ]g., stark abgeflacht, völlig glanzlos, graubraun, in der Rückenmitte schwach marmoriert, am Grunde der Trunkusepimeren mit einem weißlichen Fleck, wodurch jederseits eine Längs- reihe gebildet wird. Die großen dreieckigen, vorn abgerundeten Seitenlappen des Kopfes ragen noch ein wenig über die Vorderlappen der 1. Epimeren hinaus, sind außen gerade innen leicht gebogen. Der beinahe halbkreisförmige Mittellappen ragt etwas über die halbe Länge der Seitenlappen hinaus. Unter dem Mittellappen springt ein kräftiger, nasiger Höcker vor. 2. und 3. Antennenglied oben am . Ende mit kräftigem Dornfortsatz. Die ziemlich großen Drüsenporen des Trunkus sind am 6. und 7. Segment desselben vor der Mitte gelegen und etwas vom Seiten- rande abgerückt, (während sie daselbst bei phaeacorum überhaupt undeutlich sind). Die Höckerehen des Rückens haben ungefähr dieselbe Verteilung wie bei ater und phaeacorum, sind aber im Vergleich mit denen jener entschieden abgetflachter, was besonders an den Hinterrändern deutlich zum Ausdruck kommt, indem die Höckerchen daselbst nicht als stumpfe Sägen erscheinen, sondern am Hinterrand des 1.—3. Segmentes überhaupt nur sehr schwach ausgeprägt sind, vom 4. bis 7. dann allmählich stärker werden und deutlicher als Knötchen vorragen. Am Pleon zeigen die Hinterränder der Segmente nur Spuren von Höckerchen, während die vorderen Reihen deutlich sind und auch den Epimeren zerstreute Knötchen zukommen. Die Hinter- zipfel des 1.—3. Trunkussegmentes ragen nach hinten vor, sind aber weniger zu- gespitzt wie bei phaeacorum. Pleon mit 5 Paar braunen Trachealbezirken, 368 Karl W. Verhoeft: Als eine fragliche sieilische Art beschrieb Budde-Lund!) den P. emaciatus, welcher offenbar auch in die llyrieus-Gruppe gehört. Er läßt sich mit aetnensis nicht in Einklang bringen, da abgesehen vom 1. Flagellumglied, welches fast doppelt so kurz ist wie das 2. (bei aetnensis das 2. gut 1'/e mal länger als das 1) das 2. und 3. Antennenglied einen nur kleinen Zahn besitzen soll, (aetnensis einen kräftigen Dornfortsatz) und die Seiten des Telson als leicht eingebuchtet beschrieben werden, während sie hier kräftig stumpfwinkelig ausgebuchtet sind. Im Übrigen ist emaeiatus hinsichtlich verschiedener wichtiger Merkmale einer genaueren Be- schreibung bedürftig. Vorkommen: Vereinzelte Stücke sammelte ich bei Randazzo (750 m) am Aetna unter Lava, bei Castrogiovanni (800 m) unter Kalkstein, mehrere Individuen unter Gestrüpp und Steinen bei Lentini unweit des Flüßchens bei Getreidefeld. Porcellio monticola Liereb. ist in Mittelitalien verbreitet, nicht selten z. B. bei Orvieto in Umbrien wo ich Ende April Halbwüchsige und Erwachsene von 6—17'/g mm Leg. sammelte, teils unter Basalttuffsteinen, teils unter Laub und Genist von Quereus, Castanea und Rubus. Ende März fand ich die Art bei Marino im Albanergebirge, teils im Wald, teils in den Tuffsteinbrüchen. Weiter südlich verändert sich diese folgende Unterart aufzustellen: monticola Lereb. Rücken des Trunkus auf hellem Grunde mit dunklen Fleckenreihen £e- ziert, in der Mediane eine Längsreihe schwärzlicher Flecke, von denen jeder in der Mitte oder gegen den Hinterrand des Segmentes einen gelblichen Fleck enthält. Trunkus im Übrigen hell und dunkel marmoriertt. Am Grunde der Epimeren eine Längsreihe gelblicher Flecke, welche jederseits von einer Längs- reihe dunkler Wische umgeben ist. (Wenn bei einzelnen Stücken die Längsreihen, helle und dunkle undeutlich sind, dann ist der Körper vorwiegend gelblich und nur schwach dunkel marmoriert.) Die dunklen und gelben Flecke sind auch am 1. und 2. Segment deutlich. 1.—4. Trunkussegment in der Mitte ungehöckert. Höckerchenreihen derCaudal- segmente schwächer, die vorderen Reihen fehlend oder schwach, meist undeutlicher als die Hinterrandreihen. !) Isopoda terrestria 1885, p. 80. Art, sodaß ich mich veranlaßt sah die monticola cassinensis n. Subsp. Rücken vorwiegend grauschwarz, ohne deutliche Fleckenreihen, die Median- längsreihe nur verwaschen angelegt und auch nur Spuren verwaschener heller Flecke enthaltend. Die seitlichen Längs- reihen sind entweder überhaupt nicht vorhanden oder ebenfalls verwaschen; wenn aber gelbe Flecke am Grunde der Epimeren deutlich auftreten, dann findet sich außerdem eine noch auffallendere Reihe gelber Flecke in der Rückenmitte der medianen Fleckenreihe, welehe bei monticola nicht vorkommt. zu Seiten 1. Segment gewöhnlich ganz dunkel, seltener der helle Medianfleck sichtbar, niemals die seitlichen. Epimeren gehöckert, auch die Rücken- mitte, am 2.—4. Segment findet sich in der Mitte unregelmäßigen Reihe bestehender Höcker- chenquerzug. Vordere Höckerchenreihe an den Caudalsegmenten ebenso deutlich oder noch deutlicher wie die hinteren, nur ein aus einer einzelnen Über Isopoden: 15. Aufsatz: 369 monticola cassinensis m. habe ich in mehr als einem halben Hundert Individuen geprüft, von 13/e—19'/; mm Lg. und im April sowohl bei Cassino an schattigen Plätzen unter Felswänden gefunden, als auch bei Castellamare (sorrentinische Halb- insel) nicht sehr weit vom Meere ebenfalls an Stellen, welehe wenig von der Sonne getroffen werden, an beiden Plätzen unter Kalksteinen. (2 2 befanden sich in Halbhäutung.) 2. Gatt. Agabiformius Verh. (= Leptotrichus Untergatt. Agabiformius Verh.) Zur weiteren Charakterisierung dieser Gruppe hebe ich noch Folgendes hervor: Die Tergite sind, von Zellschuppenstruktur und dreieckigen Randschuppen abge- sehen durch sehr eigentümliche Keulenborsten ausgezeichnet, d. h. Borsten welche von einer Aförmigen Basis aus in kurze, eiförmige, gegen den Grund stielartig verschmälerte Keulen übergehen. Derartige Cutieulargebilde habe ich noch bei keinem anderen Isopoden beobachtet, sie finden sich aber in gleicher Weise bei eoreyraeus und pseudopullus Verh. Porenfelder sind kurz aber gut ausgebildet, von einer stark nach innen gebogenen Linie umgeben. Ich habe z. B. am Porenfeld der 7. Epimeren des coreyraeus 11—12 Poren jederseits beobachtet. (Bei Zepto- trichus sind die Porenfelder länglicher und die Porenfeldlinie läuft dem Seitenrande fast parallel.) Gemeinsam mit Zeptotrichus und anderen Porcellioniden besitzen die männlichen Agabiformius am 1.—3. Beinpaar unten am 3. und mehr noch 4. Glied eine Bürste aus starken, am Ende in Spitzchen zerteilten Borsten. Be- sonders charakteristisch für Leptotrichus sind die dieken Grabbeine, welche mit vielen starken Stachelborsten bewehrt sind. Diese Stachelborsten bilden am End- rand des Meropodit und besonders Carpopodit namentlich am 5.—7. Beinpaar einen Kranz ringsumher. Ein weniger vollständiger Kranz steht auch am Endrand des Ischiopodit, während sich außerdem einige starke Stachelborsten an der Unterfläche des 2.—4. Gliedes befinden, also auch am Ischiopodit. Dem gegenüber besitzt Agabiformius unten am Ischiopodit keine Stachelborsten, einige am oberen Endrand, einen vollständigen Kranz von Stachelborsten nur am Endrand des Carpopodit, am Endrand des Meropodit nur oben und unten je 2 Stachelborsten, einige kürzere auch an der Unterfläche des Carpopodit. Agabiformius besitzt also, zumal die ein- zelnen Glieder ebenfalls dick und gedrungen sind, gleichfalls Grabbeine, aber ihre Ausrüstung mit Stachelborsten ist wesentlich geringer als bei Zeptotrichus. Die Endopodite der 1. Pleopode des 5 laufen bei beiden Gattungen allmählich in eine Spitze aus. Die 1. Exopodite sind bei Agabiformius coreyraeus g‘ außen leicht eingebuchtet, am Ende abgerundet. Der Endrand ist nackt und auch sonst zeigen diese Exopodite keine auffallende Struktur. Bei Leptotrichus dagegen finden sich starke, stumpfwinklige Ausbuchtungen der 1. Exopodite des Z und eine Furche setzt die inneren und äußeren Exopoditlappen stark gegen einander ab, während die Innenlappen in dreieckige Fortsätze ausgezogen sind. Die ganze Oberfläche der Exopodite ist mit kleinen Haarspitzchen bekleidet, welche meist zu zwei, oder auch kammartig zu mehreren bei einander stehen. 3. Gatt. Leptotrichus B. L. Eine mit Z. panzeri Aud. verwandte und ihm äußerlich recht ähnliche Art Archiv für Biontologie II. (2) 08. 3 370 Karl W. Verhoeff: ist Z. syrensis Verh. deren Diagnose durch folgende Gegenüberstellung vervoll- ständigt werden soll: panzeri Aud. Ende der Endopodite der 1. Pleopode des g' ohne dichtes Haarbüschel, nur mit schwacher Andeutung eines solchen. syrensis Verh. Ende der 1. Endopodite der Pleopode des 5 mit diehtem Haarbüschel. Die Endlappen der 1. Exopodite sind Die Endlappen der 1. Exopodite sind länglich dreieckig, ungefähr so lang wie nur halb so lang wie der Grundteil, am der Grundteil und am Ende außen, be- Ende ganz frei von Stachelborsten. Der sonders aber innen mit z. T. etwas öndlappen der 2. Exopodite wie bei krummen Stachelborsten besetzt. Der syrensis, aber nur am Außenrande mit Endlappen der 2. Exopodite ist in einen Fortsatz in der Endhälfte und dessen Außenrand vollständig mit Stachel- Stachelborsten besetzt, auch keime an recht schlanken ausgezogen, der Unterfläche. Meropodit des 7. Beinpaares des 5 dessen Innenrand borsten besetzt ist, deren Ende in meistens An der Unterfläche mehrere Stachel- unten in der Grundhälfte nur mit 2 Stachelborsten. 3 Spitzen geteilt ist. (Meine panzeri aus dem westlichen des Fortsatzes stehen und östlichen Sicilien stimmen in den borsten noch zwischen Außen- und Innen- Pleopoden des g' durchaus überein.) rand. Meropodit des 7. Beinpaares des unten in der Grundhälfte mit mehreren Stachelborsten. (5—8.) 4. Gatt. Lucasius Kin. L. pallidus B. L. besitzt einfache Rückenbeborstung, außerdem feine schüppehen, während Epimerendrüsen und Randlinien vollständig fehlen. Das Die Endopodite der tand- 7. Beinpaar des Jg zeigt keine besondere Auszeichnung. 1. Pleopode verschmälern sich gleichmäßig gegen das Ende, welches ohne besondere Auszeichnung schwach nach außen gebogen ist. Die Exopodite sind stumpfwinklig ausgebuchtet und erinnern durch ihre sehr breiten, am Ende schräg abgestutzten und an der Ecke mit 5— 4 Stachelborsten. besetzten Innenlappen an einen Teil der Euporcellio-Gruppe mit 2 Paar Trachealbezirken. Der Stachelbesatz am Ende des Carpopodit der hinteren Beinpaare bildet keinen vollständigen Kranz, ist aber sonst Ich habe diese Myrmekophilen bei Palermo unter einer Stein- Auch kräftig genug. platte bei Ameisen in krümeliger Erde vollständig eingewühlt gefunden. stellten sie sich tot und zeigten sich dadurch ebenfalls ihren Platyarthrus-Genossen biologisch unähnlich. [ 28 N . . rm... ur . II, Uber Eluma, Syspastus und einige Triehoniseiden. 1. Gatt. Eluma B. L. Die einzige Art dieser Gattung, Eluma purpurascens ist von Budde-Lund in seinem Handbuch 1855 p. 48 und 294 von Madera, Portugal, Frankreich, Algier u. a. Orten angegeben worden. A. Dollfus nennt pwurpurascens 1889 von den Über Isopoden: 15. Aufsatz: : Azoren) und an anderer Stelle?) ebenfalls von Portugal, Algier u. s. w. auch von den Canaren. Genauere Fundorte für Teneriffa teilte er 1893 mit. Niemand scheint aber eine genauere Prüfung vorgenommen zu haben, ob denn wirklich die Eluma-Individuen so verschiedenen Herkommens mit einander übereinstimmen. Prof. ©. Heller brachte im letzten Jahre Zluma von Teneriffa mit und verdanke ich ihm ebenfalls Individuen von dort, welche ich mit Zluma-Stücken aus Portugal (Coimbra) und Irland genauer verglichen habe. Schon äußerlich schienen mir die Tiere beider Fundorte von einander abzuweichen, die mikr. Untersuchung aber brachte mir die Gewißheit, daß wir es mit zwei Arten zu tun haben. Unterscheidungsmerkmale in Da nun die wesentlichen den bisherigen Beschreibungen nicht vorkommen, mußte es mir überlassen bleiben, welche der beiden Formen von jetzt ab den alten Namen führen soll. Ich wählte dafür die Festlandformen und widme die neue Art meinem Dresdener Kollegen. Die unterschiedlichen Charaktere mögen aus einer Gegenüberstellung ersichtlich werden: Eluma purpwrascens B. L. et m. (aus Portugal). Beborstung des Rückens im Profil merklich abstehend aber doch sehr kurz, an den nicht auffallend Antennenlappen besonders dick, innen stark abgestutzt, der abgestutzte Teil erscheint von vorn her viereckig. Hinterrändern fuchsig. Processus subpleonalis g‘° hinten zwei- höckerig, zwischen den Höckern einge- buchtet, im Ganzen also trapezförmie. Der Innenlappen der Exopodite der 1. Pleopode des g' nach endwärts ge- richtet, unter spitzem bis fast recht- winkligem Einschnitt gegen den Außen- lappen abgesetzt. Die Grundhälften der 1. Endopodite verschmälern sich nicht, sondern sind bis zu den Schrägwülsten fast parallel- seitig oder divergieren sogar noch ein wenig. Erst hinter den Schrägwülsten erfolgt eine allmählige Verschmälerung. Die Endhälften der Endöpodite laufen gleichfalls fast parallel, erst die Enden sind entschieden nach außen gekrümmt. Ischiopodit des 7. Beinpaares des g' innen stumpfwinklig eingebuchtet, dahinter mit abgerundetem Endzahn, diesem gegen- über das Meropodit mit abgerundeter Ecke. E. helleri n. sp. (von Teneriffa,) Agua Gareia. Beborstung des Rückens etwas länger, grau, im Profil auffallender abstehend, an den Hinterrändern wimperartig ge- stellt. dick, innen abgestutzt, der abgestutzte Teil Antennenlappen weniger von vorn her dreieckig erscheinend. Processus subpleonalis ‘° fast halb- kreisförmig, abgerundet. Der Innenlappen der Exopodite der 1. Pleopode des g‘ ist nicht nach end- wärts, sondern stark nach außen her- übergebogen, sodaß sich zwischen ihm und dem Außenlappen ein enger Ein- schnitt findet. Die Grundhälften der 1. Endopodite verschmälern sich stark hinten völlig und bilden bis zum Penisende ungefähr ein Dreieck. Die Endhälften der Endopodite sind vom Penisende angefangen gleich nach außen gebogen, sodaß sie parallel laufen, sondern hornartig aus- also nicht einanderstehen. Ischiopodit des 7. Beinpaares des g' innen deutlich, aber leicht eingebuchtet und dahinter mit ziemlich spitzem End- zahn, diesem gegenüber das Meropodit mit dreieckiger Ecke. !) Bullet. soc. zoolog. France. Paris 1889, t. XIV p. 126. 2) Revue biol. Nord France, N. 8, 1889. Lille. 3* Karl W. Verhoeff! Ein wichtiges und bisher unbekannt gebliebenes Merkmal der Gattung Zluma liegt also in einer Kneifvorrichtung des 7. männlichen Beinpaares, indem der genannte Zahnvorsprung am Ende des Ischiopodit sich gegen einen Höcker des Meropodit bewegen kann und beide einen dazwischen kommenden Gegenstand fest- zuhalten vermögen. Das betr. Ischiopodit ist aber überhaupt im Vergleich mit dem der übrigen Beinpaare durch seine Länge und Biegung ausgezeichnet. Im 1. Beinpaare stimmen beide Arten überein und erwähne ich besonders, daß sich daselbst innen zwischen Stachelborsten Sohlen- bürste und einer aus zahlreichen, dieht geordneten feinen Borsten gebildeten einer aus bestehenden unteren inneren Putzbürste 3-4 starke Stachelborsten finden, welche am Ende schaufel- artig oder handförmig in 5—6 Spitzen gespalten sind. 2. Gatt. Syspastus B. L. Auch von Syspastus war bisher nur die einzige Art brevicornis Ebner be- kannt, welche ich selbst von der Insel Corsika besitze. Kürzlich erhielt ich mehrere Stücke durch Prof. H. Simroth aus Sorgono in Sardinien und danke ihm auch hier für die freundliche Überlassung derselben. Wenn ich in den Pleopoden des g' keine Unterschiede von denen des brevicornis aus Oorsika gefunden habe, so will das bei dem einfachen Bau «derselben doch nicht viel sagen gegenüber einigen anderen Merkmalen, welche eine artliche "Trennung rechtfertigen: brevieornis Ebner. Oberfläche. des Kopfes einfach punk- tiert, ohne Höckerbildungen dieht punktiert, ohne Längs- und Querfurehen, Pleonsyntergit und deutlich ohne Wülste und ohne Höckerehen, nur mit sehr kurzen Börstchen. Trunkusepimeren ohne Randfurchen. sardous n. Sp. Oberfläche des Kopfes mit zwei bo- gigen Quereindrücken zwischen den Ocellenhaufen und mit erhobenen Höcker- chen, welehe kräftige Börstehen tragen. Die Höckerchen bilden vier nicht ganz regelmäßige Reihen, nämlich zwei vor und zwei hinter den Quereindrücken. Telson glatt, dicht punktiert. Pleonsyntergit außer einer Längs- mit 4 deutlichen Querfurchen, welche die Verwachsung aus einzelnen furche Segmenten andeuten. Zwischen den (Juerfurchen erheben sich 5 Paar para- Wüilste, dem 1.—5. Pleonsegment entsprechen. Auf diesen Wülsten und auchnoch weiter außen finden sich zerstreute, borstentragende Höcker- mediane welche chen. Trunkusepimeren mit feiner Rand- furche. Telson mit zerstreuten Höcker- chen. Die Antennengeißel der Syspastus beschreibt Budde-Lund als „obscure biar- tieulatum“, was für die Lupenansicht auch ganz bezeichnend ist. Mikr. sieht man aber sofort, daß das kleine Endglied in einer sehr deutlichen typischen Gelenkgrube sitzt, also sehr scharf vom 1. Geißelglied abgesetzt ist. Dem 7. Beinpaar des 5 kommt bei beiden Arten keine besondere Auszeichnung zu, es ist namentlich am Über Isopoden: 15. Aufsatz: 373 3% in 2—5 Spitzen teilen. 5. Glied unten mit sehr dieken Stachelborsten besetzt, welche sich am Ende Die Kopulationsorgane des 5 bestehen nur aus den Propoditen und Endopo- diten des 2. Caudalsegmentes und zwar stellen die Endopodite einfache, sehr lange Stäbe vor. Ein Processus subpleonalis des 7. Trunkussternit ist nicht vorhanden. Die Exopodite der Pleopode sind auffallend quer viereckig und es enthalten die des 2. Caudalsegmentes in der Mitte der Außenhälfte je ein rundliches Stoma, während sich daselbst an dem Exopoditen des 5. und 4. ©. Segmentes neben ein- ander je zwei Stomata vorfinden. Die Exopodite des 5. Segmentes enthalten wieder je ein Stoma, welches mehr in die Quere gedehnt ist. Die Formel der caudalen Stomata lautet also: 0+2+4-+4-+2. Sie ist die gleiche bei beiden Syspastus-Arten. Budde-Lunds Beschreibung der Caudalsegmente ist nicht recht klar, er sagt zwar ganz treffend „pedes caudales primi paris desunt“ aber im Widerspruch dazu „ramus exterior quinque (!) priorum parium opereularis et trachea ampla instruetus“. In Wirklichkeit sind also die Exopodite des 2.—5. Caudal- segmentes als große deckelartige Platten ausgebildet, während die des 1. recht klein sind, queroval und dieht mit Spitzen besetzt, aber ohne Atmungsorgane. Was nun die „trachea“ betrifft, so ist diese Bezeichnung anatomisch nicht haltbar, daher ich auch den Ausdruck Stoma in Anwendung brachte. Die Atmungsorgane von Syspastus, welche sich mehr als die aller anderen Isopoden, ja auch wohl aller andern Crustaceen an diejenigen der Tracheaten anschließen, sind hoch entwickelt und zeigen eine erstaunliche Ähnlichkeit mit denen der Seutigeriden unter den Chilopoden. Ganz wie dort führt nämlich das Stoma in eine Atem- höhle und in diese münden Tracheen in großer Zahl ein. Ganz wie dort gehen auch diese 'Tracheen mehrfach dichotomische Verzweigungen ein, entbehren der Spiralung und enden ebenfalls mit abgerundetem Ende, ohne kapillarartige End- verzweigungen zu bilden. Dese Syspastus-Tracheen strahlen von der Atemhöhle nach allen Richtungen in dichten Büscheln aus, am 5. und 4. Segment in 2 dichten Büscheln an jedem Exopodit. Die Unterschiede gegenüber den Scutigeriden liegen einmal in dem einfacheren Stoma-Bau, dann auch in der Beschaffenheit des Bodens der Atemhöhle, indem diese kein regelmäßiges Sieb darstellt, sondern einen faltigen Sack mit verschiedenartigen Ausstülpungen, sodaß an jede größere Aus- stülpung sich ein Paket von ausstrahlenden Tracheen anschließt. Ferner ist noch bemerkenswert, daß das 2. und 3. Caudalsegment eine ver- hältlich große Bauchplatte entwickelt haben, welche für die männlichen Endopodite des 2. Segmentes von Wichtigkeit sind. Diese liegen unter etwa rechtem Winkel gegen das Propodit gebogen und greifen angelegt über das Bereich des 2.--4. Caudal- segmentes. Diese stabförmigen Kopulationsorgane erhalten eine dreifache Stütze: 1. durch einen Medianhöcker am Hinterrand des Sternit des 2. Caudalsegmentes, 2. dureh einen länglichen, in der ganzen Mediane des 3. Segmentes sich er- streekenden Längswulst, welcher mit Haarspitzen und langen Stützstäben dicht bekleidet ist, 3. dureh tasterartige Endopoditfortsätze, welche ebenfalls mit Haarspitzen bekleidet sind und bei säbelartiger Biegung nach innen gerichtet. Während der 374 Karl W, Verhoeff: mediane Höcker und der Längswulst ein Unterlager schaffen, verhindern die taster- artigen Endopoditfortsätze ein seitliches Ausweichen der Stabendopodite. Endlich verdient noch eine Merkwürdigkeit an den Basalia des 7. Beinpaares bei Syspastus der Erwähnung: Im 12. Isopoden-Anfsatz (Archiv f. Nat. 1908) und im 13. Aufsatz (zool. Anzeiger 1908 N. 5/6) habe ich auf die an der Außen- und Vorderfläche der Basalia des 7. Beinpaares in beiden Geschlechtern vorkommenden Schrillleisten der Triehoniseiden hingewiesen. Es ist gewiß der Ausdruck einer gewissen Ver- wandtschaft mit dieser Familie, wenn ähnliche Gebilde auch bei Syspastus vorn an den Basalia des 7. Beinpaares vorkommen, hier jedoch in noch vollendeterer Aus- prägung. Diese Syspastus-Basalia enthalten nämlich der ganzen Länge nach, unter- halb der Mittellinie der Vorderfläche eine tiefe Längsrinne und beide Ränder derselben sind mit einem Streifen von Sehrillblättehen besetzt, wobei aber der obere Streifen der bedeutend stärkere ist. Er enthält eine dichte, aber in ungefähr drei Reihen verteilte Masse höchst zarter Blättehen in Form langer schmaler und dünner Zungen. Die meisten derselben sind in der Grundhälfte ungefähr gleich- breit, verbreitern sich aber bedeutend und allmählig in der Endhälfte und sind an dem wegen seiner außerordentlichen Feinheit selbst bei ea. 500 f. V. noch schwer erkennbaren Endrand breit abgerundet. Die Seitenränder sind sehr viel derber und leicht erkennbar. Diese langen Zungenblättehen greifen bis über die Mitte der Längsrinne und sind mit ihren Enden wenig entfernt von den Enden der also in entgegengesetzter Richtung entgegenkommenden Blättchen des unteren Streifens am Rinnenrande. Die letzteren Blättehen erreichen kaum die halbe Länge der oberen. An den Enden beider Reihen von Schrillblättehen, d. h. also auch an den Enden der Längsrinne werden die Blättehen schnell bedeutend kleiner und schmaler und gehen schließlich in gewöhnliche Haarfortsätze über. Es liegt auf der Hand, daß die Längsrinne, einer Trommel vergleichbar, als Resonanzboden wirkt. 3. Gatt. Hyloniseus n. . Im 13. Isopoden-Aufsatz habe ich durch Abgrenzung der Gattung Androniscus bereits einen Teil der früheren Trichoniscus - Mischgruppe ausgeschieden. Eine weitere, nicht minder notwendige Ausscheidung betrifft diejenigen Arten, welche ich hiermit als Hyloniscus durch folgende Difinition zusammenfasse: Kopf jederseits mit einem einzelnen großen Ocellus. Körper mit vielen ver- zweigten Pigmenten. Äußere Antennen mit mehrgliedriger Geißel, die einzelnen Glieder aber undeutlich gegen einander abgesetzt. Innere Antennen wie bei An- droniscus. Tergite mit einer dichten Zellschuppenstruktur aus sehr vorragenden, ab- gerundeten oder dreieckigen Schüppehen bestehend. Telson trapezförmig, hinten abgestutzt. Gestalt der Trunkus- und Caudalsegmente wie bei Trichoniscus. 7. Beinpaar des 5 ohne Zangenbildung, aber unten am Grunde (des Meropodit mit einem abstehenden Fortsatz, dessen Spitze nach endwärts und innen gerichtet ist. (Derselbe entspricht vollkommen dem Fortsatz am 7. Beinpaare von Philoscia J.) Penismitte ohne Blättchen oder Spitzchen, das Ende nicht kelchartig, sondern schmal, fast spitz auslaufend. Die beiden Vasa deferentia vereinigen sich am Grunde des Penis zu einem gemeinsamen Ausführkanal, welcher den Penis auf Über Isopoden: 15. Aufsatz: 375 längerer Strecke durchzieht und schließlich in einen schmalen Längsspalt übergeht. Der Penis selbst ist lang gestreckt, nicht in die 1. Endopodite eingezwängt, sondern (im Vergleich mit Oniseiden u. a.) verhältlich frei stehend, größtenteils gleich diek und erst am Ende länglich dreieckig zu einer Spitze verschmälert, viel länger als die 1. Endopodite. Die 1. Pleopode mit großen Propoditen, welche aus zwei (3) Abschnitten bestehen, einem ovalen, abgerundeten äußeren, (dessen Außenhälfte beschuppt ist und einem durch eine starke Hinterrandbucht abgesetzten inneren, der nach hinten in einen dreieckigen Lappen vorragt. Die 1. Endopodite sind auf- fallend kurz und werden vollständig verdeckt von den großen Exopoditen. Der Grund der 1. Endopodite ist verdeekt durch die Innenlappen der 1. Propodite, im Übrigen haben die Endopodite ungefähr dreieckige Gestalt, sind eingliedrig und tragen eine starke Endborste. Sie reichen etwa bis zur halben Länge des Penis. Die 1. Exopodite sind im Ganzen ungefähr länglich, dreieckig, ungewöhnlich groß und ragen nach hinten noch über das Ende des Penis hinaus. Innen lagern sie sich deekelartig über die Endopodite und fügen sich zugleich ein zwischen den Penis und die dreieckigen Innenlappen der Propodite. Die zweigliedrigen Endo- podite der 2. Pleopode des 5° sind besonders dick, ragen mehr als doppelt so weit vor wie ihre Exopodite und sind im Endstück der Endglieder ausgehöhlt. Die queren (deckelartigen 2. Exopodite sind nicht dreieckig ausgezogen und bedecken das 1. und den Grund des 2. Endopoditgliedes. Die 2. Propodite zeigen innen keine hammerartige Verbreiterung. Als typische Art ist Trichoniseus vividus C. K. zu nennen (= germanicus Verh.) (= vividus var. montanus Carl) Hyl. narentanus n. sp. (= vividus Verh. aus der Herzegowina.) Die früheren Trichonisciden-Beschreibungen sind so mangelhaft, daß ich erst nach Erlangung eines größeren Materials und einer Serie typischer vwidus die artliche Abweichung der Narenta-Aylonıscus feststellen konnte. Vom typischen vividus, dessen g‘ ganz einfache Antennen besitzt, unterscheidet sich narentanus namentlich durch das stark verdiekte, ausgehöhlte und neben der Aushöhlung an- geschwollene +4. Antennenglied des g. Ferner laufen die 1. Exopodite bei viwidus dreieckig und fast spitz aus und besitzen im Endzipfel gar keine auffallende Struktur, nur vor demselben in der Mitte eine Gruppe zierlicher Wärzchen. Bei narentanus ist dagegen der Endteil der 1. Exopodite mehr abgerundet und an seiner ganzen Oberfläche mit welligen Höckerchen geziert. Der Fortsatz am Meropodit des 7. Beinpaares des ° ist un- gefähr dreieckig, mit breitem Grunde und steht mit semem zurückgekrümmten Ende weit vom Gliede ab. Bei narentanus ist er aber gedrungener, am endwärtigen Rande kurz und stark eingekrümmt, überragt von den Nachbarborsten, während er bei vividus recht stark absteht, am endwärtigen Rande lang und nur wenig gebogen, nicht von den Nachbarborsten überragt. Dazu will ich noch bemerken, daß ich diese Eigentümlichkeiten des typischen vividus an Individuen aus dem Kalkgebiet von Rüdersdorf (Brandenburg) vom Elb- gebiet und aus der Gegend von Kufstein (Nordtirol) untersucht habe und als voll- ständig übereinstimmend erweisen konnte. In der Abb. 42, welche J. Carl für das 7. Beinpaar des J' vividus gab, kommt, soweit es bei der geringen Vergrößerung möglich ist, die charakteristische Gestalt des Fortsatzes zum Ausdruck. 376 Karl W, Verhoeft: In einem späteren Aufsatz werde ich auf Hyloniseus und verschiedene neue Arten der Gattung zurückkommen. Trichomiseus marginahis Verh. gehört übrigens auch hierhin und besitzt ein sehr ähnliches 4. Antennenglied des Z wie narentanus. denselben kurzen Meropoditfortsatz des 7. Beinpaares und dieselbe dichte, wellige Struktur am Endteil der 1. Exopodite des g. Hyloniscus mariae n. sp. möge vorläufig kurz charakterisiert werden: In Größe und Zeichnung dem narentanus sehr ähnlich, das 4. Antennenglied des 5 aufge- schwollen. Der Fortsatz am Meropodit des 7. Beinpaares des g’ ist noch gedrungener als bei narentanus, am endwärtigen Rand überhaupt nieht ausgebuchtet, weil das abgerundete Ende mehr nach innen gebogen ist. Die Nachbarborsten überragen diesen Fortsatz. Die Endteile der 1. Exopodite des g° sind dicht be- kleidet mit rundlicher Zellstruktur, am Ende etwas abgestutzt und besonders dadurch ausgezeichnet, daß sie, (im Gegensatz zu allen anderen mir bekannten Ayloniscus- Arten,) stark nach unten umgebogen sind. Auch die Endabschnitte der 2. Endo- podite weichen ab von denen des narentanus, indem sie schärfer abgesetzt sind, außen tief ausgehöhlt und etwas nach außen gebogen. Vorkommen: H. mariae wurde von meiner Frau und mir in der Kalktatra bei Höhlenhain in feuchter, gemischter Waldung Anfang Juni gesammelt. Hinsichtlich der Pleopoden-Endopodite am 1. und 2. Kaudalsegment des Aylomiscus d bemerke ich noch, daß die Endborste der 1. Endopodite als ein rudimentäres 2. Glied angesehen werden kann, während am Grunde der 2. Endopodite der Innen- teil der Propodite verhältlich stark abgesetzt ist und nicht als Grundglied der Endopodite angesehen werden darf. Ein Vergleich zwischen dem 1. und 2. Segment zeigt, daß der Innen- und Außenlappen des Propodit am 1. Segment stärker zusammenhängen als am 2. 4. Gatt. Trichoniscus m. Ocellen vorhanden oder fehlend. 7. Beinpaar des 5 einfach, ohne Fortsatz. Die 1. Propodite besitzen am Innenteil keinen dreickig vorragenden Lappen. Die Exopodite der 1. Pleopode des g' haben keinen nach außen gebogenen Fortsatz, die Endopodite haben kräftige, längliche Grundglieder, während die Endglieder weit über die Exopodite hinausragen. Die Vasa deferentia treten getrennt in den Penis ein und verlaufen in demselben zunächst getrennt weiter und dann nur auf kurzer Strecke gemeinsam, um mit schmalem, langem Spalt auszumünden. Penis gegen das Ende verschmälert. Die Endopodite der 2. Pleopode des 5° sind nicht verdickt und am Ende auch nicht besonders ausgezeichnet, sie haben schmale, einfach stabförmige, sich allmählig verschmälernde Endglieder. Telson trapez- förmig, hinten abgestutzt oder ausgebuchtet. Triehoniscus austriacus n. sp. d' 4 mm. 9 4!1/a—4!/s mm Ig. Rücken braun, mit grauer Marmorierung, das 1. und 2. Kaudalsegment quer- über etwas aufgehellt. 'Trunkus besonders hoch gewölbt und Cauda besonders stark abgesetzt. Antennengeißel 4—dgliedrig. Jederseits 2 Ocellen hinter einander, in ziemlich bedeutendem Abstande, von schwarzer Pigmentmasse umhüllt, eins mehr zum Schauen nach vorne, das andere zum Sehen nach hinten geeignet. Tergite glatt, ungehöckert, mit zerstreuten Tastborsten besetzt, von denen nament- Über Isopoden: 15. Aufsatz: 977 lich außen auf den Epimeren eine Längsreihe von 4—D längeren auffällt, im Übrigen ist der Rücken mit unechten, d. h. aus Zellschuppenstruktur entstandenen, leicht abreibbaren Schüppchen reichlich besetzt, was man im Präparat aber nicht überall wahrnimmt. Die Epimeren sind mit kleinen, spitzen Randbörstchen in gleichmäßigen Abständen besetzt. Das 3. und 4. Glied am 1. Beinpaar des 5 unten mit einem wenig abstehenden Schüppehenbesatz, das 2. Glied unten ohne Auszeichnung. Das 7. Beinpaar erwachsener Männchen ist oben am Carpopodit durch einen vorragenden leichten Buekel ausgezeichnet und gleichzeitig oben mit Schüppchen bekleidet. Besonders charakteristisch gestaltet ist der kurz vor der Mitte, d. h. etwas hinter der Vereinigung der Vasa deferentia durch eine quere Schnürfurche ausgezeichnete Penis, welcher sich hinter dieser Furche wieder erweitert und dann allmählig ver- sehmälert. Sein Ende besitzt zwei Nebenläppehen und eine dieselben überragende Mittelspitze. In diese gehen die sehr fein quergestreiften Ausläufer zweier Wülste und nicht weit vor ihr endet der Penis-Mündungsspalt. Die Exopodite der 1. Pleopode des 5° greifen mit ihren deckelartigen Innen- lappen in der Mediane über einander und lassen den größten Teil der stark ent- wickelten Außenlappen der außen ganz unbeschuppten Propodite frei. Vom Grunde gegen die Mitte sind die Exopodite deutlich erweitert, außen hinter der Mitte bogig eingebuchtet, während die dreieckigen Endzipfel über die Grundglieder der Endo- podite hinausragen. Letztere werden also ganz von den Exopoditen verdeekt, sie sind vom Grunde gegen das Ende allmählig verschmälert und auch an diesem noch viel breiter als der Grund der sehr langen und stabartig dünnen Endopoditend- glieder, welche ungefähr die Länge der Grundglieder erreichen, nackt sind, all- mählig immer mehr verschmälert und nur am Ende in einige feine Fäserchen geteilt. Die kurzen Exopodite der 2. Pleopode sind nicht in Zipfel ausgezogen, am End- rand fein gewimpert. Die 2. Endopodite sind undeutlich zweigliedrig, indem die kleinen Grundglieder nur wenig abgesetzt erscheinen, sie laufen, sich immer mehr verdünnend, peitschenartig aus und erreichen die dreifache Länge der Exopodite. Vorkommen: Tr. austriacus ist in den Südostalpen eine verbreitete Art und von mir gesammelt worden an den Weißenfelser Seen, bei Pontafel, Fiume; in Tirol bei Lienz und im Val Sugana. Trichoniscus sorrentinus n. sp. co‘ 3°/a mm. 2 5 mm Ie. Braun, der Kopf graugelblich netzig-gefenstert, Trunkus in der Mitte braun und graugelblich marmoriert, die Epimeren braun, die 2.—7. innen mit hellem Längsfleck. Cauda braun, am Grunde (im Bereich des 1.—3. Segmentes) der Quere nach aufgehellt. Unterfläche und Beine weißlich, ungefleckt. Rücken etwas glänzend, Trunkus unregelmäßig zerstreut gehöckert, in der Mitte und auf den Epimeren, doch bleiben die Hinterränder ohne Höckerchenreihe, nur am 5.—7. Segment sind sie sehr fein gekerbt. An den Epimeren des 3.—7. Segmentes macht sich eine erhobene schräge Falte bemerkbar, welche am 6. und 7. Segment besonders kräftig ist. Die Falte beginnt am Grunde der Epimeren ungefähr in deren Mitte und biegt schräg nach außen gegen die Hinterecken ab, während neben ihr der Hinterranıd am Grunde der Epimeren etwas eingedrückt ist. Kaudalsegmente glatt und glänzend, nur am 1. einige schwache Rauheiten. Ocellen jederseits 2 hinter einander, welche ziemlich nahe an einander gerückt sind. Antennengeißel 4gliedrig, das 1. und 378 Karl W. Verhoeff: 2. Glied ungefähr gleich lang, das 5. erheblich länger, das 2. und 3. mit einigen angelerten Sinnesstäbehen. Die Höckerehen des Trunkus machen sich mikr. als rund- liche Schuppen-Körner bemerkbar, während die Hinterränder größtenteils nackt sind und nur an den Epimerenhinterecken einige wimperartig vorragende Tastborsten aufweisen, 6 jederseits am 7. und 2—4 jederseits am 1.—6. Segment. An allen Seitenrändern stehen in regelmäßigen Abständen kleine dreieckige Schüppehen. An der Stelle der genannten Epimerenfalten bemerkt man mikr. eine feine Naht, welche ebenfalls in der Mitte des Epimerengrundes aufhört. Eine Zellschuppenstruktur habe ich namentlich an den Epimeren bemerkt, doch ist sie im Ganzen schwach entwickelt. Telson trapezförmig, hinten deutlich ausgebuchtet. l. Beinpaar des 5 unten am 3. und 4. Glied mit einem deutlich abstehenden, diehten Schüppehenbesatz, am 4. Gliede unten vier Stachelborsten, deren längste am Ende in zwei Spitzchen geteilt ist. 2. Glied unten einfach. 7. Beinpaar des g‘ ohne Fortsatz, das 3. Glied oben etwas wulstig über das 4. hinausragend. Das 4. Glied zeigt in der Grundhälfte unten eine leicht vorragende, mit sehr kleinen Spitzchen besetzte Schwiele. Propodite der 1. Pleopode des Z am Außenrand des Außenabschnitt abstehend beschuppt. Die 1. Exopodite sind länglich, gegen das Ende allmählig etwas verschmälert, am Endrand etwas schräg abgerundet und außen mit abgerundetem Läppehen vorragend; in der Mediane greifen die Exopodite nicht übereinander, bedecken aber sonst vollständig die länglichen Grundglieder der 1. Endopodite, welche gegen das Ende allmählig verschmälert sind. Die End- glieder der 1. Endopodite sind noch etwas länger wie die Grundglieder und ragen sehr weit über die Exopodite hinaus. Sie verschmälern sich ganz allmählig bis zu ihrem fast spitzen Ende und haben eine bemerkenswerte Struktur, nämlich aus Pünkt- \ feine aber deutliche, parallele Längsstreifen und außerdem feine, z. T. chen bestehende Querriefen. Der Penis zeigt keine auffallende Quereinschnürung und ist (im Vergleich mit azstriacus) überhaupt viel schwächer entwickelt, am Ende läuft er mit einfacher abgerundeter Spitze aus. Die Vasa deferentia verlaufen fast his zur Mitte des Penis als getrennte Kanäle, während die Ausmündung wieder durch einen Längsspalt erfolgt. Die Endopodite der 2. Pleopode sind deutlich zweigliedrig, das Endglied ver- läuft gerade und einfach stabförmig unter allmähliger Verschmälerung und ist am önde fein abgerundet. Die 2. Endopodite sind ungefähr dreimal so lang wie die queren, deckelartigen Exopodite. Vorkommen: Zahlreiche Stücke sammelte ich am 21. IV. in einer der tiefen 'Tuffsehluehten von Sorrent unter 'Tuffstücken, darunter auch mehrere Weibchen mit Embryonen und einige halbwüchsige Individuen. Trichoniseus matuliei var. stygivagus Verh. aus Höhlen der Süd-Herzegowina ist mit sorrentinus nahe verwandt. (Jedenfalls auch der typische, oberirdische matulieii, von dem ich aber noch kein 5 näher untersucht habe.) Die braunen Pigmentverzweigungen des Rückens fehlen fast vollständig. Am Kopfe finden sich jederseits zwei in schwarze Pigmentmasse gehüllte Ocellen. Die Beine und Pleopode des &' stimmen so vollständig mit denen des sorrentinus über- ein, daß man glauben könnte, stygivagus sei nur eine Varietät desselben. Das ist Über Isopoden: 15. Aufsatz: 379 aber nicht der Fall, denn einmal fehlen an den Hinterrändern der Trunkusepimeren des stygwagus die genannten vorragenden Tastborsten am 6. und 7. Segment voll- ständig, während am.1.—5. höchstens eine einzelne vorkommt und dann ist die Zellschuppenstruktur reichlicher vertreten und die einzelnen Schüppehen sind fein aber deutlich radiär gestreift, eine Struktur, die ich bei sorrentinus nur sehr schwach angedeutet sah. > 91, Triehomiseus inferus n. sp. 3—3'/a mm le. Ganz weißlich, ohne verzweigte / fo) ’ fm) Pigmente, nur die 2 jederseits am Kopfe hinter einander gelegenen Ocellen von schwarzem Pigment umhüllt. Rücken mit zerstreuten, abstehenden Börstehen be- kleidet, welche teilweise zu 2—3 bei einander stehen. Hier und da finden sich auch vereinzelte Höckerchen, besetzt mit körnchenartigen, rundlichen Schüppchen, aber viel spärlicher als bei den beiden vorigen Arten. Seitenränder der Epimeren mit kleinen Schuppenspitzchen in Abständen besetzt, Hinterränder der Segmente nackt, auch an den Epimeren hinten keine abstehenden Borsten. Zellstruktur des Rückens namentlich an den Epimeren deutlich, aber nicht eigentlich schuppig. Antennengeißel 4gliedrig, das 2.—4. Glied schwach gegen einander abgesetzt, sodaß man die Geißel auch zweigliedrig trennen könnte. 7. Beinpaar des Z' ohne Fort- satz, das 4. Glied oben am Ende mit einem Büschel gedrängt aneinanderstehender Spitzchen. Telson breit trapezisch, hinten gerade abgestutzt und mit 5 Börstchen besetzt. Die 1. Pleopode des g‘ sind sehr charakteristisch gestaltet: die in der Mediane mit ihren inneren Lappen etwas über einander greifenden Endopodite sind in der Grundhälfte fast viereckig, springen dann außen in einen abgerundeten Lappen vor und sind in der innen befindlichen gegen das Ende verschmälerten und abgerundeten Endhälfte nur halb so breit wie in der Grundhälfte. Jener Lappen ist durch eine tiefe bogige Bucht von der Endhälfte getrennt. Die Grundglieder der Endopodite werden wieder vollständig verdeckt durch die Exopodite, während die Endglieder diese sehr weit überragen, am Grunde kaum schmäler sind als das Ende der Grundglieder und sich gegen ihr Ende ganz allmählig und gleichmäßig verschmälern. Im Übrigen zeigen die Endopodit-Endglieder keine Längs- oder Querstreifen und sind am Ende fast zugespitzt. Die Endopodite der 2. Pleopode laufen in lange, dünne Stäbe aus. Vorkommen: Bei Herkulesbad entdeckte ich im Innern der Räuberhöhle 1 d und 2 2 im April 98. Durch die spärlichen Rückenknötchen und die sehr abweichenden 1. Pleopode des Z ist diese Art von stygivagus leicht zu unter- scheiden. IV. Zur vergleichenden Morphologie und Biologie. a) Das 1. Beinpaar scheint bei den Land-Isopoden in beiden Geschlechtern ganz allgemein als Putzfuß zur Verwendung zu kommen, wenigstens habe ich bis jetzt keine Form beobachtet, welche nicht irgend eine dem Putzen der Kopfglied- maßen dienliche Vorrichtung besäße. Besonders verbreitet ist jene Form des Putzapparates, welche durch Abb. 10 erläutert wird, wobei also das Propodit eine aus steifen, parallelen Borsten bestehende Bürste an der Unterfläche führt, während das Carpopodit durch lange Grannen ausgezeichnet ist, welche sich an der 380 Karl W. Verhoefl: Innenfläche vorfinden, in der Umgebung einer Mulde, sodaß sieh die Grannen vor der Mulde mehr nach endwärts, die über ihr befindlichen mehr nach unten richten, wobei die längsten Grannen in der Form eines oft sehr zarten Kämmehens am Endrand des Carpopodit vorragen und zwar innen unten. Der Grund der Grannen wird geschützt dureh Haare oder Schüppehen (Abb. 10d). Grannen und Grannenkämmehen sowie die Bürsten vermögen dureh Reiben die Seiten des Kopfes und die Enden der Mundwerkzeuge von anhaftenden Teilchen zu säubern. Bei verschiedenen Onzscoidea habe ich die putzende Tätig- keit des 1. Beinpaares «direkt beobachtet, bei Oniscus sah ich auch noch das 2. und seltener 3. Beinpaar dureh Hin- und Herwischen sich an der Säuberung der Gliedmaßen beteiligen. Außerdem sind das 1.—3. Beinpaar als Hilfswerkzeuge hei der Nahrungsaufnahme tätig. b) Das 7. Beinpaär ist bei zahlreichen männlichen Landasseln mit einer oder mehreren Auszeichnungen versehen, welche nach Gattungen und Arten recht verschieden sein können und daher ein besonderes systematisches Interesse beanspruchen. Während uns die Androniscus-Arten (vergl. Abb. 1 im 13. Aufsatz, N. 5/6, 1908 (des zoolog. Anzeigers) eine hoch entwickelte Zangenbildung zwischen Mero- und Carpopodit vorführen, ist bei Zhuma eine Zwickvorrichtung zwischen dem Ischio- und Meropodit zu Stande gekommen (Abb. 64). Häufiger sind die Fälle in welchen nur ein Glied des 7. Beinpaares besonders ausgezeichnet ist und daher keine Zwiek- oder Zangenvorrichtung sondern eine einfache Stütze vorliegt. Besonders be- merkenswert ist in dieser Hinsicht der Fortsatz, welcher unten am Grunde des Meropodit angetroffen wird und bei einer nach den Arten verschiedenen Gestalt mit seiner Spitze doch meistens nach innen gebogen ist. Einen hübschen Fall von unabhängiger Entwicklungsgleichheit bieten uns hier die Gattungen Philoscia (Abb. 24, 25, 26, 29 und 30), sowie Hyloniscus (Abb. 55, 38 und 39), welche an ganz gleicher Stelle dieselbe Fortsatzbildung zu Tage treten lassen, ob- wohl die verwandten Formen beider Gattungen dieser Bildung entbehren, oder teils (wie Androniscus) eine andersartige Auszeichnung aufweisen. Da jeder nähere verwandtschaftliche Zusammenhang zwischen Ayloniscus und Philoseia fehlt, müssen die Meropoditfortsätze aus gleichem Bedürfnis unabhängig von einander ent- standen sein. Bei Armadillidium-Arten trifft man am 7. Beinpaar des g° verschiedene Ver- krümmungen, Aushöhlungen, Anschwellungen oder auch kleine Fortsätze. Ferner ist es bemerkenswert, daß sich bei vielen Euporcellto--Arten am Carpopodit oben eine kantige oder messerartige Längsvorwölbung findet, während sonst die Aus- zeichnungen des 7. Beinpaares gewöhnlich an der Unterfläche zu finden sind. c) Die Bauverschiedenheiten der männlichen Pleopode des 1. und 2. Caudal- segmentes habe ich bei einer ganzen Reihe von Arten hervorgehoben und auch als für Gattungscharakteristik wichtig nachweisen können. Damit ist ihre systematische Bedeutung aber noch nieht erschöpft, vielmehr können namentlich die 1. Pleopode auch für höhere Verwandtschaftsgruppen wichtig sein. Besonders muß ich hier hinweisen auf den Gegensatz zwischen den Triehonisciden einerseits und den übrigen hier behandelten Asseln; Oniseiden, Poreellioniden u. a. andererseits. Bei den Trichoniseiden (Abb. 40, 46 und 52) hat der Penis eine verhältlich Über Isopoden: 15. Aufsatz: 981 freie Lage innegehalten, er tritt in keinen näheren physiologischen Zusammenhang mit den Endopoditen der 1. Pleopode, einerlei ob er diese überragt oder nicht. Die Endglieder der 1. Endopodite sind (soweit sie nicht zu einer Borste verküm- merten, Abb. 46) gegen die Grundglieder stark abgesetzt und frei auf ihnen be- weglich. Sie enthalten keine Rinnenbildung und die Grundglieder entbehren der Schrägmuskulatur. Ganz anders verhalten sich Oniseiden, Porcellioniden und Verwandte, in- dem bei ihnen die Grund- und Endglieder der 1. Endopodite zu einem steifen Ganzen fest verwachsen sind. Die Verwachsung wird aber durch eine Kante oder einen schrägen Wulst mehr oder weniger auffallend angezeigt (y Abb. 31). Außerdem besitzt das Grundglied starke Schrägmuskeln (Abb. 21 m, m 2, Abb. 31, 53, 66, 69), welche niemals über jenen schrägen Wulst hinausgehen, der übrigens als ein Rest eines ehemaligen Gelenkes betrachtet werden kann. Der Penis hat nicht die freie Lage wie bei den Trichoniseiden, sondern wird von den 1. Endopoditen geführt, indem seine Seiten wie Kanten in eine innere Längsrinne der Endopodite eingreifen, was am Ende des Penis, wo die beiden Endopodite sich stark nähern, besonders auffällig ist (Abb. 53). Diese Führung dient einem besonderen physiologischen Erfordernis, nämlich der Überleitung des Spermas in Spermarinnen (r Abb. 21), welche sich grundwärts an die Penisöffnung o anschließen und den Endabschnitt der 1. Endopodite bis zu deren Ende durchziehen. Aus diesen Verhältnissen erklärt es sich, weshalb bei den hierhin gehörigen Gruppen der Penis stets von den 1. Endopoditen überragt wird. Die Spermaentleerung in der Endopoditrinne scheint gleichzeitig mit der Kontraktion der Schrägmuskeln zu erfolgen, durch welche die Endopodite gekrümmt und aneinander gedrängt werden. Die verschiedenartigen Auszeichnungen der Enden der Endabschnitte der 1. Endopodite, wie Fortsätze, Stachel, Lappen, Gruben, Borsten, Stäbchen, Haare (Abb. 22, 25 u. a.) stehen in Zusammenhang mit der Übertragung des Spermas aus den sich auseinanderspreizenden Endopoditen in die Receptacula. d) Schrillapparate an den Basalia des 7. Beinpaares beider Geschlechter der Trichoniseiden besprach ich im 12. Isopoden-Aufsatz, Archiv f. Nat. 1908, konnte aber vorläufig keine direkte Beobachtung über Lautäußerungen mitteilen. Inzwischen beobachtete ich dieselben Schrilleisten der Basalia auch am 7. Bein- paar von Ligia und habe oben die entsprechenden Bildungen von Syspastus be- schrieben. In diesem Sommer wurde mir die erfreuliche Überrasehung zu Teil, zum ersten Male eine Landassel als wirklieh stimmbegabt zu belauschen. Im Frühling hatte ich auf Sieilien zahlreiche Armadillo offieinalis gesammelt und etwa 1'/e Dutzend lebend mit nach Hause gebracht. Ich hielt sie in einer weitläufigen Glas- kapsel und gab ihnen befeuchteten Sand und einige Steinstücke, unter welchen sie sich nach Bedürfnis verbergen konnten. Eines Tages als ich mit der Beobachtung meiner Pfleglinge beschäftigt war, glaubte ich ein merkwürdiges Geräusch wahr- zunehmen. Bei genauerem Hinhorchen merkte ich jedoch, daß ein Knistern von den welken Blättern ausging, welche ich den Kugeltieren unter anderm zur Nahrung geboten hatte, auch drangen Geräusche aus dem Hause und von der Strabe an 332 Karl W. Verhoeft: meine Ohren, welche mich zweifeln ließen. Meine Zweifel verwandelten sich aber alsbald in staunende Gewißheit, als ich eine der lebenden Kugeln zwischen die Finger nahm und nun vor meinem Ohr ein schrilles Geräusch wahrnahm, das sich wie ein durch Reiben einer Leiste gegen eine Feile entstehendes scharfes Sausen kundgab. Von 15 erwachsenen Armadillo beiderlei Geschlechts gaben nach fort- gesetzter Prüfung allmählich alle dieses Geräusch von sich, wobei noch zu betonen ist, daß wenn die geschlossene lebende Kugel zwischen den Fingern hin und her gedreht wird, in unregelmäßigen Absätzen ein stoßweises Sausen zu hören ist, welches man nur schwach vernimmt, wenn das Tier vor uns auf dem Tische liegt, das sich aber recht kräftig bemerkbar macht, wenn man die Kugel vor das Ohr bringt. Neben diesem schrillen Sausen kann man noch feines Knistern unterscheiden, welches teils daher rührt, daß sich die Segmentränder an den Fingern reiben, teils von dem hin und wieder vorkommenden schwachen Öffnen und wieder Zuklappen der Kugel. Manche Individuen sind zunächst stumm, fangen aber an zu musizieren, wenn man die Kugel einige Zeit durch die Finger gehen läßt oder sie ein wenig andrückt. Diese Geräusche, welche noch ganz besonders dadurch überraschen, daß sie einem abgeschlossenen Raum entstammen, in welchem sich bekanntlich alle bewegungsfähigen Gliedmaßen vorfinden, habe ich nur bei den eingekugelten Armadillo wahrgenommen, nicht bei den umherlaufenden Individuen. Es erscheint daher zunächst nicht ganz leicht, die Frage zu beantworten, durch Reibung welcher Körperteile dieses Sausen hervorgebracht wird. Armadillo offieinalis besitzt am Carpopodit des 1. Beinpaares innen vorn eine scharf ausgeprägte, starke Putzbürste und als besondere Merkwürdigkeit an den unteren Backen noch einen mit verfilzten Härchen bekleideten Höcker, der seiner Lage nach als ein Putzfilz zum Säubern der Putzbürste angesprochen werden darf, zumal ich in dem Filz auffallend viele Fremdkörperchen bemerkte, welche dort jedenfalls durch Anreiben des 1. Beinpaares haften blieben. Es lag nun der Gedanke nahe, daß die Auszeichnungen des 1. Beinpaares auch bei den Lautäußerungen eine Rolle spielen möchten. Das ist aber nicht der Fall, denn bei einem Individuum, an dem ich die Endhälften des 1. Beinpaares entfernte, war bald darauf das schrille Sausen wieder in normaler Weise zu ver- nehmen. Die Muskelkraft, mit welcher die Tierchen sich zur Kugel einrollen, ist eine überraschend große, sodaß es nicht ganz leicht ist die Tiere im lebenden Zustand mit den Fingern auseinander zu bringen, ohne ihnen dabei einen Schaden zuzu- fügen. Bei diesem Auseinanderbringen gaben einzelne Individuen eine intensiv riechende Flüssigkeit aus dem Munde ab. Nach verschiedenen Versuchen gelang es mir festzustellen, wie die merk- würdigen Geräusche zu Stande kommen und zwar dadurch, daß ich die Kugel nur ganz wenig lüftete, gerade so viel, um einen Einblick in die innere Höhlung zu gewinnen. Meist war auch dann nichts Auffälliges wahrzunehmen; endlich aber sah ich ein Weibchen, welches das 4. und 5. Beinpaar wirbelnd oder zuckend von außen nach innen und zugleich von unten nach oben und umgekehrt hin und her bewegte, während die Bewegung dieser beiden Beinpaare gleich- Über Isopoden: 15. Aufsatz: 383 artig erfolgte und zugleich das Sausen hörbar wurde. Dasselbe Schauspiel konnte ich dann bei mehreren Individuen gewinnen und zwar bei beiden Geschlechtern. Einmal habe ich auch eine wirbelnde Bewegung des 7. Beinpaares wahrgenommen. Im Juni und Juli setzten die Weibchen ihre Larven ab und Anfang August fand ich nach der vollständigen Schlüpfung der 1. Brut die Mehrzähl meiner Ent- wiekelten stumm, während 3 2, deren leichte Bauchflächenschwellung den Beginn der Entwicklung der 2. Brut anzeigt, wieder kräftiges schrilles Sausen vernehmen lassen. Es scheint somit, als wenn das Schrillen mit der zunehmenden Brutent- wicklung sich ebenfalls steigern würde. Die an den 7. Beinen der Triehonisciden nachgewiesenen Schrillorgane kommen bei Armadillo nicht vor und auch sonst habe ich an den Beinen nichts Außerordentliches entdecken können. Dagegen muß ich auf Längsreihen von feinen Blättehen hinweisen, welche sich in dem Gebiet zwischen Basalgelenken der Basalia hinziehen und bei allen von mir untersuchten ÖOniscoidea vorkommen. Diese Blättehenreihen sind vortrefflieh geeignet infolge ihrer dichten Anordnung und ihrer nach außen gerichteten Enden das Andringen von Milben und ähnlichen Schmarotzern gegen die Bauchfläche, also auch gegen den mit Embryonen gefüllten Brutraum zu erschweren. Obwohl diese Blättchenreihen mikr. außerordentlich an diejenigen der Basalia des 7. Beinpaares der Triehoniseiden u. a. erinnern, können sie bei sich nicht einrollenden Asseln als Schrillorgane dennoch nicht in Betracht kommen, weil sie nicht in entsprechende Berührung mit den Basalia zu gelangen vermögen. Anders gestaltet sich die Sachlage aber, wenn der Körper sich einzurollen vermag, weil alsdann die Blättchenreihen an die vorhergehenden Basalia gedrängt werden. Diese haben bei Armadillo dem entsprechend den Blättchenreihen gegenüber eine leichte Ausbuchtung. Ich habe also die Überzeugung gewonnen, daß die Sehrilleisten von Armadillo höchstens etwas verstärkt sind gegenüber andern nicht schrillenden Formen, im Wesentlichen aber keinen zu diesem Zwecke entstandenen Apparat darstellen. Viel- mehr haben bereits vorhandene Gebilde im Zusammenhang mit der aus der Kuge- lung sich ergebenden stärkeren Aneinanderpressung der Beine eine neue Funktion plötzlich übernehmen können. Aus meiner Erklärung ergibt sich nun von selbst, weshalb nur ganz oder fast ganz eingerollte Armadillos zu pfeifen vermögen. Bei Armadillidium vulgare und nasutum, welche ich daraufhin prüfte, habe ich kein Schrillen wahrnehmen können. Ein 2 von Armadillo dagegen ließ das Schrillen einmal !/a Minute ununterbrochen erschallen, wobei die einzelnen Stöße, welche also vom Hin- und Herschwingen der Beine herrühren, kaum zu unter- scheiden waren. Armadillo offieinalis wird in der Freiheit sich wahrscheinlich noch lauter be- tätigen, da wir ihm in der Gefangenschaft schwerlich alles das bieten können, was ihm in seinen Heimatlanden erwünscht und notwendig ist! Daß die Geschlechter sich durch Schrillen anlocken, ist sehr wahrscheinlich. Da aber 4A. offieinalis sich gern gesellig unter Steinen aufzuhalten pflest, liest der Gedanke nicht fern, daß eine ganze pfeifende Armadillo-Gesellschaft sich in ihrem Versteck gegen gewisse Schreckgestalten der „Unterwelt“ zu wehren vermag. Erklärung der Abbildungen. Allgemein gültige Abkürzungen sind folgende: S. = Segment, dr = Drüsenporen, ca — Carpopodit, bsp = Basopodit, prp. = Propodit, en —= Endopodit, me — Meropodit, ex — Exopodit, isch = Ischiopodit, pf = Porenfeld, B = Bein vd = vas deferens, ste = Sternalspange, p = Penis, r — Spermarinne, oe — Öffnung desselben. tr — Tracheen. | Abb. 1 und 2 Philoscia ericarum n. Sp. 1. Zellschuppenstruktur vom 5. Trunkustergit, mit drei Poren von welchen die Schuppen abgebrochen sind. 2. Epimerenstück des 5. Trunkustergit mit vier Drüsenporen und drei echten Doppelbogenschuppen. Abb. 3 Oroniscus helvetieus Verh. Zellstruktur und Spitzen aus dem 5. Trunkus- tergit. Abb. 4 Philoseia muscorum affınis n. subsp. Linke Epimere des 7. Trunkus- segmentes mit dem vollständigen Porenfeld. x Porenfeldlinien, y Randfurche. Abb. 5. und 6 Oroniscus calewagus n. Sp. 5. Vorderes Stück der linken Epimere des 7. Trunkussegmentes mit dem vorderen Gebiet des Drüsenporenfeldes. 6. Die ganze linke Epimere des 7. Trunkussegmentes. Abb. 7 und 3 Philosceia apenninorum n. Sp. —ı Vorderhälfte der linken Epimere des 2. Trunkussegmentes. (Die Zellschuppen- struktur ist nur vorn angegeben). 8. Grenzgebiet des Ischio- und Meropodit des 7. Beinpaares g‘. Abb. 9 Oroniscus helveticus Verh. Die ganze linke Epimere des 7. Rumpf- segmentes. Abb. 10 Chaetophiloseia elongata (Dollf.) &. Carpopoditendteil und Propodit des 1. Beinpaares mit dem Putzapparat, bestehend aus der Bürste b, dem Grannen-Kämmcehen a und dem Schutzstachel e. Abb. 11. Philoseia ericarum n. sp. Hakige Sohlenborsten vom Carpopodit des l. männlichen Beinpaares. Über Isopoden: 15. Aufsatz: 335 Abb. 12 Philoscia germania Verh. Sohlenborsten desselben Carpopodit. Abb. 13 Chaetophiloscia sicula n. sp. d‘ Ansicht von unten auf einen 1. Pleopod und Penis nebst Endstücken der vasa deferentia. Abb. 14 und 15 Chaetophiloscia glandulifera n. sp. Cd. 14. Ansicht von unten auf einen 1. Pleopod und Penis. 15. ein 1. Laufbein. Abb. 16 Chaetophiloscia sieula n. sp. Endstück vom Endopodit der 1. Pleo- pode des Abb. 17 Oroniscus dolomiticus n. sp. FEndstück der Endopodite der 1. Pleo- pode des d' Abb. 18 Stonophiloscia glarearum n. sp. Endhälfte eines Kieferfußes. Abb. 19 Oroniscus caleivagus n. sp. Endstück der Endopodite der 1. Pleopode des g‘. Abb. 20—23 Halophiloscia adriatica n. SP. 20. Eine Pigmentverzweigung aus dem 1. Beinpaar des d'. 21. Ansicht von unten auf den linken 1. Pleopod des d‘. 22. Endteil des Endopodit desselben. 189] o . ein erstes Bein des g‘, daneben der Öarpopoditstachel a stärker vergr. Abb. 24 Philoseia dalmatica Verh. Grenzgebiet des Mero- und Ischiopodit im 7. Beinpaar des J‘. ; Abb. 25 und 26 Philoscia muscorum Scop. 25, wie Abb. 24. 26. Mero- und Ischiopodit vom 7. Beinpaar des Jg‘. Abb. 27 und 28 Stenophiloscia glarearum n. Sp. 27. Ansicht von innen auf die Endglieder am 1. Beinpaar des dg.. 28. Endhälfte der Endopodite der 1. Pleopode des J. Abb. 29. und 30 Philoseia muscorum affinıs n. subsp. 29. Fortsatz am Grunde des Meropodit des 7. Beines des d'. 30. Meropodit und anschließendes Ischiopoditstück am 7. Bein des d‘. Abb. 31 und 32 Chaetophiloseia piligera n. Sp. 31. Rechter'1. Pleopod und Penis von unten gesehen. 32. Endstück der Endopodite des 1. Pleopod. Abb. 33 Oroniscus ealewagus n. sp. Exopodit der 1. Pleopode des dd‘. Abb. 34 Hyloniscus vividus ©. Koch. Exopodit der 1. Pleopode des 5, i Innen- teil, a 1 innerer Außenteil, a 2 beschuppter Außenteil. Abb. 35—37 Hyloniscus mariae n. Sp. 35. Grenzgebiet von Mero- und Ischiopodit am 7. Beinpaar des J. 36. Endstück eines Exopodit der 1. Pleopode des J’. 37. Ein Exopodit der 1. Pleopode vollständig. Abb. 38 Hyloniscus vividus C. K. Grenzgebiet von Mero- und Ischiopodit am 7. Beinpaar des d'. Abb. 39 Hyloniscus narentamus n. sp. ebenso. Abb. 40 und 41 Trichoniseus austriacus n. SP. 40. Ansicht von unten auf Penis und linken 1. Pleopod, wobei das Exopodit fort- gelassen wurde. 336 Karl W. Verhoeft: 41. Endhälfte des Penis von unten gesehen. Abb. +42 Triehoniseus inferus n. sp. Ein Exopodit der 1. Pleopode des d. Abb. 43 und 44 Hyloniseus narentanus n. Sp. 43. Endstück der Exopodite der 1. Pleopode des dg‘. 44. Exopodite der 1. Pleopode vollständig. Abb. 45 und 46 Hyloniscus viwidus C. K. 45. Endzipfel der Exopodite der 1. Pleopode des J‘, x Wärzchengruppe. 46. Ansicht von unten auf Penis und Teile des 1. rechten Pleopod. Abb. 47 und 43 Zeptotrichus syrensis Verh. 47. Endzipfel der Innenteile der Exopodite der 1. Pleopode des J. 48. Struktur aus dem Außenteil dieser Exopodite. Abb. 49 und 50 Leptotrichus panzerı Aud. 49. Endzipfel der Innenteile der Exopodite der 1. Pleopode des d.. 50. Struktur an der Medianrippe des Processus subpleonalis g‘. Abb. 51 Agabiformius coreyraeus Verh. Keulenknöpfehen und Struktur aus einem Tergit der Trunkussegmente, Abb. 52 Trichoniseus sorrentinus n. sp. Ansicht von unten auf den linken 1. Pleopod und Penis. Abb. 53 Porcellio (Proporcellio) vuleanius n. sp. Ansicht von unten auf den linken 1. Pleopod und den Penis. Abb. 54 Leptotrichus panzeri Aud. Ein Stück der 1. Pleopod-Exopodite, in der Mitte vor dem Vorderrand vr. mit z. T. verzweisten Kanälen. Abb. 55—57 Syspastus brevicornis Ebner. 55. Außenhälfte eines Exopodit des 3. Caudalsegmentes von unten gesehen, mit zwei Stigmen und strahlig ablaufenden Tracheen. 56. Stück eines Tracheensystems aus dem Exopoditen: Oben ein Teil der Atem- höhle mit unregelmäßig gefurehter Wand und mit sackartigen Ausstülpungen, unten an kleinere Ausstülpungen anschließend einige der sehr zahlreichen, wiederholt gegabelten Tracheen. 57. Ein Abschnitt der Vorderfläche des Basipodit des 7. Beinpaares mit der Längsrinne, b1,2, 3 sind einige der zungenartigen Blättchen am’ oberen Rande der Längsrinne, a kleinere am unteren Rande. Abb. 58 Leptotrichus syrensis Verh. wie Abb. 50. Abb. 59 Eluma helleri n. sp. Endstück der Endopodite der 1. Pleopode des g.. Abb. 60 Leptotrichus syrensis Verh. Endhälfte eines 7. Beines des Z mit Grabstachelkränzen. Abb. 61—63 Lucasius pallidus B. L. 61. Linkes Exopodit der 1. Pleopode des 5‘ von unten gesehen. 62. Endzipfel des Innenteiies desselben. 63. Ein Stück der Zellstruktur im Bereich der Außenteil-Grube. Abb. 64—67 Eluma helleri n. Sp. 64. Ischio- und Meropodit am 7. Bein des g' mit einer Zwickvorrichtung. 65. Stachelborsten des Carpopodit an der Sohlenbürste des 1. Beinpaares, J'. 66. Ansicht von unten auf den linken 1. Pleopod und den Penis. Bei a endigt die schräge Längsleiste des Endopodit. Über Isopoden: 15. Aufsatz. 387 67. Processus subpleonalis des 9‘ a bei schwächerer, b sein Eondrand bei stärkerer Vergr. Abb. 68 und 69 Eluma pwrpuwrasceus B. L. et m. 68. Processus subpleonalis. 69. Ansicht von unten auf Endo- und Exopodit des 1. linken Pleopod. Abb. 70. Leptotrichus syrensis V erh. Stück aus der linken Epimere des 7. Trunkussegmentes mit allen Drüsen- poren des Porenfeldes.. (Die starken Wimperborsten am Rande sind nur stückweise eingezeichnet). Alle Abbildungen sind bei ungefähr 60 f. oder 220 f. Vergrößerung hergestellt und alle in 60 f. Vergrößerung gegebenen an der Hand stärkerer Objektive nachgeprüft. — 15. VIII 1908. Archiv für Biontologie Ba.ll. TafelXNIX.. KW Verhoeffn dt gez, ELaue Lithinst Berti. = ELaue Lithinst Berkn. | ® sr 000059049 KW.Verhoeffn.d Nat.gez. | Is DzANN,\ H Die Entstehung Verhalten neuer Greireidevarietäten. Friedrich Körnicke 7. Herausgegeben von M. Körnicke. Berlin. In Kommission bei R. Friedländer & Sohn. 1908. Im Jahre 1905 wurde die vorliegende Arbeit meines Vaters von der Kgl. Preußischen Akademie der Wissenschaften mit dem Preise der Cothenius-Stiftung ausgezeichnet. Die Ausführung des Planes einer Erweiterung der in ihr gemachten Angaben wurde durch den Tod des Verf. vereitelt. Der von verschiedenen Seiten ausgehenden Aufforderung, diese letzte Arbeit meines als ÜÖerealienforscher beson- ders bekannten Vaters der wissenschaftliehen Welt nicht vorzuenthalten, sie viel- mehr möglichst bald der Öffentlichkeit zu übergeben, komme ich hiermit nach. Ich kann das mit umso besserem Gewissen tun, als neben mir in dankenswertester Weise Herr Geheimrat L. Wittmack in Berlin, der mit meinem Vater lange Jahre in wissenschaftlichem Gedankenaustausch gestanden hat und über seine Ansichten besonders genau unterrichtet war, das Manuskript vor der Drucklegung nochmals eingehend durchgesehen hat, wobei sich außer kurzen Bemerkungen redaktioneller Natur nichts zu ändern vorfand. Bonn-Poppelsdorf, im April 1909. M. Körnicke. Die Entstehung und das Verhalten neuer Getreidevarietäten. Von Friedrich Körnicke 7. Das Interesse für die Getreidearten hat längere Zeit geschlummert. In den Floren und den landwirtschaftlichen Lehrbüchern stützte man sich auf die früheren Darstellungen mit mehr oder weniger Geschick oder mit auffallendem Ungeschick. In neuerer Zeit wurde aber dieser ältesten und wichtigsten Gruppe unserer Kultur- pflanzen von neuem Aufmerksamkeit und ernste Arbeit gewidmet, zuerst von Henry de Vilmorin (T), Teilhaber der gärtnerischen Weltfirma Vilmorin Andrieux et Cie, von dem Landwirt Dr. h. e. W. Rimpau und dem Botaniker M. W. Beijerinck. Von den Getreidearten gab es schon seit alten Zeiten eine Anzahl verschie- dener Varietäten. Ich sehe hier vom Roggen ab, der erst zur Zeit des Plinius zu unserer Kenntnis gelangte und wegen seiner vom Weizen und der Gerste ab- weichenden Befruchtungsweise in Europa bis jetzt keine einigermaßen konstante Varietät (im botanischen Sinne) hervorgebracht hat. Aber für Weizen und Gerste hebt schon im zweiten Jahrhundert n. Chr. der bedeutende Arzt Galen die zahl- reichen Varietäten und Sorten hervor. Daß er einer der hervorragenderen Pflanzenkenner war, darüber besteht bei einem aufmerksamen und verständigen Leser kein Zweifel, wenn auch tief zu bedauern ist, daß Galen seiner eigenen Er- klärung nach dem Grundsatze huldigte, Pflanzen dürfe man nicht beschreiben und nach Beschreibungen, sondern nur aus der Natur selbst kennen lernen. Dem- gemäß beschrieb er die Pflanzen, welche er medizinisch behandelte, nicht. Aber gelegentlich läßt er sich doch gehen und man sieht, wie scharf er beobachtete und die charakteristischen Merkmale genau zu beschreiben wußte. So erkennt man deutlich, daß die Apann der Griechen, welche er in demselben Kapitel mit unserer Linse (Zrvum Lens L.) behandelt, die Vieia monanthos war. Sie ist bis- her stets falsch gedeutet worden. Was nun die Entstehung neuer Varietäten der Getreidearten anbetrifft, so wäre zuerst an die Darwinsche Ansicht von der allmählichen Umwandlung der Arten zu denken. Mit Recht hat man in neuerer Zeit darauf wenig Gewicht gelegt, sondern die Entstehung der Arten mehr auf eine plötzliche Variation zurückge- führt. Die Möglichkeit der allmählichen Umwandlung von einer in die andere Form zeigt Tritieum sativum Jess. sect. compactum Al., wo man durch Auswahl der entsprechendsten Form schließlich eine Varietät erhalten kann, welche der 394 Friedrich Körnicke! Gruppe entspricht, jedoch zu ihrer Erhaltung fortwährend noch eine aufmerksame Zuchtwahl anwenden muß. In der Natur ist nun mit viel längeren Zeiträumen zu rechnen, als sie mir bei meiner Tätigkeit zur Verfügung stehen konnten, welche in Bezug auf unsere Aufgabe nur einige dreißig Jahre währte. Ich lege ‚aber auch nur ein geringes Gewicht auf diese Ableitung der Arten, wenn sie auch in manchen Fällen doch ihre Berechtigung haben kann. Ein anderer Punkt, der bei der Umänderung der organischen Formen in Be- tracht kommt, ist das Klima und wohl auch der Boden. Ich werde später bei Triticum polonieum speltiforme einen Fall anführen, wo eine Sorte von Tritieum turgidum lusitanieum sich bei mir gleich bei der ersten Aussaat in eine andere Form umänderte, welche auch in allen folgenden Jahren konstant blieb. Das Hauptgewicht bei der Umänderung der Arten wird heute auf die plötzliche, spontane Variation gelegt. Diese Ansicht habe ich selbst schon lange gehabt, weil eine derartige Umänderung bei mir in mehreren Fällen eintrat und zwar so, daß eine Variation in der Nachzucht völlig konstant blieb, wie bei HZyoseyamus niger L. var. pallidus und bei Lupinus angustifolhus L. var. vulgarıs Keke. Eine plötz- liche Umwandlung beobachtete ich auch bei Petroselimum sativum L., aber sie ist nicht konstant geworden. Bei dieser Pflanze spielt offenbar die Insektenbefruchtung eine große Rolle. Ihre sehr eigentümliche Varietät erispum sieht man hier in vielen Vorgärten völlig konstant. In dem meiner Verwaltung unterstellten Garten muß ich alljährlich immer die nach der gemeinen Petersilie umändernden Pflanzen aus- jäten lassen, obschon beide nicht neben einander stehen. — Für eine plötzliche Umwand- lung beim Getreide glaube ich in meinen Kulturen nur eine Varietät beanspruchen zu dürfen: Tritieum dicoccum diploleueum, welches zugleich in der Nachzucht einige Jahre konstant blieb. Sonst sind als plötzliche, spontane Umwandlungen anzusehen Hordeum distichum compositum Keke. und Krausianum Wittm. Dasselbe gilt für Hordeum intermedium pavoninum, welches Drechsler in Göttingen aus Hordeum distichum var. Zeocrithum erhielt, und das in der Nachzucht sogleich konstant blieb. Hier ist zu bemerken, daß H. dist. Zeoerithum kleistogamisch blüht, also nicht in Gefahr der Fremdbefruchtung kommt. Übrigens erhielt ich dieselbe Varietät aus Mischlingsbefruchtungen von W. Rimpau. Daß dieselbe Varietät aus verschiedenen Anfängen entstehen kann, wird man auch aus den nachfolgenden speziellen Ausführungen ersehen. Bei Weitem die meisten neuen Varietäten der Getreidearten sind jedoch aus Mischlingsbefruchtungen hervorgegangen. Ich habe in Körnicke und Werner, Handbuch des Getreidebaues, schon eine Anzahl angeführt, welche aus spontaner Fremdbefruchtung verschiedener Varietäten derselben Art hervorgingen. Seitdem haben sich dieselben sehr bedeutend vermehrt durch die künstlichen Kreuzungen, welche W. Rimpau, M. W. Beijerinck und Henri de Vilmorin ausführten. Der erstere hat seine Versuche ausführlich in H. Thiel, Landwirtschaftliche Jahrbücher, beschrieben. Wir haben bei den Kreuzungen, die alle diese Herren ausführten, den Vorteil, die Stammeltern zu kennen und so sichere Schlüsse ziehen zu können, während wir bei den spontanen Mischlingen nur Vermutungen äußern dürfen. Aus den Darstellungen W. Rimpaus ergeben sich nun höchst interessante Resultate. Bei seinen Kreuzungen war das erste Produkt der Aussaat immer nur Die Entstehung und das Verhalten neuer Getreidevarietäten. 395 eine und dieselbe neue Form, auch wenn zahlreiche Körner erzielt und ausgesäet waren. Erst m der zweiten Generation fielen sehr zahlreiche verschiedene Varietäten, die sich im Laufe der Jahre teilweise zur Konstanz erziehen ließen, teilweise aber neben der Aussaatsform stets noch eine andere und zwar dieselbe Varietät produzierte. Ferner lieferten die späteren Aussaaten auch Formen, die sich nicht aus Kombinationen der ursprünglichen Eltern erklären ließen, sondern ganz abweichend waren. W. Rimpau nennt sie „Abirrende Formen“, H. de Vilmorin „Prratiques“. Von einer derselben weiß ich, daß auch sie völlig konstant wurde. In den Fällen, die ich hier gerade im Auge habe, verwandten die Versuchs- ansteller zu ihren Kreuzungen zwei Varietäten, welehe sehr verschieden von ein- ander waren. Ich fand bei spontanen Kreuzungen zweier Weizenvarietäten, welche sich nur durch das Vorhandensein oder Fehlen der Grannen unterschieden, daß beide nur in einfache Variation, ohne Übergänge, traten. Waren aus einer be- grannten auch unbegrannte Ähren gefallen, so lieferten die letzteren in der Nachzucht beide Varietäten. Dies geschah auch weiterhin, wenn ich die der Aussaat nicht entsprechende Form zur Nachzucht wählte. Säete ich aber die der Aussaat ent- sprechende Varietät konstant weiter, so wurde sie sehr bald konstant. Wir ersehen aus dem Angeführten, daß zwei Varietäten, welche sich auch ohne menschliches Eingreifen wesentlich differenziert haben, eine Quelle vieler neuer Varietäten werden können. Berücksichtigt man ferner, daß weiterhin durch spontane Mischlingsbefruchtungen derselben wieder neue Varietäten entstehen können, so wird es erklärlich, daß es auch schon früher so viele verschiedene Formen der Getreidearten gab. Nach diesen kurzen allgemeinen Bemerkungen gehe ich auf die Spezialitäten über, und zwar zunächst auf unsere Kulturweizen. Unsere Kulturweizen stammen von zwei verschiedenen Arten ab: Triticum sativum Jessen (Tr. vulgare Keke.) und Tr. monococcum L. Ich kann hier nicht ex fundamento die verschiedenen Ansichten anführen oder widerlegen, sondern nur eine Übersicht geben. Die eben angeführte Unterscheidung wird von den meisten Botanikern anerkannt, was aber nicht die geringste beweisende Kraft hat, denn sie haben sich gar nicht selbständig mit den Getreidearten beschäftigt. Das gilt aber nicht von M. W. Beijerinck, von welchem später bei den neu entstandenen Varie- täten der Gerste öfter die Rede sein wird. Er hat in Nederlandsch kruidkundig Archief. 2. Ser. 4° Deel, 2° Stuck. (1854) p. 139 ff. eine Abhandlung über die Kulturweizen veröffentlicht, nachdem er Triticum monocoecum flarescens 2 mit Tr. dieoceum farrum 5° gekreuzt hatte. Er erhielt aus einem so erzielten Korne eine Bastard- pflanze, welche vollkommen steril war. Die Spelzen öffneten sich nicht; Stempel und Eichen waren gänzlich normal, aber die Antheren waren nicht aufgesprungen, ihr Blütenstaub war fehlerhaft und zeigte nicht ein einziges wohl ausgebildetes Korn. Er sagt daher: „so scheint es mir, daß sich unter unseren Kulturweizen wirklich zwei ursprünglich wilde Stammarten vorfinden, welche scharf. getrennt sind und niemals durch Kreuzung neue Kulturrassen erzeugt haben. Die eine Stammart 396 Friedrich Körnicke: würde dann Tritieum monococecum sein, die zweite Stammart wäre unbekannt und hätte durch Kultur und Zuchtwahl die sechs anderen Weizenarten erzeugt, nämlich Tr. dieoeeum, Tr. Spelta, Tr. turgidum, Tr. durum, Tr. polonieum und Tr. vulgare. Genau dieselbe Ansicht haben H. de Vilmorin und ich selbst. Aber wie steht es zwei Jahre später? In demselben Archief 1886. 2. Ser. 4° Deel. 4° Stuck p. 454—473 ist bei Beijerinek eine vollkommene Ver- änderung seiner Ansichten zu konstatieren. Hier stammen alle unsere Kulturweizen von der einen wilden Art Triticum monocoecum lasiorrhachis Boiss. ab. Wie Beijerinck zu dieser Ansicht gekommen ist, weiß ich nicht. Seine neuen Kreuzungen von Tr. dieoeeum und monoeoceum ergaben wiederum unfruchtbare Bastarde. Bei mir zeigten sich einmal unter einer Aussaat von Tr. monococeum lasior- rhachis Boiss. (muß aber «egilopoides Balansa genannt werden) zwei Pflanzen, welche schon, als sie in Halme schossen, sich deutlich durch ihre viel breiteren Blätter und kräftigeren Halme unterschieden. Die Ähren waren ebenfalls viel dieker und von anderer Form, annähernd Tr. tergidum ähnlich. Die Blüten öffneten sich wie bei Tr. sativum (abgesehen von Tr. polonieum). Die Staubbeutel traten auf die gewöhnliche Weise heraus, waren aber kleiner und öffneten sich nicht. Sie enthielten nur sehr wenig Pollen und dieser bestand fast nur aus wasserhellen Hüllen. Nur wenig Körner zeigten einen granulösen Inhalt. Stempel und lodieulae waren normal. Ein Fruchtansatz fand nicht statt. Also ein spontaner Bastard zwischen Tr. monococeum «egtilopoides (lasiorrhachis) 2 und Tr. sativum d. Die Stammpflanze von Tritieum monococcum NL. ist anerkannter Weise Tr. monococeum var. lasiorrhachis Boiss. Sie wächst stellenweise in großen Massen gesellig auf der Balkanhalbinsel (Tr. boeotieum Boiss.) und einem großen Teile des westlichen Asiens (Tr. Thaoudar Boiss.). Das letztere ist kräftiger und unserer Kulturpflanze am nächsten stehend. Es wird also die eigentliche Stammform und daher die Kulturheimat Asien sein. — Tr. satiwvum Jessen ist bis jetzt nur einmal im wirklich wilden Zustande gefunden und zwar in Syrien. Ich habe darüber eine kurze Mitteilung gemacht in den Verhandlungen des natur- historischen Ver. der preuß. Rheinlande und Westfalens 1889. Sitzber. 21. Kotschy fand 1855 am Antilibanon in einer Höhe von 4000‘ beim Dorfe Raschaja eine Graminee, deren Gattungscharakter er nicht erkannte. Die Exemplare finden sich im Wiener Herbarium. Sie gehört zu Tr. dieoceum L.!! und ist entschieden wild!!, kein Ackerflüchtling oder verwildert. Ich nannte sie var. dicoccoides'). Früher suchte ich die wilde Stammform von Tr. sativum in einer noch unbekannten Art von Aegilops. Diese Ansicht ist vorläufig kalt gestellt, aber noch nicht völlig widerlegt. Ich habe Henry de Vilmorin erwähnt. Dieser ist auch sonst bekannt als Züchter landwirtschaftlicher Kulturpflanzen, z. B. von Sorten der Zuckerrübe. Mit den Getreidearten und Kultursorten hat er sich speziell beschäftigt und wurde vielleicht schon durch seinen Großvater Louis Vilmorin dazu geführt, welcher nach A. de Candolle, Ursprung der Kulturpflanzen, einen „Essai d’un catalogue methodique et synonymique des froments. Paris 1850 veröffentlichte ?). ') Sie ist inzwischen von Aaronsohn am Hermon in Palästina wieder gefunden. Siehe Schweinfurth in Ber. d. dtsch. bot. Ges. 1908, Bd. XXVla, p. 309 ff. L. W. °) Dieser ist von Henry de Vilmorin in neuer Auflage herausgegeben, L. W, Die Entstehung und das Verhalten neuer Getreidevarietäten. 397 Für unsere Frage kommt hauptsächlich in Betracht seine Abhandlung in Bulletin de la soeiete botanique de France. Tom. XXX (Seconde serie Tom. V.) 1853 p. 58—63. Tab I. Er kommt infolge seiner Kreuzungen zu derselben An- sicht, wie ich sie 2 Jahre später in meinem Werke „Die Arten und Varietäten des Getreides“ (Erster Band von Fr. Körnicke und H. Werner, Handbuch des Ge- treidebaues) ausgesprochen habe. Ich hatte damals den Band des Bulletins noch nieht in Händen gehabt, war also nicht von H. de Vilmorin beeinflußt. Die neueren Schriftsteller lassen meist Tritieum monococcum L. als besondere Art gelten, halten aber Tr. polonicum L. ebenfalls für eine eigene Art. Sie haben sich aber niemals mit Getreide beschäftigt und deshalb keinen Blick in dieser Spezialität. Avena chinensis vereinigen sie mit A. sativa L., und doch bildet dieselbe ein gewisses Analogon. Sehr gut sagt Beijerinck in einer Anmerkung seiner Abhandlung von 1854: „Triticum polonieum ist ohne Zweifel nur eine halb- monströse Abart von Tr. durum“. Es gibt unter Tr. dwrum Sorten, deren Körner in der Länge, Glasigkeit und der hellen Farbe genau denen von Tr. polonicum gleichen. In einer kahlen Varietät des Tr. polonicum fanden sich 1889 drei Ähren eines behaarten Tr. durum. Die Aussaat derselben lieferte Ähren, die eben- falls zu Tr. durum zu stellen waren, aber Klappen!) hatten, welche fast die Länge der Ährchen besaßen. Die Aussaat einer vierten Ähre 1889 ergab schließlich durch Zuchtwahl eine neue Varietät von Tr. polomieum, welche ich novissimum genannt habe. Das Nähere über dieselbe ist später unter Tr. polomieum zu er- sehen. — Ich habe vor Jahren von G. Schweinfurth Weizenähren aus Ober- ägypten erhalten, welche durch verlängerte Klappen und Spelzen eine Art Über- gang zu Tr. polonicum bildeten. Sie waren aber nicht hinreichend ausgereift, so daß sich über die Körner nichts sagen ließ. Es folgen nun die einzelnen neu entstandenen Varietäten: Triticum compactum Al. Die Gesperrten sind die neu entstandenen Varietäten ?). 1. Binkelweizen. Unbegrannt. A. Die Ähren kahl. a. Die Ähren weiß. a. Die Körner weiß. 1. var. Humboldti Kceke. ß. Die Körner rot. 2. var. Wernerianum Koeke. b. Die Ähren rot. a. Die Körner weiß. 3. var. rufulum Keke. ß. Die Körner rot. 4. var. erelicum Mazz. !) Klappen = glumae, Hüllspelzen. L. W. 2) Sie sind zwar z. T. schon in Körnicke und Werner, Handbuch I aufgeführt, werden aber im Nachstehenden genauer nach ihrer Entstehung besprochen. L. W. 398 Friedrich Körnicke! B. Die Ähren sammetig. a. Die Ähren weiß. a. Die Körner weiß. 5. var. linaza Keke. ß. Die Körner rot. 6. var. Wittmackianum Keke. b. Die Ähren rot. a. Die Körner weiß. 1 . var. erassiceps Keke. B. Die Körner rot. 8. var. rubrum Keke. ec. Die Ähren rotblau. (Die Körner rot). 9. var. elavatum Al. d. Die Ähren schwarz. (Die Körner rot). 10. var. atrum Keke. 2. Igelweizen. Begrannt. A. Die Ähren kahl. a. Die Ähren weiß. a. Die Körner weiß. 11. var. splendens Al. B. Die Körner rot. 12. var. icterinum Al. subvar. hystrie Keke. b. Die Ähren rot. a. Die Körner weiß. 13. var. Fetisowü Keke. ß. Die Körner rot. 14. var. erinaceum Keke. e. Die Ähren schwarz. 15. var. atriceps Keke. B. Die Ähren sammetig. a. Die Ähren weiß. a. Die Körner weiß. 16. var. sericeum Al. 3. Die Körner rot, 17. var. albiceps Kcke. b. Die Ähren rot. a. Die Körner weiß. 18. var. rubriceps Keke. ß. Die Körner rot. 19. var. echinodes Keke. e. Die Ähren schwarz. (Die Körner rot). 20. var. atrierinaceum Keke. Die seet. Abyssinieum lasse ich hier fort, da wir sie in unseren botanischen Gärten nicht besitzen. Ich habe jedoch Formen durch Mischlingsbefruchtungen er- Die Entstehung und das Verhalten neuer Getreidevarietäten. 399 halten, welche dazu gehören und seit Jahren konstant sind. Sie sind aber unschön. Im Folgenden bedeutet die erste Zahl die laufende Nummer; die zweite, ein- geklammerte, die Nummer der Übersicht. 1. (3.) var. rufulum Keke. die Ähren unbegrannt, kahl, rot. Die Körner weiß. — a. 1872 wurde „Roter sammetartiger Igelweizen“ von Hohenheim ge- erntet. Es war Tr. compactum var. echinodes, aber mit etwas verlängerten Ähren. Zur weiteren Aussaat wurden immer die kürzesten Ähren genommen. Er blieb konstant, nur daß oft etwas verlängerte Ähren auftraten. 1879 erschienen darunter aber zwei längere Ähren, welehe einen etwas langen, gelbrötlichen, sammetigen Binkelweizen mit roten Körnern (var. rubrum) darstellten. Die Aussaat derselben lieferte 1880 acht verschiedene Varietäten, welche teilweise zu Tr. compactum, teil- weise zu Tr. vulgare gehörten. Es hatte also wahrscheinlich eine Mischlingsbe- fruchtung mit Tr. vulgare stattgefunden. Die eine dieser Varietäten war ein sammetiger, gelber Binkelweizen mit blaßroten Körnern. Diese lieferte 1881 wieder acht verschiedene Varietäten, alle zu Tr. compaetum gehörig. Eine davon war unsere var. rufulum. Die Aussaat derselben ergab 1882 außer var. rufulum noch drei Varietäten von Tr. compactum; 1883 nur noch nebenbei var. Fetisowü. Seit 1884 ist sie konstant. Die Farbe der Ähren ist sehr blaß rot. — b. Eine andere Form derselben Varietät mit dunkler roten, grannenspitzigen Ähren ergab sich aus Tr. compactum ereticum (Ble carree de Sieile Vilmorin). Aus diesem fiel 1872 gelber, kahler Igelweizen (var. icterinum Al. subvar. hystrix Kcke). 1873 ergab dieser letztere noch einige Ähren von var. creticum, wurde aber 1874 konstant und blieb es bis 1880. 1881 aber zeigte sich eine Variation mit Tr. compactum Wernerianum. Dieses letztere blieb bis 1385 in Variation mit var. icterinum subvar. hystrix. Aber 1837 ausgesäet traten wieder Variationen ein und zwar cretieum, Fetisowii und unsere var. rufulum. Dieses wurde 1889 konstant. 2. (7.) var. erassicepsKeke. die Ähren unbegrannt, sammetig, rot. Die Körner weiß. — Derselbe Ursprung wie var. rufulum 1. (3.) a. Dieselben zwei Ähren, welche 1879 unter var. echinodes auftraten, lieferten 1880 unter den acht Varietäten auch unsere Varietät cerassiceps. Diese ergab 1381 außerdem noch 7 verschiedene Varietäten des Tr. compaetum. 1885 wurde sie konstant. 3. (8.) var. rubrum Keke. Die Ähren unbegrannt, sammetig, rot. Die Körner rot. — 1874 wurde Tr. compactum creticum mit blaßroter Farbe, erhalten aus einem botanischen Garten, ausgesäet und blieb konstant. 1875 ergab sich aber daraus zugleich var. Wittmackianum. 1876 lieferten die Aussaaten beider wieder diese Varietäten. 1877 fielen von Wittmackianum, außerdem von creticum nur wenige Ähren und 1878 wurde es konstant und blieb es 1879 und 1880. 1881 trat aber zudem noch die var. rubrum auf. Die letztere lieferte 1882 außerdem noch var. echinodes und so blieb es bis 1886. Erst 1887 wurde var. rubrum konstant. 4. (10.) var. atrum. Die Ähren unbegrannt, aber stachelspitzig, sammetig, blauschwarz. Die Körner rot. — Befand sich 1883 auf einer landwirtschaftlichen Ausstellung von- Gust. Bestehorn. Dieser kreuzte verschiedene Weizenvarietäten und daher stammte jedenfalls auch die unserige. Zur Kreuzung diente wahr- 400 Friedrich Körnicke: scheinlich ein Binkelweizen und Trit. turgidum jodurum. Sie war bei mir konstant und ist es geblieben. 5. (17.) var. albieeps Keke. Die Ähren begrannt, sammetig, weiß. Die Körner rot. — 1878 wurde „Roter Winterbartweizen aus Rumänien“ ausgesäet, welcher vom Versuchsfeld in Halle stammte. Es war Tr. compactum echinodes, nur daß die Ähren mitunter etwas verlängert waren. 1879 ergab sich dasselbe Resultat. Aber 1550 fielen von Tr. compactum außer echinodes noch ieterinum, erinaceum und albiceps und von Tr. vulgare die var. velutinum in zwei Formen. Es hatte also eine Mischlingsbefruchtung stattgefunden. 1881 ergab die Aussaat von var. albieeps außerdem noch var. Wernerianum, Wittmackianum, ieterinum und blasses echinodes; alle zu Tr. compaetum gehörig. — 1882 ergab var. albiceps außerdem nur noch var. ieterinum; 1883 «albiceps und blasses echinodes. 1884 wurde var. albiceps konstant, doch zeigte sich auch später noch Neigung zur Verlängerung der Ähren, obschon immer die kürzesten zur Aussaat herausgesucht wurden. Dieselbe Varietät fiel noch aus einer anderen Aussaat und hat denselben Ur- sprung wie rufulum a. 1872 wurde „Rotähriger sammetartiger Igelweizen“ von Hohenheim gesäet. Es war Tr. compaetum echinodes mit etwas verlängerten Ähren; stimmte also mit dem obigen. Dieser trat 1879 in Variation, wie es bei var. rufulum beschrieben ist und gleichzeitig mit derselben erschien 1881 die var. albieeps, welche 1853 konstant wurde. 6. (18.) var. rubrieeps Keke. die Ähren begrannt, sammetig, rot. Die Körner weiß. — Sie hat denselben Ursprung wie var. 1. (3.) rufulum und ist auch aus denselben zwei Ähren hervorgegangen, welche sich 1879 einfanden. 1880 trat unter den verschiedenen Varietäten auch var. albieeps auf, wie schon gesagt ist. Diese lieferte 1581 außer albiceps auch rubriceps, echinodes und ieterinum subvar. hystrix. Die var. rubriceps ergab 1592 außer rubriceps noch var. Fetisowii und ieterinum subvar. hystrie,; 1883 nur noch var. Fetisowiti. Dasselbe wiederholte sich 1884. 1885 wurde die var. rubriceps konstant. Sie hat aber immer noch Neigung zur Verlängerung der Ähren. 7. (20.) var. atrierinaceum Keke. Die Ähren lang und stark begrannt, sammetig. blauschwarz. Die Körner rot. — Sie stammt von derselben Ausstellung wie var. 4. (10.) atrum und ebenfalls von Gustav Bestehorn. Sie war von Anfang konstant. Vielleicht eine Kreuzung eines sammetigen Igelweizens mit Tr. turgidum jodurum. Auffallend sind die Länge und Stärke der Grannen, welche von keinem Igelweizen auch nur annähernd erreicht werden. Triticum turgidum \1. Nach der früheren Auffassung gehören hierher nur starkbegrannte Formen, ab- gesehen von den verästelten Varietäten. Aber teils durch künstliche, teils durch spontane Kreuzungen sind unbegrannte Varietäten entstanden, welche in der Form, Dieke und Farbe der Ähren völlig alten Kulturvarietäten entsprechen, mit Aus- nahme der Grannen. Unter den neu entstandenen Varietäten finden sich eine Anzahl mit Doppel- ährehen. Für diese gilt dasselbe, wie später beim Emmer. Sie hängen alle mit verästelten Varietäten zusammen, die aber meist zugleich Varietäten mit Die Entstehung und das Verhalten neuer Getreidevarietäten. 401 Doppelährchen liefern. Hier spielt der Boden eine Rolle. In gut gedüngtem, lockerem und humosem Boden werden entweder nur, oder doch meistenteils verästelte Ähren ausgebildet; vielfach aber auch nur Ähren mit Doppelährchen. In magerem Boden treten zugleich auch einfache Ähren auf. Wählt man nun zur Aussaat immer nur Ähren mit Doppelährehen aus und säet sie auf immer noch gutem, aber nicht frisch gedüngtem Boden aus, so liefert schließlich die Ernte meist nur gleiche Ähren. Aber die Neigung zur Verästelung bleibt. Bei Tr. turgidum L. spielen auch klimatische Verhältnisse eine Rolle. Ich nenne in meinem Handbuche die Ähren „im Umfange quadratisch“. Gleichwohl halte ich Tr. turgidum für eine Parallelform von Tr. dieoceum L., wo bei den typischen Kulturvarietäten die Ähren stark von der Seite her zusammengedrückt sind. Seringe sagt bei Tr. turgidum: „Epi carre, plus rarement aplati“. Ich erhielt von H. de Vilmorin Ähren von Tr. turgidum lusitanieum unter dem Namen „Petanielle blanche.“ Diese waren stark von der Seite her zusammenge- drückt. Sie stammten entweder aus der Umgegend von Paris oder aus einer süd- licheren Gegend Frankreichs. Gleich die erste Aussaat lieferte lauter quadratische Ähren. Daß diese bei uns auch konstant bleiben, zeigt dieselbe Sorte, welche ich schon seit Jahren kultivierte und deren Aussaat auch unter demselben Namen von Vilmorin stammte. Ein gewisser Parallelismus zwischen Tritieum turgidum L. und Tr. dieoecum zeiet sich auch noch in anderer Weise. Sie haben beide Varietäten mit verästelten Ähren, die relativ konstant sind. Schon bei Plinius finden wir eine derselben. Bei beiden Unterarten ergeben die Aussaaten derselben meist zugleich Ähren mit Doppelährehen, namentlich wenn der Boden nicht kräftig genug ist. Ist er dürftig, so treten auch einfache Ähren auf. Süet man nun konsequent Ähren mit Doppel- ährchen aus, so gelangen sie schließlich zu einer Art Konstanz. Die Neigung zur Verästelung bleibt, auch wenn sie einmal sich nicht bemerklich macht. Die folgenden neuen Varietäten sind teilweise auf eine solehe Zuchtwahl zu- rückzuführen. Andere entstanden durch spontane Mischlingsbefruchtungen. Eine ist durch künstliche Kreuzung von Gustav Bestehorn gezüchtet. Auffallend ist bei dieser, wie auch noch bei einigen andern nicht zu Tr. turgidum gehörigen, von ihm erzielten Kreuzungen, daß sie bei mir von Anfang an konstant war und blieb. Ich weiß nicht, wie lange er dieselben vorher kultiviert hat, und kenne von keiner die Eltern. Bei Triticum turgidum L. waren bisher die Varietäten mit einfachen Ähren immer begrannt. Durch Mischlingsbefruchtungen sind aber auch unbegrannte Formen entstanden. g, schwarzblau. Die Körner rot. — Durch künstliche Kreuzung gezüchtet von Gustav Bestehorn. Auf einer landwirtschaftlichen Ausstellung im August 1883. Die Eltern sind mir nicht bekannt. Jedenfalls war einer der Faktoren Tr. turgidum jodurum, denn unsere Varietät unterscheidet sich von diesem nur durch den Mangel der Grannen. Der andere Faktor wird ein unbegrannter Nacktweizen gewesen sein. Diese Varietät war bei mir konstant und ist bei alljährlicher Aussaat so geblieben. 1. var. subjodurum Keke. Die Ähren unbegrannt, sammeti 402 Friedrich Körnicke: 2. var. pseudojodurumKeke. Die Ähren mit Doppelährchen, grannenspitzig, sammetig, schwarzblau. Körner rot. — Unter dieoccum cladurum (verästelter, halbbegrannter, kahler, roter Emmer) fiel 1880 eine einfache, halbbegrannte, sammetige, rote Ähre. Die Aussaat derselben 1881 ergab sieben verschiedene Varietäten, welche es sehr wahrscheinlich machten, daß die Ähre von 1880 aus einer Mischlingsbefruchtung durch Tr. turgidum jodurum entstanden ist. Durch konsequente Auswahl ist seitdem unsere Varietät konstant geworden, wenn man davon absieht, daß in manchen Jahren auch einige schwach verästelte Ähren auf- treten. — Vgl. übrigens später, was unter Tr. dieoceum bei der Beschreibung der neuentstandenen Varietäten bei „Variation I.“ gesagt ist. Auch hier bildete die Unterlage dieselbe Sorte von Tr. dieoceum celadurum. 3. var. duplex Keke. Die Ähren mit Doppelährchen, begrannt, kahl;rot. Körner rot. — Derselbe Ursprung wie var. 2. pseudojodurum. Aus einer der 1881 ge- fallenen Varietäten wurde durch konsequente Auswahl unsere Varietät erzielt. Aber auch hier treten noch einige schwach verästelte, im übrigen gleiche Ähren auf. 4. var. diplus Keke. Die Ähren mit Doppelährehen, begrannt, kahl, weiß. Die Körner rot. — Sie ist aus var. mirabile Keke. entstanden. Aus dieser ging var. columbinum und diplus hervor. Die letztere zeigt aber immer noch Neigung zur Verästelung. 5. var. dubium Keke. Die Ähren mit Doppelährchen, begrannt, sammetig, blaßrot. Die Körner sehr blaßrot. — Tr. turgidum mirabile (Verästelter, begrannter, sammetartiger, roter englischer Weizen mit weißen Körnern) lieferte schon 1880 durch Mischlingsbefruchtung verschiedene Varietäten. Unsere Varietät war 1884 im wesentlichen konstant. Doch zeigt sich auch jetzt noch einige Neigung zur Verästelung. Die schwächeren Ähren haben keine Doppelährehen. Dies gilt überhaupt für alle Varietäten mit Doppelährchen. 6. var. subdubium Keke. Die Ähren mit Doppelährchen, begrannt, rot. Die Körner'rot. Ihr Ursprung ist derselbe, wie bei var. diplus. Sie ist seit mehreren Jahren meist konstant. 7. var. centigranium Keke. Die Ähren verästelt, begrannt, sammetig, weiß. Die Körner rot. — Stammt von Tr. turgidum mirabile Keke. ab. Dieses hatte durch spontane Mischlingsbefruchtung schon einige Jahre verschiedene Varietäten ergeben, unter andern Tr. turgidum rubriatrum Keke!). Die Aussat des Letzteren lieferte 1582 Tr. turgidum rubriatrum und centigranium. Aus dem Letzteren ging dasselbe 1883 wieder hervor, zugleich mit dem ebenfalls verästelten columbinum. Die fortgesetzte Zuchtwahl ergibt schon seit Jahren immer var. centigranium und dubium. 8. var. coelestoides Keke. Die Ähren verästelt, unbegrannt (grannenspitzig), sammetig, graublau oder schwarzblau. Die Körner rot. —- Derselbe Ursprung wie var. 2. pseudojodurum. Unter Tr. dieoccum eladurum (roter, verästelter, halbbe- grannter, kahler Emmer) fiel 1550 eine einfache, halbbegrannte, sammetige, rote Ähre. Diese lieferte 1881 sieben verschiedene Varietäten. Darunter waren ver- ästelte, grannenspitzige, sammetige auf rotem Grunde schwarzblaue Ähren, welche ‘) Im Handbuch schreibt Körnicke rubroatrum, jetzt stets i als Bindevokal. IL. W. Die Entstehung und das Verhalten neuer Getreidevarietäten. 103 einen Übergang zu Tr. turgidum bildeten. 1882 ergaben diese außer verschiedenen Varietäten auch eine der Aussaat entsprechende, deren Körner sich aber beim Drusch lösten. 1883 waren die Pflanzen konstant. In den folgenden Jahren kehrte die Varietät stets wieder; zugleich mit var. pseudojodurum. Dabei zeigen in günstigen Sommern die Körner die charakteristische Eigenschaft von vielen Varietäten des Tr. twrgidum L.: gerundet, schön hellgelbrot, mehlig. 9. var. modigenitum Keke. Die Ähren verästelt, begrannt, sammetig, weiß. Die Körner rotviolett. — Unter Tr. drum Schimperi (rot, kahl, mit rotvioletten Körnern) erschien 1895 eine dichtere Ähre sammetig rot, die Körner rotviolett. Der Halm war höher. Die weiteren Aussaaten deuteten darauf hin, daß 1594 wahrscheinlich eine Befruchtung mit einem verästelten, begrannten, sammetigen, weißen Tr. turgidum stattgefunden hatte. Die Aussaat dieser Ähre ergab 1896 außer Tr. drum Schimperi drei verästelte Ähren mit schwach rotvioletten Körnem. 1897 fielen aus diesen Ähren: a. verästelte, begrannte, sammetige weiße Ähren, die Körner rotviolett, rot und weiß; b. einfache Ähren, sonst in Allem den verästelten entsprechend. Es wurden zur weiteren Aussaat immer verästelte, sammetige, begrannte Ähren mit den am dunkelsten rotvioletten Körmnern ausgesucht. 1900 wurden sie konstant, abgesehen davon, daß sehr viele Ähren einfach waren. So ist es bis 1904 ge- blieben, nur daß in diesem Jahre auch sonst gleiche Ähren, aber von roter Farbe erschienen. Es hat also in Bezug auf die Farbe der Ähren ein Rückschlag auf Tr. durum Schimperi stattgefunden. Triticeum polonicum L. 1. var. speltiforme. Zur sect. I. Oblongum Ser. (die Ähren verlängert, schmal) gehörig. Die Ähren locker, voll und lang begrannt, sammetig, weiß (blaßgelb). Die Körner weiß (ins Gelbrötliche spielend) glasig, durchscheinend, mittellang (bis 9 mm). — Die ohne Grannen bis 18 cm langen, sehr schmalen Ähren mit entfernt stehenden Ährchen machen, oberflächlich betrachtet, den Eindruck eines Grannen- spelzes. Die Klappen sind so lang wie die Ährchen und nebst den Spelzen etwas derber, als sonst bei Tr. polonicum. Die Körner gleichen den typischen Körnern von Tr. dwrum Desf. oder denen von Tr. polonicum L. mit relativ kurzen Körnern. — Henry de Vilmorin (Experiences de croisement entre des bles differents. In Bulletin de la societe botanique de France. XXXV. (1888.) p. 49—52. Pl. I et II) befruchtete 1581 Tr. polonicum lewissimum (oder villosum?) mit Tr. turgidum - lusitanieum (Petanielle blanche). Er erhielt nur wenige Körner, und von diesen entwickelte sich bei der Aussaat 1882 nur eine Pflanze. Die Ähren derselben waren sehr lang, mit entfernt stehenden und (ähnlich wie bei Tr. polonicum) ver- längerten Ährehen. Diese waren grannenlos und zeigten nur sehr wenige kurze Grannenspitzen, während beide Eltern voll und lang begrannt waren — also eine sehr auffallende Abirrung. 1883 ergab die Aussaat derselben verschiedene Varie- täten, darunter nur eine, welche zu Tr. polonicum gehörte. Die Abbildung der- selben ist Pl. I. A. gegeben, aber eine genauere Beschreibung (Behaarung, Farbe der Körner) fehlt. Im Dezember 1887 schickte er mir einige Ähren seiner Nach- saat. Sie waren ähnlich seiner Abbildung, aber schmaler, und so sind sie auch bei mir geblieben, ohne daß eine erneute Variation eingetreten wäre, 404 Friedrich Körnicke: 2. var. novissimum. Zur sect. I. Oblongum Ser. gehörig. Die Ähren voll- begrannt, sammetig, weiß. Die Körner rot. — Unter einer Aussaat des Tr. polo- nieum levissimum, welches ich seit 1880 kultivierte, fanden sich 1889 drei Ähren eines behaarten Tr. durum und eine Ähre, lang und schlank, sammetig, welche zwischen Tr. polonieum und durum die Mitte hielt. — Es hatte also vielleicht im Jahre vorher eine Bestäubung mit einem behaarten T. durum stattgefunden. Doch ist es möglich, daß der männliche Faktor ein behaartes Tr. dieoceum war, denn die Körner lösten sich schwer. Außerdem fanden sich 1892 unter den ge- droschenen Körnern eine Anzahl weißer, sammetiger Veesen, welche bei der Aus- saat Tr. dieoeeum semieanum lieferten. — Die Ähre, welche die Mitte zwischen Tr. polonieum und durum hielt, wurde 1890 ausgesäet. Ich habe aber nur die gedroschenen Körner gesehen, welche denen von Tr. polonieum gliehen und rot waren. Die Aussaat derselben 1892 ergab unsere Varietät; außerdem aber Tr. polonieum chrysospermum Keke und Ähren gleich der var. novissimum, aber die Klappen nur halb so lang wie das Ährehen: und endlich Tr. durum fastuosum. Unsere Varietät wurde 1894 konstant. Die Körner lösen sich immer noch schwer. 3. var. pseudohalleri. Zur sect. Quadratum gehörig. (Die Ähren locker, dieker, im Umfange ziemlich quadratisch). Die Ähren vollbegrannt, kahl, weiß. Die Körner rot. Von var. Halleri durch die roten Körner verschieden. Sie ent- stand 1889 aus var. ehrysospermum Keke. und wurde 1393 konstant. Triticum Spelta L. 1. var. recens Keke. Die Ähren unbegrannt, sammetig, weiß. — Entstanden aus spontaner Mischlingsbefruchtung. 1870 fanden sich unter Tr. Spelta var. vul- pinum (begrannter, kahler roter Spelz'), zwei begrannte, sammetige, rötlichweiße Ähren. Die Aussaat derselben ergab zahlreiche Varietäten von Tr. sativum. Aus der Nachsaat einer derselben fiel 1880 obige Varietät. Sie wurde 1883 konstant. Aber immer noch sind, wie zu Anfang, die Spindeln verhältnismäßig schwer zer- brechlieh nnd es lösen sich noch zahlreiche Körner, obschon immer nur Veesen aus dem Drusch zur Aussaat genommen wurden. Die Befruchtung der var. vulpi- num im Jahre 1869 geschah wahrscheimlich durch einen sammetigen Kolbenweizen (Tr. vulgare). 2. var. albivelutinum Keke. Die Ähren begrannt, sammetig, graulichweiß. — Derselbe Ursprung wie bei var. 1. recens. Sie trat 1372 auf und ist seit 1574 konstant. Es lösen sich immer noch einige Körner. 3. var. rubrivelutinum Keke. Die Ähren begrannt, sammetig, rot. — Der- selbe Ursprung, wie bei den beiden obigen. Sie trat zuerst 1872 auf und ist seit 1873 konstant. Diese drei Varietäten bildeten sich auch aus einer künstlichen Kreuzung, welche W. Rimpau 1876 zwischen Tr. Spelta album 2 (kahler, weißer Kolben- spelz) und Tr. vulgare ferrugineum g‘ (roter, kahler, deutscher Grannenweizen) vornahm. Die Resultate hat er in H. Thiel, Landwirtschaftliche Jahrbücher. XX (1891.) S. 342 beschrieben. Das erste Produkt der Kreuzung war völlig !) Im Manuskript steht 7. Duhamelianum, es muß aber vulpinum heißen, da Körnicke hinzu- fügt: Begrannter kahler roter Spelz. Siehe Handbuch I S. 8$1. L. W. Die Entstehung und das Verhalten neuer Getreidevarietäten. 405 gleichförmig. Die nächste Aussaat lieferte acht verschiedene Varietäten. 1879 trat neben anderen Formen eine völlig abirrende Form auf, welche er mit Recht zu Tr. compactum Wernerianum stellte. Sie hatte aber nicht gerade Halme, sondern das oberste Internodium war schlingpflanzenartig gewunden. Ich habe diese häß- liche Form auch in Kultur gehabt. Das oberste Halmglied war bei mir unregel- mäßig hin und her gebogen. Aus der übrigen Ernte des Jahres 1879 schiekte er mir Tr. Spelta var. rufum. Diese war bei ihm 1880 noch nicht konstant. Das- selbe war auch bei mir der Fall. Die erste Aussaat 1880 lieferte mir fünf ver- schiedene Varietäten. 1881 trat bei Aussaat einer derselben die var. recens auf, welche 1832 neben derselben Varietät auch die var. albivelutinum ergab, aber 1883 konstant wurde. Die var. albivelutinum lieferte daneben auch die var. vwubrivelu- tinum. Beide wurden 1885 konstant. — Da die ursprünglichen Ähren kahle Ährehen hatten, so fragt es sich, woher die Behaarung kam. Entweder hatte bei Bildung der var. recens eine erneute Mischlingsbefruchtung mit einem behaarten Spelz stattgefunden, oder es war eine spontane Variation. Die Varietäten albiwelutinum und rubrivelutinum erhielt ich im Januar 1902, neben var. Ardwini aus landwirtschaftlicher Kultur in Asturien durch Calisto Alvargonzalez in Gijon. In dieser wird unter den spanischen Provinzen am meisten Spelz gebaut. Er heißt dort, wie auch anderwärts auf der Iberischen Halbinsel, Escanda. Die Veesen werden Erga, die enthülsten Körner Fisga ge- nannt. Die Körner waren fest eingeschlossen. Zu bemerken ist hierbei, daß alle drei Varietäten zu den Grannenspelzen gehören, während man in Deutschland die Kolbenspelze vorzieht. Triticum dicoccum Schrk. Die ziemlich zahlreichen neuen Varietäten, welche ich vom Emmer kultiviere, sind mit einer Ausnahme aus spontanen Mischlingsbestäubungen entstanden. Von der var. diploleueum vermute ich jedoch, daß sie eine spontane Variation darstellt, weil sie bei der weiteren Aussaat konstant blieb. In der Beschreibung der neu entstandenen Varietäten habe ich eine Anzahl mit Var. I. (Variation I.) bezeichnet. Alle diese sind aus der var. eladurum Al. (verästelter, grannenspitziger, kahler, roter Emmer) hervorgegangen. Diese war in den früheren Jahren in ihrer Weise konstant. 1883 fanden sich aber darunter drei Ähren, unter sich völlig gleich: einfach, im Habitus gleich var. atratum, aber nur halbbegrannt (die Grannen an der Spitze der Ähre nicht lang), die Klappen fast kahl, die Spelzen behaart; auf rotem Grunde blauschwarz. Sie standen neben einander, waren also wohl aus einem Korne entsprossen. Es hatte 1882 aller Wahrscheinlichkeit nach eine Befruchtung der var. eladurum durch var. atratum stattgefunden. Beide standen nur durch ein Beet getrennt und die Getreide waren in diesem Jahre durch Regen stark in einander geschlagen. In solchen Fällen finden Mischlingsbefruchtungen häufiger statt. Die Aussaat der drei Ähren er- gab 1884 folgende Formen: 1. Einfache Ähren. a. Unbegrannt, rot, kahl, (var. novicium). b. Halbbegrannt, sammetig, auf rotem Grunde blau angelaufen (Be- ginn der var. subatratum). c. Vollbegrannt, kahl, rot (var. rufum). 2. Ver ästelte Ähren. d. Lanebegrannt, kahl, rot (var. erythrurum.) e. Kurzbegrannt,/ /& Archiv für Biontologie II (2). >) 406 Friedrich Körnicke: sammetig, auf rotem Grunde schwach blau. f. Langbegrannt, sammetig, auf rotem Grunde blauschwarz (var. melanurum.) — Bei allen waren die Ähren leicht zer- brechlich und die Körner fest eingeschlossen: ein Zeichen, daß der männliche ‘Faktor auch ein Emmer war. Dal dies var. atratum war, ergab die Aussaat 1885, wo sie normal ausgebildet wieder erschien. Bei den Emmern, welche durch Be- fruchtung mit einem Nacktweizen entstanden, waren die Ähren weniger leieht zer- brechlich und beim Drusch löste sich ein großer Teil der Körner. Andere habe ich mit Var. II bezeichnet. Sie stammen aus Tr. dieoeeum semi- canum, welches 1879 zum erstenmale kultiviert wurde und schon 1881 mehrere Varietäten ergab, die sich wahrscheinlich dureh erneute Mischlingsbefruchtung im Laufe der Jahre vermehrten. Einige davon waren noch nicht beschrieben. Damit der Leser sich leichter in die Reihenfolge der neuen Varietäten finden könne, gebe ich eine Übersicht sämtlicher Varietäten. Bei der Besprechung der neuen Varietäten ist die erste Zahl derselben die laufende Nummer; die zweite, ein- geklammerte, die Nummer in der Übersicht. Triticum dicoccum Schrank. Die gesperrten sind die neu entstandenen Varietäten. 1. Die Ähren einfach. A. Die Ähren verhältnismäßig lang, von mittlerer Dichte, an der Spitze schmaler und nicht dichter. a) Die Ähren unbegrannt. a. Die Ähren kahl. + Die Ähren weiß, 1. var. inerme Keke. ++ Die Ähren rot. 2. var. noviecium Keke. ß. Die Ähren sammetig. + Die Ähren weiß. 3. var. muticum Bayle- Barelle. +rF Die Ähren rot. 4. var. hybridum Keke. +r+ Die Ähren schwarz. d. var. decussatum Keke. b) Die Ähren halbbegrannt. a. Die Ähren kahl. + Die Ähren weiß. 6. var. trieoecum Schübl. +r Die Ähren rot. 7. var. Fuchsü Al. 8. Die Ähren sammetig. + Die Ähren weiß. 8. var. submajus Keke. +r Die Ähren rot. Die Entstehung und das Verhalten neüer Getreidevarietäten. Y. var. Bauhimi Al. Frr Die Ähren schwarz. 10. var. subatratum Keke. e) Die Ähren vollbegrannt. a. Die Ähren kahl. + Die Ähren weiß. 11. var. farrum Bayle. 12. var. Baylei Keke. Fr Die Ähren rot. 13. var. rufum Schübl. ß. Die Ähren sammetig. + Die Ähren weiß. 14. var. fleeuosum Keke. 15. var. semicanum Kr. 16. majus Kr. +r Die Ähren schwarz. 17. var. atratum Host. B. Die Ähren kurz, breit, dicht; an der Spitze breiter und dichter. a) Die Ähren kahl. a. Die Ahren weiß. (Die Grannen schwarz.) 15. var. hguliforme Keke. ß. Die Ähren rot. 19. var. pyenurum Al. b) Die Ähren sammetieg. a. Die Ähren weiß. 20. var. diploleueum Kcke. ß. Die Ähren rot. 21. var. densum Keke. 2. Die Ähren mit Doppelährchen. A. Die Ähren unbegrannt; (kahl, weiß). 22. var. bispieulatum Keke. B. Die Ähren halbbegrannt. a) Die Ähren kahl. 23. var. Dodonaei Keke. b) Die Ähren sammetig; (rot). 24. var. Tragi Kcke. C. Die Ähren vollbegrannt. a) Die Ähren kahl; (rot). 25. var. Schübleri Kcke. b) Die Ähren sammetig; (rot). 26. var. Mazzucati Kcke. 3. Die Ähren verästelt. A. Die Ähren unbegrannt. a) Die Ähren kahl. 2* 40% 408 Friedrich Körnicke: a. Die Ähren weiß. 27. var. leueocladon Al. ß. Die Ähren rot. 28. var. subeladurum Keke. b) Die Ähren sammetig. a. Die Ähren weiß. 29. var. Metzgeri Al. B. Die Grannen schwarz. 30. var. melanocladon Kceke. B. Die Ähren halbbegrannt. a) Die Ähren kahl; (rot). 31. var. eladuwrum Al. (Oft nur grannenspitzig). b) Die Ähren sammetig; (rot). 32. var. Ärauser Keke. ©. Die Ähren vollbegrannt. a) Die Ähren kahl. &. Die Ähren weiß. 33. var. albiramosum Keke. 8. Die Ähren rot, 34. var. erythrurum Keke. b) Die Ähren sammetieg. a. Die Ähren rot. 35. var. rubriramosum Keke. ß. Die Ähren schwarz. 56. var. melanurum Al. Die erste Zahl ist die laufende Nummer, die zweite, in Klammern gesetzte, die Nummer der Übersicht. 1. (1.) var. inerme. Die Ähren unbegrannt, kahl, weiß; die dachziegelige Seite breiter. — Variation II. Fiel aus der lang- und vollbegrannten var. semi- canum Krause, welche seit 1579 kultiviert wurde. 1881 traten unter ihr ver- schiedene Varietäten auf, darunter drei sehr kurz begrannte, weiße oder rötliche Ähren. Die Aussaat derselben 1882 ergab verschiedene Varietäten, darunter eine Ähre an der Spitze begrannt, kahl, blaßrot. Die letztere lieferte 1883 wieder ver- schiedene Varietäten, darunter eine unbeerannte, kahle, weiße, unsere var. inerme. Diese ergab bis 1888 außerdem immer noch begrannte Ähren. Seitdem ist sie kon- stant. — Von dem typischen Emmer weicht sie dadurch ab, daß die Ähren nicht von der Seite her zusammengedrückt, sondern auf der dachziegeligen Seite breiter sind. Das ist ein Zeichen dafür, daß die Mischlingsbefruchtung nicht vom Emmer, sondern von einer anderen Unterart stammt. Bei anderen neuentstandenen KEmmer- varietäten mit zusammengedrückten Ähren ist der männliche Faktor ein Emmer. 2. (2.) var. novieium. Die Ähren unbegrannt, aber grannenspitzig, kahl, rot. — Aus Variation I, welche 1553 unter var. eladurum eingetreten war. Unsere Varietät trat zuerst 1884 auf und ist seit 1857 konstant. 3. (3.) var, muticum Bayle-Barelle. Die Ahren unbegrannt, sammetig, Die Entstehung und das Verhalten neuer Getreidevarietäten. 409 weiß. — Variation II. Der Ursprung ist derselbe wie bei var. 1. (1.) inerme. Sie trat zuerst 1592 in einer Aussaat auf, welche viele Varietäten enthielt. 1883 wurde sie konstant, abgesehen von einer Neigung zur Verästelung. Die Form der Ähren ist wie bei var. 1. (1.) inerme. Es lösen sich immer noch viele Körner. Sie entspricht daher wohl nicht ganz dem echten muticum Bayle-Barelles, welches jetzt in der Kultur oder in botanischen Gärten nieht mehr bekannt ist. 4. (4.) var. hybridum. Die Ähren unbegrannt, sammetig, rot. — Variation I. 1581 fand sich unter var. eladurum eine Ähre: einfach, fast unbegrannt, sammetig rot. Diese ergab 1882 außer anderen Varietäten auch unsere var. hybridum, welche 1886 konstant wurde. Die Ähren sind oft diek, ähnlich wie bei var. no- vieium. Es lösen sich beim Drusch oft Körner. Also wahrscheinlich später eine erneute Mischlingsbefruchtung mit einem unbegrannten Nacktweizen. 5. (5.) var. deeussatum. Die Ähren unbegrannt, aber grannenspitzig, sam- metig, blauschwarz. — Variation I. Sie trat zuerst 1885 unter anderen Varietäten auf und wurde 1887 konstant. 6. (8.) var. submajus. Die Ähren ähnlich wie bei var. majus, sammetig, weiß, aber nur halbbegrannt. Die Grannen schwarz oder weiß. — Der Ursprung ist mir unbekannt. Die Bezeichnung des Beetes 1900 stimmte mit der Aussaat- liste nieht. Die Pflanzen hatten Ähnlichkeit mit var. majus. Die Aussaat 1901 ergab verschiedene Varietäten, sammetige und kahle, weiße und rote. Darunter fand sich auch die var. majus, jedoch waren die Ähren etwas schmaler. Die Aus- saat der letzteren lieferte 1902 neben der gleichen Varietät auch die var. submajus und muticum. Die var. submajus blieb 1905 und 1904 konstant. 7. (10.) var. subatratum. Die Ähren halbbegrannt, sammetig, blauschwarz. — Variation I. Erschien schon 1884 und ist seit 1888 konstant. 1887 fiel außer- dem noch var. atratum und melanocladon. 8. (12.) var. Baylei. Die Ähren vollbegrannt, kahl, weiß. — Die Grannen bajonettförmig gebogen. Der Zahn der Klappen stark nach innen gebogen. — Der Ursprung ist mir nicht ganz klar. Vielleicht Variation II. 1901 fielen außer ihr noch var. rufum, semicanum und macratherum. Es hatte also eine Mischlingsbe- fruchtung stattgefunden. Sie ist seit 1902 konstant. 9. (20.) var. diploleueum. Die Ähren kurz, sehr dicht, nach der Spitze zu breiter, sammetig, weiß. Die Grannen schwarz, sehr lang. Die Körner weiß. — Unter einer Aussaat von Triticum dicoccum var. pyenurum, welche vorher (seit 1880) konstant war, erschienen 1884 zwei Ähren der obigen Varietät, deren Farbe jedoch ins Blaßrötliche spielte. Hier dürfte wohl eine spontane Variation anzu- nehmen sein. Die Aussaat beider Ähren blieb bis 1895 konstant. 1896 zeigten sich aber verschiedene Varietäten, darunter die obige weiße und eine andere von roter Farbe. Sie blieben beide konstant. Bei beiden werden beim Drusch jetzt viele Körner gelöst. — Sehr auffallend ist, daß bei unserer Varietät die Körner weiß sind, während sie sonst bei Tr. dicoccum stets rot sind. 10. (21.) var. densum. Die Ähren kurz, sehr dieht und breit, sammetig, rot. Die Grannen schwarz, sehr lang. Die Körner rot. Derselbe Ursprung wie bei var. 9. (20.) diploleucum. Sie ist seit 1396, wo sie zuerst auftrat, konstant ge- blieben. 410 Friedrich Körnicke! 11. (22.) var. bispieulatum. Die Ähren mit Doppelährehen, unbegrannt, kahl, weiß. — Variation II. — Unter Tr. dieoeeum var. semicanum Krause, welche ich seit 1379 kultiviere und die anfangs konstant war, erschienen 1581 mehrere Varietäten, offenbar aus Mischlingsbefruchtungen. Unter der Aussaat einer derselben traten 1883 verästelte, unbegrannte, kahle, rote Ähren auf. Diese spalteten sich 1884 in drei Varietäten, alle unbegrannt und kahl. Die einen Ähren waren ver- ästelt und weiß, andere verästelt und rot, noch andere mit Doppelährehen und weiß. Aus der letzteren wurde die obige Varietät gezogen. Sie ist seit 1599 konstant, wenn man davon absieht, daß alljährlich einige verästelte, sonst aber gleiche Ähren (var. Zeucocladon) auftreten. 12. (23.) var. Dodonaei. Die Ähren mit Doppelährchen, halbbegrannt, kahl, rot. — Variation I. — Sie fiel schon früh, ist aber, wie viele doppelährige Varietäten, noch nicht konstant geworden, sondern liefert immer noch die ent- sprechende verästelte Varietät eladıurum. 13. (25.) var. Schüblerti. Die Ähren mit Doppelährchen, vollbegrannt, kahl, rot. — Variation I. — Sie fand sich 1899 unter Tr. dieoecum var. erythrurum und zeigt daher immer noch Neigung zur Verästelung. — Es lösen sich beim Drusch sehr viele Körner, ein Zeichen, daß früher eine Mischlingsbefruchtung durch einen Nacktweizen stattgefunden hat. 14. (26.) var. Mazzuweati. Die Ähren mit Doppelährchen, vollbegrannt, sam- metig, rot. — Die ursprüngliche Aussaat 1874 war ein verästelter, langgranniger, sammetiger, roter Emmer, welchen ich aus einem botanischen Garten erhalten hatte. Er war offenbar durch Mischlingsbefruchtung eines verästelten Emmers mit einem Nacktweizen entstanden, denn es lösten sich viele Körner, was noch jetzt bei unserer Varietät der Fall ist. Sie trat zuerst 1895 auf und ist seit 1896 konstant. 15. (27.) var. lewcocladon Al. Die Ähren verästelt, unbegrannt, grannen- spitzig, kahl, weiß. — Der Ursprung ist derselbe, wie bei var. 11. (22.) bispieu- latum. Sie trat bei mir zuerst 1385 unter anderen Varietäten auf und wurde schon 1886 relativ konstant. — Sie ist schon von Metzger, Europäische Cerealien (1824) erwähnt und von J. W. Krause, Abb. und Beschreib. aller bis jetzt be- kannten Getreidearten Heft 5 (1837) p. 15 beschrieben und auf Taf. 6 A. B. abgebildet. 16. (28.) var. subeladurum. Die Ähren verästelt, unbegrannt, kahl, rot. — Variation I. — Sie fiel 1892 unter var. 2. (2.) novieium, welche schon seit 1897 konstant war. Schon bei der nächsten Aussaat 1893 zeigte sie sich konstant und ist es geblieben, wenn man davon absieht, daß 1900 fünf unter sich gleiche, ein- fache, sammelige, auf rotem Grunde blauschwärzliche Ähren auftraten. Es hatte hier also 1899 eine Mischlingsbefruchtung stattgefunden. 17. (30.) var. melanoeladon. Die Ähren verästelt, unbegrannt, sammetig, schwarz. — Variation I. — Erschien 1885 und wurde 1886 konstant, wenn man davon absieht, daß, wie bei fast allen verästelten Weizen, auch Ähren mit Doppel- ährehen auftreten. 18. (32.) var. Krausei Keke. Die Ähren verästelt, halbbegrannt, sammetig, rot, — Variation II, — Sie fiel 1883 nebst anderen Varietäten durch Mischlings- Die Entstehung und das Verhalten neuer Getreidevarietäten. 411 befruchtung aus Tr. dicoccum semicanum, welches seit 1879 kultiviert wurde, und wurde 1835 konstant, wenn man davon absieht, daß immer zugleich Tr. dieoeeum Bauhini erscheint. Es sind immer viele Körmer gelöst. — Dieselbe Varietät stellte ein „Roter Winteremmer“ dar, welchen ich 1871 aus Hohenheim bekam. Auch hier lösen sich viele Körner. 19. (33.) var. albiramosum. Die Ähren verästelt, vollbegrannt, kahl, weiß. — Der Ursprung ist zweifelhaft. Sie erschien 1901, aber in der Aussaatliste für 1902 wurde aus Versehen nicht notiert, unter welcher Aussaat sie aufgetreten war. 1904 lieferte sie noch sehr verschiedene Varietäten. 20. (34.) var. erythrurum Keke. Die Ähren verästelt, langbegrannt, kahl, rot. — Variation I. — 1880 zeigte sich unter Tr. dieoceum eladurum eine Ähre, verästelt, halbbegrannt, sammetig, rot. Die Aussaat derselben 1881 lieferte sieben Varietäten, darunter die var. erythrurum. Sie blieb 1882 konstant, ergab aber 1883 auch einige verästelte, schwarzblaue Ähren: also ein Rückschlag nach var. atratum. Seitdem ist sie konstant geblieben. Es lösen sich beim Drusch zahlreiche Körner aus den Spelzen. 21. (35.) var. rubriramosum. Die Ähren lang begrannt, sammetig. rot. — Sie erschien 1904 in zwei Ähren unter var. 19. (33.) albiramosum. Nach meinen Erfahrungen wird die Aussaat derselben wohl neben anderen auch unsere Varietät wieder liefern. Der Roggen. Secale cereale L. Der Roggen ist Fremdbefruchter und verlangt zu einem normalen Körneransatz Blütenstaub von einer Pflanze, welche aus einem anderen Korne hervorgegangen ist. Der Blütenstaub verfliest weit. Wenn also auch einmal eine Pflanze sich differenziert hat, so kann sie sich doch schwer in ihrer Eigentümlichkeit fortpflanzen, weil diese durch Fremdbestäubung leicht aufgehoben wird. Es gibt daher auch nur wenige Roggenvarietäten und in ganz Europa im landwirtschaftlichen Betriebe gar keine. Die unten beschriebene Varietät entstand aus Mischlingsbefruchtungen durch Zuchtwahl. Die wilde Stammform ist Secale montanum, welches im Mittelmeergebiet bis Turkestan wächst. Das letzte Land oder seine Nachbarschaft dürfte die Kultur- heimat des Roggens sein. var. vulpinum Keke. Unterscheidet sich von unserem gemeinen Roggen mit graugelblichen Ähren durch die hellfuchsroten Ähren. Sie ist entstanden aus Mischlingsbefruchtungen der var. fuscum Kceke. mit dem gemeinen Roggen und ist seit Jahren ziemlich konstant. In manchen Jahren erscheinen einige Ähren von var. fuscum. Bei unserem gemeinen Roggen sind die jungen Ähren blaugrün, bei var. fuscum gelbgrün und unbereift. Die. ersteren können also leicht vor der Blüte entfernt werden. Dann läßt sich aber noch nicht sagen, ob sich die var. fuscum oder vulpinum entwickeln wird, denn bei der letzteren sind die jungen Ähren eben- falls gelbgrün. Trotzdem gelang es diese zur ziemlichen Konstanz zu erziehen, indem immer die Körner der fuchsigen Ähren zur Aussaat genommen wurden. — Wie gesagt sind die jungen Ähren unseres gemeinen Roggens blaugrün. Es 412 Friedrich Körnicke: war mir daher sehr auffallend, als unter einer Aussaat von finnischem Roggen aus Helsingfors einige Pflanzen gelbgrüne junge Ähren zeigten. Die Pflanzen mit blau- grünen Ähren wurden vor der Blüte entfernt. Die reifen Ähren hatten die Farbe des gemeinen Roggens. Bei der weiteren Aussaat wurden immer die blaugrünen Ähren vor der Blüte kassiert und schon seit mehreren Jahren ist dieser Roggen konstant. Die Gerste. Hordeum sativum Jess. Die Gerste ist mutmaßlich unsere älteste Kulturpflanze. Schon die alten Griechen hielten sie dafür. Sie ist deshalb für die Kulturgeschichte der Mensch- heit von besonderem Interesse. Ihre wilde Stammform Hordeum spontaneum ©. Koch stimmt in allen wesentlichen Merkmalen mit unserer zweizeiligen Gerste Hordeum distichum L. überein. Sie unterscheidet sich von dieser hauptsächlich dadurch, daß ihre Ähre bei der Reife in die einzelnen Spindelglieder auseinander- fällt, mit Ausnahme der untersten. Aus ihr müssen sich die vierzeilige und sechs- zeilige Gerste entwickelt haben, denn bei allen wilden Arten der Gattung Hordeum im Sinne Linnes sind die Seitenährehen unfruchtbar, während bei den mit Hordeum verwandten Gattungen alle Ährehen fruchtbar sind. Dieses Hordeum spontaneum ©. Koch ist an zahlreichen Orten in Vorder- und Kleinasien vom Kaukasus bis Südpersien, ja sogar noch im steinigen Arabien ge- funden worden. Es fragt sich daher, wo sie zuerst in Kultur genommen worden ist, nachdem sie vorher als Nahrungsmittel gesammelt wurde. Ich glaube ihre Kulturheimat in Mesopotamien zu finden, in dem sagenhaften Paradiese der. Bibel. Sie wächst auch heute noch dort wild. Daß dieses Land eine uralte Stätte hoher Kultur war, ist bekannt. In neuester Zeit haben die wissenschaftlichen Ausgrabungen ganz besonders interessante Resul- tate in dieser Hinsicht ergeben. Jedenfalls kennen wir kein Land, welches mehr darauf Anspruch machen könnte, die Kulturheimat unserer Gerste zu sein. Ich gehe noch weiter. Ich glaube auch, daß hier wenigstens die vierzeilige Gerste zuerst in der Kultur entstanden ist. Es wächst nämlich dort noch eine andere wilde Varietät der zweizeiligen Gerste, welche den ersten Anfang zum Über- gang in die vierzeilige Gerste bildet, nämlich das Hordeum ithaburense Boiss. var. ischnatherum Gosson. Boissier ließ übrigens seinen Namen H. ithaburense be- stehen, obgleich er sich selbst davon überzeugt hatte, daß es schon vor ihm von ©. Koch AH. spontanewm benannt worden war. Von diesem Hordeum spontaneum wurde am Hafen von Montpellier eine Varietät gefunden. Es ist bekannt, daß an den Häfen von Seestädten häufig so- genannte Ballastpflanzen gefunden werden, die den eingeführten fremden Waren an- hängend, sich ansiedeln um gewöhnlich nach einigen Jahren wieder zu verschwinden. M. E. Cosson hatte schon vorher verschiedene Pflanzen publiziert, welche an dem genannten Hafen als eingeschleppt gefunden waren. Im Bulletin de la societe bo- tanique de France XI (1864) pag. 159 veröffentlicht er eine neue Liste: Appendix Florulae Juvenalis altera, ou deuxieme liste de plantes etrangeres recemment ob- servees par M. Touchy au Port-Juvenale, pres Montpellier; pag. 163: Hordeum Ithaburense Boiss. Diagn. Or. ser. 1. fase. XIII. 70, var. ischnatherum, La plante Die Entstehung und das Verhalten neuer Getreidevarietäten. 413 du Port-Juvenale a axe tres-fragile, comme 7’H. Ithaburense, ne me parait en differer que par les aretes des fleurs beaucoup moins robustes. Ich erhielt von Joseph Bornmüller, welcher zu botanischen Zwecken in Persien reiste, 1895 die reifen, zerfallenen Ähren einer Wildgerste, gesammelt bei Riwandus an der persischen Grenze in Kurdistan. Die Grannen waren sehr viel feiner als bei 4. spontaneum, an dem sie viel kräftiger sind, als bei unseren Kulturgersten. Die sehr feinen Grannen waren bis 7 cm lang, die Spitzen jedoch abgebrochen. Ich hielt deshalb diese Gerste für die Varietät Cossons. Es war jedoch noch eine Eigentümlichkeit dabei zu bemerken, welche er wohl übersehen hat. Während nämlich bei 4. spontaneum die Spelzen der Seitenblüten stumpf sind, wie bei den europäischen Kulturformen von H. distichum L., waren sie bei der Gerste von Bornmüller spitz, zugespitzt oder sehr kurz und fein begrannt. Sie sind es auch in der Kultur geblieben, während allerdings die Grannen der fruchtbaren Blüten kräftiger wurden, indessen immer noch feiner sind, als die des alten 7. spon- tameum. : Bei den Mischlingsformen von A. distichum nutans und H. tetrastichum pal- hidum, welche wir teils durch spontane, teils durch künstliche Kreuzung kennen, erhalten wir stets außer den Stammformen Übergänge, welche von H. distichum be- ginnend zuerst spitze, ferner zugespitzte, weiterhin kurz, dann länger begrannte Spelzen der Seitenblüten zeigen, während bei noch weiterer Annäherung an H. te- trastichum pallidum in einzelnen, dann in zahlreicheren Blüten Körner auftreten. So mag sich denn in Assyrien selbst aus dem 7. spontaneum ©. Koch, welches auch in Assyrien gefunden ist, in der Kultur das 7. distichum L., aus der Varietät ischnatherum das H. vulgare L. (tetrastichum). herausgebildet haben. Die Pflanze Cossons stammte wahrscheinlich auch aus Assyrien. Ich erhielt aus Neuß a. Rh. „persischen Weizen“, welcher zur Mehlfabrikation dahin gekommen war. In diesem befanden sich als fremde Beimengung einige Gerstenkörner, die bei der Aussaat einige noch unbekannte Varietäten ergaben (var. persicum und medicum). Eine derselben, welche Haussknecht in Assyrien gesammelt hatte, fand ich später in dessen Herbarium. Der Weizen aus Neuß stammte also wahr- scheinlich auch von dort und wurde den Tigris hinab bis zu seinem Export- hafen verschifft, um so nach Europa zu gelangen. So mag auch die Pflanze Cossons nach dem Portus Juvenalis, dem Hafen von Montpellier, verschleppt worden sein. Nun bildet diese Veränderung der Spelzen der Seitenblüten von Hordeum disti- chum den Übergang zu H. tetrastichum. Bei den spontanen, sowie bei den künst- lichen Mischlingsbefruchtungen zwischen beiden Unterarten fängt der Übergang von H. distichum zu tetrastichum damit an, daß die stumpfen Spelzen der Seitenblüten spitz, zugespitzt, etwas länger und länger gespitzt, d.h. begrannt werden. Schließ- lich findet sich dann auch in einigen ein Korn ein, bis endlich normale vierzeilige Gerste entsteht, während andere die normale zweizeilige Gerste darstellt. Ich sah in meinem Garten 1375 auf zwei Beeten der zweizeiligen Wintergerste einige Pflanzen, welche den Übergang zu der mehrzeiligen Gerste bildeten. Die Aussaat der unter H. distichum nutans kultivierten Form ergab neben Übergangsgersten H. tetrastichum pallidum; die der unter H. distichum erectum H. hexastichum paral- 414 Friedrich Körnicke: lelum. Ich erkannte nun allerdings sogleich, daß dieser Vorgang sich auch aus Misch- lingsbefruchtungen des ZH. distiehum nutans mit H. tetrastichum pallidum und des H. distichum erectum mit H. hexastichum erklären ließ. Da aber die dann mutmaßlich männlichen Pflanzen nicht neben den Ursprungsformen standen, so hielt ich eine spontane Umwandlung für wahrscheinlicher. Denn ein ZH. distichum nutans mit frucht- baren begrannten Seitenährchen ergibt ZZ. tetrastichum pallidum, und A. distiehum ereetum ergibt 7. hewastichum parallelum. So interessant es nun wäre, einen spontanen Übergang zwischen den genannten Varietäten konstatieren zu können, so ziehe ich es doch nach meinen späteren Erfahrungen und nach den künstlichen Bestäubungen Anderer vor, mich den Ansichten derselben anzuschließen und den erwähnten Vor- gang als einen auf Mischlingsbefruchtung zurückzuführenden zu erklären. Die so zahlreichen verschiedenen Varietäten der Gerste, welche weiter unten näher abgehandelt werden, entstammen alle Mischlingsbefruchtungen. Die meisten lassen sich aus Kombinationen der beiden Stammeltern erklären. Aber es treten auch „Abirrungen“ auf, die nichts mit denselben zu tun haben. Immerhin ist es interessant, daß aus zwei konstanten Varietäten sich eine so große Anzahl ver- schiedener anderer herausbilden, von denen wenigstens ein Teil zur Konstanz gelangt. Wir können daraus ersehen, daß bei plötzlichen spontanen Variationen (die spätere Mischlingsbefruchtung eine große Menge konstanter Formen hervorbringt. Bevor ich nun auf die nähere Darstellung der verschiedenen in neuerer Zeit entstandenen Varietäten der Gerste eingehe, bemerke ich, daß ich eine beschriebene und benannte Varietät ausschließe. L. Wittmack beschreibt in Berichte d. Deutsch. Botan. Ges. IV (1886) 8. 436 ein Hordeum vulgare Bestehornü: „Ähre aufrecht, zweizeilig, die äußere Spelze der Mittelährehen mit monströser dreigabeliger Granne wie bei H. v. trifurcatum, seitliche Ährehen mit spitzen, nicht keulen- förmigen männlichen Blüten. Klappen kurz begrannt. Korn nackt. Winterfrucht. — Ähren weißgelblich, $ em lang.“ „Die Ähre gedrungen“. Diese Gerste will Gustav Bestehorn in Bebitz bei Cönnern a. S. (Anhalt) gezüchtet haben aus Hordeum tetrastichum trifureatum 2 x H. bulbosum d, X H. v. distichum d, X H. bulbosum g‘. Ich glaube nicht, daß sich irgend eine Form unserer Saatgerste mit dem ganz verschiedenartigen Hordeum bulbosum L. kreuzen läßt, sondern daß es sich nur um eine Kreuzung von Hordeum tetrastichum trifurcatum mit H. distichum nutans handelt. Wittmack sah nur eine Ähre. Nach seiner Beschreibung würde sie der später aufgestellten var. densum Keke. ent- sprechen, wenn nicht die männlichen Seitenährehen spitze (nicht stumpfe) Spelzen hätten. Solche Formen mit spitzen oder zugespitzten oder kurz und fein begrannten Seitenährehen lassen sich niemals zur Konstanz erziehen. Dies weiß ich aus fast dreißigjährigen Versuchen. Auch W. Rimpau kam, nach persönlicher Mitteilung seines Sohnes, zu demselben Resultate. Er hatte sie deshalb aus seinen Versuchen ausgeschieden. Im Übrigen ist zu der folgenden, beschreibenden Aufzählung der neu ent- standenen Gerstenvarietäten zu bemerken: R. I. bezeichnet den Ursprung aus der ersten künstlichen Kreuzung, welche Wilhelm Rimpau mit Hordeum tetrastichum trifurcatum Schl. 9 und Hordeum distichum Steudelü 2 1885 vorgenommen hat. Vgl. H. Thiel, Landwirtschaftliche Die Entstehung und das Verhalten neuer Getreidevarietäten. 415 Jahrbücher. XX (1891.) S. 353. Die erzielten Körner — etwa 15 — brachten 1886 eine große Menge Ähren, welche einander so gleich waren, wie die der kon- stantesten Sorte. Dieses erste Produkt der Kreuzung war eine zweizeilige, be- spelzte, grannenlose, mit der Kapuze von H. tetrastichum trifureatum (welche er „Gabelgerste* nennt) versehene schwarze Gerste, die a. a. O. auf Taf. XXI No. 103 abgebildet ist. L. Wittmack hat sie im „Führer durch die vegetabilische Abteilung des Museums der Königlichen landwirtschaftlichen Hochschule in Berlin“ 1856. S. 57. var. Rimpaui benannt und in den Berichten der Deutschen Botanischen Gesellschaft IV. (1886) S. 433 beschrieben. Die Nachzucht derselben 1887 „zeigte wieder das für die zweite Generation der Mischlinge charakteristische völlig bunte Gemisch von Formen und Farben“. Eine Tabelle auf S. 355 beschreibt die von ihm erhaltenen 16 Formen. Auf einen Unterschied hat er nicht geachtet, nämlich auf die Verschiedenheit der Seitenährehen bei den zweizeiligen Formen. Bei H. disti- chum Steudelü haben die Seitenährchen nur eine schmale Klappe und die Blüte ist verkümmert; bei den normalen zweizeiligen Varietäten dagegen zwei schmal- lanzettliche Teilklappen, ähnlich wie die Mittelährehen, und die Spelzen (oft auch die Staubgefäße) sind deutlich ausgebildet; die äußere Spelze ist länglich und stumpf. Unter den zweizeiligen Formen erschienen nun später bei mir Varietäten mit normalen und mit verkümmerten Seitenährehen. Diese wurden bei der weiteren Aussaat gesondert. Die mit verkümmerten Seitenährehen gingen nun bald zur Konstanz über, während sich die mit normalen Seitenährehen äußerst widerspenstig verhielten und zum Teil noch jetzt nicht zur Konstanz gelangt sind. Es fielen nämlich gewöhnlich sehr viel mehr mit verkümmerten Seitenährcehen. Das ist sehr auffallend. Das umgekehrte Resultat würde erklärlicher gewesen sein, weil die normalen Seitenährehen der wilden Stammform H. spontaneum entsprechen. W. Rimpau säete einen großen Teil der 1886 erzielten Ernte wieder aus und teilte auch Anderen Ähren mit. So erhielt ich sieben Ähren, von welchen ich fünf zur Aussaat verwandte. Es ergaben sich bei mir 1887 zwanzig verschiedene Varie- täten, teils schon bekannte, teils neue. Unter den letzteren waren am meisten interessant zwei Ähren, welche nebeneinander standen und wahrscheinlich von ein und demselben Saatkorn stammten und der var. nigricans Al. entsprachen, aber keine Grannen und Kapuzen hatten, sowie zwei andere von ihnen entfernt, aber ebenfalls dicht bei einander stehend, welche sich von den ersteren dadurch unter- schieden, daß einzelne Seitenährchen Früchte trugen. Dergleichen Formen traten weder bei W. Rimpau, noch bei den anderen Versuchsanstellern auf. Die weitere Aussaat dieser Ähren ergab — wie zu erwarten war — verschiedene Varietäten, teils schwarz, teils blaßgelb. Hier ist hervorzuheben, daß die erste Aussaat der durch Mischlingsbefruchtung erzielten verschiedenen Körner bei W. Rimpau nur eine einzige, gleichartige Form ergab und daß erst in der zweiten Generation die zahlreichen verschiedenen Varie- täten auftraten, die meist Kombinationen der beiden Eltern waren. Daneben er- schienen aber auch die grannen- und kapuzenlosen Gersten, welche man nicht eine Kombination nennen kann. Daß auch sonst bei Mischlingsbefruchtungen der Gerste abirrende Formen, wie sie W. Rimpau, erratiques wie sieH. de Vilmorin nennt, auftreten, zeigt z. B, die var. A. hexastichum recens und var. H. distichum heterolepis. 416 Friedrich Körnicke: R. 2. bezeichnet den Ursprung aus der zweiten künstlichen Kreuzung von Wilhelm Rimpau, welche er mit H. distichum zeoerithum 2 und H. tetrastichum trifurcatum 9 1889 vornahm. Er sagt darüber in H. Tiel, Landwirtschaftliche Jahrbücher XX (1891) S. 556: „Ich erhielt (1890) nur zwei Körmer von den künstlieh bestäubten Ähren, welche so schwach entwickelt waren, daß ich an ihrer Keimfähigkeit sehr zweifelte, aus denen aber dennoch zwei kräftige Pflanzen mit vielen Ähren hervorgingen. Taf, XXII No. 15 ist eine dieser Ähren, die alle einander völlig gliehen, abgebildet. Es entstand eine zwischen zwei- und vierzeiliger Gerste intermediäre Form, «deren Mittelährehen fruchtbar sind und auf sehr kurzen Grannen die bekannte Kapuze der (Gabelgerste tragen, während die Seitenährehen weder Kapuze noch Grannen haben und zwar alle deutlich entwickelt, aber nur teilweise fruchtbar sind. Die Körner sind alle mit den Spelzen verwachsen.“ Er nennt H. tetrastichum trifurcatum „Gabelgerste“. — Also auch hier ist aus der ersten Aussaat nur eine Form entstanden, welche bei der zweiten und den späteren Aus- saaten so viele Varietäten lieferte. Eine Anzahl neu entstandener Gerstenvarietäten stammt von M. W. Beijerinck. Er sandte mir im Herbst 1885 zwei Ähren, welehe er durch Mischlingsbefruehtung von H. distichum maerolepis 2 mit HZ. hexastichum g‘ 1884?! erzielt hatte. Beide Ähren waren schwarz mit helleren Grannen. Die eine gehörte zu H. tetrastichum und unterschied sich von var. nigrum nur durch hellere Grannen und durch die sehr langen Teilklappen aller Ährehen. Die andere gehörte zu H. hexastichum; die Teilklappen waren von der normalen Form, aber langgrannig. Die Aussaat der ersten Ähre ergab lauter gleichartige Ähren: H. tetrastichum atrispieatum. Auch blieb sie in allen folgenden Jahren konstant. Diese schnelle Konstanz ist sehr auffallend. — Die Aussaat der zweiten Ähre lieferte drei schwarze und zwei weiße Varietäten. Aus diesen wurde durch konsequente Auswahl der Varietäten H. hexastichum eurylepis und platylepis erzogen. Andere neu entstandene Varietäten stammen von Albert Atterberg in Kal- mar (Schweden). Er schickte sie mir im Januar 1899. Der Ursprung war nicht angegeben. Jedenfalls stammen sie aus künstlichen Mischlingsbefruchtungen, die aber wahrscheinlich nicht vom Absender ausgeführt worden Waren. Endlich bildeten sich bei mir spontan einige neue Varietäten. Unter den Wintergersten traten 1585 einige Pflanzen unter H. distichum nutans und ereetum auf, welche den Übergang zur Gerste mit lauter fruchtbaren Reihen bildeten. Das Genauere ist weiter unten bei den betreffenden Varietäten zu lesen. Ich glaubte hier einen spontanen Übergang von der zweizeiligen in die mehrzeilige Form zu sehen, obschon ich mir nieht verhehlte, daß auch eine Mischlingsbefruchtung vorliegen könne. Die einzelnen Aussaaten waren 1 m von einander entfernt. Dazu kam noch. daß unter AH. distichum var. nutans bei weiterer Aussaat die Parallelform H. tetrastichum pallidum und unter H. distichum var. erectum die Parallelform H. hexastichum parallelum erschien. Die letztere hatte ich aber gar nicht in Kultur, sondern nur H. hexastichum pyramidatum. Ein direkter spontaner Übergang von der zweizeiligen in die mehrzeilige Form wäre nun sehr interessant. Indessen will ich der Ansicht nicht widersprechen, daß doch eine Mischlings- befruchtung stattgefunden hat. Dann müßte H. distichum nutans durch H. tetra- Die Entstehung und das Verhalten neuer Getreidevarietäten, 417 stichum pallidum und H. distichum erectum (durch H. hexastichum pyramidatum befruchtet worden sein. Die letztere erschien aber in der Nachzucht nicht wieder, sondern nur H. hexastichum parallelum. Da die Zahl der neu entstandenen Varietäten der Gerste sehr bedeutend ist, so gebe ich zur Orientierung eine Übersicht über sämtliche Varietäten. Die gesperrten sind neu entstanden. Hordeum sativum Jessen. I. Hordeum hexastichum L. 1. Körner beschalt. A. Spelzen normal. a. Teilklappen normal. &. Ähren blaßgelb. 7 Grannen kurz. 1. var. brachyatherum Keke. jr Grannen lang. 2. var. pyramamdatum Keke. = subvar. maeroteron Al. = e brachyurum Al. 3. var. parallelum Keke. ß. Ähren schwarz. 4. var. Schimperianum Keke. b. Teilklappen alleoder zum Teil breitlanzettlich. a. Ähren blaßgelb. 5. var. recens Kcke. jez) var. eurylepis Kceke. 8. Ähren schwarz. . var. platylepıs Kcke. I] B. Spelzen mit dreizackiger Kapuze. 3. var. compaetum. 2. Körner nackt. 9. var. nudipyramidatum Keke. 10. var. revelatum Keke. II. Hordeum tetrastichum Keke. (H vulgare L.) 1. Ähre einfach. A. Klappen und Spelzen normal. a. Körner beschalt. &. Ähren blaßgelb. 11. var. pallidum Ser. 12. var. Heuzei Kcke. % Ähren blaugraulich. 13. var. coerulescens Ser. y. Ähren dunkler gefärbt. 14. var. subviolaceum Keke, 415 15. . var. IV Qi 33. var. . var. var. . var. . Var. . var. Friedrich Körnicke: nigrum Willd. leiorrhynchum Keke. b. Körner nackt. a. Ähren blaßgelb. coeleste L. himalayense Rittig. Walpersü Keke. B. Ähren und namentlich die Körner dunkler gefärbt. violaceum Keke. duplinigrum Keke. B. Klappen oder Spelzen nicht normal. A Siehe . var. . var, . var. » var. lo \ahle var, yar: Mayar: . Horsfor dianum Wittm. 2.. var. var. a. Spelzen normal. Teilklappen breitlanzettlich. a. Körner beschalt. + Ähren blaßgelb. latiglumatum Keke. ++ Ähren schwarz. atrıspicatum Keke. B. Körner nackt. sublatiglumatum Keke. b. Spelzen an den Mittelährehen mit dreizackiger Kapuze, an den Seitenährchen kurz begrannt. (Klappen normal). a. Körner beschalt. + Ähren blaßgelb. subcornutum Keke. ++ Ähren schwarz. atricornutum Keke. 3. Körner nackt. + Ähren blaßgelb. cornutum Schrad. ++ Ähren schwarz. subaethiops Keke. ec. Alle Spelzen mit dreizackiger Kapuze. (Klappen normal.) a. Körner beschalt. + Ähren blaßgelb. tortile Rob. cueullatum Keke. +r Ähren schwarz. atrum Keke. B. Körner nackt. f Ähren blaßegelb. trifureatum Schl. Die Entstehung und das Verhalten neuer Getreidevarietäten. 419 +r Ähren schwarz. 34. var. aethiops Keke. d. Spelzen unbegrannt und ohne Kapuze. (Klappen normal). a. Körner beschalt. + Ähren blaßgelb. 35. var. tonsum Keke. +r Ähren schwarz. 36. var. nigritonsum Keke. ß. Körner nackt. (Ähren blaßgelb). 37. var. nuditonsum Keke. 2. Ähre verästelt. A. Körner beschalt. 35. var. erispum Keke. B. Körner nackt. 39. var. erispicapeillum Keke. II. Hordeum intermedium Koeke. Alle Ahrchen fruchtbar; die Mittelährehen begrannt oder mit drei- zackiger Kapuze, die Seitenährchen ohne Grannen und ohne dreizackige Kapuze. 1. Mittelährcehen begrannt. A. Körner beschalt. a. Ähren blaßgelb. 40. var. Haxtoni Keke. 41. var. transiens Keke. 42. var. pavoninum Keke. b. Ähren schwarz. 43. var. Mortoni Kcke. B. Körner nackt. (Ähren blaßgelb). 44. var. nudıhaztoni Kceke. 44 pis var. subhaxtoni Keke. 45. var. nuditransiens Kceke. 2. Mittelährchen mit dreizackiger Kapuze. A. Körner beschalt. 46. var. anomalum Keke. B. Körner nackt. 41. var. gymnanomalum Keke. IV. Hordeum distichum UL. 1. Spindel bei der Reife im Zusammenhange bleibend. A. Ähren einfach, normal. a. Körner beschalt. a. Ähren parallel. 420 Friedrich Körnicke: r Ähren locker, schmal. * Ähren blaßgelb. 48. var. nutans Schübl. 49. var. Atterbergü Kceke. 50. var. medieum Keke. * Ähren schwärzlich. 51. var. nigrescens Keke. * Ähren violett. 52. var. hypianthinum Keke. »==** Ähren braun. 53. var. persicum Keke. “es Ähren schwarz. 54. var. nigricans Ser. 55. var. Schweinfurthü Keke. +r Ähren dicht, breit. * Ähren blaßgelb. 56. var. erectum Schübl. ** Ähren schwarz. . var. contractum Koeke. 3. Ähren nach der Spitze zu verschmälert. 7 Ähren blaßgelb. 58. var. zeoerithum L. +r Ähren schwarz. 59. var. melanoerithum Keke. b. Körner nackt. a. Ähren parallel. + Ähren blaßgelb. 60. var. nudum L. 61. var. subatterbergii Keke. 62. var. Rossi Keke. 63. var. neogenes Keke. ++ Ähren und Körner violett. 64. var. tanthınum Keke. 3. Ähren nach der Spitze zu verschmälert. 65. var. gymnocrithum Keke. B. Ähre einfach, nicht normal. a. Mittelährehen beegrannt. a. Blüten der Seitenährehen normal, mit zwei Teilklappen. 7 Teilklappen der Mittelährehen normal; die äußere Teilklappe der Seitenährchen breit lanzettlich. 66. var, heterolepis Keke., 66 bis var. Deijerinckii Kcke. Die Entstehung und das Verhalten neuer Getreidevarietäten. 451 67. & Ro 69. 0. +r Teilklappen der Mittelährehen breit- lanzettlich. * Körner beschalt. ‚ar. Braunü Koeke. var. dubium Keke. * Körner nackt. var. nudidubium Keke. ß. Blüten der Seitenährehen verkümmert, mit nur einer Klappe. 7 Teilklappen der Mittelährehen normal. * Körner beschalt. * Ähren blaßgelb. var. defieiens Steud. ** Ähren braun. var, Seringei Keke. *** Ähren schwarz. var. Steudelü Keke. ** Körner nackt. * Ähren blaßgelb. var. nudideficiens Kceke. * Ähren schwarz. var. decorticatum Keke. ir Teilklappen der Mittelährchen breit- lanzettlich. * Ähren blaßgelb. rar. Rehmü Keke. var. abyssinieum Ser. var, pseudoabyssinicum Keke. * Ähren schwarz. var. macerolepis A. Br. b. Mittelährchen mit dreizackiger Kapuze. a. Körner beschalt. f Seitenährchen normal. * Ähren blaßgelb. var. angustispicatum Keke. var. latispieatum Keke. var. triangulare Keke. * Ähren schwarz. var. Rimpaui Wittm. tr Seitenährchen verkümmert. * Ähren blaßgelb. var. triceros Kcke. * Ähren schwarz. . var. tridax Kceke. 3. Körner nackt. Archiv für Biontologie II (2). 3 Friedrich Körnicke: + Seitenährehen normal. (Ähren blaßgelb). 85. var. angustissimum Keke. 36. var. lawum Keke. 87. var. densum Keke. rr Seitenährehen verkümmert. * Ähren blaßgelb. 38. var. sublazum Keke. * Ähren schwarz. 89. var. gymnospermum Keke. e. Mittelährehen ohne Grannen und ohne Kapuze. a. Körner beschalt. f Seitenährcehen normal. * Ähren blaßgelb. 90. var. inerme Keke. ** Ähren schwarz. 91. var. derussatum Keke. Tr Seitenährchen verkümmert. * Ähren blaßgelb. 92. var. subinerme Keke. ** Ähren schwarz. 95. var. subdeeussatum Keke. ß. Körner nackt. f Seitenährehen normal. * Ähren blaßgelb. 94. var. duplialbum Keke. ** Ähren schwarz. 95, var. dupliatrum Keke. rr Seitenährehen verkümmert. * Ähren blaßgelb. | 96. var. subduplialbum Keke. »* Ähren schwarz. 97. var. subdupliatrum Keke. B. Ähre verästelt. a. Seitenährehen normal. 98. var. compositum Keke. 5 bis var. subcompositum Keke. 99, var. Krausianum Wittm. b. Seitenährehen verkümmert. 100. var. ramosum Hochst. 2. Spindel bei der Reife in die einzelnen Glieder aus- einander fallend. 101. var. spontaneum ©. Koch. 102. var. ischnatherum CGoss. Die Zahlen 1—58 bezeichnen die fortlaufenden Nummern der neu entstandenen Varietäten der Gerste; die in Klammern gesetzten Zahlen die Nummern in der Über- Die Entstehung und das Verhalten neuer Getreidevarietäten. 493 sicht der Varietäten der Gerste. — „H.F.“ bezieht sich aufdieNummernin: Fr.Körnicke, Die hauptsächlichsten Formen der Saatgerste im ökonomisch-botanischen Garten der Königlich Landwirtschaftlichen Akademie Poppelsdorf. Ausgestellt in Köln 1395. Bonn 1395. I. Hordeum hexastichum L. 1. (5). var. recens Keke. H. F. no. 6. Die äußere Teilklappe der Seiten- ährchen breitlanzettlich, die übrigen Teilklappen normal. Die Ähren parallel, lang, langbegrannt, blaßgelb. Die Körner beschalt. — Diese Varietät ist bei mir zweimal entstanden. Einmal aus einer spontanen Mischlingsbefruchtung von Hordeum distichum erectum, von welchem wahrschein- lieh 18574 einige Blüten durch H. hexastichwm befruchtet waren. Dieses 7. dist. ereetum lieferte 1875 außer der Mutterpflanze einige Ähren, welche den Übergang zu H. hexastichum parallelum bildeten. Die Aussaat der letzteren ergab 1876 II. dist. ereetum und H. hex. parallelum, sowie verschiedene Übergänge zwischen beiden. Diese letzteren wurden in allen den folgenden Jahren in verschiedenen Formen ausgesäet. Bei einer derselben zeigten sich 1881 außer verschiedenen anderen Formen zum erstenmale A. hex. recens und H. dist. heterolepis. Die letztere ist ebenfalls durch die äußere breitlanzettliche Teilklappe von A. dıst. erectum verschieden. Die var. recens wurde 1554 fast konstant. In manchen Jahren tritt nämlich daneben auch A. hex. parallelum auf, wie noch 1903, während sie 1904 konstant war. Außerdem entstand unsere Varietät aus der Kreuzung, welche W. Rimpau 1889 mit H. dist. zeoerithum 2 und H. tetr. trifwreatum g‘ machte. Er erhielt nur zwei Körner, welche 1890 lauter gleichartige Ähren lieferten: Die Mittelreihen mit dreizackiger Kapuze, die Seitenreihen grannen- und kapuzenlos und nur teil- weise fruchtbar. Eine dieser Ähren, welche ich 1891 erhielt und in demselben Jahre aussäete, ergab sehr verschiedene Formen. Eine derselben lieferte unter anderen die var. recens. Diese ergab in «den folgenden Jahren nebenbei immer noch A. hex. parallelum. Erst 1903 scheint sie konstant geworden zu sein. 1904 kam sie nieht zur Aussaat. In beiden Fällen haben wir es mit einer Abirrung zu tun, da Gersten mit breiten Teilklappen nicht in der Nähe standen und daher eine Bestäubung mit einer derselben nicht wahrscheinlich ist. 2. (6.) var. eurylepis Keke. H. F. no. 7. Alle Teilklappen breitlanzett- lich. Die Ähren kurz, sehr dicht, dick, blaßgelb; die Grannen spreizend. Die Körner beschalt. — Beijerinck befruchtete (1884?) H. dist. macrolepis A. Br. 2 mit I. hexastichum L. und schiekte mir von der Ernte im Herbst 1885 Ähren, welche alle schwarz waren mit helleren Grannen; die einen gehörten zu H. hex- astichum L., die Teilklappen gewöhnlich, aber ziemlich lang begrannt. Es fielen aus der Aussaat derselben 1586 fünf verschiedene Formen, alle zu H. hexastichum oder tetrastichum gehörig (kein H. distichum), schwarz und blaßgelb. Die schwarzen Ähren von AH. hexastichum hatten an den Seitenährchen breite Teilklappen, an den Mittelährehen nur eine breite Klappe. Die Aussaat derselben 1887 ergab wieder verschiedene Varietäten, darunter 7. hexastichum blaßgelb, die Teilklappen 3* 424 Friedrich Körnicke: an allen Ährchen breitlanzettlich. Sie blieb 1888 konstant und ist es geblieben: also die var. ewrylepis. Über die Ähren der Beijerinekschen Sendung, welche zu H. tetrastichum ge- hörten, vgl. no. 12. (24.) var. atrispieatum. 3. (7.) var. platylepis Keke. H. F. no. 8. Sie gleicht in Allem der var. eurylepis, ist aber schwarz. Der Ursprung ist der gleiche. Sie wurde aber erst 1589 konstant. 4. (8.) var. compaetum. Die AÄhren kurz (bis 5,5 em lang), gedrungen, blaßgelb; alle Ährehen mit dreizackiger Kapuze. Die Körner beschalt. — Von H. tetrastichum Horsfordianım mit längeren Ähren dureh die Form derselben und die Richtung der Ährehen verschieden. — Ich erhielt sie im Januar 1899 von Atterberg. Sie ist in allen Jahren konstant geblieben. Der Ursprung ist mir unbekannt. Wahrscheinlich stammt sie aus ZZ. tetrastichum trifureatum oder Hors- fordianum und H. hexastichum pyramidatum brachyurum. D. (9.) var. nudipyramidatum Keke. H. F. no. 9. Die Ähren in der Form ganz wie MH. hexastichum brachyurum, blaßgelb. Die Körner nackt, blal bräunlicheelb — R. 2. Aus H. distichum zeoerithum 2 x 1. tetrastichum trifur- catum g‘. SMeit 1895 konstant. II. Hordeum tetrastichum Keke. 6. (14) var. subriolaceum Keke. H. F. no. 13. Die vierzeiligen Ähren sind kurz, unreif violett, reif grau violett; die Körner beschalt. — W. Rimpau fand 1885 unter den nackten A. tetrastichum violaceum Keke. zweizeilige, bespelzte, violette Ähren, welche er mit Recht als aus einer Mischlingsbefruchtung hervorge- sangen betrachtete und 1856 aussäete. 1587 war diese noch nicht konstant. Es traten noch vierzeilige, bespelzte, violette und blaßgelbe Ähren, sowie auch nackte Körner auf, Ich erhielt von ihm im November 1587 diese zweizeiligen, violetten, beschalten Ähren. 1888 waren beim ihm die Ähren meist zweizeilig, einige jedoch vierzeilig; meist blaßgelb, andere grauviolett. Die nackten Körner, welche sich unter den letzteren fanden, waren violett. Die vierzeiligen, beschalten, grauvioletten Ähren erwiesen sich 1889 konstant und sind es geblieben. — Der Ursprung ist wahrscheinlich Hr tetrastichum violaceum 2x H. distichum nutans (oder erectum) d. — Vergl. var. hypianthinum und ianthinum. 7. (21.) var. duplinigrum Keke. H. F. no. 25. Die Ähren begrannt, schwarz. Klappen und Spelzen normal. Die Körner nackt, braunschwarz. — R.1. Sie trat zuerst 1888 auf, zugleich mit var. nigrum Willd. und pallidum Ser. Seit 1889 ist sie konstant. \ 8. (22.) var. Zatiglumatum Keke. H. F. no. 18. Die Ähren blaßgelb, von der Form der var. pallidum. Alle Teilklappen breitlanzettlich, lang begrannt. Die Körner beschalt. — Der Ursprung ist derselbe wie bei no. 2 (6.) HM. hex. ewrylepis und no. 3. (7.) H. hex platylepis. Beijerinck befruchtete (1854?) H. distichum macerolepis 2 mit FH. hexastichum g wnd schickte 1885 Ähren an mich, welche alle schwarz waren mit helleren Grannen. Die einen gehörten zu 7. tetra- stichum, deren Resultate unter no. 9. (23.) var. atrispieatum nachzusehen sind. Die zu H. hexastichum gehörigen Ähren lieferten 1886 fünf verschiedene Varietäten. Die Entstehung und das Verhalten neuer Getreidevarietäten. 425 Die eine derselben, entsprechend der jetzigen H. hex. platylepis ergab 1887 vier verschiedene Varietäten und Zwischenformen, von denen die eine unserer var, latiglumatum entsprach. Sie ist seit 18883 konstant. 9. (23.) var. atrispieatum Keke. H. F. no. 19. Die Ähren schwarz, ihre Form wie bei var. nigrum. Alle Teilklappen breitlanzettlich. Die Körner be- schalt. — Der Ursprung ist derselbe wie bei no. 2. (6.) H. hex. var. eurylepis und 3. (7.) H. hexw. platylepis. Vgl. no. 8 (22.) latiglumatum. Bei den 1855 an mich geschickten, zu H. tetrastichum gehörigen Ähren waren die Klappen aller Ährehen sehr lang. Sie ergaben 1886 eine sehr reiehliche Ernte, deren Ähren völlig gleich waren und bis jetzt konstant geblieben sind. — Auffallend ist hier die schnelle Konstanz der neuen Varietät, um so mehr, als aus den anderen zu 7. hewastichum gehörigen Ähren bei der ersten Aussaat fünf verschiedene Varietäten hervorgingen. (Vgl. no. 8. (22.) var. latıiglumatum. y 10. (24.) var. sublatiglumatum. Die Ähren blaßgelb, begrannt, schmal, lang. Alle Klappen breitlanzettlich, mit langen feinen Grannen. Die Körner nackt, gelbrötlich. — Ich erhielt sie von Alb. Atterberg im Januar 1899. Sie blieb konstant. Der Ursprung ist mir unbekannt. Vielleicht ein Mischling von H. tetrastichum eoeleste und Hord. distichum abyssinicum. 11. (25.) var. subeornutum. Die Ähren blaßgelb. Die Mittelährehen mit dreizackiger Kapuze, die Seitenährchen kurz begrannt. Die Körner beschalt. — Der Ursprung wie bei 7. (21.), also R. 1. — Sie trat erst 1902 auf und ist noch fern von der Konstanz. 12. (26.) var. atricornutum. Die Ähren schwarz, sonst wie 11. (25.) sub- cornutum. — Der Ursprung ist ebenfalls R. 1. — Sie trat auch erst 1902 auf und ist ebenfalls noch fern von der Konstanz. 13. (28.) var. subaethiops. Die Ähren schwarz. Die Mittelährehen mit dreizackiger Kapuze. Die Körner nackt, braunschwarz. — R. 1. — Sie trat erst 1902 unter var. 16.(34.) aethiops auf. 1903 ergaben sich nur wenig entsprechende Ähren. Die meisten gehörten var. aethiops an. 14. (31.) var. Horsfordianum Wittm. H. F. no. 16. Die Ähren blaßgelb. Die Spelzen mit dreizackiger Kapuze. Die Körner beschalt. — Davon gibt es zwei Formen: a. Bei der ersten sind die Ähren kürzer (bis 7 wurde von Horsford in Charleston, Vermont, U. $. durch Kreuzung von „Es- courgeon-Gerste“ mit „Nepal-Gerste“ erzielt, also wahrscheinlich von H. tetrastichum pallidum und trifureatum. L. Wittmack erhielt davon im Frühjahr 1384 Körner, welche er in demselben Jahre aussäete. Die erzielten Ähren glichen ganz der var. trifurcatum, jedoch waren sie robuster und ihre Körner beschalt. Von diesen erhielt ich im Herbst 1884 einige Körner, deren Aussaat 1885 fünf Ähren vom Aus- sehen der var. trifwrcatum lieferten. Die meisten Körner waren nackt. Die Aus- saat der beschalten Körner ergab 1886 var. Horsfordianum (an manchen Ähren befanden sich einige Körner mit normalen Grannen) und trifurcatum und coeleste. Die Aussaat von var. Horsfordianum war 1887 konstant und blieb es auch. b. Bei der zweiten Form sind die Ähren schlanker und lockerer und länger (bis 9 em lang). Sie fiel aus der ersten Rimpauschen Kreuzung 1855 von cm lang) und dichter. Sie 426 Friedrich Körnicke: H. tetrastichum trifureatum 5 und H. distichum Steudeliü 2, welche ich 1887 aus- säete. Hier ergab sich außer vielen anderen Formen auch die var. Horsfordianum, welche 1590 konstant wurde. 15. (32.) var. atrum Keke. H. F.no. 17. Die Ähren schwarz. Die Spelzen mit dreizackiger Kapuze. Die Körner besehalt. — Der Ursprung ist derselbe wie bei 14 (31) b, also R. 1. Sie trat ebenfalls schon 1887 auf und wurde 1892 konstant. 16. (34.) var. aethiops Keke. H. F. 28. Die Ähren wie var. trifurcatum aber schwarz. Die Körner nackt, braunschwarz. — R. 1. — Sie fiel aus den zahlreichen Formen, welche die erste Aussaat bei mir 1887 ergab. Im Jahre 1888 ausgesäet erschien sie wieder, aber auch noch andere Formen. 1589 entsprachen fast alle Ähren der Aussaat, außerdem waren aber einige duplinigrum dazwischen. Dies wiederholte sich auch 1590. Im Jahre 1591 wurde sie konstant. 17. (35.) var. tonsum. Die Ähren blaßgelb, unbegrännt: Die Körner be- schalt. — R. 1. — Sie trat zuerst 1901 auf und ist noch nicht konstant. 1905 lieferte sie noch die Varietäten Horsfordianum, inerme und subinerme. 18. (36.) var. nigritonsum. Sie unterscheidet sich von var. tonsum nur dureh die schwarze Farbe. — R. I. — Sie trat erst 1902 auf und lieferte 1903 außerdem noch die Varietäten decussatum und subdeeussatum. 19. (37.) var. nuditonsum. Die Ähren blaßgelb, unbegrannt. Die Körner nackt, blaßrötlich gelb. — R. 2. — 1902 lieferte eine Aussaat der var. gymnano- malum folgende Varietäten: a. gymnanomalum,; b. densum; ce. trifurcatum; d. Mittelährehen :sehr kurz begrannt, Seitenährehen unbegrannt; e. unbegrannt und ohne Kapuze. Auffallenderweise war diese 1903 schon konstant. Da die Kreu- zungsgersten 1904 nicht ausgesäet wurden, so bleibt es zweifelhaft, ob nicht später Abweichungen eintreten. 20. (38.) var. crispum Kceke. H. F. no. 20. Die Ähren begrannt, gelb, dicht und dick, mit kurzen Seitenzweigen, von wirrem, krausem Aussehen. Die Körner beschalt. — W. Rimpau hat die Entstehung derselben in H. Thiel, Landwirt- schaftliche Jahrbücher 20 (1891) S. 355—360 beschrieben und sie auf Taf. XXIII, 130 abgebildet. Sie ist ein spontaner Mischling von H. tetrastichum coeleste L. 2 mit H. distichum compositum Keke. g, also von einer nackten, einfachen, vier- zeiligen mit einer beschalten, verästelten, zweizeiligen Gerste. Die erstere hat er auf Taf. XXII, 126, die letztere auf Taf. XXIII, 129 abge- bildet. 1881 standen beide neben einander. 1882 fand sich in der nackten vierzeiligen Gerste eine Pflanze mit völlig zweizeiligen Ähren. Ob die Körner nackt oder bespelzt waren, wurde nicht notiert. Die Aussaat derselben 1384 ergab ein Gemisch von zweizeiligen, vierzeiligen und zwischen beiden intermediären Ähren, von allen Formen nackte und bespelzte; außerdem eine ziemliche Anzahl zweizeilige, bespelzte, verzweigte Ähren. — Von den normalen (nieht verästelten) Ähren wurde zweizeilige, bespelzte und nackte, sowie vierzeilige, bespelzte und nackte Gerste ausgesäet. Zunächst fielen bei allen wieder verschiedene Varietäten, von denen stets die der Aussaat entsprechenden zu weiteren Versuchen ausgewählt wurden. 1589 waren sie konstant: also normale zweizeilige bespelzte, zweizeilige nackte Gerste; vierzeilige bespelzte, vierzeilige nackte Gerste. — Von den nicht normalen Die Entstehung und das Verhalten neuer Getreidevarietäten. 427 (verästelten) Gersten wurde zweizeilige nackte und bespelzte, sowie vierzeilige nackte weiter kultiviert Die letztere lieferte bei ihm 1390 noch viele normale Ähren; die zweizeiligen waren fast konstant. Die zweizeilige, verästelte, nackte Gerste, var. subeompositum, habe ich nicht gesehen. W. Rimpau ist unterdeß leider verstorben. Er schiekte im Herbst 1886 an mich drei Ähren der verästelten, vierzeiligen Gerste mit Erläuterungen. Fast alle Körner waren beschalt; an zehn war nur die Innenspitze angewachsen; zwei waren nackt. Die Aussaat dieser (nicht gesonderten) Körner lieferte 1887 nur verästelte vierzeilige Ähren und diese sind in allen fol- genden Jahren konstant geblieben. Die Körner waren meist beschalt, andere nackt. Beide fanden sich in derselben Ähre. Im folgenden Jahre wurden sie gesondert gesäet. Von 18390 an waren sie konstant, wenn man davon absieht, daß gelegent- lich Rückschläge in Bezug auf einzelne Körner eintreten. Im Herbst 1887 schiekte er denselben Mischling noch einmal und zwar als „nackt“ bezeichnet. Die Aussaat ergab 1888 lauter verästelte Ähren mit nackten Körnern. Dazwischen waren einige beschalte. So ist es auch geblieben, nur daß seit 1390 keine beschalten Körner mehr auftreten. Die Ähren haben ein wirres Aussehen und die Zweige treten nicht ohne weiteres in Sicht, wie bei den verästelten Weizen- und Roggenähren. Die Grannen sind ziemlich fein und von verschiedener Länge. An den unteren und oberen Spindelausschnitten der Ähre stehen mehr als drei Ährehen — ich habe bis elf gezählt — teils neben, teils vor einander. Bei den weniger kräftig entwickelten Ähren ist dies an der ganzen Ähre der Fall. Bei den kräftigeren Ähren befindet sich aber an den mittleren Spindelausschnitten in der Mitte der Ährchengruppe ein kleiner Zweig, mit der flachen Seite der Spindel zugekehrt, welcher 1—3 Inter- nodien hat und auf jedem ein fruchtbares Ährchen trägt. Aber dieser kurze Zweig wird von den daneben stehenden Ährchen verdeckt. 21. (39.) var. crispicapillum Keke. H. F.no.29. Die Varietät unterscheidet sich von var. crispum nur durch die nackten Körner. Ihre Entstehung ist bei 20 (33) auseinandergesetzt. II. Hordeum intermedium Kcke. Sämtliche Reihen fruchtbar, aber die Seitenährehen ohne Grannen und Kapuzen. 22. (40.) var. Haxtoni Keke. Die Ähren locker, von der Form der var. nutans, blaßgelb. Die Körner beschalt. Ich sagte seinerzeit: „Die äußere Spelze der Seitenährehen spitz oder zugespitzt.“ Jetzt ist sie stumpf, indem zur Aussaat immer nur Ähren genommen, in welchen sie möglichst stumpf war. — Diese bei mir neu entstandene Varietät existierte schon früher in landwirtschaftlicher Kultur in Schottland. John Haxton beschrieb sie in Morton, Cyelopedia of Agrieulture (1369) 1, p. 185 als Bere showing in Transmutation into Barley. Auch bei ihm waren, wie bei mir, nicht sämtliche Ährchen der Seiten- reihen fruchtbar; mehrere derselben hatten (gegenüber der var. distans) unnatürlich große Blüten. Übrigens scheinen sich unter seinen Aussaaten auch Repräsentanten von A. hexastichum transıens befunden zu haben. Ihre Kultur wurde wieder auf- gegeben, wohl weil sie landwirtschaftlich keinen Wert hatte. — Bei mir entstand 428 Friedrich Körnicke: sie auf ganz ähnliche Weise, wie die var. tramsiens und zudem gleichzeitig. Im Sommer 1875 erschienen unter einer Wintersaat von A. distichum nutans einige Ähren, welche den Übergang zu H. tetrastichum pallidum bildeten. Diese ergaben nun ganz ähnliche Resultate: Mittelformen zwischen diesen beiden Varietäten, wie bei der Entstehung der var. transiens aus A. distichum erectum. Die Herbstaussaat 1802 erfror; eine neue Aussaat wurde seit 1893 als Sommergerste kultiviert. Die var. palidum war schon seit 1855 nicht mehr erschienen. Dagegen traten noch 1887 einige Übergänge zu derselben auf, später nicht mehr. Seit 1893 ist auch die var. nutans verschwunden. Doch wäre es nicht auffallend, wenn auch in späteren Jahren sich einige Ähren derselben zeigten. Denn niemals sind alle Seitenährehen frucht- bar. Auch bei den am besten ausgebildeten Exemplaren sind immer die untersten Ährehen unfruchtbar. Bei anderen bilden diese die große Mehrzahl; bei noch anderen finden sich nur wenig fruchtbare Ährchen und zwar immer nach der Spitze zu. Da kann es denn leicht kommen, daß an einzelnen Ähren kein einziges Korn in den Seitenreihen auftritt und wir dann die var. nztans erhalten. Dieselbe Varietät entstand später noch einmal und zwar aus H. tetrastichum nigrum Willd., einer schwarzen Wintergerste aus Tiflis, welche ich seit 1850 kultivierte. Wahrscheinlich war sie befruchtet von 7. distiehum nutans. 1898 erschienen unter ihr zum erstenmale vier Ähren wie H. nigrieans, aber die Spelzen der Seiten- ährehen waren kurz begrannt. Die Aussaat derselben ergab 1899 schwarze und weiße Varietäten, welche in den folgenden Jahren in Variation blieben. 1902 trat darunter auch var. Haxtoni auf. Diese lieferte 1903 außerdem noch nutans und pallidum, was auch 1904 noch der Fall war. 23. (41) var. transiens Keke. Die Ähren dicht, aufrecht, von der. Form des H. hexastichum parallelum, blaßgelb. Die Körmer beschalt. — Im Sommer 1975 erschienen bei mir unter der Wintersaat von Hordeum distichum erectum einige Ähren, welche Übergänge zu H. hexastichum bildeten. Bei den einen zeigten die Spelzen der unfruchtbaren Seitenährchen eine kurze, stumpfe Spitze, bei den andern kurze bis 1,35 cm lange Grannen. Endlich waren an einigen der letzteren die Seitenährchen zum Teil fruchtbar. Die Wintersaat aus diesen Übergangsformen erfror. Die Sommersaat ergab 1876: 1. H. distichum erectum normal. Da 4 2 mit kurzbegrannten Seitenährchen. Du A 5 mit unfruchtbaren, länger begrannten Seitenährehen. Auge 2 x wie 2.und 3., aber die Seitenährchen teilweise fruchtbar, 5. „ hewastichum parallelum mit lauter fruchtbaren, kurz begrannten Seiten- ährchen. 6:45 R e wie 5., aber die Grannen länger. Hana ” parallelum. Die Aussaat 1877 von no. 1. ergab lauter MH. distichum ereetum; die von no. 7 lauter MH. dist. parallelum. Auch die späteren Aussaaten blieben konstant. — Verschiedene Aussaaten der Mittelformen ergaben alle H. distichum ereetum (zuweilen mit spreizenden Grannen, später von Eriksson A. dist. erectum subvar. patens genannt) und FH. hexastichum parallelum; außerdem aber wieder zahlreiche Mittelformen. Ganz ähnlich verhielten sich die letzteren auch in den späteren Aus- Die Entstehung und das Verhalten neuer Getreidevarietäten. 429 saaten. Hier und da fanden sich aber an einigen Ähren der var. ereetum in den Seitenährehen vereinzelte unbegrannte oder fast unbegrannte Körner. Die lieferten wiederum H. dist. ereetum und H. herastichum parallelum nebst verschiedenen Über- gangsformen, darunter die var. ereetum mit einzelnen fruchtbaren, völlig unbe- grannten Seitenährehen. Die Aussaat dieser letzteren Körner ergab 1879 die var. ereetum und viele Ähren derselben mit mehr oder weniger zahlreichen, fruchtbaren, unbegrannten, stumpfen Seitenährehen. Hier fiel also zum erstenmale FH. hexa- stichum parallelum aus, das auch in den folgenden Jahren nicht wiederkehrte. Die Ähren der var. erectum mit den zahlreichsten fruchtbaren Seitenährchen (var. inter- medium transiens) wurden stets zur weiteren Aussaat genommen. Sie lieferten bis 1895 immer wieder var. tramsiens und ereetum. Von 1896 an blieb var. transiens in gewissem Sinne konstant, nur daß die fruchtbaren Seitenährehen mehr oder weniger zahlreich waren. 24. (42.) var. pavoninum. Die Ähren blaßgelb, von der Form der var. zeoerithum L., also pyramidal. Die Körner beschalt. — R. 2. Also aus H. disti- chum zeoerithum 2x H. tetrastichum trifurcatum g. Sie ist noch nicht konstant, sondern ergibt noch H. hexastichum pyramidatum subvar. brachyurum und H. disti- chum zeocrithum. Diese Varietät ist aber auch durch spontane Variation aus A. distichum zeo- erithum entstanden und von Hause aus konstant. W. Rimpau sagt darüber in H. Thiel, Landw. Jahrbücher 21 (1892) S. 701: „Eine intermediäre Form zwischen H. zeocrithum L. und H. hexastichum L. hat auch Drechsler in Göttingen gefunden. Er sandte mir davon am 18. August 1388 eine Ähre und teilte mir mit, daß er diese Form 1853 im Felde als spontane Variation von A. zeocrithum gefunden und fort- gezogen habe. Diese Gerste hat die Ährenform von H. zeoerithum, die Seiten- ährchen sind aber im oberen Teile der Ähre, zuweilen nur in wenigen Stufen, zu- weilen über die Hälfte der Ähre hinaus (aber nie ganz bis an die Basis der Ährey zu fruchtbaren, aber grannenlosen Körnern entwickelt. Ich habe diese Gerste 3 Jahre kultiviert; sie blieb konstant.“ — Diese Beschreibung stimmt genau mit der von mir erzogenen, aber noch inkonstanten Varietät. 25. (43.) var. Mortoni. Die Ähren schwarz, schlank. Die Mittelährchen be- grannt. Die Körner beschalt. — Sie entstand aus A. tetrastichum nigrum, der schwarzen Wintergerste aus Tiflis, als sich 1898 zum erstenmale bei derselben Abweichungen zeigten. (Vgl. 22. (40.) var. Haxtoni zum Schluß.) Sie war 1904 noch nicht konstant, sondern lieferte noch H. tetrastichum nigrum und H. distichum nigricans. 26. (44.) var.nudihaxtoni. Die Ähren schmal, wie bei var. nutans, schmutzig gelb. Die Mittelährehen begrannt. Die Körner nackt, blaßrötlichgelb, wie bei var. coeleste. — R. 2. — Sie trat zuerst 1900 auf und lieferte 1903 noch coeleste und nudum. 26 bis (44 bis) var. subhaxtoni. Die Ähren schmal aber dicht, schmutzig gelb. Die Mittelährehen begrannt. Die Körner schmutzig braun oder blaugrau. — Die Eltern sind mir unbekannt. Ich erhielt 1899 von A. Atterberg die var. subatterbergü, aus welcher sie sich herausgebildet hat. Es fallen auch jetzt noch Ähren derselben. 430 Friedrich Körnicke: 27. (45.) var. nuditransiens. Die Ähren dieht und breit wie bei A. disti- chum ereetum, blaßgelb. Die Mittelreihen begrannt. Die Körner nackt, blaßrötlich- gelb wie bei var. coeleste. — R. 2. — Sie trat zuerst 1395 auf. 1903 lieferte sie noch neogenes und revelatum. 28. (46.) var. amomalum Keke. H. F. no. 32. Die Ähren dicht und breit wie bei H. distiehum ereetum, blaßgelb. Die Mittelährehen mit dreizackiger Kapuze. Die Körner beschalt. — R. 2. — Sie trat schon 1592 auf. 1903 lieferte sie noch var. Zatispieatum und var. Horsfordianum. 29. (47.) var. gymnanomalum Keke. H. F. ne. 33. Die Ähren wie bei 28, (46.) anomalum, aber die Körner nackt, blaßrötlichgelb wie bei var. coeleste. — R. 2. — Sie trat ebenfalls schon 1892 auf. 1903 lieferte sie noch var. densum und var. trifurcatum. IV. Hordeum distichum L. 30. (51.) var. nigrescensKeke. Die Ähren wie bei var. nutans, schwärzlich blaugrau; die Grannen blaßgelb. Die Körner beschalt. — Sie trat bei mir zuerst 1375 unter einer Sorte der var. nigrieans Ser. auf und ist seit 1376 konstant, je- doch nicht ganz ausgeglichen. Die Körner sind stets dunkler oder heller. Vielleicht durch Bestäubung der var. nigricans mit var. nutans entstanden. 31. (52.) var. hypianthinum Keke. H. F. no. 38. (In der Übersicht von H. F. steht subviolaceum. Dieser Name ist aber schon no. 13 vergeben. In den „Bemerkungen“ von H. F. S. 10 ist er in hypianthinum umgeändert). Die Ähren wie bei var. nutans, unreif violett, reif blaßgrauviolett. Die Körner beschalt. — W. Rimpau fand sie 1855 unter A. tetrastichum violaceum. 1887 war sie noch nicht konstant; es traten noch vierzeilige beschalte violette und blaßgelbe Ähren, sowie nackte Körner auf. Ich erhielt von dieser Ernte Ähren, welche der obigen Varietät hypianthinum entsprachen. Die Aussaat derselben ergab 1588 meist zwei- zeilige Ähren, einige violett, andere gelb. Außerdem fielen — aber nur sehr wenige — ebenso gefärbte vierzeilige Ähren. Die Körner waren meist beschalt, blaßgrauviolett. 1889 war die zweizeilige blaßgrauviolette beschalte Varietät fast konstant und es erschienen nur sehr wenige vierzeilige Ähren. 1900 erwies sich die erstere, also var. hypianthinum konstant und ist es geblieben. — Die vierzeilige be- schalte grauviolette Varietät wurde schon 1889 konstant. — Der Ursprung ist wahr- scheinlich ZH. tetrastichum violaceum 2 x H. distichum nutans d'. 32. (61.) var.subatterbergii Keke. Die Ähren schmal und dicht, etwas schmutzig blaßgelb. Die äußere Spelze der Seitenährchen wie bei var. Atterbergüi, d.h. breiter als bei var. nutans Al., lanzettlich (nach der Spitze zu allmählich ver- schmälert). Die Körner nackt, schmutzig braun oder blaugrau. — Nicht selten sind einzelne Seitenährehen fruchtbar, sonst konstant. (Vgl. var. 26 bis (44 bis) H. intermedium subhaztont). 33. (63.) var. neogenes Keke. H. F. no. 46. Die Ähren wie bei H. distichum erectum patens, blaßgelb, dieht und breit; die Grannen etwas spreizend. Die Körner nackt, blaßbräunlich gelb. — R. 2. — Unter den Varie- täten meiner ersten Aussaat erschien var. zeoerithum, aber nackt. Diese lieferte 1892 die gleiche Varietät und außerdem var. neogenes, Diese letztere wurde 1893 konstant. (Vgl. 37 (66 bis) var. Beijerinckü). .. ww Die Entstehung und das Verhalten neuer Getreidevarietäten. 431 34. (64.) var. ianthinum Keke. H. F. no. 47. Die Ähren wie schmales H. distiehum ereetum genuinum, wunreif violett, reif blaßgrauviolett. Die Körner nackt, violett. — Der Ursprung ist derselbe, wie bei H. tetrastichum subviolaceum und 4. distichum hypianthinum. W. Rimpau fand 1885 unter H. tetrastichum violaeeum Keke. zweizeilige nackte violette Ähren. 1887 war die letztere Varietät noch nicht konstant. Es traten noch einige vierzeilige Ähren und bespelzte Körner auf. Er schiekte im November 1887 einige Ähren an mich. 1888 waren bei diesen die Ähren mehr oder weniger schwach grauviolett, die Körner alle nackt und dunkel violett. Einige Ähren waren noch vierzeilig. 1889 war die zweizeilige Varietät konstant und ist es geblieben. Die Körner lösen sich schwer, wie dies gewöhnlich bei den nackten Gersten ist, welche aus Mischlingsbefruchtungen mit beschalten Gersten entstanden sind. — Der Ursprung ist wahrscheinlich H. tetrastichum viola- laceum 2 x H. distichum nutans. (Vgl. var. subviolaceum und hypianthinum). — Auffallend ist, daß die Ähren dicht (nicht loeker wie bei var. hypiamthinum) wie bei H. distichum ereetum genwinum sind. Sie sind aber schmaler, als bei der letzteren. 35. (65.) var. gymnocrithum Keke. H. F. no. 48. Die Form der Ähren wie bei var. zeocrithum, blaßgelb. Die Körner nackt, blaßbräunlich gelb. — R. 2. — Trat bei mir gleich bei der ersten Aussaat 1581 auf und wurde 1595 konstant. 36. (66.) var. heterolepis Keke. Sie unterscheidet sich von 4. distichum erectum patens durch die äußere Teilklappe der Seitenährchen, welche breitlanzett- lich ist. — Sie ist, wie var. recens (Hordeum hexastichum) aus derselben Über- gangsgerste von Hordeum distichum erectum in H. hexastichum parallelum entstanden, welche 1875 unter A. distichum ereetum (zweijährig) auftrat. Unter einerderalljährlichen, in sich etwas verschiedenen Aussaaten erschienen 1879 unter var. erectum patens acht Ähren, welche sich von dieser durch die breitlanzettliche äußere Teilklappe der Seitenährehen unterschieden, also der var. heterolepis entsprachen. Die übrigen Ähren bildeten Übergänge zwischen AH. dist. erectum patens und H. hexastichum parallelum. Die Aussaat der var. heterolepis ergab in den folgenden Jahren außerdem noch die var. recens; in manchen Jahren noch dazu die var. erectum und var. parallelum. Seit 1896 ist die var. heterolepis konstant geworden, wenn man davon absieht, daß 1901 noch einmal darunter die var. erectum auftrat; also ein Rückschlag. 37. (66 bis). var. Beijerinckii Keke. Die Ähren wie bei A. distichum erectum patens, dicht und breit, blaßgelb, die Grannen spreizend. Die äußere Klappe der Seitenährchen breitlanzettlich. Die Körner nackt, blaßbräunlichgelb. —- Der Ur- sprung unbekannt. Ich erhielt sie im Januar 1899 von A. Atterberg. Sie lieferte außerdem noch die var. neogenes und so ist es geblieben. 38. (68.) var. dubium Keke. Die Ähren wie bei var. nutans, aber breiter und dichter, graulichgelb. Die Klappen der Mittelährehen breitlanzettlich, begrannt, ihre Grannen sehr viel kürzer und feiner als die der Spelzen, etwa '/s so lang. Die beiden Teilklappen der Seitenährehen schmallanzettlich, die Blüte fast ganz verhüllend, kurz und fein begrannt. Die Körner beschalt. —- Ursprung unbekannt; erhalten von A. Atterberg. 39. (69.) var. nudidubium Kceke. Die Ähren wie bei var. dubium, aber schmutzig gelb oder schmutzig violett. Im Übrigen alles übereinstimmend, aber die Körner nackt, schmutzig violettbraun, — Ursprung unbekannt; erhalten von A. Atterberg. 432 Friedrich Körnicke: 40. (73.) var. nudideficiens Keke. H. F. no. 57. Die Ähren wie bei var. defieiens; die Körner nackt, blaßgelb. — R. 1. — +41. (74.) var. decorticatum Keke. H. F. no. 58. Die Ähren wie bei var. Steudelii; die Körner aber nackt, braunschwarz. — R. 1. — Wurde 1889 konstant. 42. (77.) var. pseudoabyssinieum Keke. Die Ähren wie bei var. nutans Al., schmal, locker, oft niekend, blaßgelb. Klappen der Mittelährehen breitlanzettlich, anliegend, begrannt; die Grannen derselben sehr viel feiner und kürzer als die der Spelzen. Die Seitenährehen verkümmert, mit nur einer lineallanzettlichen, kahlen Klappe Körner beschalt, schwach grauviolett oder graublau, im Innern graublau. — Von var. abyssinieum namentlich verschieden durch die Farbe der Körner, welche bei var. abyssinicum außen und innen blaßgelb ist, und durch die schmaleren Ähren. — Ursprung unbekannt. Erhalten von A. Atterberg. 43. (79.) var. angustispicatum Keke. H. F. no. 59. Die Ähren schmal, locker, wie bei var. nutans, blaßgelb. Die Mittelährehen mit dreizackiger Kapuze, die Seitenährehen normal. Die Körner beschalt. — a. R. 1. Wurde 1902 konstant. 1901 fielen noch var. triceros und var. Horsfordianum. — b. R. 2. Die Ähren ein wenig breiter und dichter. Noch nieht konstant. 1905 fiel noch var. mutans. 44. (80.) var. latispicatum Keke. H. F. no. 60. Wie 43. (79.), aber die Ähren dicht, wie var. ereetum und kürzer. — R. 2. — Wurde 1895 konstant. 45. (81.) var. triangulare Keke. Wie 44. (S0.) aber die Ahren noch kürzer und dreieckig wie var. zeoerithum. — R. 2. — 1897 fiel noch var. zeoerithum. 1898 kam sie nicht zur Aussaat. Seit 1899 ist sie konstant. 46. (82.) var Rimpaui Wittm. Die Ähren ziemlich schmal und ziemlich locker, schwarz. Die Mittelährehen mit dreizackiger Kapuze, die Seitenährchen normal. Die Körner beschalt. — R. 1. — Sie war das erste und alleinige Produkt der Kreuzung. 1902 war sie noch nicht konstant, jedoch 1903. Ob aber auf die Dauer? Es ist auffallend, daß diese Varietät, aus welcher so viele andere hervor- gingen und teilweise mehr oder weniger bald konstant wurden, 1902 noch nicht konstant war. Da 1904 die Kreuzungsgersten nicht ausgesäet wurden, so bleibt es zweifelhaft ob die Konstanz, welche 1903 eintrat, sich auf die Dauer erhält. 47. (83.) var. triceros Keke. H. F. no. 62. Die Ähren schlank, locker, blaßgelb. Die Mittelährchen mit dreizackiger Kapuze, die Seitenährehen ver- kümmert. Die Kömer beschalt. — R. 1. — Wurde 1589 konstant. 15835 fielen noch angustispicatum, nutans, Steudelü, pallidum und Horsfordianum. 48. (84.) var. tridax Keke. H. F. no. 65. Ganz wie 47. (83.) var. tröceros, aber schwarz. — R. 1. — Wurde 1891 konstant. 1890 fielen noch Rimpaui und Steudelü. 49. (85.) var. angustissimum Keke. Die Ähren sehr schmal, bis I em breit, ziemlich dicht, blaßgelb. Die Mittelährehen mit dreizackiger Kapuze, die Seiten- ährehen normal. Die Kömer nackt, blaßrötlichgelb. — R. 2. — Sie entstand 1899 unter var. 50. (86.) laxzum Keke., welche schon vor 1595 erschienen war und 1599 noch var. trifurcatum und var. nudum ergab. Sie wurde schon schon 1900 konstant. 50. (86.) var. Zawum Keke. H. F. no. 64. Die Ähren schmal, locker, blaß- gelb. Die Mittelährchen mit dreizackiger Kapuze, Die Seitenährehen normal. Die .. Born — | Die Entstehung und das Verhalten neuer Getreidevarietäten. 433 Körner nackt, blaßrötlichgelb. — R. 2. — Sie fiel schon vor 1895 und war 1901 noch nicht konstant. — Sie existiert aber anderwärts und ist dort konstant. — Ich erhielt sie im Frühjahre 1393 von der Samenhandlung Haage und Schmidt in Erfurt als „Nackte, dreigabelige, zweireihige Gerste. Sie war und blieb konstant. 51. (87.) var. densum Keke. H. F. no. 65 Die Ähren dicht und breit, blaßgelb. Die Mittelährehen mit dreizackiger Kapuze, die Seitenährchen normal. Die Körner nackt, blaßbräunlichgelb. — Sie entstand zweimal. a. — R. 1. — Bei meiner ersten Aussaat 1887 erschienen unter den zahlreichen Varietäten Ähren wie Rimpawi, die Körner aber nackt und schwarz. 1588 erschien bei der Aussaat derselben neben den entsprechenden Ähren auch die var. densum und andere Varietäten. 1889 erschien var. densum wieder, sowie verschiedene andere. 1890 lieferte sie außer var. densum noch var. sublarum und var. trifurcatum. So ist es bis 1903 geblieben. — b. — R. 2. — Sie tıat 1892 auf und wurde 1896 konstant. Sie ist breiter als a. 52. (88.) var. sublaxum Keke. Die Ähren locker und ziemlich schmal, blaßgelb. Die Mittelährchen mit dreizackiger Kapuze, die Seitenährchen verkümmert. Die Körner nackt, blaßbräunlichgelb. — R. 1. — Sie fiel zuerst 1988 aus var. lazum von 1887. 1890 lieferte sie noch var. nudidefieiens. Seit 1891 ist sie konstant. 53. (89.) var. gymnospermum Keke. MH. F. no. 66. Die Ähren locker und ziemlich schmal, schwarz. Die Mittelährehen mit dreizackiger Kapuze, die Seitenährehen verkümmert. Die Körmer nackt, braunschwarz. — R. 1. — Diese Varietät fiel schon bei meiner ersten Aussaat der var. Rimpaw. In den nächsten Aussaaten ergaben sich außer ihr noch andere Varietäten; von 1890 bis 1892 nur noch var. Steudelü. 1595 wurde sie konstant. 54. (90.) var. inerme Keke. H. F. no. 67%. Die Ähren blaßgelb, ohne Grannen und Kapuze. Die Seitenährehen normal. Die Körner beschalt. — R. 1. — Bei meiner ersten Aussaat von var. ZRimpauwi 1887 erschienen unter anderen a. zwei schwarze zweizeilige Ähren ohne Grannen und Kapuze neben ein- ander stehend — ferner b. zwei andere Ähren, ebenfalls neben einander stehend und von den ersteren entfernt solche, welche diesen völlig glichen, aber in einzelnen Seiten- ährehen ein Korn trugen. Je zwei Ähren sind also wahrscheinlich einem Korn entsproßt. — Aus a fielen 1888: 1. Ähren schwarz und unbegrannt; &. Die Seiten- ährehen normal, die jetzige var. decussatum. 3. die Seitenährchen verkümmert, die jetzige var. subdecussatum. 'y. wie &, aber einzelne Seitenährchen fruchtbar. 2. var. nigrum. 3. var. pallidum. — Die fruchtbaren Seitenährehen aus b ergaben: 1. blaß- gelbe unbegrannte und kapuzenlose Ähren mit normalen Seitenährchen (var. inerme). 2. Ähren wie 1., aber einzelne Seitenährehen fruchtbar. 3. Andere Varietäten. — Die Körner bei allen waren beschalt. — Faßt man die Farbe ins Auge, so fielen blaßgelbe und schwarze Ähren.ohne Übergänge. Das Ziel bei den folgenden Aus- saaten war, unbegrannte und kapuzenlose Varietäten von beiden Farben zu erhalten und zugleich, von H. distichum solche mit normalen und andere mit verkümmerten Seitenährehen zu erziehen. Dabei ergaben sich dann nebenbei immer verschiedene andere Varietäten. Eine häßliche Form trat einige Jahre hindurch in blaßgelb und schwarz auf, nämlich A. distiehum mit kürzeren oder längeren, starken Grannen der Mittelährehen. Diese Grannen waren aber an derselben Ähre sehr ungleich 434 Friedrich Körnicke: lang und zwar nieht in allmählichen Übergängen, sondern ohne alle Ordnung. Dazwischen fehlten sie oft an einzelnen Ährchen. 55. (91.) var. deeussatum Keke. H. F. no. 68. Die Ähren schwarz, ohne Grannen und Kapuzen. Die Seitenährehen normal. Die Körner beschalt. — R. 1. — Sie ist noch nieht konstant, sondern liefert noch var. subdecussatum und var. nigrum. 56. (92.) var. subinerme Keke. H. F. no. 69. Die Ähren blaßgelb, ohne Grannen und Kapuzen. Die Seitenährchen verkümmert. Die Körner beschalt. — R. 1. — Seit 1901 konstant. 57. (93.) var. subdecussatum Keke. H. F. no. 70. Die Ähren schwarz, sonst wie var. 56. (92.) subinerme. — R. 1. — Seit 1901 konstant. 58. (94.) var. duplialbum Keke. H. F. no. 71. Die Ähren blaßgelb, ohne Grannen und Kapuzen. Die Seitenährehen normal. Die Körner nackt, blaßrötlich- gelb. — R. 1. — Noch nicht konstant; sie liefert noch var. subduplialbum und var. eoeleste. — M. W. Beijerinck erzielte dieselbe Varietät aus seiner Kreuzung von H. distichum nudum 2 X H. tetrastichum trifurcatum 9. Sie war bei ihm schon 1887 konstant. Ich erhielt sie von ihm 1895; sie ging aber leider nicht auf. Hier war also zur Kreuzung eine zweizeilige Gerste mit normalen Seitenährchen benutzt. 59. (95.) var. dupliatrum Kceke.; H.F. no. 72. Die Ähren schwarz, sonst wie var. 58. (94.) duplialbum. Die Körner nackt, braunschwarz, — R.1. — Noch nicht konstant. Sie liefert noch var. subdupliatrum und var, duplinigrum. 60. (96.) var. subduplialbum Keke. Die Ähren blaßgelb, ohne Grannen und Kapuzen. Die Seitenährehen verkümmert. Die Körner nackt, blaßbräunlichgelb. — R. 1. — Seit 1901 konstant. 61. (97.) var. subdupliatrum Keke. Die Ähren schwarz, sonst wie bei var. 60. (96.) subduplialbum. Die Körner nackt, braunschwarz. — R. 1. — Seit 1901 konstant, 62. (98 bis) var. subcompositum. Die Ähren verästelt, blaßgelb; der obere Teil wie var. nutans. Die Körner nackt. — R. 1. — Vgl. var. 20. (38.) erispum Keke. Ich habe Ähren nicht gesehen. 63. (99.) var. Krausianum Wittm. in Sitzber. d. Ges. naturforsch. Freunde zu Berlin. 1885. $. 1. Der obere Teil der blaßgelben Ähre gleicht dem H. disti- chum erectum. Unterhalb der Mitte zeigt sich in einigen sterilen Seitenblüten ein fruchtbares Korn. In der Mitte der Ähre selbst nimmt die Sprossung zu und es bilden sich dort 4 Äste, jederseits 2, von denen die der einen Seite stärker ent- wickelt sind, als die der anderen. Die Mittelährehen werden durch diese Äste etwas zur Seite geschoben; die Äste treten an ihre Stelle und es erscheint beim ersten Anblick, als wenn die Äste aus dem Mittelährehen durch Sprossung hervor- gegangen wären, während sie in Wahrheit aus den seitlichen entspringen. — So nach der Beschreibung von L. Wittmack, welcher sie von Dr. Kraus, damals in Triesdorf (Bayern) im Oktober 1884 erhielt. Nach Dr. Kraus zeigt sich an einzelnen der monströsen Ährehen die Eigentümlichkeit der nackten Gersten, daß die Spelzen nicht fest mit dem Korn verwachsen sind. — Es ist mir nicht bekannt, ob diese Gerste weiter kultiviert wurde und wie dann die Resultate waren. Ich weiß daher nicht, ob wir es mit einer einmaligen Bildungsabweichung oder mit einer auf die Dauer auftretenden Variation zu tun haben. Nach Analogien mit anderen Fällen glaube ich das letztere. — ee ide u Die Entstehung und das Verhalten neuer Getreidevarietäten. 435 Der Saathafer, Avena sativa L. Die wilde Stammform unserer Kulturhafer ist Avena fatua L. Dieses jetzt wohl über die ganze Erde verbreitete Unkraut bildet sehr viele Varietäten, welche sich schließlieh von den Varietäten unseres Kulturhafers nur dadurch unterscheiden, daß die Scheinfrüchte aus den stehenbleibenden Klappen ausfallen und zwar von einander getrennt. Mit (dieser 4A. fatua L. sehr nahe verwandt ist A. sterilis L., welche in der Mittelmeer-Flora wächst. Bei ihr fallen die Früchte im Zusammen- hange aus den Klappen. Auch von dieser gibt es zahlreiche Varietäten, von denen einige besondere Artennamen erhalten haben. Die neuentstandenen Varietäten sind alle auf Mischlingsbefruchtungen zurück- zuführen. Die var. setosa Keke ist wahrscheinlich das Produkt einer spontanen Kreuzung zwischen A. satiwa und fatua. Die drei anderen leiten ihren Ursprung mutmaßlich auf A. sterilis befruchtet durch A. fatua zurück. Beide mögen neben einander kultiviert worden sein. Hier ist hervorzuheben, daß sämtliche gut ausgebildete Blüten fruchtbar waren. Ob sie dies gleich bei der ersten Kreuzung waren, muß dahingestellt bleiben. Doch scheint mir es wahrscheinlich. Bei allen dreien waren die Halme rohriger, als bei unseren Kulturhafern und der var. setosa Keke. Die ursprüngliche Aussaat stammte bei allen aus botanischen Gärten. Die Varietäten 2. modigenita und 4. quadriflora sind beide desselben Ursprungs. 1870 beginnen meine ersten Notizen über die Resultate der verschiedenen Aussaaten im ökonom. botan. Garten der landw. Akademie Bonn-Poppelsdorf. Die Beschreibung dieser Ursprungsform ist folgende: Die Ährehen meist vierblütig, viel größer als bei A.fatua, sonst ähnlich. Die Schemfrüchte unter sich fest verbunden, sich aus denKlappen lösend. Die Spindel an der Basis dicht fuchsrot rauhhaarig. Jede der beiden untersten Blüten mit einer langen, starken, geknieten, bis zum Knie gedrehten Granne, dicht fuchsig rauhhaarig. Die oberen Blüten unbegrannt, kahl. Die Scheinfrüchte dunkelbraun. — Es muß 1870 eine Mischlingsbefruchtung mit einem unbegrannten Fahnenhafer stattgefunden haben, denn die Ernte 1871 ergab sehr verschiedene Formen, welche sich in der Hauptsache so differenzierten: a. wie die Aussaat. b. gleich a, aber mit nur einer Granne. e. gleich a, aber unbegrannt. 1572 wurden sechs verschiedene Aussaaten gemacht, wobei ich noch kleinere Unterschiede berücksichtigte. Als allgemeines Resultat habe ich notiert: Die zweigrannigen Ährchen — mehr als 2 Grannen kamen nieht vor — fielen aus. Bei den eingrannigen und unbegrannten geschah dies nicht oder viel seltener. Die Scheinfrüchte hielten unter sich fest zusammen. Bei den unbegrannten und eingrannigen verschwanden die Borsten an der Basis der Spindel fast ganz und ließen sie sich schließlich nicht mehr von Saathafer unterscheiden. Die Rispen waren locker zusammengezogen. Bei den ferneren verschiedenen Aussaaten erschienen außer den unten beschriebenen Varietäten modigenita und quadriflora noch andere, die aber im Süden Europa spontan vorkommen, wie die var. Ludovieiana. 1. var, setosa Keke. Die Rispe locker, ausgebreitet. Unbegrannt, zweikörnig, 436 Friedrich Körnicke: sehr oft noch mit einem dritten kleinen Korn. Die Spindel an der Basis borstig. Die Scheinfrüchte dunkelbraun, die unterste borstig. Beim Drusch lösen sich beide von einander. Die Halme wie bei unserem Saathafer. — Ich erhielt sie mit var. brumnea und 4A. fatua L. im Gemisch aus einem botanischen Garten. Sie ist wahrscheinlich aus einer Mischlingsbefruchtung beider entstanden, blieb aber bei mir sogleich konstant. 2. var. modigenita. Die Rispe straff, an A. orientalis L. erinnernd. Unbe- grannt, vierkörnig, sehr oft noch mit einem fünften kleinen Korn. Die Spindel an der Basis zerstreut borstig. Die Scheinfrüchte dunkelbraun, die unterste stark-, die nächste zerstreut borstig; die folgenden kahl. Die Halme rohrig. Beim Drusch bleiben die Körner oft im Zusammenhange. — Der Ursprung ist oben aus- einander gesetzt. 3. var. submontana. Die Rispen locker, ausgebreitet. Die Ährchen zwei- blütig, mit einer starken, geknieten Granne. Die Spindel an der Basis schwach- borstig. Die Scheinfrüchte dunkelbraun; die unterste begrannt, stark borstig; die obere unbegrannt, kahl. Beim Drusch lösen sich beide von einander. Die Halme rohrig. — Sie ging ebenfalls aus einer Form von 4. sterilis hervor, welche ich aus einem botanischen Garten erhielt und seit 1570 kultiviere. Sie variierte schon 1871. In späteren Jahren hat wahrscheinlich eine Befruchtung mit Avena sativa stattgefunden. Sie ist schon seit lange konstant. 4. var. guadriflora. Die Rispe locker, ausgebreitet. Die Ährehen mit einer starken, geknieten Granne, vierblütig. Die Basis der Spindel stark borstig. Die Scheinfrüchte dunkelbraun; die unterste begrannt, stark borstig, die übrigen unbe- grannt, kahl (die zweitunterste zuweilen zerstreut borstig). Die Halme rohrig. Beim Drusch bleiben die Körner oft im Zusammenhange. — Der Ursprung ist der- selbe, wie bei var. 2. modigenita, aber die Mischlingsbefruchtung hat wahrschein- lich durch eine Varietät der sectio Patula des Saathafers stattgefunden. Die Rispenhirse. Panieum miliaceum L. Die Varietäten der Hirse — oder zum Unterschiede von der Kolbenhirse ( Panieum italieum L.) Rispenhirse genannt — wurden früher in zwei Gruppen getrennt: l. Euffsum Al. Flatterhirse, die Rispe ausgebreitet, die Zweige nach allen Seiten hin gewendet; 2. Contractum Al. Klumphirse, die Rispe zusammengezogen, an der Spitze dichter, einseitig überhängend. Ich erhielt 1871 von einer landwirtschaftlichen Ausstellung in Bukarest eine Ilirse mit roten Scheinfrüchten, welche 1572 ausgesäet eine Varietät ergab, die sieh von allen anderen durch die zusammengezogene, überall dichte, aufrechte Rispe unterschied. Ich bildete daraus eine dritte Gruppe: Compaetum und nannte die Varietät daeieum. Sie hat gesättigt rote Scheinfrüchte. 1874 säete ich sie im Gemisch mit einer der lockersten Varietäten der Gruppe Effusum aus: var. einereum Al. mit grauen Scheinfrüchten. Es wurden dann eine Anzahl Rispen so zusammengebunden, daß je ein Halm der einen Varietät mit einem Halme der anderen vereinigt war. Der Zweck war, die Möglichkeit der Die Entstehung und das Verhalten neuer Getreidevarietäten. 437 Fremdbefruchtung zu erleichtern. Die Aussaat der so erhaltenen Samen ergab im nächsten Jahre nebst den Stammformen Übergänge in der Form der Rispe und in der Farbe der Scheinfrüchte. Von nun an wurden immer die dichtesten, der var. daeieum ähnlichsten Rispen zur Aussaat genommen und zugleich die Scheinfrüchte ausgewählt, welche der Aussaat entsprachen. Es sind so allmählich konstante Varietäten entstanden. Doch entfernt sich häufig noch der eine oder andere Zweig etwas von den übrigen. Die Rispen sind bei allen grün. 1. var. densum Keke. Scheinfrüchte gesättigt gelb. 2. „ rubellum Keke. r sehr blaß rot. e 3. „ Alefeldi Kceke. 5 sraurötlich (früher bronzefarben ge- nannt). 4. „ Metzgeri Kcke. es orau. Es entstanden 1875 aus dieser Versuchsreihe Varietäten, welche eine vierte Gruppe der Hirse bilden: Die Rispen aufrecht, (nicht groß), locker, mit kurzen, « verhältnismäßig dicken, steifen Zweigen. Man kann sie „sparrig“ nennen. Die verschiedene Farbe der Scheinfrüchte ist auch bei mehreren konstant geworden. Der Mais. Zea Mays L. Über die sehr zahlreichen neu entstandenen Varietäten des Maises bitte ich sich n Fr. Körnicke, Die Arten und Varietäten des Getreides. 1385 und C. Correns, Bastarde zwischen Maisrassen mit besonderer Berücksichtigung der Xenien. (Bibliotheca botanica, herausgegeben von Chr. Luerssen, Heft 53. Stutt- gart 1901) zu belehren. ad IER te “2 fan ll 5 WHSE sıre