E RP ee Ne DE er 2 = I ne » ui 4, 3 2 ’ . DE RER, “> BANN) Ba BR on AS." , FRrae- Pc, nit, u Pr Ir £ a} x ” x mr i NEN N >; 7 € “ DENN u AL a ey. AAN ji j uU - Kir) ” Mi - ’e Re % gr ) 2 Bi. u % 17 a y; Pa RR ’ Bu hl F Ir e, iR h A r . BEN TRAEN - Archiv für Mikroskopische Anatomie herausgegeben von Max Schultze, Professor der Anatomie und Director des Änatomischen Instituts in Bonn. Erster Band. Mit 26 zum Theil colorirten Tafeln. Bonn. Verlag von Max Cohen & Sohn. 1865. | simossaA 9doaigodlao g | usdsgsyan Be 5 1 BT. doY \ INp - ‚sxdaludsad zul a Jutitenl msıldeinrstenä sah or bau alımotah oh, end F - oe Ki - bus olaıdl .ılotal narrinofor odT mus Hg am Eu‘, bo uno ‚nor nd) za wor se @ast. u 5 r Inhalt. Ein heizbarer Objecettisch und seine Verwendung bei Untersuchungen des Seite. Blutes. Von Max Schultze. Hierzu Taf. I und II 1 Zur Anatomie und Physiologie der Lungenschnecken. Von Fr. Loeydig in Tübingen 43 Ueber eine neue Art amöboider Zellen. Von v. laValette St.George. Hierzu Taf. III 68 Ueber eine neue Einrichtung des Schraubenmikrometers.. Von Hugo von Mohl 79 Ueber das Nervensystem der Bärenthierchen, Aretiscoidea C. A. 8. Schultze (Tardigraden Doyere), mit besonderer Berücksichtigung der Muskelnerven und deren Endigungen. Von Privatdozent Dr. ‘ Richard Greeff in Bonn. Hierzu Taf. IV „101 Zur Kenntniss der Leuchtorgane von Lampyris splendidula.. Von Max Schultze. Hierzu Taf. V und VI : A . 124 Zur Histologie der Cestoden. Von Prof. Eduard Rindfleisch in Zürich. Hierzu Taf. VII, Fig. 1—3 . 138 Ueber die Randbläschen der Hydroidquallen. Von Fritz Müller. Hierzu Taf. II, Fig. 4 . 143 Injectionsmassen von Thiersch und W. Müller 148 Beobachtungen über den Bau des Säugethier - Eierstockes. Von Prof. Wilhelm His in Basel. Hierzu Tafel VIII—XI 151 Beiträge zur Kenntniss der Monaden. Von L. Cienkowski. Hierzu Taf. XII—XIV. - 203 Untersuchungen über die Entwicklung des Harn- und Geschlechtssystems,. Von Dr. C. Kupffer in Dorpat. Hierzu Taf. XV . 233 Ueber Phreoryctes Menkeanus Hofm. nebst Bemerkungen über den Bau anderer Anneliden. Von Fr. Leydig in Tübingen. Hierzu Taf. XVI—XVII 249 Ueber die epidermoidale Schicht der Froschhaut. Vorläufige Mittheilung von Dr. M. Rudneff aus St. Petersburg . 295 I: IV ; Inhalt. Seite. Weitere Mittheilungen über die Einwirkung der Ueberosmiumsäure auf thierische Gewebe. Von M. Schultze und Dr. M Ruäneff 300 Die Nobert’schen Probeplatten. Von M. Schultze en 4305 Ueber die Samenkörperchen und ihre Entwicklung. Von Schweigger- Seidel. Hierzu Taf. XIX : : 5 : E . 309 Zur Kenntniss der alveolaren Gallertgeschwulst. Von Prof, Franz Eil- hard Schulze in Rostock. Hierzu Taf. XX . ; e . 3936 Ueber Darwinella aurea, einen Schwamm mit sternförmigen Horn- nadeln. Von Fritz Müller. Hierzu Taf. XXI 5 : . 344 Ueber den Össifikationsprocess. Von Prof. Dr. Waldeyer in Breslau. Hierzu Taf. XXL . { 5 ä ! L 4 . 364 Ueber die Bewegung der Diatomeen. Von Max Schultze. Hierzu Taf. XXIII .. ! : j e ; ! i . 376 Ueber die Genese der Samenkörper. Von v. la Valette St. George. Erste Mittheilung. Hierzu Taf. XXIV - ı { . 403 Experimentelle Studien über die fettige Entartung des Muskelgewebes. Von Alexander Stuart aus Petersburg. Hierzu Taf. XXV .415 Echiniscus Sigismundi, ein Arctiscoide der Nordsee. Von Max Schultze. Hierzu Taf. XXVI. N I i 3 . 428 Zur Frage über die Endigungen der Muskelnerven. Von Privatdocent Dr. Richard Greeff m Bonu ı i 5 . 437 Prof. Harley’s compendiöses Mikroskop. Mit einem Holzschnitt . 440 Ueber billige und gute Mikroskope. Von H. Frey a e . 445 Preisverzeichnisse von Mikroskopen etc. Prospectus. Das Archiv für mikroskopische Anatomie, dessen erstes Heft hier vorliegt. ist bestimmt, Originalarbeiten aus dem ganzen weiten Gebiete der gewebelehre zur Publikation zu bringen. Jede Mittheilung, welche zur Förderung unserer Kennt- nisse des feineren Baues menschlicher, thierischer und pflanzlicher Organismen im gesunden und kranken Zu- stande dient, wird ihm ein willkommener Beitrag sein. Daneben wird das Archiv dem Mikroskope selbst, seiner Vervollkomm- nung sowie allen bei mikroskopischen Arbeiten förderlichen Neben- apparaten und Untersuchungsmethoden seine Aufmerksamkeit widmen, und Beiträge von Optikern und Mikroskopikern, welche sich auf diese Dinge beziehen, mit besonderer Freude aufnehmen. Nachdem das Mikroskop ein festes Band zwischen thierischen und pflanzlichen, normalen und krankhaft veränderten Geweben ge- knüpft hat, ist ohne Weiteres klar, dass die Behandlung aller wichti- geren Fragen der sogenannten allgemeinen Gewebelehre nur mit Rücksichtnahme auf alle Formen der organischen Gestaltung möglich und erspriesslich sei. Aber die Trennung der Zoologie von der Bota- nik, der normalen von der pathologischen Anatomie, so vortheilhaft sie durch die Concentrirung der Kräfte der Einzelnen auf die Lösung möglichst specieller, eng umgränzter Aufgaben wirkte, erschwerte die Uebersicht über das Ganze und konnte nur indirect, mdem sie das Beobachtungsmaterial häufte, auf die Lösung allgememer Pro- bleme influiren. Die Gegenwart ist offenbar bemüht, den Nachtheilen jener allzuscharfen Trennung abzuhelfen. Es giebt sich das lebhafte Bestreben kund, der mikroskopischen Anatomie ihre weitesten Gren- zen wieder einzuräumen und eine Grewebelehre zu eultiviren, welche alle Organismen in allen ihren normalen und pathologischen Entwik- kelungszuständen berücksichtigt. Angeregt durch diese Bestrebungen und in der Hoffnung, der neuen Strömung ein breiteres Bett zu be- reiten, hat der Unterzeichnete sich veranlasst gesehen, das Archiv für mikroskopische Anatomie ins Leben zu rufen, dessen Hauptzweck sein soll, durch möglichste Centralisation zu einer eingehenderen Dis- cussion allgemein wichtiger Fragen der Gewebelehre anzuregen und die Uebersicht über das ganze Gebiet zu erleichtern. Dass das Archiv daneben auch auf den technischen Theil der Mikroskopie Rücksicht zu nehmen beabsichtigt, wird, wie ich hoffe, schon desshalb Beifall finden, weil noch keine Zeitschrift in Deutsch- land diese Aufgabe speciell in ihr Programm aufgenommen hat. Es ist ein grosses Vergnügen zu bemerken, wie viele rüstige Arbeiter heutigen Tages auf dem Felde der mikroskopischen Ana- tomie thätig sind. Weit. entfernt zu glauben, dass mit der Zunahme ihrer Zahl auch die Zahl der zur Publikation ihrer Arbeiten bis- her benutzten Journale vermehrt werden müsse, ermuthigt mich doch jene Bemerkung in meinem Unternehmen, dessen Gelingen ja ganz von der Unterstützung jener Mikroskopiker abhängt. Doch nicht zufrieden mit den zustimmenden und aufmunternden Aeusse- rungen einiger näherer Freunde habe ich an eine Anzahl bewährter und hervorragender Forscher die directe Aufforderung zu richten mir erlaubt, sich darüber auszusprechen, ob sie die neue Zeitschrift mit Beiträgen zu unterstützen geneigt seien. Ich darf die Namen der Männer, welche bisher zustimmend antworteten, hier nennen: de Bary, Berlin, Brücke, V.Carus, Cienkowsky, F. Cohn, Dippel, Donders, A. Ecker, Eberth, Frey, Funke, Gegen- baur, Gerlach, Haeckel, Harting, Heidenhain, Hen- sen, His, Hoffmeister, Klebs, Kölliker, Krohn, Kühne, Kupffer, R. Leuckart, Leydig, Ludwig, Luschka, H. v. Mohl, Fritz Müller, Naegeli, Pagenstecher, Pflüger, Pringsheim, v. Recklinghausen, Rindfleisch, Rollet, J. Sachs, O0. Schmidt, C. A. S. Schultze, v. Siebold, Stein, Thiersch, M. Traube, Troschel, v.la Valette, Waldeyer, 0. Weber, Weismann, Welcker, und fordere nun die Genannten und alle diejenigen, welche Lust haben sich anzuschliessen auf, Bei- träge einzusenden. Noch sei bemerkt, dass das Archiv neben den Originalauf- sätzen, denen sich hie und da kurze Uebersichten über die Fort- schritte auf diesem oder jenem Gebiete der mikroskopischen Ana- tomie anschliessen sollen, nach Bedürfniss auch Auszüge und Bespre- chungen einzelner hervorragender Erscheinungen der ausserdeutschen einschlägigen Literatur bringen wird. M. Schultze. DRUCK VON CARL GEORGI IN BONN. Ein heizbarer Objecttisch und seine Verwendung bei Untersuchungen des Blutes. Vom Herausgeber. - Hierzu Taf. I und I. Die Untersuchungen, welche ich über den Einfluss einer über die Zimmerwärme gesteigerten Temperatur auf die Körpersubstanz der Rhizopoden und auf die Bewegungen des Protoplasma der Pflanzen- zellen anstellte, über welche ich in memer Schrift »Das Protoplasma der Rhizopoden und der Pflanzenzellen, Leipzig 1563« berichtet habe, brachten mich auf den Gedanken, einen Apparat zu construiren, mit Hülfe dessen es möglich würde, das Object bei beliebigen messbaren, zu- und abnehmenden, sowie auch constant zu erhaltenden Tempe- raturgraden zu beobachten. Das Bedürfniss, mikroskopische Präpa- rate während der Beobachtung zu erwärmen, ist von manchem Mi- kroskopiker empfunden worden !), wie genügsam man aber im semen 1) Ich erwähne hier als eines der ersten Versuche, das Object während der Beobachtung zu erwärmen, der Experimente meines Vaters über den Ein- fluss höherer Temperaturgrade auf die Schnelligkeit der Molekularbewegung (© A.8. Schultze, Mikroskop. Unters. über des Herrn Rob. Brown Ent- deckung lebender selbst im Feuer unzerstörbarer Theilchen in allen Körpern und über Erzeugung der Monaden, Freiburg 1828, p. 17). Mein Vater be- diente sich der zur Beleuchtung opaker Gegenstände den Mikroskopen beige- gebenen Convexlinse als Brennglas. Aus neuester Zeit liegen einige hierher- gehörige Versuche vor von Schweigger-Seidel (Virchow’s Archiv Bd. XXVI, p: 486) und von Rollet (Sitzungsber. d. Akad. d. Wiss. zu Wien Bd.L, 1864. Ueber die successiven Veränderungen, welche electr. Schläge an d.rothen Blutkörperchen hervorbringen. Sep. p.15). Beide benutzten einen gefensterten Streifen von Eisenblech, der an einer über den Objeettisch hin- ausragenden Seite erwärmt wurde. M. Schultze, Archiv f, mikrosk. Anatomie. I. Bd. 1 2 M. Schultze, Ansprüchen gegenüber den zu verwendenden Apparaten war, lehren die bezüglichen Angaben und die neuesten Handbücher der Mikros- kopie '). In keinem Falle war auch nur auf eine ungefähre Be- stimmung des Temperaturgrades durch Thermometer Rücksicht ge- nommen. Ohne eine solche war aber jeder Erwärmungsapparat für unsere Zwecke so gut wie unbrauchbar. Der heizbare Objeettisch, welchen ich von dem Mechaniker Herrn Geissler hierselbst anfertigen liess, und welcher sich als ein sehr wichtiges Hülfsmittel bei vielen Untersuchungen bewährt hat, ist dazu bestimmt, auf den gewöhnlichen Öbjeettisch emes Mikroskopes aufgesetzt zu werden, den er etwa um 1 Centimeter erhöht (vergl. Taf.I, Fig. 1, wo derselbe von unten in halber natürlicher Grösse abgebildet ist). Derselbe besteht aus einer ungefähr hufeisenförmigen Messingplatte von 1—2 Millimeter Dicke. Der mittlere Theil hat die Ausdehnung und Form eines recht grossen gewöhnlichen Object- tisches und verlängert sich nach beiden Seiten in 3 Cm. breite Arme, welche nach kurzem Verlaufe in rechtem Winkel nach vorn um- biegen und von da an noch eine Länge von 17—20 Cm. besitzen. Unter ihnen brennen behufs der Erwärmung des Objeettisches Spiri- tuslampen. Die Länge der Arme ist so gewählt, dass bei Erhitzung ihrer Enden durch kleine Flammen die Mitte des Objecttisches ungefähr Körperwärme, also 35—40° C. annimmt. Diese Mitte. ist von kleiner Blendunesöffnung durchbohrt, welche bei der Befestigung des heizbaren Objecttisches jedesmal genau zu centriren ist. An. die untere Seite des Tisches sind seitlich zwei von vorn nach hinten lau- fende viereckig prismatische Holzleisten (a a) befestigt, mittelst deren er auf dem eigentlichen Objeettisch des Mikroskopes ruht und durch welche eine Mittheilung der Wärme an letzteren, zugleich eme Be- 1) Man vergl. u. A. Harting, das Mikroskop, deutsch von Theile, 1859, p.429. Schacht, das Mikroskop, 3. Aufl. 1862, p. 79. Beale, how to work with the microscope, 3 edit. 1865, p. 129, Taf XXXV, Fig. 158. Frey übergeht in seinem schätzbaren Buche über das Mikroskop, Leipzig 1863, ‘die künstliche Erwärmung gänzlich mit Stillschweigen. Chevalier’s pyroche- mischer Apparat, dessen Harting a.a.O. Erwähnung thut, ist nur an dem Universalmikroskop von Ühevalier anwendbar, welches so gestellt werden kann, dass der Tubus und die Objectivlinsen unter den Objeettisch zu ste- hen kommen. Er findet sich abgebildet bei Chevalier, Des mieroscopes et de leur usage, Paris 1839, Pl.4, fig.3 bis und bei Jul. Vogel, Anleitung z. Gebrauche des Mikroskopes und der zoochemischen Analyse, Leipzig 1841, Taf. II, Fig. 6. Ein heizbarer Objecttisch. 8 rührung des in der Mitte ‚unter dem Tisch angebrachten Thermo- meterkastens mit dem unteren Objeettisch verhindert ‚ wird. Das Thermometer besteht aus einem spiralgewundenen, die Blendungs- öffnung umkreisenden Quecksilberbehälter von zwei vollständigen Spi- raltouren, aus welchem sich die Thermometerröhre nach vorn erhebt, um an eine Aus starkem Messing gearbeitete, durch Schrauben an den Tisch befestigte Skala (ec) zu gelangen, deren vorderer Seite sie anliegt. Die Skala steht schief nach vorn und aufwärts, so dass der Stand des Quecksilbers während der mikroskopischen Beobach- tungen leicht abgelesen werden kann, und ist in ganze Grade nach Celsius getheilt. Die Quecksilberspirale muss der unteren Fläche des messingnen Tisches womöglich mit einer abgeplatteten Fläche genau anliegen, um deren Temperatur schnell aufzunehmen, und ist in einen niedrigen Kasten von Messingblech eingeschlossen, welcher eine Verletzung derselben hindert, vor Abkühlung bewahrt, und in- dem er die Temperatur des Objeettisches annimmt, das Thermometer auch von unten her erwärmt. In die Mitte des Kästchens ist eine conisch ausgedrehte, innen: geschwärzte Blendung emgesetzt etwa von den Dimensionen der Hartnack’schen Gylinderblendungen. Zur Befestigung des heizbaren Tisches kann man sich der an den Hartnack’ und Zeis’schen Mikroskopen im Objecttisch ange- brachten, zur Aufnahme der selten gebrauchten Messingklemmen be- stimmten beiden Oeffnungen bedienen. Entsprechend der Entfernung derselben von einander und mit genauester Berücksichtigung der Gen- trivrung der Blendungsöffnung lässt man in den heizbaren Tisch ein Paar in die gedachten Löcher passender Stäbe einschrauben. Oder man benutzt Klemmschrauben, wie sie Herr Geissler dem Appa- rat beigiebt, um den Tisch in der Gegend von ee an den Objeect- tisch anzuschrauben. Hierbei ist jedoch zu berücksichtigen, dass die auf die obere Seite des Tisches übergreifenden Blätter der Klemm- schrauben bei Verschiebung der Objeetträger sehr hinderlich werden können, desshalb passend in Ausschnitte der Messingplatte eingelassen werden. Natürlich muss der Objeettisch des Mikroskopes so breit sein, dass der heizbare Tisch mittelst der Holzleisten aa auf ihm ruhen könne. Die Entfernung dieser letzteren von einander beträgt eirca 6 Cm., so dass ein 6—7 Cm. breiter Objeettisch wie die Hart- nack’ und die grösseren wie mittleren Zeis’schen Instrumente ihn haben, keine Hindernisse der Befestigung bietet. Die Beobachtung feuchter Objecte bei erhöhter Temperatur 4 M. Schultze, bringt natürlich eine schnelle Verdunstung der Flüssigkeit mit sich, in welcher das Objeet enthalten ist. Um die daraus entstehenden Unbequemlichkeiten und das Objeet störenden Einflüsse zu vermeiden, beobachtet man in der von v. Recklinghausen empfohlenen feuchten Kammer). Die Einrichtung, wie ich, ganz im Anschluss an v. Reck- linghausen, dieselbe benutze, ist in Fig. 2 auf Taf. I abgebildet und besteht 1) aus einem abgesprengten unteren Stück eines Lampen- cylinders, dessen oberer engerer Theil genau der Dicke des Tubus entspricht, ohne jedoch den auf- und absteigenden Bewegungen des letzteren hinderlich zu sem, 2) aus einem Objeetträger von dünnem Spiegelglas von 7 Cm. Länge und 6 Cm. Breite. Auf diesem ruht der 5 Cm. im Durchmesser haltende untere Theil des Lampencylin- ders mit glatt polirtem Rande. Ist das Präparat in der Mitte des Objectträgers angefertigt und der Tubus in die obere Oeffnung des Lampencylinders gesteckt, wie die Figur zeigt, so bleibt zwischen Präparat und Rand des Glaseylinders Raum genug zur Verschiebung des Präparates, welche nur bei Anwendung ungewöhnlich‘ grosser Deckgläser nach dieser oder jener Richtung gehindert sein könnte. Um den inneren Raum der Kammer mit Wasserdunst dauernd zu erfüllen genügt es, vor dem Anfang der Beobachtung einen doppelten Streifen Fliesspapier mit destillirtem Wasser benetzt der inneren Oberfläche des Lampencylinders anzulegen, welchem man: jedoch pas- send nur die Länge von Dreiviertel des Umkreises giebt, um ein Viertel der Glaswand zum ungehinderten Eimblick in. die. feuchte Kammer frei zu behalten. Durch ein Beschlagen der unteren Ob- jectivlinse mit Wasserdampf, welches man erwarten könnte, ‘bin ich bei Beobachtungen mit starken Vergrösserungen und bei Anwendung eines Deckglases nie gestört worden, Durch die Anwendung: der feuchten Kammer wird nebenbei jeder die Temperatur des Objectes möglicher Weise beeinflussende Luftzug abgehalten, und empfiehlt sich die Einrichtung demnach auch als trockne Kammer, für den Fall es sich um Beobachtung trockner Objecte bei, bestimmten Tem- peraturgraden handelte. Nach dem oben Angeführten wird der Tisch des, Mikroskopes durch den neuen Apparat um etwa 1 Cm. erhöht, folglich die Ent- fernung zwischen Spiegel und Object um ebensoviel, vergrössert. Da diese Entfernung, wie die einfachsten Controllversuche lehren, nicht gleichgültig für die Helligkeit und Klarheit des mikroskopischen 1) Virchow’s Archiv ete. Bd. XXVIH, 1863, p. 162. Ein heizbarer Objecttisch. 5 Bildes, namentlich bei Anwendung sehr starker Vergrösserungen ist, so wird es nöthig, falls bei guter Form der Blendungsemrichtung die Schärfe des Bildes zu wünschen übrig lassen sollte, den Spiegel des Mikroskopes um so viel höher zu rücken, als der Objecttisch erhöht worden ist. Man überzeugt sich nun leicht durch Heizversuche mittelst klei- ner unter die Arme des heizbaren Tisches gestellter Spirituslampen, dass die Temperatur der Mitte des Objeettisches je nach der Entfer- nung der Lampen von derselben auf höheren oder niederen Graden nahezu constant erhalten werden kann. Für die Körpertemperatur, bei welcher anhaltend fortgesetzte Beobachtungen auszuführen viel- fach Veranlassung vorliegt, genügen kleine unter die äussersten En- dden der Arme gesetzte Lampen, an denen man regulirt, bis das Thermometer 30-—40° GC. dauernd anzeigt. Um diesen Effect sicher zu erreichen, ist es gerathen, bei den angegebenen Längendimensio- nen die Dieke des Objecttisches nicht über 14 Mm. zu wählen. Bei grösserer Dicke müssten die Arme noch um einige Centimeter ver- längert werden. Aber entspricht die an der Skala abgelesene Temperatur wirk- lieh derjenigen der genauen Mitte des Objecttisches, also derjenigen des mittleren Theiles des mikroskopischen Präparates, welches jedes- mal im Gesichtsfelde liegt ? Um diese Frage beantworten zu können, bedarf es emiger Uon- trollversuche. Liegt der Quecksilberbehälter des Thermometers der unteren Fläche des Objeettisches möglichst genau an, wovon man sich durch Abschrauben des ihn bergenden Kästchens leicht über- zeugen kann, und ist ferner die Blendungsöffnung möglichst klein gewählt ?), so ist bei langsamem Heizen eine bedeutende Dif- ferenz im Gange des Thermometers und der Temperatur des Ob- jeetes nicht zu erwarten, wie ich mich nach Prüfung einer Anzahl von Geissler gefertigter Apparate überzeugt habe. Dennoch wird jeder Apparat besonders zu reguliren sein. Zur Prüfung empfiehlt sich die Beobachtung des Schmelzpunktes von Fetten, von denen man im flüssigen Zustande ein mikroskopisches Präparat anfertigt, nach- dem man vorher den Schmelzpunkt auf andere Weise genau bestimmt hat. Ich bediente mich zunächst des Paraffıns, und liess von dem- 1) Es würde mit wenig Umständen verbunden sein, verschieden weite Blendungen nach Art der Hartnack’schen zum Einlegen und Wechseln an- fertigen zu lassen. i 6 M. Schultze, selben ein wenig im Hüssigen Zustande in ein Haarröhrchen eintre- ten. Nach dem Erkalten brachte ich dasselbe neben ein Thermometer, dessen Gang mit dem meines heizbaren Objeettisches überein- stimmte, in ein Wasserbad, dessen Temperatur langsam bis. zur Ver- flüssigung des Paraftins gesteigert wurde. Die im Momente derUmwand- lung des undurchsichtigen festen Paraffinfadens in einen durchsich- tigen, flüssigen beobachtete Temperatur wurde notirt, sie betrug bei lem von mir verwandten Paraffin nach mehreren übereinstimmenden Versuchen 51—52° C. Von demselben Paraffin wurde nun ein Tropfen auf dem Objeetträger unter Deckgläschen und nach dem Erkalten zur mikroskopischen Beobachtung auf den heizbaren Objecttisch ge- bracht, vor Luftströmungen aber durch die oben beschriebene Glas- kammer geschützt. Beim Heizen gebrauchte ich die Vorsicht, die Temperatur nicht zu schnell zu steigern, namentlich zwischen 40 bis 50° ein schnelleres Anwachsen der Temperatur zu vermeiden, damit eine gehörige Ausgleichung stattfinden könne, d.h. ich rechnete auf die Steigerung von 40 auf 50° die Zeit von mindestens 5 Minu- ten. Ich nenne eine solche Steigerung langsames Heizen. ‘Gewöhnlich traf es sich nun, dass ich die Temperatur bis 53 oder 54° wachsen lassen musste, ehe eine Verflüssigung des Paraffiins in. der Mitte des Objecttisches eintrat. Während am Rande des Deckglases das Fett schon geschmolzen war, persistirten in der Mitte über der Blendungs- öffnung die Krystalle noch einige Zeit, und es begegnete wohl, dass wenn eine verflüssigte Stelle vom Rande her in das Gesichtsfeld ge- schoben wurde, hier sofort Krystallisation eintrat, trotzdem das Ther- mometer auf 53° stand. Diese Ungleichheit wuchs sehr auffallend mit der Vergrösserung der Blendungsöffnung, nahm. dagegen ab mit. der Verkleinerung derselben. Es erhellt, dass die durch die Blen- dung von unten her an den Objectträger gelangende kältere Luft die Uebereinstimmung im Gange des Thermometers und in der Tempe- ratur des Objectes stört, so dass es hiernach geboten ist, die Blen- dungsöffnung möglichst klein zu wählen. Es lässt sich nicht verkennen, dass die schlecht leitende Paraf- finschicht unter dem Deckgläschen einer gleichmässigen Vertheilung der Wärme minder günstig sei, als ein in Wasser oder einer wässe- rigen Flüssigkeit beobachtetes mikroskopisches Präparat gewöhnlicher Art. Um den Versuch daher in günstigerer Weise vergleichbar zu machen, fertigte ich durch Schütteln erwärmten Gummischleimes mit flüssigem Paraffin eine Emulsion an, in welcher sich nach ihrem Er- Ein heizbarer Objecttisch. 7 kalten massenhaft kleinste Paraffinkügelchen vertheilt fanden. Diese, zum Theil nicht grösser als ein Blutkörperchen und von wässeriger Flüssigkeit umgeben, bildeten nun ein vortreftliches Probeobject, da an. ihnen der Uebergang aus dem starren, krystallimischen in den flüssigen Zustand fast momentan vollendet ist. Als ein solches Prä- parat in der feuchten Kammer langsam erwärmt wurde, zeigte sich, dass auf demselben Objecttisch, auf welchem das Schmelzen des Pa- raffins vorher bei 53—54° beobachtet worden, die Verflüssigung jetzt bei 51—52° eintrat und dass ein Unterschied in der Temperatur der Mitte des Präparates und der Ränder, vorausgesetzt dass eine recht kleine Blendungsöffnung angewandt worden, kaum mehr zur Wahr- nehmung kam. Hiernach ist also jedenfalls die Prüfung mittelst in Wasser suspendirter kleiner Paraffintheilchen der erstbeschriebenen Methode bei weitem vorzuziehen. Nicht alle Exemplare des heizbaren Objeettisches, welche durch meine Hände gegangen sind, zeigten dieselbe Uebereinstimmung. Der häufigere Fehler war, dass das Thermometer die Temperatur etwas früher anzeigte, als das Präparat, so zu sagen vorging. Diesem Uebelstande ist durch das Einschieben eines Blättchens dickeren oder (dünneren Papieres zwischen Thermometer und untere Seite des Ob- jeettisches abzuhelfen. Auch der umgekehrte Fall kam vor. Das Paraffin war geschmolzen, während das Thermometer erst 45° an- zeigte. Als Grund der Ditferenz stellte sich heraus, dass die Spirale des Thermometers der Metallfläche des Objeettisches nicht dicht anlage. Um eine zu schnelle Erwärmung des Thermometers zu verhindern, liess ich statt des zum Schutz des Thermometers dienenden Käst- chens von Messingblech ein solches von Holz anfertigen. Das Ther- mometer ging jedoch wegen der mangelnden Erwärmung von unten in diesem Falle so bedeutend nach, dass ich diese Art der Con- struction aufgeben musste. . Nach dem Obigen wird man in den meisten Fällen im Stande sein, die etwaigen Mängel des heizbaren Objecttisches zu corrigiren. Natürlich kann man sich statt des Paraffins mancherlei anderer Sub- stanzen bedienen. Ich wandte z. B. noch Stearinsäure an, deren Schmelzpunkt bei 52—53° C. lag. Wir werden ferner weiter unten hören, dass die rothen Blutkörperchen in jedem Tropfen frischen Blutes em vortreffliches Probeobject für den heizbaren Objecttisch darstellen. Ich komme nach dieser Beschreibung des neuen und bei vielen 8 M.ıSicchultze, mikroskopischen Untersuchungen mit Vortheil zu verwendenden Ap- parates zum zweiten Theile meimer Arbeit, zur Beschreibung einiger Beobachtungen an lebendigen Geweben, bei denen ich mich des heiz- baren Objecttisches bediente. Die erste Anwendung machte ich von demselben, um die geformten Elemente des menschlichen Blu- tes genauer zu studiren, und so mögen denn auch die auf diese Flüssigkeit bezüglichen Beobachtungen hier an erster Stelle folgen. Ich verspare es auf einen zweiten Aufsatz, über die anderweitigen Versuche, die ich anstellte, zu berichten. Es ist in der That erstaunlich, dass bisher kein Mikroskopiker auf den Gedanken gekommen zu sein scheint, das Blut des eigenen Körpers oder anderer warmblütiger Wesen methodisch bei Körper- wärme zu untersuchen. _ Nehme ich einige Angaben von Klebst®), von Rollet?) und von Beale?°) aus, welche sich auf den Einfluss gesteigerter Temperatur auf das Blut des Menschen und einiger Thiere beziehen, aber keinen Anspruch darauf machen, die Erschei- nungen, wie sie das lebendige Blut bietet, genauer zu zergliedern, so fehlen, so viel ich weiss, bezügliche Angaben gänzlich. ‚Auch die genannten Forscher beschränkten sich auf Beobachtungen an rothen Blutkörperchen, von denen Klebs meldet, dass er die schüsselför- migen, zu Geldrollen gruppirten des Menschenblutes und des Blutes einiger Thiere bei Erwärmung auf die Temperatur des Körpers unter Verhinderung der Verdunstung zackig werden sah, welche Verände- rung er aus einer lebendigen Contractilität der Substanz des Blut- körperchens ableitet. Die Art der Erwärmung beschreibt uns Klebs in seiner kurzen Mittheilung nicht. Rollet giebt an, dass er mit Hülfe eines auf den Objecttisch des Mikroskopes auf Korkunterlagen ruhenden Streifen Eisenbleches, der an einer Seite den Objecttisch überragend hier durch eine Spirituslampe erwärmt wurde *), succes- 1) Gentralblatt f. d. mediein. Wissenschaften 1863, No. 54. 2) Sitzungsber. d. Akad. d. Wiss. zu Wien, 14. Juli 1864. Ueber ‚die successiven Veränderungen, welche electr. Schläge an rothen Blutkörperchen hervorbringen. Separatabdr. p. 15. 3) Quarterly journ. of mierosce. science, Jan. 1864. No. XII. Transact. of the mier. society p. 36. 4) Ich bemerke hier, dass mein heizbarer Objecttisch, welcher ein ver- vollkommneter Rollet’scher genannt werden könnte, in keiner genetischen Beziehung zu letzterem steht. Ich zeigte den meinigen in der hiesigen nie- derrheinischen Gesellschaft für Natur- und Heilkunde schon am 8. Juni 1864 (vergl. die Sitzungsberichte, reprodueirt in der Berliner klinischen Wochen- Ein heizbarer Objeettisch. 9 sive Veränderungen der Frosch- und Säugethierblutkörperchen beob- achtet habe, welehe unter Uebergängen aus der Dumbbell- und Ei- form zur Kugelform führten, ganz ähnlich wie solche Veränderungen dureh heftige electrische Schläge entstehen. Durch Anwendung des Wasserbades überzeugte sich Rollet dann weiter, dass der Eintritt der Formveränderungen zwischen 45 und 54° C. fällt und bei 60°C. vollendet ist, für die Säugethierblutkörperehen lag die Temperatur niedriger, bei 40—45° C. Beale endlich, welcher am angeführten Orte über die Natur der rothen Blutkörperchen handelt und, wie es scheint, ohne von den Arbeiten Rollet’s eine Kenntniss zu haben, zu dem Resultate kommt, dass den rothen Blutkörperchen eine Mem- bran unmöglich zugesprochen werden könne, erwähnt, dass er bei Anwendung emer bis 100° gesteigerten Temperatur aus den Blut- körperchen des Frosches und Menschen Fäden und Kügelchen her- vortreten sah, welche sich in lebhafter Molekularbewegung befanden. Beale warnt, diese Fäden, welche sich auch abgelöst noch bewegen, und von denen er meint, dass sie auch unter gewissen Umständen im Leben entstehen könnten, mit Monaden (Bacterien) zu verwech- seln, welche sich bei gewissen Krankheiten vor dem tödtlichen Aus- gange entwickeln sollen. Mein Hauptaugenmerk bei Beobachtungen des Blutes war zu- nächst auf das Verhalten der farblosen Blutkörperchen gerichtet, von denen sich von vorn herein annehmen liess, dass sie bei ihrer Neigung zu selbstständigen Bewegungen, wie wir sie bekanntlich durch Lieberkühn’s sorgfältige Beobachtungen!) zuerst genauer kennen gelernt haben, durch Temperaturdifferenzen des umgebenden Mediums in ähnlicher Weise beeinflusst werden würden, wie dies von dem Protoplasma der Pflanzenzellen von mir und Andern nachge- wiesen war 2). Der Erfolg entsprach vollständig den Voraussetzun- schrift 1864, No. 36). Rollet machte die eitirte Mittheilung am 14. Juli 1864 der Akademie zu Wien. Ich benutze diese Gelegenheit, einen in dem Sitzungs- bericht in der gedachten Nummer der klinischen Wochenschrift enthaltenen spasshaften Druckfehler zu berichtigen... Es heisst im Original: »die farblosen Blutkörperchen kriechen wie Amoeben zwischen den rothen umher«; dem Setzer erschien es drastischer zu sagen: wie Ameisen! Und das hat An- klang gefunden, denn mir sind meine Blutkörperchen noch einmal anderswo sechsbeinig begegnet. 1) Joh. Müller’s Archiv etc. 1854, p. 14. 2) M. Schultze, das Protoplasma der Rhizopoden und der Pflanzen- zellen. 1863. p. 46. W. Kühne, Untersuchungen über das Protoplasma. 1864. p- 100 ff. Jul. Sachs, Flora 1864, No.3, p. 39, 49 ff. 10 M. Schultze, gen. In einem unter Deckgläschen zu einer dünnen Schicht aus- gebreiteten Tropfen frischen Blutes stellen sich, wenn die Tempera- tur des heizbaren Objeettisches auf 36—40° C. erhalten wird, so leb- hafte Bewegungen der meisten farblosen Blutkörperchen ein, dass neben ihnen die bisher allem bekannte langsame Formänderung, welche dieselben Körperchen bei gewöhnlicher Zimmertemperatur zei- gen, als ein Zustand fast vollkommener Ruhe erscheint. Es sind Veränderungen, welche den fliessenden Bewegungen der kleinen Amoe- ben, die gewöhnlich als Amoeba diffluens bestimmt werden, an Leb- haftigkeit wenig nachgeben. Nicht nur, dass die Gestaltveränderungen sehr viel schneller ablaufen, als bei gewöhnlicher Zimmertemperatur, auch der Character der Bewegung ist ein anderer. Während wir es bei 15—20° C. für gewöhnlich nur mit einem äusserst langsamen, so zu sagen planlosen Ausstrecken und Einziehen von Fortsätzen zu thun haben, beobachtet man jetzt Veränderungen, welche auf eine Ortsbewegung hinzielen. Das farblose Blutkörperchen schmiegt sich der Glasoberfläche dicht an und sendet ein oder mehrere wie tastend sich vorschiebende Fortsätze aus, denen nachfliessend die ganze Masse kriechend folgt. Oder der vorgeschobene Theil verdient eigentlich nicht den Namen eines »Fortsatzes«, es ist vielmehr ‘ein breit vorrückender Vordertheil des Körperchens, welcher die andere hintere Hälfte nachschleppt. Kurz gesagt, die farblosen Blutkörper- chen kriechen zwischen den rothen wie Amoeben umher, "bald frei an der Oberfläche des Glases sich hinschmiegend, bald in’ einen Hau- fen rother Körperchen eintretend und die einzelnen auseimander- drängend, um da oder dort sich einen Weg zu bahnen. Das im abgekühlten Blute glänzende, stark lichtbrechende und von ziemlich scharfem Contour begränzte kuglige oder nahezu kuglige Körperchen breitet sich während des Kriechens zu einer dünnen, stellenweise von den zartesten Contouren begränzten, vielgestaltigen Platte aus, wel- che hierhin und dorthin Fortsätze vorschiebt, die sich oft zu längeren Fäden ausziehen, um dann mit der ganzen Masse nachzurücken. Die feinkörnige Substanz des Körperchens, das Protoplasma, ist dabei in fortwährender, mit den Formveränderungen Hand in Hand gehender Bewegung, und wo, wie bei vielen farblosen Blutkörperchen, die Gra- nula des Inneren stark lichtbrechend und einzeln leicht wahrzuneh- men sind, bieten diese in ihrer wie fliessenden Bewegung auch schon bei ‚mässig_ starker, circa 400maliger Vergrösserung ein deutliches 3ild der inneren Veränderungen im Protoplasma. Auch die Kerne, Ein heizbarer Objeettisch. 11 ein einfacher oder mehrfache, wie sie den meisten der farblosen Blut- körperchen zukommen, sind ‘bei diesen Bewegungen manchmal zu verfolgen. Meist zeichnen sie sich bei gleicher Lichtbrechung wie das Protoplasma von diesem wenig scharf ab. Mit sehr guten und stark vergrössernden Linsen (Zeis F, Hartnack 9 und 10) erkennt man jedoch den Kernvoftmals, wenn auch nur undeutlich begränzt, namentlich in den dunkel granulirten Körperchen, wo er sich. als heller Fleck zu erkennen giebt, und hier kann man seine von den Formveränderungen abhängigen Wanderungen von emem Ende der Zelle zum anderen beobachten. Wie fest die Körperchen während des Kriechens an der Glaswand haften, geht aus dem Widerstande hervor, den sie den Strömungen des Plasma, durch welche die rothen Körperchen fortgeführt werden, entgegensetzen. Bei der Beobachtung auf dem warmen Objeettisch entstehen oft plötzlich sehr lebhafte Strömungen in dem Präparate, wahrscheinlich bedingt durch eine. da oder dort am Rande des Deckgläschens lebhafter vor sich gehende Verdunstung. Bei solchen, das ganze Gesichtsfeld im die grösste Aufregung versetzenden Bewegungen sah ich die kriechenden Körper- chen stets ihren Platz behaupten. Aber wie bekannt sind nicht alle farblosen Blutkörperchen von gleicher Art und auch in dem Modus der Bewegungen kommen Ver- schiedenheiten vor. Die Unterschiede, welche auch dem flüchtigen Beobachter des Blutes nicht entgehen können, betreffen die Grösse. Dieselbe variirt ziemlich bedeutend. Vielfach besprochen ist ferner das Verhalten der Kerne, die bald gross und einfach, bald kleiner und zahlreich in einem farblosen Blutkörperchen angetroffen werden. Endlich findet man, wie schon Wharton Jones!) hervorhebt, im Blute des Menschen wie der meisten Thiere fein und grob granu- lirte farblose Körperchen nebeneinander, ein Unterschied, dessen die späteren Beobachter meist nur sehr obenhin Erwähnung thun?). Ich unterscheide in meinem und dem Blute einiger anderer Personen folgende Arten farbloser Körperchen oder Zellen (vergl. Fig. 3—9 Taf. I. Vergröss. 700). Ich beginne mit den klemsten For- men (Fig. 3), deren Grösse die der rothen Blutkörperchen nicht er- 1) Philosophical transactions 1846, I, p. 82. 2) Für das Blut des Frosches hat Rindfleisch das Verdienst, auf das constante Vorkommen dieser Modification der farblosen Zellen, die er Körnchenzellen nennt, nachdrücklichst aufmerksam gemacht zu haben (Experimentalstudien über d. Histologie des Blutes. Leipzig 1865). 12 M. Schultze, reicht, oft sogar ansehnlich geringer bleibt, wie eine Vergleichung mit den bei gleicher Vergrösserung in Fig. 1 abgebildeten rothen Blutscheibehen zeigt. Es sind kuglige Zellen mit sehr zarter äusse- rer Begrenzung, wenig körnig und im ihrem Lichtbrechungsvermögen nieht viel verschieden von der umgebenden Flüssigkeit. Schon ohne Zusatz von Reagentien unterscheidet man an ihnen einen grossen kug- ligen Kern, umgeben von einer sehr geringen Menge von Protoplasma. Die kleinsten dieser Körperchen, welche in meinem Blute vorkommen, und emen Durchmesser von 0,005 Mm. besitzen, gleichen an Grösse fast genau den Kernen der etwas grösseren, bei welchen letzteren eine dünne Rinde von Protoplasma auf der Oberfläche des Kernes unzweifelhaft vorhanden ist. Dass die kleinsten Formen des Proto- plasma im Umkreise des Kernes ganz entbehren, möchte ich nieht behaupten, doch wird man ihnen nur‘ eine verschwindend geringe Menge dieser Substanz zuschreiben können. In den grösseren dieser Körperchen habe ich öfter ohne Zusatz von Reagentien zwei neben- einanderliegende und mit abgeplatteten Flächen einander berührende, also planconvexe Kerne und in jedem derselben ein deutliches Kern- körperchen gesehen. Das Protoplasma ist aber auch bei diesen, wie die Figur 3 lehrt, nur als dünne Rinde um den einfachen oder dop- pelten Kern vorhanden. Ueber die feinere Structur des Protoplasma lässt sich bei der sehr geringen Menge desselben nichts Genaueres aussagen. Einzelne erkennbare Körnchen fehlen meist, es ist nur eine leichte Trübung, welche eine Andeutung von körniger Beschaf- fenheit giebt. Diese die Grösse der farbigen Blutkörperchen nicht erreichenden farblosen Elemente zeigen auf dem warmen Objeettisch bei Körperwärme (33—40° CO.) keine Bewegungen oder Gestalt- veränderungen. Diesen Formen reihen sich unmittelbar etwas grössere an, wel- che den Durchmesser der gewöhnlichen farbigen Körperchen besitzen oder noch etwas unter demselben bleiben. Ihr Protoplasma ist m ansehnlicherer Menge vorhanden, bei meist unverändertem 'Galiber des Kernes (Fig. 4). An diesen Körperchen stellen sich bei Körper- wärme Formveränderungen ein, sie treiben kurze, meist zugespitzte Fortsätze und ziehen dieselben wieder em. Zu eigentlich kriechen- den Bewegungen sah ich sie nicht kommen. Ihr Protoplasma ist äusserst fem granulirt, von Molekularbewegung ist in demselben Nichts zu sehen. Erst an dritter Stelle gelangen wir zu denjenigen farblosen Ein heizbarer Objeettisch. 13 Blutkörperchen, welche man den bisherigen Beschreibungen gemäss als die typische Form bezeichnen kann. Sie stellen im ruhenden Zustande Kugeln dar von 0,009—0,012 Mm., also einem Durchmesser, welcher den eines farbigen Körperchens etwas, höchstens um die Hälfte übertrifft (Fig. 5a). Im frisch aus der Ader gelassenen Blute trifft man sie selten kuglig, es sind meist, wie m Fig. 5b gezeichnet, un- regelmässig verzogene Formen. Die Granulationen des Protoplasma sind ausserordentlich fein, von Molekularbewegung ist an ihnen Nichts wahrzunehmen. Kerne sieht man nur ausnahmsweise blass durch- schimmern, ein oder zwei, auch wohl mehr, deren Grösse, wehn sie in einfacher Zahl: vorhanden sind, derjenigen des Kernes der kleine- ren Körperchen gleich ist, mit der Vermehrung der Kerne aber ab- nimmt. Höchst überraschend ist das Schauspiel, welches diese Kör- perchen bei Körpertemperatur auf dem warmen Objeettisch darbieten. Sobald bei langsamem Heizen die Temperatur des Bluttropfens auf dem warmen Objecttisch 35° C. erreicht hat und bis 38 oder 40°, auch etwas darüber, ansteigt, beginnen sie Bewegungen auszuführen, welche denen einer kriechenden Amoebe gleichen (vergl. Fig. 8). Das vorher kugelige, etwas glänzende, weil ziemlich stark lichtbrechende Körperchen breitet sich an der Oberfläche des Glases in die Fläche aus und erhält dadurch zunächst blassere Contouren. Aber die Aus- breitung findet nicht nach allen Richtungen hin gleichmässig statt. Es ist als wenn das Körperchen nach ‘einer Richtung hin zerfliessen wollte, und nach dieser schiebt sich eine äusserst blasse, feinzackig begränzte Masse vor, während sich der stärker lichtbrechende, noch glänzende Theil langsam nachschiebt. Oder die Ausbreitung findet nach mehreren Richtungen zugleich statt und wird hier, wenn auch mit feinzackigem, wie auf der Oberfläche des Glases klebendem Rande vorrückend, langgestreckt fadenförmig, dort breit plattenförmig. Die Bewegung nach einem dieser Fortsätze gewinnt dann die Oberhand und das Körperchen kriecht jetzt, durch keinerlei Strömungen in der Blutflüssigkeit gestört, zwischen den ruhenden oder strömenden far- bigen Blutkörperchen hin, weicht hier aus, zwängt sich dort durch eine Enge und nimmt in schneller Folge alle denkbar verschiedenen Gestalten an. | Ist an den ruhenden kugligen Körperchen über die feinere Structur des Protoplasma wenig auszumitteln, so bieten die flächen- haft ausgebreiteten, kriechenden Formen eine etwas befriedigendere Einsicht. Man unterscheidet mit den stärksten Vergrösserungen an 14 M. Schultze, den vorrückenden, feinzackig begränzten Fortsätzen einen fast hya- linen Rand, eine äusserst blasse, körniger Structur, wie es scheint entbehrende Rindenschicht und in dem blasskörnigen Innern zwei offenbar verschiedene Arten von Körnchen, glänzende, wie es scheint etwas stärker lichtbrechende als die Grundsubstanz, doch nur aus- nahmsweise so gross, dass man sie ringförmig begränzt,-also messbar eross'nennen könnte, und eine andere Art, welche ich für schwächer lichtbrechend als die Grundsubstanz halte, kleinere und grössere runde Bläschen, welche den Eindruck wie Vacuolen machen, welche wie Lücken in der Substanz aussehen, (d. h. weder beim Heben noch Senken des Tubus glänzen. Diese kleinsten Vacuolen, denn als solche will ich sie schlechtweg bezeichnen, sind offenbar zum guten Theil Ursache des feingranulirten Ansehns der in Rede stehenden Blutkörperchen. Dass neben ihnen jedoch wirkliche Körnchen vorkommen, ist unzweifelhaft, und geht unter Anderem aus den Veränderungen hervor, welche Wasserzusatz an diesen Blutkörperchen hervorruft. Unter den Erscheinungen geringen An- schwellens verwandeln sie sich bekanntlich in helle Kugeln, in deren Innerem eine lebhafte Molekularbewegung kleinster Körn- chen auftritt. Von einer solchen ist an den kriechenden bBlut- körperchen Nichts zu sehen ; die Consistenz des lebendigen Protoplasma scheint dieselbe nicht zu Stande kommen zu lassen. Wenn ich eine dünne hyaline Rinde und ein körmiges Innere an diesen Körperchen zu unterscheiden meine, so bin ich .doch. weit entfernt, eine scharfe Grenze beiderlei Substanzen anzunehmen. Eine solche dürfte sicher nicht vorhanden sein, wie denn überhaupt jeder Anschein emer Membran auf der Oberfläche dieser farblosen Blut- körperchen fehlt. Was die Kerne derselben betrifft, so sollte man meinen, müssten solche bei der Abplattung des Körpers während des Kriechens deutlicher zu erkennen sein. Dem ist jedoch in vielen Fällen nicht so. Wenn es mir auch wiederholt gelungen ist, einen, zwei oder drei Kerne im Innern wahrzunehmen, so waren die (renzcontouren derselben doch immer sehr blass und manchmal ge- rade zu zweifelhaft; in anderen: Fällen aber fehlte jede Andeutung eines Kernes. Es wäre aber sicher voreilig, daraus auf die Abwe- senheit solcher Kerne zu schliessen. Wir wissen schon, dass dieselben sich in der Art ihrer Liehtbrechung kaum von dem Protoplasma lebender Zellen unterscheiden, und je dicker die den Kern umgebende Schicht des Protoplasma ist, um so schwerer. hält. es ersteren wahr- Ein heizbarer Objeettisch. 15 zunehmen. Nun kommt es aber bei den kriechenden Blutkörperchen oft genug vor, dass neben den fast hyalinen, blassen, kriechenden, ausgebreiteten Fortsätzen ein dickerer, glänzender Theil des Zellen- körpers vorhanden ist, in welchem der Kern sich dem Beobachter entziehen kann. Und Verdünnung des Blutes mit schwacher Essig- säure lässt bekanntlich keinen Zweifel, dass wenigstens der bei weitem grösste Theil der farblosen Körperchen sicherlich mit einem oder mehreren Kernen ausgerüstet ist. Haben wir hiermit eine Darstellung des Verhaltens der gewöhn- lichsten Form der farblosen Blutzellen: gegeben, so bliebe uns nun noch die Besprechung einer nicht seltenen Modifikation derselben übrig, welche ich im Anschluss an Wharton Jones die grob sranulirte Form gegenüber der vorigen Art, der feingranu- lirten, nennen will. Zu allen Tageszeiten, wenn auch bezüglich ihrer Menge gleich den übrigen farblosen Blutzellen sehr variüirend, finde ich in meinem und dem Blute anderer Personen spärlich farb- lose Zellen, welche sich durch eine mehr oder minder grosse, meist recht ansehnliche Menge kleiner, stark lichtbrechender, deutlich kug- liger Körner auszeichnen, welche etwa den Glanz kleinster Fettkörn- chen haben (vergl. Fig. 6 und 9). In der Ruhe von kugliger Form glei- chen sie an Grösse den feingranulirten, d. h. übertreffen meistens die der rothen um ein Weniges. Lassen sich die dunkeln Körnchen schon in dem Ruhezustand der Zellen oft deutlich einzeln wahrnehmen, wobei zu be- merken, dass eine Molekularbewegung an ihnen nicht zu beobachten ist, so treten dieselben doch schärfer einzeln hervor, wenn die Körperchen bei einer Temperatur von etwa 38° C. ihre kriechenden Bewegungen ausführen. Schon bei Zimmertemperatur beobachtet man an ihnen wie an den feingranulirten die von Lieberkühn beschriebenen Bewegungen, d. h. eine Formveränderung beruhend auf einem lang- samen Ausstrecken und Einziehen von Fortsätzen (Fig. 6 b.). Steigert man die Temperatur auf Körperwärme, so erfolgen die Bewegungen ungleich rascher, die Gestaltveränderungen werden viel auffallender (Fig. 9), und es tritt eim schneller auf der amoebenartig kriechenden Bewegung beruhender Ortwechsel auf in durchaus analoger Weise, wie wir ihn eben bei den feingranulirten Körperchen beschrieben haben. Nicht nur für die Bewegungen im Ganzen sondern nament- lich auch für die inneren des Protoplasma bieten diese grobgranu- lirten Körperchen ein viel bequemeres Bild als die feingranulirten, denn wenn auch die stärksten und besten Linsen zur Verwendung 16 M. Schultze, kommen (Zeis F, Hartnack 10), so bleibt immer die Beobachtung der feingranulirten Körperchen auf dem warmen Objecttisch eine Aufgabe, zu deren einigermaassen befriedigenden Lösung es jeden- falls einer sehr günstigen Beleuchtung und einiger Anstrengung der Augen bedarf. Einen sofort auffallenden Vortheil gewährt die Be- obachtung der grobgranulirten Körperchen dadurch, dass während der Veränderungen in ihrer Gestalt zugleich die innere Bewegung der Körnchen deutlich verfolgt werden kann. Das langsame Fliessen derselben, oder das plötzliche Nachstürzen bei schnell hervorgetrie- benem breiten Fortsatz gewährt ein leichter übersichtliches Bild der Bewegungen, welche das Protoplasma dieser Zellen ausführt. Nament- lich in den lang ausgezogenen Fäden, "welche an einigen der im Fig. 9 abgebildeten kriechenden Körperchen dargestellt sind, ist die gleich- mässig fliessende Bewegung der Körner sehr auffallend, um so mehr als bei der äussersten Durchsichtigkeit und geringen Granulation der Protoplasmasubstanz oft nur die Körnchenreihe gesehen wird, zumal wenn das Körperchen sich zwischen vielen rothen hindurch- drängt, also nicht frei in der Bluttlüssigkeit bewegt. Die Bewegung der Körnchen in einem solchen langen Fortsatz ist übrigens keine hin- und. rücktfliessende, wie ich hier ausdrücklich im Vergleich mit der der Rhizopoden-Pseudopodien hervorhebe, sondern nur nach einer Richtung verlaufende, entsprechend derjenigen, nach welcher das Protoplasma selbst sich bewegt. Bezüglich der Art der Bewegung und der Gestalt der Fortsätze besteht noch ein. gewisser Unterschied gegenüber den feingranulirten Körperchen. "Während bei letzteren die Verbreiterung der Substanz einem Zerfliessen ähnlich sieht, in- dem die feinzackige Begrenzung der zu verschwindender Dünne aus- gebreiteten Masse zeitweise den Gedanken aufkommen lässt, dass hier überhaupt eine scharfe Begrenzung zu existiren aufgehört habe, zeigt sich bei den kriechenden Bewegungen der grobgranulirten Kör- perchen ein schärferer und mehr ‚abgerundeter Grenzeontoöur. Das Protoplasma stellt hier allem Anschein nach eine etwas consistentere, wenigstens an der Oberfläche resistentere Substanz dar, während die Bewegungsfähigkeit dieselbe wie bei den feingranulirten ist, indem die Gestaltveränderungen im Allgemeinen ebenso schnell ablaufen und innerhalb derselben Extreme schwanken wie dort. Wie Fig. 9 zeigt, smd an den grobgranulirten Körperchen die Zellenkerne meist deutlich wahrzunehmen, freilich nicht immer scharf begrenzt, so wenig wie bei den feingranulirten, vielmehr durch Ver- Ein heizbarer Objecttisch. 17 drängung der Körner nur helle Flecke in der grobgranulirten Zell- substanz erzeugend. Ihre Zahl beträgt 1 oder 2, ihre Lage variirt. Sind zwei Kerne vorhanden, so können dieselben dicht beisammen oder an entgegengesetzten Enden der Zelle liegen. Wenn ich, wie Wharton Jones, fein- und groberanulirte Kör- perchen im Blute des Menschen unterscheide, so muss ich doch gleich hinzufügen, dass Uebergänge zwischen Beiden vorkommen. Aber ‚die Uebergangsformen werden seltener angetroffen als die Extreme, und die Unterscheidung lässt sich daher jedenfalls rechtfertigen. Ueber- gangsformen aber wird man solche Körperchen zu nennen haben, die bei dem Ansehn und Benehmen der feingranulirten emige stärker lichtbrechende Körnchen, nach Art derjenigen der grobgranulirten, enthalten. Einige solche Körperchen zeigt Fig. 7. Sie kommen in verschiedenen Grössen vor. Nach Beobachtung der ganz unerwartet lebhaften, kriechenden Bewegungen, welche die farblosen Blutkörperchen des Menschenblutes bei Körperwärme ausführen, und bei ihrer durch Obiges hinreichend constatirten Aehnlichkeit mit gewissen zartesten Amoebenformen musste sich sofort die Frage aufdrängen, ob sich an ihnen eine Aufnahme fester Körper in das Protoplasma nach Art einer fressenden Amoebe werde beobachten lassen. Eine bejahende Antwort musste um so wahrschemlicher in Aussicht stehen, als die Möglichkeit einer Aufnahme von Farbstoffpartikelchen, welche dem Blute künstlich beigemischt worden waren, in das Protoplasma der farblosen Blut- zellen und Lymphkörperchen bei kaltblütigen Thieren bereits wiederholt eonstatirt worden war. Nach den ersten entscheidenden Beobachtungen, welche von E. Haeckel herrühren, welcher bei Ge- legenheit seines für die Naturgeschichte der Rhizopoden so denk- würdigen Aufenthaltes am Mittelmeere eine Reihe von Experimenten an Mollusken und Krebsen ausführte und den Uebergang von Farb- stoffmolekeln in die Blutkörperchen innerhalb und ausserhalb des Blutstromes auf das Schlagendste nachzuweisen vermochte ?), gelang es v. Recklinghausen ?), an den Lymph- und farblosen Blutkör- perchen des Frosches innerhalb, und später Preyer®°) an den farb- losen Blutkörperchen desselben Thieres ausserhalb des Körpers die 1) Die Radiolarien, Berlin 1862, p. 104. 2) Die Lymphgefässe und ihre Beziehung zum Bindegewebe. Berlin 1862, p. 22. 3) Virchow’s Archiv Bd. XXX, p, 420. M. Schultze, Archiv f. mikrosk. Anatomie. I. Bd. 2 18 M. Schultze, Aufnahme von Milchkügelchen und Farbstoffmolekeln in das Innere der genannten Körperchen zu beobachten. Bei den trägen Bewe- gungen, welche diese Zellen ausserhalb des Körpers auf dem Object- träger ausführen, konnte es nur der grössten Ausdauer gelingen, die Aufnahme des Farbstoffes in das Innere direet zu beobachten. Weit günstiger in dieser Beziehung mussten die schnell kriechenden Körperchen des auf 30—40 ° C. erwärmten Menschenblutes erscheinen, und die Voraussetzung wurde durch die Beobachtung bestätigt. Ich mischte zunächst eine Spur fein vertheilten Carmins mit einem Tropfen frischen, aus dem Finger entnommenen Blutes auf dem Objectträger und beobachtete bei 35°C. Schon nach wenigen Mi- nuten sah ich die meisten der kriechenden Zellen vereinzelte Carmin- körnchen mit sich herumtragen. Ich sah solche Farbstoffpartikel- chen mit den Elementarkörnchen des Protoplasma von einem Fort- satz der Zelle in den andern wandern, sah wie sie in lang ausgezo- genen Fäden des Protoplasma nachgeschleppt und mit diesen wieder eingezogen wurden. Sie lagen bald in grösseren Klümpchen beisammen bald vertheilten sie sich in die Fortsätze, je nach der Gestalt und den inneren Bewegungen der Zelle, so dass auch nicht der geringste Zweifel übrig blieb, dass der Garmin wirklich in das Protoplasma aufgenommen war und nicht etwa blos der klebrigen Oberfläche der Blutkörperchen anhaftete. Um die kriechenden Zellen möglichst frei, ungehindert durch herumliegende rothe Blutkörperchen beobachten zu können, verdünnte ich das Blut mit Jodserum, einem durch Zusatz von Jodtinctur oder Jod im Substanz vor Fäulniss bewahrten Amnioswasser jüngerer Wiederkäuer-Embryone. Ich habe diese Flüs- siekeit mn Virchow’s Archiv Bd. XXX, p. 263 beschrieben und als Zusatzflüssiekeit bei Untersuchung frischer Gewebe empfohlen und kann sie, je länger ich dieselbe benutze, nur um so mehr rühmen. Enthält sie nicht zu viel Jod, so dass die Farbe nicht dunkler als die des Urines ist, so stört sie die Bewegungen der farblosen Blut- körperchen in keiner Weise, und erleichtert, indem sie das Blut ver- dünnt, die Beobachtung einzelner Elemente sehr. Bei Anwendung dieser Flüssigkeit zur Verdünnung des Blutes ist nur zu berücksich- tigen, dass sie einen CGoncentrationsgrad besitzt, welcher die rothen Blutkörperchen nicht zackig macht. Tritt eine solche Veränderung bei der grösseren Zahl der Blutkörperchen ein, so verdünnt man das Jodserum mit ein wenig Wasser. In dieser Flüssigkeit erhält sich die Bewegung der farblosen Blutkörperchen bei Körperwärme ebenso Ein heizbarer Objeettisch. 19 lange, und das Aufnehmen von Carminkörnchen, die man in feinver- theiltem Zustande dem Jodserum vorher beimischte, tritt ebenso schnell ein wie im unverdünnten Blute. Immerhin ist auch das Jod- serum eine fremdartige Beimischung, die man als möglicher Weise schädlich mit grosser Vorsicht anzuwenden hat. In der That sind in einem auf das ddünnste ausgebreiteten Bluttropfen die Blutkörperchen so gut einzeln zu beobachten, und durch hinreichende Zwischenräume von einander getrennt, dass die Verdünnung des Blutes zur Beobachtung der Bewegung der farblosen Körperchen nicht absolut nothwendig ist. Um das Blut aber in dünnster Schicht unter dem Deckgläschen auszu- breiten, bediente ich mich vielfach der von Rind fleisch empfohlenen Methode t), welche darin besteht, das Deckgläschen unter Beobach- tung gewisser Cautelen trocken auf den Objectträger mittelst einiger Wachströpfehen aufzukitten, und das Blut nachträglich in den ca- pillaren Raum von der Seite her eintreten zu lassen. Es liegt auf der Hand, dass unter Umständen diese Methode einige Vortheile vor der gewöhnlichen zu bieten vermag, z. B. um das Eintreten grösserer Farbstoffklümpchen unter das Deckgläschen zu vermeiden. Zu dem Zwecke aber, eine möglichst dünne Schicht von Blut zur Beobachtung zu erlangen, ist das umständlichere Verfahren nicht nothwendig, vielleicht sogar mit entschiedenen Nachtheilen verbunden. Ist der capillare Raum, wie beabsichtigt wird, von der äussersten Dünne, so vermag sich in demselben ein rothes Blutscheibehen nicht auf die Kante zu stellen. In einen solchen werden die kugligen farblosen Körperchen nicht oder nur zum Theil eintreten. Auch die klebrige Beschaffenheit der Oberfläche der letzteren hindert ihr gleichmässiges Vorrücken in dem engen Raume. Ich überzeugte mich öfter, dass ein auf die Rind- fleisch’sche Methode bereitetes Blutpräparat weniger farblose Kör- perchen enthielt, als ein auf die gewöhnliche Weise gefertigtes. Um eine möglichst dünne Schicht von Blut zu erhalten drücke ich das auf den Bluttropfen gelegte Deckglas mit einer Nadel mässig fest auf, und sauge dann mit einem feinen Tuche oder mit Fliesspapier das über den Rand tretende Blut ab. So erhalte ich, vorausgesetzt dass Objectträger und Deckglas ganz ebene, geschliffene Flächen ha- ben, untadelhafte Präparate. Statt des Carmins wandte ich mit gleichem und zum Theil noch besserem Erfolge ‚einige andere Farbstoffe an, nämlich Zinober, In- 1) Experimentalstudien über die Histologie des Blutes. Leipzig 1863 p-21. Virchow’s Archiv Bd. XXX, p. 603. ’ 20 M. Schultze, digo und Anilinblau, endlich auch Milch. Die Körnchen des Zi- nober sind meist feiner als die des Carmins, die Aufnahme erfolgt sehr schnell und in ziemlich grosser Menge, so dass die Bewegungen der Farbstoffkörnchen im Protoplasma während des Kriechens der Zellen meist an vielen Objeeten desselben Präparates mit der grössten Deutlichkeit beobachtet werden konnten (Fig. 10). Das Anilinblau hat in den feinsten Körnchen eine intensivere und weit schönere Farbe als der Indigo, lässt sich auch sehr gut im Blut fein vertheilen und verdient daher, da eine Aufnahme in die Zellen ebenso leicht stattfindet wie beim Indigo, alle Berücksichtigung. Wie sich in der Art der Fortbewegung und der Gestalt der kriechend vorgeschobenen Rindenpartien Unterschiede zwischen den fein- und grobgranuiirten Körperchen zeigten, so haben wir solche auch den Farbstoffen gegenüber zu constatiren. Im Allgemeinen sind die grobgranulirten viel weniger geneigt zur Aufnahme fremder Körper als die feingranulirten, was offenbar mit der Verschiedenheit in der Consistenz der Rindenschicht des Protoplasma zusammenhängt, wie wir sie anzunehmen uns berechtigt hielten. Es kommt aber eine Aufnahme von Farbstoffen auch bei den grobgranulirten Kör- perchen vor, wie ich unter anderen bei Versuchen mit Anilin- blau beobachtete. Ein solches mit emigen blauen Körnchen im Innern versehenes Körperchen ist in zwei verschiedenen Gestalten in Fig. 12 abgebildet. Auffallend war es mir aber, dass die Lebhaftig- keit der Bewegung durch die Aufnahme des Farbstoffes offenbar sehr abgenommen hatte, eine Erscheinung, die mir übrigens auch oft an den feingranulirten Körperchen: begegnet ist. Der Moment, in welchem die Farbstoffmolekeln in das Innere (des Protoplasıma aufgenommen werden, ist, wie es scheint, durch kein besonders auffallendes Manöver bezeichnet. Besondere Fortsätze, welche die Zelle zur Bewältigung des fremden Körpers ausstrecke, habe ich nie gesehen. Was ich beobachten konnte beschränkte sich darauf, dass während des gleichmässig fortschreitenden Kriechens der Farbstoff wie durch Druck in das Innere des Protoplasma hineinge- presst wird. Es könnte vermuthet werden, dass zu dieser Aufnahme fremder Körper eine Stelle der Oberfläche anderen gegenüber beson- ders geeignet sei. Die Vermuthung hat jedoch an sich wenig Wahr- scheinlichkeit für sich, und wird durch die Beobachtung nicht ge- stützt, da nach den Erscheinungen, welche die kriechenden Körper- chen darbieten, die Beschaffenheit ihrer Oberfläche ringsum eine gleiche Ein heizbarer Objecettisch. 21 zu sein scheint. Noch wäre zu erwähnen, dass gewöhnlich beim Mi- schen des frischen Bluttropfens mit dem fein pulverisirten Farbstoff sofort ein gewisser Theil des letzteren der bekanntermaassen schleimig- klebrigen Oberfläche der farblosen Blutkörperchen anhaftet, welcher dann bei den ersten kriechenden Bewegungen auf dem geheizten Ob- jeettisch sofort theilweise oder ganz in das Innere aufgenommen wird, so dass in diesem Falle der Moment des »Fressens« in seinen ein- zelnen Stadien nicht zur Beobachtung gelangt. Von besonderem Interesse sind die Versuche mit Milch, inso- fern die Grösse der aufgenommenen Milchkügelchen die der Farb- stoffmolekel bei weitem übertrifft. Bei einer Verdünnung des Blutes mit etwa zwei Drittel des Volumen frischer Kuhmilch, wie ich sie ausführte, verändern sich die geformten Elemente des Blutes in kei- ner merkbaren Weise, und, auf den geheizten Objecttisch gebracht, kriechen die farblosen Blutkörperchen mit derselben Schnelligkeit, halten sich auch bei der Körpertemperatur fast ebenso lange leben- dig, wie im unverdünnten Blute. Sofort nachdem die kriechenden Be- wegungen sich eingestellt haben, beobachtet man Blutkörperchen, denen kleinere und grössere Milchkügelchen anhaften. Die kleinen und die mittelgrossen unter ihnen, darunter solche von 0,0083 Mm. Durch- messer, gelangen schnell in das Innere des Protoplasma und werden in diesem mit den ihm eigenthümlichen Körnchen hin- und hergetrie- ben. Ich habe in Fig. 13 ein Blutkörperchen abgebildet, welches fünf verschieden grosse Milchkügelchen enthielt. Als ich dessen zuerst ansichtig wurde, waren die letzteren in ein Klümpchen geballt in einem Fortsatz eingeschlossen, der dem Körper der Zelle beim Krie- chen nachgeschleppt wurde. Dieser Fortsatz wurde sodann eingezogen und die Milchkügelchen geriethen so in die Nähe der Mitte der Zelle, in welcher sie ihre gegenseitige Lage bald veränderten, indem einige derselben beim Kriechen der Zelle dem fliessenden Protoplasma fol- gend nach vorn vorrückten. Musste uns schon die Beobachtung der kriechenden farblosen Blutzellen, wie sie sich in den verschiedenen Stadien der Bewegung präsentiren, zu der Ueberzeugung bringen, dass ihnen eine vom Proto- plasma ‚verschiedene Hülle, eine Zellmembran im Sinne der alten Schule, nicht wohl zugesprochen werden könne, so tragen natürlich die gelungenen Versuche der Fütterung mit Farbstoffen und Milch- kügelchen nur zur Befestigung dieser Ansicht bei. Die Beobachtung der kriechenden Formen zeigt keine Andeutung einer Membran, die 22 M. Schultze, physikalischen Eigenschaften ihrer Oberfläche sprechen: vielmehr auf das Entschiedenste für ein nacktes Protoplasma, die dem Anschein nach an jeder Stelle der Oberfläche mögliche Aufnahme fremder Körper in das Innere wäre bei Existenz einer Membran, wenn wir derselben nicht mindestens eine grössere Oeffnung zuschreiben wollen, von der absolut Nichts zu sehen ist und gegen die jede Analogie spricht, ein Paradoxon. Unter diesen Umständen kann es für mich keinen Augenblick zweifelhaft sein, dass ich die farblosen Blutzellen des Menschen den membranlosen Zellen zurechne, denjenigen Zellen, welche nach meinen an verschiedenen Orten niedergelegten Be- obachtungen nur aus Protoplasma mit eingeschlossenem Kern bestehen und entgegen den früher herrschenden Ansichten eine grosse Verbreitung in den Geweben auch des erwachsenen Thierkörpers finden. Sie schliessen sich in dieser Beziehung unmittelbar an die Blutzellen der wir- bellosen Thiere an, für welche E.Haeckelbereits aussprach, dass sie »hüllenlose Protoplasmaklumpen« darstellen‘). E. Haeckel hat schon die Vermuthung geäussert, dass ein wesentlicher Unter- schied in der fraglichen Beziehung zwischen den Blutzellen der Wir- bellosen und den farblosen Elementen des Blutes der Wirbelthiere, welche Gebilde ja auch früher immer mit emander verglichen wor- den sind, nicht existire. Die Beobachtungen mittelst des heizbaren Objecttisches haben die Möglichkeit an die Hand gegeben, jeden Zweifel zu lösen. Uebrigens haben sich bezüglich der farblosen Blutzellen und Lymphkörperchen des Frosches bereits v. Recklinghausen?) und W. Preyer?°) in ganz gleichem Sinne ausgesprochen. Ich habe weiter bezüglich der Lebensthätigkeiten der farblosen Blutkörperchen noch nach zwei Richtungen hin einige Versuche an- gestellt, über welche ich hier berichten will. Ich suchte zu ermitteln, wie lange nach der Entfernung aus dem Körper die genannten Ele- mente lebendig bleiben d. h. ihre Contraetilität bewahren können, und wie hoch die Temperatur des Blutes steigen könne, ohne dass sie ihr Leben einbüssen. Ich bediente mich bei diesen Versuchen nur des Menschenblutes. Die Lebensdauer der farblosen Blut- körperchen zeigte sich, wie sich voraussetzen liess, in hohem Grade abhängig von der Temperatur, bei welcher man das Blut aufbewahrt. Ein Tropfen frischen Blutes unter Deckgläschen in der feuchten 1) Die Radiolarien, p. 104. 2) Virchow’s Archiv Bd. XVII, p. 184. 3) Virchow’s Archiv Bd. XXX, p. 420. Ein heizbarer Objecttisch. 25 Kammer bei 38—42° C. der Beobachtung unterworfen, bietet bei die- ser Temperatur nach Verlauf von 2—3 Stunden keine Bewegungen der farblosen Blutkörperchen mehr dar, und können solche auch durch niedere oder höhere Temperaturgrade nicht wieder hervorgerufen werden. Das Aussehen der Zellen ist verändert, es fehlt die be- stimmte äussere Begrenzung, iman meint sie seien zerflossen. Die Zahl und Grösse der hellen, blassen Räume in ihrem Innern, welche man Vacuolen nennen kann, hat zugenommen, sie sind offenbar ab- gestorben und in beginnender Zersetzung begriffen. An einem eben- solchen zwischen 36 und 38° C. aufbewahrten Blutpräparate konnten noch nach drei Stunden an einigen wenigen farblosen Blutkörperchen Bewegungen wahrgenommen werden, welche aber nach kurzer Zeit aufhörten. Dagegen erhielten sich die Blutkörperchen eines vor Ver- dunstung geschützten, unter Deckglas aufgestellten Bluttropfens, wenn derselbe gleich nach der Entleerung in eine Temperatur von 3—5°Ü. gebracht wurde, viele Stunden lebensfähig, wie die bei der Erwärmung eintretenden lebhaften kriechenden Bewegungen derselben bewiesen. Solche beobachtete ich noch nach 20 Stunden, während in mehreren 24 und 36 Stunden aufbewahrten Blutproben die farblosen Körperchen abgestorben waren. Viel günstiger für die Erhaltung des Lebens gestalten sich die Verhältnisse, wenn man das Blut nicht in einem einzelnen Tropfen unter Deckglas, sondern in grösseren Quantitäten in Gläsern aufbewahrt. Ich erhielt zu diesen Experimenten ver- schiedene Male Blut, welches Personen, die an leichten rheumatischen oder entzündlichen Erscheinungen erkrankt waren, durch Schröpfen entzogen worden war. Das Blut wurde bei einer Temperatur von durchschnittlich 5° C. aufbewahrt und täglich untersucht. Hier stellte sich wiederholt heraus, dass Proben, welche auf dem heizbaren Objeettische bis 38° C. erwärmt wurden, nach Verlauf von 5 und 6 Tagen noch bewegliche farblose Blutkörperchen enthielten. Die Versuche welche von Kühnet), von mir?) und von Sachs?) in letzter Zeit über die obere Temperaturgrenze angestellt wurden, bei welcher contractile Substanzen und speciell das Protoplasına thieri- scher und pflanzlicher Gewebe ihre Gontraetilität und ihr Leben ein- büssen, haben übereinstimmend das Resultat ergeben, dass diese 1) Reichert u. Du Bois-Reymond, Archiv für Anatomie, Physiolo- gie etc. 1859, p. 804. Untersuchungen über das Protoplasma, Leipzig 1864. 2) Das Protoplasma der Rhizopoden und der Pflanzenzellen, Leipz. 1863. 3) Flora 1864, p. 24, 39 ff. 24 M. Schultze, Grenze zwischen 40 und 50° C. gelegen sei. Verschiedene Organis- men verhalten sich gegen diese hohen Temperaturen etwas verschie- den. Ich bestimmte den Temperaturgrad, welcher tödtet, für Amoe- ben und Actinophrys auf 43° C., für Anguillulinen, Turbellarien ‚und Räderthiere auf 45°, für das Protoplasma der Zellen von Urtica, Val- lisneria und Tradescantia auf 45—48°. Diese Bestimmungen sind sämmtlich in Wasser vorgenommen. Sachs bewies sodann, dass eingewurzelte Pflanzen von Nicotiana, Cucurbita, Zea Mais, Mimosa pudica, Tropaeolum u. A., welche in Lufterwärmt worden, 25 Mi- nuten lang selbst 49—51" ertragen können, dass aber jede Erwär- mung auf 51° und darüber schnell tödtlich wirkt. Auch die Beob- achtung, welche F. Cohn an den Organismen: der heissen Quellen von Garlsbad anstellte, stimmen überein, in so fern Cohn angiebt, dass das Wasser nach seinen Messungen sich immer erst unter 43" R. abkühle, ehe Oscillarien in demselben vorkommen !). Mit dem Eintreten der letalen Wirkung verändert sich das Protoplasma in einer Weise, welche Kühne für die contraectilen Substanzen überhaupt als Wärmestarre bezeichnet, und welche für die Froschmuskeln bei 45°, für die Mtiıskeln der Saugethiere bei .9—50°, bei Vögeln so- gar erst bei 53° C. in ihrer vollkommenen Entfaltung beobachtet wird. Niedere Grade der Starre, welche Kühne der Todtenstarre vergleicht und welche wohl ganz allmählig in die höheren übergehen, treten bei den Froschmuskeln schon bei 40°, bei Warmblütern einige Grade später auf. Diesen letzteren entspricht, was Kühne am Proto- plasma der Amoeben, Actinophrys, Myxomyceten und. der Pflanzen- zellen 2) mit dem Namen Wärmetetanus belegt, ein Zustand, den auch Sachs bei Pflanzenzellen genauer beobachtete °) und vorüber- gehende Wärmestarre benennt, dadurch characterisirt, dass das Protoplasma vor dem Eintritt. des Todes seine Bewegungen einstellt, un- ter Abschnürung von Kugeln mannigfache Formveränderungen eingeht, aber bei der Abkühlung wieder in den normalen Zustand zurückkehrt. Diesen an verschiedenen Organismen und Protoplaswmagebilden angestellten Versuchen entsprechen nun ganz die Veränderungen, welche man bei einer gesteigerten Temperatur an den farblosen Blut- zellen des Menschenblutes beobachtet. Während die Bewegung der- selben bei 45 und 46” noch eine lebhafte, oft sogar gesteigerte ist, 1) Ueber die Algen des Carlsbader Sprudels, Breslau 1863. ) )) Kühne, Protoplasma p.45, 67, 87, 103. 1 26: -p439,..66 ff. [80] © Ein heizbarer Objeettisch. 25 nimmt dieselbe bei weiterer Zunahme der Temperatur ab. Die Kör- perchen schieken noch einzelne Fortsätze aus und ziehen sie ein, aber die kriechenden Bewegungen hören auf, die Fortsätze selbst haben ein eigenthümlich zerfliessliches Aussehen, endlich wird das Körperchen starr in irgend einer Form, die dasselbe gerade ange- nommen hatte. Diese: Veränderung sah ich auf dem warmen Objeet- tisch bei 50-51? C. eintreten. Natürlich hängt auch hier viel von der Schnelligkeit des Heizens ab. Denn eine Temperatur von 48 bis 49°, wenn sie länger als 5 Minuten anhält, tödtet unter den glei- chen. Erscheinungen. Jedenfalls darf als sicher angenommen werden, dass 50° ziemlich genau diejenige Temperatur bezeichnet, durch welche die farblosen Blutkörperchen definitiv abgetödtet, d. h. m einen Zu- stand von bleibender Starre versetzt werden, und dass dieser letz- teren ein Zustand der Bewegungslosigkeit vorausgeht, von welchem die Körperchen sich wieder erholen können, und den wir als vorüber- gehende Wärmestarre, nach Kühne als Wärmetetanus zu bezeichnen hätten. Dieselben Temperaturgrade also, welche bei Säugethiermuskeln die bleibende Starre erzeugen, die den Tod des Gewebes kennzeichnet, 49--50°, und nach Obigem überhaupt die obere Grenze darstellen, über welche hinaus das Leben der wichtigsten Bestandtheile des menschlichen und thierischen Körpers, ebenso der Pflanzen, dauernd nicht erhalten werden kann, sind es, welche auch die Contraectilität und Integrität einer farblosen Blutzelle nicht überdauert. Ich gehe nach diesen die Natur der farblosen Blutkörperchen des Menschen betreffenden Mittheilungen zu dem über, was man an den rothen Blutkörperchen auf dem heizbaren Objecttisch beobachten kann. Hier muss ich zunächst gleich hervorheben, dass während der lebhaft kriechenden Bewegungen der farblosen Zellen die rothen Körperchen keine Spur von Gestaltveränderung zeigen. Klebs berichtet‘), dass die rothen Blutkörperchen des Menschen und mehrerer Säugethiere »bei Erwärmung des Blutes unter Ver- hinderung der Verdunstung auf Körpertemperatur« zackig werden. Derselbe beschreibt die allmähligen Veränderungen, welche die Blut- körperchen eingehen, bis sie eine zackige Form angenommen haben, 1) Centralblatt f. d. medicin. Wissensch. Berlin 1863. No. 54. 36 M. Schultze, sehr genau, jedoch ohne die Methode, welche er zur Erwärmung anwandte, anzugeben. Das ganze Phänomen fasste er als einen Act selbstständiger CGontractilität auf: »die rothen Blutkörper- chen der Säugethiere sind contractile Gebilde, die sogenannte Maul- beerform derselben entspricht dem bewegten, die backschüsselförmige (die Backschüsselform) dem unbewegten Zustande. Das todte Blut- körperchen hat eine Kugelform.« Die Anwendung des heizbaren Objecttisches gestattet auf eine sehr vollkommene Weise ein ein- zelnes Blutkörperchen während schneller oder langsamer Erwärmung der Beobachtung zu unterwerfen. Bei aller auf den Gegenstand ver- wandten Aufimerksamkeit bin ich nicht im Stande gewesen, auch nur ein einziges Mal bei einer Temperatur von 38—40° C. eine Gestalt- veränderung an einem scheibenförmigen Blutkörperchen zu constatiren. Jedes Blutpräparat birgt gewöhnlich einige zackige Formen, die sich bei Anwendung des geheizten Objecttisches auch an einzelnen Stellen vermehren, doch wo die Verdunstung ausgeschlossen. ist, wie unter dem Deckgläschen in der feuchten Kammer, erhalten sich die scheiben- förmigen Körperchen auch auf dem 35° warmen Objecttisch stunden- lang unverändert. Ich habe dann Schröpfblut vom Menschen und ganz frisch aus der Ader gelassenes Blut vom Hunde in Reagenzgläs- chen auf 35, 40 und 45°C. im Wasserbade erwärmt und Proben da- von unter das Mikroskop gebracht, aber nie eine Bestätigung der Klebs’schen Angaben erhalten. Es ist somit aus dem Verhalten der rothen Blutkörperchen bei Körperwärme auch kein Grund zu ent- nehmen, dieselben für contractile Gebilde zu erklären. Der Unterschied zwischen den contractilen, bewegten, farblosen Blutzellen und den regungslos liegenden rothen Blutkörperchen springt vielmehr so in die Augen, dass es gerathener erscheint, zunächst den Gedanken, dass die Substanz der rothen Blutkörperchen mit contractilem Proto- plasma etwas gemein habe, aufzugeben. Die Temperatur, bei welcher die rothen Blutkörperchen des Menschen- und Thierblutes Veränderungen eingehen, liegt höher als die Körpertemperatur, sie fällt mit: derjenigen zusammen, bei welcher die contractilen Substanzen in bleibende Wärmestarre gerathen, also den Tod erleiden. Steigert man die Wärme des heizbaren Object- tisches auf etwa 52° C., so verändern sich die rothen Blutkörper- chen des Menschen unter den Augen des Beobachters in einer bis- her unbeachtet gebliebenen, sehr charakteristischen Weise. Das Blut- scheibchen, welches bis dahin kreisrund, mit napfförmiger Vertiefung, Ein heizbarer Objecttisch. 27 kurz in ganz unverändertem Habitus verharrte, erhält jetzt an sei- nem Rande erst seichte, dann tiefe Einschnürungen in grösserer oder geringerer Zahl, und in wenigen Sekunden sind sämmtliche Blutkör- perchen des Präparates total verändert (Fig. 14). Aus den Einker- bungen entstehen schnell kuglige Abschnürungen, die sich entweder sofort ablösen oderjowie gewöhnlich, eine Zeit lang wie an feinen Stielen untereinander in Zusammenhang bleiben. Die Blutkörperchen theilen sich in eine grössere oder geringere Zahl von kugligen Stücken, unter denen meist das eine central gelegene das grösste ist, gewisser- maassen der kuglig gewordene Rest des Blutscheibchens, die anderen grösser und kleiner, bis zu molekularer Kleinheit herab, dem Haupt- stück anhängen oder sich ablösen und in lebhafter Tanzbewegung in der Blutflüssigkeit vertheilen. Das endliche Resultat dieses Theilungs- processes ist, dass in der Blutflüssigkeit nur noch. kleine Kügelchen von ziemlich dunkler Blutkörperchenfarbe übrig sind, deren grösste immer noch kleiner als ein ohne Abschnürung kuglig gewordenes Blutscheibchen sind, die kleinsten sich wie Elementarkörnchen ver- halten. Dazwischen liegen alle möglichen Uebergänge (Fig. 16). Ein so einfaches Bild gewährt die Bluttlüssigkeit jedoch erst nach Verlauf einer geraumen Zeit. Gleich nach der Erwärmung auf 52° und nach dem Auftreten der ersten eben beschriebenen Ver- änderungen beobachtet man eine Reihe auf die sonderbarste Weise missgestalteter Blutkörperchen (Fig. 15). Ihre Bildung beruht auf verschiedenen Veränderungen. Statt der Abschnürung von Kugeln zieht sich das Scheibchen in einen langen Cylinder aus, der zunächst von gleichmässiger Dicke, später knopfförmig angeschwollene Enden erhält. Oder es bilden sich mehrere hintereinander gelegene An- sehwellungen an demselben veränderten Blutkörperchen aus. Solche Formen können als ein variköser Faden auch von vorneherein aus der Einkerbung und Streckung des Blutscheibchens ihren Ursprung nehmen und kommen bis zu grosser Feinheit und mit zehn bis zwan- zig hintereinander liegenden Varikositäten, also wie eine Perlschnur gestaltet, vor. Andere Blutkörperchen treiben statt kugliger Höcker lange Fäden hervor, meist nur einen, der dann. bei grosser Länge und bedeutender Feinheit an der lebhaften, durch die Hitze gestei- gerten Molekularbewegung theilnehmend, schlängelnde Bewegungen ausführt. Solche Fäden reissen dann nieht selten ab, und indem sie sich fortdauernd bewegen, rücken sie oft den Vibrionen ähnlich in der Flüssigkeit voran. Aus der anfänglich enormen Mannigfaltigkeit 28 M. Schultze, der Formen gehen dann allmählig immer mehr regelmässig kuglige Bildungen hervor, bis nach Verlauf von einer viertel oder halben Stunde die Blutflüssiekeit das Ansehen wie in Fig. 16 angenommen hat. ‘ Diese Veränderung tritt ein, das Blut mag auf der hohen, 50° übersteigenden Temperatur längere Zeit erhalten oder gleich nach der Erwärmung wieder bis zu Zimmertemperatur abgekühlt wor- den sein. Alles dies Jässt sich ebenso an grösseren Blutmengen beobach- ten, wenn dieselben im Reagenzglase im Wasserbade erwärmt werden. Ich benutzte Blut, welches verschiedenen Personen durch Schröpfen entleert und 12—24 Stunden bei eirca 5° C. aufbewahrt worden war. Bei drei auf diese Art untersuchten verschiedenen Blutproben traten die beschriebenen Veränderungen sofort auf, nachdem das Blut eine Temperatur von 50—52° C. angenommen hatte. Die Me- thode bietet den Vortheil vor der Erwärmung auf dem heizbaren Objeettisch, dass man die Grenze, bis zu welcher man die Tempe- ratur steigern will, viel genauer einhalten kann. Daher gelingt es mittelst derselben leicht, die verschiedenen Stadien der Veränderung zu fixiren, also z. B. sämmtliche Blutkörperchen nur bis zum Auf- treten der Einkerbungen und Einschnürungen des Randes zu erwär- men, aber die Abschnürung der Theilstücke noch aufzuhalten, welche dann bei geringer Temperatursteigerung sofort eintritt. | Ich bemerke hier beiläufig, dass die Beobachtung dieser Umwand- lung eine gute und sehr bequeme Probe für den heizbaren Ob- Jeettisch abgiebt, welche sich den im Eingange beschriebenen, auf der Bestimmung des Schmelzpunktes von Fetten beruhenden an die Seite stellt. Treten bei langsamem oder schnellerem Heizen die Abschnürungen der Blutscheibchen bei etwa 52°C. auf, so wird man sich auf die Uebereinstimmung im Gange des Thermometers und der Temperatur des Präparates verlassen können. Die Versuche, welche ich mit menschlichem Schröpfblut unter- nahm, dehnte ich auf einen Zeitraum von mehreren Tagen nach dem Ablassen des Blutes aus, um zu entscheiden, wie lange nach der Entleerung aus den Gefässen die Blutkörperchen die Fähigkeit zu den beschriebenen, bei eirca 52° C. eintretenden Veränderungen be- halten. Bekanntlich verlieren die rothen Blutkörperchen ausserhalb des Körpers allmählig ihre Napfform und werden kuglig. Je nach der Temperatur, bei welcher man das aus der Ader gelassene Blut aufbewart, tritt die Umwandlung früher oder später ein. Das Re- Ein heizbarer Objeettisch. 29 sultat meiner Versuche wär nun, dass mit dem Auftreten dieser Um- wandlung die Fähigkeit zu den characteristischen Wärmeveränderungen verloren geht. Die Blutkörperchen bleiben kuglig auch bis zu einer Temperatur von 60° und darüber, bis sie Gerinnungserscheinungen zeigen. So lange jedoch die Napfform erhalten ist, schnüren sie sich auch bei 52° in Stücke. Ein Tropfen Blut aus der Fingerspitze unter Deckglas 2—3 Stunden bei 40° C. in der feuchten Kammer aufbe- wahrt, enthält meist keine napfförmigen Blutkörperchen mehr, und die höhere Temperatur bringt keine Abschnürungen hervor. Schröpf- blut, welches dagegen bei 3—5" C. im einem Glase 8 Tage lang gestanden hatte, enthielt noch viele, meist münzenförmig gruppirte, unveränderte Blutkörperchen, welche sich gegen die Steigerung der Temperatur ganz wie frische verhielten. Einige vergleichende Versuche, welche ich an Blutscheibehen von Thieren anstellte, ergaben für die warmblütigen Thiere, wie sich vor- aussetzen liess, eine grosse Uebereinstimmung mit dem Blute des Men- schen. Ich benutzte von Säugethieren, Kaninchen, Hund, Kalb und Meerschweinchen. Das Blut dieser Thiere, mag es frisch aus der Ader gelassen oder mehrere Tage bei niederer Temperatur auf- bewahrt worden sein, verändert sich bei einer Wärme über 50° C. wie das des Menschen. Es schnüren sich von der Peripherie der Blutscheibchen kleinere und grössere Kügelchen ab, welche frei herum- schwimmen, während der übrigbleibende Theil auch kuglig wird. An frisch aus der Ader gelassenem geschlagenem Hundeblut machte ich im Wasserbade einige genauere Temperaturbestimmungen, welche ergaben, dass eine Erwärmung des Blutes bis 50 und 51° noch keine Veränderung in der Gestalt der rothen Körperchen erzeugt, wenn, wie in meinen Versuchen geschah, die hohe Temperatur nicht länger als 5 Minuten constant einwirkte. Sowie aber 52° erreicht sind, er- halten die Blutkörperchen Einkerbungen, und zwischen 52 und 53° tritt sofort die Abschnürung der durch Einkerbung begränzten Rand- partieen ein, und der Rest des Blutkörperchens nimmt Kugelform an. Das Gleiche beobachtete ich sodann am Blute des Huhnes, doch bedurfte es hier einer Temperatur von 53—54°, um die merk- würdigen Veränderungen hervorzurufen. Von kaltblütigen Thieren verglich ich bis jetzt nur den Frosch, und zwar Exemplare, welche im Monat Februar, also während des Winterschlafes, im Freien ge- sammelt worden waren. Die rothen Blutkörperchen erhielten sich bis 43° C. unverändert, darüber hinaus erwärmt nahmen viele die 30 M. Schultze, Form von Löffelbiseuit oder Dumbbellform an, so zwar, dass die an- geschwollenen Enden dunkel gefärbt, die mittlere schmale Brücke fast farblos erschien. Dabei trat aus fast allen Blutkörperchen eine grössere Zahl molekulär kleiner Körnchen aus, von denen sich nicht deutlich unterscheiden liess, ob sie gefärbt waren oder nicht. ' Ein- zelne hingen in Reihen und Fäden zusammen und alle zeigten leb- hafte Molekularbewegung. Ein Abschnüren grösserer Tropfen oder Kugeln, wie es die Wärmeveränderung der Blutkörperchen der warm- blütigen Thiere auszeichnet, beobachtete ich beim Frosch auch dann nieht, wenn die Temperatur bis 55 und 60° gesteigert wurde. Es tritt eine körnige Gerinnung im Blutkörperchen, aber keine weitere Gestaltänderung ein. Jedenfalls ist das Verhalten analog dem der Blutkörperchen warmblütiger Thiere, doch darin verschieden, dass die Veränderung schon bei 45°C. eintritt und zu keiner so vollstän- digen Zerstörung der Blutkörperchen führt. Beale, welcher, wie oben angeführt wurde, auch Blut erwärmte, hat, nach seinen Abbildungen zu schliessen 1), offenbar dieselben Um- wandlungen der rothen Blutkörperchen gesehen. Doch geht er ober- flächlich über die Beobachtung hinweg und bestimmte nicht einmal den Temperaturgrad genauer, bei welchem die Veränderungen ein- treten, beschränkt sich vielmehr auf die Angabe »bei mässiger Hitze (etwas über 100°%)«. Nach Fahrenheit aber, dem Beale wohl unzweifelhaft folgt, sind 52° C. ungefähr gleich 127°. Sehr zu verwundern ist, dass die beschriebenen Veränderungen Rollet ent- sangen sind, dem wir so bemerkenswerthe Aufschlüsse über die Na- tur der rothen Blutkörperchen verdanken, und der, wie oben erwähnt, bei Gelegenheit seiner Untersuchungen über den Einfluss, : welchen electrische Schläge auf das Blut ausüben, auch einiger Beobachtungen über Wärmeveränderungen am Blute gedenkt. Rollet hat die so merkwürdige Theilung der Blutkörperchen, das Abschnüren von Fä- den und Kügelchen nicht gesehen, obgleich er sowohl mittelst eines freilich sehr unvollkommenen warmen Objecttisches, als auch mit Hülfe des Wasserbades arbeitete. Er beschreibt als endlichen Effect nur das Kugligwerden der Blutscheibehen, und verweist bezüglich der ersten Veränderungen auf seine Angaben über den Einfluss der elec- trischen Schläge, durch welche auch nur Formveränderungen, aber keine Theilungen entstehen sollen. Für die Säugethierblutkörperchen 1) Quart. Journal of microscop. science No. XIII, 1864, Pl. VI, Fig. 2, 3. Ein heizbarer Objeettisch. sl verlest er den Eintritt dieser Gestaltveränderung auf 40—45° C. In der That werden die Blutkörperchen des Menschen wie der Säuge- thiere endlich kuglig, wenn sie stundenlang aufdieser Temperatur, sei es auf dem warmen Öbjecttische oder im Wasserbade, erhalten werden; man würde aber sehr irren, wenn man daraus schliessen wollte, dass die Temperatur von 40—45° an sich diesen deletären Effeet auf die Blutscheibchen ausübe. Schon daraus, dass diese hohe Temperatur innerhalb der im Leben vorkommenden Grenzen liegt, ergiebt sich die Unhaltbarkeit dieses Schlusses. Die aus dem Körper entfernten Blutscheibchen werden, längere Zeit aufbewahrt, bei jeder Temperatur über dem Gefrierpunct kuglig, bei 40—45° aus nahe liegenden Gründen nur viel schneller als bei 4-5°. Mit einem eigenthümlichen, plötzlich auftretenden Temperatureinfluss, wie der von mir beschriebene es ist, haben wir es dabei nicht zu thun. Um diesen zu beobachten muss eine Erwärmung bis mindestens 50°C. eintreten. Aber noch in einer anderen Beziehung befinde ich mich in einer Differenz mit Rollet. »Niemals«, sagt derselbet), »gelingt es, durch Temperatursteigerung dem Blute die Transparenz und Durchsichtig- keit des electrisirten Blutes zu geben.« Nach meinen zuerst auf dem warmen Objecttisch ausgeführten, dann im Wasserbade controllirten Versuchen lösen sich bei ungefähr 60° C. die kleinen und grossen kugligen Theilstücke der Blutkörperchen auf, d. h. es entsteht eine lackfarbene Lösung von Hämoglobin von bekann- tem Aussehen. In dieser Lösung schwimmen die entfärbten und daher schwer sichtbaren Reste des Stroma der Blutkügelehen, wie bei einer wässerigen Lösung die sogenannten »Membranen der Blutzellen«. Durch Alcohol oder Jodlösung können dieselben deut- lich gemacht werden. Und dass das Hämoglobin in Lösung über- gegangen ist, ohne zersetzt Zu sein, beweist seine noch er- haltene Krystallisationsfähigkeit. Ich habe die Beobachtung gemacht, dass Blut vom Meerschweinchen, welches auf dem heizbaren Objecttisch über 60° erwärmt und dadurch in eine lackfarbene Lö- sung verwandelt worden war, beim Erkalten und bei langsamer Ver- dunstung auf dem Objeetträger sofort krystallisirte. Ich nahm dann grössere Blutmengen desselben Thieres in’s Wasserbad, eben- falls bis zu einer Temperatur von mindestens 60° C., und sah dann 1).1: c.'D..3% 32 M. Schultze, jeden Tropfen dieses Blutes bei Verdunstung zu einem dichten Kry- stallbrei erstarren. Nach längerem Stehen der so veränderten Blut- proben bei kühler Temperatur schied sich das Hämoglobin in grösseren Krystallen aus. Das Blut vom Kalb, Kaninchen und vom Menschen in gleicher Weise behandelt, krystallisirte beim Eintrocknen oder beim längeren Stehen nicht, obgleich die Lösung eine ebenso vollständige war. Ich habe es bisher unterlassen, weitere Versuche über die Gewinnung von Krystallen aus solchem durch Wärme in Lösung gebrachten Hämoglobin anzustellen, zweifle aber nicht, dass dieselben in ähnlicher Weise zum Ziele führen werden, wie sie mit Lösungen gelingen, die durch Gefrieren des Blutes nach Rollet®) erhalten werden. Ich kann nicht unterlassen, bei dieser Gelegenheit zu betonen, wie verwandt der Einfluss niederer, unter 0° gehender, und höherer, 50 ° übersteigender Temperaturgrade auch beim Blute sich heraus- stellt, wie solches für andere Gewebe namentlich von Kühne und Sachs hervorgehoben worden ist. Die Blutkörperchen werden durch Frost kuglig und das Hämoglobin tritt in Lösung gerade so, wie durch den Einfluss einer Wärme von 50—60° ©. Die Abschnürungen und Theilungen der Blutkörperchen, welche ich bei den successive eintretenden Temperatursteigerungen beobachtete, sind bei Kältewir- kung bisher freilich nicht zur Wahrnehmung gekommen, vielleicht nur desshalb nicht, weil man es unterliess, ein einzelnes Blutkörper- chen während des Gefrierens genau zu verfolgen. Ich verweise hier noch auf die Versuche von Sachs über das Erfrieren von Pflan- zen?) und die Controllversuche bei höheren Temperaturgraden ®), sowie auf Kühne’s Untersuchungen über den Einfluss der Kälte auf die Staubfadenhaare von Tradescantia ®). Bei Betrachtung der merkwürdigen Gestaltveränderungen, welche die rothen Blutkörperchen des Menschen und der Thiere bei einer Temperatur über 50° C. eingehen, werden wir sofort erinnert an ähnliche Umwandlungen, denen nach Kölliker’s Beobachtung die rothen Körperchen des Froschblutes unterliegen, wenn sie mit 1) Sitzungsber. d. Akad. d. Wiss. zu Wien Bd. 46. Versuche und Beob- achtungen aın Blute. 2) Berichte der Königl. Sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften v. J. 1860. 3) Flora 1864, p. 71 ff. 4) Protoplasma p. 101. Ein heizbarer Objecttisch. 33 eoncentrirter Harnstofflösung in Berührung kommen. Preyer hat neuerliehst diese Beobachtungen wiederholt und Abbildungen zu denselben geliefert *), welche, wie seine Beschreibung, beweisen, dass dabei im Wesen ganz gleiche Formänderungen vorkommen, wie sie durch die höheren Temperaturgrade hervorgerufen werden. Aber auch ganz spontan können die Blutkörperchen des Frosches derartige Veränderungen ihrer Gestalt eingehen, wie Rindfleisch?) und Preyer gezeigt haben, und diese Beobachtungen sind für eine Deu- tung der Vorgänge auch in den Säugethierblutkörperchen von beson- derer Bedeutung. Es handelt sich dabei wesentlich um zwei die Natur der rothen Blutkörperchen betreffende Fragen. Sind dieselben mit einer vom Inhalte verschiedenen Membran ausgerüstet, und haben wir Ur- sache, der Substanz der genannten Körperchen Gontraectilität zu- zuschreiben ? Beide Fragen sind erst in der neuesten Zeit aufgewor- fen worden, und vor der Hand wohl kaum entscheidend zu be- antworten. Zunächst ist zu berücksichtigen, dass Mensch, Säuge- thiere und Frosch, an denen man am meisten experimentirte, sich durchaus nicht in allen Beziehungen gleich verhalten. Es kann wohl kaum einem Zweifel unterliegen, dass die rothen Blutscheibehen des Menschen und der Säugethiere, wie ich schon früher hervorhob >), aus einer vom Protoplasma contractiler Zellen so durchgreifend ver- schiedenen Substanz bestehen, dass, da ihnen zugleich ein Kern fehlt, der Name »Zelle«, mit dem sie vielfach belegt werden, ihnen nicht zukommt. Da nun weiter von mir oben nachgewiesen worden, dass an den rothen Blutkörperchen Erscheinungen von Gontractilität bei Temperaturen, die sonst zur Hervorrufung von Gestaltveränderungen ausserordentlich geeignet sind, nicht zur Beobachtung gelangen, so wird man anstehen, diejenigen Umwandlungen, welche sie bei einer Temperatur über 50° C., die nachweislich den Tod jedes contractilen (ewebes zur schnellen Folge hat, eingehen, ohne Weiteres einer le- bendigen Contractilität zuzuschreiben. Anders verhält es sich mit den Froschblutkörperchen. Ihnen kommt nicht nur en Kern zu, sondern auch die Substanz derselben scheint, wie namentlich Hen- sen*) hervorhob, zum Theil noch dem Protoplasma, also der con- 1) Virchow’s Archiv XXX, Taf. XV, Fig. 35 a—g. 2) Experimentalstudien über die Histologie des Blutes, Fig. 1e. 3) Ueber Muskelkörperchen ete. p. 23. 4) Zeitschrift f. wissensch. Zoologie Bd. XI, 1861, p. 253. M. Schultze, Archiv f, mikrosk. Anatomie. T. Bd. 3 34 M. Sehultze, tractilen Substanz derjenigen Zellen ähnlich oder gleich, aus welchen sie bei der Entwickelung hervorgingen. Wenn wir bei solchen Zellen Gestaltveränderungen ablaufen sehen, wie sie Preyer so ausführ- lich beschrieben und abgebildet hat, so werden wir uns auch seiner Deutung, dass es sich hier um eine der Contractilität des Protoplasma analoge Erscheinung handle, anschliessen können. Freilich dürfen wir dabei nicht ausser Acht lassen, dass es gerade absterbende, in Extravasatblut enthaltene und entschieden ihrer endlichen Auflösung entgegengehende Körperchen waren, an denen diese Beobachtungen vorzugsweise gemacht wurden, und dass demnach auch noch nach einer anderen Seite hin em Ausweg bleibt. Nehmen wir dazu die Versuche Rollet’s über den Einfluss eleetrischer Schläge auf die rothen Blutkörperchen, aus denen dieser mit Blutuntersuchungen.: so vertraute, gewandte Forscher Gründe abnimmt, der Klebs’schen Ansicht von der CGontractilität der rothen Blutkörperchen auf das ent- schiedenste entgegenzutreten, so wird zugegeben werden müssen, dass zunächst der tiefgreifende Unterschied zwischen Zellen-Protoplasma und Sabstanz eines rothen Blutkörperchens nur befestigt erscheint. Was aber die Frage nach der Existenz einer Membran auf der Ober- tläche der rothen Blutkörperchen des Menschen betrifft, so stehe ich keinen Augenblick an, mich auf die Seite von Brücke und Rollet®) zu stellen, welche hervorheben, dass kein haltbarer Grund zur An- nahme einer solchen vorliege. Rollet’s Versuche durch mechanische Eingriffe Blutkörperchen in alle mögliche Gestalten und zur Thei- lung zu bringen, und die Thatsache, dass jedes Theilstück sofort Kugelform annimmt, lassen sich so wenig mit der Existenz einer vom Inhalt des Blutkörperchens verschiedenen Membran vereinigen, dass es kaum noch der neuen Angriffe gegen die Membran bedarf, welche wir aus dem Verhalten der Blutkörperchen bei 50° C. und darüber entnehmen. Die Art wie das Blutscheibchen bei dieser Tem- peratur sich in Stücke theilt, die sich alle sofort in Kugeln umwan- deln, und die nicht etwa blos Tropfen einer Flüssigkeit sind, sondern, wie die Behandlung mit Wasser zeigt, aus einem Stroma und einer Hämoglobinlösung bestehen, gerade so, wie das unveränderte Blut- körperchen, ferner die proteisch verschiedenen (Gestalten, welche 1) Brücke, die Elementarorganismen. Sitzungsber. d. Akad. d. Wiss. zu Wien 1861, Bd. 44, p.388. Rollet, Versuche und Beobachtungen am Blute. Ebenda Bd. 46, Ein heizbarer Objecttisch. 35 die Blutkörperchen bei 52° annehmen können, von denen unsere Figg. 14 und 15 eine Anschauung geben: alles dies bildet immerhin em äusserst belehrendes und überzeugendes Object, wenn es sich um Be- urtheilung des eigenthümlichen Aggregatzustandes der Blutkörper- chen handelt, und muss schwer ins Gewicht fallen, wenn die Gründe für und wider eine Membran gegen emander abgewogen werden sollen. Was hier über das Verhalten der rothen Blutkörperchen be- richtet wurde, bezieht sich alles auf die gewöhnliche Form der- selben, auf die bekannten scheibenförmigen Körperchen. Ich bin aber nicht der Ansicht derer, welche meinen, dies sei die einzige Form “ rother Blutkörperchen beim Menschen. Ich finde in dem meinigen und in dem Blute einiger anderer Personen constant eine geringe und nach den Tageszeiten schwankende Zahl kleiner, kugliger, rother Blutkörperchen (Fig. 2) von 0,005—0,006 Mm., und von diesen all- mählige Uebereänge zu den gewöhnlichen scheibenförmigen von 0,008 bis 0,010 Mm. Durchmesser. Dieselben betheiligen sich nicht an der seldrollenförmigen Gruppirung der Blutscheibchen, und sind also, wie die farblosen, in den Zwischenräumen zwischen den Rollen zu finden. Einige haben ein Ansehn wie femzackig, andere wie feingranulirt, wozwischen oft schwer zu entscheiden ist. Dem berechtigten Ver- dacht gegenüber, dass diese kleinen und kugelrunden Körper- chen erst nachträglich auf dem Objectträger entstanden seien, muss ich anführen, dass ich mich durch möselichste Vorsicht und Schnelligkeit in der Anfertigung der Präparate sowohl vor Verdun- stung als vor Beimischung von Sekret der Schweissdrüsen u. dergl. m. zu schützen suchte. Immerhin gebe ich zu, dass ein vollgültiger Be- weis für ihre Präexistenz im Kreisenden Blute fehlt, und unterlasse ich es daher hier auch, auf die zahlreichen in der Literatur verzeichneten Angaben und die Meinungsverschiedenheiten über diese Körperchen einzugehen, über welche ein endgültiges Urtheil fällen zu können ich mich bisher vergeblich bemüht habe. Wenn schon im gesunden Zu- stande des Blutes die Neigung der scheibenförmigen Körperchen kuglig zu werden sehr gross ist, so nimmt dieselbe, wie mich zu überzeugen ich mehrfach Gelegenheit hatte, bei starkem Fieber be- deutend zu, daher Aderlass- und Schröpfblut, wenn es nicht so- fort zu mikroskopischen Präparaten verwandt wird, nur mit grösster Vorsicht zu Schlüssen in dieser Richtung benutzt werden darf. Das Blut einer an embolischer Pneumonie erkrankten Wöchnerin, welches ich aus Fingern und dem Arm entnahm, konnte 36 M. Schultze, ich kaum schnell genug unter das Deckgläschen bringen, um schei- benförmige Körperchen zu sehen. Lies ich dasselbe nach der Rind- fleisch’schen Methode langsam in den capillaren Raum unter das Deckgläschen eintreten, so fand sich der grösste Theil der rothen Körperchen sphärisch umgestaltet, während in einem schnell auf dem Objectträger aufgefangenen und sofort mit dem Deckgläschen bedeckten Tropfen die Zahl der sphärischen viel geringer war. Aderlass- blut derselben Kranken, welches noch vor dem Gerinnen in eine enghalsige Flasche gefüllt war, die mir zugestöpselt durch die Güte meines Collegen Veit sofort zukam, enthielt 1—2 Stunden nach dem Aderlass, zu welcher Zeit ich die erste Untersuchung vornahm, sehr ° viele kleine sphärische Blutkörperchen. Ueber das Blut dieser Kranken habe ich sonst nur zu berichten, dass sich dasselbe ungemem reich an farblosen Elementen zeigte '), welche alle der feingranulirten Form angehörten, dass es aber andere fremdartige Bestandtheile der mi- kroskopischen Untersuchung nicht darbot, auch nur sehr arm an den gleich noch zu erwähnenden, normal oft sehr reichlich im Blute ent- haltenen Körnchenbildungen war. Im Blute ist gewiss kein Bestandtheil gleichgültig und’ so will ich denn zum Schluss nachdrücklichst auf einen bisher fast ganz unbeachtet gelassenen, dennoch normalen Formbestandtheil des menschlichen Blutes aufmerksam machen. Ich finde in meinem und dem Blute zahlreicher anderer darauf untersuchten Personen mitt- leren und jugendlichen Alters mehr oder minder reichlich unregelmässig gestaltete Klümpcehen farbloser Kügelchen, von sehr verschie- dener Grösse, je nachdem sie aus wenigen oder vielen Kügelchen zusammengesetzt sind. Die letzteren messen einzeln höchstens 0,001—0,002 Mm., und kommen auch einzeln im Blute vor, viel häufiger sind sie zu locker zusammenhängenden, nicht scharf um- schriebenen Gruppen vereinigt, in denen eine fenkörnige Masse sie untereinander verklebt. So finde ich sie zu 3, 4, aber auch zu 30 und mehr, unter Umständen zu hunderten vereinigt, deren Plaques dann bei ganz unregelmässiger Gestalt einen längsten Durchmesser von 1) Den Reichthum an farblosen Körperchen beobachtete auch Schulten im Blute einer an Puerperalfieber Erkrankten (Virchow’s Archiv Bd. XIV, 1858, p.503). Ich habe denselben in höchst auffallendem Grade bei einer zweiten an Thrombose leidenden Wöchnerin constatirt, welche später genas. Vor allen Dingen wird natürlich der im Wochenbette normale Zustand festzustellen sein, ehe diesen vereinzelten Beobachtungen ein Werth beigelegt werden kann. Ein heizbarer Objeettisch. 37 0,08 Mm. und darüber haben können. Die Kügelchen selbst sind sanz farblos, homogen oder wenig feinkörnig und in der Art ihrer Lichtbrechung von der umgebenden Blutflüssigkeit nur wenig unter- schieden, daher blass und schon ihrer geringen Grösse wegen, welche 6-8 mal geringer als die der rothen Blutkörperchen ist, nur mit guten starken Linsen einzeln zu erkennen. Aber nicht immer stellen sie regelmässige Kugeln dar, oft sind sie eckig verzogen, besitzen (dann meist etwas schärfere Contouren und auch ein deutlicher kör- niges Ansehn. Auch die Gruppen derselben brechen das Licht schwach und sind nur insehr dünn ausgebreitetem Bluttropfen gut zu sehen. Farbige Elemente sah ich sie nie einschliessen, auch eine Beziehung zu den farblosen Blutkörperchen vermochte ich nicht aufzufinden. Die Gebilde machen ihrer unregelmässigen Gestalt und Grösse wegen und nach ihrer ganzen Bildung aus verschieden grossen blassen Körn- chen entschieden den Eindruck im Zerfall befindlicher Gewebstheile. Aber ihr Ursprung ist noch nicht .erforscht. Am wahrscheinlichsten könnte man halten, dass sie aus zerfallenen farblosen Körperchen der feingranulirten Form hervorgegangen seien. Doch bleibt dies un- gewiss, so lange wir über das endliche Schicksal dieser und der an- deren farblosen Körperchen des Blutes im Dunkeln sind. Ihr Ver- halten gegen Reagentien bestätigt die aus ihrem Ansehn zu gewin- nende Vermuthung, dass sie aus einer dem Protoplasma der Zellen verwandten Eiweisssubstanz bestehen. In Wasser quellen die grös- seren Körnchen deutlich an, und werden zu sehr blassen, hellen Ku- geln, in verdünnter Essigsäure erhalten sich die Plaques längere Zeit, werden aber im Ganzen sehr durchsichtig, wobei jedoch einzelne der grösseren Kügelchen unter Schrumpfung etwas schärfere Contouren annehmen. In verdünnter Kalilauge verschwinden sie vollständig. Auch im schnell getrockneten Blute lassen sie sich deutlich erkennen, und werden jetzt weder von Alcohol noch Aether angegriffen. Aber die Masse der Kügelchen oder der Zwischensubstanz dem lebendigen Protoplasma an die Seite zu stellen, dazu liegt kein bestimmter Grund vor. Denn, was das wichtigste ist, die Fähigkeit zu spontaner Ge- staltveränderung geht diesen Bildungen ab. Ich habe weder bei Zimmer- noch bei Körpertemperatur auf dem warmen Objecttische Bewegungen an ihnen wahrnehmen können. Sie erhalten allerdings unter Umständen das Ansehn, als wenn Strahlen feinkörnigen Pro- toplasmas von ihnen ausgingen, ähnlich wie bei der von mir beschrie- benen Amoeba porrecta des Mittelmeeres. Aber diese Erscheinung 38 M. Schultze, hängt nur ‚mit der Gerimmung des Faserstoffes zusammen. Indem die Körnchenhaufen von den feinen Fäden ‚des unter dem Deck- gläschen gerinnenden Blutes eingeschlossen werden. (vergl. Fig. 18), ziehen viele Fäden durch die Körnchenhaufen hindurch. Auch ge- winnt es oft den Anschem, als wenn die Gerimnung von den letzteren ausginge. Jedenfalls sind die Strahlen keine Fortsetzungen der körnigen Masse selbst, sondern nur Fäden geronnenen Faserstoffes. Liegt es nach dem Vorgebrachten näher, die fraglichen Gebilde für Produkte einer Gewebsauflösung, für Detritusbildungen, als für entwicklungsfähige Elementartheile zu. halten, so- stehe ich doch an, einen auf diese rückschreitende Metamorphose deutenden Namen ihnen schon jetzt beizulegen, und ziehe einen indifferenten, nach keiner Seite präjudieirlichen, nämlich »Körnchenbildungen« vor. Indem ich diese Bezeichnung hier einführe, muss ich aber sofort an die mannig- fachen anderen »Körnchen« erinnern, welche schon im. Blute beob- achtet und vielfach erwähnt sind. Namentlich wären. dreierlei Bil- lungen hier ins Auge zu fassen, welche zum Theil mit. unseren Körn- chenbildungen zusammenfallen oder verwechselt sein mögen. Als ein häufigerer Bestandtheil der Blutflüssigkeit werden namhaft gemacht Elementarkörnchen fettiger Natur. Von diesen sagt Köl- liker (Mikroskopische Anatomie p. 575 und Handbuch der Gewebe- lehre 1863, p. 624), dass sie mit denen des Chylus vollkommen über- einstimmen, d.h. »unmessbar feine Körnchen sind, die wie H. Müller gezeigt hat, aus Fett und einer Hülle eines Eiweisskörpers bestehen, und im milchweissen Chylus, dessen Farbe sieallein bedingen, in ungeheurer Zahl enthalten sind, während sie in der mehr farb- losen Lymphe entweder ganz fehlen oder nur spärlich und vereinzelt auftreten.« Im Blute »finden sie sich in sehr wechselnder Zahl, bald sehr spärlich oder gar nicht, bald in grösserer selbst ungeheurer Menge, so dass sie dem Serum eine. weissliche, selbst _milchweise Farbe ertheilen. Nach Allem was wir wissen, müssen sich dieselben jedesmal, wenn durch den Chylus Fett in das Blut übergeführt wird, tinden, also auch bei ganz gewöhnlicher Nahrung 3—6 Stunden und länger nach der Aufnahme derselben, scheinen jedoch in vielen Fällen während des Durchgehens des Blutes durch die Lungen zu schwin- den, indem wenigstens Nasse (Wagners Handwörterb. I, p. 126) u. A. bei gesunden Leuten im Körperblute dieselben stets vermissten, was ich selbst für mein Blut bestätigen kann«. Es handelt sich hier um Fettkörnchen von starker Lichtbrechung, welche in irgend erheb- Ein heizbarer Objecttisch. 39 licher Menge in der That selten im Blute vorzukommen schemen, Mir sind dergleichen bisher noch nicht aufgefallen. Eine Verwech- selung mit unseren Körnchenbildungen ist aus doppeltem Grunde kaum anzunehmen, einmal wegen der ganz verschiedenen Art der Lichtbrechung, und dann desshalb, weil die Fettkörnchen stets einzeln, unsere Körnchen dagegen fast immer in kleineren oder grösseren Gruppen vereinigt vorkommen. Eine grosse Aehnlich- keit dürften unsere Körnchenplaques dagegen haben mit den von Kölliker zu den »aussergewöhnlichen oder selteneren Bestand- theilen des Blutes« gerechneten ) »blassen feinkörnigen, rundlichen Haufen im Blute der Milzvene (Funke) und im Blute der Milz und und Leber bei säugenden Thieren (ich). Im letzteren Falle sind es 0,01-—-0,02”” grosse, nicht scharf umschriebene Massen, deren Körn- chen in Wasser bis zu 0,0005—0,0008” aufquellen. Dieselben ver- sehen m Kali rasch und in Essigsäure nach und nach, werden da- gegen von Aether und Alcohol nicht angegriffen und scheinen dem- zufolge vorzüglich aus einem leicht löslichen Eiweisskörper zu be- stehen«. Es scheint mir kaum zweifelhaft, dass es sich hier um verwandte Bildungen handelt, die denn also nach meinen Unter- suchungen als allgemeiner im Blutstrom verbreitet anzusehen sind, wenn auch bei verschiedenen Individuen variirend und vielleicht in derjenigen Grösse und Menge, wie das Milz- und Lebervenen- blut sie beherbergt, m anderen Körpergegenden nicht oder nur ausnahmsweise vorhanden. Endlich muss ich der Zimmer- mann’schen »Elementarkörperchen« gedenken ?), denen trotz wiederholter eindringlicher Gegenvorstellungen seitens ihres Ent- deckers 3) das Bürgerrecht versagt geblieben ist. Ob sich Jemand in neuerer Zeit eingehender als Hensen mit denselben beschäftigt hat*), ist mir nicht bekannt geworden. Auch dieser Forscher kommt aber wie andere frühere zu dem Resultate, dass diese Elementarkörperchen Kunstprodukte seien, entstanden aus den farb- losen und farbigen Blutkörperchen unter Einwirkung der Salz- lösungen, welche Zimmermann als besonders geeignet empfohlen hat, um in ihnen die m Rede stehenden Körperchen wahrzunehmen. 1) Gewebelehre 4. Aufl. 1863, p. 630. 2) Rust’s Magazin f. d. gesammte Heilkunde Bd. 66. 3) Virchow’s Archiv Bd.XVIII, 1860, p. 221. Zeitschr. f. wiss. Zoo- logie Bd. XI, p. 344. 4) Zeitschr. f. wiss. Zoologie Bd. XI, p. 259. 40 M. Schultze, In den neueren Handbüchern der Gewebelehre ') sind dieselben un- erwähnt geblieben. Virchow?) hält »die von Zimmermann be- schriebenen Gebilde für ausgetretenen Inhalt der Blutkörperchen, der in ganz frischem Blute kaum vorkommen dürfte.« Es kann gewiss keinem Zweifel unterliegen, dass die Mischung des Blutes mit den Salzlösungen, welche Zimmermann empfiehlt, um seine Elementarkörperchen in möglichst reichlicher Menge zu sehen, zu Veränderung der rothen Blutkörperchen Veranlassung giebt, der Art, dass sie klein und kuglig werden wie die grösseren unter den Elementarkörperchen. Die ganze haltlose Hypothese Zim mermann’s von der Umwandlung seiner Elementarkörperchen in far- bige Blutbläschen beruht auf dem Mangel einer Unterscheidung sol- cher künstlich veränderter Blutkörperchen von den kleineren farblosen (rebilden, die normal im Blut vorkommen. Ich habe auch Aderlassblut solcher Kranken, die an Pneumonie litten, untersucht, in denen Zim- mermann ebenfalls seine Elementarkörperchen besonders reichlich findet, und glaube dass auch hier wie in dem Blute anderer an hef- tigem Fieber darnieder liegender Kranken die zahlreichen sphärisch gewordenen Blutkörperchen zu Täuschungen Veranlassung gegeben haben. Aber ich kann nicht läugnen, dass die kleinsten Formen der Zimmermann’schen Elementarkörperchen, die frühesten Entwicke- lungsstufen derselben, aus denen dann nach und nach die rothen Blutbläschen werden sollen, unseren »Körnchenbildungen« sehr nahe stehen, und kaum von ihnen verschieden sein dürften. Neben der geringen Grösse und dem Mangel stärkerer Lichtbrechung sowie dem Verhalten gegen Reagentien stimmt auch die Angabe 3), dass sie »oft in Schollen oder Kugelgruppen vereinigt liegen«. Wenn ich also auch einen Theil der Zimmermann’schen Elementarkörperchen als den unsrigen fremdartige Gebilde und wahrschemlich nachträglich veränderte rothe Blutkörperchen 'ausscheiden muss, so bleibt doch ein anderer Theil übrig, den ich den geringschätzigen Urtheilen und Angriffen Mancher gegenüber in Schutz nehmen muss, wenn ich auch über ihre Bedeutung anderer Ansicht als Zimmermann bin. Die Körnchenbildungen im Blute des Menschen seien also hiermit allen denen, welche sich eingehender mit dem Blute beschäf- 1) Von Gerlach, Kölliker, Leydig, Frey. 2) Cellularpathologie 3. Aufl. 1862. p. 209. 3) Virchow’s Archiv XVII, p.229. Ein heizbarer Objecttisch. 41 tigen, angelegentlichst empfohlen. Das Material, welches mir vorlag, hat noch keine Anhaltspunkte zur Beurtheilung ihrer etwaigen Be- deutung für pathologische Processe gegeben. Doch ist es vielleicht nicht Zufall, dass ich sie am allerreichlichsten in dem Blute emer anaemischen Frau, und zwar mehrere Monate constant in gleich . grosser Menge gefunden habe. Eier. I: Erklärung der Tafeln. Far 1 Der heizbare Objeettisch von unten gesehen, in halber natürlicher Grösse. aa, aa Holzleistchen, welche an die Unterseite des messing- nen Objecttisches befestigt sind. Zwischen ihnen liegt in der Mitte der ‚Behälter aus Messingblech für die mit Quecksilber gefüllte Spirale des Thermometers, welche die centrale Blendungsöffnung umkreist ; bb die beiden Arme, unter welche die Lampen gestellt werden; c die Skala des Thermometers; ee die Stellen, an welchen die Klemm- schrauben am passendsten angebracht werden. . Die v. Recklinghausen’sche feuchte Kammer in der auf dem heizbaren Objecttische von mir benutzten Form. Darıll. Sämmtliche Figuren dieser Tafel sind bei der gleichen 7—800 mal. Vergrös- serung gezeichnet und betreffen nur das Blut des Menschen. Fig. 1. Sie 7 [>] „4 ah » 6 » / Rothe Blutscheibchen der gewöhnlichen Grösse. Kleine sphärische rothe Blutkörperchen, welche sparsam zwischen den scheibenförmigen vorkommen. . Kleinste farblose Blutkörperchen, zum Theil mit 2 Kernen. . Mittelgrosse farblose Blutkörperchen, a. kuglig, b. unregelmässig zackig. . Grosse feingranulirte farblose Blutkörperchen, a. kuglig, b. zackig. . Grosse grobgranulirte farblose Blutkörperchen, a. kuglig, b. zackig, c. kleinere Form. 7. Feingranulirte Form mit einigen starklichtbrechenden kleinen Körn- chen, welche den Uebergang der feingranulirten in die grobgranulirte Form bedingen. . Feingranulirtes farbloses Blutkörperchen bei 38° C. auf dem geheiz- ten Objecttisch, in lebhaft kriechender Bewegung. Die gezeichneten Formen stellen also ein und dasselbe Körperchen in seinen rasch aufeinander folgenden Gestaltveränderungen dar. 9; 10. 1tale 12. 13. 14. 15. 16. 17 18. M. Schultze, Ein heizbarer Objecttisch. Mehrere grobgranulirte farblose Blutkörperchen im ihren bei 38° C. stattfindenden kriechenden Bewegungen gezeichnet. Die unbezeich- neten mit einem Kern und die mit 2 bezeichneten mit zwei Ker- nen stellen successive aufgetretene Veränderungen je eines Körper- chens dar. Feingranulirtes Blutkörperchen, welches bei Körpertemperatur Zino- berkörnchen aufgenommen hat. Ein desgleichen mit Anilinblau gefüttert. . Ein grobgranulirtes Körperchen, welches Anilinblau aufgenommen hat. Ein feingranulirtes Blutkörperchen aus einem mit Milch verdünnten Tropfen Blut, hat bei Körperwärme 5 Milchkügelchen in sich aufge- nommen. Rothe Blutkörperchen des Menschen bei 51—52° C. Aus den links liegenden, noch unveränderten gehen unter Bildung von Einkerbungen und Abschnürungen die anderen Formen hervor. Dasselbe Blut, nachdem die Abschnürungen und Gestaltveränderungen sämmtliche Blutkörperchen ergriffen haben. Dasselbe Blut eine Viertelstunde später. Sämmtliche Blutkörperchen sind in kleinere und grössere kuglige Stücke getheilt. Die Körnchenbildungen, welche normal im Blute des Menschen oft in grosser Menge vorkommen. Dieselben, nachdem der Faserstoff des Bluttropfens unter dem Deck- gläschen geronnen ist. Zur Anatomie und Physiologie der Lungenschnecken. Von Fr. Leydig in Tübingen. Wer, wie es beim Schreiber dieses der Fall ist, sich geraume Zeit fast ausschliesslich mit der Organisation der Gliederthiere be- schäftigt hat, wendet sich mit einem eigenen Interesse zum Studium der Weichthiere zurück. Bieten doch, dem ersten Blick nach, eine mit ihrem Gehäus sich schleppende Schnecke und ein behendes ge- flügeltes Insect so wenig Vergleichungspunkte dar, dass man die Ansicht jener Naturforscher völlig gelten zu lassen geneigt sein könnte, welche in emer Schnecke und einem Insect die Verkörperung zweier von Grund aus verschiedener Ideen oder Typen erblicken. So habe ich denn neuerdings an unseren einheimischen Weichthieren meine Arbeiten von früher wieder aufgenommen und hoffe an einem andern Orte ausführlicher hierüber berichten zu können. Einstweilen erlaube ich mir einige Ergebnisse, die, schon im Frühjahr 1861 gewonnen, die Grundlage zu meinen Mittheilungen über das Nervensystem und die Wasseraufnahme der Lungen- schnecken !) abgaben, hier zu erörtern, was um so eher geschehen darf, als unterdessen auch andre Beobachter hierauf Bezug genom- men haben. Was ich ferner über den Bau der Sinnesorgane vor- zubringen habe, rührt etwa aus der gleichen Zeit her. Zur Zergliederung dienten mir Arten, wie sie gerade der Zu- fall bot; es waren vorzüglich Helix pomatia, H. hortensis, H. ericeto- rum, Limax agrestis, L. arborum, Arion hortensis, Limnaeus stagnalis. —. 1) In dem Aufsatz: Ueber das Nervensystem der Anneliden, Archiv f. Anatom. u, Phys. 1862. und in m. Buch: Vom Bau d. thierisch. Körpers. 1864. 44 Fr. Leydig, I. (Centrales Nervensystem. 1. Gesammtumriss und Deutung der einzelnen Abschnitte. Will man die eigentliche unveränderte Gestalt des Schlund- ringes erkennen, so hat man, nach Herausnahme und Aufhellen desselben durch Essigsäure oder Kalilauge, ein Deckglas, welches die Theile doch immer etwas aus der Lage bringt, zu vermeiden. Ist diese Vorsichtsmassregel beachtet worden, so erscheinen als hervor- stechende Eigenthümlichkeiten : a) Eine kurze, die beiden obern Ganglienmassen verbindende Quercommissur. Das Neurilemm derselben ist sehr dick, viel dicker als an den seitlichen Ganglienmassen, und da dadurch der zwi- schen den beiden Hirnhältten übrig bleibende Raum ausgefüllt wird, so kann es, namentlich beı Helix pomatia, den Anschein gewinnen, als ob die seitlichen Gehirnganglien unmittelbar aneinander stossen, ohne durch eine Quercommissur auseinander gehalten zu sein. Weder die Figuren bei Swammerdamm noch die späteren von Home und Cuvier, allerdings wie man zur Entschuldigung bei- fügen muss, auf einer andern Untersuchungsmethode beruhend, sind hierin richtig; selbst die allerneuesten Darstellungen sind in diesem Punkte ungenau. b) Die seitlichen Gehirnmassen sind nicht wie man nach: genannten Autoren schliessen sollte, von. einfach rundlicher oder ovaler Gestalt mit glatter Oberfläche; vielmehr zeigt sich auch hier, ähnlich wie bei manchen Anneliden, eine Sonderung in einzelne Ab- theilungen, welche als Höcker oder Wölbungen in bestimmter Ver- theilung vorspringen. c) Bei allen genannten Schnecken ist die den cl umfassende Seitencommissur nicht einfach, wie solches die älteren Beob- achter, welche Lungenschnecken zergliederten: Swammerdamm, Draparnaud, Guvier, G. Carus u. A. annahmen, sondern deutlich jederseits doppelt. Die Länge der beiden Hälften ist nach den einzelnen Arten etwas verschieden; sehr kurz z. B. bei Limax agrestis, sind sie länger bei Arion hortensis, noch länger bei Helix hortensis. Die Entdeckung, dass hier die Seitencommissuren jederseits Zur Anatomie und Physiologie der Lungenschnecken. 45 doppelt seien, hat Berthold (1834) gemacht, ist aber, wie mir scheint, bisher nicht genug gewürdigt worden. Da sich aber hiedurch der Schlundring der Gasteropoden wesentlich von dem der Arthro- poden unterscheidet und nur noch bei einigen Anneliden sich viel- leicht etwas ähnliches findet, so verdient dieser Bau alle Beachtung. d) Die untere Ganglienmasse besteht in Uebereinstim- mung mit dem Gedoppeltsein der Seiteneommissuren jederseits aus zwei Partien, einer vordern und einer hintern. Zwischen beiden ist eine grössere mediane Lücke wahrnehmbar. Vermeidet man auch hier jeglichen Druck, so zeigt die hintere Abtheilung ebenfalls wie- der eine Sonderung in beginnende follieuläre Abschnürungen. Auch dieses Verhalten, mit Ausnahme der folliculären Ab- grenzungen, hat bereits Berthold an Helix nemoralis und H. hortensis, sowie an den Limnäen nachgewiesen. Seit dieser Zeit unterscheidet man die vordere Portion oder das Ganglion pedale und die hintere Portion oder Ganglion viscerale. Jüngst hat auch Walter von Helix nemoralis und Arion empiricorum Abbildungen in diesem Sinne veröffentlicht; was aber die von ihm befolgte Deutung der einzelnen Abschnitte betrifft, so kann ich ihm nicht ganz beistimmen. Walter nennt, wie diess eigentlich schon Berthold gethan, die über dem Schlund gelegene Masse sensitive Abtheilung. Die unter dem Schlund gelegene Masse, welche Berthold als Ganzes »Brustknoten« (Ganglion thoracicum) heisst und für den Sitz des »irritabeln Lebens« ansieht, entspricht nach Walter in seiner vordern Portion einer sympathischen Ab- theilung und erst die hintere Portion sei motorisches Centrum. Gegen diese Auffassung der vordern Portion als »sympathische Abtheilung« muss ich mich, abgesehen von andern Gründen, schon desshalb erklären, weil an dieser Abtheilung das Gehörorgan sich befindet. Nach genanntem Autor zwar läge dasselbe an der hintern oder motorischen Abtheilung, allein alle meine an obigen Arten an- gestellten Beobachtungen sprechen dagegen. Die Ohrblase gehört der vordern Portion oder dem Ganglion pedale an. Mit dieser Thatsache lässt sich auch die Verwandtschaft zwischen den Nervencentren der Gasteropoden und den auf den ersten Blick soweit abliegenden der Muscheln näher bestimmen. Die vordere Portion der untern Schlundganglienmasse der Schnecken entspricht dem im Fusse der Muscheln liegenden Ganglion. Bei den Schnecken wie bei den Muscheln sitzt hier das Gehörorgan. Das am hintern 46 Fr. Leydig, Schliessmuskel der Muscheln ruhende Ganglion hat sein Gegenüber in der hintern Portion der untern Schlundganglienmasse der Schnecken. Der Unterschied zwischen beiden Thiergruppen besteht darin, dass bei den Muscheln die einzelnen gangliösen Abtheilungen (Ganglion cerebrale, G. pedale, G. branchiale) weit auseinander stehen und da- her durch sehr lange Commissuren verknüpft werden, während bei den Lungenschnecken das Ganglion pedale und G. viscerale (G. bran- ehiale) durch zum Verschwinden kurze Commissuren zu einer schein- bar fast einzigen Masse zusammengerückt sind. 9. „«EBeinerer Ban. a) Nervöse Substanz. Die Ganglienkugeln erreichen bei den Lungenschnecken zum Theil eine riesige Grösse., Es können einzelne von solchem Umfang sein, dass, wie ich mich anderwärts t) ausdrückte, sie sich zu den kleinsten Ganglienkugeln verhalten, wie etwa das Ei eines Frosches zum Ei eines Säugethieres. Alle Beobachter welche in neuerer Zeit den Schlundring der Lungenschnecken mit dem Mikroskop untersuchten, kommen daher immer wieder auf die enorme Grösse dieser Gebilde zurück., Ich bemerke noch dazu, dass solche gar grosse Ganglienkugeln indessen doch immer nur in geringer Anzahl] vorhanden sind und, bei Helix hortensis z. B., ausschliesslich in der untern Portion des Schlundrings ihren Sitz zu haben scheinen. Der Structur nach sind auch die Ganglienkugeln der Schnecken hüllenlose Ballen einer weichen, homogenen, zahlreiche Körnchen zusammenhaltenden Materie, welche ich Zellsubstanz genannt habe ?). In jüngster Zeit haben sich auch andre Beobachter bezüglich der An- oder Abwesenheit einer Membran in gleicher Weise ausgesprochen. Die Zellsubstanz enthält nicht selten, z. B. bei Limnaeus stagnalis, zahlreiche orangefarbene Pigmentkörner. Der Kern kann bei, eben genannten Schnecken bis zu acht Kernkörperchen besitzen. Dieselben zeigen oft noch in ihrem Innern eine centrale kugelige Abtheilung, wenn man will, einen Kern des Kernkörperchen. 1) Vom Bau d. thier. Körpers $S. 83. ‘Schon in m. Histol. $. 58 habe ich auf solche Ganglienkugeln wirbelloser Thiere hingewiesen und bemerkt, dass man sie mit freiem Auge sehen könne. 2) Vergl. Vom Bau d. thier. Körp. 8.84. - Zur Anatomie und Physiologie der Lungenschnecken. 47 Es giebt auch im Gehirn der Schnecken multipolare Gan- elienkugeln; sie sind aber, wenn man nur die mittelgrossen in’s Auge fasst, seltener. Die meisten der letztern, sowie die ganz grossen haben die Tracht unipolarer Kugeln, entsprechen aber gar wohl multipolaren oder strahligen Zellen, da ihr breiter, bandartig platter Fortsatz sich weiter hin theilt und sich zuletzt in ein wahres Ge- flecht feiner Fasern auflöst '). Diese Verhältnisse sind auch von Walter?) Buchholz?) und Waldeyer*) richtig erkannt und zum Theil ausführlicher dargestellt worden. Ich hatte schon wiederholt mitzutheilen, dass bei manchen Wirbellosen im Gehirn Gruppen oder Paquete von Ganglienkugeln sich vorfinden, die, abgesehen von ihrer Forın durch die Beschaffen- heit des Protoplasma sich von andern Partien abheben.« Auch hier bei den Lungenschnecken ist solches der Fall und unschwer zu beobachten. Bei Helix hortensis z. B. unterscheidet man in der obern Ganglienpartie, nach hinten und unten, jederseits ein Pa- quet eigenartiger Ganglienkörper mit dunklerem Inhalt. Die einzelnen Kugeln sind klein, etwa von der Grösse der menschlichen Schleim- zellen und mit mehren kurzen Fortsätzen versehen. Bei Arion hor- tensis macht sich, wenn man das Gehirn ohne Deckglas vor sich hat, nach aussen von der Wurzel der Nerven zum obern Fühler ein halbkuglig vorspringender Follikel mit besondern Ganglienkugeln bemerklich. Bei Limnaeus stagnalis markirt sich nicht minder von den verschiedenen halbkugligen Abtheilungen der beiden Hälften der obern Schlundportion eine, zunächst der verbindenden Quercommissur liegende Partie. Die Zellen derselben sind alle sehr klein und farblos, während die Ganglienkörper der drei andern Abtheilungen orange- farbig sich zeigen. Ueber die Art und Weise wie die Fortsätze der Ganglienkugeln zu. den aus dem Schlundring austretenden Nervenfasern sich ver- halten, habe ich zuerst auf eine den frühern Beobachtern unbekannt gebliebene Textur der Ganglien hingewiesen. 1) Vergl. a. a. 0.8.88. ' 2) Mikroskop. Studien über d. Centralnervensyst. wirbelloser Thiere, Bonn. 1863. 3) Bemerkungen üb. d. histol. Bau d. Centralnervensystems der Süss- wässermollusken, Arch. f. Anat. u. Phys. 1863. 4) Unters. üb. d. Ursprung u. Verlauf des Axencylinders bei Wirbellosen und Wirbelthieren, Zeitschrift f. rationelle Mediein. III. A. Bd. XX. 48 Fr. Leydig, Schon vor zehn Jahren machte ich!) nämlich aufmerksam, dass bei den Spinnen den Kern des Gehirns eine feine Punkt- masse bilde und um diese herum, einer Rindenschicht gleich, sich die Ganglienzellen gruppiren. Später ?) sah ich bei Insecten und Krebsen dieselbe Erscheinung. Auch hier bestanden die Nervencentren aus einer granulären Mitte und einer peripkerischen Zellenschicht. Einige Jahre darauf ®) konnte ich das Gleiche von den Anneliden und den Lungenschnecken anzeigen, somit nach und nach fast aus allen Hauptabtheilungen der Wirbellosen. Das Nähere hinsichtlich der Anmneliden und der Arthropoden findet sich in meinem Werke vom Bau des thierischen Körpers *). Bei den Insecten ist die molecu- lare Kernsubstanz der Ganglien am reichsten unter allen Theilen des Ganglions mit der Endausbreitung der Tracheen versorgt. Hier bei den Lungenschnecken kann man sich diese granuläre Mitte der Ganglienabtheilungen leicht vorführen. Es genügt gewöhnlich, um sie sichtbar zu machen, der Druck eines aufgelegten Deckglases. An Limnaeus z.B. hebt sich dann die rothgelb gefärbte, aus Gang- lienkugeln bestehende Rinde sofort von der grauen centralen Punkt- substanz ab. Auch bei Helix, Limax und Arion vermag man die gleiche Differenzirung sich leicht vor die Augen zu bringen und ferner sich davon zu vergewissern, dass die aus den Ganglien hervortretenden Nerven mit ihrer Fasern eigentlich in dieser Punktsubstanz wurzeln. Für diese von mir zuerst unterschiedene. Partie der Nerven- centren habe ich die Bezeichnung Punktsubstanz gewählt, weil sie zunächst das Aussehen moleculärer Masse darbietet. Aber ich habe längst °) gewusst, dass die Punktmasse zum Theil eine fibrilläre Anordnung habe, andrerseits dass die sie zusammensetzenden Körnchen zu netzförmig gestriekten Fäserchen, mit andern Worten zu enem Gewirr feinster Fäserchen verknüpft sejen. Nach mir hat Walter (a. a. O.) dieser eigenthümlichen in- nern Partie der Nervencentren gedacht und als ein feines Fasersy- stem, welches sich innerhalb der Ganglien vorfinde, beschrieben. 1) Zum feineren Bau d. Arthropoden, Arch. f. Anat. u. Phys. 1855. 2) Naturgesch. d. Daphniden. 1860, S. 535. 3) Ueb. d Nervensyst. d. Anneliden, Arch. f. Anat. u. Phys. 1862. $S. 118, 4) z.B. 8.89, S. 91, S. 152, S. 226 ff. 5) Naturgesch. d. Daphniden. 1860, 8. 159. Zur Anatomie und Physiologie der Lungenschnecken. 49 Die jüngsten Beobachtungen über den gleichen Gegenstand rühren von Buchholz und Waldeyer her. Beide Autoren verbreiten sich im Näheren darüber, dass die »Punktsubstanz« aus feinen und feinsten Fäserchen, welche dicht verfilzt und verflochten seien, bestehe. Durch meine frühern Nachweisungen !), erstens dass im Innern der Nervencentren eine Punktsubstanz von fibrillärer Anordnung sich finde. und zweitens, dass die gegen diese Punktsubstanz gerich- teten Ausläufer der Ganglienzellen sich in sehr feine Fibrillen auf- lösen, demnach je ein breiter Stiel grosser Ganglienkugeln in eine Menge von Fäserchen zerfällt, musste auch die herkömmliche An- nahme über das Verhalten der Ganglienzellen als Ursprungsstätten der Nervenfasern eine Abänderung erfahren. Ich machte bemerklich, dass man bei jeder Präparationsweise sich zwar ohne Mühe die Stiele der Ganglienkörper zur Anschauung bringen kann, dass sie aber, will man sie weiter verfolgen, abreissen, was eben da geschehe wo sie in die Punktsubstanz einsetzen. Wenn man nun in bisher üblicher Weise annahm, die Stiele der Ganglien- kugeln treten auf der andern Seite des Ganglions als Nervenfasern heraus, so war dieser Satz erschlossen, aber er ruhte nicht auf voll- kommener Beobachtung. Durch mich ist dann dargethan worden, dass zwischen den Stielen der Ganglienkugeln und den Anfängen der ausgetretenen Nervenfasern noch ein mittleres Element eingeschoben sei, jenes nämlich, was ich die centrale Punktsubstanz nannte. Da ich nun gesehen hatte, einmal dass die Stiele der Ganglienkugeln in feine Fäserchen da zerfallen, wo sie mit der Punktsubstanz zusammen- hängen, andrerseits letztere selbst, wenigstens theilweise, eine fibril- läre Anordnung zeige, so habe ich bereits in meiner Abhandlung über das Nervensystem der Anneliden (1862) es für wahrscheinlich erklärt, dass die aus den einzelnen Ganglien austretenden Nerven- fasern »als neue Einheiten einer Anzahl der verschmolzenen Fäser- chen zu betrachten seien«. Dabei stellt sich aber von selbst eine andre nicht unwichtige Frage ein. Bleiben die durch Auflösung des Stiels einer Ganglien- kugel entstandenen Fäserchen, da wo sie im weiteren Verlauf die Punktsubstanz zusammensetzen, gesondert oder geschieht ein Aus- 1) A. a. O. (Arch. f. Anat. u. Phys. 1862, S. 117.) M. Schultze, Archiv f. mikrosk. Anatomie. ], Bd. 4 50 Fr. Leydig, tausch, eine Verflechtung der Fäserchen verschiedener Stiele ? Stammt somit die aus eben solcher fibrillären Punktsubstanz sich zusammen- setzende und das Ganglion verlassende Nervenfaser aus Einem Ganglienkugelstiel her oder ist sie ein Gemeng aus mehren Gan- glienkugeln ? Es wird schwierig bleiben, diese Frage sicher zu beantworten, jedoch ist mir die letztere Annahme unterdessen in hohem Grade wahrscheinlich geworden, und zwar aus dem Grunde, weil sich mir die Punktsubstanz mehrmals als aus netzförmig gestrickten Fäser- chen zusammengesetzt dargestellt hat). Man erlaube mir gegenüber einem Gegenstande, welcher der Natur der Sache nach wohl schwerlich durch direete Beobachtung ausser allen Zweifel zu setzen sein wird, an den von mir zuerst aus- gesprochenen Gedanken?) zu erinnern, dass es sich bei histologischen Forschungen, sobald wir genauer zusehen können, fast immer um Wiederholung der gröberen Structurverhältnisse handelt. In welchem Verhältniss sehen wir aber bei geringer Vergrösserung das Ganglion zu den austretenden Nervenstämmen ? Die unmittelbare Beobachtung zeigt, dass ein solcher Nervenstamm seine Elemente aus den ver- schiedensten Gegenden eimes Ganglions erhält, dass mit andern Worten der faserige Inhalt eines Nervenstammes ein Gemeng von Fasern der verschiedensten Gegenden eines Ganglions sei. So lange es nun nicht gelingen wird, das Gegentheil zu beweisen, bin ich auf Grund meiner Beobachtungen über die Beschaffenheit der granulären Mitte der Ganglien und im Vertrauen auf die Richtigkeit des Satzes, dass es sich bei all diesen Studien nur um Wiederholung bereits im Gröberen erkannter Verhältnisse handelt, der Ansicht, dass die feinen fibrillären Elemente, welche eine sogenannte Nervenprimitivfaser zu- sammensetzen, ihren Ursprung in der That aus verschiedenen Gan- glienkugeln herleiten. In diesem innigen Austausch und der manchfaltigsten Verflech- tung oder Durchstrickung der durch Auffaserung der Stiele der Gan- glienkugeln entstandenen Faserelemente scheint gerade ein wesent- licher Charakter cerebrospinaler Centren zu liegen. Ich glaube we- nigstens bei Insecten gesehen zu haben, dass die sympathischen Gan- glien eine centrale Punktsubstanz nicht besitzen ®). Und bei den 1) Vom Bau d. thierisch. Körpers $. 91. 2) Histologie d. Mensch. u. d. Thiere, Vorrede S.V. 3) Vom Bau d. thier. Körpers, z.B. S. 202, 8.243. Zur Anatomie und Physiologie der Lungenschnecken. 51 Anneliden an den unbezweifelbar sympathischen Magendarmnerven geschieht auch die Verbindung der Stiele der Ganglienkugeln ohne vermittelnde Punktsubstanz, indem die Ausläufer der Ganglienkugeln geradezu als streifige Nervenfasern sich fortsetzen. Dasselbe gilt von den zwei grossen, nicht mit den übrigen zusammengruppirten Gan- glienkugeln des Bauchmarks, welche bei Hirudineen nach beiden Seiten unmittelbar in eine Primitivfaser fortgehen !). b) Neurilemm. Das Neurilemm des Sehlundringes und der davon abgehenden Nerven ist im Allgemeinen als dick, ja an gewissen Stellen (s. oben) als sehr diek zu bezeichnen. Wie bei Würmern und Arthropoden scheidet es sich in em inneres, welches festerer Art ist und die nervöse Substanz unmittelbar begrenzt und in en äÄusseres, mehr lockeres. Indem wir dieses letztere zuerst in’s Auge fassen, finde ich gleich zu bemerken, dass auch hier bei den Lungenschnecken Muskelu zugegen sind, welche dasselbe durchflechten. Das äussere Neurilemm setzt sich ferner von der obern Schlund- portion (bei Helix pomatia, H. ericetorum) in eine Membran fort, wel- che nach vorn sich erstreckt und zur Befestigung des Gehirns dient. Sie ist theilweise löcherig durchbrochen und enthält ebenfalls Mus- keln eingewebt. In den Zellen des äussern Neurilemms erscheint weiterhin häufig Kalk abgelagert. Dergleichen Kalkkörper zeigen zum Theil in sehr klarer Weise einen geschichteten und strahligen Bau. Dieselben schei- nen übrigens nicht rem aus Kalk zu bestehen; es geht ihnen wenig- stens die Abscheidung eines organischen Stoffs voraus; in Form von Haufen rundlicher Kugeln, die schon das schalig-streifige Aussehen an sich haben können, ohne den Glanz des Kalkes zu besitzen. Ich hatte eine Anzahl Weinbergschnecken (H. pomatia) und die gewöhnliche Gartenschnecke (H. hortensis) überwintert und als ich dieselben im März zergliederte, war mir auffallend, an allen Indivi- duen die Kalkkugeln im Neurilemm zu vermissen. Auch sonst nir- sends im Bindegewebe andrer Organe war Kalk sichtbar. Ist diese Erscheinung vielleicht physiologisch, wird etwa während des Winter- 1) Vgl. meine Beobachtungen, Bau d. thierisch. Körpers S. 157, S. 162, S.164. Walter verlegt an diesen Ort eine multipolare Zelle und Waldeyer will häufig eine Anhäufung mehrer gefunden haben. Ich muss nach meinen Beobachtungen Beides für unrichtig erklären. 52 Fr. Leydig, schlafs der Kalk regelmässig resorbirt und erst wieder während der wachen Lebensperiode abgeschieden ? Das äussere Neurilemm kann auch pigmentirt sein. 'Thiere von Helix arbustorum, welche stark schwarz gefärbt sind, zeigen auch ein zum Theil schwarz pismentirtes Neurilemm. Ich habe von den Hirudineen nachgewiesen, dass das innere Neurilemm der Ganglien nach einwärts ein feines Fachwerk entwickelt, in dessen Räumen die eigentlich nervösen Elemente ruhen !). Bei den Lungenschnecken, z. B. an Helix hortensis, lässt sich das gleiche Verhalten der Bindesubstanz zu den nervösen Elementen erkennen. Man tödte ein Thier in einer Lösung von doppeltchromsaurem Kali, behandle hierauf das ganze Gehirn mit Kalilauge, setze eine abge- schnittene Partie einem stärkern Druck aus und man wird ein schö- nes cavernöses Bindegewebe zur Ansicht bekommen, aus dessen Lücken durch Druck die nervösen Gebilde entwichen sind. Il. Sinnesorgane. tr» Die, Dentakern. Die zwei vordern und die zwei hintern einstülpbaren Fühlhör- ner der Limacinen und Helieinen sind, abgesehen davon, dass die hintern zugleich die Augenträger vorstellen, sonst im Wesentlichen gleichgebaut. Es erhebt sich aus der obern Portion des Schlundringes (sog. sensitive Abtheilung) jederseits ein besonderer Nerv zu den kleinen wie zu den grösseren Fühlern; die Wurzel beider Nerven liegt so nahe zusammen, dass man auch sagen könnte, es entspringe ein Nerv, dessen Hauptstamm in die obern oder grössern Fühler eintrete, während ein Ast sich zu den untern oder kleinern Fühlern abzweigt. So schien es mir wenigstens bei Limax agrestis zu sein; aber da es keineswegs ganz leicht ist, die Kopfnerven nach Ursprung, Verlauf und Ende vollständig kennen zu lernen, auch bei den einzelnen Arten hierin Unterschiede obzuwalten scheinen, so werde ich auf diesen Punkt durch neue Untersuchungen zurückkommen. Der einmal in den Tentakel eingetretene Nerv zeigt in den obern wie untern Fühlern bei der gewöhnlichen Präparationsweise einen stark geschlängelten Verlauf. Im völlig entfalteten Fühler des lebenden Thieres muss er sich wohl ganz gerade strecken. — Zu- 1) Vom Bau d. thierisch. Körpers 8. 157. Zur Anatomie und Physiologie der Lungenschnecken. 55 gleich mit dem Nerv sehe ich (z. B. an H. hortensis) noch eine deut- liche Arterie in den Tentakel sich herein begeben. Gegen die Spitze der Fühler zu, in dem obern wie in dem un- tern, schwillt jeder Nerv zu einem Ganglion an. Dasselbe wurde durch Joh. Müller und von Siebold zuerst angezeigt; bald darauf untersuchte ich?) es bei Helix pomatia und H. hortensis näher. »Der Fühlernerv geht in ein längliches Ganglion über , aus dessen vorderem etwas verbreiterten Ende sieben Nerven: hervor- kommen, welche sich dichotomisch theilen und wieder mit einander in Verbindung treten, wodurch ein Gangliengeflecht entsteht, dessen letzte Ausstrahlungen sich in einer Zellenmasse unkenntlich verlieren.« Später hat Moquin-Tandon das Ganglion von vielen Scknecken abgebildet und beschrieben. 2) An einer Stelle 3) giebt er sogar eme Partie des Ganglion »extremement grossie, pour montrer la ter- minaison des ramuscules pituitaires,« die freilich verräth, dass der sonst sehr tüchtige Mann mit stärkeren Vergrösserungen zu arbeiten nicht gewohnt war. In jüngster Zeit hat auch Keferstein das Ganglion mikros- kopirt *). Wenn er aber die Meinung dabei ausspricht, dass vor ihm dies Gebilde noch nie untersucht worden sei, so ist er nach dem Vorausgehenden im Irrthum. Zu meinen frühern Mittheilungen über den Bau dieses Ganglion trage ich jetzt noch folgendes nach. Die Rinde wird gebildet von Ganglienkugeln ; der Kern des Ganglion besteht aus fibrillärer Punkt- substanz. Aus dem vordern etwas verbreiterten Ende liess ich früher 7 Nerven hervorkommen, in welche Zahl ich wohl schon die ersten Theilungen mitbegriffen habe, denn gegenwärtig sehe ich immer nur 3 oder 4 Stämme, die aber sehr bald nach ihrem Abgang sich ga- beln. Die neuen dichotomischen Theilungen treten unter eimander in Verbindung, so dass, wie ich seiner Zeit bereits angab, ein Geflecht entsteht. Schon im Innern desselben sieht man, nach Anwendung von Kali bichromicum z. B., sehr deutlich bipolare kleine Ganglien- kugeln. Die Zellenmasse, in welche sich die letzten Ausstrahlungen verlieren, besteht, was man unter Zuhilfenahme von Reagentien er- 1) Zeitschrift f. wiss. Zool. II. Bd. (1849.) S. 153. Anınerkung. 2) Hist. natur. des Mollusques de France. 1855, Pl. I, fig. 10 Arion; P1.V, fig. 13, Testacella; Pl. VII, fig..18 Succinea; Pl.XV, fig.24/25 Helix; etc. 3) A. a. OÖ. Pl. XIX, fig. 15 (Helix pisana.) 4) Nachrichten d. Gesellsch. d. Wissensch. in Göttingen No. 11, 1864. S. 239. 54 Fr. Leydig, mittelt, aus kleinen soe,. multipolaren Ganglienkugeln. Der Kern derselben ist hell, mit einigen Kernkörperchen; die hüllenlose im Verhältniss zum Kern nur eine schmale Zone bildende Zellsubstanz erscheint nach mehren Seiten zu Fortsätzen ausgezogen. Einen Zusammenhang der letztern etwa mit den Epithelzellen der Haut habe ich nicht wahrgenommen, wohl aber ist eine scharfe Begren- zungslinie zwischen dem Lager der Ganglienkugeln und den Epithel- zellen der Haut unverkennbar. Immerhin müssen die Epithelzellen der Haut, welche über das Polster des Ganglion herüberziehen, noch näher geqrüft werden, da sie mir einige besondere Eigenschaften zu haben scheinen. Der grosse Muskel, welcher zum Einziehen des Tentakels dient, ist häufig mehr oder weniger dunkel pigmentirt, was nicht sanz ohne physiologische Bedeutung zu sein scheint, da sich das Pigment bei sonst ungefärbtem Körper gerade an dieser Stelle er- halten kann. Ueber das Ein- und Ausstülpen der Fühlhörner spre- chen nicht blos ältere Beobachter, z. B. Draparnaud, sondern auch neuere die Ansicht aus, dass die beiden Acte durch die Thätig- keit des Musculus retractor, welcher aus Längs- und Querfasern be- stehen sollte, geschehen, was entschieden irrig ist. Nur das Ein- stülpen besorgt der aus Längsfasern zusammengesetzte Muskel, das Sichausstülpen des Fühlers geschieht durch Emströmen der Blut- tlüssigkeit. So weit meine Erfahrung reicht, erfolgt — was ich einschalten möchte — das Ausstülpen oder Ausrollen auch andrer Theile immer nur durch Emtreiben der Blutflüssiekeit. An einem Pärchen von Helix pomatia, welches in Begattung angetroffen wurde, war unver- kennbar zu sehen, dass das Aufblähen und Ausstülpen der Geschlechts- werkzeuge durch ihre Anfüllung mit Blut zu Wege kommt; die hervorgetriebenen Theile waren prall von dem durchscheinenden Blut. Schon früher hatte ich bezüglich der Rotatorien anzugeben, dass dort die Ausstülpung der Räderorgane auf gleiche Weise be- werkstelligt wird. 2:. Das. Anee Verschiedene Beobachter haben Versuche über das Sehvermögen der Schnecken angestellt, wobei sie alle zu dem Resultate Kamen, dass die Sehkraft dieser Thiere auf einen sehr geringen Grad be- schränkt sein müsse. Um so merkwürdiger darf uns sein, dass ana- Zur Anatomie und Physiologie der Lungenschnecken. 55 tomisch ein wohl entwickeltes Auge bei fast sämmtlichen Arten vorkommt. Das Sehorgan der Lungenschnecken ist schon oft Gegenstand der Untersuchung gewesen. Swammerdamm, Huschke, Joh. Müller, ich selber, zuletzt Keferstein haben den Bau zu erforschen gesucht. Als ich mich über die nähere Form des Augapfels von Palu- dina vivipara aussprach, machte ich bereits auf die eigenthümliche Gestalt des Auges bei den Helicinen aufmerksam, ') ein Umstand, auf den ich vor Allem zurückkommen muss, da noch die jüngst von Keferstein gegebene bildliche Darstellung ?2) hierin unrichtig ist, und genannter Beobachter meine Angaben nicht zu kennen scheint. Ich bemerkte damals: »das Auge von Helix hortensis hat (im Ge- gensatz zu der Birngestalt bei Paludina) eine mehr rundliche Form, und, ohne Druck untersucht, mit dem Auge der höhern Thiere in sofern eine Aehnlichkeit, als auch das CGorneasegment bei genannter Schnecke einen andern Kreisabschnitt darstellt als die Sklerotika.« Hingegen legt Keferstein dem Auge von Helix die Gestalt einer »vorn ein Wenig abgeplatteten Kugel« bei und zeichnet es auch so. Ich habe jetzt nach so langer Zeit das Auge von H. po- matia und H. hortensis von neuem mikroskopirt und finde meine Angaben von damals vollkommen richtig. Das Auge sorg- fältig und ohne Druck behandelt erinnert im Umriss an den Aug- apfel vieler Säugethiere. Der Breitendurchmesser ist grösser als der Längendurchmesser; die Hornhaut nicht abgeplattet, sondern deutlich gewölbt, aber einem kleinern Kreisabschnitt angehörig. Mit Bezug auf die einzelnen Augenhäute möchte ich folgen- des bemerken. An der hinteren Fläche der Cornea befindet sich, was dem neuesten Untersucher ebenfalls entgangen ist, eine epithelartige Zellen- lage. Ich hatte sie an Thieren, welche in Kali bichromicum gelegen waren, sowohl von Helix hortensis als auch Helix ericetorum deut- lich zur Ansicht. Auch die Choroidea ist von Keferstein (an Helix po- matia) keineswegs naturgetreu wiedergegeben worden. Er zeichnet sie als eine continuirliche schwarze Haut, während sie doch deutliche 1) Zeitschrift f. wiss. Zool. II. Bd. S. 158, Anmerkung. 2) Klassen u. Ordnungen des Thierreichs, Weichthiere. 1864, Taf. XCV], Fig. 8. 56 Fr. Leydig, Pigmentlücken hat. Dieselben erscheinen ganz klar und constant an völlig unbehelligten Augen unter denselben Umständen, unter denen auch die eigentliche Form des Augenbulbus, von welcher vorhin die Rede war, sich erhält. Ich habe mir die Lücken angemerkt von Helix hortensis, H. pomatia und H. ericetorum, und sie gehören ohne Zweifel mit dem vom Auge der Carinaria beschriebenen Pig- mentlücken in eine Reihe von Bildungen t). Zwischen Sklerotika und Choroidea liegt eine ungefärbte zellig- körnige Schicht, welche ich ?) zuerst erkannte und als der Retina zugehörig ansah. Keferstein hat diese äussere Schicht der Retina nicht nur bestätigt, sondern auch Aufschlüsse über eine innere Retina gegeben. Sie bildet nach ihm an gehärteten Augen einen srauen Ueberzug der innern Fläche der Choroidea, stosse vorne direct an die Linse, ohne dass eine glaskörperartige Substanz dazwischen liege. Im frischen Zustand bestehe sie aus femkörnigen rundlichen Elementen, eingebettet in eine fast klare Flüssigkeit; auch kleine stabförmige oder kolbige, structurlose Gebilde kommen bei Druck und Ausfliessen der Theile zur Ansicht. Ich bekenne, mit dieser innern Retina noch nicht im Reinen zu sein. Bis jetzt habe ich unter Hilfe von Reagentien mich davon überzeugt, dass die histologischen Elemente der äussern Retina und der Choroidea ein und dieselben Zellen sind, nur nach aussen hell, nach innen mit Pigment gefüllt. Aus Augen von Helix hortensis, welche in einer sehr schwachen Lösung von Kali bichromieum auf- bewahrt waren, zerlegt sich äussere Retina und Choroidea in ziem- lich lange Cylinderzellen, deren nach innen gewendetes Ende voll von den dunkeln Pigmentkörnern ist, während der nach aussen ge- wendete Abschnitt der Zelle, in dem sich auch der Kern befindet, sanz pigmentfrei erscheint und an seinem Ende in mehre kurze Fasern oder _ Würzelchen ausgeht. Im Auge von Limnaeus stagnalis finde ich diese COylmderzellen im Allgemeinen länger als bei genannter Art von Helix, aber im Wesentlichen von denselben Charakteren. _ Ausserdem schien es mir hier als ob die Zellen band- artig abgeplattet seien. Es ist nun aber im hohem Grade wahrscheinlich, dass noch andre, ich möchte sagen specifischere Elemente ‚vorhanden sein 1) Vergl. m. Aufsatz in der Ztschrft. f. wiss. Zool. Bd. III. und Ge- genbaur, Untersuchungen über Pteropoden und Heteropoden. 2) Lehrb. d. Histol. S. 253. 1855. Zur Anatomie und Physiologie der Lungenschnecken. 57 werden, die schon Keferstein auf Stäbchen und Kolben bezieht. Ich meine auch in dem zerfaserten Auge von Limnaeus stagnalis längliche, pigmentlose Gebilde wahrgenommen zu haben, die nach aussen einen rundlichen Kern besassen, nach innen aber schwach kolbig verdickt aufhörten; doch behalte ich mir, noch jetzt mit der Untersuchung des Auges beschäftigt, vor, seiner Zeit hierauf zu- rückzukommen. Jedenfalls bin ich jetzt schon im Hmblick auf das Verhalten der Choroidea und Retina davon überzeugt, dass ähnlich wie bei den Gliederthieren und den Tintenfischen auch hier bei den Lungen- schnecken beide Häute des Auges innig mit einander verwebt sind. Ueber die Gestalt der Linse von Helix pomatia habe ich !) schon seiner Zeit angegeben, dass sie nicht wie etwa bei Paludina rein kugelig ist, sondern eme mehr abgeplattete Gestalt hat, so dass ihr Querdurchmesser grösser ist als ihr Längendurchmesser. Der Sehnerv, welcher bei andern Schnecken (z. B. Paludina vivipara nach Krohn) vom Schlundring selbst entspringt, erscheint hier bei den Lungenschnecken als ein Ast des Fühlernerven. Doch tritt derselbe, wenn man ihn vom Auge rückwärts verfolgt, schon sehr bald vom Fühlernerven ab; ich sehe solches z. B. an Helix hortensis, ja bei Helix pomatia, im Falle ich recht beobachtet habe, scheint er ganz nahe dem Gehirn vom Tentakelnerven abzutreten. Damit würde die Angabe Joh. Müller’s übereinstimmen, dass bei Helix der Augennerv »sich entlang dem Fühlernerv isoliren lasse. « Es scheinen eben mannigfache Zwischenformen und Uebergänge auch in dieser Richtung vorhanden zu sein. Nicht unbemerkt soll gelassen werden, dass das Auge der Lungenschnecken bei den verschiedenen Arten hinsichtlich der Grösse nicht allzusehr abzuweichen scheint. Es ist diess schon dem wackeren v. Alten aufgefallen. Indem derselbe Helix pomatia beschreibt, sagter, die Augen seien kleine schwarze Punkte, die sich »in Absicht auf ihre Grösse auch von denen der kleinsten -Erdschnecken nicht unterscheiden. « Haben wir uns mit den verschiedenen Organen vertraut gemacht, welche im Innern der obern Fühler untergebracht sind, so ist es 1) Zeitschrift f. wiss. Zool. Bd. II. S. 159. 58 Fr. Leydig, von Interesse die vollständig ausgestreckten Fühler etwa einer leben- den Weinbergschnecke mit der Lupe zu betrachten. Man wird finden, dass die Abbildungen der Tentakelspitzen, wenigstens soweit sie mir bekannt geworden, alle ungenau sind. Das Ende des Fühlers mit dem Augenpunkt wird gewöhnlich einfach rundlich oder knopfförmig dargestellt. Sieht man aber näher zu, so erscheint das Ende des völlig entfalteten Tentakels, ich möchte sagen, in zwei Hälften getheilt. Die eine Hälfte hat den schwarzen Augenpunkt, die andre nach vorne und seitwärts vorspringend zeigt ein scharf markirtes grosses rundliches Polster von weichem schwel- lendem Aussehen und ohne alles Pigment. Es ist das Ganglion des Fühlernerven. An den untern Fühlern, wo sich ja ebenfalls das gleiche Ganglion findet, springt auch in derselben Weise für die Betrachtung mit der Lupe dieses Polster vor. 334 Dia 8.0 Bei den Lungenschnecken hat das Ohr so ziemlich dieselbe Grösse wie das Sehorgan. Gleichwie daher letzteres für die ge- wöhnliche Besichtigung als schwarzer Tüpfel erscheint, so nimmt auch an dem isolirten und leicht gedrückten Gehirn, z. B. von Helix hortensis, das Gehörorgan sich als ein weisser Punkt aus. Welcher Gegend des Gehirns sitzt dasselbe zunächst an? Diese Frage könnte überflüssig erscheinen, da schon Moquin- Tandon dasselbe als den vordern Partien der untern Portion des Schlundringes (»Ganglions sousoesophagiens anterieurs«) angehörig erkannt und gezeichnet hat!). Aber trotzdem muss man darauf zurückkommen, weil in neuester Zeit Walter besagtes Organ auf die hintere Partie, »motorische Abtheilung« wie er sie nennt, bei Helix nemoralis verlegt und zeichnet). Ich habe bezüglich dieser Frage Helix pomatia, H.hortensis, H. ericetorum, Limax agrestis und Arion hortensis näher in’s Auge gefasst und mich überzeugt, dass, entgegen dem genannten Autor, die Ohrblasen immer der vor- dernPartie der unternSchlundportion, entsprechend 1) A. a. ©. z.B. Pl. V von Testacella, Pl. VI von Vitrina, Pl. VII von Suceinea, Pl. XV von Helix, Pl. XXI u. XXI von Bulimus, Pl. XXV von Clau- silia, Pl. XXVIII von Vertigo, Pl. XXIX von Carychium. 2) A. a. ©. Taf. IV. Fig:2,), Eie..3} 0; Zur Anatomie und Physiologie der Lungenschnecken. 59 dem Ganglion pedale unsrer Süsswassermuscheln, ansitzt. Schon oben beim Nervensystem war hiervon die Rede. Auch mehre der Angaben, welche Adolf Schmidt »über das Gehörorgan der Mollusken« veröffentlicht hat '), stimmen nicht mit meinen Erfahrungen überein. Bezeichneter Gonchyliolog will, um zunächst dies zu berühren, die Gehörkapseln bei emigen grössern Helices in die Gehirnmasse eingebettet gefunden haben. Ich halte dies für einen Irrthum, der allerdings aus der Prä- parationsweise zu erklären ist. Nach stärker angewandtem Druck, wobei auch die Hirnpartien sich verschieben, kann es mitunter den Anschein gewinnen, als ob die Gehörkapseln in der Substanz des Gehirns vergraben lägen; allein man vermeide den Druck und die Ohrblase erhebt sich überall zum mindesten als Halbkugel mit freiem Rande über die Gehirnganglien hervor. Auffallend ist mir ferner die Mittheilung, dass bei Leonia ma- millaris Lam. die Kapsel selber aus einer härteren Masse bestehe und daher, nachdem sie beim Druck zerplatzt, sich in bräunliche Scherben ablöse. Da ich genannte Schnecke nicht selber untersuchen kann, so begleite ich diese Angabe blos mit der Bemerkung, dass hierzu bisher von keinem acephalen und cephalophoren Mollusken auch etwas nur entfernt ähnliches bekannt geworden ist und mir die Richtigkeit der Beobachtung zweifelhaft erscheint. Was nun endlich »die wichtigste Entdeckung« betrifft, mit welcher unser Autor »sein Thema bereichern kann«, einen von der Gehörkapsel nach aussen zur Haut führenden Gang nämlich, so habe ich auch hiergegen nicht geringe Bedenken, ja bezüglich der von mir untersuchten Arten von Schnecken nehme ich keinen An- stand diese »Entdeckung« ins Gebiet der Täuschungen zu verweisen. An Arion hortensis, Limax agrestis, Helix hortensis, H. erice- torum habe ich mich überzeugt, 1) dass die Ohrkapsel im Ganzen die Form einer kurz ge- stielten Blase hat. Der kurze Stiel ist nur bei besonderer Sorg- falt in der Präparation wahrnehmbar. 2) Der kurze Stiel dient zum Ansatz an’s Gehirn und führt nicht etwa gegen die äussere Haut, so dass demnach 3) Im ganzen übrigen Umfang die Kapsel scharf abgeschlossen, 1) Ztschrft. f. die gesammten Naturwissenschaften. Jahrgang 1856. 60 Fr. Leydig, mit freiem Rand, erscheint, wie man eben dann bestimmt sieht, wenn die in Betracht kommenden Theile nicht durch Druck oder sonst wie alterirt sind. Mit Bezug auf die histologische Zusammensetzung ?) habe ich an dem Organ bei Helix hortensis ermittelt, dass die Wand der Kapsel eine ähnliche Differenzirung zeigt, wie ich es seiner Zeit schon von andern Weichthieren beschrieben habe. Die Wand von ziemlicher Dicke besteht aus streifiger Bindesubstanz, welche nach innen in eine homogene Grenzlage ausgeht, so dass man auch von Schichten, einer innern und einer äussern, reden könnte. Auf die homogene Grenzlage nach innen folgt ein Epithel, dessen Kerne verhältnissmässig sehr gross sind und mit mehren Kernkörperchen versehen. Dass ihre freie Fläche Wimperhaare, allerdings von geringer Länge und sehr feiner Art besitzt, habe ich zweifellos gesehen. Adolf Schmidt hat davon nichts wahrgenommen, was ich nicht unbegreiflich finde; wenn er aber meimt, dass man besser thäte anstatt nach Wimperhärchen, . womit doch nur eine mecha- nische Erklärung der Bewegungserschemungen der Otolithen gegeben wäre, zu suchen, sich lieber die zitternden Bewegungen der Hör- steinchen »unter dem Einfluss einer unsichtbaren Kraft des Orga- nismus« zu denken, so wird er mit diesem Rathe schwerlich den Beifall und die Zustimmung der Sachkundigen gewinnen. Um aber wieder auf die eigentliche Frage nach dem vermeint- lichen Gang der Ohrblase zurückzukommen, so müssen wir zum Verständniss und zur Beurtheilung dieser Bildung davon ausgehen, dass die Ohrblase der Weichthiere durch einen sehr langen Stiel mit den Nervencentren zusammenhängen kann. So 2. B. unter den Muscheln bei Unio ?), Anodonta, unter den Schnecken bei Paludina ®), endlich bei den Heteropoden *); in allen diesen Thieren ist der lange Stiel nach seinem feinern Bau der zur Blase führende Gehörnerv. | 1) Vergl. hierbei die Zusammenstellung meiner an Paludina, Cyclas, Helix, Ancylus, Carinaria, Unio, Anodonta gemachten Beobachtungen in mei- ner Histologie S. 277. 2) Vergl. Fig. 148 (Gehörorgane von Unio) in m. Histol. 8.278. Mo- quin-Tandon hat von Unio margaritifer (a.a.0.) auf PL. XLVII Fig.5 den Gehörnerven in ganzer Länge vom Ganglion an bis zur Ohrblase veranschaulicht. 3) Vergl. m. Darstellung, Ztschrft. f. wiss. Zool. Bd.UI, Taf. XII Fig. 13. 4) Vergl. m. Aufsatz in d. Ztschrft. f. wiss. Zool. 1851 od. Fig. 149 in m. Histologie; ferner Gegenbaur’s Pteropoden und Heteropoden, 1855. Zur Anatomie und Physiologie der Lungenschnecken. 61 Es giebt aber Fälle, wo der Stiel jetzt schon bedeutend ver- kürzt, aber immer noch deutlich zwischen Blase und Gehirn her- vortretend, nicht mehr Nerv ist, sondern hohl, wie die Blase selber, und auch von gleichem Epithel ausgekleidet. Eine solche Organi- sation hat Clapare&de!') zuerst bei Neritina nachgewiesen. Wie sehr aber beide Bildungen, ein solider und ein hohler Stiel, in einander übergehen, erhellt aus den ferneren Mittheilungen desselben Forschers bezüglich zweier Oyclostomaceen. Bei Cyclostoma elegans besitzt die Ohrblase einen Stiel ohne inneren Hohlraum, bei Cyelo- stoma (Pomatias) maculatum erscheint der Stiel hohl, so dass bei Druck auf die Blase die Otolithen in den Stiel hinein ausweichen ?). Denkt man sich nun den Stiel von der zuletzt genannten Schnecke noch mehr verkürzt, so hat man die Verhältnisse, wie sie sich bei Helix, Limax und Arion darbieten. Bei Helix hor- tensis konnte ich die Hörsteinchen ebenfalls in den kurzen Stiel hineindrängen. Der bis zum Verschwinden kurze Stiel der Ohrblase der Lungenschnecken ist der Anfang, oder wenn man will, der Rest des langen Hörnerven der Muscheln, der Heteropoden und gewisser Kammkiemer. Adolf Schmidt stützt sich nun freilich gerade auf Thiere, welche ich nicht selbst zergliedert habe; es sind Helix vermiculata, Limax variegatus, dann insbesondere Physa fontinalis. Bei letzterer will er in vollkommen befriedigender Weise gesehen haben, dass ein langer Kanal, im den sich Otolithen ergossen hatten, von der (zehörkapsel zur äussern Hautbedeckung führte und in dieser Ge- gend sich etwas erweiterte. Ich hoffe diese Schnecke mir bald ver- schaffen und sehen zu können, was etwa daran Wahres ist. Einst- weilen verweise ich auf die obige Ausemandersetzung, mit welcher ich darthun wollte, dass es sich bei den mir bis jetzt vorgelegnen Arten nicht um eine neue absonderliche Bildung, sondern um Ab- änderung einer bekannten Organisation handelt. Ill. Wasseraufnahme in den Körper und Abgabe durch die Niere. Schon vor langer Zeit haben zwei um die anatomische Kennt- niss der Weichthiere vielfach verdiente Forscher, v. Bär°) und 1) Arch. f..Anat. u. Phys. 1857. 2) Cyclostomatis elegantis anatome. Dissert. inaug. 1857. 3) Froriep’s Notiz. XIII u. XX. 62 Fr. Leydig, delle Chiajet) entdeckt, dass durch besondere Oeffinungen der Haut Wasser in das Innere des Körpers aufgenommen werde. Das Wasser sollte in eigene Kanäle dringen, dann zwischen diesen selber sich ausbreiten. Die nächsten Beobachter, welche diese Angabe prüften, Meckel?) und Rud. Wagner ®), über- zeusten sich zwar davon, dass im Innern des Körpers eine be- trächtliche Menge Wasser sich vorfinde, aber sie vermissten die Zu- gänge von aussen und waren daher geneigt mehr eine gleichmässige Durchdringung des Wassers zwischen den Muskelbündeln anzunehmen. Durch den darauf folgenden Beobachter v. Siebold wurde die Frage nach der Wasseraufnahme und dem Ort, wo das aufgenommene Wasser sich befände, wieder fast ganz auf den Standpunkt der ersten Ent- decker gebracht. Genannter Autor suchte aus verschiedenen Erschei- nungen nicht blos darzuthun, dass bei Muscheln an bestimmten Stellen des Fuss- und Mantelrandes sich Oeffnungen finden müssen, sondern diese Mündungen führten nach seiner Angabe in em besonderes Netz von Kanälen, welche als Wassergefässe verschieden seien von den Blutgefässen. Mehre Jahre nachher widmete ich *) einer Muschel des Süss- wassers, der Gattung Cyclas, ein längeres Studium und insbesondere auch dem »Wassergefässsystem« nachgehend, kam ich nach einer Seite hin zu einem Ergebniss, welches mit der Siebold’schen Darstellung in entschiedenem Widerspruch stand. Zu bestätigen hatte ich nicht blos die Wasseraufnahme überhaupt, sondern konnte auch an lebenden Muscheln, welche den Fuss bestmöglichst ausge- streckt hatten, helle feine Kanäle wahrnehmen, welche die Haut durchsetzen und in’s Innere führen, wahre »Fori acquiferie. Was hingegen die »Wasserkanäle« im Innern des Leibes betraf, so musste ich dieselben in Abrede stellen. Die Beobachtung des unter dem Mikroskop liegenden lebenden Thieres lehrt, dass sich im Innern des sogenannten Fusses ein grösserer ÜUentralblutraum ausbreitet, der sich nach der Peripherie in ein Netz kleinerer Lücken, welche zwi- schen den einzelnen Muskelzügen und Muskelprimitiveylindern sich hinziehen, verliere. Es liess sich unmittelbar wahrnehmen, wie die 1) Memorie II. 2) System der vergl. Anat. VI. 3) Vergleichende Anatomie. 4) Ueber Cyclas cornea Lam., Archiv f. Anat. u. Physiol. 1855. Zur Anatomie und Physiologie der Lungenschnecken. 63 feinen Kanäle im Epithel des Fusses direct in dieses Lacunennetz einmündeten, also mit andern Worten ins Blutgefässsystem. Ich hatte somit zu erklären, dass eigentliche Wasser- kanäle, welche von den blutführenden Kanälen verschieden seien, nicht existiren, sondern dass nur Ein Kanalsystem vorhanden sei, welches Blut und von aussen hereingekommenes Wasser zu- gleich führe. Aber auch schon früher hatte ich an einem Gasteropoden, an Paludina vivipara gezeigt, dass hier eine Vermischung des Blutes mit von aussen eingedrungenem Wasser geschehe !). Und denselben (Gegenstand immer mit Interesse verfolgend, war ich auch im Stande für die Würmer und Rotatorien das gleiche wahrscheinlich zu machen, sowie ich endlich selbst bei Insectenlarven, welche im Wasser leben, auf Thatsachen stiess, welche darauf hindeuteten, dass auch hier das Blut sich mit von aussen eingedrungenem Wasser vermischen könne ?). Und wie geben Würmer und Weichthiere wieder das Wasser nach aussen ab? Bei den Muscheln spritzt das aus seinem Wohnelement herausgenommene Thier aus den Rändern des Fusses und Mantels eine Menge feiner Wasserstrahlen weg, offenbar auf demselben Wege, durch den das Wasser ins Innere des Körpers gelangt ist. Zweitens mag auch durch die Deffnung der Nieren diess geschehen, da zwischen der Niere und dem sogenannten Herzbeutel (Blutsinus) eine offene Communication statt zu finden scheint, und insbesondere mag der Wasserstrahl aus der Afterröhre ?) bei Muscheln, denen man das Wasser entzogen hat, aus der Nierenöffnung kommen. Dass der Abfluss von Wasser bei Würmern, Rotatorien und Kiemen- schnecken wirklich aus der Niere geschehe, dazu gab ich mancher- lei Belege ®). Aber auch bei Lungenschnecken, welche nicht im Was- ser, sondern auf dem Lande leben, kommt das gleiche vor. Auch hier wird das von aussen aufgenommene Wasser, nachdem es dem Blut beigemengt gewesen und den Körper durchkreist hat, mittelst 1) Ztschrft. f. wiss. Zool. Bd.II, S. 175. 2) Histol. d. Mensch. u. d. Thiere S. 441 (Larven von Neuropteren). 3) »Entzieht man der Muschel das Wasser und bereitet auf diese Weise eine künstliche Ebbe, so stösst sie durch die Afterröhre einen Wasserstrahl aus, dessen Bogen oft 6—8 Zoll im Durchmesser hat. (Carl Pfeiffer.) 4) Vergl. z. B. m. Histologie S. 394, S. 442. 64 Fr. Leydig, die Nieren wieder nach aussen entleert; immer mit Beimischung von Blut, und um diese Thatsache bei genannter Thiergruppe in das rechte Licht zu setzen, habe ich mir vorangegangene Zusammenstel- lung des schon früher Beobachteten erlaubt. Dass auch die Landschnecken grössere Mengen von Wasser und Blut von sich geben, bemerkte ich vor längerer Zeit zuerst an Helix arbustorum der Salzburger Gegend. Dort ist diese Schnecke . bekanntlich so gross und schön, dass der Conchylienfreund sie immer wieder aufzuheben und zu betrachten sich versucht fühlt, wobei mir denn nicht entgehen konnte, dass das auf diese Weise beun- ruhigte und sich zusammenziehende Thier jedesmal eme erkleckliche Menge heller Flüssigkeit verlor. Dieselbe sickerte nicht aus dem Fusse, noch weniger aus der Mundöffnung, sondern konnte nur aus der Nierenöffnung in der Nähe des Athemloches kommen. Einmal darauf aufmerksam geworden, gewahrte ich die gleiche Erscheinung auch an andern gehäusetragenden Land-Schnecken, nur war die Menge der abgehenden Flüssigkeit, wenigstens meiner Erin- nerung nach, nirgends so gross, als bei Helix arbustorum; noch am meisten schien mir bei Helix fruticum abzufliessen; bei andern Ar- ten betrug das Ausfliessende kaum soviel, dass das sich m die Schale zurückziehende Thier schwach feucht wurde. Dass auch individuelle Verschiedenheiten hierin vorkommen, ist selbstverständlich.. Moquin-Tandon, welcher bekanntlich in seinem grossen Werke über die Mollusken Frankreichs den anatomisch-physiologischen Verhältnissen Rechnung trägt, giebt bei der Beschreibung der einzel- nen Arten von dieser und jener Schnecke an: »secretant un mucus aqueux tres abondant« oder »mucus tout a fait aqueux fort abon- dant.«e Wollte man annehmen, es sei hier die gewöhnliche Schleim- secretion zum Theil darunter verstanden, so widerspricht dem das, was im allgemeinen Theil des Werkes über die Glande precordiale (Niere) gesagt wird. Dort heisst es, dass bei Reizung des Thieres eine grössere oder geringere Menge von Flüssigkeit aus dem Aus- führungsgang der Drüse neben dem Mastdarm hervorquelle. In einen eigenthümlichen Widerspruch geräth aber unser Autor bezüglich der Gattung Planorbis. Da ihm nämlich unbekannt ist, dass die ausgestossene Flüssigkeit bei allen Schnecken immer beige- mischtes Blut enthält, so meint er, die bei Reizung des Planorbis corneus hervortretende — schon Lister, Linne u. A. bekannte — rothe Flüssigkeit könne, da sie Blut sei, nicht aus der Niere Zur Anatomie und Physiologie der Lungenschnecken. 65 kommen, sondern sie stamme aus den Blutgefässen des Mantels, sei also nicht der Flüssigkeit der Glande precordiale gleichzusetzen. In: Wahrheit steht sie aber dieser vollkommen gleich; denn dass das Blut bei Planorbis roth, bei andern Schnecken farblos ist, muss für diese Frage völlig gleichgültig sein. Eine weitere, auf eine südeuropäische Form sich beziehende, Angabe finde ich bei Rossmässler. 'Derselbe erzählt nämlich in seinen sehr 'anziehend geschriebenen Reiseerinnerungen aus Spa- nien (Bd. I., S. 205), dass wenn man Helix candidissima aufnimmt, so 'stosse dieselbe 8—11 Tropfen eines klaren etwas nach Knoblauch riechenden Wassers aus. Die Gattung Zonites, insbesondere Zonites alliarius Mill., giebt bekanntlich ebenfalls einen Knoblauchgeruch von sich, der wie Johnson annehmen zu können glaubt, seinen Sitz in dem Schleim habe, ‘welcher den Kopf schlüpfrig mache. Ich habe die Vermuthung, dass es auch hier die aus den Nieren tretende Flüssigkeit ist, welche den eigenartigen Geruch an sich hat. Noch habe ich einen Forscher zu nennen, der die uns hier be- schäftigende Thatsache genau kennt. Es ist Gegenbaur, welcher in seiner vergleichenden Anatomie erwähnt, dass bei den Lungen- scknecken, wenigstens bei Planorbis und Helix, auf eine rasche Üon- traction' des prall mit Flüssigkeit gefüllten Fusses stets eine Quan- tität dieser Flüssigkeit aus der Niere hervortrete. Um aber wieder auf meine eigenen Beobachtungen in dieser Frage zurückzukommen, so sah ich das Phänomen ferner in sehr ausgesprochenem Grade an einer Nacktschnecke. Im Walde nach einem Gewitterregen bemerkte ich, wie an Buchen Nacktschnecken von der Grösse und dem Habitus des Limax agrestis gesellschaftlich und für Schnecken recht munter die Baumstämme entlang krochen. Was aber an allen sehr auffallen musste, war ihr von Wasser prall ange- schwollenes Aussehen ; sie waren so hell und durchschemend, dass nicht nur die Eingeweide, sondern auch die Umrisse des Kalkschäl- chens deutlich erkennbar waren. In dem Augenblicke, wo man das einherkriechende Thier berührte, floss durch die Contraction des Körpers ein helles Fluidum ab, worauf die T'hiere einfielen und ihr durchscheinendes Wesen verloren hatten. Ich mochte das Experi- ment wiederholen so oft ich wollte, immer hatte ich den Eindruck, dass das Wasser durch die Nierenöffnung nach aussen abfliesse. Die Schnecke, um welche es sich handelt, ist Limax arborum Bouchard. M. Schultze, Archiv f. mikrosk. Anatomie. I. Bad. B) 66 Fr. Leydig, In meiner ersten Mittheilung habe ich sie als Varietät von Limax agrestis betrachtet ?). An dieser Schnecke ist die uns hier interessirende Erscheinung zu übersehen kaum möglich, daher bemerkt schon z.B. Drapar- naud: »Lorsqu’on touche cette limace, elle repand une bave blanch- Atre en abondance« 2). Aehnlich Bouchard: »Quand en touche Yanimal, il laisse echapper un liquide tres limpide et semblable: & Veau la plus pure« ®). Endlich der neueste Beobachter Lehmann: »Berührt man die Thiere, so sondern sie eine reichliche Menge wäs- seriger Feuchtigkeit ab, durch welche das Thier sein glattes, trans- parentes, aufgeblähtes Ansehen mit erhält« ®). Die Frage, von welcher Oeffnung oder Körperstelle die wasser- klare Flüssiekeit abfliesse, hat sich keiner der Genannten gestellt; wie ich erkannt und schon berichtet habe, ist es die Nierenöffnung. Aber auf welchem Wege wird bei den Landschnecken ‚das Wasser eingenommen ? Sollte es abermals durch Hautcanäle geschehen ? Ich habe hierüber bis jetzt keine Beobachtungen gemacht, welche diese Ansicht stützen könnten. Für um so beachtungswerther finde ich die An- gabe von Gegenbaur’), welcher sagt: »Die Wasseraufnahme bei (len Helicinen findet auf eine eigenthümliche Weise statt. Die Thiere nehmen dasselbe (Thau, Regen) stets darch den Mund ein und las- sen es durch die Darm-, vorzüglich die Magenwandung in die Lei- beshöhle transsudiren.« Es stimmt diese Mittheilung, welche mir aus dem Gedächtniss sekommen war, recht gut mit dem, was ich (vor mehren Jahren) an Limax arborum im Rhöngebirge, wo diese Art ebenfalls nicht 1) Vom Bau des thierischen Körpers 8.68. Von Draparnaud an, der obige Nacktschnecke Limax sylvaticus nennt und sagt »on pourrait douter, si ce n’est pas une variete de l’agrestis« wird bis zu den neuesten Beobach- tern (Otto Goldfuss z. B.) diese Aehnlichkeit mit Limax agrestis erwähnt; ich bin aber gegenwärtig vollkommen überzeugt, dass L. arborum eine gute, von L.agrestis verschiedene Art ist. v.Seckendorf in seinem Verzeichniss der württembergischen Mollusken hat sie offenbar ebenfalls noch nicht als Art unterschieden und schlug sie als Varietät zu Limax agrestis. Erst v. Martens that bezüglich der Württemberger Fauna diess, indem er an- gibt, dass um Stuttgart und Tübingen L. arborum vorkomme. 2) Histoir. natur. d. Mollusques de France. 8. 127. 3) Catalogue des Mollusques etc. du Pas-de-Calais. 1838. 4) Malakozool. Blätter 1862. 5) Vergl. Anat. S. 353. Zur Anatomie und Physiologie der Lungenschnecken. 67 selten ist, zu beobachten Gelegenheit hatte. Sieht man den auf nas- sem Gemäuer oder triefendem Moos herumkriechenden Thieren zu, so will es einem vorkommen, als ob sie das Wasser mit dem Mund aufleckten. Jedenfalls wird man zugeben müssen, dass die hier von Neuem angereste Frage über Zulassen von Wasser in den Körper und Ab- fluss desselben mit beigemischtem Blut eine zum Verständniss der Organisation der Weichthiere nicht unwichtige ist und unser Interesse rege erhalten darf. Zum Schlusse kann ich nicht unerwähnt lassen, dass das Her- vorquellen von Blut an den Gelenken gewisser Käfer, worüber man eine frühere Abhandlung von mir!) vergleichen möge, eine gewisse Verwandtschaft mit den oben erörterten Verhältnissen zeigt. Hätten, um nur noch auf die ältere Literatur zurückzublicken, Lister, Swammerdamm, O. Fr. Müller und Guvier eine Ahnung davon gehabt, dass z. B. bei Meloö Blutflüssigkeit geradenwegs als scheinbare Drüsensecretion nach aussen treten könne, so würden sie wohl ebenfalls die bei Planorbis corneus hervorkommende rothe Flüs- sigkeit nicht für eine Flüssigkeit specifischer Art erklärt, sondern für das genommen haben, was sie eben ist: für mit Wasser gemeng- tes Blut. Mit diesem abfliessenden rothen Fluidum des Planorbis ist aber, wie erörtert wurde, die bei andern Lungenschnecken aus der Niere austretende Flüssigkeit identisch; ob bei Planorbis das Blut roth, bei andern Schnecken farblos oder höchstens schwach bläu- lich ist, wird zu einem völlig unwesentlichen Monıent. 1) Zur Anatomie der Insecten, Archiv f. Anat. u. Physiol. 1859. Ueber eine neue Art amöboider Zellen. Von v. 1a Valette St. George. Hierzu Taf. I. Das rege Interesse, . weiches in neuester Zeit den. Bewegungs- erscheinungen der Zelle zugewendet wird, möge die Mittheilung einer dahin gehörigen Beobachtung rechtfertigen '). _ Im Hoden. von Thieren aus den verschiedensten Klassen sieht man Zellen, welche eme exquisite amöhboide Bewegung zeigen, wenn sie unter gewissen indifferenten. Flüssigkeiten untersucht werden. Als solche fand ich am brauchbarsten: Humor aqueus, frisches oder durch Jod econservirtes Amnioswasser, welches letztere M. Schultze’s warmer Empfehlung ?) in vollstem Masse entspricht. Dass bei diesen Untersuchungen die v. Recklinghausen sche »feuchte Kammer« ®) mit ‚grossem ‚Nutzen angewendet wird,. leuchtet ein, da diese ebenso einfache als sinnreiche Vorrichtung in gleicher Weise Druck des Objektes und Verdunstung des Mediums aus- schliesst, wenn sie auch zur blossen Constatirung der in Rede stehen- den Erscheinung ohne Rücksicht auf ihre Zeitdauer und die dadurch bedingten Modifikationen entbehrlich sein mag. | Es fallen meine Beobachtungen in die Monate September bis December, für dieses Thema nicht gerade die günstigsten. 1) Eine kurze Notiz über dieselbe gab ich auf der 33. Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte in Giessen 1864 (Section für Anatomie und Physiologie, Sitzung vom 31. September). 2) Virchow’s Archiv Bd. XXX, 1864, S. 263. 3) Virchow’s Archiv Bd. XXVII, 1863, S. 162. v. la Valette St. George, Ueber eine neue Art amöboider Zellen. 69 Unter den Säugethieren traf ich zunächst beim Meer- schweinchen sich bewegende Hodenzellen an, wenn auch deren Vorkommen durchaus kein allgemeines genannt werden kann. Von vier eeschlechtsreifen Thieren, welche ich darauf untersuchte, ver- misste ich bei einem die Bewegung gänzlich trotz mehrstündiger Beobachtung; bei einem zweiten zeigten nur wenige Zellen dieselbe; bei den übrigen war sie häufiger, jedoch nur an einzelnen sonst sleichartigen Zellen wahrzunehmen. Es hatten die Zellen, welche eine selbständige Veränderung ihrer Gestalt erkennen liessen, im Zustande der Ruhe eine runde, ovale oder unregelmässige Form, ihre Grösse differirte zwischen 0,016 Mm. und 0,023 Mm., sie enthielten entweder einen oder mehrere grosse stark granulirte Kerne von 0,013 Mm., oder kleinere 0,007 Mm. grosse, welche meist ganz hell waren, zuweilen auch einen runden Kernkern zeieten. Um den Kern herum lagen stets kleine Körnchen in das homogene Protoplasma eingebettet. Die Arten der Bewegung sind folgende: eine runde oder ovale Zelle nimmt eine unregelmässige wechselnde Gestalt an; hatte sie von Anfang an eine unregelmässige Form, so verändert sie ihren Contour in mannichfacher Weise. (Fig. 2.1, 2.) Manche Zellen zeigen nur diese Erscheinungen der Gontractilität. Eine zweite Art der Formveränderung wird dadurch hervorge- bracht, dass sich das Protoplasma entweder in ganzer Ausdehnung vom Kerne abhebt und diesen auf der entgegengesetzten Seite fast blosslegt, oder indem es hügel-, finger- oder keulenförmige Fortsätze von ver- schiedener Länge austreibt. In jenem Falle wird durch Zurück- fliessen des Protoplasma die Zelle nach einigen Minuten wieder rund, in letzterem ziehen sich die Fortsätze allmählich wieder ein, um neuen Platz zu machen. Bei der dritten Art erscheint an irgend einer Stelle em dünner kolbenförmiger Auswuchs. . Hat derselbe eine gewisse Länge erreicht, so zeigt er eine langsam schwingende bewegung, kann übrigens wieder zurücktreten. (Fig. 1. ce, d; Fig. 2. 8.) In einzelnen Fällen sah ich endlich die Zelle fene, am oberen Ende mit einem Knöpfchen versehene Fäden von verschiedener Länge ausstossen, welche sich wie tastend hin und her bewegten, ähnlich den Fühlern einer Schnecke. (Fig. 2.9.) Ein solcher Faden, welcher so lang war, wie der Durchmesser der Zelle, wurde nach 70 v.la Valette St: George, einer Viertelstunde wieder vollständig eingezogen. Längere Zeit nachher fand ich manche Zellen mit starren Fäden. Der Gestaltwechsel begimnt zuweilen gleich nach Anfertigung des Präparates, meist jedoch fünf bis fünfzehn Minuten nachher. Die beiden ersten Arten der Bewegung dauerten zwei bis drei Stunden; dann wird die Zelle dunkler und zeigt schärfere Contouren ; ihr Kern ist nicht mehr mit Deutlichkeit zu erkennen. Entweder bleibt sie jetzt bewegungslos oder lässt die dünneren Fortsätze her- vortreten, welche noch über eine Stunde in Form- und Ortsverände- rung beharren. Der Kern und die ihn umgebenden Körnchen bleiben stets durchaus passiv; letztere zeigen, wenigstens im unverdünnten Serum, auch keine Spur der sogenannten Molekularbewegung, wie wir die- selbe z. B. in Speichel- und Eiterzellen sehen. Ich könnte nicht sagen, dass durch das Ausstrecken und Ein- ziehen der Fortsätze bedeutende Lageveränderungen der: Zelle hervorgehen; geringe habe ich allerdings beobachtet, wie Drehung und langsames Fort- und Zurückschieben. Ein junges Meerschweinchen, dessen Samenkörper noch nicht ausgebildet waren, zeigte die Bewegung der Hodenzellen in ausgezeichneter Weise. /wei Kalbsembryonen von 30 und 50 Üentimeter Länge, (vom Scheitel bis zur Schwanzspitze) lieferten ebenfalls treffliche Bilder amöboider Zellen (Fig. 3, 1—15). Bei dem ersteren mass eine solche Zelle 0,016 Mm., ihr Kern 0,013 Mm.; beim zweiten Thiere 0,009 Mim., der Kern 0,007 Mm. Ein 15 Centimeter langer Embryo des Schafes zeigte kleinere und grössere Hodenzellen von 0,009 bis 0,016 Mm. mit stark granulirten nicht immer ganz deutlichen Kernen bis zu 0,013 Mm. Grösse. Die Bewegung dieser Zellen war eine sehr lebhafte, sie dauerte noch zehn Stunden nach Anfertigung des Präparates fort. Beim Stier, dem Hunde, der Katze, sowie beim Ka- ninchen fand ich trotz wiederholter Untersuchung keine amöboiden Zellen im Hoden. In der Classe der Vögel traf ich dieselben an bei der Taube und dem Hahn. Bei ersterem Thiere, von welchem ich drei Exemplare unter- suchte, hatten die sich bewegenden Zellen meist die Grösse von 0,016 Mm., ihr stark granulirter Kern, welcher in kleine Körnchen Ueber eine neue Art amöboider Zellen. 71 eingebettet lag, mass 0,009 Mm. Die Formveränderung derselben entsprach durchaus dem vorher gegebenen Bilde. Auch sah ich eine grössere Zelle von 0,026 Mm., welche zwei Kerne enthielt, ihre Gestalt lebhaft wechseln (Fig.5. 1—13). Sie trat sofort nach An- fertigung des Präparates ein und dauerte mehrere Stunden. Die Hodenzellen des Hahnes boten dieselben Gontraetilitäts- erscheinungen dar. An einem Präparate, welches 24 Stunden nach dem: Tode des Thieres gemacht wurde, waren sie noch äusserst rege. Die Umrisse des Kernes liessen sich an der beobachteten Zelle nicht deutlich erkennen. Es dauerte die Bewegung noch 1} Stunden; dann wurde die Zelle dunkel contourirt und zeigte die vorhin schon erwähnten strahlenförmig hervortretenden geknöpften Fäden, welche sich hin und her bewesten. Wie bei der Taube wurden auch hier mehrkernige amöboide Zellen beobachtet. (Fig. 6.) Ein vortreftliches und leicht zugängliches Objekt für das Stu- dium amöboider Zellen bietet der Hoden des grünen Wasser- frosches. Es messen diese Zellen durchschnittlich 0,016 Mm., ihr Kern 0,013 Mm. Auch sieht man grössere bis 0,026 Mm. und mehrkernige in Bewegung. Ohne Zusatzflüssigkeit erscheinen die meisten Kerne granulirt. Sie sind umgeben von einer Wolke kleiner Körnchen. Im Humor aqueus desselben Thieres trat die Bewegung der Zellen sehr schön hervor, ebenso in Jodserum. Es lag nahe, hier die von v. Recklinghausen in seiner trefflichen Arbeit »über Eiter- und Bindegewebskörperchen«t) empfoh- lenen künstlichen Mischungen vorzugsweise anzuwenden. Nach Zusatz einer Zuckerlösung von 14 p. Ct. blieben die Zellen ohne Bewegung. ihr Kern erschien homogen, zuweilen wurde ein Kernkern sichtbar. In einer Kochsalzlösung von 14 p. Ct. wurden die Zellen scharf contourirt, ihr Kern undeutlich, Bewegung nur kurze Zeit beobachtet. Unter einer liprocentigen Lösung von phosphorsaurem Natron zeigten sich die Kerne, welche bei einzelnen Zellen ein rundes Kern- körperchen führten, hell und homogen; neben ihnen liessen sich die Körnchen vortreftlich wahrnehmen, Die meisten Zellen blieben rund, 1) Virehow’s Archiv Bd. XXVIII, 1863, S. 164. 72 v. 1a Valette St. George, andere dagegen wurden über zwei Stunden in lebhafter Bewegung (Fig. 8 «, 1-4, a—g.) gesehen. Letztere Flüssigkeit ist demnach für unsern Fall anwendbar, wenn ich auch der Meinung v. Recklinghausen’s, dass die natür- lichen Transsudate bei Weitem vorzuziehen seien, vollständig bei- pflichten muss. Destillirtes Wasser hebt sofort die Contractilität der Zellen auf. Zerzupft man ein Hodenstückchen von Rana esculenta in diesem Medium, so sieht man kleinere und grössere runde Zellen mit hellen homogenen Kernen und vielen glänzenden Körnchen um: denselben herumliegen. Letztere zeigen eme sehr heftige Molekularbewegung. Statt eines Kernes kommen deren zwei und mehrere vor. Die Zelle wird immer heller und grösser, behält jedoch ihre kugelige Form. Endlich platzt sie wie auf einen Ruck und stösst Kern oder Kerne, von denen sich zuweilen noch eine gemeinsame Membran abzuheben scheint, sowie den übrigen Inhalt aus. Es erinnert dieses Bersten durchaus an eine ähnliche Erschei- nung, welche Brücke bei den Speichelkörperchen gesehen und sehr genau beschrieben hat ?). In Humor aqueus oder Jodserum tritt die Bewegung der Hodenzellen beim grünen Wasserfrosche sofort ein und ist von sehr langer Dauer. Ich konnte sie 26 Stunden verfolgen. Ein Präparat, welches 32 Stunden nach dem Tode des Thieres gemacht wurde, zeigte dieselbe noch lebhaft. Den braunen Grasfrosch fand ich weit weniger zur Unter- suchung geeignet. In den letzten Monaten des Jahres sieht man die Hoden dieses Thieres schon bedeutend entwickelt, sie strotzen von der Reife nahen Samenkörpern; erst nach langem Suchen gelingt es eine Hoden- zelle anzutreffen, welche übrigens dieselbe Bewegungserscheinungen darbietet, wie sie für die andere Species beschrieben wurden. Von Fischen habe ich nur den Karpfen untersucht, jedoch ohne Resultat. Aus der Abtheilung der Wirbellosen fand ich weder im Kohlweissling noch im Flusskrebse amöboide Hodenzellen; mehrfach 1) Ueber die sogenannte Moleeularbewegung in thierischen Zellen, in- sonderheit in den Speichelkörperchen. Sonder-Abdruck aus dem XLV. Band der Sitzungsb. d. königl. Akademie der Wissenschaften. 8.3 f. Ueber eine neue Art amöboider Zellen. 7 jedoch sind mir dieselben in den Hodenschläuchen der Wasserassel begegnet, wenn ich deren Inhalt unter Jodserum entleerte. Sie haben bei diesem Isopoden eine Grösse von 0,013 Mm. und zeigen einen mehr oder weniger homogenen Kern von 0,009 Mm., sowie kleine diesen umgebende Körnchen. Ihre Bewegung entspricht durchaus der für die anderen Thiere gegebene Darstellung. Die angeführten Beispiele, deren Zahl der vorgerückten Jahres- zeit wegen leider nicht weiter abwärts im Thierreiche vermehrt werden konnte, möchten wohl hinreichen, die Vermuthung auszu- sprechen, dass die Contractilität eine den Hodenzellen aller Thiere gemeinsame Eigenschaft sei. Freilich sind wir Ausnahmen begegnet; aber sollten diese nicht durch irgendwelche, wenn auch noch nicht erklärte Nebenursachen bedingt werden? Es drängt sich nun die Frage auf, in welcher Beziehung die amöboiden Zellen zur Ent- wickelung der Samenkörper stehen. Wir wissen durch Kölliker’s') bahnbrechende Forschungen auf diesem Gebiete, dass die befruchtenden Elemente des Samens durch direkte Metamorphose aus den Kernen der Samenzellen her- vorgehen — eine Beobachtung, welche in neuerer Zeit von Henle?) durch genaue Untersuchung bestätigt wird. Zunächst sind es die glatten Kerne, welche sich in Samenkörper umwandeln. Solche kommen den in Fig. 1 u. 2 gezeichneten Zellen zu. Von diesen kann also angenommen werden, dass sie unmittelbar bei der Genese der Samenkörner thätig sind. Die Bedeutung der Zellen mit grossem, grobkörnigem Kerne ist, wie Henle ganz richtig sagt, nicht mit völliger Bestimmtheit fest- zustellen, jedoch liegt die Vermuthung nahe, dass dieselben Jugend- zustände der glattkernigen darstellen. Für die m Fig. 9 abgebildete Zelle aus dem Hoden der Wasserassel muss ich mit Bestimmtheit annehmen, dass sie mit der 1) Verhandlungen der physikalisch-medizinischen Gesellschaft in Würz- burg Bd.VI, 1856, 8. 80. — Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie Bd. VI, 1856, S. 204. 2) Handbuch der systematischen Anatomie des Menschen, 1864, Bd. II Buch H $. 355 f. Fig. 268. ’ 74 v. 1a Valette St. George, Entwicklung der Samenkörper jenes Thieres, wenn diese auch eine ganz verschiedene ist, m direeter Verbindung steht. Vielleicht könnte an eine Verwechselung der geschilderten amö- boiden Zellenformen mit Lymphkörperchen gedacht werden, deren Anwesenheit im Hoden sich aus einer doppelten Quelle herleiten liesse. Wir haben aus den neueren Untersuchungen über die Lymph- wege des Hodens erfahren, dass zwischen den Samenkanälchen ein vollständiges Kanalsystem von Lymphgefässen existirt. Ob dieses jedoch bereits körperliche Elemente liefert, scheint noch zweifelhaft, jedenfalls ist deren Anzahl eine geringe. (Siehe dar. Tomsa, Bei- träge zur Lymphbildung, Wiener Sitzungsberichte. Bd. XLVI S. 196 £.) Eine Beimischung weisser Blutkörperchen, welche aus den durchschnittenen Gefässen herrühren, kann dagegen leicht stattfinden. In beiden Fällen möchte es indessen mannigfacher Verschieden- heiten wegen, auf welche ich hier nicht näher eingehen will, nicht schwer fallen, Lymphkörperchen von den Zellen, welche dem Inhalte der Samenkanälchen entstammen, zu unterscheiden. Soviel mir bekannt ist, bin ich der Erste, welcher Bewegungs- erscheinungen an den Hodenzellen beobachtet hat. Dass eine Angabe von Ankermann'!), welcher an Samen- zellen vom Frosche bei Wasserzusatz eine undulirende Bewegung der Zellenmembran wahrgenommen haben will, mit den von mir angege- benen Thatsachen nicht in Zusammenhang zu bringen ist, geht schon daraus hervor, dass Wasser, wie ich oben angeführt, die amöboide Bewegung jener Zellen sofort aufhebt. Wohl habe ich gesehen, wie beim Eintritte der Imbibition der »granulöse Inhalt der Zellen«, insofern damit die den Kern umgebenden Körnchen gemeint sind, sich zu bewegen anfängt; niemals aber ist es mir gelungen, eine wellenförmige oder gar flimmernde Bewegung der Zellenwand wahr- zunehmen. Letztere Beobachtung möchte also wohl auf einer Täuschung beruhen, über deren muthmasslichen Grund sich bereits Kolliker ausgesprochen hat ?). 1) Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie Bd. VIIL, 1857, S. 141. 2) Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie Bd. VII, 1856, S. 268. Ueber eine neue Art amöboider Zellen. 75 Ob dagegen mit Kölliker dieselben Zweifel gegen eine dahin einschlagende Notiz von Remak') zu erheben sind, will ich un- entschieden lassen. Jener Forscher sah kleine ;t, Linie grosse Kügelchen mit den Bündeln von Samenfäden, am Schwanzende der letzteren angeheftet, aus der Samenzelle austreten. Solche Sarkode-ähnliche Körper sollen in freiem Zustande unter Wasser sehr lebhafte Bewegung und Form- veränderung, wie eine Amoebe, zeigen. Eine ganz ähnliche Angabe wurde später ohne Berücksichtigung der Remak’schen von Liegeois?) gemacht. Er sagt von den Samenkörpern des Frosches: »Ces spermatozoaires presentent & une deleurs extremites un prolongement extremement päle, portant generalement sur son trajet quelques granulations et termine par un renflement arrondi ou elliptique. Quelquetois ce prolongement, au lieu de faire suite A un spermatozoaire, fait suite A un globule arrondi, brillant. Le spermatozoaire et le globule sont animes de mouvements rapides.« Ich weiss nicht, ob in diesen beiden Fällen eine Verwechselung der aktiven Bewegung mit einer passiven, hervorgerufen durch abge- rissene Stücke von Samenfäden, zu Grunde liegt — möglich, dass die in der Samenzelle enthaltenen Protoplasmareste noch eine Zeit lang ihre Contractilität erhalten, wenngleich ich kaum glaube, dass solche bei Wasserzusatz fortdauern würden. Eine amöboide Bewegung der Samenzellen selbst hat übrigens Remak, wie ich durch persönliche Mittheilung erfahren habe, nie- mals beobachtet. Bekanntlich wurde von Schneider?) eine amöboide Bewegung der Samenkörper bei den Nematoden entdeckt. Hühnereiweiss, Koch- salz- und Zuckerlösung dienten als Untersuchungstlüssigkeit. Clapa- rede?) bestätigte und erweiterte die Darstellung Schneider’. Niemals jedoch gelang es jenen beiden ausgezeichneten Forschern, weder an den Entwicklungszellen der Samenkörper, noch an solchen, 1) Müller’s Archiv Jahrg. 1854 S. 253. 2) Gazette medicale de Paris, Tome seizieme, Annee 1861, p. 640. 3) Monatsberichte der Akademie der Wissenschaften zu Berlin, 1856, S. 192. 4) Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie Bd. IX, 1857, S. 106. — De la formation et de la feecondation des @ufs chez les vers nömatodes par Edouard Clapare&de. Genöve 1859. p. 90. 76 v. la Valette St. George, welche der Samenblase des Männchens entnommen waren, Bewegungs- erscheinungen zu beobachten. Es zeigten sich diese erst bei denen, welche im Eileiter, der Samentasche oder dem Uterus des Weib- chens vorgefunden wurden. Unverkennbar ist übrigens die grosse Aehnlichkeit in der Be- wegung dieser Samenkörper mit der der Hodenzellen anderer Thiere?). Ein besonderes Interesse muss die Uebereinstimmung gewähren, welche wir in Bezug auf die Eigenschaft der Contractilität bei den ersten Stadien der männlichen wie der weiblichen Zeugungselemente finden. Abgesehen von dahin gehörigen Beobachtungen am Dotter reifer Eier, welche uns Ecker, Remak, Leydig, Reichert u.A. mit- getheilt haben, möchte ich auf die Angaben von H. Müller?) über das Eierstocksei von Helix pomatia und von Leydig?°) über das Ei der Daphnia longispina hinweisen. Auch für die höheren Thiere wissen wir durch Pflüger’s®) klassische Arbeit über den Eierstock, dass die jungen Eizellen mit einem Bewegungsvermögen begabt sind. Es entdeckte Pflüger diese Erscheinung an Eierstockseiern der Katze, welche unter Humor aqueus und Albumin untersucht wurden. Seine treffende Darstellung entspricht m Wort und Bild durch- aus den von mir am häufigsten beobachteten Gestaltsveränderungen der Hodenzellen. Versuche über Aufnahme von Farbstoffpartikel, welche Haeckel (S. dessen ausgezeichnete Monographie »die Radiolarien« 1862 S. 105) und Andere mit günstigem Erfolge ausgeführt haben, blieben ohne Resultat. Es geben also die zelligen Elemente der männlichen Zeugungs- orgsane dieselben Aeusserungen der Vitalität kund, welche m den letzten Jahren manche Forscher zum Gegenstande ihrer Untersuchung gemacht haben °), deren Träger voraussichtlich noch zunehmen und 1) Vergl. Clapar&de a.a.O. Tab.V Fig. 23-28, sowie Tab.VII Fig. 6. 2) Verhandlungen der physikalisch-medieimischen Gesellschaft in Würz- burg Bd.X, 1860, S. XXIH. 3) Naturgeschichte der Daphniden, Tübingen 1860, S. 145. 4) Ueber die Eierstöcke der Säugethiere und des Menschen, Leipzig 1863, 8. 51f., Taf. II, Fig. 2—10. 5) Eine genaue Aufzählung der nach dieser Richtung hin beobachteten Thatsachen finden wir bei Kölliker (Verhandlungen der physikalisch-medi- Ueber eine neue Art amöboider Zellen. 77 die Basis immer mehr und mehr erbreitern werden für die Annahme Kölliker’s'), dass alle Zellen auf einer gewissen Stufe ihrer Ent- wickelung Bewegungen zeigen. Erklärung der Abbildungen. Fig. 1. Hodenzellen vom Meerschweinchen. 1.2.3. Doppelkernige Zelle in wechselnder Gestalt. a.b.c.d.e. Einkernige Zelle in Bewegung und Ruhe. Der Fortsatz bei eund d bewegt sich langsam hin und her, wird end- lich wieder eingezogen, worauf die Zelle wieder rund wird und in dieser Form beharrt. «. 8. Grössere Zelle, welche sich sehr lebhaft bewegte. Fig. 2. Hodenzellen desselben Thieres. 1-9. Gestaltsveränderung einer Zelle mit zwei Kernen, welche ein Kernkörperchen zeigen. Nachdem der Fortsatz bei 8 sich zurückgezogen hatte, traten (9) geknöpfte Fäden aus der jetzt dunkler gewordenen Zelle hervor und liessen eine schwingende Bewegung erkennen. Fig. 5. Hodenzelle eines Kalbsembryo. 1-15. Zelle mit grossem granulirtem Kerne in mannigfacher Verän- derung ihrer Form. Fig. 4. Hodenzelle der Taube. 1—4, a—f, «—0d. Bewegungserscheinungen an drei einkernigen Zellen. Fig. 5. Hodenzelle desselben Thieres. 1—15. Doppelkernige Zelle in lebhafter amöboider Bewegung. Fig. 6. Hodenzelle vom Hahn. 1-6. Einkernige Zelle, a—g. Zelle mit zwei Kernen, ihre Gestalt vielfach verändernd. zinischen Gesellschaft zu Würzburg Bd. VII, 1858, S. 122), sowie bis zum Jahre 1863 in dem Handbuche der Gewebelehre, 4. Aufl. S. 44. Es möchten insbesondere noch nachzutragen sein die Resultate, welche seitdem durch die trefflichen Arbeiten von M.Schultze (Das Protoplasma der Rhizopoden und Pflanzenzellen, 1863), v. Recklinghausen (a. a. O.), Virchow (Ueber be- wegliche thierische Zellen, dessen Archiv Bd. XXVIIL, 1863), Kühne (Unter- suchungen über das Protoplasma und die Contractilität, 1864) und Preyer (Ueber amöboide Blutkörperchen, Virchow’s Archiv Bd.XXX, 1864, S. 417) gewonnen worden sind. 3) Verhandl. der phys.-med. Gesellschaft zu Würzburg Bd. VIII, 1858, S.123 f. Handb. der Gewebelehre, 1863, 8. 45. Fig. . la Valette St. George, Ueber eine neue Art amöboider Zellen. Hodenzellen des grünen Wasserfrosches. 1—16. Einkernige, a. doppelkernige Zelle in Bewegung. . Hodenzellen desselben Thieres. «. Zelle mit einem hellen Kerne. 1—4. Zelle mit zwei ein Kernkörperchen führenden Kernen. a-g. Zelle mit einem Kerne und zwei Kernkörperchen; sehr lebhafte Bewegung des Protoplasma, (Das Präparat wurde in ei- ner 14 °/, Lösung von phosphorsaurem Natron untersucht.) . Hodenzelle der Wasserassel. 1—14. Zelle mit grossem Kerne. in lebhafter Formveränderung. Ueber eine neue Einrichtung des Schraubenmikrometers. Von Hugo von Mohl. Da durch die Verbesserungen, welche das Mikroskop in den letzten Decennien erreichte, das mikroskopische Sehen m hohem Grade an Schärfe und Bestimmtheit gewann, so muss es zweifelhaft erscheinen, ob die in Deutschland gewöhnlich angewendeten Mikrometer eine im Verhältnisse zur scharfen Begrenzung des mikroskopischen Bildes stehende Grössenbestimmung der beobachteten Objeete zulassen. Auf eine vollkommen richtige Bestimmung dieser Grösse muss man natürlicherweise, wie bei jeder anderen Messung, Verzicht leisten, es kann sich nur um eine mehr oder weniger grosse Annäherung an das wirkliche Verhältniss handeln, dagegen kann es keinem Zweifel unterliegen, dass der Steigerung der Schärfe unseres Gesichtssinnes auch eine Steigerung der durch die Messinstrumente zu erreichenden Genauigkeit parallel gehen soll. Das mindeste, was man verlangen muss ist, dass sich die Breite der kleinsten mittelst des Auges noch erkennbaren Fläche durch das Instrument bestimmen lässt, besser dagegen ist es, wenn die durch das Messinstrument erreichbare Genauigkeit weiter geht, als die Leistungen des Auges, denn nur in diesem Falle sind wir sicher uns der äussersten Grenze der Genauig- keit, die mittelst des mikroskopischen Sehens erreichbar ist, zu nähern und ein Instrument zu besitzen, welches nicht der Gefahr ausgesetzt ist, durch die nächste Verbesserung des Mikroskopes seinen Werth wieder grossentheils zu verlieren. Gegen die Forderung, dass das Instrument die Grösse der 0 Hugo von Mohl, kleinsten, vom Auge noch erkennbaren Theile bestimmen lässt, ver- stösst die in Deutschland am gewöhnlichsten angewendete Messungs- methode, die Anbringung eines Glasmikrometers im Oculare in hohem Grade. Das Auge erkennt Grössen, welche wohl zehnmal kleiner als die Abtheilungen der durch den Mikrometer gebildeten Scale sind, ohne dass man diesem Uebelstande durch Anwendung eines feiner getheilten Mikrometers entgehen könnte, indem der letztere nur durch die schwach vergrössernde Ocularlinse gesehen wird und desshalb wohl nicht mehr als 50 Striche auf die Linie erhalten kann, wenn es möglich sein soll, die letzteren deutlich zu unterscheiden und wenn nicht das Bild des Objectes, dessen Deutlich- keit immer unter dem Einflusse des Glasmikrometers noth leidet, durch denselben gar zu undeutlich werden soll. Eine bis auf Bruch- theile einer tausendstel Linie gehende Bestimmung der Grösse eines mikroskopischen Körpers ist daher durch einen ins Ocular eingelegten Mikrometer ebenso unmöglich, als man im Stande wäre mittelst eines in Zolle, aber nicht mehr in Linien eingetheilten Maassstabes die Grösse eines Menschen auf erträgliche Weise zu bestimmen. Ueberdies leidet der ins Ocular eingelegte Glasmikrometer an dem schweren Gebrechen, dass seine Abtheilungen für die verschie- denen Theile des mikroskopischen Bildes nicht den’ gleichen Werth besitzen, weil das letztere in seinen vom .Mittelpunkte des Gesichts- feldes entfernten Theilen eine mehr oder weniger bedeutende: Ver- zerrung erleidet. Eine viel grössere Sicherheit als bis zu „45 oder höchstens 245 wird man daher schwerlich mit dieser Messungs- methode erreichen; dagegen ist dieselbe leicht und bequem, ‘wo nur eine geringere Sicherheit verlangt wird. | Weit günstiger stellt sich das Verhältniss bei dem Schrauben- mikrometer, wenn dieser gut gearbeitet ist. Dieser war in. der Form, in welcher er von Fraunhofer eingeführt wurde, bei welcher bekanntlich das Object unter dem feststehenden Mikroskope durch die Mikrometerschraube um seine eigene Grösse verschoben wird, als ein in hohem Grade vollendetes Instrument zu betrachten, weil er gleichmässig die Messung grösserer und kleinerer Objecte gestattet, hei Anwendung der verschiedenen Vergrösserungen des Mikroskops das gleiche, durch eine ‚sehr einfache Rechnung zu er- mittelnde Resultat liefert, vorzugsweise aber desshalb, weil bei seiner Anwendung das Sehen genau in der optischen Achse des Mikroskops stattfindet und daher jeder Fehler, welcher in einer ‘durch das Ueber eine neue Einrichtung des Schraubenmikrometers. 81 Objeetiv und Ocular verursachten Verzerrung des Bildes begründet sein kann, vollständig beseitigt ist, ein Vortheil, den keine andere Messungsmethode mit gleicher Sicherheit gewährt. Die Angaben des Instrumentes gingen endlich zur Zeit seiner Einführung viel weiter, als die damaligen Leistungen der Mikroskope, indem dasselbe die Messung bis auf gt,“ gestattet, während durch die Fraun- hofer’schen Mikroskope die Linien eines in 7,45 getheilten Mikro- meters nicht mehr unterschieden werden können. Diese Vorzüge des Schraubenmikrometers sind so entschieden, dass es auch noch jetzt in allen Fällen, in welchen es nicht auf die äusserste Genauig- keit ankommt, kein anderes irgend mit ihm in Vergleichung kommendes mikroskopisches Messinstrument giebt. Nun ist allerdings zuzugeben, dass beim Messen mittelst dieses Instrumentes die Genauigkeit nicht erreicht wird, welche man aus seiner Construction abzuleiten geneigt sein könnte. Da über die Ursachen der Fehler, mit welchen diese Messungen behaftet sind, manche Ansichten ausgesprochen wurden, welche ich nicht für richtig erachten kann und da mein unten zu beschreibender Mikrometer ebenfalls mit einer Schraube versehen ist, und desshalb, wenn auch in verminderten Grade, an den gleichen Gebrechen leidet, so erlaube ich mir einige Bemerkungen über die Ursache dieser Fehler zu machen. Man sucht gewöhnlich den Hauptgrund derselben in der man- gelhaften Ausführung der Mikrometerschraube, von welcher z. B. Harting (das Miskroskop. 511) annimmt, dass sie gar leicht mit Fehlern behaftet sein könne, welche „i; und mehr vom wahren Werthe der Schraubenumgänge betragen. Sollte, was mir nicht klar wurde, hierunter verstanden sein, dass die vom Mechaniker gemachte Angabe, das der Schraubenumgang einer gewissen Grösse z. B. 4“ entspreche, nicht genau sei, so kann ich nicht einsehen, wie man hieraus einen den Schraubenmikrometer, als Messinstrument, treffen- den Fehler ableiten wollte, das wäre ebensowenig der Fall, als es ein Fehler einer astronomischen Uhr ist, wenn sie zu schnell oder zu langsam geht, vorausgesetzt dass ihr Gang gleichförmig ist. Ebenso ist es völlig gleichgültig, welche Grösse der Umgang einer Mikrometerschraube besitzt, vorausgesetzt dass die verschiedenen Umgänge gleiche Grösse haben. Einen Fehler würde nur der Beobachter begehen, der sich auf die vom Mechaniker angegebene Grösse des Schraubenumganges verlassen würde, ohne sie zu contro- liren. Sollte aber jener Einwand sagen wollen, dass die Schrauben- M. Schultze, Archiv f. mikrosk. Anatomie. I. Bd. 6 82 Hugo von Mohl, umgänge leicht um „1, unter einander ungleich sein können, so würde darin eine grosse Uebertreibung liegen. Es ist allerdings eine be- kannte Thatsache, dass die Verfertigung einer tadellosen Schraube zu den schwierigsten Aufgaben der praktischen Mechanik gehört und ich will auch gar nicht läugnen, dass mir miserabel gearbeitete und vollkommen unbrauchbare Schraubenmikrometer vorgekommen sind, allein m guten Werkstätten gearbeitete Mikrometerschrauben leiden nicht entfernt an solchen eolossalen Fehlern. Ich habe die Schraube des unten beschriebenen Mikrometers so genau, als mir möglich war, untersucht und gefunden, dass sie allerdings nicht voll- kommen gleichförmig ist, indem die Grösse der Schraubenumgänge von dem einen Ende der Schraube zum andern abnimmt, allein der Unterschied betrug nicht mehr als zu“, um welche am einen Ende die Umgänge grösser, am andern kleiner, als die in der Mitte gelegenen, waren. Dieser Fehler ist verschwindend klem und er kann noch überdiess, wenn es für nöthig erachtet wird, in Rechnung gezogen werden. Die Schriftsteller über das Mikroskop stellen ferner gewöhnlich an den Schraubenmikrometer die Forderung, dass die Schraube keinen todten Gang haben soll. Das heisst das Unmögliche ver- langen, eine Schraube die sich so leicht, wie eine Mikrometerschraube soll drehen lassen, hat immer einen todten Gang, wenn er auch so klein ist, dass er nicht durch das Gefühl und das Auge erkennbar ist. Dass dieses em Uebelstand ist, ist zuzugeben, obgleich bei einiger Vorsicht kein bedeutender Nachtheil für die Messung aus ihm hervorgehen kann, nämlich dann wenn man beim Messen die Schraube nur vorwärts dreht, wobei sie sich in Folge des vom Schieber geleisteten Widerstandes mit ihrem vorderen Ende an ihm feststemmt, während sie in der Schraubenmutter an die Windungen derselben rückwärts angedrückt wird. Auf diese Weise verschwindet Jede Ungleichförmigkeit der Bewegung, welche im todten Gange der Schraube begründet sein könnte, von selbst, ohne dass es nöthig ist eine demselben entgegenwirkende Feder anzubringen, wie dieses an den Schraubenmikrometern von Plössl undSchieck geschehen ist, eine Einrichtung, die auch wieder ihre Nachtheile im Gefolge hat. An und für sich ist also der todte Gang der Schraube auf die regelmässige Bewegung derselben ohne Einfluss, allein ich bin doch nicht sicher, ob nicht der Umstand, dass die Schraube m ihrer Mutter emen gewissen Spielraum hat, auf eine andere Weise ihren regelmässigen Gang Ueber eine neue Einrichtung des Schraubenmikrometers. 83 stören kann. Die Schraube dreht sich zwar in ihrem hinteren, eylindrisch abgedrehten Theile in einem festen Lager, allein ihr vorderes am Schieber anliegendes Ende ist in seiner Stellung nicht fixirt, unter diesen Umständen kann die Schraube durch einen seitlichen, auf ihren mit dem getheilten Kreise fest verbundenen Kopf ausgeübten Druck, welchen man ganz unwillkührlich beim Drehen der Schraube ausüben kann, in ihrer Mutter, in welcher der mittlere Theil der Schraube liegt, seitwärts verschoben werden, wo- durch ihr Gang eine Störung erleiden muss. Ein schwacher seitlicher Stoss auf den Schraubenkopf hat diese üble Folge in einem sehr deutlichen Grade, ein Druck muss ihn also wohl auch, wenn gleich in minderem Grade haben, und dafür dass man einen solchen Druck beim Gebrauche des Mikrometers leicht ausübt, werde ich weiter unten den Beweis bringen. Ein anderer Einwurf, welcher aber den Schraubenmikrometer nicht selbst, sondern nur seine Anbringung an einem zu schwach gearbeiteten, oder fehlerhaft construirten Stative trifft, ist ebenfalls gegründet. Ein solches federt nämlich sehr leicht unter dem bei dem Drehen der Schraube ausgeübten Drucke. Die hierdurch er- zeusten Fehler sind freilich im allgemeinen gering, sie müssen aber einen Einfluss auf das Resultat der Messung haben und es wird von den meisten Mechanikern auf diesen Punkt bei dem Bau ihrer Stative zu wenig Rücksicht genommen, von einzelnen sogar in hohem Grade gegen denselben gesündigt, haben doch einige den Schrauben- mikrometer auf einem Öbjecttische angebracht, welcher nicht einmal an der Säule des Mikroskops festgeschraubt, sondern zum Behufe der Einstellung verschiebbar ist. Endlich habe ich noch einen Uebelstand zu erwähnen, welcher ebenfalls nicht in der Construction des Schraubenmikrometers begründet ist, sondern durch nachlässige Behandlung desselben hervorgerufen werden kann und welcher im Stande ist zu gar nicht unbeträchtlichen Fehlern Veranlassung zu geben. Wenn nämlich das Fett, mit welchem die Schraube und der Schieber eingeschmiert sind, mit der Zeit zäh wird, so werden in Folge der hierdurch erschwerten Bewe- gung des Schiebers Spannungen im Instrumente hervorgerufen, welche sich zwar vermöge der Elastieität seiner Theile wieder ausgleichen, aber erst nachdem die Einstellung, welche unter solchen Umständen immer fehlerhaft ausfallen muss, geschehen ist. Man überzeugt sich hiervon leicht, wenn man den Spinnenfaden des Oculars auf den 84 Hugo von Mohl, Rand eines Objectes einstellt und nun das Instrument ruhig stehen lässt, indem sich der Spinnenfaden langsam von seiner Stelle bewegt, während er bei einem in guter Ordnung befindlichen Instrumente unverrückt stehen bleibt. Ich fürchte es werden gar wenige mikros- kopische Beobachter von Zeit zu Zeit den Schraubenzieher zur Hand nehmen, ihr Instrument auseinandernehmen, reinigen und neu ein- schmieren. Auf diese Weise haben wir im Schraubenmikrometer ein Instru- ment, welches gut ausgeführt und sorgfältig behandelt seinem Zwecke in hohem Grade entspricht, im gegentheiligen Falle freilich auch geeignet ist, zu herzlich schlechten Messungen Veranlassung zu geben. Allerdings liegen auch in seiner Construction selbst (im der unvoll- kommenen Form der Schraube, in dem todten Gang derselben, in der Elasticität der Stative) einige Gründe zu Fehlern, welche aber bei umsichtigem Gebrauche in enge Grenzen eingeschlossen sind. In den meisten Fällen sind dagegen die Fehler, welche den mit diesem Instrumente gemachten Messungen anhaften, um sehr vieles bedeu- tender, als die im Instrumente selbst begründeten, und sind Schuld des Beobachters, indem dieser die Einstellung des Fadens auf die Rän- der des Objectes mehr oder weniger fehlerhaft vornimmt. Bis auf einen gewissen Grad ist dieses unvermeidlich, denn die Schärfe auch des mit dem Mikroskope ‚bewaffneten Auges ist eine begrenzte und lässt immer einige Unsicherheit über den Rand des Objectes übrig. Namentlich erscheint als gewaltiges Hinderniss einer scharfen Ein- stellung der bekannte Lichtsaum, welcher die Ränder des Bildes umgiebt und in so vielen Fällen zu mikroskopischen Täuschungen Veranlassung gegeben hat. Ferner kommt hinzu, dass wenn sich der Spinnenfaden dem Rande des Objectes nähert, eine Beugung des Lichtes ins Spiel tritt, welche den Moment des Zusammentreffens des Fadens mit dem Objecte unsicher macht, Gründe genug, die Erreichung einer sehr grossen Genauigkeit bei der Einstellung unmöglich zu machen. Da diejenige Genauigkeit, welche man bei diesen Messungen über- haupt erhält, nur mittelst des mikroskopischen Sehens und nicht mit dem blossen Auge erreichbar ist, so könnte man glauben, dass die Genauigkeit der Einstellung in gleichem Verhältnisse, wie die ange- wendete Vergrösserung zunehme, allein factisch verhält sich die Sache anders, weil die stärkeren Mikroskopobjective relativ weit schlechter sind, als die schwächeren und weil in Folge davon ein grosser Theil des durch die Vergrösserung des Bildes erlangten Gewinnes wieder Ueber eine neue Einrichtung des Schraubenmikrometers. 85 durch die Abnahme der Schärfe seiner Umrisse verloren geht. Dennoch lässt sich leicht zeigen, dass mit der Stärke der Vergrösse- rung die Möglichkeit genau zu messen in hohem Grade zunimmt. Benützt man z. B. einen mit schön gezogenen Linien versehenen Glasmikrometer als Object, so erscheinen die Linien desselben, wenn sie etwa 45“ breit sind, unter einer schwächeren, etwa 100fachen Vergrösserung als einfache schwarze Striche, dagegen unter einer etwa 400fachen Vergrösserung als ein schmales, von zwei zarten Parallellinien begrenztes Band. Bei dem Gebrauche der schwächeren Vergrösserung muss man auf den Strich als Ganzes einstellen und wird ganz zufrieden sein müssen, wenn die einzelnen Einstellungen bis auf die ganze Breite des Striches übereinstimmen, wogegen eine starke Vergrösserung erlaubt, auf den Rand der Striche einzustellen und damit eine bedeutend grössere Genauigkeit zu erlangen. Das alles liest so sehr in der Natur der Sache und findet seine Anwen- dung nicht nur beim Gebrauche des Schraubenmikrometers, sondern bei jeder mikroskopischen Messung, dass ich es für vollkommen über- flüssig gehalten hätte, diesen Umstand zu berühren, wenn ich nicht zu meiner Verwunderung in einigen mit Recht berühmten Werken über das Mikroskop die Ansicht gefunden hätte, dass beim Gebrauche des Fraunhofer ’schen Schraubenmikrometers »alle begangenen Fehler, mögen sie beim Einstellen des Objectrandes am Faden vor- gekommen sein oder in der Schraube selbst liegen, in gleichem Maasse wie die angewendete Vergrösserung wachsen.« (Harting, Het mieroskoop. II. 307. Das Mikroskop. 513. Carpenter, the mieroscope and its revelations. 3 edit. p. 110.) Soll hiermit ausge- sprochen sein, dass in der Steigerung der Vergrösserung eine Fehler- quelle liege, und einen anderen Sinn kann ich in den angeführten Stellen nicht finden, indem der bezeichnete Umstand als ein Grund für die Unsicherheit der mit dem Schraubenmikrometer ausgeführten Messungen aufgeführt wird, so liegt dieser Meinung, dass mit der Vergrösserung die Fehler wachsen, ein Irrthum zu Grunde, welcher auf eine unklare Vorstellung von dem Verhältnisse des Mikroskops zum Schraubenmikrometer hinweist. Die Messung mittelst des letz- teren beruht darauf, dass das zu messende Object mittelst der Schraube quer unter dem Mikroskope um seine eigene Grösse verschoben wird, zu welcher Verschiebung ganz unabhängig von jeder Vergrös- serung die Vorwärtsbewegung eines mit dem Objecte gleich grossen Theiles der Schraube verwendet wird, mag dieser Theil der Schraube 86 Hugo von Mohl, beschaffen sein, wie er immer will, mit feinen oder groben, regelmässigen oder unregelmässigen Windungen versehen sein. Damit nun diese Ver- schiebung genau so gross, als die eigene Grösse des Objectes ist, wird das Mikroskop zur festen Bestimmung des Anfanges und Endes derselben benützt, indem man in dem Momente, in welchem der eine Rand des Objectes mit der Achse des Mikroskops und damit sein mikroskopisches Bild mit dem Spinnenfaden des Oculars zusammentrifft, die Bewe- sung der Schraube anhält, den Stand derselben abliest und nun die Schraube weiter bewegt, bis ber zweite Rand des Objectes mit der Mikroskopachse und dem Spinnenfaden zusammenfällt, worauf die zweite Ablesung erfolgt. Aus dem Unterschiede beider Ablesungen, in Umgängen der Mikrometerschraube ausgedrückt, ergiebt sich die Grösse des Objectes; die Drehung der Schraube ist dagegen vom Mikroskope und von der Grösse des von demselben entworfenen Bildes vollkommen unabhängig, wesentlich ist nur die Beobachtung des Zusammentreffens des Spinnfadens mit den Rändern dieses Bildes. Nun ist leicht einzusehen, dass wir uns über dieses Zusammentreffen desto genauer unterrichten können, je stärker die Vergrösserung ist. Begehen wir in dem Aneinanderlegen des Fadens und des Object- randes emen Fehler, so sehen wir diesen allerdings mit der stärkeren Vergrösserung deutlicher und grösser, desshalb ist aber in der Be- wegung der Schraube kein grösserer Fehler gemacht worden, als wenn wir ihn mittelst einer schwächeren Vergrösserung kleiner sehen. Wenn das zu messende Object ein mit zarten Linien gezeichnetes 3ild darstellt, so kann mit den stärkeren Vergrösserungen der neueren Mikroskope eine sehr geringe Grösse bestimmt unterschieden werden. Es ist z. B. mit einer 1000fachen Vergrösserung, mit welcher die Punkte auf dem Panzer eines Pleurosigma angulatum als Sechsecke gesehen werden, gar wohl möglich den 4ten bis Öten Theil der Breite derselben, d. h. 4“ Dis tn“ zu unterscheiden, daher ist es wenigstens der Theorie nach möglich bei günstigen Ob- Jecten bis auf diese Grösse genau einzustellen. Allein in den meisten Fällen wird man schon aus optischen Gründen hinter dieser Grenze um ein Beträchtliches zurückbleiben müssen, wenn das Object ein weniger scharfes Bild giebt, wie schon daraus erhellt, dass es mit unseren jetzigen Mikroskopen, wenigstens mit den mir zu Gebote stehenden, unmöglich ist auf einer Nobert’schen Platte die in sn Und zo getheilten Gruppen in ihre Linien aufzulösen. Da nun bei einer Messung die Gefahr eimtritt an beiden Rändern des Ueber eine neue Einrichtung des Schraubenmikrometers. 87 Objectes bei der Einstellung einen Fehler zu machen und da die Fehler beider Einstellungen sowohl innerhalb als ausserhalb der wahren Grenze des Bildes liegen können, so können aufeinander- folgende Messungen des gleichen Objectes um das Vierfache des bei einer einzelnen Einstellung gemachten Fehlers von einander ab- weichen. Die Grösse dieser im optischen Theile des Mikroskops begründeten Fehler zu bestimmen wage ich nicht, da sie bei wirk- lichen Messungen mit den in anderen Verhältnissen begründeten sich vermischen. Da jedoch bei meinem Mikrometer, bei welchem die optischen Mängel natürlicherweise die gleichen sind wie bei dem Fraunhofer’schen Mikrometer, die erfahrungsmässig sich erge- benden grössten Abweichungen unter den einzelnen Messungen des gleichen Objectes beim Gebrauche starker Objective 4, nur selten erreichen und beim Gebrauche mittelstarker Objective meistens kleiner als „45“ sind, da ferner so grosse Fehler verhältnissmässig selten vorkommen, und zu vermuthen ist, dass sich in ihnen die Summe der zwei Fehler ausspricht, welche bei den zwei zu einer Messung gehörenden Einstellungen vorkommen Können, so lässt sich wohl schliessen, dass die Unsicherheit bei der einzelnen Einstellung, so weit sie auf der Unvollkommenheit des mikroskopischen Sehens beruht, um ein Beträchtliches kleiner als die angegebenen Grössen ist. Vergleicht man mit diesen Abweichungen diejenigen, welche man mittelst des Fraunhofer ’schen Mikrometers erhält, so sind die letz- teren weit bedeutender, indem bei verschiedenen Reihen von Messungen, die ich mit Sorgfalt vornahm, die grössten Abweichungen unter den Messungen des gleichen Objectes im Mittel 7445 betragen, womit auch die von Harting (Recherches micrometriques p. 5, 15, 16) erhaltenen Resultate wohl übereinstimmen. Der Grund dieser stär- keren Abweichungen kann nicht in dem optischen Theile des Mess- instrumentes liegen, aber ebensowenig in mangelhafter Ausführung des Mikrometers, denn Harting und ich verwendeten Instrumente, die aus vier verschiedenen ausgezeichneten Werkstätten (Powell, Plössl, Merz, Steinheil) hervorgingen und namentlich war einer der von mir benützten Mikrometer der gleiche, welcher nach meiner Art verwendet die oben angeführten weit geringeren Abweichungen ergab. Der Hauptgrund dieser stärkeren Abweichungen liegt also in der Art und Weise, wie beim Fraunhofer’schen Mikrometer die Schraube verwendet und die Einstellung vorgenommen wird. Man kann sich darüber nicht täuschen, denn man bemerkt gar bald, 88 Hugo von Mohl, wenn man die Messungen ruhig und sorgfältig vornimmt, dass die Bewegung der die Schraube drehenden Hand nicht unter ganz ge- nauer Controle des Auges und des Willens steht, sondern dass der Faden bald zu wenig, bald zu weit vorgeschraubt wird, den Rand des Objectes bald nicht erreicht, bald überschreitet. Um wie viel dieses geschieht hängt zum Theile von den individuellen Eigen- schaften des Beobachters ab. Ruhige Aufmerksamkeit, ein scharfes Auge, sichere Hand und Uebung werden eine relativ grössere: Sicherheit gewähren, fehlerlose Beobachtungen wird aber keiner liefern, denn Niemand wird beständig dafür gut stehen können, dass er beim Drehen einer Schraube dieselbe nicht um ein oder zwei Tausendstel eines Umganges zu viel oder zu wenig bewegt. Der hierbei begangene Fehler spricht sich aber bei dem Fraun- hofer’schen Mikrometer im Resultate der Messung in seiner vollen Grösse aus. Während auf diese Weise unter einer Reihe von Messungen des gleichen Objectes die am meisten von einander abweichenden Grössenbestimmungen desselben um eine beträchtliche Grösse ver- schieden sind, so kann man sich bekanntlich der Wahrheit dadurch bedeutend nähern, dass man aus einer grösseren Anzahl von Mes- sungen das Mittel zieht. Sowohl ich als Harting haben den wahr- scheinlichen Fehler eines Mittels aus 10 Messungen berechnet und denselben sehr klein gefunden, indem derselbe bei meinen Messungen im Mittel 47,455“ betrug (Mikrographie. 311), während Harting zu einem ähnlichen Resultate gelangte. Ich kann mich aber eines. /weifels darüber nicht erwehren, ob man nicht in Folge dieser Be- rechnungen des wahrscheinlichen Fehlers diesen Messungen eine (senauigkeit zuschreibt, welche sie in der That nicht in Anspruch nehmen können. Man kann nämlich an dem einen Tage von einem Öbjecte eine Reihe von Messungen erhalten, welche sehr gut unter- einander stimmen und deren Berechnung den wahrscheinlichen Fehler (des Mittels sehr gering erscheinen lässt, wiederholt man aber an einem andern Tage die Messungen, so erhält man wieder gut übereinstimmende . Resultate, deren Berechnung wieder einen geringen wahrscheinlichen Fehler zu erkennen giebt, während die aus jeder dieser Messungs- reihen gezogenen Mittel weit stärker von einander abweichen, als der wahrscheinliche Fehler der einzelnen Reihe beträgt. Natürlicher- weise würde sich, wenn man in einem solchen Falle den wahrschein- lichen Fehler aus beiden Reihen zusammen ableiten würde, derselbe Ueber eine neue Einrichtung des Schraubenmikrometers. 89 höher herausstellen, als die bisherigen Probemessungen zeigten. Da nun von denen, welche den Schraubenmikroineter benützen, wohl sehr selten solche wiederholte Messungen gemacht werden, so ist nicht zu bezweifeln, dass viele der mikrometrischen, mittelst dieses Instrumentes erhaltenen Angaben an nicht unerheblichen Fehlern leiden, um so mehr da die von Harting und mir angestellten Probemes- sungen, welche das angeführte Resultat ergaben, an besonders geeig- neten Objecten und mit besonderer Sorgfalt ausgeführt wurden. Ich wenigstens möchte m Folge der Vergleichung solcher wieder- holter Messungen die Sicherheit, welche man mit dem Schrauben- mikrometer erreicht, wenn man nicht das Mittel aus einer sehr grossen Zahl von Messungen zieht, nicht über „4 setzen. Da ich nun einentheils mit dem Grade der Genauigkeit, den ich bei der einzelnen Messung mittelst des Fraunhofer’schen Mikro- meters erhielt, nicht zufrieden war, anderntheils ein Instrument zu besitzen wünschte, dessen Angaben sich bei der einzelnen Messung auf kleinere Grössen, als der Fraunhofer’sche Mikrometer angiebt (d. h. in der Regel „1“) erstrecken, so versuchte ich schon vor vielen Jahren den Bau des Schraubenmikrometers auf die Weise abzuändern, dass mit demselben nicht das Object selbst, sondern ein vergrössertes Bild desselben dadurch gemessen wird, dass durch die Mikrometerschraube das Ocular des Mikroskops über dem durch das Objectiv entworfenen Bild hinübergeführt wird. . Nach einigen vorläufigen Versuchen, welche zeigten, dass auf diese Weise ein wirklicher Gewinn zu erhalten sei, entwarf ich den Plan zu einem solchen Instrumente, dessen vortreffliche mechanische Ausführung ich meinem Freunde Steinheil verdanke. Ich ging dabei von dem Gedanken aus, dass die Fehler der Messung, welche bei Benutzung des Fraunhofer’schen Schrauben- mikrometers vorkommen, mögen sie im unregelmässigen Gange der Schraube, oder in unrichtigem Einstellen begründet sein, sich im Resultate der Messung in ihrer vollen Grösse aussprechen, während ‚bei der Messung des vergrösserten Bildes gleich grosse Fehler in demselben Verhältnisse, in welchem das Bild grösser als das Object ist, einen kleineren Werth erhalten. Für die bei der Einstellung begangenen Fehler versteht sich dieses von selbst, dagegen kann es zweifelhaft erscheinen, ob dasselbe auch in gleichem Maasse von den- jenigen Fehlern gilt, welche in unregelmässiger Bewegung der Schraube begründet sind. Für einen einzelnen, zufälligerweise vorkommenden 90 Hugo von Mohl, Fehler versteht es sich ebenfalls von selbst, dagegen ist man nicht sicher, dass bei der Methode das vergrösserte Bild zu messen, wozu ein vielfach längerer Theil der Schraube als bei der Messung des Objectes verwendet wird, sich nicht solche Fehler in demselben Ver- hältnisse wiederholen, in welchem die Zahl der zur Messung verwen- deten Schraubenumgänge zunimmt, in welchem Falle nichts gewonnen würde. Es mag sich nun mit dem Vorhandensein solcher im Gange der Schraube vorhandenen Störungen verhalten wie es will, so zeigen jedenfalls die mit dem neuen Instrumente vorgenommenen Messungen, dass dieselben weit geringere Abweichungen untereinander zeigen, als die mit dem Fraunhofer’schen Mikrometer gemachten. Der Gedanke das vergrösserte Bild des Objeetes zu messen gehört meinem Mikrometer nicht eigenthümlich an, indem derselbe schon längst von Ramsden dem in England gebräuchlichen Oeular- schraubenmikrometer zu Grunde gelegt war; allein in einem sehr wichtigen Punkte unterscheidet sich mein Mikrometer wesentlich vom Ramsden’schen. Beim letzteren ist das gewöhnliche Mikroskop, bei welchem das Ocular unbeweglich in der Mikroskopachse befestigt ist, benützt und es wird das durch das Objectiv entworfene. Bild dadurch gemessen, dass der eme Rand desselben mittelst eines auf dem Objecttische befindlichen Schlittens mit einem im Focus des Oculars befindlichen unbeweglichen Spinnenfaden in Berührung ge- bracht wird und ein zweiter, mit dem ersten paralleler Spinnenfaden durch die mit dem Oculare verbundene Mikrometerschraube dem ersteren entgegengeführt wird, bis er mit dem zweiten Rande des Bildes zusammentrifft, worauf der Abstand beider Fäden an einer Scale und an dem mit einer Theilung versehenen Kopfe der Mikro- meterschraube abgelesen wird. Diese Methode ist eine entschieden fehlerhafte, indem das Bild des Objectes durch das Ocular eine grössere oder geringere Verzerrung erleidet und seine verschiedenen Theile, je nachdem sie von dem Mittelpunkte weiter entfernt liegen, verschieden stark vergrössert sind. Dass diese Ungleichheit der Vergrösserung beim Gebrauche eines Ramsden’schen Oculares be- deutend sein kann, geht aus einer von Harting (Das Mikroskop. 516) gemachten Messung hervor, nach welchem bei einem Dollond ’schen, mit einem derartigen Mikrometer versehenen Mikroskope das Bild von 10 Abtheilungen eines Glasmikrometers ein um , kleineres Resul- tat gab, wenn es als Ganzes gemessen wurde, als wenn die einzelnen Abtheilungen des Mikrometers gemessen und die Ergebnisse dieser Ueber eine neue Einrichtung des Schraubenmikrometers. 91 partiellen Messungen addirt wurden. Nun kann man allerdings die Abweichungen, welche die Vergrösserung in den verschiedenen Theilen C $) oO o .des Gesichtsfeldes besitzt, messen und in Rechnung bringen, allein es wird dadurch die Berechnung einer jeden Beobachtung weitläufig und zuletzt das Resultat doch unsicher. Um diesem Fehler zu entgehen messe ich die Grösse des durch das Objectiv entworfenen Bildes nicht unter dem feststehenden Oculare durch Bewegung des Spinnenfadens, sondern führe das Ocular mit dem Fadenkreuze mittelst der Mikrometerschraube quer über das Bild weg. Hierbei wird also das Bild nur durch die Achse des Oculars betrachtet, und es kann eine die Sicherheit der Messung beeinträchtigende Ver- zerrung des Bildes durch das Ocular ebensowenig wie beim Frauen- hofer’schen Mikrometer stattfinden. Eine zweite Aussetzung, die am englischen Ocularmikrometer zu machen ist, betrifft nicht das Princeip, auf dem er beruht, sondern seine Anbringung an einem gewöhnlichen Mikroskope. Das letztere gewährt keine hinreichende Stabilität; zur sicheren Messung so kleiner Grössen, zu welchen das Ocularmikrometer an und für sich tauglich ist, bedarf es einer weit grösseren Festigkeit des Instrumentes, als bei der gewöhnlichen Construction des Mikroskopes zu erreichen ist. Wenige Worte werden genügen, um von der mechanischen Ein- richtung meines Mikrometers eine Vorstellung zu geben. Die Grund- lage des Stativs bildet eine starke (1,5 Zoll dicke), nach oben zu schwach verjüngte Säule, welche am oberen Ende eine 3“ dicke, horizontal abstehende, in der Mitte mit einer Oeffnung versehene Platte trägt. In diese Oeffnung ist von unten her die Mikroskop- röhre eingeschraubt (also unbeweglich), über derselben ist ein Fraun- hofer’scher Schraubenmikrometer angeschraubt, welcher jedoch in stärkeren Dimensionen als gewöhnlich ausgeführt ist. Die Schraube desselben hat Umgänge von der Grösse von etwa 4, ihr hinteres Ende läuft um die Abnützung möglichst zu verhindern in einem Lager von Agat, ebenso ist in den Theil des durch die Schraube zu bewegenden Schiebers, auf welchen das vordere Ende der Schraube drückt, ein Agat eingelassen. Auf dem Mikrometer befindet sich das durch denselben zu bewegende Ocular (ein orthoskopisches von Kellner) in eine kurze Röhre eingesteckt. Diese Ocularröhre ist jedoch nicht unmittelbar auf dem durch die Mikrometerschraube be- weglichen Schieber des Mikrometers befestigt, sondern auf einem zweiten Schieber, welcher sich auf der oberen Seite des ersten, parallel 92 Hugo von Mohl, mit seiner Mittellinie, folglich auch parallel mit der Mikrometer- schraube, zwischen schwalbenschwanzförmigen Leisten durch eine be- sondere, mit steil ansteigenden Windungen versehenen Schraube ver- schieben lässt. Ojecttisch und Lichteondensationsapparat sind getrennt vom Mikroskope an einer Metallstange befestigt, welche mittelst zweier kurzer Arme an der Säule des Stativs, parallel mit deren Achse festgeschraubt ist. Die grobe, durch einen Trieb vermittelte Bewegung ist an dieser Stange, die feine am Objeettische angebracht. Wie aus dem Gesagten erhellt, ist das Ocular sowohl durch die Mikrometerschraube und den mittelst dieser zu bewegenden wesentlich zum Messapparat gehörenden Schieber, als auch durch einen zweiten Schieber (welchen ich Oeularschieber. nennen will, und welcher sich auf dem ersteren hin und herbewegen lässt) in horizon- taler Richtung über der Mikroskopröhre und damit über dem durch das Objectiv entworfenen, feststehenden Bilde verschiebbar. Da das Ocular auf diese Weise keine feste Stellung und bestimmte Beziehung zur Mikroskopachse und zu dem in derselben liegenden Mittelpunkte‘ des mikroskopischen Bildes besitzt und da es doch zum Behufe des genauen Sehens und noch mehr zum Behufe einer mittelst des Instru- mentes vorzunehmenden Messung nöthig ist, das Ocular rasch und genau in die Mikroskopachse stellen zu können, so war zunächst eine bestimmte Stellung des durch die Mikrometerschraube zu bewe- genden, bei den Messungen in Thätigkeit tretenden Schiebers, als des auf diesem beweglichen Ocularschiebers auszumitteln, bei welcher die Achse des Oculars mit der Achse der Mikroskopröhre zusammen- fällt. Zu diesem Behufe setzte ich drei Blendungen, welche in ihrem Centrum eine Oefinung von der Grösse eines Nadelstiches hatten, in das Mikroskop ein, die eine an die Stelle des Objeetives, die zweite in die Mitte der Mikroskopröhre, die dritte unmittelbar unter das Ocular. Auf diese Weise konnte nur in der Achse der Mikroskop- röhre ein schmaler Lichtstrahl zum Oculare gelangen und es war, um das Ocular genau in die Achse zu stellen, nur nöthig dasselbe so weit zu verschieben, bis sein Fadenkreuz die kleine Lichtscheibe, die durch die Blendungen fiel, in vier gleichgrosse Quadranten theilte. Nun wurde der Stand der Mikrometerschraube abgelesen und quer über den Oeularschieber und eine der Leisten, in denen er sich ver- schiebt, eine Linie eingeschnitten, welche als Index für die Stellung dieses Schiebers dient. Auf diese Weise kann das Ocular jeder Zeit schnell in die Mikroskopachse dadurch gestellt werden, dass die Ueber eine neue Einrichtung des Schraubenmikrometers. 93 Mikrometerschraube und der Ocularschieber in die bezeichnete Lage zurückgeführt werden. Will man einen anderen Theil der Mikro- meterschraube zu einer Messung verwenden, so wird das Ocular in die Achse gestellt, ein beliebiges Object so unter das Mikroskop gelegt, dass eine bestimmte Stelle desselben mit dem Spinnenfaden zusammentrifit, nun die Mikrometerschraube gedreht, bis der Theil derselben mit dem man messen will, in Thätigkeit tritt und dann durch den Ocularschieber das Ocular soweit zurückgeführt, bis sein Faden wieder auf der gleichen Stelle des Objectes einsteht. Man könnte. auch in die Leiste des Ocularschiebers eine Scale einschneiden, welche der Scale entspricht, welche die Umgänge der Mikrometer- schraube anzeigt, und die erstere Scale in umgekehrter Weise nu- meriren, wobei alsdann wenn beide Scalen auf die gleiche Nummer gestellt würden, das Ocular in die Mikroskopachse zu stehen käme. Nach diesen Vorbereitungen konnte ich zu den Messungen übergehen. Zuerst war zu bestimmen, welchen Werth ein Schrauben- umgang in einem gebräuchlichen Maasse besitzt. In dieser Beziehung ist mein Mikrometer, wie überhaupt jeder Ocularmikrometer im Nachtheile gegen den Fraunhofer’schen, indem man bei dem letzteren nur Einmahl den Werth der Schraubenumgänge zu bestimmen hat, da auf diesen die Vergrösserung des Mikroskops keinen Einfluss ausübt, während bei einem Ocularmikrometer dieser Werth für jedes Objectiv, welches man benützen will, besonders bestimmt werden muss. Um den Werth der Schraubenumgänge zu ermitteln, bediente ich mich der Messung eines in ;i,‘ getheilten, von Nobert für diesen Zweck besonders verfertigten Mikrometers '). 1) Ich kann nicht umhin, ein paar Worte über die Nobert’schen Mikrometer beizufügen. Die hinsichtlich ihrer Schönheit und Genauigkeit ans Wunderbare grenzenden Theilungen auf Glas, wie wir sie diesem Künstler verdanken, sind weltbekannt. Desto mehr ist es aber billig dieselben gegen einen Vorwurf zu verwahren, welcher gewiss nicht in Verkennung der Lei- stungen des Künstlers, sondern in einem Missverständnisse begründet ist. Harting sagt nämlich (Das Mikroskop 881), dass wenn man die Breite der Gruppen von Nobert’s Probetafeln an beiden Enden messe, eine kleine Differenz hervortrete, die davon herrühre, dass Nobert seine Theilungen mittelst einer Kreistheilungsmäschine verfertige. Das letztere ist vollkommen richtig, allein Nobert verwendet die Kreistheilungsmaschine nicht, wieHar- ting anzunehmen scheint, auf die Weise, dass er die zu theilende Platte auf einem Radius des Theilungskreises befestist, in welchem Falle allerdings die Striche des Mikrometers gegen das Centrum des Kreises convergiren und die Gruppen der Linien am einen Ende schmäler, als am anderen Ende ausfallen 94 Hugo von Mohl, Gleich beim ersten Versuche das Instrument zu benützen machte ich eine Erfahrung, die mich auf das unangenehmste überraschte. Ich hatte bei den starken Dimensionen, welche ich der Säule des Stativs und der horizontalen Platte, an welcher der Mikrometer und die Mikroskopröhre befestigt smd, gegeben hatte, gehofft, dass alle Theile stark genug seien um keine merkliche Biegung unter dem schwachen Drucke zu erleiden, welchen man bei der Drehung der Mikrometer- schraube auf dieselbe ausüben kann. Darin sah ich mich jedoch hässlich getäuscht, ungeachtet der Mikrometer eine äusserst sanfte und leichte Bewegung besitzt. Derselbe bildete mit der Mikroskop- röhre einen winkelförmig geformten Hebel, welcher mittelst der starken Vergrösserung des Mikroskops die leichten Biegungen, die das Instrument unter dem Drucke der die Schraube drehenden Hand erlitt, als ein äusserst feiner Fühlhebel zu erkennen gab und eine genaue Einstellung unmöglich machte. Ich sah mich dadurch senöthigt, die Mikroskopröhre mit der Säule des Instrumentes noch durch einen aus starken, sich rechtwinklig kreuzenden Messingplatten bestehenden Rahmen zu verbinden. Nun war allerdings die noth- wendige Festigkeit und Unbeweglichkeit in vollstem Maasse erreicht. Nach Beseitigung dieses Hindernisses konnte ich endlich zu Messungen, bei welchen der Glasmikrometer als Object diente, über- gehen. Dieselben liessen sich zur Ausmittelung von dreierlei Ver- hältnissen verwenden. Erstens ergab sich aus ihnen der Werth im pariser Linien, welchen bei Anwendung verschiedener Objective ein Umlauf der Mi- krometerschraube besitzt. Dieses Verhältniss hat nur insoferne ein allgemeines Interesse, als sich ergab, dass sich schon beim Gebrauche ziemlich schwacher Vergrösserungen die Angaben des Instrumentes auf sehr geringe Grössen erstrecken, ungeachtet die Windungen der Schraube ungefähr 4 Linie stark sind. Bei einer 218fachen würden, sondern er bewegt mittelst des Kreises einen Schieber, auf dem die Platte befestigt ist, und es müssen die Striche der Theilung parallel werden. Die Messung von Harting, nach welcher die erste Gruppe einer solchen Tafel am einen Ende um 0,0003 Millimeter breiter als am andern Ende sein soll, ist sicherlich mit einem Fehler behaftet. — Um aber nicht meinerseits Harting ein Unrecht zu thun, wenn ich ohne die Sache selbst zu prüfen, seine Messung für fehlerhaft erkläre, mass ich an meiner Nobert’schen Platte die Breite der ersten Liniengruppe an ihren beiden Enden, die beiden Messungen stimmten bis auf 44445 überein, d. h. bis auf eine Grösse, die innerhalb der Grenze der Beobachtungsfehler liegt, während die Differenz nach Harting +35,‘ betragen soll. Ueber eine neue Einrichtung des Schraubenmikrometers. 95 Vergrösserung entspricht ein Schraubenumgang „,“ es konnte also die Grösse des Objeetes bis auf „4“ abgelesen werden; bei einer 487fachen Vergrösserung entspricht der Schraubenumgang ;15“', bei einer 1100fachen z15'“. Auf diese Weise gehen bei jeder Vergrös- serung die Angaben des Messapparates weit über die optischen Leistungen des Mikroskops hinaus. Eine zweite, für den sicheren Gebrauch des Mikrometers höchst wichtige Frage betraf den Umstand, ob nicht in dem durch das Ob- jeetiv entworfenen Bilde eine Verzerrung stattfinde, welche die Messung desselben auf ähnliche, wenn auch geringere Weise fehler- haft mache, wie dieses beim Ramsden’schen Ocularschraubenmikro- meter stattfindet. Dass ein solcher Fehler stattfinden würde, wenn ein grosser Theil dieses Bildes zur Messung verwendet würde, ist unzweifelhaft, theils weil die verschiedenen Theile des Bildes in ver- schiedenem Grade vergrössert sein können, theils weil das Bild in einer gekrümmten Fläche liegt, während das Ocular in der Richtung der Tangente über dasselbe hinweg geführt wird. Wenn man von der Vorstellung ausginge, dass das Bild die gleiche Krümmung hätte, wie eine Kugel deren Radius dem Abstande des Objectives vom Focus des Oculars gleich käme, so könnte man versucht sein zu berechnen, wie weit man sich bei der Messung vom Öentrum des Bildes entfernen dürfe, und es kann keinem Zweifel unterliegen, dass es ohne jede Gefahr einen irgend in Betracht kommenden Fehler zu begehen, erlaubt wäre, diese Entfernung auf einen halben Grad aus- zudehnen. Bei meinem Instrumente beträgt jener Abstand 6 Zoll; bei einer Kugel von 6 Zoll Halbmesser ist ein Grad nahezu 1',25 breit, man könnte also annehmen, dass ein Object dessen vom Ob- jeetiv entworfenes Bild nicht über 1,25 breit sei, mit voller Sicher- heit gemessen werden könne. Nach dieser Annahme könnte man bei meinem Instrumente bei einer Vergrösserung von 285 die Mes- sung auf Objecte von „3, Breite ausdehnen, indem das vergrösserte Bild derselben noch innerhalb jener Grenze liegen würde. Eine solche Berechnung würde aber desshalb keine sicheren Anhaltungspunkte gewähren, weil Objective von gleicher Brennweite nicht unbedeutend darin von einander abweichen können, dass das eine ein sehr flaches, im ganzen Gesichtsfeldes des Oculars vollkommen deutliches Bild entwirft, während es andere unglücklich construirte Objective giebt, welche ein in hohem Grade gekrümmtes, nur in der Mitte des Ge- sichtsfeldes klares Bild liefern. Unter diesen Umständen ist es das 96 Hugo von Mohl, sicherste durch Messung kleinerer und grösserer Abtheilungen eines guten Glasmikrometers zu ermitteln, ob in den verschiedenen Ab- theilungen des Bildes eine Abweichung der Vergrösserung vorhanden ist. Es zeigte sich, dass ich bei einer etwas über 100fachen Vergrösserung die Messung mit voller Sicherheit auf 4“, bei einer 500fachen Ver- grösserung auf ein 745“ im Durchmesser haltendes Object ausdehnen kann; ob auch noch weiter, habe ich nicht untersucht, indem dieser Mikrometer überhaupt nur für Messung kleinerer Objecte berechnet ist. Will man grössere Objecte mittelst desselben messen, so lässt er sich augenblicklich in einen Fraunhofer ’schen verwandeln, indem man ihn von seinem Stative abschraubt und auf dem Objecttische eines gewöhnlichen Mikroskops befestigt. Drittens lässt sich aus der mehr oder minder grossen Ueber- einstimmung wiederholter Messungen des gleichen Objectes die bei denselben erlangte Genauigkeit ermitteln. Dieselbe nimmt aus nahe liegenden Gründen mit der Stärke der Vergrösserung zu, erreicht aber schon bei schwachen Vergrösserungen einen weit höheren Grad, als man beim Gebrauche des Fraunhofer’schen Mikrometers erlangt. Da es zu weitläufig wäre, die Messungen in allem Detail mit- zutheilen, so begnüge ich mich, die Resultate in einer kurzen tabella- rischen Uebersicht aufzuführen und erlaube mir, über die Berechnung derselben einige Bemerkungen vorauszuschicken. Das richtigste Verfahren um den Grad der bei diesen Messungen . erreichten Genauigkeit zu bezeichnen, wäre unstreitig gewesen den wahrscheinlichen Fehler der einzelnen Messungen und des aus jeder Reihe von Messungen gezogenen Mittels zu berechnen. Ich glaubte aber eine anschaulichere Vorstellung von der Zuverlässigkeit, welche das Instrument in Anspruch nehmen kann, und von der Grösse der Fehler, die man beim Messen begeht, dadurch zu geben, dass ich nicht ein aus den letzteren abgeleitetes theoretisches Resultat, sondern die begangenen Fehler in aller ihrer Schroffheit aufführte, indem ich die grössten Abweichungen zusammenstellte, welche in einer Reihe von Messungen des gleichen Objectes sowohl zwischen den einzelnen Messungen, als auch zwischen den aus je 5 und aus je 10 Messungen gezogenen Mitteln vorkamen. Diese Abweichungen zeigen das Maximum der Fehler an, welche man bei sorgsamer Benützung des Instrumentes begeht. Natürlicherweise stimmen diese Maxima unter einander nicht genau überein, indem ihre Grösse von vielen Ueber eine neue Einrichtung des Schraubenmikrometers. >) zufälligen Umständen abhängt, allein auch sie müssen einer gewissen Regel unterliegen, die sich mehr oder weniger sicher in der aus ihnen gezogenen Mittelzahl ausspricht. Für die praktische Benützung des Instrumentes scheint es mir wichtiger zu sein, die Grösse der extremsten Fehler, die man bei seiner Benützung begeht, als die Grösse des wahrscheimlichen Fehlers des Gesammtresultates der Messungen zu kennen. Wenn es mir z. B. darum zu thun ist, die Grösse eines Objectes auf „4, genau zu messen und ich sehe in dieser Uebersicht, dass bei einer 400—500fachen Vergrösserung die ausserste Abweichung zweier Mittel von 10 Messungen von einander 43500 beträgt, dass also jedes dieser Mittel vom Gesammtresultate um etwa 40 abweicht, und dass die mittelst dieser Vergrösserungen angestellten Messungen im Mittel nur halb so grosse Abweichungen zeigen, so werde ich mich darüber vollkommen beruhigen können, dass ich bei einer neuen Messung unter allen Umständen innerhalb der im vorliegenden Falle als zulässig angenommenen Fehlergrenze von 70400 bleiben werde, wenn ich das Object mit jener Vergrösse- rung 10mal messe und das Mittel ziehe. Wir gehen, wenn wir uns an diese äussersten Fehler halten, welche man beim Gebrauche des Instrumentes erfahrungsmässig zu begehen Gefahr läuft, weit sicherer, als wenn wir uns auf den aus einzelnen Reihen von Probenmessungen abgeleiteten wahrscheinlichen Fehler verlassen, welcher in der Regel eine äusserst germge Grösse besitzt und uns verleiten kann, den mikrometrischen Messungen eine weit grössere Genauigkeit zuzutrauen, als sich bei wiederholten Messungen des gleichen Objectes zu erkennen giebt. Ich habe das oft genug erfahren und es liegt ohne Zweifel dieser Umstand den oben angeführten abweichenden Resultaten der von Harting an beiden Enden der Iten Gruppe emer Nobert’schen Probeplatte angestellten Messungen zu Grunde. Harting ist in seinen Arbeiten viel zu sorgfältig, als dass er Vertrauen in das Resultat seiner Messungen gesetzt hätte, wenn nicht die einzelnen Messungen eines jeden von den beiden Enden der Liniengruppe unter einander gut übereingestimmt und einen weit geringeren wahrscheinlichen Fehler angezeigt hätten, als -4,,‘“, um welche die beiden Messungen von einander abweichen und um welche Grösse die beiden Enden der Liniengruppe in Wirklichkeit gar nicht abweichen können. Es mag einem, der nicht viele Erfahrungen in mikroskopischen Messungen besitzt, auffallen, wenn ich behaupte, dass bei wieder- holten Messungen der gleichen Objeete der wahrscheinliche Fehler M. Schultze, Archiv f. mikrosk. Anatomie. I. Ba. 7 98 Hugo von Mohl, (der einzelnen Reihen von Messungen sehr klein sein könne, und dass dennoch die Mittel dieser verschiedenen Messungsreihen weit grössere Abweichungen, als jene wahrscheinlichen Fehler betragen, von ein- ander zeigen können. Es erklärt sich dieses aber einfach aus dem Umstande, dass zu verschiedenen Zeiten vorgenommene mikrosko- pische Messungen des gleichen Objectes nicht an vollkommen iden- tischen mikroskopischen Bildern vorgenommen werden. Das mikros- kopische Bild ist, namentlich bei starken Vergrösserungen, ein ziemlich unvollkommenes, sein Umriss ist niemals ganz scharf gezogen, sondern stellt eine Linie dar, welche eine gewisse Breite und verwaschene tänder besitzt, und überdiess findet sich noch ausserdem häufig ein heller Lichtsaum neben dem Bilde, welcher seine Begrenzung noch unsicherer erscheinen lässt. Diese Verhältnisse erleiden wieder je nach der Beleuchtung und der mehr oder weniger scharfen Einstellung kleine Aenderungen. Macht man nun eine Reihe von Messungen, während deren man das Object nicht mehr berührt und die Beleuch- tung und Einstellung nicht ändert, so bleibt der Zustand des Bildes unverändert und seine Messungen stimmen unter einander gut über- ein; wenn man aber dasselbe Object ein anderesmal misst, das Mi- kroskop hiebei etwas höher oder niederer einstellt, vielleicht auch die Beleuchtung anders regulirt, so erhält man ein etwas verschiedenes Bild, dessen Messungen wieder gut übereinstimmen, aber von den früheren verschieden sind. Wenn man ins Auge fasst, dass es sich hier um Grössen handelt, welche an und für sich unbedeutend sind, 2. B. 30405 und weniger betragen, so wird man wohl begreifen, dass die angeführten Umstände eine dieser Grösse entsprechende Umän- derung des Bildes hervorrufen können, und dass man bei wieder- holten und mit gleicher Sorgfalt angestellten Messungen im Gesammt- resultate derselben Abweichungen erhalten kann, die zwar an und für sich immerhin klein sind, allein doch mit dem wahrscheinlichen Fehler der einzelnen Messungsreihe, welcher auf weit weniger als chen‘ herabsinken kann, auf den ersten Anblik nicht verträglich er- scheinen. Damit verliert aber der wahrscheinliche Fehler der einzelen Reihe von Messungen seine praktische Bedeutung grossentheils. Hiemit will ich mich natürlicherweise nicht dahin aussprechen, dass es überflüssig oder unzweckmässig sei, in speciellen Fällen, in welchen es von besonderer Wichtigkeit ist, die Genauigkeit einer Reihe von Messungen genau zu kennen, ihren wahrscheinlichen Fehler zu berechnen, aber ebenso überzeugt bin ich auch, dass die Mehrzahl von Ueber eine neue Einrichtung des Schraubenmikrometers. 99 Naturforschern. welche das Mikroskop gebrauchen, sich diesen immer- hin zeitraubenden Rechnungen nicht unterziehen wird. Grösse Stärkste Ab- Stärkste Ab- Abweichung Mittlere Abwei- Bi A u in- weichung von | weichung der der Mittel chung der ein Vergrösserung. des IR : zelnen Messungen Bike zwei einzelnen Mittel von von vom‘ Gesammt- AuSien» Messungen. 5 Messungen. 10 Messungen. mittel, . 1 [272 ) ‚ 1 [223 Be ehr ig: 12’ 104 bis 149 44% SET 3800 is0v0 30000 \(Glasmikrometer) Bi | Dem han ae? 2500 - T4900 23000 TI200( .,! | N a _ 3000 6666 12600 11300 | 1 1 arTgapı! Ba 9: Eye Im Mittel 7100 TIsS33F 235500 14150 6) ” 0) 1 vr p) [277 Ss ae x 1. er ae 1 er 218 bis 285 To0 T00 6200 3I000 77000 32000 ; Ti N er 5000 17900 73400 Bu a et 3900 342400 45450 el ; TREE et | T4900 2TI000 30000 | I I} 1 1 sl Er er ‚ Im Mittel 8150 35000 9000 |. 327000 . rn 1 1 ı 430 bis 487 100 7300 Z0000 100000 et Tg, ) Y 1 11765 00000 1527600 50000 1 a 3 Pal 7100 24000 43000 2! Fee = ULEIEREN 17300 I00000 1 ‚” 3 1 1 1 384 ) 8470 23000 90900 “ | 1 1 1 3 \ 1 eh —ertr fpueis une: Im Mittel 10370 49750 77900 50000 S00 a ı Bitzrza 9] Antahrt] Bil, 100 12000 50000 100000 68000 1100 17%) 1 tt = Ielı Z_ 27 16600 55000 111110 100000 BI 5 iadtrg noaH str 3 3 2700 16600 68000 75000 66000 1 4 6) 1 1 1 1 4040 15600 40000 71400 77000 3 1 9773 1 1 Im Mittel 15200 53300 98400 771750 Zur Vergleichung mit diesen Messungen füge ich eine kleine Tabelle bei, in welcher ich einige von Harting (Recherches miero- metriques. pag. 7. 18. 19.) mit Hülfe eines Ramsden’schen Ocular- mikrometers gemachte Messungen zusammenstellte, welche ich auf gleiche Weise, wie die oben mitgetheilten berechnete. 1) und 2) Bei der Berechnung des Mittels nicht in Betracht gezogen. 3) Spiralfaser von Musa. 4) Zwischenraum zwischen zwei Querstreifen von Pleurosigma Hippo- campus. 5) Fünf Querstreifen von Pleurosigma Hippocampus. 6) Zwischenraum zwischen zwei angulatum. schiefen Streifen von Pleurosigma 100 H.v.Mohl, Ueber eine neue Einrichtung des Schraubenmikrometers. | RER TEE BEI TEL RT | | | Stärkste Abweichung Abweichung der Abweichung der Vergrösserung. Object. | von zwei einzelnen | Mittel von 5 Mes- | Mittel von 10 Mes- | Messungen. sungen. sungen. 435 0,0222 za 1 m N : 746 ru 5400 (Glasmikrometer) 820 0,0133 2 are | (Glasmmikrometer) Zu RL | ER AN IR | 3344 31000 | 14 Fi a | - 262 4130 21000 50000 (Blutkörnchen) | Der Unterschied im Resultate ist ein auffallender. Indessen ist derselbe wohl nicht allein in den von uns beiden angewendeten mi- krometrischen Apparaten begründet, sondern wohl auch in der Be- schaffenheit der mikroskopischen Bilder. Harting wendete grossen- theils stärkere Vergrösserungen an, allein der dadurch erreichte Vortheil wurde vielleicht dadurch mehr als aufgewogen, dass er ge- gen mich in Beziehung auf die Schärfe der von seinem Mikroskope entworfenen Bilder im Nachtheil war, indem er im Jahre 1845, welchem seine Schrift erschien, schwerlich über gleich gute Objective zu verfügen hatte, wie ich im Jahre 1864. Bemerken muss ich übrigens, dass ich keine Objective anwendete, welche nicht Jedem zu- gänglich sind, indem ich mit Ausnahme eines Kellner’schen Objeectives No. 2 lauter Hartnack’sche verwendete. Ueberblickt man die Resultate meiner Probemessungen, so er- hellt auf den ersten Blick, dass die mittelst des mikroskopischen Sehens bei Messungen erreichbare Genauigkeit hinter der durch mecha- nische Mittel zu erlangenden zurückbleibt, aber eben so wenig wird es einem Zweifel unterliegen, dass die von mir angewendete Messungs- methode für die Zwecke des mit der Untersuchung organischer Kör- per sich beschäftigenden Mikroskopikers vollkommen ausreichend ist und auch bei weiterer Verbesserung des Mikroskopes anwendbar bleiben wird, da mit erhöhter Leistung der Mikroskopobjeetive auch die Leistung des beschriebenen Mikrometers steigen wird. Ohne allen Zweifel ist beides bereits eingetreten, allein ich bin nicht im Stande im gegenwärtigen Augenblicke hierüber etwas zu sagen, da ich die von Powell und Lealand in der neuesten Zeit verfertigten Ob- jective von 4 und „4, Brennweite nicht besitze. 25 Tübingen, Januar 1865. Ueber das Nervensystem der Bärthierchen, Arctiscoida ©. A. S.Schultze‘) (Tardigraden Doyere) mit besonderer Berücksichtigung der Muskelnerven und deren Endigungen. Von Dr. Richard Greeff, Privatdocenten in Bonn. Hierzu Taf. IV. Bei dem hohen Interesse, das in den letzten Jahren die Frage nach der Endigung der motorischen Nerven erweckt hat, und bei der lebhaften Bemühung für diese Frage eine befriedigende Lösung herbeizuführen, ist es in der That auffallend, dass man bei dieser Gelegenheit nicht auf eine der frühesten und schönsten Beobach- tungen auf diesem Felde zurückgegangen ist, nämlich auf die Beob- achtung Doyere’s über die direkte und höchst merkwürdige Ver- 1) Der von Spallanzani zuerst gebrauchte, von Doy&re für die in Rede stehenden Thierchen eingeführte Name Tardigraden ist schon seit lange einer Familie der Edentaten, den Faulthieren (Bradypoden) zuertheilt worden und ohne Zweifel mit mehr Recht wie den Bärthierchen, da sich sehr viele der letzteren durch äusserst lebhafte Bewegungen auszeichnen. Jeden- falls aber ist es unstatthaft, jenen zwei verschiedenen Thiergruppen ein und denselben Namen beizulegen und möchte desshalb der von ©. A. S.Schultze ‘ für die Bärthierchen vorgeschlagene Name »Arctiscoida« durchaus passend erscheinen, besonders da derselbe zugleich den Intensionen der ersten Beob- achter (Eichhorn, Goeze, Schrank), die dafür den treffenden Namen Wasserbär oder Bärthierchen (Arctiscon) gewählt hatten, entspricht (vergl. besonders C. A. S. Schultze Echinicus Creplini, Gryphiae 1861). 102 Richard Greeff, bindungsweise zwischen Nerven und Muskeln bei den Bärthierchen in seiner nunmehr vor fünfundzwanzig Jahren veröffentlichten classischen Monographie über jene Thiere ‘). Man hat bisher bei den den Muskelnerven gewidmeten Untersuchungen die Arbeit Doyere’s citirt, man hat sogar der von ihm entdeckten eigen- thümlichen Endigungsweise der Nerven an den Muskeln den Namen des Doyere’schen Nervenhügels beigelegt, eine thatsächliche Prü- fung dieser Beobachtungen scheint indessen bis jetzt nicht Statt sefunden' zu haben 2). Es’ möchte ‘desshalb bei den noch immer schwankenden : Meinungen über die -Endigungsweise der Muskel- nerven der Versuch einer Verwerthung auch jener interessanten Angaben wohl an der Zeit sein, und indem ich einen solchen Versuch auf Grund einer schon im verflossenen Sommer. auf Anregung von Herrn Professor M. Schultze vorgenommenen, möglichst genauen Untersuchung des Nervensystems der Arctiscoiden in Rücksicht auf den heutigen histologischen Standpunkt jener Frage in Folgendem mittheile, glaube ich die Ueberzeugung aussprechen zu dürfen, dass sich wohl in der ganzen Thierreihe kein übersichtlicheres und schö- neres Bild vom Zusammenhang zwischen Nerven- und Muskelsystem findet wie bei den Arctiscoiden, besonders da man hier nicht auf ein einzelnes Präparat von einer mit einem Muskelprimitivbündel sich verbindenden Nervenfaser beschränkt "bleibt, sondern einen voll- kommnen Ueberblick über beide mit einander in die innigste Ver- bindung tretende Systeme in toto gewinnt; man hat ‘nämlich die Uentraltheile des Nervensystems, die davon ausstrahlenden Nerven und die mit diesen letzteren und deren Thheilungen in direkter und innigster Verbindung stehenden Muskeln zu gleicher Zeit vor Augen. Um zuerst einige Bemerkungen über das im Allgemeinen nicht geläufige Untersuchungsmaterial und die Methode. voraus zu schicken, so sind die Arctiscoiden bekanntlich mikroskopische Thier- chen, die gewöhnlich 4 Mm. in der Länge nicht übersteigen. Zu’ der Gruppe der Gliederthiere gehörig haben sie innerhalb derselben 1) M. Doy&re: Memoire sur les Tardigrades, Annales des se. natur. 1840. Tome XIV 2. Serie. 2) Quatrefages (Annales d. se. nat. 1843. Tome XIX 2. Serie) ist meines Wissens der einzige, der gelegentlich der Mittheilung einer ähnlichen Nervenendigung bei Eolidina paradoxum berichtet, dass er die Beobachtung Doyere’s habe bestätigen können. Ueber das Nervensystem der Bärthierchen. 103 seit ihrer Entdeckung eine sehr unsichere Stellung eingenommen. In der neuesten Zeit sind: sie zu den Milben gerechnet worden. Mehrere charakteristische Merkmale trennen sie indessen, wie be- sonders von C. A. 8.Schultze hervorgehoben worden !), bestimmt von den Milben. Es findet sich bei ihnen keine Scheidung in Kopf, Brust und Hinterleib; bei den Milben, bei denen allerdings auch meistens eine Verschmelzung dieser drei Körperabschnitte vorhanden ist, wird die Scheidung der Brust von Kopf und Hinterleib aber immer dadurch bestimmt, dass die Beine, wie überhaupt bei allen Arach- niden stets am Bruststücke eingelenkt sind. Bei den Arctiscoiden hingegen befindet sich das 4te Fusspaar ganz terminal am hintern Leibesende. Ferner sind die Beine bloss einfache Fuss- stummel ohne jegliche Gliederung (was sie zu gleicher Zeit streng genommen auch von den Arthropoden im Allgemeinen trennen würde, denen sie aber vorläufig ihres ganzen übrigen Habitus wegen unter- geordnet bleiben müssen). Alle Milben haben aber deutlich geglie- derte Füsse, selbst die Haarsackmilbe, die man als Ausnahme hiervon angeführt hat (Kauffmann in Zeitschr. f. w. Zool. 1851), besitzt deutlich dreigliedrige Beine. Ein weiterer Unterschied wird durch die Beschaffenheit des Gentralnervensystems der Arctiscoiden bedingt, denen ein eigentliches Gehirn vollständig fehlt (siehe unten S. 110). Ausserdem sind die Arctiscoiden Zwitter, während die Milben sämmt- lich getrennten Geschlechts sind u. a. m. Es ist indessen hier nicht der Ort diese Verhältnisse genauer zu erörtern, und hoffe ich, da ich mit weiteren Untersuchungen über diese interessanten Thierchen beschäftigt bin, bei einer andern Gelegenheit hierauf zurückkommen zu können. Kurz sei nur noch erwähnt, dass man mit demselben Rechte, wie man z. B. die Rotatorien als eigne Klasse zusammenge- fasst hat, dieses auch für die Bärthierchen beanspruchen könnte. Die von Dujardin u. A. versuchte‘ Vereinigung der Rotatorien und Bärthierchen unter der neuen Classe der Systoliden ist bekanntlich schon längst als unstatthaft aufgegeben worden. Der Lieblingsaufenthalt der Bärthierchen sind die Hausdächer, besonders die Dächermoose und der zwischen und auf den Dachziegeln und in den Dachrinnen sich ansammelnde Sand und Humus. Zuweilen findet man sie indessen auch, besonders die Makrobioten, im. Moose auf Steinen, altem Gemäuer ete. Einige wenige Makrobioten leben auch 1) Echiniscus Creplini, Gryphiae 1861, pag. 8 ff. 104 Richard Greeff, im Wasser. Die Thiere, die sich zur Untersuchung für die vorlie- gende Frage allein eignen, sind die der Gattung Milnesium. Doy.!) (Arctiscon. Schrank) undMacrobiotus 0. A. 8. Schultze?) zuge- hörigen Arten. Die Repräsentanten der dritten bisher aufgestellten Gattung Echiniscus Schultze®) (Emydium Doy.) sind wegen ihres 1) Ich habe mich vorläufig nicht überzeugen können, dass das Arctis- con tardigradum Schrank mit Milnesium tardigr. Doyere identisch ist, in welchem letztern Falle jedenfalls dem Namen Arctiscon tardi- gradum der Vorzug der Priorität gebührte. Schrank beschreibt seinen Arctiscon mit zweiklauigen Füssen, während Milnesium (siehe die beifolg. Taf. Fig. 1) vier Klauen an jedem Fusse hat, nämlich zwei einfache lange terminale und zwei mehr zurückstehende kürzere Stheilige Krallen. Da nun aber Schrank bei seinem Arctiscon sogar die den Bewegungen der Krallen vorstehenden Muskeln beschreibt, die nur durch sorgfältige Beob- achtungen und meist erst unter dem Einfluss der Erstarrung hervortreten, so wäre es in hohem Grade auffallend, wenn demselben die zwei kürzern Krallen vollständig entgangen wären, selbst wenn man mit 0. A.S.Schultze annehmen wollte, dass er das Thier bloss in der ihm zugewandten Rücken- lage beobachtet habe. Ein weiterer wenn auch untergeordneter Zweifel über die Identität der beiden genannten Arten scheint mir durch die bei Miln. tard. vorhandenen eigenthümlichen sehr kurzen konischen Fortsätze bedingt zu sein, die erst bei stärkerer Vergrösserung sichtbar sind und die Schrank als kurze Fühlhörner bei seinem Arctiscon beschreibt, woraus man also wohl auf ihre grössere Länge bei letzterem schliessen möchte, da Schrank nur mit sehr geringer Vergrösserung gearbeitet hat, wie ich mich aus den Ab- bildungen seiner andern Werke überzeugt habe. Endlich liegt noch ein wie mir scheint nicht zu übersehender Unterschied in der Lebensweise der beiden Thiere. Arctiscon tardigr. kommt bloss im stehenden Wasser (daher der Name »Wasserbär«) vor, während Miln. tard. allein die Hausdächermoose und — Sand bewohnt und somit zeitweise der grössten Eintrocknung ausgesetzt ist. Ich habe mich zu wiederholten Malen davon überzeugt, dass Milnes, tard. nicht im Stande ist längere Zeit im Wasser zu leben; selbst wenn man ihnen ihre sonstigen Lebensbedingungen Moos, Sand etc. beigibt, sterben sie regel- mässig nach einigen Tagen im Wasser ab, während ich sie im Moose und Humus, die bloss zeitweise wenig angefeuchtet wurden, Wochen, selbst Mo- nate lang lebend erhalten habe. Nichts destoweniger scheint es mir geboten die beiden Arten Milnes. tard. und Arctisc. tard. unter eine Gattung, die durch die beiden Fortsätze am Kopfe ausgezeichnet ist, zu vereinigen und ist es hierbei nicht fraglich, dass dem Namen Arctiscon als Gattungsnamen unbedingt wegen seiner Priorität und weil er schon so lange sich in die Na- turgeschichte der Bärthierchen eingebürgert hat, das Vorrecht eingeräumt werden muss. Es erscheint desshalb der Vorschlag von 0. A. S. Schultze, statt Milnes tard. in Zukunft Aretiscon Milnei zu setzen, durchaus ge- rechtfertigt. 2) C. A. S. Schultze: Makrobiotus Hufelandü. Berl. 1834. 3) Der Name Echiniscus verdient unter allen Umständen ‚den Vorzug Ueber das Nervensystem der Bärthierchen. 105 festen wenig durchsichtigen Hautpanzers und wegen der im Innern des Körpers angehäuften braunen und rothen Pigmente nicht hierzu verwendbar. Wenn man die Arctiscoiden in ihren gewöhnlichen Lebensbe- dingungen untersucht, so möchte es selbst dem geschicktesten Beob- achter nicht gelingen etwas Erhebliches vom Nerven- und Muskel- systeme zu finden. Die Menge der durch die Körperhöhle frei auf und ab rollenden grossen, eigenthümlichen, granulirten Blutkörperchen macht es bei dem lebenden und sich noch bewegenden Thiere un- möglich eine nur. wenige Augenblicke ungestörte Beobachtung der innern Organisation zu gewinnen; aber selbst wenn man durch allmähligen vorsichtigen Druck vermittelst eines Deckgläschens die Bewegungen des Thierchens beschränkt und weiterhin sogar das störende Rollen der Blutkörperchen dadurch vollständig hemmt, so ist, obgleich durch diese Compression die Durchsichtigkeit im Allge- meinen bedeutend gefördert wird, für die Untersuchung der Nerven und Muskeln nichts gewonnen. Sie bleiben der Beobachtung voll- kommen verschlossen. Ebenso wenig richtet man mit der Anwen- dung der verschiedensten zu diesem Zwecke empfohlenen Reagentien und sonstigen Präparationsmethoden aus. Ich habe auf diese Punkte manche Mühe gerichtet, aber mich schliesslich von der vollkommenen Gültigkeit der. Angaben Doyere'’s, der alle diese Versuche für er- folglos erklärt, überzeugt. Es ist desshalb ein besonders dankens- werthes Verdienst dieses hervorragenden Forschers eine sichere, allerdings höchst eigenthümliche Methode gefunden zu haben, wodurch das ganze Nerven- und Muskelsystem in vorher nicht geahnter Klar- heit und Uebersichtlichkeit zur Anschauung gebracht werden kann, nämlich dadurch, dass man diese Thiere in einen Zustand vollkommner Erstarrung überführt. Man sammelt zu diesem Zwecke ca. 20 Exemplare, was unter Umständen allerdings Mühe genug: kostet !), vor Emydium schon aus dem einfachen Grunde, weil ihm das Recht der Priorität zur Seite steht. Der Echiniscus Bellermanni ist, nachdem schon im Jahre 1837 in Prag in der Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte eine Mittheilung mit Abbildungen darüber gemacht worden war, im August 1840 von C. A.S.Schultze veröffentlicht worden (Echinisc. Beller- manni. Berlin 1840), während die Monographie von Doye&re erst im Monat September 1840 der Pariser Akademie vorgelegt und am Ende des Jahres veröffentlicht worden ist. 1) Doy£&re sagt in Bezug hierauf: J’experience doit &tre faite sur un grand nombre; car il s’en faut de beaucoup qu’elle r&ussisse &galement sur 106 Richard Greeff, und bringt dieselben in ein Gläschen (kleines Reagenzgläschen) mit Wasser, dem man vorher durch mehrmaliges Aufkochen die atmosphärische Luft entzogen hat. Um die Luft nun fernerhin ab- zuschliessen, giesst man einige Tropfen Oel auf das Wasser, so dass die Oberfläche desselben ganz damit bedeckt ist. Nach 24 bis 2mal 24 Stunden ist nun auf diese Weise eme vollkommene Erstarrung der Thiere eingetreten, sie haben sich gestreckt, sind durchaus be- wegungslos und auch die früher durch das beständige Umherrollen in’ der Körperhöhle für die Beobachtung störenden grossen Lymph- kugeln haben sich zum Theil in den Ausbuchtungen des Körpers und an den Extremitäten in Haufen zusammengeballt oder liegen sonst vereinzelt regungslos im Körper zerstreut. Das ganze Thier hat ausserdem an Durchsichtiekeit und Klarheit gewonnen, die Pig- mente, die früher in dem unter der äussern Cuticula liegenden ziemlich dicken Corium eingestreut waren, sind verschwunden oder haben sich zu einzelnen kleinen Plaques zusammengezogen, eben- so tritt die innere Organisation jetzt scharf und deutlich hervor und mit ihr ein, wie schon oben bemerkt, früher der Beobachtung durchaus unzugänglicher complizirter Muskel- und Nervenapparat. Es ist schwierig, einen bestimmten Zeitpunkt des Eintritts der Er- starrung und wann die Thiere sich in diesem Zustande am besten zur Untersuchung eienen, anzugeben. Die letztere muss mög- lichst häufig wiederholt werden, um durch eine Ansicht die an- dere zu einem Gesammtbild zu ergänzen. Im Allgemeinen sind die kleinern Arten und die jüngern Exemplare der grössern Species (die sich wegen ihrer grösseren Durchsichtigkeit besonders empfehlen) meist nach 24 Stunden Aufenthalts im luftleeren Wasser vollkommen erstarrt, die grössern Thiere oft noch nicht nach 2 Tagen. Lässt man die Erstarrung über ein gewisses Zeitmaass hinaus andauern, so sterben die Thiere ab (nach memer Erfahrung durchschnittlich bei kleinern Individuen nach dem 3ten und bei grössern nach dem 4ten Tage). Nach der Erstarrungsdauer richtet sich auch der Zeit- punkt der Wiederbelebung; je länger. erstere dauert desto später tritt letztere ein. Meistentheils erwachen die Thiere wieder während tous. A. peine en obtient on un ou deux sur une vingtaine qui soient dans toutes les conditions favorables aA l’observation meme dans les cas oü le succes est le plus complet. Or, ce .n’est pas jamais un travail facile et de courte durde, que de se procurer vingt Tardigrades. Il m’a quelquefois fallu deux jours tout entiers. Ueber das Nervensystem der Bärthierchen. 107 der Beobachtung, was immer durch eine plötzliche ruckweise Bewegung einzelner Blutkörperchen eingeleitet wird. Von die- sem Momente ab legt sich allmählig ein Schleier über das vor- her so schön hervorgetretene Nerven- und: Muskelsystem, die ein- zelnen Gewebstheile verschwinden und machen einem durchaus homogenen Anblick Platz und nach kurzer Zeit, indem zugleich die Bewegungserscheinungen im Innern, besonders die Cireulation der grossen Blutkugeln sich steigern etc., ist vom Nervensystem nichts mehr zu sehen, während die Muskeln meistentheils noch länger als helle den Körper durchkreuzende Bänder sichtbar bleiben. Das durch das obige Verfahren zur Anschauung gebrachte Nervensystem besteht in seinen Centraltheilen aus 4 an der Bauch- seite des Thieres von vorn nach hinten sich hinziehenden und den 4 Fusspaaren resp. den dadurch angedeuteten Körpersegmenten ent- sprechenden verhältnissmässig grossen Ganglien (siehe Taf. IV, Fig.1.g). Die Ganglien sind unter sich je zwei und zwei durch zwei starke Längs- commissuren (o) verbunden, welche letztere wiederum an irgend einer nicht constanten Stelle ihres Verlaufes von einem Ganglion zum andern durch eine Quercommissur (p) mit einander anastomosiren. Sämmtliche Commissuren lassen unter günstigen Umständen und bei starker Vergrösserung zuweilen eine Zusammensetzung aus feinen Längsfasern erkennen. Man kann sie bloss bis zu ihrer Verbindungs- stelle mit den Ganglien, aber mit Sicherheit nicht in die letzteren hinein weiter verfolgen. Die Ganglien selbst bestehen aus mehr oder minder dichten Haufen äusserst zartwandiger Zellen mit grossem scharf contourirtem glänzendem Kern und Kernkörper. Zwischen die Zellen sind gröbere und feinere Körnchen und Kügelchen (Fetttröpfehen) in wechselnder Menge eingestreut. Es gehört mit zu den: schwierigern Beobachtungen die Ganglienzellen zu sehen, man muss eine ganze Reihe von Thieren in den verschiedensten Graden der Erstarrung untersuchen, ehe man sich unzweifelhaft von deren Anwesenheit überzeugt. © Im Allgemeinen treten sie um so deutlicher hervor je länger die Asphyxie angedauert hat, oft auch erst, wenn während der letzteren kurz vor der Beobachtung der Tod eingetreten ist. Es ist mir anfangs zweifelhaft gewesen, ob die Ganglien eine Umhüllung besitzen ‘oder nicht, bei recht klaren Ob- jekten und starker Vergrösserung glaube ich aber eine solche erkannt zu haben; man sieht alsdann einen feinen hellen Saum bei verschie- denen Einstellungen des Tubus an den Rändern aufleuchten. Dieser 108 Richard Greeff, helle Saum setzt sich auch auf die Commissuren, aber nicht auf die feinern seitlich ausstrahlenden Nerven fort. Ob diese Gan- glienhülle als eine bindegewebige Membran (Neurilemm) aufzufassen sei, muss ich unentschieden lassen, möchte es aber bezweifeln, da ich niemals Kerne darin finden konnte, und sie desshalb lieber als eine vom Ganglion selbst ausgeschiedene und von ihm nicht wesentlich differente Cuticula ansehen. Doye&re erwähnt, dass er im Centrum eines jeden Ganglions einen Fleck (»une tache«) be- merkt habe, den er für eine centrale Depression hält. Trotzdem‘ ich häufig darauf Bedacht genommen, habe ich diese Depression weder im Gentrum noch sonst wo wahrgenommen, bin aber dabei wohl auf den (Gedanken gekommen, dass vielleicht eine in der Mitte liegende grössere Ganglienzelle dieses Bild hervorgebracht habe. Leydig‘) vermuthet, Doy&re habe den Raum zwischen den beiden Commis- suren, die sich in das Ganglion fortsetzen sollen, als jene centrale Depression angesehen. Die Commissuren lassen sich indessen, wie schon oben bemerkt, nicht in die Ganglien hinein verfolgen. Von dem ersten Ganglion treten zuerst nach vorne zwei starke Nerven aus (Fig. 1. a), die in Bezug auf die Stellen des Austrittes, ihre Dicke etc. den nach hinten ziehenden Längscommissuren ent- sprechen ; sie laufen divergirend in gerader Richtung zu den beider- seits am Kopfe liegenden äussern Fortsätzen (Palpen Doy.) (Fig.1.a), unter welchen sie in Form einer mehr oder minder becherförmigen Anschwellung endigen der Art, dass die konischen Fortsätze oder Zapfen sich gewissermassen mit ihrer Basis in die becherförmigen Ganglien hmeinsenken resp. von diesen umfasst werden. Diese äussern Fortsätze kommen indessen bloss der Gattung Arctiscon (Milnesium) zu, den Makrobioten fehlen sie vollständig; nichts destoweniger sieht man bei den letztern das erste Nervenpaar im gleicher Weise wie bei Aretiscon zum Kopfe laufen und dort mit einer Anschwellung unter der Haut endigen. Welche Funktion nun diesen Organen 'zu- getheilt ist, ob sie als Palpen (Doyere) und somit als Tastorgane anzusehen sind oder möglicherweise Geruchsorgane sind, vermag ich nicht zu entscheiden. v.la Valette?) hat zuerst in der Form nach ähnlichen Fortsätzen, die er an den Antennen von Gammarus putea- nus und G. pulex entdeckte, Riechorgane vermuthet. Ausserdem sind 1) Vom Bau des thier. Körpers $. 257 2) De Gammaro puteano. Diss inaug. Berl. 1857. Ueber das Nervensystem der Bärthierchen. 109 derartige Gebilde von Leydig) in grosser Verbreitung bei vielen Crustaceen und Insekten beobachtet und auch von ihm neuerdings als Geruchsorgane gedeutet worden. Endlich hat, unabhängig von den genannten Forschern, Fritz Müller?) diese eigenthümlichen Or- sane genauer beschrieben, die er an den innern Fühlern der meisten Kruster fand. Er vermisste sie nur bei einigen Schmarotzern und land- bewohnenden Krebsen, und glaubt auch, dieselben als Geruchsor- gane deuten zu müssen. In einer Anmerkung zu der Abhandlung von Fritz Müller giebt Max Schultze als das Charakte- ristische für jene als Geruchsorgane gedeuteten Gebilde die stumpf geendigte Spitze und den Anschein einer Oeffnung nach aussen an, die auch von v. la Valette als die Merkmale seiner cylindri- schen Organe an den Gammarinen beschrieben worden sind. Die vorliegenden Fortsätze der Arctiscoiden endigen allerdings mit stumpfer Spitze, eine Oeffnung nach aussen habe ich indessen an ihnen nicht wahrnehmen können. Das zweite Paar der vom ersten Ganglion austretenden Nerven besteht in zwei Augennerven. (Fig. 1.b.) Sie laufen in einem zarten Bogen nach vorne und endigen mit einer länglich ovalen Anschwel- lung, an deren Basis ein aus gleichmässigen schwarzen Körnern be- stehender Pigmentfleck aufsitzt, aus welchem letzteren eine Linse halbmondförmig hervorragt °). Die beiden übrigen vom ersten Ganglion austretenden Nerven- paare, sowie die sämmtlichen Nerven des 2ten, öten und 4ten Gan- glion, von denen jedes drei Paare entsendet, scheinen ausschliesslich, soweit man sie verfolgen kann, Muskelnerven zu sein, die unter- einander keine wesentlichen Verschiedenheiten darbieten und unten nebst ihren Verbindungen mit den Muskeln näher berücksichtigt werden sollen. Um zuvor noch einmal auf das erste Ganglion zurückzukommen, so kann dasselbe natürlich nach der obigen Darstellung weder für 1) Zeitschr. f. w. Zool. 1851 8.280. — Archiv f. Anatom. 1860 S. 265. — Naturg. der Daphniden. — Tafeln zur vergl. Anatomie etc. 2) Archiv f. Naturg. XXVIII. Jahrg. 1. Bd. 3) Bei einem auf obige Verhältnisse untersuchten augenführenden Ma- krobioten habe ich eine dichotomische Theilung des Augennerven, die wohl bisher vereinzelt da steht, wahrgenommen. Wo und wie der nicht zum Auge gehende Ast endigt, habe ich bis jetzt noch nicht erkennen können. 110 Richard Greeff, sich noch in Rücksicht auf seine Nerven und deren Anschwellungen als Gehirn angesprochen werden, da diese sämmtlichen Partieen unterhalb des Schlundes liegen und somit das erste Ganglion bloss als das erste Glied in der Bauchganglienkette zu betrachten ist. Leydig (Vom Bau des thier. Körpers S. 182) macht auf die Wichtigkeit der Frage, ob es Arthropoden gebe, die zwar ein Bauch- mark aber kein Gehirn haben, aufinerksam und ist wohl mit Recht der Meinung, dass in vielen Fällen, in denen «den Arthropoden ein Gehirn abgesprochen worden, eine unvollständige Beobachtung die Ursache gewesen. Es scheint indessen, dass die Arctiscoiden eine wirkliche Ausnahme hiervon machen. Ich habe manche Unter- suchung (darauf gerichtet eine über dem Schlunde gelagerte Nerven- partie, die mit dem ersten Bauchganglion oder dessen Ausläufern in Verbindung stände, resp. einen Nervenschlundring zu finden, es ist mir indessen ebenso wenig wie Doyere gelungen eine solche Brücke oder Band zu constatiren. Trotzdem die Beobachtung durch die hier liegenden grossen Speicheldrüsen sehr erschwert ist, habe ich doch zuweilen Objecte vor Augen gehabt, die an Klarheit und Uebersichtlichkeit wenig zu wünschen übrig liessen, ohne indessen etwas hierauf Bezügliches mit Sicherheit wahrnehmen zu können. Es würden also, falls eine günstigere Beobachtung nicht doch noch ein dem Gehirn ähnliches Gebilde auffinden liesse, auch hierdurch die Arctiscoiden sowohl unter den Milben wie unter den Athropo- den im Allgemeinen eine Ausnahmestellung einnehmen (siehe oben S. 103). Was nun die von den Ganglien austretenden peripherischen Nerven betrifft, so habe ich schon oben bemerkt, dass von dem ersten Ganglion mit Ausnahme der beiden Sinnesnerven 2 und von den 3 folgenden je 3 Paare austreten. Die einzelnen Nerven entspringen mit verhältnissmässig breiter Wurzel, ohne sich indessen in die (ranglien hinein verfolgen zu lassen, laufen dann aber als feine, gleichmässige, etwas abgeplattete Fäden, die weder eine Längs- faserung noch eine sonstige weitere Struktur erkennen lassen, ohne Markscheide und Neurilemm geradlinig nach aussen zu den Muskeln. Sie sind somit nach der geläufigen Vorstellung als Analoga der Achseneylinder der Vertebraten anzusehen, obgleich sie sich von diesen in ihrem Aussehen besonders durch den Mangel des den Achsencylindern eigenthümlichen Glanzes unterscheiden. Zuweilen sieht man, doch nicht constant, eine feinkörnige Substanz in ihrem Ueber das Nervensystem der Bärthierchen. 111 Innern auftreten, es richtet sich das nach dem Erstarrungsgrade der Thiere; je länger dieselbe gedauert hat, desto mehr treten die Körn- chen hervor. Wenn die Asphyxie bei der Wiedererwachung allmählig weicht, schwinden auch die Körnchen und die Nerven nehmen dann ein homogenes Aussehen an. Während ihres Laufes gehen die Hauptästchen gewöhnlich dicho- und mitunter auch trichotomische Theilungen ein, und bilden eigenthümliche Anschwellungen (Fig. 1 und Fig. 2) erfüllt mit emer körnigen Substanz, die entweder den Nerven in derselben Richtung, in der er eingetreten, wieder aus- treten lassen, oder 2—4 Fortsätze (Fig. 3f.) nach verschiedenen Richtungen aussenden ; im einigen Fällen sind diese Anschwellungen wohl wirklichen Gauglienzellen gleich zu stellen, da sie hin und wie- der einen deutlichen Kern enthalten). Indem ich mich jetzt zur Frage nach der Verbindungsweise jener Nerven mit den Muskeln der Arctiscoiden wende, bemerke ich im Voraus, dass es hier nicht in meiner Absicht liegt, erst auf die äusserst zahlreichen ?) die Endigungen der Muskelnerven betreffenden Untersuchungen, unter denen die umfassenden Ar- beiten W. Kühne’s wohl den ersten Rang einnehmen, näher einzugehen, sondern ich will mich, wie das überhaupt Absicht bei den vorliegenden Mittheilungen war, möglichst auf das bei den Arctiscoiden Beobachtete beschränken. Zudem sind die Verhältnisse hier so eigenthümlich und einfach, dass sie mit den muskulären Ner- venendigungen höherer Thiere nur zum Theil in vergleichende Be- 1) Ob diese Ganglienzellen mit denen in Verbindung zu bringen sind, die Margo (Ueb. die Endigung d. Nerven in d. quergestreift. Muskelsubstanz. Pest 1862) bei Nervenfasern von Insekten vor ihrem Eintritt in die Muskeln beschreibt, (vergl. besonders dessen Abhandl. Taf. HI Fig. 7) lasse ich un- entschieden. Die Ganglienzellen Margo’s enthalten sehr wenig Protoplasma, und der vorgefundene Kern kann auch wohl ein Kern der Schwann’schen Scheide sein, die den Nerven hier noch nicht verlassen hat. 2) Das vollständigste Verzeichniss sämmtlicher hier einschlagender Ar- beiten in chronologischer Reihenfolge ist in dem neuesten Aufsatze von W. Krause über die Muskelnerven 4. Artikel. Zeitschr. f. rat. Med. XXII. Bd. 3. Heft enthalten. Es sind daselbst nicht weniger wie 63 verschiedene Ab- handlungen aufgeführt. Ferner findet sich ein historischer Abriss in Margo’s (siehe ob.) und in Th. W. Engelmann’s trefflicher Arbeit (Untersuchungen über den Zusammenhang von Nerv und Muskelfaser 1863), und besonders eine vollständige Recapitulation und Kritik des bisher über die Muskelnerven geleisteten in W. Kühne’s Aufsatz: über die Nerven in den Nervenhügeln der Muskeln, Virchow’s Archiv XXX. Bd..S. 187. 112 Richard Greeff, trachtung gezogen werden können. Ich werde wo sich solche direkte Berührungspunkte im Folgenden bieten, derselben betreffenden Ortes kurz Erwähnung thun. Was nun zuvörderst die Muskeln der Arctiscoiden betrifft, so stellen sich dieselben als ein complieirtes System den Körper nach allen Richtungen durchkreuzender zarter abgerundeter Bänder dar, die in dem erstarrten Thiere auf den ersten Blick aus dem Innern als helle glänzende Streifen sich abheben. Die Muskelsubstanz selbst hat ein vollkommen homogenes Ansehen ohne jede Spur einer Quer- oder Längsstreifung. Die einzigen weitern Formverhältnisse, die man in dieser homogenen contractilen Substanz wahrnimmt, sind spärliche länglich ovale Kerne (Fig. 2 u. 3k. u. Fig. 5 u. 6), die gewöhnlich in einer Ausbuchtung oder ovalen Auftreibung des Mus- kels liegen und deren oft bloss einer oder zwei in einem Muskel- cylinder vorkommen. Um diese Kerne lagert sich fast regelmässig ein mehr oder minder starker, jedoch niemals scharf begrenzter Hof von dunkelkörniger Substanz, in welcher sich fast jedes Körnchen einzeln deutlich unterscheiden lässt. Es entspricht diese Bildung wohl derjenigen der Muskelkörperchen höherer Thiere, wie sie von Max Schultzet!) auf den genetischen Zusammenhang mit den Muskeln gestützt, beschrieben worden sind. Sie lassen sich auch wohl hier als die Reste der ursprünglichen Bildungszellen der Muskel- cylinder auftassen. Dass diese Muskelkerne sich wesentlich von den in der nervösen Substanz befindlichen unterscheiden, wird unten näher besprochen werden. Ausser dem stets um die Muskelkerne gelager- ten körnigen Protoplasma findet man körnige Substanz zuweilen auch ohne Kerne in Streifen oder kleineren Plaques die homogene contractile Substanz durchziehend, aber in sehr wechselnder Menge und Gestalt, so dass oft ganze Muskeln frei davon sind, während in andern wiederum an verhältnissmässig vielen Stellen dieselbe einge- bettet liegt. Es liegt nahe auch diese körnigen Bildungen wie das die Kerne umgebende Protoplasma als ein bei Entwicklung der con- tractilen Muskelsubstanz nicht verwandtes, übriggebliebenes, embryo- nales Protoplasma anzusehen. Ob die Muskeln von einer eignen, vom contractilen Inhalte differenten, abhebbaren Membran eingefasst sind lässt sich schwer sagen, da sich, um eine solche isolirt darzustellen, 1) Ueber die Muskelkörperchen ete. Reichert’s und du Bois-Rei- mond’s Archiv 1861 S. 1. / Ueber das Nervensystem der Bärthierchen. 113 mit. Reagentien hier nicht operiren lässt. Diedem Sarcolemma anderer Thiere sonst stets eigenthümlichen Kerne fehlen hier vollkommen. Am wahrscheinlichsten ist mir, dass bloss eine erhärtete Grenzschicht der contractilen Substanz selbst vorhanden ist. Auf diese Punkte werde ich unten noch genauer zurück kommen. Zuvor will ich die Form- verhältnisse und den Charakter resp. das Wie? der Nervenendigungen bei den Arctiscoiden beschreiben. Wenn ein aus den Ganglien tretender Nerv entweder direkt oder in einem seiner Aeste in die Nähe eines Muskels behufs Verbindung mit demselben angelangt ist, so verbreitert er sich zu. dem bereits von Doyere erkannten Nervenhügel, indem die vorher ziemlich glänzende Mark- und Neurilemmlose Nerven- faser während der Bildung jenes Hügels gewissermassen strahlen- förmig in eine ziemlich dunkel- und grobkörnigeSubstanz sich auflöst oder, nach dem geläufigern Ausdruck, dazu anschwillt. In jeder Anschwellung gewahrt man gewöhnlich deutlich einen verhältnissmässig kleinen runden glänzenden Kern mit Kernkör- perchen. Dieser Doyere’sche Hügel legt sich nun mit seiner Basis oder Sohle auf den Muskel und umgreift dessen Breitenumfang mehr oder minder vollständig. Entweder endigt nun derselbe, resp. der. Nerv, mit so zu sagen plattenförmiger Ausbreitung der Hügel- Basis allen, oder es treten von dieser noch nach einer oder beiden Seiten der Längsachse des Muskels weitere, ebenfalls körnige Fort- sätze aus, die-über die Oberfläche hinlaufen (Fig. N), und oft auf ihrem Wege oder an einem der Längsenden des Muskels noch ein- mal zu einem länglich ovalen Körnchenhaufen anschwellen (Fie. II h, Fig. Uli), in dem man ebenfalls gewöhnlich einen Kern erkennt. Man kann zuweilen, besonders an den langen vom Kopfe bis zum Hinterleibsende sich hinziehenden Rückenmuskeln, auf weite Strecken diese körnige Substanz in feinen continuirlichen Streifen über die Muskeln hinlaufend verfolgen !). Es war schon oben bemerkt worden, dass die Nervenfaser kein Neurilemm besitzt, es kann also von dem Nerven auch keine Membran auf die granuläre Endausbreitung, den beschriebenen D o y&r e’schen Hügel mit seinen Fortsätzen übergehen. 1) Man könnte diese körnigen Streifen hier, wenn eine Membran über dieselben hinzöge, mit der von Leydig (vergl. Anat. S. 100) beschriebenen Matrix des Sarcolemma’s, in welche die körnige Nervensubstanz übergehen soll, in Verbindung bringen. M. Schultze, Archiv f. mikrosk. Anatomie. I. Bd. 8 114 Richard Greeff, Ebensowenig überzieht diese letztern Gebilde ene eigne Membran, überall präsentirt sich an der Oberfläche des über den Muskel laufen- den und mit dem Nerven in Zusammenhang stehenden Protoplasma’s eine körnige einfache Contour. Das sind in Kurzem die einfachen Bilder, wie sie sich in Bezug auf den Zusammenhang zwischen Nerv und Muskel bei den Arectis- coiden, ohne Unterschied ob sie zur Gattung Arctiscon (Milnesium) oder Makrobiotus gehören, in dem Zustande der Erstarrung darstellen. Sonst lassen sich von der Eimtrittsstelle des Nerven resp. von dem Momente seiner Anschwellung an weder in dem Doyere’schen Hügel und seiner Basis, noch in dessen Fortsätzen, noch endlich an oder in der Muskelsubstanz irgend welche complicirtere Structur- verhältnisse wahrnehmen, mag man nun eine Profil- oder eine Flächen- ansicht betrachten. Die Nervenfaser hört an der Spitze des Hügels, nachdem sie oft kurz vorher noch eine Zweigfaser für einen andern Muskel abgegeben, so zu sagen auf und lässt sich niemals als solche innerhalb des Hügels weiter verfolgen. Sie hat ihre Eigenschaft als Faser vollständig aufgegeben und sich in den granulären Doyere'- schen Hügel aufgelöst. Dass dieser letztere nun mit seinen. Fort- sätzen alswirklicheNervensubstanz und als eigentliches und alleiniges Nervenendorgan zu betrachten sei, scheint mir _ nach diesen Beobachtungen nicht zweifelhaft, schon aus dem ein- fachen Grunde, weil in der That nichts anderes im ganzen Bereiche des Muskels und Nervenendes vorhanden ist, was im Continuum mit der Nervenfaser als Fortsetzung und Endigung derselben aufzufassen wäre. Ich möchte also, um diese Verhältnisse in eine deutlichere Form zu kleiden, sagen: der hüllenlose Nerv schwillt bei seiner Verbindung mit dem Muskel zu einer ebenfalls hüllenlosen Zelle an, von meistens kegel- oder pyramidenförmiger Gestalt, deren Spitze dem Nerven- faden zugekehrt ist (Do yere’scher Nervenhügel). Diese pyramiden- törmige Nervenzelle legt oder ergiesst sich mit breiter Basis (Platte) über den äussern Umfang des Muskels und endiet entweder in dieser Forni und Eigenschaft, oder schickt noch in der Richtung der Längs- achse des Muskels körnige Fortsätze über denselben, die auf ihrem Wege aufs Neue zu Zellen anschwellen können (Fig. II h u. Fig. II i). Somit sind also die gesammten mit dem Nerven zusammenhängen- den und den Muskel berührenden Partieen kurz gesagt Ganglien- zellenähnliche Endausbreitungen der Nervenfaser, Leydig hat an vielen wirbellosen Thieren, und meines Wissens Ueber das Nervensystem der Bärthierchen. 115 zuerst, peripherische Ganglien als Nervenenden besonders in der Haut und deren Anhängen (Antennen und weibliches Kopfhorn von Branchipus iin Zeitschr. f. wiss. Zool. 1551 8. 250 Taf. VII Fig. 7 u. 14 ete. ete.) beschrieben und hierauf resp. auf die Verschmelzung mehrerer solcher peripherischer Ganglienzellen zu einem Lager den Namen gangliöse Endplatten zuerst angewandt (Vom Bau d. thier. Körpers S. 96). Ich wüsste in der That für die vorliegenden Verhältnisse bei den Aretiscoiden keinen passendern Vergleich anzu- stellen, wenn gleich es mir scheint, als ob der Name »Platte« für die verschiedenen Formen der Nervenendigungen nicht ausreichend und bezeiehnend genug wäre. Ich habe eben die ganeliösen End- ausbreitungen bei den Arctiscoiden mit Ganglienzellen verglichen, und thatsächlich vereinigen sowohl der Doye&re’sche Hügel wie dessen sekundäre Anschwellungen die Eigenschaften vollkommner Zellen in sich in Bezug auf Kern und Protoplasma, denn es würde sicher gezwungen und dem einfachen, natürlichen Befunde zuwider sein, wollte man erstlich diese Kerne anders, als zu dem Protoplasma- Haufen, in dessen Gentrum sie liegen, gehörig betrachten, besonders weil man die Zugehörigkeit derselben zu den Muskeln und dem Sarco- lemma von vorne herein ausschliessen kann, da sie ausserhalb des Muskels liegen und ein kernhaltiges Sarcolemma fehlt, ebenso ein Neurilemma, das die Nervenenden überzöge und Kerne enthalten könnte. Zum fernern unterscheiden sich die Kerne des Doyere’- schen Hügels von den Muskelkernen nicht bloss durch ihre Lage, sondern auch, wie oben schon bemerkt, durch ihre Form. Die Mus- kelkerne sind grösser, oval, und liegen von einer ebenfalls ovalen Protoplasmaschicht umgeben als einzelne abgeschlossene Muskelkör- perehen in der Muskelsubstanz emgebettet (Fig. V u. VI). Die Kerne des Doye&re’schen Hügels aber sind kleiner, rundlich, und kommen bloss da vor, wo mit dem Nerven in Zusammenhang stehende gang- liöse Anschwellungen vorhanden sind. Ausnahmsweise ist es mir vorgekommen, dass ich keinen Kern in dem Doyere’schen Hügel etc. wahrnehmen konnte. Ich muss es dahin gestellt sem lassen, ob ein solcher wirklich fehlen kann. Die Schwierigkeit der Beobachtung und das dunkelkörnige dichte Protoplasma erklären solche Ausnahme- fälle hinreichend. Ich will hier nicht genauer auf die verschiedenen Deutungen eingehen, die man bei anderen höheren. Thieren dem Inhalt des Doyere’schen Hügels beigelegt hat, es will mir indessen scheinen, 116 Richard Greeff, als ob jener Inhalt, besonders die granuläre Masse, durchschnittlich zu stiefmütterlich in Rücksicht auf die Betheiligung an der Nerven- endigung behandelt worden sei, und als ob die ursprüngliche Auf- fassung von Kühne), Waldeyer?) u. A., wonach der granuläre Inhalt des Nervenhügels bei Wirbellosen (Arthropoden) Nerven- substanz darstelle, dennoch richtig sei. Kühne hat zwar jene Meinung später selbst abgeändert, nachdem er bei Lacerta viridis die eigenthümlichen Endplatten entdeckt hatte; er erklärte dann das Protoplasma und die Kerne des Nervenhügels für eine blosse Um- hüllungsmasse jener Platte. Es möchte indessen der Schluss von jenen noch so exakten Beobachtungen an Wirbelthieren auf Wirbel- lose jedenfalls ein gewagter sein und wie in unserem Falle ein nicht zutreffender. Bei den Wirbellosen müssen jene merkwürdigen Aus- breitungen des Achsencylinders in der Sohle des Nervenhügels, welche Kühne bei Wirbelthieren entdeckt hat, erst gefunden werden. Es mag fernerhin vorkommen, dass bei Wirbellosen Mus- kelkerne mit ihrem Protoplasma in der unmittelbarsten Nähe des Nervenhügels eingebettet liegen, so dass m den Fällen, wo man eine Flächenansicht vor sich hat, beide, Nerven- wie Mus- kelsubstanz, sich schwer von einander scheiden lassen, wie dieses Th.W.Engelmann?) bei Trichodes beschreibt, indessen wird eine sorgfältige Prüfung wie dort so auch in den meisten Fällen eine richtige Scheidung zu treffen wissen. Und wenn nun weiter der gra- nuläre Inhalt des Nervenhügels, wie dieses auch von Engelmann zu geschehen scheint, für wirkliche Nervensubstanz gehalten wird, so sehe ich nicht ein, warum sich diese Substanz nicht in weiteren Zügen an und in den Muskel hinaus fortsetzen könne. Es scheint mir wenigstens für die Auffassung keine im Allgemeinen hinreichende Berechtigung vorhanden zu sein, als könne die Nervensubstanz nun wirklich nicht über den Nervenhügel resp. Platte hinaus, und als müssten alle sonst am und im Muskel befindlichen Protoplasma- Anhäufungen und Kerne, selbst wenn sie mit dem Doyere’schen Hügel in direkter Verbindung stehen, schlechterdings in allen Fällen nur Muskel- oder Sarcolemma-Elemente sein. 1) Ueber d. periph. Nervenendorgane Leipzig 1862. 2) Untersuch. über d. Verlauf und Ursprung des Achsencylinders etc. in Zeitschr. f. rat. Med. XX. Bd. 3) Jenaische Zeitschr. f. Med. n. Naturwissensch. I. Bd. 3. Heft $. 322, Taf. VI. Ueber das Nervensystem der Bärthierchen. 117 In neuester Zeit hat auch Rouget!) weitere Beobachtungen über die Nervenendigungen bei Wirbellosen (Krebse , Dipteren- und Käferlarven) gemacht. Dieser Forscher kommt dabei zu dem Ausspruch, dass der ganuläre Inhalt des Doyere’schen Hügels ete. mit dem Nerven nichts zu thun habe (»cette substance granu- leuse est completement etrangere aux Elements nerveux«). Er be- schreibt ferner eine sehr interessante und neue Nervenendigung, wie er sie bei den genannten Thieren gefunden: die Nervenfaser theilt sich auf dem Gipfel des Doye&re’schen Hügel gabelig in zwei Fi- brillen, die den Hügel durchsetzen und in der contractilen Muskel- substanz angekommen ausgefasert endigen. Das scheint mir aber noch immer kein Beweis zu sein, wenn man eine Fortsetzung vielleicht eines Theils der Nervenfaser im Nervenhügel sieht und auch bis zur Endigung verfolgt, dass nun die diese Endigung umgebende eranuläre Substanz, die, wie man zugibt, nicht zum Muskel ge- hört, nun auch der Nervenendigung ganz fremd und bloss auf eine zwecklose Umhüllungsmasse verwiesen sein soll. Ist es nicht natur- gemässer jene Substanz dem Protoplasma einer jeden Granglienzelle gleich zu stellen, in das sich ein Theil der Nervenfaser oder des Achsencylinders oder derselbe ganz, wo sich kein Nervenende sehen lässt, aufgelöst oder umgeändert hat? Auffallend ist jedenfalls das fast constante Vorkommen der körnigen Substanz überall da, wo sich muskuläre Nervenendigung mit Doyere’schem Hügel zeigt. Ohne indessen vorläufig weiter auf diese Frage einzugehen, um mich nicht von meiner ursprünglichen Absicht, mich hauptsächlich auf die Beobachtungen an den Arctiscoiden zu beschränken, zu weit zu ent- fernen, wiederhole ich noch einmal, dass bei diesen Thieren sich die Sache anders verhält, indem hier der gesammte Do yere’sche Hügel und dessen Fortsätze wirkliche ungetheilte Nervensubstanz ist, wie ich oben: gezeigt zu haben glaube. Ich komme jetzt nach Erledigung der Frage nach dem Wie? der Nervenendigung zu dem zweiten Hauptpunkte, nämlich zu dem Wo? d. h. ob ausserhalb oder innerhalb des Muskels. Ich muss da- bei von vorneherein gestehen, dass ich lange Zeit geglaubt habe, der Doyere’sche Hügel senke sich in die Muskelsubstanz hinein und endige hier gewissermassen durch eine Verschmelzung der Muskel- und Nervenelemente, so dass sich keine Grenze zwischen dem Ende 1) Comptes rendus Tome LIX. No. 21. (21. Nov. 1864.) 118 Richard Greeff, der einen und dem Anfang der. ‚anderen ziehen liesse. ; Die unter dem Doyere’schen Hügel laufenden Muskelcontouren waren näm- lich in den meisten Fällen durch das dunkel und grobkörnige Proto- plasma des Ersteren so verdeckt, dass sie sich der Beobachtung ganz entzogen. Widerholte Untersuchungen haben mir: indessen die zweifel- lose Sicherheit gebracht, dass der Doyere’sche Hügel und. über- haupt die ganze eben beschriebene gangliöse Endausbreitung des Nerven in der That den äussern Umfang des Muskels bloss berührt, sich gewissermassen über ihn ergiesst, ohne an: irgend: einer Stelle in ihn einzudringen. Den besten Aufschluss ‚hierüber geben diejenigen Endigungen, die bloss mit schmaler langgezogener Sohle in reinem Profil an den Muskel herantreten. Man sieht alsdann auf das unzwei- deutigste die volle Contour des Muskels unter der ganzen Nerven- ausbreitung herlaufen. Ausserdem: wird jenes Verhalten aber auch noch durch folgende Beobachtung erhärtet: Wenn man einen Arctis- colden, der 1—2 mal 24 Stunden in luftleerem Wasser: (siehe ob.) gelegen hat und der also noch nicht sehr lange in das Stadium der Asphyxie übergegangen ist, unter, dem Mikroskope!) betrachtet, so tritt nach einiger Zeit der Beobachtung durch die Einwirkung der atmosphärischen Luft die Widererwachung ?) des Thierchens ein, und man beobachtet dabei, wenn wir von dem oben beschriebenen Bilde 1) Es ist dabei, wenn man sich nicht die schönsten Objeete vernichten will, die grösste Vorsicht zu empfehlen. In dem erstarrten ‘Thiere sind die Hautdecken und innern Organe sämmtlich äusserst gestreckt und gespannt, so dass oft der geringste Druck mittelst eines noch so feinen Deckgläschens hinreicht die Körperhüllen etc. zu sprengen, worauf jede weitere Beobach- tung rücksichtlich der obigen Verhältnisse sofort aufgehoben ist. Man thut desshalb wohl, kleinere feste Objecte (Sandkörnchen ete.) von der ungefähren Dicke des zu beobachtenden mit auf das Objectglas zu legen, um so den Druck auf das Thier zu beschränken. Ausgezeichnete Dienste leistet dabei eine sehr einfache Methode, die ich zuerst vor längerer Zeit bei Herrn Prof. R. Leuckart in Giessen sah: man streieht mit den Ecken des Deck- gläschens leise über ein Stück weichen Wachses, so dass kleine Partickelchen daran hängen bleiben und legt das Deckgläschen nun mit den Wachsstück- chen nach unten auf das Object. Dadurch wird erstens das Deckgläschen an seiner Stelle fixirt und zweitens der Druck auf das Objeet beschränkt, oder ganz aufgehoben, den man nebenbei bei der Weichheit des Wachses ‘ganz allmählig verstärken kann. | 2) Man kann diese Wiedererwachung dadurch beschleunigen, dass man die Thiere sofort in lufthaltiges d. h. gewöhnliches Wasser setzt, auf der andern Seite aber auch verlangsamen, wenn man sich ausgekochten Wassers zur Untersuchung bedient. Ueber das Nervensystem der Bärthierchen. 119 der Nervenendigung ausgehen, folgendes: Sobald die ersten Symtome des erwachenden Lebens eintreten (die in der Regel, wie schon früher erwähnt, durch die Bewegung einzelner Blutkörperchen eingeleitet werden), hellen sich das dunkelkörmige Protoplasma des Doyere'- schen Hügels und seiner Fortsätze, sowie auch zu gleicher Zeit die centralen Ganglien. etwas auf. Diese Aufhellung schreitet mit der Zunahme der: Lebenszeichen rasch voran, die Kerne erblassen eben- falls, so dass nun bald ein Zeitpunkt kommt, wo man bei genauer, ununterbrochener Beobachtung selbst an den Stellen, wo die Sohle des Nervenhügels den. Muskelumfang ganz umgreift, deutlich die Muskelcontouren innerhalb oder unter dem hell gewordenen Nerven- hügel verfolgen kann, besonders da die Muskeln weit länger und selbst dann noch sichtbar bleiben, wenn vom Nervensystem nichts mehr zu sehen ist. Diese Beobachtung gelingt allerdings nicht immer, da mit dem. Eintritt des Lebens, wie schon bemerkt, die grossen Blutkugeln sofort ihr wechselvolles Spiel beginnen und sich bald hier bald dort über die vom Auge fixirten Stellen ergiessen und dieselben verdecken. Um so leichter ist aber in der ersterwähnten Beobach- tung bei schmalem Ansatz des Hügels und in reiner Profilansicht das behauptete Verhältniss zu constatiren. Es bleibt jetzt noch ein mit der eben besprochenen Frage innig zusammenhängender und für den augenblicklichen, wenn ich so sagen soll, principiellen Stand der Frage nicht unwichtiger Punkt zu be- sprechen übrig, nämlich ob die Muskeln der Arctiscoiden ein Sarco- lemma, d. h. eme eigene bindegewebige Scheide besitzen oder nicht. Ich habe mich schon oben der Meinung zugeneigt, die ich hier bestimmter wiederholen möchte, dass einSarcolemma im gewöhn- lichen Sinne hier sicher nicht vorhanden ist. Fürs Erste fehlen die sonst stets beobachteten Kerne dieser bindegewebigen Membran hier vollkommen. Man könnte einwenden, es fehlten bei der Untersuchung auch die nöthigen Reagentien, um diese Kerne deut- licher hervortreten zu lassen. Dagegen muss ich geltend machen, dass gerade die Erstarrungsmethode das beste und sicherste Reagens ist, um alle Organe und Gewebe des Thieres, besonders die zelligen Elemente mit grösster Klarheit zur Anschauung zu bringen. Zum zweiten haben wir es hier nicht mit quergestreiften Muskeln zu thun, auch nicht mit einem Bündel von Fibrillen oder Muskelzellen, sondern mit einem einzigen homogenen contractilen Cylinder, der gewöhnlich in seinem Innern einen verhältnissmässig grossen ovalen 120 Richard Greeff, Kern erkennen lässt. Wir können somit wohl jeden einzelnen Mus- kel in Rücksicht auf seine Genese als meist aus einer einzigen Zelle hervorgegangen betrachten, die allerdings von einer Membran umgeben sein kann, aber keine der Muskelsubstanz fremde bin- desgewebige Scheide besitzt. Diese Membran wäre dann als eine blosse Cutieularbildung, von der Muskelsubstanz selbst ausgehend, oder als eine von letzterer abgeschiedene Grenzschicht anzusehen. Ich stütze mich dabei hauptsächlich auf ähnliche Beobachtungen und Auffassungen Leydig’s!) an vielen Wirbellosen (Stielmuskel der Vorticellen, den Muskeln der Hirudineen, Gephalopoden, Echmo- derinen ete.). Er betrachtet die Membran der Muskeln jener Thiere auch bloss als eine Abscheidung der Muskelzelle, die selbstständig geblieben ist. Gleiche Verhältnisse wie die vorliegenden finden sich auch unter den Helminthen besonders bei Echinorhynchen, wo sich die Muskeln ebenfalls als einzelne homogene Bänder oder Cylinder mit eingelagerten Kernen präsentiren?), ohne dass dieselben zu Bün- deln mit gemeinsamer Scheide vereinigt wären. Es würde also in Bezug auf unsere Arctiscoiden die Frage, ob der Nerv bei seiner Verbindung mit dem Muskel die Hülle des letzteren durchbohre oder nicht, wegfallen und sich bloss auf die vom contractilen Inhalte nicht wesentlich verschiedene Membran der mehr oder minder selbstständig gebliebenen einzelnen Muskel- zellen oder Cylinder beschränken. Es haben mich, wie ich aus- führlich erörtert, meine Untersuchungen bestimmt dahin geführt, dass die Nervenfaser jene Grenzschicht oder Membran nicht durch- bohre, sondern ausserhalb derselben endige. Auf diese Verhält- nisse, nämlich auf das Vorhandensein oder Fehlen einer eignen Mus- kelscheide und auf den histologischen Charakter der letzteren, möchte wohl, wie mir scheint, bei Prüfung der motorischen Ner- venenden besonders bei den wirbellosen Thieren ein besonderes Augenmerk zu richten sein. Mit der Beantwortung der Frage, ob der Nerv das Sarcolemma des Muskels durchbohre oder nicht, müsste wohl stets eine genaue Prüfung der Beschaffenheit des Sarcolemma’s selbst, ob dasselbe bindegewebiger Natur oder bloss Cuticularbildung oder endlich nur Zellmembran oder erhärtete Zellgrenze sei, Hand 1) Vom Bau d.thier. Körpers $. 82, Lehrbuch der Histologie 8. 133 u. ff. 2) Siehe meine Untersuch. üb. Echinorhynchus Miliaris Archivf. Naturg. XXX. Jahrg. I. Bd. S. 128. Ueber das Nervensystem der Bärthierchen. 121 in Hand oder vielmehr voraus gehen. Durch Leydigst) sind für diese Verhältnisse ganz neue Gesichtspunkte aufgestellt worden, denen sich auch A. Weissmann?) „angeschlossen hat, welcher letztere sogar geneigt zu sein scheint, die bindegewebige Natur des Sarco- lemma’s im Allgemeinen m Abrede zu stellen. Auf der andern Seite ist wohl das Material, trotz der vielen und sorgfältigen Arbeiten noch nicht reichlich und übersichtlich genug, um schon zu allge- ineinern und festen Anschauungen über die Endigungen der moto- rischen Nerven gelangen zu können; besonders sind für die wirbel- losen Thiere noch viele Lücken vorhanden. Und warum sollte nicht hier wie in allen Organen und Systemen des Thierreiches Reichthum und Mannigfaltigkeit in Form und Anordnung in den verschiedenen Thierklassen herrschen, ohne dass man vorläufig zu allgemeinern Sätzen emporsteigen könnte? Ist es nicht wohl denkbar, dass be- sonders bei den wirbellosen Thieren unter den obigen Gesichtspuncten in einigen Fällen der Nerv die Muskelmembran durchbohre, in andern ausserhalb derselben endige? Sämmtliche peripherische Nerven der Arctiscoiden sind nun nach der obigen Beschreibung mit Ausnahme der beiden Sinnesnerven dem Anschein nach, d. h. in Bezug auf ihre sichtbare Endigungsweise, Muskelnerven. Trotzdem ist es nun wohl nicht zweifelhaft, dass bei einem so entwickelten Nervensysteme wie das vorliegende ist, ein Theil desselben für die innern Organe und für die Haut bestimmt sei. Ich habe indessen mit Ausnahme der Endigungsweise an den Mus- keln keine andere Endigung der Nerven und auch keine direkte Verbreitung derselben an andere Organe finden können, selbst da nicht, wo ich sie bis zu den feinsten Ramificationen verfolgen konnte. Das Verhalten in Bezug hierauf ist kurz folgendes: Jeder Nerv lässt sich von seinem Ursprung an entweder direkt oder in einem seiner Aeste wenigstens bis zu einer Verbindung mit einem Muskel ver- folgen; meistentheils sind dieses aber, wie gesagt, die Fäden, die noch nicht durch wiederholte Theilungen viel von ihrer ursprüng- lichen Stärke verloren haben. Diese grösseren Aeste geben aber, bevor sie sich mit einem Muskel verbinden, wiederum weitere Aestchen ab, die zum Theil sofort aufs Neue an andere Muskeln treten, zum Theil aber auch in feine und feinste Zweige sich spalten, bis sie sich der 1) Vom Bau d. thier. Körp. S. 44 u. 71. 2) Zur Histologie der Muskeln. Zeitschr. f. rat. Med. XXI. Bd. S. 26. 122 Richard Greeft. Beobachtung entziehen. Möglicherweise sind diese letztern also als die sensibeln und sympathischen Nerven anzusehen; es wäre allerdings da- durch eine merkwürdige Verschmelzung undVereinfachung der verschie- denen Nervensphären gegeben, selbst wenn man annehmen wollte, dass die ursprünglichen Fasern aus feinsten Fibrillen beständen, die ihre ver- schiedenen Qualitäten schon von vorneherein aus ihren Gentren ent- nehmen und an den betreffenden Stellen abgeben. Schliesslich sei noch erwähnt, dass ich ausser den Arctiscoiden noch andere niedere Thiere, besonders Nematoden, Echinorhynchen und Räderthiere, auf die motorischen Nervenenden untersucht habe. Nur bei den letztern bin ich zu einem einigermassen befriedigenden Resultate gelangt. Es schien mir nämlich, dass die im Humus, Moose ete. vorkommenden, mit den Arctiscoiden denselben äussern Lebens- bedingungen unterworfenen und mit ihnen auch in mancher Hinsicht verwandten Räderthiere ebenfalls nach der oben beschriebenen Me- thode in einen Erstarrungszustand überzuführen seien, und ich habe mich darin nicht getäuscht: die Erstarrung gelingt vollkommen und eignet sich zur Untersuchung der übrigen Organisationsverhältnisse trefflich, nur tritt für die Untersuchungen der Nervenenden der Uebelstand ein, dass die Räderorgane während der Erstarrung ein- gezogen sind, wodurch die Muskeln des vordern Körpers und die vom Schlundganglion ausstrahlenden Nerven entweder gar nicht oder nur sehr unsicher zu verfolgen sind. Nichts destoweniger habe ich einigemale bei besonders durchsichtigen Thieren und vermittelst vorsichtiger Compression ganz ähnliche Bilder in Bezug auf. die Nervenenden gesehen wie bei den Arctiscoiden. Ueber das Nervensystem der Bärthierchen. 123 Erklärung der Abbildungen. bar. IV. Die erste Figur ist bei 300maliger, die übrigen sind sämmtlich bei eirca Kir 1. Fig. 2. Fig. 3. Fig. 4. 600maliger Vergrösserung gezeichnet. Das Nervensystem vom Arctiscon Milnei (Milnesium’ tardigradum). . Die beiden konischen Fortsätze am Kopfe (Geruchsorgane ?). . Augen. . Schlundkopf. g. Die 4 Bauchganglien. n. Die von letztern ausstrahlenden Nerven. m. Muskeln. e. Muskuläre Nervenendigungen. o. Längscomissuren der Ganglien. oo u » 9. Wuercomissuren. x Einzelnes Ganglion mit Nerven, Muskeln und Nerven- enden bei demselben Thiere. g. Ganelion. n. Nerv. e. Nervenendigung. m. Muskel. k. Muskelkörperchen. h. Gangliöse Ausbreitung auf dem Muskel. Ganglion mit eigenthümlicher Nervenausbreitung von einem Makrobiotus. nov. spee. (ohne Augen, sechs Papillen im Saugmunde, zwei zweitheilige Krallen 0,7 Mm. lang). . g. Ganglion. f. Eigenthümliche Anschwellung des Nerven mit einem Loch in der Mitte. 1. Weitere gangliöse Anschwellung. k. Muskelkerne. e. Nervenendigung. m. Muskel. Dichotomische Theilung eines Muskels und der heran- tretende Nerv; an der Theilungstelle tritt die nervöse Körner- substanz von einem Ast des Muskels auf den andern, den Zwischen- raum ausfüllend. Fig. 5 u. 6. Homogene Muskeleylinder mit Muskelkörperchen. Zur Kenntniss der Leuchtorgane von Lampyris splendidula., Vom Herausgeber. Hierzu Taf. V und VI. Es ist bekannt, dass das Licht, welches leuchtende Insecten ausstrahlen, von besonderen Leuchtorganen ausgeht, das ist von solchen Körpertheilen, welche den nicht leuchtenden Insecten fehlen und welche, wo sie vorhanden smd, anderen Zwecken als dem Leucht- geschäft nicht zu dienen scheinen. In dieser Hinsicht besteht ein Unterschied zwischen den lenchtenden Insecten und vielen leuch- tenden Thieren des Meeres, Mollusken, CGoelenteraten, Noc- tiluken u. A. Denn bei den Salpen leuchtet der ganze Eingeweide- knäuel, bei Coelenteraten und Noctiluken oft der grössere Theil des Körpers oder der ganze Körper. Zwar ist unsere Kenntniss der aussereuropäischen leuchtenden Insecten eine geringe, so dass es uns an strengen Beweisen für die Existenz besonderer Leuchtorgane in vielen einzelnen Fällen gebricht. Doch wenn wir von den einheimischen Lampyris-Arten auf die exoti- schen schliessen dürfen und die, wenn auch spärlichen, Angaben über Sitz und Ausdehnung der Lichtquelle bei anderen Leuchtkäfern z.B. den Elater-Arten Westindiens in Betracht ziehen, so scheint es, als wenn in der angedeuteten Beziehung eine Uebereinstimmung unter den leuchtenden Insecten herrsche. Wenn die anatomische Untersuchung zur Aufklärung der merk- würdigen und bisher unbekannten Vorgänge etwas beitragen kann, M. Schultze, Zur Kenntn. d. Leuchtorgane von Lampyris splendidula. 125 welche dem Leuchten lebender Thiere oder Thiertheile zu Grunde liegen, so erscheint zweifelsohne das Leuchtorgan eines Insectes ein geeigneteres Object als etwa der Körper einer leuchtenden Meduse, bei welcher fast alle Theile Licht entwickeln können. Um etwa characteristische anatomische Anordnungen kennen zu lernen, wer- den wir offenbar bei dem Organ, welches aller Wahrscheinlich- keit nach nur zum Leuchten bestimmt ist, anfangen müssen, und die Leuchtorgane der Insecten werden somit der geeignetste Ausgangspunct sein für eine Untersuchung, welche die Elementar- theile aufzuweisen strebt, an denen das Leuchtgeschäft abläuft. Wir sind weit entfernt eine genaue Kenntniss des Baues der Leuchtorgane auch nur eines einzigen leuchtenden Insectes zu besitzen. So benutzte ich die sich mir an meinem Wohnorte bietende Gelegenheit den Versuch zu machen, tiefer in den Bau der Leuchtorgane einzudringen, beschränkte mich dabei aber zunächst fast ausschliesslich auf die Untersuchung der bekanntlich lebhaft leuchtenden Männchen von Lampyris splendidula. Die vielen Schwierigkeiten, welche die Untersuchung bot, haben abschliesseude Resultate bisher zu erreichen verhindert. Wenn ich dennoch hier einige Mittheilungen zu veröffentlichen mich entschliesse, so geschieht dies wesentlich aus dem Grunde, dass Abbildungen über die selbst leichter zu erkennen- den Structurverhältnisse der Leuchtorgane von Lampyris noch gar nicht existiren, und ferner um eine Beobachtung bekannt zu machen, welche für das weitere Studium der Leuchtorgane von Bedeutung zu werden verspricht, nämlich die Entdeckung der merkwürdigen Ver- änderungen, welche lebendige Leuchtorgane in verdünnter Ösmium- säure (Ueberosmiumsäure) erleiden, und welche, wie ich bereits in den Sitzungsberichten der niederrheinischen Ges. für Natur- und Heilkunde zu Bonn vom 7. Juli und 4. August 1864 mitgetheilt habe !), der mikroskopischen Untersuchung in sehr auffallender Weise zu Hülfe kommen. Die Männchen von Lampyris splendidula besitzen zwei Leucht- organe, welche die Bauchseite des vor- und drittletzten Segmentes einnehmen. Sie werden bei Tage an ihrer weissen Farbe erkannt, mit welcher sie durch die über ihnen ganz durchsichtige Bauchhaut hindurch schimmern. ‚Jedes dieser Organe stellt eine dünne Platte 1) Verhandlungen des naturhistorischen Vereins d. preuss. Rheinlande und Westphalens, 21. Jahrg., Bonn 1864, Sitzungsber. p 61. 126 Max Schultze, dar. welche mit der ventralen Fläche der Bauchhaut unmittelbar anliest, mit der dorsalen an den Bauchnervenstrang und die Bauch- eingeweide angrenzt. Auch Muskelbündel, welche an der Innenseite der Chitinhaut jedes Segmentes liegen, stossen an die Leuchtorgane an, ohne sich jedoch mit ihnen direct za verbinden. Trotz ihrer Weicheit lassen sich die Platten bei einiger Vorsicht im frischen Zu- stande durch Präparation isoliren. Sie leuchten auch nach der- Iso- lirung noch lange fort, wenn sie mit Serum befeuchtet vor dem Eintrocknen geschützt werden. An den freigelegten Leuchtplatten überzeugt man sich leicht, dass die ventrale Fläche ungleich stärker leuchtet als die dorsale. Was bis vor Kurzem über die feinere Structur dieser Leucht- platten bekannt war, beschränkt sich auf die Angabe, dass sie dichte Anhäufungen einer feinkugeligen Masse darstellen, die mit Tracheen und Nerven durchzogen ist). Leydig erkannte eine Differenzirung der feinkörnigen Grund- masse in Zellen und bildete diese letzteren ab ?). Seiner Ansicht, dass diese Zellen wesentlich Theile des Fettkörpers des Insectes seien, widersprach Kölliker, dem wir sodann genauere Angaben über die Structur der Leuchtorgane verdanken ?), welche auch die einzigen bis heute geblieben sind. Denn C. Lindemann’s »Ana- tomische Untersuchung über die Structur des Leuchtorganes von Lampyris splendidula« *) muss als eine gänzlich misslungene Arbeit bezeichnet werden. Nach Text und Abbildungen derselben zu schliessen sind die von Lindemann als »Leuchtkörper« beschriebenen Ge- bilde die drei letzten Ganglien des Bauchnervenstranges, aber keine Theile des Leuchtorganes. Kölliker gab namentlich genauere Mittheilungen über die zelligen Elemente der Leuchtorgane, die er m blasse und weisse Parenchymzellen unterscheidet. Er beschreibt ihre Lage, ihr Aussehen und ihre chemische Beschaffenheit, und machte bezüglich letzterer die wichtige Beobachtung, dass der Inhalt der weissen Zellen wesent- 1) C. A. 8. Schultze, Systematisches Lehrbuch der vergleichenden Anatomie, Abth. 1, 1828, p. 181. 2) Lehrbuch der Histologie, 1857, p. 343, Fig. 183. 3) Monatsberichte der Akademie d. Wiss. zu Berlin, 1857, p. 392. Ver- handl. d. Würzburger phys. mediein. Ges. Bd. VIII, Sitzung v. 27. Juni 1857. 4) Bulletin de la soc. imper. des naturalistes de Moscou, 1863, No. IV. Tom. XXXVI, p.437. Zur Kenntniss der Leuchtorgane von Lampyris splendidula. 127 lich aus Ablagerungen eines harnsauren Salzes, wahrschein- lich harnsauren Ammoniaks, besteht, aus welchem durch Zusatz von Säuren die characteristischen Harnsäure-Krystalle anschiessen. Auch betont Kölliker sehr richtig, dass die blassen Zellen, welche wesentlich aus einer Fiweisssubstanz bestehen, und nicht die weissen die leuchtenden Theile seien. Von den Tracheen, die sich sehr reichlich zwischen den Zellen verästeln, meint Kölliker dass sie an ihren Enden schlingenförmig untereinander zusammen zu hängen scheinen. Das Ende der Nerven vermochte er nicht zu erforschen, schliesst jedoch aus seinen und älteren physiologischen Experimenten, dass die Leuchtorgane »nervöse Apparate« seien, »die ihre nächsten Analoga in den electrischen Organen finden möchten.« Geht man die zahlreichen Experimente durch, welche ältere und neuere Beobachter über das Leuchten der Lampyris-Arten an- stellten, wie sie unter Anderen in den so gründlichen wie anziehen- den Zusammenstellungen von Tiedemann in seiner Physiologie der Menschen Bd. 1.1830, p. 497-508, und bei MilneEdwards in dessen bewunderungswürdigen Lecons sur la physiologie et l’ana- tomie comparee Toın. 1863, p. 95—106 nachgesehen werden können, so ergiebt sich zweierlei, 1) dass zum Leuchten der Sauerstoff unumgänglich nothwendig sei und 2), dass das Nervensystem einen deutlichen Einfluss auf die Thätigkeit der Leuchtorgane aus- übe. Da nun weiter die Versuche, Phosphor oder einen anderen Leuehtstoff aus den Leuchtorganen auf chemischem Wege zu isoliren, ein’ durchaus negatives Resultat gehabt haben, so tritt an den Ana- tomen vor allen Dingen die Aufgabe heran, die Ausbreitung und die Endigungsweise der Tracheen und Nerven, und deren Be- ziehung zu den Parenchymzellen zu studiren. Von diesem Gesichts- punkte aus unternahm ich die Untersuchungen, über deren Resultate in Folgendem berichtet werden soll. Jede der beiden Leuchtplatten der männlichen Lampyris splen- didula lässt zwei im feineren Bau verschiedene Schichten unterschei- den, eine ventrale und eine dorsale, welche ziemlich die glei- che Dicke besitzen, innig untereinander zusammenhängen, doch aber auf Querschnitten ziemlich scharf voneinander abgesetzt erscheinen. (Vergl. Fig. 1.) Die ventrale Schicht ist gelblich durchscheinend und besteht aus einer femkörnigen organischen Substanz von zähschleimiger Gon- sistenz. In ihr erkennt man schon bei schwacher Vergrösserung 128 Max Schultze, lufthaltige Tracheenverzweigungen (bb Fig. 1). Die dorsale Schicht ist ganz undurchsichtig, bei auffallendem Lichte weiss, und ver- dankt ihre Undurchsichtiekeit einer diehten Anhäufung sehr. stark lichtbrechender kleiner Körnchen, welche bei jeder Verletzung des Organes sich aus der weichen Grundlage, in welche sie ein- gebettet sind, sehr leicht isoliren und dann unter lebhafter Mole- kularbewegung massenhaft in der umgebenden Flüssigkeit suspendirt herumschwimmen. In sie treten von der dorsalen Seite her grössere Tracheenstämme (d, d) und Nervenästchen (e, e) ein, können aber in- nerhalb derselben der Undurchsichtigkeit der Substanz wegen nicht verfolgt werden. Zum grössten Theil durchsetzen sie diese Schicht, um in der erstgenannten ventralen ihre Endverästelung zu finden. An Schnitten wie der abgebildete, die. in Serum angefertigt werden, lässt sich bei abwechselnder Beobachtung mittelst Lampen- licht und bei Verfinsterung des Zimmers unter Anwendung schwacher Vergrösserungen leicht erkennen, dass von der undurchsichtigen Schicht keinerlei Lichtentwickelung ausgeht, vielmehr nur die durchsichtigere ventrale Substanz leuchtet. Solche Schnitte oder Zerzupfungspräpa- rate zeigen oft noch viele Stunden nach der Anfertigung deutliche Lichterscheinungen. Beide Schichten bestehen, wie schon Kölliker angab, wesent- lich aus Zellen. Doch ist im frischen Zustande der Organe, selbst an dünnsten Schichten und auf das sorgfältigste in Serum zerzupf- ten Präparaten, von diesen Zellen nicht viel zu sehen. Noch am ersten ist der zellige Bau an der ventralen Substanz zu erkennen, wie das in Fig. 2. abgebildete bei 500 mal. Vergrösserung gezeichnete Präparat erweist, an welchem die kuglig vorspringenden Wülste und die hellen Flecke in der feinkörnigen Substanz keinen Zweifel über die Deutung lassen. Seltener gewinnt man an frischen Präparaten der dorsalen Schicht ähnliche Bilder. Die dunkeln Körnchen verdecken meist jede Spur von Kern, so dass Zellen, wie die eine der in Fig. 3. abgebil- deten, zu den Ausnahmen gehören. Leichter ist, wenigstens an der ventralen Schicht, die Zusammensetzung aus Zellen an solchen Prä,-, paraten zu erweisen, welche der langsamen Erhärtung in Lösungen von Chromsäure, Kali bichromiecum, Osmiumsäure, Oxalsäure oder Jodserum ausgesetzt waren. Meist schon nach kurzem Verweilen in diesen Flüssigkeiten lösen sich die betreffenden Zellen leicht von- einander und erscheinen jetzt, wie in Fig. 4 und 6, als polyedrische, Zur Kenntniss der Leuchtorgane von Lampyris splendidula. 129 nach den drei Dimensionen des Raumes ziemlich gleichmässig ent- wickelte Körper mit oft recht scharf abgesetzten Flächen und Kanten, hie und da mit kurzen feinkörnigen Fortsätzen an den Ecken. Die Substanz dieser Zellen verhält sich gegen Reagentien ganz wie eine zähflüssige Eiweisssubstanz. Es ist ein sehr ‚dichtes Protoplasma, welches den Hauptbestandtheil der Zellen ausmacht, ein verhält- nissmässig kleiner, kugliger Kern liegt in dessen Innerem, welcher aber, verdeckt durch die dichtkörnige Umgebung, an erhärteten Präparaten nicht immer deutlich hervortritt. Garmin und Anilin- lösungen färben diese Zellen sehr intensiv. Von einer Membran ist an ihnen nichts zu entdecken. Minder deutlich ist durch Reagentien an der dorsalen Schicht die feinere Structur aufzuklären. Dass die in ihr massenhaft abge- lagerten kleinen dunkeln Körnchen, welche beim Zerzupfen in Flüssig- keiten unter lebhafter Molekularbewegung frei werden, durch eine zähflüssige schleimige Substanz zusammengehalten sind, lässt sich bei Untersuchung in Serum erkennen. Zusatz verdünnter Essigsäure oder Salzsäure macht die Körnchen alsbald verschwinden. Aber an ihrer Stelle treten kleine Krystalle in solcher Masse auf, dass .da- durch eine genauere Untersuchung der Grundsubstanz verhindert wird. Und löst man die Krystalle in Kali- oder Natronlauge, so er- blasst das Substrat der Art, dass auch die nach dem oben Ange- führten wahrscheinlich immer vorhandenen Kerne schwinden. Was uns an dieser dorsalen Schicht am meisten interessiren muss ist der Umstand, dass, wie Kölliker fand, die molekulären Körnchen der- selben Harnsäure enthalten... Die durch Zusatz von verdünnter Essig- oder Salzsäure entstehenden Krystalle zeigen die bekannten Formen der Harnsäure, und die Löslichkeitsverhältnisse dieser Kry- stalle sowie die Murexidprobe geben weitere Beweise. Auf eine Be- stimmung der mit der Harnsäure etwa verbundenen Basis bin ich nicht eingegangen. Kölliker entscheidet sich nach dem Auftreten von Salmiakarborisationen nach Zusatz von Salzsäure und daraus, dass die weisse Masse beim Glühen keinen Rückstand hinterlässt, für Ammoniak. Es liegt nahe, die feinkörnige Masse, welche die dorsale Schicht der Leuchtorgane erfüllt, für einen amorphen Körper zu halten. “Die Untersuchung mittelst des Polarisations- apparates lehrt aber, dass jedes der kleinen Körnchen das Licht sehr stark doppelt bricht. Ihre geringe Grösse lässt zwar krystal- linische Structur auch bei Anwendung starker Vergrösserungen nicht M. Schultze, Archiv f. mikrosk. Anatomie. I. Bd. 9 130 Max Schultze, deutlich erkennen, dennoch kann es nach dem optische Verhalten keinem Zweifel unterliegen, dass hier Krystalle vorliegen. Bekannt- lich kommen nach Kölliker's und Leydig’s Untersuchungen t) kuglige Ablagerungen von harnsaurem Natron und Ammoniak in den Fettkörperzellen vieler Insecten vor. Die grösseren derselben sind radiär streifig und brechen das Licht stark doppelt, dürfen also als strahlig krystallinisch angesehen werden. . Die kleinsten lassen krystal- linische Structur nicht mehr erkennen, gleichen aber in ihrem’ op- tischen Verhalten ganz den grösseren und den Körnchen der Leucht- organe, so dass auch sie unzweifelhaft als krystallinisch gelten müssen. Der Polarisationsapparat giebt ein vortreffliches Mittel ab, die kry- stallinischen Körnchen des harnsauren Salzes von anderen, ähnlich aussehenden Körperchen zu unterscheiden. Mit seiner Hülfe lässt sich denn sogleich constatiren, dass in dem durchsichtigen ventralen Theil der Leuchtplatte keine Spur von harnsauren Ablagerungen vorhanden ist. Danun die Liehtentwickelung ausschliesslich an diesem ventralen Theil zu Tage tritt, müssen trotz ihres innigen Zusammen- hanges die beiden Schichten der Platte doch als wesentlich verschie- dene betrachtet werden. Ich will desshalb die sie constituirenden Zellen durch verschiedene Namen unterscheiden, und die der ven- tralen Schicht die Parenchymzellen des Leuchtorganes, die der dorsalen die Uratzellen nennen. Damit lassen wir die Möglichkeit offen, dass Uebergänge zwischen beiden vorkommen, z. B. Parenchym- zellen sich im Laufe der Zeit in Uratzellen verwandeln. Von besonderer Wichtigkeit erschien uns die Frage nach dem Verhalten der Tracheen und Nerven in den Leuchtplatten. Was zunächst die Tracheen betrifft, so ist es leicht, ihre Verästelung zwischen den Parenchymzellen zu verfolgen, so lange sie von Luft erfüllt sind. Die reichlichen baumförmigen Verästelungen bieten nichts Auffallendes dar, was sie von den Tracheen anderer Organe unter- schiede. Schlingenförmige Verbindungen fehlen ganz. Sehr schwierig ist dagegen die Erforschung des nicht mehr mit Luft gefüllten letzten Endes der Tracheen. Um hier zum Ziele zu gelangen müssen Mace- rationsmittel angewandt werden, welche bei gleichzeitiger Erhaltung der Elementartheile eine Lockerung derselben erzeugen, so dass eine vollständige Isolirung der Tracheenenden möglich wird. Unter den 1) Vergl. u. A. Archiv für Anatomie, Physiologie ete. von Reichert und du Bois Reymond, 1863, p. 192. Zur Kenntniss der Leuchtorgane von Lampyris splendidula. 131 zu diesem Behufe angewandten Flüssigkeiten haben die concentrirte Oxalsäurelösung und das Jodserum , beide von mir schon früher zu ähnlichen Zwecken empfohlen, die besten Dienste geleistet. Eine ein- bis zweitägige Maceration in diesen Flüssigkeiten genügt, denjenigen Grad von Auflockerung zu erzielen, dass beim Zerlegen der Leucht- organe mit Nadeln die Parenchymzellen einzeln von einander fallen, und die Tracheenverästelungen mehr oder weniger vollständig frei werden. Im günstigsten Falle erhält man ein Bild wie in Fig. 4. dar- gestellt ist. Das Tracheenstämmchen aa ist bis an seine Endäste vollkommen isolirt. Die Spiralfaser reicht soweit, als Luft in dem Röhrchen enthalten ist, darüber hinaus setzt sich die Röhre in ein sehr blasses Fäserchen fort, welches ein fein granulirtes Ansehen hat und nicht mehr hohl zu sein scheint, sich schnell verdiekt und in einen kleinen sternförmigen Körper übergeht, welcher das Ende des Tracheenästchens darstellt. Die Substanz, aus welcher dieses stern- förmige Endgebilde der 'Trachee besteht, ist eine farblose granulirte Masse, von gleicher Beschaffenheit wie die Fortsätze, die zu 4 bis 6 oder mehr nach verschiedenen Richtungen ausstrahlen, und von denen immer nur einer mit einem Tracheenästchen in Verbindung steht. Das Innere umschliesst, wie es scheint constant, einen kleinen ovalen oder kugligen Kern, so dass wir berechtigt sind, die Gebilde als Zellen zu betrachten, deren Protoplasma jedoch eine Abgrenzung durch eine besondere Membran abzugeben scheint. Sollen wir sie mit bekannten Zellenformen vergleichen, .so würden die kleinen Ganglienzellen der grauen Rinde des Hirnes von Säugethieren oder vom Menschen als sehr ähnlich anzuführen sein. Um die Natur der von ihnen ausgehenden Fortsätze etwas genauer zu studiren bedarf es einer sehr starken Vergrösserung. Mit Hülfe einer solchen bemerkt man, dass die meisten derselben fein zugespitzt oder wie abgerissen aufhören, dass einzelne sich vor- her theilen, dass bezüglich ihrer feineren Structur aber eine Ver- schiedenheit, den Tracheenstiel abgerechnet, nicht obzuwalten scheint. Eine Verbindung der Fortsätze benachbarter Zellen untereinander habe ich nie gesehen. “Dagegen erscheint es mir nicht unwahr- scheinlich, dass der Zusammenhang, welchen ich wiederholt zwischen einzelnen dieser sternförmigen Zellen und Parenchymzellen be- merkte, auf einer Verbindung beider mittelst ihrer Fortsätze beruhe. Es wurde oben bemerkt, dass die Parenchymzellen oft an ihren Ecken kurze fein granulirte Fortsätze besitzen. Dieselben gleichen 132 Max Schultze, denen der Tracheenendzellen der Art, dass bei Beurtheilung: solcher Bilder, wie Fig. 5 darstellt, wo eine Parenchymzelle in so inniger Verbindung mit einer Tracheenzelle liegt, dass der‘ Zusammenhang durch Aufdrücken auf das Deckglas des Präparates und dadurch erzeugte Strömung in der Flüssigkeit nicht gelöst werden konnte, der Gedanke an eine Verwachsung beider mittelst ihrer Fortsätze sehr nahe liegt. Die äusserste Zartheit letzterer und ihre leichte Zerstörbarkeit mögen den Grund abgeben, wesshalb der Zusammen- hang nicht noch deutlicher erkannt worden. Wo die Parenchymzellen an Macerationspräparaten gruppenweise fester untereinander zusammenhängen, so dass die Tracheenveräste- lungen nicht frei herausgewaschen werden ‘können, gelingt es nur ausnahmsweise eine Andeutung der zwischen ihnen gelegenen zarten sternförmigen Tracheenzellen zu sehen (vergl. Fig. 4b b). Im frischen Zustande oder bei Behandlung mit anderen gebräuchlichen Reagentien, als den genannten, vermochte ich nie deutliche Bilder derselben zu erhalten, Dagegen ergaben sich neue grosse Vortheile aus der An- wendung eines neuen Reagens, der Osmiumsäure OsÖ,, neuer- dings Ueberosmiumsäure genannt. Aus der wässrigen Lösung dieser Säure scheiden leichtoxydirbare Stoffe, auch viele organische Substanzen, einen schwarzen oder schwarzblauen Körper ab, eine niedrigere Oxydationsstufe des Osmium oder auch das Metall selbst. Prof. Franz Schulze in Rostock sandte mir vor längerer Zeit von dieser Säure in stark verdünnter Lösung mit der Aufforderung, sie bei mikroskopischen Untersuchungen zu verwenden, indem nach seinen Beobachtungen verschiedene Gewebselemente verschieden reducirend auf die Säure einwirkten. Nach vorläufiger Orientirung über die Wirkung derselben auf thierische Gewebe und mit dem Studium der Leuchtorgane beschäftigt, musste sich mir die Frage aufdrängen, ob nicht der während des Leuchtens nachgewiesenermaassen stattfin- dende, gewiss verhältnissmässig grosse Sauerstoffverbrauch sich auch in eigenthümlicher Weise der Ueberosmiumsäure gegenüber äussern werde. Es wurden also lebende und leuchtende Thiere in die Säure- lösung gelegt, und schon nach wenigen Stunden, während welcher die Thiere allmählig abgestorben waren, zeigte sich der Einfluss der Säure in überraschendster Weise. Während in den Parenchymzellen des Leuchtorganes und in anderen Körpertheilen noch kaum Spuren einer Reduction von Osmium zu bemerken waren, hatten sich die Tracheenzellen sämmtlich tief schwarz gefärbt. Vor- Zur Konntniss der Leuchtorgane von Lampyris splendidula. 133 her in situ gänzlich unsichtbar traten sie jetzt schon an den unver- letzten Leuchtorganen mit einer Schärfe hervor, dass Zahl und Lage- rung derselben auf das leichteste schon mit schwächeren Vergrösse- rungen übersehen werden konnte. Fig. 8. giebt ein bei 300 mal. Vergrösserung gezeichnetes Bild eines kleinen Abschnittes der ventralen Fläche eines so veränderten Leuchtorganes. Die Parenchymzellen sind etwas bräunlich gefärbt und wohl begrenzt zu erkennen. Zwischen ihnen liegen in regelmässiger Vertheilung die durch redueirtes Osmium schwarzgefärbten Tracheenzellen, mit ihren Ausläufern in die Zwischen- räume der Parenchymzellen eingreifend. Zwischen den oberflächlich gelegenen schimmern tiefere durch, und benachbarte sieht man öfter durch kurze, mit Luft gefüllte, also sehr dunkel contourirte Tracheen- endverästelungen untereinander zusammenhängen. Wie kleine Blüthen an einem vielverzweigten Blüthenstiele, so sitzen die schwarzen Zellen dem gemeinsamen Tracheenstamme auf. Mit der grössten Leichtigkeit erhält man nun durch Zerzupfen solcher Präparate mit Nadeln ähn- liche und noch viel vollständigere Bilder der Tracheen als sie aus der Oxalsäure in Fig. 4. dargestellt sind. Denn die Osmiumsäure macerirt zugleich die Kittsubstanz und begünstigt eine Isolirung der Elemen- tartheile. Auf solche Weise aus dem Zusammenhange gelöste Tra- cheenendzellen sind in Fig. 9. bei 800 facher Vergrösserung abgebildet. Die schwarze Färbung ist eine gleichmässig diffuse und verhindert die feinere Structur des Protoplasma zu erkennen; auch von den Zellenkernen sieht man nichts. Sie setzt sich wenn auch meist mit abnehmender Intensität in die Ausläufer des Zellenkörpers fort und erleichtert die Verfolgung derselben ausserordentlich. Einige der Ausläufer scheinen mit ungemein fein ausgezogenen Enden frei auf- zuhören (Fig. 9a.), andere enden abgerissen oder abgestutzt. Ana- stomosen der Ausläufer unteremander sah ich nie, ebensowenig Ver- bindungen mit den Fortsätzen der Parenchymzellen. Ich zweifle nicht, dass es durch weitere Untersuchungen mittelst der Ueberosmiumsäure gelingen werde, über das endliche Schicksal dieser Zellenfortsätze noch mehr auszumitteln. Meine bisherigen Versuche fielen in das Ende der Flugzeit und konnten nur noch mit wenigen Thieren und nur mit einer 500 bis 1000 fach. verdünnten Lösung der Säure, wie sie mir allein zu Gebote stand, angestellt werden. Die schwarze Färbung der Tracheenzellen tritt nur ein an lebend und leuchtend eingelegten Thieren, sie bleibt aus bei abgestorbenen oder solchen Individuen, welche vorher in anderen 134 Max Schultze, conservirenden Flüssigkeiten lagen wie Spiritus, Oxalsäure, Jodserum ete. Um die besprochene Färbung zu beobachten, genügt es, den von einem leuchtenden Thiere abgeschnittenen und noch fortleuchtenden Hinterleib in die Ueberosmiumsäure zu bringen. Nach einigen Stunden ist die erwünschte Färbung vorhanden. Hiernach kann es keinem /weifel unterliegen, dass die Färbung auf dem auch in der Osmium- säure noch einige Zeit fortdauernden Sauerstoffverbrauch der Leucht- organe beruht, welcher zunächst und am intensivsten in den Tra- cheenzellen stattfindet, denen die Säure durch die lufthaltigen Tracheen zugeführt wird. Da sich diese Gefässe aber auch noch nach demVer- suche mit Luft gefüllt zeigen, so werden wir annehmen müssen, dass die Osmiumsäure in gasförmigem Zustande zu den Tracheenendzellen gelangt, was bei der bekannten grossen Flüchtigkeit dieser Säure, welche sich auch in dem stechenden, die Respirationsorgane sehr belästigenden Geruche derselben documentirt, keinem Bedenken un- terliegen kann. Auch in anderen Organen als den Leuchtorganen färben sich Tracheenenden lebend eingelegter 'Thiere schnell schwarz, ‘während die Wirkung auf die übrigen, durch die Chitinhaut gedeckten weichen Körpertheile erst viel später eintritt. ‘Ich behalte mir für eine andere Gelegenheit die Schilderung der Veränderung vor, welche die Ueberosmiumsäure in verschiedenen Geweben erzeugt und erwähne nur, dass vorzugsweise die eiweissartigen Substanzen und die Fette durch sie schwarz gefärbt werden. So tritt nach längerem Verweilen der treipräparirten Leuchtorgane in der Ueberosmiumsäure eine tief schwarze Farbe auch der Parenchymzellen auf. Diese ist aber 'unab- hängig von dem Umstande, ob die Theile lebendig oder todt ein- gelegt wurden. Zeichnen sich die Tracheenendzellen der: Ueberosmiumsäure gegenüber durch eine grosse Verwandtschaft zum Sauerstoff aus, so hegt es nahe, ihnen auch beim Leuchtgeschäft eme hervorragende kolle zuzuweisen. In dieser Hinsicht ist folgender Umstand von In- teresse. ‚Beobachtet man männliche Thiere von Lampyris splendidula während des Leuchtens zur Nachtzeit mit schwachen Vergrösserungen des Mikroskopes, so bemerkt man, dass mit dem rhytmischen An- und Abschwellen des Lichtes, welches diese Thiere meist deutlich zeigen, das erste Auftreten des Lichtes in: einem Auffunkeln kleiner im Leuchtorgan zerstreuter Punkte besteht, deren Zahl und: Anord- nung ‚etwa der der Tracheenendzellen, wie wir sie an Osmiumprä- Zur Kenntniss der Leuchtorgane von Lampyris splendidula. 135 paraten kennen gelernt haben, entspricht. Erst nach dem Auftreten dieser Lichtpunkte verbreitet sich das Licht mehr gleichmässig über die ganze Oberfläche des Organes, um dann beim Nachlassen wieder am längsten an zerstreute Liehtpunkte gebunden zu sein. Die auf der Höhe des Lichteffeetes statthabende gleichmässige Verbrei- tung: des Leuchtens beweist zwar, wie ich glaube, die auch sonst wahrscheinliche Theilnahme auchderParenchymzellen am Leucht- geschäft, aber das Aufleuchten in einzelnen zerstreuten Punkten regt die Frage an, ob nicht die Tracheenzellen es sind, an welche zuerst die Lichtentwickelung gebunden ist, von welchen aus sie sich dann erst auf die Parenchymzellen verbreitet. Hier muss sogleich erwähnt werden, dass sternförmige Tracheen- zellen nach Art der beschriebenen auch an anderen Stellen des In- sectenkörpers vorkommen, dass also in ihrer Anwesenheit allein etwas für die. Leuchtorgane Charakteristisches noch nicht gegeben ist....So viel ich weiss ist freilich nur eine einzige einschlägige Beo- bachtung bekannt, diese rührt von Leydig her, welcher in seiner Monographie der durchsichtigen Larve von Corethra plumicornis (Zeitschr. f. wiss. Zoologie Bd. 3, 1851, p. 445; wiederholt in seinem Lehrbuch der Histologie p. 358) zarte sternförmige Zellen in dem (sewebe der Unterhaut als Tracheenendzellen beschreibt. Nach meinen Untersuchungen mittelst der Ueberosmiumsäure stellt sich diese Art der Tracheenendigung, wie sich erwarten liess, als weiter verbreitet heraus. So sah ich sie z. B. sehr deutlich in den Wandungen der Samenschläuche von Lampyris. Charakteristisch für die beschriebenen Leuchtorgane scheint dagegen die ungeheure Menge der Tracheenzellen auf kleinem Raum. Bezüglieh der Nerven der Leuchtorgane habe ich schliesslich Folgendes anzuführen. Die aus den letzten Ganglien des Bauchner- venstranges entspringenden Nervenstämmchen, welche von der dor- salen Seite her in die Leuchtorgane eintreten, unterscheiden sich in ihrer feineren Structur nicht von anderen Nerven des Körpers. Es sind fein längsgestreifte und feinkörnige Faserbündel mit kernhaltiger Scheide. Sie verzweigen sich innerhalb des Leuchtorganes zwischen den Parenchymzellen in stark divergirend auseinander tretende, immer feiner werdende Aeste, die endlich dem Beobachter entschwinden. Kölliker erwähnt kernhaltiger Anschwellungen an den Nerven, von denen 2—5 Aeste ausstrahlen. Mir ist als Regel die dichotomi- sche Theilung vorgekommen, und von zellenartigen Einlagerungen 136 Max Schultze, in die Nervenäste sah ich nie etwas. Die Isolirung der Nerven ge- lingt durch Zerzupfen schon im ganz frischen Zustande in Jodserum, besser an mit Oxalsäure behandelten Leuchtorganen. Die feinsten Aestehen (Fig. 2 und 6) erreichen die Grenze des Messbaren, ihr endliches Schicksal ist mir ebenso wie Kölliker unbekannt geblieben. Nach Aussehen und Beschaffenheit der letzten sichtbaren Enden kann an einen Zusammenhang derselben mit den Ausläufern der Paren- chymzellen sowohl als der Tracheenendzellen gedacht werden. Es liest mir jedoch keine sichere Beobachtung über einen solchen Zu- sammenhang vor. Beim Zerlegen der letzten Segmente der Lampyris-Männchen und dem Isoliren der an den letzten Bauchganglien entspringenden Nerven erhält man sehr oft Präparate wie das in Fig. 7. gezeichnete. Es stellt diese Figur einen Nervenast dar, welcher an seinem Ende in eiförmige zellenartige Körperchen ausgeht, die wie Beeren an Stielen ansitzen. Diese Art der Nervenendigung hat mit dem Leucht- organ nichts zu thun, sie gehört der Haut des Körpers an, und stimmt mit den von Leydig an verschiedenen Orten gegebenen Dar- stellungen über Hautnervenenden bei Athropoden überein. Es wird nun die nächste Aufgabe sein, auch bei anderen leuch- tenden Inseeten mit den hier zur Anwendung gekommenen Methoden die Leuchtorgane zu untersuchen, und festzustellen, was gemeinsam und was den verschiedenen Species und Geschlechtern eigenthümlich sei. Nach den Angaben Köllikers, welcher von Lampyris noctiluca und splendidula beide Geschlechter beobachtete, findet sich bezüglich der Parenchymzellen der Leuchtorgane viel Uebereinstimmendes. Nach den wenigen an Weibchen der genannten Species angestellten Untersuchungen, welche ich ausführte, kommen auch die Tracheen- endzellen in den Leuchtplatten der letzten Bauchsegmente beim Weib- chen ähnlich wie beim Männchen vor. Die kleinen linsenförmigen Leuchtorgane der Körperseiten dagegen scheinen sich abweichend zu verhalten. Wenigstens vermochte ich mittelst der Osmiumsäure in ihnen nur pinselförmige Endausstrahlungen der Tracheen aufzufinden. Doch sind diese Untersuchungen unabgeschlossen geblieben. Aeusserst erwünscht wäre es natürlich, wenn auch ausländische Lampyris-Arten und die zahlreichen anderen leuchtenden Insecten der Tropen der Osmiumreaction unterworfen würden. Es genügt, wenn die Thiere leuchtend in ein Fläschehen mit verdünnter Ueberosmiumsäure ein- gelegt und nach 24 Stunden in starken Spiritus gebracht ‘werden, Zur Kenntniss der Leuchtorgane von Lampyris splendidula. 137 in welchem sie dann bis zur mikroskopischen Untersuchung beliebig Jange aufbewahrt werden können. Für den Fall, dass einer der ge- ehrten Leser dieses Aufsatzes Gelegenheit hätte in andern Welttheilen Sammlungen leuchtender Insecten in der angedeuteten Weise anstellen zu lassen, wäre ich gern erbötig, die schwierig zu beschaffende Ueber- osmiumsäure in der betreffenden Lösung zu übersenden. Erklärung der Abbildungen auf Taf.V und VI. Fig. 1. Sagittaler Durchschnitt durch eine Leuchtplatte des Männchens von Lampyris splendidula. Vergr. etwa 80. aa die durchsichtige Bauch- haut; bb ventrale Schicht der Leuchtplatte mit Tracheenveräste- lungen; cc dorsale undurchsichtige, bei auffallendem Lichte weiss aussehende Schicht; dd Tracheenstämme; ee Nerven. » 2. Kleiner Theil des in Jodserum frisch zerzupften ventralen Abschnit- tes des Leuchtorganes. Vergr.500. a Nerv. » 3. Zellen aus dem dorsalen Theil des Leuchtorganes, vollgepfropft voll Körnchen eines harnsauren Salzes. Vergr. 500. » 4. Theil eines in concentrirter Oxalsäurelösung macerirten Leuchtor- ganes. aa Isolirtes Tracheenbäumchen mit Endzellen; bb Paren- chymzellen, zwischen denen auch ein kleines Tracheenästchen ver- läuft. Vergr. 400. >» 5. Isolirtes Tracheenästchen mit Endzellen. Eine der letzteren liegt einer Parenchymzelle dicht an. Vergr. 700. » 6. Nervenästchen aus einem mit ÖOxalsäure macerirten Leuchtorgan, daneben einige Parenchymzellen. Vergr. 500. » 7. Eundverästelung und Endkörper eines Hautnerven von Lampyris, . frisch in Jodserum. Vergr. 700. » 8. Theil eines mit der ventralen Fläche dem Beobachter zugekehrten unversehrten Leuchtorganes von Lampyris splendidula X‘ nach mehr- stündiger Einwirkung einer Lösung von Ueberosmiumsäure auf das leuchtend eingelegte Thier. Zwischen den Parenchymzellen, welche deutlich einzeln erkennbar und etwas bräunlich gefärbt sind, liegen die durch reducirtes Osmium schwarz gefärbten Tracheenendzellen, zu denen von der dorsalen Seite her die Tracheen herantreten. Vergr. 400. » 9. Mit Osmium gefärbte Tracheenendzellen desselben Leuchtorganes isolirt, a vom Rande der Organes, b aus der Mitte. Vergr. 800. Zur Histologie der Cestoden. Von Dr. Eduard Rindfleisch, Professor in Zürich. Hierzu Taf, VII, Fig. 1—5. Die vorliegende Mittheilung hat den doppelten Zweck, eines- theils den Fachgenossen ein neues Hülfsmittel mikroskopischer Unter- suchungen anzuempfehlen, andererseits einige Detailbeobachtungen betreffend das Parenchym der Taenia solium mitzutheilen. Das Nelkenöl ist zum Aufhellen mikroskopischer Präparate, soviel ich weiss, noch von keiner Seite so angelegentlich empfohlen worden, als es diese Substanz verdient. Es findet seine Verwendung in der bekannten Clark e’schen Präparationsmethode und unterschei- det sich vom Terpentinöl, dem es im Uebrigen analog ist, dadurch, dass es sich mit Alkohol, wenn derselbe nicht gar zu wässrig ist, besonders aber mit absolutem Alkohol mischt. Wir brauchen daher die mit carminsaurem Amoniak gefärbten Schnitte nur kurze Zeit (etwa 3 Minuten) in absolutem Alkohol liegen zu lassen, um sie daraus ohne vorhergehende sorgfältige Abtrocknung sofort in das aufhellende ätherische Oel zy bringen. Nicht allein, dass hierdurch die etwas langwierige Methode um die unbequemen 24 Stunden Al- kohol abgekürzt wird, es wird auch der. noch unangenehmeren Ver- schrumpfung vorgebeugt, welche das Präparat bei der Lufttrocknung erfährt. Die Zellen bleiben Zellen und gehen nicht zu unschein- baren verzerrten Körperchen ein. Nimmt man zum Nelkenölbade ein gläsernes Gefäss, so kann man über dunkelem Grunde das all- mähliche Fortschreiten der Aufhellung controliren. Ist dieselbe voll- Eduard Rindfleisch, Zur Histologie der Cestoden. 139 endet, so genügt es, das Präparat einfach in einen Tropfen Canada- balsam zu legen und mit einem Deckgläschen zu bedecken, Der Canadabalsam mischt sich mit dem Nelkenöl in jedem Verhältnis. Eine besondere Modifikation dieser Methode, welche sich z. B. für die Untersuchung des Körperparenchyms grösserer Würmer em- pfiehlt, besteht darin, dass man halbzöllige Stücke dieser Thiere (Spirituspräparate), in Carminlösung wirtt und so lange darin liegen lässt, bis sie sich durch und durch mit dem rothen Farbstoff im- prägnirt haben. Hierauf kommen die ganzen Stücke erst in Alkohol und dann in Nelkenöl. In letzterem erhalten sie abgesehen vom Durchscheinenden einen solchen Grad von Starrheit, dass sie sich mit dem Rasirmesser in Scheibchen beliebiger Feinheit zerlegen lassen, welche dann ohne Weiteres in Canadabalsam gebracht werden können. Was man von den präparirten Stücken nicht gebraucht, kann man aus dem Nelkenöl herausnehmen und in einem verkorkten Gläschen bis auf Weiteres aufbewahren. Das Nelkenöl verflüchtigt sich bei- nah ebenso langsam als Glycerin, und selbst solche Stücke, welche aus dem Nelkenöl herausgenommen wurden und dann Wochen lang in der Luft gelegen hatten, waren zur mikroskopischen Untersuchung und zum Schnitte machen noch völlig tauglich; ja es möchte Man- cher diese etwas starreren Stücke den frischeren vorziehen. ‚Um indessen nicht bei der blossen Anpreisung der Methode stehen zu bleiben, füge ich hier emige Beobachtungen an, welche ich mit ihrer Hülfe an dem immer noch fragwürdigen Parenchym der Gestoden, in specie der Taenia solium angestellt habe. Die vorzüg- liche Darstellung, welche Leuck art (Menschliche Parasiten pg. 164 ff.) von der Anatomie der Bandwürmer giebt, enthält zugleich eine Zu- sammenfassung der bisherigen Leistungen auf diesem Gebiete. Ich erlaube mir den Leser auf diese Darstellung zu verweisen und werde mich darauf beschränken, meine Erfahrungen über zwei der strittig- sten Punkte mitzutheilen, nämlich erstens über die Subeuticularschicht, zweitens über die Kalkkörperchen. Unter Subeuticularschicht verstehe ich den Theil der Rinde, welcher aussen von der Onticula, mnen von dem bindegewe- bigen, die Kalkkörperchen enthaltenden Parenchym begrenzt wird. Dass hier kein eigentliches Epithelialstratum gefunden wird, wie bei anderen Thieren, ist schon lange bekannt. ‘Die Frage ist nur, ob das, was man findet, anatomisch auch nur als ein Aequivalent des Epithels angesehen werden kann. 140 Eduard Rindfleisch. Welches ist nun die feinere Struktur und welches sind die Structurelemente der Subeutieularschicht ? — Ich sehe sie mit Aus- nahme einer schmalen peripherischen Zone in ihrer ganzen Dicke radiär gestreift und diese Streifung, welche sowohl auf dem Längs- schnitt als auf dem Querschnitt (vgl. Abbildungen) deutlich hervor- tritt, rührt davon her, dass sie eine grosse Anzahl schmaler, spindel- förmiger Körper enthält, welche unter sich parallel und senkrecht gegen die Oberfläche gerichtet sind. Jedes dieser Körperchen mag, eingerechnet die fadenförmigen Ausläufer, welche sie nach beiden Seiten hin ausschicken, so lang sein als die Subeutieularschicht dick ist, viel- leicht noch länger. Weil aber die am meisten m die Augen fallen- den Mittelpartien der Spindeln alternirend, d. h. so angeordnet sind, dass zwei unmittelbar nebeneinander liegende mit ihren dickeren Mitten am weitesten von eimander abstehen und weil ausserdem die Ausläufer sehr zart sind, so gewinnt es wohl den Anschein als ob keine von den Spindeln durch die ganze Dicke der subeuticularen Schicht hindurchreichte. Mit Hülfe eines Hartnack'’schen Immer- sionssystems kann man sich überzeugen, dass die Spindeln kernhal- tige Zellen sind, was sie unter einander verbindet, ist eine fein gra- nulirte Grundsubstanz, die nach innen zu unmittelbar in die geschwun- genen Fibrillen des parenchymatösen Bindegewebes übergeht. Die Hauptmasse der Subeuticularschicht ist also bindegewebiger, nicht epithelialer Natur und auch der erwähnte schmale peripherische Saum ist lediglich aus Bündeln feinster Bindegewebsfibrillen zusam- mengesetzt, welche der Quere nach verlaufen und daher auf dem Längschnitt als kleme Gruppen von Pünktchen hervortreten. Auch mit glatten Muskelfasern kann füglich keine dieser Bildungen ver- wechselt werden. Zur Vergleichung bietet jedes Präparat eine ganze Auswahl von Muskelfasern, die in allen Uebergängen vom Profil zum Querschnitt zu Gesichte kommen. Die Längsmuskulatur erhebt sich sogar in einzelnen Faserzügen, deren Verlauf wir am Längsschnitt und deren regelmässige Anordnung wir am Quer- und Flächenschnitt deutlich verfolgen können, in die subeuticulare Region hinein. Diese Fasern sind zugleich die am weitesten nach aussen gelegenen Theile der Bandwurmmuskulatur; eine dicht unter der Guticula angebrachte, continuirliche Quermuskularis kann ich nicht anerkennen ; wie be- merkt, habe ich hier nur Bindegewebsfibrillen gefunden, die allerdings der Quere nach verlaufen und wohl zu jener irrthümlichen Annahme Veranlassung gegeben haben. Zur Histologie der Cestoden. 141 Uebrigens will ich diese Gelegenheit benutzen, um darauf auf- merksam zu machen, dass unter den Einrichtungen, welche die Ab- schnürung der einzelen Glieder bewirken, anch eine eigenthümliche Verlaufsweise der Muskelfasern erwähnt zu werden verdient. Genau entsprechend nemlich der zukünftigen Theilungsstelle endigt eine gewisse Anzahl der Längsmuskelfasern mit einer kurzen rückläufigen Krümmung, während andere nur aus einer innern Lage in eine mehr äussere übergehen und sich dabei in der zukünftigen Trennungs- linie kreuzen. Eine Contraktion dieses Fasersystems könnte gar wohl bei der Theilung des Bandwurmleibes mitwirken. Der zweite Gegenstand, betreffs dessen ich eine Mittheilung zu machen habe, sind die berufenen Kalkkörperchen der Cestoden. Ich bemerke im Voraus, dass ich die Frage nach der physiologischen Bedeutung der Kalkkörperchen, also die Hauptfrage nicht in Angriff genommen, sondern mich begnügt habe, das Verhältniss der Kalk- salze zu der organischen Grundlage etwas genauer festzustellen. Um das Resultat vorweg zu sagen, so glaube ich mich zu der Annahme berechtigt, dass die eigenthümliche Constanz in der Form und in der Maximal-Grösse der Kalkkörperchen dadurch zu erklären ist, dass organische Gebilde, welche eben diese Form und Grösse haben, vom Gentrum aus allmählich ganz und gar verkalken. Es handelt sich um eiförmige, farblose Körper von 0,019 Mm. Länge, an welchen mehr oder weniger deutlich eine concentrische Schichtung hervortritt. Diese Körper sind in beträchtlicher Anzahl durch die ganze Rindenschicht des Bandwurmleibes vertheilt und werden durch eime vom Üen- trum nach der Peripherie fortschreitende Imprägnation mit Kalk- salzen schliesslich zu Kalkkörperchen. In der schwächeren oder stärkeren concentrischen Streifung sowie in dem verschiedenen Grade der Verkalkung sind uns zwei Kriterien geboten um verschiedene Species der. Körperchen zu unterscheiden. Dazu gesellt sich ein drittes in der verschiedenen Intensität, mit welcher sie die Carmin- färbung annehmen. Die besondere Tugend des carminsauren Ammo- niaks, nicht jede beliebige Textur gleich stark zu tingiren, macht sich bekanntlich auch darin geltend, dass die mit Kalksalzen impräg- nirten Gewebsbestandtheile von der Carminfärbung vollständig ver- schont bleiben. Aber schon vor der definitiven Ablagerung des Kalks scheinen sich die Theile in einem Zustand verminderter Empfänglich- keit für die Carminfärbung zu befinden, so dass wir mit Hülfe der 142 Eduard Rindfleisch, Zur Histologie der Cestoden. drei genannten Kriterien: Schichtung, Verkalkung und Carminfärbung folgende vier Gruppen von Körpern aufstellen können: 1. Intensiv roth gefärbte, ganz homogene Körper, welche keinen Kalk enthalten. . Blassroth gefärbte Körper mit concentrischer Schichtung, welche ebenfalls kalklos sind. 3. Blassrothe, concentrisch geschichtete Körper, in deren Centrum ein glänzendes Pünktchen den Beginn der Verkalkung anzeigt. . Ungefärbte (geschichtete oder homogene), vollständig verkalkte Körperchen. N Ich brauche wohl nicht zu bemerken, dass in natura die sämmt- lichen hier charakterisirten Formen durch Zwischenformen verbunden sind: wir haben es mit einer continuirlichen Reihe aufeinander fol- sender Zustände desselben anatomischen Gebildes zu thun. Leider kann ich diesen Gebilden keinen Namen geben. Sind es Zellenkerne, sind es Coneretionen? Ich habe natürlich auch an Amyloidkörper- chen gedacht; aber was ich bei der Jodprüfung erfahren habe, war ebenso unbefriedigend als überraschend. Das ganze Bandwurmpa- renchym nahm schnell und in ganz charakteristischer Weise die jod- rothe oder, wie ich lieber sage die mahagonirothe Färbung an, welche das thierische Amyloid auszeichnet, — was aber durchaus ungefärbt blieb, waren die Kalkkörperchen und ihre unentkalkten Vorgebilde. Ich bescheide mich daher, die Frage nach der Bedeutung der Kalk- körperchen vorläufig noch auf sich beruhen zu lassen. De He Erklärung der Tafel VI. Fig. 1-3. Fig. 1. Vom Längsschnitt der Taenia solium; a ganze Dicke der Rinden- schicht; b Subeutieularschicht; ce Cuticula. Ausserdem Längsmuskel- bündel und Kalkkörperchen in ausgebildeten und unausgebildeten Zuständen. » 2. Vom Querschnitt der Taenia solium; a ganze Dicke der Rindenschicht; b Subeutieularschicht; ce Cuticula. Ausserdem die Längsmuskulatur im Querschnitt und Kalkkörperchen. » 3. Flächenschnitt in der Richtung der Linie A Fig. 1. a Cuticula; b Bindegewebsstratum; ce Querschnitte der Spindelzellen und platte Muskelfasern der Subeuticularschicht. Ueber die Randbläschen der Hydroidquallen. Von Fritz Müller. Hierzu Taf. VII, Fig. 4. In seinen ganz vortrefflichen »Studien über das Gehörorgan der Decapoden« gedenkt Vietor Hensen beiläufig der Randbläs- chen einer Eucope Ggb., und gibt von denselben eine Beschreibung und Abbildung, die weit abweicht von der Darstellung aller früheren Beobachter '). Es soll danach an der centralen Seite der »Hörbla- sen« oder »Otolithensäcke«, wie Hensen die Randbläschen nemt, eine verdichte Stelle sich finden, von der aus sehr feine Haare nach einem in der Mitte des Sackes liegenden, von einer inneren Blase umschlossenen Steine gehen. Veranlasst durch die Angaben Hensen’s habe ich mir die Randbläschen verschiedener Hydroidquallen noch einmal angesehen und glaube danach behaupten zu dürfen, dass sich dieser umsich- tige Beobachter denn doch wohl in seiner Auffassung der Randbläs- chen von Eucope getäuscht hat, die er nur einmal zu untersuchen Gelegenheit fand. Ueber die An- oder Abwesenheit der zarten Häärchen kann ich freilich nichts sagen, da diese für mein Mikroskop kaum er- kennbar sein würden. Allein es scheint mir unzweifelhaft, einmal dass die »Steine« nicht frei in der Mitte des Randbläschens schwe- ben, nur durch zarte Häärchen gehalten, und zweitens, dass die 1) Studien über das Gehörorgan der Decapoden, 8. 37, Anm. 1; Fig. 24,B. 144 Fritz Müller, »innere Blase« gar keine Blase ist, sondern ein dichter Körper. Ich glaube mich hievon selbst bei Eucope überzeugt zu haben, obwohl gerade die vier zugänglichen Arten dieser Gattung wegen der ge- ringen Grösse der Bläschen und der oft in Mehrzahl vorhandenen »Steine«, und wegen der meist nicht besonders durchsichtigen Um- gebung derselben wenig geeignet sind, befriedigende Bilder zu geben. Am bequemsten bieten sich die frei über die Scheibe vorspringen- den, verkehrt eiförmigen, mit stielförmig verdünnter Basis aufsitzen- den Randbläschen der Cunina Köllikeri F. M. der Untersuchung dar. Der »Stein« ist bei ihnen endständig und von der Basis zieht sich deutlich ein blasser Strang nach dem »Steine« hin, um ihn becherförmig zu umfassen '). Es ist unmöglich dieses Verhalten in Einklang zu bringen mit Hensen’s Darstellung der »Otolithen- säcke« von Eucope, während man sich nur den Strang verkürzt und dadurch den Stein ins Innere der Blase zurückgezogen zu den- ken braucht, um die bei den Hydroidquallen gewöhnliche Bildung der Randbläschen zu erhalten, wie ich sie bei Liriope?) beschrieb und auch jetzt wieder bei dieser und anderen Arten sehe. Da ich in- dessen, wie Agassiz, Cunina nicht zu den Hydroidquallen rechne °), musste ich billig Bedenken tragen, das bei ihr leicht festzustellende Verhalten der Randkörper als Beweis gegen die Richtigkeit der Darstellung Hensen’s geltend zu machen; immerhin konnten ja bei Hydroiden und Aeginiden die Randkörper in völlig verschiedener Weise gebaut sein. Ich war daher erfreut, bei einer Hydroidqualle auf eine Bil- dung der Randbläschen zu stossen, die in der Mitte steht zwischen dem bei Cunina und dem bei Liriope zu beobachtenden Verhalten. Diese noch unbeschriebene Qualle, Aglauropsis Agassizii F. M., erinnert durch ihre Gestalt, durch die Bildung und selbst die Fär- bung des Magens und der Geschlechtstheile an Aglaura hemi- stoma Per. et Le $., unterscheidet sich aber von letzterer Gattung durch die Vierzahl der Geschlechtstheile und der Strahlgefässe und die grosse Zahl der Randbläschen. Diese letzteren, von etwa 0,075 Mm. Durchmesser, sind stark gewölbt; ihr frei vorspringender Abschnitt 1) Archiv für Naturgeschichte 1861. Taf. IV. Fig. 8. 2) Archiv für Naturgeschichte 1859. S. 314. Taf. XI. Fig. 9—12. 3) Fritz Müller, über die systematische Stellung der Charybdeiden im Archiv für Naturgeschichte 1861. 3. 302. — Agassiz, Contributions to the natural history ofthe United States of America. Vol. IV. 1862.8.9 u.S. 167. Ueber die Randbläschen der Hydroidquallen. 145 bildet eine Glocke. deren Höhe etwa %, des unteren Durchmessers beträgt. Aus dem Grunde der Blase erhebt sich nun auf einem kurzen dünnen Stiele ein blasser, nicht hohler birnförmiger Körper, der bis in die Mitte der Blase reicht und in dessen Ende ein kug- liger stark lichtbrechender Stein von etwa 0,015 Mm. Durchmesser zur Hälfte eingesenkt ist. Der Stein löst sich in Säure unter Luft- entwicklung. — Dasselbe Bild, in aller nur wünschenswerthen Klar- heit und Schärfe, bot mir eine grosse Zahl von Randbläschen. Dies stimmt nun wieder völlig zu dem, was ich früher (a. a. 0.) von Liriope und Gunina angegeben habe, — ist aber ebensowenig wie jene Angaben mit Hensen's Darstellung zu vereinigen. Dies über den Bau der Randbläschen: nun einige Worte über ihre Ver- richtung. Die Randbläschen der Hydroidquallen- gelten jetzt fast allge- meinalsHörwerkzeuge. Agassiz und ich dürften so ziemlich die einzigen sein, die sie noch jetzt als Augen betrachten. Auch Hen- sen bezeichnet sie ohne Bedenken als »Hörblasen« und »Otolithen- säcke«. Ich muss gestehen, dass gerade Hensen’s meisterhafte Darstellung des Gehörorgans der Krebse mich auf’s Neue in meiner Auffassung bestärkt hat. Bei den Krebsen besteht das Ohr in einer als Einstülpung der äusseren Haut zu betrachtenden, häufig offenen Höhle. In dieser Höhle finden sich stets in ganz eigenthümlicher Weise eingelenkte Haare und oft Hörsteine, die mitunter ganz lose liegen, oder nur durch die in sie eintretenden Haare gehalten werden. Sie bestehen bald blos aus organischem Stoffe, bei Mysis vielleicht aus Fluorcal- cium, wie es scheint nie aus kohlensaurem Kalk, und werden bisweilen durch von aussen eingeführte Quarzstückchen u. dgl. ersetzt. Gerade bei den höchstentwickelten Formen des Ohres fehlen sie vollständig. Das Wesentlichste von diesen verschiedenen Gebilden sind die Hör- haare, die auch selbständig, ohne Höhle und Steine, auf der Ober- fläche des Körpers vorkommen und durch bestimmte Töne in Schwin- gungen versetzt werden. Bei den Hydroidquallen haben wir dagegen kuglige oder birn- förmige, vorspringende, geschlossene Blasen, die einem wahrschein- lich als Nervenring !) zu. deutenden Streifen aufsitzen; ‚von dem 1) Claus (Zeitschr. für wiss. Zool. XIII. S. 440) glaubt die Deutung dieses Ringes als Nervenring um so entschiedener zurückweisen zu müssen, M. Schultze, Archiv f. mikrosk. Anatomie. I, Bd. 10 146 Fritz Müller, an dieser Stelle meist angeschwollenen Ringe geht ein kugliger oder birnförmiger, sitzender oder gestielter Fortsatz in die Blase hinein (bei Cunina sie vollständig durchsetzend), und umfasst becherförmig eine wahrscheinlich aus CaÜ bestehende Kugel. — Welche Spur von Aehnlichkeit nun zwischen diesen Randbläschen und dem Ohre der Krebse, ausser dass in letzterem auch bisweilen ein kugliges festeres Gebilde sich findet, das aber (nach Hensen) nie aus CaC zu be- stehen scheint ? — Und selbst das Vorhandensein der von Hensen beschriebenen Haare zugegeben, würden diese so ungemein blassen . und zarten Häärchen eines gallertartig weichen Thieres Steifigkeit und Elastieität genug besitzen können, um durch Schallwellen in regelmässige Schwingungen versetzt zu werden ? Noch geringer, wo möglich, ist die Aehnlichkeit zwischen den Randbläschen der Hydroidquallen und den Hörblasen mit schwingen- den Steinchen, wie sie bei Mollusken und Rippenquallen vorkommen. Wenn für die Deutung der Randbläschen als Ohren kein wei- terer Grund vorzuliegen scheint, als die Aehnlichkeit, die sie beim ersten Anblick, aber nicht bei näherer Vergleichung mit dem Öhre einer Mysis, eines Leucifer, einer Schnecke haben, so ist wohl ge- »als es sich hier nicht um einen Gegensatz von Ganglien und nach den ein- zelnen Organen ausstrahlenden Fasern handelt«. Claus scheint dabei über- sehen zu haben. dass bei jener Deutung nicht nur auf Anschwellungen des Ringes Bezug genommen wurde, welche in ihrer Lage den allgemein als Sinnes- werkzeuge betrachteten Randbläschen entsprechen, sondern auch auf zarte Stränge (Nerven?), die von den Anschwellungen nach dem Ursprung der Tentakel hin verfolgt warden. »Der Ring ist absolut abgeschlossen, und was noch mehr sagt, bei den höher organisirten grossen Scheibenquallen überhaupt nicht nachzuweisen«, wie Claus weiter bemerkt. Darauf ist zu erwidern; 1) dass in diesem Falle die Grösse den Nachweis des Nervensystems: nicht erleichtert, sondern erschwert; 2) dass wie bei den Rippenquallen, so auch bei den höheren Scheibenquallen das Nervensystem ganz wo anders liegen kann, als bei den Hydroidquallen; 3) dass wenn auch nicht bei den echten Scheibenquallen, so doch bei Tamoya ein unzweifelhafter, dem unbewaffneten Auge sichtbarer, Nerven aussendender Nervenring vorhanden ist. — Was die dem fraglichen Nervenring bei Liriope u.'s. w. aufgelagerten Nesselzellen be- trifft, auf deren Anwesenheit auch ich aufmerksam gemacht hatte, so können sie, wenn sie überhaupt bei der Frage in Betracht kommen, höchstens für, in keiner Weise gegen die Deutung als Nervenring sprechen; zum Fangen von Beute können sie an jenem Orte nicht dienen; hat ihre Anhäufung längs des Ringes irgend eine Bedeutung für das Thier, so kann es wohl nur die sein, ein wichtiees Organ, wie etwa einen Nervenring zu schützen. Hensen spricht sich bei Eucope für die Anwesenheit emes Nervensystems aus. Ueber die Randbläschen der Hydroidquallen. 147 gen die Deutung als Augen nichts einzuwenden, als dass die in diesem Falle als Linsen anzusprechenden Theile aus Kalk bestehen. Dieser Grund würde nicht ohne Gewicht sein, wenn alle sonst in der Thierwelt der Brechung des Lichts dienenden linsenförmigen (Gebilde gleiche chemische Zusammensetzung hätten. Das ist indessen nicht der Fall, die 4 grossen schönen Linsen von Ampelisca Kr. (Amphipod), und ebensowohl die Cornealinsen, wie sie Claus nennt, von Coryceus und anderen Gopepoden bestehen aus Chitin, und aus Arragonit (nach brieflicher Mittheilung von Max Schultze) die Rand- körper, der höheren Quallen, die nur als Augen gedeutet werden können, wenn die von Henry James-Glark gegebene Darstellung derselben ?) richtig ist. Wie es bei den Hörsteinen, nach Hensen’s Meinung nur auf »eine gewisse specifische Schwere« anzukommen scheint, so wird bei einer Linse ebenfalls weniger ihre chemische Zusammensetzung, als ihre Durchsichtigkeit, ihr Brechungsexponent und ihre Gestalt in Betracht kommen. Und wie Hensen von den Hörhaaren behauptet und nachweist, »dass wenn nur der Nerv, wel- chen man in sie eintreten sieht, sensibel ist, tiefe Töne durch sie zur Perception gebracht werden müssen« (a.a.0. S.26), so wird man von den Hydroidquallen behaupten dürfen, dass wenn sie nur gegen Licht empfindlich sind, dieses durch die Randbläschen zur Wahrnehmung gebracht werden muss. Das Licht muss an der Oberfläche der Blase, es muss zum zweiten Male an der Oberfläche des Steines gebrochen werden; es muss auf das Ende des die Kugel umfassenden Stieles stärker wirken, als auf jede andere Stelle der Qualle. Desterro, Januar 1865. Erklärung der Abbildung. Taf. VII, Fig. 4. Randbläschen von Aglauropsis Agassizii F. M. Aus dem Grunde der Blase erhebt sich auf einem kurzen dünnen Stiele ein blasser, solider, birnförmiger Körper, der bis in die Mitte der Blase reicht, und in dessen Ende ein kugliger, starklichtbrechender, in Säuren unter Luftentwicklung löslicher Stein eingesenkt ist. 1) In Agassiz, Contribution ete. Vol. III, Pl. XIb Fig. 16; Vol. IV. p. 41. Injectionsmassen von Thiersch und W. Müller. Professor Thiersch beschreibt in seinen Untersuchungen über den feineren Bau des Epithelialkrebses!) die Mischung der von- ihm angewandten durchsichtigen Injectionsflüssigkeiten. Wir theilen die- selben auf ausdrückliche Erlaubniss des Herrn Verfassers hier mit. Es sind folgende: Eine Carminlösung von 1 Gewichtstheil Carmin, 1 Liqu. Ammoniaci caustici und 3 Wasser wird durch Papier filtrirt und einer Leimlösung zugesetzt, welche man aus 1 Gewichtstheil Leim (Gelatine laine von Gehe & Comp. in Dresden) und 2 Wasser be- reitet. Man nimmt 1 Gewichtstheil der Carminlösung und 3—4 Theile der Leimlösung und mischt bei 25°R. im Wasserbade. Zur. Besei- tigung des Ueberschusses von Ammoniak tröpfelt man Essigsäure unter fortwährendem Umrühren zu, bis der Geruch kein freies Am- moniak mehr verräth, bis ein mit Essigsäure benetzter Glasstab keine Nebel mehr zeigt und befeuchtetes Curcumapapier über die Masse gehalten sich nicht mehr bräunt. Man kann die Essig- säure der Carminlösung auch zusetzen, ehe man sie. mit der Leim- lösung vereinigt hat. Auch lässt sich der Ammoniaküberschuss durch vorsichtiges Verdunsten bei. 235>—30°R. beseitigen. Man spritzt die Masse bei einer Temperatur von 25—35"R. ein, und bringt den injieirten Theil unmittelbar nach beendigter Injection in Eiswasser, nach dem Abkühlen in Weingeist, um das Präparat zu erhärten. Bei sehr empfindlichen Objeeten empfiehlt es sich, sie unmittelbar nach der Injection in Weingeist zu bringen, den man vorher in Eis abge- kühlt hat. Blaue Injectionsmasse: Man bereitet sich 1) eine Leim- lösung, welche auf 2 Th. Wasser 1 Th. Leim enthält, 2) eine ge- sättigte Lösung von schwefelsaurem Eisenoxydul in Wasser, 3) eine ebensolche gesättigte Lösung von rothem Blutlaugensalz in Wasser, 4) eine gesättigte Lösung von Oxalsäure in Wasser. Nun werden 12 Cubikcentimeter der Eisenlösung mit 2 Loth Gelatinelösung_ bei 95°R. gemischt. In einem zweiten Gefäss mischt man bei gleicher Temperatur 24 Cubikcentim. der Blutlaugensalzlösung mit 4 Loth Ge- latinelösung. Dieser letzteren Mischung setzt man zuerst 24 Üenti- meter der Oxalsäurelösung zu, rührt einige Mal mit dem Glasstab 1) Der Epithelialkrebs, namentlich der Haut. Leipzig 1865. Neue Injectionsmassen. 149 um, um dann sogleich die eisenhaltige Gelatine hinzuzufügen. Es findet nun unter fortwährendem Umrühren und bei einer Temperatur von 20—25°R. ein allmähliges Ausfällen der blauen Farbe statt, welche im status nascens von der Oxalsäure suspendirt wird. Da sich aber auch grössere Flocken bilden, so erhitzt man schliesslich im Wasserbad bis auf etwa 70’R. und filtrirt dann durch Flanell. Eine transparente gelbe Injeetionsmasse erhält man in iolgender Weise: Man bereitet eine Lösung von Gelatine (1 Th. Leim auf 2 Th. Wasser), 2) eine Lösung von 1 Th. (neutralem) chrom- saurem Kali in 11 Th. Wasser, 3) eine Lösung von 1 Th. salpeter- saurem Bleioxyd auf 11 Th. Wasser. Nun mischt man 4 Th. Leim- lösurg mit 2 Th. Bleisalzlösung, in einem zweiten Gefässe 4 Th. Leimlösung und 1 Th. chromsaure Kalilösung. Beide Mischungen bringt man auf 25° R. und vermengt sie unter fortwährendem Um- rühren, nach beendigter Ausfällung des Chrombleies erhitzt man im Wasserbad auf 70’ R. und filtrirt durch Flanell. Diese vollkommen durchsichtige gelbe Injectionsmasse giebt in beliebigen Mengen mit der blauen gemengt transparente grüne Massen von verschiedenen Nüancen. Auch für die Herstellung von Imbibitionspräparaten giebt Thiersch. neue Vorschriften, welche hier folgen: »Man bereite sich zunächst eine ammoniakalische Carminlösung aus je 1 Gewichtsth. Carmin und Liqu. Ammoniaci caust. und 3 Th. destill. Wassers. Von dieser carminsauren Ammoniaklösung mischt man 1 Volumen mit 8 Volumen wässriger Oxalsäurelösung (1: 22), dieser Mischung fügt man 12 Vol. absoluten Alcohol hinzu und filtrirt. Das Filtrat kann nach Belieben durch Zusatz von Oxalsäure dem Orangeroth, durch Zusatz von Ammoniak dem Violett genähert werden. Mit beiden Nüancen kann man färben. Fällt bei Zusatz von Oxalsäure eine Krystallisation von saurem oxalsaurem Ammoniak aus, so kann man diese durch einige Tropfen destillirten Wassers oder Liqu. Amm. caust. zur Lösung bringen, oder sie durch ein Filtrum abscheiden. Nimmt man die Flüssigkeit concentrirt, violette Nüance, so färbt sie ein- geleste Schnitte in wenigen Augenblicken gleichmässig und intensiv, wo- bei die Zellen mehr Farbstoff anziehen als die übrigen Gewebsbestand- theile. Will man langsam färben, so verdünnt man die Flüssigkeit mit Weingeist von 70—80°; verdünnt man mit absolutem Alcohol, so fällt saures oxalsaures Ammoniak heraus, welches dann erst wie- der gelöst und abgeschieden werden muss. Ist diffuse oder zu starke 150 Neue Injectionsmassen. Färbung entstanden, so legt man die Schnitte einige Minuten in eme Lösung von Oxalsäure in Alcohol, um sie aufzuhellen.« Die Flüssig- keit eignet sich gleich gut für Chromsäure- wie für Weingeist- präparate. »Für durch Chromsäure entkalkte Knochen und für Knorpel eignet sich ganz besonders eine lilafarbige Carmintinetur. Borax 4 Th. werden in 56 Th. destillirt. Wassers gelöst, der Lösung wird 1 Th. Carmin zugefügt. 1 Volumen dieser Lösung wird mit 2 Vol. absolutem Alcohol vermischt und dann filtrirt. Diese Tinetur färbt etwas langsamer als die vorige. Zum Ausziehen überflüssigen Farb- stoffes kann man sich der Oxalsäure oder auch der Borsäure in Weingeist gelöst bedienen.« Blaue Imbibitionsflüssigkeit: »Man bereite eine gesät- tigte Lösung von käuflichem Indigocarmin (Indigoschwefelsaures Kali) in Oxalsäurelösung (1: 22—30). Diese Flüssigkeit kann ebenfalls nach Belieben mit Weingeist verdünnt werden. Concentrirt färbt sie in wenigen Sekunden sehr intensiv. Der Farbstoff haftet mehr an den Kernen und Zellen als an den übrigen Bestandtheilen. Ueber- schüssiger und diffuser Farbstoff kann mit weingeistiger Oxalsäure- lösung wieder ausgezogen werden.« Professor Wilhelm Müller, dem wir eine sehr genaue Arbeit über den feineren Bau der Milz, namentlich die Gefässverhältnisse der Milzen von Vertretern aller Wirbelthierklassen verdanken !), rühmt vor anderen, besonders wegen der unbedeutenden Diffusionsfähigkeit, sehr einfache blaue Injectionsmassen. Eine solche bereitet er durch Auflösen von 1 Th. Leim in S Th. eimer »nicht zu concentrirten«a Lösung des sogenannten löslichen Berliner Blau (dargestellt durch Fällung von Berliner Blau aus einer überschüssigen Lösung von Kaliumeisencyanür und Auswaschen des Niederschlages bis zur voll- ständigen Wiederauflösung). Eine kalt zu injieirende Masse bereitet Müller durch Ausfällen einer concentrirten Lösung des löslichen Berliner Blau mit 90 %, Alcohol. Das Berliner Blau wird dabei in äusserster Feinheit gefällt und setzt sich erst nach längerer Zeit ab; die Flüssigkeit ist vollkommen neutral und die Bereitung eine viel einfachere, als die der nach Beale und Richardson gemischten blauen Massen. 1) Ueber den feineren Bau der Milz. Leipzig u. Heidelberg 1865. Mikroskope und Nebenapparate von Carl Zeiss in Jena. Nro. Thlr. 1. Grosses zusammengesetztes Mikroskop; (Stativ 0) hufeisen- förmiger Fuss, drehbarer Tisch, Schlitten um die Cylinder- diaphragmen zu wechseln ohne das Object zu verrücken, Hohl- und Planspiegel, seitlich, hoch und niedrig zu stel- len, grobe Einstellung des Tubus durch Verschiebung, feine durch Mikrometerschraube. — Systeme A, B,C,D, E, F; Oculare 1, 2, 3, 4; Vergrösserungen 20 bis 1 1500. Polarisa- tionsapparat; rose halbkugelige 3° im Durchmesser hal- tende Beleuchtungslinse auf Stativ; Camera lucida zum Zeichnen; Vorrichtung zur Messung der Dicke der Deck- gläser (Deckglastaster) ; Objectiv-Mikrometer 1 m.m. geth. in 100 'Thle. Oecularmikrometer ; Gompressorium. 200 2. Dasselbe Instrument; Systeme A, C, D,F; Oculare 1,2, 3, 4 Vergrösserungen 20 bis 1500 ; Camera lucida zum Zeichnen ; Deckglastaster ; Ocularmikrometer. 133 3. Grösseres zusammengesetztes Mikroskop ; (StativI b) hufeisen- förmiger Fuss, drehbarer Tisch, Bewrölhte Blendungsscheibe dem Öbjectträger sehr genähert, Hohl- und Planspiegel durch eine neue Einrichtung, nicht nur seitlich; sondern auchnach vorn verstellbar, um von jeder Seite schiefes Lieht geben zu kön- nen, grobe Einstellung des Tubus durch Verschiebung, feine dureh Mikrometerschraube. — Systeme A,B, 6, D, E, F; Oculare 1,2,3, 4; Vergrösserungen 20 bis 1500: Polarisa- tionsapparat, grosse halbkugelige 3“ im Durchmesser hal- tende Beleuchtungslinse auf Stativ; Camera lucida zum Zeich- nen; Deckglastaster; Objeetiv-Mikrometer 1 m.m. geth. ın 100 Thle. Ocularmikrometer ; Compressorium. 188 4. Dasselbe Instrument ; Systeme A, C, D,F; Oculare 1, 2,3, 4; Vergrösserungen 20 bis 1500; Camera lueida zum Zeich- nen; Deckglastaster; Ocularmikrometer. 120 5. Dasselbe Instrument; Systeme A, C, E; Oculare 1,2,3,4; Vergrösserungen 20—900; Camera lucida zum Zeichnen ; Ocularmikrometer. 91 6. Grösseres zusammengesetztes Mikroskop; (Stativ I) runder ringförmiger Fuss, gewölbte Blendungsscheibe, Hohl- und Planspiegel nicht nur seitlich, sondern auch nach vorn ver- stellbar, grobe Einstellung durch Verschiebung, feine durch Mikrometerschraube. — Systeme A,B,C,D, E, F; Oculare 1,2, 3,4; Vergrösserungen 20 bis 1500; Polarisationsappa- Nro. 1 Taler. rat; grosse halbkugelige Beleuchtungslinse auf Stativ ; Ca- mera Jucidazum Zeichnen; Deckelastaster : Ocularmikrometer. Dasselbe Instrument; Syst. A,C. D,F; Oculare 1,2, 3,4; Vergröss. 20 bis 1500; Camera lucida zum Zeichnen; Deck- elastaster: Ocular mikrometer. Dass. Instr. ; Syst. ©, F; Oculare 1, 2,3, 4; Vergrösserungen 50 bis 1500. Dass. Instr.; Syst. A, C,E; Oculare 2, 3,4; Vergrösserungen 30 bis 900. Dass. Instr.; Syst. C, E; Oculare 1, 2,:3, 4; Vergrösserungen 50 bis 900. Dass. Instr.; Syst. A,D; Oculare 2, 3,4; Vergrösserungen 30 bis 740. Mittleres zusammengesetztes Mikroskop; (Stativ ID) runder Fuss; Blendungsscheibe, Spiegel etc. wie bei I, nur ein wenig kleiner ; Systeme Ü, E, F; Oculare 1, 2, 3, 4; Vergrösserungen 50 bis 1500; Ocularmikrometer. Dass. Instr.; . Syst. A,C,E; Oculare 2,3, 4; Vergrösserungen 30 bis 900; Oeularmikrometer. Dass. Instr.; Syst. A, D; Oculare 2,3, 4; Vergrösserungen 30 bis 740. Kleineres zusammengesetztes Mikroskop ; (Stativ Ib) huf- eisenförmiger Fuss, das Uebrige wie bei I, nur kleiner; Syst. A,C,D, F; Oculare 1,2, 3,4; Vergrösserungen 20 bis 1500, Deckelastaster: Ocularmikrometer. (s. Schacht, »das Mi- kroskop« IT. Aufl. 8. 290.) Dass. Instr.; Syst. A, C,E; Oculare 1,2,3, 4; Vergrösserungen. 20 bis 900; Öcularmikrometer. Dass. Instr.: ; Syst. GC, F; Oculare 1,2, 3, 4; Vergrösserungen 50 bis 1500: Öcularmikrometer, Dass. Instr. Syst. A. D; Oculare2, 3,4; Vergrösser. 30 bis 740. Dass. Instr.; Syst.G; Oculare 2,3; 4 -Vergrösserungen 75 bis330. Kleineres zusammengesetztes Mikroskop ; (Stativ Ile) vier- eckiger schwerer Fuss, drehbarer Tisch, das Uebrige wie bei I, nur kleiner; Syst. A,B,G,D,E, F: Oculare 1, 3, Budg Vergrösserungen 20 bis 1500; Camera lucida zum Zeichnen ; Deckglastaster; Ocularmikrometer. Dass. Instr.: . Syst. A, C, D,F;:Oculare 1, 2,3, 4; 'Vergrösse- rungen 20 bis 1500; Camera lueida zum Zeichnen : Deck- glastaster ; Ocularmikrometer. Dass. Instr. ; Syst. A,C, E; Oculare 2, 3, 4; Vergrösserungen 30 bis 900; Ocularmikrometer. Dass. Instr.; Syst. A, D; Oculare 2, 3, 4; Vergrösserungen 30 bis 740, Kleinstes zusammengesetztes Mikroskop; (Stativ IV) runder Fuss; seitlich verstellbarer Hohlspiegel ; grobe Einstellung durch Verschiebung, feine durch Mikrometerschraube; Grösse wie IIb; Syst. A. C. E; Oculare 2, 3.4; Vergrös- serungen 30 bis 900. 163 105 73 66 62 54 84 62 47 91 62 67 45 36 127 104 Nro. Thlr. 25. Dass. Instr.; Syst. C, E; Oculare 1,2, 3, 4; Vergrösserungen 50 bis 900. 46 26. Dass. Instr.; Syst. A, D; Oculare 2, 3,4; Vergrösserungen 30 bis 740. 38 27. ‚Dass. Instr.; Syst. C;' Oeulare 1, 2,:3, 4; Vergrösserungen 50 bis 330. 30 28. Dass. Instr.; Syst. GC; Oculare 2, 3; Vergrösserungen 75 bis 200. 31 29. Kleinstes zusammengesetztes Mikroskop: (Stativ V) runder Fuss, Einstellung des Tubus durch Verschiebung , Grösse wie III b; Syst. K: Oculare 2, 3; Vergrösserungen 30 bis 115. 17 30. Dass. Instr.: - Syst. je Ocular ? 9" Vergrösserungen 30bis 7a. 15 Die verschiedenen Stative, die oben an den betr. Stellen näher beschrie- ben sind, werden zu folgenden Preisen notirt: Stativ O0 inelus. Etuis 55 Thlx, » I » » 27 » » Ib » » 49 » Seralt » » 20 » > Ih » » LSWy » IR » » 26 » » IV » » iu » » V » » 8 » - (Stativ III wird nicht mehr gefertigt.) Die Stative 0, 1, Ib bilden die grossen, II ein mittleres, PT. Ulle,' IY und V die kleineren Stative. 2 Vergrösserungen der Systeine. mityOcular lan 2iinıd, A. System A obereLinseallein 2... 1...2...20.72..20,..80,..45. » SARBNEEH SYSLEMaE) 7, a’ nad age arrire 79, ld, 6 Thl. » B a a REAL U: 8 » » € ganzes Syarat AL EAALER| 80, 120, 200, 330. 12 » » » obere u.untere Linse mit Ahrischensthiek 50, 75, 110, 180. » Diurams en un Va enable rt rer > » kind SE rin 340; 8506009 » BE a a: ER: ae See: 300, 500, 950, 1500. 26 » NB. Die obere Linse von A giebt, "allein gebraucht, wenn auch kein ganz vollkommenes (von einer Linse unmöglich) so doch em für viele Zwecke brauchbares Bild. Bei Anwendung von Ü obere u. untere L. wird das zu © gehörige Mes- singzwischencylinderchen zwischen die obere und untere Linse ge- schraubt, die mittlere Linse aber beseitigt, während bei Anwendung des ganzen Systems jenes Cylinderchen ausser Gebrauch kommt. Bei System E und F sind die mittleren Gläser nur eingesteckt und können nach Abschrauben des untersten Glases leicht herausgezogen werden. Beim Wiedereinstecken ist auf das Zeichen zu achten. ®culare. Nro. 1, 2, 3, 4, jedes . . at: 2 Thlr. Bei Verbindung meiner Systeme mit andern Stativen, welche einen ab- weichenden Beleuchtungs-Apparat haben, ist der Effect mit durch jenen Apparat bedingt. Veränderungen anderer Stative, behufs Armirung 41. 42. 43. 44, 45. mit meinen Systemen, können mit Ausnahme des nöthigen kleinen Zwischengewindes an dem Tubus, nicht übernommen werden. Sollte Jemand für seine Zwecke eine andere Combination wünschen als in den 30 Nummern oben zusammengestellt sind, so wird der Preis derselben aus den letzten Zeilen leicht ersichtlich und reicht bei - den betr. Aufträgen die einfache Ausdrucksweise wie RE; 1,2, 3,4. 73 Thlr. ITb.A, 0, D, in W238 91 >» etc. vollkommen aus. Neben- Apparate des zusammengesetzten Mikroskops. Thlr. Ocularmikrometer zum Einlegen in’s Ocular 5 mm. in 50 Theile, in Etuis Mikrometer-Ocular (No. 2) mit 5 mm. in 50 Theile. Objectiv-Mikrometer 2 mm. in 50 Theile, in Etuis. » » l mm. » 50 » » » » » l mm. » 100 » 9» » » » ; mm. » 100 » » » Vorrichtung zur Messung der Dicke der Deckgläser, Deck- glastaster, mit Nonius, ;, Millimeter angebend, Schätzung bis 0,05 genau, in. Etuis. 3 Camera lucida, Zeichenprisma zum Mikroskop, nach Nachet, in Etuis. “3 Camera lueida nach Nobert, in Etuis. 6 Compressorium, mikroskopischer Quetscher, eingerichtet, dass man den Gegenstand zugleich mit der Objeet- und Deck- platte, so wie man ihn früher zur Beobachtung hatte, zwi- schen den Quetscher und mit solchem zurück unter das Mi- kroskop bringen kann. In Etuis. 5 Beleuchtungslinse auf Stativ, 3° Durchmesser, halbkugelförmig, in polirtem Etuis. 15 Beleuchtungslinse, 14“ Durchmesser, mit Kugelbewegung, zum Einstecken in Fuss, für Stativ I. 5 Dieselbe wie vorher, mit Messingfuss, auch für die übrigen Stative anwendbar. 6 NB. Soll die letzte kleinere Beleuchtungslinse im Etuis des Mikros- kops passend untergebracht werden, so wird dafür 3 Thlr. mehr berechnet. Polarisations- Apparat zum Mikroskop mit 2 Nickols, der Ana- liseur über dem System, in Etuis. 15 Derselbe Apparat mit Flintglas-Condensorlinse, Hoch- und Niedrigstellung der letzteren und des Polariseurs, separater Drehung des Objects und Einrichtung zum ‚Unterlegen dün- ner Plättchen, mehr für die grösseren Stative anwendbar, in Etuis. 20 PN Nro. 46. 47. 48. 49. 50. 5l. 52. 53. 54. 9. Thlr. Derselbe Apparat wie vorher, der analisirende Nickol von grosser Oefinung im Ocular, zu welchem Zweck ein sepa- rates Ocular No. 2 verwendet wird, in Etuis. NB. Bei Bestellung von Polarisations-Apparaten zu früher gefer- tigten Stativen müssen diese letzteren eingesendet werden. Kleine Luftpumpe zum Entfernen der Luft aus Präparaten. Einfache Mikroskope. Einfaches Mikroskop, fester Tisch, grobe Einstellung durch Verschiebung, feine durch Schraube, drehbarer Planspiegel, darüber eine verstellbare Beleuchtungslinse. Das Ganze liegt in einem polirten Nussbaum-Etuis und ist zum Darauf- schrauben eingerichtet. Beigegeben sind 4 Doublets von 15, 30, 60 und 120facher Vergrösserung. Dasselbe Instrument mit 15, 30 und 120facher Vergrösserung Dasselbe Instrument mit 15, 30 und 60facher Vergrösserung, ohne Beleuchtungslinse, aber mit Präparirfuss zum Prä- pariren. Dasselbe Instrument ohne Beleuchtungslinse mit 10, 15 und 30facher Vergrösserung und Präparirfuss, hauptsächlich zum Präpariren. (Die 10fache Vergrösserung wird als Lupe in Extra-Etuis bei- gegeben und giebt nach Entfernung des oberen Glases eine 5fache Vergrösserung.) Präparirfuss von Nussbaumholz mit Backen zum Auflegen der Hände und Messingmutter zum Aufschrauben des In- struments. Einzeln. Sgr. Einfaches Mikroskop, ähnlich wie die vorhergehenden, aber mit einem grossen Tisch (2 Par. Zoll im Quadrat). Der De- leuchtungsspiegel auch für seitlichschiefe Beleuchtung einge- richtet. Unter dem Tisch eine Drehscheibe mit verschiedenen Blendungen und eine Beleuchtungslinse. Dazu ein Präparirfuss von Mahagoni mit Backen und Messingmutter. Beigegeben sind vier Doublets mit 15, 30, 60 und 120facher Vergrösserung und ein Triplet mit 200facher Vergrösserung. Alles liegt in einem Mahagonietuis, worin noch zwei kleinere für die Linsen und andere Utensilien. Thlr. (Die 3 schwächeren Vergrösserungen haben einen zum Präpariren bequemen Focalabstand.) Dasselbe Instrument wie das vorhergehende mit 15, 30 und 60facher Vergrösserung, hauptsächlich zum Präpariren. Dasselbe wie vorher, mit noch einer Lupe mit 10 und 5facher Vergrösserung. Die diesen Instrumenten beigegebenen Linsencombinationen, Doublets und Triplets werden auf Verlangen auch einzeln in speciellen Etuis abgegeben. Preis wie folgt. Doublet mit l5maliger Linear-Vergrösserung. Double » 30 » » » Double » 60 » » » n ne 88} [e #) 20 26 [SU Sol So) Doublet mit 120maliger Linear-Vergrösserung. Thlr. 3 Triple » 200» » » (NB. Obige Doublets und Triplets passen in alle früher oder später gefertigten einfachen Mikroskope obiger Art.) Kleinstes Taschenmikroskop für Moossammler mit 5, 10 und 30facher Linearvergrösserung, Tisch und Planspiegel und eingerichtet zum Aufschrauben des Stativs auf den Deckel des Etuis, welches nur 65mm. lang und 50 mm. breit ist. Thlr. Kleines Hand-Mikroskop zur Untersuchung durehsichtiger Ob- jecte mit 30facher Linearvergrösserung, einigen Glasplätt- chen, Nadeln, einem Trichimenobjeet u. einer Gebrauchs- anweisung zur Untersuchung des Fleisches (in No. 7 der Gartenlaube 1864 empfohlen) in Etuis. Thlr. Lupe aus 2 Linsen mit 10facher Vergrösserung, mit eimem kleinen polirten Holzstativ, auf welches ein Objecttisch von Messing geschraubt, über dem sich die Lupe. in einem Hal- ter aut- und abschieben lässt. Auf dem Tisch eine Feder- klammer und unterhalb ein Planspiegel. Hierzu ein kleines Pappetuis zum Aufbewahren der Lapay: und mit 3 Object- platten und Pincette. Dieselbe Lupe in leichter Messingfassung, nebst einem klei- nen (Gestell mit 2 Kugelbewegungen und einer Holzschraube, um die Lupe beim Gebrauch vom festen Punkt entfernen und das Gestell auf der Tafel befestigen zu können ; für Präparationen unter Wasser, oder an verhältnissmässig SroS- sen Gegenständen etc. zu medicinischem und ähnlichem (Gre- brauch Lupe aus zwei Linsen in Messing gefasst, mit 6maliger Li- nearvergrösserung, in Etuis. Vorrichtung, um dieselbe zur Präparation mit obigen ein- fachen Mikroskopen zu gebrauchen. Sgr. Lupe aus zwei-Linsen m Messing gefasst, mit 10maliger Vergrösserung (zu den einfachen Mikroskopen ohne Zwi- schenstück brauchbar.) Thlr. Lupe nach Wilson mit einer Linse in Messingfassung, eben- falls zu obigen Instrumenten brauchbar. In Etuis. Lupe aus zwei Linsen, jede für sich allein, achromatisirt. In Messing gefasst. In Etuis. Lüpe, einfache, mit 6maliger Linear-Vergrösserung n Büf- felhorn, zwischen Schalen zu Excursionen. gr. Dergl. zweifache, mit 6 und 12mal. Linear-Ver grösserung ... Lupe, dreifache, mit 6, 12 und 1Smaliger Vergrösser. "zwi. schen Schalen zu Excursionen. i Thlr. Lupe, ärztliche, zwei Linsen von grösserem Durchmesser als die vorher gehenden, zwischen Schalen zum Taschengebrauch. Lupe aus zwei planconvexen Linsen mit grosser Odinung, in Horn, zum Auseinanderschrauben. Dergleichen mit einer bieonvexen Linse, in Horn gefasst, mit grosser Oeffnung und circa 4maliger Linear „Vergrösserung. Sgr. oO tol-- Allgemeine Nebenapparate. Nro. 76. Objectgläser (Träger) aus geschliffenem Tafelglas, auf den Kanten facettirt, & Dutzend. Sgr. 10 78. Dergleichen, auf den Kanten nicht facettirt, zum Aufbewah- ren der Objecte, A Dutzend. - 5 79. Objectglas, in der Mitte hohl geschliffen, für Flüssigkeiten, a Stück. 15 80. Deckgläser, a Dutzend. 5 81. Dergleichen, von bestimmter Stärke, a Dutzend. 10 82. Kleine Maasstäbchen von Messing, einen Decimeter lang, m 100 Millimeter getheilt. Die Kante ist facettirt, um Di- stanzen auf Zeichnungen direct mit dem Maasstab messen zu können. 15 83. Messingring für Kork, zur Bereitung botanischer Pflanzen- schnitte. A 84. Botanisches Besteck, Lederetuis, enthaltend ein Skalpel, eine Stählpincette mit Schieber, eine anatomische Scheere, eine Nadel in Heft. Thlr. 24 85. Botanisches Besteck, Lederetuis, ausser den Gegenständen der vorigen Nummer noch enthaltend ein Heftehen mit zwei runden Nadeln zum Wechseln und ein Heftchen mit zwei lanzetförmigen Nadeln. 3 86. Stahlpincette mit feinen, innen glatten Spitzen. Ser. 12 87. Stahlpincette mit innen gerieften Spitzen und einem Schieber zum Feststellen. 20 88. Messingpincette, nach der Grösse. 5—10 89. Doppelpincette von Messing, die eine Seite mit Knöpfchen, hält das Object ohne Druck der Hand. 12 90. Skalpel, Messerchen mit gerader Schneide. 10 91. Ein Heftchen mit zwei runden Nadeln zum Wechseln. 8 92. Ein Heftchen mit zwei breiten lanzetförmigen Nadeln zum Wechseln. 93. Eine Nadel fest im Heft. NB. Die mechanischen Theile der Instrumente sind immer in genügender Quantität fertig oder vorgearbeitet, und wenn bei der Häufung der Bestellungen in neuester Zeit manche der geehrten Herren vielleicht etwas verzögert worden .sind, so steht dies künftig weniger zu befürchten, da die stattgehabte Erweiterung meines Ge- schäftes diesen Mangel an Systemen für’s Compositum (denn nur das zusammengesetzte Mikroskop betraf es) immer mehr beseitigen wird. Destellungen und Anfragen erbitte franco. Zahlung baar und portofrei in Preuss. Cour. oder Wechseln auf hier, Hamburg, Leipzig u. s. w. Herren, mit denen ich noch nicht in öfterer Geschäftsverbin- dung gestanden, ersuche ich, den Betrag gefälligst vor Abgang der In- strumente zu den von mir brieflich angegebenen Zeiten der Voll- endung einzusenden. Sendungen zur Ansicht finden nicht statt. Jena, 1865. Carl Zeiss. QUOS Verzeichniss der Mikroskope aus dem Institute von G. & Ss. Merz, vormals Utzschneider & Fraunhofer in München. Mikroskop Nr. 1 mit Stativ Nr. 1, vertical feststehender, horizontal drehbarer Tisch, grobe und feine Bewegung am Tubus, Beleuchtung in und ausser der Axe. Das Instrument ist versehen mit 6 Objeetivsystemen, dar- unter 1 System d’immersion, und 5 Ocularen und gewährt eine 20—1800 malige Durchmesser - Vergrösserung. Es besitzt em Schraubenmicrometer, welches noch 0.0001 eines Pariser Zolles messen lässt, einen Polarisationsapparat mit 2 Nicol’s, ein Zeich- nungsprisma und ein Compressorium. Das Ganze in elegantem Kasten Preis 420 fl. = 240 Thlr. Mikroskop Nr. 2 mit Stativ Nr. 1, versehen mit 5 Objectivsystemen, darunter 1 System d’immersion, und 4 Ocularen gewährt es 20—1200 Ver- erösserung. Beigegeben sind ein Ocular- und ein Objectiv-Glas- micrometer, ein Polarisations-Apparat, ein Zeichnungsprisma und ein Compressorium. Preis 280 fl. = 160 Thlr. Mikroskop Nr. 3 mit Stativ Nr. 1, versehen mit 4 Objectivsystemen, darunter 1 System d’immersion, und 3 Ocularen gewährt es 40—900 Ver- srösserung. Beigegeben 1 Ocularglasmicrometer. Preis 154 fl. = 88 Thlr. Mikroskop Nr. 4 mit Stativ Nr. 2, vertical und horizontal feststehender Tisch grobe und feine Bewegung am Tubus, Beleuchtung in und aus- ser-der Axe, Das Instrument versehen mit 2 Objeetivsystemen und 3 Ocu- laren gewährt 60—600 Vergrösserung. Preis 70 fl. = 40 Thlr. Mikroskop Nr. 5 mit Stativ Nr. 3, grobe Einstellung am Tubus, feine am Tische, Beleuchtung in der Axe. Das Instrument hat 2 Objectivsysteme und 3 Oculare. Ver- grösserung 60--600. Preis 63 fl. = 36 Thlr. Mikroskop Vr. 6 Stativ Nr. 3, mit 1 Objectivsysteme und 2 Ocularen von 200 und 400 maliger Vergrösserung. Preis ‚35.1, = 20. 'Thlr: Objectivsysteme. Brennweite: 1”, 4, 4 Oeffnungswinkel 20—60°; Preis. J4 A: ==.u8;Thlr. » 1 4°, 4“, Oeffnungswinkel 60—90°; Preis: 2] ==. 19, Thlr. » 45°, Oeffnungswinkel 120°, sowohl gewöhnliche als auch Systemes d’immersion Preis#28 #..—= 16 Thlr: Dieselben mit Correction Preis. 42-1. = "34 Thlr. Brennweite „4“, Oefinungswinkel 150°, sowohl gewöhnliche als auch Systemes d’immersion Eres D6.f -—=..39,Ihlr. Dieselben mit Correction Ereis; (0,4. = 40 Thlr. Lupen. Dupleten von 5, 12, 17, 24 und 32maliger Vergrösserung Fraser hr Preis-Courant der optifchen Inftrumente des von C. Kellner in Weslar 2b. oo 4a. gegründeten Inftituis. Nachfolger Fr. Belthle, Optiker & Mechaniker. Für 1865. Mikroskope. Grosses Mikroskop. Grobe Einstellung durch Zahn und Trieb ae feine desgl. mit Mikrometerschraube. — Polarisationsapparat. — Ocularglasmikrometer. — Zeichenapparat. — Spiegel concav u. plan für schiefe Beleuchtung. — Bewegung des Instrumentes um die optische = — Oeular orthoskopisch 1, II, III. uw. IV. und System 0., 1., 2., 3. u. 4. Vergrösserungen von 351500. 120. Thlr. a. Mittleres Grobe Einstellung durch Zahn und Trieb und feine desgl. mit Mikrometerschraube. -— Spiegel concav u. plan, für schiefe Beleuchtung. — Ocularglasmikrometer. Bewe- gung des Instrumentes um ar optische Axe. — Ocular L, D. u. 1II. System. 0., 1., 2. u. 3. Vergrösserungen von 25, 35, "50, 79,0110,*1454450592 208 300, 320, 500 700. 85 Thlr. Dasselbe ohne Bewegung um die optische Axe. 80 Thlr. Mittleres Mikroskop. Mechanische Theile wie bei 2a. — Ocular I, U. u. II. System 0., 1 u. 3. Vergrösserungen von 25,- 35, 50, 75, 110, 145, 320, 500700. bir Dasselbe ohne Bewegung um die optische Axe. 70 Thlr. Kleines Mikroskop. Grobe Einstellung durch Tubusverschiebung, feine desgl. durch Mikrometerschraube. — Spiegel für schiefe Beleuchtung. — Ocular I., I. u. II. System 0., 1.u.3. Vergrösse- rungen von 25, 35, 50, 75, 110, 145, 320, 500 50 Thlr. Dasselbe Mikı oskop, mit einem weiteren System 2 oder System 2a. Vergrösserungen von 25, 35. 50, 110, 165, 150, 220, 300, 320, 500700. 60 Thlr. Kleinstes Mikroskop. Grobe Einstellung durch Tubusverschiebung und feine desgl. durch Mikrometerschraube am An — Spiegel für schiefe Beleuchtung. — Ocular Lu.Il. System 1. u. 3. Ver- grösserungen von 60, 100, 300-500 "5 Thlr. Dasselbe Mikroskop mit einem weiteren System 2 oder System 2a. Vergrösserungen von 60, 100. 140, 220, 300—500. 45 Thlr. . Kleinstes Mikroskop. Grobe Einstellung durch Tubusverschiebung und feine desgl. durch Mikrometer schraube am Tisch. — Spiegel für auffallendes Licht. — Ocular I. u. H. System 1. u. 3. Ver- grösserungen von 60, 100, 300—500. Bei diesem Mikroskop sind die einfacheren Systeme, wie ich diese bisher beigegeben habe. 25 Thlr 5. Mikroskop. Bestimmt zur photographischen Aufnahme mikrosko- pischer Objecte, neueste Construction von Prof. Gerlach. System 3“und Ocular IL, D. u. IH. 40 Thlr. DasselbeMikroskop ohne Beigabe d. optischen Theile. 20 Thlr. . Die Mikroskope 1—3 können auf Verlangen zum Umlegen, eben- so mit Hufeisenfuss eingerichtet werden. Die Vergrösserungen obiger Mikroskope betragen auf 8 Zoll Sehweite bezogen, in Mittelzahlen: ii} Vocal- | Be 0. | Oentar h | Ocular # | Dear u: and. System 0. | 2 |" .6 N 50) 3,0, Mm. System 1. | 60 | Tage) 110 Ä 155 | 55 » System 2. || 120 | 145.0] "a9oul' "soo "18 » System 2a. 200 | 220 Ä 350 500 145 » System 3. | 50 sog! HR og 700 Ä 106 >» Ey rn | "1200 | 1500 108 >» System 5. 500 | 700 Ä 1400 Ä 1800. | 0,4. » | | | | Ä | | l | Objectiv-&8ysteme. 6. System 0. mit einer achromatischen Linse. S=L.hlr; 7. System 0. mit zwei achromat. Linsen. 6 Thlr. 8. System 1. mit zwei achromat. Linsen. 6 Thlr. 9. System 1. mit drei achromat. Linsen. 9 Thlr. 10. System 2. Bekannte vortheilhafte Combination von Kellner, hat bei der charakteristischen Eleganz der K.’schen Systeme eine viel weitergehende Schärfe als bisher. 70 Dir“ 11. System 2a. IP Uhl 12. System 3. neueste Construction. 12 Thlr. 13. System 4. le Midi Immersionssysteme. 14. System 1. Focus '/4 20 Thlr. 15. System 2. Focus 1/4,“ 25 Thlr. 16. System 3. Focus Ye“ 30 Thlr. 44, ®Oculare. Orthoskopische Oeulare L, IL, UI. u. IV. 6 Thlr. Aplanatische Oculare I., U., IH. u. IV. 7 Thlr. Gewöhnliche Oculare 0., IL, DH. u. II. > fTChlr, Loupen. Stativloupe zum Präpariren. Grobe Einstellung durch Schiebung, feine desgl. durch Schraube, mit 10-, 20-, und 30mal. Vergrösse- rung grosser Vocalabstand. 18 Ehlg Stativloupe zum Präpariren. Einstellung durch Schiebung, mit einem Doublett. 25mal. Vergr. grosser Vocalabstand. 7 Thlr. Doppelte Handloupe, achromatisch. 10 mal. Vergrösserung mit grossem Sehfelde. 4 Thlr. . Doppelte Handloupe, achromatisch. 12mal. Vergrösserung mit Etuis und Grift. 3..Thle--15=Sge, Einfache Handloupe, achromatisch. 6mal. Vergrösserung mit Etui und Griff. 2. Thlrs13, Ser. Loupe nach Brücke je nach Grösse von 2—10 Thlr. Nebenapparaite. Polarisationsapparat nach Angabe von H. v. Mohl je nach Grösse der Nicol’schen Prismen in Etui. 10—15 Thlr. Polarisationsapparat, Analiseur mit Turmalinplatte je nach Grösse des Nicol’s und der Platte. 6—10 Thlr. Haidinger’sche dichroskopische Loupe. 5 Tl. Ocularglasmikrometer, mit Fassung zum Einlegen, ganze Länge der 'heilung 2',, Mm., 1 Mm. in 10 Theile. 2 Thlr. Ocularglasmikrometer, 1 Mm. in 20 Theile. 2 Thir, 1a Ser. Mikrometerocular, orthoskopisch. Der Mikrometer fest gefasst in der Biende. 7er: Objectivmikrometer, *!, Mm. in 50 Theile. 5. I MMr. Zeichenprisma, nach Gerling in Etui. 4 Thlr. Zeichenprisma, nach Nobert in Etui. 5 Tulr. Beleuchtungslinse, auf Stativ mit Kugelbewegung 2“ Durchmesser. 17, TUI. Beleuchtungslinse, auf Stativ mit Kugelbewegung 1,5 Durch- messer. 7, Talr. Beleuchtungslinse, auf Stativ mit Kugelbewegung 1“ ne: 5 Thlr. Einrichtung für Cylinderblenden, mit Schlitten, zum Abschieben unter den Tisch. 6 Thlr. Einrichtung zum Horizontalsehen, bestehend aus einem recht- winkeligen Prisma mit Knie, auf den Tubus autzustecken. 10 Thlr. Compressorium. 6 Thlr. Objectträger mit concavem Ausschliff, per Dtzd. 2 Thlr. 10 Sgr. Objectträger, gewöhnliche, per Dtzd. 10 Sgr. Deckgläschen, in gewöhnlicher Grösse, nach der Dicke sortirt und auf beiden Flächen polirt von !/,—",,‘“ Dicke per. Dtzd. 10 Sgr. Deckgläschen in gemischter Dicke und Grösse. 5 Ser. Sämmtliche Mikroskope sind in einem polirten verschliessbaren Etui sorgfältig verwahrt. Weızlar im Januar 1865. Beobachtungen über den Bau des Säugethier- Eierstockes. Von Prof. Wilhelm His in Basel. Hierzu Taf. VIII—XI. Die letzten paar Jahre haben eine grössere Zahl von Arbeiten über den Bau des Eierstocks gebracht und einige davon enthalten das Resultat sehr einlässlicher, durch Jahre hindurch fortgeführter Studien; hiernach bedarf es beinahe der Entschuldigung, wenn ich mir erlaube die vorhandenen Publieationen um eme neue zu vermehren, zumal da diese nur in sparsamen Mussestunden zusammengestellt werden konnte. Die aus den bisherigen Arbeiten hervorgegangene so persönlich gewordene Polemik würde mich auch kaum eingeladen haben, den Eierstock zu bearbeiten, wenn ich nicht im verflossenen Herbst bei Bereitung von Vorlesungspräparaten auf einige Beziehun- gen im Verhalten der Gefässe aufmerksam geworden wäre, die in den bisherigen Diskussionen weniger Beachtung gefunden hatten. Die Verfolgung des Gegenstandes führte mich weiter, als ich Anfangs voraussehen konnte, und so ist die nachfolgende Mittheilung ent- standen, welche weder den Anspruch macht, lauter Neues zu brin- gen, noch denjenigen, erschöpfend zu sein, von der ich indess doch hoffe, dass sie Einiges zur Ordnung der Begriffe beitragen möge. Ich habe mich darin bemüht, neben der Entwicklung des Follikel- inhalts, welche in den neueren Arbeiten von Schrön, Groh&, Gegenbaur, Klebs u. A. in den Vordergrund getreten ist und welche vor allem durch Pflüger eine so gründliche und umfassende Bearbeitung erfahren hat, auch die selbstständigen Vegetationsvor- gänge am Stroma, sowie die Bildungs- und Rückbildungsvorgänge an den Gefässen zur Geltung zu bringen, da diese für das richtige Ver- M. Sehultze, Archiv f. mikrosk. Anatomie, I, Bd. 11 152 Wslh.Häs, ständniss des Eierstocksbaues und Eierstockslebens von nicht gerin- gem Belang sind. Von meinen Beobachtungen fällt der reichlichste Theil auf den reifen Eierstock der Kuh und auf dessen gelbe Körper. Den Eierstock der Katze, auf dessen klassischen Bau Schrön und Pflüger auf- merksam gemacht haben, habe ich gleichfalls in den Bereich meiner Untersuchung gezogen, und ich war im Stande, daran die eigenthüm- liche Bildungsweise der Membrana folliculi etwas bestimmter festzu- stellen ; ebenso habe ich einige Beobachtungen über den Bau des menschlichen Fötuseierstocks angestellt und ich schicke diese letztere als Einleitung voraus, weil die schon von früheren Beobachtern !) hier hervorgehobene typische Einfachheit des Baues den Schlüssel für das Verständniss späterer complieirterer Verhältnisse abgiebt und weil zugleich meime, nach einer abgeänderten Methode erhaltenen tesultate eine ganz brauchbare CGontrolle für die Pflüger’schen Angaben liefern. Die am Fötuseierstocke verfolgbaren Prineipien des Baues und Wachsthumes haben mich weiterhin zum Studium der noch wenig bekannten, frühesten Bildungsgeschichte der Sexualdrüsen ge- leitet, die von nicht unbedeutendem allgemeinen Interesse ist. Eierstock des menschlichen Fötus. Beim Fötus aus der 2ten Schwangerschaftshälfte bildet der Eierstock ein längliches an seinem innern Ende etwas verdicktes, oft auch einge- kerbtes Organ mit scharfer hinterer Kante. Der Hilus ist tief einge- schnitten, und an die gefässzuführende Mesovarialplatte legen sich zwei ausgeprägte Parenchymlippen an, von denen die eine obere um ein be- trächtliches länger ist als die andere. Werden die beiden Lippen ausem- andergeklappt, so bildet das eigentliche Parenchym, wie schon Henle recht anschaulich geschildert hat?), eine geknickte' Platte, an deren Innenseite als 2te Platte das gefässzuführende Hilusstroma sich anlegt (vergl. Taf. IX. Fig. 1). Parenchym und Hilusstroma sind scharf von ein- ander geschieden und das letztere wird, mit Ausnahme natürlich vom Eintrittsrand der Gefässe ringsherum vom Parenchym bedeckt. Das Parenchym zeigt sich bis zu seiner inneren Grenze hin von Ei- und Follikelanlagen durchsetzt und zwar in einer Gruppi- rung, ähnlich derjenigen der Knorpelzellen im wachsenden Knorpel 1) Groh& Virchow’s Archiv Bd. XXVI. 2) Henle Handb. d. system. Anatomie, II. 480. Beobachtungen über den Bau des Säugethier-Eierstockes. 153 einer Epiphyse. An der Peripherie nämlich des Fierstockes liegen die Eianlagen in dicht gedrängten Haufen beisammen, welche je durch schmale Substanzstreifen von einander geschieden sind, während zwischen die Zellen der einzelnen Gruppen Nichts sich eindrängt. In einiger Entfernung von der Oberfläche finden sich an der Stelle der Zellenhaufen vereinzelt stehende Follikelanlagen, Anfangs noch dichter beisammenstehend, gegen den Hilus hin jedoch durch breitere Substanzbrücken geschieden. Die Zellengruppen der Rinde hängen unter einander zusam- men, wie man leicht an Flächenschnitten sieht. Pinselt man einen Querschnitt aus, so fallen jene aus ihren Fächern heraus und es bleibt das trennende Gerüst allein zurück, während die durch das Auswaschen frei gemachten Zellenzapfen in grösseren und kleineren Fragmenten umherschwimmen, das Balkengerüst aber umschliesst keineswegs etwa geschlossene Fächer, sondern Räume, welche nach allen ‚Richtungen mit, einander communiciren. Schon in geringer Entfernung vom Rande, nämlich da, wo die Follikelanlagen anfan- gen von einander sich zu scheiden, lässt sich durch Pinseln das Stroma nur mehr unvollständig isoliren, einzelne Follikelanlagen zwar lassen sich aus dem Schnitt entfernen, allein da an die Stelle der zusammenhängenden Maschenräume isolirte Fächer getreten sind, so bleibt die Befreiung des Stromagerüstes von seinem Inhalt nur eine unvollkommene, um so unvollkommener natürlich je weiter die Follikelanlagen auseinander rücken, je mehr das Stroma über sie das Uebergewicht bekommt. Die Zellen, welche den Inhalt der peripherischen Maschen- räume bilden, besitzen einen Durchmesser von 558, sie liegen dieht gedrängt beisammen, vielfach polygonale Formen annehmend (Fig. 2.a); der Kern in ihnen ist unverhältnissmässig gross 4,53, kugelrund, mit einfachem oder doppeltem grossen Kernkörper, und ist nur von emem schmalen Streif körniger Substanz umfasst. — In den innern Lagen des Parenchyms zeigen die Follikelanlagen die bekannten Bestandtheile, eine grössere Zelle, die Eizelle mit bläschen- förmigem Kern und grossem Kernkörper und um sie herum als An- lage der Membrana granulosa eine Zellenschicht. Die Zellen dieser Schicht sind in die körnige Masse der Eizelle wie eingedrückt und von ihr noch durch keine Zona geschieden. : Vom Stroma dagegen setzen sie sich scharf ab, und wäscht man sie aus ihrem Fach her- 154 Wilh. His, aus, so zeigt sich letzteres von einer, mit dem übrigen Gewebe ver- wachsenen dünnen structurlosen Haut umsäumt. Wie man sieht, stimmen die eben mitgetheilten Schilderungen mit den neueren Beobachtungen von Pflüger, Schrön und Groh&!) nicht allein darin überein, dass sie die jüngsten Zustände der Follikelanlagen in die äusserste Peripherie, die reifen in die innern Lagen des Parenchyms verlegen, sondern sie geben auch in den Hauptpunkten die Bestätigung für die Valentin-Pflüger'’sche, neuerdings auch von Spiegelberg unterstützte Darstellung der Follikelbildung. Sehen wir nämlich in der Pflüger’schen Darstel- lung von gewissem feinerem Detail, sowie von einigen theoretisirenden Beigaben ab, so bleibt als wesentlicher Kern der, dass die Bildung der Eier aus gemeinsamen zelligen Anlagen erfolgt, welche dicht unter der Oberfläche des Eierstocks als grössere zusammenhängende Grup- pen auftreten und dass erst durch secundäre Abschnürung aus die- sen Zell-Gruppen die Follikel entstehen, welche die innere Parthie des Parenchyms einnehmen. Bei der jungen Katze konnte Pflüger eine gemeinsame Membrana propria um die noch ungeschiedenen Kianlagen der Rinde nachweisen, und er bezeichnet daher auch diese letzteren als Eischläuche, beim Kalb gelang ihm der Nach- weis einer structurlosen Membran um die zusammenhängenden. Fol- likelanlagen nicht?). Durch Zerzupfen der frischen Ovarien 14tägiger Kätzchen vermochte ich ohne Mühe mich von der Richtigkeit der Pflüger’schen Angaben zu überzeugen, dagegen gelang mir an meinen Präparaten von menschlichen Fötusovarien in der äusser- sten Rinde der Nachweis vom Vorhandensein einer structurlosen Haut um die ungeschiedenen Follikelanlagen herum nicht; erst in den innern Parenchymschichten finden sich, wie oben erwähnt, die An- deutungen einer solchen Membran als Begränzung der bereits ge- schiedenen Follikelanlagen. Offenbar kann auf. das Vorhandensein oder Fehlen dieser Membranen kein besonderes Gewicht gelegt wer- dden, denn auch von anderwärts weiss man, dass die structurlosen Häute secundäre Bildungen sind, und selbst in- den absondernden Drüsen sind sie längst kein nothwendiges Desiderat mehr. Insofern also scheint auch die von Pflüger adoptirte Bezeichnung von Ei- I) Pflüger über die Bierstöcke der Säugethiere u. des Menschen. Leipz. 1863. 0.Schrön in Sieboldu. Kölliker’s Zeitschr. Bd. XII. Grohe l.e. Aldeapirll. Beobachtungen über den Bau des Säugethier-Eierstockes. 155 schläuschen nicht unverfänglich zu sein, da sie leicht zu Missdeu- tungen Anlass giebt. Um nun den Prozess der Follikelscheidung zu verstehen, ist es nothwendig, dem Stroma einige Aufmerksamkeit zuzuwenden. Wie die Follikelanlage selbst, so zeigt auch dieses in verschie- denen Tiefen des Organs verschiedene Iintwiekelung und das Rayon seines Hauptwachsthums fällt an die Peripherie des Eierstocks. Un- tersucht man nämlich feine ausgepinselte Schnitte der Peripherie, so findet man die interfollikulären Balken aus einem blassen Ge- webe gebildet, das ausser aus bereits vorhandenen Gefässen nur aus reichlichen Massen grosskerniger Spindelzellen zu bestehen scheint ; es zeigen die Balken die grösste Uebereinstimmung mit den aus verbundenen Spindelzellen bestehenden Gefässanlagen, wie sie von der entzündeten Hornhaut, sowie von andern pathologischen und normalen Theilen her bekannt sind (vergl. Fig. 2). Zwischen den stärkeren Balken des Gerüstes spannen sich auch feinere aus, häu- fig nur aus einem dünnen mit einer Zelle des Balkens in Verbindung stehenden Faden bestehend; hie und da sieht man auch einzelne Ausläufer von dem einen Balken ein kleines Stück weit sich entfernen, ohne zu einem andern hinzutreten. — In den tieferen Lagen des Paren- chyms zeigt das Stroma die CGharactere eines ausgebildetern Gewebes (Fig. 3); die Gefässe im Innern der Balken zeigen ihre deutlich seschiedene Haut; das Gewebe, das sie umhüllt, ist zwar noch im- mer reich an Spindelzellen, indess besteht es nicht mehr ausschliess- lieh aus diesem, sondern zwischen sie hat sich eine, in Fibrillen zer- klüftete Grundsubstanz eingeschoben. as die Verbreitung der Blutgefässe im Organ betrifft, so giebt die Abbildung Fig. 1 davon am besten eine Vorstellung ; noch im Hilusstroma geschieht die grössere Verzweigung der zuführenden, bereits reichlich sich schlän- gelnden Arterien und der Venen; beide sind noch durch ein reich- liches Zwischengewebe zusammengehalten, in welchem auch Lymph- gefässdurchschnitte nicht fehlen. Von dem Hilusstroma strahlen die Gefässstämmchen in das Parenchym ein, in welchem sie dichte Netze bilden und bis nahe unter die Oberfläche vordringen. Wie die Eianlagen an der Peripherie des Eierstocks immer neu fortsprossen, so wächst auch das Stroma von Innen nach Aus- sen hin, und man sieht leicht ein, dass die Abschnürung der Follikel in der genauesten Beziehung zu den Vegetationsvorgängen des Stroma selbst und zur Neubildung von Gefässen steht. Sie erfolgt 156 Wilh. His, nämlich dadurch, dass zwischen die Zellen ‚der Eistränge Brücken von Spindelzellen sich einschieben, welche Anfangs dünn sind, später aber breiter werden und sich vaskularisiren. Woher stammen nun die Zellen der Membrana granulosa, ı die sofort nach Abschluss des Follikels das Ei umgeben?‘ Es sind zwei Möglichkeiten vorhanden, entweder nämlich gehen sie aus den Gebilden der noch ungeschiedenen Eizellstränge selbst hervor, : oder aber: sie stammen von den Spindelzellen des umgebenden Stroma. Letzterer Möglichkeit könnte man desshalb versucht sein ‚sich zuzuwenden, weil die gebogenen Belegzellen, so lange sie noch in geringer Zahl das Ei umgeben, in der Profilansicht allerdings mit den angränzen- den Spindeln eine gewisse oberflächliche Aehnlichkeit darbieten kön- nen; nichts destoweniger scheint eine derartige Aufstellung: nicht begründbar. Die Zellen, welche das Ei frisch abgeschnürter Fol- likel umgeben, stimmen in ihrer. Grösse und ihren physikalischen Characteren mit den kleinen: Zellformen der ungeschiedenen Eizell- stränge völlig überem und gerade die Isolationspräparate von den Ovarien junger Katzen zeigen, dass lange vor der: Follikelabschnü- rung schon eine Epithelialbildung von den eigentlichen Eiern sich gesondert hat. Nach den Untersuchungen von Pflüger, der gerade diesem Punkt genauere Aufmerksamkeit geschenkt hat, geht die Membrana granulosa aus einer kleinzelligen Bildung hervor, die An- fangs nur am Grund seiner Eischläuche liegt und die unter Umstän- den Öylinderform annehmen kann. Meine Präparate menschlicher Eierstöcke, die alle schon seit längerer Zeit in chromsaurem Kali oder Alkohol gelegen hatten, waren ‚nicht geeignet diesen Punkt schärfer zu verfolgen. Wenn man die beiderseitigen Bildungen im Ovarialparenchym, die Eizellstränge und ihre Produkte einerseits, und das Stromagerüst andererseits übersieht und deren Vegetationsverhältnisse verfolgt, so kann man sich kaum der Vorstellung erwehren, man habe es mit zwei, schon in ihrer ersten Anlage differenten Bildungen zu thun. Die Analogie drängt unmittelbar zum Vergleich mit den Darm- und den Hautdrüsen und deren Entstehungsgeschichte. Wie in diesen das eigentliche Drüsenparenchym aus den spezifisch epithelialen Keimblättern, dem Horn- und dem Darmdrüsenblatte stammt, und wie es von diesen Blättern aus in das, vom mittleren Keimblatt ge- lieferte gefässtragende Bindegewebsgerüst hineinwächst, so scheint es, müssen auch die Zellstränge des Ovariums aus einer anderen Beobachtungen über den Bau des Säugethier-Eierstockes. 157 Quelle stammen, als das Gefässgerüst, von dem sie allmählig um- wachsen werden. Der Gedanke, den Follikelanlagen einen andern Ursprung an- zuweisen, als dem Stroma, ist nicht neu; so hat Pflüger versucht, dieselben von Wucherungen des Peritonäalepithel abzuleiten, dabei lässt er das Peritonäum, sowie alle serösen Häute nur aus einer Epithel- schicht bestehen und erklärt sie für »Drüsen«. (Auf die Discussion dieses letzteren jedenfalls nur einseitig formulirten Gedankens, muss ich mir versagen, hier einzugehen, ich werde vielleicht bei einem andern Anlass einmal die Gelegenheit ergreifen denselben zu be- sprechen.) Noch lange vor Pflüger!) hat Huschkein einer total andern Weise versucht, den Parallelismus zwischen den acinösen Drüsen . und dem Eierstocke herzustellen. Huschke nämlich lässt gerade- zu den Follikelinhalt aus dem Epithel des Eileiter entstehen. In seiner Bearbeitung der Sömmering’schen Eingeweidelehre sagte er?): »Die Graafschen Follikel sind geschlossene Acini ohne Secretions- Kanäle im Erwachsenen und schon sehr früh beim Fötus; ihre Höhle hängt aber wahrscheinlich in noch sehr früher Zeit mit der Röhre der Trompeten zusammen, schnüret sich jedoch bald ab und ist während dem grösseren Theil des Lebens vollkommen geschlossen. Auch ist durch J. Fr. Meckel erwiesen, dass die Trompete beim früheren Embryo den Eierstock noch umfasst, d. h. dass jener Aus- führungsgang sich noch nicht von den Drüsen gelöst hat; ich glaube daher nicht zu irren, wenn ich alle drei obigen in einander geschach- telten Bläschen (Eikapsel, Ei und Eibläschen), mit dem Namen: Acinus des Ovariums belege.« Eine Entscheidung über die anfänglichen Beziehungen zwischen drüsigem Ovarialantheil und zwischen Stroma kann natürlich bloss auf dem Wege entwicklungsgeschichtlichen Studiums gewonnen wer- den und diesen Weg wollen wir im Nachfolgenden zu verfolgen suchen. Die jüngsten menschlichen Embryonen, deren Ovarien ich zu untersuchen Gelegenheit hatte, stammten aus der 11. bis 12. Woche und waren in Weingeist gehärtet. In dieser Zeit verbindet ein flacher Stiel den Eierstock mit dem W ol ff ’schen Körper ; Binde- substanz und Gefässe des Ersteren gehen unmittelbar aus dem Stroma 1) Pflüger 1. c. p. 30 u. £. 2) Huschke Eingeweidelehre p. 450 s. auch die Note. 158 Wilh. His, (des Letzteren hervor, dieses aber ist im Gegensatz gegen früher bereits sehr mächtig entwickelt. Einzelne Kanäle des W olff’schen Körpers treten unmittelbar bis in den Stiel der Sexualdrüse ein; (das Hilusstroma ist im Ovarium noch ziemlich sparsam, die Paren- chymrinde, welche dasselbe umgiebt, hat einen Durchmesser von bis 2Mm. und besteht bis in ihren innern Theil aus länglichen, zur Oberfläche senkrecht gestellten Nestern von Zellen mit grossem bläs- chenförmigen Kern, welche durch schmale Substanzbrücken von ein- ander geschieden sind. Es finden sich somit zu der Zeit auch in den innersten Schichten des Parenchyms nirgends geschiedene Fol- likel; das ganze Parenchym hat einen Character, wie ihn in späte- rer Zeit nur noch die äusserste Rinde behält; vom Vorhandensem von Schlauchmembranen um die Zellennester herum konnte ich mich auch zu dieser Periode nicht überzeugen. Noch jüngere Entwicklungsstadien als das eben betrachtete habe ich an kleinen 4 bis lzölligen Säugethierembryonen und an Hühnchen vom 4. bis 10. Bebrütungstag verfolgt. Hier sind ‘es wie- derum die Urnieren von denen wir: ausgehen müssen. Von diesen eigenthümlichen Organen ist bekanntlich Anfangs nur ein einfacher, von den Mittelplatten umschlossener Gang vorhanden, der weiterhin seitliche Sprossen treibt, welche mannigfach sich winden und so zur Bildung. eines voluminösen, jederseits der hintern Rumpfwand an- liegenden Körpers führen. Auf dem Querschnitt erscheint nach Aus- bildung der Kanälchen jede Urniere als ein annähernd 4seitiger Körper, von dessen beiden Breitseiten die innere der Wurzel ‚des Gekröses dicht anliegt, während die äussere der äusseren Leibes- wand zugekehrt ist; von dieser letzten Seite tritt ‘als kleiner‘ Vor- sprung der Querschnitt des Müller’schen Ganges hervor, welcher von einem breiten Stromaring umgeben, und dadurch auch vom eigent- lichen Urnierengewebe abgesetzt ist. Von den beiden Schmalseiten der Urniere sieht die eme nach vorn und berührt die Baucheinge- weide, vor Allem die Leber, wogegen die andere, nach hinten ge- kehrt, die Verbindung mit der: Rumpfwand: herstellt und die Aorta nach innen von sich lässt (vergl. Taf. XL. Fig. Lund I). Von letzterer ausgebend entwickeln sich nun ‚die Malpighischen Knäuel der Urniere; ihre ersten Anlagen sieht man nämlich jederseits nach aussen von der Aorta und vor den Aa. intervertebrales auftreten, entwickeltere Formen treten in die Basis des W olff’schen Körpers selbst ein und lagern sich in kleinen Gruppen an dessen Innenseite, Beobachtungen über den Bau des Säugethier-Eierstockes. 159 nur vereinzelt wenden sie sich auch um die Basis des W olff’schen Körpers herum, an dessen Aussenseite. Anfangs bleiben die Mal- pighischen Knäuel von den Kanälen völlig getrennt, ja es schiebt sich sogar ein leerer Zwischenraum zwischen sie und jene; weiterhin aber treten sie, ‘wie dies schon von früheren Beobachtern geschildert wor- den ist, mit diesen in genauere Beziehung, indem jeder Knäuel in das Lumen eines Kanals sich eindrängt, dessen Wand vor sich her- schiebend und allmählig verdünnend. Das Stroma zwischen den gewundenen Kanälen ist Anfangs äusserst sparsam, nimmt aber später bedeutend zu. Die Sexualdrüse entwickelt sich nun bekannt- lich aus der Innenseite der Wolff’schen Körper, also an der Seite, wo von Anfang an die Malpighischen Knäuel ihre Stellung genom- men haben. Was ich von ihrer Bildung verfolgen konnte, ist fol- gendes: An der Stelle, wo die Sexualdrüse auftritt, findet sich ein mächtiger Knäuel, der auch in seinem Gewebe etwas dichter gebaut scheint als die übrigen. Dieser Knäuel tritt bald über die Ober- fläche der übrigen Urniere hervor, und schnürt sich von derselben ähnlich einem gestielten Polypen ab. An seiner, dem Mesenterium zu- gekehrten Fläche wird derselbe spangenartig umgeben von einem plattgedrückten Kanal, dessen Innen- und Aussenwand von dunkeln Zellen, ähnlich denen der Urniergänge, und völlig verschieden von denen des Stroma gebildet wird. Der Kanal besitzt Anfangs stets deutlich doppelte Begränzung, und an bestimmten Stellen sieht man die Umbiegung der äussern Zellenlage in die innere (vergl. Taf. Xl. Fig. II). Später ändert sich das Bild etwas, der innere Gefässknäuel ent- wickelt sich zu einem mehr strahligen Gefässgerüste mit einzelnen stärkeren Stämmehen. Von den umgebenden dunkleren Zellen- schichten bleibt: die äussere für sich bestehen und durch einen durch- sichtigen Zwischenraum von dem innern Drüsenabschnitte getrennt, die innere Zellenlage dagegen verliert mehr und mehr an deutlicher Abgränzung, was einestheils davon herrührt, dass ihre Bestandtheile weniger jenes charakteristische duikle Ansehen behalten, welches die- jenigen der Aussenlage haben und dass anderntheils der Gefässknäuel, über den sie sich mehr gleichförmig auszubreiten scheinen, durch grösseren Kernreichthum: undurchsichtig wird. Noch später, da beim Hühnchen die Ovarien vor den Hoden bereits deutlich durch ihre bei- derseits ungleiche Grösse sich unterscheiden, findet man zwar immer noch den leeren Zwischenraum zwischen dem Innentheil und der äusseren Zellenschicht, dagegen ist die Umgränzung dieser letzteren 160 Wilh. His, weniger scharf geworden, sie ist an verschiedenen Stellen ungleich dick und am Innentheil drängen gegen dieselbe dünne Stromafort- sätze an, welche eine Scheidung der Drüsenrinde in Fächer ein- leiten; erst nachträglich scheinen sich dann die so gebildeten Fach- räume durch Wucherung der äusseren Zellen- völlig mit Inhalt zu füllen. Die eben mitgetheilten Beobachtungen lassen kaum einen an- dern Schluss zu, als dass das Parenchym der Sexualdrüsen wirklich aus Wolff’schen Kanälen entsteht, während die Hülle der frühern Umgränzung eines T'heiles des Wolff’schen Körpers entspricht, und das Hilusstroma mit seinen Gefässen aus einem Malpighischen Knäuel entsteht. In der ersten Anlage gestaltet sich das Verhältniss von Knäuel und Kanälen ähnlich wie in den Urnieren selbst. 'Jener treibt diese spangenartig vor sich her und kommt nun zunächst in Berührung mit der emen Wand, welche blasser wird und sich ab- plattet, während die abgekehrte Wand stärker sich entwickelt. Aus letzterer gehen durch Wucherung die Stränge der Eizellen hervor. Ob die Epithelzellen des Primitivfollikels auch aus ihr sich bilden, oder ob sie aus den blassen Zellen der tieferen Lage (der anfänglich inneren Kanalwand) hervorgehen, vermag ich zunächst nicht zu sa- gen; die Beobachtung Pflüger’s, wonach die Epithelzellen seiner Eischläuche Anfangs nur in deren. tiefstem Theil vorhanden sind, und erst von da aus weiter zur Oberfläche vordringen, spricht jeden- falls für die letztere von diesen Möglichkeiten. Woher stammt nun aber der Urnierengang selbst? Remak und nach ihm Kölliker !) lassen ihn aus dem mittleren Keimblatt entstehen, und zwar zu der Zeit, da sich die Seitenplatten von den Urwirbein scheiden; er liegt von Anfang an zwischen und über die-. sen beiden Gebilden und dicht unter dem Hornblatt. Allerdings sind beide Autoren von dem Ergebniss ihrer Beobachtung theoretisch nicht befriedigt, sie erklären aber das Resultat der Beobachtung für unanfechtbar. Als mir in der Verfolgung der späteren Entwicklungs- verhältnisse der Gegensatz entgegentrat, in welchem eigentliches Parenchym und Stroma des Eierstocks fortwährend zu einander stehen, musste ich natürlich begierig sein, auch meinerseits die Remak’- sche Angabe nachzuprüfen und gleich bei Durchmusterung meiner 1) Remak Untersuchungen über Entwicklung der Wirbelthiere pag. 102, Kölliker Entwicklungsgeschichte. p. 111. Beobachtungen über den Bau des Säugethier-Eierstockes. 161 ng vorräthigen Embryonaldurchschnitte war ich so glücklich einen zu fin- den, der mir den, wie ich glaube, richtigen Schlüssel zur Deutung des Verhältnisses an die Hand gab. Ich habe diesen Schnitt Taf XI. Fig. IILA abgebildet; er stammt vom hintern Leibesende eines Hühnerembryo vom zweiten Tag. Neben der weit offenen Medullarplatte findet sich eine tiefe und neben ihr eine zweite bedeutend seichtere Einbuchtung des obern Keimblattes, beide Falten drängen sich in das unterliegende mittlere Keimblatt ein. Dieselben erscheinen dicker als das eigent- liche Hornblatt, obwohl lange nicht so diek als die Medullarplatte selbst; an, dem fraglichen Präparate sind im mittleren Keimblatt die Urwirbel von den Seitenplatten noch nicht geschieden, wohl aber hat die Spaltung der letzteren bereits begonnen. Es entspricht die Stelle der innern, der Medullarplatte zugewendeten Falte genau der Gränz- stelle zwischen der Urwirbel- und der Seitenplattenabtheilung, also genau der Stelle. an welcher man bald nachher den Urnierengang dicht unter der Hornplatte liegen sieht (man vergl. die beigegebene Abbildung mit Fig. 19 von Kölliker). Nachdem ich obiges Bild einmal erhalten, suchte ich mich natürlich von der Constanz des- selben zu überzeugen ‘und ich habe in der That an allen Durch- schnitten von Embryonen mit noch offenem Medullarrohr neben der Medullarplatte eine tiefe Falte wiedergefunden, die ich sonach nicht anstehe für das Primitivgebilde des Urnierenganges zu halten. Taf. X1. Fig. Il(B—D) giebt verschiedene solche Bilder ; in B ist die Urnierenfalte unter die Medullarplatte hinunter gerückt, was vielleicht nur Folge des Sehnittes ist, in GC dagegen überzeugt man sich wiederum von ihrer Lage zwischen Urwirbel und Seitenplatte. Was die zweite im Präparat A geschilderte und gezeichnete Falte Sf betrifft, so möchte diese vielleicht als das Urgebilde des von Remak an der betreffen- den Stelle gesehenen Geschlechtsganges sein. Es ergiebt sich, wie ich glaube, aus obiger Beobachtung der Schluss, dass die Urnieren- und wohl auch die Geschlechtsgänge nicht aus dem mittleren Keim- blatt entstehen, sondern aus dem obersten sich abschnüren und zwar zu derselben Zeit, da der Schluss des Medullarrohres sich einleitet. Nächstdem, dass durch dies Ergebniss die von Remak so weit ge- förderte Lehre von der Drüsenbildung noch bedeutend an Einheit gewinnt, erklärt sich auch noch verschiedenes Andere. Zunächst die merkwürdige Reise, welche Urnieren- und Geschlechtsgang zwischen Urwirbeln und Seitenplatten durchmachen, um schliesslich von den Mittelplatten umwachsen zu werden. , Diese Reise bleibt völlig un- 162 Wilh. His, - verständlich, so lange man die Urnierengänge, wie die Mittelplatten selbst vom mittleren Keimblatt ableitet. Vor Allem aber erklärt sich auch die Möglichkeit eines pathologischen Vorkommnisses, nämlich desjenigen von Dermoidgeschwülsten im Eierstocke. Die Bildung von Haaren, Zähnen, Epidermis und ihren Drüsen aus blossen Gebilden des mittleren Keimblattes ist so unwahrscheinlich, dass diese Thatsache allein schon hätte darauf hinleiten müssen, nochmals die Entwicke- lungsgeschichte des Ovariums zu revidiren. Es ist jedenfalls von Inter- esse zu sehen, dass alle Abschnitte des oberen Keimblattes unter Um- ständen Epidermoidalgebilde in sich entwickeln können, denn auch vom Gehirn sind solche in vollständiger Ausbildung bekannt gewor- den. Auch ein anderes Verhältniss ist sehr beachtenswerth, auf das ich durch Kussma ul aufmerksam worden bin : das Verhältniss näm- lich dass die Anlage der Dermoidgebilde des Eierstocks in eine sehr frühe Zeit hinaufreicht '). Eierstocksder.„Katze. Der Katzeneierstock ist neuerdings bekanntlich gleichzeitig von Schrön und von Pflüger bearbeitet worden. Ersterer Beobachter hat hauptsächlich an gefärbten und in Ganadabalsam eingekitteten Durchschnitten seine Studien gemacht ; wogegen sich Pflüger zu seinen Untersuchungen vorzugsweise der Isolationsmethode bediente. Die Mittheilungen beider Forscher, soweit sie sich nicht unmittel- bar decken, ergänzen sich in ganz erfreulicher Weise. Während die Schrön’sche Arbeit mit ihren vorzüglichen Zeichnungen geeignet ist, die allgemeine Orientirung über Lagerung und relative Grössen- verhältnisse der Follikel, Ausdehnung des Stroma und Ausbreitung der Blutgefässe zu gewähren, so giebt die Pflüger’sche die ge- nauere Entwickelungsgeschichte des Inhaltes der Follikel. 1) Vergl.u. A. Rud. Maier Virchow’s Archiv. Bd.XX p. 535. 2)Kussmaul Würzburger medie. Zeitschrift. Bd. IH. p. 329. Es war mir sehr erfreulich, indem kürzlich erschienenen schönen Werke von Thiersch zu finden, dass dieser Forscher ähnliche embryologische Gesichtspunkte, wie ich sie oben hervorgehoben, in einem anderen Gebiete der Neubildungen, in dem der Epithelialkrebse zur Geltung gebracht hat. Die Bindegewebszelle kann unstreitig zu sehr vielem werden, aber Alles darf man denn doch nicht von ihr verlangen; als Abkömmling des mittleren Keimblattes kann sie nur solche Theile produeiren, die auch im Lauf normaler Entwickelung aus jenem hervorgehen. Thiersch, der Epithelialkrebs Leipz. 1865. p. 58 u. 61. Beobachtungen über den Bau des Säugethier-Eierstockes 163 Ich knüpfe an an die Schrön’sche Abbildung Taf. XXXIV, von deren Naturwahrheit in den allgemeinen Verhältnissen ich mich an eigenen injieirten Präparaten vielfach überzeugt habe. Ver- gleicht man die fragliche Zeichnung mit unserer Figur 1 vom Fötus- Eierstock, so wird man die Uebereinstimmung nicht verkennen. Den innern Theil des Organes nimmt das Hilusstroma mit den grössern Gefässverzweigungen ein, während das Parenchym in einem relativ schmalen Streif um jenes herum gelagert ist. Hilusstroma und Paren- chym scheiden sich auch hier ziemlich scharf von einander. Unregel- mässigkeiten der Gränzlinie : entstehen zunächst nur dadurch, dass von den stärker ausgewachsenen Follikeln, welche die innere Parenchymgränze als fortlaufende Kette umsäumen, einige etwas mehr, andere etwas weniger gegen das Hilusstroma sich eindrängen. Im Parenchym selbst finden sich die jüngsten Follikelformen dicht unter der Albuginea, d. h. unter einer Lage gefässlosen Ge- webes, dessen Faserrichtung der Oberfläche des Eierstocks parallel verläuft. Die reifern Formen der Follikel liegen nach einwärts und auch da, wo grössere Follikel gegen die Organ-Oberfläche andrängen, erscheint zwischen sie und die Albugmea ein Keil der Schrön’- schen Gortikalzellenzone eingeschoben. Die Verzweigung der grö- bern (sefässe geschieht, wie bereits erwähnt, im Hilusstroma, von da aus treten reiche Büschel zwischen den innern Follikeln durch ge- gen die Peripherie; Seitenzweige der Büschel versorgen die. Follikel selbst, die Fortsetzung derselben aber dringt bis zur Zone der Cor- tikalzellen und biegt zum grossen Theil vor dieser Zone schlingen- föormig um. Schrön lässt die Cortikalzone völlig gefässlos sein, dies ist indess zu viel gesagt, sie ist zwar sehr gefässarm, aber . gleichwohl lassen sich vereinzelte, sehr dünne Reiser in jene Zone hinein bis dieht unter die Albuginea verfolgen, in der Albuginea selbst fehlen sie indess völlig. Die Lymphgefässe zeigen sich im Hilusstroma als grössere Lücken, ich habe sie hier und im Paren- chym selbst, auch bei der Katze injieirt, verspare indess die bezüg- liche Schilderung zur Besprechung des Kuhovariums, an welchem mir in der Hinsicht weit zahlreichere Erfahrungen zu Gebote stehen. Die Eizellen der Rindenschicht habe ich an den von mir un- tersuchten Thieren (in den Monaten November bis Januar) in Grup- pen beisammen liegend gefunden, innerhalb jeder Gruppe aber schob sich zwischen je zwei benachbarte Eier ein dünner Stroma-Fortsatz. An sehr dünnen Schnitten gelang es mir durch Pinseln oder durch 164 Wilh. His, Schütteln in einem Reagenzglas stellenweise das peripherische 'Paren- chymstroma von seinen Einlagerungen zu befreien, und ich konnte mich alsdann leicht überzeugen, dass im Allgemeinen jede’ Eizelle ihr eigenes Fach besass; nur hie und da sah ich zwei Eier in einem gemeinsamen Fache liegen '); die Zwischenbrücken bestanden aus diehtgedrängten Spindelzellen mit grossen ovalen Kernen, die durch keine oder doch jedenfalls nur durch äusserst sparsame Zwischen- substanz zusammengehalten waren. Eizellen ohne umgebende Mem- brana granulosa, wie sie Schrön: schildert, sah ich auch in den äussersten Schichten niemals, und ich glaube, dass hier eine Täu- schung zu Grunde liegt. Die das Ei umgebenden Zellen können nämlich desshalb leicht übersehen werden, weil sie, wie die Eizellen selbst, von eingesprengten Fetttröpfchen stark körnig sind und daher optisch von jenen sich nicht leicht differenziren, bringt man aber die Schnitte auf einige Zeit in Chloroform (oder Aether), so löst sich der grösste Theil der Körner, und man erkennt alsdann mit grosser Be- stimmtheit den Zellenkranz, der jedes Ei umgiebt. Aehnlich wie bei dem früher geschilderten Fötusovarium drängen sich in den jüngsten Follikeln die umgebenden Zellen in das Ei selbst hinein, so dass dieses in vielen Fällen ein völlig strahliges Ansehen erhält. Die Zona pellueida fehlt in den jüngsten Follikeln noch ganz, eine structurlose Membrana tollieuli ist wenigstens andeutungsweise über- all vorhanden. Es lassen sich alle diese Verhältnisse zum Theil noch leichter an Flachschnitten (parallel zur Oberfläche) constatiren als an senkrechten. Bildung der Membrana follieuli interna. Betrachtet man einen frischen Katzeneierstock aus den der Brunst vorangehenden Zeiten von Aussen her, so fällt an ihm eme eigenthümliche Zeich- nung auf. Unter der Oberfläche nämlich sieht man verschieden ge- staltete, unter sich zusammenhängende weisse Stränge, die gegen die übrige gallertartig durschscheinende Substanz scharf abstechen. Als ich dies Bild zum ersten Mal sah, glaubte ich in den weissen Strängen die Pflüger’schen Eischläuche vor mir zu haben und selbst meine ersten mikroskopischen Schnitte bestärkten mich in der 1) Seitdem ich obiges geschrieben, habe ich in den ersten Tagen des April vermocht, aus den Övarien trächtiger Katzen zusammenhängende Follikelketten zu isoliren und ich kann also auch in dieser Hinsicht Pflüger’s Angaben bestätigen. Beobachtungen über den Bau des Säugethier-Eierstockes. 165 Voraussetzung. Einlässlichere Beobachtung überzeugte mich in- dess bald, dass die fraglichen Bildungen Nichts Anderes sind, als die Anlagen der inneren Membrana follieuli. Schon um die Follikelan- lagen der Cortikalzone herum erscheinen in der 2. und 3. Lage kleine Nester von grösseren, länglich-ovalen Zellen mit einem sehr grob- körnigen undurchsichtigen Inhalt (Kornzellen). In der subcortikalen Zone erreichen diese Bildungen eine grössere Entwickelung, sie bil- den Stränge mit unregelmässig netzförmiger Verbindung und in den innersten Parenchynischichten nehmen sie den grössten Theil des von den Follikeln freigelassenen Raumes ein. Um an senkrechten oder Flachschnitten die Verbreitung derselben zu übersehen, genügt die Betrachtung bei schwacher Vergrösserung, und zwar sowohl die bei auffallendem, als bei durchfallendem Lichte (Fig. 4). Bei erstem erscheinen die fraglichen Stränge weiss m dunkelm Grund, bei letzterm dunkel in hellem Grund. Auch das polarisirte Licht kann verwendet werden, denn da die Masse der Kornzellen das Licht doppelt bricht, so erscheinen diese bei gekreuzten Nicols und abge- haltenem auffallendem Lichte hell im dunkeln Felde. Das Verhältniss der Kornzellenhaufen zu den Follikeln ist nicht von Anfang an scharf ausgeprägt, m der subcortikalen Zone findet man Follikel, welche nur zum Theil oder selbst nur stellen- weise von jenen Zellenhaufen umfasst sind, und von denen aus die letztern mit verschieden gestalteten Fortsätzen ins übrige Stroma ausstrahlen, oder man trifft kleine aus zwei, drei oder mehren Follikeln bestehende Gruppen, die von einem vielfach eingeschnittenen Korn- zellenklumpen zusammengehalten sind. Erst in den innern Paren- chymlagen zeichnet sich das Verhältniss schärfer ; die besprochenen Zellenmassen bilden hier continuirliche, überall gleich dicke Lagen um die ausgedehnten Follikel, und diese Lagen müssen nun bereits als innere Follikelhaut angesprochen werden ; immerhin ist auch hier die Schei- dung noch keineswegs soweit vollendet, dass nicht ein Zusammenhang zwischen benachbarten Follikelkapseln bestehen kann. In den Abbildungen Schrön’s finden sich in 2 Figuren An- deutungen von Zellenlagen, die mit den oben beschriebenen identisch zu sein scheinen, nämlich in Taf. XXXH, Nr. 11 und in Taf. XXXUI, Fig. 1 Nr. 9. In der Erklärung zur ersten Tafel heisst es von den (in ihrer Verbreitung nicht ganz genau wiedergegebenen) Zel- lenlagen, sie seien von einer bindegewebigen Kapsel umschlossen ; vielleicht Reste, früherer Corpora lutea. Bei der zweiten zutreffenderen 166 Wilh. His, Figur wird bemerkt, No. 9 bedeute ein Lager von Stromazellen, welches den Eizellen als Bett zur ersten Weiterentwicklung diene (die Bindegewebsreife, die Schrön allenthalben um die Follikel zeichnet, sind übrigens keineswegs, wie man aus seinen Figuren vermuthen sollte, faseriges Bindegewebe, sondern, wo sie überhaupt vorhanden sind, bestehen sie aus dicht gedrängten Lagen von Spin- delzellen). Auch Pflüger hat die oben geschilderte Kornzellenbil- dung bereits gesehen, ohne indess ihre besondere Beziehung zur Bildung der Membr. folliculi vollständig erkannt zu haben !). Im Eier- stock kleinerer geschlechtsreifer Thiere schildert er gelbe an das Corp. luteum erinnernde Flecke, die bei auffallendem Licht hell, bei durchfallendem dunkel erscheinen. Die Flecke sind hervorgebracht durch zahllose, feine, weder in Säuren und kohlensauren Alkalien, noch in Aether vollständig lösliche Moleeüle, die indess doch grösstentheils Fett sein mögen. Die Körner lagern sich um die Kerne der Binde- gewebszellen, Anfangs in der Tiefe des Organes, dann von da fort- schreitend auch in oberflächlichen Schichten. Pflüger hält dafür, die fragliche Ablagerung sei einestheils als en die Lösung des Ge- webes einleitender Vorgang regressiver Metamorphose anzusehen, anderntheils aber diene er dazu, das zur Eibildung nöthige Fett auf- zuspeichern. Gegen die regressive Bedeutung ist jedoch vor Allem einzuwenden, dass es gerade Zellen in üppigster Ernährung sind, welche die geschilderten Körner bergen. Die oben erwähnten zur Bildung der Membrana follieuli: führenden Zellen nämlich zeichnen sich von den Spindelzellen, welche das übrige Stroma bilden, in sehr bestimmter Weise durch Form und Inhalt aus. Ihre Form ist, wie schon erwähnt wurde, rundlich oder oval, ihr Durchmesser beträgt "5542, einen Kern vermochte ich im ihrem Innern in vielen Fällen nicht wahrzunehmen, da die groben kugligen Körner, die die Hauptmasse des Inhalts bilden, die Zellen oft völlig undurchsichtig machen ; in anderen Fällen jedoch erscheint er als heller Fleck. Die fraglichen Körner sind keineswegs blos Fett, denn durch Chloro- form oder Aether werden sie nur unvollständig gelöst. ; Die Zel- len sind kettenartig an emander gereiht, oft Reihen von einer ein- zigen, oft solche von mehreren Zellenbreiten bildend ; da, wo die Zel- len aneinanderstossen, ist eine scharfe Grenzlinie derselben nicht im- mer wahrnehmbar, wohl auch nur desshalb, weil sie zu trüb und 1) Pflüger |. ce. p. 39. Beobachtungen über den Bau des Säugethier-Eierstockes. 167 undurchsichtig sind, um bei gegenseitiger Ueberlagerung eine solche hervortreten zu lassen. Die Bildung der Kornzellen mitten im übrigen Stroma lässt keiner anderen Annahme Raum, als dass sie aus den spindelförmi- gen Zellen des letzteren hervorgehen. Dabei erscheint ein Verhältniss wichtig: es ist ihr Auftreten allenthalben an das Auftreten capillarer Blutgefässe geknüpft. Da wo die ersten Kornzellen auftreten, liegen auch die äussersten Capillarschlingen, mit der Entwickelung des Kornzellengerüstes wächst auch der Capillarreichthum des Gewebes, und alle grösseren Anhäufungen von Kornzellen sind von reichen Ge- fässnetzen durchzogen. Die reichste Entwickelung zeigen beide Bildungen in der Membrana follieuli selbst. Anatomisch stehen die Kornzellen zu den Blutgefässen im Verhältniss einer Adventitia; sie umfassen den Blutstrom nicht unmittelbar, sondern bleiben von diesem durch eine, aus anders geformten Elementen gebildete Wand geschieden. Die anatomische Beziehung der Kornzellenstränge zu den capillaren Blutgefässen weist auch auf eine genetische Beziehung beider hin. Würden die Zellen unmittelbar die Gefässwand bilden, so könnte man sie als Vorläufer der Blutgefässe ansehen, als Gefäss- anlagen; allein da dies nicht der Fall ist, so wird man eher in den neugebildeten Gefässen das primär Entstandene sehen. Dass indess die Bildung von Blutgefässen allein noch nicht zur Bildung von Kornzellensträngen führt, das geht schon daraus hervor, dass im Hilusstroma von jenen Gebilden nichts zu sehen ist. In wie weit dieselbe in ihrer Entwickelung auf- und abgehen, habe ich bei mei- nen Untersuchungen, die sich nicht über den Lauf emes vollen Jahres erstrecken, nicht ermittelt; bei jungen S—14tägigen Katzen fand ich sie bereits vorhanden, ebenso wiederum bei trächtigen Thieren. Immerhin ist denkbar, dass die ganze Bildung in den intersexualen Zeitabschnitten des Jahres etwas sich zurückbildet, um periodisch wieder stärker sich auszubilden. Hiefür sprechen wenigstens die wei- ter unten zu erörternden Verhältnisse am Eierstock der Kuh. Reifer Eierstock der Kuh. Weit verwickelter als an den bisher betrachteten Paradigmen gestalten sich die Verhältnisse am reifen Eierstock grösserer Säuge- thiere. Immerhin lassen sich auch hier gewisse typische Grundbe- ziehungen nicht verkennen und so hat beim Menschen schon Kölli- ker in der ersten Auflage seiner Gewebelehre, wenn auch etwas M. Schultze, Archiv f. mikrosk. Anatomie. I. Bd. 12 168 Wilh., His, verklausulirt, den Gegensatz von Rinden und Marksubstanz aufstellen können. „Das Parenchym, sagt er, zerfällt wie in eine Mark und Rinden- substanz, von denen erstere sozusagen allein die Follikel enthält.“ Den nachfolgenden Schilderungen liegt, der leichtesten Materialbe- schaffung wegen, der Eierstock der Kuh zu Grunde. Aeussere Betrachtung. (Taf. VIII.) Bekanntlich treten an den untern Rand des Eierstocks die ausserordentlich reichen Gefässe heran, welche von den Vasa spermatica interna abbiegen, bevor diese nach ein- wärtszum Uterus sich hinwenden. Bei der Kuh bildet der Gefässcomplex im injieirten Zustand einen beinahe fingerdicken platten Strang, der an seinem, dem Ovarialhilus zugekehrten Ende sich verbreitert. Die Arterien treten in den bekannten Korkzieherwindungen an den Hilus hin, ihre Windungen, meist völlige Kreistouren, sind durch blosses Anziehen nicht auszugleichen, da die beiden Schenkel jeweilen durch derberes Gewebe zusammengehalten werden. Der Durchmesser der Arterien-Stämme, im Anfangstheil des Stranges 2—3 mm. mes- send, nimmt durch Theilung derselben ab, indess beträgt er für die in den Hilus selbst eintretenden Zweige immer noch 1—2 mm... Der stark gewundene Character bleibt den Arterien auch innerhalb des Eierstocks eigen, soweit sie überhaupt sich nicht in Capillaren auf- lösen. Um die Arterien herum und zwischen ihnen treffen wir das reiche Convolut der Venenstämme; es können diese in ihrem untern Theil bis zu Bleistiftdicke anschwellen, indess nehmen auch sie durch fortgesetzte Theilung an Durchmesser ab, bevor sie den Hilus er- reichen. Die Venen verlaufen zwar gleichfalls etwas geschlängelt, von jenen Spiraltouren aber, wie sie die Arterien bieten, ist an ih- nen niemals etwas wahrzunehmen, Unter sich stehen die Parallel- stämme in Verbindung. . Die grösseren Venenzweige besitzen noch völlig sufficiente Klappen, so dass die Injection in vielen Fällen auf unüberwindliche Schwierigkeiten stösst. — Zu den Blutgefässen kom- men nun noch die Lymphgefässe, welche mehr die äusseren Lagen des (refässstranges einnehmen. Am stärksten entwickelt sah ich sie bis jetzt am Ovarium eimes trächtigen Schweines; sie bildeten hier im injieirten Zustand eine dicht gedrängte Lage von Stämmchen von 13—2 mm. Durchmesser. Bei der Kuh habe ich sie in diesem Reich- thum nicht wiedergefunden. Das ganze zum Hilus tretende Gefässconvolut wird selbst wie- derum von einem sehr vaskularisirten Gewebe umhüllt und zusam- Beobachtungen über den Bau des Sängethier-Eierstockes. 169 mengehalten; eine Präparation der grösseren Stämme ist daher ohne Durchschneidung vieler kleineren nicht möglich. Betrachtet man die Oberfläche eines auf das vollständigste in- jieirten Ovariums, so fällt es auf, dass dieselbe, abgesehen von eimigen besondern, gleich näher zu bezeichnenden Stellen völlig gefässlos erschemt und höchstens eine undeutlich fleckige Färbung zeigt. Es hat dies für die Injection seine Unbequemlichkeiten, denn injicirt man ein Ovarium, das zufälligerweise keine grössere Follikel oder Gorpora lutea enthält, so sieht man demselben äusserlich nicht recht an, wann die Injection abzubrechen ist; leicht kann man glauben, die Masse sei aus irgend einem Grunde nicht in das Organ eingedrungen und findet beim Durchschneiden Alles auf das präch- tigste gefüllt. Von der Gefässlosigkeit der Oberfläche machen eine Ausnahme: die Wandung der stärker vorspringenden Follikel, der vorragende Theil frischer Corpora lutea, ferner gewisse mit den Corpora lutea in Verbindung stehende Gewebsfransen und endlich en neben dem Hilus befindlicher von der nicht vaskularisirten Fläche scharf sich absetzender Saum von der Breite einiger Millimeter. Durehschnitte der Länge oder besser der Quere nach durch das Ovarium geführt. zeigen, dass, von grösseren Follikeln oder Gor- pora lutea abgesehen, bei weitem der grösste Theil des Organs von einer Fortsetzung jenes Gefässconvoluts eingenommen wird, dessen Eigenthümlichkeiten ausserhalb der Hilus wir vorhin erörtert haben. Um dasselbe herum bildet das eigentliche, Follikel tragende Paren- chym eine verhältnissmässig schmale, 1—2°‘ messende Rinde (Fig. 7). — Die am Hilus eingetretenen Gefässe strahlen allseitig gegen die Peripherie des Organs, und liegen mit ihren Windungen und Ver- zweigungen, ähnlich wie im zuführenden Gefässstrang auf das dich- teste beisammen. Von Innen nach Aussen nimmt der Durchmesser der Gefässdurchschnitte ab, allen was die Stämmchen an Dicke ver- lieren, ersetzen sie durch ihre Zahl, sodass bis zum eigentlichen Parenchym hin das Gewebe. einen eminent vaskulären Character hat. Wir bezeichnen den vaskulären Abschnitt des Ovariums wiederum als Hilusstroma. Es zeigt das Hilusstroma auf Durchschnitten das Ansehen eines Schwammes, dessen Poren je näher dem Hilus, um so grösser werden. Dieselben Charactere, welche die Arterien und Venen schon ausserhalb des Hilus kennzeichneten, bleiben ihnen zum Theil auch jenseits desselben eigen. Die Arterien behalten durchweg bis 170 Wr zur Peripherie hin ihren starkgewundenen Verlauf, während die durch grössere Weite sich auszeichnenden Venen unter einander sich viel- fältig verbinden und zum Theil selbst sinuöse Räume bilden. Das Gewebe zwischen den grösseren Gefässstämmen ist spar- sam vorhanden, derb und von feineren Gefässen reichlich durch- zogen. Die Venenwandungen sind mit dem Zwischengewebe innig verbunden, so dass sie auch nach Entleerung ihres Inhaltes klaffen. Nach aussen nämlich von der Intima der Venen folgen Schichten von Faserzügen, die zum Theil zwar an die Venenräume ringförmig sich anschmiegen, zum andern Theil aber im tangentialer Richtung in das intervaskuläre Gewebe ausstrahlen. Aehnlich wie die Venen verhal- ten sich auch die Arterien. Die lockere Adventitia, welche diese Gefässe anderwärts verschiebbar dem übrigen Gewebe einigt, fehlt ihnen im Eierstocke, und sie sind gleichfalls in festerer Weise mit dem angrenzenden Stroma verbunden. Die Verbindung der Arterien- wand mit dem angrenzenden Gewebe wird durch die äusseren Schich- ten der Media vermittelt. Jede Arterie nämlich ist nach Aussen von der Intima von einer ungemein dieken Schicht von Ringfasern um- geben, die äusseren Bündel des Ringes lockern sich auf, nehmen schräge Richtung an und gehen zunächst m eine gleichfalls dicke Lage theils gekreuzter, theils longitudinal verlaufender Fasern über. Aus dieser äusseren Museularis biegen neuerdings Faserzweige ab, welche in das umgebende Gewebe eintreten und unmittelbar in jene sich durchkreuzenden Züge von Spindelzellen sich fortsetzen, deren physiologische Stellung in neuerer Zeit wiederholt diskutirt worden ist. Der Uebergang der verschiedenen Faserrichtungen m einander ge- schieht um so leichter, da ja die Arterien selbst so vielfach gewun- den sind: letztere Eigenthümlickeit ist auch wohl wesentlich durch jene Faserdisposition bedingt. Das gesammte intervaskuläre Gewebe hat dem Gesagten zu- folge eine ganz directe Beziehung zu den grösseren Gefässen des Hilusstroma, es muss als modifieirte Gefässwand angesehen werden, und die in ihm enthaltenen reichlichen kleineren Gefässe haben die Bedeutung von Vasa vasorum. Dabei erscheint es ziemlich gleich- gültig, ob man sich dahin ausdrückt, die Media der‘ Venen sei zu- gleich Adventitia der Arterien oder umgekehrt. Das ganze Verhält- niss erinnert unstreitig sehr an dasjenige der Corpora cavernosa, und nach meinem Dafürhalten hat Rouget ganz das Richtige getroffen, wenn er das Hilusstroma des Eierstocks den cavernösen Körpern zur L Beobachtungen über den Bau des Säugethier-Eierstockes. 171 Seite stellt. Es sind allerdings graduelle Unterschiede im Volums- verhältnisse von Bluträumen zwischenliegender Gewebe vorhanden, allein auf diese ist um so weniger Gewicht zu legen, als schon in den unbestritten cavernösen Theilen, wie z. B. in der Glans penis Ab- stufungen sehr verschiedenen Grades vorkommen, und als im Eier- stock selbst, im Umfang grösserer Follikel Bluträume vorkommen, vor welchen diejenigen der ächten Corpora cavernosa wenig voraus haben. Das entscheidende für die cavernöse Natur eines Gewebes liegt auch nicht sowohl in der Weite der venösen Bluträume als in der Eigenthümlichkeit, dass ausser der modifieirten Gefässwand gar kein anderes Gewebe vorhanden ist. — Die Beziehung des intervasku- lären Gewebes zu den Gefässen ist natürlicher Weise nicht ohne Belang für die physiologische Deutung der viel diskutirten Spindel- zellen des Stroma. Die Nöthigung, diese Gebilde als Muskelzellen anzusehen, liegt so nahe, dass ihr schon Kölliker nur mit Mühe widerstanden hat). Später haben Rouget?) und Aeby hauptsächlich durch vergleichend-anatomische Betrachtungen den Beweis ihrer Muskelnatur zu führen gesucht, und wie mir scheint mit überzeugen- der Kraft. Aeby hat auch bereits die nahe Beziehung hervorgehoben, in welehen jene Zellenstränge zu den Gefässwandungen stehen. Diese Beziehung so wie die strangförmige Zusammenordnung der Spindeln scheint mir von noch entscheidenderem Gewichte zu sein, als die Form der einzelnen Zellen, welch letztere an und für sich -allerdings nicht viel charakteristisches hat. Durch die immer weiter sich ausdehnenden Erfahrungen über Zellencontractilität verliert der ganze Streit viel von seiner Spitze, denn wenn es schliesslich darauf hinaus kommt, dass alle Spindelzellen unter gegebenen Bedingungen sich verkürzen können, so wird der Gesammteffect grossentheils dar- nach sich richten, ob in einem Theil die Spindeln zu dichteren Bän- dern oder Platten sich zusammenordnen, oder ob sie bloss hie und da zerstreut liegen, anderntheils allerdings auch noch nach der (Grössen-Entwickelung, die die einzelne Zelle erreicht. Besonders be- _ achtenswerth erschemt die Beobachtung Aeby’s, wonach die Eierstocks- spindeln zur Zeit der Brunst resp. der Menstruation sich stärker ent- l) Kölliker mikrose. Anat. II. p. 463. 2) Rouget Journal de la physiol. de Brown Sequard I. 450u. Gomp- tes rendus 1856. Juni. Aebyin Reichertu. DuBois Archiv 1861. p. 635 u. f. 172 Warn. En 3% wickeln. Auch zur Zeit der Gravidität sind sie, wie Grohe und Klebs angeben und wie auch ich an menschlichen Ovarien sah, viel ausgebildeter und ihre Kerne zeigen nunmehr alle Ueberemstimmung mit denjenigen der Ringmuskelschicht der Arterien. Man wird durch diese Beobach- tung unmittelbar zum Vergleich mit den Verhältnissen im Uterus ge- drängt. Wie hier unter dem Einfluss der Schwangerschaftscongestion die Muskulatur allmählig ihre bedeutende Entwickelung erreicht, dann in einem gegebenen Augenblick ihre einmalige Function ausübt, und dadurch zum Verschluss der Gefässe und im Folge davon zur eigenen Rückbildung den Grund legt, so ist nicht unwahrscheinlich, dass auch die Ovarialmuskulatur erst durch die, die Brunst begleitende Con- gestion zur Entwickelung gelangt, dann zu Ende der Periode ihre Wirkung entfaltet, welche einestheils zum Platzen eines oder mehrerer reifen Follikel, anderntheils aber, im Verein mit der Contraction der übrigen Gefässmuskulatur auch zum Verschluss der ovarialen Ge- fässe und damit zum Abschluss der Brunstperiode und zur eigenen Rückbildung führt. Ich kann übrigens nicht unterlassen, hier eine Beobachtung an- zuführen, die in direkterer Weise für die Contractilität des Eier- stocksstroma spricht. Schneidet man einen Kuheierstock, sowie er aus dem Körper des so eben geschlachteten Thieres kommt, senkrecht durch, so ändert sich bald der Charakter der Schnittfläche, die Arterien werden zunehmend über die Fläche vorgetrieben, dessgleichen treten vorhandene Corpora Jutea oft bis linienhoch über das Niveau des ' Schnitts empor, dabei rollen sich die Ränder des Eierstocks um, die Schnittfläche wird somit verbogen, das Gewebe aber bleibt straff. Bei Beurtheilung dieser Erscheinung wird man allerdings zuerst an elastische Spannungsverhältnisse zu denken haben, allein falls solche allein in Betracht kommen, so müssen voraussichtlich nach Durch- schneidung eines Eierstocks einige Stunden nach der Herausnahme, dieselben Umwandlungen an der Schnittfläche Platz greifen, wie am fri- schen ; dies ist jedoch nicht der Fall. Die Hälften eines unfrischen Rinderovariums bleiben schlaff und welk, akkomodiren sich mehr oder weniger in ihrer Gestaltung der Unterlage, ohne sich selbstständig zu verkrümmen ; das Hervortreten der Arterien und allfälliger Cor- pora lutea über den Schnitt fehlt zwar nicht ganz, findet aber in weit minderem Maasse statt als beim frischen. Organ. Ausser Blutgefässen enthält das Hilusstroma auch reichliche Lymphgefässstämme. Dieselben erkennt iman entweder bei direkter In- Beobachtungen über den Bau des Säugethier-Eierstockes. 173 jection von einem, der später zu bezeichnenden peripherischen Punkte aus, oder nach Injection der arteriellen und venösen Blutgefässe. An Präparaten letzterer Art erscheinen die Durchschnitte der Lymphgefässe als weite leere Lücken im übrigen Gewebe. Die Beziehung der Lymph- sefässe des Hilusstroma zum übrigen Gewebe ist völlig dieselbe wie die der Venen, so dass kaum etwas besonderes darüber zu sagen bleibt. Spritzt man Masse durch einen Einstich in das Hilusstroma ein, so dring diese bald in die Venen, bald in die Lymphräume ein; zur Anfül- lung der letzteren ist daher diese Methode nicht zuverlässig, weit zuverlässiger sind die Injectionen von der Peripherie aus, von denen unten die Rede sein soll. Nach obigen Erörterungen über das Hilusstroma wenden wir uns zum Eierstocksparenchym. Dasselbe umgiebt, wie bereits be- kannt, als eine verhältnissmässig dünne Rinde den gefässhaltigen Drüsenkern, und nur da, wo stärkere Follikel oder UCorpora lutea vorhanden sind, drängt essich, wie nach aussen, so auch nach innen gegen das Hilusstroma mächtiger vor. Die Umhüllung des Hilusstroma durch die Parenchymrinde ist übrigens keine ganz vollständige ; jeder- seits von (der Eintrittsstelle der Gefässe bleibt ein etwas über linien- breiter Saum von der Parenchymbekleidung frei. Dieser Saum setzt sich von der übrigen Oberfläche scharf ab, er ist besonders an in- jieirten Präparaten leicht zu erkennen, da in seinem Bereich die Oberfläche des Ovariums sehr blut- und Iymphgefässreich erscheint, während jenseits derselben völlige Gefässlosigkeit Platz greift. Von Aussen nach Innen fortschreitend kann man am Ovarial- parenchym dieselben 4 Zonen unterscheiden, die schon vom Katzen- eierstock her bekannt sind: den äusseren Ueberzug, die Cortikalzone, die Subcörtikalzone und die Follikelzone. Mit Rücksicht auf Ausbildung der Follikel können wir die 4 Zonen auch bezeichnen als: follikellose Zone, Zone der Primitivfollikel, Zone der Uebergangsbildungen und Zone der vollständigen Follikel. Von diesen 4 Zonen erscheint die 3te häufig in ihren Gränzen verwischt oder stellenweise ganz fehlend. Sämmtliche Zonen cha- 174 Wilh. His, racterisiren sich gegenüber denjenigen des früher betrachteten Katzen- eierstocks durch eine ungemein viel stärkere Entwickelung des Stro- magewebes und daher auch durch eine weit grössere Derbheit und Undurchsichtigkeit. In breiten Zügen dringt vom Hilusstroma aus das derbe gefässführende Gewebe gegen die äussere Hülle vor, zwischen sich Substanzcolonnen lassend, welche die Follikelanlagen enthalten und in welche bald stärkere bald schwächere Seitenzweige jener Hauptzüge eindringen. Diese Hauptzüge von Stromagewebe entspre- chen offenbar jenen Scheidewänden, die in weit frühern Zeiten zwi- schen die zusammenhängenden Eizellstränge sich eingeschoben haben, und ihre Seitenzweige sind die Brücken durch welche die Scheidungen im Bereich der einzelnen Eizellstränge sich vollführt haben. Jede von den Stromacolonnen enthält ein dichtes Büschel feiner Blutgefässe, welche indess die Oberfläche des Eierstocks nicht erreichen, sondern unter der Albuginea schlingenförmig umbiegen (vergl. Fig. 7). In den innern 2 Zonen treten links und rechts Seitenzweige dieser radiären Gefässbüschel ab, welche zwischen den hier. vorhandenen Follikeln gegenseitig aufeinander stossen und somit diese letzteren kranzförmig umgeben. Das stärkere Vordrängen der radiären Gefässbüschel ge- gen die Oberfläche bewirkt das unregelmässig fleckige Aussehen, das diese am injieirten Eierstock von aussen her zeigt. Die Dichtigkeit des Stromagewebes ist um so beträchtlicher, je weniger dasselbe von Gefässbahnen unterbrochen ist, sie erreicht somit ihr Maximum in der äussern Hülle des Eierstocks. In ‚diese strahlen die vom Innern des Organs zur Oberfläche emporgetretenen Stromafortsätze völlig gefässfrei ein, und sie besteht nur noch aus den Gewebsbestandtheilen, welche im Innern des Eierstocks die Be- sleiter der Gefässe waren, nämlich aus dichtgedrängten, nur durch sehr geringe Mengen von Zwischensubstanz zusammengehaltenen Zü- gen von Spindelzellen. Die Mächtigkeit der äussern Hülle nimmt wie diejenige des ge- sammten Stroma mit dem Alter zu und zugleich treten in ihr gewisse Gegensätze auf, die in jüngeren Organen noch wenig ausgebildet sind. Man erkennt nämlich an ihr eine Zusammensetzung aus verschiedenen (meistens 3) Schichten. Diese Schichten hängen zwar in der Fläche allenthalben mit einander zusammen und wechseln im Verlauf eines Schnittes ihre Dicke; immerhin pflegen sie durch ihr optisches Ver- halten ziemlich auffällig von einander sich zu unterscheiden, indem die eine mittlere heller oder dunkler erscheint, als die beiden übri- Beobachtungen über den Bau des Säugethier-Eierstockes. 175 gen. Betrachtet man senkrechte Schnitte im polarisirten Licht, so erkennt man den Grund des verschieden optischen Verhaltens in einem differenten Verhalten des Faserverlaufs. Von zwei Schnitten, von welchen der eine parallel der grossen Achse des Eierstocksellipsoids, der andere senkrecht darauf geführt ist, zeigte der eine zwischen gekreuzten Prismen die äusserste und innerste Zone hell, die mittlere dunkel, die andere umgekehrt, die mittlere hell, die äussern dunkel. Fortsetzungen der innern Stromafortsätze sieht man zwar gerade an Präparaten in polarisirtem Licht in alle Schichten der Hülle eintreten, allein sie breiten sich m den verschiedenen Schichten auch nach ver- schiedenen Richtungen aus in der äussersten und innersten Lage der Hülle, vorzugsweise in der Längsrichtung, in der mittlern Lage vor- zugsweise in Querrichtung. Ich sage vorzugsweise, denn in allen 3 Lagen kommt Kreuzung der Faserzüge vor, eine Kreuzung jedoch unter spitzen Winkeln mit vorwaltender Richtung nach einer Seite. Die Anatomie pflegt bekanntlich zwischen dem Peritonäalüber- zug und der Albuginea des Eierstocks zu unterscheiden, sie sagt in- dess aus, es seien beide Schichten innig mit einander verwachsen. Nach der Analogie mit andern serösen Membranen wird man die äusserste und zugleich dichteste Lage der Eierstockshülle als peri- tonäalen Antheil ansprechen dürfen, da ja auch anderwärts die bin- degewebige Grundlage der serösen Häute wesentlich nichts anderes ist, als eine Verdichtungsschicht, die das Gewebe gegen den angrän- zenden Hohlraum abschliesst. Unmittelbar an die innere Schicht der Albuginea schliesst eine sehr schmale und gleichfalls gefässlose, oder doch äusserst gefässarme Zone an, die ich nach Analogie des Katzenovariums als Gortikalzone bezeichne. Dieselbe enthält als wesentlichen Bestandtheil primor:liale Follikelanlagen, bestehend aus Eiern mit einfacher umgebender Zel- lenschicht. Die ganze Schicht bietet dem Studium grosse Schwierig- keit, «denn verschiedene Momente concurriren, um sie in hohem Grade undurchsichtig zu machen. In erster Linie die reiche Entwicklung und, der verworrene Verlauf der Stromafasern ; dieselben kreuzen sich, indem sie die primordialen Follikel einhüllen, nach allen Rich- tungen des Raumes und erzeugen dadurch natürlich bedeutende Un- regelmässigkeiten der Lichtbrechung. Dazu kommt ferner die aller- dings nicht sehr reichliche Ablagerung von feinen, undurchsichtigen Körnermassen in der Umgebung der Follikel, eine Ablagerung, die der Kornzellbildung des Katzeneierstocks entspricht und die bereits 176 Wilh. His, am Kalbseierstock sehr viel prägnanter hervortritt, als am Eierstock des alten Thieres t). Die Primordialfollikel selbst sind ausnehmend verkümmert, ihr Durchmesser beträgt 4“, oft sind sie etwas abgeplattet. Das in ihnen befindliche Ei ist noch durch keine eigene Zone abgegränzt und zeigt meist Sterngestalt, indem Fortsätze des- selben zwischen die Zellen der umgebenden M. granulosa sich eindrän- gen. Keimbläschen und Keimfleck sind nicht selten unregelmässig geformt und weichen von der Kugelgestalt mehr oder minder ab. Die Zellen der einfachen Granulosa sind blass und in der Regel mit deutlichem Kern. Nach Aussen setzt sich jeder Primordialfollikel der Cortikalzone scharf ab und wird von einer verdichteten Stromaschicht (Membrana propria?) umgeben. Die Primordialfollikel liegen in klemen Gruppen beisammen, so jedoch, dass innerhalb der einzelnen Gruppen jeder Follikel von seinen Nachbarn durch breite Stromastreifen ge- trennt bleibt. Von dem Vorhandensein und der Vertheilung der Follikel in der Cortikalzone geben im Allgememen Flachschnitte des Eierstocks eine sehr viel vollkommenere Anschauung als senkrechte Schnitte, obwohl auch an letzteren, falls sie nur dünn genug sind, alle oben hervorgehobenen Verhältnisse wahrnehmbar sind. Von der Cortikalzone habe ich oben eine Subeortikalschicht unterschieden. Diese Schicht bildet nicht wie die vorige eine eonti- nuirliche Lage von nahezu constanter Mächtigkeit, sondern sie tritt stellenweise deutlich hervor, während sie an andern Punkten fehlt; zuweilen auch greift sie in die eine oder andere ihrer beiden Nach- barzonen tiefer ein. Wenn ich trotz dieser Unregelmässigkeiten die Zone als eine besondere festhalte, so bestimmt mich hierzu der scharfe Gegensatz, in welchem ihre Follikel zu denen der beiden angränzen- den stehn. Die Follikel sind beträchtlich grösser als in der Cortikal- zone, sie besitzen einen Durchmesser von #5“. Das Ei in ihnen ist von einer eigenen, wenn auch noch dünnen Zona pellueida um- geben, um welche mehrfach Kränze von Granulosa-Zellen lagern. Jeder Follikel ist zunächst von einer verdichteten dünnen Ge- websschicht, einer Membrana propria umgeben; auf diese folgt eine 1) Soweit man sich überhaupt in dem Fasergewirre der Cortikalzone orientiren kann, so liegen die fraglichen feinen Körnermassen nicht in den Spindelzellen des Gewebes, sondern in sternförmigen, mit Ausläufern verse- henen, aber gleichfalls äusserst verkümmerten Zellen; zuweilen gelingt es, diese Bildungen isolirt zu erhalten. Beobachtungen über den Bau des Säugethier-Eierstockes. il derbe fibröse Lage, welche vom umgebenden Stroma nicht abgesetzt ist. Dass auch hier in der nächsten Umgebung des Follikels köm- chenhaltige Zellen in grösserer Reichlichkeit abgelagert sind, das ergiebt sich besonders aus der Betrachtung bei auffallendem Licht. Durchweg sind die Follikel der Zone bereits von Gefässen umfasst, indess besitzt ihr Gefässsystem noch grosse Einfachheit und besteht aus wenigen, um die Follikel herumlaufenden Capillarschlingen. Wie der Uebergang von den Bildungen der Cortikal- zu denen der Subeortikalzone ein sprungweiser ist, so ist es noch weit mehr derjenige von der Subcortikal- zur eigentlichen Follikelzone. Die der letztern angehörigen Follikel, selbst ,die kleineren bis unter 1 mm. Dm. heruntergehenden, unterscheiden sich nicht allein durch das Vorhandensein der Höhlung. von den Gebilden der Subeortikalschicht, sondern sie besitzen auch vor Allem eine vollständig ausgebildete Membrana follieuli mit ihren wesentlichen Attributen. Diese Kluft in der Entwickelung scheint darauf hinzuweisen, dass die Umbildung der unreiferen Follikelformen in die reiferen nicht stätig, sondern perio- denweise erfolgt. Nach Ablauf der Perioden bleiben die unreifen Bildungen wieder längere Zeit stehen, um dann vielleicht später wie- der einen neuen Entwicklungsanlauf zu nehmen. Mit einer .derarti- gen Auffassung des Verhältnisses steht es jedenfalls in völliger Ueber- einstimmung, dass die sämmtlichen Gebilde der Gortikalschicht und der Subeortikalschicht, sowohl die den Follikeln, als die dem Stroma angehörigen äusserst verkümmert und saftarm erscheinen, völlig im Gegensatz zu den Bildungen, wie wir sie z. B. im jugendlichen Katzen- ovarium oder gar im Ovarium des Fötus finden. Um nicht bei Bekanntem mich aufzuhalten, lasse ich die Schil- derung des Follikelinhalts bei Seite und wende mich sofort zur Schil- derung der Membrana folliculi. An derselben unterscheidet man bekanntlich eine äussere und eine innere Schicht, welche v. Baer, dem wir ihre genaueste ältere Beschreibung verdanken, in sehr passender Weise mit einer Schleimhaut und der darunter liegenden tunica nervea vergleicht '). Die äussere Schicht nämlich enthielt die Verzweigungen der gröberen Gefässstämme, während die eigentlich capillaren Gefässe zur Oberfläche der Innenschicht vordringen. Wäh- rend die Gefässstämmchen der äusseren Schicht der Kugelfläche parallel sich ausbreiten, gehen von ihnen in radiärer Richtung klei- 1) De Ovi Mamalium genesi etc. Lipsiae 1827. p. 15. 178 Wilh. His, nere Stämmchen nach Innen ab, welche rasch in ein äusserst dichtes Netz von Capillargefässen sich auflösen. Die theca externa hebt sich nur bei den reiferen Follikelformen scharf von der Umgebung ab und auch da wesentlich nur durch ihren Reichthum an starken Gefässen. Je entwickelter nämlich der Follikel, in um so reichlicheren Parallel- lagen überlagern sich die Blutgefässe, und um so dicker wird die Externa. Die Interna dagegen variirt in ihrer Dicke nur sehr we- nig, schon in den kleinsten Follikeln der Innenzone von nur 1 Mm. Durchmesser misst sie 151“ und beinahe genau gleich dick fand ich sie wiederum bei Follikeln von mehr als 4 Cm. Durch- messer. Die älteren Autoren, so u. A.auch v. Baer und Zwicky geben übereinstimmend an, dass die reife Follikelmembran sich be- deutend verdicke und an ihrer Innenfläche faltige oder warzige Vor- sprünge bilde. Es scheinen die bezüglichen Beobachtungen meist am Eierstock des Schweines gemacht zu sein. Mir selbst sind keine Follikel in dem fraglichen Stadium der Entwickelung vorgekommen, dasselbe bildet sich wohl erst zur Zeit der Brunst oder unmittelbar vorher aus. Abgesehen von den Blutgefässen selbst besteht die äus- sere Follikelmembran aus denselben Bestandtheilen, wie das übrige Stroma, nämlich neben fasrigem Bindegewebe zum überwiegenden Theil aus dichtgedrängten Spindelzellen, die im Allgemeinen etwas bessere Ernährungsverhältnisse zeigen als diejenigen: der peripheri- schen Eierstocksschichten. Wie anderwärts am Eierstocke, so folgt ihre Längsrichtung auch hier vorzugsweise der Längsachse der Gefässe, sie bilden daher im Allgemeinen concentrische Schichten mit mehr oder minder gekreuztem Faserverlauf in jeder Schicht. Bekanntlich kann man. grössere Follikel ohne Schwierigkeit als Ganzes aus dem KEierstock herausschälen, schon R. de Graaf hat diese Operation vorgenommen und einen isolirten Follikel (nach seiner Meinung das isolirte Ei) abgebildet!). Diese Ausschälbarkeit beruht nur auf dem Verhalten der Blut- und Lymphgefässe, welche in den äusseren Schichten der Follikelmembranen weite communici- rende Sinus bilden, die von verhältnissmässig schwachen Gewebsbrücken unterbrochen sind. Auf die weiten an der äussersten Peripherie des Follikels liegenden Gefässräume folgen nach Innen zunehmend engere, daher auch der ausgelöste Follikel noch reichliche Gefässe in seiner anhängenden Aussenhaut zeigt. Eine andere, etwa in der l) R. de Graaf Oper. omnia Lugd. Batav. Off. Hackiana 1677. Taf. XV. Beobachtungen über den Bau des Säugethier-Eierstockes. 179 histologischen Beschaffenheit des Gewebes begründete Abgränzung zwischen äusserer Follikelhaut und Stroma besteht nicht; höchstens dass die die Gefässe begleitenden Spindelzellen, wie vorhin erwähnt, üppiger entwickelt sind, als im übrigen Gewebe, daher auch an den- jenigen Stellen grösserer Follikel, wo die besagten (zefässräume fehlen, schwer ist zu sagen, wo das Stroma aufhört und wo der Follikel anfängt. Es ist eben die Membrana folliculi externa nichts Anderes, als das den Follikel zunächst umgebende Stroma, das ausser der reichlichen Vaskulasirung und der allfälligen Compression keine erheblichen Modificationen erfahren hat. Anders als mit der äusseren Follikelhaut verhält es sich mit der innern. Diese unterscheidet sich von Anbeginn an durch ihren Gefässverlauf und durch ihre histologische Beschaffenheit in charak- teristischer Weise von der M. externa. Die kleinen Gefässstämmchen treten, indem sie die eirculär verlaufenden Stämme der Externa un- ter beinahe rechtem Winkel verlassen, strahlig in die Interna ein. Anfangs durch sparsame Queräste mit einander verbunden, bilden sie an der Innenfläche der Membran ein Netzwerk von grosser Dichtigkeit, das in seinem Habitus, den rundlichen Maschen, dem Durchmesser und dem etwas gekräuselten Verlauf der Stämmchen grosse Aehnlichkeit mit dem Capillarnetz an der Oberfläche des Darms darbietet. Was nun die histologische Beschaffenheit der in- nern Follikelhaut anbetrifft, so findet man dieselbe bei reifen Fol- likeln, ähnlich embryonalen Geweben, ausnehmend reich an Zellen verschiedener Form und Grösse. Theils finden sich kleinere, den Eiterzellen ähnliche Forın von 353“; theils aber auch grössere rund- liche , oder polygonale bis zu ;1, und darüber. Sie schieben sich in die Lücken zwischen den Blutgefässe ein; grössere Stämm- chen werden von mehrfachen Lagen von Zellen eingefasst, welche gegenseitig an einander sich abplatten, während die Maschen zwi- schen den feineren Gefässen oft von 2—3 Zellen völlig und mit Freilassung von nur schmalen Intercellularinterstitien ausgefüllt sind. Manche der Bilder haben mich auf das lebhafteste an jene Bil- der erinnert, wie ich sie s. Z. von der traumatisch entzündeten Horn- haut in späteren Stadien der Entzündung erhalten und abgebildet 1) Man vergl. u. A. die Schilderungen und Zeichnungen bei Zwicky de Corp. lut. origine. Diss. in. Zürich 1844, p. 8 u. f. u. Fig. 1—5. \ 180 Wilh. His, habe!). Offenbar haben wir es beiderorts mit ganz analogen; Vor- gängen zu thun, einer Neubildung von Zellen, welche langsam ge- nug erfolgt, für dass die neuen Abkömmlinge Zeit finden auszu- wachsen und mit einer gewissen Gleichmässigkeit sich zu entwickeln. Diese Zellen können dann weiterhin verschiedene Schicksale haben. Die einen mögen zur Verstärkung der bereits vorhandenen Gefäss- wandungen oder zur Bildung neuer Gefässe Verwendung finden, während andere als Bindegewebselemente persistiren oder neue Brut bilden können. Je dichter die intervaskulären Zellen beisammen liegen, um so mehr tritt ihre gegenseitige Verbindung durch Aus- läufer in den Hintergrund. In minder entwickelten kleineren Folli- keln liegen die Zellen viel minder dicht beisammen, sind durch reichlichere Intercellularsubstanz auseinander gedrängt und hier bilden sie auch mit ihren Ausläufern zusammenhängende Netze, wie sie von so manchen andern Theilen her bekannt sind. Während die äusseren Schichten des erwachsenen Eierstocks in ihrer ganzen anatomischen Ausbildung den Charakter stabil gewordener, in ihrer Entwicke- lung gehemmter Gewebe an sich tragen, so verhält sich’s, wie man sieht, mit der eigentlichen Follikelschicht anders; nicht allein finden sich hier Follikel in sehr verschiedenen Grössen, durch verschiedene Uebergänge vermittelt beisammen, sondern es trägt die Follikel- wand selbst, besonders die innere alle Anzeichen eines jugendlichen frisch fortwachsenden Gewebes und sie bietet in mancher Hinsicht völlige Analogie mit eigentlich embryonalen Geweben dar. Ich lasse es für’s Erste dahin gestellt, ob man diesen Unterschied in der ver- schiedenen Entwickelung der inneren und äusseren Eierstocksschich- ten einzig auf Rechnung der Blutgefässnähe setzen darf; soviel ist aber jedenfalls sicher, dass das Wachsthum der Follikel nicht, wie dies häufig geschieht, als ein einfach mechanischer Act angesehen werden kann, bedingt durch die zunehmende Ausschwitzung von Flüssigkeit in das Innere, sie ist vielmehr ein Vegetationsvorgang, bei welchem Neubildung von Gefässen und von intervaskulärem Gewebe mit der Volumsvergrösserung auf das allerunmittelbarste Hand in Hand gehen. Ueber die allerersten Anlagen der Membr. folliculi interna las- sen sich am Eierstock der Kuh und auch an demjenigen der von mir untersuchten älteren Kälber keine so prägnanten Bilder ge- 1) Histologie der Cornea, Taf. V. 4 u. Taf. VI. 1 u. p. 99—101. Beobachtungen über den Bau des Säugethier-Eierstockes. 181 winnen, wie am Eierstock der Katze. Dass indess auch hier ähn- liche Vorgänge dieselbe einleiten wie dort, geht aus dem schon oben erwähnten Beobachtungen hervor, wonach in der Subeortikal- und Cortikalzone um die primordialen Follikel herum allenthalben undurch- sichtige Körnermassen in den umgebenden Zellen abgelagert sind. Es sind dies wohl unzweifelhaft verkümmerte Reste früherer, den Kornzellen des Katzeneierstocks analoger Bildungen. Bau der CGorpora lutea. Die Umwandlung der geplatzten Follikel in Corpora lutea ist schon vielfältig besprochen worden, ohne dass jedoch in ihrer Be- urtheilung Uebereinstimmung erzielt wäre. Haller, der ihre Bil- dungsgeschichte an frisch befruchteten Thieren reichlich studirt hatte, sagt'): „Deinde manifestum est, corpus luteum esse vesiculae de- generationem, quae tumeat, deinde rumpatur, non sine vulnere san- guinem suppeditans; tunc emisso humore intus floceis repleatur, qui paullatim solidescentes, demum acinorum formam nacti, cavum vesiculae repleant, ut nunc caeca, glandulae similis, lutei corporis nomen tueatur.“ Die präcisesten Angaben über die Bildungsgeschichte der Cor- pora lutea verdanken wir v. Baer?). Dieser Forscher, welcher schon den Bau der Follikel so trefflich beschrieben hatte, hat auch mit völlig überzeugenden Gründen den Nachweis geführt, dass das Cor- pus luteum nichts Anderes ist, als die modificirte innere Follikel- haut. Seine Gründe sind folgende: Man findet um das Corp. luteum herum noch eine einzige Hülle, welche der Membrana foll. externa entspricht; die Oefinuug des frischen Corp. lut. ist lappig und die Lappen sind nicht die Verlängerung der Eierstockshülle, da die Rissöffnung erst jenseits von jener liegt; der albuminöse Kern der gelben Körper, der sich nach dem Platzen der Follikel oft findet, ist nach aussen stets scharf abgegränzt; oft bleibt (bei Schweinen) eine Höhlung durch die ganze Zeit der Gravidität. Schon vor dem Platzen des Follikels wandelt sich die innere Follikelhaut in das Corp. luteum um, verdickt sich und nimmt gelbe Färbung an. Gleich nach dem Platzen des Follikels ist auch sofort das Corpus luteum vor- 1) Haller Elem. Physiol. VIII. 33. 2) v. Baer epistola. p. 20. 182 Wilh. His, handen, gegen eine imnere Höhlung hin vielfach gefässreiche Falten aussendend. Diese Angaben v. Baer’s vermochten indess trotz ihrer Be- stimmtheit und trotz der Bestätigung durch Valentin, Haus- mann,Bischoff') u. A nicht eine andere Auffassung zu beseitigen, wonach das Corpus luteum vorzugsweise aus einem in das Innere des geborstenen Follikels ergossenen Blutklumpen hervorgegangen sei. So nennt z. B. Henle in seiner allgemeinen Anatomie?) die selben Körper geradezu „in Entfärbung und Organisation begriffen Extravasate“. Zwicky, der unter Henle’s Leitung ausdrücklich an die Untersuchung der Corpora lutea sich machte, um die dabei er- folgenden Umwandlungen des Blutes zu verfolgen, kam: bald. wider Erwarten zur Ueberzeugung, dass ein Blutcoagulum an der Bildung des Corpus lut. kaum sich betheilige ®). Andere Beobachter kamen zu demselben Resultate, trotzdem zieht sich die Sage von dem Her- vorgehen der Gorpora lutea aus organisirten Blutergüssen in ein- zelnen Ausläufern noch bis in Lehrbücher neuesten Datums hinein ®), wahrscheinlich wohl darum, weil es so nahe liegt, die gelbe Färbung jener Körper mit der Farbe des ergossenen Blutes im Beziehung zu setzen. Allem auch die Blutergüsse beim Platzen der Follikel sind Nichts weniger als allgemein constatirt. Goste, welcher ein bedeu- tendes Material an Eierstöcken frisch menstruirter Weiber zur Ver- fügung gehabt hat und dem wir sehr genaue, von Baer’s Angaben bestätigende Beobachtungen tiber die makroscopische Entstehungs- und Umwandlungsgeschichte der Corpora lutea verdanken, spricht sich also über den Punkt aus: „A peine les parois des follicules de Graaf. se sont rompues et videes, que d6&ja leur cavite est envahie 1) Valentin, Entwickelungsgesch. d. Menschen. Berl. 1835. p. 40. Hausmann, Ueber Zeugung und Entstehung der wahren weibl. Eier, Hannov. 1840. p. 88. Bischoff, Entwickelungsgesch. d. Säugethiere u. d. Menschen, p. 33 und Entwickelungsgesch. des Kaninchen-Eies, p. 44. Im ersten Werke sagt Bischoff, man könne nicht darüber im Zweifel sein, dass die Bildung des Corpus lut. von der inneren Fläche desGraaf’schen Bläschens ausgehe, allein er nimmt dann weiterhin an, dass die Zellen des Membrana granulosa den gelben Körper bilden. 2) p. 894. 3) Zwicky I. c. Praefatio. 4) Man vergl. z. B. Hyrt]’s Lehrbuch der system, Anat. 8. Aufl. p. 707. 5) Histoire du developpement des Corps organises. I. 245, Beobachtungen über den Bau des Säugethier-Eierstockes. 1883 par une sorte de s6cretion plastique, souvent colorde en rouge, quelquefois en brun rougeätre, par le sang qui s’ecoule de quelques vaisseaux ouverts. Mais cet &panchement n’a pas lieu habituellement. C'est une espece d’accident, qui se produit assez fr&quement chez les Truies, et presque jamais chez les Lapins, les Chiens et l’espece humaine, & moins que. ce ne soit le cas oü les follicules s’ouvrent sans qu’une grossesse s’en suive. Presque toujours la matiere exhalde est exclusivement transparente, gelatiniforme, adherente, filante dans le prineipe, comme du verre fondu, prenant ensuite une con- sistance ‘et une tenacite de plus en plus prononcee J’ai eu tres souvent l’occasion d’en faire la remarque sur des femmes suicid6es pendant la gestation. Lors done que les physiologistes prötendent que les capsules ovariennes des vertebrös superieurs se remplissent de sang: immediatement apres la rupture de leurs parois, ils expriment une opinion inexacte, mettent l’apparence a la place de la r£alite, pren- nent l’exception pour la regle.. La production d’une Iymphe plasti- que est le seul phenomene dont on doive reellement tenir compte. Cependant il semble que ce phenomene ne soit pas tellement indis- pensable qu’il ne puisse arriver que, dans certains cas il ne se pro- duise, que d’une maniere tres peu sensible, ou qu’il ne fasse m&me entierement defaut.“ Für Kaninchen, Hunde und Katzen hat Pflüger neuerdings eine Bestätigung dieser Goste’schen Angaben ge- liefert. Bei Eröffnung der Bauchhöhle lebender Thiere, bald nach dem Austritt der Eier fand Pflüger niemals Blut im Innern der geplatzten Follikel, wohl aber wurde solches nach gewaltsamer Töd- tung der Thiere oft wahrgenommen!). Auch der Membrana granulosa schreiben einzeme Autoren einen hervorragenden Antheil an der Bildung der Corpora lutea zu; bis jetzt fehlt indess, wie mir schemt, die Begründung für eine solche. Annahme. Bischoff?), der sie in seiner Entwicklungsgeschichte. ver- treten hat, stützt sich auf die Wahrnehmung, dass die Wucherung bei Bildung des Corpus luteum von der innersten Schicht der Follikel- haut ausgeht, und dass das Corpus luteum wie die Membrana granulosa aus Zellen besteht. Auch R. Wagner vertrat diese Ansicht, und ob- wohl Leuckart) mit Recht sich dagegen ausgesprochen hat, so ist sie 1) 1. c. pag. 41. 2) Bischoff, Entw.-Gesch. d. Säugethiere etc. p. 33. 3) Leuckart im Artikel: »Zeugung« in Wagner’s Handwb. M. Schultze, Archiv f. mikrosk. Anatomie. I. Bd. 13 184 Wilh. His, doch auch bis in neuere Werke übergegangen. So findet sie sich sehr entschieden bei Funke festgehalten, welcher das Corpus luteum geradezu mit dem Eidotter des Vogeleies vergleicht ?), sie findet, sich ferner vertreten in der kürzlich erschienenen Anatomie von Langer?). Selbst Pflüger, der allerdings die Entwickelung der selben Körper nur beiläufig in den Kreis seiner Untersuchung ge- zogen zu haben scheint, leitet dieselben ganz unbedenklich von den wuchernden Zellen der M. granulosa ab °®). — Ein Vergleich, wie der oben erwähnte von Funke, ist nur möglich, so lange die feinere Or- sanisation des Corpus luteum nicht berücksichtigt wird, welche letz- tere, wie auch die nachfolgenden Mittheilungen zeigen werden, zu- nächst mit derjenigen der Membrana folliculi interna auf das Be- stimmteste übereinstimmt. Das Corpus luteum des Kuheierstocks bildet in seinem ausge- bildeten Zustand ein, an seinem vorspringenden Theil unregelmässiges Ellipsoid von 2 bis 22 Gm. Durchmesser. Schon äusserlich sind an demselben verschiedene Zonen zu unterscheiden; der am meisten vorspringende Theil ist von einer flachen Grube eingenommen, in deren Grund weissliches Gewebe hervortritt, um sie herum läuft ein wulstig aufgeworfener ringförmiger Wall, der an seiner Basis durch eine Einkerbung von dem übrigen vorgewölbten Theil des gelben Körpers sich absetzt. Der fragliche Wall entspricht dem aus der Risswunde hervorgewucherten Theil der Membrrana follieuli; jen- seits von dessen Basis, welche nicht selten von Blutgefässen ringförmig umkreist wird, ist der gelbe Körper von einer, nach unten dickeren, nach oben immer mehr sich zuschärfenden Parenchymschichte über- zogen, in der, wie wir unten noch specieller zeigen werden, das Mi- kroskop stets unentwickelte Follikel in Menge nachweist; zuweilen können selbst etwas entwickeltere, Flüssigkeit führende Follikel, wenigstens im untern Theil dieses Ueberzugs liegen. Stets zeichnet sich die Aussenfläche des Corpus luteum durch ihren Reichthum an Blutgefässen sehr prägnant vor der übrigen ÖOvarialfläche aus. Die Stämmchen treten an der Basis des Hügels plötzlich aus der Tiefe des Eierstocks empor, und indem sie gegen die Kuppe des Gebildes sich hinwenden, geben sie links und rechts Zweige ab. 1) Funke, Physiol. I. Bd. 2te Aufl. 1858. p. 759. 2) Anatomie von Langer. p. 597. 3) Pflüger 1. c. p. 95, Beobachtungen über den Bau des Säugethier-Eierstockes. 185 Der senkrechte Durchschnitt durch einen gelben Körper zeigt zunächst dessen bekannten strahligen Bau, welcher schon de Graaf aufgefallen war und ihn veranlasst hatte, das Corpus luteum mit einer conglomerirten Drüse zu vergleichent). Nach dem Schwinden eines allfälligen Höhlenresiduums wird das Centrum des gelben Kör- pers von einem fibrösen Kern eingenommen, von welchem aus nach allen Richtungen dünne Fortsätze strahlig zur Peripherie vordringen. Von der gleichfalls fibrösen Membran, welche den gelben Körper äusserlich umhüllt, kommen ihnen ähnliche Fortsätze entgegen, so dass das ganze Organ in eine Anzahl von Sectoren zerlegt wird, die nun je von weicher gelber Masse eingenommen sind. (Vergl. Fig. 7 und Fig. 9.) Die äussere Hülle des gelben Körpers ist von weiten Gefässlücken auf das reichlichste durchsetzt, besonders finden sich in ihr flache venöse Sinus, von deren unregelmässiger Gestaltung man am bessten einen Begriff bekommt, wenn man die Ausgüsse derselben an einem injicirten Eierstocke auslöst. Nächstdem enthält die Hülle aber auch arterielle Gefässe und Lymphräume. Die Ab- gränzung gegen das Ovarialstroma wird hier, wie beim ungeplatzten Follikel wesentlich nur durch flache Gefässspalten bedingt, da- her man stets in Verlegenheit kommen wird, wenn man die äussere Gränze der Membran bestimmen soll. In gleicher Weise wie die äussere Hülle ist auch der fibröse Kern von reichlichen venösen und lymphatischen Gefässlücken, sowie von Arterienstämmchen durchsetzt, somit von schwammigem Gefüge, und längs seiner Fortsätze treten die grösseren Gefässe von der Peripherie zum Centrum und umge- kehrt. Durch einfachen Einstich lassen sich die, einer eigenen Wan- dung entbehrenden Gefässräume leicht injieiren, allein wie im übrigen Stroma, so ist es auch hier Zufall, ob man sofort Venen, oder ob man Lymphräume mit Masse erfüllt, da beide in ihrer äus- seren Abgränzung analog sich verhalten. Bei kleineren Thieren kann statt des Gefässcomplexes im Kern des Corpus luteum eine einzige Sammelvene sich finden, so hat es Schrön beim Ovarium der Katze gefunden und abgebildet und ich kann dasselbe für die Ratte bestätigen. Solche kleine mit einer einzigen Uentralvene 1) Quae vero secundum naturam aliquando tantum in mulierum testi- bus inveniuntur, sunt globuli, qui glandularum conglomeratarum ad instar ex multis partieulis a centro ad peripheriam recto quasi ductu tendentibus eonflantur et propria membrana obvolvuntur. 1. e. pag. 296. 186 WaolksiHi®, versehene gelbe Körper bieten in ihrem mikroskopischen Habitus grosse Aehnlichkeiten mit Leberlobulis, umsomehr da auch in ihnen die Capillaren und die zwischen diesen gedrängt liegenden Zellen- massen eine strahlige Anordnung zeigen. | Das gesammte Parenchym des gelben Körpers erscheint aus- nehmend gefässreich und muss im Hinsicht der Capillarmaschenenge den blutreichsten Organen des Körpers zur Seite gestellt werden. Stämmchen von A| Dicke drängen von der Peripherie, sowie von den Strahlen des fibrösen Kernes aus allenthalben in das gelbe Paren- chym ein, und lösen sich hier rasch in ein Capillarnetz auf, dessen —.1ıdı —o9 333 1—2 Maschen von nur —— /weige, bei emem Durchmesser von u Durchmesser bilden. . Im äusseren Theil der Corp. lut. pflegen diese Maschen noch rundlich polygonale Gestaltung zu haben, während sie gegen das Centrum hin sich etwas in die Länge strecken. Nächst den Blutgefässen bemerkt man aber im gesammten gelben Paren- chym ein System von netzförmig verbundenen Hohlgängen von oc Dm., welche auch bei der vollständigsten arteriellen und venösen Gefässfüllung leer bleiben. Diese Gänge sind die Lymphkanäle des Corpus luteum, sie laufen vielfach dicht neben den Blutgefässstämm- chen und hängen nach Aussen mit einem reichen, in der Hülle be- findlichen Lymphnetz zusammen, von dessen genauerm Verhalten unten die Rede sein soll. Silberinjection lässt an den Kanälen durchweg die bekannte Epithelzeichnung erkennen. Nächst dem Gefässgerüst besteht das Parenchym der gelben Körper beinahe ausschliesslich aus den bereits vielfach untersuchten Zellenmassen. Wie schnSchwann, Zwickyt!) und alle Späteren hervorgehoben haben, so lassen sich auf dem Weg des Zerzupfens zwei Hauptformen von Zellen aus dem Corpus lut. isoliren, einmal 1__od4d4 213 blasse Spindelzellen von —. Länge und grösster Dicke, mit länglich ovalen Kernen, die nicht selten ausser ihren Hauptausläufern noch einen oder mehrere kürzere Zweigausläufer abgeben, und zweitens die grossen bis zu 152° im Durchmesser messenden Zellen, welche die Träger der gelben Körnermassen sind. Letztere Zellen können in ihrer Grösse und Form vielfach variiren. Meist ist ihre Gestalt eine läng- lich polygonale, derjenigen der Vorderhornzellen des Rückenmarks nicht unähnlich; an verschiedenen Stellen laufen sie in Fortsätze 1) Vergl,. Zwieky; le. p. 15. Beobachtungen über den Bau des Säugethier-Eierstockes. 187 aus, die mit breiter Basis beginnend, in der Regel bald aufhören, um zuweilen plötzlich in feine Fäden auszulaufen, über deren Schick- es schwer ist, etwas genaueres zu constatiren: dieselben scheinen in den schmalen Interstitien zwischen den Zellen und den Blutgefässen ein feines Gerüst zu bilden. Im Corpus luteum der Kuh vermisst man bei den grösseren Zellen die Ausläufer selten, dagegen fand ich deren keine in den von mir untersuchten gelben Körpern des Schweines. In der Regel sind die Zellen in einer Richtung länger als in den übrigen und ste- hen alsdann mit ihrer Längsachse radial zum Centrum des Körpers. Sei nun der Zellkörper bipolar, tripolar oder multipolar, so zeichnet er ‚sich stets durch gerundete Formen aus, er wird zwischen den Absangsstellen seiner Ausläufer von convexen Grenzlinien umsäumt, und jede Zelle erhält auf die Weise ein eigenthümlich behäbiges Ansehen. Der Kern ist gross, durchsichtig, nicht selten doppelt vorhanden; das Pigment der Zellen liegt zunächst um den Kern herum oder überhaupt im mittleren Theil des Zellkörpers angehäuft in Form von kleinen gelben Tropfen oder Körnchen. ‘Durch Aether oder Chloroform lässt sich die gefärbte Materie völlig ausziehen, allein auch nach dieser Behandlung behalten die Zellen in ihrem mittleren Theil immer noch ein körniges Ansehen. Neben den eben geschilderten üppigeren Zellengebilden und den blassen Spindelzellen finden sich übrigens noch mannigfach anderweitige Formen, theils kleinere rundliche, ovale oder polygonale Zellen, theils Uebergangsbil- dungen zwischen den beiden Hauptformen. Die kleineren Zellenge- bilde finden sich besonders in den Theilungswinkeln der Gefässe oft dicht gedrängt beisammen, Pigment pflegt in ihnen entweder zu feh- len oder. erst in vereinzelten Tropfen aufzutreten. Was nun die Anordnung der verschiedenen Formen von Zellen betrifft, so ist unschwer zu zeigen, dass die Spindelzellen allenthal- ben die Begränzung von Gefässen bilden. Schon in Zerzupfungs- präparaten fällt es auf, dass die Spindeln vielfach in zusammenhän- genden Strängen umherschwimmen, die zuweilen sogar sich verästeln (Fig. 10). Bei genauerer Betrachtung findet man im Innern wenig- stens der breiteren Stränge ein Gefässlumen. Ebenso kann man an Durchschnittspräparaten von der Beziehung der Spindelzellen zu den Gefässen sich überzeugen. Auch die Lymphkanäle sind von dicht gedrängten Strängen von Zellen umhüllt, welche jedoch nicht eigent- lich spindelförmig, sondern langgestreckt und eckig sind und von 188 Wilh. His, ihren dem übrigen Gewebe zugekehrten Seiten kurze Ausläufer in dieses abgeben, ähnlich wie die früher von mir geschilderten Zellen, welche die Lymphgefässe des Fröschlarvenschwanzes umsäumen !). Ich kann die eben geschilderten Umgränzungsverhältnisse der Gefässe nicht verlassen, ohne auf die Bildung der Blutgefässwand selbst mit wenigen Worten einzutreten. Bei den bedeutenden Modi- ficationen, welche besonders auf Max Schultze’s Anregung hin, unsere Vorstellungen vom Zellenbau erfahren haben, ist natürlich die alte Schwann sche Lehre von der Entstehung der Gapillarge- fässe aus verschmolzenen Zellhöhlen em Anachronismus geworden und eine Umgestaltung dieser Lehre erscheint unerlässlich. Nach den gleichzeitigen Mittheilungen von Eberth, von L. Auerbach und von Aeby soll nun die Capillarwand auch im ausgebildeten Zu- stand, ähnlich der Wand der Lymphwurzelröhren nur aus platten, dicht aneinander anschliessenden Spindelzellen bestehen. Alle drei Au- toren sind mit Hülfe der Silbermethode zu ihren Ergebnissen gelangt. Die Bilder, auf welche diese Aufstellung sich stützt, glaube ich, wenig- stens zum Theil, schon seit längerer Zeit zu kennen. Als ich näm- lich vor etwa 3 Jahren bei einer Controllarbeit über Muskelnerven den Versuch machte, Muskelfasern erst mit Silberlösung zu behan- deln und dann durch concentrirte Kochsalzlösung zu isoliren (was beiläufig gesagt, vortreftlich gelingt), fand ich die gleichfalls isolirten Gapillaren von einem langmaschigen Netz von schwarzen, feinwelli- gen Linien bedeckt. Die Aehnlichkeit des Bildes mit denjenigen von silberbehandelten Lymphkanälen fiel mir zwar sofort auf, allein ich glaubte mich zu überzeugen, dass die fragliche Zeichnung von Gebilden herrührt, die der Gefässwand äusserlich aufliegen. Später habe ich bei den vielfach vorgenommenen Silber-Injectionen von Blutgefässen das Bild sehr oft wieder gesehen und stets auf ein der Capillarwand anliegendes feines elastisches Fasernetz bezogen. Der Grund, wesshalb mir trotz der Aehnlichkeit des Bildes mit dem der Lymphwurzeln, die Identität der Zusammensetzung nicht einleuchten wollte, war folgender: Man sieht an jungen Gefässen dünner Häute, 1) Zeitschrift für wissenschatftl. Zoologie. Bd. XII. pag. 249 u. Taf. XXIV. Fig. 6. 2) Eberth, Würzburger physik. medic. Ges. 18. Febr. 1865. — Auer- bach, Mediec. Section der Schles. Gesellsch. 22. Febr. — Aeby med. Cen- tralblatt 1865. No. 14. — Alle drei Mittheilungen kenne ich bis jetzt nur aus Prioritätsblättchen. Beobachtungen über den Bau des Säugethier-Eierstockes. 189 z. B. der Allantois, der fötalen Linsenkapsel, u. s. w., nicht selten eine Zeichnung, die auf eine ändere Auffassung des Capillarbaues hinleitet. Vom Kern gehen nämlich oft feine Fäden körniger Sub- stanz aus, welche nicht nur der Länge nach zusammenhängen, son- dern auch ringförmig die Gefässe umgeben. Aehnliche Bilder erhielt ich auch zuweilen an Silberpräparaten reifer Theile, so vom ligamen- tum suspensorium hepatis kleiner Thiere (vergl. Fig. IV. auf Taf. XD). Gestützt auf diese Bilder glaubte ich annehmen zu müssen, dass allerdings die Capillarwand die Zellen noch in toto enthalte, allein in Form eines sternförmig verzweigten Bindegewebskörpers und ich schrieb der übri- gen Gapillarwand die Bedeutung einer verdichteten Intercellularsubstanz zu, ähnlich anderen Glashäuten. In einem Aufsatz von Klebs über glatte Muskelfasern der Froschharmblase finden sich Andeutungen, dass dieser Autor Aehnliches wie ich gesehen hatt). So lange nun nicht die ausführlichen Belege der drei oben er- wähnten Forscher vorliegen, muss ich es meinerseits für unentschie- den halten, ob die von ihnen mitgetheilte Deutung des Uapillarbaues, die sich unzweifelhaft theoretisch sehr empfiehlt, über die oben ange- deutete den Vorzug verdient. So viel ist jedenfalls sicher, dass die Schwann’sche Lehre von der Capillarbildung fallen muss, und dass die Capillargefässe, sei es so oder anders, die Bedeutung von Inter- oder Paracellulargängen erhalten. Doch wir kehren zum Corpus luteum zurück und fügen noch einige Worte bei über die Lagerung seiner Pigment führenden Zellen. Dieselben nehmen die Zwischenräume ein zwischen den Gefässen und zwar so, dass in den meisten Fällen nur eine oder zwei Zellen in eine Capillarmasche za liegen kommen. Von den Gefässen selbst und von einander sind sie meist durch sehr schmale durchsichtige Zwischenräume getrennt, welche theils von einer gallertigen Zwi- schensubstanz, theils aber auch von feinen Fadennetzen eingenom- men zu sein scheinen. Nicht selten jedoch sieht man auch strecken- weise Zelle an Zelle dicht gedrängt liegen, und so Stränge bilden, welche entweder stärkeren Gefässstämmen folgen, oder zwischen solche als Verbindungsbrücken sich einschieben. Die kleineren, theils eckigen theils auch rundlichen Zellformen finden sich in der Regel nester- weise beisammenliegend und zwar besonders in den Theilungswinkeln etwas stärkerer Gefässe. 1) Virchow’s Archiv. Bd. XXXII, pag. 173. 190 Wilh. His, Das ganze Bild des entwickelten gelben Körpers stimmt, wie man sieht, in allen Hauptpunkten völlig überemm mit demjenigen der reifen inneren Follikelhaut. Wie dort, so haben wir auch hier ein sehr gefässreiches Gewebe, welches alle Anzeichen sehr lebhaft im ihm erfolgender Vegetationsvorgänge trägt. Wie dort so ist auch hier von einer Intercellularsubstanz kaum die Rede ; das Gewebe, soweit es nicht aus Gefässen besteht, wird gebildet aus üppig ernährten Zellen mit reichlichen, theils aus gefärbtem Fett, theils aus albumi- nösen Materien gebildeten körnigen Eimlagerungen. Gehen wir aber noch weiter zurück, so treffen wir schon dieselben Züge verwandtschaft- licher Entwickelung in den für den Katzeneierstock geschilderten Kornzellen, welche, wie wir sahen, Anfangs regellos im Parenchym auftreten, bevor sie in geordneter Weise zur Follikelhaut sich sam- meln. Auch diese Gebilde zeichnen sich nieht allein von Anbeginn an durch üppiges Wachsthum und durch reichliche Ablagerung theils fettiger theils albuminöser Körner in ihrem Innern aus, son- dern sie können selbst bei einzelnen Thierspecies schon sehr präg- nant die gelbe Färbung annehmen, welche man als charakteristisch für das Rückbildungsprodukt der Follikel ansieht. Es liefert sonach die Ueberemstimmung des Baues eine Be- stätigung für die auf makroskopischem Wege von v. Baer, Coste u. A. gelieferte Bildungsgeschichte der Corpora lutea. Allem, wenn auch das gelbe Parenchym unmittelbar aus der Membrana folliculi interna hervorgeht, sollte nicht vielleicht wenigstens der fibröse, im Innern des ausgebildeten gelben Körpers befindliche Kern von einem organisirten Gerinsel, oder von Resten der Membrana granulosa 'ab- stammen? Das Studium des ausgebildeten Corpus luteum giebt na- türlich auf diese Frage keine Antwort, wohl aber die mikroskopische Verfolgung des sich bildenden gelben Körpers, und da diese auch noch in anderer Hinsicht sehr belehrende Resultate liefert, :so wollen wir kurz auf dieselbe eingehen. Durchschneidet man einen kürzlich geplatzten Follikel, so fin- det man bekanntlich dessen imnere Haut in vielfache, gegenseitig an einander sich andrängende Falten gelegt, welche einen grossen Theil der früheren Höhlung erfüllen. Feine Schnitte durch eine solche nach dem Bersten des Follikels getaltete Membran zeigen im ihr em Bild, wie man es weder in den früheren, noch in den späteren Entwickelungsstadien findet. In Folge lebhafter Wucherung nämlich erscheint die ganze Membran auf das reichlichste von’ kleinzelligen Beobachtungen über den Bau des’ Säugethier-Eierstockes. 191 Bildungen durchsetzt. In den äussersten Schichten sind es noch vor- wiegend ‚kürzere Spindelzellen, ‚sowie kleine eckige oder ovoide Formen, nach der innern Oberfläche hin nehmen aber mehr und mehr rundliche Formen ‚überhand, welche indess noch durch ein Gerüst- werk spindelförmiger oder verzweigter Zellen zusammengehalten werden, so dass nun hier. das Gewebe stellenweise ganz den Charakter adenoider Substanz annimmt. Ueber das Verhalten der Blutgefässe in diesen Entwickelungsstadien kann ich desshalb weniger berichten, weil mir aus demselben zufälliger Weise keine Injeetionspräparate zu Gebote stehen. Ohne Injection ist indess soviel leicht zu erken: nen, dass jene auch hier durchweg als verzweigte und netzförmig verbundene Stränge von Spindelzellen sich darstellen. In ihrem Mitteltheil enthält jede Falte einen derbern, gleich- falls zum grösseren Theil aus Spindelzellen gebildeten Strang, der sich in. die Zweigfalten hinein fortsetzt und in dessen Innerem von Anbeginn an weite, verzweigte Lücken, Lymph- und zum Theil wohl auch Venenräume wahrnehmbar sind. Die weitere Entwickelung der gelben Körper führt bekanntlich zunächst zum Verschluss der Risswunde in Folge des Anschwellens der wuchernden Follikelwand. Die Falten der letztern verschmelzen unter einander und es bildet ‚sich so em mehr homogener Körper, der eine, je länger je enger werdende Höhlung, den Rest der frü- heren Follikelhöhle umschliesst. In diesem Stadium untersucht, giebt das Corpus luteum wieder ein etwas anderes Bild als zuvor: die innere Begränzung desselben wird gebildet durch eine Lage von verdichteter Substanz, welche nach innen gegen ein unorganisirtes Gerinnsel völlig scharf absetzt; nach aussen giebt sie Fortsätze ab, welche zum Theil bis zur Peripherie vordrängen, zum Theil jedoch diese ‚nicht erreichen, während andere derbe, von der Peripherie ausgehende Fortsätze auch nur zum Theil bis zur innern Membran hingelangen. Das Gewebe der inneren Membran und ihrer Fort- sätze besteht aus dicht gedrängten nach verschiedenen Richtungen sich durchkreuzenden kürzeren Spindelzellen mit sparsamer Zwischen- substanz; am dichtesten beisammen und zugleich am kürzesten sind sie unmittelbar an der der Höhle zugekehrten Seite der Membran. Das Parenchym nach aussen von der Membran besteht, abgesehen von den Gefässen bereits wiederum aus grösseren körnerreichen Zel- len, welche mit Ausnahme des etwas geringeren Volumens alle jene Charaktere besitzen, wie. die Zellen des völlig ausgebildeten gelben 192 Wılh. His, Körpers. Die Mehrzahl derselben erscheint in einer Richtung etwas länger als in den übrigen und zwar sind dieselben mit ihren Längs- achsen radical gelagert. Bei noch weiter gediehener Entwickelung der gelben Körper sieht man die Höhle im Centrum kleiner werden und schliesslich schrumpft die sie umgränzende dicke Membran zu jenem fibrösen Kern zusammen, von dessen Verhalten früherhin die Rede war. Es lässt sich sonach direct zeigen, dass dieser Kern gleichfalls aus der inneren Follikelhaut hervorgeht, und zwar aus deren innersten Lagen, welche von Anbeginn an nach dem Platzen des Follikels der Sitz der reichlichsten Zellwucherung gewesen sind. Rückbildung der gelben Körper. Nachdem wir die gelben Körper bis zum Höhepunkt ihrer Ent- wickelung verfolgt haben, gehen wir auch kurz auf ihre Rückbildung ein und zwar wähle ich hier wiederum den Weg, ein gegebenes Enntwickelungstadium herauszugreifen und näher zu schildern. Als solches Stadium wähle ich das, sehr häufig zur Beobachtung gelan- gende, das auf Fig. 7 a. Ol. abgebildete ist. Die Umgränzung des gelben Körpers ist hier noch eine sehr bestimmte, hauptsächlich durch das dunkelbraune Pigment markirt. Die Form ist länglich abgeplattet, die Längsachse steht zur Oberfläche des Ovarium mehr oder weniger genau senkrecht. In der Axe des Körpers findet sich oft noch ein besonderer Längsstrang von derber, gefässarmer Be- schaffenheit. Das braune Pigment, das allenthalben in Zellen ein- geschlossen ist, zeigt in seiner Anordnung ein charakteristisches Verhalten, theils liegt es zu beiden Seiten und im Innern des eben erwähnten mittleren Stranges, theils findet es sich in zusammen- hängenden Bändern an der Peripherie des Körpers und bildet dessen Abgrenzung gegen das umgebende Stroma, theils endlich ist es zu strahligen Zügen geordnet, welche von der Peripherie des Körpers gegen den Centralstrang hin laufen. Bei genauerer Beobachtung sieht man, dass dasselbe mit besonderer Vorliebe venösen Gefässen folgt, bald schmale Streifen an ihrer Aussenseite bildet, bald diese mit einem dieken Mantel umhüllt. Allenthalben ist das Pigment in Form gröberer eckiger Körner in länglich ovalen Zellen (von etwa 6 Breite und $;8,‘ Länge) eingeschlossen, welche durch Zwischensub- stanz von einander geschieden sind. Nächst dem Pigment ist ein zweites Vorkommniss in hohem Grad auffällig. Es sind dies Beobachtungen über den Bau des Säugethier-Bierstockes. 193 Arterien von ganz enormer Dickwandigkeit; es finden sich Stämme von 38° Durchmesser mit einem Lumen, das im injieirten Zustand I > A > nieht mehr als 2 misst, neben ihnen auch solche Stämme, an 100 denen das Lumen ganz zu fehlen schemt. Diese Stämme verlau- fen nach verschiedenen Richtungen im Gewebe zwischen den Pig- mentstrahlen. Die weitern Charaktere der sich rückbildenden gelben Körper sind mehr negativer Art; an die Stelle jenes mächtigen, aus wohlgenährten Zellen gebildeten gelben Parenchyms ist ein Gewebe getreten, welches vom übrigen Eierstocksstroma Kaum in irgend einer bemerkbaren Weise sich unterscheidet, höchstens dass in ihm eine etwas reichlichere Anhäufung von Intercellularsubstanz sich findet, als wir sie sonst zu treffen gewohnt sind. Das Gewebe enthält zwar immer noch reichliche Blut- und Lymphgefässe, allein mit jenem colossalen Blutreichthum, wie er den gelben Körper im Stadium seiner höchsten Blüthe auszeichnet, ist doch kein Vergleich mehr möglich, und ins- besondere sind alle jene weiten Venen und Lymphräume geschwun- den, welche das strahlige Gerüst und die äussere Hülle des gelben Körpers durchsetzt hatten. Als eigenthümlichen Rest des über das Ni- veau des Eierstocks hervorgequollenen Theiles des Corpus luteum trifft man oft noch zarte Fransen (Taf. VIII. Fr.), die nur aus kleinen Gefässstämmchen mit ihren Adventitien bestehen, im Uebrigen aber völlig durchbrochen sind. Man wird selten einen älteren Kuheierstock in die Hände bekommen, an dem nicht ein oder einige solcher Ge- bilde wahrnehmbar wären !). Von dem soeben geschilderten Stadium des gelben Körpers, in welchem noch die ganze ursprüngliche Anlage erkennbar ist, ist nur noch ein kleiner Schritt zur völligen Involution. Sowie nämlich das Pigment resorbirt ist, so verschmilzt das früher so mächtige Gebilde mit dem übrigen Gewebe des Eierstocks in ziemlich unkenn- barer Weise, und nur an der Disposition der Gefässe am injieirten Präparate wird das kundige Auge noch die Spur dessen finden, was früher vorhanden war. Ueber dem zum Stroma umgewandelten selben Körper tritt aber die früher von ihm zur Seite gedrängte 1) Diese Gebilde, von denen ich Anfangs glaubte, sie seien noch unbe- achtet geblieben, sind schon von Kehrer (Henleu. Pfeuffer’s Zeitschrift III. Bd, 20. p- 19 u. f.) gesehen worden; auch dieser Beobachter, der sie als Pseudomembranen beschreibt, fand sie am Ovarium auf alten gelben Körpern aufsitzend, ausserdem hat er ähnliche Bildungen an den Tuben und den Fim- brien gesehen. 194 Wilh. His, Eierstocksrinde wieder. in ihre Rechte und aus unscheinbaren Anlagen können nun Follikel entstehen, welche jenen völlig in die Tiefe drängen. Solche verkümmernde gelbe Körper mit einer von kleinen Follikeln überdeckten Aussenfläche kommen nicht selten zur Beobach- tung, und ineben dem Maasse als diese sich entwickeln, wird natür- lich auch die Oberfläche des Eierstocks nach aussen vorgeschoben, während das innere Stroma den Zuwachs des Involutionsgebildes erhält. Wie haben wir uns nun aber diese ganze Umwandlung des gel- ben Körpers zu erklären. Den Fingerzeig giebt, wie mir scheint, das Verhalten der Gefässe. Wie wir gesehen haben, ist das Gefäss- netz des gelben Körpers auf dem Höhepunkt seiner Entwickelung nicht allen ungemein reich und dicht, sondern dasselbe setzt sich aus durchweg sehr engen Capillaren zusammen. Das ganze. System bietet einen bedeutenden Stromwiderstand, wie schon daraus er- sichtlich ist, dass eine vollständige Injection desselben nicht, leicht gelingt. Die zuführenden Gefässe, welche das System speisen, sind im Verhältniss zu diesem keineswegs so sehr mächtig, und jedenfalls sind in ihren vielfältigen Windungen Widerstände m Menge gegeben, welche den Druck des zum gelben Körper gelangenden Blutes sehr herunter setzen müssen. So lange nun bei dem Turgor der Brunst und der nachfolgenden Gravidität die Ovarialgefässe erweitert und auf das reichlichste gespeist sind, so wird auch im gelben Körper die Cir- kulation sich ungehemmt erhalten. Sowie dagegen die Zufuhr bei eintretender Gefäss- und Stroma-Contraetion gemindert wird, so wird auch sofort das gesammte Bild sich ändern müssen. Die gleichfalls von der Contraction betroffenen Arterien des gelben Körpers selbst wandeln sich in jene so unverhältnissmässig dickwandigen Gebilde um, von welchen oben die Rede war ; in den engen Capillaren wird die Blutbewegung völlig sistirt, und blos die etwas weiten Röhren 2ter Ordnung werden noch Blut erhalten. Das führt nun aber an- derseits zur Atrophie jener Zellen, die neben den Gefässen beinahe allein das gelbe Parenchym des Körpers gebildet hatten. Mit der geringern durch das Organ strömenden Blutmenge werden aber auch die weiten venösen und lymphatischen Abzugskanäle überflüssig ; auch in ihnen stagnirt die Flüssigkeit und sie schliessen sich bei gleichzeitiger Schrumpfung des umgebenden Gewebes zum grössten Theil. Hiermit fällt nun die Abgränzung der gelben Körper von der Umgebung hinweg, welche, wie früher gezeigt wurde, nicht Beobachtungen über den Bau des Säugethier-Eierstuckes. 195 in den histologischen Eigenthümlichkeiten der sogenannten Membran, sondern einzig und allein im Vorhandensein der weiten Gefässräume ihren Grund hatte. Woher rührt nun aber das dunkle Pigment älterer Corpora lutea ? Am nächsten liegt es allerdings, dasselbe vom Pigment der früheren Parenchymszellen abzuleiten; allen dafür fehlt, wie ich glaube, die Berechtigung. Hätte dasselbe diesen Ursprung, so müsste es überall da zu treffen sein, wo früher das gelbe Parenchym an- gehäuft war, statt dessen finden wir, dass es in seiner Anordnung den fibrösen Gebilden folgt, welche das gelbe Parenchym durchsetzten und umhüllten, oder genauer gesagt, dass es den venösen Abzugs- kanälen folgt, welche das Blut aus dem gelben Körper abführten. Dies scheint entscheidend für die Beurtheilung des Ursprungs; hier- nach erscheint kaum anders denkbar, als dass das Pigment aus Blutfarbstoff stammt, welcher aus dem in den Venenräumen stag- nirenden Blut in die Umgebung transsudirt ist und sich in den an- gränzenden Gewebszellen angesammelt hat. Was das Schicksal der früheren Pigment führenden Paren- chymzellen betrifft, so ist es nicht leicht, dasselbe völlig zu verfol- gen. Ein Theil von ihnen wird wohl schon frühzeitig zur Gefäss- bildung, imsbesondere zur Bildung der arteriellen Muskulatur mit hereingezogen, die übrigen kommen bei stagnirendem Blutumlauf in den Fall sich einzuschränken, müssen ihren Stoffüberfluss abgeben (der zum Theil zur Bildung von Intercellularsubstanz verwendet wird), und so schrumpfen sie zu jenen unschembaren Gebilden ein, die wir in späteren Stadien im Gewebe finden. Ist die obige Schilderung der Bedingungen des Rückbildungs- vorganges in ihren Hauptzügen richtig, so ist auch leicht einzusehen, warum das Corpus luteum zur Zeit der Gravidität, die neben dem Uterus auch dem Ovarium noch mächtige Blutmengen zukommen lässt, eine so ganz andere ist, als in jenen Perioden, da die ovariale Congestion völlig herabgesezt ist. Ueberblicken wir nochmals den ganzen Vorgang der Ovarial- Entwickelung, so sehen wir, dass von Anfang an zwei differente An- lagen gegeben sind, von denen die eine aus dem Hornblatt stam- mende zum Follikelinhalt, die andere, vom mittleren Keimblatt ge- liefert, zum Stroma und seinen Produkten wird. Zwischen der Ent- 196 Wilh. His, wickelung beider Anlagen besteht von Anbeginn eine Art von Wett- streit. Während die Zellenmasse, welcher der Follikelinhalt später- hin sein Dasein verdankt, an der Peripherie immer fortwuchert und an Umfang zunimmt, rückt unaufhaltsam von Innen her das Stroma vor, sondert die äussere Zellenmasse in längliche, Anfangs noeh zu- sammenhängende Colonnen, diese dann wiederum, von Innen nach Aussen fortschreitend in kleinere Segmente, die primordialen Follikel. Beim Menschen hat, den vorhandenen Beobachtungen zufolge, zur Zeit der Geburt der Prozess der Follikelsonderung sein Ende er- reicht; es tritt für die äusserste Lage des Drüsenparenchyms ein mehr stationärer Zustand ein, allein auch dieser scheint, soweit aus der bisherigen Erfahrung an erwachsenen Thieren ersichtlich ist, später wiederum durch neue Produktionsvorgänge periodisch unter- brochen werden zu können. Während nun schon früh im Bereich der äusseren Zellenanlagen ein Gegensatz von Ei- und von Epithelialzellen sich geltend macht, so tritt nun etwas minder scharf auch in der inneren Anlage ein Gegensatz auf, zwischen solchen Gewebsbestand- theilen, welche blass bleiben und nur mässig sich entwickeln und solchen, welche üppig auswachsen, Massen von Fett und anderen Ma- terien in sich aufspeichernd. Jene Zellen werden zur Bildung der Gefässe und ihrer Wandung (zu der, wie wir gesehen baben, im weiteren Sinn das ganze derbe Stroma zu rechnen ist) verwendet, Diese ordnen sich bald in bestimmterer Weise um die Follikel her- um und werden zum Parenchym der inneren Follikelhaut. Wie das Stroma überhaupt aus der Tiefe gegen die Oberfläche hin wächst, so rücken auch die Gefässe von da zur Peripherie vor, und sowie sie die innersten Follikelreihen erreicht haben, so erhalten diese einen mächtigen Entwickelungsvorsprung über die Gebilde äusserer Schich- ten. Eigenthümlich und keineswegs auf einfachem Weg zu erklären, bleibt die Wechselbeziehung, in der die Produkte. beider Anlagen zu einander stehen. Jene reichen üppigen Zellenmassen, welche spä- ter zur Follikelhaut werden, treten schon mit den äussersten Capil- laren in der Rinde auf, allein sie erstrecken sich nicht weiter ein- wärts als die Follikel, trotzdem dass es zu ihrer Ernährung im in- nern Drüsenkern an Blutreichthum nicht fehlen kann. Mit dem Wachsthum des Eies und der Granulosa nimmt für jeden Follikel auch ihre Menge zu. Den Höhepunkt ihrer Entwickelung erreichen allerdings diese Bildungen in den Perioden unmittelbar nach dem Platzen des Follikels, allein dies ist nur ein Uebergang, bald schrum- Beobachtungen über den Bau des Säugethier-Eierstockes. 197 pfen auch sie zusammen und derbes gleichförmiges Stroma tritt an die Stelle des vor Kurzem so lebensvollen Gewebes. Es ist, wie man sieht, eine Art Kampf um’s Dasein, der von Anfang an zwischen innerer und äusserer Drüsenanlage sich fortspinnt, ein Kampf, in welchem schliesslich die innere Anlage den bleibenden Sieg davon trägt. Allein die so hartnäckig verdrängten Follikelge- bilde üben offenbar auch einen fortwährenden Reiz auf die Entwicke- lung des Stroma und seine Gebilde aus, denn mit dem erlangten Sieg schrumpft die siegende (Gewebsmasse selbst zusammen und Gefässe, welche noch vor Kurzem eine mächtige Rolle gespielt hat- ten, obliteriren ganz oder werden zu unbedeutenden Kanälen. Ueber die Rückbildung ungeplatzter Follikel. Wiederholt ist in neuerer Zeit darauf aufmerksam gemacht worden, dass auch für solche Follikel die Rückbildung eintreten kann, welche entweder ihre Entwickelung gar nicht vollendet haben, oder welche nach nahezu vollendeter Entwickelung nicht zum Platzen gelangt sind. So führt Pflüger') verschiedene Beobachtungen an, welche eine fettige Entartung und Auflösung jugendlicher Follikel bei der Katze schon wenig Monate nach der Geburt wahrscheinlich machen; andererseits hat Henle?) faltige Körper im Innern der Ovarien menschlicher Neugeborenen beschrieben, welche er für colla- birte Follikel hält. Ueber die Erfahrungen beider Beobachter habe ich insofern kein Urtheil, als mir ähnliche Objecte, wie die von ihnen beschriebenen, noch nicht begegnet sind, dagegen habe auch ich einige Bilder erhalten, aus welchen ich die Ueberzeugung schöpfte, dass die Follikel ohne vorheriges Platzen rückbildbar sind. 1) An den gut injieirten Ovarien einer Frau, welche in Folge einer anderweitigen Erkrankung vor der Zeit geboren hatte und 2 Tage nach der Geburt gestorben war, fand ich in grösseren etwa 1 Cm. mes- senden Follikeln die Innenwand gebildet durch eine gefässlose, eigen- thümlich gelbliche und von viel schwarzem Pigment durchsetzte Schicht ®). Kleinere Follikel derselben Ovarien zeigten von dieser 1) Pflüger ]l. ce. p. 76. 2) Henle, Handbuch der Anatomie II. p. 488. 3) Auch Huschke I. c. p. 466 giebt an, in einzelnen Fällen eine mit schwarzem Pigment versehene Lage an der Innenseite der Follikel gesehen zu haben. 198 Wilh. His, Schicht Nichts, sondern waren mit einer anscheinend völlig nerma- len Interna versehen. Die genauere Verfolgung der Schicht zeigte nun, dass sie. ‘wie dies auch ihrer Lagerung entsprach, nichts An- deres war als die veränderte innere Follikelhaut. ‘An verschiedenen Stellen sah :man permeable Gefässstämmchen ein Stück. weit in die- selbe eindringen, um dann mit einem Mal zu enden und in einen firösen Strang sich fortzusetzen. Das Pigment, in Kleinen Zellen eingeschlossen, folgte nachweisbar ähnlichen verzweigten und unter einander bogenförmig zusammenhängenden Strängen, ‘den Resten obliterirter Blutgefässe. Im Uebrigen hatte das Gewebe eine ziem- lich homogene Beschaffenheit gewonnen und war in demselben ausser einer feinen radiären Streifung nicht viel wahrzunehmen. Ueber die Eier und über die Granulosa der fraglichen Follikel kann ich Nichts aussagen, indem mir das Präparat nicht frisch genug zuging. Es erhellt aus dieser Beobachtung soviel, dass in Folge irgend einer Veranlassung die Cirkulation in der inneren Follikelhant sistirt wor- den ist, wonach die Gefässe obliterirten, der austretende Blutfarb- stoff zu Pigment wurde und an die Stelle des weichen gefässreichen Gewebes eine völlig gefässlose derbe fibröse Masse trat. Dass unter diesen Verhältnissen das Ei noch in gehöriger Weise sich ernährt habe, ist zum Mindesten sehr unwahrscheinlich. 2) Etwas andere Beobachtungen hatte ich mehrfach Gelegenheit am Kuh-Eierstock zu machen. Hier nämlich fand ich Zeichen der Eintartung an Follikeln von 4H—24mm. Länge auf 1 mm. Breite. Ein Theil dieser Follikel besass zwar eine Interna, deren äusserer Theil mit schlingenförmig umbiegenden injieirten Capillaren versehen war, allein nach Innen von dieser lag eine völlig gefässlosse Schicht einer blassen, concentrisch streifigen Bindesubstanz ; die Zellen der Granu- losa waren nur noch in vereinzelten Exemplaren vorhanden als kör- nige Zellen von 2553“ Durchmesser und, soweit ich erkennen konnte, unmittelbar von der Bindesubstanz umwachsen ; an der Spitze der Follikelhöhle fand sich eine grössere unregelmässige Anhäufung kör- niger Substanz (der Rest des Diseus mit dem Ei?). Bei andern Follikeln war die Metamorphose der inneren Membran noch weiter fortgeschritten, insofern als dieselbe völlig gefässlos war und nur aus einer blassen Bindesubstanz bestand, in welcher die Reste früherer Gefässe als feine bogenförmig sich verbindende Stränge erkennbar waren; auch hier waren die Zellen der Granulosa ganz. vereinzelt, und an der Stelle des Eies fand sich eme unregelmässige Anhäufung Beobachtungen über den Bau des Säugethier-Eierstockes. 199 von Fettmassen. Ein Theil der so veränderten Follikel lag in der Nähe eines frischen gelben Körpers und es legt dies die Vermuthung nahe, dass unter Umständen der wachsende gelbe Körper einen Theil der in seiner Nachbarschaft liegenden jüngeren Follikel durch Compression zur Atorphie bringen könne; dass dies indess nicht für alle über den gelben Körpern befindlichen Follikel eintreffe, wurde oben gezeigt. Störungen in der Cirkulation werden wohl in den meisten Fällen der Follikelentartung vorausgehen, indess sind natür- lich auch noch andere Wege (denkbar, wie diese eingeleitet werden kann. Ueber die Lymphgefässe des Eierstockes. Wiederholt wurde in der bisherigen Arbeit der Lymphgefässe des Eierstocks gedacht; es sind dieselben von früheren Forschern verschiedentlich vom Hilus abgehend gesehen worden, ihr Verhalten im Innern des Organes ist indess meines Wissens bis dahin nicht untersucht worden, und so ist es wohl gerechtfertigt, wenn ich noch einmal im Zusammenhang auf dieselben zurückkomme. Wie in anderen Organen, so ist auch im Eierstock das Auf- treten der Lymphgefässe an das Vorhandensein der Blutgefässe ge- knüpft, und mit der relativen Menge der letzteren nimmt auch ihre Entwickelung zu. Halten wir uns zunächst an die Ober- fläche des Ovarium, so gelingt es hier niemals, an deren blutgefäss- losen Strecken Lymphräume durch Einstich zu füllen, dagegen ge- schieht die Injection mit grosser Leichtigkeit an allen jenen Stellen, die wir früher schon ihres reicheren Gefässgehalts halber namhaft gemacht haben, nämlich an der Oberfläche vorspringender grösserer Follikel, an der Oberfläche gelber Körper in verschiedenen Stadien ihrer Entwickelung und an dem, neben dem Hilus befindlichen, vom drüsigen Parenchym unbekleideten Stromasaum (vergl. oben p. 169). Eine Einspritzung durch einen sehr oberflächlichen flachen Ein- stich füllt an letzterer Stelle ein reiches Netzwerk von Röhren, welche, vom Eierstock abgehend allmählig weiter werden, und schliess- lich in klappenhaltige dem zuführenden Gefässstrang sich beimen- gende Stämmchen einmünden (vergl. Taf. VII. u. Fig. 12). Dasselbe Netzwerk geht an der, dem Eierstocke selbst zugekehrten Seite in immer enger werdende Röhren über und endet an der Stelle, wo die Parenchymüberlagerung beginnt (an welcher Stelle auch die ober- flächlichen Blutgefässe sich verlieren) mit flachen Maschen, von M. Schultze, Archiv f. mikrosk. Anatomie. I, Bd. 14 200 Wilh. His, welchen nur hie und da ein kurzer blinder Ausläufer eine kleine Strecke weit abgeht. Die Lymphkanäle verschlingen sich an der fraglichen Stelle auf das vielfältigste mit den weit engeren Blut- Capillaren, indess treten hier wie anderwärts die letzteren näher zur Oberfläche heran, als jene. In ähnlicher Weise, wie der oberflächlich zu Tage tretende Theil des Hilusstroma ist auch sein tiefer liegender Abschnitt von Lymphnetzen reichlich durchzogen. Nicht selten gelingt es, die- selben geradezu durch Einstich zu injieiren, obwohl, wie schon oben gezeigt wurde, die Masse auf dem Einstichsweg auch in die Venen gelangen kann. Das Kriterium wird neben dem Typus der Ver- zweigung vor Allem im Charakter der ausführenden Stämme liegen. Das Verhalten der Lymphnetze zu dem umgebenden (rewebe ist hier dasselbe, wie in andern Organen: dieselben sind überall von einem durch Silberinjeetion nachweisbaren Epithel bekleidet, entbehren aber sonst einer selbstständigen Wandung. Ein besonderes Interesse bietet das Verhalten der Lymphgefässe zu den Follikeln. An grossen, gegen die Oberfläche andrängenden Follikeln gelingt es leicht, ein Netz zu injieiren, das von der Basis des Hügels ausgehend, gegen dessen Kuppe hin sich erstreckt. Das Centrum der letzteren pflegt, soweit meine Erfahrungen reichen- keine Lymphgefässe mehr zu enthalten, indem diese früher umbie- gen. Dieser vorspringendste Theil des Follikels ist auch blutgefäss, ärmer als der Rest, wie schon frühere Beobachter hervorgehoben haben und man kann ihn daher allerdings dem Stigma des Vogel- follikels vergleichen. Auch kleinere Follikel, sobald sie ihre Interna angelegt haben, sind bereits von einem Lymphnetz umsponnen, noch lange bevor- sie die Oberfläche erreicht haben. Der Hauptsitz des follikulären Lymphapparates ist die tunica externa, besonders deren innere Lage. Dass auch in der Interna selbst Lymphkanäle vor- kommen, ist mir zwar sehr wahrscheinlich geworden, ich vermochte indess nicht den sichern Injectionsnachweis zu führen. Die Corpora lutea sind, wie bereits gezeigt wurde, gleichfalls sehr reich an Lymph- gefässen. Die Hauptkanäle folgen der Hülle und dem Balkenwerk des fibrösen Kernes, von da erstreckt sich ein reiches Röhrennetz in die Substanz des gelben Parenchyms, das schon am nicht injieir- ten Präparate an feinen Schnitten leicht erkannt wird (vergl. Fig. 9). Sehr leicht gelingt es, das Netz an der Aussenfläche vorspringender gelber Körper zu injieiren und auch hier muss zuweilen die Be- Beobachtungen über den Bau des Säugethier-Eierstockes. 201 schaffenheit der abezehenden Stämme die Garantie für die Lymph- diagnose liefern. Bei der Rückbildung der gelben Körper bleibt neben den stärkeren Gefässen auch das Lymphnetz bestehen, zwar scheinen auch seine Kanäle sich gegen früher zu verengern, immer- hin sind sie auch in späteren Stadien noch ohne Schwierigkeit nach- zuweisen. Basel, den 8. April 1865. Erklärung der Abbildungen. Ta NETT Injieirter Eierstock einer jungen Kuh (Vergr. 14). Lymphgefässe gelb. 61. Entwickeltes Corpus luteum. F. Follikel. Fs. Gefässfranse über einem alten Corpus luteum (das Weitere ist im Text nachzusehen). Taf. IX: und X. Fig. 1. Ovarien eines 6monatlichen menschlichen Fötus, senkrecht durch- schnitten, Pinselpräparat (Vergr.25) H. Str. Hılusstroma mit seinen Gefässen. P. Parenchym mit den bereits geschiedenen Follikeln R. Aeusserste Rinde des Parenchyms, aus welcher durch Pinseln die zusammenhängenden Haufen von Eizellen entfernt sind, so dass blos das Stromagerüst übrig geblieben ist. Fig. 2. Schnitt aus der äussersten Rinde des vorigen Objectes (Vergr. 500) St. Das durch Pinseln frei gemachte. aus Spindelzellen bestehende Stroma, Z einzelne Zellen aus dem Inhalt der Fächer. Fig. 3. Aus demselben Präparat, Ueberganesbild, die Primordialfollikel PF sind schon von einander durch gefässführende Stromabrücken St ge- trennt, durch Pinseln sind auch einzelne Fächer F von ihrem Inhalt befreit. Fig. 4. ÖOvarium der Katze. Rinde senkrecht durchschnitten (Vergr. 50) der Follikelinhalt ist nicht gezeichnet. CZ Cortikalzone, ScZ Sub- cortikalzone. FZ Follikelzone. Die Gefässe dringen bis in die in- nersten Schichten der Cortikalzone ein, bis eben dahin dringen auch die Stränge von Kornzellen KZ vor, welche in der Subcortikal- zone mächtiger sich entwickeln, um endlich in der imnerste Zone zu der Follikelmembran FR sich zu gestalten. Fig. 5. Cortikalzone desselben Präparates bei stärkerer (500) Vergrös- serung. H Hülle. PF Primordialfollikel, die schon in den äussersten Schichten ibr Epithel besitzen. KZ Kornzellen in Begleitung von Capillaren in die äussersten Schichten der Cortikalzone vordringend. 202 Fig. 7. Fig. 8. Fig. 9. Eiez10. Tag 1. Fig. Fig.) 2. kier 3. Fig. 4. Wilh. His, Eierstock der Kuh (11 m. Vergr.) senkrecht durchschnitten, nach Injeetionspräparaten gezeichnet, rechts auch die Lymphgefässe Lg dargestellt. P. Dünne Parenchymrinde mit den in dieselbe eindringen- den Gefässbüschelehen und mit einigen grösseren Follikeln. HSt. Hilusstroma mit seinen reichen Gefässlücken. Cl. Corpus luteum mit dem fibrösen Kern K. und den am Rande gefüllten Lymph- oefässen. a. Cl. alter gelber Körper mit der strahligen Pigment- zeichnung und mit kleinen Arteriendurchschnitten. Membrana folliculi interna eines grossen Follikels der Kuh (Vergr. 500.) Das Capillarnetz ist injieirt, dazwischen liegen die reichlichen körnerhaltigen Zellen, die die Hauptmasse des Gewebes bilden. Querschnitt eines entwickelten und injicirten gelben Körpers der Kuh (Vergr. 6). H. Hülle, K. fibröser Kern, P. Parenchymsectoren. Die arteriellen Gefässverzweigungen sind durch die dunklen Linien angegeben. Die vielen in Hülle und Kern befindlichen Lücken sind theils venöse, theils Iymphatische Räume. Die Lücken im gel- ben Parenchym L gehören sämmtlich zu den Lymphwegen. Elemente eines entwickelten gelben Körpers der Kuh durch Zer- zupfen nach Jodserumbehandlung erhalten, a isolirtes aus Spindel- zellen bestehendes Gefäss, b isolirte Spindelzellen, ce grössere Zellfor- men mit pigmentirtem Fett. Lymphgefässe von der Oberfläche des Eierstocks neben dem Hilus von dem frei vortretenden Theil des Hilusstroma. St. Ausführende Stämmehen. PS. Dem Parenchym zugekehrter Saum des Lymph- netzes, an welchem die Gefässe enger werden und flache End- maschen bilden. art. IIRT. Querschnitt eines Schweinsembryo von 10 mm. Länge. A. Aorta, W. Wolff’scher Körper, M. Malpıighi’sche Knäuel von der Aorta aus an die Innenseite des Wolff’schen Körpers tretend, D. Darm. Querschnitt durch ein bebrütetes Hühnchen von etwa 8 Tagen. A. Aorta mit den abgehenden Arteriae-intervertebrales, W. Wolft- scher Körper, M. Malpighi’sche Knäueil. S. Sexualgang, 0. Ovarium, im Innern einen grossen Gefässknäuel enthaltend, an der Rinde von einer doppelten Lage dunkler körniger Zellen (einem modifi- eirten Wolff’schen Kanal) umgeben. Senkrechte Durchschnitte von Hühnerembryonen, vom ?2ten Tage der Bebrütung, sämmtlich vor Schluss des Medullarrohres, A vom hin- teren, B—-D vom mittleren Leibesabschnitt. Mp. Medullarplatte, Hb. Hornblatt, Unf. Urnierenfalte, Sf. Falte zur Bildung des Sexual- ganges (?), Ch. Chorda dorsalis, Sp. Seitenplatten, Ur. Urwirbel, Pdrb. Darmdrüsenblatt. Capillaren aus dem lig. suspensorium hepatis des Meerschweinchen, mit Silberbehandlung (vergl. p. 188). Beiträge zur Kenntniss der Monaden. Von L. Cienkowski. Hierzu Taf. XI—XIV. Die Entdeckung der Zoosporen hatte einen grossen Einfluss auf die Erkenntniss einfachster Lebensformen ausgeübt. Die Bewimpe- rung, die freie Bewegung, die pulsirenden Räume, die Contrac- tilität des Körpers, die man als ausschliessliche Eigenschaften des einfachsten Thieres hinstellte, wurden nach und nach bei den Zoo- sporen unzweifelhafter Pflanzen gefunden.. In Folge dieser Resultate hat sich die Vermuthung, die Monaden wären nur bewegliche Keime verschiedener Algen und Pilze als die wahrscheinlichste von selbst aufgedrängt. In einigen Fällen gelang es denn auch in das Thierreich verirrte Zoosporen, die als selbstständige Monaden be- schrieben waren, den rechtmässigen Pflanzenältern abzuliefern. Dass diese Beispiele bei ferneren Forschungen sich mehren werden, ist nicht zu bezweifeln; dessenungeachtet erweist die Erfahrung, dass eine ganze Reihe der Monaden einen eigenthümlichen Entwickelungs- gang durchmacht und den Anspruch auf Selbstständigkeit bewahrt. Auf die Untersuchungen zweier monadenartiger Körper mich stützend 1) suchte ich dem confusen Begriff Monas eine beson- dere Entwickelungsnorm einfacher Organismen zu substituiren. Als Monaden bezeichnete ich solche einzellige Wesen, deren Schwärm- sporen in Amoeben-Zustand übergehen, und nach der Art der Amoe- ben fremde Körper als Nahrungsstoffe in sich aufnehmen. Fer- 1) Bull. phys. mat. Acad. St. Petersb. T. XIV. XVII, Pringsheim Jahrbücher I, 371. 204 L. Cienkowski, nere Kennzeichen wurden entlehnt von der Art, wie der Zellinhalt bei der Schwärmsporenbildung und bei dem Uebergange in den ru- henden Zustand sich betheiligt. Nachdem nämlich die Zoospore oder die von ihr stammende Amoebe die Nahrung in sich aufgenom- men hat, erhärtet sie an der Oberfläche zu einer continuirlichen Mem- bran und bildet eine Blase oder Zelle. In der letzten, gewöhnlich noch vor der Auflösung der verschluckten Nahrung, zerfällt der Inhalt in Schwärmsporen, oder, in den ruhenden Zustand übergehend, zieht er sich von dem fremden Körper zurück und wird in eine derbe Mem- bran eingehüllt (Fig. 1—11). Welche von den bekannten Monaden diese Entwickelungsart aufweisen, blieb durch fernere Untersuchung zu ermitteln. Ein neues Interesse gewann das Studium der Monaden durch die wichtigen Entdeckungen, die de Bary bei den Myxomyceten machte. Schon das Aussehen der Schwärmer der Schleimpilze, ihr Bau, ihre Fähigkeit in amoebenartige Zustände überzugehen, gaben hinläng- liche Gründe, um eine nahe Verwandtschaft zwischen beiden Organis- mengruppen zu vermuthen und zu neuen Forschungen anzuregen. Die seltsame Entwickelungsgeschichte der Myxomyceten gab neue leitende Gesichtspunkte für den Gang weiterer Untersuchungen. In dieser Richtung von mir vorgenommene parallel mit den Myxomyceten geführte Beobachtungen!) ergaben auch wirklich, dass die Monaden mit den Schleimpilzen bis zu einem gewissen Grade gleichwerthige Entwickelungsreihen durchmachen. Die merkwürdige Plasmodienbildung und ihre Entstehung aus zusammenfliessenden Schwärmern hat sich auch bei Monaden, wenigstens bei M. amyli un- zweifelhaft herausgestellt. Ausserdem ergab sich die Thatsache, dass die Monadenzelle nicht immer aus einem Schwärmer, sondern auch aus dem Zusammenschmelzen mehrerer entstehen kann. Dagegen war die Bemühung, die charakteristische Fruchtbildung der Myxo- myceten bei dem Monaden aufzufinden, stets erfolglos geblieben. In Betreff der Encystirung, in welche die Myxomycetenplasmodien auf allen Altersstufen einzugehen vermögen, fiel bei den Monaden das Resultat der Untersuchung nicht ganz befriedigend aus, indem sie nur Bildungen aufzuweisen hatten, die ich mit den derbwandigen Myxomycetencysten in Parallele stellte, die zwei anderen Cystenarten der Schleimpilze blieben bei den Monaden unbekannt. In vorliegen- der Arbeit suchte ich eine grössere Zahl der Monaden auf Ent- 1) Pringsheim’s Jahrbücher, Band IH, Heft II. Beiträge zur Kenntniss der Monaden. 205 wickelungsgeschichte zu untersuchen. Um die Resultate durch zahl- reiches Detail nicht zu verdunkeln, will ich sie dem speziellen Ab- schnitte dieses Aufsatzes voranschicken und an diese Uebersicht die Frage von der Stellung der Monaden im Systeme anknüpfen. Die Zahl der Wesen, bei welchen ich die für Monaden charak- teristische Entwickelung fand, beläuft sich auf 9. Es sind theils neue, auf bekannte Formen nicht zurückführbare, theils unter der chaotischen Gattung Amoeba zusammengeworfene Gebilde. Die oben aufgestellte Entwickelungsnorm hat sich in allgemeinen Zügen als richtig bewährt, wenn auch die sie zusammensetzenden Glieder einigen Schwankungen unterworfen sind, selbst auch gänzlich verschwinden oder durch andere hinzutretende ersetzt werden. So fehlen bei eini- gen die Amoebenzustände, anderen entbehren der Zoosporenbildung. Auf einen dieser Unterschiede gegründet liessen sich die Monaden in zwei Gruppen zerlegen, m die Zoosporeae und die Tetraplastae. Die erste begreift Monaden, die nach der oben gegebenen Norm sich entwickeln. Das charakteristische Merkmal der zweiten besteht darin, dass der Inhalt der Zelle in 2—4 Theile zerfällt, und statt Schwärmsporen zu erzeugen in der Form Actino- phrysartiger Amoeben die Zelle verlässt (Fig. 48, 49). Hierher gehören unter anderen die bis jetzt nur fragmentarisch untersuchten rothen Amoeben, die im Zellenzustande die bekannten rothen an Al- sen haftenden Cysten bilden, ferner die Bacillarien einschliessenden Blasen, dann noch die gleichgefärbten gestielten Zellen, welche man in birnförmigen Hüllen an Oedogonien findet. Obwohl diese Amoeben einander‘ täuschend ähnlich sind, so lassen sie sich doch, wenn man ihre Entwickelungsglieder und Nahrungsaufnahme berücksichtigt, als 3 verschiedene Arten scharf unterscheiden; ich habe sie in eine Gattung Vampyrella zusammengefasst. An den Schwärmern der ersten Gruppe, wo ihre geringe Grösse die Beobachtung nicht verhindert, sind meistens 1—2 Wimpern, 1—3 contractile Vacuolen und ein Cytoblast sichtbar (Fig. 7). Ausser der Monas amyli ist mir bei keiner anderen Monade das Zusammenfliessen der Schwärmer zur Ansicht gekommen. Beizwei Formen, von denen ich nur schwärmende Zustände kenne, folglich nicht mit Bestimmt- heit behaupten darf, dass sie zu den Monaden gehören, habe ich Microcysten von ähnlicher Beschaffenheit wie die der Schleimpilze gefunden (Fig. 32—41). Die in den Entwickelungskreis der Monaden gehörenden Amoe- 206 L. Cienkowski, ben haben ohne Ausnahme spitze Pseudopodien, so dass sie eigent- lich mehr mit den Actinophryen als mit Amoeben zu vergleichen sind (Fig. 54, 64, 80). Die meisten unter ihnen besitzen einen Cyto- blast und einige contractile Vacuolen, nur die Vampyrellen entbehren beider. Die letzten erreichen oft eine bedeutende Grösse. Sie be- sitzen neben gleitenden Bewegungen die Fähigkeit, sich in lange Stränge und Fäden auszuziehen, Zweige und fächerartige Ausbrei- tungen zu bilden. Diese vielfach verzweigte, kriechende Protoplas- mamasse kann sich wieder in eine Kugel zusammenballen; über- haupt treten hier dieselben Erschemungen auf, die man an Plasmodien kennt, nur fehlt bei den Amoebenzuständen der Monaden das Flies- sen und die netzartige Verbindung der Zweige. Berücksichtigen wir diese Bewegungen und die sie begleiten- den Formänderung nebst der Aufnahme der Nahrung durch Um- hüllung und Zusammenfliessen der den fremden Körper umschlies- senden Wülste, zuletzt das Verschmelzen mehrer Schwärmer in eine Amoebe (M. amyli), so werden wir die beweglichen Zustände der Monaden ebenfalls für nackte Protoplasma-Körper erklären müssen. Ausser den gleitenden Bewegungen der ganzen Körpermasse habe ich bei Vampyrella Spirogyrae ÜOnk. eine Körnchen- Bewegung in den Pseudopodien, ähnlich der schon früher bei Actino- phrys bekannten wahrgenommen (Fig. 50). Nach der erfolgten Nahrungsaufnahme entsteht der Zellzustand. Hier kommen. zwei Modifikationen vor: entweder erhärtet die Ober- fläche der Amoebe zu einer Hülle (Schleier, Velum), unter welcher sich erst eine zweite, derbe Membran, die bei einigen aus Zellstoff besteht, ausscheidet (Fig. 46, 5), oder die Bildung der ersten fällt ganz weg. Nur bei M. amyli verdankt die Zelle ihren Ursprng einem oder mehreren Schwärmern, in anderen Fällen, so weit die Beobach- tung reicht, stammt sie nur von einer Zoospore oder Amoebe ab. Ganz besonders scheint die Grösse der Monadenzelle von dem Umfange der verschluckten Nahrung abzuhängen. So besitzt die Vampyrella vorax, wenn sie von kleinen Diatomaceen lebt, Zellen von geringem Umfang, wogegen die um lange Synedren gebildeten colossale Dimensionen er- reichen. Was zuletzt den Ruhezustand betrifft, so habe ich zu dem schon bekannten nur weniges hinzuzufügen. Die Monadenamoebe, die im Begriff ist, in den ruhenden Zustand überzugehen, bildet zuvor eine Zelle, in welcher sie erst den fremden Körper ausstösst und sich Beiträge zur Kenntniss der Monaden. 207 dann eneystirt (Fig. 5—-11). Seltner geschieht dieses noch imner- halb der Schwärmsporen oder Amoeben erzeugenden Zelle. In letz- tem Falle baut die Amoebe für sich eine neue Blase; oft ist die Verdauung so vorgeschritten, dass beim Uebergange in den Ruhe- zustand von der encystirten Amoebe gar nichts ausgestossen wird; dieses Verhältniss scheint bei einigen Monaden normal vorzukom- men (Colpodella pugnax Fig. 31). Nur bei einer Art, der Nuclearia simplex COnk., die zu den Tetraplasten gehört, gelang es mir, aus der Cyste wieder die Amoebe heraustreten zu sehen. Schon diese allgemeinen Züge der Monadenentwickelung lassen in ihnen Wesen erkennen, wo animalische Merkmale mit pflanzlichen Zuständen gepaart erscheinen. Es frägt sich von selbst, welche Stel- lung im Systeme solchen Organismen zukommt. Es wird vielleicht am zweckmässigsten sein, wenn wir diese Erörterung mit dem Versuche beginnen, die morphologische Bedeutung der Monadenblase zu ermit- teln. Wenden wir uns zuförderst zu ähnlichen Entwickelungsstadien bei den benachbarten einfachen Algen. Der Zustand einer ruhend vege- tirenden Zelle tritt uns hier als der am längsten dauernde Abschnitt des Algenlebens entgegen. Selbst bei der allereinfachsten (Chlamydo- coceus pluvialis A. Braun) fand ich, dass die Microgonidien in lang- sam vegetirende Zellen sich verwandeln. Die Schwärmerbildung nimmt bei den meisten eme kurze Zeit in Anspruch, jedoch kommt schon in den untersten Algenfamilien ein neues Moment hinzu, welches die Schwärmerperiode beträchtlich ausdehnt. Bei den Palmellaceen z. B. und wie ich unlängst fand bei Chlamydomonas t) hat der Schwärmer die Eigenschaft, indem er die Cilien verliert, unter steter Hüllen- ausscheidung sich fortwährend zu theilen und dadurch Bildungen, die unter dem Namen Gloeocystis bekannt waren, hervorzubringen. Auf diese Weise gleicht sich schon in den untersten Algenfamilien die Zeitdauer der Hauptabschnitte des Algenlebens oder fällt sogar zu Gunsten des Schwärmers aus. Wir ersehen daher, dass bei zweifel- haften Organismen auf die relative Dauer der vegetativen im Ver- gleich mit beweglichen Zuständen kein Gewicht zu legen ist. Treten wir jetzt, diese Verhältnisse nicht ausser Acht lassend, in die in anderer Richtung nächst verwandte Region der Infusorien, so scheint auf den ersten Blick das Analogon des vegetirenden Zellen- zustandes ganz zu fehlen. Denn es ist klar, dass man die Infusorien- 1) Bot Zeit. 1865, No. 3. 208 L. Cienkowski, eysten mit ruhenden Sporen der Algen zu vergleichen hat. Allein unter dem Namen Cyste hat man zwei verschiedene Bildungen ver- wechselt. Erstens einen Ruhezustand, in welchen eingehend, das Infusorium sich erst in eine nackte Zelle verwandelt und dann eine derbe Hülle ausscheidet. Zweitens wurden Blasen, in welchen die Infusorien ihre Theilung vollziehen, ebenfalls Cysten benannt. Diese letzten Bildungen sind, glaube ich, als Zellenzustände, die der Monadenblase entsprechen, zu deuten. Neben diesen kommen bei denselben Infusorien andere ruhende Cysten vor (z. B. Kolpoda). Aus vielen Beispielen will ich nur einen, der am meisten mit der Monadenblase übereinstimmt, hervorheben. Es ist bekannt, dass ein Amphileptus die Epistyliscolonien über- fällt, die Individuen verschluckt und ohne die Stiele zu verlassen, sich einkugelt und daselbst endständige Blasen bildet. Sogleich nach der Bildung der letzten wird die verschluckte Epistylis allmählig aufge- löst, worauf der Blaseninhalt m 2—4 Theile zerfällt, die n Form vom Amphileptus ihre Bildungsstätte verlassen. Wir haben also ein bewimpertes Infusorium kennen gelernt, welches nach erfolgter Nah- rungsaufnahme sich in eine langsam verdauende Blase verwandelt. Vergleichen wir nun diesen Vorgang mit dem bei den Monaden, so erhellt die Analogie von selbst. Der Schwärmer oder die Amoebe nimmt feste Nahrung auf und erhärtet an der Oberfläche zu einer starren Membran ; in dieser, wie beim Amphileptus entstandenen Blase geht langsam die Auflösung der Nahrung von Statten, worauf die Verwerthung des assimilirten Inhalts zur Erzeugung der Schwärmer oder Amoeben erfolgt. Dass dabei die Nahrung bei den Monaden meist nicht ganz aufgelöst wird, ist zwar für diese Organismen be- zeichnend, allein bei der Beurtheilung der morphologischen Bedeu- tung dieses Blasenstadiums von keinem Belang. Vergleichen wir anderseits die bekannten Entwickelungsglieder der Algen mit der Monadenblase, so ist die Uebereinstimmung der- selben mit dem ruhend-vegetirenden Zustande kaum zu leugnen, und bedarf nicht erst der hinzukommenden Stütze, dass bei Monas amyli die Blase wirklich wächst, ihr Volum vergrössert, und dass ihre Membran bei den Vampyrellen aus Zellulose besteht. Dass die Monadenblase wie die Algenzelle Schwärmer erzeugt, ist schon frü- her erwähnt worden. Auf diese Weise kann man den vegetativen Zellzustand von den Algen durch die Monaden bis in die Infusorien hinauf verfolgen. Beiträge zur Kenntniss der Monaden. 209 Nachdem dieser Mittelpunkt für diese drei Organismengruppen gewonnen wurde, lassen sich viel leichter die anderen Entwickelungs- glieder mit verwandten Bildungen in Beziehung bringen. Was zuerst den Schwärmer anbelangt, so handelt es sich vor allem darum, ungeachtet seiner Amoebenzustände und langen Schwär- merdauer seine morphologische Identität mit den Algenzoosporen fest- zuhalten. Wir haben schon angeführt, dass die Palmellaceen eine längere Schwärmperiode besitzen, und was die Amoebenzustände be- trifft, so zeigen Chytridienzoosporen schon eine merkliche Gontrac- tilität. Selbst die Nahrungsaufnahme, auf die ich unten näher ein- gehe, wenn sie auch auf feinere, von den beweglichen Keimen der Algen differente Structur hindeutet, kann auf die morphologische Gleichwerthigkeit der Monadenschwärmer mit Algenzoosporen keinen entkräftigenden Einfluss ausüben. Endlich was das letzte morpho- logische Glied der Monaden betrifft, die Cyste, so kann kein Zweifel sein, dass sie im Wesentlichen denselben Bildungen bei Infusorien und Algen entspricht; selbstverständlich sind die durch Befruch- tung entstandenen ruhenden Sporen aus der Parallele auszuschliessen. Fassen wir nun das Ergebniss dieser Vergleichung noch einmal zusammen, so ergiebt sich, dass der Schwärmer, der Zellzustand und die Cyste bei den Monaden wie bei den Algen gleichwerthige mor- phologische Glieder repräsentiren und dass bei Intusorien (Ciliaten) nur zwei vollständig übereinstimmende Stadien sich auffinden liessen '). Wollten wir folglich den morphologischen Boden nicht verlassen, so wären wir genöthigt, die Monaden, da. sie mit den Algen mehr gleich- werthige Merkmale besitzen als mit den Infusorien, sie mit den Ersten zu vereinigen. Der einzige Unterschied, auf den wir schliesslich angewiesen sind, ist die für die Pflanze befremdende Art der Nah- rungsaufnahme, die uns bei den Monaden entgegentritt. Es frägt sich zunächst, welche Bedeutung dieses Merkmal bei zweifelhaften Wesen beanspruchen kann. Dieses nöthigt uns die Art der Nahrungs- aufnahme bei nackten Protoplasmazuständen der Organismen, beson- ders bei Monaden, näher ins Auge zu fassen. In dem alleremfachsten Falle werden bei Amoeben die ankle- benden Gegenstände durch Dehnung und Gontraction des Körpers ins Innere eingezogen; die Amoebe verhält sich dabei passiv. Dieser 1) Die Infusorienschwärmsspröslinge habe ich hier nicht in Betracht gezogen, da sie durch verschiedene Beschaffenheit und Entwickelung nur eine entferntere Analogie mit den Monadenzoosporen aufzuweisen scheinen. 2310 L. Cienkowski, Fall kommt, so viel ich weiss, bei den Monaden gar nicht vor. Nebst diesen ist ein ganz gewöhnlicher Vorgang der, dass die Amoebe den fremden Körper von allen Seiten umhüllt und durch das Verschmelzer der sich begegnenden freien Ränder in die Körpersubstanz einschliesst. Hier ist folglich noch der ganze Körper bei der Nahrungsaufnahme betheiligt, ein gutes Beispiel bietet das Myxomycetenplasmodium dar. Einen Schritt weiter beginnt eine Differenzirung, die sich da- durch kund giebt, dass nur ein geringer Theil des Körpers die Nah- rungsaufnahme ausübt. Zu diesem Zwecke hebt sich von dem Proto- plasmakörper eine sehr zarte Ausstülpung, die den fremden Gegen- stand in Form eier Vacuole umhüllt, ab. Die Gegend, wo dieser Vorgang, gleichsam eim Abtliessen einer flüssigeren Substanz erfolgt, ist zunächst an keine bestimmte Stelle gebunden und kann allerwärts an der Oberfläche stattfinden, so z. B. bei Actinophrys Sol.; da- gegen bei einigen Monadenschwärmern finden wir, dass die Umhül- lung an einer bestimmten, meist der Cilie entgegengesetzten Stelle ausgeübt wird (Fig. 42, 43), so z. B. bei Monas irregularis Perty? bei Bodo sp. Und merkwürdiger Weise bezeichnet bei den Algen gerade die Gilie die Gegend, wo bei der Keimung die Wurzel entsprosst! Es hat den Schein, als ob an diesem Minimum der Or- ganisation die ersten Anfänge der thierischen und pflanzlichen Be- ziehungen schon angedeutet werden. Die nächst höhere Stufe sehen wir bei dem Schwärmer der Colpodella ‘pugnax CUnk., der selbst eine scharf umschriebene, in bestimmter Gegend und zwar in der Nähe der contractilen Vacuole gelegene Aufnahmestelle besitzt (Fig. 24, 25). Man kann zwar in diesem Falle noch nicht mit Bestimmtheit behaupten, dass eine prä- existirende Oeffnung, ein Mund vorhanden sei, denn eine Voraus- setzung einer weicheren Beschaffenheit des Schwärmers an besagter Stelle würde genügend den Erscheinungen entsprechen; behält man indessen die so eben vorgeführte, allmählig immer schärfere Abgren- zung der Gegend der Nahrungsaufnahme, so wird die Entfernung, die zu einem förmlichen Infusorien-Munde führt, wohl nicht bedeu- tend ausfallen. Aus dem Gesagten folgt, dass die Anfangs rein passive Auf- nahme fremder Körper stufenweise zu einer activen Nahrungsauf- nahme gesteigert wird. Dazu gesellen sich noch Verhältnisse, die einer näheren Erwähnung verdienen. Obwohl die Zoosporen und Amoeben-Zustände der Monaden Beiträge zur Kenntniss der Monaden. 211 nur nackte Protoplasma-Körper vorstellen, so ist trotzdem ihr Ver- halten bei Aufsuchen und Aufnahme der Nahrung so merkwürdig, dass man Handlungen bewusster Wesen vor sich zu sehen glaubt. So sticht z. B. die Golpodella pugnax die Uhlamydomonas an, saugt das heraustretende Chlorophyll und läuft davon (Fig. 22—25). Einen zweiten seltsamen Fall dieser Art bietet die Vampyrella Spirogyrae. Die zu ihr gehörende Amoebe legt sich nämlich an gesunde Spiro- gyren an, bohrt die Zellwand durch und verschlingt den langsam heraustretenden Primordialschlauch mit dem Chlorophylibande zu- sammen. Und nur an Spirogyren scheint sie den Hunger stillen zu können, andere Algen, Vaucherien, Oedogonien, die ich ihr darbot, wurden nicht angegriffen (Fig. 44). Die zweite Art, die V. pendula, plündert auf ähnliche Weise Bulbocheten und Oedogonien (Fig. 57). Ohne uns hier in das dunkele Gebiet, wo der eigentliche Wille im Thierreiche anfängt und an welches Minimum der Organisation er gebunden ist, vertiefen zu können, müssen wir zugeben, dass auch in dieser Hinsicht von der Pflanze zum 'Thiere eine ununterbrochene Reihe steigender Erscheinungen sich vor dem Beobachter ent- faltet. Von der Chytridiumzoospore, die die Pflanzenzelle durch- sticht, um sich auf Kosten des Inhaltes zu entwickeln, durch die Vermittelung der stechenden Monaden und Vampyrellen werden wir unmerklich in die Region der bewimperten Infusorien geführt, wo die Animalität nicht mehr bezweifelt sein kann. Ob diese Hand- lungen als erste Anfänge einer Willensäusserung anzusehen oder vielmehr in dieselbe Kategorie von lörscheinungen, wie das Ein- dringen der Pollenschläuche, der Samenkörper in das Ei u. dgl. zu bringen sind, muss ich dahingestellt sein lassen. Für vorliegen- den Zweck sei es genügend, die Gradation der Erscheinungen im Auge zu behalten, um den Werth darauf gegründeter Criterien abwiegen zu können. Ein absoluter Unterschied lässt sich daher auf die Nahrungsaufnahme ebensowenig als auf irgend em anderes Merkmal gründen, es kann sich hier nur um die Bestimmung des relativen Werthes handeln. Nachdem man erfolglos nach Criterien, die die beiden organi- schen Reiche trennen sollten, gesucht, haben sich die meisten For- scher dahin ausgesprochen, dass die Vergleichung sämmtlicher Ent- wickelungsglieder der fraglichen Organismen mit bekannten Ent- wickelungsreihen der Pflanzen oder Thiere für ihre Stellung be- stimmend sei. Das Fehlen oder das Hinzukommen eines neuen Ent- 212 L. Cienkowski, wickelungsgliedes würde dann auf das Resultat der Vergleichung keinen Einfluss ausüben. Wenn es sich um einigermassen höher or- ganisirte Wesen handelt, so ist dieses Verfahren entscheidend. Ein Fuceus z. B. würde, wenn man auch entdecken sollte, dass seine Schwärmer die Nahrung nach der Art einer Nassula in sich auf- nehmen, trotzdem bei den Pflanzen bleiben müssen, denn eine beträcht- liche Summe pflanzlicher Organisation lässt über die Stellung ge- nannter Alge keinen Zweifel zu. Schon anders wird unser Urtheil, wenn wir dieselbe Voraussetzung bei einem Wesen, dessen Leben in zwei oder drei morphologische Glieder zusammensinkt, anbringen. Stellen wir uns vor, dass die Schwärmsporen eines Chytridiums wie ein Amphileptus die Nahrung aufnehmen, wird dann das Chytridium noch als eine Pflanze zu betrachten sein? Es ist nicht zu leugnen, dass das hinzugetragene Moment beim Chytridium einen anderen Effect als beim Fucus hervorbringt. Die morphologische Fülle des letzten ist bei dem einfachen Pilze auf eine schwärmerzeugende Blase reducirt, und obwohl das Zoosporen bildende Sporangium bei ganzen Reihen von Pflanzenordnungen vorkommt, so verlangt anderseits die active Nahrungsaufnahme, die fast allen Thieren eigen ist, zum min- desten gleiche Berücksichtigung. Um einen Theil obiger Vermuthungen auf einen konkreten Fall anzuwenden, brauchen wir nur unsere Monaden statt des Chy- tridium zu unterstellen. Der einzige Repräsentant der Pflanzen- organisation, die Zoosporen erzeugende Blase wird noch bei den Monaden durch die Analogien, welche diese Bildung mit Amphilep- tusblasen aufweist, geschwächt und bringt dadurch das Uebergewicht auf die Seite der animalischen Nahrungsaufnahme. Bei diesem Sach- verhalt scheint mir die am meisten den Thatsachen entsprechende Meinung die zu sein, dass Monaden Thiere sind, die durch zoosporenbildende Zellen den Uebergangin das Pflan- zenreich vermitteln. Nach einer benachbarten Richtung hin werden die in vielfacher Beziehung analogen Myxomyceten und Rhizopoden die Verwandtschaft näher zu bezeichnen helfen. Die Analogie mit den letzterwähnten Organismen habe ich durch Auffinden des Zellzustandes und der Cystenbildung, auf welche ich in dem speciellen Theil näher eimgehe, zu unterstützen gesucht. Beiträge zur Kenntniss der Monaden. 213 1. Monadineae Zoosporeae (nk. Bei den schwärmsporenbildenden Monaden unterscheide ich drei Gattungen: Monas, Pseudospora und Colpodella. Die erste möchte ich auf die am vollständigsten untersuchte M. amylı, wo der Monadentypus am schärfsten hervortritt, zu beschränken suchen. Die zu ihr gehörende Amoebe entbehrt der contractilen Vacuolen und der Cytoblasten, die Schwärmer fliessen in Plasmodien zusammen, die Zelle wird von einem oder mehreren Schwärmern gebildet und bekommt beim Uebergange in den Ruhezustand keil- förmige, nach innen ragende Warzen. Bis jetzt ist nur eine Art M. amyli, die in faulenden Nitellen lebt, bekannt. Ihre Schwärmer sind spindelförmig, sehr eontractil, bewegen sich anguillulaartig, sind mit Cilien versehen. (Fig. 1—5). Die zu der zweiten Gattung Pseudospora gehörende Amoebe hat einen Cytoblast, 2—3 contr. Vacuolen. Die Zelle ent- steht immer aus einem Schwärmer, ist glatt, ohne innere Warzen. Drei Arten sind mir bis jetzt bekannt geworden: 1) P. parasitica (früher Monas parasitica), 2) P. nitellarum und 3) P. Volvocis. Bei der ersten sind am Schwärmer 2—3 contractile Vacuolen, ein Cytoblast, eine Cilie, leicht zu erkennen. Beim Uebergange in die Amoebe kommen zwar anfangs runde Ausbuchtungen zum Vor- schein, allein diese haben nur kurze Dauer. Die Cystenwand ist einfach (Fig. 6—11). Die zweite Art, P. nitellarum, besitzt eine grössere Cyste mit doppelten, weit von einander abstehenden Membranen. Ihre Amoebe ist wie die vorige gebaut, der Schwärmer viel kleiner, die Cilie ein- fach, lang, lebt in faulenden Nitellen (Fig. 12, 15). Die dritte Species, P. Volvoecis ist durch den verschleierten Zel- lenzustand leicht kenntlich (Fig. 18). Der Schwärmer ist mit einem Nucleus und 2 Cilien versehen, übertrifft an Grösse die beiden vor- hergehenden, die Cyste wie bei P. nitellarum mit doppelten Wänden, lebt in Volvox globator (Fig. 14—18). Zuletzt die dritte Gattung, die Colpodella, ist durch den Mangel eines Amoebenzustandes charakteristisch. Bis jetzt ist nur eine Art bekannt: C. pugnax. Da die Monas amyli und Ps. parasitica in meinen früheren Aufsätzen schon vielfach besprochen wurden und die P. nitellarum nichts wesentlich Neues darbietet, so will ich diese drei Arten bei der 214 L. Cienkowski, folgenden Schilderung ausser Acht lassen und sie nur mit einigen Abbildungen erläutern, um eine Uebersicht der bis jetzt bekannten Monaden zu geben. Pseudospora volvocis Unk. Lebt parasitisch in Volvox globator. Die Schwärmer sind oval oder kugelig etwa 0,02 mil. lang. Ein Nucleus und zwei Cilien sind an ihnen sehr deutlich wahrzunehmen. Der Schwärmer geht leicht in den Amoebenzustand über, meistens ohne die Cilien zu verlieren (Fig. 14, 15). Die Amoebe hat spitze nicht zahlreiche Fortsätze, drei contractile Vacuolen und einen Nucleus (Fig. 16, 17). Sie kriecht auf der Oberfläche des Volvox so lange herum, bis sie sich in den- selben hineinbohrt. Hier verschluckt sie die grünen Zellen oder ganze Junge Colonien und nach der Ausplünderung der ganzen Vol- voxfamilie verlässt sie diese, um den Angriff an anderen Exemplaren von neuem auszuführen. Hat sie sich einmal eingestellt, so richtet sie in wenigen Tagen die in Gefässen eultivirte, wenn noch so zahl- reiche Volvoxbevölkerung zu Grunde. Der ruhende Zustand der P. volvocis hat einen weit abstehenden, verschieden geformten Schleier, der die Umrisse der Amoebe, nachdem sie die Pseudopodien zurück- zog, bezeichnet (Fig. 18,5). In dem Schleier liegt die runde 0,026 mil. grosse Zelle, die wiederum die Cyste (0,015 mil.) nebst dem körnigen Nahrungsballen einschliesst. Die Wand der Cyste ist doppelt. Die Entstehung der Schwärmer in der Zelle ist noch unbekannt. Golpodella pugnax Ünk. Der Schwärmer hat vor und nach der Nahrungsaufnahme ein ganz verschiedenes Aussehen. Im ersten Falle ist er farblos, hat eine sichelartige, an beiden Enden zugespitzte Form (Fig. 19, 20). An seinem Vordertheile ist eine Wimper, unter ihr der Nucleus an- gebracht; die contractile Vacuole befindet sich in der convexen Seite des Körpers in einem unweit der hinteren Körperspitze gelegenen seichten Vorsprung (Fig. 20, 22, v.c). Die Länge des Schwärmers beträgt im Durchschnitte 0,012 mil. Die Bewegung ist ein zitterndes Schwimmen, welches zeitweise von mehreren, rasch aufeinanderfol- genden Schlägen mittelst des hinteren Körpertheiles begleitet wird. Die Colpodella pugnax lebt mit Chlamydomonas pulvisculus zusam- men, welche sie überfällt, um sich ihrer Primordialzelle zu bemäch- tigen. Dieses wird von der Colpodella auf folgende Art ausgeführt. Beiträge zur Kenntniss der Monaden. 215 Nach einigen erfolglosen Versuchen klammert sie sich mit der von der Cilie abgewandten Spitze an die Chlamydomonade fest (Fig. 22, 23); nach einigen Secunden bemerkt man, dass die Primordialzelle sehr langsam in die Colpodella hinübergeht, deren Ansatzstelle nicht mehr zugespitzt, sondern: erweitert den austretenden grünen Körper eng umschliesst (Fig. 24, 25). Der angreifende Schwärmer ergrünt nun mehr und mehr, bis er: die ganze Primordialzelle in sich auf- nimmt und die leere Ghlaiiydonhehts-Eiülle verlassend davoneilt (Fig. 21). Jetzt hat er eine grüne Farbe und eine CGolpodaform mit einer gekrümmten Spitze, die er in seinen tumultuarischen Be- wegungen voranrichtet. Die Ausplünderung der Chlamydomonade wird ‚oft gleichzeitig von mehreren Schwärmern ausgeführt; in sol- chen Fällen tritt die Primordialzelle an mehreren Stellen heraus, worauf die mit Nahrung beladenen Colpodellen eine nach der andern abfallen, um anderswo dasselbe Verfahren zu wiederholen. Betrachten wir näher diese wunderbaren von einem bewimper- ten Schleimklümpchen vollzogene Handlungen. Man muss annehmen, dass die Colpodella befähigt ist, die Zell- hülle der Chlamydomonade zu durchstechen oder sie vielmehr an der Berührungsstelle aufzulösen. Dies erhellt aus dem Umstande, dass wenn der Schwärmer nach längerem Betasten der Chlamydomo- nade durch irgend Etwas gestört wird und seine Beute verlässt, so folgt darauf das Austreten der Primordialzelle durch eine winzig kleine Oeffnung der Hülle, die genau der Ansatzstelle des Schwärmers entspricht. Diese Eigenschaft der Colpodella. Zellulose aufzulösen, ist übrigens keine einzig dastehende Thatsache, da wir auch pflanz- liche Zoosporen kennen (Chytridien), die auf ähnliche Weise die Zellulose-Häute durchzubohren vermögen. Nachdem nun die Oeffnung in der Hülle bewirkt ist, bleibt der Schwärmer an demselben Orte haften, so dass der grüne Tropfen unmittelbar in die Colpodella übergehen kann. Die Stelle der Auf- nahme bleibt immer dieselbe, sie scheint an der Spitze selbst oder gleich unter ihr gelegen zu sein; während des Ueberganges des grünen Körpers wird sie merklich erweitert und umschliesst von allen Seiten die eintretende Nahrung. Diese Erscheinungen führen zu. der Annahme, dass die Colpodella einen Mund oder fast so viel wie einen Mund besitzt ; jedenfalls muss an dem Schwärmer eine feine noch nicht greifbare histologische Differenz vorhanden sein. Nachdem die Colpodella durch mehrere Angriffe sich die nöthige M. Schultze, Archiv f. mikrosk. Anatomie. I. Bd. - 15 216 L. Cienkowski, Nahrung verschafft hat, geht sie, ohne sich in eine Amoebe zu ver- wandeln, in den Zustand ruhender Vegetation über. Die nachein- ander verschluckten Theile, die anfangs gesondert im Schwärmer liegen, werden in einen Ballen vereinigt, worauf die Colpodella sich in eine grüne nur an der Peripherie hellumsäumte Kugel zusam- menzieht, deren Oberfläche zuletzt zu einer harten Membran erstarrt. Jetzt geht allmählig die Assimilation der Nahrungsballen von statten; der farblose Saum gewinnt merklich an Umfang auf Kosten des grossen Körpers, welcher von einer grossen Vacuole umschlossen erscheint. Bei vorgeschrittener Verdauung verschwindet der hohle Raum und der farblose vermehrte Inhalt füllt die ganze Zelle aus, den roth gefärb- ten Rest der Nahrung von allen Seiten umschliessend (Fig. 26, 27). Die Bildung der Zoosporen geschieht auf dieselbe Weise wie bei anderen Monaden, dagegen ihr Austritt aus der Mutterzelle bietet einige Verschiedenheiten dar, die nämlich darin bestehen, dass sämmt- liche aus dem Inhalte erzeugte Schwärmer in einer zarten Hülle eingeschlossen geboren werden, im Gegensatz zu anderen Monaden, wo die Schwärmer durch eine oder mehrere kleine Oefinungen sich nach Aussen hindurchdrängen müssen. Das nahe Heraustreten der Schwärmer lässt sich an der eiförmigen Gestalt, die die Zelle ange- nommen hat, leicht erkennen. Darauf folgt eine Ausstülpung der Zel- lenwand, die immer dünner wird und dem sich hervordrängenden Sack keinen Widerstand mehr bietet (Fig. 23—30). Ausserhalb der Zelle be- wegen sich die Schwärmer noch eine zeitlang in der sehr zarten Hülle und nachdem die letzte unmerklich wird, zerstreuen sie sich nach allen Richtungen. Die jungen Schwärmer gleichen in jeder Hinsicht den farblosen, sichelförmigen Exemplaren der Colpodella. Was zuletzt die Cyste betrifft, so hat sie das Eigenthümliche, dass man in der Zelle neben dem encystirten Körper der Monade den Nahrungsballen stets vermisst. Die Wand der Cyste ist ’ein- fach (Fig. 31). Die hier beschriebene Art der Nahrungsaufnahme bei Monaden wurde zuerst an einer ovalen, farblosen mit 2 Cilien versehenen Art von Lieberkühnt) beobachtet. Erwähnte Monade saugte mittelst einer oder mehrerer Fortsätze die Primordialzellen der Kudorma elegans aus und zwar mit solcher Kraft, dass ‘man’ die 1) Vossische Zeitung, Juli 1355. Beiträge zur Kenntniss der Monaden, 217 Bewegung des plötzlich in die Monade übergehenden gefärbten In- halts sehr, deutlich wahrnehmen konnte. Auch in diesem Falle war der der Gilie gegenüber liegende Theil des Schwärmers beim Angriff thätig. Bevor ich zu der zweiten Monadengruppe übergehe, will ich hier noch zweier Schwärmer gedenken, an denen ich die Mikrocysten beobachtet habe. Die eine gehört in die Ehrenberg'sche Gattung Bode. Sie ist hauptsächlich durch stumpfe lange Fortsätze, die am Körper entstehen und wieder eingezogen werden, charakterisirt. Der vordere Theil ist abgerundet, mit 1—2 Cilien versehen, unter welchen ein deutlicher Cytoblast mit Nucleolus vorhanden ist (Fig. 38—39); die Bewegungen des Schwärmers sind meistens gleitende , wobei er oft einen langen Schweif weicherer Substanz nach sich zieht. Dieser Bodo lebt in Schaaren in faulenden Räderthieren, Insectenlarven u. dergl. Die Nahrungsaufnahme geschieht auch hier an dem der Cilie entgegengesetzten Ende, — durch Umhüllung der fremden Körper. Sind diese von beträchtlicher Länge, wie z. B. Leptomitusfaden, so wird der eingehüllte Theil nach einiger Zeit von dem Bodo abgerissen und fortgeschleppt. Bei allmählig emtretendem Wassermangel verwandelt sich die- ser, Schwärmer in eine Kugel, die noch von einer derben Membran umhüllt wird (Fig. 40).. In. diesem Zustande überdauert der Bodo die nicht lange anhaltende Trockniss. Bei erneuertem Benetzen mit Wasser tritt der unveränderte Schwärmer. durch eine winzig kleine Oeffnung der Cystenmembran heraus (Fig. 40—41). Die Cyste hält im: Durchmesser 0,015 mm. Der zweite Schwärmer, der sich ebenfalls eneystiren kann, gehört zu. den gewöhnlichsten farblosen Formen, die in Infusionen vorkom- men. Sein Körper ist oval oder an einem Ende spitz ausgezogen, 0,02 mm. lang; durch bauchartige Auftreibungen wird die Form fortwährend geändert. Die contractile Vacuole ist am stumpfen Ende, wo auch die 2 Cilien entspringen, angebracht, ferner ist noch ein Cytoblast in der Mitte des Körpers deutlich zu sehen (Fig. 32, 33). Trotz dieser Merkmale ist es schwer, diese Monade auf eine der be- kannten zurückzuführen. Bei Gulturen in Wassertropfen gehen erwähnte Schwärmer mit grösster Leichtigkeit in die Cystenbildung ein, welche massenhaft m Form ‘von glashellen Kügelchen erfolgt (Fig. 34). Versetzt man nach einer vorläufigen Trocknung diese Cysten wiederum unter 218 L. Cienkowski, Wasser, so breehen nach einigen Stunden aus sämmtlichen Cysten die unveränderten Schwärmer hervor und das ermüdende Gewimmel fängt von neuem an (Fig. 35—37). Die Grüsse der Gyste beträgt 0,006-—-9,009 mm. Da beide Schwärmer deren Gystenbildung wir kennen lernten, allerwärts in Infusionen vorkommen, da terner bei reinem Material in Versuchstropfen man sich überzeugen kann, dass sie nicht von Myxomycetensporen oder deren Mikrocysten herstammen können, so ist dadurch die Fähigkeit des Schwärmers, sich zu eneystiren, auch ausserhalb der Schleimpilze constatirt. Durch das Ausschliessen der Myxomycetenquelle ist natürlich nicht bestimmt bewiesen, dass erwähnte zwei Schwärmer zu den Monaden zu stellen sind,’ da wir andere Entwickelungsglieder noch nicht kennen. — 2. Monadinae Tetraplastae CUxx. Die Monaden, welche in ihren Zellen statt Schwärmer actino- phrysartige Amoeben erzeugen, lassen sich m zwei Gattungen, Vam- pyrella und Nuelearia theilen. Zu der ersten gehören rothe Amoeben ohne eontractile Vacuolen und Cytoblasten, zu (der zweiten ähnliche, aber farblose mit 1—5 Cytoblasten versehene Amoeben. In der ersten, soweit ich sie untersucht, wunterscheide ich drei Arten: V. Spirogyrae, V. pendula und V. vorax. Die erste lebt von Spirogyren, ihre Zelle ist verschleiert, der Schleier vergänglich ; die zweite ist auf Oedogonien, Bulbocheten angewiesen, der Schleier birnförmig, beständig, die Zelle mit einem Stiele versehen. Die dritte Art V. vorax hat eine nackte Zelle, sonst so gebaut, wie bei der ersten Art, die Nahrung holt sie sich nicht wie die zwei ersten aus dem Innern der Algenzellen, sondern nimmt fremde Körper durch Umhüllung ein. In der zweiten Gattung sind zwei Arten zu unterscheiden : N. delicatula mit mehreren Cytoblasten und N. simplex mit einem. 6) Vampyrella Spirogyrae Unk. Die Vampyrella Spirogyrae bildet, wie schon erwähnt, die zie- gelrothen Zellen, die man so oft an Spirogyren ‚angeheftet. findet. Die Grösse dieser Zellen beträgt im Durchschnitt etwa 0,06 mm., ihre Form ist kugelrund oder sphäroidalisch, seltner unregelmässig. Die Membran bläut sich durch Anwendung von J und SO,, besteht demnach; (insofern man sich auf diese Reaction verlassen kann) aus Zellulose, Beiträge zur Kenntniss der Monaden. 219 Ausserhalb dieser Membran ist eine andere stickstoffhaltige zarte vorhanden (Schleier, Velum), die bei jugendlichen Zuständen mit Schärfe .hervortritt, bei der Reife jedoch öfters fehlt (Fig. 46, 47). Der Inhalt dieser Zellen ist an der Peripherie gleichförmig. hell, ziegelroth, gegen die Mitte hin mit grösseren, unregelmässigen Kör- nern gemengt. Bei aufmerksamer anhaltender Beobachtung sieht man den Inhalt in 2—4 Theile sich sondern und an verschiedenen Stellen : der Zelle durch runde Oeffnungen in Form von rothen Amoeben sehr langsam austreten ; die erwähnten dunklen Kör- per bleiben in der Membran zurück und stellen die unverbrauchte Nahrung vor (Fig. 48, 49). Der zuerst ausserhalb der Zelle sicht- bare Theil erscheint wie ein halbflüssiger Tropfen, der sogleich an- schwillt, sich fächerartig ausbreitet und indem er sich sehr langsam entfernt, zieht er den noch in der Zelle eingeschlossenen Theil nach sich heraus (Fig. 48, 49). Durch dieselbe oder eine andere Oeffnung befreien sich: die anderen Theile des Inhalts. Ausserhalb der Zelle erscheinen sie in der Form von kugelrunden rothen Protoplasma- massen, die allerwärts wie ein Actinophrys mit Strahlen bedeckt sind (Fig. 50—54). Die Erscheinungen, die man während der gleiten- den Bewegungen dieser Protoplasmamassen beobachtet, beweisen, dass wir es auch hier mit einem nackten halbflüssigen Körper zu thun haben. Die Vampyrella- Amoebe ist steter Formveränderung unter- worfen, sie bildet lange in dünne Fäden sich ziehende Stränge, die auseinander reissen oder wiederum durch Zusammenziehen zu der ursprünglichen Form zurückkehren können. Die Amoebe besteht aus einer feinkörnigen ziegelroth gefärbten Substanz, die nur an der Peripherie farblos erscheint : weder contractile Vacuolen noch Kerne war mir möglich, deutlich wahrzunehmen. Die Strahlen, die an beliebigen Orten entstehen können, werden oft auf langen Strecken ganz zurückgezogen. Ausser den Strahlen kommen noch an den kugel- förmigen Amoeben stumpfe hyaline Fortsätze, auch wellenartig sich abhebende Ausstülpungen zeitweise zum Vorschein (Fig. 50)'). Die stumpfen wie die spitzen Pseudopodien sind farblos. Im beiden habe ich eine Körnchenbewegung wahrgenommen. Diese macht den Eindruck, als würden die Körnchen aus dem Körper in . den Strahl stossweise einer nach dem anderen hineingeworfen und 1) Indessen haben diese Erscheinungen eine kurze Dauer, so dass die spitzen Pseudopodien den Hauptcharakter der Vampyrellen-Amoebe bilden. 220 L. Cienkowski, sogleich zurückgezogen, besonders sieht man dieses an den erwähn- ten stumpfen hyalinen Höckern sehr deutlich. Da die Strahlen oft sehr dünn werden, so erscheinen die in ihnen herumgeführten Körn- chen, als lägen sie ohne Zusammenhang auf der Amoebe oder in geringer Entfernung von ihr lose herum (Fig. 53). Durch die Körn- chenbewegung lässt sich die V. Spirogyrae schon in ihrem Amoeben- zustande von anderen mit ihr ausserordentlich ähnlichen‘ rothen Amoeben scharf unterscheiden. Ich will jetzt die nicht minder als bei der Colpodella seltsame Art, wie die Vampyrella sich ihre Nah- rung zu verschaffen weiss, ausführlicher angeben. Mit scheinbar zwecklosen trägen Wanderungen rückt sie an Confervenfäden und gleitet an ihrer Oberfläche eme Zeitlang fort. Allein nur an vollständig gesunde Spirogyraglieder legt sie ‘sich fest an; nach einer Pause, die emige Minuten dauert, sieht man die befallene Spirogyra wie mit einem Ruck sich verschieben und gleich- zeitig bemerkt man den Primordialschlauch ‘des von der Vampyrella angegriffenen Gliedes von der Wand, die Berührungsstelle ausgenommen, zurücktreten (Fig. 44). Kurz darauf geht das zusammengeballte Chlo- rophyliband sammt dem Primordialschlauche sehr langsam in den immer noch eng angeschmiegten Körper der Vampyrella über (Fig. 45). Sobald dieses gänzlich beendet ist, verlässt die Vampyrella die leere Spirogyrazelle nnd gleitet zum benachbarten Gliede, wo sie dasselbe Manöver wiederholt. In dieser Weise wird ein Glied nach dem andern ausgeplündert, bis dass die von Nahrung ganz überfüllte Vampyrella sich irgendwo an den Gonferven ansetzt, ein- kugelt und m Ruhe das Erworbene verarbeitet und verdaut. Das Einziehen des Primordialschlauches dauert im Durchschnitt etwa 12 Minuten. Die Strahlen bleiben während dieser Zeit un- verändert oder verschwinden gänzlich. Die Stelle, durch welche die Nahrungsaufnahme stattfindet, hat eme geringe Ausdehnung ; ob’ sie eine bestimmte Lage an dem Körper einnimmt, lässt sich nicht‘ er- mitten, da man an der Amoebe keine festen Theile oder irgend welche Structurverhältnisse,. die man als Orientirungspunkte benutzen dürfte, finden kann. An sämmtlichen Gliedern der beraubten Spirogyren sieht man nun eine grosse nicht »scharf umschriebene Oeffnung, welche durch . das Ankleben der Vampyrella entstand. (Fig. 45,0.) Und da in dem Körper der letzteren keine harten Theile, mit deren Hülfe der Angriff ausgeführt sein könnte, vorhanden sind, so müssen wir auch der Vam- Beiträge zur Kenntniss der Monaden. 221 pyrella die Fähigkeit, die Zellulose- Häute aufzulösen, vindieiren. Dass sie dabei eine gewisse Wahl trifft, ist nicht zu bezweifeln. Niemals sah ich sie eine Vaucheria, ein Oedogonium, die ich ihr absichtlich vorlegte, angreifen; auch ist mir kein einziger Fall be- kannt, der auf die Aufnahme fremder Körper durch Umhüllung hin- deuten möchte. (sehen wir nun zu dem Zellen- und Ruhezustand über. Die verschlungene Nahrung vertheilt sich allmählig in dem ganzen Körper in Form von runden grünen Blasen, die bald eine röthliche Farbe annehmen. Darauf zieht die Vampyrella ihre Strah- len zurück und scheidet eine zarte stickstoffartige Hülle aus, unter welcher erst eine weiche Zellulose-Haut gebildet wird (Fig. 46 s, 2). Während dieser Zeit färbt sich der Inhalt roth ‚und bekommt die Beschaffenheit jener rothen Zellen, mit welchen wir unsere Schilderung angefangen haben. Mit dem ruhenden Zustand wird der Entwickelungskreis der Vampyrella, so weit er erforscht, geschlossen. Der Vorgang ist derselbe wie bei dem Zellenzustande, mit dem Unterschiede, "dass der ‚von den unverdauten Nahrungskörnern gesonderte Inhalt in keine Theilung emgeht, vielmehr sich einkugelt und in eine derbe Wand einhüllt. Die Cyste behält dabei die rothe Färbung des Inhalts, der sich gegen das Centrum hin verdichtet und dadurch dunkler erscheint. Die Zellwand bleibt glatt oder bekommt eine warzige Oberfläche (Fig. 56). Die von Fresenius !) beschriebene Amoeba lateritia scheint der Vampyrella Spirogyrae zu entsprechen. Die Zurückführung wird dadurch besonders erschwert, dass die V. vorax, wenn sie von Eu- glenen sich ernährt, ähnliche Zellzustände bildet und die Amoeben beider Arten sehr ähnlich sind, auch oft zusammen leben. Meine früheren Angaben ?) bezogen sich theils auf die V. vorax, theils auf eine mit der Nuclearia verwandte Form, die einen contractilen Raum, einen Cytoblasten besitzt, und durch Aufnahme rothgefärbter Nahrung den Vampyrellen zum Verwechseln ähnlich ist. 7) Vampyrella pendula Cnk. Die Amoebe der V. pendula ist von der vorhergehenden nur durch den Mangel der Körnchenbewegung zu unterscheiden. Da- 1) Abhandl, d. Senckenb. Gesellsch. B. II, p. 218; tab. X, Fig. 13—19 2) Pringsheim’s Jahrbücher, B. II, 3. Heft p. 429. 222 L. Cienkowski, gegen ist die Zelle wie auch der Ruhezustand charakteristisch genug; um eine neue specifische, ja vielleicht eine generische Sonderung zu rechtfertigen. Was die Nahrung betrifft , so ist die V. pendula auch auf das Chlorophyll angewiesen, welches sie mit dem Primordialschlauche aus den Confervenzellen herauszieht. Nur ist ihre Wahl nicht so beschränkt, wie bei der vorigen Art; sie plündert die Oedogonien, Bulbocheten, auch sehr dünne nieht näher bestimmbare Gonferven. Der Vorgang ist ganz derselbe wie bei V. Spirogyrae (Fig. 57). Beim Uebergang in den Zellenzustand verschwinden die Strahlen und die Vampyrella nimmt eine birnförmige Gestalt an, mit dem verschmälerten Ende sich an die Conferven anheftend (Fig. 57, g). Unter den Augen des Beobachters tritt der Inhalt aus der schmalen Basis in den erweiterten Theil zurück, wo er sich einkugelt und mit einer Membran umhüllt; gleichzeitig wird auch em starrer ge- rader Faden, der die Oberfläche der inneren Kugel mit der Ansatz- stelle vereinigt, sichtbar (Fig. 59 St). Die weiteren Vorgänge entsprechen denselben der vorigen Art. An der Peripherie der Zelle wird der Inhalt einförmig hellroth ge- färbt und zerfällt unter der Ausscheidung der Nahrungsballen' in 2—4 Theile, die wie bei V. Spirogyrae durch verschiedene Oeffnungen aus der Zelle austreten (Fig. 60); die entleerten Zellen sieht man mit ihrem birnförmigen oft zusammengefallenen Schleier lange Zeit an den Conferven haften (Fig. 61). ‘Die Zelle besteht, wie bei der vorigen Art, aus Zellulose. Bei Bildung des 'ruhenden Zu- standes wird der Schleier ganz oder theilweise nur aufgelöst; die Zelle bekommt eine stachelige Oberfläche, und ist mit dem verdick- ten Reste des starren Fadens gekrönt. Die Cyste selbst ist mit rothen Inhalte gefüllt (Fig. 63). Im allen Zuständen ist die Grösse der V:pendula sehr verschieden, was von den Dimensionen der von ihr befallenen Conferven abzuhängen scheint. So z. B. waren die von kleinen Oedogonien lebenden 0,012 gross, wogegen die die Bulboche- ten überfallenden wenigstens (das vierfache Volum erreichten. Die V.pendula wurde zuerst von de Bary beobachtet 2). Seine Untersuchungen stammen aus einer Zeit, wo man das reiche para- 1) Ueber die Algen Gatt. Oedogonium und Bulbochete p. 69. 71 Tab. II, 0Fig. 21,22. Beiträge zur Kenntniss der Monaden. 223 sitische Leben der Conferven sehr wenig kannte und seinen störenden irreleitenden Einflüssen bei entwickelungsgeschichtlichen Studien nicht genügend Rechnung trug. Die Beobachtung scheint de Bary gerade in dem Momente begonnen zu haben, wo der scheinbar mit der ansitzenden Vampyrella continuirliche Primordialschlauch aus der Zelle langsam hervorbrach. Durch diese und andere analoge Erscheinungen wurde de Bary zu der Ansicht geführt, dass die in Rede stehenden Bildungen als eine gesetzmässig beim Absterben des Zellinhalts eintretende Gestaltung anzusehen sein. Neulich hat Kar- sten?) denselben Gegenstand untersucht. Karsten ist geneigt die V. pendula in den Entwickelungskreis des Oedogonium zu ziehen und sie in genetischen Zusammenhang mit der Entwickelung eines Räderthieres (Rattulus) zu bringen. Das Deckelchen, welches Kar- sten an der Austrittsöffnung des Oedogoniuminhalts stets vorhanden sah, glückte mir nicht, weder bei V. Spirogyrae, noch bei V. pendula aufzufinden. 8) Vampyrella vorax (nk. Nachdem ich die Vampyrellen kennen lernte, war es von be- sonderem Interesse, ‘die den Algologen schon längst bekannten zie- gelrothen Blasen, die man für Diatomaceencysten hielt, auf ihre Entwickelungsgeschichte zu untersuchen. Schon der Umstand, dass innerhalb derselben Zelle verschiedene Diatomaceen in Gesellschaft vorkommen, stellte eine andere Deutung dieser Gebilde in Aussicht. Es gelang auch wirklich Lüders?) aus erwähnten Blasen rothe Amoeben austreten zu sehen und dadurch die vermeintliche Diato- maceencyste als ein Entwickelungsstadium einer Amoebe in Anspruch zu nehmen. Beim ersten Anblick dieser Amoeben glaubte ich sie mit den oben: beschriebenen Vampyrellen identificiren zu können, eine Ver- muthung, zu «der der Beobachter um so mehr verleitet wird, da ausser der Aehnlichkeiten dieser Amoeben in Form, Farbe , Struetur sich noch das öftere Zusammenleben wenigstens der V. Spirogyrae und V. vorax hinzugesellt. Dessenungeachtet lassen sich die drei besagten Organismen sehr scharf von einander trennen. So wie die zwei ersten Vampyrellen nie fremde Körper durch Umhüllung auf- 1) Histologische Untersuchungen, 1862, p.20—22; Tab. III, Fig.50—56. 2) Bot. Zeit. 1860. Nr. 48. 224 L. Cienkowski, nehmen, so zieht wieder die V. vorax nie ihre Nahrung aus den Gonferven-Zellen heraus. Sie lebt dagegen von Diatomaceen, Eu- glenen, Desmidiaceen, welche sie umhüllt und Zellen verschiedenster Formen und Grössen bildet. Die Amoebe der V. vorax ist von etwas hellerer Farbe als die Amoeben bei den anderen Arten, sonst bis auf die fehlende Körnchen- bewegung in jeder Hinsicht übereinstimmend (Fig. 64. 65.) Beim Vorbeigleiten an Diatomaceen kleben diese an «die Amoebe,'an, werden allmählig eingezogen und ohne Ordnung in dem Körper ein- gelagert. Mit dieser unbequemen Last setzt die V. vorax. ihre Bewegungen fort, unterwegs neue Nahrung aufnehmend. "Während der Ausbildung der Zelle werden die Diatomaceen parallel ihrer Längsachsen gelagert und eng von der Amoebe umschlossen, so dass die später entstehende Oberfläche der Amoebe eine längliche, nach den verschlungenen Körpern sich richtende Form erhält. (Fig. 66). Seltner findet die Abgrenzung der Zelle schon zu der Zeit statt, wo die Diatomaceen noch nach allen Richtungen in der Amoebe herumliegen; es werden natürlich dadurch alle nur erdenklichen Zellformen veranlasst. Die Zelle der V. vorax ist ohne Schleier ; die Theilung des Inhaltes wie bei vorhergehenden Arten (Fig. 67). Was schliesslich den ruhenden Zustand der V. vorax betrifft, so ist zw bemerken, dass die Exemplare, die sich eneystiren, keine Diatomaceen enthalten. Sie bilden zuerst eine Zelle, in der sich der zurücktretende Inhalt in gewöhnlicher Weise einkugelt und mit einer derben Membran um- giebt. Ein geringer Theil unassimilirter Substanz wird dabei oft ausgeschieden (Fig. 68, 69); seltner bei sehr grossen Amoeben ent- stehen in einer Zelle mehrere Cysten. Die hier besprochene Vampyrella ist nicht allein auf Diatoma- ceen angewiesen; eine andere reichhaltige Nahrungsquelle bieten ihr die Euglenen und Desmidiaceen dar. Die Zellen wie die ruhenden Zustände, die sie bei dieser Kost hervorbringt, zeigen Unterschiede, die ich kurz andeuten will. Die Zellen sind meist rund, von röthlicherer Farbe als die, welche Diatomaceen einschliessen. Die unverdaute Nahrung bildet einen grossen dunkelrothen oder braunen Ballen (Fig 70, 71). Die aus den Zellen austretenden Amoeben sind nur durch eine lebhaftere Färbung und geringere Grösse von den an Diatomaceen-Nahrung erwachsenen verschieden. Die ruhenden Zustände endlich haben oft Beiträge zur Kenntniss der. Monaden. 225 schlauchartige Anhängsel und reichlichere Ueberreste der Nahrung, meistens Paramylumkörner der Euglenen, aufzuweisen (Fig. 72, 73). Die angegebenen Unterschiede scheinen mir von zu geringer Bedeutung zu sein, um eine speeifische Trennung zu berechtigen. Sie mögen eine Varietät der V. vorax bezeichnen. 9) Nuclearia delicatula Cnk. In vielfacher Beziehung zu den Vampyrellen steht eine Amoe- benform mit ebenfalls spitzen P’seudopodien, die ich unter die bekann- ten Arten nieht unterzubringen weiss und als Repräsentanten einer neuen Gattung, Nuclearia, betrachten werde. Im Habitus, in der Art der Bewegung und der Körpergrösse gleicht sie den Vampyrellen. Sie ist gleichmässig an der ganzen Oberfläche oder nur an einigen Stellen mit Strahlen versehen, mit- unter auch vollkommen glatt. Die Substanz des Körpers, wenn nicht mit Nahrung geschwängert , ist farblos, zart, an Vacuolen sehr reich , die zwar langsam verschwinden und wieder auftauchen, jedoch nicht plötzlich zusammenfallen wie die contractilen Räume. Der Hauptcharakter dieser Amoebe besteht in der Anwesenheit von mehreren (bis 5) glashellen Cytoblasten, mit stärker das Licht brechenden Nucleoli. Junge kleine Exemplare besitzen nur einen Kern (Fig. 74—-76). Da die Aufnahme der Nahrung so seltsame Erscheinungen darbietet, so müssen wir auch die Nuclearia delicatula hierauf einer genaueren Prüfung unterwerfen. Nachdem die Vampyrellen oder die Pseudosporen die Conferven zu Grunde gerichtet haben, stellt sich die Nuclearia ein, um die noch vorhandenen Reste der Zellinhalte zu benutzen, oder falls diese nicht genügen, selbst die mächtigen Confervenfeinde, die Vampyrellen, anzugreifen. Man trifft sie schaarenweise an den faulenden Spirogy- ren haften und das Chlorophyll mit Stärkekörnehen begierig einziehen. Um zu ermitteln wie dieses vollzogen wird, ist es zweckmässig, zur Beobachtung solche Spirogyren zu wählen, welche bis auf wenige Chlorophyliklumpen ihres Inhalts beraubt sind. Man bemerkt dann, dass die birnförmig zusammengezogene Nuclearie einen oder mehrere Stränge hyaliner Substanz in die Spirogyrazelle hmeinsenkt und dort in ein vielfach verzweigtes, weit greifendes Protoplasmageflecht sich ausbreitet (Fig. 77). 226 L. Cienkowski, Jetzt werden die Chlorophyliballen in Angriff genommen. Die zarten Protoplasmafäden der Nuclearia umgeben den‘ Klumpen und bilden nach einigen Secunden um diesen einen Plasmaüberzug, darauf wird der Hauptstrang, den die Nuclearia in die Spirogyra einsenkte, sehr langsam zurückgezogen und mit ihm der oft weit entfernte Chlorophyliballen ihr zugeführt. Bei dieser Art der Nahrungsauf- nahme ist kein eigentliches Saugen, keine Strömung in den Pseudo- podien, wie z. B. bei Acineten wahrzunehmen. : Die Bildung dieser langen Stränge geschieht nur da, wo die Conferven meistentheils ihres Inhalts entledigt sind, bei reichlichem Chlorophylivorrath haf- ten (die Nuclearien in grosser Zahl seitlich an den Algenzellen an und senden ein kurzes Pseudopodiengeflecht in diese hinem. DieN. delicatula ist an keine bestimmte Algenart gebunden; nur erweichte, in Fäulniss übergehende Zellhäute vermag sie zu durchbohren. Liegt die Nahrung unmittelbar an der Oberfläche ihres Körpers, . so wird jene ohne Pseudopodienbildung von demselben 'umhüllt und einge- zogen. Es gelang mir bis jetzt weder Zellen noch ruhende Zustände an der Nuclearia delicatula aufzufinden. Das einzige was auf solche hindeuten möchte, waren weite, aus feinen Körnchen bestehende Bla- sen, die’sich um die, auf dem Objectträger cultivirten Exemplare bildeten (Fig. 78). Bis diese Lücken in der Entwickelung der ‘N. delicatula nicht erfüllt sind, bleibt ihre Stellung bei den Monaden noch zweifelhaft. 10) Nuclearia simplex Ünk. Diese Art besitzt eine farblose Amoebe mit einem. Cytoblasten, daher ist sie, wenn man nur diesen Zustand. berücksichtigt, von jungen N. delicatula nicht zu unterscheiden (Fig. 79). Ihre Nahrung besteht aus Chlorophyll und kleinen Stärkekörnern, auch. kriecht sie in faulende Räderthiere, .wo sie sich zahlreich vermehrt. . Mit. grosser Leichtigkeit: bildet diese Art, auf dem Objectträger cultivirt,. ruhende Zustände, wozu, wie wir sahen, die vorige in demselben Versuchs- tropfen. sich nicht bewegen liess. Der ruhende Zustand ‚besteht aus einer Zelle, die im Centrum eine viel kleinere, farblose, Gyste beherbergt. Auf der Cyste oder in einiger Entfernung liegen die während. des Encystirens ausgeschiedenen Nahrungspartikelchen (Fig. 80). Die N. simplex ist die einzige Form, an: der „es :mir Beiträge zur Kenntniss der Monaden. 227 gelang, aus der einige Tage getrockneten Cyste die Amoebe wieder austreten zu sehen. Das Ausschlüpfen erfolgt sehr langsam durch eine kleine Oeffnung, die in der Cyste entsteht; die hervorkriechende Amoebe muss ‘noch durch die äussere Zelle sich die Bahn brechen (Fig. 81). Die Amoebenzustände, die in den Entwickelungskreis der Mo- naden gehören, zeigen viele Berührungspunkte mit den echten Acti- nophryen. ‘An beiden Gebilden finden wir dieselben Structurver- hältnisse, ja mit Ausnahme der Rindenschicht, die bei den Actinophryen mehr oder weniger scharf hervortritt, lässt sich kaum ein durch- sreifendes Unterscheidungsmerkmal aufstellen. Daher, um für die systematische Stellung der Monaden noch andere Anknüpfungspunkte als die der Myxomyceten zu gewinnen, unterwarf ich die analogen Aetinophryen einer genauen Untersuchung. Zu diesem Zwecke wählte ich die zwei gewöhnlichen Arten Aecetinophrys sol. und A. Eichornii. Die. Structurverhältnisse kann ich wohl als bekannt voraus- setzen, will mich, daher nur lediglich bei den Ruhezuständen, ‘die ich neulich fand, aufhalten. Die vorbereitenden Vorgänge zu der Cystenbildung sind bei der ersten Art folgende: Actinophrys sol zieht die Strahlen zurück und scheidet an seiner glatten Oberfläche eine scharf conturirte Hülle aus, bildet sich also in eine Zelle um (Fig. 82). Die Körpersubstanz verliert dabei die schaumartige Beschaffenheit, wird feinkörnig, gegen das Centrum hin. verdichtet. Dadurch entsteht eine centrale dunkle Kugel, die allmählig in die peripherische helle Zone übergeht und deren Durchmesser ' etwa die Hälfte des ganzen Zellendiameter aus- macht ; an einer. Stelle ist die ‚grosse contractile Vaeuole, die während der Diastole die Zellhaut ausstülpt, noch einige Zeit sicht- bar. (Fig. 82). Die folgenden Stadien folgen rasch auf einander. Nach Verlauf einiger Stunden zerfällt die centrale Kugel vermittelst einer immer tiefer ‘gehenden Einschnürung in zwei Theile, die sich abrunden, schärfer umschreiben und aneinanderrücken (Fig. 83—-86). Ist die Theilung vollzogen, so verschwindet die Zellhaut mit dem peripherischen Inhalte bis auf, einige zurückbleibende Körnchen gänzlich. An beiden Kugeln erscheint nun eine dicke Membran, während ihr Inhalt etwas zurücktritt und abermals mit einer dicken, 228 L. Cienkowski, elatten Hülle sich umgiebt. An fertigen Cysten ist die äussere Membran fein gefaltet, mit spitzen, nach Innen gerichteten Wärzchen zahlreich bedeckt und wie der Inhalt dunkelbraun gefärbt (Fig. 87). Es sei noch hier erwähnt, dass um den zur Öystenbildung sich anschickenden Actinophrys eine sehr zarte weit abstehende farblose Zone erscheint, deren Umrisse durch anklebende fremde Körnchen bezeichnet werden. Diese Zone bleibt während der Theilung der centralen Kugel und verschwindet etwas später als die Zellhaut. Ihre Entstehung konnte ich wegen Mangel an Material nicht näher ermitteln, sie scheint mir der Umhüllung der N. delicatula analog zu sein (Fig. 83, 85). Aus dem Gesagten ersehen wir, dass aus emem in eine Blase umgewandelten Actinophrys 2 Cysten entstehen, und dass zu ihrer Ausbildung nur ein Theil der Körpersubstanz dabei verbraucht wird. Diese Entwickelungsart ist geeignet, wie ich glaube, die Actinophrys nahe an die Monaden anzuschliessen. Denn es wird wohl die Acti- nophrysblase, in welcher die Cysten entstehen, mit der Monadenzelle ohne geringsten Zwang zu vergleichen sein. Beide Bildungen be- sitzen gemeinschaftlich eine Vegetationsperiode, wenn sie "auch bei Actinophrys eine sehr kurze Dauer hat; in beiden wird ferner ein Theil des Inhaltes in die Cyste umgebildet und zuletzt ist noch die Thatsache hervorzuheben, dass in einer Zelle zwei und wie wir en Actimophrys Eichornii sehen werden, mehrere Cysten entstehen können, ein Umstand, welchen wir nur bei Myxomyceten und Monaden wieder finden. Alle diese Verhältnisse berechtigen uns, die Actinophrys- Cyste in morphologischer Hinsicht eng an dieselbe Bildung der Monaden anzuschliessen. Die Bemühungen, Schwärmsporen oder Theilungen des Zellinhaltes zur unmittelbaren Bildung neuer Acti- nophryen zu beobachten, schlugen immer fehl. Dagegen liess sich die Art, wie der Actinophrys sol aus der Cyste nach einiger Ruhezeit zum neuen Leben erwacht, vollständig ermitteln. Da der Vorgang mehrere Stunden dauert, so lassen sich die aufeinander folgenden Verände- rungen sehr deutlich wahrnehmen. Sie bestehen zuerst in der be- trächtlichen Ausdehnung der in gefalteter Membran eingeschlossenen Oyste, wodurch die erste ausgeweitet wird, an einer Seite die Falten ver- liert und glatt erscheint. An demselben Orte treten im der Cyste mehrere helle Räume auf, die den dichteren Inhalt zurückdrängen. Bei fernerer Ausdehnung der Cyste stülpt sie immer mehr die gefaltete Hülle aus, bis sie diese zersprenst und sich theilweise oder gänzlich Beiträge zur Kenntniss der Monaden. 229 befreit (Fig. 88). Unterdessen hat eine Scheidung des Cysteninhalts in einen hellflüssigen und dichteren Theil emen bedeutenden Umfang ge- wonnen, auch eine grosse, schnell zusammenfallende Vacuole ist in die Erscheinung getreten (Fig. 89, v. ec). Bald darauf zieht sich der sämmtliche Cysteninhalt von der Wand zurück, wobei wieder der helle Theil, bis auf kleinen peripherischen Saum auf Kosten des dichteren verdrängt wird. Kurze, zahlreiche Strahlen, die sich im' ganzen Umfange von dem Inhalte gegen die Gystenwand erheben, sind mit dem pulsirenden Raume die ersten unzweideutigen Merk- male des wieder auflebenden Actinophrys (Fig. 90). Die Strahlen drängen nun immer mehr die jetzt schon sehr zarte umfangreiche Cystenwand vor sich, bis schliesslich die letzte sich auflöst und den Bewegungen des Actinophrys keine Hindernisse mehr in den Weg stellt. Die zweite Actinophrys-Art, bei der ich ruhende Zustände er- zielt habe, ist die viel besprochene A. Eichornii EAr. Nachdem mehrereVersuche, die Eneystirung auf dem Objectträger sich vollziehen zu lassen, gänzlich fehlgeschlagen waren, kam ich auf den Gedanken, dass vielleicht durch künstlich herbeigeführte, mehr- fache CGopulation die ruhenden Zustände zu erzwingen sein. Um diese Vermuthung zu prüfen, wurden auf den Objectträger in Wassertropfen zwei Exemplare gelegt und unter dem Simplex durch Ablösung eines Körpersegmentes mittelst einer Nadel wund gemacht, sodann die Wundflächen beider mittelst Papierstreifehen in Berührung gebracht. Nach Verlauf von 8—30 Minuten erfolgte das bekannte Zusammenfliessen beider Individuen in einen Körper. Ich brachte nun in den Tropfen ein neues Exemplar hinein und wieder- holte mit beiden (dieselbe Operation u. s. w. Auf diese Weise er- hielt ich einen colossalen Actinophrys, der fünf zusammengeschmolzene Exemplare repräsentirte. In den meisten Fällen theilten sich diese grossen Protoplosmamassen durch Abschnürungen wiederum m mehrere, Kleinere, normal beschaffene Individuen ; einige Mal jedoch gelang es, eine andere Bildung, die wohl als ruhender Zustand zu deuten ist, abzulauschen. Die Strahlen wurden nämlich eingezogen, die zellenartige Beschaffenheit des Körpers verschwand und der ganze Actinophrys verwandelte sich in einen dunkeln, feinkörnigen, mit zahlreichen Vacuolen durchzogenen Schleim, der statt der Rinden- Substanz von einem hellen dickflüssigen Saum umgeben war. Etwa nach Verlauf von 7 Stunden zerfiel diese Protoplassmamasse in mehrere dunkle Kugeln, von denen jede von einem farblosen Schleim- 230 L. Cienkowski, hof umsäumt war. Bei noch weiter vorgerücktem Stadium hatten die Kugeln scharfe Umrisse bekommen und jede war in eine weit abstehende Membran eingehüllt; die übrige Substanz, ‚in welcher sämmtliche Kugeln eingebettet waren, verschwand allmählig.| Das weitere Schieksal dieser Kugel ist noch unbekannt; ihre Zahl scheint in keinem Verhältniss zu der Zahl in die Copulation ge- brachter Individuen zu stehen. | Aus dem Mitgetheilten ersehen wir, dass in Betreff des ruhen- den Zustandes die beiden Actinophryen im Wesentlichen ‚überein- stimmen. Nur ist bei A. Eichornii: während der Gystenbildung die Anwesenheit von einer scharf umschriebenen Haut zweifelhaft, so dass der Zellzustand der-Monaden und des Actinophrys sol hier dareh eine hüllenlose, nackte Zelle repräsentirt zu sein scheint. Erklärung der Abbildungen auf Taf. XIT—XIV. Sämmtliche Figuren, wo die Vergrösserung nicht in Klammern angegeben ist, sind 320 Mal vergrössert dargestellt. In allen Abbildungen bezeichnet a, die Nahrung; z, die Monadenzelle; e, die Monaden- eyste; s, den Schleier; n, den Cytoblast; v.c., die contr. Vacuolen. Fig. 1-5. Monas amyli. Fig. 1 (350). Die Zelle während der Zoosporenbildung. » 2 (350). Der Schwärmer. »„ 3,4(350) Amoebenzustand des Schwärmers. „5 (450). Ruhender Zustand. w, warzenartige Vorsprünge der Zellwand, Fig. 6-11. Pseudospora parasitica (früher M. parasitiea). m 6. Der Schwärmer. „» 7,8. Die Amoebe. z. 9. Zellzustand. = 10. Schwärmsporenerzeugung. Fig. 12, 13. Pseudospora Nitellarum. „ 11. Ruhender Zustand. „ 12. Ruhezustand. 34 13. Der Schwärmer. Fig. 14-18. Pseudospora Volvocis. „14,15. Schwärmer. „ 16,1%. Amoebenzustand. rn IS. Ruhezustand. Fig 19-21. WER N " . 23-25. „26, 27. ., 28-30. 8,3]; a, Te? = 35-37. 38,.30. 2. ET: a „» 43. „44, 45. „46. 47. „48, 49 „50-54 "n 55 „ 56 57. 58. BY 58, H 60. e 61. ® 62. „ 63 „ 64,65. 4 66. E 67. „68,69. TOT, WW EREN Beiträge zur Kenntniss der Monaden. 231 Fig. 19—31. Colpodella pugnax, Der Schwärmer. Drei sich an einer Chlamydomonas ansetzende Schwärmer Der Schwärmer während der Nahrungsaufnahme. Zellenzustand. Schwärmererzeugung. Ruhender Zustand Fig. 32—37. Unbestimmte Monaden, Der Schwärmer. Seine Cysten. Das Austreten des Schwärmers aus der Cyste. Fig. 33-41. Bodo sp. Der Schwärmer. Die Cyste. Das Ausschlüpfen aus der Oyste. Fig. 42—43. Monas irregularis Perty. Schwärmer. Nahrungsaufnahme desselben. Fig. 44—56. Vampyrella spirogyrae. Die Amoebe während der Nahrungsaufnahme. Zellenzustand. Die aus der Zelle austretenden Amoeben. Amoebenzustände. Zelle nach dem Austreten der Amoeben. Ruhezustand. Fig. 57—63. Vampyrella pendula. Amoebe während der Nahrungsaufnahme. Die nacheinander fol- genden, an demselben Exemplar d beobachteten Vorgänge sind hier an verschiedene Conferven -Glieder versetzt dargestellt. g. Zellenzustand. Amoebenzustand Zellenstadium ; St. der starre Fadenstiel. Das Ausschlüpfen der Amoeben aus der Zelle. Die leere Zelle mit dem birnförmigen Schleier; ce. die Austritts- öffnung. Die innern Conferven, kleine Exemplare des Zellenstadiums. Ruhender Zustand. Fig. 64—73. Vampyrella vorax. Amoebenzustand. Zellstadium. Das Austreten der Amoeben. Ruhende Zustände. Zelle einer Varietät derselben Art. Ruhestand der Vorigen. M. Schultze, Archiv f. mikrosk. Anatomie. I. Bd. 16 232 23 80. 81. 82. 83-86. 87. 88-90. Beiträge zur Kenntniss der Monaden. Fig 74—78. Nuclearia delicatula. Amoebenzustände. Theilung der Amoebe. Nahrungsaufnahme. Zum Zellzustand sich anschickendes Exemplar. Fig. 79—81. Nuclearia simplex. Amoebenzustand. Ruhezustand. Das Austreten der Amoebe aus der Cyste. Fig. 82—90. Actinophrys sol. Zellzustand. Die aufeinanderfolgenden Stadien bei der Cystenbildung. Ausgebildete Cyste. Das Austreten des Actinophrys aus der Cyste, Dresden, März 1865. Untersuchungen über die Entwicklung des Harn- und Geschlechtssystems. Von Dr. ©. Kupffer in Dorpat. Hierzu Tafel XV. 1. Die Entstehung der Nierebei Schaafembryonen. Die ersten Anfänge der Nieren sind an Säugethierembryonen bisher nicht aufgefunden worden. Das jüngste zur Beobachtung eekommene Entwicklungsstadium derselben hat Rathke') beschrie- ben. Er fand an einem Rindsembryo, der vom Nackenhöcker zur Schwanzwurzel in gerader Linie 64 par.‘ mass und Spuren von Kie- menspalten am Halse zeigte, jederseits nach Innen vom hintern Ende der Urniere ein kleines Körperchen, in eine besondere Nische der Rückenwand eingebettet, das an seiner, der Urniere zugewandten, also der äussern Seite, 6—7 warzenförmige Erhöhungen der Ober- fläche wahrnehmen liess. Aus dem weiteren Verlaut seiner Unter- suchungen an ältern Embryonen schliesst Rathke mit Bestimmtheit darauf, in diesen Körperchen die Nieren vor sich gehabt zu haben, trotzdem er keime Spur eines Ureters nachweisen konnte. Er nimmt daher an, dass sich die Niere an dem Orte des Fundes, ohne Zu- sammenhang mit der Kloake, resp. dem sinus urogenitalis, gebil- det habe. Später, nachdem Remak den Ursprung der Niere beim Hühnchen 1) Abhandlgg. zur Bildungs- und Entwickelungsgeschichte des Menschen und der Thiere. Zweiter Thl. Vierte Abhandlg. Leipzig 1833. 234 Dr.16.Kupffer; beschrieben hatte, behauptet Rathke'), dass sich Nieren und Harnleiter bei den höhern Wirbelthieren überhaupt ganz unabhängig von den Wolff’schen Körpern und deren Ausführungsgängen bildeten, ohne sich darüber zu äussern, ob er, nach wie vor, an.der isolirten Entstehung des Organs bei den Säugethieren festhalte. — Bei’m Hühnchen geht nach Remak bekanntlich die Entstehung des uro- poetischen Systems von der Kloake aus. Er?) schildert den Vorgang folgendermassen: „Am sechsten Brüttage zeigen sich hinter der Kloake, neben und nach innen von den Ausführungsgängen der Ur- nieren zwei zapfenförmige Körper, in dem Blasteme der Beckenwand eingebettet. Man unterscheidet an ihnen eine in die Faserschicht der Darmwand übergehende Rinde und einen durch ein blind endi- gendes Epithelialrohr gebildeten hellen Axentheil, der mit dem die Kloake auskleidenden Drüsenblatte zusammenhängt. Diese Körper sind die Anlagen der Nieren, die demnach in Bezug auf Entstehung und Zusammensetzung mit den Anlagen der Lungen, des Pankreas und der Speicheldrüsen im Wesentlichen übereinkommen.“ So Remak. Meine Untersuchungen ergaben ein abweichendes Resultat. Zwar finde ich, dass, wie aus seinen Ermittelungen bereits wahrscheinlich war, das bleibende Harnsystem auch bei Säugethieren nicht in solider Anlage auftritt, dıe erst nachträglich ihre Commu- nicationen herstellte, sondern aus einem bereits vorgebildeten Systeme sekundär sich entwickelt. Allein ich sehe nicht, wie Remak, das Darmsystem, sondern das funktionell nächststehende der bereits an- gelegten Systeme, das der Urniere, den Mutterboden darbieten, aus dem die neue Anlage keimt. Das Nähere wird sich aus der Mittheilung des unmittelbar Beobachteten ergeben. Ich begann damit, durch Präparation unter der Lupe zu un- tersuchen, wie weit es mir, beim Vorschreiten von älteren Embryonen zu jüngeren, gelingen möchte, die Niere als besondere, von der Um- gebung unterscheidbaren Körper darzustellen. Es stand mir dazu eine recht vollständige Altersreihe von in Alkohol conservirten Exem- plaren zur Disposition. 1) H. Rathke, Entwickelungsgesch. der Wirbelthiere. Leipzig 1861. 68. 2) R. Renak, Untersuchungen über die Entwicklung der Wirbelthiere Berlin 1851. pag. 121. jet pag. Untersuchungen über die Entwicklung des Harn- u. Geschlechtssystems. 235 Die bezüglichen Verhältnisse an älteren Embryonen übergehend, da sie mehrfach beschrieben und abgebildet sind, erwähne ich, dass an einem Exemplar von 16 Mm. Länge, in gerader Linie vom Nackenhöcker bis zur Schwanzwurzel gemessen, die Nieren sich als linsenförmige, etwa 1,5 Mm. lange Körper der Ansicht vom Rücken her frei darboten, nachdem die Weichtheile des Rückens und die Wirbelsäule entfernt waren. Beide waren nur durch die Aorta von einander geschieden, lagen eine jede in einer Nische des W olff’schen Körpers derselben Seite, etwa an der Grenze zwischen dem hinteren und mittlerem Drittheil der Länge jenes, liessen sich leicht aus der Nische ausschälen und besassen eine durchweg glatte Oberfläche. Von der untern (dem Bauche zugewandten) Seite, nicht vom hintern Ende, ging ein zarter Faden ab, offenbar der Ureter, den ich bis zum hintern Ende des W olff’schen Körpers verfolgen konnte; dort schlug er sich von rückwärts her um die äussere Seite des W o Iff’schen Ganges und trat in so intimen Zusammenhang mit letzterem, dass ich über seine Endigung nichts Sicheres ermitteln konnte. Bei einem wenig kleinern Embryo, in derselben Weise gemessen etwa 14 Mm. lang, war nach derselben Präparation bei der Rückenansicht nichts von den Nieren wahrzunehmen, die Wolff’schen Körper hatten in ihrer ganzen Länge nur die Aorta zwischen sich. Ich löste einen Wolff’schen Körper am innern Rande, also von der Aorta ab und schlug ihn nach aussen; auch dann zeigte sich keine bestimmt um- schriebene Portion, die als Niere hätte genommen werden können. Die lockere Substanz, die, von. der Umbilicalarterie auswärts um- schrieben, den Raum zwischen W olff’schem Gange und Wurzel des Mesenteriums einnahm, musste die Niere enthalten, trotzdem fand ich sie nicht auf. Ich beschloss daher ein anderes Verfahren einzuschlagen. Ge- lang es mir, erhärtete Embryonen vom hintern Ende an derart in zur mikroskopischen Untersuchung geeignete dünne Schnitte, senk- recht zur Axe zu zerlegen, dass kein Schnitt verloren ging und wurden diese Schnitte genau in der Aufeinanderfolge geordnet, in der sie angefertigt waren, so konnten die ersten Anfänge des gesuchten Organs der Beobachtung“ nicht entgehen. Diese Aufgabe habe ich für zwei Embryonen von 8 Mm., zwei von 10 Mm., einen von 13 Mm., einen von 15 Mm., zwei von 17 Mm., einen von 24 Mm. und zwei von 30 Mm. Länge soweit zur Befriedigung gelöst, dass ich von jedem mindestens das hintere Drittheil des Körpers in der ange- 236 Dr..&, Kupffenr, deuteten Weise zerlegt habe und die sämmtlichen Schnitte geordnet besitze. Ich habe die Embryonen zu diesem Behuf in einer 10% Lösung von saurem, chromsauren Kali erhärtet, der ich für Embryonen den Vorzug geben muss vor einer Lösung der reinen Säure, selbst in schwachen Proportionen. Es dauert allerdings beträchtlich länger, dafür bewahrt er aber seine Formen getreuer und erhält sich Mo- nate lang ohne brüchig zu werden. Nachdem der genügend erhärtete Embryo mit Garminlösung imbilirt war, wurden die einzelnen Schnitte mit Terpentin geklärt bis das Object den erforderlichen Consistenzgrad erlangt und in einer Lösung von Canadabalsam in Chloroform unter dem Deckblatt auf- gehoben. Ich wende mich an die Schilderung der in Rede stehenden Ver- hältnisse bei den einzelnen von mir untersuchten Altersstufen. Schaafembryo von 8 Mm. Länge. Als Ausgangspunkt der Betrachtung diene die Einmündungs- stelle der Wolff’schen Gänge in den smus urogenitalis und es mögen die Verhältnisse verfolgt werden, wie dieselben sich in den: vom Schwanz- zum Kopfende auf einander folgenden Querschnitten dar- bieten. Die Bezeichnung Querschnitt ist in jedem Falle so zu verstehen, dass die Schnittebene parallel den Grenzflächen des Urwirbels fällt, den sie trifft. Mithin convergiren die sämmtlichen ‚‚Querschnitte“ gegen die Bauchseite des stark gekrümmten Embryo. Ich habe an diesem Exemplare auf der Strecke von 1: Mm. Länge 20—25 Querschnitte angefertigt, also misst jeder Schnitt durchschnittlich an Dicke 0,04—0,05 Mm Da das äusserste Ende der Wolff’schen Gänge: sich kurz vor der Einmündung aus der vorher eingehaltenen longitudinalen Rich- tung bauchwärts biegt, so treffen die ersten. Schnitte, vom Schwanz- ende an gezählt, diese Gänge nicht gleich quer, sondern fallen parallel der Axe dieser letzten Enden und erst der vierte meiner Schnitte enthält das quer getroffene Lumen der Gänge, hart ober- halb der eben erwähnten Biegung. ' Der erste Schnitt, der die Einmündungsstellen trifft, zeigt folgende Verhältnisse an den Theilen, die hier im Betracht kommen: Das Lumen des sinus urogenitalis bietet eine dreieckige Oefinung Untersuchungen über die Entwicklung des Harn- u. Geschlechtssystems. 237 dar, die hintere t) Seite des Dreiecks ist die längste. Der ihr gegen- überliegende, mit seinem Scheitel zur Bauchseite gewandte Winkel ist stumpf, die beiden seitlichen, spitzen Winkel sind an ihren Schei- teln ein wenig nach hinten ausgezogen. In jeden dieser Winkel läuft von hinten her der Wolff’sche Gang seiner Seite aus, der bei der Betrachtung des Präparats von oben her als Rinne erscheint, indem seine untere Wand, innerhalb des Präparats gelegen, den Boden der Rinne abgiebt, während das Messer an der obern Fläche des Präparats den Gang eröffnet hat. Von dem Lumen des sinus urogenitalis nach hinten zu erscheint in der Medianlinie des Präparats eine kleine kreisrunde Oeffnung, von einem zierlichen Epithelialkranz umgeben: das Lumen des Darms. Seitwärts von demselben und in einer Entfernung davon, die etwa das dreifache der Dicke seiner Epitheliallage beträgt, er- scheint sowohl rechts als links eine bogenförmig gekrümmte Linie, die Concavität dem Darm zugewandt, als seitliche Grenze der Faser- lage des Darms gegen die Umgebung; vorn fehlt die Grenze. Diese | Linien sind in allen weiter abwärts gelegenen Schnitten nicht vor- handen. Sie deuten mithin an dem in Rede stehenden Schnitte das äusserste der Peritonealhöhle an, das sich also in gleicher Höhe mit der Einmündungsstelle der Wolff’schen Gänge in den sinus uro- genitalis befindet. Die Epithelien abgerechnet, ist noch keine Spur histologischer Differenzirung wahrzunehmen. Kleine runde, dicht aneinander geprägte Zellen nehmen gleichmässig die ganze Aus- dehnung des Querschnittes ein. Dagegen ist das Epithelium des Darms sowohl, als des sinus urogenitalis aus cylindrischen, mit deut- lichen runden Kernen versehenen Zellen gebildet, die an beiden Or- ten. in doppelter Lage auftreten. Eine scharfe Linie schneidet über- all das Epithel von der äussern Umgebung. Von dem vordern Winkel am Lumen des sinus urogenitalis zieht eine doppelte Epithe- lialschicht in der Mittellinie des Präparats bis an die vordere Peri- pherie desselben, dort in das Epithelium der äussern Haut über- gehend. Es ist das die Auskleidung eines Spalts, durch den der sinus sich nach aussen öffnet, der sogenannten fissura urogenitalis. Der nächst höhere Schnitt, von oben her betrachtet, zeigt 1) Es sei hier bemerkt, dass die Lokalangaben in der Beschreibung durchweg auf die aufrechte Stellung des Embryo Bezug nehmen; ‚nach hinten“ heisst also „zum Rücken“, „nach oben‘ „zum Kopfe‘ hin, 238 Dr. C. Kupffer, einige Abweichungen von dem eben geschilderten Bilde. Das Lumen des sinus hat ungefähr U-form. Die beiden Hörner des U sind wieder die Enden der Wolff’schen Gänge, die an diesem Präparat von dem Messer in der Mitte ihres Kalibers longitudinal getroffen sind. Der Darm ist zu drei Viertheilen seiner Peripherie, vorn und zu beiden Seiten, von einem schmalen Spalt umgrenzt, dem Durch- schnitt der Peritonealhöhle. | Die doppelte Epitheliallage in der Mittellinie, zwischen sinus urogenitalis und äusserer Peripherie, erscheint hier im Verschwinden begriffen ; es fehlen ihr die bestimmten Grenzlinien, sowohl die mitt- lere Trennungslinie zwischen beiden Lagen, als auch die beiden seit- lichen; die Zellen zeigen nicht mehr bestimmt die Form und Lage- rung der Epithelzellen. Es sind nur Spuren: davon wahrnehmbar, dass hier früher zwei Epitheliallagen bestanden haben. Solche Spur zeigen noch einige der nächst höhern Schnitte (ef. Fig. 1). "Daraus ist der Schluss berechtigt, dass die fissura urogenitalis früher höher hinauf . gereicht habe und von oben her verwachsen ist. Den folgenden Schnitt stellt Fig. 1 bei der Ansicht von oben her dar: Das Lumen des sinus urogenitalis halbmondförmig, die En- den etwas erweitert, der Durchschnitt der Wolff’schen Gänge noch mit jenem Lumen zusammenhängend. Von der hmtern Wand des Wolff’schen Ganges geht eine nach oben offene Rinne aus, mit Epithelium ausgekleidet, das sich von dem des W olff’schen Ganges nicht unterscheidet. Der Boden der Rimne liegt vollständig inner- halb des Schnittes, der Ebene desselben parallel. | Die Durchschnitte der Darmanlage und Peritonealhöhle unter- scheiden sich, wie die Figur zeigt, nicht von dem Verhalten an dem vorherigen Schnitte. Uebereinstimmend mit jenem Schnitt zeigt auch dieser in der Medianlinie zwischen dem sinus urogen. und der vordern Peripherie einen intensiver gefärbten Streifen, den Rest einer doppelten Epitheliallage. Der vierte Schnitt ist in Fig. 2 wiedergegeben. Man’ sieht den Wolff’schen Gang quer durchsehnitten und vom Lumen des sinus urogen. nach hinten und äussen abgerückt, indem ein Spalt der Peritonealhöhle zwischen beide eindringt. Nach hinten vom Querschnitt des Wolff’schen Ganges zeigt sich ein zweites Lumen, von annähernd derselben Weite, eiförmig, die Spitze nach vorn ge- richtet. Es entspricht in seiner Lage und Weite genau dem hintern Ende der in den Wolff’schen Gang einmündenden Rinne des vori- Untersuchungen über die Entwicklung des Harn- u. Geschlechtssystems. 239 gen Schnittes. Es unterliegt keinem Zweifel, dass es derselbe Kanal ist, der dort longitudinal getroffen, hier, ein wenig höher, quer durch- schnitten worden ist. Derselbe muss also, vom W olff’schen Gange aus verfolgt, erst eine Strecke weit nach hinten (zum Rücke hin) verlaufen, dann ein Knie bilden und aufwärts steigen (gegen das Kopfende hin). Der fünfte Schnitt enthält an derselben Stelle, wie der vorige, das unveränderte Lumen des W olff’schen Ganges, statt des zweiten Lumen dagegen das blinde Ende jenes Kanals, kenntlich, sobald man die mittlere Lage der Dicke des Schnittes in den Focus eingestellt hat, an zwei concentrisch in einander gefügten Kreislinien, der innern und äussern Grenze seines Epithels. Alle in der Richtung zum Kopfende hin folgenden Schnitte lassen allein das Lumen des Wolff’schen Ganges gewahren, dem sich hald Querschnitte des W o lff’schen Körpers selbst anschliessen. Dieser, nach oben hin blindendigende kurze Kanal, der mit dem untern Ende des Wolff’schen Ganges communieirt, stellt, wie die weitere Entwicklung nachweist, die erste Anlage desblei- benden Harnsystems. dar. Nennen wir denselben, der Kürze wegen, Nierenkanal. Aus den Verhältnissen an den oben beschriebenen Schnitten ergiebt sich über seine Lage und Richtung bei der in Rede stehen- den Altersstufe Folgendes : Aus der Rückwand des W olff’schen Ganges, da wo derselbe kurz vor seiner Einmündung in den sinus urogenitalis aus der longi- tudinalen Richtung sich bauchwärts wendet, geht der Nierenkanal nach hinten zu ab. Zunächst liegt er genau in der Transversal- Ebene des Embryo, dann biegt er sich aufwärts. In der Weite giebt er dem Wolff’schen Gange nichts nach. Auf andere Theile bezogen, so liegt die Vereinigungsstelle von . Nierenkanal und Wolff’schem Gange etwas unterhalb des tiefsten Punktes, den die Umbilikalarterie erreicht, indem sie den nach un- ten (zum Schwanzende hin) konvexen Bogen schlägt. Der Schnitt, der das obere blinde Ende des Nierenkanals enthält, trifft eben den Scheitel jenes Bogens. Nach direkter Messung des transversal gelegenen Stückes des Nierenkanals beträgt dasselbe an Länge 0,13 mm.; das aufsteigende Stück mag, wenn ich die durchschnittliche Dicke meiner Schnitte als Maass anwende, circa ebensoviel betragen. Wenn somit die jüngste von mir beobachtete Entwicklungs- ‘ 240 Dr. C. Kupffer, stufe des Harnsystems emen bereits 0,2-0,3 mm. langen, rechtwink- lig geknickten Kanal darstellt, so kann doch auch nach diesem Funde mit Bestimmtheit ausgesprochen werden, dass das bleibende Harnsystem bei Schaaf- embryonen zuerst als blindsackförmige Aus- stülpung aus der Rückwand des Wolff’schen Ganges hervorgeht. Nach Erkenntniss dieses Ursprungs werfen sich für die weitere Untersuchung die beiden Fragen zur Beantwortung auf: 1. Wie entsteht die Niere selbst? 2. Wie erfolgt die Trennung des Nierenkanals (Ureter) von dem W olff’schen Gange, resp. dem vas deferens? Schaafembryo von 10 mm. Länge. Ich beginne hier mit dem Querschnitte, der die Einmündung des Nierenkanals in den Wolff’schen Gang enthält und verweise zu- gleich auf die Figur 3, als Ansicht des Schnittes. Man sieht daraus, der W olff’che Gang ist querdurchschnitten und der Strang, der das Lumen desselben enthält, vom sinus urogen. abgerückt und durch einen nach aussen vordringenden Spalt von der Hinterwand des letztern geschieden. Es muss also die Einmündung des Wolff- schen Ganges in den sinus merklich tiefer liegen; m der That er- reicht man sie erst mit dem dritten Schnitte abwärts, von dem vor- liegenden aus gerechnet. Da nun bei der vorigen Altersstufe der- selbe Querschnitt, der die Communikation des Nierenkanals mit dem Wolff’schen Gange enthielt, zugleich auch den W olff’schen Gang im Zusammenhange mit dem sinus zeigte, so folgt, dass das beiden Kanälen gemeinschaftliche Stück zunächst noch gewachsenist. Man könnte gegen diese Argumentation einwenden, dass die Schnitte in beiden Fällen möglicher Weise nicht die gleiche Richtung eingehalten haben. Allein dem gegenüber muss ich darauf hinwei- sen, dass der Nierenkanal hier wie dort mit der Ebene des Schnittes zusammenfällt. Uebrigens ergiebt sich die Richtigkeit des obigen Schlusses auch aus den Verhältnissen bei den nächst folgenden Al- tersstufen. Der Nierenkanal ist im Vergleich zur frühern Entwicklungs- x Untersuchungen über die Entwicklung des Harn- u. Geschlechtssystems. 241 stufe beträchtlich enger geworden, er zeigt etwa ein Viertel der erst beobachteten Weite. Zugleich hat sein Lageverhältniss zum Wolff- schen Gange sich etwas geändert, indem die Einmündungsstelle mehr an die äussere Wand des letztern gerückt ist. So ist denn das in der Ebene des Querschnitts gelegene Stück des Nierenkanals nicht direkt nach hinten gerichtet, sondern biegt sich vom Wolff ’schen Gange aus nach hinten und innen. Ich erwähne noch, dass von einer Spur des Epitheliums der fissura urogen., wie der Schnitt in gleicher Höhe an dem Embryo von 8 mm. Länge sie zeigte, hier nichts wahrzunehmen ist. Der nächste Schnitt zeigt die engen, von zierlichem Epithelial- kranz umgebenen Lumina der Nierenkanäle quer durchschnitten, zu beiden Seiten der Wurzel des Mesenteriums gelegen. Hieran schliesst sich in dem folgenden Schnitte eine neue Bil- dung an, indem jederseits eine deutlich von der Umgebung abge- grenzte, im Querschnitt kreisförmige Zellengruppe hart hinter den Nierenkanälen auftritt, die der nächste Schnitt in intimem Zusam- menhange mit denselben zeigt. Diesen Schnitt giebt die Figur 4 wieder. Man sieht aus der- selben, dass der Nierenkanal in dieser Höhe ein zweites Mal seinen Verlauf ändert, mdem er aus der longitudinalen Richtung sich aber- mals dem Rücken zuwendet. Da hier die eben erwähnte Zellen- gruppe hart hinter dem Kanal liegt, so tritt derselbe bei der Wen- dung in jene hinein, dringt bis zum Gentrum vor und endet dort blind mit flaschenförmiger Erweiterung. — Weiter aufwärts gewahrt man den Kanal nicht mehr und die Zellengruppe selbst findet in dem zweiten der folgenden Schnitte ihr Ende. Diese Gruppe stellt die Anlage der Niere selbst dar. Beide Nieren, auf dieser Entwicklungsstufe von fast sphärischer Form, berühren sich in der Mittellinie, liegen hart vor der Theilungsstelle der Aorta in die Arteriae umbilicales und neh- men fast den ganzen Raum ein zwischen diesen Arterien und der Wurzel des Mesenteriums. Man kann nunmehr in der Betrachtung an der gesammten An- lage drei Abtheilungen unterscheiden : die Niere, das innerhalb der- selben gelegene, flaschenförmig erweiterte blinde Endstück des Nieren- kanals, Nierenbecken und endlich den übrigen Theil des Kanals, den Ureter. Um das Nierenbecken ist die Substanz der Niere concentrisch 242 Dr. C. Kupffer, in mehreren Lagen geordnet, die sich bereits histolosisch zu differen- ziren beginnen. Zunächst der Epitheliallage des Beckens, die sich aus regelmässigen eylindrischen Zellen in drei- bis vierfacher Schicht zusammensetzt, kommt eine Lage runder, gedrängt an einander lie- gender Zellen. Es scheint ihre Lagerung durch das’ Epithelium einigermaassen bestimmt zu werden, obgleich eine durchaus scharfe Grenze beide Lagen von ‚einander sondert. Man sieht diese Zellen nämlich sich in der Verlängerung der Axen der cylindrischen Epi- thelialzellen an einander reihen, so dass das Bild eine gewisse Regel- mässigkeit darbietet. — Aehnliches habe ich auch am Rückenmarke bemerkt, wo in frühen Stadien, ehe noch eine Andeutung der weis- sen Masse auftritt, das Epithelium des Centralkanals in besonderer Mächtiegkeit sich darbietet. Auch dort setzt sich die Ordnung der Elemente des Epitheliums über die äussere Grenze desselben hin- aus auf die nächstanliegenden runden Zellen fort. Die darauf folgende zweite Lage der Nieren zeigt bei mehr aus- einander gerückten Zellen deutliche Intercellularsubstanz, während die dritte peripherische Schicht bereits die Anfänge fasrigen Baues enthält, mdem ihre Zellen spindelförmig gestreckt sind und mit ihrem Längsdurchmesser sich parallel der Oberfläche stellen. Aus der letzten Schicht geht die Kapsel hervor. Es ist mithin die Niere, wie sie hier vorliegt, sehr rasch ent- standen, wenn man erwähnt, dass bei den Embryonen von 8 mm. Länge der Nierenkanal allein vorhanden war. Aus der Vergleichung der bei den besprochenen beiden Ent- wicklungsstufen auftretenden Formen des Harnsystems kann ich mir nicht eine bestimmte Vorstellung darüber bilden, wie sich der Hergang zwischen diesen beiden Stadien vollzogen haben mag. Es scheint mir zweierlei denkbar zu sein : einmal wäre es mög- lich, dass sich die Niere aus dem hinter dem aufsteigenden Nieren- kanal gelegenen Zellenlager abgrenze und darnach erst der Kanal an seinem obern blinden Ende sich nach hinten zu wenden beginne und in den in der Abgrenzung beeriffenen Körper hineinwachse. — Andererseits wäre es aber nicht minder zulässig, anzunehmen, dass sich um das blinde Ende des Kanals die Niere gleich vom Beginn als „Hof“ ansetze und dann die Wendung des so knopfförmig ver- dickten obern 'Theiles nach hinten erfolge. Untersuchungen über die Entwicklung des Harn- u. Geschlechtssystems. 2483 Mit Sicherheit zu entscheiden wäre die Frage, wenn die Unter- suchung den Moment erfasste, wo die erwähnte Wendung des Ka- nals sich eben einleitet. Das war mir bisher nicht vergönnt, indem ich die Mittelglieder zwischen den beschriebenen Altersstufen nicht zu erlangen vermochte. Im Allgemeinen wird man eher geneigt sein, einen zusammenhängenden Entwicklungsgang aus dem erst gegebenen Anfange, dem Blindsacke, vorauszusetzen, wobei der eigentliche Kör- per der Niere aus den der Epithelialwand des Blindsackes zunächst gelegenen Zellen durch Wucherung hervorginge. — Indessen wäre eine getrennte Entstehung verschiedener Theile eines Systems und nach- herige Vereinigung doch auch nicht ohne Analogie. Was mich bestimmte, bei einer ersten Veröffentlichung der vorliegenden Thatsachen mich für eine ursprünglich isolirte Ent- stehung der Niere auszusprechen, war der Umstand, dass das Organ bei der zweiten Altersstufe bereits in solcher Entwicklung vorlag, während ich vorher keine Andeutung wahrgenommen hatte. Ich dachte dabei an das Auftreten der Spinalganglien, die jedenfalls getrenkt vom Rückenmarke entstehen und dabei sofort als grössere Zellengruppe sich innerhalb der Wirbelplatten abgrenzen. Ferner muss ich hervorheben, dass ich an dem Nierenkanal m seiner frühe- sten Erscheinung von einer „Faserschicht‘‘, als äusserer Lage seiner Wand, wie Remak es vom Hühnchen schildert, die sich durch irgend welche Grenze von der umgebenden Zellenmasse sonderte und den Mutterboden für die Entwicklung der Niere selbst abgäbe, nichts wahrnehme. Vielmehr wächst das Epithelialrohr, für sich allerdings scharf abgegrenzt, in die gleichmässig compakte Umgebung hinein, ohne eine besondere Bekleidung mitzunehmen. Eine solche fand ich indessen doch an dem blinden Ende des Kanals bei einem Embryo, der ein Geringes mehr als 8 mm. maass, von dem mir aber nur zwei Schnitte gelungen sind. Dort hatte das Carmin einen Hof von Zellen, der das blinde Ende gleichmässig um- gab, stärker gefärbt. Sie zeichneten sich so von der Nachbarschaft deutlich ab. Ich muss darnach die Möglichkeit zugeben, dass die Grundlage der Niere, wie dieselbe bei dem Embryo von 10 mm. Länge vorliegt, nicht hinter dem Kanal und von ihm gesondert sich abgrenzt, um nachträglich die Verbindung mit demselben einzugehen, sondern von Anbeginn rings um das blinde Ende sich gruppirt und im Verein mit demselben die Wendung nach hinten vornimmt. — Die definitive Entscheidung dieses Punktes bliebe somit suspendirt. 244 ‘ Dr, €. Kupffer, Schaafembryo von 13 mm. Länge. An dieser Altersstufe sind, verglichen mit der vorigen, nur m der Lagerung des Ureter zum W olff’schen Gange und in der Form des Nierenbeckens Veränderungen zu verzeichnen. — Die Einmün- dungsstelle des Ureter findet sich nämlich an der äusseren Seite des Wolff’schen Ganges und das in der Ebene des Querschnitts ge- legene Stück des Ureter’s schlägt einen nach aussen convexen Bo- gen von der Einmündungsstelle an, bis im die Nähe der Wurzel des Mesenteriums. — Der Abstand der Vereinigungsstelle beider Kanäle von dem sinus urogen. hat an Länge nicht zugenommen. — Im Centrum der Niere hat das vorher flaschenförmig erweiterte blinde Ende des Beckens sich gablig getheilt und die beiden Arme diver- siren unter stumpfem Winkel nach aussen und innen. Dabei ist die Niere gewachsen, — vornämlich, mdem die mittlere der drei Lagen, die bei der vorigen Altersstufe innerhalb derselben unterschieden wurden, an Mächtigkeit zugenommen hat. Die innerste Lage tritt besonders an den blinden Enden der eben erwähnten Arme des Beckens hervor. Schaafembryo von 15 mm. Länge. Die primären Arme des Beckens haben sich abermals getheilt, so dass der Hohlraum desselben jetzt in vier geschlossene Enden ausläuft, um welche sich wieder die dunkler gefärbten Zellen con- centrirt haben, die darnach bei der Einleitung weiterer Ramifikation zunächst betheiligt erscheinen. Die Kapsel erscheint deutlich feinfasrig. Aber auch die mittlere Lage zeigt hier Spuren bestimmter histologischer Gestaltung. Man sieht ihre Zellen sich in gewundene Streifen ordnen, die bisher noch nicht deutlich von einander abgegrenzt sind, indessen doch bereits der Schicht einen eigenen Charakter aufprägen. Hiermit deutet sich die beginnende Entstehung der Harnkanälchen an. Zunächst treten weder begrenzende Membranen noch Lumina auf. Erstere werden bei Embryonen von 17 mm. Länge bemerkt, letztere noch später. Was hier vorliegt, sind solide Zellenbalken von gekrümmtem Ver- lauf. Kein Umstand deutet darauf hin, dass diese Gestaltung von der Wandschicht des Hohlraumes ihren Anfang genommen, dass etwa von Epithelialzapfen, die in die mittlere Lage hineinwüchsen, die Ordnung der Elemente begonnen habe. Im Gegentheil, das Epithelium ist nach wie vor scharf abgesetzt, die stärker gefärbte, um die Untersuchungen über die Entwicklung des Harn- u. Geschlechtssystems. 245 blinden Enden des Hohlraumes concentrisch gelagerte Zellenschicht nicht minder bestimmt gegen die Lage abgegrenzt, in der die Bildung der Kanälchen sich ankündigt. — Erscheinen diese also in ihren Anfängen weder als hohle Auswüchse des Nierenbeckens, noch als solide Epithelialzapfen, so bleibt als Drittes nur übrig, eime iso- lirte Entstehung derselben anzunehmen, die durch direktes Zusam- mentreten der Zellen in der mittlern Lage sich einleitet. Um sich davon zu überzeugen, dass die erst auftretenden Harnkanälchen unabhängig von dem centralen Hohlraum, dem Nieren- becken und seinen Aesten, ihre Entstehung nahmen, ist es unerläss- lich, auf die eben beschriebene Entwicklungsphase zurückzugehen, denn bereits Embryonen von 17 mm. Länge zeigen auf Durchschnit- ten der Niere soweit vorgeschrittene Ramifikation des Nierenbeckens und solche Ausdehnung der einzelnen Aeste, dass dieselben nach verschiedenen Richtungen bis zur Peripherie der Niere vordringen, während aller Raum zwischen denselben von Windungen der Harn- kanälchen eingenommen ist; beide Systeme lassen sich darnach in ihren Grenzen am einzelnen Schnitte nicht mehr übersehen und das Urtheil über An- oder Abwesenheit von Communikationen wird er- schwert. So bestimmt ich mich auch für eine isolirte Entstehung der zuerst auftretenden Harnkanälchen erklären muss, darf ich andererseits die Möglichkeit nicht ausschliessen, dass ein etwa vor- handenes zweites System von Kanälchen einen Ursprung nehme, der von der für das erstere geltenden Weise abweiche. Meine Untersuchungen sind für spätere Stadien noch nicht so weit geführt, dass ich über die Ausbildung des gesammten Gewebes der Niere hier Bestimmtes aufzustellen vermöchte. Es möge daher mit dem Angeführten die Beantwortung der Frage nach dem ersten Auftreten der Niere geschlossen werden. Neben der eben berührten Frage war oben noch die zweite aufgeworfen worden, wie im Verlauf der Entwicklung die Trennung des Ureters von dem Wolff’schen Gange vor sich gehe. Da nun die bisher betrachteten Entwicklungsstufen das ur- sprüngliche Verhältniss des Zusammenmündens beider Kanäle noch enthalten, ist es für diese Frage erforderlich, auf ältere Stadien überzugehen. Betrachten wir die Querschnitte aus den Embryonen verschie- denen Alters, die die Einmündung des Ureters in den W olff’schen 246 Dr. C. Kupffer, Gang enthalten, so liegt stets ein Stück des Ureters in der Ebene dieses Querschnittes. Mit vorschreitender Entwicklung ändert dieses Stück, wie ein Blick auf die Figuren 1, 3, 5, 6 lehrt, allmählig seine Lage zum Wolff’schen Gange, indem die Einmündungsstelle versetzt wird. Während bei dem Embryo von 8 mm. Länge, cf. Fig. 1, der Ureter genau im die hintere (dem Rücken zugekehrte) Wand des Wolff’schen Ganges mündet, ist bei dem Embryo von 10 mm. Länge, Fig. 3, diese Stelle bereits etwas nach aussen ge- rückt. — Bei dem Embryo von 13 Mm. Länge liegt die Stelle des Zusammenflusses in der äusseren Wand und — von dort aus ver- folgt — schlägt der Ureter einen nach aussen convexen Bogen, um in die Gegend der Wurzel des Mesenteriums zu gelangen, wo er sich in die longitudinale Richtung aufwärts biegt. — Noch weiter ist diese Dislokation bei dem Embryo von 17 mm. Länge vorgerückt, Fig. 5; die Stelle des Zusammenflusses liegt vorn. Es ist mithin eine Lageveränderung, wie sie eintreten müsste, wenn man den Wolff’schen Gang um 180% gedreht hätte, so dass seine hintere Wand erst zur äussern, dann zur vordern wird, — Durch diese Umlagerung wird der ureter dem sinus urogenitalis ge- nähert, so dass derselbe zwischen den Wolff’schen Gang und die hintere Wand des sinus, in die er sich 'einsenken soll, "zu liegen kommt. Es schliesst sich nunmehr die Communikation zwischen den beiden Gränzen, während sich gleichzeitig die Verbindung zwischen Ureter und dem sinus (von jetzt an oberhalb der Einmündung der Wolff’schen Gänge zu bezeichnen) eröffnet. Die Fig. 6 ist einer Entwicklungsstufe entnommen, bei der die letzte Aenderung bereits vollzogen ist, einem Embryo von 30 mm. Länge. Man sieht, der Querschnitt trifft dieselbe Region, die auch in den Figuren 1, 3 und 5 dargestellt ist, denn der entsprechende Theil der Ureteren fällt auch hier in die Ebene des Schnitts. Die Einmündung der Ureteren erfolgt hingegen nicht in dieser Ebene, sondern tiefer (dem Schwanzende näher). Die letzten „Enden steigen also abwärts und liegen bei ihrer Einmündung hart neben der Mittellinie. — Diese, in der Fig. 6 fehlenden Stücke werden mithin zwischen den Entwicklungsstufen von 17 und 30 mm. Länge neu hinzugebildet, denn die im beiden Figuren sichtbaren Strecken der Ureteren entsprechen sich vollkommen in ihrer Ausdehnung. Dıe Entwicklung dieser letzten Enden beginnt bei Embryonen von Untersuchungen über die Entwicklung des Harn- u. Geschlechtssystems. 247 eirca 20 mm. Länge und erfolgt gleichzeitig in der ganzen Länge derselben. Im Anschlusse hieran weise ich auf das correspondirende Ver- halten der Wolff’schen Gänge hin, wie es sich an demselben Quer- schnitte aus den vier Altersstufen, der zu den Abbildungen benutzt ist, verfolgen lässt: Bei dem Embryo von 8 mm. sind in der Höhe des Zusammen- flusses weder die Wände des Ureters noch des W olff’schen Ganges von der Umgebung isolirt. Bei dem Embryo von 10 mm. (Fig. 3) steckt das Lumen des Wolff’schen Ganges innerhalb eines fast drei- kantigen Stranges, der mit der Basis der hintern Wand der Peri- tonealhöhle aufsitzend, neben dem Darm frei in die Höhle nach vorn hineinrast. f Dieses Verhältniss hat sich bei dem Embryo von 18 mm. Länge (Fig. 5) vollständig gewandt. Zwar der Strang hat noch dieselbe Form, allein er sitzt jetzt der vordern Wand an und ragt nach hinten in die Peritonealhöhle hinem. Beide Stränge bilden also eine Scheide, die den Darm fast seinem ganzen freien Umfange nach vorn und seitlich umfasst. Man sieht daraus, es hat eine solche Drehung um 1809, wie sie aus der Lageveränderung des Ureters geschlossen werden konnte, thatsächlich an dem untern Theile des Wolff’schen Ganges: statt- gefunden. Die fernerweiten Veränderungen bis zu der in Fig. 6 darge- stellten Entwicklungsstufe sind die folgenden: die beiden Stränge nähern sich der vordern Mittellinie und verengen dadurch die Rinne, in der der Darm steckt; gleichzeitig wird die Peritonealhöhle weiter, der Darm tritt zurück und verlässt die Rinne ganz. Nun treten die Stränge median in Berührung und verwachsen eine Strecke weit mit einander zu dem von Thbierscht) so genannten Genitalstrange. In diesem entstehen dann erst die Müller’schen Gänge, die Fig. 6 im Durchschnitte zeigt. Das bleibende Harnsystem geht also bei Säugethieren als Aus- stülpung aus dem Urnierengange hervor. Die Uebereinstimmung, die damit bei Säugethieren und Amphibien dargethan ist, fordert zu 1) Illustrirte medie. Zeitschr. 1852, S. 12. M. Schultze, Archiv f. mikrosk. Anatomie. I. Bd. 7, 248 Dr. C. Kupffer, Unters. üb. d. Entw. d. Harn- u. Geschlechtssystems. einer Prüfung der Angaben Remak’s über denselben Vorgang beim Hühnchen auf und ich will mich bis dahin allgemeiner Folge- rungen enthalten. Meine nächste Arbeit wird jener Prüfung gewid- met sein. Fig. Fig. Fig. Fig. R Erklärung der Abbildungen auf Taf. XV. Schaafembryo von 8 mm. Länge. Querschnitt. e. Epithelium des Darms (Hinterdarms). f. Faserschicht des Darms. p- Peritonealhöhle. s. s. sinus urogenitalis. w. Lumen des Wolff’schen Ganges, in den sinus einmündend. u. Ureter (Nierenkanal im Texte). r. Rest des Epitheliums der verwachsenen fissura urogenitalis. Schaafembryo von S mm. Länge. (Querschnitt, etwas höher. Be- zeichnung der Buchstaben wie bei Fig. 1. Wolff’scher Gang und Ureter sind beide quer durchschnitten. Schaafembryo von 10 mm. Länge. Querschnitt aus derselben Höhe wie.in< Hig.el; e..4, P..3, w,.u wie in Biol, a. arteria umbilicalis. Schaafembryo von 10 mm. Länge. Querschnitt, der das Centrum der Nieren trifft. a, e, f, p, w wie oben. n. n. Nieren. u. erweitertes blindes Ende des Nierenkanals, Nierenbecken. m. Mesenterialgefässe. Schaafembryo von 17 mm. Länge. Querschnitt aus derselben Höhe, wie in Fig. 1 und 3. Bezeichnung wie bei Fig. 3. Schaafembryo von 30 mm. Länge. Querschnitt aus derselben Höhe, wie in Figg. 1, 3 und 5. e, f, m. p, s, u, w wie oben. g. stratum musculare des Darms. M. Müller’sche Gänge. Ueber Phreoryctes Menkeanus Hofm. nebst Bemerkungen über den Bau anderer Anneliden. Von Er. Leydig in Tübingen. Hierzu Taf. XVI-XVII. Die folgenden Blätter enthalten die Naturgeschichte eines im Freien lebenden Wurmes, der, obschon unsrer Fauna angehörig, dabei von nicht geringer Länge, und wahrscheinlich auch nicht all- zu selten ist, denn doch bisher niemals näher untersucht wurde. Es ist die Annelidengattung und Art Phreoryctes Menkeanus Hofm. Der Entdecker dieses Ringelwurmes ist der verstorbene Hof- rath Menke in Pyrmont, der ihn daselbst in einem Brunnen auf- fand. Wir erfahren Solches durch den um die Kenntniss der Lumbrieinen verdienten Hofmeister, welcher das Thier in die Wissenschaft einführte, zuerst unter dem Namen Haplotaxis Men- keana !) später unter der Bezeichnung Phreoryctes Menkeanus. Hof- meister bemerkt ausdrücklich, dass dieser Wurm noch von Nie- mand ausser Herrn Menke lebend beobachtet worden sei und auch an keinem zweiten Standort aufgefunden werden konnte. Vielfache Nachsuchungen in den Quellen des Harzes und in der Umgegend von Berlin bestätigten, dass das Vorkommen des Thieres äusserst beschränkt sem müsse. Selbst an Ort und Stelle bei Pyrmont soll 1) Arch. f. Naturgesch. 1843. Der Name Haplotaxis wurde wieder auf- gegeben, weil er bereits in der Botanik verbraucht war. Die Benennung Phreoryctes (von go&«g puteus und 6evoow fodere) kommt zuerst in der Mono- graphie „Familie der Regenwürmer, 1845“ vor. 250 Fr. Leydig, man nur mit grosser Mühe sich Exemplare verschaffen können, auch sei es nur ein einziger Brunnen, in welchem das Thier lebe. Ich selbst habe die Bekanntschaft unsres Anneliden schon vor sehr geraumer Zeit gemacht. Um die Mitte der vierziger Jahre (1843 oder 1844) schickte mir, als ich dazumal in Würzburg stu- dirte, ein befreundeter Arzt mehrere dieser Würmer lebend. Die auf- fallend langen, schnurdünnen Thiere mit so schön roth durchschim- mernden Blutgefässen hatten sich in dem Schöpfbrunnen eines Dorfes bei Rothenburg a. d. Tauber in grösserer Menge eingestellt und die Aufmerksamkeit der Leute erregt. Die mir zugesendeten Würmer hielt ich so lange für völlig neu, bis mir das Werk Hofmeister’s (Arten der Regenwürmer 1845) in die Hände fiel, aus welchem mir dann die Belehrung wurde, dass der Wurm als Phreoryctes (Haplo- taxis) Menkeana vor Kurzem angezeigt worden sei. Noch einigemal hatte ich das Thier während memes Würzburger Aufenthalts aus der obigen Localität erhalten, aber mein Vorsatz, dasselbe mono- sraphisch zu behandeln, wurde immer wieder durch zufällige Um- stände in den Hintergrund gedrängt. Nach Tübmgen übergesiedelt wurde ich bald mit es gewahr, dass dieser merkwürdige Wurm hier ebenfalls zu Hause sei und zwar wieder in einem Brunnen. Ich führte jetzt meine Ab- sicht, das Thier einer näheren Prüfung zu unterziehen, aus, wozu ich mich um so mehr aufgefordert fühlen musste, als unterdessen sehr wenig Neues zur Kenntniss dieses Anneliden hinzugekommen ist. Das Einzige, was ich in Erfahrung bringe, ist, dass Schlott- hauber im amtlichen Bericht der Göttinger Naturforscherversamm- lung, 1859, eine zweite Art des Genus Phreorycetes beschrieben hat und dabei den Namen in Georyctes umgeändert wissen will, da der Wurm eigentlich in der Erde lebe und nur gelegentlich in Brunnen gefunden werde. Leuckart'), dessen Jahresbericht ich dieses ent- nehme, bemerkt dann weiter hiezu gelegentlich, dass Phr. Menkeanus auch in Giessen „ziemlich häufig‘‘ mit dem Brunnenwasser zu Tage gefördert wird. Da es nun endlich kaum möglich ist, über Bau und Lebens- weise eines Thieres zu handeln, ohne dabei die Organisation der nächstverwandten Geschöpfe in’s Auge zu fassen, um durch ver- gleichende Betrachtung das Verständniss zu fördern, so habe ich da 1) Archiv f. Naturgesch. 1860. Bd. U, S. 117. Ueber Phreoryctes Menkeanus Hofm. 291 und dort den Bau andrer Lumbrieinen und der Hirudineen mit be- rücksichtigt. Aeussere Gestalt. Unser Wurm ist rein walzenförmig, etwa eine hälbe Linie dick, aber über einen Fuss lang‘). Will man die wirkliche Länge des Thieres bemessen, so muss man es in einem mit Pflanzen besetzten, aber sonst nicht weiter bevölkerten Aquarium beobachten. Hier streckt es sich gehörig aus, während es z. B. in einem mit Wasser gefüllten Teller niemals seine wahre Länge entwickelt, sondern haupt- sächlich knäuelförmige Bewegungen macht. Betrachten wir nun das lebende Thier mit freiem Auge oder der Lupe, so bietet sich uns zunächst die Tracht eines ächten Anne- liden dar. Der Leib zerfällt in sehr viele Segmente oder Ringel. Das vorderste oder Kopfsegment spizt sich zum „Kopflappen“ zu, in welchem die obere Portion des Nervenringes liegt. Unter dem Kopflappen befindet sich die Mundöffnung. Das Kopfende erscheint übrigens weniger spitz als das Hinterleibsende, ist auch kaum roth gefärbt, während der übrige Leib zahlreiche rothe Blutgefässe durch- schimmern lässt. Man sieht das Rückengefäss entweder als ununter- brochene rothe Zickzacklinie oder unterbrochen und in Blutpunkte aufgelöst; — die verschiedenen Zustände der Dilatation und Con- traction. Ausserdem machen sich in jedem Segmente zahlreiche hin und her gebogene Gefässschlingen sichtbar. Frisch gefangene Thiere waren am schönsten roth; im Aquarium verblassen sie nach einiger Zeit etwas, wahrscheinlich aus Mangel an passender Nahrung und dadurch verminderter Blutmenge. Legt man die Thiere ins Trockene, so krümmen sie sich heftig zu einem Knäuel zusammen und da jetzt alle Blutgefässe näher zusammengeschoben werden, so nimmt die Röthe des verkürzten Thieres zu. Ausser der rothen Farbe kommt noch wie bei manchen andern Lumbricinen ein lebhaftes Irisiren der Oberfläche hinzu. Was die Stachelborsten anbetrifft, welche man bei greller Beleuchtung des Thieres schon mit freiem Auge, da wo sie etwas 1) Taf. XVI, Fig. 1. 252 Fr. Leydig, hervorgeschoben sind, zu erblicken vermag, so stehen sie zu vier Reihen am Körper herab '). Jedes Segment besitzt ein ventrales Paar und eins, welches stark seitwärts und oben, man könnte fast sagen dorsal sitzt?). Sie beginnen hinter dem Kopfsegment und erstrecken sich bis zum vorletzten Schwanzringel; der letzte Ring sammt seinem zugespitzten Endläppchen entbehrt der Hakenborsten. Regel ist, dass die Hakenborsten zu je 1 stehen; vergleicht man aber verschiedene Körperstücke eines und desselben Individuums miteinander, so bemerkt man bald, dass sie zwar in der Mitte des Körpers an der ventralen Seite gewöhnlich zu 1 stehen, dass sie aber auch zu 2 stehen können; die überzählige scheint die Rolle einer Reserveborste zu haben. Dabei sind sie entweder gleichgross, oder die eine ist, und zwar oft, um vieles kleiner und unentwickelter. Die Borsten scheinen eben einem beständigen Wechsel unterworfen zu sein, daher die Abänderungen in Zahl und Form °). Indessen steht doch die Grösse und Stärke der Hakenborsten in einer gewissen Beziehung zu den verschiedenen Körpergegenden. Sie beginnen hin- ter dem Kopfe klein, werden dann länger und stärker; nach dem Schwanzende zu sinkt wieder ihre Grösse. Dabei zeigt sich ferner 1) Da Obiges mit dem von Grube in seinem Werke: Die Familien der Anneliden, Berlin 1851, ausgesprochenen Zahlenverhältniss m Widerspruch steht, so erlaube ich mir zu bemerken, dass dieser vorzügliche Kenner der Ringelwürmer seine Angabe selbst als einen „Fehler‘‘ gegen mich brieflich erklärt. Ich hatte mir die Freiheit genommen, Thiere in Weingeist und ver- suchsweise auch ein lebendes Exemplar nach Breslau zu schicken. Letzteres konnte im noch lebenden Zustande der gerade versammelten Schlesischen Gesellschaft in einer Sitzung vorgelegt werden. 2) Man rechnet auch die Gattung Chaetogaster zu denen, bei welchen die Bündel der Borsten längs den Bauchseiten einzeilig stehen. Diess ist, wie ich sehe. doch eigentlich nur scheinbar und durch die gewöhnliche Unter- suchungsweise mit dem Deckglas hervorgerufen. Man vermeide das Deckolas, setze etwas Essigsäure zu und es zeigt sich, dass die Borstenbündel in der That jederseits in zwei Bündeln stehen, die allerdings sich so nahe gerückt sind, dass der Druck eines Deckglases sie zum Zusammenfliessen bringen, within einzeilige machen kann. 3) Aehnliches kommt bei andern Lumbrieinen vor. Bei Lumbriculus variegatus erblicke ich überzählige kleine oder Reserveborsten; an Enchytraeus bei Durchmusterung einer grössern Anzahl von Thieren ist gar nicht selten zu sehen, dass unter den vier Büscheln für den einzelnen Ring noch da und dort ein überzähliger Büschel oder auch wohl nur eine einzige Borste, welche ein Büschel vertritt, zugegen sein kann. Ueber Phreoryctes Menkeanus Hofm. 253 als etwas gesetzmässiges, dass die ventralen von Anfang an stärker und länger als die dorsalen sind. Die eigentliche oder Grundgestalt der Stachelborsten ist die sanft Sförmig gekrümmter Gebilde. Etwa in ihrer Mitte zeigen sie eine wulstartige Verdickung. Das freie Ende des einen Stachels ist ziemlich stumpf und gerade, das eines andern kann sich scharf zu- spitzen und fast sichelfürmig krümmen. Auch erscheint nicht selten diese Spitze des sonst gelblichen Stachels tief hornbraun gefärbt. (Ueber Seulptur, Entstehung, Muskeln etc. folgen die Mittheilungen unten.) Bei dem Wechsel der Stachelborsten müssen manche nach in- nen in die Leibeshöhle gerathen; denn nur so erklärt sich eine Er- scheinung, die man längst auch am gemeinen Regenwurm beobachtet hat. Ich sehe nämlich in gleicher Weise bei Phreoryetes im hinter- sten Leibesende mancherlei Detritus, in welchem sich auch abge- storbene Stachelborsten zu Klumpen zusammengeballt haben können !). Lebensweise. Nach der Angabe Schlotthauber’s soll Phreoryctes in der Erde leben und nur zufällig in die Brunnen gerathen. Bis jetzt habe ich keine Erfahrung gemacht, die hierzu als Bestätigung dienen könnte. Jedenfalls müsste die Erde, in der das Thier zu leben hätte, sehr feuchter Schlamm sein, denn es ist der Feuchtigkeit ausser- ordentlich bedürftig. Aus dem Wasser herausgenommen und ins Trockene gelegt, geht es rasch zu Grunde. Einstweilen bleibe ich bei der Ansicht, dass der eigentliche Aufenthalt des Phreoryctes das Wasser und vorzugsweise jenes der Brunnen sei. Alle Exemplare, welche ich früher in Würzburg und auch später in Tübingen erhielt, waren mit dem Wasser aus der Tiefe herausgekommen; um so erfreulicher war es mir, auf einer zoologi- schen Excursion, welche ich im vorigen Herbst (21. Sept.) bei Ro- thenburg a. d. Tauber machte, den Wurm an einer Stelle zu finden, wohin er schwerlich durch Zufall gerathen war. Ich stiess nämlich mitten auf dem Feld auf eine mit einem Stein überdeckte Quelle mit einem Abzugsgraben. In diesem erbeutete ich zwischen dem Gewirr von Wasserpflanzen ein lebendes und zwar sehr grosses 1) Vergl. über Lage und Form der Stachelborsten, Tat. XVI, Fig. 2, 3 und 4. 254 PR 2 Leydig, Exemplar. Welcher Grund soll uns bewegen anzunehmen, dass dieser Annelid nicht eigentlich hier seine Wohnstätte gehabt habe ? Während der Winterzeit habe ich in dem Wasser der Brunnen hiesiger Stadt nichts von unsern Würmern bemerkt, erst beim Ein- tritt milderer Witterung erscheinen sie. Im vorigen Frühjahr (1864) zeigten sie sich am ersten wärmeren Maitag (+ 7°R.); vorher bei andauernd rauher Witterung waren keine zu verspüren. ‘Von .da an mit zunehmender Wärme erhielt ich sie in immer. grösserer Menge; aber nach Mitte Juni wurden sie seltener und vom Juli an liess sich in dem Wasser des Brunnens keiner mehr blicken. In einem Aquarium, dessen Schlammboden . mit mehren grös- sern Stemen bedeckt ist, halten sie sich seit längrer Zeit gut. Meist hatten sie sich unter die Steine zurückgezogen und zwar gerne gesellschaftlich und ineinandergewirrt. Bei kühler Witterung sowie bei Regenwetter blieben sie unter ihren Steinen verborgen, hingegen an recht warmen Tagen (+ 20°R.) sowie bei Gewitterluft krochen sie regelmässig hervor und unruhig hin und her. ‚Im letzten feucht- kalten Sommer waren sie oft wochenlang unsichtbar geblieben. Gegen Mitte Juli wurden die im Mai eingesetzten Thiere etwas matter und heller, wahrscheinlich aus Mangel der rechten Nahrung und viel- leicht auch wegen ungenügender Beschaffenheit des Aufenthaltsortes. Als ich im Herbste von einer Ferienreise zurückgekehrt war, kam im Aquarium kein Phreoryctes mehr zum Vorschein. Ich hatte an- genommen, da sich auch während des ganzen Winters keine Spur von ihnen weiter zeigte, sie seien alle abgestorben, aber am ersten wärmeren Märztage (3. März bei + 7°R) erschienen sie wieder. Ihre Nahrung scheint aus Pflanzenwurzeln zu bestehen. Ich schliesse dies daraus, weil in dem mit Vallisneria besetzten Aqua- rium, in dem sonst ausser einigen Wasserschnecken kein Thier ge- halten wird, nach und nach die einzelnen Pflanzenstücke vom Bo- den sich lösten und in die Höhe stiegen, wobei sich zeigte, dass: sie alle wurzellos geworden waren). Die Bewegungen des Thieres sind schlangenförmig, aber etwas steif und ungelenk, was Jedem auffallen muss, der die Bewe- gung andrer Anneliden des Binnen-Landes kennt. Die Ursache hievon scheint in der dicken Cuticula einerseits und in der dünnen Schicht Ringmuskeln andrerseits zu liegen. 1) Noch im Augenblicke (Juli 1865) sind sie am’ Leben, mithin über Jahr und Tag im Wasser. Ueber Phreoryctes Menkeanus Hofm. 255 Ueber die Fortpflanzung etwas zu beobachten, ist mir bis jetzt nicht gelungen. — Ich gehe jezt über zur Betrachtung des gröbern und feinern Baues. Aeussere Bedeckungen. a. Von Phreoryctes. Dieser Körpertheil setzt sich zusammen aus der Cuticula und ihrer Matrix, aus Drüsen und den Borsten. 1. Cuticula. Sie bildet die äusserste Begrenzung des Thieres und ist verhältnissmässig sehr dick !), wenigstens dicker als bei an- dern mir bekannten Lumbricinen. Auf Querschnitten durch das ganze Thier erscheint sie als heller Saum mit deutlichen Schich- tungslinien. Von Würmern, welche z. B. in einer doppelt chrom- sauren Kalilösung gelegen hatten, kann man sie leicht in grössern Lappen abziehen, die jetzt noch folgende nähere Beschaffenheit er- kennen lassen. Die Oberfläche ist nicht glatt, sondern zeigt zwei feine sich kreuzende Furchenlinien. Dazwischen machen sich abstandsweise kleine Oefinungen bemerklich. Ausserdem unterscheidet man noch auf der freien Fläche, ebenfalls zerstreut, lichtere, rundliche Flecken, über welche die gekreuzten Linien nicht weggehen ?). An Faltungsstellen der Cuticula, also im optischen Durchschnitt, kommen nicht blos wieder die Schichtungslinien zur Ansicht, son- dern auch von den vorhin erwähnten Oeffnungen ziehen sich feme Kanäle hinab zur Matrix; endlich sieht man sehr weite Löcher oder Einsackungen der Cuticula nach innen: es sind in bestimmter Zahl und Vertheilung die Stellen, wo die Borsten heraustreten ®). Von den feinern Kanälen habe ich noch insbesondere zu erwähnen, dass dieselben nicht Porenkanäle in gewöhnlichem Sinne sind, sondern die Durchgangsstellen für die Ausführungsgänge der Hautdrüsen ; man könnte auch sagen: sie sind die Ausführungsgänge selber. Eine Cuticularbildung sind auch die Stachelborsten. Da schon oben über Form, Farbe, Lage und Vertheilung das Nöthige bemerkt wurde, so sei hier nur noch des feineren Baues und der Entstehung gedacht. 1) Taf. XV, Fig. 15, a. 2) Taf X VELHRIEN 10) A, 3) Dieselbe Figur B. 256 Fr. Leydig, Die Oberfläche der Stacheln zeigt, so weit dieselben hervorge- schoben werden, bei guter Vergrösserung eine schuppige Sculptur i), wie sie in ähnlicher Weise am Hautpanzer der verschiedensten Glie- derthiere anzutreffen ist. Ferner lassen sich da und dort innerhalb der Borsten Züge von Längsstreifen unterscheiden; dieselben sind unterbrochen und machen bei genauerem Zusehen den Eindruck von Längsspältchen. An der Basis jüngerer Stacheln treten gerne irisi- rende Farben auf. Was die Entwicklung?) der Stacheln betrifft, so ist soviel ge- wiss, dass sie in sack- oder wenn man will, drüsenartigen Eintiefun- gen der Haut gebildet werden. Die jüngsten stellen sich dar als rundlich ovale, helle Körper, an dem einen Pol mit einer kuppen- artigen Verdickung. Die nächst folgenden zeigen ein spitz ausge- zogenes Ende des hellen Körpers und dieses abermals von einem jetzt schon deutlich stachelähnlichen Ueberzug umhüllt. Diese und die anschliessenden Bilder bis zum fertigen Stachel lassen sich als Chi- tingebilde deuten, welche durch Abscheidung und Schichtung von einer einzigen Zelle her ihren Ursprung nehmen. Es ist mir aber bis jetzt nicht geglückt einen Kern in dem primären hellen, als Zelle anzusprechenden Körper wahrzunehmen, wesshalb ich letztern eher als eine papilläre Erhebung der Matrix ansehe, welche durch Abscheidung den Stachel erzeugt. Jedenfalls wäre der Unterschied, ob der Stachel seine Entstehung dem Territorium einer einzigen Zelle verdankt, oder mehren Zellenbezirken, nicht sonderlich hoch an- zuschlagen. Die Entstehung der Stachelborsten in drüsenähnlichen Säcken der Haut als ein Abscheidungsproduct oder Cuticularbildung der das Säckchen auskleidenden Zellen giebt ein neues belehrendes Bei- spiel zu der von mir vorgetragenen Ansicht ?), dass zwischen eigent- lichen Drüsensecreten und den festen erstarrten Cutieularbildungen kein wirklicher Unterschied stattfindet. (Bei Lumbriculus variegatus und Stylaria proboscidea habe ich das Hervorbilden der Stachelborsten aus solchen drüsenähnlichen Säcken in gleicher Weise beobachtet.) 2. Matrix der Cuticula. Dieselbe bietet an sich nichts Besonderes dar, indem sie aus kleinen Zellen besteht, welche beim 1) Tat. XyYIl, Big. 9; Ri 15: Fig. 17. 2) Rat. XVII Fig. A: 3) Vom Bau des thierischen Körpers 9. 44. Ueber Phreorycetes Menkeanus Hofm. 257 Abziehen der Cuticula vom frischen Thier in grosser Ausdehnung an dieser anhaften bleiben. Ihr Protoplasma ist fein granulär und ziemlich dunkel. An Thieren, welche mit Reagentien behandelt wurden, lässt sich bezüglich der Lagerung im Näheren sehen, dass die Zellen in gewissen schmalen ring- ‚oder gürtelförmigen Linien inniger aneinander haften, wohl im Einklang mit den zahlreichen durch Muskelthätigkeit entstehenden Ringen der Körpersegmente. Bemerkenswerth ist übrigens noch, dass sich die Zellen an Thie- ren, welche in einer doppelt chromsauren Kalilösung lagen, nach un- ten in sich ausfasernde Fortsätze verlieren. Zellen, welche zufällig ihr unteres Ende nach oben kehrten, liessen vier solcher Fortsätze unterscheiden, welche wie von vier Ecken ihren Ursprung nahmen. An der Oberlippe sind diese Zellen um vieles verlängert ; sie bilden dort, wenn man die herkömmliche Bezeichnung hiefür anwendet, ein Cylinderepithel !). Wie als Modificationen der Cuticula die Stacheln namhaft zu machen waren, so sind jetzt als eine Abänderung der Elemente der Matrix gewisse Hautdrüsen anzuführen. Man unterscheidet dieselben besonders leicht am Kopfende als markirte Körperchen; sie haben gerne ein compactes Aussehen und brechen das Licht stärker als die gewöhnlichen Zellen der Matrix. Am vordern Körperende stehen sie in grösster Menge und ohne be- sonders bemerkbare Gruppirung über das ganze Körpersegment weg; an den übrigen Körpersegmenten bilden sie entweder ein oder zwei Ringzonen ?). An den Segmenten gegen die Mitte des Körpers zu unterscheide ich jedenfalls zwei Drüsengürtel. Obschon es dem ersten Blick nach den Anschein hat, als ob an solchen Drüsengür- teln Drüse unmittelbar an Drüse sich reihte, so wird man doch bei genauerem Zusehen inne, dass zwischen den einzelnen Drüsen noch die gewöhnlichen Zellen der Matrix sich hinziehen. Jede dieser Drüsen ist ein Säckchen, dessen Ausführungsgang einer der oben erwähnten Kanäle der Cuticula ist ?). Sehr schön lässt sich diess an Thieren sehen, welche frisch in Alcohol geworfen, dann mit Essigsäure, schliesslich mit Glycerin behandelt wurden. Durch 1) Taf. XVII. Fig. 9, a.; Fg.15, b (Matrix im Ganzen); Fig. 10,C (Ele- mente isolirt). 2), Taf.PXVYIL,Eie.-9;.b; 3) Taf. XVII, Fig. 10, D. 258 Fr. Leydig, Erweichung und Quellung der Cutieula sind jetzt die Kanäle nicht blos sehr klar geworden, sondern auch ihr Zusammenhang mit den Drüsensäckchen tritt scharf hervor. Der Inhalt der Drüsen ist in frischem Zustande eine homogene, etwas glänzende Substanz: und der Inhalt ist es, welcher das vorhin schon erwähnte gezacktrandige Aussehen bedingt. Nach Behand- lung mit Reagentien zeigt das Säckchen anscheinend eine sehr dicke Wand, indem man deutlich zwei Linien, eine äussere und eine innere unterscheidet?). Noch meine ich etwas an den Drüsen bemerkt zu haben, was im Verein mit dem von mir an den gleichen Organen beim Regen- wurm Beobachteten weiter verfolgt zu werden verdient. An Schnitt- und Zerzupfungspräparaten ist es mir nämlich mehrmals vorgekom- men, wie wenn feine Züge einer blassen Substanz — vermuthungs- weise Nerven — an die Säckchen herangingen ?). Selbst am frischen Thier nach methodischem Druck wollte es mir scheinen, als ob an die Säckchen feine Nervenfäden sich ansetzten. Doch ist eben in frischem Zustande die nervöse Substanz so zart, dass bei der Schwierigkeit des Gegenstandes überhaupt eine ganz sichere Beobach- tung bis jetzt unmöglich war. b. Vonandern Lumbricinen. An das im Voranstehenden über die Haut von Phreoryctes Mitgetheilte schliesse ich jetzt Beobachtungen über das gleiche Or- gan anderer Lumbricinen an, um dadurch vielleicht einige Verglei- ehungspunkte zu gewinnen. 1. Lumbricus. Zumeinen Bemerkungen °) über die Cuticula habe ich nachzutragen, dass sich auch hier über die Oberfläche des Oberhäutchens weg ein sich kreuzendes Streifensystem erstreckt, das auf Furchungslinien zu beziehen ist. In den Kreuzungsstellen öffnen sich wieder die Kanäle der Hautdrüsen. An der Oberlippe zeigt die Cuticula insofern eine «ewisse Besonderheit als (bei L. agricola, Hofm.) am umgeschlagenen Rand eine Art Differenzirung in hel- lere und dunklere Abtheilungen erkennbar ist. Die Zellen der Matrix sind abermals an der Oberlippe um vieles 1). Tai NL, Bin. 12, Adge. 2) Dieselbe Figur bei d. ' 3) Zeitschrift f. wissensch. Zool. 1849. S. 103. Ueber Phreoryetes Menkeanus Mofm. 259 länger als am übrigen Körper; dabei schmal, eylindrisch und ihr unteres Ende geht in feine Fäserchen aus!). Hält eine Gruppe solcher Zellen noch in natürlicher Lage zusammen, so zeigt sich da- durch nach unten ein dichtes feinzaseriges Wurzelwerk, und was mir noch besonders bei Behandlung mit Kali bichromieum auffällt, in den Zwischenräumen des letztern sind ausserdem sehr kleine, strahlige Körper oder Krümeln vorhanden. Hautdrüsen erstrecken sich wieder über den ganzen Körper und scheinen wie bei Phreoryctes an gewissen Stellen gehäuft zu stehen. Ihre Gestalt ist nicht überall die völlig gleiche. Am Schwanz- ende z. B. sind es rein kugelige Beutelchen ‘und die Ausführungs- gänge sind die erwähnten Kanäle in der Cuticula. An der Ober- und Unterlippe aber haben sie wohl in Anpassung an die verlänger- ten Zellen ihrer Umgebung, eine längliche Gestalt angenommen, wo- bei der Kern ganz hinten liegt. An diesen Drüsen des Kopfes habe ich aber, wie schon vorhin angedeutet würde, noch eine Beobachtung gemacht, die mir von In- teresse ist. Zerzupfungspräparate aus Thieren, welche in verdünnter Lösung von doppeltchromsaurem Kali lagen, zeigen deutlich, dass sich die Drüsen in einen dünnen körnigen Strang fortsetzen ?), oder wenn man will, dass sich ein fein granulärer Strang an das Ende des Drüsensäckchens anheftet und dieser Strang hat den Habitus eines nervösen Streifens. In der frischen Haut des Kopflappens ®) heben sich die Drüsen als helle scharf gerandete, das Licht stark brechende Körper ab *®). 1) Taf, XVJI, Fir. 12, B, a, ;ıc. 2) Die letzt ceitirte Figur: b, d. 3) Tat. XVII, Fig. 13, b. 4) Verschieden hievon sind an derselben Stelle (vergl. Taf. XVII, Fig, 13, e) und unter gleichen Umständen blasse rundliche Flecken wahrzu- nehmen, welche um das fünf- und sechsfache grösser als die obigen ein- zelligen glänzenden Körper und oftmals durch Pigmente abgegrenzt er- scheinen. Ich vermuthe, dass diess die Aequivalente der von mir bei den Egeln entdeckten Organe sind. (Meine Tafeln zur vergleichenden Anat. Taf. II, Fig. 5, e; Taf. II, Fig. 1; Taf. V.) Die weitere Untersuchung ist mit den äussersten Schwierigkeiten verbunden; alles was ich noch sah, war eine gewisse Zusammensetzung der hellen Flecken aus grössern blassen Zellen, Es spricht nicht gegen die Deutung, welche ich fraglichen Flecken geben möchte, dass sie nicht blos am Kopf, sondern auch selbst am Schwanzende vorkommen. Denn auch bei Egeln sind ja die genannten becherförmigen Organe nicht auf das Kopfende beschränkt. 260 Fr. Leydig, 2. Lumbriculus (L. variegatus, Mäll.). Cuticula mit feiner rautiger Zeichnung. Zellen. der Matrix am Kopf länger als am übrigen Körper. Auf der Cuticula feine (Tast-)Borsten am ganzen Körper, am Kopf meist truppweise stehend. Siehe meine Tafeln z. vergleichend. Anatomie. Taf. IV. Fig. 6. 3. Enchytraeus. Cuticula an der Oberlippe mit besonderer Höckerbildung, was ich an einem andern Orte (Tafeln z. vergleichend. Anat. Taf. IV, Fig. 4, a) bereits dargestellt habe. Zellen der Matrix auch hier an der Oberlippe länger als am übrigen Körper. Ueber die Hautdrüsen siehe meine Angaben im Arch. f. Anat. u. Physiol. 1862, S. 94 u. Tafeln z. vergl. Anat. Taf. IV, Fig. 2 u. 4. 4. Saenuris (S. variegata. Hofm.). Cuticula mit kurzen, feinen (Tast-)Borsten. Zwischen den Matrixzellen am Kopf, dann auch zerstreut am übrigen Körper die Hautdrüsen in Form glänzender scharf markirter Gebilde. 5. Nais (N. elmguis Mäll., N. [Stylaria] probosceidea Mält.). Cutieula mit den Tastborsten. Am Kopfe die glänzenden birnförmi- gen Körperchen, welche ich auf Hautdrüsen beziehe. 6. Chaetogaster. Auch hier fehlen weder die Drüsen noch die Tastborsten. Letztere sind abermals wieder vornemlich am Kopfende, dann auch am Schwanzende, wenn schon an diesem Orte etwas we- niger lang, entwickelt; über den ganzen übrigen Körper kommen sie zerstreut vor. Aus Voranstehendem erhellt, dass bei unsern einheimischen Lumbrieinen und Naiden in der Haut eigenthümliche Körper von kolbiger oder zackiger Gestalt vorkommen, welche zwischen den gewöhnlichen Zellen der Haut liegen und indem sie das Licht stark brechen, als scharf markirte glänzende Gebilde sich darstellen. In gehäufter Menge stehen sie am Kopf, während sie am übrigen Körper mehr vertheilt zu sein pflegen. Die Organe, um welche es sich handelt, sind meines Wissens bisher wenig beachtet worden; es ist wahrschemlich, dass die von d’Udekem bei einigen Naiden bemerkten „warzenartigen Hervor- ragungen der Haut‘ fragliche Gebilde sind; gewiss ist, dass Buch- holz!) sie bei Enchytraeus bemerkt und als ‚Tastkörperchen‘‘ be- 1) Beiträge zur Anat. der Gattung Enchytraeus nebst Angabe der um Königsberg vorkommenden Formen derselben. Schriften der physikalisch- ökonomischen Gesellschaft in Königsberg. Jhrg. III, 1862. Ueber Phreoryctes Menkeanus Hofm. 261 schrieben hat. Was von genanntem Beobachter über ihre Lage „unter der Cuticula“ und „in der Epidermis“ (so nennt er, was ich Matrix der Cuticula heisse), sowie über ihre Vertheilung berich- tet wird, stimmt mit meinen Wahrnehmungen gut überein. Was ihm aber entgangen ist und doch ganz wesentlich erscheint, ist, dass die kolbigen und zackigen Körper nicht selbst Zellen sind, sondern nur ein ziemlich stark glänzender Zelleninhalt. Was bedeuten diese Gebilde ? Nach dem, was ich über den feinern Bau bei Phreoryctes und Lumbrieus auseinandergesetzt, sind sie morphologisch als einzellige Drüsen anzusprechen, wie ich sie denn auch in meinen Tafeln zur vergleichenden Anatomie so genannt habe. An beiden vorhin be- zeichneten Würmern liess sich deutlich erkennen, dass sie Säckchen vorstellen mit einem Nucleus und dass ihr Ausführungsgang zu einem sogenannten Porenkanal der Cuticula wird. Buchholz ist geneigt siein eine’gewisse Beziehung zum Tastsinn zu stellen, wegen ihrer Verbreitung in der Haut und namentlich wegen ihres zahl- reichen Vorkommens in der Oberlippe; wobei er auch nicht unter- lässt, darauf hinzuweisen, dass vom vordern Theil des Kopfganglions zwei ziemlich beträchtliche Nervenstämme abgehen, welche sich in die Substanz der Oberlippe verbreiten. Ich selber hatte mitzuthei- len, dass ich Streifen von wahrscheinlich nervöser Natur an diese „Hautdrüsen‘“ übergehen sah! Alles zusammen gerechnet könnte uns zu dem Gedanken führen, dass man es mit Sinnesorganen zu thun habe, welche unter dem Bilde einer Drüse auftreten. Muskelsystem. 1. Nach seiner Anordnung überhaupt. Die Stammmusculatur zeigt in ihrer allgemeinen Gruppirung und in ihrer Beziehung zur Haut dasselbe, was man seit Langem von den Anneliden überhaupt weiss. Es bildet nämlich dies Organ- system einen Schlauch, der unmittelbar mit der äussern Körper- bedeckung verbunden, eigentlich einen Hautmuskelschlauch vorstellt, durch dessen Zusammenziehungen die „Wurmbewegungen“ ausgeführt werden. Auf dem optischen Längsdurchschnitt des frischen Thieres lässt sich überzeugend sehen, dass zwischen den Matrixzellen der Cuticula und den Ringmuskeln keine weitere Hautschicht zu- 262 Fr. Leydig, gegen sei, sondern dass die Zellen den Muskelfasern unmittelbar anliegen. Der Muskelschlauch besteht aus einer äussern oder Ringfaser- und einer innern oder Längsfaserschicht. Erstere oder die Ring- faserschicht 1) ist um vieles aünner als die Lage der Längsfasern und es kann mitunter den Anschein haben, als ob sie fehle; allein ich habe sie nicht blos am vordern Körperende, bis über den ersten Ring hinaus, deutlich gesehen, sondern auch am Schwanzende, wo sie allerdings schon um vieles zarter geworden ist, endlich auch aus mittleren Körperpartien, so dass sie eben wohl nirgends mangelt. Die schon oben erwähnten etwas steifen Bewegungen des Thieres mögen auch zum Theil mit der geringen Ausbildung der Ringmus- keln zusammenhängen. Zerschneidet man ein Thier, das in starkem Weingeist gelegen, in feine Scheiben und hellt diese durch Essigsäure auf, so lassen sich noch andere Sonderungen dieser Stammmusculatur beurtheilen. Erstens zeigt sich, dass die Längsmuskeln ?) an der Bauch- seite viel dickere Lagen bilden als an der Rückenseite. Die Dicke der Musculatur nimmt vom Bauch zum Rücken stetig ab. Zweitens gewahren wir, dass sich gesammte Stammmuseculatur in eine Bauchschicht mit mittlerer dem Bauchmark entsprechender Einkerbung, ferner in zwei, ebenfalls halbirte Seitenschichten und endlich in eine ungetheilte Rückenschicht gliedert °®). Es steht dieses in einer gewissen Uebereinstimmung mit der Anordnung des Muskel- systems bei den Arthropoden, zu denen ja bekanntlich die Ringel- würmer die nächste Verwandtschaft haben. Besondere Abzweigungen von der Stammmusculatur sind: 1) Die Muskeln der Borsten. An das blinde Ende der Haut- einstülpung innerhalb welcher die Borste liegt, setzen sich in strah- liger Gruppirung zahlreiche, von den Längsmuskeln sich ablösende Züge an, welche in Vorwärtszieher und Rückwärtszieher zerfallen ®). Bei eingezogener Borste haben die letztern ein lockig gekrümmtes Aussehen. Davon verschieden ist ein längerer Muskelbündel, welches von aussen quer herüber zur Mündung der die Borste bergenden 1) Taf KNVIL Wig.s1b, ne; 2) Die letzt eitirte Figur d. 3) Taf, XVI, Fig. 4, .b. 4) Taf. XVII, Fig. 9, d. Ueber Phreoryetes Menkeanus Hofm. 263 Einsackung geht. Noch ist zu erwähnen, dass sich voranstehende Aufzählung vorzüglich auf die Borsten der Bauchseite bezieht; bei den der Rückentläche genäherten Borsten ist die Musculatur sehr unbedeutend entwickelt. 2. Im Kopf, in der Oberlippe, hinter dem Gehirn, sowie na- mentlich um den Schlundkopf herum findet sich eine Museulatur, welche durch mannichfache Verflechtungen en sehr complicirtes Aus- sehen hat. Als grössere einheitliche Muskeln erscheinen Züge, welche von der Stammmuseulatur schräg nach vorne zum Schlundkopf ge- hen und Zurückzieher (M. retractores) vorstellen. 3. Die sogenannten Diaphragmen, welche zahlreieh von der Leibeswand zum Darmrohr sich herüberziehen, sind ebenfalls mus- kulös und ihre Elemente gehen deutlich in jene der Muskelhaut des Darmkanales über. 9. Nach seinem feinern Bau. Sieht man auf das histologische Verhalten ') der Muskeln, so ergiebt sich, dass nicht alle Fasern den gleichen Grad der Differen- zirung an sich tragen, sondern dass hierin bemerkenswerthe Unter- schiede vorhanden sind. Ich habe mir folgende Abänderungen ange- merkt. a) Die einfachste Muskelfaser ist eine nach zwei Seiten aus- gewachsene Zelle, mässig lang und breit, dabei vollkommen platt und homogen, die Ränder gerne gezähnelt. Muskeln dieser Art habe ich auch vom Bauchmark des Lumbrieus agricola bereits abge- bildet 2). b) Fasern von den gleichen Eigenschaften können um vieles breiter und länger geworden sein. An solchen sah es mitunter an Zerzupfungspräparaten nach Einwirkung von Kali biehromicum aus, wie wenn der Kern in einem knospenförmigen Auswuchs der sonst ganz platten Faser liege. e) Die bisher homogene Faser hat sich in Rinde und Mark geschieden; dabei ist sie dicker geworden und der Querschnitt zeigt die allmähligen Uebergänge vom Bandartigen zum Cylindrischen. Auf dem Querschnitt erscheint ferner das Mark nicht selten mit zackigen oder gebuchteten Rändern. Gegen die beiden Endpunkte hin ver- 1) Taf. XVI, Fig. 8, A, B, C, D. 2) Tafeln zu vergleichenden Anat. Taf. IV, Fig. 8, 1. M. Schultze, Archiv f. mikrosk. Anatomie. I. Bd. 18 264 Fr. Leydig, schwindet gerne bezeichnete Sonderung und die Faser ist hier wieder rein platt und homogen. Die Mehrzahl der Elemente der Längs- musculatur ist von dieser Art!). d) Es giebt Muskeln mit Andeutung oder Spuren von (Quer- streifung. Letztere kann einen doppelten Grund haben, indem sie einerseits durch eine beginnende Sonderung der Rinde bedingt ist und sich dadurch an die eigentlich quergestreifte Muskelsubstanz der Arthropoden und Wirbelthiere annähert. Diese Erscheinung lässt sich schon an Muskeln aus lebenden Würmern, bequemer nach Reagentien wahrnehmen. Völlig davon verschieden ist anderseits eine Art Querstreifung, welche durch feine Faltenbildung einer besondern Hülle, des Sarkolemma’s, entsteht. e) Ein häufiges Vorkommniss ist, dass Muskelfasern an Stellen, wo die Muskeln sich mannichfach verflechten, wie besonders an dem beweglichen Kopfende sich theilen und in ein wahres Wurzelwerk sich auflösen. Bezüglich der an stärkeren Muskelfasern (Muskelcylindern) vor- kommenden Hülle, Sarkolemma, habe ich z. B. an den Muskeln des Pharynx wahrgenommen, dass zwischen ihr und der Muskelsubstanz eine körnige Masse sich ausbreitet und nach Behandlung mit Kali bichromicum und guter Vergrösserung gelingt es zu sehen, dass darin in Abständen kleine rundliche Kerne sich finden?). Diese Wahrnehmung würde dafür sprechen, dass auch das Sarkolemma der Anneliden nicht als Cutieula der Einzelzelle (Muskelzelle) anzu- sehen, sondern gleich dem Sarkolemma an den sogenannten Primitiv- bündeln der Arthropoden und Wirbelthiere als Abscheidungsproduet einer besondern granulären Schicht?) zu betrachten ist. An den Borsten geht das Sarkolemma der Muskeln in sehnen- ähnliche Gebilde über. Hat man nämlich das hintere Ende einer noch im Leibe befindlichen Borste zur Ansicht, so zieht ‘sich um dasselbe eine gewisse zackig streifige Zone*). Dies ist bei näherer 1) Auch beim gemeinen Regenwurm, dessen Muskelfasern ebenfalls bandartig platt und am Rande gezähnelt sind, ist es verhältnissmässig selten, dass sich eine Spur körniger Achsensubstanz zeigt. Selbst auf Querschnitten und mit Essigsäure behandelt, sehen sie fast immer nur homogen aus. 2) Taf. IRV],- Fig 8/D, EHE 3) Leydig, vom Bau des thier. Körpers S. 72, S. 82, 4) Taf. XVII, Fig..11, B. Ueber Phreoryetes Menkeanus Hofm. 265 Prüfung ein sehniger Apparat, gebildet von den dicht zusammen- liegenden und strangartig verjüngten Hüllen der Muskeleylinder. Sie verschmelzen an dieser Stelle mit dem blinden Ende der die Borste erzeugenden Einsackung. Nervensystem. 1. Gehirn, Bauchmark, Nerven nach Form und Lage überhaupt. Um sich das Nervensystem im Ganzen und nach seiner Lage zur Anschauung zu bringen, verfährt man am besten so, dass man das Thier etwa einen Tag lang in starkem Weingeist härtet, darauf ebenso lange in Essigsäure legt und endlich die dadurch bezweckte Aufhellung durch Glycerin noch erhöht. Das nächste Ergebniss, welches man auf derartige Weise ge- winnt, ist, dass das-Nervensystem unsers Anneliden im Wesentlichen, d. h. in der Form des Gehirns und Bauchmarkes, mit andern Lum- brieinen, die bereits näher untersucht sind. übereinstimmt. Ich durchgehe jetzt die einzelnen Partien in besonderem Hin- blick auf das, was ich über dieses Organsystem bei mehrern unsrer einheimischen Lumbrieinen ermittelt habe). Die obere Portion des Schlundringes oder das Gehirn liegt sehr weit nach vorne, fast in der Spitze '(Oberlippe) des Kopfes), ist an durchsichtig gemachten Individuen mit der Lupe schon sehr gut als weissgrauer Körper zu unterscheiden und zeigt bei stärkerer Ver- grösserung) die Form einer rundlich viereckigen Masse mit ganz schwacher mittlerer Einkerbung am Hinterrand. Es entfernt sich dadurch erheblich von der Gehirnform bei Lumbricus, Lumbriculus, Nais,, Chaetogaster, wo überall die beiden Hälften des Gehirns sich mehr, zum Theil stark, absetzen und nähert sich dem von Enchy- traeus latus ®). Hingegen stimmt unser Wurm hinsichtlich der von der obern Hirnportion kommenden Nerven mit seinen nächsten Verwandten überein. Von der vordern Ecke entspringt wie bei den genannten Lumbricinen ein starker Nerv, welcher der Oberlippe bestimmt ist. 1) Vergl. mein Buch: Vom Bau d. thier, Körpers, Bd. T. 2) Taf. XVI, Fig. 2. 8) ‚Taf. XVI, Fig. 5, a. 4) Meine Taf. z. vergl. Anat. Taf. IV, Fig. 2. 266 Fr. Leydig, Und wie dort ist er gleich an seiner Wurzel gegabelt, so dass er in gewissem Sinne zwei Stämme vorstelit; weiter nach aussen folgt wieder eine Theilung, deren Enden quer herüber zur Haut der Ober- lippe gehen, unmittelbar unter die Cylinderzellen heran, ohne dass ich im Stande wäre sie weiter zu verfolgen. Die den Schlundkopf umgreifenden Commissuren!) sind ver- hältnissmässig sehr lang. Bei der ersten Besichtigung will es scheinen als ob hier keine Nerven abgingen, nach und nach aber, indem man die Präparationsweise vermannichfacht, namentlich mässigen Druck und Isolirung der Theile zu Hülfe nimmt, wird man inne, dass sich auch bei Phreoryctes ganz ähnliche Verhältnisse wieder finden, wie ich sie namentlich von Enchytraeus, Chaetogaster und Lumbrieus beschrieben habe. Es entspringt von der inneren Seite der Commis- - suren eine ganze Anzahl — ich zähle jederseits wenigstens vier — — Nerven, welche in die Musculatur des Schlundkopfes eintreten, dabei sich theilen und auch gangliöse Anschwellungen erkennen lassen ?). Die unterhalb des Schlundkopfes gelegene Partie, in welche die Commissuren zusammenfliessen und welche den Anfang des Bauch- markes bildet, hat im Klemen dieselbe Form, welche die ent- sprechende Portion des Schlundrings bei Lumbrieus im Grossen zeigt. Von abgehenden Nerven habe ich jederseits nicht mehr als einen Stamm unterscheiden können, welcher, nach vorne sich wendend, bald in zwei zerfällt. Nach dem, was ich über die Zahl der Nerven an die- ser Stelle bei Lumbrieus gesehen habe, wird mir wahrscheinlich, dass meine Beobachtung an Phreoryctes hierin unvollständig ist. Das Bauchmark ®) selber, in der Mittellinie des Körpers, unter dem Nahrungskanal bis zum hinteren Körperende berabziehend, zeigt in seiner Tracht noch die meiste Verwandtschaft mit dem von Lum- brieus. Es entwickelt während seines Verlaufes zahlreiche, schwach längsovale Knoten, die sehr allmälig anheben und ebenso wieder abschwellen. Dabei lässt sich bemerken, dass vom dritten Knoten an (die untere Portion des Schlundrings als erste mitgerechnet) je ein längsovaler Knoten m seiner Mitte jederseits eine allerdings 1) Taf. XVI, ‚Fig. 5, 2) Letztgenannte Figur 5, bei b. 3) Taf. XVI, Fig. 2, a; Fig. 5, e. Ueber Phreoryctes Menkeanus Hofm. 267 kaum angedeutete aber doch erkennbare Einbuchtung hat, so dass je eine vordere und hintere Abtheilung zu unterscheiden wäre. Diese Bildung hängt wohl, wenn wir auf Lumbricus, wo sie fehlt, hinblicken, mit den Seitennerven des Bauchmarkes zusammen. Bei Lumbricus gehen die zwei Seitennerven hart nebeneinander aus der Anschwellung ab, bei Phreoryctes hingegen stehen beide weit auseinander, so dass sich dadurch die jedesmalige Anschwellung des Bauchmarkes für jedes Paar noch einmal zu gliedern hat. Von diesen aus der Anschwellung kommenden Seitennerven geht der vordere in seiner ganzen Masse, also ungetheilt zur Stamm- musculatur und löst sich dort erst in zahlreiche Zweige auf. Der hintere nimmt zwar ebenfalls diese Richtung, aber er gibt noch zu- vor einen starken Ast ab, welcher unter fast rechtem Winkel nach hinten abgeht und bald nach seinem Ursprung eine gangliöse An- schwellung erzeugt. Denselben weiter zu verfolgen gelang nicht. Auch dieser Nerv hat bei Lumbricus — man vergleiche die von mir a. a. O. gegebenen Zeichnungen — sein Homologon. Und eben so wie beim gemeinen Regenwurm zwischen den gangliösen An- schwellungen noch je ein feinerer Nerv abgeht, so treten auch bei Phreorycetes jederseits zwei solcher zarten Seitennerven aus dem Raume zwischen den ovalen Anschwellungen. Am Schwanzende !) erscheint das Bauchmark m seiner Gestalt etwas abgeändert. Indem nämlich die gangliösen Anschwellungen dieht hinteremander rücken, kürzer werden und sich mehr wölben, so entsteht eine gegliederte Form, wie ich sie an der Endpartie des Bauchmarkes bereits bei andern Lumbrieinen wahrgenommen ?). 2. Histologisches. Die Ganglienkugeln der nervösen Substanz haben eine geringe Grösse, sind membranlos und in ihrem Protoplasma mar- kiren sich sehr allgemein mehre feine Pünktchen von Fettglanz. Letztere gewahrt man nicht nur im Gehirn und Bauchmark, sondern auch in den kleinen peripherischen Ganglien, so z. B. in der An- schwellung des von der vordern Ecke des Gehirns abgehenden Ner- ven und in dem Ganglion, welches der nach rückwärts gewendete 1) Taf. XVI, Fig. 7. 2) Vom Bau des thier. Körp. 5. 144. 268 Fr. Leydig. Ast der Seitennerven des Bauchmarkes erzeugt; der Knoten erscheint am frischen Nerven dadurch stark _dunkelkörnig. Was die Nervenfasern betrifft, so verhält sich Phreoryctes wie die andern Lumbrieinen. Anstatt eigentlicher sogenannter Pri- mitivfasern erkennt man nur fibrilläre Punktsubstanz und feine Fä- serchen. Die so merkwürdigen dunkelrandigen medianen Nerven, wie ich sie z.B. von Lumbrieus, Lumbrieulus ete. erörtert, vermag ich hier bei Phreoryctes an frischem Bauchmark nicht deutlich zu unter- scheiden, aber nach Reagentien erkenne ich doch einen mittleren, etwas dunklern Strich, der mir auf eine ähnliche Bildung hinzuweisen scheint ?). In der Vertheilung und Lagerung der beiderlei nervösen Ele- mente sehe ich dasselbe wieder, was ich von andern Lumbrieinen beschrieben habe. Am Gehirn liegen die’ Ganglienkugeln nach oben und erzeugen die Anschwellung. In den Commissuren um den Schlundkopf liegt nur fibrilläre Substanz, welche sich theilt, um einer- seits ins Bauchmark sich weiter zu erstrecken, andrerseits den eigen- thümlichen Bogen nahe dem Vorderrand der untern Hirnportion zu bilden ?2). Im Bauchmark ziehen die Ganglienkugeln continuirlich von vorne nach hinten und erzeugen durch locale Anhäufung die zahl- reichen Anschwellungen, dabei immer hauptsächlich der ventralen Seite des Bauchmarkes angehörend. Das Neurilemm) zerfällt in ein inneres, von mehr heller, homogener, derberer Beschaffenheit und in ein äusseres, welches von weicher und zelliger Natur ist. Im äussern Neurilemm unterscheidet man bei näherem Zusehen Längsstreifen, die Den, welcher mit den Verhältnissen bei grösseren Ringelwürmern vertraut ist, sofort an Muskeln erinnern. Fertigt man Querschnitte an, nach der von mir früher bezeichneten Weise, so lässt sich mit Sicherheit, sehen, dass Phreoryctes auch darin mit andern Ringelwürmern übereinstimmt, dass zwischen innerm und äusserm Neurilemm Längsmuskeln. ver- laufen. An eben solchen Querschnitten stellt sich auch deutlich dar, dass die zwei Längsstränge sich gesondert erhalten, und. nicht zu einem einzigen zusammengeschmolzen sind. 1) "Pat. XVI.Bi9.:6. e. 2) Vergl. a. a. O. (Bau d. thier. Körper) z. B. S. 158. 3) Taf. XVI, Fig. 6,a,b; Taf. XVII, Fig. 15,g (Muskeln des Neurilemms). Ueber Phreoryctes Menkeanus Hofm. 269 Betrachtet man das unverletzte Bauchmark mit guter Ver- grösserung; etwas genau, so gewahrt man ferner anscheinende Spält- chen !), zahlreich in der Mittellinie sowie auch in den beiden Sei- tenhälften. Da bei der Veränderung der Focaleinstellung sich lichte Streifen von den anscheinenden Lücken wegziehen, so möchte ich vermuthen, es seien ebenfalls Muskeln im Querschnitt; vielleicht ver- gleichbar den senkrecht aufsteigenden Muskeleylindern im Gehirn und den Ganglien der Hirudineen ?). Das Neurilemm der. Nervencentren ist ohne besondere Blut- gefässe °). Verdauungsorgane. Wie bei andern Lumbricinen verläuft der Darmkanal einfach serade, ohne Windungen zu bilden, von vorne nach hinten. Mund und After finden sich an den beiden entsprechenden Körperenden. WsDer’ Warmkanal’nach seiner Gliederung im allgemeinen. Die Mundöffnung*) unterhalb der Oberlippe gelegen ist nach innen, am Uebergang zum Sehlundkopfe, mit querabgeschnittenen, im Kreise stehenden Papillen versehen, so dass der Anfang des Schlundkopfes gewissermassen das Bild einer erenelirten Mauer gibt’). Der Schlundkopf, von sehr fleischiger Beschaffenheit, zer- fällt in eine vordere und eine hintere Abtheilung ; beide grenzen sich nicht blos schon bei geringer Vergrösserung durch eine äussere tiefe Furche und Einspringen der Wand nach innen von einander ab, sondern auch die Musculatur zeigt in den beiden Abtheilungen ihre Besonderheiten ®). Der jetzt folgende Abschnitt, um vieles dünnwandiger als der Schlundkopf, entspricht wohl einem Magen und dem eigentlichen Darm, ohne dass man aber die Grenze zwischen beiden angeben 1) Taf. XVI, Fig. 5 namentlich der Theil des Bauchmarks, welcher un- terhalb des Schlundkopfes (e, f) liegt. 2) Tafeln z. vergl. Anat. Taf. II, Fig. 1, k. Vom Bau des thier. Kör- pers S. 165. 3) Vergl. a. a. O. S. 152, 4) Taf... XYL, Big, 2, Tal, XKVIHBie DB; 6) Taf. XVI, Fig.'2, d; Fig. 5, ef. 270 Fr. Leydig, könnte. Er hat das bekannte eingeschnürte Aussehen wie bei allen Lumbrieinen und wie dort so treten auch hier die musculösen Scheidewände an die eingeschnürten Stellen heran. Selbst der isolirte Darm von Thieren, welche in Reagentien gelegen hatten, behält dieses Aussehen bei und man darf daher nicht, wie es wohl von An- dern geschehen ist, die Einschnürung auf Muskelwirkung setzen: sie liegt in der Anordnung des Darmes selber. Wie sich der Wurm im Ganzen nach dem Schwanzende zu verjüngt, so geschieht diess auch im Einzelnen von allen dabei be- theiligten Organen. Die Körperstacheln werden kleiner, das Bauch- mark spitzt sich zu und auch der Darm verengt sich in geradem Verhältniss zum Dünnerwerden des Leibes. Auf Querschnitten durch das ganze Thier erscheint die Lichtung des Darmes gerne als ein vierbuchtiger Raum '), doch auch unter der Form eines queren Ovals, ein andermal unregelmässig buchtig. 2. Der Darmkanal nach seinem feineren Bau. Die querabgeschnittenen Papillen am Eingang zum Schlund- kopf scheinen durch Wucherung jener Schicht zu entstehen, welche sonst im Darm die Matrix der Cuticula oder das Epithel ist. Die Cuticula geht als heller, ziemlich breiter Saum über die Papillen weg und von dieser Stelle abgezogen behält sie von der Fläche ge- sehen, eine wabige Beschaffenheit, gewissermaassen eine grosszellige Seulptur. Die histölogische Hauptschicht des Schlundkopfs ist die Mus- kelhaut. Man unterscheidet an der vordern Abtheilung ?) haupt- sächlich Ringlagen, zwischen welche sich schräg verlaufende Züge einflechten. An der hintern Abtheilung ?) sind die Längsmuskeln sehr stark; dabei geben sie feinere Seitenäste ab, durch welche sie sich untereinander verbinden. Ich habe schon längst und zwar zuerst darauf hingewiesen, dass die Primitiveylinder gerade in der Museculatur des Schlundkopfes bei Schnecken und Tintenfischen den ächt quergestreiften Muskeln höherer Thiere sich sehr nähern *). Dasselbe zeigt sich hier. bei I) Tat. AV Kıo, 4, e. 2) Taf. XVI, Fig. 5, e. 3) Letzt citirte Figur bei f. 4) Vergl. die Hinweise in m. Buche: vom Bau des thier. Körpers 8. 77. Ueber Phreoryctes Menkeanus Hofm. 271 Phreoryetes. Die Primitiveylinder haben ein gewisses körniges Wesen mit entschiedenem Hervortreten der Querstreifung. Am übrigen Darmkanal ist die Muskelhaut erheblich dünner geworden, so dass sie nicht ohne weiteres in die Augen fällt, sondern erst gesucht sein will. Sie liegt zwischen der Schicht sogenann- ter Leberzellen und der Tunica propria des Darmrohres'), besteht bei näherer Prüfung aus Ringmuskeln, über welche nach aussen ver- einzelte Längenmuskeln ziehen. An der zwischen der Muskelhaut und dem inneren Epithel ge- legenen Tunica propria ist mir wieder ganz besonders der un- gemeine Grefässreichthum aufgefallen, und es will mir scheinen, als ob dieses ein allgemeinerer Charakter der Ringelwürmer sei. Bei dem Blutegel ist mir solches zuerst entgegengetreten ?), dann auch bei dem kleinen durchsichtigen Chaetogaster ?). Bei Phreoryctes laufen die Blutgefässe ebenfalls circulär, eines dicht am andern und haben, wenigstens an Präparaten nach Kali bichromicum ein gewisses ein- geschnürtes Aussehen. Von Zeit zu Zeit verbinden sie sich unter- einander durch einen Seitenast®). Alle diese Gefässe scheinen vom Rückengefäss zu kommen und auch wieder in dasselbe zurückzutreten. Nach innen von der gefässreichen Tunica propria liegt das Darmepithel°), welches sich auf dem Querdurchsehnitt durch das ganze Thier, also im Zusammenhang, als eine feinstreifige Innen- masse darstellt. Näher besehen besteht es aus langen Cylinderzellen, nach der freien Seite hin mit Cuticularsaum, an der Wurzel in mehre Fortsätze aufgelöst. Der Inhalt der Zellen ist braunkörnig. Auf dem Cuticularsaum sitzen — man nehme hierzu lebende Thiere — lange, zarte Flimmerhaare. Die Wimperung erstreckt sich mit Aus- nahme des Schlundkopfes durch den ganzen Darm $). 1) Taf. XVII, Fig. 24, B, ec; Fig .25, b. 2) Histologie 8. 344. 3) a.a. 0. S. 544 und Fig. 154. „Hier gehen vom Rückengefäss zahl- reiche Gefässe ab, welche in der Tunica propria des Nahrungsrohrs verlau- fend den Magen und Darm reifartig umstricken und indem sie sich durch seit- liche Aeste untereinander verbinden, entstehen strickleiterähnliche Maschen.“ 4) Taf. XVIN, Fig. 24, B, b; Fig. 25, a, 5) Dal. &VIN Ri 24, B,:285' Taf. I, Fig.014: 6) Ueber Stylaria proboscidea habe ich mir bezüglich der Darmwimpe- rung angemerkt, dass der Schlund, von dem sich eine Art Vormagen von kugeliger Form absetzt, vollständig wimpert, ebenso der Mastdarm; der 272 Fr. Leydig, Aussen ist das Darmrohr ringsum von derselben braunen zel- ligen Schicht umgeben, welche am längsten vom Regenwurm bekannt ist und immer als eine über dem Darm zellig ausgebreitete Leber gedeutet wurde). Fragliche Zellen haben auch hier von Phreoryctes, wie ich es von andern Lumbrieinen beschrieb, die Form kleiner Beu- telchen, mit ihrem Längendurchmesser strahlig gegen das Lumen des Darmes gerichtet. Am ersten Magenfach nach dem fleischigen Schlundkopf ist ihr Inhalt noch eine farblose, schwach körnige Masse, erst vom nächsten Magenfach an wird sie braun und dunkel. Prüft man indessen den Inhalt dieser Zellen genauer und von verschiedenen Körperstellen, so lassen sich ausser der schon erwähnten farblosen schwach körnigen Materie noch unterscheiden: a) Fetttröpfchen. Sie sind theilweise so vorherrschend, dass die sogenannten Leberzellen der Beschaffenheit gewöhnlicher Fett- körperzellen sich nähern. b) Intensiv braungefärbte Körnchen. Sie sind eben der Grund gewesen, warum man die ganze Schicht als Leber angesprochen hat. Ob dieselben Pigmentkörner der gewöhnlichen Art oder ob sie in der That Bestandtheilchen von Galle sind, bleibt zu untersuchen. Ich habe nun bereits an einem andern Ort?) mich darüber er- klärt, wie es mir unwahrscheinlich geworden sei, dass die ‚Leber- zellen“ der Lumbrieinen wirklich die Leber vorstellen und brachte sie vielmehr in die Reihe der Bindesubstanzzellen. Auch hier bei Phreoryctes bekleiden sie nicht blos die Aussenfläche des Darms, sondern erstrecken sich auf das Rückengefäss, dasselbe in zierlichen Touren umspinnend ®), und werden zu einem Theil der sogenannten Tunica adventitia der Gefässwand. Bei Lumbrieus und Lumbrieulus verbreiten sie sich vom Rückengefäss weit hinaus auch auf die fei- nern Blutgefässe. Endlich bei den Hirudineen (Sanguisuga medici- nalis z. B.) geht dies noch weiter, indem die aus den Seitengefässen hervorgegangenen feinen reichlichen Blutgefässe auf weite Strecken mit solchen braunkörnigen Zellen aussen besetzt sind. übrige Darm wimpert nur streckenweise. Auch bei Chaetogaster diaphanus flimmert schon der Schlundkopf; im Magen sind die Cilien lang und zart, und es sitzen nicht viele auf Einer Zelle. 1) Taf, XVI, ‚Fig. 4; Taf.. XVII, Fig. 24, B, d; Fig. 24, c. 2) Vom Bau d. thierisch. Körpers S. 32. 3) Taf. XVII, Fig. 25, A, b. Ueber Phreorycetes Menkeanus MHofm. 273 Wenn sich das Darmepithel mit braunkörniger an Gallen- farbstoff erinnernde Masse erfüllt zeigt, so darf man wohl richtiger nach allgemein morphologischen Grundsätzen und in besonderem Hinblick auf das, was wir über die Leber der Krebse und Spinnen, sowie über die Entwicklung dieses Organs bei Wirbelthieren wissen, solche Zellen als Leberzellen ansprechen, wie ich dieses seiner Zeit vom Magen der Rotatorien und des Ameisenlöwen gezeigt habe. Und bei diesem Gesichtspunkt können wir auch bezüglich unsres Wurms annehmen, dass die Leber im Darmepithel mit begriffen sei. 3. Ueber Fettkörper, Leber und Speicheldrüsen anderer Anneliden. Das eben erschienene Werk Leuckarts: ‚Die menschlichen Parasiten“, enthält eme die Leber und den Fettkörper der Egel betreffende Angabe, welche hier gelegentlich berichtigt werden soll. Es wird dort von einzelligen Drüsen des Blutegels gesprochen und bemerkt, Brandt habe dieselben als Leberschläuche gedeutet und ich hätte sie für einen Fettkörper genommen. Hr. Leuckart muss etwas flüchtig untersucht haben, wenn er Hautdrüsen und Fettkörper, unter sich so verschiedene Dinge, nicht aus einander zu halten versteht. Was zuerst die einzelligen Hautdrüsen der Egel betrifft, so sind diese bekanntlich von mir am Fischegel entdeckt worden und dass ich mit denselben insbesondere auch bei dem medicinischen Blutegel vertraut bin, ergiebt der von mir dargestellte Querschnitt dieses Thierest), wo die zweierlei Haut- drüsen, die höher und tiefer liegenden oder die kurz- und lang- stieligen deutlich bezeichnet sind. Dann ist es zweitens ganz IIT- thümlich, wenn L. meint, Brandt habe ‚diese Zellen als Leber- schläuche gedeutet.“ Was Brandt als Leber genommen, sind die mit braunkörnigem Inhalt erfüllten Zellen, welche den Blutgefäss- verzweigungen auf weite Strecken hin ansitzen können. Solche „Leberzellen“ haben abermals mit den einzelligen Hautdrüsen gar nichts zu schaffen. Was ich als Fettkörper der Hirudineen angesprochen, sind modifieirte Partieen der den Körper durchziehenden Bindesubstanz. Fertigt man feine Querschnitte durch das Thier an, so bemerkt man nicht blos zwischen den Muskeln des Stammes Bindesubstanz, welche die contractilen Elemente zu grössern und kleinern Bündeln ab- 1) Tafeln z. vergl. Anat. Taf. X, Fig. 6. 274 Fr. Leydig, theilt und verknüpft '), sondern es verbindet auch ununterbrochen nach innen ziehend alle übrigen Organe, und namentlich entsteht da- durch, weil eine eigentliche Leibeshöhle fehlt, ein lockerer binde- gewebiger Ueberzug auf allen Eingeweiden; nicht blos der Nahrungs- kanal, sondern auch die Hodenblasen, die Gefässstämme u. 8. w. zei- gen diese, wie ich gleich beisetzen will, zum Theil braungefärbte Umhüllung. Denkt man sich bei einem Insect das Lumen der Lei- beshöhle auf ein Minimum zurückgeführt, so würde das den Leibes- raum sonst durchspannende Netzwerk des Fettkörpers zu einer ganz gleichen, locker - schwammigen Umhüllung der Eingeweide werden. Die Zellen dieser Bindesubstanz sind von sehr wechselnder Ge- stalt: rund, länglich, auch faserartig ausgezogen, in andern 'Fällen verzweigt, die Fortsätze unter sich anastomosirend. Von rundlich halbkugeliger Form bleiben besonders die, welche an den Blutgefässen aufsitzen und in ihren Schlängelungen weithin folgen). Den Inhalt der Zellen bildet eine braune Körnermasse in stärkerer oder gerin- gerer Füllung; diese ist es gewesen, welche den Gedanken an eine Leberbildung hervorgerufen hat. — Anstatt der braungefärbten Kör- ner können schon, so namentlich beim Rossegel die Zellen farblose, fettartige Kügelchen zum Inhalte haben und bei den Rüsselegeln (Clepsine, Piscicola) ersetzt überhaupt ein schönes unbezweifelbares Fettgewebe die Stelle des braungefärbten Netzwerkes. Wer sich weiterhin für diesen Gegenstand interessirt, wird wohl auch noch meine bezüglichen Angaben in der „Histologie“ ?) und in meinem neueren Buch: ‚vom Bau des thierischen Körpers“ *) einer Durch- sicht für werth halten. Speicheldrüsen habe ich bei Phreoryctes nicht wahr- genommen. Bei den Egeln hatte bereits Brandt an Sanguisuga medicina- 1) Man betrachte z. B. Taf. IH, Fig. 4. (Meine Tafeln z. vergl: Anat.) 2) Taf XVIII, Fig. 23. Bei Branchiobdella sieht man an dem pulsirenden Rückengefäss einen solchen braunen Strang von „Leberzellen‘‘ hinziehen; und kennt man die Verhältnisse von den grössern Egeln her, so vermag man auch schon an jungen lebenden -Thieren von Nephelis vulgaris die den Blutgefässen angehefteten Leberzellen zu unterscheiden. 3) 82366, 4) 8. 32. Ueber Phreoryetes Menkeanus Hofm. 275 lis eine ‚körnige Masse um den Mund, welche aus lauter ovalen Säckehen mit Ausführungsgängen bestehe“, als Speicheldrüsen er- kannt. Ich sehe, dass auch hier, wie bei Piscicola, Clepsine u. a. diese Drüsen einzellig sind; sie münden aber mit ihren langen Aus- führungseängen nicht, wie genannter Beobachter es geschehen lässt, „in die Speiseröhre‘; ich überzeuge mich vielmehr, dass die Aus- führungsgänge der zahlreichen Säckchen ihre Richtung nach den Kieferwülsten nehmen und sich so sammeln, dass der Zahl der Kie- ferwülste entsprechend zuletzt drei dicke Bündel von Ausführungs- gängen sich bilden, von denen jeder bis zur Spitze des Kiefers auf- steiet, um zwischen den Zähnen zu münden !). Auf dem von mir an einem andern Ort veröffentlichten Querschnitt aus der Kopf- gegend des medicinischen Blutegels sind diese Bündel von Ausfüh- rungsgängen bereits eingezeichnet ?). Blutgefässsystem. 1. Von Phreoryetes. Wie die übrigen verwandten Würmer zeichnet sich auch die Gattung Phreoryctes durch ein wohl entwickeltes, in sich abgeschlos- senes Blutgefässsystem aus, dessen centraler Theil aus Längsgefässen besteht. In ihm eirculirt ein gelbroth gefärbtes Blut. Daneben enthalten die Lacunen des Leibes eine farblose, fluctuirende Flüssig- keit: das Analogon einer Lymphflüssigkeit. a) Lage und Verlauf der Blutgefässe. Das Rückengefäss°) in der Mittellinie des Körpers ver- laufend und der Dorsalseite des Darms angeheftet gabelt sich vor der obern Hirnportion*). Die zwei Aeste biegen unter das Gehirn, bilden darauf vor ihm in der Oberlippe jederseits eine Schlinge, deren nach rückwärts gehender Schenkel. die Seitencommissur des Gehirns umgreift, um sich darauf nach unten zu begeben zur Ver- bindung mit dem Bauchgefäss. 1) Taf. XVII, Fig. 28, B. 2) Tafeln z. vergl. Anat. Taf. I, Fig 6, i. 3) Taf. XVI, Fig. 2, b; Fig. 3, b 4) TafırKYI,Eig:sb, k; 5) Taf. XVI, Fig. 2, ce; Fig. 3, e 276 Fr. Leydig, Das Bauchgefäss') zieht ebenfalls in der Mittellinie des Körpers hin und liegt, genauer bestimmt, zwischen dem: Darm und Bauchmark ?). Es steht nicht blos am Kopfende, sondern auch am Schwanzende mit dem Rückengefäss in continuirlichem Zusammen- hang. Ob aber am Kopf ausser den zwei bezeichneten Gabelästen noch andere Queranastomosen vorhanden sind, habe ich, obschon ınir solches wahrscheinlich ist, doch nicht mit gehöriger Sicherheit erblicken können. Es hält nämlich schwer, den Ursprung und das Ende der in jedem Leibesring vorhandenen und so vielfach verschlungenen Gefäss- windungen zu verfolgen. Was man zunächst meinen könnte, dass es sich um vielfach hin- und hergebogene Anastomosen zwischen dem Rücken- und Bauchgefäss nach der ganzen Länge des Körpers handle, erweist sich als irrig. Es stellt sich bald heraus, dass man es mit Gefässschlingen zu thun habe und zwar glaubte ich anfangs zu sehen, dass in jedem Segment des Leibes sowohl vom Rückengefäss eine Schlinge nach unten, vom Bauchgefäss eine ebensolche nach oben abgegeben werde, welche beide sich ineinander schiebend das Gefäss- convolut jedes Segments erzeugen. Aber auch diese Ansicht hatte ich nach und nach zu modificiren, indem ich zu dem Resultate kam, dass das ganze Gefässconvolut einzig und allein in dem Bauchgefäss wurzelt und wieder dahin zurückführt. Das Bauchgefäss entsendet nämlich in jedem Leibessegment jederseits zwei Gefässe, dicht neben einander, welche Anfang und Ende des flach ausgebreiteten Gefässknäuels sind, der, ohne dass sich dabei das Gefäss theilt, lediglich aus emer einzigen sehr langen Schlinge besteht. Ist man einmal soweit in der- Untersuchung vor- gerückt, so sieht man eigentlich schon bei Betrachtung des ganzen lebenden Thieres mit der Lupe, dass die Gefässschlmgen nur vom Bauchgefäss abgehen und das Rückengefäss mit diesen Schlingen nichts zu thun habe. Letzteres schon sonst in innigem Zusammen- hang mit der Darmwand ist die Quelle für das reiche, oben erörterte Ring-Gefässnetz in der Darmwand, und zwar mögen die Stämmchen, wie es wenigstens beim Besehen des lebenden Thiers mit der Lupe dden Anschein hat, den Diaphragmen entsprechend, aus dem Rücken- gefäss sich abzweigen. 1) Taf. XVI, Fig. 2, b; Fig. 3, b. 2) Taf. XVI. Fig. 4. Ueber Phreoryctes Menkeanus Fofm. 277 Noch habe ich ferner einer recht merkwürdigen Bildung im Gefässsystem zu gedenken. Bei der Untersuchung der Körpergegend, wo der Magendarm beginnt, kann man auf ein langes, sackartiges Organ stossen t), des- sen Inneres von gewundenen Hohlräumen, zum Theil mit Blut er- füllt, durchzogen wird. Die nähere Prüfung ergiebt, dass man einen Sack vor sich habe, in welchem in der That mehrere —- ich zähle sieben — Blutgefässschlingen zusammengeschoben liegen. Sie lassen sich leicht herausfördern, so dass der Sack leer daneben liegt ?). In seiner Wand unterscheidet man Ring- und Längsmuskeln, durch deren Contraction auch wohl die Gefässschlingen von selber heraus- getrieben werden. Mit welchem Körpertheil steht nun der Sack eigentlich in Ver- bindung ? Ich habe mich zunächst überzeugt, dass er ein unpaares (Gebilde sei, welches in der Mittellinie des Körpers, am Rücken liege; eine Aussackung, deren Oefinung an den Diaphragmen der Leibes- höhle beginnt und deren blindes Ende frei und gerade nach. vorne gekehrt erscheint. Ferner wurde ich nach und nach gewahr, dass der Sack nicht blos einem einzigen Körpersegment angehört, sondern in mehreren aufeinanderfolgenden Ringen sich wiederholt. Ich zähle sechs Säcke, wovon die vier längsten dem 9ten bis 12ten Segment oder den Genitalringen angehören; dann verkürzen sie sich an den weiter rückwärts folgenden Ringen und hören bald ganz auf?). Da mir diese Bildung neu und räthselhaft ist, so habe ich in den Arbeiten andrer Beobachter gesucht, ob nicht Aehnliches schon bei diesem oder jenem Anneliden beobachtet worden sei, ohne aber eine befriedigende Auskunft erhalten zu haben. Nur ganz fragweise sei der „poches membraneuses“ gedacht, welche für Nereis angegeben werden und feste Körper von. blattartiger Gestalt mit zahlreichen Blutgefässen sein sollen. Dann habe ich an den „blindsackartigen Anhang“, welchen Buchholz*) von Enchytraeus appendiculatus beschrieben hat, gedacht. Aber wenn die Angaben des Genannten in Allem richtig sind, so beschränkt sich die Verwandtschaft auf die 1) Taf. XVII, Fig. 21. 2) Taf. XVIIL Fig. 20. Slate XL, E 4) Beiträge z. Anat. d. Gattung Enchytraeus. nebst Angabe ete. in den Königsberger physik. ökonomischen Schriften II. Jahrg. 1862, S. 12, Fig. 2. app. 278 Fr. Leydig, Anwesenheit des Divertikels an der Dorsalseite mit einem Kanal- system, das an eine Art Wundernetzbildung erinnert. Alles übrige spricht gegen Gleichstellung mit den von mir an Phreoryctes be- schriebenen Organen. Der Blindsack des Enchytraeus sei em Diver- tikel des Darmkanals, obschon im Bau beträchtlich verschieden von diesem, doch innen mit Flimmerepithel ausgekleidet. Das Wun- dernetz befinde sich auf der Oberfläche des Divertikels u. s. w. Es muss somit späteren Forschungen vorbehalten bleiben, die etwa vorhandenen Vor- und KRückbildungen des Organs bei den verwandten Gattungen, sowie vielleicht die physiologische Bedeutung, festzustellen. b. Feinerer Bau der Blutgefässe, Was das Rückengefäss ') betrifft, so setzen drei Schichten die Wand desselben zusammen: eine Innenhaut (Tunica intima), eine Muskelhaut (T. muscularis) und eme äussere Hülle (T. adventitia). Die Tunica intima ist eine scharf-Imige, homogene, das Gefäss nach innen abschliessende Haut. Am entleerten Gefäss legt sie sich gerne in zierliche Falten. Die Tunica muscularis ist dicker als die Innenhaut, von blassem Aussehen und fein ringstreifig, was auf eine Zusammensetzung von eirculär gelagerten Elementen hinweist. Die Tunica adventitia hat ein fem granuläres Aussehen, mit einigen zer- streuten Kernen, ganz wie die Matrix einer Cuticula. Noch habe ich zu meiner Ueberraschung im Innern des Rücken- gefässes Gebilde angetroffen, die ich vorläufig nicht anders zu deu- ten weiss, als dass ich in ihnen die Homologa der Klappen im Rückengefäss gewisser Hirudineen sehe. Die Gebilde sind wegen ihrer Zartheit und Vergänglichkeit höchst schwierig zu untersuchen und ich zweifle, ob Der, welcher nicht das Rückengefäss der Rüsselegel schon aus eigener Erfahrung kennt, fragliche Organe des Phreoryctes sofort sich vor die Augen zu bringen vermag. Man isolire das Rückengefäss eine Strecke weit, doch mit mög- lichster Schonung. Es erscheinen dann von Stelle zu Stelle, und zwar, wie es scheint, von Segment zu Segment, helle kolbenartige oder birnförmige Gebilde, an frischen Präparaten schon durch ihr farbloses Wesen von der umgebenden rothgelben Blutflüssigkeit sich abhebend. Ich meine wahrzunehmen, dass sie immer in der Vierzahl 1) Taf. XVII, Fig. 18, A, B, C. Ueber Phreoryetes: Menkeanus Hofm. 279 lichster, Schonung. Es erscheinen dann von Stelle zu Stelle, und zwar, wie es scheint, von Segment zu Segment, helle kolbenartige oder, birnförmige Gebilde, an frischen Präparaten schon durch ihr farbloses Wesen von der umgebenden rothgelben Blutflüssigkeit sich abhebend. Ich meine wahrzunehmen, dass sie immer in der Vierzahl beisammen sitzen; dabei zeigen sie noch eine Gruppe kleiner Fett- kügelchen im freien Ende. Ist eim solcher Körper abgerissen, so hatte ich mehrmals Bilder, als ob er durch Muskelfäserchen ange- heftet gewesen sei. Vergleiche hierüber ‚Fig. 18, C, die einen sol- chen Fall versinnlicht. Das Bauchgefässt!) unterscheidet sich in seiner Structur wesentlich vom Rückengefäss dadurch, dass ihm die Muskelhaut fehlt. Es besteht daher nur aus ‘der homogenen Tunica intima und der Tunica adventitia, welche, wie vorhin, durchaus den Charakter der Matrix einer Gutieularbildung hat: sie ist fein granulär mıt einge- streuten Kernen. Denselben Bau wiederholen die Gefässschlingen, welche im Bauchgefäss wurzen und dahin zurückführen. Sie ‘sind daher auch so wenig contractil 'als das Bauchgefäss selber, ‘aber sehr elastisch, wie man bei frischen Thieren, deren Rene chuenkips sich entleert haben, :zu bemessen im Stande ist. Bei der Betrachtung des feineren Baues dieser Gefäsäschlinden; die man nach ihrem Kaliber den Gapillaren der Wirbelthiere ver- gleichen kann, wird man wohl dem, was ich jüngst?) über: die Ent- stehung der Blutcapillaren erörtert habe, zuzustimmen nicht aus- weichen können. ‘An Präparaten, auf welche Essigsäure eingewirkt hat und welche darauf in Glycerin gelegt worden, ist die körnige Matrix mit ihren Kernen überaus deutlich 3), sowohl von der Fläche als im Querschnitt gesehen. Denkt man sich die Intima mehr er- härtet oder chitinisirt, :so tritt die ‚völlige Identität zwischen einem solchen Blutgefässe und einer Trachee hervor. Und noch für eine andere Frage von allgemeiner Bedeutung geben gewisse Gefässschlingen des Phreoryctes eine bestimmte Ant- wort. Es ist von mir zuerst dargethan worden, dass die Matrix der 1) Tat. XVIIT. Fir. 19 Ueber das Baucheefäss von Lumbrieus siehe m. Histol. S. 437, Fig. 217, B. 2) Vom Bau des thier. Körpers S. 51. 3) Taf. XVII, Fig. 19, B, a. M. Schultze, Archiv f. mikrosk. Anatomie. I. Bd. 19 280 Fr. Leydig, Cuticula sich continuirlich in Bindegewebe fortsetzen könne. Die gleiche Erscheinung lässt sich hier verfolgen und zwar an jenen Gefässschlingen, welche in die kurz vorher beschriebenen Beutel zusammengeschoben sind. Man fasse aus dem Beutel herausgefal- lene Gefässe schärfer ins Auge und man wird daran nicht nur die Matrix der Intima mit ihren zahlreichen Kernen unterscheiden, son- dern es zeigt sich, dass zwischen den Schenkeln der Schlingen sich ein streifiges, zartes Bindegewebe hinspannt, welches dieselben Kerne hat wie die Matrix und dessen Streifen auch unmittelbar aus letz- terer — genauer gesagt, aus dem körnigen Protoplasma — hervor- gehen. Zusatz von Essigsäure macht das Bild noch klarer t). Es wurde eingangs bezüglich des Gefässsystems bemerkt, dass gegenüber der rothen Flüssigkeit in den Gefässen noch ein farb- loses, der Lymphe vergleichbares Fluidum in der Leibeshöhle ent- halten sei. In dieser Flüssigkeit flottiren zahlreiche zellige Ele- mente, die bei näherer Besichtigung die Natur strahliger, farbloser Blutzellen haben, auch wie diese im ausgeflossenen Zustande sich gerne in Klumpen zusammenballen. Eine Oeffnung auf der Oberfläche des Kopflappens, wie ich sie bei Lumbriculus und Enchytraeus entdeckt und welche unmittel- bar in den Leibes- oder Lymphraum führt, vermisse ich hier. Die Leibeshöhle ist, wie an passend behandelten Querschnitten gesehen werden kann, von demselben Gewebe ausgekleidet, welches z. B. das äussere Neurilemm, die äussere Haut der Blutgefässe bildet und welche ich zelligblasige Bindesubstanz genannt habe. An Quer- schnitten durch den ganzen Wurm hat der Hautmuskelschlauch den- selben Ueberzug. In der Medianlinie unterhalb des Bauchstranges in der Furche zwischen den beiden seitlichen Muskelhältten entsteht eine diekere Schicht dieser zelligen auskleidenden Substanz, die sich wie eine besondere, fein granuläre, mit Kernen versehene Masse darstellen kann. 2. Bemerkungen zum Gefässsystem andrer Anneliden. An Lumbrieulus variegatus sind von mir zuerst die so merk- würdigen contractilen Aussackungen des Rückengefässes erkannt worden ?). Grube hatte sie für Divertikel des Darmes gehalten. 1), Pat XV, Fig. 22. 2) Histologie S. 436; vom Bau des thier. Körpers S. 33, Anmerkg. Ueber Phreoryctes Menkeanus Fofm. 281 In neuerer Zeit fällt mir an diesem Würmchen auf, dass das Blut, obschon im Allgemeinen von gelbrother Farbe, bei Betrachtung le- bender Thiere in manchen der eben bezeichneten Gefässfollikel, na- mentlich gegen den Kopf zu, einen entschieden grünlichen Ton an- genommen hat!). — Das Blut von Chaetogaster ist farblos, ohne Körperchen; in der Lymphe der Leibeshöhle treiben auch nur spär- lich zellige Elemente umher. Die Leibeshöhle (Lymphraum) erschemt bei Lumbrieulus von Zellen ausgekleidet, welehe mit den in diesem Raum fluetuirenden Lymphkügelchen fast gleiches Aussehen haben; anch meine ich beobachtet zu haben, dass die letzteren hier wirklich durch Sprossung. an den auskleidenden Zellen und nachherige Ab- lösung entstehen. — Dass bei Enchytraeus die in der Flüssigkeit des Leibesraumes treibenden zelligen Elemente sich durch Grösse und Form auszeichnen, ist von mir ebenfalls zuerst gesehen worden ?). Von Interesse ist an Nais (Stylaria) proboseidea die Umwand- lung der Leibeshöhle innerhalb der Oberlippe in gefässartige Räume zu verfolgen®). Bekanntlich verlängert sich bei dieser Art der Kopflappen in einen „Rüssel“ oder „Züngelchen“, dessen Länge nach den einzelnen Individuen Verschiedenheiten unterworfen ist. (Ich habe Thiere vor mir gehabt mit ganz kurzem, fast nur stummelartigem Rüssel.) Die Auffassung dieses Organs als eines Tastwerkzeugs — und diess ist die herrschende Ansicht — wird durch die genauere Betrachtung seines Baues nicht sonderlich gestützt. So ist es mir, um zunächst diess zu bemerken, nicht gelungen, Nerven in das Organ zu verfolgen. Ich unterscheide an dem Rüssel, von aussen nach innen gehend, erstens die Cuticula mit denselben Borsten, wie sie der Kopf an sich hat, nur blässer, kürzer und nach der Spitze zu ‚fast ganz verschwindend. Darunter kommt zweitens die Matrix der Cutieula, eine Zellenlage ; weiter nach innen erscheint eine deut- liche Muskellage als dünngewordene Fortsetzung des allgemeinen Hautmuskelschlauches, endlich drittens — und damit nähern wir uns der uns hier vor Allem beschäftigenden Organisation — erscheint zu innerst ein Hohlraum mit Flüssigkeit, dessen Lumen durch die 1) Vergl. Vom Bau des thier. Körpers S. 67. 2) Histologie $. 451. „Bei einer Art Enchytraeus sehe ich sehr schöne und grosse, ovale, glattrandige, Lymphkügelchen in der Leibeshöhle.“ 3) Vom Bau des thier. Körpers S. 106. Tafeln z. vergl. Anat. Taf. IV, Fig. 5, e. 282 Fr. Leydig, erwähnte Muskellage verengert und erweitert wird. In diesem Hohl- raum treiben auch hie und da dieselben Kugeln herum, wie sie in der Flüssigkeit der Leibeshöhle schweben. Verfolgen wir den Hohl- raum nach rückwärts, so geht er unterhalb des Gehirns in die Lei- beshöhle über; doch geschieht «diess unter vorgängiger Entwicklung netzförmig zusammenhängender contractiler Räume, die unverkenn- bar zusammen ein Stück Leibesraum vorstellen. Noch möchte ich nicht unerwähnt lassen, dass es mir scheint, als ob durch Vermittelung des Rüssels auch bei diesem Ringel- wurm eine Vermengung der Leibesflüssigkeit mit von aussen ein- dringendem Wasser statt habe. Ich meine nämlich an der Spitze des Organs eine ähnliche Oeffnung zu bemerken, wie ich ‚sie, ‚bei Lumbriceulus und Enchytraeus gesehen. Dann fällt mir zweitens in dieser Richtung noch etwas anderes auf. Stellt ‚man nämlich bei starker Vergrösserung und ohne dass das Organ zuvor durch Druck gelitten hätte, den Focus auf die Oberfläche des Rüssels ein, ‚so unterscheidet man zwischen den Zellen der Matrix der Cuticula eine Menge Lücken und in der letzteren selber feine Oeffnungen ; — das Ganze erinnert mich durchaus an Verhältnisse, wie ich sie an Cyelas früher beschrieben habe. Das Blutgefässsystem der Egel ist für mich schon öfter Ge- senstand der Untersuchung gewesen. Ich habe z. B. vor Jahren diese Organe bei Glepsine näher erörtert!) und dabei dem. Rücken- sefäss eine hintere, freie Mündung zugeschrieben. Diese letztere Angabe glaube ich jetzt zurücknehmen zu müssen. Schon dazumal habe ich bemerklich gemacht, wie äusserst schwierig es..sei, das Ende des Rückengefässes zu erblicken, was jeder erproben wird, wenn er seine Studien auf diesen Punkt lenkt; vorausgesetzt, dass er die Verhältnisse, wie ich es seiner Zeit that, an frischen: lebens- kräftigen Thieren erkennen will. Auch. bin ich jetzt erst an abge- matteten halbverhungerten Individuen dazu gekommen, die fragliche Stelle besser beobachten zu können. Dort nämlich, wo sich die letzte Kammer des Rückengefässes befindet und wohin ich die freie Mün- dung zeichnete, biegt das Rückengefäss etwas in die Tiefe, woranf dann die schmäler gewordene, der eigenthümlichen Klappen entbehrende Fortsetzung nach hinten auf dem Darm liegt. , Was ich als freie Mündung ansprach, war der optische Querschnitt des nach 1) Berichte d zoot. Anstalt in Würzburg 1849. Ueber Phreoryctes Menkeanus Hofm. 233 abwärts biegenden Gefässes. Budge, welcher gleichzeitig mit mir die Clepsine untersuchte, hatte hierin richtiger als ich gesehen !). Dagegen sind meine Angaben über den Bau und gewisse Er- schenungen der Klappen im Rückgefäss, welche von Budge ange- zweifelt wurden ?), in jüngster Zeit von Kupffer bestätigt worden °). Ich hatte mitgetheilt, dass die Klappen aus Zellen bestehen und dass diese bei einigermaassen tumultuarischen Bewegungen des Rückengefässes sich lösen und. im Blute fortgeschwemmt werden. Zuletztgenannter Forscher überzeugte sich von beidem und die Klappen einem weiteren sorgfältigen Studium unterwerfend kommt er zu dem Ergebniss, dass dieselben wohl nicht die mechanische Aufgabe haben, die normale Stromrichtung zu erhalten; sondern die Klappen seien Organe, welche die Blutkörperchen bereiten. Ich bin sehr geneigt, diese neue Auffassung hinsichtlich der physiologischen Bedeutung genannter Gebilde der früheren Ansicht vorzuziehen; wenigstens erlaube ich mir darauf hinzuweisen, dass das, was ich vorhin über die Herkunft der in der Leibesflüssigkeit (Lymphe) bei Lumbrienlus fluetuirenden Zellen bemerkt habe, schon ein Anfang dessen wäre, was nach Kupffer, wenn man will, in grösserem Maasstabe an den Klappen des Rückengefässes sich wieder- holen würde. System der Schleifenkanäle. a) Von Phreoryetes. Die unter diese Aufschrift zu stellenden Gebilde müssen zwar jedem Beobachter gleich auffallen, man mag das Thier mit freiem Auge, mit der Lupe oder mit dem Mikroskop betrachten; aber sich Rechenschaft über das nähere Verhalten zu geben ist sehr mühsam, und wer nicht die in Frage kommenden Organe an andern kleinen Lumbrieinen oder von den Rotatorien her kennt, wird schwerlich an vorliegendem Wurm den obschon relativ massigen Theilen etwas ab- zugewinnen vermögen. 1) Verhandlungen des naturh. Vereins der preuss. Rheinlande 1849. 2)9.:2. UA. OD. 3) Zeitschrift f. wissensch. Zoo!l. XIV. Bd. 1864. (Kupffer, blutberei- tende Organe der Rüsselegel.) 284 Fr. Leydig, Besieht man sich das lebende Thier mit freiem Auge, so schim- mern aus der Leibeshöhle durch die Haut abgerundete oder läng- liche Körper hindurch von meist grauer Färbung, welche im ten oder 10ten Ring schwach beginnend, gegen die Mitte des Leibes am entwickeltsten sind, dann allmählig nach hinten sich verkleinern, aber fast bis zum Schwanzende !) sich verfolgen lassen. Sie stehen in jedem Segment paarig und werden durch die Bewegungen des lebenden Thieres hin- und hergeschoben. Werden die Körper isolirt und vor Druck bewahrt, so ergiebt sich hinsichtlich ihrer Gestalt, dass sie zierlich, fast manchettenartig gefaltet sind?). Ihr unteres Ende heftet sich an die Säcke der un- teren Borsten; — ein Umstand, von dem man sich erst überzeugt haben muss, ehe man bezüglich der weiteren Structur einen Schritt vorwärts thun kann —, im übrigen flottirt die Masse frei in der Leibeshöhle. Im Hinblick auf die Organisation der verwandten Lumbrieinen durfte man von vorne herein vermuthen, dass man es, trotz dem abweichenden Aussehen mit einem Homologon der Schleifenkanäle, vielleicht im etwas abgeänderter Form, zu thun habe. Allein ich schwankte mehrmals in meiner Meinung; es schien mir, als ob die Massen nur einem Fettkörper zu vergleichen seien, als ob weder Kanäle noch ein Ausführungsgang des „Fettkörpers‘ vorhanden sei. Schliesslich bin ich aber durch wiederholtes Präpariren des Gegen- standes Herr geworden, so dass ich behaupten kann: die gelappten Fettmassen bergen in sich Windungen von Schleifenkanälen und diese münden an der Bauchseite zugleich mit den Säcken der Borsten aus’). Betrachten wir jetzt das Einzelne. Die gefalteten, weissgrauen Massen — wir wollen sie immer- hin Fettkörper nennen — bestehen aus zelligen Gebilden verschiedener Grösse und Form. Gerne sind sie von kolbenförmiger Gestalt. Ihr Hauptinhalt smd Fetttröpfchen, woher eben ihr weiss- liches Aussehen rührt. Am Rande quellen häufig grössere und kleinere Eiweisskugeln vor. Aber was mir sehr bemerkenswerth scheint: ausser den Fettkügelchen gewahre ich noch dunkle concre- 1) Taf. XVL, Fig. 3, d>Eig.4,d: 2) ,Laf. XYIL.‚Fig..15, f£. 3) Taf. XV, Fig. 17. Ueber Phreoryctes Menkeanus Mofm. 285 mentartige Körperchen ; keineswegs überall, am ehesten da, wo ge- gen die Mitte des Leibes der Fettkörper, besonders stark entwickelt ist. Sie scheinen den Conerementen, wie sie von mir zuerst im Fett- körper der Insecten erkannt wurden, zu entsprechen '). Nimmt man aus dem lebenden Thiere einen solchen „Fett- körper‘ behutsam heraus und besieht denselben zunächst bei gerin- ser Vergrösserung, so kann sich am Rande der lappig gefalteten Masse ein lichter Kanal im Innern ?) abzeichnen, ganz von der Tracht der Wasserkanäle (Schleifenkanäle) bei andern Würmern und Rotatorien. Einmal aufmerksam geworden, kann man auch da dort und bei geändertem Verfahren ganze Strecken weit solche Kanäle, welche sich auch winden und durchschlingen, innerhalb der Körner- und Fettmasse verfolgen. Mehr vom Zufall hängt es ab, ob sich Bilder einstellen, welche überzeugend darthun, dass innerhalb jenes Theiles des Fettkörpers, welcher sich den Follikeln der Bauchborsten anheftet, ein ebensol- cher ‚„Wasserkanal“ herabsteigt und indem er sich blasenartig er- weitert mit dem Follikel der Bauchborsten zugleich ausmündet. Am sichersten noch verhelfen zu solchen Ansichten Glycermpräparate. Noch ist mir mehrmals aufgefallen, dass dieser Ausführungsgang einen braunkörnigen Inhalt besass; ob als Ausscheidung der erwähn- ten Coneremente in den umgebenden Zellen ? Die Oeffnung der Kanäle in die Leibeshöhle zu erblicken gelingt nur an einer Stelle. Diess sind jene Schleifenkanäle, welche in der Gegend des vordern Leibesendes, näher bezeichnet in den Genitalsegmenten liegen. Dort ist die zellige Umhüllung der Kanäle, welche weiter nach rückwärts zum Fettkörper sich ausbildet, sehr schwach und einfach granulär; die Kanäle liegen dadurch freier und sowie ihr ganzes Aussehen jetzt mehr den Habitus wie bei kleinen Lumbrieinen hat, so übersieht man nicht nur die Verknäuelun- gen besser, sondern ich habe auch hier die Mündung nach innen, in die Leibeshöhle, bemerken können. Sie erscheint als ein pantoffel- förmiges Organ mit langen Wimpern. Es ist mir übrigens sehr wahrscheinlich, dass hier — an den Genitalsegmenten — die entwickel- ten mit innerem Flimmertrichter versehenen Sehleifenkanäle die phy- siologische Bedeutung von Ausführungsgängen der Geschlechtsdrüsen haben, also eigentlich Eileiter vorstellen. 1) Taf. XVII, Fig. 16. 2) Taf. XVIL, Fig. 17, b. 286 Fr. Leydig. Ich bezweifle es sogar nicht wenig, ob die Schleifenkanäle im Fettkörper nach der ganzen Länge des Körpers wirklich in die Leibeshöhle münden. Wenn ich auch die negative Beobachtung, dass ich nur im der Genitalgegend pantoftelförmige Mündungsstellen ge- sehen habe, nicht allzuhoch anschlagen will, so bestärkt mich noch eine weitere Erfahrung in meınem Zweifel. Andre Ringelwürmer nämlich, bei welchen die Mündung nach innen klar vorliegt, scheiden, wenn sie aus dem Feuchten ins Trockene gelegt werden, nach der ganzen Länge des Leibes etwas Feuchtig- keit ab, welche abgewischt, sich immer noch ein paarmal mit ab- nehmender Stärke erneuert. Dass diese Flüssigkeit durch die Schlei- fenkanäle aus der Leibeshöhle stammt, wird niemand bestreiten kön- nen. Aber wie verhält sich hierin Phreoryctes? Das lebende Thier aus dem Wasser gehoben und ins Trockene gebracht, lässt 'anfäng- lich aus der Afteröffnung. etwas Flüssigkeit abgehen, aber sonst sickert aus dem Leib-keine Feuchtigkeit ab, im Gegentheil, das Thier wird bald trocken und röthet sich bedeutend !). b) Von andernLumbricinen und Hirudineen. Im Hinblick auf die 'schleifenförmigen Kanäle der Wirbellosen Thiere erhebe ich den Anspruch, dass die merkwürdigen Enden der- selben nach innen in die Leibeshöhle nicht blos zuerst durch mich bekannt geworden sind, sondern dass ich auch deren einheitliche 1) Ein Individuum machte eine Ausnahme. Das Thier zwei- und drei- mal auf einen trockenen Fleck gelegt, hatte doch bald nach und nach wieder Feuchtigkeit um sich, und. diess Experiment liess sich lange fortsetzen bis die Feuchtigkeit auf null sank. Indem ich nun den hiebei sich lebhaft krüm- menden und windenden Wurm mit der Lupe betrachtete, ergab sich, dass etwa einen Zoll aufwärts vom Schwanzende ein etwas mehr aufgeblähter Ring war mit einer Art von flacher Papille. Von hier floss sichtbar die Feuchtigkeit ab. Musste es aber schon auffallen, dass unter vielen Thieren nur eines diese Bildung an sich hatte, so überzeugte ich mich durch nähere Un- tersuchung, dass hier eine zufällige Bildung vorliege, indem der Ring ver- letzt war und die anscheinende Papille aufgewulstete Wundränder waren. — Dass auch Regenwürmer Wasser in grösserer Menge aufnehmen können, habe ich wiederholt an Thieren beobachtet, welche sich im Untersatz eines feuchtgehaltenen Blumentopfes einfanden.. Die Leibeshöhle der frisch sich bewegenden Thiere war so prall mit Flüssigkeit gefüllt, dass die Würmer ein ganz ungewöhnliches, helles durchscheinendes Aussehen hatten. Zwischen den Fingern gehalten, entleerten sie das Wasser und indem’ sie einschrumpf- ten, nahmen sie erst ihre gewöhnliche Tracht an. Ueber Phreoryetes Menkeanus AHofm. 287 Organisation bezüglich der Anneliden, Rotatorien und Synapten zuerst festgestellt habe. Siebold') hatte bei Nephelis ein rosettenförmiges, mit Wim- pern besetztes Organ entdeckt von unbekannter Bedeutung ; ich zeigte hierauf, dass auch bei Clepsine?) ein analoges Organ vor- handen sei. Dazumal wusste ich freilich so wenig als genannter Beobachter etwas über die weitere Bedeutung auszusagen, aber diess ist auch von keiner andern Seite her geschehen. Wohl aber kam ich dann durch fortgesetzte Untersuchungen zu der Ueberzeugung, dass die Organe nicht selbstständige Bildungen seien, sondern die inneren eigenthümlich geformten und erweiterten Mündungen der Schleifenkanäle. Nachdem ich mich in diesem Sinne ‘an mehren Orten ausgesprochen ?), habe ich später +) das Ganze nochmals zu- sammengefasst. Was insbesondere die Lumbricinen betrifft, so habe ich an den schleifenförmigen Kanälen des gemeinen Regenwurmes, welche spä- ter vonGegenbaur so schön dargestellt wurden, ebenfalls zuerst die trichterförmig erweiterte mit langen Cilien geschmückte innere Oefinung aufgefunden). Von Saenuris gab ich die erste genauere Abbildung der Schleifenkanäle vom äusseren bis zum inneren Ende ®). Ueber die Gattung Chaetogaster bemerkte ich, dass die Schleifen- kanäle hier nicht wimpern, was, wie ich jüngst wieder sehe, voll- kommen richtig ist. Ebenso habe ich bei dieser Gattung neuerdings wie früher eine nach innen führende Oeffnung vermisst, während die äussere deutlich vorhanden sich zeigt. Aus meinen neuern Beobachtungen über den Bau in Rede stehender Organe beim gemeinen Regenwurm möchte ich noch folgendes ausheben. Legt man einen frischen Regenwurm einige Zeit in Wasser, dem ein Paar Tropfen Essigsäure beigemischt sind, so hebt sich die Cutieula sehr ‚leicht in grösserer Ausdehnung ab und man sieht an 1) Vergleichende Anat. 1848. 2) Bericht der zoot. Anstalt in Würzburg 1849. 3) Archiv f. Anat. u. Phys. 1852, S. 513; Zeitschrft f. wissensch. Zool. 1854, S. 82. 4) Histologie $. 391— 39. 5) Zeitschrift f. wiss. Zool. 1852, S. 322. 6) Ebendas. 1851, S. 322, Taf. IX, Fig. 3. 288 Fr. Leydig. solchen Hautlappen die Mündungen der Schleifenkanäle nicht nur als markirte Stellen, sondern — und dieses scheint mir eben bemerkens- werth — die Cuticula senkt sich auch als auskleidende Haut eine Strecke weit ins Innere .des Kanals. Untersucht man zweitens das Secret der schleifenförmigen Ka- näle bei einem frischen Thier, so gewahrt man ausser den rundli- chen Körnchen noch feine, stäbchenförmige Gebilde von vibrionen- ähnlichem Habitus. Sie verschwinden nach Zusatz von Essigsäure. Ich habe übrigens längst schon die gleichen Elemente am gleichen Orte von Haemopis angezeigt). — Die Blutgefässe, welche die schleifenförmigen Kanäle umspinnen, besitzen sehr auffallende blasige Erweiterungen und ich überzeugte mich durch die verschiedensten Präparationsmethoden, dass dieselben normale Bildungen sind. Besonderheiten bieten auch die Schleifenkanäle beim medieini- schen Blutegel (Sanguisuga) und Pferde - Egel (Aulacostomum) dar. Schon früher war es mir merkwürdig, die bei verwandten Thieren, bei Nephelis, Clepsine, Branchiobdella so deutlichen offenen Enden der Kanäle in die Leibeshöhle (die flimmernden arabeskenförmigen Organe von vorhin) bei beiden genannten Egeln zu vermissen und obschon ich immer vergeblich danach suchte, war ich doch mehr der Meinung, dass sie dennoch vorhanden und sich nur dem Blicke entzögen. Daher drückte ich mich in meiner Histologie (8. 392) darüber so aus: „Bei den eigentlichen Blutegeln Hirudo, Aulacosto- mum sind diese flimmernden Oeffnungen noch nicht gesehen worden.“ Ich habe aber jetzt die Ueberzeugung, dass bei Hirudo (Sangui- suga) und Aulacostomum (Haemopis) die Oeffnung in der That fehlt; beide Gattungen stimmen darin mit Chaetogaster überein, bei dem, wie oben hervorgehoben wurde, die fragliche Oeffnung ebenfalls be- stimmt mangelt. Im Zusammenhang damit steht vielleicht auch, dass weder bei Chaetogaster noch den zwei genannten Egeln sich Wimperung im Kanale findet. Es wurden nicht blos erwachsene Egel untersucht, sondern ich hatte auch Gelegenheit Embryonen aus dem Cocon des medicinischen Blutegels zu prüfen. Bei letztern waren die Schleifenkanäle noch von sehr lichtem Aussehen und erinnerten lebhaft an jene der Räder- thiere. Man unterschied breitere und feinere Röhren, vielfach durch- einandergeschlungen, aber nirgends war auch nur eine Spur von 1) Zeitschrift f. wissensch. Zool. 1849. S. 119. Ueber Phreorycetes Menkeanus Hofm. 289 Wimperung oder eine Andeutung von einer inneren Mündung zu erblicken. Fortpflanzungsorgane. Ich muss nach meiner Erfahrung schliessen, dass die Geschlechts- thätigkeit nicht in den Frühling und Sommer, sondern im den Herbst und Winter fällt. Da ich nun die Thiere nur in der guten Jahres- zeit untersucht habe, so traf ich die Generationsorgane nicht anders als im leeren und unreifen Zustande an. s Zuerst ist zu bemerken, dass unser Wurm keinen Gürtel (we- nigstens nicht im Frühling und Sommer) hat. Aber auch die eigentlichen Fortpflanzungsorgane sind um diese Zeit schwierig zu erkennen. Lange hatte ich ganze Thiere mit Lupe und Mikroskop bese- hen, ohne etwas von Geschlechtsdrüsen und deren Oeffnungen zu ge- wahren. Endlich von der Annahme ausgehend, dass die Lage der Geschlechtsorgane wohl eine ähnliche wie bei andern Lumbricinen sein werde, habe ich die Halsgegend (wenn ich diese Bezeichnung gebrauchen darf) von Neuem durchspäht und hier denn auch die gesuchten Theile angetroffen, aber wie schon gesagt in verkümmer- tem Zustande. Ich sah zweierlei Gebilde. Einmal im 6ten, 7ten und Sten Ring — wenn wir das Zählen an den mit Borsten versehenen Ringen be- ginnen — jederseits an der Bauchseite einen nach aussen geöffneten Blindsack.!) Man könnte die Lage dieser Organe auch so bezeich- nen: in der Kopfgegend hinter dem Schlundkopf und Anfang des Magendarms. Die Säcke hatten ein leeres, zusammengefallenes Aus- sehen. Im blinden Ende lagen gelbliche Fettkugeln und Krümeln, wie man sie sonst bei Organen im Zustande fettiger Metamorphose zu sehen gewohnt ist. Ich vergleiche sie den Samentaschen, die ohne Zusammenhang mit den übrigen inneren Geschlechtsdrüsen erst von aussen bei der Begattung mit Samen gefüllt werden. Weiter nach hinten, im 9ten, 10ten und 11ten Ring erscheinen ebenfalls paarige Organe von lappigem Umriss mit nach der Bauch- seite gekehrtem Stiel.?2) Sie erinnerten im Kleinen an die Hoden 1) Taf. XVI, Fig. 2, g; Taf. XVII, Fig. 27. 2) Taf. XVI, Fig. 2, h: Taf XVII, Fig. 27. 290 Fr. Leydig, von Lumbricus. Aber um die gegebene Zeit waren keine Zoosper- mien in ihnen vorhanden, sondern ihr Inhalt bestand lediglich aus hellen klaren Zellen. Den Eierstock konnte ich nicht unterscheiden. Als ausführende Kanäle betrachte ich die obenerwähnten ge- wundenen mit einem Flimmertrichter versehenen Schleifenkanäle der Geschlechtsgegend. Parasiten des Phreoryctes. Ich möchte endlich nicht übergehen, dass man an diesem Wurm, ganz Ähnlich wie bei Lumbrieus, nicht selten kleine Filarien an- trifft, zusammengerollt im Innern der Organe. (Auch in der Leibes- höhle von Ghaetogaster diaphanus habe ich öfters dieselben Filarien oder vielleicht richtiger Angiostomen gesehen.) Dann stiess ich auch im Juni auf einen parasitischen Rundwurm, von relativ bedeutender Länge. Es waren mehre Individuen von Zolllänge, lebhaft weiss und schimmerten schon fürs freie Auge deut- lich aus dem Innern des Wirths heraus. Sie hatten sich, wie die nähere Untersuchung ergab in den Fettkörper der Schleifenkanäle eingebohrt und schienen, nach dem Inhalt ihres Darmes zu schliessen, von den Fettkugeln zn leben. Der Parasit gehört zu Mermis. Das Einwandern in die Leibeshöhle mochte dem Thiere dadurch erleich- tert sein, dass ich dem Wirthe vier Wochen zuvor, ohne dass dadurch sein Leben gefährdet gewesen wäre, ein vorderes Leibesstück abge- schnitten hatte und somit die Leibeshöhle von aussen zugänglich war. Zu einer weiteren Untersuchung dieses Mermithen bin ich nicht gekommen. Erklärung der Abbildungen. Die Figuren aller drei Tafeln beziehen sich, ausser wo es anders bemerkt ist, auf Phreoryctes. R Tatel AY1. Fig. 1. Phreoryetes Menkeanus, //ofm. in natürlicher Grösse. Fig. 2. Kopfende von der Seite, mässig vergrössert. a) Bauchmark. Fig. 8 Ueber Phreoryetes Menkeanus Zofm. 291 b) Bauchgefäss; c) Rückengefäss; d) Schlundkopf; e) Magendarm ; f) Säcke zur Aufnahme von Gefässschlingen; g) Samentasche (weiter nach hinten noch zwei solche Organe); h) Hoden (dahinter noch drei andere). Schwanzende von der Seite, mässig vergrössert. a) Bauchmark; b) Bauchgefäss; c) Rückengefäss; d) „Schleifenförmige Kanäle“ ; e) Enddarm. Querschnitt durch das ganze Thier, mässig vergrössert. a) Haut; b) Hautmuskelschlauch ; c) Leibeshöhle; d) „Schleifenförmige Kanäle‘; e) Nahrungskanal; f) Bauchmark. — Bauch- und Rückengefäss und die vom erstern abgehenden Gefässschlingen sind schon durch die Farbe kenntlich. Anfang des Nervensystems und Nahrungskanals sowie Kopftheil des Rückengefässes. Starke Vergrösserung. a) Obere Portion des Nervenschlundringes; - b) Von den Commissuren entspringende sog. sympathische Nerven und Ganglien. (Von dreien sind nur die Wurzeln gezeichnet.) ce) Bauchmark; d) Gangliöse Anschwellungen gewisser Zweige der Seitennerven; e) vordere f) hintere g) Papillen am Eingang zum Schlundkopfe; h) Zurückzieher des Schlundkopfes; i). Portion des Hautmuskelschlauches ; k) Rückengefäss. Portion des Schlundkopfes ; Stück Bauchmark nach Behandlung mit Reagentien bei starker Ver- grösserung und im optischen Längsschnitt. a) äusseres b) inneres c) Lager der Ganglienkugeln ; d) Fibrilläre Substanz ; e) Längszug in der Mittellinie. Neurilemm ; Schwanzende des Bauchmarkes bei starker Vergrösserung. Muskelelemente bei starker Vergrösserung. A. Homogene, platte, gezackt randige, am Ende getheilt. B. Mit Scheidung in Rinde und Mark; Spur von Querstreifung. 0. Mit Sarkolemm, an dieser Faser die Querstreifung bedingend. 292 Fr. Leydieg, D. Unter dem Sarkolemm körnige Substanz mit Kernen. (Matrix des Sarkolemms.) E. Ebenso, aber das Sarkolemm von der Fläche gesehen. (D und E nach Behandlung mit Kali bichromieum.) abe Ver Fig. 9. Bauchseite eines Körperringes ; starke Vergrösserung. a) Epithelzellen der Haut; bh) einzellige Hautdrüsen; c) mediane Theilungslinie der Musculatur; dd) Muskeln der Stachelborsten. Fig. 10. Die äussere Haut zusammensetzende Theile; starke Vergrösserung. A) Cuticula von der Fläche; B) Cutieula im optischen Durchschnitt ; a) Kanäle für die Hautdrüsen; b) Einsenkung der Cuticula in den Follikel der Stachelborsten. C) Epithelzellen: a) von der Öberlippe; b) aus der Mitte des Leibes; c) eine einzelne solche Zelle von ihrer untern Fläche. D) Cutieula und Drüsen nach Essigsäure und Glycerin. Fig. 11. Zur Kenntniss der Stachelborsten. Starke Vergr. A) Stachelborsten in verschiedenen Entwickelungsstadien. B) Hinteres Ende einer fertigen Borste: a) Substanz der Borste; b) Muskeln; c) deren Sehnen. Fig. 12. Zur Kenntniss der Hautdrüsen. Starke Vergr. A) Leibesrand in der Gegend eines Drüsengürtels von Phreoryetes Menkeanus: a) Epithelzelle; b) Ringmuskeln im optischen Querschnitt; c) Hautdrüsen von der Fläche: d) Hautdrüsen von der Seite; an der Basis mit einer Nervenfaser (?) verbunden. B) Vom Rand der Oberlippe bei Lumbrieus olidus. a) Epithelzellen ; b) Hautdrüsen ; beide Elemente in natürlicher Lage; c) einige Epithelzellen abgelöst; mit verästigtem Wurzelnerv; d) eine Hautdrüse für sich; an ihr hinteres Ende setzt sich eine Nerven(?)-faser. . 13. Hautstück der Oberlippe, von der äussern Fläche und im frischen Zustande von Lumbricus agricola. Starke Vergr. a) Epithelzellen; b) Hautdrüsen; c) den becherförmigen Organen (?) der Hirudineen entsprechende Gebilde, '. 14. Epithelzellen der Innenfläche des Darms von Phreoryetes Menkeanus. = I) er 09 Ueber Phreoryetes Menkeanus //ofm 293 Fig. 15. Aus dem senkrechten Querschnitt des genannten Wurmes. Starke Vergr. a) Cutieula; b) Matrix (Epithel); ce) Ringmuskeln; d) Längsmuskeln ; e) zelliger Ueberzug der Leibeshöhle; f) Schleifenkanäle tragender Körper; (entspricht Taf. XVI, Fig. 3, d; Fig. 4, d.) &) Muskeln im Neurilemm des Bauchmarks. Fig. 16. Zellen, isolirt, welche den Körper f der vorhergehenden Figur zu- Fie. Fig. 18. Fig. IR sammensetzen. Starke Vergr. a) Fetttröpfchen; b) Conerementartige Bildungen. Schleifenkanäle in ihrem Verhalten zu den Follikeln der Stachelbor- sten. Starke Vergr. a) Zellige Masse; (die Zellen sind gleich Fig. 16); b) einzelne Züge des Schleifenkanals; c) Schleifenkanal mit dunklerem, conerementartigem Inhalt; d) blasenartige Erweiterung seines nach aussen führenden Endes; e) Follikel der Stachelborsten. Tafel, X VIII Rückengefäss. Starke Vergr. A) Ein Längsstück, theilweise im zusammengezogenen Zustand: a) Tunica adventitia; b) Tunica muscularis; c) Tunica intima. d) Den Klappen der Rüsselegel vergleichbare Körper. B) Ein Längsstück zum Theil von der freien Fläche, zum Theil im optischen Längsschnitt gesehen. a, b, e, d von derselben Bedeutung wie bei A. C) Ein klappenartiger Körper (d) abgerissen, mit Fäserchen an dem einen Ende. a, b, c wie vorher. 19. Bauchgefäss (A) mit Gefässschlinge a Starke Verer. 21. a) Tunica adventitia; b) Tunica intima. . 20. Zum Gefässapparat. Starke Vergr. a) Sackartige Einstülpung in die Leibeshöhle, deren Gefässschlingen herausgequollen sind. (Entspricht Taf. XVI, Fig. 2,f) b) Die frei gewordenen Blutgefässschlingen. Derselbe Sack mit den noch umschlossenen Blutgefässen. 22, Zipfel einer solchen Blutgefässschlinge, um den Uebergang der T. adventitia (a) in gallertiees Bindegewebe (b) zu zeigen. . 23. Blutgefässschlinge vom Pferdeegel. Die „Zellen“ der Tuniea adven- titia sind zur „Leber“ (Brandt) geworden. 294 Fr. Leydig,: über Phreoryetes Menk. Hofm. Fig. 24. Schnitt durch das Rückengefäss und das Nahrungsrohr von Phreo- ryctes Starke Vergr. A) Rückengefäss: a) Wand. b) „Leberzellen‘‘, welche einen Theil der Tunica adventitia bilden. B) Darm: a) innere Epithellage; b) Blutgefässe in der Tunica propria; ce) Musculatur ; d) Sog. Leber. ie. 25. Darmwandungen noch einmal und zum Theil etwas flächenhatft. a) Netz der Blutgefässe in der Tunica propria; b) Ring- und Längsmuskeln ; c) Sog. Leber. Fig. 26. Hode (vergl. Taf. XVI, Fig. 2, h); starke Vergr. Fie. 7. Samentasche (vergl. Taf. XVI, Fig. 2, &); starke Vergr. >) Fig. 28. Ausmündungsstelle der Speicheldrüsen beim Pferdeegel: A) Kieferfalte im Querschnitt; a) Zähnchen derselben; b) verschiedene Muskellagen. B) Einzellige Drüsen mit ihren Ausführungsgängen- Verbesserung. Anstatt Hofm. und Hofmeister soll es überall heissen: Hoffm. und H of fmeister. Ueber die epidermoidale Schicht der Froschhaut. Vorläufige Mittheilung von Dr. M. Rudneff aus St. Petersburg. Während ich die Versilberungsmethode an lebendigen Thieren behufs der genaueren Bestimmung der Lagen- und Formverhältnisse der Epidermiszellen anwandte, habe ich in der Epidermis vom Frosch eigenthümliche Gebilde bemerkt, welche sich durch Silberlösung stark färben und welche bis: jetzt weder beschrieben noch abgebildet worden sind. Um die fraglichen Gebilde am besten zu sehen, ist eine äusserst dünne Lösung von salpetersaurem Silberoxyd nothwendig. Die Lö- sung: 1 pro. 400 wirkt zu stark, so dass die (Gewebe. dadurch leicht zerstört werden. Deshalb bediente ich mich einer Lösung von 1 pro 1000 oder einer noch schwächeren. In ‚diese Lösung bringe ich die Schwimmhaut des lebenden Frosches. Im einer viertel oder höchstens:halben Stunde tritt. die Wirkung der Silberlösung in voll- kommen genügender Weise auf. Um das Object nun zu untersuchen, braucht man ‚nur 'ein paar Tropfen Weingeist in den Mund des Frosches einzuführen, um das Thier in emigen Minuten unbeweglich zu machen, so dass man ihm jede beliebige Lage geben kann. Man spannt nun ‚die Schwimmhaut auf eimen Objeetträger und bedeckt sie mit einem kleinen Deckgläschen. Die Untersuchung lässt sich mit; jeder beliebigen Vergrösserung ausführen. Unter dem Mikroskop sieht man die Grenzlinien zwischen den einzelnen Epidermiszellen sehr deutlich durch das Silber schwarz gefärbt. Ausser diesen Grenz- linien bemerkt man in: ihrem Verlaufe eine Anzahl von schwarzen Körpern, die anfangs ihrer Grösse und Gestalt nach den Eindruck von gefärbten Kernen machen. Allein genauere Beobachtung zeigt, dass es sich keineswegs um’ gefärbte Zellkerne handelt; im Gegen- M. Schultze, Archiv f, mikrosk. Anatomie. I. Bd. 20 296 M. Rudneff, theil. die Zellkerne sind jetzt an dem mit Silberlösung behandelten Objecte ebenso wenig sichtbar, wie es vor der Versilberung gewöhn- lich der Fall ist. Die in Rede stehenden Körper haben ihren Sitz in der Regel zwischen den epidermoidalen Zellen, meistens längs der zwischen den Zellen aufgetretenen schwarzen Grenzlinien. Hie und da scheinen aber diese fraglichen Gebilde innerhalb der Epider- misplättchen eingebettet zu sein in der Art, als ob sie das Plätt- chen durchbohrten und die dadurch entstandene Lücke austfüllten. In diesem letzten Falle sehen die Körper so aus, als seien sie, die Kerne der Plättchen. Will man sich aber von dem Vorhandensein des wirklichen Kerns in einer solchen Epidermiszelle überzeugen, so braucht man nur das Stück der Haut herauszuschneiden, um mittelst der bekannten Reagentien den Kern der Zelle sichtbar zu machen. Auf diese Weise überzeugt man sich leicht, dass die Kerne aller Epidermiszellen überhaupt nichts mit den schwarzen Körpern gemein haben und von der Silberlösung unberührt bleiben. Die Zahl der schwarzen Körper anlangend, so ist sie in der Schwimmhaut sowohl als in der Haut der Bauches ziemlich gross; in einer Linie, welche eine Epidermiszelle begrenzt, sieht man bald 2 bald’ 3 oder 4 schwarze Körper. Nachdem ich die fraglichen Körper an den mit Silber behan- delten Präparaten erkamnt hatte, konnte ich dieselben auch an den nicht behandelten Schwimmhäuten sehen ; hier zeigen sie sich genau so wie Kerne, und wurden denn auch bisher für Zellkerne gehalten, während sowohl die wirklichen Zellkerne, als auch die Grenzen der Zellen an den lebendigen Häuten so gut wie gar nicht zu sehen sind. Die betreffenden Gebilde sind bei den lebendigen Thieren ziem- lich deutlich ausgesprochen, indem sie eine stark lichtbreehende Be- schaffenheit besitzen und eme rundliche oder ovale Gestalt nebst einem gleichmässig homogenen Aussehen darbieten. Um sich ein Urtheil über die Natur dieser Körper zw ver- schaffen, bedarf man der Darstellung derselben im isolirten Zustande, zu welchem Zweck mit Erfolg das Iodserum oder die Ghromsäure- lösung (I gran auf 3) aq.), nämlich für die mit Silber nicht behandelten Hautstücke, benutzt werden. Nach 2- oder 3tägigem Maceriren er- hält man, obwohl nieht gerade sehr leicht, durch Zerzupfen die frag- lichen Körper isolirt. Diese Darstellung ist deswegen: nicht leicht, weil die zu untersuchenden Gebilde mit den Elementen aus den tie- feren Schichten der Epidermis verwechselt werden können, wenn Ueber die epidermoidale Schicht der Froschhaut. 297 auch nach der Form beide von einander verschieden sind ; beim Zer- zupfen aber wird die eigenthümliche Form der fraglichen Körper meistens verändert. Gelingt es den Körper unversehrt darzustellen, so zeigt er eine kolbenförmige Gestalt von 0,019 mm. lang; man kann dabei einen angeschwollenen Theil (Basis) von 0,009 mm. Dicke und einen dünneren Hals unterscheiden. Wenn man einen solchen umversehrten Körper in Verbindung mit einigen Epidermiszellen oder an den senkrechten Schnitten respective in seimer natürlichen Lage- Yung vor sich hat, so überzeugt man sich aus den morphologischen Verhältnissen, dass der kolbenförmige Körper mit seinem angeschwol- lenen Theil nach unten liegt und das Ende des Halses nach aussen gekehrt ist und meistens frei an der Oberfläche der Epidermis her- vortritt. Doch kommt es auch vor, dass der Hals mit seinem Ende die Oberfläche nicht vollkommen erreicht und unter der äussersten Schicht der Epidermisplättchen liegt. Die Gestalt der Körper än- dert sich manchmal so, dass der kolbig angeschwollene Theil an seinem Ende mit einem kurzen, zugespitzten Ausläufer versehen er- scheint und der Körper im Ganzen mehr eine spindelförmige Figur zeigt. Ein anderes Mal findet man am unteren Ende 2—3 Fort- sätze, wieH. Müller!) an den.Kolben von Petromyzonten abgebildet hat, und der ganze Körper bietet die Gestalt eines Stäbchens dar. Durch Zusatz von Essigsäure erkennt man in den betreffenden (ebilden die zellige Natur. Bei der Behandlung mit verdünnter Essigsäure wird nämlich die glänzende, homogene Masse blass und durchsichtig; und in dem angeschwollenen Theil des Kolbens kommt ein verhältnissmässig grosser Kern zum Vorschein, der ziemlich scharf contourirt, bald vollkommen durchsichtig, bald granulirt er- scheint. Das den Kern umgebende Protoplasma verhält sich offenbar als eine eiweissartige Substanz, indem es durch Essigsäure nach und nach blass wird. Durch Jod wird es intensiv gelb gefärbt, in Kali- lauge quillt es auf; durch Carminlösung färbt es sich hell roth. Bei der Behandlung mit Silberlösung färbt sich intensiv schwarz nur das auf der Oberfläche frei stehende Ende des Halses und zwar mit einer auffallenden Schnelligkeit, so dass die Gebilde häufig in der äusserst schwachen Lösung von salpetersaurem Silberoxyd be- reits schwarz gefärbt werden, während noch keine Spur von Färbung oder Ablagerung der schwarzen Körnchen zwischen den Epidermis- 1) Würzburger nat. Zeitschrift. 1864. Bd. V. 8. 43. 298 M. Rudneff, Ueber die epidermoidale Schieht der Froschhaut. zellen eingetreten ist. Hier möchte ich hinzufügen, dass die Fär- bung durch Silberlösung nicht nur an den lebendigen Thieren, son- pern auch an den todten aber frischen Theilen der Haut hervorgerufen werden kann, und dass die betreffenden Körper sogar in sehr frühen Perioden des Lebens beim Frosch vollkommen vorhanden sind. Es fragt sich, wie diese zelligen Gebilde in der Epidermis ge- deutet werden müssen, ob sie der Haut als dem Organ des Gefühls angehören, wie etwa die von Prof. M. Schultze') in den anderen Sinnesorganen beschriebenen Bestandtheile der epithelialen Schicht, ob sie in diesem Sinne etwa denjenigen Gebilden entsprechen, mit denen die vonHensen?) in der Froschepidermis gesehenen Nerven- fasern in Verbindung stehen sollen, oder vielmehr derjenigen Natur sind, wie die Körper, welche von M. Schultze?), Kölliker') und H. Müller) hereits in der Epidermis bei Petromyzonten beschrieben worden sind und zuletzt, in wie weit sie in anderen Thierklassen vor- kommen, — alle diese Fragen hoffe ich durch weitere Untersuchungen zu lösen, worüber ich nächstens ausführlich berichten und die betref- fenden Abbildungen beifügen werde. 1) Untersuchungen über den Bau der Nasenschleimhaut ete. Halle 1862, Pd, Tuff; 2) Arch. für patholog. Anat. 1864. S. 51. 3) Arch. f. Anat. und Physiol. 1861. S. 228. 4) Würzburg. Naturw. Zeitschr. 1860. S. 6. Hl. ei! Weitere Mittheilungen über die Einwirkung der Ueberosmiumsäure auf thierische Gewebe. Von RE. Schultze und Dr. MW. Rudneff. Die Beobachtungen über die Einwirkung der Ueberosmiumsäure auf die Elementartheile der Leuchtorgane von Lampyris splen- didula, über welche der eine von uns in diesem Archiv Heft 1 pag. 132 ff. berichtet hat, sind mit einer Lösung dieser Säure im Wasser gewonnen, deren Goncentrationsgrad nur sehr ungefähr be- kannt war.‘ Die wieder beginnende Flugzeit der Lampyris veranlasste uns, die mittlerweile eingetroffenen Vorräthe trockner Säure in uns bekannten, verschiedenen Concentrationsgraden zunächst wieder in ihrer Einwirkung auf die Leuchtorgane zu prüfen, um vor allen Din- gen festzustellen, was für Lösungen die geeignetsten sein möchten, um bei weiteren auch auf andere leuchtende Insecten auszudehnen- den Untersuchungen zu Grunde gelegt zu werden. Bei Gelegenheit dieser Versuche stellte sich denn, wie hier zunächst berichtet werden soll, heraus, dass eine bezüglich der Concentration der Lösung und der Dauer der Einwirkung sorgfältiger überwachte Durchforschung der Leuchtorgane männlicher Lampyris splendidula die Tracheenendi- gung noch etwas genauer kennen lehrt und etwas anders erscheinen lässt, als an der erwähnten Stelle beschrieben worden ist. Bei An- wendung sehr dünner Lösungen (1:1000), wie wir sie zuerst ver- wandten, stellte sich nämlich heraus, dass auch nach mehrtägiger Eimwirkung diejenigen Gebilde, welche am angeführten Orte als Tracheenendzellen bezeichnet wurden, erst sehr wenig schwarz gefärbt waren, dass dagegen eine Tracheenverästelung jetzt zum Vorschein kam, von welcher im frischen Zustande Nichts zu sehen 300 M. Schultze und M. Rudneff, ist. Diese Verästelung besteht darin, dass das Aestchen, welches mit Luft gefüllt gewöhnlich bis beinahe an die Tracheenendzelle heranreicht, an dieser angekommen nicht einfach in dieselbe über- geht, sondern sich zunächst an ihr verästelt. Die Verästelung wird in schwarzen Linien sichtbar auf dem Hintergrunde des nur wenig gefärbten sternförmigen Körpers, muss aber der Beobachtung ent- sehen, wenn, wie in den früher abgebildeten Fällen, dieser Körper durch und durch schwarz gefärbt ist. Die Verästelungen kommen so zu Stande, dass 4—8 anfänglich weitere, im Verlauf sich «all- mählich verschwindend dünn ausziehende Aestchen von einem Punkte des Stämmchens ausstrahlen, und wie eine auf einem kugligen Kör- per ausgebreitete Hand den Körper der sogenannten Tracheenend- zelle umgreifen. Dabei ist der Anfang dieser feinen Aestchen manch- mal ampullenartig erweitert. Meistens laufen dieselben unverästelt aus, doch kommt auch eine ein- oder zweimalige Theilung vor. An dem blass gefärbten unterliegenden Körper sind anfänglich | keme Ausläufer wahrzunehmen. Beginnen diese letzteren eine Osmium- farbe anzunehmen, so tritt jetzt deutlich hervor, dass je ein feiner Tracheenast diesen Ausläufern folgt und wie ein tief schwarzer Axen- faden in ihnen verläuft. Ob der Tracheenast wirklich im Innern des Ausläufers liegt ist freilich schwer zu entscheiden. Man könnte die betreffende Stelle deuten, als wenn eine zarte Scheide des Tracheen- ästchens sich zu einem blasigen Körper ausgeweitet habe genau an der Stelle, wo das plötzliche Zertallen der Aestchen in die feinen End- verästelungen statt hat. Jede der letzteren würde dann von einer Fortsetzung dieser Scheide umhüllt sein. Dass es den Eindruck macht als läge der Anfang dieser Endverästelung ausserhalb des blasigen Körpers, müsste darin seinen Grund haben, dass die Ausweitung) der Scheide nur nach einer Seite hin stattgefunden hätte. Bei solchem Zustandekommen der eigenthümlichen Bildung würde es freilich zwei- felhaft, ob die Blasen die Bedeutung von Zellen hätten. Im Groben würden sie sich etwa mit den aus den Milzarterienscheiden sich ent- wickelnden Malpighi’schen Körperchen der Milz vergleichen lassen. Kerne haben wir in ihnen nicht deutlich erkennen können. Die amı- pullenartige Erweiterung einzelner Tracheenäste, deren Erwähnung gethan wurde, könnte zu Verwechselungen mit Kernen Veranlassung geben. Die Osmiumfärbung tritt also zuerst an den vorher ganz un- sichtbaren, weil nicht mit Luft gefüllten Tracheenenden auf, sodann "Einwirkung der Ueberosmiumsäure auf thierische Gewebe 301 erst an den sternförmigen Körpern, an oder in denen die Tracheen- verästelung stattfindet, und ganz zuletzt und spät an den sogenann- ten Parenchymzellen der Leuchtorgane. Das erste Stadium der Färbung war bei den früheren Versuchen unbekannt geblieben. Zu einer intensiveren Färbung reicht die tausendmalige Ver- dünnung auch bei langdauernder Anwendung nicht aus. Wir be- dienten uns zu einer solchen der 200—500fach verdünnten Säure. Jedoch bemerkt man auch bei Anwendung dieser Flüssigkeiten bei einzelnen Individuen der lebendig eingelegten Thiere nur die ersten Grade der Färbung. Es wird noch auszumitteln sein, ob, wie es wahrscheinlich ist, die Intensität des Leuchtens der eingelegten Thiere, und die Widerstandsfähigkeit gegen die giftige Wirkung der Ueber- osmiumsäure auf die Schnelligkeit und den Grad der Färbung von Einfluss ist. Eine Gonservirung leuchtender Insecten durch längere Zeit, etwa mehrere Monate, ist überhaupt aber in der Osmiumsäure nicht zu erreichen. Es tritt bald Erweichung und Zerstörung der Gewebe ein, so dass endlich nur die schwarzgefärbte Chitinhaut mit Resten innerer Organe gefüllt übrig bleibt. Wenn es sich daher um längere Aufbewahrung handelt, etwa in anderen Ländern in Osmium- säure eingelegter leuchtender Inseeten, so würde immer anzurathen sein, nach acht- bis vierzehntägiger Einwirkung der Osmiumsäure die Thiere in Alcohol zu bringen, in welchem sich die Osmiumfär- bung in voller Intensität erhält. Um die im Leuchtorgane von Lam- pyris die mikroskopische Untersuchung störenden Ablagerungen harn- sauren Salze zu entferne nund das Präparat durchsichtig zu machen, bedient man sich am passendsten der Kalilauge. Bei Behandlung verschiedenartiger Gewebe höherer Thiere mit Lösungen von Ueberosmiumsäure in Goncentrationen von 1: 100— 1:1000 sind uns mancherlei interessante Resultate aufgestossen, die zu einer weiteren Verwendung dieser Säure bei histiologischen Un- tersuchungen in Thier- und Pflanzenreich anregen. Durch eine auch im verdünnten Lösungen sehr schnell auftretende schwarze Färbung sind vor allen anderen Gewebsbestandtheilen die Fette ausgezeichnet. In einem Läppchen fetthaltigen Bindegewebes färben sich alle Fett- zellen der Oberfläche in ihrem Inhalte, soweit derselbe aus Fett be- steht, schon nach wenigen Minuten braun bis schwarzbraun oder blau- schwarz, und isolirte Fetttropfen desgleichen. Grössere Fetttropten oder Fettzellen werden vollkommen undurchsichtig, bei kleineren nimmt die Intensität der Farbe ab, bis endlich bei molekulär kleinen 302 M. Schultze und M. Rudneff, . Fettkörnchen. die Farbenveränderung nicht mehr. wahrzunehmen ist. MWischt man einen Tropfen Milch. mit einem Tropfen coneentrirter Osmiumsäurelösung (1:50) auf, dem. Objeetträger, so, färben sich in kurzer Zeit alle Milchkügelchen. blauschwarz oder. braun, .. Nur. (bei den kleinsten ist die Osmiumfärbung nicht. zu erkennen. Nächst den Fetten ist’ es das Nervenmark, welches: ausser: ordentlich schnell die Osmiumfärbung ‚annimmt und. zwar Ähnlich. an Spiritus- und Chromsäurepräparaten, wie im frischen Gewebe. Doch tritt auch hier wie ‘beim Fettgewebe ‚eine Imbibition in die Tiefe dickerer Gewebspartien nur in geringem Grade ein, so dass sich. die Färbung nur auf die oberflächlichen Schiehten beschränkt. «Ein frisch aus dem Thier genommener ‚Nervenstrang färbt sich’ in einer Lösung von 1:500 in einer ‚Viertelstunde auf der Oberfläche, tief blauschwarz. Nerven von der Dicke einer Stricknadel müssen :meh- rere Stunden liegen um durch und durch. gefärbt zu. werden, noch dickere Stränge dringt die Säure kaum bis in das Öentrum. Das Zwischenbindegewebe färbt sich nicht oder nur wenig: gelblich, wird aber leicht spaltbar, so dass sich die gefärbten Nervenprimi- tivfasern leicht isoliren lassen, wozu eine gewisse Härte und Festig- keit, welche dieselben in der: Ueberosmiumsäure annehmen, das Ihrige beiträgt. Eine Gerinnung des Nervenmarkes in der gewöhn- lichen Weise tritt dagegen nicht ein, dasselbe behält ein homogenes Ansehen oder zeigt sehr blasse Andeutungen fein kugliger Structur. Seine Brüchigkeit erleichtert dagegen die Isolirung des ebenfalls er-. härteten aber nicht oder nure»blass gelblich gefärbten Axencylinders. Da fibrilläres Bindegewebe und Muskelsubstanz sich in der Ba iniumsäure nur sehr langsam oder bei: zeitiger Unterbrechung der Säurewirkung gar nicht - färben , » kann: die Osmiumsäure- ein er- wünschtes Mittel abgeben zur Erkennung der. Nervenfaser in 'ge- nannten Geweben. Minder günstig ist der Erfolg in sehr‘ zellen- reichen Gebilden wie Zahnpulpa oder in der Marksubstanz der ‘Ne- benniere. In diesen nimmt nämlich sehr bald auch das Protoplasma der Zellen eine dunklere Farbe an-und verdeckt so die blauschwarzen Nervenfasern. Namentlich in der Marksubstanz der Nebennieren'tritt die Desoxydation mit grosser Energie auf, so dass 'eim Querschnitt: frischer Nebennieren z. B. des Rindes, welcher eine braune Rinde und ein helles Innere zeigt, in der Osmiumsäure’sehr bald wie>in Chrom- säure ein dunkles Innere und eine hellere Rindensubstanz darbietet. Einwirkung der Ueberosmiumsäure auf thierische Gewebe. 308 Von grossem Werthe für die Kenntniss- des Verlaufes markhal- tiger Fasern dürfte dagegen die Ueberosmiumsäure in ihrer Anwen- dung auf die. Centralorgane des Nervensystems werden. Dünne Sehnittehen in: der gebräuchlichen Weise erhärteter Rückenmarke oder. Gehirne färben 'sich in kurzer‘ Zeit: der Art, dass alle Theile der,sogenannten ‚weissen Substanz schwarz werden, während die graue Masse lange ungefärbt bleibt. Bündel markhaltiger Fasern, welche m der grauen Substanz eingeschlossen liegen, ‘oder einzelne dergleichen Fasern, welche vorher kaum erkennbar waren, treten jetzt mit grosser Schärfe hervor, ‘und erhalten sich auch bei dem Einschluss durch- sichtig, gemachter Schnitte in Balsam schwarz. Die Durchmesser der Fasern lassen sich mit grosser Bestimmtheit abschätzen und‘ messen. Immer aber‘ zeigen sich die Axeneylinder anfangs ungefärbt, bis eine viele Stunden lang fortgesetzte Einwirkung. der Osmiumsäure auch sie ‚endlich schwarz tingirt * Durch vorgängige Imbibition mit Car- min »und nachherige Anwendung der Osmiumsäure erhält ‘man äusserst zierliche‘ und 'instructive Bilder. Es liegt auf der‘ Hand, dass sich mit: Hülfe dieser Färbemethode eine Anzahl wichtiger Fra- gen wird: lösen lassen und dass der Osmiumfärbung in der Anatomie des Hirns und Rückenmarkes eine grosse Zukunft bevorsteht. Es wurde schon erwähnt. dass Abrilläres Bindegewebe der Os- miumfärbnng: widersteht, dasselbe gilt von dem gallertigen Bindege- webe, von der Grundsubstanz‘des Knorpels, von der Cornea, und anderen verwandten Substanzen. Allerdings bezieht sich diess nur auf ein kürzeres Einlegen, wie es ‘hinfeicht, die erstgenannten (Gewebe tief schwarz zu färben. ‘Nach langer Einwirkung der: Säure treten auch in den genannten Grundsubstanzen Färbungen auf, namentlich auch in dem spon giösen Bindegewebe. So kann die Osmiumfärbung mit‘ Nutzen verwandt werden, die groben Netze der Müller schen Fasern der Retina, namentlich auch ihren Antheil an der Bildung der membrana limitans interna 'zu demönstriren. Lösungen der gedachten Säure von 1:300 bis 1:500 sind ausserdem vortrefflich geeignet die Retina zum Zerzupfen vorzubereiten. Alle Schichten derselben färben sich nach mehrstündigem Einlegen allmählich und etwas verschieden. Aber die Nervenfaserschicht nimmt, als aus nackten Axencylindern bestehend, keine besonders intensive Färbung an. Nur beim Kaninchen, welches bekanntlich markhaltige Nervenfasern in zwei weissen Bü- scheln in der Retina besitzt, treten diese schon sehr früh als dunkel- schwarze Bündel hervor. Höchst beachtenswerth ist die That- 304 M. Schultze u.M.Rudneff, Einwirkung d. Ueberosmiumsäure etc. sache, dass die Stäbchen der Retina vom Frosch in ihrem der Cho- rioides zugewandten, peripherischen, stark glänzenden Theile wie Ner- venmark schnell schwarz werden, während der centrale körnige Theil in ganz gleicher Weise scharf abgesetzt, wie die von mir gegebenen Abbildungen in Fig. 4 meiner Abhandlung ‚‚de retinae structura, ete.“ ungefärbt bleibt; eine interessante Bestätigung der auch sonst vermu- theten Verwandtschaft zwischen Nervenmark und Stäbchensubstanz. Unerwarteter Weise verhalten sich die Stäbchen der Säugethiere und des Menschen abweichend, indem uns wenigstens bei frischen Prä- paraten von Rind und Kaninchen und bei gut erhaltenen Stäbchen der inMüller’scher Flüssigkeit conservirten menschlichen Retina die Stäbchen ungefärbt blieben, und erst spät, wenn die übrigen Schichten eine grauschwarze Farbe angenommen hatten, in ihrem körnigen Theil Osmiumfärbung zeigten. Quergestreifte Muskelfasern nehmen langsam eine bräunliche Farbe an, ohne dass ein auffallender Unterschied der beiden in der Art ihrer Lichtbrechung so verschiedenen Substanzen zu bemerken wäre. Rothe Blutkörperchen färben sich auch nach langer Zeit fast gar nicht, und konnten wir hier Unterschiede des arteriellen und venösen Blutes nicht auffinden. Die farblosen Körper- chen des Blutes nehmen dagegen eine ziemlich tief schwarze Farbe an. Die Färbung des Protoplasma lässt sich auch an den Eiter- körperchen beobachten, tritt aber ganz besonders deutlich in em- bryonalen keweben hervor, für deren Studium die Osmium- säure wieder sehr lohnend zu werden verspricht. In pflanzlichen Geweben sind es neben den fetten Oelen 'beson- ders die Gerbstoffe, welche ausserordentlich schnell reducirend wirken, so dass die mit ihnen gefüllten Zellen an dünnen, in starke Lösung der Säure eingelegten Schnitten schon nach wenigen Minuten durch tief schwarze Färbung ausgezeichnet sind. Das Protoplasma färbt sich langsamer. Gar nicht oder nur sehr schwach redueiren Amylum, Zucker, Cellulose und Chlorophyll. Die Nobert’schen Probeplatten. Von M. Schulize. Herr Nobert in Barth (Pommern) fertigt jetzt seine mit Recht so berühmten Testplatten in einer neuen Form, von der mir drei Exemplare vorliegen. Dieselben sind mit 19 Liniengruppen gezeich- net von zn bis ZU znton Abstand, und schreiten in ihrer Thei- lung wie folgt fort: 1ste Gruppe = „u, 2te= u, de a, ter „a u. Ss. wi lSte eo, VIE = a Die ‚älteren Platten mit 30 Gruppen reichten von 40 bis zu a4, Ihre Unter- schiede waren also geringer. Der Vortheil, welchen dieser Umstand bieten mochte, wird mehr als aufgewogen 1) durch die feinere Thei- lung in den letzten Gruppen der neuen Platten, 2) durch die Be- quemlichkeit der Bestimmung des Abstandes der Linien von ein- ander nach dem neuen System und 3) dadurch, dass bei der neuen Theilung wegen des grösseren Unterschiedes in der Entfer- nung der Linien zunächst benachbarter Gruppen eine Meinungsver- schiedenheit über die Autflösbarkeit einer oder der anderen Gruppe mittelst eines bestimmten Sytems nicht so leicht vorkommen kann. Allerdings wird unter Umständen, wenn es sich nämlich um’ die Be- stimmung sehr geringer Verschiedenheiten zwischen zwei Linsensy- stemen handelt, die ältere in 30 Gruppen getheilte Platte neben der neuen mit Vortheil in Anwendung gezogen werden können. Die drei mir vorliegenden Platten sind nach Herrn Noberts Angabe mit drei verschiedenen Diamanten geschnitten. Wegen grosser Schärfe derselben sind an einigen Stellen die gröberen Linien aus- gesprungen, doch nur in den ersten drei Gruppen. Die Linien der übrigen sind untadelhaft gleichmässig gezogen, und was von höchster 306 M. Schultze, Bedeutung und fast unbegreiflich erscheint, in allen drei Platten so übereinstimmend in der Schärfe, dass bei Vergleichung der- selben mittelst eines und desselben starken Systemes ein Unterschied in der Deutlichkeit jedenfalls nirgends so auffallend hervortritt, dass nicht in allen drei Exemplaren bei gleicher Beleuchtung auch die- selbe Gruppe als die Grenze der Leistungsfähigkeit des angewandten Systems erscheint. | Diese Grenze lässt sich bei gradem, ecentrischem Licht und Anwendung. einer. engen -Blendung ‚also unter Umständen wie man mit starken Vergrösserungen zu arbeiten pflegt, mit grosser Schärfe bestimmen, und gibt ein vortreffliches Mass für die Leistungs- fähigkeit eines Systems überhaupt, nicht nur etwa, wie man wohl hin und wieder behaupten hört, nur für trockne Objecte, wie z. B. Diatomeenschaalen, sondern für jede Art zartester Structurverhältnisse auch feuchter Elementartheile thierischer oder: pflanzlicher Gewebe. Schwieriger und jedenfalls weniger interessant ‘ist der Vergleich verschiedener Systeme in ihrer Leistungsfähiekeit bei schiefer Beleuchtung, welche natürlich stets die Auflösung einiger hö- herer Gruppen ermöglicht als die centrische. Ich pflege daher, zumal die schiefe Beleuchtung bei Untersuchung feuchter Objeete nur in äusserst seltenen Fällen Nutzen bringt, die Prüfung auch mit den Nobert’schen Testplattennur mit centrischem Lichte vorzunehmen. Für solches aber sind sie ein unvergleichliches Probe- object, dem man nur eine möglichste Verbreitung wünschen Kann. Von den neuen Nobert’schen Testplatten löste bei ‘gutem Tageslicht bei centrischer Beleuchtung und enger Blendung Hartnack, Immersionssystem No. 10 .... .... die. 9te Gruppe Merz. “Lmmtersionssystent nn nr. u UNS IEGREERE No bier'ty Immersionssystem mr. ehr l.m.) woran diewsteimihgp Amici, ein Immersionssystem, welches ich im Jahre 1859 direetibezogsuosne osırkmzrif wi liontro 7 dier Skeram, Merz, oystem 4 (4). ohne Immersion rate „die Ste nn Merz, ein anderes System „4 init Immersion ". . "die’ste Hartnack, System 9 ohne Immersion '. 2... 0. die Tte >, Die Nobert’schen Probeplatten 307 Merz, System 2.4) We ... .. die 7te Gruppe doch weniger deutlich als Har an Be ytemake za. 04: En, 2.die Ste, die Tte kaum. Eerimack, System Ss : : . .. 0. 2.7, die te ",, a OBEN. T I eendieraten 't,, een tem!’ 2... Kan anne 2 Sdliesäfe, >; Bei schiefem Licht bin ich mit den besten Systemen bis zur l5ten Gruppe gekommen. Pleurosigma angulatum, dessen Liniensysteme oder sechs- eckige Punkte für centrisches Lieht ein gutes Probeobjeet sind, wird bei grader Beleuchtung vollständig befriedigend in allen, auch den kleineren Exemplaren, nur von Systemen gelöst. welche die Ste bis Ite Gruppe zeigen. Die grössten Exemplare entsprechen m Bezug auf Schwierigkeit der Lösung etwa der 7ten Gruppe. Sieht man diese auf der Nobert’schen Platte bei centrischem Licht mit voller Deutlichkeit, so ist man sicher unter denselben Verhältnissen auch die Punkte auf grossen Pleurosigma angulatum zu erkennen. Bonn, Druck von Carl Georgi. I NE RE RSAHE, RE : * RIVER S ie e . ® r Are 7 we : asstalgadork units dou sa REN a Alban wre wertich‘ DBRRARE hd wen MEHRERE tes niandl naeh RT > enm! dessälkien ut Byuieimeg se he a Frienh du mirzei ae ot m Pa en es I larenı ©hel) weicher: 7 ufenk A Mräggeisip“ 2%, Cigenze dr Delktmiige Pre . - 5 [z. ” +7 in gi 2 R Fe 0 en u siehr hei ‚aräte "AL ee: } wa Anwei St Ener y ar TRY she. unter; m IE ri "ala "aih RÄT se to Pe 2. ‚aid oaatard rötasıkı mob Kutsche Nail Sta eins ibecheeh e NE a 998 job0 ech ıbargb ir er bier bie tssidondorT nase uristdskl ssdvaittess u mb orale w Anrsuihatäthwibifitelfermgundden I tesih allow Ron niert non ne INS Be TEE OT DEN TH yenkgira atarire Alk ee sr He eo eire r 5pfoy tie Ilsi. nratlseinttns ade a To dan da mein / adloauah- ohne ‚rorhslevtenng Hei) 2) ae GEDEERFOENR AR ee | on nel ur 2 wer; „0 BESETZTE ZEIT vom E wi Ba » Aa), Ras - zii u AUVREENEEE R s . Br u. 2 i J a Fe re me yeli are” its er en: Yortulatieii Vista een und anger: Bien er ie 1% \ r \ ivın ts vY as BEN ae volles, wei vn ‚Lahr; 7 u f ar, _ BEN Preis-Courant des optischen Instituts Möller & Kmmerich in Giessen. Mikroskop No. 1. Grobe Einstellung durch Tubusverschiebung, feine durch Mikrometerschraube. Spiegel für schiefe Beleuchtung. Okular II. Sy- stem Ia und III. Vergrösserung 70—300.,. . . . . . .. Thlr. 24. Mikroskop No. 2. Grobe Einstellung durch Tubus feine durch Mikrometer- schraube. Spiegel für schiefe Beleuchtung. Okular I und II. System Ib und II, Vergrösserung von 40—800. . . 2... . Thlr. 30. Mikroskop No. 3. Grobe Einstellung durch Trieb, feine durch Mikrometer- schraube. Spiegel für schiefe Beleuchtung. Okular I, II, III. System 2.11, 11]. "Vergrösserung von’40—-600. " . ." . . ... . Phlr. AD. Mikroskop No. 4. Grobe Einstellung durch Trieb, feine durch Mikrometer- schraube. Polarisationsapparat. Okularmikrometer. Spiegel für schiefe Beleuchtung. Bewegung des Instruments um die optische Axe. Okular orthoscopisch I, II, III und IV. System I, I, III, IV. Vergrösserung von 40-1400. u ...° 400. ; RER N cthar falle Demonstrationsmikr A mit ae ne und künstlicher Beleuch- wine suQkuları Il.sSvstem Il, 30 Du weis 5 aa u Rhlr..u9: Mikrophotographenapparat. Stellung horizontal und vertikal. Beleuchtung je nach Beschaffenheit des Objects durch Plan-Spiegel, Plan - Spiegel und Beleuchtungslinse, oder Concav-Spiegel und Beleuchtungslinse. Okular I und I. System IH. u. on.:. IR, “Ele: 36: Demonstrations - Sonnen- Mikroskop für A! mit 1 Oi und ] System. Thlr. 22. In, \ Okular 1. | Okalar. I. | Alukalr HL. Abstände vom Object. I | Bystem I. . | 40 | 70 | 160 " 5,56 Mm. — | —— I Ess au 8 gu ca rs nn | u Ben T: N s0 | 120 | 220 | 1,75 am; ATIEREREIE Air, L | ! ER = System II. I. 160 | 350 Ben, 0,75 Mm. Sämmtliche DTERETER ERSTES sind mit einer Rohrlänge von 180 Mm. gemessen. Systeme. EN Et na ®$. Thlr. 6. 1 Da "> 2 Runge N N er a 2 RE NL EU all: W32ı{1.2073- (19 rFn.». sd 24 ‚ HIb mit Correetionsapparat . . 2... : N RE RE EL N. oo TEN. el „» IV b: mit 'Correetionsapparal, . . use: „ +16: 22 rn Immersionslinsen 2 rn J a re 1. 0) ®Okulare. 1. Einfache von IT bis IM, a .-. . . "Thin II. Orthoskopische von I bis IV, & . . „Koh II. Aplanatische . 7 Nebenapparate. Polarisationsapparat, 1]. 2 Prisma mit Okular . 2.2.2 20... Thlr. 18. dto nn " # " Da aan 3 2 ee) Beleuchtungsapparat für opake Objeete mit Stativ... . 2. * D. Lieberkühn’scher Spiegel ‚von Stahl 1... 1.11... ak lau de ee 6. Okulanglasmikronieter. . . . "na Akne en 9 9. Glasmikrometer zur Benutzung als Objeetivmikrometer . » ... ” 4. Zeichenapparat, nach Gerling,reny aan ae er 4. Deckgläschen von '/,, Mm. Dieke. pr. Dutzend . . 2... ....%. vl: Lo upen. Stativloupe zum Präpariren. Grobe Einstellung durch Verschiebung, feine durch Schraube. Vergrösserung von 10—-15—3. . . . . Thlr. 18. Doppelte Handloupe, achromatisch, in Elfenbein gefasst, 1Omal Vergrösserung Thlr. 4. Einfache Handloupe, achrom., 5mal Vergrösserung , . . 2. - n..2. Augenspiegel alle-Arten) womit) I sur „uuinidorn, sit golzoybll - auf - PndDularsest. Kehlkopfspiegel mit Hohlspießel;'zur. Beleuchtung . ..I saluıltk ..Iewll) 2. . Thle. 6. ohne- Hohlepiegeh.— + — +. m nn — ——e.. Ohrenspiegel eigener Uonstruction, mit Loupe ! » =... 2-0. a ER ohne BO] - 1... ee ee... - AB en yore, Fernrohre in allen Grössen werden nach Bestellung angefertigt. Brillenbesteck.. = : x...» ‚anni: niit Mt ee ie = Ueber die Samenkörperchen und ihre Entwicklung. Von F. Schweigger-Seidel. Hierzu Taf. XIX. Die geformten Bestandtheile des Samens, — welche am besten und unverfänglichsten als Samenkörperchen bezeichnet werden —, hat man bekanntlich längere Zeit hindurch für individuell belebte Wesen angesehen; man schrieb ihnen eine der thierischen Natur entsprechende innere Organisation zu und hielt die an ihnen wahr- nehmbaren Bewegungen für willkührliche. Beide Ansichten konnten sich der weitergehenden Forschung gegenüber nicht halten, und war es unter andern besonders Köllike r, welcher im Jahre 1841 durch ausgedehnte Untersuchungen und strenge Prüfung des vorhandenen Beobachtungsmaterials den »Samenthierchen« diejenige Stellung an- wies, welche ihnen zukommt )). Sie waren von nun an eben weiter nichts als einfache Elemen- tartheile des Organismus. Ihre Bewegung wurde mit der Wimper- bewegung identifieirt und grade im Gegensatz zu den früheren An- nahmen besonderer Structurverhältnisse stellte man die Homo ge- nität der Gebilde in den Vordergrund. Man unterschied zwar nach 1) Beiträge zur Kenntniss der Geschlechtsverhältnisse und der Samer- flüssigkeit wirbelloser Thiere, nebst einem Versuche über das Wesen und die Bedeutung der sogen. Samenthiere. Berlin 1841. Unter den übrigen Ar- beiten Kölliker’s verweise ich besonders auf die letzte ausführliche in der Zeitschrift für wissenschaftl. Zoologie 1856 Bd. VH 8.201. Die nachfolgen- den Citate beziehen sich sämmtlich auf diese Arbeit. M. Schultze, Archiv f. mikrosk. Anatomie. I. Bd. 21 4 310 F. Schweigger-Seidel, wie vor Kopf und Schwanz, aber der eine Abschnitt hatte vor dem anderen nur die grössere Breite voraus. Diesen Satz von der Homogenität der Samenkörperchen, durch die Angaben Kölliker’s über die Entwicklung derselben aus Zell- kernen allgemein gültig geworden, kann ich neueren Untersuchungen zu Folge nicht anerkennen. Die Substanz, aus welcher die Samenkörperchen gebildet sind, ist keine gleichmäs- sige, sondern zeigt constant an verschiedenen Stellen charakteristische Eigenthümlicehkeiten und zerfallen hiernach diese anscheinend einfachen Körperchen in mehrere durch Form und chemisches Verhalten wohl unterscheidbare Abschnitte. Bereits im Mai d. J. berichtete ich über meine Beobachtungen im Verein für prakt. Medien zu Halle und war im Weiteren einzig bemüht, verschiedene Repräsentanten ‘der Wirbelthierklassen zu un- tersuchen, um die Allgemeinheit meines Fundes zu prüfen und seine Bedeutung zu erhöhen. Leider konnte ich von Fischen bis jetzt keine brauchbaren Exemplare erlangen , wesshalb ich mich mit dem be- enügen musste, was ich bei Amphibien, Vögeln und Säugethieren er- mitteln konnte. Die besonderen Abschnitte werden hiervon Nach- richt geben. Zuvörderst erlaube ich mir aber einige allgemeine Bemerkun- sen über die Art und Weise der Untersuchung vorauszuschicken. Es ist natürlich, dass es mir vor allen Dingen darauf ankommen musste, die durch eine genaue Betrachtung der Samenkörperchen erkannten einzelnen Abschnitte in ihrem Verhalten gegen verschie- dene Reagentien zu erforschen, um sie besser demonstriren und ihre besonderen chemischen Eigenschaften beweisen zu können. In dieser 3eziehung war bis jetzt wenig geschehen ; denn obgleich der sicht- bare Einfluss einzelner Stoffe auf die Samenkörperchen bekannt ge- worden war (Kölliker, Ankermann) '),: so hatte man sich doch um die näheren Vorgänge bei den Veränderungen nicht bekümmert und gerade auf diese kam es mir an. Zudem sind die Samenkör- perchen im Grossen und Ganzen wenig veränderlich , die Zahl der beeinflussenden Mittel ist also gering. Ferner walten Verschieden- heiten ob zwischen den Säugethier-Spermatozoiden unter sich. und 1) Zeitschrift f. wissenschaftl. Zoologie 1856 Bd. VII S. 129. »Einigös über die Bewegung und Entwicklung der Samenfäden des Frosches.« Ueber die Samenkörperchen und ihre Entwicklung. 311 denjenigen der übrigen Thiere (Kölliker), und war daher auf eonstante und durchgreifende Erscheinungen von vornherein nicht sehr zu rechnen. Wenn es sich darum handelte, die Samenkörperchen in ihrem natürlichen Verhalten zu beobachten, so brachte ich entweder den Samen direct auf das Objectglas, namentlich wenn er ejaculirt, oder ich nahm zur Verdünnung eine andere Körperflüssigkeit, wie Humor aqueus. Als ganz besonders brauchbar und empfehlenswerth erwies sich mir das Jodserum (M. Schultze), indem dasselbe nicht nur die Bewegung erhält, sondern auch anregend wirkt, ohne zu zerstören. Aus dem Hoden einer Maus, welcher in Jodserum gelegt worden, konnten noch nach 3 Tagen bewegliche Samenkörperchen gewonnen werden. Eine Untersuchungsflüssigkeit, welche man sich jederzeit verschaffen und gleichzeitig zur Conservirung verwenden kann, bot sich mir im verdünnten Glycerin (1 Thl. Glye. pur. und 9 Thl. Aqu. destill.) dar. Ich habe diese Flüssigkeit auch anderweitig zur Unter- suchung und zum Einlegen frischer Objeete mit Glück angewendet (wie denn z. B. Ovula vom Schafe 2 Jahre hindurch ein Aussehen bewahrt haben, als ob sie soeben dem Eierstocke entnommen), nur muss, was den vorliegenden speciellen Zweck anbelangt, wiederum darauf hingewiesen werden, dass die angegebene Verdünnung nicht für alle Fälle passt, und dass im Allgemeinen etwas stärkere Con- centrationen besser vertragen werden, als zu schwache, weil alsdann die für das Wasser charakteristischen Veränderungen auftreten. Ist die Concentration des Glycerin eine richtige, so halten die Bewe- gungen der Spermatozoiden eine Zeitlang an, ebenso wie die Wim- perbewegung in der angegebenen Verdünnung länger fortdauert. Sol- len die Samenkörperchen gefärbt werden, so wird der Farbstoff direct dem dünnen Glycerin zugesetzt. Man lässt die Präparate unter dem Deckgläschen frei liegen und wenn sich eine Eintrock- nung der Flüssigkeit zeigt, wird etwas nachgefüllt bis keine Ver- änderung mehr eintritt. Alsdann kann zur Einkittung geschritten werden. Mit der Färbung der Samenkörperchen hat man sich, soviel ich weiss, bis jetzt wenig befasst. Grohe!) that es, indessen färbte er die ganzen Spermatozoiden vermittelst Anilin und liess sich bei 1) Virchow’s Archiv 1865 April Bd. XXXIH S. 401. 312 F. Schweigger-Seidel, seinen Versuchen nicht von der Absicht leiten die besondere Anzie- hungskraft einzelner Theile der Gebilde zu prüfen. Wurde diese Aufgabe gestellt, so musste selbstverständlich mit sanz schwachen Lösungen begonnen und die Versuche auf längere Zeit ausgedehnt werden. Die näheren Angaben über den Erfolg dieser Versuche, namentlich bei Säugethieren, werden lehren, dass das carmins. Ammoniak manches zu wünschen übrig lässt, und suchte ich mir desshalb auf andere Weise zu helfen. Schon früher hatte ich die Beobachtung gemacht, dass, wenn man zu Schnitten erhärterter, mit Carminleim imjieirter Organe, Salzsäure hinzusetzt, das Carınin aus den Gefässen heraustrat und die Kerne der Umge- bung lebhaft färbte. Wenn man zu einer concentrirten Lösung‘ von Garmin in Ammoniak Salzsäure im Ueberfluss zusetzt, oder‘ wenn man die etwas verdünnte reine Säure direet auf Garminpulver 'ein- wirken lässt, so erhält man eine Lösung, deren Farbe eine mehr ziegelrothe, gegenüber der blaurothen des carmins. Ammoniaks, aber lange nicht so intensiv, als diese ist. Trotzdem lässt sie sich zur Imbibition verwenden und "bin ich gegenwärtig damit: beschäftigt, diese Methode genauer durchzuprobiren, um ihre etwaigen Vortheile festzustellen. Soviel ich sehe hat die Farbe keine grosse Dauerhaf- tiekeit und ist leider nicht so intensiv, als zu wünschen, jedoch kann man diesem Uebelstande dadurch abhelfen, dass man zu dem ge- färbten Objecte unter dem Mikroskope etwas dünne Ammoniaktlüs- siekeit zusetzt. In dem Momente, wo die Säure neutralisirt ist, geht die blassrothe Farbe in eine lebhafte blauviolette über. Ausser dem Carmin verwendete ich zur Imbibition auch das Anilin, und fand wie Grohe das Anilin-Roth besser verwendbar als das Blau. Ein Vorzug besteht in der Schnelligkeit der Färbung, indess ist gerade desshalb weit grössere Vorsicht erforderlich, ‘wenn nur die Kerngebilde gefärbt werden sollen. Anilim scheint mir nicht so exclusiv zu sein, wie das Garmin. I. Samenkörperchen der Amphibien. A. Frosch (Rana esculenta). Die Form der Samenkörperchen dieser Thiere ist bekannt (Fig. A, 1 der beigegebenen Tafel). Das walzenförmige Körperchen ist an der freien Seite leicht abgerundet und geht, am anderen Ende spitz zulaufend in den Schwanz über. Vollständig walzenförmig Ueber die Samenkörperchen und ihre Entwicklung. 313 scheint das Köpfchen (Griff Ankermann) nicht zu sein, denn man kann in Humor aqueus bei wechselnder Tubusstellung einen bald hellen, bald dunkelen Streifen wahrnehmen (A, 2 u. 3). Derselbe kann wohl nicht gut anders gedeutet werden. Untersucht man mit stärkeren Vergrösserungen (Hartnack, Immersion), was durchaus nothwendig um Alles erkennen zu können, so sieht man selbst ohne die Zusatzflüssigkeit zn ändern, dass sich das untere Ende des Köpf- chens 'anders verhält als der grössere obere Abschnitt desselben. Die Scheidung ist bald mehr bald weniger deutlich, bedingt durch ein etwas verschiedenes Lichtbrechungsvermögen, mitunter aber auch durch eine hellere Linie markirt. In verdünntem Glycerin findet man bisweilen an der Grenze beider Abschnitte eine seichte Ein- schnürung und bemerkt, ‚dass dieselbe zur vollständigen Trennung führen kann. Ist dieselbe erfolgt, so bleibt das untere Ende des Köpfchens am Schwanze sitzen, sodass er nicht zum eigentlichen Köpfchen zu rechnen ist, sondern dem Schwanze als Ansatzstück dient (A, 3). Ankermann ist der einzige, welcher angibt, dass der Schwanz bei seiner Lösung vom Köpfchen ein knopfförmig ver- dicktes, oberes ‘Ende zeige (l. ec. p. 132), sonst finde ich nirgends eine ‚Angabe über dieses Verhalten. Ich unterscheide am Samen- körperchen des Frosches (A,2) a) das Köpfchen, b) das Mittelstück und €) den Schwanz und fand in einzelnen Fällen folgende Maass- verhältnisse: a) lang — 0,0140, breit = 0,0016, b) lang 0,0025, c) 0,040 Mm. Der Unterschied zwischen a und b macht sich alsdann. weiter geltend, wenn man die Samenkörperchen durch Wasserzusatz zum Quellen bringt. Man sieht, dass sich b an der. Quellung nicht be- theiligt (A, 4), Carmin in ganz schwacher, möglichst ammoniakfreier Lösung dem verdünnten Glycerin zugefügt, färbt nur a, b dagegen bleibt unverändert, und zwar geht die Imbibition schneller vor sich, wenn die Köpfchen etwas gequollen. Stellt man bei einem solchen Körperchen das Mikroskop auf die Oberfläche ein, so tritt das un- gefärbte Mittelstück leuchtend hervor. In diesen Fällen handelt es sich also um Veränderungen des Köpfchens, während wir in der Essigsäure ein Mittel besitzen, um die mit b bezeichneten Stücke anzugreifen. Verdünnte Essigsäure scheint den Schwanz zu’ lösen, macht jedoch auch das Ansatzstück aufquellen (A, 5), bei längerem Einwirken der Säure bläht sich das Stück b immer mehr auf (A, 6) und schliesslich hebt sich im Zusammenhange mit ihm eine äusserst 314 F. Schweigger-Seidel, zarte Membran vom ganzen Köpfchen ab (A, 7); & selbst bleibt in der Essigsäure ganz scharf conturirt. Wenn ich sagte, es scheint, als ob die Essigsäure zuerst die Schwänze der Samenkörperchen löse, so werde ich von einer bestimmten Erklärung hierüber nur durch den Umstand abgehalten, dass ich nur Samenkörperchen aus dem Hoden untersuchen konnte. Hier aber finden sich, wie bekannt, ne- ben den entwickelten Formen stets solche, die nur aus einem wal- zenförmigen Körperchen bestehen, denen also der Schwanz zur Zeit noch fehlt. Diese schwanzlosen Körperchen im Froschhoden ver- halten sich ebenso wie die Theile des fertigen Spermatozoids, welche man früher zusammen als Köpfchen beschrieb ; denn auch an ihnen haben wir einen vorderen und einen hinteren Abschnitt, nur dass letzter zumeist grösser ist, als an den ausgebildeten Formen. Dass wir am Köpfchen des Samenkörpers eine äussere Grenz- schicht anzunehmen haben, darf wohl auch aus der Wirkung des Kal. caust. geschlossen werden. Dieses Mittel im mehrprozenti- ger Lösung angewendet zerstört die Samenkörperchen. Beobachtet man den Vorgang der Lösung unter dem Mikroskope, so sieht man, dass das Köpfchen zuerst ein wenig aufquillt, dann aber plötzlich ruckweise verschwindet, sodass man ganz unwillkührlich an das Platzen einer kleinen Blase erinnert wird. Allerdings ist es mir bis jetzt noch nicht gelungen die etwa zurückbleibenden Reste der Mem- branen nachzuweisen, und werde ich mit der Wiederholung dieser und anderer Versuche bis zum kommenden Frühjahr warten müssen. B. Triton taeniatus. Die Samenkörperchen dieses Thieres sind wegen ihrer eigen- thümlichen Beschaffenheit Gegenstand vielfacher Untersuchungen ge- worden. Der Kopf ist lang, von pfriemenförmiger Gestalt und der sich anschliessende Schwanz ist nicht einfaches Wimperhaar, sondern er ist flossenartig besetzt mit einer undulirenden Membran, welche man als Duplikatur eines feinen den Faden einschliessenden Häut- chens angesehen hat (B, 1. der Schwanz nicht in ganzer Länge ge- zeichnet). Während nun bei oberflächlicher Betrachtung und An- wendung gewöhnlicher Vergrösserung das Köpfchen als gleichmässi- ges (zebilde erscheint, zeigte sich mir bei Anwendung verdünnten Glycerins das an den Faden angrenzende Ende als ein durch. die veränderte Lichtbrechung ausgezeichnetes Stück (b). Es ist scharf Ueber die Samenkörperchen und ihre Entwicklung. 315 abgesetzt und hat eine Länge von 0,006 Mm., während der darüber gelegene Theil des Köpfchens (a) 0,090 und der Faden mit Wimper- besatz (c) 0,3550 Mm. lang ist. Bei Zusatz von Carmin imbibirte sich b, und noch deutlicher trat der Unterschied zwischen a und b bei Anwendung von Salzsäure hervor. Nach mehrstündigem Einwirken von Acid. hydrochl. pur. auf reinen Samen waren die Körperchen zu einer festen Masse zusammengeballt und schwer von einander zu lösen. Als constant aber konnte man erkennen, dass von den Köpf- chen der Abschnitt a verschwunden und nur der Faden mit b zu- rückgeblieben war (B, 2). Bei länger dauernder Einwirkung der Salzsäure zeigte sich b etwas aufgebläht (B, 3). Auch der Wirkung des Kal. caust. widersteht b besser als a, welches erblasst und auf- quillt. Der Wirkung der Salzsäure setzt sich gegenüber die der Essigsäure. Durch sie wird der Faden mit Wimperbesatz gelöst, und es bleiben nur die beiden Abschnitte des Köpfchens übrig (B, 4). b schwillt gewöhnlich etwas an und man sieht, was wichtig genug, von ihm aus eine feine Membran über den Haupttheil des Köpfchens sich hinziehen. Freilich muss ich hier dasselbe sagen, wie bein Frosche. Ich weiss nicht , ob diese Formen durch die kückbildung resp. Umbildung fertiger Samenkörperchen entstanden, oder ob wir es mit noch nicht vollendeten Gebilden zu thun haben, da die Da- menkörperchen, welche zur Untersuchung dienten, dem Hoden ent- nommen werden mussten und nur spärlich vorhanden waren. Dass ganz ähnliche Entwicklungsstadien vorkomwen ist unzweifelhaft, und gerade dadurch wird auch ohne Rücksichtnahme auf die Wirkung der Essigsäure das Vorhandensein verschiedener Abschnitte am Sper- matozoid bewiesen. Zum Schluss noch den Hinweis darauf, dass die Abtheilungen a und b am Samenkörperchen von Triton nicht ohne weiteres mit den gleich bezeichneten Abschnitten am Spermatozoid des Frosches zusammengestellt werden dürfen, dass es vielmehr einer genaueren Prüfung vorbehalten bleiben muss, zu entscheiden, ob nicht vielleicht a beim Frosch dem Abschnitte b bei den Sala- mandrinen entspricht. I. Samenkörperchen der Vögel. Man unterscheidet zwei Arten derselben: die eine mit geradem, stäbchenförmigen Kopf, und die andere, welche nach Leuckart') 1) Handwörterb. d Physiol. Bd. IV. 5. 329. 316 F. Schweigger-Seidel, nur den ächten Singvögeln zuzukommen scheint, durch die spitz zu- laufenden korkzieherartig gewundenen Köpfchen ausgezeichnet. Beide Formen verhalten sich folgendermassen. GC. Haushahn. Auch bei diesem Thiere konnte ich keinen Inhalt des Vas defer. untersuchen, da mir nur ausgeschnittene Hoden zu Gebote standen. Gewiss ist, dass sie m dem einen Falle von einem kräftigen, dem Hühnerhofe entnommenen Thiere herrührten und zahlreiche ausge- bildete Samenkörperchen enthielten (6, 1). Ebenso wie die Taube, welche ich noch untersuchte, lieferte der Hahn keine besonders gün- stigen Objecte, weil die ganzen Samenkörperchen klein, die walzen- förmigen Köpfchen aber schmal und fast immer unregelmässig ge- krümmt sind. Hier kommt es vor allen Dingen auf starke Vergrös- serungen an. Selbst bei der Untersuchung in Jodserum erkannte man die Köpf- chen als aus zweierlei Masse bestehend (GC, 2). Die eine nach vorn gelegen (a) ist scharf conturirt, stark lichtbrechend, scheint aber, we-_ nigstens nicht immer, bis in die Spitze hineinzugehen; die hintere (b) ist zarter, blasser und geht unmittelbar in den dünnen Schwanz (e) über. Das Verhalten hier schliesst sich an das beim Frosche .an. Beim Hahn ist a) 0,009, b) 0,004 und c) 0,032 Mm. lang. Deut- licher wird die Scheidung noch beim Zusatz von verdünntem Gly- cerin, durch das auch eine leichte Quellung der Köpfchen veranlasst wird. Garmin färbt a leichter bei beginnender Quellung, desgleichen bleibt bei Einwirkung der Essigsäure a allein übrig. Die Samen- körperchen der Vögel sind schnell vergänglich. Setzt man zu einem Präparate in Jodserum Essigsäure in der Verdünnung von 1 :100, indem man sie von der einen Seite her zufliessen lässt, so quillt und löst sich zuerst b, während-c nachfolgt. Wir behalten allein stäbchenförmige Gebilde zurück, welche der Abtheilung a entspre- chen (0,4). Bei C,3 ist es fraglich, ob es sich um eine einfache Folge der Essigsäure-Wirkung oder um. eine Entwicklungsstufe han- delt? Wahrscheinlich lieet eine Combination beider Möglichkeiten vor, aber in jedem Falle sind die Formen wichtig für die Bedeu- tung der einzelnen Abschnitte der Samenkörperchen. D...Kunke, Die Samenkörperchen des 2ten Typus zeigen ein von den vo- Ueber die Samenkörperchen und ihre Entwicklung. 317 rigen abweichendes Verhalten. D,1 zeigt uns ein Samenkörperchen bei 1000facher Vergrösserung, so jedoch, dass der Schwanz nur m einem kleinen Theil seiner Länge gezeichnet ist. Es stammt aus dem Hoden, da das Vas defer. des untersuchten Individuums keme Spermatozoiden enthielt. Eine Differenzirung der Substanz liess sich zuerst in Humor aqueus kaum erkennen. Das Einzige, was man bemerken konnte, war ein stärkeres Lichtbrechungsvermögen des unteren Endes des Köpfchens (D, 2), und erst nachdem verdünntes Glycerin einige Zeit eingewirkt hatte, veränderten sich die Köpfchen derartig, dass der obere Abschnitt heller wurde und die Regelmäs- sigkeit seiner Windungen verlor (D, 3). Der obere Abschnitt (a) war in einzelnen Fällen verloren gegangen (Mechanische Trennung), sodass nur der Theil, welcher bei einer Länge von 0,005 Mm. der untersten Windüng entsprach (b), am Faden (ec) sitzen blieb (D, 4). Deutlicher wird diese Scheidung noch m D,6. In dem Präparate, dem die Bilder entnommen sind, hatten die Samenkörperchen in verdünntem Glycerin eine Zeitlang ohne Deekgläschen gelegen, so- dass ein Theil des Wassers verdunstet war. Hier zeigte sich a be- deutend aufgebläht, während b nur wenig gequollen war und — die Flüssigkeit enthielt Carmin — sich lebhaft gefärbt hatte. b war m diesen Fällen 0,004 Mm. lang und 0,003 Mm. breit. Aehnliche Er- scheinungen, wie die zuletzt angegebenen, bewirkt Essigsäure. Ich liess unter das Deckeläschen Acid. acet. in der Verdünnung von 1:10 zufliessen, beobachtete, wie in schneller Folge hinter einander a aufquoll und gelöst wurde, wie auch ce allmählig verschwand und nur b als breitere oder schmalere Körperchen, je nachdem sie sich von der Kante oder der Fläche präsentirten, übrig blieben. Eine weitere eigenthümliche Erschemung, welche bei Anwen- dung des verdünnten Glycerins auftrat, bezieht sich auf den Faden des Samenkörperchens. Nach längerem Einwirken des Mittels fiel es mir bei stärkerer Vergrösserung auf, dass der Schwanz wie aus mehreren Fibrillen zusammengesetzt erschien. Es war dies am deut- lichsten an solehen Stellen, wo der Schwanz eine Biesung machte (D, 2 x), und erkannte man bald, dass ein mittlerer stärkerer Faden von zwei zarteren Conturen eingefasst wurde. In anderen Fällen macht es denEindruck als ob um einen Oentralstrang em Spiralfaden gelegt sei, resp. wellenförmig über denselben hinweglaufe (D, 4 u. 5) und wenn man dann noch hinzunimmt, dass auch bei einzelnen Samen- körperchen an der Spitze des Köpfchens zarte Anhänge wahrgenom- 318 F. Schweigger-Seidel, men werden können (d. h. nach vorausgegangener Behandlung mit verdünntem Glycerm), so muss man dieses Alles als Beweis ansehen für das Vorhandensein eines feinen Häutchens, welches das Samen- körperchen einhüllt. In D, 4 ist bei y ein Zerreissen der Membran erfolgt, und, der darüber gelegene Abschnitt des Fadens ist dicker als der untere, weil bei ihm ein Abheben nicht Statt gehabt hat. Die Erscheinungen der Windungen und Biegungen um den Gentral- strang herum erkläre ich mir durch ein ungleiches Quellungsver- mögen der Grenzschicht und der Inhaltsmasse. Nach alledem stellt sich eine Analogie der Samenkörperchen der Singvögel mit denen der Salamandrinen heraus, und muss ich bedauern, nur ruhende Spermatozoiden gesehen zu haben. Ueber die Art der Bewegung habe ich desshalb auch kein eigenes Urtheil. Il. Samenkörperchen der Säugethiere. Dieselben zeigen keine so wesentlichen Verschiedenheiten unter einander und können desshalb gemeinschattlich abgehandelt werden, Ausführlicher sollen uns beschäftigen die Spermatozoiden E vom Schafe, F von der Maus, G vom Igel, H vom Schweine, J vom Meerschweinchen, K vom Kaninchen. An den längeren oder kürzeren fadenförmigen Theil des Sa- inenkörperchens ist am dickeren Ende angesetzt das Köpfchen, als ein scheibenförmiges oder mehr kugliches Körperchen. Die Gestalt desselben ist für gewöhnlich birn- oder herzförmig und nur. in ein- zelnen Fällen haken- oder sichelförmig (F). Bei letzteren inserirt sich auch der Faden nicht in der Längsaxe des Köpfchens, sondern seitlich, und schliesst sich in dieser Beziehung, wie ich sehe, den Murmen noch der Igel an (G). Wo aber liegen hier die Besonderheiten gegenüber den Vögeln und Amphibien ? Bei der Feldmaus machte ich gelegentlich die Beobachtung, welche mich zu der ganzen Untersuchung veranlasste, dass der Fa- den in zwei Abschnitte zertiel, in einen oberen kürzeren und einen unteren längeren, in eine Spitze von unmessbarer Feinheit auslau- fend. Der obere Abschnitt war von dem unteren scharf abgesetzt, und wenn auch nicht an allen Samenkörperchen gleich ausgespro- chen, so war der Unterschied doch zumeist so deutlich, dass Jeder, dem ich es zeigte, davon überrascht wurde. Da wir aber verschie- Ueber die Samenkörperchen und ihre Entwicklung. 319 dene Verhältnisse kennen lernen werden, durch welche dieser obere Theil des Fadens vor den anderen Abschnitten ausgezeichnet ist, so zerlege ich schon der grösseren Kürze der Bezeichnung wegen. die Samenkörperchen in folgende drei Theile: a) Kopf, b) Mittel- stück, c)Schwanz. Sie entsprechen denjenigen, welche wir beim Frosche kennen gelernt haben und besitzen ihrerseits folgende Un- terscheidungsmerkmale. 1) Das Mittelstück zeichnet sich dem Schwanz gegenüber durch seine grössere Breite aus, und wird der Unterschied zum Theil da- durch auffälliger, dass zwischen beiden kein allmähliger Uebergang stattfindet. Man nimmt zur Zeit allgemein an, dass der Faden des Samenkörperchens sich vom Köpfchen nach der Spitze zu gleich- mässig verjünge, während man an einzelnen Exemplaren in einer gewissen Höhe einen deutlichen Absatz wahrnehmen kann. Das ganze Mittelstück ist von gleicher Breite und erst von seinem End- punkte an beginnt die Verschmälerung des Fadens (E,1 u. F, 1). Ich bemerke hier ausdrücklich, dass man diesen Absatz nicht an allen Samenkörperchen nachweisen kann und empfehle für den Beginn der Untersuchungen ganz besonders Maus oder Ratte und das Schaf, wenigstens haben von den untersuchten Thieren diese mir die deutlichsten Bilder geliefert. Bei manchen anderen Säugern würde man zugestandenermassen vergeblich bemüht sein, zu einer sicheren Anschauung zu gelangen, wenn nicht noch andere unter- stützende Momente hinzukämen. Zu diesen gehört 2) der stärkere Glanz, welchen die Substanz des Mittelstückes besitzt. Man kann dies schon in Humor aqueus und Jodserum wahr- nehmen, bei weitem am besten jedoch an Präparaten gut getrock- neter Samenkörperchen. Das Beiwort »gut« verdienen dieselben, wenn die Conturen glatt und scharf und nicht, wie es häufig der Fall ist, trüb angehaucht erscheinen. Es entsteht dieser Beleg, glaube ich, von feinvertheiltem Fett, und da er sich mitunter erst bemerkbar macht, wenn die Präparate einige Zeit gelegen haben, so halte man sich zunächst stets an frisch angetertigte. Indessen treten auch an Spermatozoiden vom Schafe, welche ich seit Jahren aufbe- wahre, die Mittelstücke sofort deutlich hervor '). 1) Gute Präparate kann man sich so anfertigen, dass man den Samen mit ganz schwacher Essigsäure (1: 100) stark verdünnt, davon etwas auf das Objectglas bringt, das Deckgläschen aufdrückt und nun die dünne Schicht vom 320 F. Schweigger-Seidel, Bezüglich des stärkeren Glanzes des Mittelstückes fehlt gleich- falls ein allmähliger Uebergang nach dem Schwanze zu, auch hier finden wir ein scharfes Absetzen. Bei den Abbildungen habe ich die Verhältnisse der Breite und «des Glanzes möglichst naturgetreu wie- derzugeben versucht. Vergleicht man mit Schaf und Maus die übri- gen, so wird man Belege für das ungleiche Verhalten eimzelner Thiere finden. | 3) Das Mittelstück besitzt bei den einzelnen Säugethieren eine sich gleichbleibende Länge, indess gilt dies nur für die ausgebildeten Formen ; liegen gemischte Zustände vor, wie bei Untersuchung des Hodenparenchyms, so fällt diese Gleichmässigkeit weg. Die bei den vorgenommenen Messungen gefundenen Zahlenwerthe stelle ich m nachfolgender Tabelle zusammen. Mittelzahlen in Millimetern. Es ist lang: a. b. €. bei der Maus... 0,008 0,023 0,085 beim .bgel,.stesiingen 0,006 | ...0,009 0,065 » Maulwurfe . . 0,008 0,020 0,055 >» Meerschweinchen "9,018 0,010 | 0,080 > Kaninchen . .. 0,007 0,008 0,041 > Schafe 2. 2] 0,008 10,015 110,055 >» Schweine . . 0,009 | 0,011. .0,040 >» mus)... 0,006 0,011 0,048 > Menschen . . 0,005 0,006 0,040 4) Bekanntlich kommen an den Samenkörperchen verschieden- artige Anhänge vor, welche zuerst von Dujardin beschrieben wur- den ?) und zu verschiedenen Aeusserungen über ihre Natur Veran- Rande her eintrockuen lässt. Durch die Zusatzflüssigkeit wird das Plasma seminis gelöst, welches durch seine Zähigkeit und Klebrigkeit der Herstel- lung guter Präparate hinderlich ist, und hierdurch wird eine gleichmässige Vertheilung der Samenkörperchen ermöglicht. Beim Eintrocknen bleibt ein Theil derselben am Deckgläschen, der andere am Objectgläschen haften und wenn man alsdann beide von einander trennt, hat man Material zu zwei Präparaten. 1) Präparate von Herrn Prof, Welcker. 2) Annales des sciences natur. 1839 Tom. VIII p. 291. Ueber die Samenkörperchen und ihre Entwicklung. 321 lassung gegeben haben. Wir handeln zunächst nur von denen, welche am fadenförmigen Theile des Spermatozoids vorkommen: und von Kölliker als hängengebliebene Ueberreste des Körpers der Samen- zellen angesehen werden !),. Ohne auf diesen Punkt näher einzu- gehen, will ich an dieser Stelle die Aufmerksamkeit einzig auf Fol- sendes gelenkt wissen. Die Anhänge erscheinen entweder als ausgedehntere flügelför- mige Läppchen oder als kleinere Knötchen, anscheinend Verdiekun- gen des Fadens. Beide haben ihren Sitz stets nur am Mittelstück und zwar, wenn sie klein, knötchenförmig, ausnahmslos am nnteren Ende desselben, oder aber es wird, wenn sie gross, diese ganze Ab- theilung davon umhüllt. Auf letzteres Verhalten (E,7 u. J, 6) komme ich noch einmal zurück. Im ersten Falle wird durch das Knötchen die Scheidung von Mittelstück und Schwanz markirt (H, 1 u. 4; J,1; F, 3), und ist es eine sehr leicht zu constatirende Thatsache, dass im Vas defer. einzelner (reschöpfe sich oft massenhaft Samenkörper- chen finden, welche am Faden in einer ganz bestimmten Entfernung vom Kopfe eine kleine Anschwellung besitzen. Es hängt dies jeden- falls mit der Entwicklungsstufe, auf welcher sich die Samenkörper- chen der Mehrzahl nach befinden, zusammen. Mitunter werden sie ganz vermisst. — Wohl zu unterscheiden sind von diesen Anhängen andere, unregelmässige Körnchen, welche als zufällige Begleiter der Samenkörperchen anzusehen sind, meist am Schwanze sitzen und sich leicht ablösen lassen, während dies bei den eben beschriebenen Bildungen nicht der Fall ist. 5) Dass die Substanz des Köpfchens nicht gleichmässig in die des Mittelstückes übergeht, kann einmal daraus erschlossen wer- den, dass die ersteren sich stets ganz glattrandig von den zweiten ablösen ; bei einem directen Zerreissen der Masse müsste sich doch wohl das Verhältniss irgend einmal anders gestalten (F,4). Ferner sieht man an unverletzten Samenkörperchen sehr häufig zwischen Kopf und Mittelstück eine kleine Lücke, d. h. richtiger, es fehlt hier an einer Partie von geringer Ausdehnung die glänzende Inhalts- masse des Mittelstücks, und wird die Anemanderheftung einzig durch die Grenzschicht vermittelt (E,1 u. a.) Das Verhalten ist ein sehr sewöhnliches und findet sich bei Grohe Fig. 3,a u. b, sowie in Fig. 7, ce wiedergegeben: Man wird diese scheinbaren Lücken iden- 1) 1. c. p. 266. 322 F. Sehweigger-Seidel, tifieiren wollen mit den kleinen Höhlungen, Vacuolen,, im Innern der Samenkörperchen, welche Grohe als eine Folge der wechseln- den Contractionen des Bildungsmaterials auffasst, indessen ist hier auf den sich stets gleichbleibenden Sitz aufmerksam zu machen und zu erwähnen, dass man an isolirten Mittelstücken mitunter ein hel- leres Knöpfchen angesetzt findet (E, 2). Ebenso wie am oberen Ende des Mittelstückes kommen solche kleine Vaeuolen auch am unteren vor, sodass auf diese Weise eine weitere Scheidung zwischen Mittelstück und Schwanz zu Stande kommt (E, 3). Möglicherweise handelt es sich in solchen Fällen schon um eine Einleitung des Zerfalls der Samenkörperchen, denn 6) löst sich nieht nur der Kopf vom Faden, sondern es trennt sich unter besonderen Verhältnissen auch der Schwanz vom Mittel- stück, sodass das Samenkörperchen wirklich in drei Glieder zerfällt (E4 u. 5). Dei einem gesunden und geschlechtsreifen, aber zur Zucht noch nicht verwendeten Schafbock fanden sich im Vas defer. fast keine Samenkörperchen vor. Im Kopfe des Nebenhodens mach- ten sich einige weissliche, bald härtlich, bald weich anzufühlende Stellen bemerkbar und entleerte sich beim Einschneiden theils eine flüssige Masse, theils sassen festere Klumpen in der Substanz des Nebenhodens eingebettet, oder vielmehr dem Anscheine nach in be- sonderen Cysten gelagert. Die flüssige Cystenmasse sowohl, wie die festere, bestand ausschliesslich aus Samenkörperchen, welche im letzteren Falle ohne eine Spur von Zwischenflüssigkeit nur mit Fett- körnchen vermischt aneinander gepresst waren. Unter den Körper- chen waren nur wenige gut erhalten, die meisten waren zerbrochen. Zunächst waren fast sämmtliche Köpfehen isolirt, dann aber auch, wie dies die Figur zeigt, die Mittelstücke als abgetrennte , gleich lange, stäbehenartige Gebilde zu erkennen. Der Zerfall ging jedoch hier noch weiter, indem sich die Mittelstücke in lauter kleine, qua- dratische, glänzende Stückchen auflösten (E, 5). Ganz dasselbe Verhalten beschreibt Kölliker von Spermatozoiden aus einer Oyste des Nebenhodens vom Ochsen '), und finden wir daselbst in Ueber- einstimmung mit der beigefügten Zeichnung 'angegeben, dass theil- weise nur das obere Stück des Fadens diesen Zerfall zeigte, und wenn auch Kölliker berichtet, dass derselbe sich mitunter auf. 1)-3. ec, p. 254. Ueber die Samenkörperchen und ihre Entwicklung. 323 den ganzen Faden erstreckt habe, so bin ich doch nach dem, was ich vereinzelt bei meinem Schafe gesehen habe, geneigt anzuneh- men, dass es sich hier um eine etwas andere Sache handelt, mög- licherweise um ein zweites Stadium des Zerfalls. In den Fällen, wie E,6, scheint es nämlich, als ob an die äussere Fläche des Fadens kleine Tröpfchen angeheftet seien, und können wir uns denken, dass nachdem die Metamorphose der Inhaltsmasse der Samenkörperchen bis zu einem gewissen Grade gediehen, das Fett durch die Grenz- schicht hindurchtritt und sich aussen anheftet. Mag sich übrigens die Sache verhalten, wie sie will, die Bilder E, 5 sind für uns die wichtigsten, weil sie die charakteristischen sind. 7) Eine weitere Eigenthümlichkeit der Mittelstücke liegt in der Art der Bewegung der Samenkörperchen. Es belehrten mich meine Beobachtungen darüber, dass die Mittelstücke in Gemeinschaft mit den Köpfchen sich passiv verhalten, dass also allein der Schwanz active Bewegungen zeigt. Mit diesem Satze stehen in Widerspruch die Behauptungen Grohe's, welche derselbe in der oben eitirten Arbeit ausgesprochen hat. Derselbe beschreibt als regelmässig vorkommend Gestaltver- änderungen am Köpfchen und am oberen Abschnitte des Fadens, lässt dieselben durch active Gontractionen der Imhaltsmasse dieser Theile entstehen und glaubt sogar, die Gontractionen des Köpfchens als bedingend für die wellenförmigen und schwingenden Bewegungen des Fortsatzes ansehen zu müssen. Es war natürlich, dass diese Angaben meine Aufmerksamkeit um so mehr erregten, als ich bei meinen Untersuchungen die Bewe- gungsvorgänge nicht unbeachtet gelassen hatte. In Folge einer ge- naueren Prüfung kann ich mich über diesen Punkt folgendermassen aussprechen. Wenn man Samenkörperchen, die in lebhafter Bewe- sung begriffen sind, bei ganz starker Vergrösserung betrachtet, so sind die Orts- und Lageveränderung so rapide, dass ich mir wenig- stens nicht zu entscheiden getraue, ob hierbei die Köpfchen Gestalt- veränderungen eingehen, oder nicht; nur das wird dem aufmerk- sam Beobachtenden klar, dass die Köpfchen fortwährend ihre Lage wechseln. Bald gehen sie mit dem vorderen Rande nach oben, bald nach unten, bald wird der eine, bald der andere Seitenrand der kleinen Scheiben dem Linsensysteme zugewendet und folglich wird das projieirte Bild stetige Veränderungen erfahren '). Werden im 1) Henle (Allgem. Anatomie S. 954) ist der Ansicht, dass Lamper- 324 F. Schweigger-Seidel, Gegensatze hierzu die Bewegungen langsamer, so würden sich aller- dings etwaige Gestaltveränderungen der Köpfchen wohl erkennen lassen, müssen aber sehr geringfügig sein, denn ich habe nie etwas davon gesehen. Ich will nun nicht die Möglichkeit solcher Contractionserschei- nungen überhaupt läugnen, habe mich auch, offen gestanden, nicht bemüht, nachzuforschen, ob dieselben durch irgend welche Mittel hervorgerufen werden können, glaube jedoch nicht recht daran we- sen der Festigkeit der Substanz und der Resistenzfähigkeit, welche die Samenkörperchen den verschiedensten Einflüssen gegenüber be- wahren. Sollte aber die Erscheinung von anderer Seite eine Bestä- tigung erfahren, so würde sie jedenfalls zu den merkwürdigsten Lebensvorgängen zu rechnen sein. Trotz alledem halte ich mich schon jetzt für vollkommen be- rechtigt, der Ansicht Grohe’s, dass die Bewegungen des Fadens von der Contraction des Köpfchens abhängig seien, entgegen zu treten. Kölliker !) und Ankermann ?) geben bereits übereinstim- mend vom Frosche an, und: kann ich es ausser für dieses Thier auch für Kaninchen und Meerschweinchen bestätigen, dass die faden- förmigen Theile der Spermatozoiden nach ihrem Abreissen vom Köpf- chen fortfahren, ‚sich lebhaft und andauernd zu bewegen. Vom Ka- ninchen gebe ich eine erläuternde Abbildung m K, 1. Schwanz und Mittelstück sind nicht vollkommen vom Köpfchen getrennt, denn ob- gleich sich die Substanz beider von eimander gelöst hat, ist der Schwanz am Köpfchen durch eine Anhangsmasse von geringer Aus- dehnung angeheftet und zwar so, dass die Längsaxen ‚beider sich rechtwinklich kreuzen. Während nun das Köpfchen sich vollständig ruhig verhielt, bewegte sich der Faden schnell von x’ nach x“ durch die mittlere Stellung x hindurch. Ich war im Stande das Spiel des Fadens fast eine Stunde lang zu verfolgen. (Grohe könnte dagegen freilich einwenden, dass m solchen Fällen die Erregung des Schwanzes von dem Antheile der contrac- tilen Substanz im Faden selbst ausginge, indessen fällt alsdann die Bedingung weg, welche Grohe zur Erklärung des Formenwechsels hoff, der schon früher Formveränderungen der Köpfchen behauptet, sich durch Lagewechsel derselben habe täuschen lassen. 1).l.’c. p. 248, 2) .c.p- 132. Ueber die Samenkörperchen und ihre Entwicklung. 325 aufgestellt, hat, die Bedingung nämlich, dass die contractile Substanz von einer elastischen Hülle eingeschlossen sein müsse, weil hier die Hülle an der Stelle, an der die Lösung des Fadens vom Köpfchen erfolgte, entschieden fehlt. Sicherer natürlich als ‚diese Betrachtungen ist das, was sich direct beobachten lässt, und führe ich desshalb noch Einiges an, um Belege dafür beizubringen, dass sich das Mittelstück in Gemeinschaft mit dem Köpfchen passiv verhält. Fasst man ein Samenkörperchen ins Auge, dessen Bewegungen bereits langsamer geworden sind, und dessen Köpfchen an einer etwas rauheren Stelle des Glases haften blieb, so machen sich die Bewegungen, so wie.es in K, 2 wiederge- geben ist. , Allein durch die Bewegungen des Schwanzes wird. Kopf und Mittelstück aus der einen extremen Stellung in die andere über- geführt, gerade: als wenn, wir ein Pendel durch einen unten ange- hängten Bindfaden in Schwingungen versetzen würden. Schliesslich muss ich diejenigen, welche sich mit diesen Untersuchungen abgeben wollen, veranlassen, auf folgendes Verhalten der Samenkörperchen ihr Augenmerk zu richten. Man findet im Vas defer. verschiedener Säuger wohl ziemlich constant, wenn auch nicht in gleicher Anzahl Spermatozoiden, bei denen der Schwanz nach dem Kopfe zurückge- schlagen: ist. Wir haben dies nicht als eine Folge der Untersuchungs- flüssigkeit anzusehen, wir finden es in Humor aqueus und Jodserum, also da, wo von derweiligen Veränderungen keine Spur vorhanden ist. Was aber diese geknickten Samenkörperchen besonders interes- sant macht, ist, der Umstand, dass die Umbiegung des Schwanzes stets an einer bestimmten Stelle erfolgt und zwar am unteren Ende des Mittelstücks, ‚so dass also auch hierdurch die abweichenden Ver- hältnisse dieser beiden Abschnitte dargethan werden. Die Umbiegung des Schwanzes ist entweder eine vollständige (F,2) oder derselbe bil- det mit, dem Mittelstück in der Ruhe einen mehr oder weniger spitzen Winkel (F,3). In beiden Stellungen nun können die Samen- körperchen durch ‚Undulation des Schwanzes fortbewegt werden; der Winkel der eigentlichen Knickung ändert sich hierbei nicht, was er doch wohl ,thun müsste, wenn der obere Abschnitt des Fadens, also das Mittelstück durch Contraction eine Veränderung der Gestalt er- fahren , oder wenn die wellenförmigen Bewegungen des Schwanzes sich bis an das Köpfchen hin fortgepflanzt hätten. Nein, das Mittel- stück ist für gewöhnlich starr und ebensowenig, wie der Kopf, in seiner ‘Gestalt veränderlich. — Ich kann desshalb auch Grohe nicht M. Schultze, Archiv f. mikrosk. Anatomie. I. Bd. 22 326 F. Schweigger-Seidel, Recht geben, wenn er die von Dujardin beschriebenen Anhänge am Kopf der Samenkörperchen vom Meerschweinchen angesehen wissen will »als die verschiedenen Contraetionszustände und Falten, welche der grosse, äusserst dünne scheibenförmige Kopf dieser Sa- menkörper darbietet« (8.413). Es handelt sich hier, wie später ge- zeigt werden soll, um etwas ganz Anderes. 8) Es bleibt mir nur noch übrig, auch für die Samenkörper- chen der Säugethiere anzugeben, wie sich dieselben gegen verschie- dene chemische Substanzen verhalten, da wir bei den Amphibien und Vögeln gerade hierin die Verschiedenheit der einzelnen Abschnitte begründet sahen. Den genannten Thieren gegenüber liefern die Säu- ser wenig günstige Objecte wegen der schon öfter erwähnten grossen Widerstandsfähigkeit gegen sonst energisch wirkende Stoffe. Trotz- dem wird sich auch in diesem Abschnitte einiges Interessante bei- bringen lassen. Garmin färbt bei vorsichtiger Anwendung nur die Köpfchen der Samenkörper, Mittelstück und Schwanz dagegen nicht. Es ist nicht ganz mühelos, sich hiervon hinlänglich zu überzeugen. Nimmt man verdünntes Glycerin mit einer Spur gelösten Carmins und lest den Inhalt des Vas defer. darin ein, so haben sich die Kerne der etwa vorhandenen Epithelialzellen schon lange auf das Schönste ge- färbt, ehe die Samenkörperchen eine Veränderung zeigen, und nur ganz allmählig tritt an einzelnen Köpfen die Farbe hervor. Bes- ser gelingt es bei jugendlichen Formen aus den Hodenkanälchen. Bei ihnen ist die Empfänglichkeit für das Garmin noch eine grössere oder, wie es wohl richtiger ausgedrückt sein wird, die Beschaffen- heit der Grenzschicht gestattet dem Carmin zur Zeit noch leichter, durch sie hindureh zu treten. Verhältnissmässig schnell färbten sich die Köpfchen in einem Falle beim Meerschweinchen, so dass über die Richtiekeit des oben ausgesprochenen Satzes kein Zweifel blieb, aber trotz der günstigeren Gestaltung blieb auch hier die Farbe nur eine blasse. Eine irgendwie brillante Färbung zu erzielen ist mir nie gelungen und liegt der Grund wohl hauptsächlich in der grossen Dünne der Kopfscheiben. Stehen dieselben auf der Kante, so erscheint die Röthung sogleich ausgesprochener. Färbt man ener- gischer, so geht die Farbe auch auf Mittelstück und Schwanz über und man erhält alsdann die Bilder, welche Grohe beschreibt. Der Umstand, dass die Samenkörperchen der Säugethiere von Salzsäure nicht merklich verändert werden, veranlasste mich die Ueber die Samenkörperehen und ihre Entwicklung. 327 Färbung derselben mit eimer Lösung des Carmins in dieser Säure zu versuchen (s. die allgem. Bemerkungen). Der Versuch glückte. Nach mehrstündiger Emwirkung des salzsauren Carmins war der Same im Ganzen lebhaft ziegelroth gefärbt und erkannte man nach Zertheilung der Klümpchen ganz deutlich, dass die Köpfchen geröthet und zwar allein geröthet waren. Leider war aber auch hier die Fär- bung eine sehr zarte, und musste ich desshalb zu dem angegebenen Hülfsmittel meine Zuflucht nehmen. Wenn ich unter das Deckgläs- chen eine ganz schwache Lösung von Aetzammoniak zufliessen liess, so trat eine günstige Veränderung ein, durch die jedenfalls bewie- sen wurde, dass die Quantität des Farbstoffs, welche aus der saue- ren Lösung des Carmin in die Köpfe übergegangen, verhältnissmässig gar nicht gering war, sicherlich grösser als die Quantität, welche aus der ammoniakalischen Lösung überzutreten pflegte. Ich stellte diese Versuche hauptsächlich an den Spermatozoi- den eines Schweines an, welches mir in dem gefüllten Nebenhoden- gange reiches Material gewährte. Um die nur langsam zu bewäl- tigende Samenmasse vor dem Verderben zu schützen, legte ich den Nebenhoden in ganz dünnen Spiritus. Hierdurch war eine leichte Gerinnung in der Samenflüssigkeit bewirkt worden und bewies sich dies insofern günstig, als die Samenmasse durch die Salzsäure nicht in einen schwer zu zertheilenden Klumpen verwandelt worden, was bei ganz frischen Samen der Fall ist. Es könnte nun aber Jemand glauben, es sei einzig die Anhäu- fung der Substanz im Köpfchen und nicht die geringere Anziehunes- kraft des fadenförmigen Theils, welche die lebhaftere Farbe des er- steren bedinge, indessen müssten sich alsdann sämmtliche Farbstoffe ebenso verhalten. Dies ist nicht der Fall. Nimmt man eine ganz schwache, weingelbe Jod-Lösung und lässt sie unter das Deck- gläschen untertreten, so färben sich bei vorsichtiger Anwendung von den Sımenkörperchen zuerst stets die Abschnitte b und c, die Köpfe a folgen zuletzt. Hieran reiht sich die Wirkung der Essigsäure. Acid. acet. übt selbst im eoncentrirten Zustande keine bemerkenswerthe Wirkung auf die Samenkörperchen aus (Kölliker), obgleich ich beim Igel ein Erblassen und Aufgelöstwerden der Fäden zu bemerken glaubte. Jedenfalls gilt der Satz von dem Nicht-Eimwirken der Essigsäure nur für die reifen Samenkörperchen aus dem Vas defer., nimmt man sie dagegen aus den Hodenkanälchen, so wird man stets mehrere 328 F. Schweigger-Seidel, finden, welche insofern wesentlich. verändert sind, als das Mittelstück sich verbreitert und unregelmässige Gontouren bekommen ‚hat (E,8: F,4; J,7). Man kann diese Veränderung, welche bereits‘ von einer Säure in der Verdünnung von 1: 100 hervorgerufen ‚worden, unter dem Mikroskope verfolgen und sich durch Bewegung. des Deckgläs- chens davon überzeugen, dass: die Gonsistenz des Mittelstückes: in diesem Zustande eine viel weichere ist. . Als weiteres Stadium wird sich eine Lösung des Mittelstückes ergeben, mit der übrigens ein Verschwinden des Schwanzes Hand in Hand geht. Entgegengesetzt. der. Essigsäure wirkt Kali caustic.,; In 35 °/, Lösung greift dasselbe die Köpfchen an, lässt sie etwas an- schwellen und leitet in ihnen innerhalb einiger Stunden einen Zer- fall der Masse ein,- dadurch charakterisirt, dass. dieselbe, anfangs gleichmässig vertheilt, zu einzelnen Körnchen oder Klümpchen zu- sammengeballt wird (G,3 und H,5 u. 6; letzteres von ‚der Seite). Eine eigentliche Auflösung des Köpfchens findet selbst nach längerer Einwirkung der Kali-Lösung nicht Statt wegen. der Widerstands- fähigkeit der Grenzschicht (siehe noch später). Die im vorhergehenden Abschnitte beschriebenen Wirkungen ver- schiedener Reagentien auf die Samenkörperchen haben. dargethan, dass sich die einzelnen Abschnitte ungleich verhalten. Wir fanden, dass Carmin die Köpfchen, Jod dagegen anfangs die Mittelstücke färbt, sowie dass Essigsäure die Mittelstücke, dagegen Kali caust. zuerst die Köpfchen angreift, und werden in Hinblick auf diese Er- scheinungen auch für die Säugethiere die Homogenität der Samen- körperchen in Abrede stellen müssen. Ehe ich aber weitergehend die von mir aufgestellten Behaup- tungen ferner zu begründen versuche, müssen erst noch einige Ein- zelheiten beigebracht werden. Wir hatten zu verschiedenen Malen an den Samenkörperchen von einer Grenzschicht im Gegensatz zur Inhaltsmasse gesprochen, ohne auf diesen, für die ganze Auffassung des Samenkörperchens wichtigen Punkt näher einzugehen, und wollen uns desshalb; jetzt im Zusammenhang mit dieser Frage beschäftigen. Bisher hat man dieselbe oberflächlicher behandelt und nur bei Grohe erfährt sie eine eingehendere Erörterung. _ Derselbe erschliesst einerseits ı das Vorhandensein einer elastischen Membran um das Samenkörperchen aus der Befähigung, desselben, nach jeder Contraction und der durch sie bedingten Gestaltsveränderung in ‚die Ruhelage zurückzukehren, Ueber die Samenkörperchen und ihre Entwicklung. 329 will sich aber anderseits von ihrem Dasein auch durch die directe Beobachtung der Samenkörperchen sowohl vor als nach Anilinfärbung überzeugt haben. Den hellen Saum, welchen man bei bestimmten Einstellungen des Tubus um die Samenkörperchen herumlaufen sieht '), kann man füglich nicht unbestritten als den Ausdruck einer umhül- lenden Membran ansprechen, und werden wir uns desshalb nach anderen Gründen umsehen müssen. Wir finden einen solchen zu- nächst in der ungleichen Vertheilung der lichtbrechenden Substanz im Köpfchen (Grohe). Sowohl unmittelbar nach Herausnahme der Samenkörperchen aus dem Vas defer., als auch nach längerem Verwei- len in verdünntem Glycern bemerkt man mitunter am Köpfchen zwei Regionen: Eine glänzende, dem Schwanze zunächst und eme zweite ganz hell und durchsichtig, nach oben angefügt. Am ausge- sprochendsten war das Verhalten bei den Samenkörperchen mit etwas diekeren Köpfchen z. B. beim Menschen und Igel (G, 1 u. 2), wäh- rend hinwiederum unter andern Umständen das Köpfchen ganz ho- mogen erschien. Ich verweise gerade hier nochmals auf die Erschei- nungen nach Einwirkung von Kal. caustic. In 35 °/, Lösung greift dasselbe, wie angegeben, die Köpfchen an, jedoch lässt es nur die Inhaltsmasse schrumpfen und wird in Folge dessen die wasserklare, die Form der Köpfchen bedingende Grenzschicht auf das Deutlichste sichtbar. Uebrigens bemerkt man hierbei, dass ein Abheben der Grenzschicht resp. eme Trennung derselben von der Inhaltsmasse nicht im ganzen Umfange des Köpfchens, sondern nur am oberen Abschnitte desselben Statt hat. An dem Theile des Köpfchens, an welchem der Ansatz des Mittelstückes erfolgt, kann man nichts von doppelter Contour wahrnehmen (H, 5 u. 6). Wie dies zu verstehen, kann man, glaube ich, aus einzelnen Versuchen mit Carmin entneh- men. Lässt man Präparate, welche im Glycerin etwas grössere (Juan- titäten Carmin enthalten, unter dem Deckglas eine Zeitlang unver- kittet liegen, so bildet sich leicht ein sehr feinkörniger Niederschlag. Hier färben sich die Köpfe der Samenkörperchen, jedoch, was ganz deutlich, nur in ihrem vorderen Abschnitte. Wir haben es nämlich in diesen Fällen nicht mit einer eigentlichen Imbibition zu thun, son- dern der Farbstoff hat sich äusserlich angeheftet und macht dadurch eine den vorderen Theil des Kopfes kappenartig bedeckende Schicht sichtbar. Ihr Vorhandensein wird mitunter dadurch noch deutlicher, 1) Grohell. e. p. 419. 330 F. Schweigger-Seidel, dass an der Stelle, wo sie aufhört, ein kleiner Absatz: vorhanden ist (H, 3). Die Schicht hat also eine merkliche Dicke und charak- terisirt . sich durch ihre grosse Klebrigkeit, welche daraus hervor- geht, dass allerhand feine Körnchen mit, grosser Vorliebe gerade hier haften bleiben und unter Umständen einen die ganze. vordere Hälfte des Köpfchens bedeckenden Ueberzug herstellen (H, 4).. Mei- ner Ansicht nach handelt es sich hier um eine lokale Verdickung der Grenzschicht, wenigstens lag in den von mir untersuchten Fäl- len eine besondere, abhebbare Schicht nicht vor, sondern sie sass dem Köpfchen fest an. Nichts destoweniger muss ich sie für iden- tisch erachten mit den kappenförmigen Ueberzügen der Köpfchen, welche Kölliker als Reste der Membran der Mutterzelle be- schreibt und abbildet '). Man findet die Kopfkappe, wenn ich die Schicht einstweilen. so nennen darf, nicht überall gleichmässig. entwickelt, und: erlangt die- selbe, soweit meine Beobachtungen gehen, eine besondere Ausbildung nur beim Meerschweinchen, wo sie zu den von Dujardin beschrie- benen Anhängen wird. Die Verhältnisse gestalten sich in Folge des- sen bei diesen 'Thieren folgendermassen. Die ganze Scheibe, welche den Kopf des Samenkörperchens bildet, besteht aus einem kreisför- migen mit Mittelstück und Schwanz verbundenen Theile, dem eigent- lichen Köpfchen, und einem halbmondförmigen der vorderen Peri-- pherie des Köpfchens angefügten Anhangsstück (J, 1 aus dem Hoden in Jodserum). Im Vas defer. hat sich das Bild, welches die Samen- körperchen darbieten, dadurch geändert, dass der freie Rand des Ansatzstückes der Fläche nach umgebogen ist. (J, 2) und es hat.dem- nach nicht das eigentliche Köpfchen eine löffelförmige Gestalt, son- dern es erlangt dieselbe nur durch den Anhang (J, 3 Seitenansicht; die Insertion des Fadens an den Kopf hier eigentlich. auch excen- trisch). Von den 0,012 Mm., welche früher als Höhe der Kopfschei- ben angegeben wurden (s. die Tabelle), kommen nur. 0,005 Mm. auf das eigentliche Köpfchen. Mit etwaigen Contractionen der Kopfscheiben und dadurch ent- stehenden.Falten, wie es Grohe will, haben diese Anhänge. nichts zu thun ; sie verändern bei Bewegungen der Samenkörperchen ihre Gestalt nicht, ja sie können verloren gehen, ohne dass die Bewe- sungen selbst irgend welche Aenderungen erfahren. Beide bedingen 1) 1. e. p. 256 und Handbuch der Gewebelehre. Ueber die Samenkörperchen und ihre Entwicklung. 331 einander nicht. Unter den vielen Samenkörperchen, die mir in meh- reren mit Jodserum angefertigten Präparaten vorgelegen haben, fand ich wenigstens einige, bei denen an dem sich lebhaft bewegenden fadenförmigen Theil einzig das nackte kleine Köpfchen sass. Die Veränderungen, welche diese Anhangsstücke zeigen können, sind verschiedene, entweder scheinbare durch ihre wechselnde Lage dem Beobachter gegenüber bei Bewegungen der Samenkörperchen, oder wirkliche, durch Quellung und Lösung bedingt. Die Quellung scheint zunächst ein stärkeres Hervorragen des umgebeugten Ran- des zu Folge zu haben (J, 4), sodass derselbe schliesslich die vordere Fläche der Kopfscheibe bedeckt (J,5 aus Essigsäure 1 : 100). Mir ist es wahrscheinlich, dass Dujardin hauptsächlich solche gequol- lene Ansatzstücke vor sich gehabt hat, denn es entsprechen seine Abbildungen hauptsächlich meiner Figur J,5. Dujardin bezeichnet dieselben als gebildet von einer glutinösen Masse und nicht mit Unrecht, denn die Vereinigung der Samenkörperchen zu bündeln, welche durch die Ansatzstücke vermittelt werden, wird: bei keinem Thiere in so auffälligem Grade beobachtet als bei den Meerschwein- chen. Beim Zusatz von destillirtem Wasser mit oder ohne Essigsäure erfolgt die Auflösung der Anhänge, es dringen in die Masse dersel- ben von aussen her kleine Erosionen ein und schliesslich bleibt eine leichtflockige Schicht als Decke des Köpfchens übrig (J,6) bis auch sie verschwindet (J,7). Die Verschiedenheit der Substanz des An- hangs von der des Köpfchens geht ferner noch daraus hervor, dass nur letztere von Garmin gefärbt wird, sowohl nach Lösung dessel- ben in Ammoniak als auch in Salzsäure. J,8 zeigt uns ein Bündel Samenkörperchen von der Seite aus Salzsäure. Die eigentlichen Kopfscheiben leuchteten roth, während die etwas geschrumpften An- satzstücke vollständig ungefärbt geblieben waren. Ueber die Bedeutung dieser Schicht etwas Genaueres anzuge- ben. vermag ich nicht. Vielleicht wird durch ein weiteres Studium, durch ein Verfolgen der Samenkörperchen auch in die weiblichen Geschlechtswege hinein die Bildung als eine accessorische erkannt, aber immerhin ist es nicht unwichtig auf diese Ansatzstücke zu ach- ten, weil wir höchstwahrscheinlich den einen Abschnitt des Köpfchens bei anderen Thieren damit in Analogie bringen müssen. Dass die Substanz, aus welcher die Samenkörperchen gebildet sind, an ihrer äusseren Grenze eine andere Beschaffenheit besitzen muss als im Innern, geht auch aus dem Verhalten des Mittelstückes 332 F. Schweigger-Seidel, hervor. Die Form, welche dasselbe nach Behandlung mit Essigsäure annimmt (E, 8; F,4; J,7), lässt sich doch nur durch ein im Ver- hältniss zur Grenzschicht zu starkes Aufquellen der Inhaltsmasse erklären. Weiterhin haben wir als eimen besonderen Zustand der Grenzschicht die sogenannten Anhänge an den Faden der Samen- körperchen anzusehen. Es sind dies nicht eigentliche Anhänge, son- dern Verdiekungen der Grenzschicht, die entweder stationär gewor- den sind, oder im Laufe der Zeit noch weitere Umwandlungen er- fahren haben würden. Das ist die Ansicht, welche ieh vorläufig gewonnen habe. Man sieht (E,7 u. J, 6), dass der glänzende Strei- fen, den die Inhaltsmasse des Mittelstückes bildet, bereits vorhan- den ist, kann aber gleichzeitig mit Sicherheit erkennen, dass er nicht so breit und auch nicht so scharf begrenzt ist, als die aus- gebildeten Mittelstücke. Fasst man anderseits die äussere Grenze der Verdickung ins Auge und verfolgt sie nach der verschmälerten Seite hin, so kann man sie ohne Unterbrechung in die Contour des Samenkörperchens verfolgen. So wie Kölliker das Verhältniss abbildet, habe ich es nie gesehen. Scheint es doch nach ihm, als ob ein rundliches oder ovales Klümpchen dem Schwanze einfach angeklebt sei. Ich muss also auch hierin die Beobachtung Dujar- din’s aufrecht erhalten und vermag keinen Grund gegen meine Auffassung darin zu finden, dass diese Bildungen nicht regelmässig zur Beobachtung kommen. Vereinzelt finden sie sich wohl stets, wäh- rend sie unter Umständen in grösserer Anzahl vorkommen. Ich führe in dieser Beziehung an, dass ich sie im Vas defer. eines 23jäh- rigen Menschen, der beim Eisenbahnbau verunglückt war, sehr häu- fie antraf, und kann es sich meiner Memung nach zunächst nur darum handeln, den Bedingungen nachzuforschen, unter denen diese Bildungen entstehen. Am Schlusse dieses Abschnittes erwähne ich noch, dass auch der Schwanz des Samenkörperchens nicht immer ein einfaches Ge- bilde zu sein scheint. Unter anderen fiel es mir besonders beim Igel auf, dass an getrockneten Samenkörperchen die Schwänze stumpf zu endigen schienen. Bei genauerer Betrachtung ergab sich, dass an die stumpfe Spitze noch ein blasser ungefähr 0,005 Mm. langer, fem aus- laufender Fortsatz angefügt war, ebenso wie bei Triton die unduli- rende Membran sich über den Oentralstrang des Schwanzes hinaus fortsetzt (B, 5). Grohe machte dieselbe Beobachtung '), indess ) 1. c. p. 421. Ueber die Samenkörperchen und ihre Entwicklung. 333 herrscht auch hier keine Gleichmässigkeit, und bleibt nach alledem für die Säugethiere die Aufgabe noch zu lösen, welche für die Am- phibien und Vögel als gelöst anzusehen ist, die Aufgabe nämlich, ein das Köpfchen im Zusammenhange mit dem ganzen Samenkör- perchen umschliessendes Häutchen isolirt abzuheben. Ich habe bisher meine Befunde einfach zusammengestellt, ohne mich auf weitläufigere Erörterungen einzulassen und muss mir die- selben überhaupt auf eine spätere Arbeit versparen. Als ich näm- lich mit. meinen Untersuchungen soweit gediehen war, dass ich. die Verhältnisse klarer zu übersehen vermochte, fehlte es mir wieder an passendem Material zur Wiederholung und Ergänzung meiner Beobachtungen. Es bleibt daher noch Manches zu thun übrig, namentlich, wenn es sich darum handelt, die einzelnen Abschnitte der Samen- körperchen bei den verschiedenen Thieren in einen genaueren Ver- eleich mit einander zu bringen. Zudem bezweifele ich, dass sich dies durch solche Versuche, wie die bisher erwähnten, durch Reagentien allein wird. bewirken lassen. Die Hauptsache bleibt vielmehr die, durch ein genaues Verfolgen der Entwicklungsvorgänge die Bedeu- tung der einzelnen Abschnitte der Samenkörperchen zu erforschen, um auf diesen Studien als Unterlage fussend einen Blick auf die Gebilde in der Thierwelt überhaupt zu werfen. Hierbei sind wir aber im hohen Grade von dem Materiale ab- hängig, und muss ‚ich desshalb bis auf die Zeit warten, in der die Geschlechtsdrüsen mancher der zur Untersuchung verwendeten Thiere zu erneueter Thätigkeit erwachen, weil ich nur so im Stande bin, etwas Ausführliches und Zusammenhängendes zu liefern. Trotzdem kann ich mir nicht versagen schon heute in Kürze das mitzutheilen, was ich aus meinen entwicklungsgeschichtlichen Beobachtungen fol- gern zu können glaube, da ohne dies die Bedeutung meiner ganzen Arbeit eine halbe bleibt. Ich will meine Ansichten in einigen Sätzen zusammenfassen und glaube dieselben wenigstens der Hauptsache nach vertreten zu können, wenn ich auch zugebe, dass sie, die hier so bestimmt aus- gesprochen, durch fortgesetzte Beobachtungen eine Modification er- fahren können. 1) Das Samenkörperchen ist kein einfaches Kerngebilde (Köl- 334 F. Schweigger-Seidel, liker), sondern entspricht einer ganzen Zelle. Die Samenkörperchen sind umgewandelte einstrahlige Wimperzellen. 2) In Folge dessen entwickelt sich das Samenkörperchen nicht, wie es Kölliker will, im Innern einer Zelle, Zellen mit spiralig aufgerollten Samenfäden kommen im Inhalt der Hodenkanälchen als normale Bildungen nicht vor. (Henle, Handb. d. system. Anat. II. Bd. S. 356 macht bezüg- lich der aufgerollten Samenfäden denselben Einwurf gegen Kölliker.) 3) In den Hodenkanälchen finden sich zwei Arten von Zellen (Henle) nicht allem bei Säugethieren, sondern auch bei Vögeln und Amphibien. Nur die eine Art, mit Kleinerem hellen Kern, geht die Umwandlung in Samenkörperchen ein. Manche Formeigenthümlich- keiten der Samenelemente werden übrigens gewiss durch die bald schnelle, bald langsame, bald vollkommene, bald unterbrochene Ent- wicklung bedingt. 4) Am einfachsten scheinen sich die Verhältnisse beim Frosche zu gestalten. Im Samen, welcher dem Hoden entnommen, bemerkt man langgestreckte Zellen, in deren eines Ende sich der stäbchen- förmige Kern emgelagert hat, während das andere zu einem Wim- perhaar auswächst. Die eigentliche Zellsubstanz schwindet bei der weiteren Ausbildung immer mehr, bis von ihr nur noch ein kleines zwischen Wimperhaar und Kern eingeschobenes Stückchen übrig bleibt. Es ist dies das Mittelstück am fertigen Spermatozoid (siehe früher), und haben wir demnach gleichzusetzen: das Köpfchen (a) dem Kerne, das Mittelstück (b) der modifieirten Zellsubstanz, und den Schwanz (c) dem Wimperhaar, aus dem Material zur Zelle gebildet. (Ankermann lässt auch die Samenkörperchen der Frösche jeden für sich aus kernhaltigen Zellen entstehen, stellt aber einen etwas anderen Modus der Entwicklung. auf.) 5) Ebenso wie beim Frosche dürfte es sich der Hauptsache nach bei den Säugethieren verhalten, nur dass hier die Mittelstücke eine besondere Ausbildung erfahren. Der Kern der Samenzelle wird sicherlich einzig zum Köpfchen der Samenkörperchen. Bei Thieren, die Köpfe von charakteristischer Form besitzen, wie die Mäuse, sieht man am Rande der noch rundlichen Samenzelle den bereits umgestalteten Kern liegen, während aus der mehr oder. weniger gerade gegenüber liegenden Seite, der Schwanz hervorsprosst. — Ueber die Samenkörperchen und ihre Entwicklung. 335 Auch die drei Abschnitte an den Samenkörperchen der Säuger fin- den durch die Entwicklungsgeschichte ihre Erklärung. Halle, den 15. August. Erklärung der Abbildungen auf Taf. XIX. A Samenkörperchen vom Frosche 500/1. B a vom Triton taeniatus. C > vom Haushahn D en vom Finken ul E = vom Schafe F1-3 FE von der Feldmaus FA 4; von der Hausmaus G Br vom Igel 500 1. H ns vom Schweine J s vom Meerschweinchen K 5 vom Kaninchen Zur Kenntniss der alveolaren Gallertgeschwulst. Von Franz Eilhard Schulze, Prosector und Professor in Rostock. Hierzu Taf. XX. Mit dem Namen »alveolare Gallertgeschwulst« bezeichnet Fre- richs') eine Form der Neubildungen, welche zuerst von Otto, Cruveilhier und R. Garswell ihrer makroskopischen Erschei- nung, von J. Müller ihrem feineren mikroskopischen Baue nach be- schrieben und seitdem von einer ganzen Reihe von Forschern, welche sich abwechselnd der Namen, Careinoma alveolare (J. Müller), Cancer areolaire gelatiniforme (CGruv.), Gelatiniforme cancer (Gars- well), Colloid, Gelatinoma, Gumcancer, Gallertkrebs, Schleimkrebs etc. bedienen, genauer studirt ist. Eine allgemeine Charakteristik des Baues dieser Geschwülste giebt Frerichs mit folgenden Wor- ten: »In einer faserigen Grundlage, die bald durch ein zartes Ma- schennetz, bald dagegen durch ein derbes Gerüst dargestellt wird, liegen zellige mit einer farblosen, durchsichtigen Gallertmasse ange- füllte Hohlräume. « Ich werde im Folgenden den Bau einer pathologischen Neubil- dung schildern, welche ganz entschieden in diese Gruppe der alveo- laren Gallertgeschwülste Frerichs gehört, dabei jedoch in manchen Punkten so sehr von dem Bilde abweicht, welches die meisten For- scher in ziemlich übereinstimmender Weise von der gewöhnlichen 1) Ueber Gallert- und Colloidgeschwülste. » Zur Kenntniss der alveolaren Gallertgeschwulst. 337 Form ‚dieser Geschwülste entwerfen, und auch im Uebrigen so in- teressante histiologische Eigenthümlichkeiten zeigt, dass sie mir einer eingehenden Beschreibung werth erscheint. In der linken Mamma einer im Uebrigen gesunden 52jährigen Tagelöhnerfrau von blühender Gesichtsfarbe, ziemlich kräftiger Sta- tur und weisser, elastischer Haut, fand sich bei ihrer Vorstellung in. der chirurgischen Klinik zu Rostock etwas nach aussen und un- ten von der Papille ein etwa faustgrosser, ziemlich harter, etwas höckeriger, bei Berührung schmerzloser, unter der nicht gerötheten, nur. von einzelnen deutlich sichtbaren Venen durchzogenen Haut leicht verschiebbarer Tumor. _ Derselbe war nach Aussage der Pa- tientin etwa 3 Jahre vorher als eine kleine erbsengrosse, harte Ge- schwulst zuerst von ihr selbst bemerkt, anfangs langsam, im letzten halben ‚Jahre bedeutend gewachsen und soll in der letzten Zeit mit- unter der Sitz heftiger schneidender Schmerzen gewesen sein, bei welchen indessen das Allgemeinbefinden nicht wesentlich alterirt wurde. Am 4. Nov. 1862 ward die Neubildung von Prof. Simon ex- stirpirt. Sie liess sich ziemlich leicht aus dem lockeren Bindegewebe herausschälen und ohne Mühe von der glatten Oberfläche des m. pectoralis maj. abheben. Ausser, einem mässigen Wundfieber und einem hinzutretenden Erysipel der ganzen Vorderseite der linken Tho- raxhälfte, welches sich indessen unter Watteverband bald verlor, tra- ten ‚keine bedeutenden Störungen bei Heilung der Wunde auf, und konnte Patientin am 21. Dec. 1862 mit geheilter Brustwunde ent- lassen werden. Sie soll sich auch jetzt ohne Recidiv und. vollkom- men wohl befinden. Professor Simon hatte die Güte mir ein grosses Stück der faustgrossen rundlichen, im Ganzen ziemlich festen, aber doch ela- stischen Geschwulst, welche eine höckerige oder richtiger knollige, doch überall scharf begrenzte Oberfläche besass, zur Untersuchung zu. überlassen. Einige dieser knolligen 4—2 Ctm. im Durchmesser starken Prominenzen zeichneten sich bei der Untersuchung von Aussen durch grössere Weichheit und. ein eigenthümliches Durch- scheinen aus. Bei der Betrachtung der Durchschnittsfläche der ganzen Neu- bildung konnte über ‘den Character derselben kein Zweifel bleiben. In zahllosen kleinen, rundlichen alveolaren Lücken des faserigen Stromas fand‘ sich eine grauliche, durchscheinende, gallertartige Masse, in welcher man. bei genauer Besichtigung und leicht mit 338 F. Eilhard Schulze, Hülfe der Loupe gelbliche Punkte und zwar in manchen Alveölen mehrere in andern nur einen sah. An einzelnen, gewöhnlich mehr der Mitte zu gelegenen Stellen fanden sich diese gelblichen Körper- chen in grösserer Anzahl, so dass sie oft die ganze Alveole auszu- füllen schienen. Das Stroma im Ganzen stellte em feinschwammi- ges, aber doch in den grösseren Zügen ziemlich festes, dabei überall sehr elastisches Gerüst dar, welches durch einige derbe Faserzüge von 4--1 Mm. Dicke, die wie ein grossmaschiges, unregelmässiges Netz die ganze Geschwulst durchzogen, gestützt erschien. Von die- sen Hauptseptis sah man ähnliche Züge geringeren Calibers und von diesen wieder andere kleinere und sofort abgehen, welche die grossen Räume in immer klemere abtheilten, bis man schliesslich auf die kleinen eben besprochenen mit Gallerte ausgefüllten Alveo- len kam. Den schon äusserlich durch ihre Vorwölbung und eigen- thümliche Weichheit ausgezeichneten Stellen entsprachen an der Pe- ripherie gelegene unregelmässig rundliche weich elastische Regionen von Erbsen- bis Haselnussgrösse, welche indessen mit der übrigen Geschwulstmasse durchaus fest und organisch zusammenhingen. Die- selben schienen bei oberflächlicher Betrachtung aus einer gleichför- migen grauen, etwas durchscheinenden Masse zu bestehen , welche Sich aber schon bei der Betrachtung mit der Loupe auflöste in ein ganz feinschwammiges Fasermaschenwerk mit inliegender, fast klar durchsichtiger, dünner gallertiger Substanz. Eine die ganze Neu- bildung umschliessende Bindegewebskapsel existirte nicht, denn wenn auch an manchen Stellen eine derbe Schicht faserigen Bindegewebes die äusserste Lage darstellt, so stiessen doch manche Partien, tnd besonders die eben beschriebenen weichen knolligen Auswüchse un- mittelbar an das umgebende Fettgewebe. Der Blutgehalt war im Ganzen gering. Die feinere histiologische Untersuchung begann ich zunächst an der ganz frischen Geschwulst, liess dann mehrere Stücke in einer reichlichen oft gewechselten Quantität einer ein procentigen Lösung von Kali bichromieum erhärten und setzte an den so vortrefflich conservirten Theilen meine Studien fort. Als die Fragmente etwa ein Jahr in dieser Flüssigkeit gelegen hatten und etwas brüchig zu werden begannen, bewahrte ich sie ferner in Alkohol von 80% Tr. Die Schilderung des mikroskopischen Befundes beginnt zweck- mässig mit der Beschreibung des Baues jener weicheren an der Oberfläche befindlichen Partien, an denen wir schon mit der Loupe Zur Kenntniss der alveolaren Gallertgeschwulst. 339 ein femes schwammiges Fasergerüst entdeckten. Dieses unter gün- stigen Bedingungen auch schon mit blossem Auge zu erkennende Gerüst besteht aus einem Netzwerk von 0,001—0,004 Mm. dicken, bald strangförmigen bald mehr plattenartigen Zügen faserigen Binde- gewebes mit reichlicher Beimengung elastischer Fasern (Fig. 1.a, a), welche höchst unregelmässig gestaltete, im Allgemeinen rundliche Räume von 0,1--0,4 Mm. Durchmesser umschliessen. Von diesen stärkeren Balken gehen wieder zahlreiche das Lumen einer solchen Masche in beliebiger Richtung durchsetzende Bindegewebsfaserzüge ab, welche sich ähnlich wie jene als feine Stränge oder dünne Mem- branen, rundliche Lücken zwischen sich lassend, netzartig verbinden, sich aber durch grössere Helle und Zartheit auszeichnen, auch mei- stens keine elastischen Fasern besitzen (Fig. 1. b.. An den gröbe- ren Zügen lassen sich bei scharfer Einstellung zahlreiche Kerne er- kennen, welche gewöhnlich noch von einem Reste feinkörnigen Pro- toplasmas umgeben sind und entweder zwischen den Fibrillen lie- gend, durch diese gleichsam gedrückt, längsoval oder (besonders in den mehr platten Theilen) rundlich erscheinen. Auch die zarteren Bindegewebszüge zeigen Kerne mit Protoplasma, welche am deut- lichsten an den membranartig verbreiterten Stellen, wo mehrere Fa- sern zusammentreffen oder wo diese von den stärkeren abgehen, er- scheinen, oft aber auch mehr in die Länge gezogen in oder an den zarten rundlichen Strängen sich erkennen lassen. Häufig erscheinen solche Zellen mehr als seitliche Anhängsel der zarten Faserbün- del und ragen zuin grössten Theil in das Lumen einer Alveole hin- ein (Fig. 1. c); ferner finden sich mit femkörnigem unregelmässig sternförmig in Strahlen auslaufendem Protoplasma versehene Zel- len, welche nur mit emem geringen Theile, oft nur durch einen fadenartigen Ausläufer mit den Faserbalken zusammenhängen, im Uebrigen ganz und gar den Hohlräumen angehören. In diesen letz- teren liegen nun unregelmässig zerstreut eine Menge wie es scheint vollständig freier, selbstständiger, bald mehr klumpig rundlicher, bald langgezogen spindelförmiger, bald unregelmässig verästelter, mit einem meist nicht scharf begrenzten feinkörnigen Protoplasma und einem gewöhnlich in der Mitte liegenden hellen, bläschenför- migen Kerne versehene Zellen (Fig. 1. e), welche zum Theil durch ihre Ausläufer anastomosiren, zum Theil völlig isolirt in der den übrigen Theil der Alveolen ausfüllenden hellen dünnen Gallert- oder Schleimmasse liegen. 340 F. Eilhard Sehulze, Einen von dem eben beschriebenen in verschiedener Hinsicht abweichenden Bau besitzt der. übrige Theil der. Geschwulst.. Die stärksten, den ganzen Tumor. durchsetzenden Stützbalken des Stro- mas bestehen aus einem festen parallelfaserigen Bindegewebe (Fig. 2, a) mit einem grossen Reichthume an elastischen Fasern und‘ zahl- reichen gewöhnlich auch ohne. Zusatz von Reagentien sichtbaren länglichen Kernen, welche wie beim Sehnengewebe. gleichsam, zwi- schen den Fasern eingeklemmt erscheinen. Von diesen Hauptbalken abgehend durchzieht ein aus faserigem Bindegewebe und. feinen elastischen Fasern aufgebautes Stroma in der schon bei der unmit- telbaren Besichtigung erkannten Weise die ganze, Geschwulst, rund- liche. gewöhnlich in Communikation stehende, alveoläre Höhlen bildend. Der feinere Bau dieser in ihren Dimensionen ausserordentlich wechselnden Züge, welche sehr häufig Plattenform annehmen, stimmt mit derjenigen der gröberen Stromabalken und Platten im. den zuerst geschilderten weichen Theilen überein, nur ist zu bemerken, dass die sämmtlichen von ihnen gebildeten Alveolen rundlich und olatt- wandig sind, ‚also nicht so wie in ‚den oben beschriebenen Partien noch von feineren Bindegewebsfaserzügen durchsetzt werden. Der Durchmesser dieser ‚glattwandigen Alveolen schwankt sehr. (von.,0,1 —] Mm.) und steht in keiner bestimmten Beziehung zur Lokalität, so dass man grosse und kleine dicht neben einander sehen Kann. Ihr Inhalt besteht, wie schon die einfache Besichtigung lehrte, aus einer klar durchscheinenden etwas grünlichen Gallertmasse, in welche hell gelbliche Körperchen eingebettet. liegen. Bei der. mikroskopi- schen Betrachtung lenken zunächst die letzteren (Fig. 1, f, f; Fig. 2, b, c, d, e) durch ihren eigenthümlichen, bei der übergrossen Mehr- zahl im Wesentlichen übereinstimmenden Bau die Aufmerksamkeit auf sich. Es sind rundliche, meistens annähernd kugelige (Fig. 1, f; Fig. 2,b, ce), ‚bisweilen auch kolbenförmig, gestaltete (Fig. 2,d, e) blasige Hohlkörper von 0,1-—0,005 Mm. Durchmesser, welche, weder untereinander noch mit anderen ähnlich gebauten Theilen zusam- menhängen, vielmehr völlig frei in der umgebenden Gallertmasse schweben. Die grösste Regelmässigkeit in Form. und Bau. besitzen diejenigen, welche man aus Stellen der Geschwulst entnimmt, wo nur einer oder wenige dieser Körper in einer Alveole liegen ; da, wo die Zahl reichlicher wird und manche Alveolen, ganz. vollgepfropft erscheinen, werden die Formen unregelmässiger, auch: hängen dort wohl zuweilen zwei durch eine schmale röhrenartige Brücke zusammen. Zur Kenntniss der alveolaren Gallertgeschwulst. 341 Die Wandung dieser Gebilde besteht aus schönen, regelmässig entwickelten Cylinderepithelzellen, welche mit ihren Längs- seiten aneinandergelagert durch die in gleichem Niveau gelegenen, glatt abgestutzten Aussenseiten die glatte äussere Kugel- oder Kol- benfläche herstellen, bei der Ansicht von oben (Fig. 2, b, d) eine mosaikartige, bei tieferer Einstellung (Fig. 2,e, e) eine zum Mittel- punkt der Kugel radiäre Anordnung zeigen. Der flüssige Inhalt dieser Hohlkugeln erscheint bei manchen völlig homogen (Fig. 2, €), bei anderen lassen sich feine Fetttröpfehen im Innern erkennen (Fig. 2, c). Eine genauere Untersuchung der einzelnen epithelartigen Zellen ‚nach Zertrümmerung der Kapseln ergiebt, dass stets nur eine Lage derselben die Wandung bildet, höchstens findet sich ab und zu eine scheinbar degenerirte Zelle in tieferer Lage zwischen den inneren, gewöhnlich etwas keilföürmig verschmälerten und stets wie corrodirt aussehenden Enden der übrigen (Fig. 4, b). Jede Zelle be- sitzt einen hellen, meist Jänglichen Kern mit kleinen Kernkörper- chen, Der zwischen dem Kerne und der deutlich entwickelten Zellen- membran liegende feinkörnige Inhalt ist meist ziemlich hell, erscheint aber zuweilen durch zahlreiche kleine starklichtbrechende Körnchen, welche wohl als feine Fetttröpfehen anzusehen sind, dunkel und trübe. Die Höhe der Zellen ist an ein und derselben Blase stets ziemlich gleich, schwankt aber bei den verschiedenen Kugeln bedeu- tend (von. 0,02—0,008 Mm.) Fig. 4,a, b, ec, d, so dass bei einigen kaum noch von Cylinderform gesprochen werden kann. Gegen die umgebende Gallerte sind die Hohlkugeln scharf ab- gesetzt, und fallen auch bei der Anfertigung feiner Schnitte häufig aus derselben, sich vollständig glatt ablösend heraus. Was nun diese Gallertmasse selbst betrifft, so ist sie durchaus nicht so structurlos, wie man. es dem äusseren Ansehen nach glauben könnte. In einer klaren, graugelblichen, geleeartigen Grundmasse, welche sich an Bruchstücken mit einem scharfen feinen Rande markirt, lässt sich deutlich auch bei schwacher Vergrösserung eine im Allgemeinen der Wand der Alveole parallel ziehende Streifung erkennen, und bei stärkerer Vergrösserung sieht man, dass die diese Streifung bewir- kenden schmalen, ab und zu mit leichten spindeltörmigen Anschwel- lungen versehenen dunkeln Linien durch feine in Reihen hinterein- ander liegende Körnchen, welche ganz den Eindruck von Zellende- tritus machen, gebildet werden (Fig. 2,e, e)., Sehr oft aber liegt in einem solchen Körnchenzuge auch noch ein mehr. oder minder deut- M. Schultze, Archiv f. mikrosk, Anatomie. I. Bd. 23 342 F. Eilhard Schulze, lich zu erkennender langgezogener Kern (Fig. 1,8; Fig. 2, f), und an manchen Stellen sogar völlig wohl erhaltene mit reichlichem fein- körnigen Protoplasma versehene rundliche oder spindelförmige Zel- len (Fig. 1,h; Fig. 2,8), welche man wohl den in den Lücken der zuerst besprochenen weicheren Theile der Geschwulst gefundenen frei liegenden Zellen (Fig. 1, e, e) an die Seite stellen kann. In einzel- nen Alveolen findet man statt vereinzelter Zellen dieser Art zwei oder mehrere dicht neben einander liegend , welche jüngst. durch Theilung aus eimer einzigen Zelle entstanden zu sein schemen. Sie liegen dann bald in spindelförmigen (Fig. 2, h), bald bei reichlicherer Anhäufung in mehr kugelförmigen (Fie.1,i, k, k) Gruppen zu- sammen, und diese Kugelform wird an manchen, besonders den grös- seren Haufen durch Abplattung der äusseren Flächen der die ober- flächlichste Lage bildenden Zellen so eclatant (Fig. 1, k, k), dass sich eine grosse Aehnlichkeit mit den oben beschriebenen blasigen (rebilden nicht verkennen lässt. Ich glaube es kann nach diesem Befunde, — wenn man über- haupt aus dem Nebeneinandervorkommen von Uebergangsformen einer histiologischen Bildung zu einer anderen Schlüsse ziehen darf auf die Histiogenese dieser letzteren, — nicht zweifelhaft sein, dass die oben beschriebenen Hohlkugeln und Kolben aus Zellen hervor- gingen, wie sie m den unregelmässigen Stromalücken der weicheren, wahrscheinlich jüngsten Partien der Geschwulst in Menge, und auch noch in der die Alveolen der übrigen Masse erfüllenden Gallerte, reich an feinkörnigem Protoplasma und mit einem grossen hellen Kerne versehen, hie und da gefunden werden. Durch reich- liche Vermehrung einzelner dieser Zellen entstanden rundliche Zel- lenhaufen, wie wir sie noch etwa in Fig. 1,k, k sehen, welche all- mälig durch äussere Abplattung und seitliche CGompression der ober- flächlichen Zellen das Ansehen der Hohlkugeln gewinnen. Es braucht dann nur noch eine allmälige Verflüssigung und Degeneration der innersten Zellen, wie wir sie aus dem verschieden grossen Lumen gleich grosser Blasen wohl erschliessen können, einzutreten, um eine vollständige Hohlkugel der oben beschriebenen Art entstehen zu lassen. Während dieses Processes trugen dann die übrigen noch in den Stro- malücken gelegenen freien Zellen, wahrscheinlich nach geschehener Vermehrung und unter allmähliger schleimiger oder colloider Degene- ration, zur Bildung und Vermehrung der Gallertmasse bei, schliesslich nur noch Reste feiner Körnchenmasse hinterlassend. Zur Kenntniss der alveolaren Gallertgeschwulst. 343 Besondere Erwähnung verdienen noch folgende an vereinzelten Stellen der Geschwulst gefundene Bildungen. Hie und da bemerkt man an der Peripherie der kleinen weicheren Partien der Geschwulst vollständig isolirte grössere Zellen von eigenthümlichem Bau. Um einen deutlichen bläschenförmigen Kern mit Kernkörperchen zeigt sich diesem eng anliegend eine breite stärker lichtbrechende Zone einer Substanz mit concentrischer Schichtung (Fig. 3, a), entfernt an die’ sogenannten Knorpelkapseln erinnernd. Der Durchmesser dieser geschichteten, unregelmässig rundlichen ‚Masse beträgt etwa 0,02 — 0,04 Mm. Ob die in unregelmässige Fortsätze auslaufende Lage feinkörniger Substanz, welche wie ein Mantel jenen geschichteten Theil umgiebt, schon in der ‚frischen ‚Geschwulst bestand oder nur ein durch die Kali bichromieum-Lösung oder den schliesslich ange- wandten Alkohol entstandener Niederschlag ist, kann ich nicht ent- scheiden, da ich diese eigenthümlichen Zellen bei der Untersuchung der frischen Geschwulst noch nicht bemerkt hatte. Ferner begegnet man, wenn auch. selten, etwas: kleineren concentrisch geschichteten, starklichtbrechenden Körpern von unregelmässig rundlicher, ‚auch wohl knolliger. Form, welche in der Mitte eine trübe, feinkörnige Masse |einschliessen. (Fig. 4,1, f), sogenannte Golloidkugeln. Es scheint mir nicht nnwahrscheimlich, dass die vorher geschilderten in Fig. 3, a dargestellten 'Zellen die histiogenetischen Anfänge dieser letzteren Gebilde darstellen. Erklärung der Abbildungen auf. Taf. XX. Fig. 1. Theil’ eines Schnittes von der Grenze zwischen einer der weicheren Stellen und der derberen Hauptmasse der Geschwulst. Die oben und links gelegene Partie gehört der weicheren Masse an. Fig. 2. ‚Theil ‚eines Schnittes aus der Mitte der Geschwulst, in der Nähe eines gröberen Stromabalkens, a. Eine geschichtete Zelle mit ihrer nächsten Umgebung aus der Peri- pherie einer der weicheren Partien. Fig. 4. a, b, c, d. Zellen aus der Wandung der kugel- oder kolbenartigen Hohlgebilde. Fig. 4. e, f. Colloidkugeln. ho! 08 (3%) Ueber Darwinella aurea, einen Schwamm mit sternförmigen Hornnadeln.') Von Fritz Müller. Hierzu Taf. XXI. Am Strande der Praia de fora bei Desterro findet sich äusserst selten an Steinen oder Tangen ein kleiner goldgelber Hornschwamm, der sich dadurch vor allen bekannten Schwämmen auszeichnet, dass er ansehnliche sternförmige Nadeln enthält, die nicht aus Kalk oder Kiesel, sondern aus einem wie es scheint von dem der Fasern nicht verschiedenen. in kochender Kalilauge löslichen Stoffe bestehen. Das Aeussere des Schwammes hat, die schöne Goldfarbe abge- rechnet, nichts Besonderes. Bald sah ich ihn als ganz dünnes Häut- chen einige Quadratlinien bis etwa einen halben Quadratzoll eines Steines überziehen, bald zarte Tange in einer wenige Linien dicken Schicht umwachsen und dann Formen annehmen der ähnlich, die O0. Schmidt von Spongelia incrustans abgebildet hat.?) Möglich, ja wahrscheinlich ist es, dass die Stelle, an welcher der Schwamm so äusserst selten vorkommt, nicht sein eigentlicher Standort ist, und dass er an letzterem zu beträchtlicherer Grösse heranwächst und dann auch in eigenthümlicher bezeichnender Tracht auftritt. Die Spitzen der kegelförmigen Höcker, welche wie bei anderen 1) Max Schultze, dem ich im vorigen Jahre ein Bruchstück des Schwammes mittheilte, nannte ihn Darwinia (Verhandl. d. naturhist. Ver- eins d. Rheinlande und Westphalens, Jahrg. XXI, 1865, Sitzungsberichte p. 6); da dieser Name seit 1855 von Spence Bate an einen Amphipoden vergeben ist, habe ich ihn in Darwinella geändert. 2) Oscar Schmidt, Spongien des adriatischen Meeres. Taf. III, Fig. 7. Ueber Darwinella aurea, einen Schwamm mit sternförmigen Hornnadeln. 345 Hornschwämmen die Oberfläche bedecken, erscheinen heller als die übrige Oberfläche, da sie von den farblosen Enden der in die Höcker aufsteigenden Fasern eingenommen werden. Nur selten tritt beim frischen Schwamm eine oder die andere Faser frei über den Höcker vor; dagegen sehe ich bei einem in Weingeist aufbewahrten Stücke die meisten Fasern hervorstehen. Ein rundes Ausströmungs- loch habe ich nur einmal, an einer sonst nicht ausgezeichneten Stelle eines Schwammes gesehen; es hatte wohl kaum 1 Millim. Durch- messer. — Mit der einfachen Linse sieht man auf der Oberfläche ein dichtes Netzwerk zarter gesättigt gelber Linien ; sie bestehen, wie stärkere Vergrösserungen zeigen, aus spindelförmigen Anhäufungen selber Körnchen, ganz ähnlich denen, die OÖ.Schmidt von Spongelia elegans gezeichnet hat.?) Ueber ihnen zieht sich eine dünne, farblose, körnchenfreie Hautschicht hin. Die zwischen den Hartgebilden liegende Schwammmasse ist sehr wejch und wird durch zahlreiche gelbe Körnchen undurchsichtig ge- macht. Ich kann über ihren Bau nichts weiter sagen, da ich nie Zeit fand, wenn mir einmal dieser seltene Fund in die Hände fiel, ihn sofort zu untersuchen; schon nach einigen Tagen aber fand ich ihn in Gläsern init Seewasser immer abgestorben und die Weichtheile so weit zersetzt, dass sie leicht zwischen Fasern und Nadeln heraus- zuspülen waren. An der Luft geht die schöne Goldfarbe rasch in ein dunkles schmutziges Braun über. Abweichend, so viel ich weiss, von allen bisher beschriebenen Hornschwämmen, aber übereinstimmend mit zwei anderen hiesigen Arten bilden die schwach verästelten Fasern der Darwinella kein zusammenhängendes Geflecht, sondern steigen entweder ganz getrennt empor (Fig. 1) oder verkleben doch nur hie und da miteinander. Den gemeinsamen Boden, von dem sich die Fasern erheben, bildet eine dünne Haut, mit welcher der Schwamm seine Unterlage überkleidet und die in chemischer Hinsicht nicht von den Fasern und Nadeln verschieden scheint; alle diese Hartgebilde bleiben in kalter Kalilauge oder concentrirter Schwefelsäure wenigstens während emiger Stunden unverändert, lösen sich aber rasch in starker kochender Kalilauge. Die Fasern, deren Verästelungsweise aus den beigegebenen Zeich- nungen (Fig. 1—4) ersichtlich ist, smd elastisch, blass horngelb und 3) OÖ. Schmidt, Supplement der Spongien des adr. Meeres. Taf. ], Fig. 9—11. 346 Fritz Müller, verjüngen sich ganz allmählig' nach der Spitze zu; eine 4 Mm. lange Faser z.B. von 0,06 auf 0,016 Mm. — Die Spitze. selbst ist abge- rundet (Fig. 6). Man unterscheidet an den Fasern eine durchsichtige, anschei- nend festere Rinde und ein mehr oder weniger getrübtes, anscheinend weicheres Mark. Die Rinde wird nach der Spitze. zu dünner und fehlt der äussersten ‘Spitze ganz. Mark wie Rinde ‚sind deutlich seschichtet. In der Rinde sind die Schichtungslinien im Allgemeinen der Achse der Faser gleichlaufend ;.kleine Biegungen der Faser, wer- den durch die später abgesetzten Schichten wieder ausgeglichen. Im Marke wiederholen die Schichtungslinien im Allgemeinen ‚die Form der Spitze der Faser, bilden ‚also quere, ‚mehr oder. weniger stark nach oben gewölbte Flächen, durch die das Mark oft ein gekammertes Aussehen erhält. Die Schichten des Markes gehen unmittelbar, über in die der Rinde; es sind eben dieselben Schichten. Jede neue Schicht, die sich auf der Faser absetzt, bildet eine sie umhüllende zarte Röhre, die oben durch eine dicke. gewölbte Kuppel geschlossen: ist. ı Die Röhren bilden die Rinde, die Kuppeln das Mark. — Ich finde, bei Darwinella nichts, was auf ‘ein Wachsthum der. Fasern. durch »Intussusception« hinwiese, wie es Schmidt für Spongia annimmt?). Natürlich kann ich nicht die Richtigkeit dieser Auffassung für Spongia anzweifeln wollen ; für Darwinella aber muss ich meine entschiedene Meinung dahin aussprechen, dass die Fasern einzig durch Auf- lagerung neuer, Schichten wachsen. Besonders belehrend sind in dieser Beziehung Fasern, deren Wachsthum, — wahrscheinlich. .da- durch, dass sie über die Oberfläche des Schwammes hervorragten —, längere Zeit unterbrochen wurde. Diese stark gedunkelten und verhärteten jedenfalls leblosen Spitzen wachsen später, wenn. sie wieder von der Schwammmasse. überdeckt werden, in ganz ‚derselben Weise weiter, wie früher (Fig.7). Bei Fasern, die ihre, Spitze ‚ver- loren hatten (Fig. 8), sieht man nie vom Marke aus einen jungen Zapfen hervorwachsen, wie es Schmidt bei Spongia sah; es lagern sich einfach neue Schichten darüber, durch welche sie. weiter. wach- sen. Man kann daher bei Darwinella nicht sagen, dass die Faser sich »neue Schichten der umgebenden weicheren Muttersubstanz assimi- lirt«®). Wollte man selbst den allem Anschein. nach 'abgestorbenen Fasern dies Vermögen noch zugestehen, so würde man es doch nicht 4) Suppl. der Spongien des adr. Meeres. S. 8, Ueber Darwinella aurea, einen Schwamm mit sternförmigen Hornnadeln. 347 auf fremde Körper ausdehnen können, ‚auf. die der Schwamm in ganz gleicher Weise hornige Schichten ‚absetzt. So sah ich ganze Zweige eines zarten. mit Gemellaria: verwandten Moosthierstockes vollständig von einer 'geschichteten Hülle umschlossen und diese Schichten gingen ununterbrochen über in die einer Schwammfaser, ?) Auch der Fig. 10 gezeichnete Fall, wo. ein junger Ast wieder von den ‚später abgesetzten Schichten des Stammes überlagert und in den Stamm wieder aufgenommen worden ist, lässt, sich als Beweis dafür anführen, dass ihm keinerlei Wachsthum von innen heraus zu- kam, ‚dass er sich bei seinem Wachsthume vielmehr ebenso leidend verhielt, wie jeder andere feste Körper, auf dessen Oberfläche das Protoplasma des Schwammes erhärtend Schichten absetzt. Die Aeste treten auf als kugelförmige Hervorragungen der äussersten Schicht des Stammes, unter denen die älteren Schichten unbehelligt und geradlinig fortgehen, so dass die Aeste aussehen wie ganz unabhängige, dem Stamme ‚äusserlich aufgeleimte Gebilde, Anfangs structurlos, mit einfachem Umriss. erscheinen. sie bald ge- schichtet. ; Die Ursprungsstellen. älterer Aeste erscheinen, wie das auch anderen Beobachtern an anderen Schwämmen aufgefallen. ist, stark verdickt, indem. die äusseren Schichten in immer flacher wer- denden hyperbolischen Linien vom Ast auf den Stamm übergehen (Fig. 9). Noch auffallender ist dieselbe Erscheinung an geknickten Fasern (Fig. 9); auch hier folgen die späteren Schichten an der Innen- seite des durch die Knickung entstandenen Winkels dessen Schenkeln nicht bis zum Scheitel, sondern biegen m immer grösseren und fla- cheren Bogen aus der Richtung des emen in die des anderen um. 5, Ich will mir erlauben bei dieser Gelegenheit eine Vermuthung aus- zusprechen über die sonderbaren aus der Oberfläche der Spongelia fistularis Schmidt (Suppl. S.28. Taf. U, Fig. 28,29. Taf. III, Fig 4.) hervorragenden Röhren. Ich fand kürzlich ein Reniera, deren Oberfläche dicht bedeckt war mit kreisrunden auf kleinen Erhebungen angebrachten scharfrandigen Oeff- nungen, die in tiefe glattwandige Röhren führten. Dazwischen lagen die ge- wöhnlichen Ausströmungslöcher. Ich meinte, eine ganz wunderbare neue Gattung gefunden zu haben. Als aber mein Schwamm ruhig in einem Glase mit See- wasser lag, kamen aus jedem Loche die beiden zarten langen Fangfäden einer winzigen Spiodee hervor und tasteten lustig umher. Nach dem Trocknen treten die Röhren von Schwammnadeln bedeckt mehrere Millimeter über die eingeschrumpfte Oberfläche des Schwammes hervor. — Sollten nicht die Röhren der Spongelia fistularis auch aus Wurmröhren entstanden sein, die von den Fasern des Schwammes aus mit einer hornigen Hülle umkleidet wurden ? 348 Fritz Müller, Ebenso geschieht es, wo zwei sich kreuzende Fasern mit einander verkleben, in den von ihnen gebildeten Winkeln. Diese Ausfüllung geradlmiger Winkel durch hyperbolisch ge- krümmte Schichten, sowie umgekehrt bei kleineren Biegungen der Faser, die Rückkehr der später abgelagerten Schichten zu geraden Linien scheinen darauf hinzuweisen, dass sie nicht aus einer ruhen- den Umgebung, dass sie vielmehr aus einer über die Fasern hin sich bewegenden Masse abgesetzt wurden. Die Bildungsgeschichte der Fasern scheint, mit Einem Worte, ganz dieselbe zu sein, wie nach Schachts Darstellung ®) die der Zellstofffäden in der Aus- sackung des Embryosacks von Pedicularis silvatica und im Innern von Caulerpa. Nicht selten (Fig. 2) sind die Fasern auf weite Strecken dicht bedeckt mit einer bräunlichen einzelligen Alge. Zwei andere Hornschwämme unserer Küste stimmen im Bau der Fasern vollständig mit Darwinella überein. Neben den Fasern enthält Darwinella zahlreiche ansehnliche sternförmige Nadeln. Dieselben haben drei bis acht schlanke allmälig zu einer meist scharfen Spitze verjüngte Strahlen, deren Länge von 0,1 bis über 1 Mm. wechselt; an derselben Nadel sind sie nahe zu gleich lang. Die Anordnung der Strahlen ist eine ziemlich man- nichfaltige (Fig. 2—5); bis jetzt kamen zur Beobachtung: 1) Nadeln mit 3 Strahlen; diese genau oder nahezu in derselben Ebene zusammenstossend : a) unter Winkeln von etwa 120°; b) unter Winkeln von 180°, 90° und 90°; ec) unter Winkeln von etwa 180°, 120° und 60°. 2) Nadeln mit 4 Strahlen : a) rechtwinkliges Kreuz; b) schiefwinkliges Kreuz mit Winkeln von 120° und 60°; selten; c) zwei Strahlen bilden einen rechten Winkel, die beiden andern eine auf dessen Ebene senkrechte Gerade; sehr selten’; d) dreistrahliger Quirl, d.h. drei Strahlen m einer Ebene, Win- kel von etwa 120° bildend, der vierte darauf senkrecht; häufig. 6) H. Sehacht, Lehrbuch der Anatomie und Physiol. der Gewächse. I. Theil, S. 45. Taf. 1, Fig. 44, 45. Vergl. auch M.Schultze die Hyalonemen. Bonn 1860, pag. 24 Annı. Ueber Darwinella aurea, einen Schwamm mit sternförmigen Hornnadeln. 349 3) Nadeln mit 5 Strahlen: a) drei Strahlen in emer Ebene; die beiden andern bilden eine darauf senkrechte Gerade; nicht selten; b) vierstrahliger Quirl; d.h. vier Strahlen bilden ein Kreuz, auf dessen Ebene der fünfte senkrecht steht; häufig. 4) Nadeln mit 6 Srahlen: a) die Strahlen bilden drei auf einander senkrechte Gerade; nicht selten; b) fünfstrahliger Quirl; sehr selten; 5) Nadeln mit 7 Strahlen 6) Nadeln mit 8 Strahlen selten, Wie die Fasern zeigen auch die Nädeln eine deutliche Schei- dung in Mark und Rinde; die innere Grenzlinie der Rinde pflegt sogar weit schärfer als bei den Fasern hervorzutreten. Nach der Spitze der Strahlen zu wird die Scheidung in Mark und Rinde weniger deutlich. Während bei den Fasern die Rinde nach der Spitze zu schwindet und diese selbst nur aus dem bogig geschichteten Marke besteht, verjüngt sich bei den Nadeln das Mark rascher als die Rinde und die Spitze scheint marklos zu sein. Eine grössere Mark- höhle am Kreuzungspunkte der Strahlen pflegt namentlich bei klei- nen drej- oder vierstrahligen Nadeln sehr deutlich zu sein. (Fig. 11.) Eine Schichtung der Rinde ist bei frischen Nadeln kaum wahr- zunehmen; bisweilen sieht man einige recht deutliche oberflächliche Schichtungslinien, aber überzeugt sich dann meist leicht, dass diese nicht der Nadel selbst, sondern nachträglich auf. sie. abgesetzten Schichten angehören. Nach kurzem Kochen in schwacher Kalilauge, wobei die Nadeln etwas aufgequollen waren, trat dagegen die Schich- tung der Rinde deutlich hervor, Das Mark zeigte sich in diesen gekochten Nadeln verschrumpft, wellig gebogen und durch einen deutlichen Zwischenraum von der Rinde geschieden. Ebenso sah ich es bisweilen (Fig. 12) nach mehrtägigem Liegen des Schwammes in Wasser. Einigemal sah ich im Marke, doch nie recht deutlich, Linien die spitze Winkel, mit der Spitze der Strahlen zugewandtem Scheitel, bildeten ; —- vielleicht Schichtungslinien, die dann wie bei den Fasern die Form der Spitze wiederholen würden. Die Nadeln liegen hauptsächlich in den. tieferen Theilen des Schwammes, wo sie um die Stämme und älteren Aeste der Fasern oft ein dichtes Gewirre bilden. Nicht selten herrschen bestimmte 350 Fritz Müller, Nadelformen an bestimmten Stellen vor;.so zeigt Fig. 4 lauter vier- strahlige Nadeln und so waren die im: Allgemeinen seltenen sieben- und achtstrahligen Nadeln, die mir früher nie vorgekommen waren, an einer kleinen Stelle eines vor Kurzem untersuchten Schwammes, dem Fig. 2 und 3 entnommen sind, ziemlich häufig. , Die Nadeln liegen theils frei in der weichen Schwammmasse, theils sind. sie mit den Fasern verklebt, oder selbst vollständig in sie eingeleimt. Selten verkleben zwei sich kreuzende Strahlen verschiedener Nadeln. Auch an die die Unterlage des Schwammes überziehende Haut können Nadeln befestigt werden. Es finden sich in diesen Fällen stets die uns schon bekannten hyperbolischen Schichtungslinien. Meist sind die Strahlen der Nadeln gerade ausgestreckt; doch ist bisweilen der eine oder andere Strahl unter einem stumpfen oder selbst rechten Winkel gebogen und die umgebogenen Spitzen sind dann, soviel ich gesehen, immer festgeleimt; — wahrscheinlich, weil die elastischen Strahlen, durch Druck von aussen gebogen, bei Nach- lass des Druckes sich wieder strecken, wenn sie nicht inzwischen an benachbarte Fasern festgekittet worden sind. Während bei Darwinella die Nadeln ausserhalb der Fasern liegen und nur ausnahmsweise mehr oder weniger vollständig in sie aufgenommen werden, pflegen bei Kieselschwämmen mit entwickeltem Fasergerüste ”) die Nadeln den Fasern eingebettet zu sein. Doch ist (dieser Unterschied kein wesentlicher, denn auch bei letzteren ent- stehen die Nadeln wohl immer ausserhalb der Fasern und werden erst später von ihnen umwachsen. Freunden Darwin’s werden die eben besprochenen Hornnadeln ein erfreulicher Fund sein, da sie einen willkommenen Anhalt bieten für die Anwendung seiner Lehre auf die Klasse der Schwämme. Wenn irgendwo, so zeigte sich im dieser Klasse die Auffassungsweise von Agassiz in entschiedenem Vortheile über die Lehre Darwin’s. Die gleichen Gestalten (z. B. dreistrahlige Sterne) waren einmal in 7) Diese Corneosilieispongiae, wie sie Schmidt nennt (Supplement S. 42) können keinenfalls eine systematische Abtheilung bilden, da von nächst verwandten Arten die einen ein höchst entwickeltes Fasergerüst besitzen können, während bei den anderen kaum die Spitzen der Nadeln dureh eine Spur erhärteten Protoplasmas verklebt sind. Das Letztere ist z. B. nach Schmidt der Fall bei seiner Reniera aquaeductus, das Erstere bei einer der genannten bis auf die Farbe höchst ähnlichen hiesigen Art; man wird diese Arten nicht auseinander reissen dürfen. Ueber Darwinella aurea, einen Schwamm mit sternförmigen Hornnadeln. 351 kohlensaurem Kalk, ein anderes Mal in Kieselsäure ausgeführt, zwei so verschiedenen Stoffen, dass das. Band, welches in der Ueberein- stimmung der Form sich unverkennbar kund gab, eben nur, wie Agassiz will, ein geistiges sein zu können schien. War die Thier- welt geschaffen nach einem vorbedachten Plane, so, leuchtete ein, wie in diesem Plane zuerst im Allgemeinen der Gedanke einer Schwammnadel gefasst, wie eine bestimmte Nadelform vorgezeichnet und wie dann zu deren Ausführung bald der eine, bald der andere Stoff gewählt werden konnte. Wie aber. sollte man. die Kalk- und die 'Kieselschwämme aus einer nicht blos gedachten, — wie sollte man sie im Sinne der Darwin’schen Lehre aus einer in bestimmten irdischen Stoffen. lebendigen Urform ableiten? _ Es war. offenbar eine dreifache Annahme möglich. Man komnte Kalk- und Kieselnadeln als wesentlich verschiedene unabhängig von einander entstandene Gebilde betrachten und sich dabei etwa auf die den Kalknadeln mangelnde feine Höhlung in der Achse der 'Kieselnadeln berufen. Man konnte zweitens Kieselnadeln aus Kalknadeln oder umge- kehrt hervorgehen lassen. Letztere Annahme wurde indess ebenso unwahrscheinlich durch die Verschiedenheit des Stoffes, wie erstere durch. die Uebereinstimmung der Formen. Man konnte drittens zu der: Annahme einer einfach‘ hornigen Grundform greifen, die später bei den einen verkalkt, bei den an- deren verkieselt sei; aber auch diese Annahme dürfen die Gegner abweisen mit. der Forderung, doch irgend welche Spur dieser ima- ginären nur zur Stütze einer phantastischen Theorie herbeigerufenen« 8) Hornnadeln aufzuweisen. — Nun denn, die Hornnadeln haben nicht nur bestanden, sie bestehen noch und damit ist der dritten, an sich schon ansprechendsten Annahme eine gewisse. thatsächliche Stütze gegeben. Zum Schluss, um auch der Schule gerecht za werden, die Dia- gsnose der neuen Gattung. 5 Darwinella: Geratospongiae fibris dendroideis in rete non conjunetis et spieulis magnis stelliformibus in kali caustico solubi- libus praeditae. 8) The supposed, intermediate forms between the species of different geological, periods are '»imaginary beings, called up merely in support of a fanciful theory« Agassiz, Contributions- to the Nat. Hist. of the U. S. Vol. II, 5.99. 352 Fritz Müller, Erklärung der Abbildungen auf Taf, XXI. Die Abbildungen stellen sämmtlich Fasern und Nadeln derDarwinella aurea dar, und zwar Fig. 1-5 bei lömaliger, 6-11 bei 90maliger und Fig. 12 bei 360maliger Vergrösserung. — Man beachte in Fig. 1. den heutigen Ueberzug über den Tang, dem die Schwammfaser auf- sitzt, das abgebissene Ende des dunkleren von jüngeren Schichten umschlossenen Stammes, die Verschmelzung des 2. und 4. Astes, die durch spätere Schichten ausgeglichene Biegung am ersten Zweige des 4. Astes; in Fig. 2. den dunklen Ueberzug (von einzelligen Algen) auf einem Theile der Fasern und Nadeln; links die grosse achtstrahlige Nadel, unten in der Mitte die Verklebung zweier sich kreuzender Nadeln, links die vierstrahlige Nadel, von der ein Strahl an den häutigen Ueberzug des Tanges befestigt ist, während von einem andern sich eine Faser erhebt. (Es sind in dieser Figur kaum die Hälfte der in dem Prä- parat vorhandenen Nadeln gezeichnet); in Fig. 3. die fast vollständig eingekittete vierstrahlige Nadel links; in Fig. 4. den Ursprung der Fasern aus der häutigen Ausbreitung und die umgebogenen festgeleimten Spitzen an den beiden obern Nadeln. Fig. 5. Einzelne Nadeln. Fig. 6. Spitze einer Faser. Fig. 7—10. Unregelmässig geschichtete Fasern, aus deren Schichtung man ebenso ihre ganze Lebens- und Leidensgeschichte herauslesen kann, wie aus den Jahresringen eines Baumes seine mageren und fetten Jahre u. s. w. Fig. 7. Aus einer Faserspitze, die längere Zeit über ihren Höcker frei vor- stand, dabei erhärtete und dunkelte und auf der sich in dieser Zeit eine Diatomee angesetzt hat, erhob sich später eine seitliche Faser, die aber bald dasselbe Schicksal hatte; nachdem beide wieder vom Schwamm überwachsen worden, ist von jeder Spitze ein Zweig weiter gewachsen; in dem Winkel zwischen beiden erscheinen hyperbolische Schichtungslinien. Fig. 8. Eine Faser wurde abgefressen und entblösst; in der Wundfläche häufte sich Schmutz an; später wurde sie wieder überwachsen und ein junger Ast bildete sich an ihrem Ende. Fig. 9. Eine Faser wurde rechtwinklig geknickt; der Winkel füllte sich mit hyperbolisch gekrümmten Schichten; an der Aussenseite des wage- rechten Schenkels bildete sich ein Zweig, der in der ursprünglichen Richtung der Faser weiter wuchs. Links sieht man eine der Faser aufgeleimte Nadelspitze Fig. 10. Zwei entblösst gewesene Faserenden sind verklebt; an der einen sind unter dem Ursprung eines seitlichen Astes einige fremde Körn- chen hangen geblieben; der seitliche Ast wurde verbogen, aber die Biegung durch jüngere Schichten wieder ausgeglichen; ungefähr um Ueber Darwinella aurea, einen Schwamm mit sternförmigen Hornnadeln. 353 dieselbe Zeit, und vielleicht durch dieselbe Ursache wurde die Spitze eines jüngeren Zweiges umgebogen, und in Folge davon von den später abgesetzten Schichten des Stammes umschlossen und seinem Bestehen als Zweig ein Ende gemacht. Fig. 11. Kleine dreistrahlige Nadeln mit grosser Höhle am Kreuzungspunkte der Strahlen. Fig. 12. Stück des Strahles einer grossen Nadel, nach mehrtägigem Liegen in Wasser hat sich das Mark deutlich von der Rinde abgehoben und ‚erscheint wellig (schraubenförmig?) gebogen. Desterro, September 1865. Ueber den Ossifikationsprocess. Von Prof. Br. Waldeyer in Breslau. Hierzu Taf. XXI. Die bekannten Arbeiten Heinrich Müller’s') über den Ossi- fikations-Process hatten eine wesentliche Lücke gelassen. Grade da, wo es darauf ankam zu erklären, woher die sogenannte Knochen- srundsubstanz stamme, liessen uns die so sorgfältigen und ge- nauen Beobachtungen des genannten Forschers im Stich. Im Allge- meinen fasst Müller die Knochengrundsubstanz als ein Ausschei- dungsproduct auf; er lässt es aber, 1. ec. p. 164, selbst noch unbestimmt, von welchen Gebilden, ob von den Markzellen, den sternförmigen Knochenzellen oder den Blutgefässen diese Ausscheidung geschehe. Auch über die Entstehung der zackigen Knochenkörperchen mit ihren reichlich verästelten Ausläufern finden wir in den Mül- ler’schen Aufsätzen nur ungenügende Auskunft ?). Wir hätten für diese Dinge um so mehr von Müller die er- forderliche Aufklärung erwarten dürfen, als grade er bei der Ossifi- kation des hyalinen Knorpels die Knorpelgrundsubstanz als Grund- lage der lamellösen Knochensubstanz beseitigt hatte; um so mehr, sage ich, musste sich die Frage aufdrängen, woher nun diese feste, compacte Masse, welche die Knochenlamellen constituirt ? 1) Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie, Bd. 9. 1858; cf. namentl. pag. 160 ff. Würzburger naturwiss. Zeitschrift, Jahrg. 1863 pag. 29 ff. 2) Man vergleiche die Darstellung in Zeitschr. für wiss. Zool. Bd. 9. pag. 165 ff. Ueber den Ossifikationsprocess. 355 Die Arbeiten von Lieberkühn ') haben für den hyalinen Knor- pel den alten Standpunkt zurückzuerobern versucht. Es heisst, Reichert’s und DuBois Reymond’s Archiv 1862 p.705: »An die Stelle des hyalinen Knorpelgewebes setzt sich niemals andere Knochensubstanz als die aus ihm hervorgehende. Der ossificirende hyaline Knorpel ist nur ein Bildungsstadium des Knochens. — Die strahligen Knochenkörper der aus hyalinem Knorpel hervorgehenden Knochen entstehen durch Verdickungsschichten, welche unter Zurück- bleiben von Porenkanälen an die verirdeten Wände der geschlosse- nen Knorpelhöhlen sich lagern, also durch successive Verengerung der letzteren, und durch eine weiter vorrückende Resorption der Knochensubstanz von den Enden der Porenkanälchen aus. Die in den Knochenhöhlen eingeschlossenen Zellenreste sind bei den aus hyalinem Knorpel hervorgegangenen Knochen stets Reste der Knor- pelzellen selbst.« Wenn damit nun auch eine Erklärung der Entstehung der Knochengrundsubstanz gegeben wäre, wir würden doch die eigen- thümliche Form und Anordnung der Knochenkörperchen kaum be- greifen, da sie so wenig mit der der Knorpelzellen übereinstimmt. So manchen schätzenswerthen Beitrag für das Verständniss der Ossi- fikation und des Knochenbaues wir durch Lieberkühn erhalten haben, so ist doch seiner Grundanschauung die Beistimmung Ande- rer nicht geworden. Baur?) kam gleichzeitig zu wesentlich den- selben Resultaten wie H. Müller. Die neuern Mittheilungen über unsern Gegenstand von Gegenbaur?), Landois*) und mir?) betonen die Richtigkeit der H. Müller’schen Lehre, so weit sie die Betheiligung des Knorpels am Össifikationsprocesse betrifft. Mit Zugrundelegung und Bestätigung: der Ansichten H. Mül- ler’s hat nun kürzlich Gegenbaur (l. e.) die Mängel, welche die 1) Reichert's und Du Bois Reymond’s Archiv 1862. »Ueber die Ossifikation des hyalinen Knorpels« pag. 702 fi. Ibid. 1863 »Beiträge zur Lehre von der ÖOssifikation« pag. 614. Ibid. 1864 »Ueber Knochenwachs- thum« pag. 598. 2) Müller’s Archiv 1857. 3) Jenaische Zeitschrift für Mediein und Naturw. 1. Band 1864 Hft. 3. 4) Centralblatt für die medie. Wissensch. Berlin 1865. Nr. 16 v. 8. April 1865 »Ueber die Ossifikation der Geweihe.« Nr. 18 v. 27. April »Ueber den Ossifikationsprocess.« Nr. 32 v, 22. Juli »Ueber die Ossifikation der Sehnen.« 5) Berliner Centralblatt für die med. Wissenschaft Nr. 8. vom 8. Fe- bruar 1865.. 356 Waldeyer, Müller’sche Darstellung noch liess, ergänzt, indem. er (die von ihm sogenannten Osteoblasten!) entdeckte. Gegenbaur unterscheidet in. den primären Markräumen (ef. später p. 360) zwei Lagen von Zellen, von denen die äussere als Wandschicht die Innenfläche des Markraumes in continuirlicher, Lage bekleidet, und welche er. die Osteoblastenschicht nennt; sie steht in directer Beziehung zur Bildung der Knochensubstanz; Die innere füllt die Höhlung des Markraums aus und dient zur Ent- wicklung des Knochenmarks mit seinen Blutgefässen. etc. -Die Osteoblasten werden (l. ec. p. 349) als meist rundliche, durch gegenseitige Aneinanderlagerung polyedrische Formen geschil- dert, unter denen sich auch langgestreckte cylinderartige Gestalten finden, von sehr variabler Grösse. Später, p. 366, werden noch feine, cilienartige Fortsätze an den Osteoblasten. beschrieben und: die Stern- form derselben, obgleich seltener beobachtet, doch (mit Recht) für die regelmässig vorkommende erklärt. Die Osteoblasten treten so- wohl durch ihre Grösse, ihr Aussehen und ihre epitheliumartige An- ordnung scharf unter den übrigen zelligen Gebilden hervor und. wer- den in gleicher Weise bei der Ossifikation. aus hyalinem: Knorpel, wie aus bindegewebiger Grundlage gefunden, in continuirlicher Schicht die in. der Bildung begriffenen Knochenbalken überkleidend. Von diesen Zellen leitet nun Gegenbaur alle Knochenbildung ab und zwar in der Weise, dass dieselben ein erhärtendes Sekret lie- fern , die Knochengrundsubstanz, in welches Sekret sie nach und nach selbst, als sternförmige Knochenkörperchen. eingeschlossen würden. Fast gleichzeitig und unabhängig. von Gegenbaur. kam ich bei Gelegenheit meiner Untersuchungen über die Zahnentwicklung ?) 1) Die Osteoblasten sind zwar schon vor Gegenbaur von meh- reren Beobachtern in zusammenhängender Lage gesehen worden; Letzterem gebührt aber das Verdienst ihrer richtigen Auffassung und Würdigung, so wie der Nachweis ihrer allgemeinen Verbreitung. Ollier sah die Zellen im Periost, R. Maier hat sie einmal für ein Epithelium der Havers’schen Ka- näle genommen (s. bei Gegenbaur ].c. pag. 359 u. 360). Buchholz »Einige Versuche über künstliche Knochenbildung« Virchows Archiv 26. Bd. p. 78 ff. sagt p. 88: »Die Hohlräume, welche zwischen diesem Balkenwerk von Knochen übrig bleiben, fand ich in diesem Falle von dicht aneinander- liegenden, meist etwas ungleichen Zellen erfüllt, die in vielen Fällen äusserst regelmässig radiär auf der Wandurg der Höhle angeordnet waren. Nirgends zeigten dieselben Kerne, und lagen so dicht, dass wenig oder gar keine Zwi- schensubstanz zwischen ihnen vorhanden war.« Cf. 1. e. Fig. 5. Taf. IV. 2) Erste Abtheilung in d. Königsberger medie. Jahrbüchern Jahrg. 1864; zweite Abtheilung in Zeitschr. f. rationelle Medicin 1365 Bd. 24. Ueber den Össifikationsprocess, 357 auf denselben Gegenstand. Ich fertigte Schnitte durch eine ganze Zahnanlage und den umhüllenden Kiefer, und mir fiel sofort die epitheliumgleiche Zellenlage an den Verknöcherungsrändern auf, welche sich sehr bestimmt von dem weitern Inhalt der jungen Markräume abhob, und sehr bald auch bei der Verknöcherung aus knorpliger Grundlage und aus dem Periost von mir bemerkt wurde. Nament- lich interessirte mich die grosse Analogie dieser Zeilenlage, die ich fortan mit Gegenbaur »Osteoblasten« nennen werde, mit der Reihe der Dentinzellen an der Pulpaoberfläche des Zahns. Es war sofort zu übersehen, dass bei beiden Gebilden, Zahn und Knochen, sanz dieselben Verhältnisse vorlagen. Fertiges Elfenbein und Knochengrundsubstanz; Dentinzellen oder Odonto- blasten, wie man sagen könnte, und Osteoblasten; Zahn- pulpe und Inhalt der jungen Knochenmarkräume, verknö- cherndes Blastem des Periosts, der Schädeldeckknochen u. s. f. Ebenso distinet wie die Reihe der Dentinzellen sich von der Zahnpulpe abhebt, zeichnen sich die Osteoblastenreihen vor ihrem Matriculargewebe, dem Inhalt der Knochenmarkräume aus. Man vergleiche zur vorläufigen Orientirung die Fig. 1. Taf. XXI. Da mich die Untersuchungen über die Entstehung des Elfenbeins zu Resultaten geführt hatten, die von den gangbaren Anschauungen mehr.oder minder abweichen, so vermuthete ich eine gleiche Bildungs- weise für die Knochengrundsubstanz, , und habe die Hauptergebnisse meiner darauf, bezüglichen Beobachtungen bereits in einer vorläu- figen Mittheilung niedergelegt, so wie einen Theil meiner Präparate auf der diesjährigen Naturforscher - Versammlung zu Hannover demonstrirt. Im Folgenden bringe ich die ausführlichen Stützen für meine Ansicht. Ich habe dabei namentlich die Entstehung der Kno- chengrundsubstanz und die Bildung der Knochenkörperchen im Auge; muss jedoch beim hyalinen Knorpel auch noch kurz auf die Bildung der primären Markräume eingehen, sowohl im Interesse der Ueber- sichtlichkeit der Darstellung, als auch hauptsächlich deshalb, weil mir hierbei einige der bezüglichen Verhältnisse noch nicht mit der erforderlichen Genauigkeit hervorgehoben zu sein scheinen. Der gegenwärtige Stand der Hauptfrage, der Frage nach der Bildung der Knochengrundsubstanz, lässt sich kurz folgendermassen zusammenfassen : Gegenbaur, s. namentl. 1. c. p. 348, nimmt an, dass die Östeoblasten zu den zackigen Knochenkörperchen werden, und dass M. Schultze, Archiv f. mikrosk. Anatomie. I. Bd. 24 358 Waldeyer, die Knochengrundsubstanz nach Art emer Gutieularbildung als form- lose Masse durch einen Sekretionsact aus den Osteoblasten entstehe, und so allmählich diese letztern, die von Anfang an zackig seien, als Knochenkörperchen in sich einschliesse. Landois in seinen vorläufigen Mittheilungen stimmt dem im Wesentlichen zu, indem er sagt (Centralblat Nr. 18 1865): »Die Knochengrundsubstanz tritt nur als eine schichtweise sich ablagernde Neubildung, gleichsam als ein Sekret der Zellen auf, als saumartige Auskleidung der Mark- räume. ... Ich hebe besonders hervor, dass dieselbe ferner nicht aufgefasst werden darf, als hervorgegangen aus den metamorpho- sirten verdichteten Rinden des Protoplasmas der etwa aneinander- liegenden wandständigen Zellen selbst, während der dem Kerne zu- nächst liegende Theil dieselben zu einem sternförmigen Zellkörper sich gestaltet.« Ich lasse den Knochen grade so entstehen, wie das fibrilläre Bindegewebe, indem ich die vonMax Schultze') und Beale?) für die Entstehung der Intercellularsubstanz des Bindegewebes neuer- dings wieder vertretene Ansicht zu Grunde lege, der. auch Lan- dois?) für das Bindegewebe der Sehnen sich anschliesst. Die ge- nannten Forscher, denen ich durchweg zustimme, lassen das fasrige Bindegewebe aus einer formalen und chemischen Umwandlung eines Theils des Protoplasınas der embryonalen Bildungszellen 'hervorge- hen, indem dasselbe leimgebend und zugleich mehr oder weniger fibrillär wird. Viele dieser Bildungszellen gehen dabei ganz zu Grunde, indem auch ihre Kerne schwinden; andere bleiben zum Theil zurück , indem nur ihre Aussenschicht sich in der gedachten Weise metamorphosirt und ein mehr oder minder grosser Theil der ursprünglichen Zelle als »Bindegewebskörperchen« fortexi- stirt. Ganz ebenso fasse ich den Bildungsprocess des Knochenge- webes auf. Die Osteoblasten sind die embryonalen Bildungszellen 1) Observationes de retinae structura penitiori, Comment. academ. Bon- nae 1859 p. 13. 14. 17. — Ueber Muskelkörperchen und das, was man eine Zelle zu nennen habe, Reichert’s und Du Bois Reymond’s Archiv 1861 p. 12. 2) Die Structur der einfachen Gewebe des menschlichen Körpers, über- setzt von V. Carus. Leipzig 1862 p. 96 ff. — s. a. Lectures on the struc- ture and growth of the tissues of the human body. Archives of medeeine. April 1861 — Jan. 1862. 3) Berliner medie. Centralblatt 1865 Nr. 32. Ueber den Össifikationsprocess. 359 des Knochengewebes ; ein Theil derselben geht mit Schwund des Kerns ganz die Umwandlung in leimgebendes mehr oder minder fasriges Gewebe ein, welches bei (der normalen Verknöcherung fast gleich- zeitig die Kalksalze aufnimmt ; von einem andern Theile thun das nur die peripheren Protoplasmaschichten: der Rest bleibt als kern- haltiges »Knochenkörperchen« in seiner Intercellularsubstanz, der Knochensubstanz, zurück, wie ein Bindegewebskörperchen in der Sehnensubstanz. Das der kurze Ausdruck meiner Ansicht über die Bildung des Knochengewebes. Ich lasse nunmehr die stützenden Thatsachen sowie die Auseinandersetzung der Details folgen. Für die Entstehung ächten Knochengewebes aus hyalmem Knor- pel kam ich, was die vorbereitenden Processe anbetriftt, im Wesentlichen zu den von H. Müller angeführten Resultaten. Ein Schnitt durch den Verknöcherungsrand emes tötalen Knochens — ich benutzte vorzugsweise Extremitäten menschlicher Embryonen, die in Yo—1 pe. Chromsäurelösung entkalkt waren — lässt Folgen- des als constanten Befund erkennen (Fig. Il. Taf. XXIII. Auf den wie gewöhnlich gebauten Gelenkknorpel folgt eine Zone, in welcher die Knorpelzellen gruppen- oder reihenweise beieinander liegen, von einem mehr oder weniger deutlichen Zug anders als die hyaline Knorpelmasse lichtbrechender Substanz umgeben. In dem Kapsel- raum finden sich die Knorpelzelien dieht aneinander gelagert, mei- stentheils so, dass man unschwer erkennt, wie sie durch Theilungs- processe aus den vorhandenen Zellen entstanden sind. Dieselben sind nur von einer sehr geringen Menge von Intercellularsubstanz umge- ben. In dieser Zone wird somit der Vorgang repräsentirt, den man als ein »sich richten« der Knorpelzellen bezeichnet hat. Es folgt nun, näher dem Verknöcherungsrande zu, eme andere Zone mit ent- gegengesetztem Verhalten. Die Knorpelzellen rücken scheinbar all- mählich wieder weiter auseinander, liegen sparsamer in einer grös- sern Menge Intercellularsubstanz, weit weniger dicht selbst, als in dem unveränderten Gelenkknorpel. Die einzelnen Zellen sind grösser als gewöhnliche Knorpelzellen ; jede ist von einer deutlichen Kapsel umgeben, die stärker markirt ist als in der vorigen Zone. Zugleich treten aber auch zwischen Gruppen von mehreren Knorpelzellen stärkere, strangartige Züge im Knorpel auf, welche sich der Länge nach wie Balken zur Verknöcherungsgrenze hinziehen. Sie beginnen mit feinen zarten Anfängen am Ende der ersten Zone, wo die Knor- pelzellen anfangen, sich mit eimer grössern Menge von Intercellular- 360 Waldeyer, substanz zu umgeben und deutliche Kapselzüge zu bekommen. Von eben diesen Kapselzügen aus, an welche sie sich überall anlehnen, setzen sich die Balkenzüge zusammen, indem sie wie Längsscheide- wände die Knorpelmasse in einzelne Abtheilungen bringen. , Nach dem Verknöcherungsrand hin werden sie immer stärker. Die Ossi- fikationsgrenze selbst zeichnet sich dadurch aus, dass an ihr die zwischen den genannten Balken befindliche Intercellularsubstanz zu schwinden beginnt, indem um jede Knorpelzelle herum dieselbe sich in Form feiner körniger Masse gleichsam auflöst (H. Müller’s Einschmelzungsprocess), die Zellen aber sich aufs neue durch Thei- lung vermehren. So geht die homogene Knorpelerundsubstanz unter, während die Balkenzüge übrig bleiben und eine Art provisorischen (serüsts darstellen, an welches sich die neu aufzubauende Knochen- substanz anlehnt. Wir finden also an der Verknöcherungsgrenze ein Maschenwerk länglicher Balkenzüge, hie und da durch schwächere (Juersepta verbunden, die längliche, buchtige Räume, primäre Markräume (Hassall), umschliessen. Während die Anfänge der Balkenzüge sich in den noch unveränderten Gelenkknorpel hinein- erstrecken, gehen sie in den fertigen Knochen über, indem sie’ von allen Seiten einen Knochenbeleg bekommen, und eine mittlere Axe jedes jungen Knochenbalkens darstellen. Sie sind offenbar diejenigen Partien der Knorpelgrundsubstanz, welche (cf. die Darstellung H. Müller’s l. ec. p. 157 ff.) provisorisch vor der eigentlichen Ossifi- kation Kalksalze aufnehmen, und später häufig noch als: Reste, ver- kalkten Knorpels inmitten der ächten Knochensubstanz erscheinen. Auch nach Ausziehen der Kalksalze unterscheiden‘ sie sich. dureh ein anderes Lichtbrechungsvermögen. Eine chemische Differenz zwi- schen ihnen und der übrigen 'hyalinen Grundsubstanz konnte ich indessen dann nicht mehr nachweisen. Die optische tritt aber immer so scharf hervor, dass es mich wundert, wie die H. Müller’schen Abbildungen dieses Verhalten nicht gut erkennen lassen. Lieber- kühn hat, Reichert’s und Du Bois Reymonds Archiv, 1862, p..706 u. 707, diese Veränderungen der Grundsubstanz ebenfalls 'beschrie- ben und auch abgebildet, vgl. 1. e. Fig. 5. Taf. 18. (Bei vespertilio auritus oder murinus sollen sie besonders deutlich sein.) Der, Ver- grösserung der Knorpelzellen nach dem Verknöcherungsrande hin ist auch kurz gedacht worden. Man vergleiche hierzu auch Vir- chow’s Darstellung: »Das normale Knochenwachsthum und die rachi- tische Störung desselben.« Archiv für pathologische Anatomie V. Ueber den Ossifikationsprocess. 361 p- 409 ff. Es fehlt indessen allerorts eine genauere Beschreibung und Abbildung. Ich habe deshalb m Fig. II. Taf. XXI. noch einmal einen Verknöcherungsrand gezeichnet mit besonderer Berücksichti- gung dieser Verhältnisse, und hoffe damit eine treue Darstellung gegeben zu haben. Die eben geschilderten Befunde sind der Ausdruck der »vor- bereitenden Vorgänge« für die Knorpelverknöcherung. Durch sie wird im Wesentlichen em Wachsthum des Knorpels nach allen Raumdimensionen hin bewirkt, so wie ein provisorisches Gerüst für die primären Markräume geschaffen. Die starke Vermehrung der Knorpelzellen, welche in der ersten von mir beschriebenen Zone vor sich geht, setzt zunächst eine Massenvermehrung des Knorpels, die nun noch bedeutender dadurch wird, dass jede neue Zelle sich mit einer starken neuen Schicht hyaliner Intercellularsubstanz um- giebt. So erscheinen denn die Knorpelzellen in der zweiten Zone, näher dem Ossifikationsrande, wieder weiter auseinandergerückt und von relativ geringerer Zahl. Es findet somit während der Verknö- cherung ein Wachsthum des in der Ossifikation begriffenen Knor- pels statt. Ich will hier noch bemerken, dass nicht alle Knorpelgrundsub- stanz, bevor sie einschmilzt, verkalkt war '). Zwischen den verkalk- ten septis findet sich um die Knorpelzellen herum immer noch eine grössere oder geringere Menge unverkalkter hyaliner Substanz, welche ebenfalls bei der Bildung der primären Markräume zu Grunde geht. Der Inhalt der primären Markräume, die überall ca- vernös mit einander communieiren, besteht dicht an der Knorpel- grenze aus den körnig zerfallenen Resten der Knorpelgrundsubstanz, und aus den Producten der Knorpelzellen, jungen Zellen, welche gleich m der Form der Osteoblasten erscheinen. Sie füllen mit der körnigen Detritusmasse die nach der Knorpelgrenze hin liegen- den Anfänge der Markräume aus. Weiter abwärts sondern sie sich in zwei deutlich distinguirte Abtheilungen, von denen die eine die Axe des betreffenden Markraumes einnimmt, die andere die Wan- dungen desselben bekleidet. Letztere ist das erste Osteobla- stenlager und soll die erste Schicht Knochensubstanz liefern, welche auf die vorhin beschriebenen Gerüstbalken abgesetzt wird. 1) Für den Frosch und Polypterus :bichir hat auch H. Mül- ler eine Einschmelzung des Knorpels ohne vorherige Verkalkung constatirt. 362 Waldeyer, Die Zellen in der Axe des Markraums verändern sich bald. Durch rasche Theilung erzeugen sie eine zahlreiche junge Brut, die soge- nannten Markzellen. Ein Theil dieser Markzellen wandelt sich aber gleich in Bindegewebe um, indem sie sehr schmal werden, sich bedeutend verlängern und mit ihren Spitzen unter einander in Ver- bindung treten, woraus denn schliesslich ein zartes Bindegewebsbün- del entsteht, das von Strecke zu Strecke schmale Anschwellungen, die frühern Kernstellen, zeigt. Schon sehr bald, d. h. nicht weit von der Verknöcherungsgrenze, welche immer ziemlich gradlinig: verläuft, sieht man auch Blutgefässe in dem Axenlager : wir wollen dasselbe fortan als »junges Markgewebe« bezeichnen. Dieses Markge- webe hebt sich ungemein deutlich gegen die Osteoblastenschicht ab. Fassen wir ganz besonders das Verhalten dieses letztern ins Auge: Zunächst habe ich die directe Abstammung der ersten ‚Osteo- blasten von den Knorpelzellen dargethan, welche beim Einschmel- zungsprocess ihrer Intercellularsubstanz lebhaft wucherten und durch Theilung neue Zellen erzeugten. Theilungsvorgänge am Zellenkern kann man sehr häufig direet durch Einschnürungsphänomene, durch Verdoppelung der Kerne beobachten. Auch die zahlreichen vielker- nigen Bildungen, welche hier erscheinen nach Art der Robin’schen Myeloplaxen') smd nichts anders als gewucherte Protoplasma- massen mit Theilung der Kerne, die aber so weit im Zusammen- hange geblieben sind, dass nicht jedes einzelne Zellenindividuum ge- sondert auftritt. Die Myeloplaxen liegen nicht selten in den primitiven Markräumen den Knorpelbalken an, und stehen andererseits mit einkernigen Osteoblasten in Verbindung. Die Osteoblasten selbst sind rundlich-sternförmig und spindelförmig, oft mit langen, verästelten Ausläufern versehen. Sie hängen durch dieselben theilweise unter sich, theilweise mit dem jungen Markgewebe (den Zellen desselben) zusammen, und lehnen sich ganz. dicht an die gerüstbildenden Knor- pelbalken an. In alle buchigen Vertiefungen desselben schmiegen sie sich hinein, dieselben ausfüllend und liegen zuweilen lang spin- delförmig an der Balkengrenze hingestreckt. Sie sind scharf mar- kirt, namentlich nach ‘Chromsäurebehandlung, wodurch sie stark dunkelgekörnt werden ; eine Membran: ist nicht nachzuweisen. Ihre Kerne sind relativ gross und rund, zuweilen sind auch‘ Kernkör- 1) ef. Gegenbaur |. c, p. 349. Ueber den Ossifikationsprocess. 363 perchen wahrnehmbar. ‚So sind die Zellen beschaffen, aus denen die Knochensubstanz entstehen soll. Zur Zeit, wann die erste Knochensubstanz den Knorpelgerüst- balken aufgelagert wird, ist noch keine Spur einer Trennung von Östeoblasten und Markgewebe zu bemerken; das kommt erst später, wenn. schon eine deutliche Knochenschicht aufgelagert ist. Die ersten Spuren der letztern' treten als leicht gelbliche, homogen aussehende Streifen an den Rändern der Knorpelbalken auf; weiter abwärts sieht man schon halb eingeschlossene Osteoblasten, die hin und wieder auch mit andern noch nicht eingeschlossenen communiciren. Es ist aber auch‘ nicht schwer, schon hier die Richtigkeit meiner vorhin geäusserten Ansicht über die Entstehung der Knochengrundsubstanz zu constatiren. Wenn die erste Knochensubstanz sich bildet, werden die Markräume von den Osteoblasten dicht ausgefüllt, es ist nicht mehr Platz für irgend. eine Ausscheidung vorhanden; es müssten sonst gleichzeitig Osteoblasten zu Grunde gehen, was wohl nicht anzu- nehmen ist, oder es müsste wenigstens, eine so dicht mit Knochen- zellen durchsetzte Knochensubstanz entstehen, wie man sie nirgends findet. Schon dieses machte es mir von vorn herein unwahrschein- lich, dass die Knochengrundsubstanz als eine von den Osteoblasten aus- geschiedene Masse zu betrachten wäre. Man beobachtet aber auch ferner, dass: bei einzelnen Osteoblasten die peripherischen Theile sich verändern, indem sie ihr. dunkel gekörntes Aussehen verlieren und sich dicht an den buchtigen Rand der Markräume anlagern. Andere, in. der Nähe befindliche Osteoblasten stehen mit diesen veränderten peripherischen. Lagen in Verbindung, indem auch sie mit umgewan- delter Aussenschicht an die ersteren herantreten. Nur die dicht um den Kern gelegenen Theile des Protoplasma’s bleiben unverändert. Ich halte diese, Aenderung der peripheren Schichten für den Aus- druck einer Umwandlung in leimgebende Substanz, die dann sofort Kalksalze aufnimmt. Dass letzteres geschehe, wird im hohen Grade wahrscheinlich dadurch, dass man diese veränderten peripherischen Partien der Osteoblasten unmittelbar in bereits fertige Knochensub- stanz übergehen sieht. Bei ausgepinselten Präparaten trifft man es nicht selten, dass eine Zelle seitwärts in Folge des Pinselns abgebogen ist, indessen durch einen langen Ausläufer noch mit der fertigen Knochengrundsubstanz zusammenhängt, indem sie ganz unmerklich darin ‚übergeht, so dass man nicht sagen kann, wo das eine aufhört und das andere anfängt. Grade so, wie die.in der Axe der Mark- 364 Waldeyer, räume gelegenen jungen Zellen sich zu Bindegewebe umformen, so wandeln sich die Osteoblasten zu Knochengrundsubstanz um. Gegen- baur hat eine Metamorphose des Protoplasma’s der Osteoblasten iu der Nähe der Knochensubstanz ebenfalls gesehen. Er sagt p. 364: »Die Osteoblasten laufen zuweilen in so blasse, zarte Gebilde aus, dass man sie von der gebildeten Grundsubstanz schwer unterscheiden kann. In solchen Fällen ergiebt sich, dass die Osteoblasten mit Fortsätzen in die abgesonderte Grundsubstanz eindringen, und dass zwischen beiden Theilen eine Grenze besteht, dass also ein un- mittelbares Uebergehen des Protoplasma’s der Zelle in die Grund- substanz nicht stattfindet.« Ich gestehe, dass es mir nicht möglich geworden ist, eine Grenze zu finden. Natürlich kann dadurch eine entgegenstehende Behauptung nicht entkräftet werden; es wird viel- mehr abzuwarten sein, wofür die spätern Beobachter sich aussprechen. Grade bei der in Rede stehenden Frage giebt die eigene Untersuchung der Objecte fast allein den Ausschlag. Wenn schon die ersten Anfänge der Bildung des Knochenge- webes Anhaltspunkte für die Richtigkeit meiner Ansicht darboten, so stellt sich das bei weiterm Verfolg des Processes noch mehr heraus. Bleiben wir vor der Hand bei der Ossifikation des hyalinen Knorpels stehen. Wir haben dieselbe bis zur Bildung der primären Markräume, des jungen Markgewebes und der ersten Osteoblasten verfolgt. Zunächst ist nun zu untersuchen, woher denn, wenn die ersten, unmittelbar aus der Wucherung der Knorpelzellen entstan- denen Osteoblasten verbraucht sind, weiterhin dieselben ihren Ursprung nehmen. Sie bilden sich aus den Zellen des jungen Mark- gewebes: das junge Markgewebe, das man eben so passend »Ossi- fikationsgewebe« nennen könnte, ist die Matrix der Osteoblasten, in derselben Weise wie die Zahnbeinpulpe Matrix der Dentinzellen ist. ‘Ich habe an einem andern Orte, Zeitschrift für rationelle Med. 24. Pd. 1865, »Ueber die Entwicklung der Zähne, 2. Abtheilung,« die betreffenden Verhältnisse beim Zahngewebe auseinandergesetzt; wir finden beim Knochengewebe auch hierfür eine durchgreifende Analogie. Das junge Markgewebe hat einen von dem spätern gelben und rothen Knochenmark verschiedenen Bau ; es gehört zu der Gruppe der embryonalen Bindesubstanzen, zu den mehr indifferenten Geweben, welche sich in der Folge nach verschiedenen Richtungen hin diffe- renziren und zu bestimmten, bleibenden Formen ausbilden können. Es besteht, wie das embryonale Bindegewebe überhaupt, aus vielen, Ueber den Ossifikationsprocess. 365 durch zahlreiche Ausläufer mit einander verbundenen spindel- und sternförmigen Zellen, deren Protoplasma, namentlich in der Nähe der eingebetteten Blutgefässe, sich schon in zartfasrige Interzellular- substanz umgewandelt hat. Das Ganze ist durchtränkt mit einer eiweiss- und schleimhaltigen Flüssigkeit. Je älter das Gewebe, desto zahlreicher werden die Bindegewebsfibren und die Blutgefässe, desto mehr treten die gut ausgebildeten Zellen zurück. Das junge Mark- gewebe tendirt hauptsächlich zur Weiterentwicklung nach drei Rich- tungen hin, zu gelbem Knochenmark, d.h. gewöhnlichem Fettgewebe, zu rothem Knochenmark, der der embryonalen Stufe am nächsten ste- henden Gewebsform, und zu einer, wenn man will, höchsten Stufe. dem Knochengewebe. Bei der Entwicklung zu Knochengewebe treten die Osteoblasten als Zwischenglied ein. Ich habe nun bei vielen Prä- paraten Bilder angetroffen, die mich das junge Markgewebe ent- schieden als Matrix der Osteoblasten ansprechen lassen. Man findet nicht selten nach der Grenze gegen die Knochenbalken hin die Zellen des Markgewebes in Theilung begriffen, wenn es anders erlaubt ist, Vergrösserung der Zellen, so wie das Auftreten von eingeschnürten oder doppelten Kernen, als Vermehrungsvorgänge durch Theilung zu deuten. Die so entstandenen peripheren Zellen bilden offenbar den Ersatz für die durch den Ossifikationsprocess verbrauchten Osteo- blasten, denn man sieht auch die Ausläufer der letzten oftmals mit. den Zellen des Markgewebes in directer Verbindung stehen. Ich glaube indessen, dass die Osteoblasten nicht allein aus dem Gewebe der Markräume ihren Ersatz nehmen, sondern sich auch selbständig durch Theilung vermehren. Wenigstens habe ich häufig solche mit doppeltem Kern gesehen, und die Myeloplaxenformen finden sich auch noch weiter abwärts vom Verknöcherungsrande nicht allzu selten. Die Osteoblasten bilden nun eine meist emfache Lage epithe- liumartig angeordneter Zellen am Rande der jungen Knochenbalken, zwischen diesen und dem Gewebe des Markraums. Natürlich ändern sich die Bilder, je nachdem der Schnitt fällt. Hat man es grade so getroffen, dass ein elliptischer oder kreisrunder Querschnitt eines Markraums erhalten wurde, so stellt sich das geschilderte Verhalten am reinsten und schönsten dar; der Vergleich mit einem Epithel scheint dann am besten zu passen. Sieht man einen Knochenbalken von der Fläche, so erscheint derselbe wie mit Osteoblasten übertape- ziert, die alle vermöge ihrer Fortsätze am Knochen festhaften. Uar- minpräparate nehmen sich besonders zierlich aus. Der junge Knochen 366 Waldeyer, färbt sich am ‚intensivsten, dagegen erscheint der Inhalt des Mark- raums ziemlich. hell, zwischen beiden wieder das Osteoblastenlager in mehr saturirter Färbung, Wie wir vorhin bereits die erste Lage des Knochen aus den Osteoblasten entstehen sahen, so findet auch das weitere Wachsthum im gleicher Weise statt. ' Ganz genau, ‚wie bei der Entstehung gewöhnlichen. Bindegewebes aus dem. indifferen- ten Bildungsgewebe, geht ein Theil der Osteoblasten in eine eigen- thümliche leimhaltige, oft fasrige Intercellularsubstanz über, während ein anderer Theil, von derselben eingeschlossen, als kernhaltige Zellen persistirt. Fast zugleich mit der Umwandlung in leimhaltiges Ge- webe findet auch schon die Imprägnation mit Kalksalzen statt, wenigstens ist das so bei der. Verknöcherung. der knorplig präformirten Knochen und der Kiefer von dem Gewebe ihrer; Mark- räume aus. ‘Bei der periostalen Ossifikation ist eine kleine Abände- rung, insofern grössere Bindegewebsbalken sich ausbilden, die erst nachher die Kalksalze aufnehmen. Ich komme darauf. zurück. So viel ich sehe, ist ein doppeltes Verhalten der. Osteoblasten bei der Ossifikation möglich. Einmal können eimzelne Osteoblasten ganz zu leimgebendem Gewebe werden, wobei der Kern schwindet; das anderemal und das erachte ich nach meinen Untersuchungen als bestimmt erwiesen, findet eine theilweise Umwandlung. der Osteoblasten in die Knochengrundsubstanz statt, ‚während. der um den Kern gelegene Theil als Zelle »zackiges Knochenkörper- chen« persistirt. Ich füge hier dem bereits: früher gesagten noch folgendes als Stütze für meine Ansicht bei: Alle Schnitte, bei denen man möglichst schonend. zw Werke ging, Zeigen jeden Markraum von einer continuirlichen Osteoblasten- schicht ausgekleidet ; die einzelnen Zellen liegen so dicht aneinander, dass eine Zwischensubstanz zwischen ihnen: nur dann Platz hätte, wenn die Zellen bedeutend atrophirten, sobald die Zwischensubstanz aufträte, oder ihren Platz verliessen und dann, da sie anderswohin nicht können, nach dem Gentrum des Markraums rückten. Nun sind zwar im Allgemeinen die eingeschlossenen Knochenkörperchen kleiner als die freien Osteoblasten ; aber der Unterschied ist: bei weitem. nicht so bedeutend, dass er ausreichte, um: Platz zu schaffen für die ‚aus- zuscheidende Intercellularsubstanz. Und dann, man bedenke, die An- hänger der Ausscheidungstheorie lassen die Intercellularsubstanz von den Osteoblasten selbst ausgeschieden werden: wenn ‚wir aber Zellen: in einer ‚bildenden Thätigkeit finden, 'so lässt sich schwer ein- Ueber den Ossifikationsprocess. 367 sehen, dass sie derselben erspriesslich vorstehen Können, wenn sie gleichzeitig atrophiren sollen. Da ist es, man wird es mir ‚gewiss zugeben, weit einfacher, die bildende Thätigkeit hier so aufzufassen, dass ein Theil des Zellenleibes selbst in die neue Bildung aufgeht, und so selbst gleichsam zum Platz wird für das, was Platz finden soll. Im andern Falle, wenn wir von einer mit der Sekretion gleich- zeitigen Atrophie der Zellen auch absehen und annehmen wollen, dass die letztern ihren Ort veränderten, um der ausgeschiedenen Intercellularsubstanz Raum zu geben, so stehen dem ebenfalls meh- rere Bedenken entgegen. Schon der Umstand, dass die Osteoblasten mit Fortsätzen in der bereits gebildeten Knochensubstanz feststecken und vielfach untereinander anastomosiren, lässt eine solche Annahme unmöglich erscheinen. Ferner aber sehen wir, so klein auch. die Markräume sein mögen, immer noch neue Osteoblasten von dem Inhalt des Markraums aus gebildet werden, während gleichzeitig die Wände desselben ganz dicht mit den Zellen ausgekleidet sind. Diese aus der Zahl und der Anordnung der Osteoblasten resultirenden Bedenken gegen die Annahme einer Ausscheidung der Knochen- grundsubstanz von Seiten der Zellen vereinigen sich mit mehreren positiven Befunden, um die von mir vorhin aufgestellte Ansicht sehr wahrscheinlich zu machen. Ich habe schon oben angeführt, dass man beim ersten Beginn der Verknöcherung bereits die Osteoblasten viel- fach an ihrer Peripherie verändert sieht. Nur um den Kern herum bleibt das eigenthümlich granulirte Aussehen des Zellprotoplasma's erhalten, weiter nach aussen gelegene Schichten blassen allmählich ab, erscheinen mehr homogen und gehen, wie es scheint, in die Sub- stanz der Knorpelbalken, die als Stützpunkte für die neuzubildende Knochensubstanz vorhanden sind, über. Dasselbe sieht man nun noch viel deutlicher im weitern Verlauf der Ossifikation, wo die langen ‚Fortsätze der Osteoblasten seitlich der Knochensubstanz anliegen, und schliesslich ohne deutliche Grenze in dieselbe. über- gehen. Dabei trifft man die Partien der Zelle, welche zunächst um den. Kern gelagert sind, deutlich körnig, wie alles mit Chromsäure behandelte Zellprotoplasma; die peripheren Schichten, namentlich nach den langen, anliegenden Fortsätzen hin, mehr homogen, so dass ein Unterschied deutlich und unverkennbar ist. Ich würde wenig Gewicht auf diesen Umstand legen, wenn diese Beobachtungen sich nicht.so zahlreich dem: Untersucher aufdrängten. Man darf nicht etwa sagen, dass die mehr centralen Partien der Zellen desshalb 368 Waldeyer, dunkler und körniger erscheinen, weil sie einer diekern Schicht ent- sprechen, denn man findet dicht neben den eben beschriebenen Osteo- blasten andere, die weiter entfernt von der Knochengrenze liegen, bei denen ein solcher Unterschied zwischen Kernpartie und periphe- ren Schichten nicht zu bemerken ist. Ich habe dieses Verhalten in den Fig. IH u. IV Taf. XXII wieder- zugeben mich bemüht ; es ist indessen hier nur schwer möglich, treue Zeichnungen zu gewinnen. Ich verfehle nicht, noch auf einen Umstand aufmerksam zu machen, den ich in meinem Interesse ebenfalls verwerthen kann, dass nämlich die Osteoblasten immer grösser sind, als die bereits eingeschlossenen Knochenkörperchen. Hierzu kommt noch die That- sache, dass man nicht selten an grösseren Osteoblasten bemerkt, wie eine dem Knochenbalken zugekehrte periphere Schicht sich in Form einer anders lichtbrechenden Masse, oft fein fasrig erscheinend, von ihnen ablöst und direct in die Knochensubstanz übergeht. Einen sehr für meine Ansicht sprechenden Eindruck machen auch. diejenigen Stellen, wo zwei Knochenbalken einander entgegenwachsen. Sind die Balken einander ziemlich nahe gekommen, so füllt sich der Raum zwischen beiden durch eine Schicht ganz dicht gelagerter Osteoblasten aus, welche emen Zellenbalken von derselben Dicke bilden, wie die beiden zu verbindenden Knochenbalken. Wir haben dann hier ganz denselben Anblick, wie bei dem Gewebe einer neu sich bilden- den Sehne. Die Osteoblasten sind spindelförmig mit ihrer Längs- richtung von einem zum andern Balken gestreckt und lagern parallel dicht aneinander. Sollte hier noch Zwischensubstanz ausgeschieden werden und doch die Zellen in dem neuzubildenden Balken nicht dichter liegen als gewöhnlich, so würde das betreffende Verbindungs- stück eine grosse Dicke gegenüber den beiden Balken erreichen, welche es verbinden soll. Man müsste dann solche knotig angeschwollenen Stellen mehrfach bei dem neugebildeten Knochengewebe wahrnehmen, was aber bekanntlich nicht der Fall ist. Die Zeichnung, Fig. I, e. Taf. XXI, kann nur ungenügend das Aussehen solcher Stellen wieder- geben. Originalpräparate sind hier vor allen Dingen zu untersuchen. Das Bindegewebige Blastem, aus welchen die'nicht knorplig präformirten Knochen sich herausbilden, hat an- fangs denselben Character, wie wir ihn vorhin ausführlicher vom jungen Markgewebe geschildert haben. (Vgl. Fie. 1, vom fötalen Unterkiefer.) Später, namentlich bei den Schädeldeckknochen, tritt ein mit derben, Ueber den Ossifikationsprocess. 369 deutlich ausgeprägten Faserzügen versehenes Bindegewebe an die Stelle. (S. a. die Zeichnungen Lieberkühns zur Ossifikation der Schädeldeckknochen in Reicherts u. DuBois Reymonds Archiv 1864. Taf. XV, Fig. 7 u. 8. — p. 610 u. 611). Die Bindegewebszüge gehen dann direct in die Knochengrundsubstanz über, und die Kno- chenbildung besteht nur in einer Imprägnation des fertigen Gewebes mit Kalksalzen !). Die stärkern Züge verkalken zuerst; was von Bindegewebskörperchen in diesem Gewebe vorhanden, bleibt bei der Össifikation als Knochenkörperchen eingeschlossen ; hier ist directer Uebergang von Bindegewebe zu Knochen ohne Dazwischenkunft einer Neubildung von Zellen?). In ähnlicher Weise ossificiren, wie Lie- berkühn gezeigt hat, zum Theil die Sehnen und alle rein binde- gewebigen Gebilde, bei denen die fasrige Intercellularsubstanz eine gewisse Mächtigkeit erreicht hat. Wo das nicht der Fall ist, wie bei der Verknöcherung aus dem zartfasrigen Markgewebe, muss erst durch Neubildung eine grössere und compactere Gewebsmasse ge- schaffen werden, die den Kalksalzen zur Grundlage dienen kann. Ich habe die Sehnenverknöcherung nicht genauer ver- folgt. Durch H. Müller, Würzburger naturw. Zeitschrift. 1863, p-. 45 ff., dem sich Landois, Berliner med, Centralblatt 1865. Nr. 32, anschliesst, erfahren wir, dass in den verknöchernden Vogelsehnen sich auch Markräume bilden, wie im hyalinen Knorpel und von hier aus durch Osteoblasten (Landois) die neue Knochensubstanz ent- steht. Bei den Schädeldeckknochen habe ich continuirliche Osteo- blastenlager an den einzelnen Knochenbalken beobachtet, von denen die Verknöcherung, wie von den Osteoblasten der Markräume des hyalinen Knorpels, vor sich ging. Daneben kommt dann aber auch die Bildung eines ächten fibrillären Bindegewebes vor, das durch Aufnahme von Kalksalzen sich ohne Weiteres zu Knochen umbildet. Gegenbaur hat die directe Verbindung gewöhnlichen Bindegewebes mit bereits ossifieirten Partien an den Schädeldeckknochen ebenfalls 1) Dasselbe hat Ollier bei der Bildung von Knochensubstanz im Kno- chenmark beohachtet, Brown-Sequards Journal de la physiologie. 1863, pag. 227. Es heisst dort: »nous avons vu l’ossification se faire comme sous le perioste autour des cellules du tissu conjonctif au milieu d’une couche d’apparence fibroide.« 2) Zuerst sind diese directen Verknöcherungen des Bindegewebes wohl von J. Müller 1858 bei Chimaera nachgewiesen, später von Sharpey bei den Schädeldeckknochen. 370 Waldeyer, beobachtet, s.1. e. p. 355; er nimmt indessen an, dass an allen diesen Stellen die Knochenbildung aufhöre, denn er findet an den in Rede stehenden Begrenzungsschichten, wo Knochensubstanz an Bindegewebe zu stossen scheine, immer noch lange, spindelförmige Zellen da- zwischen liegend; niemals konnte dort ein in der Bildung begriffenes Knochenkörperchen beobachtet werden. Er sagt p. 357: »Es er- scheint mir daher gerechtfertigt, jenen Stellen der Begrenzungsschichte einen von der Osteoblastenschichte differenten Werth zuzulegen und in ihnen Abschnitte zu erkennen, an denen mit dem Uebergange der letzten Osteoblasten in Bindegewebszellen die abscheidende Thä- tigkeit und damit die Entstehung der neuen Knochensubstanz an diesen Partien ihr Ende erreicht hat.« Allerdings stellt Gegen- baur es nicht absolut in Abrede, dass nicht auch das Bindegewebe hier direct ossificiren könne; es erscheine diese Annahme nur sehr unwahrscheinlich. Ich muss indessen bekennen, dass man an den Stellen, wo deutlich fasriges Bindegewebe direct an den Knochen stösst, ohne alle Schwierigkeit alle die Bündelformationen, nicht bloss einzelne als etwaige Sharpey’sche Fasern, so wie sie grade vorliegen, noch ziemlich weit mit ganz continuirlichem Uebergange hinein in den fertigen Knochenbalken verfolgen kann, der sich nur dadurch, dass er sklerosirt ist, von dem anstossenden Bindegewebe unterscheidet. Auch die Körperchen haben hüben und drüben gleiche Form, Grösse und Anordnung, die dann allerdings verschieden von der beim lamellösen Knochen bekannten ausfällt. Lamellöser und fasriger Knochen gehen aber dabei so unmerklich und unmittelbar in emander über, dass man durchaus nicht sagen kann, das eine sei ächter Knochen und das andere nicht. Ihre Grundsubstanzen stehen in demselben Verhältnisse zu einander, wie etwa das Bindegewebe einer Sehne zum Bindegewebe einer fibrösen Membran. Auch der Gement der Zähne bietet für diesen Gang des Verknöcherungspro- cesses die trefflichsten Beispiele. Am meisten für meine Anschauungen sprechen die Vorgänge, welche man bei der periostalen Ossifikation!) beobachtet. Hier kommt es zurBildung von eontinuirlichen Osteoblastenlagern, grade wie vorhin dargestellt, aber der Uebergang eines Theiles der Zellen m ächte Knochensubstanz ist meist nicht so rasch abgemacht. Es tritt 1) Ueber das periostale Knochenwachsthum vergl. besonders die treff- liche Auseinandersetzung Virchow’s in seinem Archiv 1847 u. 1853. Ueber den Össifikationsprocess. 371 vielfach eine Zwischenstufe deutlich fasrigen Gewebes auf, das nicht gut von ächtem Bindegewebe zu unterscheiden ist, welches dann ver- knöchert und einen Theil der Osteoblasten als sternförmige Knochen- körper einschliesst. Die Periostlage, welche sich in unmittelbarer Nähe der Knochensubstanz befindet, ist ein weiches Gewebe, das aus einem Reticulum feiner Fasern besteht, in deren Maschenräumen rundlich-sternförmige Zeilen eingeschlossen sind. Auch Buchholz, Virehow’s Archiv 26. Bd., p. 78, fasst mit Recht die im Periost liegenden Elemente als Zellen, und nicht als freieKerne (Ollier) auf. Von einer weichen Zellenlage beim Perichondrium, in der die Verknöcherung zuerst auftrete, und die in ein embryonales Binde- sewebe übergehe, spricht auch H. Müller, ]. e. Ztschrift. f. wissensch. Zoologie. p. 194. Man hat aber auch in dieser Schicht dem anato- mischen Bau nach wiederum zwei Lagen zu sondern, indem der innerste, zunächst dem Knochen gelegene Theil sich durch einige Besonderheiten auszeichnet. Die vorhin erwähnten Zellen nämlich fangen hier an sich zu vergrössern und zu vermehren ; dadurch werden grössere Maschenräume geschaffen und die Faserzüge auseinander- gedrängt; letztere sieht man als compacte Bündel mit ihrem dickern Ende unmittelbar ohne irgend eine Grenze in die nächsten Knochen- balken übergehen, mit dem dünner werdenden peripherischen sich allmählich auffasern und im das feinere oben erwähnte Reticulum sich auflösen. Ich verweise hier auf Fig. V. Taf. XXI. Bei aufmerk- samer Untersuchung gewahrt man, dass die neugebildeten Östeoblasten es sind, auf deren Rechnung das Wachsthum und das Stärkerwerden der Faserzüge beruht. Ein Theil derselben wandelt sich nämlich, gerade so, wie es früher Schwann!), neuerdings Max Schultze und Beale?) angegeben haben, in bindegewebige Intercellularsubstanz um, und erzeugt dadurch die Verdickung der Bündel. Eim anderer Theil bleibt ganz unverändert, oder nur theilweise durch Umwand- lung in leimgebende Substanz verändert, als Bindegewebskörperchen in den Maschenräumen zurück, und sobald die Grundsubstanz ver- kalkt ist, haben wir wahren Knochen mit eingeschlossenen Knochen- körperchen. Man kann hier oft sehr gut den directen Uebergang von Zellprotoplasma in fasrige Intercellularsubstanz, die später verknöchert, beobachten; man sieht kleine fasrige Bündel, die noch ganz die Form 1) Mikroskopische Unters. Berlin 1839. 2) 1. ce. 372 Waldeyer, einer grossen Spindelzelle haben, und an denen sogar in der Mitte noch rudimentäre Kerne zu erkennen sind. Namentlich sind stark ausge- pinselte Präparate besonders zu empfehlen. Grade durch den lang- samern Vorgang, der beim Periost stattfindet, wird das früher ge- sagte um so leichter ‚ersichtlich. _ Bei der Periostverknöcherung schreitet nun bekanntlich die Ossifikation der periostalen Gewebs- balken so vor, dass die stärkeren arkadenförmig einander gleichsam entgegenwachsen. Dadurch werden rundliche Räume umschlossen, in deren Centrum gewöhnlich Blutgefässe liegen. : Von diesen Räumen aus geht nun die Verknöcherung in der geschilderten Weise weiter; an den Wandungen derselben lagern sich Osteoblasten ab, und die Verkalkung rückt central vor, so dass schliesslich nur ein Lumen übrig bleibt, welches dem Durchmesser des eingeschlossenen Gefäs- ‘ses adäquat ist; so entstehen die Havers’schen Kanäle. Auch später noch, wenn bereits der Knochen fertig: ist, sind die Wände der in ihm enthaltenen Räume, namentlich der (sekundären, durch Resorption bereits ausgebildeten Knochens entstandenen) Markräume und der grössern Havers’schen Kanäle mit einer Zellenschicht be- kleidet, die den Osteoblasten entspricht, wie ja auch fortwährend Dentinzellen die Innenwand der Zahnpulpahöhle bekleiden. Nicht selten kommt es vor, dass bei der. Ossifikation mehrere Osteoblasten gruppenweise von Knochensubstanz eingeschlossen wer- den, und als weiches Gewebe im ihrer ursprünglichen Form erhaiten bleiben. Solche Osteoblastennester im Knochen entsprechen dann ganz und gar der bekannten Interglobularsubstanz im Dentin der Zähne. Sind die Zellen herausgefallen, so hat man leere Interglobularräume im Knochen wie im Zahn. An demjenigen Knochengewebe, bei welchem eine Umbildung der verkalkenden Grund- substanz zu grössern Balken fibrillären Gewebes dem Verkalkungs- process längere Zeit vorhergeht, lassen sich auch im fertigen Kno- chen die strangartig nach allen Richtungen einander durchkreuzen- den Züge verfolgen. Kreisförmige, querdurchschnittene Bündel dicht nebeneinander gestellt, lassen oft die Grundsubstanz der Knochen in einer eigenthümlichen Mosaik erscheinen, als wenn sie-aus nebenein- ander gelegenen Kugeln mit dreieckigen sphärisch begrenzten Lücken bestände Gegenbaur erwähnt diese Erscheinung, s.1. c. p. 353— 354; indessen hat erst Lieberkühn (Reicherts und Dubois Rkeymonds Archiv 1864 p. 610 u. 611) die richtige Deutung ge- geben. Vielfach kann man die in den Knochenbalken sichtbaren Ueber den Ossifikationsprocess. 373 Züge auch noch über die Knochengrenze hinaus direct in ein Binde- gewebsbündel des Periosts verfolgen, das sind dann die bekannten Sharpey’schen Fasern. R. Maier, Virchow’s Archiv, Bd. 26 p. 358, hat diese Fasern als elastische Fasern des Periosts ange- sprochen. : Ich kann dieser Angabe nicht durchweg beipflichten. Der grösste Theil der Sharpey’schen Fasern ist Bindegewebe in dem von mir ausgesprochenen Sinne. Dieselben können früher oder später ebenfalls verknöchern. ‘Ich stimme hierin H. Müller, (Würzburger naturwissenschaftl. Zeitschr. 1563 p. 31) bei. Was nun die Entstehung der Knochenlamellen betrifft, so liegt es wohl am nächsten, jede Lamelle als die Summe von Intercellular- substanz anzusehen, welche von einer Osteoblastenschicht geliefert wurde. Allerdings bleibt dabei noch immer unerklärt, wie es komme, dass man diese Lamellen als gesonderte Dinge wirklich sieht, da die Osteoblasten untereinander mehr oder weniger durch Ausläufer verbunden sind. Meine Untersuchungen an knorplig vorgebildeten und nicht knorplig präformirten Knochen, so wie die der periostalen Ossifikation, haben übereinstimmend ergeben, dass wir im ächten Knochen eine Form von Bindegewebe vor uns haben, welches Kalksalze aufgenom- men hat, und persistirende zellige Elemente enthält. Die Genese der Knochensubstanz unterscheidet sich in Nichts Wesentlichem von der anderer bindegewebiger (Gebilde, wenn wir dievonMax Schultze vor Kurzem wieder adoptirte Ansicht, und wohl mit Recht, als die einzig zulässige annehmen. Nach Feststellung dieser genetischen Verhältnisse können wir erst das Knochengewebe in die ihm zukom- mende Stelle innerhalb der grossen Bindesubstanzgruppe einreihen. Fragen wir also schliesslich, wie .die Grundsubstanz der Knochen auf- zufassen sei, und zu welcher Art der Bindesubstanzen sie gehöre. Selbstverständlich beziehe ich die Antwort nur auf den Kreis der knöchernen Gebilde, welchen ich untersucht habe, obgleich man wohl glauben dürfte, dass principielle Abweichungen nicht vorkommen. Virchow!) hat unbestritten Recht, wenn er sagt, die Grund- substanz des ächten Knochengewebes ist eine besondere, weder knor- plige noch bindegewebige, sondern eigenthümliche: osteogene Substanz (H. Müller), osteoide S. (Virchow). Die Unter- 1) Archiv für pathol. Anatomie Bd. I. 1847 p. 135; ibid. Bd.V p. 139. — Würzburger Verhandlungen 1851 Bd. II p. 158. M. Schultze, Archiv f. mikrosk. Anatomie. I. Bd. 25 374 Waldeyer, suchung rachitischer Knochen’ lehrt dieses ebenso 'evident wie die Erfahrungen an entkalkten Knochen. Man wird deren Grundsub- stanz weder mit Knorpel noch mit Bindegewebe vollkommen iden- tificiren können ; es sind Unterschiede da. Die osteoide Substanz ist derber, fester, von mehr homogenem Aussehen als ächtes Binde- gewebe ; sie zerfällt nur in kurze Fasersplitter und ist nicht chon- drinhaltig. Aber das müssen wir festhalten, dass die Grenze gegen das Bindegewebe hin am wenigsten scharf zu ziehen ist, und dass, wie wir von den Schädeldeckknochen und manchen periostalen Bil- dungen constatiren konnten, auch unbestrittenes Bindegewebe ohne weiteres die Grundlage ächten Knochengewebes werden kann, wäh- rend man das vom Knorpel wohl nicht behaupten darf. Die am meisten characteristische Form des Knochengewebes, die lamellöse, hat wohl immer osteoide Substanz zur Grundlage; aber es gehen, wie wir vorhin sahen, lamellöser und mehr fasrig texturirter Kno- chen ohne alle Grenze in einander über. Wir reihen daher am 'be- sten die organische Grundlage des Knochengewebes unmittelbar dem eigentlich sogenannten Bindegewebe an, zumal nach der vorstehen- den Darlegung ausser der chemischen Constitution auch der Modus der Entwicklung durchweg übereinstimmt. R Breslau, 20. October 1865. Erklärung der Figuren. Fig. I. Ringförmiger Knochenbalken aus einem feinen Schnitt durch, den Unterkiefer eines Schafsfoetus. Osteoblasten in situ. Vergr. 300, a. Össifieirendes Gewebe des Unterkiefers (junges Markgewebe). b. b. b. Osteoblasten. c. Stelle, wo die Osteoblasten, gehäuft und spindelförmig erschei- nend, die Verbindungsbrücke zwischen zwei Knochenbalken- enden bilden. Fig. U. Schnitt durch den Verknöcherungsrand der obern Epiphyse der Tibia. Foetus humanus. Vergr. 300. a. Zone der Vermehrung der Knorpelzellen. b. Zweite Zone, in welcher die Zellen grösser erscheinen, sich mit einer grössern Masse Intercellularsubstanz umgeben, und mit Zügen einer anders lichtbrechenden Substanz umsäumt Ueber den Ossifikationsprocess. 375 werden. Zwischen einer grössern Anzahl von Zellen treten stärkere, längsziehende Balken jener Substanz auf, welche weiter unten bei d (Zone der primären Markräume) die Schei- dewände der Markräume bildet. c. Stelle der beginnenden Knorpeleinschmelzung. Dicht gelagerte erste Osteoblasten, körniger Detritus. d. Zone der primären Markräume. e. e. Junges Markgewebe im Centrum der primären Markriume. f. f£ Osteoblasten, durch Ausläufer hie und da mit den Zellen des Markgewebes verbunden, | ig. III. Stück eines primären Markraums aus Fig. II, stärker vergrössert. a. Knorpelbalkenzug. b. b. Osteoblasten, welche mit ihren peripherischen Schichten in eine eigenthümliche Substanz ce. c., die erste Anlage der Grund- substanz, übergehen. g- IV. Zwei Knochenbalken im Begriff mit einander zu verwachsen. Ra- dius eines menschlichen Embryo. Vergr. 450. Bei a. a. a. sieht man das Protoplasma der Osteoblasten in die Grundsubstanz der Knochenbalken übergehen. . V. Stück von einem feinen Querschnitt der Tibiadiaphyse. Foetus hu- manus. Vergr. 300. Periost-Verknöcherung. A. A. Fertige Knochensubstanz. B.ı Haversischer Raum, der von 2 einander entgegen wachsenden Knochenbalken umschlossen wird. a. a. Osteoblasten. b. b. Spindelförmige Osteoblasten, von welchen die peripheren Schichten schon in ossifieirendes Gewebe umgewandelt sind. e. ec. Reticulum der periostalen Bindegewebszüge in unmittel- barer Verbindung mit den Knochenbalken (ausgepinselt). d. Blutgefäss. Die Bewegung der Diatomeen. Von Max Schultze. Hierzu Taf. XXIII. Die Ursache der gleitenden oder kriechenden Bewegungen, welche die zahlreichen Arten der schifichenförmigen Diatomeen, welche süsses wie salziges Wasser bevölkern, im Leben darbieten, ist bekanntlich noch gänzlich in Dunkel gehüllt. Wie viele Beob- achter dieser zu den Lieblingen der Mikroskopiker gehörenden Or- ganismen werden, wenn sie das schnelle Vor- und Rückwärtskrie- chen, das plötzliche Anhalten und das wie zögernde Wiederbeginnen der bewegung, den öfteren Wechsel in der Lage von der breiten auf die schmale Seite, das Aufrichten auf eine Spitze und die auf dieser ausgeführten drehenden Bewegungen aufmerksam ver- folgten, mit der festen Ueberzeugung das Mikroskop verlassen ha- ben, hier müsse irgend en äusseres Bewegungsorgan vor- handen sein.” Bekanntlich sind alle Versuche ein solches aufzufinden vollständig gescheitert. Man hat um so imtensiver nach der Ursache der Bewegung geforscht, als Ehrenberg schon gleich bei Gelegen- heit seiner ersten ausführlichen Publikationen über die von ihm den Infusionsthierchen zugerechneten Diatomeen die Anwesenheit einer schneckenfussartigen Sohle zum Kriechen beschrieb '): »Als Bewe- gungsorgan ist von mir bei Navicula fulva ein ungetheilter fleischi- ger, aus der mittleren Oeffnung sich weit verbreitender aber eng an der Schale anliegender sohlenartiger Fuss beobachtet worden, der 1) Die Infusionsthierchen als vollkommene Organismen. 1838 p. 175. Die Bewegung der Diatomeen. 877 einem Schneckenfusse der Baum- oder Wegschnecke gleicht.« So viele und geschiekte Mikroskopiker aber auch ihre mit den besten Limsensystemen bewaffneten Augen anstrengten, keiner vermochte die Anwesenheit dieser Sohle zu bestätigen. Nicht besser erging es Ehrenberg mit seiner Entdeckung haarförmiger beweglicher Fä- den bei emer grossen Diatomee der Nordsee, Navicula Gemma'), von welcher er sagt: »Anstatt einer schneckenfussartigen sich aus- breitenden Sohle fanden sich hier, da wo die Rippen der Schaale sich an den rippenlosen Seitentheil ‚des Panzers anlegen, lange feine Fäden 'hervorstehend , welche das Thier willkührlich langsam verkürzte und verlängerte, auch ganz einzog.« Zwar ist die Navicula Gemma von Cuxhaven, soviel ich weiss, von Niemand wieder beobachtet worden. Ich hatte mir deren Auf- suchung zu besonderer Aufgabe gemacht, als ich im März 1852 mich einige Tage in Cuxhaven aufhielt, und gelangte auch in den Besitz einer nach Schalenbildung und Organisation offenbar sehr verwand- ten Art”), welche sich nur durch die abweichende Lagerung der beiden grossen Fetttropfen characteristisch von Navicula Gemma un- terschied. Die Exemplare, welche ich sammelte, krochen sehr mun- ter umher, doch war jede Bemühung, wie ich am angeführten Orte berichtet habe, vergeblich, die haarförmigen Füsschen oder andere bewegungsorgane zu entdecken. Zu einem gleichen Resultate ge- langte Focke?) durch seine Beobachtungen an der grossen der Navicula »Gemma in vielen Stücken verwandten Surirella bi- frons und splendida des süssen Wassers, bei welcher nach ihrer Schalenbildung das Hervorstrecken einzelner Pseudopodien wahr- scheinlich genannt: werden könnte. Ich habe kürzlich die eben ge- nannten: wundervollen Diatomeenarten auch bei Bonn aufgefunden und mit den stärksten Objectiven während des Kriechens beobachtet; jedoch ohne die gesuchten Füsschen zu finden. Feine, starre, bor- stenartige Anhängsel von verschiedener Länge findet man allerdings oft an lebenden Diatomeen, dieselben sind aber vollkommen bewe- gungslos und können wohl nur als parasitische Bildungen angese- hen’ werden ?). 1) Abhandlungen der Akademie der Wiss. zu Berlin 1839 p. 102. 2) Zeitschrift für wissenschaftl. Zoologie 1852 Heft 2 pag. 195. 3) Physiologische Studien 2. Heft ‚1854 pag. 31. 4) Vergl. auch Pritehard a history of Infusoria 4. ed. 1851 p. 51, 378 Max Schultze, Hatte Ehrenbereg, welcher für die thierische Natur der Dia- tomeen eintrat‘ und eine ziemlich complieirte Organisation mit Ma- senblasen und Geschlechtsdrüsen an diesen Organismen annahm, schon aus diesem Grunde ein unbestreitbares Recht äussere Bewe- sungsorgane vorauszusetzen, so konnte dieses Recht zweifelhaft wer- den, nachdem sich immer entschiedener herausgestellt hatte, dass (die Diatomeen nicht mehr und nicht weniger innere Organe besitzen, als zum Begriff einer Zelle gehören. Mit der Erkenntniss der Natur der Diatomeen als einzelliger Organismen verminderte sich die Zahl derjenigen Naturforscher, welche dieselben (dem 'Thierreiche einzuverleiben Lust hatten, immer mehr, und bei der Unmöglichkeit, äussere Bewegungsorgane an ‘denselben wahrzunehmen, ‘kam man auf den offenbar zeitgemässen Gedanken ihre Bewegungen als ein- faches Resultat einer Art von Stoffwechsel aufzufassen. Naegeli formulirte diese Ansicht zuerst genauer, indem er sich in - seinen berühmten Untersuchungen über einzellige Algen!) dahin ausspraeh: »Eine dritte Art der eigenthümlichen Bewegung ist das langsame Vor- und Zurückgehen, welches an mehreren Diatomaceen und Des- midiaceen (Glosterium) beobachtet wird. Die Zellen besitzen keine Bewegungsorgane. Da sie aber in Folge ihres Ernährungsprocesses flüssige Stoffe aufnehmen und ausscheiden, so muss die Zelle im Be- wegung gerathen, wenn die Anziehung und die Ausstossung der Flüs- sigkeiten ungleich auf die Partieen der Oberfläche vertheilt' und:so lebhaft ist, dass der Widerstand des Wassers überwunden wird. Man findet daher die Bewegung vorzüglich bei solchen Zellen,’ welche wegen ihrer spindelförmigen Gestalt leicht das Wasser durchschnei- den ; auch bewegen sich diese Zellen nicht anders als in der Rich- tung ihres langen Durchmessers. Wenn die eine Hälfte einer spin- delförmigen oder ellipsoidischen Zelle vorzüglich oder ausschliesslich Wasser aufnimmt, die andere Hälfte dagegen abgibt, so bewegt sich die Zelle nach der Seite hin, wo die Aufnahme statt hat. ' Da’ aber an diesen Zellen beide Zellenhälften in physiologischer und morpho- logischer Beziehung vollkommen gleich sind, so ist es bald die eine bald die andere, welche aufnimmt oder abgibt, und: somit bewegt sich auch die Zelle bald nach “der einen bald nach der entgegenge- wo sich eine sehr gründliche Zusammenstellung aller über die Bewegung der Diatomeen bisher aufgestellter Ansichten findet. 1) Gattungen einzelliger Algen. Zürich 1849 p. 20. Die Bewegung der Diatomeen. 379 setzten Richtung hin.«e In Naegeli’s weiteren Mittheilungen treten die Diatomeen ganz zurück. Eine genauere Analyse der mannig- fachen Bewegungen derselben würde. ihn unzweifelhaft auf einige Schwieriekeiten in der Durchführung seines Erklärungsversuches auf- merksam gemacht haben. Doch dem sei wie ihm wolle, die Theorie fand Beifall, und zu ihrer Verbreitung trug nicht wenig die rück- haltlose Zustimmung bei, mit welcher sich C. Th. von Siebold derselben anschloss '), welcher auch die Stellen am Kieselpanzer ge- nauer bezeichnete, wo diese Wechselwirkung und das Aus- und .Ein- strömen stattfinde. Es sind dies Längslinien, welche nach v. Siebold zu vier über die Flächen der Navicula verlaufen. »Diese Linien, welche man lange kennt aber bis jetzt wenig beachtet zu haben scheint, rühren von einer Nath, Spalte oder vielmehr Lücke her, an der keine Kieselmasse abgeschieden ist, so dass an diesen Stellen die den Kieselpanzer auskleidende zarte Primordialhaut mit der Aussenwelt in eine sehr nahe Wechselwirkung treten kann. Ich schliessse dies aus dem Umstande, dass gerade an diesen vier Näthen oder Spalten das Wasser, welches die Navicularien äusserlich um- gibt, in Strömung versetzt wird. Man kann sich sehr leicht von der Anwesenheit dieser Strömung überzeugen, wenn man das Wasser, in welchem sich frische Navieularien befinden, durch feine feste Kör- perchen trübt. Am besten eigenen sich hierzu Indigopartikelchen. Hat sich das durch Indigo gefärbte Wasser auf dem Objectelase be- ruhigt, so wird man durch das Mikroskop bald gewahr werden, dass diejenigen Indigopartikelchen, welche mit lebenden Navicularien in Berührung kommen, in eine schwankende Bewegung versetzt wer- den, nachdem sie sich vorher ganz ruhig verhalten hatten. Man wird sich ausserdem überzeugen, dass nur derjenige Indigo in Be- wegung geräth, der mit jenen vier vorhin erwähnten Näthen des Kieselpanzers in Berührung gekommen ist, während die an anderen Stellen dieser Hülle anhängenden Indigotheile ganz unbeweglich bleiben. Ausser der schwankenden Bewegung nimmt man noch eine andere höchst auffallende Bewegung an jenen Indigostückchen wahr. Sie werden nämlich, nachdem sie mit jenen Näthen der Kieselpanzer in Berührung gekommen, an denselben ziemlich schnell auf- und niedergeschoben. Niemals bemerkt man, dass die von den Endwül- sten gegen ‚die beiden Mittelwülste geschobenen Indigomassen über 1) Zeitschrift für wiss. Zoologie Bd. I, 1849, p. 282. 380 Max Schultze, diese hinübergleiten, immer findet an den Mittelwülsten ‚ein Ruhe- punkt statt, von welchem aus die Indigomassen. in umgekehrter Rich- tung wieder gegen die Endwülste zurückgeschoben werden.‘ ‚Es ist dies ein Beweis, dass die linienförmigen Näthe, wie. man auch mit Augen sehen kann, sich nicht über die Mittelwülste des ;Kieselpan- zers hinwegerstrecken. Die Strömung ist an diesen Stellen mitunter so stark, dass dadurch unverhältnissmässig grosse Körper, welche mit denselben in Berührung kommen, in Bewegung gesetzt werden.« Ich komme unten auf diese Bewegung der dem Wasser beige- mischten Farbstoffmoleküle, welche v. Siebold beschreibt, zurück. Dieselbe enthält in der That den Schlüssel zur Erklärung der. Be- wegung. der Diatomeen, wenn auch in einer, etwas anderen Weise als Naegeli und v. Siebold vermutheten. Hier will ich: nur, ‚noch erwähnen, dass. von ausgezeichneten Kennern der Diatomeen | sich auch Rabenhorst'!) und Smith?) für die Naegeli’sche, Hypo- these aussprachen , während Focke?) und Pritchard). die Hofinung nicht aufgeben, dass noch einmal besondere Bewegungs- organe an den Diatomeen werden ‚entdeckt werden. |, Uebrigens ist auch kürzlich noch ein englischer Forscher mit der Versicherung, Gilien an Diatomeen als Bewegungsorgane gesehen zu haben, her- vorgetreten. J. Aaok bildet in dem Journal of mieroscopical seience 1555 vol. IIL p. 235, Diatomeen (die Art ist nicht angegeben und auch nicht ‚zu ae mit Cilien an. den Enden. und, einzelnen Stellen der Mitte ab, hat aber keinen Beifall in. England gefunden, Er ist offenbar durch seine Beleuchtungsmethode getäuscht worden, worauf auch schon Wenham (ebend. 1856 vol. IV p. 158) aufinerk- sam macht, welcher die Bewegung der Diatomeen. genau ‚verfolgte und an fremden Körperchen. des umgebenden Wassers dieselben jauf- und abgleitenden Bewegungen beobachtete, wie ‚sie v. Sieb old .zu- erst ‚an Farbstoffkörnchen beschrieb. Als. Ursache, derselben will Wenham undulirende Bewegungen einer, äusseren Membran wahrgenommen haben (l.. €. p..160). Meine Untersuchungen über die en des Protoplasma im Innern von Zellen, über welche ich an verschiedenen Orten be- 1) Die Süsswasser-Diatomeen. Leipzig 1853 p. 4. 2) A synopsis of the British Diatomaceae vol. I 1853 p. XXIH. Blue. 4) A history of Infusoria 4. edit. 1861.p. 52. Die Bewegung der Diatomeen. 381 richtet habe, sind zum Theil von Beobachtungen grösserer Diato- meen ausgegangen '). Aber die Arten, bei denen ich die bei ihnen bis dahin unbekannte Körnchenströmung beschrieb, Rhizosolenia, Goscinodiscus und Denticella, welche ich im Meere bei Hel- soland mit dem feinen Netze fischte, zeigen keine deutlichen Orts- bewegungen. So nahe es ofienbar liegen musste, nach der Wahrneh- mung, der namentlich bei Rhizosolenia sehr lebhaften inneren Proto- plasmabewegungen die Frage nach dem Grunde der Ortsbewegun- gen der Diatomeen überhaupt wieder aufzunehmen, so konnten die angegebenen Gattungen keine Brücke zur Lösung der angeführten Frage bieten. Ich habe es seither nicht unterlassen grössere Arten der kriechenden Diatomeen wiederholt unter starken Vergrösserun- gen zu mustern. Immer drängte sich mir der Gedanke von Neuem auf, ‚dass aus dem Kieselpanzer hervortretende Theile des inneren Protoplasma die Ursache der Bewegung abgeben, und dass man mit der grösseren Leistungsfähigkeit unserer Objeetive und bei der nö- thigen Ausdauer diese äusseren Protoplasmamassen werde zur An- schauung bringen können. Es ist mir jetzt endlich gelungen einige entscheidende Beobachtungen in dieser Richtung zu machen, welche meine ‚Vermutlung vollkommen bestätigen und die Bewegung der Diatomeen zu erklären im Stande sind. Unter den schiffchenförmigen kriechenden Diatomeen sind durch ihre (arösse fast vor allen anderen ausgezeichnet die beiden Pleuro- sigma-Arten angulatum und baltiecum, von welchen die erstere trocken oder in Balsam präparirt als Probeobjeet allgemein bekannt ist. Beide leben im Meerwasser und boten sich mir in zahlreichen, lebhaft kriechenden Exemplaren in Ostende zur Untersuchung dar. Man findet sie dort in den an niederen thierischen und pflanzlichen Organismen reichen ‚sogenannten Austernparks, in denen sie u. A. die bei sonnigem Wetter auf der Oberfläche des Wassers schwimmen- den Oseillarienklumpen bewohnen. Die schnellen Bewegungen, welche sie wie alle Navicularien des Meerwassers ‚ausführen und welche kaum von denen des süssen Wassers ‚erreicht werden, verbunden mit ihrer ansehnlichen Grösse veranlassten mich zunächst wieder nach äusseren Bewegungsorganen 1) Innere Bewegungserscheinungen bei Diatomeen der Nordsee aus den Gattungen Coscinodiceus, Denticella, Rhizosolenia. Müller’s Archiv ete. 1858 p. 330 Taf. XI. 382 Max Schultze, zu suchen. Die Mühe war aber, trotzdem ich mich ausgezeichneter Linsensysteme bediente, auf direetem Wege eine vergebliche. Zum Studium der inneren Organisation, zu dem ich mich sodann .wandte, ist Pleurosigma angulatum ungleich geeigneter als das grössere balticum. Denn bei diesem hindert die scharf markirte Streifung der Oberfläche, welche schon bei schwachen Vergrösserungen erkennbar ist, den Einblick in das Innere, während die bekannten Reliefverhältnisse bei jener Art an lebenden, also in Wasser befind- lichen Exemplaren nur so schwach hervortreten, dass der Kieselpanzer als ganz durchsichtig bezeichnet werden kann. Mir ist nicht bekannt, dass eine nach dem Leben gefertigte Abbildung von Pleurosigma angulatum existire, und glaube ich den Lesern des Archivs daher einen Greefallen zu erweisen, wenn ich von diesem in seiner Kiesel- hülle jedem Mikroskopiker bekannten Organismus einige Zeichnungen wiedergebe. Kriechende Exemplare kehren dem Beobachter fast immer ihre breite Seite zu, wie sie in Fig. 1 und 2 abgebildet sind, über deren Mitte ein Längsstreif verläuft, die Raphe mit der spindel- förmigen Anschwellung in der Mitte, dem Nabel. Die gelbe Farbe, welche das Körperchen mehr oder weniger vollständig erfüllt, ist an zwei Längsbinden geknüpft, welche die eine rechts die andere links in dem breiteren Theile der Schale in ziemlich complieirten Windun- sen auf- und absteigen. Die Breite dieser Farbstoffbänder ist Varia- tionen unterworfen, so dass dadurch bedeutende Unterschiede in der Vertheilung des Farbstoffs bei verschiedenen Individuen entstehen. Nur bei schmalen Bändern ist es möglich die Windungen derselben senau zu verfolgen, wie in dem in Fig. 1 abgebildeten sehr hell ge- färbten Exemplare, welches zu der Täuschung Veranlassung geben könnte, als seien 4 getrennte Farbstoffbänder vorhanden. Bei auf- merksamer Betrachtung bemerkt man die versteckter gelegenen Ver- bindungen, welche auf jeder Seite zwischen der oberen und unteren gelben Schlinge bestehen. Eine solche Anordnung "des Farbstoffes wie die gezeichnete ist mir wiederholt vorgekommen), obgleich sie nicht die. gewöhnliche ist, die mehr in Fig. 2 sich wiedergegeben findet, dadurch ausgezeichnet, dass die Farbstoffbänder dicker gewor- den sind und in ihren Windungen ‘nicht mehr so deutlich übersehen werden können. Viele Exemplare sind scheinbar so gleichmässig gelb gefärbt, dass eine längere Beschäftigung mit dem Objecte dazu gehört die ungefärbten Stellen herauszufinden. Als solche markiren sich immer die der Raphe entsprechenden Theile‘ des Innern, Die Bewegung der Diatomeen. 383 indem bei lebenden Exemplaren nie ein Hinübergreifen des Farbstoffes aus der einen Hälfte in die andere dicht unter der Raphe statthat. So sind die gelben Bänder der Fig. 4 nicht mehr in der natürlichen Lage. Die Zeichnung ist nach einem mehrere Tage in Ueberosmium- säure aufbewahrten Exemplare gefertigt, nach welcher Procedur die innern Theile zwar vollständig erhalten, die Bänder aber aufge- wickelt sind. Nächst der gelben Farbe fällt an den lebenden Pleurosigmen zunächst in die Augen eine stets in gleicher Weise sich wiederholende Anordnung von stark lichtbreehenden Velkugeln. Den schnabel- förmigen Enden des Panzers näher als der Mitte liegen constant unter der Raphe je zwei Fetttropfen von 'ansehnlicher Grösse. Man erkennt sofort, dass die beiden Oelkugelm bei der in Fig. 1 und 2 abgebildeten Lage der Diatomee sich in verschiedenen Ebenen be- finden, so dass oft eine die andere mehr oder weniger vollständig deckt. Es ist nothwendig die Diatomee auch von der schmalen Seite zu sehen, um die'wahre Lagerung dieser Gebilde zu entdecken.‘ Wie Fig. 3 zeigt befinden sich dieselben in ziemlich weiter Entfernung von einander, nämlich der oberen und unteren Raphe anliegend, die beider seitlichen Lagerung nach rechts und links gerückt sind. Beim Absterben. der Diatomeen in Wasser verändert sich die Lage der- selben gewöhnlich sehr bald nach dem Tode), in der Osmiumsäure ist Alles unverändert 'erhalten. Dass die in Rede stehenden Gebilde Veltropfen sind, wird abgesehen von ihrer Lichtbrechung durch ihre in. der genannten Säure schnell eintretende intensiv 'blauschwarze Färbung erwiesen?). Die Mitte des inneren Raumes der Diatomee nimmt eine An- häufung farbloser fenkörniger Masse ein, deren Umgrenzung bei ge- wöhnlicher Lage des Körpers, wie im Fig. 1 und 2, nicht so scharf markirt erscheint, wie bei einer Axendrehung desselben um 90° (Fig. 3.) In dieser letztbezeichneten Lage tritt die Form dieser Masse bei emer 1) So lässt sich aus der unregelmässigen Lagerung der grösseren Fett- tropfen, wie sie diein dem Micrographie Dietionary von GriffithundHenfrey Taf. 2, Fig.35 abgebildete Pleurosigma (Gyrosigma) angulatum' zeigt, schlies- sen, dass das bezügliche Exemplar, trotzdem der Zellenkevn und (die ihn um- gebende Protoplasmaschicht noch deutlich ‚zu sehen war, doch nicht mehr lebte. 2) Vergl. die Bemerkungen über die Wirkung der. Ueberosmiumsäure auf Fette, p. 301 dieses Archivs. 384 Max Schultze, Einstellung auf «den Mittelpunkt derselben, welcher zugleich der Mittelpunkt der Diatomee ist, dem Beobachter wie ein Viereck ent- gegen, dessen rechte und linke Seite durch die Grenzlinien des Kie- selpanzers gebildet sind, dessen obere und untere eine Concavität: den schnabeltörmigen Enden zukehren. Es ist eine unregelmässig kug- lige Anhäufung, aus welcher sich zwei einander gegenüberstehende Leisten entwickeln, die genau der oberen und unteren Raphe, in Fig. 3 also dem rechten und linken Rande der Schale anliegen. Dieselbe birgt in sich einen kugligen Kern, weicher genau das Centrum der Diatomee emnimmt, aber im Leben nicht sehr deutlich begrenzt hervortritt. Nach Behandlung mit verdünnten Säuren sieht man ihn besser. Kern und feinkörnige Umgebung verhalten sich wie die von mir früher bei anderen Diatomeen beschriebenen als Zellenkern und Protoplasma gedeuteten Gebilde; es kann nach Anordnung und chemischer Beschaffenheit und nach der ganzen Organisation der Dia- tomee kein Zweifel obwalten, dass diese Bedeutung den genannten Ge- bilden auch hier zukommt. Das Protoplasma enthält ausser den schwach lichtbrechenden unmessbar feinen Körnchen bei verschiedenen Individuen eine verschieden grosse Zahl von kleinen Fetttröpfchen, die sich durch ihren Glanz und die in Ueberosmiumsäure schnell eintretende schwarze Färbung auszeichnen (vergl. Fig. 4). Die Be- erenzung des Protoplasma nach aussen hin erscheint, wie angeführt, in der Profilansicht, Fig. 3, ziemlich scharf, minder deutlich in der Flächenansicht. Jedenfalls setzt sich, wie Fig. 3 zeigt, längs der beiden Raphe das Protoplasma eine gewisse Strecke nach dem Ende der Schale zu fort, wie weit ist schwer zu bestimmen, weil die Körn- chen des Protoplasma ausserordentlich fein sind, und die verhältniss- mässig starke Lichtbrechung des Kieselpanzers und die theilweise Erfüllung desselben mit gelbem Farbstoff die Beobachtung in der Lage wie Fig. 3 erschweren. Es scheint, dass die Körnchen ‚nach kurzer Strecke, wie die Zeichnung, in der die farbigen ‚Bänder: weg- gelassen sind, angiebt, ganz schwinden. Die Flächenansicht hat mir auch keine sicheren Beweise für eine weitere Ausdehnung des Proto- plasma längs der Raphe gegeben. Dagegen tritt in den schnabel- förmigen Enden der Diatomee wieder körniges Protoplasma auf. Dasselbe liegt hier, wie Fig. 1 und 2 zeigen, ebenfalls in ganz dünner Lage längs der Raphe, und bildet schliesslich am äusser- sten Ende des Schnabels eine in Fig. 3 im. Profil sichtbare Anhäu- fung. Hier beobachtete ich mittelst der. stärksten Vergrösserungen Die Bewegung der Diatomeen. 385 eine zitternde Bewegung und ein Fortrücken der Körnchen längs der Raphe, wie es bei Ülosterien bekannt ist. Doch konnte ich die gleitenden Körnchen bei Flächenansichten, die sich zu diesen Beobachtungen am besten eignen, auch viel häufiger sich dem Beob- achter darbieten als die Profillagen, gegen die Mitte zu nicht über die grossen Oeltropfen hinaus verfolgen. Diese selbst ändern ihre Lage nicht. Ob ausser diesen Abzweigungen des den Kern umhüllenden Protoplasma noch andere, den inneren Raum der Zelle durchsetzende Protoplasmafäden vorkommen, habe ich mit Sicherheit nicht entscheiden können. Bei der sehr geringen Grösse der Körnchen und der Erfüllung eines ansehnlichen Theiles des Intracellularraumes mit gelbem Farb- stoff ist die Beobachtung in hohem Grade erschwert. Jedenfalls ist die Diatomee, welche ich früher bei Helgoland mit dem feinen Netze fischte und für Pleurosigma angulatum hielt‘), an der ich nach der Aufbewahrung in liquor eonservativus Netze von Protoplasmafäden im Innern zu erkennen glaubte, viel ärmer an Farbstoff und eine andere kleinere Art, wie ich jetzt sehe. Pleurosigma angulatum kriecht, wie alle mit einer ähnlichen Raphe versehene Diatomeen, stets auf dieser Nath. Hat man ein Deckgläschen auf das Präparat gelegt, so kommt es vor, dass ein einzelnes Exemplar an der Unterseite des Deckgläschens_ festhaf- tend hier seine kriechenden Bewegungen ausführt, während dies ge- wöhnlich auf der oberen Seite des Objectträgers geschieht. Ein freies Schwimmen durch das Wasser kommt, so viel ich gesehen habe, nicht vor. Die Diatomee bedarf nothwendig zum Kriechen eines festen Körpers zum Anhalten. Natürlich können fremde im Was- sertropfen befindliche Gegenstände, z. B. Algen, Oscillatorienfäden, Sandkörner dieselben Dienste wie die Glasflächen leisten, und kriecht die Diatomee an solchen Gegenständen hin, so wendet sie ihnen eben- ‘falls stets die Raphe zu. Aber auch beim Kriechen auf der glatten Glastläche kann eine Axendrehung vorkommen. Bei einer solchen bleibt aber bei Pleur. angulatum immer noch ein Theil der Raphe mit dem Glase in Berührung. An den schnabelförmigen Enden nämlich weicht die Raphe aus der Mittelebene am einen Pol nach oben, am anderen nach unten ab. Ja selbst bei dem ‘öfter zu beobachtenden Aufriehten einer Diatomee auf die eine Spitze des Körpers bleibt das Ende der 1) Müller’s Archiv f. Anatomie ete. 1858, p. 332, 386 1 Max Schultze, Raphe: mit: dem: Glase in Contact. ‚Nachdem ich ‚mich: von dieser Thatsache überzeugt hatte, also für den Fall, dass ein besonderes bewegungsorgan vorhanden sei, die Raphe als den nothwendigen Sitz desselben bezeichnen musste, machte ich die Beobachtung der im Schnabel längs der. Raphe vorkommenden Körnchenbewegung. So galt es denn vor allen Dingen zu entscheiden, ob diese letztere dem in der Schale eingeschlossenen Zellenkörper angehöre oder’ eine äus- serlich auf der Oberfläche des Kieselpanzers verlaufende sei, in welchem Falle das Bewegungsorgan der Diatomee, gleichsam der Fuss, auf welchem sie kriecht, gefunden gewesen wäre. Das Heben und Senken des Tubus gab bei der enormen Zartheit der Kieselhülle keine Entscheidung und reine Profilansichten wollten sich mir nicht darbieten. So kam ich auf den Gedanken, fein vertheilte körmige Farbstoffe dem Wasser 'beizumischen, indem ich davon ausging, dass nach den von mir früher angestellten Experimenten über‘ die Auf- nahme von Farbstoften in die Körnchenbewegung zeigenden Proto- plasmafäden der Rhizopoden !), bei äusserer Körnchenströmung auch hier die Farbstofftheilchen sich der Bewegung anschliessen wür- den. ‘Die mit Carminpulver angestellten Experimente ergaben sofort ein positives Resultat. Die Farbstoffkörnchen, welche der Zufall an die dem Beobachter zugekehrte, obere Raphe hinführte, hafteten, wiedurcheineklebrige Masse gebannt, fest und wurden längs dieser Nath des Kieselpanzers auf- und'abge- schoben, gerade so wie ein Carminkörnchen, welches die Oberfläche emer Pseudopodie von Gromia etc. berührt, in die Masse derselben aufgenommen wird und mit den Körnchen weiter wandert. Ich deehnte diese Versuche sofort auf alle mir zu Gebote stehenden Arten des Meeres aus und zog später noch eine Anzahl Arten des süssen Wassers zur Vergleichung heran. Bei allen zeigte sich wesentlich dasselbe wie bei Pleurosigma angulatum, dass nämlich nur: längs der Raphe oder der ihr entsprechenden Leiste des Kieselpanzers eine Anheftung und Bewegung fremder Körper stattfindet. Die von mir vorzugsweise berücksiehtigten Arten sind: Pleurosigma baltieum- (Taf. XXI, Fig. 5 und 6); Geratoneis fasciola (Fig. 7), C. Glosterium und prolonga- tum; Navicula viridis, fulva und gibba oder gibberula; 1) Vergl. meine Schrift: das Protoplasma der Rhizopoden und der Pflanzenzellen. Leipzig 1863, p. 26. m Die Bewegung der Diatomeen. 387 Surirella bifrons oder biseriata, splendida und librile; Nitschia linearis und sigmoides (Fig9.) Das Genauere über diese merkwürdige Verschiebung fremder Körper längs der Raphe ist Folgendes: 1) die Bewegung findet statt sowohl während des Kriechens als auch während der Ruhe. Dieselbe kann an jedem Punkte der Raphe beginnen. Aber nicht alle Körperchen, welche in der Nähe der. Raphe liegen, werden bewegt; dadurch unterscheidet sich der Vorgang wesentlich von einer in der Flüssigkeit erzeugten Strömung. Es muss eine directe Berührung der Raphe stattfinden - um die Bewegung einzuleiten. Sobald der fremde Körper erfasst ist, wird er in jener für die Körnchenbewegung so characteristischen eigenthümlich zitternden , öfter stockenden Gangart fortgeschoben. Die Richtung der Bewegung ist nicht vorauszusagen. 2) Liegt die Diatomee still, so ist die Bewegung gewöhnlich die, dass der Farbstoffklumpen bis an das eine Ende gleitet, hier kurze Zeit anhält und dann seinen Lauf in der entgegengesetzten Richtung beginnt, um über den Nabel hinweg bis an das andere Ende der Diatomee zu gelangen, hier nach längerer oder kürzerer Pause von Neuem umzukehren und diese Wanderung beliebig ‚oft zu wieder- holen. Dabei kann mitten im Laufe ein Stillstand oder eine Umkehr stattfinden.: Letztere kann dadurch veranlasst werden, dass ein zwei- tes Körnchen dem ersten entgegenläuft und nun beide denselben Weg weiter, verfolgen. Eine Begegnung von Carminkörnchen der Art, dass. sie in entgegengesetzter Richtung aneinander vorbeilaufen, was man an Pseudopodien oft beobachtet, habe ich längs der Raphe der Dia- tomeen nicht gesehen. 3) Kriecht die Diatomee mit der Raphe auf dem Objectträger, so gerathen kleinste Körnchen, welche dicht auf dem Glase aufliegen und über welche die Diatomee so zu sagen hinweg muss, gewöhnlich in keine auffallende Bewegung. Aber solche, welche im Wasser sus- pendirt auf die obere Raphe zu liegen kommen, werden ergriffen und gleiten entweder in derselben Richtung wie die Dia- tomee sich bewegt, nur schneller über der Raphe hin, oder schlagen die entgegengesetzte Richtung ein, oder werden auch nur festgehalten und mitgeschleppt, ohne sofort auf der Raphe selbstständige Bewegungen auszuführen. Dasselbe gilt für den Fall wo die Diatomee an der unteren Seite des Deckgläschens kriecht. Dann ist die dem Beobachter abgewandte Raphe frei und bemächtigt 388 Max Schultze, sich der unter: ihr liegenden fremden Körper, um sie im Bewegung zu setzen. 4) Die Grösse der fremden Körper, welche auf (diese Weise in Bewegung versetzt werden, ist oft eine sehr ansehnliche. Es kommt häufig vor, dass Körper, deren absolutes Gewicht nach ungefährer Schätzung dasjenige der Diatomeen bei weiten übertrifft, sich der Bewe- gung anschliessen. Ja sie scheinen mit besonderer Vorliebe 'erfasst zu werden. Wenigstens liegen molekulär kleine Körperchen oft still; wo man glauben sollte sie befänden sich in unmittelbarer Berührung mit der Raphe, an welcher sich grössere Körper bewegen. Bei den’ fort- schreitenden Bewegungen der Diatomeen werden fremde Körper, welche von der Raphe erfasst und bis zu dem schnabelförmigen Ende fort- geschoben waren, häufig nachgeschleppt. Welch bedeutendes Gewicht in dieser Weise fortbewegt werden kann, tritt am auffallendsten bei den kleinsten Diatomeen hervor. Navicula gibberula, welche nicht mehr als 0,015’ in der Länge misst, sah’ ich Farbstoffklumpen von nach allen Dimensionen des Raumes mindestens gleichem Durch- messer hinter sich herziehen (Fig. 8). 5) Entledigt sich die Diatomee einer solchen Last, so geschieht es meist, dass der fremde Körper am hinteren Ende noch eine kurze Zeit nachgeschleppt wird, wenn auch der sichtbare Zusammenhang mit«der Kieselschale bereits aufgehört hat. Es ist wie in Fig. 2 ein freier Zwischenraum zwischen ‘der Diatomee und dem Farbstoffklum- pen, und doch: folgt der letztere noch längere oder kürzere Zeit‘ der ersteren. Endlich reisst er wie mit einem Ruck plötzlich ab. Offen- bar verklebt eine unsichtbare organische Substanz, welche von dem Schnabel der Diatomee ausgeht, diesen mit dem fremden Körper. So beobachtete ich auch, dass mehrere kleinere längs der Raphe hin und her geschobene Körper, wenn sie sich endlich beim‘ Kriechen vom hinteren Schnabel ablösen, wie durch eine schleimige Masse untereinander zusammenkleben. 6) Platte Diatomeen, deren Raphe sich auf der schmalen Seite befindet , wie bei Nitschia, bei Tryblionella, auch bei einigen Pinnularien nehmen in der Ruhe eine Lage ein, dass die Näthe sich am rechten und linken Rande hinziehen. : Wollen sie auf der Glasplatte kriechen, so müssen sie sich aufrichten. Es ist das- jenige Manöver, welches Focke bei Pinnularia viridis so ausführ- lich beschreibt und welches ihn veranlasst, 'entschieden an der thie- rischen Natur der Diatomeen festzuhalten. »Man kann sie umwerfen Die Bewegung der Diatomeen. 389 und sie steht wieder auf,«!) Die Diatomee kann allerdings auch in dieser Ruhelage kriechen, sobald ein fremder Körper von genügender Grösse an einen der Rhänder anstösst und die Raphe somit einen festen Körper zur Stütze bekommt. Zwischen Sandkörnchen und Pflanzentheilen sieht man daher solche Diatomeen sich in allen nur möglichen Lagen herumbewegen. Diese sogenannte Ruhelage ist in vieler Beziehung interessant um die längs der beiden Raphe vorkommenden Bewegungen fremder Körper zu beobachten. In ihr ist es möglich die Bewegung gleich- zeitig an beiden Raphe zu verfolgen, was beim Kriechen auf der Glasplatte nicht ausführbar ist, wo immer nur eine Raphe frei bleibt. Ich habe zu diesen Beobachtungen vorzugsweise Nitschia linea- ris und sigmoides benutzt, einzeln auch Pinnularia viridis. Die Bewegung der Farbstoftkörner oder anderer oft ansehnlich gros- ser fremder Körper ist unter den angegebenen Umständen verschie- den. Entweder laufen die Gegenstände an beiden Rändern der Dia- tomee in gleicher Richtung, erreichen das eine Ende und ruhen hier eine kurze Zeit, während sich noch einige Nachzügler zu ihnen ge- sellen. Dann beginnen sie den Rückweg zum entgegengesetzten Ende. Diesen treten sie jedoch gewöhnlich nicht gleichzeitig auf beiden Seiten an. Eine geht der anderen voraus, und manchmal sind die Körnchen des einen Randes bereits am Ende angelangt, ehe die an- deren die Hälfte des Weges zurückgelegt haben oder sich überhaupt nur in Bewegung setzten. Gewöhnlich tritt nach dem Eintreffen der Körnchen am Ende wieder eine kurze Ruhe ein, bis die Bewegung von Neuem rückläufig beginnt. Nicht selten kommt es vor, dass da die eine Seite der anderen vorauseilt, die Körperchen der einen ihren Rückweg antreten, während die der anderen noch auf dem Hinwege sich befinden, dass also an beiden Rändern entgegengesetzt gerichtete Bewegungen ablaufen (Fig. 9 durch Pfeile bezeichnet). Dieser Umstand ist sehr wichtig, denn er beweist die Selbstständigkeit der Bewegungser- scheinungen an jeder Seite. So ist es ebenfalls äusserst bemerkenswerth, dass nach dem Eintreffen eines fremden Körpers an einem Ende der Diatomee dieser niemals das Ende umkreist um von einem Rande auf den anderen zu ‘gelangen. Er bleibt stets auf derselben Seite, woraus wiederum. die vollkommene Seibstständigkeit der Bewegung an jeder der beiden Raphe hervorgeht. 1) Physiologische Studien. Heft II p. 25. M. Schultze, Archiv f. mikrosk. Anatomie. I. Bd. 26 390 Max Schultze, 7) Sehr überraschend ist die Beobachtung der langschnabelhgen Formen der Gattung Geratoneis (Ehrb.). Wie bei der in Fie. 7 abgebildeten Geratoneis (Pleurosigma Smith) fasciola geht die Rkaphe bis an das Ende der Schnäbel. Diese sind bei manchen Arten mehr als das Doppelte so lang als der diekere Körper der Diatomee und so fen, dass sie nur bei starker Vergrösserung erkannt werden. Trotz dieser germgen Mächtigekeit laufen auf ihnen grosse Farbstoff- klumpen mit derselben Schnelligkeit hin und her wie an dem breite- sten Theile des Körpers. 5) Ausser den Diatomeen mit zwei Raphe, zu denen die bis- her genannten Arten gehören, sei es dass dieselben in der Mitte durch dien Nabel deutlich unterbrochen sind, wie bei Pinnularia viri- dis, oder nicht wie bei Pleurosigma, gibt es auch solche mit vier. Unter diesen ist die grosse Surirella bifrons oder bise- rıata wohl die interessanteste. Schon Focke bildet sie im Quer- schnitt ab und zeichnet die an den vier Kanten des Körpers vorsprin- senden Leisten. Diese entsprechen in ihrem Bau den zwei Leisten der Nitschia, nur ist der ansehnlichen Grösse wegen bei Suri- rella biseriata Alles viel deutlicher. Bei Beobachtung der leben- den Exemplare gelang es mir leicht, die Bewegung fremder Körper an diesen Kanten wahrzunehmen, und zwar wenn die Diatomee wie öfter geschieht auf einer Kante kriecht, gleichzeitig. an den drei übri- gen. Auch diese Kanten gehen an den Enden nicht in einander über, so dass die Bewegung an jeder derselben eine selbstständige ist. Surirella biseriata ist zugleich unter allen mir bekannten Diatomeen des süssen Wassers die geeignetste, um innere Bewegungs-. erscheinungen wahrzunehmen. Wie schon Focke!) und W. Smith?) angeben, fand auch ich den körnigen Inhalt derselben in einer ziem- lich schnellen Bewegung. Man erkennt in den meisten Exemplaren schon bei 200--300maliger Vergrösserung, dass die gewöhnlich in ziemlich grosser Zahl im Innern der Schale enthaltenen verschieden grossen Fetttröpfchen ihre Lage fortwährend ändern, indem sie lang- sam gleitend auf ziemlich eomplieirten Bahnen durcheinander laufen. Viel weiter kommt man auch nicht mit den stärksten Vergrösserungen. Denn das Innere ist stets so gleichmässig dunkelgelb gefärbt, dass man wenig mehr von dem Inhalte erkennt als die dunkelcontourirten DEleCHn2 90% 2) A. synopsis of British Diatomaceae I, p. XXI. Die Bewegung der Diatomeen. 391 Körperchen. Doch gelingt es, sich bei verschiedenen Lagen der Dia- tomee zu überzeugen, dass eine ansehnliche Menge feinkörnigen Plas- mas den centralen Zellenkern umgiebt und dass sich verschiedene Protoplasmastränge durch den Intercellularraum erstrecken, in denen die Fetttröpfchen sich in der lebhaftesten gleitenden Bewegung be- finden. Mir. ist von keiner Diatomee etwas Aehnliches bekannt ge- worden, nur die langen wandständigen Protoplasmazüge der Rhizo- solenien mit ihren gleitenden Farbstoffkörnern wüsste ich, was die Schnelligkeit der Bewegung betrifft, damit zu vergleichen. Nach W. Smith (. c.) soll bei Nitschia scalaris und Campylo- discus spiralis etwas Aehnliches zu beobachten sein. Es fragt sich nun, welches ist die Ursache der beschriebenen merkwürdigen Bewegung fremder Körper längs der Raphe. Offenbar giebt es nur eine Erklärung für dieselbe, es muss ein äusser- lich an der Raphe zu Tage liegender Protoplasma- streif sein, welcher die Farbstoffpartikelchen ankleben macht und in eine gleitende Bewegung versetzt. Denn es giebt nur eine Erschei- nung, welche mit der Bewegung der an der Diatomee gleitenden frem- den Körper verglichen werden kann, das ist die Aufnahme und Fort- bewegung solcher Körper seitens der Pseudopodien der Rhizopoden, wie sie z.B. beobachtet wird, wenn man lebende Gromien oder Milio- liden in mit Carminkörnchen versetztes Wasser bringt. Die Art des Anklebens und der Fortbewegung der Farbstoffkörperchen ist in beiden Fällen durchaus übereinstimmend, und da bei den Diatomeen als einzelligen Organismen Protoplasma, und zwar in manchen Arten deutlich bewegtes Protoplasma, den Hauptbestandtheil des Zellen- körpers bildet, so spricht Alles dafür, dass auch die äusseren Bewe- gungen auf Protoplasmabewegungen zurückzuführen seien. Die nächste Frage wird die sem, kann man abgesehen von den Bewegungen anstossender fremder Körper, von den längs der Raphe ablaufenden Protoplasmabewegungen selbst etwas sehen? Es war, wie oben auseinandergesetzt worden, die Körnchenbewegung längs der Raphe bei Pleurosigma angulatum, welche mich auf den Gedanken brachte, es könnte hier äusserlich fliessendes Protoplasma vorhanden sem, und mich veranlasste, ohne damals die Beobachtungen Siebolds zu kennen, das Verhalten anstossender Farbstoffkörnchen genau zu beobachten. Die fortgesetzte Untersuchung dieser Körn- chenbewegung hat dann ergeben, dass dieselbe nicht äusserlich son- dern im Innern der Schale abläuft. Davon kann man sich an 392 Max Schultze, Exemplaren überzeugen, welche sich in der freilich seltener vorkom- menden Profillage befinden. Allerdings erschwert die Stärke der Liehtbrechung, welche der Kieselpanzer besitzt, die Untersuchung bei sehr starken Vergrösserungen etwas, doch glaube ich mich be- stimmt überzeugt zu haben, dass körniges Protoplasma' aussen auf der Raphe von Pleurosigma angulatum nicht fliesst. So wandte ich mich zu anderen Diatomeen, und zwar zunächst zu den grössten mir zu Gebote stehenden, zu dem im Meerwasser häufigen, gewaltigen Pleurosigma balticum (Fig. 5u. 6). Auch hier ist wie beiPleurosigma angulatum der Kern im Uentrum von einer Protoplasmaschicht umhüllt, welche sich, wie die Profillage Fig. 6 zeigt, eine Strecke weit an den beiden Raphe nach vorm und hinten hinzieht. Dagegen vermisste ich die Protoplasmaanhäufungen in den Enden und die Körnchenströmung längs der Raphe, wie ich über- haupt keinerlei weder innere noch äussere Protoplasmabewegung an dieser Diatomee beobachtet habe. Fremde Körper bewegen sich. da- gegen wie bei Pl. angulatum längs der Raphe äusserlich hin und her. Ich nahm dann was mir von Diatomeen vorkam mit den stärk- sten Vergrösserungen durch, aber weder unter denen des Meeres noch denen des süssen Wassers, so lebhaft auch die Bewegungen fremder Körper längs der Raphe abliefen, habe ich eine einzige ge- funden, die äusserlich wahrnehmbare Körnchenbewegung zeigte. Mit am günstigsten für diese Beobachtungen halte ich die schöne vierkantige Surirella biseriata oder bifrons, da ihre vorspringenden Kanten, die Leisten längs deren die Bewegung fremder Körper geschieht. blattartig dünn ausgezogen sind, und keine starke Liehtbrechung an der freien Firste veranlassen. Aber auch hier ist wie gesagt Nichts von Körnchenbewegung zu sehen. Unter «diesen Umständen bleibt also nur eine Annahme: übrig. dass nämlich das längs der Raphe zu Tage tretende bewegte Proto- plasma hyalin sei, vollkommen frei von erkennbaren Körnchen, etwa wie die Substanz der Pseudopodien der von mir beschriebenen Gromia Dujardinii (Organismus der Polythalamien Taf. VIl, Fig. 1) oder der Difflugien. Wie oben erwähnt wurde hat C. Th. von Siebold bereits die Bewegung von Farbstoffpartikelchen längs der Raphe von Dia- tomeen gesehen, aber die Erklärung dieser Erscheinung auf ‚einer anderen Seite gesucht als wir gethan haben. Er spricht von. einer »Strömung«, welche an den »Näthen« der Naviculaceen in dem um- Die Bewegung der Diatomeen. 393 gebenden Wasser erzeugt werden soll, von einer »schwankenden Be- wegung« der mit den Näthen in Berührung kommenden Farbstoff- theilchen, und unterscheidet von dieser die gleitende der länes der Raphe fortgeschobenen Theile. Siebold glaubt durch seine Beobachtungen die Naegeli’sche Theorie von der Bewegung der Diatomeen durch exosmotische und endosmotische Ströme stützen zu können und nimmt die von ihm sogenannten Näthe als diejenigen Stellen, wo der Austausch stattfinden soll. Von ganz besonderer Bedeutung muss in dieser Rücksicht die Angabe v. Siebold’s er- scheinen, dass die vom Ende der Diatomeen gegen die Mitte vorge- schobenen Farbstofttheile niemals die Mitte überschreiten sollen, sondern von dieser aus imnier wieder in der Richtung nach den Enden zurücklaufen. Hiergegen habe ich zu bemerken, dass ich die von v. Siebold statuirte doppelte Art der Bewegung fremder Körper, die schwan- kende, gewissermaassen in Folge einer Wirkung aus der Ferne ein- tretend, ‘und ‘die gleitende nicht zu unterscheiden vermochte. Jede Art von Bewegung, welche als eine durch das Wasser mitgetheilte aufgefasst werden könnte, fehlt sicherlich vollständig, es giebt nur die eine, welche durch das Ankleben des fremden Körpers an die Raphe respective die dieselbe überziehende organische Substanz, und durch die Bewegung derselben erzeugt wird. Sodann aber ist das von v. Siebold behauptete Stillstehen der gleitenden Körperchen an dem Mittelwulst und das darauffolgende Umkehren sicherlich keine allgemeine Erscheinung. Die Regel ist vielmehr, wie ich oben ge- schildert habe, dass ein fremder Körper, welcher sich auf der Raphe in Bewegung gesetzt hat, ohne Aufenthalt die Mitte überschreitet und bis an das entgegengesetzte Ende der Diatomee gelangt, um jetzt erst, gewöhnlich nach einer ganz kurzen Pause, den Rückweg einzuschlagen. Während der gleichmässig fortschreitenden Be- wegung tritt allerdings oft ein Stocken ein, ein Stillhalten und auch hie und da ein Umkehren. Dies geschieht wie an allen Stellen so auch am Mittelwulst. Aber von einem hier regelmässig eintretenden Wechsel ist nicht die Rede. Der hochgeschätzte sonst so genaue Beobachter führt leider die Species nicht auf, welche er zu seinen Untersuchungen wählte, sonst liesse sich das Missverständniss wohl sicher aufklären. . Sieb old spricht nur von Navicularien und Navi- cula. Seine Angabe (l.c.p. 283), dass sich auf der Mitte der beiden Hauptflächen vier Linien oder Spalten befinden, d. h. auf jeder 394 Max Schultze, zwei, welche »sich nicht über die Mittelwülste des Kieselpanzers hin- weg erstrecken«, scheint sich auch nur auf einen Theil der. Navicu- larien beziehen zu lassen, wie auf Navieula (Pinnularia) viridis und die ihr verwandten Arten. Wenn nun der mittlere Zwischenraum zwischen den beiden einander entgegenlaufenden Näthen sehr breit ist, wird, wie ich nicht bezweifle, die von v. Siebold beobachtete von der Mitte beginnende rückläufige Bewegung fremder. Körper vorkommen. Für Navicula viridis und einige kleinere Arten.dieser Gattung gilt jedoch diese Bewegungsart entschieden nicht als Regel. In wie weit übrigens die Raphe; oder die Näthe in ihrer. ganzen Länge offene Spalten darstellen, ‚wie v. Siebold annimmt, ‚oder nur einzelne Oeffnungen besitzen, wage ich nicht zu entscheiden. ‚Bei Pleurosigma möchte ich das letztere glauben, indem ich es für wahrscheinlich halte, dass nur an den. beiden Enden der Raphe durchbohrte Stellen vorhanden sind. Ehrenberg ist geneigt auch bei Navicula die Spalten (die Raphe) für. geschlossene Furchen zu halten '). Die Löcher aber. in der Mitte und an den. Enden er- klärt er für ausserordentlich fein, und im Grunde eines nach aussen weiteren Trichters gelegen. Vielleicht dass sich drei Typen in der. Bildung ‘der äusseren Schalenöffnungen werden unterscheiden lassen: 1) auf längere Strecken offene Schlitze, wie wahrscheinlich bei Navicula viridis und Verwandten ; 9) die Raphe geschlossen aber feine Oeffnungen an den Enden derselben, Pleurosigma; 3) viele hinteremander gelegene Oeffnungen längs der vorsprin- genden Leiste, welche manche Diatomeen statt der Raphe be- sitzen, zZ, B. Nitschia, Surirella bifrons. In allen diesen Fällen halte ich die Durchbohrungen für so fein, dass sie sich kaum mit Sicherheit mikroskopisch als; solche werden erkennen lassen. Für die so zu sagen molekulare. Feinheit derselben spricht, wie ich ‚besonders hervorheben möchte, ‚auch, der Umstand, dass niemals, so weit meine Beobachtungen reichen, Körn- chen des Protoplasma durch. dieselben nach aussen. gelangen. Das längs der Raphe äusserlich sich bewegende Protoplasma ist, wie, er- wähnt vollkommen hyalin. ‚Für ihre grosse Feinheit spricht weiter der negative Erfolg so. vieler Versuche, die Diatomeen zur Aufnahme 1) Die Infusionsthierchen ete. p. 520. Die Bewegung der Diatomeen. 395 von Farbstoffmolekeln in ‚das Innere der Schale zu bewegen. ‚ Be- kanntlich hat keiner der späteren Forscher die ‚von Ehrenberg behauptete Nahrungsaufnahme bei den Diatomeen bestätigen können. Ehrenberg selbst erzählt '), dass es ihm erst nach 6jähriger frucht- loser Bemühung gelungen sei, die Aufnahme von Indigo bei den Diatomeen wahrzunehmen. A priori erscheint dieselbe äusserst wahr- scheinlich. Warum soll das aus der Kieselschale hervorgetretene Protoplasma, welches sich Farbstoffmolekeln aneignet und diese längs der Raphe hin- und herführt,, die feinsten Körnchen derselben nicht mit sich in: die Schale zurücknehmen ?: Häufig scheint diese Farb- stoffaufnahme aber nicht vorzukommen. Denn wie Cohn und An- deren ist es auch mir gegangen, ich habe vergeblich wochenlang auf diese Aufnahme gewartet, trotzdem ich sehr lebhaft bewegte Arten (des Meer- und süssen Wassers, die auch Ehrenberg anwandte, mit zu diesen Versuchen besonders fein geschlämmtem Indigo in Be- rührung brachte. Ist demnach eine vollständige Klarheit über das Zustandekommen der beschriebenen Bewegungserscheinungen der Diatomeen noch nicht gewonnen, so betrachte ich doch durch meine Versuche als erwiesen, dasseineklebrige organische Substanz, welchein leben- diger Bewegung begriffen ist, an der Raphe der Diato- meen zuTage tritt. Allen Analogien zufolge und der einzelligen Nätur der Diatomeen entsprechend kann dieselbe nur Protoplasma sein, welches durch Oeffnungen der Schale hervortreten und durch die- selben auch wieder zurückgezogen werden muss. ‘So gut wie dies Pro- toplasma ansehnlich grosse fremde Körper fortbewegt, wird dasselbe auch genügen, die kriechenden und mannigfach complicirten Bewe- sungen der Diatomeen selbst zu erklären, um so mehr als ich. nach- gewiesen habe, dass bei diesen Bewegungen stets die Raphe der festen Unterlage zugekehrt ist. Das die Raphe überziehende oder an ihr zu Tage tretende Protoplasma hat also die Bedeutung einer Art von Fuss, auf welchem "die Diatomee kriecht. Dieser stellt zwar einen sicht- baren, getheilten oder ungetheilten Fortsatz, wieEhrenberg einen solchen annahm , nicht dar, ist aber doch immerhin ein dem von Ehrenberg' beschriebenen Schneckenfuss nicht ganz unähnliches äusseres Bewegungsorgan. Die lange discutirte Frage nach der Ur- 1) Die Infusionsthierchen etc. p. 242. 396 Max Schultze, sache der Bewegungen der Diatomeen halte ich denn der Hauptsache nach hiermit für erledigt. Nicht ohne besondere Genugthuung hebe ich schliesstich noch hervor, dass durch die vorstehenden Beobachtungen auch die son- derbarste unter allen Bewegungserscheinungen, welche Diatomeen darbieten, und welcher im Vorstehenden noch keme Erwähnung ge- than wurde, eine vollkommen genügende Erklärung findet. Ich meine die inneren Verschiebungen, welche die Colonieen von Bacil- laria paradoxa') darbieten, und denen sich die der Bacilla- ria cursoria Donkin?) anschliessen. Es scheinen nicht viele Forscher diese merkwürdigen Arten gesehen zu haben, aber wem sie je vorgekommen sind, dem dürfte sich ihr Bild unauslöschlich eingeprägt haben. Ich erinnere mich noch wie heut, als ich vor vie- len Jahren die Bacillaria paradoxa bei Greifswald aufgefunden hatte, dass ich wie festgebannt an das Mikroskop stand und mein Auge von dem merkwürdigen Schauspiel, das sich mir darbot, nicht ‚ab- wenden konnte. Eine Gruppe von 20—30 stäbchenförmigen Bacil- larien, welche alle mit ihren langen Seiten in einer Ebene dicht an- einander liegen, so dass die Gruppe in der Ruhe eine dünne viereckige Tafel darstellen würde, ist in der lebhaftesten Bewegung, begrifien, indem alle Einzelexemplare sich aneinander verschieben, vorwärts, rückwärts in allen möglichen Lagen, wie Stäbchen sie zueinander annehmen können, ohne dass ein einziges derselben aus dem Zusam- menhang mit den übrigen heraustrete; bald zu einer langen Kette ausgezogen, deren Glieder sich nur noch mit minimalen Abschnitten der Seitenränder berühren, bald zu einem Parallelepipedon zusam- mengeschoben., jetzt eine Figur bildend wie ein Schwarm wilder Gänse, in welchem die mittelste den Führer macht und den: Scheitel eines Winkels einnimmt, dessen langausgezogene Schenkel die übri- gen bilden, dann eine der anderen in unregelmässiger Anordnung vorauseilend — so wechseln sie in’ schneller Folge ihre Lage, indem jede an dem Nachbar sich hinschiebt, ohne sichtbare Bewegungs- organe gleitend, durch ein unsichtbares Band aneinandergekettet wie Maenetstäbe, welche anemander verschoben werden aber nicht von- einander lassen. Ich will auf das zauberhafte Schauspiel, welches 1) Von ©. Fr. Müller entdeckt, und das sonderbare Stäbchen- thier, später Vibrio paxillifer genannt. Vgl. Ehrenberg, die In- fusionsthierchen etc. p. 196. 2) Transact. of the mieroscop soc. vol.VI, 1858, p. 26, Taf. IH Fig. 12. Die Bewegung der Diatomeen. 397 schon von O. Fr. Müller für physiologisch höchst interessant er- klärt, dann wiederholt namentlich von Thwaites') und Smith?) von Bacillaria paradoxa, von Donkin und neuerdings von Bar- kas®) bei Bac. eursoria gut beschrieben ist, hier nieht ausführlicher eingehen. Eine Erklärung für dasselbe hat bisher Niemand auch nur versucht zu geben. Nach den oben mitgetheilten Beobachtungen über die Bewegung fremder Körper längs der Raphe löst sich das Räthsel leicht. Wie unter andern die Abbildungen von Ehren- berg*) und Kützing’) beweisen, ist die Lage der Bacillarien- stäbchen zueinander eine solche, dass sie immer mit dem feingestri- chelten Rande aneinander hingleiten. Dieser entspricht wie bei Nitschia (Fig. 9) der Raphe. Somit liegt m den Colonieen der Ba- eillaria paradoxa Raphe an Raphe, und jedes Einzelindividuum schiebt sich an dem benachbarten hin, wie die Nitschia an einem fremden Körper. Dabei hat aber jedes derselben die Selbstständig- keit der Bewegung bewahrt, Durch die die Raphe überra- senden Protoplasmaleisten sind die Bacillarienstäb- chen aneinander gekittet, sie sind mit einander verklebt als wenn sie einen Organismus bildeten, und doch bewegt sich jedes für sich selbstständig neben dem anderen! Dabei erscheint die Schnel- ligkeit der Bewegung gesteigert der anderer kriechender Bacillarien gegenüber, aus dem einfachen Grunde, weil wenn zwei in entgegen- gesetzter Richtung aneinander hinkriechen, sie mit doppelter Ge- schwindigkeit sich von einander entfernen. Etwas abweichend sind die Golonieen der Bacillaria eursoria gebildet, in so fern die Stäbchen hier nicht bloss nebeneinander, son- dern auch übereinander hinkriechen. Ich habe in Ostende m den Austernparks eine dieser Bacillaria cursoria von Donkin offenbar sehr ähnliche, vielleicht mit ihr identische Form beobachtet, welche ansehnliche Colonieen von fadenförmiger Gestalt bildete, in welchen die Einzelthiere sich bald langsamer bald lebhafter an- und. über- einander hinschoben. Mit Schizonema-Fäden sind sie nicht zu ver- wechseln, denn es fehlt jede Spur einer gemeinschaftlichen gallert- 1) Proceedings of the Linnean society, vol. I p. 311. 2) A synopsis of the british Diatomaceae vol. II p. 8. 3) Quarterly Journ. of microse. science, Octob. 1865, p. 253. 4) Die Infusionsthierchen ete. Taf. XV Fie. 1. 5) Die kieselschaligen Bacillarien oder Diatomeen Taf. XXT Fig. XVII. 398 Max Schultze, artigen Hülle '), welche diese letztern auszeichnet , denen wieder jede Spur von Bewegung innerhalb der Gallerthülsen abgeht. Sie haben nur in so fern etwas verwandtes, als jede Colonie in beiden Fällen aus der Theilung eines oder weniger Individuen hervorgegan- gen sein wird, welche Theilindividuen statt sonst sich in alle Welt zu zerstreuen hier zusammenhängend geblieben sind, bei Schizonema und Verwandten: unbeweglich und in gewissen Entfernungen von einander in eme durchsichtige fadige oder baumförmig: verästelte Masse eingeschlossen, bei Bacillaria paradoxa und ceursoria nur (durch den lebendig bewegten Protoplasmaüberzug der Raphe unter- einander verklebt. Sonach hat das Studium der Protoplasmabewegungen wieder zur Aufklärung einer bis dahin vollkommen räthselhaften und dun- keln Erscheinung in der organischen Natur geführt. Die Identität in den Bewegungserschenungen des Protoplasma der- Pflanzenzellen mit denen, welche man an den Pseudopodien der Rhizpoden beob- achtet, musste erkannt, die Erscheinungen , welche die Aufnahme von Farbstoffen in das freie Protoplasma der Pseudopodien beglei- ten, mussten studirt werden, ehe die Deutung der Bewegungen der Diatomeen möglich war. Zweifelsohne wird in dieser Richtung noch mancher Aufschluss erfolgen. Ich erinnere hier nur an die den Dia- tomeen verwandten Desmidiaceen und an die diesen wieder eng verbundenen Oseillatorien. Die kriechenden Bewegungen 'er- sterer sind bekanntlich wenig lebhaft und nur bei gewissen Arten und zu gewissen ‚Jahreszeiten zu beobachten. Ich habe bisher keine sünstigen Objeete zur Vergleichung mit dem bei den Diatomeen Beobachteten erhalten können. Bezüglich der Oscillatorien besitzen wir eine Angabe v. Siebold’s, welche es sehr wahrscheinlich macht, dass bei diesen Organismen äussere Protoplasmabewegungen eine Rolle spielen. Seine Worte lauten ?): »Eimen sehr interessanten An- blick gewähren nun die Oseillarien, wenn man ihre drehenden Be- wegungen in mit. Indigo gefärbtem Wasser beobachtet. Es werden 1) Barkas (l. ec.) erwähnt, dass die von ihm gesammelten lebendigen Golonien von Bac. cursoria alle durch anhängende fremde Körperchen auf der Oberfläche verunreinigt gewesen seien, als wenn ein Schleim dieselben überziehe. Auch das Auf- und Abgleiten fremder Körper au den einzelnen Exemplaren erwähnt Barkas am Schlusse seines Aufsatzes. 2) Zeitschrift f. wiss. Zoologie Bd. II p. 285 Anm. Die Bewegung der Diatomeen. 399 nämlich alle Indigostückehen, welche mit den einzelnen Oseillarien- Fäden in Verbindung kommen, in einer ziemlich engen Spirale an den Fäden entlang bis zu ihrem Ende geschoben, mögen die Fäden sich selbst fortbewegen oder: ganz still liegen. Ebenso auffallend war es mir, dass zuweilen diese spiralige schleichende Fortbewegung des Indigos von beiden Seiten eines Fadens nach der Mitte hin Statt fand, wo sich dann der Farbestoff in Ballen anhäufte, oder dass diese Bewegung zuweilen in umgekehrter Richtung von der Mitte eines Fadens nach beiden Enden hin vor sich ging. Es muss ausser- dem an den Oscillarien eine reichliche Ausscheidung eines schlei- migen Stoffes Statt finden, da die auf einen Haufen zusammenge- schobenen Indigopartikelchen längere Zeit aneinander kleben bleiben.« Wie sich Jeder leicht überzeugen kann, kommen gleitende Bewe- gungen von Indigopartikelchen auf der Oberfläche der Oseillatorien vor, und diese können bei dünnen Arten, wie ich beobachtete, eine bedeutende Schnelligkeit annehmen. Um ruhende dicke Oscillatorien- Fäden sah ich die Farbstoffkörner auch in einer Spirale herumlau- fen, doch konnte ich die doppelsinnige Bewegung von den beiden Enden nach der Mitte oder umgekehrt nicht bemerken. Jedenfalls kann es keinem Zweifel unterliegen, dass auf der Oberfläche ge- wisser Oscillarien eine Bewegung klebriger organischer Substanz statt hat, und dass von dieser Substanz Spuren abgelöst an den durch sie in Bewegung gesetzten Indigotheilchen haften bleiben. Denn ich konnte in reichlich mit Indigo versetztem Wasser den Weg, welchen lebhaft bewegte Oscillarien verfolgt hatten, noch auf grössere Strek- ken hinter ihnen. her verfolgen, insofern alle mit ihnen in directe Berührung gekommenen und eine Zeit lang von ihnen herum getrage- nen Farbstoffpartikelchen zu einer Art von Röhre zusammengeklebt waren, in welche hei rückläufigen Bewegungen die Fäden öfter wie- der hineinkrochen, von der sie freilich später oft auch abwichen. Ganz analog den Bewegungen der Bacillaria paradoxa ist bei vielen Oseillarien die Neigung sich aneinander hinzuschie- ben, wobei oft die eine vor- die andere rückwärts gleitet und die Schnelligkeit der Bewegung so scheinbar verdoppelt wird. Solche Öscillarien können sich nicht eng genug aneinander schmiegen, offenbar um möglichst viel Berührungsfläche zu gewinnen. Wollte nun Jemand noch fragen, ob durch die im Vorstehen- den gegebene Deutung der Bewegung der Diatomeen eine Entschei- dung darüber möglich geworden, ob die genannten Organismen dem 400 Max Schultze, Thierreich oder dem Pflanzenreich unterzuordnen seien, so möchte ich antworten, dass diese Entscheidung überhaupt wohl nicht zu erwarten ist. Wir kennen die Diatomeen jetzt genau genug um zu wissen, dass die CGomplication ihrer Organisation nicht grösser und nicht geringer als in einer einzigen Zelle ist. Starre Membran, ein Kern im Centrum, Protoplasma, Intracellularflüssigkeit, Farb- stoffanhäufungen von characteristischer Gestalt und Oeltropfen, das sind die Bestandtheile des Diatomeen-Organismus. Dieselben cha- racterisiren das Gebilde als eine Zelle, aber etwas characteristisch Thierisches oder Pflanzliches liegt in ihnen nicht. Auch die Ent- wicklungsgeschichte bietet keinen Anhalt zur Entscheidung weder nach der einen noch nach der andern Richtung. Denn weder die Fortpflanzung durch Theilung noch die durch Thwaites bekannt gewordenen Gonjugationen beweisen etwas anderes, als dass wir es mit Vermehrungsarten zu thun haben, wie sie bei einzelligen Orga- nismen auch sonst vorkommen. Ist nun die durch äusserlich aus’ der Zellmembran hervortretendes Protoplasma vermittelte Bewegung ein Merkmal, welches den Ausschlag nach dem Pflanzen- oder Thierreich zu geben vermöchte? Sicherlich nicht. Würde eine Pflanzenzelle auf- hören Pflanzenzelle zu sein, wenn in ihrer Membran Oeffnungen nachgewiesen würden, durch welche das im Innern derselben krie- chende Protoplasma wie zu einem Fenster nach Belieben 'hervor- gucke? Und kann es uns im Geringsten auffallen, wenn solches äusserlich hervortretende Protoplasma durch seine Bewegungen dem leicht beweglichen Organismus eine bestimmte Gesammtbewegung ertheilt ? Oder wäre die Frage entschieden, wenn beobachtet würde, dass das hervorgetretene Protoplasma , an welchem fremde Kör- per kleben bleiben, solche einmal mit in sein Haus aufnehme ? Das hiesse den Unterschied von einzelligen Pflanzen und einzelligen Thieren in den jeweiligen Durchmesser der Poren in der Zell- membran verlegen. Es leuchtet ein. auf Grund der bisherigen Beobachtungen wer- (den wir die aufgeworfene Frage nicht entscheiden können. Vielmehr drängt Alles dahm, die Diatomeen zu den Urorganismen zu zählen, welche nicht nach der Scheidung von Thier- und Pflan- zenreich fragen. Fie. 1. Fig. 4. Fig. Sy Die Bewegung der Diatomeen 401 Erklärung der Abbildungen auf Taf, XXI. Pleurosigma angulatum lebend aus der Nordsee. Vergr. 500. Das Exemplar zeichnet sich durch schmale Farbstoffbänder aus, welche in der Nähe der Mitte solche schlingenförmige Umbiegungen machen, dass man glauben könnte es seien ihrer vier, während es doch nur zwei Farbstoffbänder sind. In der Mitte der Kern von Protoplasma umgeben. In den schnabelförmigen Enden ebenfalls Protoplasma, welches Körnchenbewegung längs der Raphe bis zu den grossen Oeltropfen hin zeigt. Ein gleiches Exemplar mit breiteren Farbstoffbändern, deren Win- dungen nicht so deutlich zu übersehen sind. Dem umgebenden Wasser war Carmin beigemischt. Die Diatomee kriecht in der Rich- tung des grossen Pfeiles, die Körnchen a a bewegen sich gleitend auf der Raphe in derselben Richtung vorwärts, wie der kleine Pfeil anzeigt. Am hintern Ende wird ein grösserer Klumpen von Carmin- körnchen nachgeschleppt, welcher in keiner sichtbaren Verbindung mit dem Kieselpanzer steht, ihm aber durch eine wahrscheinlich schleimige Masse anklebt. Dasselbe Exemplar in Ruhe und von der schmalen Seite gesehen. In der Mitte der Zellenkern und das ihn umhüllende Protoplasma, welches sich nach rechts und links an die beiden Raphe hinzieht. Auch ist das Protoplasma in den schnabelförmigen Enden zu se- hen. Der rechten und linken Raphe entlang gleiten Karminkörnchen in der durch die Pfeile bezeichneten Richtung. Pleurosigma angulatum nach mehrtägiger Aufbewahrung in ' verdünnter Ueberosmiumsäure. Die Farbstoffbänder sind aufgewickelt. Kern, Protoplasma und Oeltropfen sind in der Lage geblieben, letz- tere intensiv blauschwarz gefärbt. Pleurosigma balticum aus der Nordsee lebend. Vergr. 380. Die ziemlich grobe Sculptur der Kieselschale ist nicht gezeichnet, um die Weichtheile nicht zu verdecken. In der Mitte wieder der Kern von Protoplasma umhüllt, seitlich zwei Farbstoffbänder. Grös- sere Öeltropfen sind hier nie vorhanden. Dasselbe Exemplar 90° um seine Längsaxe gedreht, so dass die Raphe rechts und links liegen. An diese erstreckt sich eine Fort- setzung des centralen Protoplasma. Pleurosigma (Ceratoneis) fasciola lebend aus der Nordsee. In der Mitte wieder ein Kern von Protoplasma umhüllt, seitlich Farb- stoffbänder, welche nicht bis in die langen Schnäbel hineinreichen, auf welche sich aber die Raphe forterstreckt. Die Diatomee wurde in der Richtung des grösseren Pfeiles kriechend beobachtet, wäh- rend gleichzeitig ein grösserer Klumpen Carmin a sich in derselben Richtung auf der Raphe hinbewegt. Vergr. 500. ie. 8. (de) Max Schultze, Die Bewegung der Diatomeen. Navicula gibberula kriechend, schleppt einen Farbstoffklum- pen hinter sich her, welcher das Volum der Diatomee um ein Viel- faches übertrifft. Verer. 380. Nitschia sigmoides. Vergr. 380. In der Mitte ein Kern von Protoplasma umhüllt. Die Raphe sind hier vertreten durch zwei vorspringende Längsleisten‘, deren jede auf ihrer Firste feine Quer- streifen zeigt. Das Exemplar lag in Ruhe. Fremde Körper beweg- ten sich gleitend längs derLeisten, in dem in der Zeichnung darge- stellten Momente rechts und links in entgegengesetzter Richtung. Ueber die Genese der Samenkörper. Von v. la Valette St. George. Erste Mittheiluns, Hierzu Taf. XXIV. Wo das Untersuchungsmaterial ein so umfangreiches ist, wie bei dem vorliegenden Thema, kann nur aus dem na Vieler ein endgültiges Resultat hervorgehen. Aus diesem Grunde ist es auffallend, dass seit Kölliker’s letz- ter Arbeit '), in welcher er selbst sagt, dass Keiner im Stande sej, einen Gegenstand je vollkommen zu Ende zu führen, so dass nicht später demselben eine neue Seite abgewonnen werden könnte, der Entwickelung der Samenkörper nicht mehr Interesse zugewen- ddet worden ist. Wenn auch die Beobachtungsreihe, welche ich hier mittheile, noch sehr unvollständig ist, so mag sie doch der Veröffentlichung werth sein; weitere Arbeiten sollen die Lücken ergänzen. Zunächst will ich hier die Wirbelthiere in Betracht ziehen, in- dem ich die Untersuchung der Samenentwickelung bei den Wirbel- losen späteren Mittheilungen vorbehalte. Hodenzellen. . Der Inhalt des Hodens zeigt in jener Abtheilung der Thiere constant zwei Hauptformen von Zellen, von denen die eine bisher 1) Physiologische Studien über die Samenflüssigkeit. Von A.Kölliker, Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie Bd. IIT S. 201. 404 v. la Valette St. George. noch wenig berücksichtigt worden zu sein schemt. Es ist dieselbe leicht zu unterscheiden durch einen ungewöhnlich grossen bald run- den, bald abgeplatteten Kern, welcher, meist ziemlich hell, zuweilen leicht granulirt erscheint. Manchmal laufen von der Peripherie des- selben Körnchenreihen nach der Mitte zu. In dieser, oder etwas excentrisch, liegt ein unregelmässig geformtes oft längliches scharf contourirtes Kernkörperchen. Sehr häufig sieht man solche Kerne frei liegen oder in einem Protoplasmarest von feinkörniger Beschaf- fenheit eingebettet. Zuweilen jedoch lässt sich noch eine den Kern und das Protoplasma einschliessende Membran wahrnehmen. Auch sah ich solche Zellen mit zwei und drei Kernen. |S. Taf. XXIV 1,6, 7,8; IH;.1;:2:] Dass diese Zellen etwas mit der Entwickelung der Samenkör- per zu thun haben, glaube ich bestimmt nicht, da ich nie Verände- rungen an ihnen bemerkte, welche darauf hingedeutet hätten; viel- leicht gehören sie nicht einmal dem Inhalte der Hodenkanälchen, sondern den Wänden derselben oder dem interstitiellen Gewebe an. Was nun die zweite Hauptform betrifft, so besteht diese aus zwei Arten von Zellen, solchen mit grösseren oder kleinern körnigen Kernen und solchen mit einem oder vielen glatten Kernen. Diese Zel- len halte ich für die Entwickelungszellen der Samenkörper und ver- muthe, dass die zweite Art durch Theilung .und Umwandlung der Kerne aus der ersten hervorgeht. Beider Arten von Zellen, gedenkt Henle '), äussert sich jedoch nicht bestimmt über die Bedeutung der ersten aus einem Grunde, der gewiss sehr gerechtfertigt ist, demselben Umstande, der überhaupt die Untersuchung der Samen- entwickelung wenigstens für die höheren Thiere sehr erschwert, dass nämlich die Formen nicht in bestimmter räumlicher Folge auftreten. Ein Hauptgrund für die Annahme, dass die Zellen mit gros- sen körnigen Kernen Jugendzustände der glattkernigen sind, liegt für mich in .der oft beobachteten äusserst lebhaften Vermehrung derselben. Sie findet in doppelter Weise Statt: Es theilt sich der Kern und mit ihm das Protoplasma, sodass aus einer Zelle zwei ge- trennte Zellen entstehen. Diese ist die gewöhnlichste Art der Ver- mehrung. Doch kann auch die durch Theilung entstandene zweite Zelle an der ersten haften bleiben, sich wieder theilen und auf diese Weise eine Zellenkette entstehen, ganz ähnlich den Eiketten, wie 1) Handbuch der systematischen Anatomie Bd. II Lief. II S. 355. Ueber die Genese der Samenkörper. 405 sie neuerdings Pflüger beschrieben hat!). Schreitet die Vermehrung nicht nach einer bestimmten Richtung fort, so entsteht ein unter sich zusammenhängender Zellenhaufen. Als Endresultat der Ver- mehrung betrachte ich die ein- und mehrkernigen Zellen, deren. Kerne entweder ganz hell sind oder ein kleines Kernkörperchen enthalten. Von besonderem Interesse war es mir, die Verbreitung einer früher von mir an den Hodenzellen beobachteten und im ersten Hefte dieses Archives bekannt gemachten Erscheinung zu verfolgen, ich meine die amöboide Bewegung derselben. Bei der ersten Hauptform der Zellen des Hodeninhaltes wurde dieselbe niemals wahrgenommen, jedoch bei beiden Arten der zwei- ten, ein Umstand, der das Zusammengehören der letzteren noch wahrscheinlicher macht. Ausser bei den in der erwähnten Abhand- lung aufgezählten Thieren traf ich amöboide Hodenzellen bei Frin- silla,montana, caelebs, carduelis, Cuculus canorus, Anas Boschas, Hyla arborea, Bufo cinereus, Bombi- natos igneus, Garassius Gibelio und Acridium caeru- lescens. Eine ganz besondere Art amöboider Zellen, ausgezeich- net durch ihre kolossale Grösse, fand ich in dem. Theile des Hodens von Salamandra maculata, der keinen Samen produ- zirt und heller und etwas durchscheinend ist. Ich glaube kaum, dass es ein geeigneteres Öbject giebt, die Bewegnngen des Proto- plasma zu studiren, als diese Zellen. Eine solche mit drei fast runden hellen Kernen?) mass in der Länge 0,036 Mm., in der gröss- ten Breite 0,025 Mm., die Kerne hatten 0,012 Mm. im Durchmes- ser. Eine einkernige ?) war 0,022 Mm. gross, ihr Kern 0,019 Mm., dessen Kernkörperchen 0,001. In dem durchsichtigen Protoplasma waren kleine Körnchen und mehrere Tröpfehen von gelber Farbe, 0,003 Mm. gross, eingelagert. In Jodserum zeigten diese Zellen eine äusserst lebhafte Bewe- gung, nach Wasserzusatz wurden die Kerne undurchsichtig und körnig, das Kernkörperchen blieb nicht mehr sichtbar. Der feinkörnige Inhalt sowohl wie die gelben Tröpfchen geriethen in heftige Molekularbe- wegung. Die ganze Zelle selbst quoll auf, bis sie endlich platzte. 1) Ueber die Eierstöcke der Säugethiere und des Menschen, Leipz. 1863. 2) 8. Taf XXIVj Eig. VIH,.1. 3) S. Fig. VII, 2, 3. M. Schultze, Archiv f. mikrosk. Anatomie. I. Bd. 97 406 v. la Valette St. George, Entwickelung der Samenkörper. Ich glaube nicht, dass wenigstens für die von mir untersuch- ten. Wirbelthiere noch ein Zweifel bleiben kann, ob die in den Zel- len eingeschlossenen Bläschen Kerne oder Zellen seien, und halte mit Kölliker eine ausführliche Discussion über diesen Punkt für überflüssig. Wie bekannt, hatte Kölliker früher zu der Annahme Ver- anlassung gegeben, dass die Samenkörper sich innerhalb der Kerne der Samenzellen entwickelten !). Eine erneute Untersuchung dieses Gegenstandes ?) überzeugte ihn jedoch, dass die Samenkörper nicht endogen in den Kernen, sondern durch eine direkte Metamorphose der ganzen Kerne sich bilden, und dass, wo die Samenfäden inner- halb von Bläschen liegen, diese nichts anderes als die zu diesen Kernen gehörigen Zellen oder Cysten sind. Ueber die Entwickelung der Samenkörper bei dem Frosche, dem Sperling, der Taube und dem Meerschweinchen macht Lie- ge01s?) einige Angaben. beim Frosche sollen zur Zeit der Begattung die Samenkörper aus Körnern hervorgehen, welche in den Samenzellen, die keine mehr- fachen Kerne zeigen, enthalten seien ; nach der Begattung aus dem Kerne meist einkerniger Zellen. Bei dem Meerschweinchen lässt jener Beobachter die Samen- körper aus dem Kerne, bei den Sperlingen aus den Granulationen- der Zellen und bei der Taube aus dem Kerne und den diesen um- gebenden Körnern entstehen. Henle *), soviel mir bekannt, der einzige, welcher sich nach- her über dieses Thema ausgesprochen hat, nimmt mit Kölliker an, dass die Körper der Spermatozoiden metamorphosirte Kerne seien; nur in Betreff der Bildung der Fäden weichen seine Beobach- tungen von denen Kölliker’s ab. 1) Die Bildung der Samenfäden in Bläschen als allgemeines Entwick- lungsgesetz. Zürich 1847. 2) Physiologische Studien über die Samenflüssigkeit. Zeitschrift. f. wis- senschaftliche Zoologie Bd. VII. 1856. 3) Gazette medicale 1861 p. 40. 4) Handbuch der Anatomie des Menschen von Dr. J, Henle, Braun- schweig 1854 Bd. IX Lief. II S. 356. Ueber die Genese der Samenkörper. 407 Meine Untersuchungen haben mich nun dahin geführt, dass ich für die Wirbelthiere die Angaben Kölliker’s in der Hauptsache durchaus bestätigen muss und mit ihm und Henle die Körper oder Köpfe der Samenelemente für umgewandelte Kerne halte. Ich will nun zunächst versuchen die Entwickelung der Samen- körper von einem Objeete zu schildern, welches sich in hohem Grade zu diesem Zwecke eignen möchte. Ich meine das Meerschwein- chen, dessen Samenkörper, schon durch ihre bedeutende Grösse ‚ausgezeichnet, eine so charakteristische Form des Kopfes besitzen, dass ihre Bildung ohne grosse Schwierigkeit zu verfolgen ist. Als Ausgangspunkte dieser Samenkörper nehme ich die schon geschilderten kleineren oder grösseren ein- und mehrkernigen Zellen mit grossem körnigen Kerne an. Diese Zellen bilden durch ihre starke Vermehrung gewisser Massen die Brutstätte der zweiten Form, der- jenigen Zellen, welche einen hellen Kern enthalten, der meist mit einem mehr oder weniger rundlichen eoncentrisch gelegenen Kern- körperchen versehen ist. Einen vollgültigen Beweis, dass diese zweite Zellenform aus jener hervorgeht, kann ich übrigens nicht beibrin- gen. Dagegen ist es nicht schwer nachzuweisen, dass die Kerne der- selben zu den Köpfen der Samenfäden werden. Sie kommen bald zu einem oder zweien in einer Zelle vor, bald werden sie zu meh- reren bis 30 und vielleicht noch mehr gesehen. Die erste Andeu- tung ihrer Umwandlung ist die, dass an einer Seite des Randes eine Verdicekung auftritt, nachdem der Kern zuerst an dieser Stelle, dann im ganzen Umfange einen dunklern Contour angenommen hat. Indem diese Verdickung, welche anfänglich die Gestalt eines Knöpfehens hatte, zunimmt, erhält sie die Form der Platte eimes Siegelringes, zu welchem der Contour des Kernes den Reif bildet. Der Kernkern ist um diese Zeit gewöhnlich noch zu sehen und liefert das beste Beweismittel für das Hervorgehen beider Formen auseinander. Dar- auf beginnt der Kern sich nach einer Dimension zu verlängern, wird einem Holzschuh ähnlich und treibt häufig die Zellenwand an einer Seite hervor, während der übrige Theil der Zelle sackförmig anhängt. Um diese Zeit ist der Kernkern verschwunden. Dann erbreitert sich der zum Kopfe des Samenfadens gewordene Kern und zeigt die Gestalt einer ovalen an den Seitenrändern und noch mehr am obern Rande umgeschlagenen Scheibe. Ausser dem Kerne enthält die Zelle noch ein homogenes Protoplasma, in welches kleine Körn- chen eingebettet sind. Ich glaube, dass diesem Zelleninhalte eine 408 v. 1a Valette St. George, grössere Bedeutung zugeschrieben werden muss, als es bisher ge- schah und zwar für die Bildung des Fadens, von welcher jetzt die Rede sein soll. Kölliker lässt den Faden durch Hervorsprossen aus dem hinteren Theile des Kernes auf Kosten desselben entstehen und zwar zu einer Zeit, wo der Kern schon seine ursprüngliche Form verlo- ren hatte, und bildet solche Kerne mit stummelförmigen Schwänzen ab). Henle dagegen will solche Körper mit kurzen Schwänzen nicht gesehen haben und setzt voraus, dass zum Behuf der Bildung des Schwanzes der dauernde Zusammenhang des Körpers mit der Zelle unerlässlich sei ?). Letztere Ansicht halte ich für richtig, da ich glaube, dass das Protoplasma der Zelle den grössten Antheil an der Bildung des Fa- dens hat; indess mag Kölliker’s Abbildung immerhin der Natur getreu sein, da an jenen Objecten der Zellenrest durch irgend einen Umstand entfernt gewesen sein kann. Sehr auffallend war mir die Erscheinung mehrfach Zellen zu sehen, welche an einer Seite einen mehr oder weniger langen Faden heraustreten liessen, während ihr Kern noch keine Veränderung zeigte. .Die Zellenwand wurde dadurch von der betreffenden Stelle zipfelförmig hervorgetrieben ; eine Verbindung des Kernes mit dem Faden vermochte ich nicht zu erkennen. Mag letzteres immerhin schwierig und nicht beweisend sein auffallend wäre es, wenn der Kern vor seiner Metamorphose in den Kopf des Samenkörpers schon das Vermögen hätte den Faden aus- zutreiben. Bekanntlich sieht man an den meisten Samenkörpern des Ho- dens und Nebenhodens einen kleinen sackförmigen Anhang, der, verschieden in seiner Ausehnung, bald höher bald tiefer am Faden festsitzt. Es scheint dieser Anhang aus einer durchsichtigen Masse zu bestehen, in der kleine Körnchen eingebettet sind. Mit Kölliker sehe ich diese Gebilde als Reste der Mutterzellen an; ihre Bestim- mung wird die sein, für das Auswachsen der Fäden das nöthige Material herzugeben. Henle giebt an, niemals aufgerollte Fäden im Innern von Zellen beobachtet zu haben. Ich glaube jedoch die Angabe Kölli- un > wm oO {ep} Ueber die Genese der Samenkörper. 409 ker’s bestätigen zu können, sowohl durch directe Beobachtung als auch indireet, da ich mehrmals ein- und vielkernige Zellen sah, de- ren Kerne schon in den Kopf des Samenfadens umgewandelt waren, ohne dass ich bei sorgfältigem Umherrollen der Zellen aus dersel- ben hervortretende Fäden wahrnehmen konnte. Indess kommt nicht viel auf diesen Punkt an, da es ja nur von der Dichtigkeit der äus- seren Protoplasmaschicht abhängen wird, ob sie den Faden austre- ten lässt oder zurückhält. Aus der Klasse der Säugethiere untersuchte ich noch die Sa- menentwickelung beim Rinde, Schafe und Hunde und kam bei diesen Thieren zu denselben Resultaten, welche einzeln anzuführen ich für überflüssig halte. Die Zeichnungen I—III werden nach obi- ger Darstellung leicht verständlich sein. VonVögeln dienten mir Sperling, Buchfink, Distelfink und Taube als Objecte für die Beobachtung. Einen Theil der gewonne- nen Bilder habe ich auf Fig. IV—VI wiedergegeben. Von den Finken fand ich den Buchfmken am geeignetesten zur Untersuchuug. Ein- und mehrkernige Zellen mit hellen ein Kernkörperchen tragenden Ker- nen halte ich für diejenigen, aus denen sich Samenkörper entwickeln. Diese Zellen selbst scheinen aus solchen hervorzugehen, welche mit körnigen Kernen versehen sind. Bei den vielkernigen Zellen treten in einem gewissen Stadium stark lichtbrechende Körnchen auf, welche die Kerne verdecken. Dieser Vorgang geht der Bildung der Samen- fäden unmittelbar vorher. Eine directe Metamorphose des Kernes in den Kopf des Samenkörpers konnte ich nicht beobachten , halte sie aber für durchaus wahrscheinlich. Auch bei der Taube gelang es mir nicht über diese Umwand- lung der Kerne so überzeugende Bilder zu erhalten, wie sie Köl- liker auf Fig. 4, 2—3 liefert, zweifle jedoch durchaus nicht an der Richtigkeit seiner Darstellung. Nur muss ich bemerken, dass ich auch hier nicht an ein Hervorsprossen und Wachsen des Fadens ohne Be- theiligung des Zelleninhalts glauben kann, vielmehr finde ich den Zellenrest, welcher anfangs noch am Körper festsass, dem Faden anhaftend, bis zu dessen gänzlicher Entwickelung. Noch in der Zelle liegende Samenkörper kamen häufig zur An- schauung. Von Amphibien fand ich Hyla arborea und Rana escu- lenta besonders zur Untersuchung geeignet. Letztere ist der grössern Dicke der Samenkörper wegen der Rana temporaria vorzuziehen. Die 410 v. la Valette St, George, Hoden der Tritonen strotzten in jeder Zeit, wo ich sie ansah, von rei- fen Samenkörpern, so dass meine Hoffnung, die Entwickelung der bei diesen Thieren so interessanten Samenelemente studiren zu können, getäuscht wurde. Zerzupft man ein Hodenstückchen ‘des Laubfrosches unter Amnioswasser, so sieht man neben grösseren oder kleineren mit einem oder zwei Kernkörperchen versehenen freien Kernen, ähnlich dem in Fig. I 6 dargestellten, körnige Zellen mit dunklem Kern. Diese Zellen zeigen eine sehr lebhafte Protoplasmabewegung. ‘Unter ihnen gewahrt man hellere Zellen mit, emem oder mehreren, oft vielen hellen Kernen, deren jeder ein rundes Kernkörperchen trägt. Eine dritte Zellenform, der vorigen an Grösse durchaus ähnlich, unter- scheidet sich nur dadurch, dass die Kerne homogen und stark licht- brechend geworden sind; ein Kernkörperchen besitzen sie nicht. Ist ‘es nicht im höchsten Grade wahrscheinlich, dass diese Kerne aus dem vorhin erwähnten hervorgegangen sind? Eine weitere Ver- änderung derselben besteht darin, dass manche derselben ringför- mig, andere stab-, keulen- oder spindelförmig werden — offenbar Umwandlungsstadien zu den Köpfen der Samenkörper. Der Zellen- rest bleibt auch hier noch einige Zeit dem Samenkörper ansitzend. Auch beiRana esculenta gelang es mir überzeugende Bilder zu erhalten, auch hier glaube ich mit Bestimmtheit die Metamor- phose des Kernes in den stabförmigen Kopf des Samenkörpers beobachtet zu haben, sowohl in ein- als mehrkernigen Zellen. Höchst eigenthümlich ist die von Remak'!) zuerst beschrie- bene und bei unseren Fröschen leicht zu beobachtende Erscheinung, dass die Zellen, worin sich viele Samenkörper entwickeln, neben einem Bündel derselben meist noch einen Kern enthalten, der also unter seinen (enossen unverändert zurückgeblieben ist. Bei Wirbel- losen kommen ganz ähnliche und, wie ich später zeigen werde, viel sonderbarere Verhältnisse vor. Aus der Klasse der Fische, deren meist sehr kleine Samen- körper das Studium ihrer Entwickelung sehr erschweren, unter- suchte ich den Gibel. Auch hier bin ich zu denselben Resultaten gekommen, wie bei den übrigen Wirbelthieren und habe fast dasselbe gesehen, was Kölliker vom Karpfen abbildet, so dass ich auch hier wieder die Angabe meines verehrten Lehrers bestätigen kann. 1) Müller’s Archiv 1854 p. 253. Ueber die Genese der Samenkörper. 411 Zunächst fand ich grosse freie Kerne mit rundlichen Kernkör- perehen ganz ähnlich denen, welche ich von anderen Wirbelthieren beschrieben habe, dann traf ich Zellen von verschiedener Grösse an mit einem oder mehreren dunklen Kernen. Diese Zellen zeigten amö- boide Bewegungen. Daneben wurden Zellen mit‘ hellerem Kerne beobachtet. Diese Form geht, wie ich bestimmt glaube, über in solche Zellen, welche’ einen oder mehrere homogene stark lichtbre- chende Kerne zeigen, in nichts zu unterscheiden von den Köpfen der Samenkörper. Ueber die Bildung der Fäden liess sich hier der erossen Zartheit des Objectes wegen keine klare Einsicht gewinnen. Das noch will ich bemerken, dass ich den Rest der Zelle als klei- nes Knötchen wiederfand, dicht unter dem Kopfe des Samenkörpers oder etwas weiter von demselben entfernt. Bei ganz ausgebildeten Samenkörpern war es verschwunden. Zum Schlusse muss ich noch einer in jüngster Zeit erschiene- nen Arbeit gedenken, welche zwar nicht direct mit meinem Thema in Verbindung steht, jedoch so viel des Interessanten enthält, dass ich mir wohl eine kurze Besprechung derselben erlauben darf; ich meine die Beobachtungen Grohe’s über die Bewegung der Samen- körper '). Es lag nahe, dass ich diesem Gegenstande einige Auf- merksamkeit schenken musste und mag der Austausch der Meinun- gen über diese viel ventilirte jedoch keineswegs leicht zu entschei- dende Frage immerhin zur Erkenntniss der Wahrheit förderlich sein. Grohe giebt an, dass die Köpfe, der Samenkörper des Men- schen sowie einer Anzahl von Säugethieren neben den durch die Be- wegung des ganzen Samenkörpers bedingten noch besondere Bewe- sungen und Formveränderungen erkennen liessen. Ich habe mir die grösste Mühe gegeben diese Beobachtung zu bestätigen, allein es war mir nicht möglich selbstständige Gestalt- veränderungen an den Köpfen der Samenkörper wahrzunehmen, 'we- der beim Menschen noch beim Meerschweinchen und anderen Säugern. Dass die Köpfe oft unregelmässig gestaltet sind, gebe ich gerne zu, aber niemals sah ich während der Bewegung aus einer Form die an- dere entstehen. Bei sehr vielen Thieren, z.B. dem Meerschweinchen, Hunde, Wendehals, den Fröschen, Crustaceen etc. sieht man Verän- derungen an dem Kopfe der Samenkörper, wenn sie in die Unter- 1) Ueber die Bewegung der Samenkörper von Prof. F. Grohe in Greifswald. Virchow’s Archiv Bd. XXXI. 412 v. 1a Valette St. George, suchungsmedien gebracht werden, oder Verschiedenheiten in der Form, aber niemals sah ich das Unregelmässige zum Regelmässigen wer- den oder das Regelmässige zum Abweichenden während der Bewe- gung des Samenkörpers — kurz ich schreibe den Köpfen keine selb- ständige Bewegung zu. Grohe gedenkt der Samenkörper des braunen Grasfrosches, als deren Entwickelungsstadien er stab- und walzenförmige Körper ohne Fortsatz und mit der Anlage eines Fortsatzes beschreibt. Diese Körper boten nach Wasserzusatz sehr lebhafte Bewegungen und Form- veränderungen dar. Sollte nicht hier, wie das ja wohl stattfinden kann, eine zufällige Verwechselung mit Rana esculenta möglich sein ? Der Beschreibung und Abbildung nach beziehen sich die Samen- körper auf diesen Frosch. ‘Rana temporaria besitzt Samenkörper mit sehr langgestrecktem Kopfe, der fast unmerklich in den Faden übergeht. Manchmalsah ich Köpfe von Samenkörpern der Rana escu- lenta sichel- oder kreisförmig gekrümmt, niemals aber konnte ich wahrnehmen, dass diese Form bei der Bewegung eine andere wurde. Was sich übrigens von solchen Köpfen bewegte, trug einen, wenn- gleich schwierig, doch bestimmt erkennbaren Faden, der die Bewe- gung vermittelte. Wenn sich auch -in den Köpfen der Samenkörper vielleicht Membran und Inhalt unterscheiden lässt, wie dieses ja aus der Ent- wickelung derselben leicht erklärlich ist, so kann ich doch darin meinem Freunde nicht beistimmen, dass denselben für die Bewe- gung dieser Formelemente eine grosse Rolle zugedacht sei, obgleich ich ihnen die Fähigkeit sich unter Umständen zu contrahiren nicht absprechen will. Das Treibende für die Samenkörper der Wirbelthiere ist der Faden, dessen Baumaterial von dem, wie ich nachgewiesen habe, in hohem Grade contractilen Protoplasma der Samenzellen geliefert wird. Eine allgemeine Besprechung der gefundenen Thatsachen muss ich mir für den Schluss meiner Beobachtungen vorbehalten, will je- doch schon hier daran erinnern, dass bereits Pflüger (I. e. 8. 99) die Samenkörper für kleine Flimmerzellen erklärt hat. I. II. IV. Ueber die Genese der Samenkörper. 413 Erklärung der Abbildungen auf Taf. XXIV. Aus dem Hoden des Stieres: . Mehrkernige Zelle, Kerne eranulirt. . Aehnliche Zelle mit glatten ein Kernkörperchen führenden Kernen. . Die Kerne sind hell, an einer Seite scharf contourirt. . Kerne mit einem aufgerollten Samenfaden noch in der Zelle liegend. . Zelle mit durchbrechendem Kopfe und anhängendem Faden. . Grosser Kern, Kernkörperchen und Protoplasmarest. . Zelle mit zwei solchen Kernen. . Aehnliche Zelle mit drei Kernen. Aus dem Hoden des Schafes: . Zelle mit granulirtem Kerne. . Mehrkernige Zelle. . Zelle mit Kopf und durchgebrochenem Faden. . Aehnliche Zelle von der Seite. . Samenzelle mit anhängendem Faden. . Zelle mit hervorgebrochenem Kopfe und Faden. Fast entwickelter Samenkörper mit anhängendem Zellenreste. . Zelle mit zwei Kernen, welche sich in Köpfe von Samenkörpern um- gewandelt haben. Aus dem Hoden des Hundes: . Grosskernige Zelle. Der Kern trägt zwei Kernkörperchen. . Aehnliche Zelle mit einem Kernkörperchen. . Zellen mit granulirtem Kerne. . Ein- und mehrkernige Zellen mit helleren Kernen. . Zelle mit Kopf und hervorbrechendem Faden. . Samenkörper in der Entwicklung mit anhängenden Zellenresten. oO Io Tt om m wo ua nm w ot m Aus dem Hoden des Haussperlings: 1. Mehrkernige Zelle. 2, 5, 4, 5. Entwicklung der Samenkörper. 6. Zelle mit zwei granulirten Kernen. Aus dem Hoden des Buchfinken: 1. Zelle mit einem hellen ein Kernkörperchen zeigenden Kern. 2. Aehnliche mehrkernige Zelle. 3, 4, 5. Solche in Entwickelung ihrer Kerne zu Samenkörpern. 6, 7. Zellen, welche sich durch Theilung der Kerne und Abschnürung ver- mehren. 414 v. la Valette St, George, Ueber die Genese der Samenkörper. VI. Aus dem Hoden des Distelfinken: . Zellenkette. . Zelle mit granulirtem Kerne in Bewegung. . Mehrkernige Zelle. . Zelle mit glattem Kerne. . Zelle mit entwickeltem Samenkörper. vv m je Ba en VII. Aus dem Hoden des Laubfrosches: 1. Zelle mit granulirtem Kerne. 2. Solche mit doppeltem Kerne, wie es scheint, in der Thheilung begriffen. 3. Zelle mit glatten länglichen Kernen. 4. Solche, deren Kern in ihrer Mitte vertieft erscheint. VII. Aus dem Hoden vom Erdsalamander: 1. Mehrkernige sehr grosse Zelle mit gelben Tropfen im Protoplasma, sich lebhaft bewegend. 2. Aehnliche einkernige Zelle. Experimentelle Studien über die fettige Entartung des Muskelgewebes. Von Alexander Stuart aus Petersburg. Hierzu Taf. XXV. Wie bekannt gehört die Muskelentartung nicht zu den acuten Krankheiten, deren erste Entwicklung im Organismus durch heftige Rückwirkungen auf andere ÖOrgansysteme begleitet wäre; — daher wird sie durch klinische Untersuchung nur in ihren vorgerückten Stadien nachgewiesen, was zur Folge hat, dass die Entartung haupt- sächlich in ihren entwickelteren, späteren Formen untersucht wird, wie in den seltenen Fällen, wo sie die Ursache des Todes abgiebt, so z. B. in den bekannten Meryan’schen Fällen, oder in dem Falle, wo ein Individuum mit noch am Leben klinisch nachgewiesener Entartung, durch diese und andere Störungen zu Grunde ging; oder wo, was am häufigsten geschieht, das makroskopische Aussehen der Muskeln einer secirten Leiche, die Veranlassung zu der mikroskopi- schen Untersuchung giebt. In allen diesen Fällen hat es der Forscher nur mit der schon ausgeprägten entwickelten Krankheit zu thun; die ersten Stadien der Entartung sind so schwierig zu verfolgen, die neugebildeten Elemente so den normalen ähnlich, dass er sie allenfalls nur als Leichenerscheinungen deuten würde, wenn er sie überhaupt wahrnähme, und sich eher an die sicherere, mehr ausge- prägte Erscheinung halten würde, die schon den späteren Stadien angehört und in der Weise bleiben ihm die ersten Entwicklungs- 416 Alexander Stuart, stufen verborgen, und werden ihm möglicherweise verborgen bleiben, wollte er auch, mit dem speciellen Zwecke den krankhaften Vorgang von Anfang an zu verfolgen, die verschiedenen ihm zu Gebote stehen- dien Leichen darauf untersuchen, denn obgleich er die letzten Stadien des Vorganges auch kennt, darf er doch nicht alle möglichen von ihm beobachteten Veränderungen als Glieder oder Abstufungen der Entwickelung des ihm schon früher bekannten Zustandes auffassen. Wenn für andere Gewebe und Organe diese Schwierigkeiten besiegbare sind, so bietet die Aehnlichkeit der veränderten Elemente des Muskelgewebes mit den normalen solche Schwierigkeiten bei der Untersuchung, dass die genaue Verfolgung des Entwickelungs- ganges des besagten Prozesses auf rein anatomischem Wege fast unmöglich ist, selbst bei der grössten darauf verwendeten Mühe und Zeit, während auf dem experimentellen Wege es sehr leicht gelingt durch Parallelversuche zum Ziele zu kommen, was dadurch noch besonderen Werth erlangt, dass eine künstliche Hervorbringung der Krankheit bei Thieren sehr leicht gelingt. Alle diese Umstände haben mich bewogen, als ich bei Gelegenheit vergleichend - histo- logischer Studien über die normalen Muskeln und über die anderen contractilen Gewebe, die mich seit einiger Zeit beschäftigen, meine Aufmerksamkeit den pathologischen Vorgängen in den Muskeln zu- wendete, zu der experimentellen Methode überzugehen. Die klinischen Erfahrungen zeigten gewissermaassen den Weg an, den man einhalten solle, um bei Thieren künstliche Zustände hervorzurufen, welche denen ähnlich wären die die vorher beobach- teten Entartungserscheinungen in den Muskeln des Menschen bedingen. Die Mehrzahl der Autoren stimmt darin überein, dass die Muskel- entartung mit einer andauernden Entzündung hervortritt, ich musste daher bei meinen Versuchen mir zur Aufgabe stellen eine solche hervorzubringen. Mechanische Verletzungen und Reize der Muskeln, Betupfung mit Säuren, Zinkpaste, Aetzkali und dergleichen hatten zu schwache oder langsame Wirkung, oder aber griffen die Gewebe zu stark an; ausserdem hatten sie alle die üble Folge, dass der Reiz nicht auf einer Stelle concentrirt blieb, sondern die unmittelbar zer- störende Wirkung des Reizmittels verbreitete sich ringsumher, z. B., bei Anwendung von Flüssigkeiten, was eime scharfe Localisirung des Reizes unmöglich machte. Ich zog daher die Aetzung mit Argen- tum nitrieum vor, ein Verfahren, das mir ein Mittel in‘ die Hand gab, die Lage, Stärke und Ausdehnung des Reizes je nach Experimentelle Studien über die fettige Eintartung des Muskelgewebes. 417 Bedürfniss ändern zu können. Die Versuche wurden an verschiedenen Thieren ausgeführt: an Kaninchen, Ratten, Tritonen, Fröschen, Krebsen, Käfern u.s. w. Bei den ersteren war die Resorption der entarteten Bestandtheile sehr lebhaft, was mich nöthigte, starke und wiederholte Reize anzuwenden; bei Krebsen und Käfern wurden nur die ersten Stadien der Degeneration erzielt, ausserdem starben die Thiere bald. Ratten und Tritonen boten weniger Bequemlichkeit wegen ihrer Aufbewahrung, die letzteren auch wegen der Kleinheit ihrer Muskeln ; am hesten bewährte sich der Frosch, an dem auch der grösste Theil der Versuche angestellt wurde; die unten mitzu- theilenden Resultate beziehen sich aber auch auf die drei erstgenann- ten Thierarten, die ganz dieselben Erscheinungen darboten. Die Aetzung wurde nach der Durchschneidung der Haut ganz oberfläch- lich und kurz andauernd ausgeführt, damit eine Muskelschicht von nicht mehr als !/; Quadratcentimeter Breite und Imm. Tiefe direkt der Wirkung des Aetzmittels ausgesetzt sei. Wegen der Dünnheit der Fascie war bei diesen Thieren das Einschneiden des Muskels unnöthig, besonders da eine Aetzung, die tiefer in den Muskel ein- greift, zu nahe an den Nervenstamm reicht, was immer gefährliche Folgen nach sich zieht. Deswegen wurden die Muskeln des Ober- schenkels, als die dicksten, gewählt; andererseits macht ihre grössere Entfernung von den edlen Organen und grossen Nervencentren die Aetzung minder gefährlich, so das auf diese Weise geätzte Frösche, besonders die wenig reizbaren Winterfrösche, monatelang erhalten blieben, was mir auch gestattete durch wiederholte Ausschneidungen den Fortgang des krankhaften Prozesses in einem und demselben Muskel vollkommen zu verfolgen. Obgleich die Literatur über unseren Gegenstand sehr reich ist, so sind dadurch, dass viele Autoren sich nicht deutlich darüber ausgesprochen haben, welcher Ansicht über die Structur der Mus- keln sie huldigen, viele an sich ganz richtige Beobachtungen nicht in ihrem vollen Maasse zu verwerthen; denn, wenn wir aus diesen erfahren, wie der veränderte Muskel beschaffen ist, so wissen wir doch nicht, aus welchen Elementen des normalen Gewebes die ver- schiedenen Elemente des pathologischen hervorgegangen sind. — Ich will hier nur kurz erwähnen, dass ich der Ansicht bin, dass die Fi- brille die letzte (das heisst, soweit als unsere Analyse bis jetzt aus- reicht), physiologische Einheit des Muskels ist, was für die verschie- denen Thierklassen zu beweisen ich anderwärts versuchen werde. Als 418 Alexander Stuart, Typus der Fibrille muss ich perlschnurartig aneinandergereihte Reihen von Fleischtheilchen (sarcous elements Bowman’s) von verschiede- ner Form, rund, oval, parallelepipedon ähnlich, mit abgerundeten Ecken (bei Arthropoden) u.s.w. annehmen, von denen jede Reihe in Protoplasmamasse eingehüllt ist, die die eigentliche contractile Substanz des Muskels abgiebt.'!) (Fig. 1.) Was die pathologischen Veränderungen selbst betrifft, so müssen wir bei der von uns vorgenommenen Aetzung mit Arg. nitricum zwei Arten unterscheiden, das heisst die, welche durch die rein chemische Wirkung dieses Aetzmittels auf die Muskelsubstanz bedingt sind, 1) In der Zeitschrift für wiss. Zoologie XV. Bd. Taf. VIT Fig. 11e. gab ich eine halb schematische Darstellung der Fibrille einer Aplysialarve. Die Existenz einer lichten, die Fleischtheilchen auch seitlich umgebenden Substanz gehört zu den schwierigsten micographischen Aufgaben, indem ihr schwacher Brechungseoefficient in Verbindung mit ihrem geringen Durchmesser diesen Nachweis nur durch ausserordentlich penetrirende, dabei aber gut definirende Linsen gestattet, Eigenschaften, die nur in den wenigsten Linsen vereinigt sich finden. Carpenter The microscope, pag. 730, Fig. 576 giebt ein mit starken englischen Linsen gewonnenes Bild einer Säugethierfibrille, in welchem diese seitliche Contour mit aller Bestimmtheit angegeben ist, aber durch über- triebene cellulare Ansichten verleitet, nimmt er an, dass jedes Fleischtheil- chen mit der ihn allerseits umgebenden lichten Substanz eine Zelle sei, wobei diese seitliche, nebst einer medianen die Fleischtheilchen von einander tren- nenden Contour, die Contour der Zellenmembran sei, was keineswegs der Fall ist, da die seitliche Contour eine ebene, durch die ganze Länge der Fibrille ununterbrochen fortlaufende ist, die auch gar nicht seitlich ‘von der Berührungsfläche der beiden Fleischtheilchen bis zu ihrer Begegnung mit den seitlichen Contouren verfolgt werden kann, was im. Carpenter’schen Sinne je- denfalls der Fall sein sollte. Ein sehr geeignetes Object bildet das bekannte, von Powell u. Lealand gelieferte Schweinmuskelpräparat, an welchem, als ich noch für keine der concurrirenden Ansichten mich entscheiden konnte, Prof. Schiff m Florenz mir auf eine höchst sinnreiche Weise mit Hülfe des an ihn übrgangenen Arbeitsmikroskops von Amici, den strengen optischen Beweis lieferte für die wirkliche Existenz dieser seitlichen Contour, somit auch der die Fleischtheilchenreihe umgebenden hellen Substanz, nebst einigen interessanten, leider bis jetzt noch nicht publieirten Einzelnheiten über die Fleischtheilchen emiger Säugethiere. Ich kann diese Verhältnisse mit geübtem Auge, mit meinem Immersionssysteme Nro. 10 von Hartnack, oder mit der Linse F von Zeiss, schon deutlich erkennen, ‚viel schärfer aber mit einer an Stärke zwischen Nro. 9 und 10 stehenden Oelimmersionslinse von Amici, die durch die Gefälligkeit von Prof. Schiff nebst anderen schwächeren, mir aus dem Nachlasse von Amici zugekommen ist, und die zu den besten ge- hört, die er geliefert hat und zwischen seinen eigenen Arbeitslinsen stand. Experimentelle Studien über die fettige Entartung des Muskelgewebes. 419 und die welche das Produkt der durch die Entzündung hervorge- rufenen pathologisch-physiologischen Thätigkeit sind. Nach vollzogener Aetzung nimmt eme je nach dem Grade der Aetzung mehr oder minder dicke Schicht der Muskelsubstanz (bei unseren Versuchen gewöhnlich 1/,—1 Mm.) eine diaphane weisse Farbe an, wie es auch andere eiweisshaltige Gewebe bei solcher Aetzung thun. Bei näherer Untersuchung ergiebt sich, dass das Muskelgewebe in hohem Grade verändert ist. Nicht nur jede regel- mässige, die Querstreifung bedingende Anordnung der Fleischtheil- chen wird vermisst, sondern die Muskelfaser bildet einen Schlauch, der mit einer feinkörnigen, theilweise feinfaserigen Detritusmasse von blasser milchweisser Farbe, die nur als ein Coagulationsprodukt der Muskelsubstanz zu betrachten ist, ausgefüllt erscheint (Fig. 2). Das chemische Verhalten ist das der coagulirten Albuminate: Un- löslichkeit in Wasser, Alkohol, Aether, Essig- und Salzsäure und nicht zu starken Aetzkalilösungen. In der gesunden Faser sieht man, dass einzelne Fibrillenbündel sich enger aneinanderschliessen als an den übrigen, was eine Art Spaltung der Faser in eine Anzahl Fibrillenbündel bedingt ; diese Spaltung wird in dem in Detritus zerfallenen Muskel, durch Scheidung der Detritusmasse, in gewisse Längsabtheilungen noch erhalten, wobei die Detritusmasse wie lang- faserig erscheint, was darauf hinzuweisen scheint, dass diese Längs- abtheilungen von einander durch irgend welche Binde- ‘oder Scheide- mittel getrennt sind, über deren Natur wegen ihrer allzugeringen räumlichen Ausdehnung natürlich sich nur Vermuthungen anstellen lassen, auf welche wir uns aber nicht einlassen wollen. Diese Längs- theilungen sind sehr blass und lassen sich nur an einzelnen Stellen verfolgen; man kann sie in den veränderten Fasern nur in den noch ganz glatt gebliebenen verfolgen, mit der Wulstbildung wird die ganze Masse stark gepresst und die Scheidung hört auf. Das Sarcolemma nimmt an Festigkeit ein wenig ab; die darin enthaltene Masse ist anfänglich sehr weich, und kann daher in die- sen Zustande verschiedene, den äusseren Umständen entsprechende Formen annehmen, in welchen sie bald durch Festwerden fixirt wird ; durch die durch Aetzung hervorgerufenen lebhaften Contrac- tionen der unterliegenden Muskelschichten werden diese veränderten Fasern hin nnd her gezerrt und gedrückt, dadurch wird die sie ausfüllende weiche Masse zu unregelmässigen, nierenförmig abge- rundeten Ballen und Wülsten geformt (Fig. 23), und übt daher einen 420 Alexander Stuart, ungleichmässigen Druck auf das Sarcolemma, das einerseits durch die herausragenden Wülste stärker gedehnt wird, andererseits die durch Einschnürungen der Detritusmasse freigelassenen Räume auszufüllen strebt, was zuerst zu Faltenbildung Anlass giebt, dann wenn durch die Zusammenziehungen des Muskels die Spannungsunterschiede der verschiedenen Stellen vergrössert werden, auch zu Querrissen führt. Bei relativ schwächeren Aetzungen ist die unthätig gewordene geätzte Schichte dem Drucke und Zuge des unterliegenden Muskels, seiner Dünnheit wegen, im hohen Grade ausgesetzt, was zur Folge hat, dass Fasern mit glattem, nicht ballenförmig zusammengepresstem Inhalte, eine verschwindend kleine Zahl bilden, und je länger die Aetzung fortbesteht, desto mehr nimmt die Zahl der Risse des jetzt seine ursprüngliche Elasticität verlierenden Sarcolemma’s zu, die nach Belieben bei unvorsichtiger Präparation noch vermehrt wer- den können. Erreicht die Dicke der unmittelbar geätzten Schichte etwa 2 Mm., so bildet sie eine Art Panzer um den Muskel, dessen Kraft ausreicht um ihn zu bewegen, aber nicht dazu, um ihn so zu beugen und zu zerren, wie es mit dünneren Schichten geschieht. Diese Veränderungen werden streng localisirt auf die von dem Aetz- mittel direkt betroffenen Fasern, und wenn es nicht etwa durch das in die Wunde hinfliessende Blut in weitere Regionen fortgeführt wird, so sind nur diese Fasern und von ihnen blos die einzelnen direkt betroffenen Theile in die Veränderung hineingezogen, die übrigen Theile aber der körnigen Entartung verfallen. Die Muskelfasern, die unter dieser Detritusschicht liegen und welche von dem Aetzmittel nicht direkt betroffen wurden, zeigen ganz anderes Verhalten. Sie werden der Sitz einer durchgreifenden Ver- änderung, die verschiedene Entwickelungsstufen durchmachend, als endliches Resultat die Umwand- lung der Proteinsubstanz der Muskelfaser in Fett ergiebt. Einige Autoren haben die Muskelatrophie als ein allmähliges Schwinden der Muskelsubstanz unter dem Drucke eines üppigen Nachwuchses von sich aus dem Bindegewebe entwickelnden Zellen betrachtet (Billroth, Böttcher). Ich muss aber als Sitz. des pathologischen Vorganges das Muskelgewebe selbst bezeichnen, und wenn auch das Auftreten neugebildeter Zellen im Bindegewebe be- obachtet wurde, so war es in einem nur untergeordneten Grade, Experimentelle Studien über die fettige Entartung des Muskelgewebes. 421 wobei dieses Auftreten keineswegs als bedingende Ursache der Ent- artung angesehen werden konnte. Die erste Veränderung, die in der Muskelfaser vor dem Zu- standekommen von: formellen Umbildungen : wahrgenommen wird, betrifft die allgemein physikalischen Verhältnisse der Muskelfaser als Ganzes. Sie bietet eine zähe, elastische, glasartig durchsichtige Masse dar, die in Essig- und Phosphorsäure unlöslich, in Alkohol und nach Erhitzung über 50° coagulirend, in Aether nicht coagulirbar ist. Schwefelsäure bewirkt einen schwach gelblichen Niederschlag ; Sal- petersäure eine lebhafte Aanthoproteinsäurereaction; durch Salzsäure wird die Masse erweicht. [ Die Querstreifung erscheint sehr blass und verwaschen , dabei erscheint sie am bestimmtesten auf der Oberfläche der Faser, be tieferer Focaleinstellung in dickeren Fasern scheint sie manchmal ganz zu fehlen, die Farbe der Faser ist eine durchsichtig weissliche, ins bläuliche übergehend und ein wenig opalescirend. Alle diese Umstände deuten auf eine Veränderung der chemischen Zusammen- setzung der Faser, dabei deuten die oben angegebenen Reactionen darauf hin, dass diese Veränderung im Sinne einer Annäherung zu der Zusammensetzung des gewöhnlichen Albumins (Serumalbumin?) vor sich gegangen ist. Da diese Reactionen nur auf microchemischem Wege gewonnen wurden, so können sie selbstverständlich nur auf eine solehen zukommende Genauigkeit Ansprüche machen. Solches- Blasswerden der Muskelfaser wurde vielfach beobachtet (Virchow Böttcher, Oppenheimer, OÖ. Weber), meistens aber neben anderen Veränderungen, oder als selbstständige »glasartige« Ent- artung aufgeführt, weniger aber als Ausgangspunkt jeder weiteren Entartung betrachtet, wofür wir es jedenfalls halten müssen. Dieses Blasswerden betrifft die Fleischtheilchen wie die Umhül-- lungsmasse, vorläufig aber ist auch mit den besten Linsen keine andere Veränderung der bestehenden und keine Herausbildung neuer con- stituirender Elemente zu bemerken. 2 Bei der weiteren Verfolgung des Entartungsprocesses wird man- gewöhnlich zuerst auf das Auftreten der sogenannten »interstitiellen« Körnchen aufmerksam, die wegen ihrer Grösse und ihres starken Bre-: chungsvermögens zuerst bemerkt werden, die aber nicht die Anfänge des Entartungsprocesses darstellen, söndern das zuerst deutlich her-- vortretende Stadium desselben. M. Schultze, Archiv f. mikrosk. Anatomie. I. Bd. mw n 422 Alexander Stuart, Parallel mit dem Blasswerden der Faser geht eine tiefereifende morphologische Veränderung derselben vor sich, mdem die Bestand- theile der Fibrille (Fleischtheilchen und umhüllende contractile Sub- stanz), die vorhin als homogene, nur verschieden dichte Substanzen sich darboten, jetzt in moleculäre Massen sich differenziren, deren ein- zelne Molecüle auf der Grenze des Wahrnehmbaren stehen; obgleich dieser Vorgang in an sich selbst schon sehr feinen Theilen statt hat, ist er doch mit hinreichend feinen Mitteln und Methoden deutlich wahrnehmbar. Durch Zusammenfliessen dieser Molekeln werden grössere, an Umfang sich den Fleischtheilchen nähernde Körnchen gebildet. Ihre Lage, vorzugsweise in Längsreihen, wird durch die Organisationsver- hältnisse der Muskelfaser bedingt; da die die Zwischenräume der Fleischtheilchen einnehmende contractile Substanz weniger dicht ist als letztere, so lagern sich die neugeformten Körnchen vorzugsweise in derselben ein, besonders aber auf den Stellen, wo die oben beschrie- benen Zwischenräume der Fibrillenbündel sich befinden, und da die seitlichen Zwischenräume grösser als die verticalen sind, so ist auch eine solche Lagerung, noch mehr aber in den Räumen zwischen je vier Fleischtheilchen, die natürlichste, womit auch das auf mehre- ren Stellen der Faser immer vorkommende Aneinanderreihen der Degenerationskörner leicht erklärlich wird. In dieser Weise schreitet die Entartung immer weiter fort, die Körnerablagerung wird nicht gleichmässig in allen Theilen der Faser vollzogen, sie geht vielmehr von mehreren Centren aus, sich stärker in Längs- (das heisst in der Richtung der Muskelfaser) als in der Querrichtung ausbreitend ; als Resultat dieser Thätiekeit erscheinen in verschiedenen Abständen von einander stehende, parallelverlaufende, unterbrochene Reihen perlschnurartig aneinandergereihten Körner ; zu derselben Zeit ist aber die pathische Thätiekeit auch in der Querrichtung, wenngleich viel schwächer wirksam; da aber die ursprüngliche Textur der Mus- kelfaser durch die vorhergegangenen Veränderungen geschwächt wurde, so sind die Bahnen zu den Ansammlungsorten der ausge- schiedenen Molekeln nicht mehr so scharf bezeichnet wie früher, was zur unmittelbaren Folge hat, dass die jetzt gebildeten Körner nicht mehr in derselben regelmässigen Ordnung, wie es früher ge- schah, abgelagert werden; vielmehr bildet sich eine grössere Anzahl kleinerer, in Unordnung oder haufenweise liegender Körner; aus- serdem bleiben noch zwischen den gebildeten Körnchen einzelne Par- tien nicht geformter Molecularmasse. Experimentelle Studien über die fettige Entartung des Muskelgewebes. 423 Je mehr Thätigkeitscentren zu derselben Zeit in einer Stelle der Faser entstanden sind, desto regelmässiger sind die Reihen der neugebildeten Körner; je allgemeiner und allmähliger die Verände- rung eingetreten ist, desto unregelmässiger in Grösse und Anord- nung sind dieselben. Durch ihre Form und Grösse unterscheiden sich die Entartungskörner nur sehr wenig von den normalen Fleisch- theilchen ; desto grösser aber ist der Unterschied in ihren allgemein- physikalischen Eigenschaften. Die Entartungskörner haben einen viel geringeren Brechungscoefficienten als der der Fleischtheilchen ist, der- selbe scheint zwischen dem Brechungscoefficienten der eontractilen Sub- stanz und dem der Fleischtheilchen zu stehen. Diese Verminderung des Brechungscoefficienten ist durch die geringe Dichtigkeit des entar- teten Gewebes bedingt, und da bei der Entwickelung des Entartungs- processes kein Substanzverlust (den Substanzverlust durch die phy- siologische Leistung nicht mitgerechnet, der aber in diesem Falle in der Gefangenschaft höchst unbedeutend ist) zu bemerken ist, so kann die bei solchen Entartungen wahrnehmbare Diekenzunahme des Mus- kelbündels dadurch erklärt werden, dass die im Sarcolemmasacke enthaltene Masse durch die Verminderung ihrer inneren Dichtigkeit gezwungen ist sich im Raume mehr auszubreiten, wozu ihr die Ver- minderung der Widerstandsfähigkeit des Sarcolemma’s auch die beste Gelegenheit giebt. Ausserdem zeigen die Entartungskörner gar keine Spuren der für die Fleischtheilchen so charakteristi- schen Doppelbrechung. Diese in so hohem Grade merkwür- digen Eigenschaften dieser Körner zeigen uns, dass der Entartungs- process nicht nur in Veränderungen der formellen Bestandtheile des Muskelgewebes besteht, sondern vielmehr ihm eine tiefe Umgestal- tung in der molecularen Beschaffenheit des Gewebes zu Grunde liegt; eine Thatsache, die von unverkennbarer Tragweite für die Auffas- sung des krankhaften Vorganges und dessen weitere Entwickelung ist ’). In diesem Stadium der Entartung bietet das Sarcolemma auf- fallende Veränderungen, die in einer bedeutenden Verdickung,, in 1) Aus diesem Beispiele sehen wir wieder, von welcher Wichtigkeit die Anwendung des polarisirten Lichtes ist in allen den Fällen, wo es sich darum handelt, Aufschlüsse über die innere moleculare Structur eines orga- nischen Körpers zu erhalten. 424 Alexander Stuärt. einem Verlust der ursprünglichen Derbheit und Opakwerden beste- hen, was auf eine Durchtränkung der Membran mit der sich‘ jetzt in der Muskelfaser ansammelnden Exsudatflüssigkeit zurückgeführt werden kann. Seine Elasticität ist aber noch so gross, dass die Gon- tractionen der Muskelfasern nicht zu solchen Rupturen führen, wie es im vorigen Falle war. Bei unaufmerksamer Beobachtung erscheint das Sarcolemma durch angeklebte Exsudatflüssigkeit und feine Ent- artungskörner noch dieker und mit rauher innerer Oberfläche, was natürlich nur eine Täuschung ist. Die Muskelkörperchen vergrössern sich in einem ansehnlichen Maasse, behalten aber ihre Zusammensetzung; das Blasswerden der Muskelfaser erlaubt es, sie im frischen Zustande auf sehr genaue Weise zu beobachten, wobei man sich deutlich vom Mangel der ihnen vielfach zugeschriebenen Membran überzeugen kann. Vermehrung derselben kommt nur in einer viel späteren Zeit und auch in weit geringerem Maasse vor, als es von Vielen angenommen wird. In einem solchen Zustande trifft man die Muskelfaser 2—3 Wo- chen nach der Aetzung. In den folgenden Wochen unterliegen die Entartungskörner einer noch durchgreifenderen Veränderung, indem ihre Albuminmasse sich in Fett umwandelt. Zuerst ist diese Umwandlung nur vereinzelt, nach und nach aber greift sie stärker um sich, bis der überwiegendste Theil der Muskelmasse sich in Fett verwandelt hat, was je nach Umständen manchmal schon in 8 Wochen, gewöhnlich aber nicht vor 3 Monaten geschieht. Da die Umwandlung eine allmählige ist, so lässt sich ein bestimmter Zeit- punkt überhaupt nicht angeben; die Dauer der Entartung hängt ausserdem von der Stärke der Aetzung und der Jahreszeit ab; im Allgemeinen halten die so reizbaren Frühlingsfrösche starke Aetzun- gen und Gefangenschaft nicht lange aus; die beim Anfange mei- ner Versuche angewandten Frösche hielten sich nicht sehr gut, da sie schon sehr abgespannt durch die lange Wintergefangenschaft waren und bei der strengen Kälte (November) es immer schwieriger war ihnen eine geeignete gleichmässige Temperatur zu verschaffen. Das durch die Umwandlung der Entartungskörner gebildete Fett erscheint zuerst in Form von kleinen Tröpfchen, die mit den ne- benan liegenden sich zu vereinigen streben, was zur Folge die Bil- dung grösserer Fetttropfen hat; vor oder nach dieser Vereinigung bilden sich um diese Fetttröpfchen, durch Fällung der sie umgeben- den albuminoiden Exsudatflüssigkeit, ganz feine, durchsichtige Häut- Experimentelle Studien über die fettige Entartung des Muskelgewebes. 425 chen, eine Erscheinung, die überall beim Zusammentreffen von Fett und Albuminsubstanzen stattfindet und die, wie bekannt, von Ascher- son auch experimentell erzeugt wurde. Die so umhäuteten Fett- tropfen können sich nicht mehr miteinander vereinigen, bis durch änsseren Druck ihre Häute zum Platzen gebracht werden, was auch vielfach geschieht. Die Häutehen können bei unvollständiger Aus- ziehung mit Aether auf sehr zierliche Weise dargestellt werden, in- dem sie dabei schrumpfen und Falten bilden. In der Weise wird es leicht erklärlich. warum die Grösse und Lagerung der Fetttröpfehen so verschieden ist; zuerst sieht man nur ganz kleine zerstreut liegende Kügelchen, später findet man öfters die von Virchow hervorgehobenen Reihen perlschnurartig an- einandergereihter, ovaler Fetttröpfehen; zu dieser Gattung gehören die Köllik er’schen »interstitiellen Körnchen«, die bei lange unthä- tigen Muskeln sich immer bilden ; in den späteren Stadien fliessen die kleineren Fetttröpfehen in grössere zusammen, die dann wieder die runde Form annehmen, da zu der Zeit der innere Zusammen- hang der Bestandtheile der Muskelfaser derartig gelockert ist, dass der neugebildete Tropfen keinen Druckeinwirkungen ausgesetzt wird. Man darf diese (oft 1/,—1 Mm.) grossen Blasen durchaus nicht mit den in dem- Bindegewebe des Muskelbündels bei längerer Unthätig- keit und reichlicher Nahrung sich entwickelnden Fettzellen verwech- seln. Diese entwickeln sich ausserhalb der Muskelfaser aus von aussen zugebrachtem Materiale, jene dagegen in der Faser aus dem umge- bildeten Faserinhalte. Böttche’r hat ganz Recht, wenn er sagt, dass wir weitere Aufschlüsse über die Bildung von Fett im den Muskeln nur durch das Mikroskop erhalten können, denn z.B. in den beiden hier angeführten Fällen wird die chemische Analyse uns dieselben Resultate geben, es ist aber einleuchtend, wie wesentlich verschie- den die beiden Processe sind. Aus allem oben Mitgetheilten geht hervor, dass wir eine einfache Umbildung des albuminoiden Muske Ifa- serinhaltes in Fett anzunehmen haben; diesen Fettinhalt nur auf ge- steigerte Zufuhr von Fett zu reduciren, wie es von Einigen gesche- hen ist, haben wir: gar keine Veranlassung. Die Zufuhr geschieht wohl, aber dann manifestirt sie sich durch die oben berührten Ab- lagerungen von Fettzellen im Bindegewebe; sie könnte auch im Mus- kelinhalte selbst geschehen, aber wir können es nicht wahrnehmen, daher eine solche Annahme Angesichts einer mehr naturgemässen und unmittelbar wahrzunehmenden als nicht nothwendig erscheint. 426 Alexander Stuart. Die Untersuchung der durch Auspressen gewonnenen Fette und des Aetherextractes ergab, dass wenn auch Beimischungen von Pal- mitin und Stearin wahrscheinlich sind, so besteht es hauptsächlich aus Olein. Dieselben Erscheinungen, welche in unserem Falle durch Aetzungsreiz in der Muskelfaser hervorgebracht wurden, können auch durch den Reiz, den die Anwesenheit parasitischer Nematoden bedingt, zu Tage treten. In den von mir untersuchten Muskeln, die durch Trichinen (Kaninchen) oder den Myorycetes Weismanni Eberth, (Frosch, Triton) infieirt waren, war der Gang des Entar- tungsprozesses durch die bedeutendere Stärke des Reizes viel heftiger und schneller; ausserdem wurde durch die beständigen Bewegungen des Thieres die regelmässige Ausbildung grösserer Körner gehindert, daher auch der Muskel bald mit kleinen, rundlichen, gleichgrossen, starklichtbrechenden Körnern ausgefüllt erscheint. Die Verhältnisse bleiben aber im allgemeinen dort wie hier absolut dieselben, obgleich in letztem Falle die Erscheinung nicht so prägnant erscheint, da ihr Entwickelungsgang ein vielfach gestörter ist. In beiden Fällen kann es leicht zur Resorption und Ausgleichung des gebildeten Fettes kommen; so ist der von den Trichinen ausgeübte Reiz, obgleich sehr stark doch nicht sehr lange andauernd, da er nach der Ein- kapselung der Trichine grösstentheils aufhört; ebenso, wenn der Aetzungsreiz kein starker und oft wiederholter ist, kann es zur Aus- gleichung kommen, vorausgesetzt dass die Fettumbildung nicht zu weit um sich gegriffen hat. Ueberhaupt ist die fettige Entartung der Muskeln in ihren mittleren Stadien dem Organismus nur insofern unmittelbar schädlich, als sie durch die dadurch bedingte Lähmung der Bewegungen mittelbar eingreifend auf die Thätigkeit lebens- wichtiger Organe wirkt. Aus der Vergleichung der oben angeführ- ten Beschreibung des Entartungsvorganges mit den bis jetzt von den Autoren gemachten Angaben ersieht man, dass dieselben haupt- sächlich die letzten Stadien der Entartung, wenn die fettige Um- wandlung schon vorgeschritten ist, betreffen, ohne die ersteren zu berühren. Die fortgeschritteneren Grade der Entartung werden durch eine beträchtliche Volumabnahme des ganzen Muskels begleitet, die in einer Resorption und Ausscheidung des neugebildeten Fettes ihren Grund findet. Es scheint, dass bei mässigeren Graden der Entartung der Schaden ein leicht ausgleichbarer ist, wobei die Muskelkörperchen sicherlich eine wichtige Rolle zu spielen haben, worauf man aus ih- Experimentelle Studien über die fettige Entartung des Muskelgewebes. 427 rem Wachsthume und ihrer wiederholten Theilung zu schliessen hat; eine Thätigkeit, deren Endresultat ebenso wie die Zustände der Faser bei sehr starker Entartung nach geschehener Fettresorption ich leider in zu geringem Maassstabe zu beobachten Gelegenheit hatte, als dass ich darüber sichere Mittheilungen machen könnte. Ich will nur bemerken, dass die Fettmetamorphose auch in den Muskelkörperchen parallel mit der des Faserinhalts vor sich geht, so dass sie keineswegs die Centren sind, in welchen die Entartung zuerst entsteht, wie es mehrfach angenommen wurde , in ihnen ist freilich jede Veränderung viel leichter zu sehen als im Parenchym, besonders wenn man dickere Fasern untersucht. Dass bei dem Aetzungsreize die Entartung eine viel leichter ausgleichbare ist als die in verschiedenen Krankheiten entstandene, wo eine solche auch durch eine Reihe von Jahren ohne solche Ausglei- chung fortbestehen kann (wie in den Meryan’schen Fällen), ist dahin zu erklären, dass hier nur ein verhältnissmässig vorübergehender Reiz wirkt, während in jenen Krankheiten ein andauernder besteht, durch allgemeine Störungen hervorgebracht. Heidelberg, Juli 1865. Erklärung der Abbildungen auf Taf. XXV. Fig. 1. Schema einer Muskelfibrille. Die zwei mittleren Fleischtheilchen und die umhüllende contractile Masse a. sind in körniger Entartung be- griffen. Fig. 2. Durch unmittelbare Einwirkung des Aetzmittels auf den Faserinhalt in Detritusmasse zerfallene Muskelfaser. 350/1. Fig. 3. Bei beginnendar Entartung brüchig gewordene Muskelfaser, die eine Neigung zum Zerfall in horizontale Scheiben zeigt. 350/1. Fig. 4. Muskelfaser mit vergrösserten, theilweise mit Fetttröpfehen ange- füllten Muskelkörperchen. 400/1. Fig. 5. Körniger Zerfall der Muskelfaser, mit schwachen Spuren der Fett- entartung- 250/1. Fig. 6. Vorgerücktes Stadium der Fettentartung. 250/1. Echiniscus Sigismundi, ein Arctiscoide der Nordsee. Von i Max Schultze. Hierzu Taf. XXVI. Die kleine Gruppe der Aretiscoiden') unter den Glieder- thieren gehört ohne Zweifel zu den verbreitetsten Thieren der Erd- oberfläche. Ihre zahlreichen Arten finden sich überall im Moos der Dächer, Bäume, Zäune, der Felsen, m der Ebene wie auf Bergen so constant und in solcher Menge, dass kaum eine Erbse gross von der erdigen Unterlage dieser Moose in Wasser vertheilt durchsucht werden kann, ohne auf Exemplare derselben zu stossen. Auch in Tümpeln und Gräben trifft man sie, wenn auch mehr vereinzelt doch immerhin sehr verbreitet an. Unter diesen Umständen konnte es Wunder nehmen, dass das Meer so gut wie gar keine Vertreter dieser interessanten Gliederthiere berge. Denn so musste man an- nehmen, nachdem in den letzten Jahrzehnten die Fauna mikrosko- pischer Thierchen unserer Meeresküsten von so vielen unermüdlichen Forschern festgestellt worden, und nur einem Einzigen unter ihnen ein Mal ein Arctiscoide im Meerwasser vorgekommen war. Wir ver- danken Dujardin die ziemlich unvollständige Kenntniss eines sol- 1) Mit diesem Namen bezeichne ich nach dem Vorgange meines Vaters C.A.Sigmund Schultze die „Tardigrades“ von Dujardin u. Doyere. Vergl. C. A. S. Schultze: Echiniscus Creplini, animalculum e fami- lia Arctiscoidum. Gryphiae 1861. Vergl. auch Dr. Greef über das Nerven- system der Bärthierchen dieses Archiv p. 101, Anmerkung. Echimiseus Sigismundi. 429 chen 'Thieres'), welches einer seiner Schüler an der Wand eines Meerwasser enthaltenden Glases auffand. Dasselbe zeichnet sich vor den bekannten Arctiscoiden durch die Länge und Gliederung seiner Beine aus, wie die Fig. 5 der zu diesem Autsatz gehörigen Tafel zeigt, welche eine Copie einer der Dujardin’schen Abbildungen ist. Die geringe Grösse des Thieres (4,—;, Mm.), seine grosse Weich- heit und Empfindlichkeit, die Dujardin gegenüber der Festigkeit der Gewebe anderer Arctiscoiden hervorhebt und der Mangel an Geschlechtstheilen lassen der Vermuthung Raum, dass es jugendliche Individuen gewesen, welche Dujardin vorgekommen sind, und dass sie bei weiterer Entwicklung und den bei allen Arctiscoiden sich wiederholenden Häutungen möglicherweise noch Veränderungen der Gestalt eingehen. Kein späterer Beobachter hat etwas von diesem Thiere, das Dujardin mit dem Namen Lydella belegte, oder überhaupt einen Arctiscoiden des Meeres wiedergesehen. Die gewöhnlichen Gesellschafter der Arctiscoiden sind Anguil- lulinen, Räderthiere und gewisse Amoeben. Als ich mich in Ostende mit der Fauna der Austernparks beschäftigte, de- ren schlammartiger Bodensatz von mikroskopischen Thieren wim- melt und grade die letztgenannten Arten in ungeheuren Massen beherbergt, trat mir der Gedanke, dass an diesen Orten auch Arctiscoiden vorkommen möchten, so nahe, dass ich lange nach solchen suchte. Meine Mühe war vergeblich, wurde dagegen be- lohnt, als ich statt der geschlossenen Bassins mich zu den der täglichen Ebbe und Fluth ausgesetzten Pfählen wandte, welche vor dem steinernen Deich eingerammt sind, und die auch bei der Ebbe von Wasser bedeckten oder doch ganz nassen kurzen braunen Algen und Schizonema-Fäden, welche daselbst wachsen, abkratzte und mit ihrem sand- oder schlammartigen Wurzelboden unter dem Mikroskope ausbreitete. Unter Anguillulinen, Räderthieren, Infuso- rien, Diatomeen etc. krochen mir muntere Arctiscoiden entgegen. Diese gehörten alle einer Art an, welche von den bisher bekann- ten wesentlich abweicht und deren Beschreibung die nachfolgenden Zeilen gewidmet sind. Aber ich bin nicht der einzige Entdecker derselben. Der gleiche Arctiscoide ist von Herrn Dr. Greef gleichzeitig auch in Helgoland 1) Annales des sciences nat. 3ser. 1851, Tom. V, pag. 1€4, Tab. 3. Fig. 9, 10, 11. 430 Max Schultze. aufgefunden worden. Dr. Greef, dessen Studien über die Arectis- coiden wir den werthvollen Aufsatz über das Nervensystem der Bär- thierchen (dieses Archiv p. 101) verdanken, durchmusterte, wie er mir erzählt, auf Helgoland die Dächer und Bäume, den Sand und endlich auch die mit Algen bewachsenen aus dem Meere hervorra- genden Pfähle der Küste auf Arectiscoiden. ‚Am letzteren Orte stiess ihm dieselbe und wiederum auch nur diese Species auf, die-ich in Östende beobachtet habe. Wahrschemlich also wird dieselbe auch an vielen anderen Küsten vorkommen. Der Echiniseus Sigismundi (Taf. XXVI Fig. 1. u. 2), wie wir die Art meinem Vater zu Ehren, welcher die Gattung Echi- niscus aufstellte !), genannt haben, gehört zu den kleineren unter den Arctiscoiden. Seine ganze Länge beträgt in den grössten von uns beobachteten Exemplaren nur 0,08—0,09°. Derselbe ist farb- los und durchsichtig, nur der Darmkanal tritt mit gelbbrauner Farbe hervor, die wahrscheinlich wesentlich von der aus Algen be- stehenden Nahrung herrührt. Dass wir die Art der Gattung E chi- niscus einreihen, beruht auf der Bildung des Kauapparates, der Krallen an den Füssen und der Haut des Rückens, welche eine unverkennbare Schilderabtheilung zeigt und mit einigen dorn- artigen Fortsätzen versehen ist. Die Uebereinstimmung in der Bil- dung des Kauapparates mit dem der bisher beschriebenen Echinisei ist ausserordentlich gross, wie eine Vergleichung der Figuren 1.2 u. 3 der angehängten Tafel mit den von meinem Vater in seinen Schrif- ten über Echiniscus Bellermanni und Creplini gegebenen beweist. Auch Doyere’s Abbildung des Verdauungsapparates von Emydium (Echiniscus) auf Taf. 15 Fig. 2 seiner bekannten Arbeit in den An- nales des sciences naturelles vom J. 1840 (2 Ser. Tom. XV p. 269) beweist die Uebereinstimmung in allen wesentlichen Punkten, und ein Vergleich mit seinen Abbildungen derselben Theile der anderen Arctiscoiden-Gattungen Macrobiotus und Arctiscon ?), dass unser neuer Arctiscoide im Kauapparat mit keiner der anderen Gat- tungen verwandt ist. Charaeteristisch für Echiniscus sind ferner die gleich langen, un- getheilten Krallen der Füsse, bei den bisher beschriebenen Arten zu 1) Echiniscus Bellermanni, Berolini 1840. 2) Den Kauapparat des letzteren bildet am genauesten Greef ab, die- ses Archiv Taf. IV, Fig. 1. Echiniseus Sigismundi. 431 4 an jedem Fusse vorhanden. Durchaus abweichend zeigt sich die Fussbildung bei Macrobiotus und Arctiscon. Unser Echiniscus Sigis- mundi besitzt auch nur gleich lange und ungetheilte Krallen an jedem Fusse, aber die Zahl derselben weicht merkwürdig von der der Süss- wasser-Arten ab. Die von mir beobachteten Exemplare besassen zum grösseren Theile acht Krallen an jedem Fusse , einige wenige hat- ten nur sieben, die von Dr. Greef auf Helgoland gefundenen liessen dagegen neun Krallen deutlich erkennen. Wir haben beide auf die Feststellung dieser Zahlen einen grossen Werth gelegt, da sie zur Artbestimmung sehr wichtig erscheinen mussten. Ein Irrthum kann somit nicht angenommen werden. Die Zahl der Krallen scheint immer an allen 4 Fusspaaren übereinzustimmen. Wenigstens habe ich, wo ich einmal 7 gezählt hatte, immer die gleiche Zahl auch an den andern Füssen gefunden, und ebenso bei den achtkralligen. Eine Trennung der 7, 8 und 9kralligen in verschiedene Species möchte ich aber nicht für begründet halten, da sie in jeder anderen Bezie- hung eine grosse Uebereinstimmung zeigen, und die verschiedene Zahl der Krallen, wie ich unten noch zeigen werde, auf verschie- denen Entwicklungszuständen beruhen kann. Eine gewisse Abweichung von den bisher bekannten Echinisei zeigt unsere Salzwasser-Species in der Bildung der Haut des Rückens. Echiniscus Bellermanni und Creplini sowie die Doyere'- schen Emydien, welche z. Th. mit den ebengenannten Species zusammenfallen, ebenso die von Ehrenberg in der Microgeologie (Taf. XXXV,B) abgebildeten Echinisei vom Monte Rosa, besitzen alle einen sehr deutlich segmentirten, wie gepanzerten Rücken, und sind mit mehreren Paaren längerer und kürzerer Borsten und Sta- cheln ausgerüstet. Von solcher Panzerung und Borstenbildung er- kennt man am Echiniscus Sigismundi auf den ersten Blick wenig oder Nichts. Dennoch ist eine deutliche Gliederung der Rückenhaut in Schilder und auch eine geringe Anzahl kurzer Stacheln auf der- selben vorhanden. Wie Fig. 1 zeigt ist der stark convexe Rücken in Felder abgetheilt, von denen das hinterste ganz dem letzten Rük- kenschilde der echten Echinisei gleicht, auch genau an der Stelle, wo dieses jederseits ein Borstenhaar entspringen lässt, zwei Stacheln trägt. Mehr nach vorn ist die Gliederung der Haut minder deut- lich, doch nicht zu verkennen. Aber Borsten oder Stacheln habe ich hier mit Deutlichkeit nicht mehr auffinden können. Vielleicht dass über dem ersten Fusspaare eine kurze Rücken- 432 Max Schultze, borste steht. Ich bin über die etwaige Anwesenheit einer solchen nicht vollkommen ins Klare gekommen. Dagegen ist ganz leicht zu erkennen ein auf der dorsalen Seite des vorletzten Fusspaares ste- hender Stachel, den Fig. 1 zeigt. Von sonstigen Organisationseigenthümlichkeiten unseres Echi- niscus ist nun ferner zu erwähnen, dass derselbe Augen besitzt, de- ren Grösse etwas varirt, und dass lateralwärts von den Augen auf dem Rücken jederseits zwei kleine zarte conische Fortsätze entsprin- gen, welche dicht hintereinander gelegen in Grösse und Gestalt em wenig von einander abweichen. Wahrscheinlich stellen sie irgend welche Sinnesorgane dar. Am vorderen Körperende liegt bauchwärts die kleine runde Mundöffnung, welche auch, wie m Fig. 4 gezeich- net ist, über den vorderen Rand des Körpers vorgeschoben werden kann. Ihr folgen nach hinten die Stäbchen des Kauapparates, den Fig. 3 bei sehr starker Vergrösserung darstellt. Am vorderen oder Stirnrande des Thieres springen zwei zarte, spitze, dreieckige Pa- pillen vor, deren Grösse etwas variirt, wie ein Blick auf Fig. 1 u. 2 zeigt, und an diese schliesst sich rechts und links ein flügelartiger Vorsprung des Körperrandes an, welcher in der Ansicht von der Bauchseite (Fig. 2) schärfer abgesetzt erscheint als vom Rücken ge- sehen. Der Darmkanal ist ein ausgebuchteter weiter Sack von gelb- brauner Farbe, der zwischen den beiden letzten Fusspaaren in einen After ausmündet. Von Geschlechtstheilen habe ich nie etwas wahr- nehmen können. Ich habe mehrere Individuen angetrofien, welche kurz vor der Häutung standen. In ihren Füssen zeigte sich nach einwärts von den Krallen die Anlage der neuen Krallen als eine sehr scharf ge- zeichnete Streifung, welche auch bei starkem Druck, welcher Mus- keln und Falten der Haut verschwinden machte, zurückblieb. Die grössere Mehrzahl dieser in der Häutung begriffenen Individuen hatte nur 7 Krallen, nur einmal sah ich auch in einem achtkralligen Exemplar die Andeutung neuer Fussbewaffnung. Leider war diese letztere in allen Fällen nicht der Art übersichtlich, dass sich hätte feststellen lassen, ob etwa durch die Häutung die Zahl der Krallen zunehme, eine Vermuthung , welche vollkommen begründet wird durch die Angaben Doyere’s!), nach welchen die jungen Echinisei, 1) Annales des sciences nat. 2 ser. Tom. XIV, pag. 281. o Echiniscus Sigismundi. 433 wenn sie das Ei verlassen, nur zwei Krallen besitzen, und erst nach verschiedenen Häutungen ihrer vier erhalten, wie die erwachsenen. Das unseren Echiniscus Sigismundi ‚von den bisher bekannten Arten am schärfsten trennende Merkmal ist nach Obigem die Zahl der Krallen, die sich von der gewöhnlichen Zahl 4 hier plötz- lich auf S und 9, also bis auf das Doppelte und darüber steigert. Alle übrigen Organe sind den Arten des süssen Wassers zum Ver- wechseln ähnlich. In anderer Richtung nicht minder weit verschie- den ist das Vorkommen und die Lebensweise. Giebt es einen grösseren Unterschied in der äusseren Umgebung als ihn die Auf- enthaltsorte des Echiniscus Bellermanni und des E. Sigismundi in sich schliessen? Während ersterer im Grunde der die Baumrinde überziehenden Moosrasen ın tockner Jahreszeit zu, man könnte sagen latentem Leben verurtheilt, nur während der einzelnen Regentage munter umherkriechend, ein vor äusseren Schädlichkeiten geschütztes Lager bewohnt, in welchem weder der strömende Regen noch der Sturmwind ihm viel anhaben kann, lebt dieser an der Küste eines in Ebbe und Fluth täglich brandenden Meeres. Frei den stürmisch andringenden Wogen ausgesetzt, bei jeder Welle in Gefahr fortge- spült zu werden, hält er sich mühsam - in der dünnen Algenvegeta- tion fest, welche die Holzpfähle dürftig überzieht. Eine mehr ge- fährdete Existenz ist kaum zu denken als die der Aretiscoiden, welche an den kurzen Pfählen sich angesiedelt haben, die vor dem grossen Steindamm in Ostende hervorragen, und bei jeder Fluth von neuem mit beweglichem Sande überschüttet und von den Wogen gepeitscht werden. Im dieser Situation kommen ihm seine 64 oder gar 72 stark gebogenen Krallen (8-9 an jedem Fusse) zweifels- ohne vortrefflich zu Statten. Was liegt näher, als die doppelte Zahl von Krallen, welche den Echiniscus Sigismundi auszeichnet als hervorgegangen zu betrachten aus dem Bedürfniss, sich im Wel- lenschlage festzuhalten. Wir meinen, wenn die überall verbreiteten Arctiscoiden des Landes die der Zeit nach früheren auf der Erd- oberfläche waren, und eine Verbreitung derselben von den Küsten in das Meer hinab erst, später erfolgte, so änderte sich hier dem Be- dürfniss entsprechend allmählig die Vierzahl der Krallen in die doppelte um. Solche Formen, bei denen dieser Uebergang begonnen hatte, konnten länger den ihrer Verbreitung hinderlichen Einflüssen der Brandung widerstehen, sie waren es also, welche sich schliesslich nach dem Gesetz der natürlichen Auslese allein erhielten und fortpflanzten. 434 Max Schultze, Ich gestehe, dass mir Nichts an dem Funde des Echiniscus des Meeres solche Freude gemacht hat, als die in solcher Weise sich aufdrängende Bestätigung der Fruchtbarkeit der Darwin’schen Hy- pothesen. Es reiht sich dieser Fund wie ich glaube würdig den schlagendsten Beispielen an, welche zu Gunsten Darwin’s geltend gemacht werden können. Hier muss ich auch des Dujardin’schen See - Arctiscoiden noch einmal gedenken. Nach den borstenartigen Fortsätzen der Haut, welche derselbe besitzt (vergl. Fig. 5), dürfte auch er der Gattung Echiniscus zunächst verwandt sein. Dass seine Fortsätze nur vorn und hinten stehen, während andere langborstige Echinisei solche auch in der Mitte des Rückens zeigen, könnte als eine weitere Stütze meiner bereits oben ausgesprochenen Ansicht gel- ten, dass das Dujardin’sche Thier nur ein junges gewesen. Denn nach Do y&re fehlen den jungen Echinisei die mittleren Borsten con- stant. So viel die Dujardin’schen Zeichnungen lehren, ist das cha- racteristische Merkmal dieser meerischen Form auch, wie bei Echinis- cus Sigismundi, in den Beinen gelegen, und scheint ebenfalls wie bei diesem darauf berechnet, das Festhalten zu erleichtern. Statt vieler Krallen an einer kurzen Extremität zeigen sich die Beine in einer für die Arctiscoiden ganz ungewöhnlichen Weise verlängert, vortrefflich geeignet dünne Algenfäden zu umklammern, um so dem Sturme der Wogen zu widerstehen. Hoffentlich wird die Lydella Dujardin’s bald einmal wieder einem Forscher in die Hände fal- len, der dann über die Art des Vorkommens im Meere, über die wir von Dujardin Nichts erfahren, berichten kann. Offenbar liegt es dem Freunde Darwin’s sehr nahe, die langen Beine in seinem Sinne zu verwerthen und von den Echinisci des Meeres ähnlich zu denken wie Fritz Müller in seinem geistvollen, an vortrefflichen Beobachtungen reichen Schrittehen »Für Darwin« die beiden Formen der Männchen von Tanais erklärt!), wie nämlich aus einer nach man- nichfacher Richtung variirenden Menge nur »die besten Riecher und die besten Packer« übrigblieben. Die Echinisei, welche sich in der Brandung des Meeres erhalten konnten, zeigen entwe- der an kurzen Beinen eine doppelte Zahl von Krallen, oder besitzen lange dünne gegliederte Extremitäten, beides Vortheile der Organi- 1) Für Darwin. Leipzig 1864, p. 15. Echiniscus Sigismundi. 435 sation, durch welche ihre Existenz mehr gesichert erscheint als die anderer, denen diese Bildung der Extremitäten abgeht. Nothwendig musste es von Interesse sein zu erfahren, was für Aretiscoiden zunächst der Meeresküste auf dem Lande vorkommen. An Bäumen fehlt es am sandigen Strande von Ostende, dagegen fand sich Moos genug an Bretterverschlägen und Gartenzäunen. In solchem suchte ich eifrig nach, und fand auch viele Exemplare von Macrobiotus und Arctiscon, welche aus dem harten dürren Lager dünner Parmelienrasen, die wochenlang keinen Tropfen Regen er- halten hatten, durch Befeuchtung mit Wasser binnen Kurzem zu lebhaften Bewegungen erwachten. Arten der Gattung Echiniscus kamen mir nicht vor. Ein gleiches Resultat gewann nach mündlicher Mittheilung auch Dr. Greef auf Helgoland, indem ihm dort in vie- len untersuchten Proben von Baum- und Dächermoos sowie im Dü- nensande wohl Macrobioten, aber keine Echinisci aufstiessen. Noch schien mir nicht uninteressant festzustellen, ob die Fähig- keit nach dem vollständigen Eintrocknen wieder zu erwachen, auch dem Echiniscus Sigismundi der Nordsee zukomme. Viel Wahr- scheinlichkeit konnte die Wiederbelebung aus dem Meerwasser ein- getrockneter Thiere nicht haben, da die allmählig sich concentri- rende Salzlösung vor dem endlichen Austrocknen voraussichtlich todtbringend werden musste. Nach meinen Versuchen finden denn auch nicht nur die Echinisci, sondern auch Anguillulinen und Rä- derthiere, welche gemeinschaftlich die Algenvegetationen der aus dem Meere hervorragenden Pfähle bewohnen, durch das Eintrocknen ih- ren Tod. Ich presste die abgeschabten braunen Massen zwischen Fliesspapier gelinde aus, trocknete sie an der Sonne und übergoss sie nach einigen Wochen mit reinem Seewasser, Bei der sofort nach dem Aufweichen begonnenen und dann während einiger Tage wie- derholten Untersuchung fanden sich jedoch nur Leichen vor. Die Eier scheinen sich dagegen im trocknen Zustande entwickelungsfähig zu erhalten. Denn nur so erklärt sich, dass dieselben Massen, als sie 4 Wochen und länger mit Seewasser übergossen gestanden hat- ten, von jungen Anguillulinen und Räderthieren wimmelten. Von unserem Echiniscus zeigte sich in diesen Präparaten jedoch nichts, vielleicht nur desshalb, weil es an geschlechtsreifen Exemplaren ge- fehlt hatte. 436 Fig. 1, Max Schultze, Echiniseus Sigismundi. Erklärung der Abbildungen auf Taf, XXVI. Echiniscus Sigismundi der Nordsee vom Rücken gesehen, mit 8 Krallen an jedem Fusse. Ein anderes Exemplar vou der Bauchseite mit 7 Krallen an jedem Fuss. Vergrösserung in beiden Figuren 400. Der Kauapparat von einem Skralligen Individuum bei 1000mali- ger Vergrössernng gezeichnet. Vorderes Körperende mit vorgeschobener Mundöffnnng. Vergr. etwa 600. Lydella Dujardin, ein echiniseusartiger Arctiscoide aus dem’ Meerwasser. Copie nach Dujardin. Zur Frage über die Endigungen der Muskelnerven. Von Dr. Richard Greeff, Privatdocenten ın Bonn. Quatrefages beschreibt in seiner Monographie der Eolidina paradoxa !), einer an der Küste der Normandie bei St. Vast la Hogue gefundenen zur Ordnung der Notobranchiaten Trosch. gehö- rigen kleinen Naktschnecke, eine Endigungsweise der Muskelnerven ähnlich derjenigen, wie sie von Doye&re bei den Arctiscoiden (Tar- digraden) °) entdeckt worden ist. Er sagt in Bezug hierauf unter anderem ?): »On voit par mon dessin que le nerf, arrive pres de son extremite, augmente en diametre de maniere a former un cöne dont la base se confond avec la substance m&me du muscle.« Qua- trefages hat also hiernach einen Doyere’schen Nervenhügel im Sinne, der nicht wie bei den Arctiscoiden sich über die Oberfläche des Muskels verbreitet, sondern mit seiner Basis sich in den letzteren hineinsenkt und mit dessen Substanz verschmilzt, was auch durch die beigegebene Abbildung (Taf. XI Fig. 12) veranschaulicht werden soll. Seitdem ist diese Angabe über Eolidina paradoxa in die zahlreichen, die Endigungen der Muskelnerven behandelnden Arbeiten der letzten Jahre vielfach mit aufgenommen und verwerthet worden. Mein Wunsch diese Beobachtung an den im Meere lebenden kleinen Naktschnecken prüfen zu können, erfüllte sich während eines ca. sechswöchentlichen Aufenthaltes auf Helgoland im August und Sep- 1) Memoire sur l’Eolidine paradoxale. Annales des sciences naturelles 1843. 2.Serie Tome XIX pag. 274. 2) Siehe dieses Archiv 1. Heft S. 101. 3) A. a. O. page. 300. M. Schultze, Archiv f. mikrosk. Anatomie. I. Bd. 29 438 Richard Greeff, tember d. J. in reichem Maasse, indem ich dort an den mit dem Schleppnetz aus der Tiefe hervorgeholten Steinen und Pflanzen ver- schiedene Arten dieser äusserst zierlichen Thierchen häufig auffand. Es waren unter diesen drei Repräsentanten der Gattung Eolidia, ferner eine Polycera (cornuta), ein Dendronotus, eine Tritonia und einige kleinere seltener gefundene Arten, die wegen Mangels der zugehörigen Literatur nicht näher bestimmt wurden. Einige von diesen, besonders die Eolidien und die Polycera cornuta standen mir ineist in grosser Anzahl zu Gebote. Ich. habe mich indessen. bei allen diesen Thieren trotz möglichst sorgfältiger und wiederholtre Untersuchung vergeblich nach emer Endigungsweise der Muskel- nerven, wie sie Quatrefages für Eolidina paradoxa beansprucht, umgesehen. Die von den Schlundganglien zahlreich austretenden und (besonders bei ganz jungen Schnecken, die wegen ihrer Kleinheit und grossen Durchsichtigkeit in toto unter dem Mikroskope beobachtet werden können) leicht zu verfolgenden Nerven theilen sich auf ihrem Wege in immer feinere Aestchen bis sie sich zuletzt selbst bei star- ker Vergrösserung nicht weiter verfolgen lassen und in dem Gewirre der nach allen Richtungen sich durchkreuzenden Muskeln verschwin- den. Indessen ist mir wohl bei diesen Untersuchungen ‚die mögliche (uelle einer Täuschung, die auch vielleicht Quatrefages zu der in: Rede stehenden Beschreibung veranlasst haben möchte, häufig vor die Augen getreten. Die Muskeln nämlich dieser Thierchen, besonders diejenigen, die die Sohle derselben ausfüllen, bestehen aus verschiedenen Lagen äusserst zarter, homogener sich. nach vielen Richtungen durchkreuzender Bänder, deren. Breite sehr variirt, so dass viele derselben von den auch im Uebrigen ein durchaus ähnli- ches Aussehen bietenden Nervenfäden, wenn man die letzteren nicht von ihrem Ursprunge verfolgt hat, schwer zu sondern sein men.öcht Hierzu kommt, dass die erwähnten Muskeln sich vielfach und unter den verschiedenartigsten Winkeln theilen und oft in der Weise, dass die beiden Theilungsschenkel von durchaus ungleicher Breite sind, indem der eine derselben bloss einen zarten Faden darstellt, während der andere noch fast die ursprüng- liche Breite und auch die Richtung des Bandes, wovon beide ausgegangen sind, beibehalten hat. Bei fast allen diesen Muskeltheilungen aber findet sich an dem Theilungswinkel eine konische Verbreitung des einen oder beider Schenkel, so dass also hier, wie leicht in die Augen fällt, das durchaus täuschende Bild Zur Frage über die Endigungen der Muskelnerven. 439 einer muskulären Nervenendigung mit Doy&re’schem Hügel sehr häufig entstehen kann, wenn man nicht mit grosser Vorsicht den Verlauf des Nerven von seinem Ursprunge an mit den Blicken fest- hält. Sind nun die zur Untersuchung dienenden Thiere sogar vorher getödtet und mit Reagentien behandelt, so trübt sich der Anfangs homogene Inhalt der Muskelcylinder und tritt dann im denselben hin und wieder eine körnige Substanz auf, wodurch also die bespro- chene Theilungsstelle des Muskels resp. die vermemtliche Stelle des Doyere’schen Hügels mit granulärer Substanz mehr oder minder erfüllt sein kann. Ich muss deshalb vorläufig, wenigstens an den von mir untersuchten 'Thieren das Vorkommen von. muskulären Nervenendigungen ähnlich denen der .Arctiscoiden bezweifeln. Man könnte freilich einwenden, dass mir nicht dieselbe Species zur Unter- suchung vorgelegen habe wie Quatrefages, nicht einmal dasselbe genus, und dass deshalb an dem von Quatrefages beohachteten Thiere sich die Sache doch anders verhalten könnte. Der Haupt- unterschied indessen, den Quatrefages veranlasst hat das von ihm beschriebene Thier als Eolidina zur besonderen Gattung ne- ben Eolidia. zu erheben, besteht einzig und allein in dem Mangel zweier ‘kleiner Hautanhänge bei dem Ersteren, nämlich der unteren au der Bauchseite liegenden und vom Munde ausgehenden, sichel- förmigen labialen Fortsätze. Im Uebrigen stimmen beide Gattun- gen (Eolidina und Eolidia) in allen wesentlichen Charakteren voll- kommen überem, so dass man vielleicht Zweifel gegen die Berech- tigung der; Eolidina als Gattung erheben könnte. Schwerlich dürfte indessen bei diesen Thieren ein so auffallender Unterschied in der innern ‚Bildung Statt finden, dass bei Eolidina eine so ausgeprägte Nervenendigung wie sie bei den Arctiscoiden sich findet, vorkomme, während dieselbe bei Eolidia und mehreren damit verwandten Gat- tungen sich der Beobachtung entzieht. Prof. Harley’s compendiöses Mikroskop. Mit einem Holzschnitt. Ein Mikroskop zu besitzen, welches mit möglichst wenig Zeit- aufwand die Anwendung verschiedener Vergrösserungen, Beleuchtun- sen, den Vortheil steroskopischen Sehens und die Benutzung des polarisirten Lichtes gestattet, ist für den beschäftigten praktischen Arzt gewiss ein Bedürfniss. Von diesem Gedanken ausgehend, liess Dr. @. Harley in London, Professor der Physiologie und Histio- logie an dem University College und zugleich Arzt, ein Mikroskop eonstruiren, welches auf »Zeitersparniss« berechnet und niedrig im Preise in England eime grosse Verbreitung gefunden hat. Prof. Harley wünscht eine Beschreibung desselben auch in diesem Jour- nal, welche wir mit einer Abbildung begleitet nachstehend geben. Das Instrument verbindet, wie es in der englischen Anzeige heisst, die Anwesenheit aller neuen Vervollkommnungen mit der Möglichkeit schneller Anwendung aller seiner verschiedenen Theile. »In der That, soweit es auf Zeitersparniss ankommt, können wir kaum glauben, dass noch eine Verbesserung ausgesonnen werden könnte. Es besitzt den weiteren Vortheil, dass seine verschiedenen Theile so zusammen- gesetzt sind, dass es eine Schwierigkeit wäre, sie in Unordnung zu bringen. Alles was zum Mikroskop gehört, das Prisma für bino- culare Combination, der Polorisationsapparat, der Condensor, die ver- schiedenen Objektive für starke und schwache Vergrösserungen, alles ist in Zusammenhang gebracht und in der Weise angeordnet, dass der Beobachter im Stande ist diese Theile in Gebrauch zu setzen, Prof. Harley’s compendiöses Mikroskop. 441 ohne dass eine einzige Schraube gelöst zu werden braucht, ja dass nur ein Augenblick Zeit verloren geht. RT) ANINIDT. IE AN m ——— = w Wie die Abbildung zeigt, ist das Mikroskop auf den Boden eines Mahagoni-Kastens befestigt, welcher zugleich die Unterlage bil- det. Um diese läuft eine Rinne zur Aufnahme des Randes einer 442 Prof. Harley’s compendiöses Mikroskop. Glasstürze. Das Instrument ist, wie gebräuchlich, von polirtem Messing und 18 Zoll hoch. Die Oeulare sind mit Schirmen versehen zum Schutz für die Augen, eine Einrichtung, die sich namentlich bei anhaltendem Gebrauch als äusserst nützlich bewährt. An dem Ende des queren Arms ist der Kasten, welcher sowohl das Wen- ham’sche binoeulare Prisma als den Analysator für den Polarisa- tionsapparat birgt, und durch blosses Ausziehen oder Einschieben desselben kann das Mikroskop augenblicklich aus einem binocularen in ein monokulares oder in ein Polarisationsmikroskop umgewandelt werden. Unmittelbar unter dem queren Arm sind die beiden Objeetive, ein starkes (1/4) und ein schwaches (1°) so angebracht, dass um die Vergrösserung zu wechseln nur eine Bewegung derselben vor- oder rückwärts nöthig ist; und da diese mit einer Schraube befestigt sind, können sie leicht, wie man Objeetive zu wechseln pflegt, gegen andere stärkere, wie sie der Beobachter wünscht, umgetauscht wer- den. Das Mikroskop hat grobe und feine Einstellungsschrauben, einen magnetischen Apparat auf dem Objecttisch zum Festlegen der Objecte bei schiefer Stellung des Mikroskopes und eine Rinne in dem magnetischen @Querbalken zur Applikation von Maltwood's Finder. Unter dem Objecttisch in dem Diaphragma ist der Polari- sator für den Polarisationsapparat angebracht. Der Doppelspiegel besitzt ein dreifaches Gelenk, so dass schiefes Licht in allen Rich- tungen einfallen kann. Kurz wir müssen wiederholen, es ist schwer ein Mikroskop zu ersinnen, welches einfacher und zugleich vollkom- mener wäre als Dr. Harley’s Instrument, wie es Mr. Collins in London (Great Titschfield Street) für 12 Pfund anfertigt.« Ueber billige und gute Mikroskope. Von Das Bedürfniss der Mikroskope für die naturforschende und me- dizinische Welt bedarf zur Zeit keiner Erörterung mehr, denn jene sind den wissenschaftlichen Aerzten, namentlich Deutschlands, zu un- entbehrlichen Werkzeugen geworden. Aber woher, von welchem optischen Institute ein solches Instru- ment zu beziehen, wie oft begegnet man dieser Frage! Wie häufig befindet sich ein beschäftigter Lehrer mikroskopischer Disziplinen in der Lage, hierauf eine Antwort ertheilen zu müssen ! Ich habe in einem kleineren, wesentlich für das praktische Be- dürfniss des Arztes bestimmten Buche vor nicht langer Zeit nach bestem Wissen diesen Gegenstand zu erörtern gesucht, und die fol- senden Erfahrungen konnten mich nicht veranlassen, bei einer neuen Auflage jener Schrift mein Urtheil wesentlich zu ändern. Für die Erwerbung eines grossen und vollständigen, alle Anforderungen er- füllenden Instrumentes ersten Ranges habe ich dem früheren Ober- häuser’schen Institute in Paris, welches jetzt durch Hartnack’s Talent einen so glänzenden Aufschwung genommen hat, den ersten Preis ertheilen müssen, allerdings nur unter den continentalen Op- tikern. Denn englische Instrumente aus den drei grossen Londoner Firmen vonPowell and Lealand, vonRoss, von Smith, Beck and Beck mit allem Reichthum ihrer Ausstattung sind mir nicht aus eigener Anschauung bekannt, indem ich nur ältere und kleinere jener Mikroskope gesehen habe. Ich kann daher auch den Werth der kürzlich vonPowell andLealand hergestellten riesenstarken 444 H. Frey, Objektive nicht beurtheilen, obgleich ich ihn für einen hohen zu nehmen geneigt bin. Der gewaltige Preis wird für unsere continen- talen Geldmittel m der Regel zum unüberwindlichen Hindernisse. Ein Optiker des Festlandes, welcher für mässige Summen jene gewalti- gen Systeme herzustellen lernte, würde sich um die Wissenschaft ein grosses Verdienst erwerben. Allerdings nur die Wenigsten sind in der Lage ihrer zu bedürfen. Die meisten Arbeiten und Untersuchungen können mit weit schwä- cheren Vergrösserungen gemacht werden und der Arzt kann mit einem Instrumente, welches eine gute Vergrösserung von 300 gewährt und mit emer brauchbaren von etwa 500 schliesst, zufrieden sein. Solche Mikroskope aber, wenn sie nicht allzu ärmlich ausgestattet sind, können um die Summe von 40—50 Thalern erworben werden und von einer richtigen Quelle bezogen, leisten sie mehr als die dop- pelt so theuren, welche uns vor zwanzig Jahren beim Arbeiten zu Gebote standen. Woher sind diese nun zu erwerben und welche Ausstattung soll ein derartiges Instrument besitzen? Die Beantwortung der Frage st manchem Leser des Archivs möglicherweise eine erwünschte. Zum Arbeiten bedarf man einer schwachen, einer mittleren und einer stärkeren Vergrösserung. Dieselbe wird bekanntlich durch Lin- sensystem und Okular am zusammengesetzten Mikroskope erhalten. Das Linsensystem vergrössert den Gegenstand, das Okular nur ddas von jener Kombination gelieferte Bild. Eine Foreirung der Ver- grösserung durch überstarke Okulare ist somit ohne Werth für die optischen Leistungen emes derartigen Werkzeuges. Die Wirkung des Okulars findet daher eine weit schnellere Grenze als man glaubt; das Bild wird zwar grösser, aber schlechter. Wir werden daher jene Anforderung einer dreifachen Vergrös- serung nicht mit einem einzigen Linsensystem und drei Okularen erfüllen können. Wir werden vielmehr wenigstens zweier Systeme bedürfen mit zwei Okularen. Lässt sich noch ein drittes stärkeres Ökular mit Vortheil . verwenden, so ist dieses em Vorzug des In- strumentes. Das Gestell bedarf dann einer weiteren Erörterung. Ist es auch nicht in erster Linie wichtig, steht es dem optischen Theile nach, so ist seine Beschaffenheit nicht gleichgültig; ja indem es Träger des Beleuchtungsapparates ist, greift es in die optische Leistung för- dernd oder hemmend ein. Ueber gute und billige Mikroskope. 445 Ein Stativ, welches eine gröbere und feinere Bewegung der Röhre gestattet, einen Objekttisch von einer wenigstens 1!/; Zoll betragenden Breite und gegen 3 Zoll Länge soll ein derartiges Werkzeug besitzen. Zur Erleuchtung ist ein doppelter (d.h. mit einer ebenen und einer concaven Fläche versehener)' und in freier Bewegung arbeitender Spiegel] sehr wünschbar. Hat er nur eine spiegelnde concave Flä- che, so ist dieses ein gewisser Mangel. Fehlt es aber an einer Vor- richtung zum Abdämpfen des Lichtes, besitzt das Mikroskop keine unter dem Tische sich drehende Scheibe oder keine in die Oeffnung jenes einsetzbare Oylinderblendungen, sosliegt hierin ein sehr beträcht- licher Uebelstand. Ein Messapparat, d.h. ein in ein Okular einzulegender Glasmi- krometer, muss als werthvolle Beigabe bezeichnet werden. So sollte ungefähr das um den genannten Preis zu erwerbende Instrument beschaffen sein. Hartnack hat dem grossen Oberhäuser’schen sogenannten Hufeisenstative ein verkleinertes Modell nachgebildet. Dieses, sein kleines Hufeisenmikroskop hat sich des verdienten Beifalls erfreut und ist mannichfach bald mit grösserem bald geringerem Geschicke von andern Optikern nachgeahmt worden. Jenes Instrument mit zwei Linsensystemen No. 4 und No.7 versehen, sowie mit zwei Okularen (No.2 und 3 oder No.3 und 4) ist für etwas mehr als 50 Thaler zu haben und zu grosser Verbreitung gelangt. Linsen und Okulare, Beleuchtungsapparat, Mechanismus — alles ist vortrefflich. Nur der Spiegel sollte an der Stange einer senkrechten Auf- und Abbewe- gung fähig sein. Aber ein Mann, ein Institut kann nicht allen Anforderungen genügen. Ich war vor Jahren oft m Verlegenheit, wenn ich andere Firmen bezeichnen sollte, von welchen ähnliche Instrumente um mäs- siges Geld zu erwerben wären. Ich freue mich jetzt eine Firma nennen zu können, von steht einem derartigen Bedürfnisse Genüge geleistet wird. Ich meine nämlich das Institut von @. & L. Merz in Mün- chen. Schon vor Jahren hat einer der tiefsten, gründlichsten Ken- ner des Mikroskops, Harting, starken Linsensystemen dieser Firma ein hohes Lob ertheilt. £ Meinem verehrten Kollegen von Siebold in München ver- danke ich neben so mancher Freundlichkeit im Leben die erste Be- kanntschaft mit den Merz’schen Mikroskopen und seit fünf Monaten 446 H. Frey, ist mir eine nicht ganz unbeträchtliche Anzahl derselben durch die Hände gegangen. Das betreffende Instrument ist in dem Mer z’schen Preiscourant mit 40 Thalern (70 Fl.) notirt und erhöht sich bei einer Verbesserung um weitere 3 Fl. Es ist ein Hufeisengestell, wie sie jetzt so viel verfertigt werden. Die Höhe des Ganzen, nicht viel verschieden von dem Hartnack’- schen genannten kleineren Stative beträgt 30 Gentimeter bei 18 Cm. Rohrlänge. Der Tisch steht allerdings meiner Ansicht nach dem Hufeisen allzunahe und bietet bei einer rundlichen Form nach vorne für den Objectträger zu geringe Fläche dar. Zur Beleuchtung dient ein an vierkantiger Stange unbeweglich befestigter, d. h. kein Auf- und Abschieben gestattender Hohlspiegel, welcher im Uebrigen alle Freiheit der Stellung gestattet, und zum Abblenden eine unter der Tischplatte befindliche Drehscheibe von zweckmässiger Konstruktion. Die grobe Bewegung geschieht durch Verschieben der Mikroskop- röhre in der Hülse, die feine durch eine sogenannte Mikrometer- schraube. Die Arbeit ist eine sehr solide. Ich habe einige tadelnde Bemerkungen vorausgeschickt, welcher jetzt ein hohes Lob zu folgen hat. Der ganze optische Apparat, bestehend aus zwei Linsensystemen und drei Okularen ist sehr gut. Das schwache Linsensystem mit der nominellen Brennweite von !/z Zoll (einer den Engländern entnommenen Besprechungsweise) ge- währt mit Okular ein und zwei Vergrösserungen von 60 und 120; das stärkere System, Y/ıa Zoll liefert mit den drei Okularen Ver- grösserungen von 240, 480 und 720. Wir erhalten also anstatt der oben als nothwendig bezeichneten dreifachen Vergrösserungen ihrer fünf und selbst die letzte noch vollkommen brauchbar und hier und da einigen Nutzen gewährend. Nun sind gute Systeme in der Stärke von Y, ‚Zoll verhält- nissmässig leicht herzustellen und Okulare keine Kunststücke. Es wird sich also alles um das stärkere der beiden Objective drehen. Dieses in seiner Vergrösserung einem Hartnack’schen No. 7 ziemlich gleichkommend habe ich bisher an allen von mir geprüften Merz’schen Mikroskopen von gleicher Güte gefunden und gebe ich ihm unter den mir bekannten gleich starken gegenwärtig in Deutschland verfertigten Systemen, soweit ich geprüft, den Vor- zug. Ich habe seine Leistungen bei schiefer Beleuchtung und grader oder centrischer geprüft und ich habe mich, worauf ebenfalls volles Ueber gute und billige Mikroskope. 447 Gewicht zu legen ist, seiner bei feinen histologischen Untersuchungen Tage lang bedient. Definitions- und Penetrationsvermögen sind gleich gut. Die Leistung an der Nobert’chen Probeplatte bei centrischer Beleuchtung hat kürzlich der Herausgeber dieses Archivs in einem Aufsatze (S. 307) mitgetheilt. Von stärkeren mit Üorrektionsapparat für die verschiedene Dicke der Deckgläschen versehenen Systemen des Merz’schen Insti- tuts ist mir eins (1/5) durch die Hände gegangen, welches grosses Lob verdiente. Ein ganz neues, sehr starkes, mit der Brennweite von !/as Zoll lieferte M. Schultze an Noberts Platte ein glän- zendes Resultat. Ich kenne es zur Zeit noch nicht. Um auf das empfohlene Instrument zurück zu kommen, so ha- ben die Herren Merz neuerlich den Spiegel senkrecht verstellbar an jenem vierkantigen Träger angebracht und wie ich glaube auch jenem eine doppelte Fläche gegeben. Der Preis erhöht sich um die obengenannten 3 fl. An die Merz’schen Instrumente möchte ich ein kleineres Mi- kroskop von C. Zeiss in Jena anreihen, das nämliche, dessen Stativ in der zweiten Auflage meines Mikroskops als Fig. 22 abgebildet ist. Dasselbe ist ein etwas hohes und schlankes Hufeisengestell, dessen Röhre in der Hülse auf- und abgeschoben werden kann, wäh- rend die feinere Bewegung ebenfalls einer Mikrometerschraube über- wiesen ist. Ein breiter vierkantiger Objekttisch trägt eine nach aufwärts convexe,. nach unten concave Drehscheibe mit vier Löchern. Der Spiegel besitzt eine ebene und concave Fläche und ist durch komplizirte Gelenke in freiester Weise beweglich, so dass er über den Rand des Tisches hinaus in schiefer Stellung vorgeschoben wer- den kann. Das ganze Gestell ist mit einer sehr guten Arbeit ver- sehen und ein höchst zweckmässiges zu nennen. Zwei Linsensysteme A und D bezeichnet und 3 Okulare bilden die optische Ausstattung. System A kann gebrochen und ganz ver- wendet werden und giebt in ersterem Zustand mit den schwächeren Okularen 2 und 3 Vergrösserungen von 30 und 45, mit vollen Linsen von 75 und 115. System D mit den Okularen 2, 3 und 4 gewährt Vergrösserungen von 250, 450 und 740. Auch dieses Instrument, von welchem ich ein Exemplar sah und längere Zeit bei meinen Arbeiten prüfend benutzte, ist ein sehr gutes, aller Empfehlung würdiges. Der Besitzer eines solchen wird den Ankauf nicht bereuen und keiner weiteren optischen Apparate 448 H. Frey, mehr bedürfen, wenn er sich nicht an eine der subtilsten Textur- fragen wagen sollte. Der Preis beträgt allerdings etwas mehr als die obengenannte Ankaufssumme, nämlich 45 Thaler. Den Mecha- nismus würde ich bei Zeiss vorziehen, den optischen Theil aber bei Merz. obgleich der Unterschied in letzterem nur ein geringer. In England wo der Gebrauch und die Benutzung des Mikroskops weit mehr in die gebildeteren Schichten des Publikums eingedrungen ist, als bei uns in Deutschland, hat man. vielfach das Bedürfniss nach billigen Mikroskopen neben den theuersten jener grossen Firmen gefühlt und auch jenes Bedürfniss zu erfüllen verstanden. So giebt es dort Instrumente zu dem für englische Lebensver- hältnisse höchst unbedeutenden Preise von 5 Pfund Sterling, welche das Möglichste leisten und wenn auch für wissenschaftliche Arbeiten nicht als vorzügliche, doch als genügende zu erklären sind. Ich kenne aus eigener Anschauung und zum Theil längerem Gebrauche zwei derselben, welche ich einmal denjenigen empfehlen kann, welche weniger zu eigenen Forschungen als zur Kontrole, zur ärztlichen Diagnostik, zur Unterhaltung ein Mikroskop erwerben wollen, dann aber Lehrern an Universitätsanstalten, an Schulen etc. Das eine ist Pillischer’s Livre 5 Prize Medal Microsceope. Von bedeutender, gegen 36 Cm. betragender Höhe, mit einem zu verlän- gernden Rohre versehen, zeigt das Gestell die eigenthümliche aber sehr bequeme Konstruktion englischer Instrumente. Von einer drei- eckigen Messingplatte erheben sich zwei vertikale gleichfalls drei- eckige Träger, zwischen welchen das übrige Stativ mit Rohr, Tisch und Spiegel so aufgehangen ist, dass es in jeder schiefen wie in der horizontalen Richtung stehen bleibt, ohne durch eine Stellschraube einer Fixation zu bedürfen. Der Spiegel ist ein sehr schwach kon- kaver, keiner senkrechten, wohl -aber einer allerdings beschränkten Schiefstellung fähig. Der Objeettisch von bedeutender Grösse, 3 Zoll Breite bei 2 Zoll Tiefe, ist von einer grossen Oeffnung durchbrochen, unter welcher (freilich in allzugrossem Abstande) eine von drei Löchern perforirte Drehscheibe spielt.. Letztere kann ganz abge- nommen werden. An einer Schraube befestigt befindet sich, wie es schiefe und senkrechte Stellung des Instruments erfordern, ein Ob- jecthalter, welcher an einem Knopfe mit der rechten Hand des Be- obachters hin und hergeschoben werden kann und noch eine Vor- richtung zum Einklemmen des Präparates besitzt. Sehr leicht kann auch er vom Instrument entfernt werden. Noch dient eine Ueber gute und billige Mikroskope. 449 kleine Oeffnung am Tischrande zum Einstecken einer Beleuchtungs- linse bei opaken Objecten. Die Mikroskopröhre sammt dem sie tragenden horizontalen Arm kann an einer vierkantigen Stange durch eine gröbere mit zwei Knöpfen versehene Schraube senkrecht auf und ab bewegt werden. Zum freien Einstellen dient eine Mikrometerschraube von merkwür- dig leichtem Gang. Die Röhre ist emer bedeutenden Verlängerung durch Ausziehen fähig. An ihrem unteren Ende wird mit einer federnden Einrichtung versehen das Linsensystem befestigt, so dass es beim unvorsichtigen Aufstossen an die Deckplatte des Präparats nachgiebt und in die Höhe steigt. Das Linsensystem mit der nominellen Brennweite von !/, Zoll ver- sehen, besteht aus drei achromatischen Linsen, von welcher die obere allein oder mit der mittleren verbunden oder mit mittlerer und unterer zusammen als volle Kombination gebraucht werden kann. Ein starkes Okular ist allerdings das einzige seines Geschlechtes. Man gewinnt eine schwache, eine mittlere Vergrösserung und eine stärkere, für die meisten histologischen Beobachtungen genügende. Die beiden ersteren sind gut, die letzte nicht übel, obgleich keines- wegs ausgezeichnet zu nennen; sie dürfte stärker sein. Ein zweites Okular freilich zu mehreren Thalern im Pilli- scher’schen Catalog brechnet, ist eine werthvolle Zugabe; immer- hin aber ist das Linsensystem ein zu schwaches und dem Okular allzuviel überwiesen. Ich habe ein solches Instrument seit längerer Zeit im Gebrauche und bediene mich seiner bei übersichtlichen Beobachtungen und bei Demonstrationen während des Unterrichtes sehr gern. Es hat manche Vorrichtungen, bei welchen man es der Hand des Anfängers unbe- sorgter überlassen kann, als die meisten continentalen. Die Schief- stellung, der gewaltige Tisch sind &rosse Vortheile. Der, wenig be- wegliche Spiegel giebt immerhin die Möglichkeit, die Felder des Pleurosigma angulatum mit seitlichem Lichte zu erkennen. Ein ganz wunderliches Instrument ebenfalls zu 5 Pfund im Lon- don zu kaufen, ist das etwas emphatisch empfohlene sogenannte Uni- versal Microscope von Smith, Beck and Beck. Aus einem Ringe von dickem Messingblech erhebt sich eine in ihrem unteren Theile eylindrische, in ihrem oberen mit zwei flachen Seiten versehene Säule. An letzterem Theile hängt das übrige In- 450 H. Frey, Ueber gute und billige Mikroskope. strument, Röhre, Tisch und der mit senkrechter Stange an letzterem befestigte Spiegel. Letzterer, concaver, gestattet eine halbe Dreh- bewegung. Das Ganze ist an seinem säulenförmigen Träger: einer Schief- und Horizontalstellung fähig, welche aber durch seitliche Verstellung ermöglicht und durch eine Schraube gehalten wird. Zur Bewegung dient eine mit einer Kette arbeitende Schraube und ein an jener herabhängender Hebel erlaubt eine feinere Fokusveränderung. Der ansehnliche vierkantige Tisch hat ein sehr weites Loch, in welches die mit einer einzigen Oefinung versehene Drehscheibe zum Abblenden eingesetzt werden kann. Er trägt seitlich eine Be- leuchtungslinse für opake Gegenstände und einen mit einem Knopfe verschiebbaren Objecthalter. Höchst sonderbar nimmt sich die (nicht ausziehbare) Röhre aus. Sie ist stumpf vierkantig, die Kanten Messing, die Flächen schwarz. Zwei Linsensysteme, mit der nominellen Brennweite, von 1 und 1/, Zoll und zwei Okulare bilden die optische Beigabe. Man gewinnt so zwei ganz hübsche schwache: Vergrösserungen und zwei stärkere, von welchen die höchste mit einer 220fachen Lei- stung ebenfalls die meisten histologischen Arbeiten gestattet. Die Bedeutung dieses Instrumentes ist eine ähnliche wie die der Pillischer’schen; doch würde ich letzteres der bequemeren Hand- habung wegen dem in sonderbarer Laune geschaffenen Stativ von Smith, Beck and Beck wohl vorziehen. Mit einigen nothwendigen Abänderungen versehen würde die Nachbildung des Pillischer’- schen Gestells einem deutschen Optiker sehr zu empfehlen sein. Ich getraute mir ein sehr gutes Stativ mit Leichtigkeit nach diesem Vorbilde zu konstruiren. Beide Mikroskope aber zeigen was bei gutem Willen um so ge- ringen Preis in England herzustellen möglich war. Möge man sich auf dem Continente hier und da ein Beispiel daran nehmen ! Zürich, 4. Dezember 1865. 1 1 n . 5 { \ n ’ I \} 1 1 \ r 1# - ni % i h s f 3 v h r } y a f & * 2 ! Pr x £ e j I er Ta N . ö 1 ö x h ) ’ 4 1 “ fi \ Ar j ) [3 4 In v \ \ i r t F Y 2 z N j ı Ö | f ; v Da N ’ R \ R% { N } } . we FE u Eu 2 Klee; & £ “ f - Re “ , EFT A he “ ' } nen er 7 # a } Sr - ; . m y ERS, u 5 A ar ‚ ei eg nn PR y en RR! N . ü n s “ = . Ü ö « i \ i + i ‘ ’ f D h Ai he 27 . > ö S LEN, 4 6 i h j Va NV > er! F u ee eye 177, 5 | Tafl. Archiv f microscox. Anatomie Bal. M.Schultze delin. en dep Pe ihmnm tk . 3 a nn & Magenschieber se WW. Schultze. dei vo dalalette SEE del. R . e ! i E DER Arco f mikroskop. ÄAnatomze: Bd l. \ | Reg 5. ; a S \ 2 SL} 2% x | L Wagenschieber 6 Archiv . mihroskon. Anatomie. Ba. Jay. 7 MT. Schultze del ; Wargenschzeber sc ER > aa san EEE E] ug: EEE UN TE SEITEEEZRENEE A - \ 5 en SZ 5 Fi = 5 D E / S t sg | i | 2 | :: E: Se | | = ni \ N \ \ P P 2 % . A * g u EN re; 3 S N 08 23 \ nato ritz Müller gez. dfleisch u. F . Archiv f£ mihreskon . Tay: I. a. * = Hi TR \ | \ } } * # [3 - . = . s ” Schönhals del. Lith_Anst.v. B. Schenk Halle © S. F # 4 wi Inze 7: mehr WÄCTE: Anatomse: BaS. Wagenschieber se nn er r Be ae we Archio EZ mikroskop. Anatomie. BdT. Ta A Il I Irbseue e EEZTLTL Il See De nenarınz Colt i ji stalt.n ih Artist. Ar L 2 a m mn Pe GB mike he in Pa Andio » [ mehkroshkop. Anatomie, BaL Wagenschieber se. Zardir dd Wugenschirher sc. Eat Zeudig del Arche be mikroskop.. Anatomie. Ba. | | Archio f mikroskop. Inatomue. LE a We u MT a s Jap: AU nn a Zerdıy del. - Wagmechicher so. Ardhie Fmikreskop: Anatomie. Bd. I. “ Pi i L . Er; 2 % ei + ee = -r n = re = Archiv £ mikroskon: Anatomie: BaI, x as Wagenschteber so © ‚Wagerschreber sc. = Archiv [ mikroskon. Anatomie; Bd. Be Er } + € BA « ; Mir ur - 1 _ zumN N m ANINT RN A UL IT N IN | " RUN N 1 n \\ AN INN I NN ) \ \\\ _ I \ N hl (il Ss ) .. Ka M mr ( = — nn 3 " I 2 = ) an - \ } nn N | Q S S II _ ae: Mer BEI. zrikrosko = Archiv Wagenschreber SL: u Archiv fnahroskop. Anatomie: BdIL n Taf. A. NM. Schultze del. 3 = Wagerschleber SC. R u “ Archiv für Mikroskopische Anatomie herausgegeben Max Schultze, Professor der Anatomie und Director des Anatomischen Instituts [| in Bonn. Erster Band. Erstes Heft. Mit 7 Tafeln. Bonn, Verlag von Max Cohen & Sohn. 1865. Ausgegeben Anfang Mai 1865. Inhalt des ersten Heftes. Seite Ein heizbarer Objecttisch und seine Verwendung bei Untersuchungen des Blutes. Vom Herausgeber. Hierzu Taf.I und II. roh Zur Anatomie und Physiologie der Lungenschnecken. Von Fr. Ley- dig in Tübingen . i : B 3 & i 3 . 43 Ueber eine neue Art amöboider Zellen. Von v. la Valette St. George. Hierzu Taf.II . \ & ; : ; 208 Ueber eine neue Einrichtung des Schraubenmikrometers. Von Hugo von Mohl. ; { : : an. Ueber das Nervensystem der Bärthierchen, Arctiscoidea (0. 4.8. Schultze (Tardigraden Doyere), mit besonderer Berücksichtigung der Muskelnerven und deren Endigungen. Von Dr. Richard Greeff, Privatdozenten in Bonn. Hierzu Taf. IV i .. 101 Zur Kenntniss der Leuchtorgane von Lampyris a Vom Herausgeber. Hierzu Taf. V und VI N k . 124 Zur Histologie der Oestoden. Von Eduard Rindfleisch, Pro- fessor in Zürich. Hierzu Taf. VII, Fig. 1—3 : ß . 138 Ueber die Randbläschen der Hydroidquallen. Von Fritz Müller. Hierzu Taf.]I, Fig. 4 . A F : N . ; . 143 Injectionsmassen von Thiersch und W. Müller - - ? . 148 Mikroskope und Nebenapparate von Carl Zeiss in Jena. Verzeichniss der Mikroskope aus dem Institute von G. & S. Merz, vor- mals Utzschneider & Fraunhofer in München. Preis-Courant der optischen Instrumente des von C. Kellner in Wetzlar gegründeten Instituts. Nachfolger Fr. Belthle, Optiker u. Mechaniker. Von dem „Archiv für Mikroskopische Anatomie“ erscheinen jährlich vier Hefte, welche einen Band bilden. Der Preis der Hefte richtet sich nach deren Umfang. Die Herren Mitarbeiter, welche ersucht werden, ihre Beiträge gefl. direct an den Herrn Herausgeber zu sen- den, erhalten 25 Separatabzüge in Umschlag gehetftet. Die Verlagshandlung Max Cohen & Sohn in Bonn. Im Verlage des Unterzeichneten er- schien soeben: Dr. R. Stilling. Unter- suchungen über den Bau des kleinen | Gehirns des Menschen. Band I: Ueber den Bau des Züngelchens und der | Zungenbänder. 28 Bogen Text in 4°. und einem Atlas in gross Folio mit 77 nach der Natur angefertigten Photo- grapbieen (ohne Retouche) und eben so vielen lithographirten Umrisstafeln. Preis netto 20 Thlr. Cassel, d. 15. April 1865. Theodor Kay. Bei Karl Gzermak, Buch- u. Antiquar- handlung in Wien, Schottengasse 6, er- schien und wird überall hin gratis franco versandt: BIBLIOTHECA MEDICA. Verzeichniss Doubletien der Bibliothek der k. k. Gesellschaft der Aerzte zu Wien aus demGebiete der Medicin, Chirurgie, Geburtshülfe, Anatomie und Physiolo- gie, Chemie und Parmacie, der Balneo- logie und Balneographie. Die Bücher dieses an 1000 Nummern umfassenden Katalogs sind durchjedeBuch-u.Antiquar- handlung, sowie auch direkt zu beziehen. Gelder und Briefe franco. DD Verlag von Karl Czermak in Wien. Mittheilungen aus dem physiologischen Privatlaboratorıum von Joh. N. (zermak in Prag. Med. et Chir. Dr. vormals Professor der Physiologie an den Universi- In C.W. Kreidel’s Verlag in Wies- baden ist erschienen und durch alle Buchhandlungen des In- und Auslandes zu beziehen: Anleitung zur qualitativen und quantitativen Analyse des Harns. ' Zum Gebrauch für Mediciner und Pharmaceuten bearbeitet von Dr. C. Neubauer u. Dr. J. Vogel. Bevorwortet von Prof. Dr. R. Fresenius. Vierte sehr verbesserte und bedeutend vermehrte Auflage. Mit 3 lith. Tafeln, L Farbentabelle und 28 Holzfdnitten. Gross Octav. Geh. Preis 2 Thlr. 12 Ngr. Neuester Verlag von Aug. Hirsch- wald in Berlin: Die krankhaften Geschwülste. Dreissig Vorlesungen, gehaiten während des Wintersemesters 1862—63 von Prof. Dr. Rud. Virchow. I. Band. Mit 107 Holzschnitten und 1 Titelkupfer, gr. 8. Preis 4 Thlr. 10 Sgr. ‘ H. Band. 1. Hälfte. 18 Bogen. Mit 46 Holzschnitten. täten von Krakau und Pest, corresp. Mitglied der | k. Akademie der, Wissenschaften in Wien ete. 1. Heft. Mit einer Vignette und neun in den Text gedruckten Holzschnitten (IV u. 72 Seit.) gr- 8., br. 1f.ö. W. = 20 Sgr. Inhalt: I. Versuche mit Curare. — I. Ein Appa- rat zur Erläuterung der Innervationsvorgänge, welche rhythmisch erfolgende Bewegungen erzeugen und reguliren. — III. Sphygmische Studien. — IV. be- merkungen über einige physiologische Apparate. gr. 8. Preis. 2 Thlr. 10 Sgr. Die 2. Hälfte des II. Bandes (Schluss) ist im Druck und erscheint demnächst. Verlag von Max Cohen & Sohn in Bonn: Binz, Dr. Carl, Privatdocent in Bonn. Beobachtungen zur innern Klinik. Mit 3 Tafeln in Farbendruck. 1864. 1 Thlr. 10 Sgr. Deiters, Dr. Otto, Untersuchungen über die Lamina spiralis membranacea. Ein Beitrag zur Kenntniss des in- neren Gehörorgans. Mit 8 lithogr. Tafeln. 1860. 1 Thlr. 20 Sgr- Pflüger, Dr. E. F. W., Professor der Physiologie in Bonn. Ueber die Koh- lensäure des Blutes. 1864. 6Sgr. Töpler, Dr. A., Professor in Riga. Be- obachtung nach einer neuen opti- schen Methode. Ein Beitrag zur Experimental-Physik. Mit 4 lithogr. Tafeln. 1864. 25 Sgr. Neuester Verlag von August Hirschwald in Berlin: Beer, Dr. Arn., Bindesubstanz der menschlichen Niere im gesunden und krank- haften Zustande. Mit 4 Tafeln. gr. 8. 1 Thlr. 20 Sgr. Birnbaum, Dr. K. F. S., Untersuchungen über den Bau der Eihäute bei Säuge- thieren. Mit 3 Tafeln. gr. 8.1 Thlr. Centralblatt für die medicinischen Wissenschaften. Unter Mitwirkung von Dr. W. Kühne, Dr. Ph. Munk und Prof. Dr. F. v. Reck- linghausen, redieirt von Dr. L. Hermann. Jahrgang 1863, 1864, 1865 (58 Nummern & 1 Bogen) a 5 Thlr. 15 Ser. Leyden, Dr. C., die graue Degeneration der hinteren Rückenmarksstränge. Mit 3 Tafeln. gr. .8. 1 Thlr. 20 Sgr. Mosler, Prof., helminthoiogische Studien und Beobachtungen. Mit 2 Tafeln. gr.8. 28 Spr Ravitsch, Jos., über den feinern Bau und das Wachsthum des Hufhorns. Mit 1 Tafel. gr. 8. 10 Sgr. Ravitsch, Jos., neue Untersuchungen über die pathologische Anatomie der Rinder- pest. Mit 2 Tafeln. 8. 15 Sgr. - v. Recklinghausen, Dr. F., die Lymphgefässe und ne Beziehung zum Bindegewebe. Mit 6 Tafeln und 7 Holzschnitten. gr. 8. 1 Thlr. 20 Sgr. Virchow, Prof. Dr. Rud., die Cellular - Pathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre. Dritte Auflage. Mit 150 Holzschnitten. gr. 8. 3 Thlr. 20 Sgr. Bonn, Druck von Car] Georgi. Ne Fe : ! Archiv c UNININININLNLINININSINININENSNI NIIT NININ KINN INN INENINENIIINNINI für herausgegeben von Max Schultze, ın Bonn. Erster Band. Zweites und drittes Heft. Mit il zum Theil colorirten Tafeln. Bonn, Verlag von Max Cohen & Sohn. 1865. Mikroskopische Anatomie Professor der Anatomie und Direetor des Anatomischen Instituts Annan Ausgegeben Ende August 1865. Inhalt des zweiten und dritten Heftes. j Seite. Beobachtungen über den Bau des Säugethier-Eierstockes. Von Prof. Wilhelm His in Basel. Hierzu Tafel VIII-XI . : . 151 Beiträge zur Kenntniss der Monaden. Von L. Cienkowski. Hierzu Taf. XI—XIV. . ; . : E - . 203 Untersuchungen über die Entwicklung des Harn- und Geschlechtssystems. Von Dr. C. Kupffer in Dorpat. Hierzu Taf. XV . - . 233 Ueber Phreoryctes Menkeanus Hofm. nebst Bemerkungen über den Bau anderer Anneliden. Von Fr. Leydig in Tübingen. Hierzu Taf. XVI—XVII . - e ; i 5 B . 249 Ueber die epidermoidale Schicht der Froschhaut. Vorläufige Mittheilung von Dr. M. Rudneff aus St. Petersburg . - - . 295 Weitere Mittheilungen über die Einwirkung der Ueberosmiumsäure auf thierische Gewebe. Von M. Schultze und Dr. M. Rudneff. 300 Die Nobert’schen Probeplatten. Von M. Schultze 5 n . 305 Von dem „Archiv für Mikroskopische Anatomie“ erscheinen jährlich vier Hefte, welche einen Band bilden. Der Preis der Hefte richtet sich nach deren Umfang. Die Herren Mitarbeiter, welche ersucht werden, ihre Beiträge gefl. direct an den Herrn Herausgeber zu sen- den, erhalten 25 Separatabzüge in Umschlag geheftet. Die Verlagshandlung Max Cohen & Sohn in Bonn. Heizbare Öbjeettische nach Prof. M. Schultze jeder einzeln nach der Methode von M. Schultze geprüft vorräthig bei HH. Geissler in Bonn. Preis 10 Thlr. Verlag von Max Cohen & Sohn in Bonn: Binz, Dr. Carl, Privatdocent in Bonn. Beobachtungen zur innern Klinik. Mit 3 Tafeln in Farbendruck. 1864. 1 Thlr. 10 Sgr. Deiters, Dr. Otto, Untersuchungen über die Lamina spiralis membranacea. Ein Beitrag zur Kenntniss des in- neren Gehörorgans. Mit 8 lithogr. Tafeln. 1800. 1 Thlr. 20 Sgr. | Pflüger, Dr. E. F. W., Professor der Physiologie in Bonn. Ueber die Koh- lensäure des Blutes. 1864. 6Ser. Töpler, Dr. A., Professor in Riga. Be- obachtung nach einer neuen opti- schen Methode. Ein Beitrag zur Experimental-Physik. Mit 4 lithogr. Tafeln. 1864. 25 Ser. Mitte October d. J. erscheint im Verlage der Unterzeichneten : Untersuchungen über Gehirn und Rückenmark des Menschen und der Säugethiere von Otto Deiters. Nach dem Tode des Verfassers herausgegeben und bevorwortet von . Max Schultze, ord. Professor der Anatomie und Director des anatomischen Institutes in Bonn. Mit 6 Tafeln Imperial 8° geheftet. Braunschweig. Erdr. Vieweg & Sohn. Preiscourant über die zur Fertigung mikroskopischer Präparate nöthigen Glasgegenstände. Von Heinrich Vogel, Glasermeister in Giessen. 1. Objectträger Vereinsformat (48 Mm. lang, 28 breit), 50 Stück & 18 Kr. 2. Dieselben, mit abgestumpften EB n ; BE . 3. Schmale Schutzleisten 3 OO Re RR 4. Breite Schutzleisten 100.55; 20 5. Deckgläschen, von circa iR bis Sie Linie Dicke, unter folgenden Nummern: Nr. I. Quadratische Plättchen von 18 Mm. Seite, 50 Stück a 36 Kr. Nr: @H. ” „ n 15 ” ” = ” ” 27 „ Nr. III ” 2) ” 1 2 „ „ ” „ n 1 6 „ Nr. IV. 10 10 Nr. V. Plättchen von 26 Mm. Länge it 21 Mm. Br eite, 50 Bineks a 1 n. 34 Kr. Nr.ZN: D en „ ” 16:5 ” ” D) ” 54 ,, Nr. vu ” ” 18 n ”» ” 12 ” ” ” ” b) 20 ” NENNE, BElAS, = , Na & = 125% 6. Pappkästchen von sehr zweckmässiger Facon, zum Aufbewahren der mikroskopischen Präparate. Jedes Kästchen fasst 40 bis 50 Stück. Preis eines Kästchens 36 Kr. Giessen, 6. Juli 1865. Heinrich Vogel. Bei S. Hirzel in Leipzig ist erschienen : Die physiologischen Leistungen des Blutdrucks. Ein Vortrag von Prof. €. Budwig gehalten beim Antritt des Lehramts zu Leipzig am 1. Mai 1865. er. 8, Breis: +6. ner, Bei August Hirsehwald in Berlin erschien so eben und ist in allen Buchhandlungen zu haben: Handbuch der physiologisch- und pathologisch- chemischen Analyse für Aerzte und Studirende. Von Dr. E. Hoppe-Seyler. o. Professor in Tübingen. Zweite vermehrte und umeearbeitete Auflage. Mit 14 Holzschnitten und 1 Tafel. gr. 8. Preis 2 Thlr. 20 Sgr. u u a a nie Te EL u nn en 1 ? 5 5 S ? < ? S für Mikroskopische Anatomie herausgegeben von Max Schultze, Professor der Anatomie und Director des Anatomischen Instituts in Bonn. Erster Band. Viertes Heft. Mit 8 zum Theil colorirten Tafeln. Bonn, Verlag von Max Cohen & Sohn. 1865. e Ausgegeben am 20. December 1865. - . IEINININININNINZNININ 5 | < f4 q R R $ s Ä $ Inhalt des vierten Heftes. Seite, Ueber die Samenkörperchen und ihre Entwicklung. Von Schweigger- Seidel. Hierzu Taf. XIX ö 5 » : L . 3809 Zur Kenntniss der alveolaren Gallertgeschwulst. Von Prof. Franz Eil- hard Schulze in Rostock. Hierzu Taf.XX . 5 5 . 336 Ueber Darwinella aurea, einen Schwamm mit sternförmigen Horn- nadeln. Von Fritz Müller. Hierzu Taf. XXI . - .. 344 Ueber den Ossifikationsprocess. Von Prof. Dr. Waldeyer in Breslau. Hierzu Taf. XXI . i i ® ; \ > . 354 Ueber die Bewegung der Diatomeen. Von Max Schultze. Hierzu EARSRX LT. - ; 5 R N : : . 376 Ueber die Genese der Samenkörper. Von v. la Valette St. George. Erste Mittheilung. Hierzu Taf. XXIV . ; > . 403 Experimentelle Studien über die fettige Entartung des Muskelgewebes. Von Alexander Stuart aus Petersburg. Hierzu Taf. XXV . 415, Echiniseus Sigismundi, ein Arctiscoide der Nordsee. Von Max Schultze. Hierzu Taf. XXVI. x 1 > 5 . 428 Zur Frage über die Endigungen der Muskelnerven. Von Privatdocent Dr. Richard Greeff in Bonn i E . s . 437 Prof. Harley’s compendiöses Mikroskop. Mit einem Holzschnitt . 440 Ueber billige und gute Mikroskope. Von H. Frey . i . 443 Von dem „Archiv für Mikroskopische Anatomie“ erscheinen jährlich vier Hefte, welche einen Band bilden. Der Preis der Hefte richtet sich nach deren Umfang. Die Herren Mitarbeiter, welche ersucht werden, ihre Beiträge gefl. direct an den Herrn Herausgeber zu sen- den, erhalten 25 Separatabzüge in Umschlag geheftet. Die Verlagshandlung Max Cohen & Sohn in Bonn. Bei August Hirschwald in Berlin erschienen so eben und sind in allen Buchhandlungen zu haben: Beiträge zur Pathologie des Icterus. Yon Dr. E. Leyden, Professor in Königsberg in Pr. er SrzPreisser Thlr. 10 Sgor. 7 DVeber die EN nationale Entwickelung und Bedeutung der Naturwissenschaften. Rede gehalten in der zweiten allgemeinen Sitzung der Naturforscher- Versammlung zu Hannover am 29. September 1865 von Rudolf Virchow. Preis: 8 Sgr. Die krankhaften Geschwülste. Dreissig Vorlesungen, gehalten während des Wintersemesters 1862— 1863 an der Univer- sität zu Berlin von Rudolf Virchow. Zweiter Band, zweite Hälfte. Gr. 8. Mit 52 Holzschnitten. Preis: 3 Thlr. 20 Sgr. Untersuchungen aus dem physiologischen Laboratorium zuBonn. Herausgegeben von Dr. E. F. W. Pflüger, 0. ö. Professor der Physiologie an der Universität Bonn. Mit 3 lithographirten Tafeln. Gr.8. Preis 1 Thlr. 10 Sgr. Neue Versuche am Hirn und Rückenmark des Frosches Prof. J. Ed und B. Paschutin. Gr. 8. Preis 15 Sgr. Ueber das Aneurysma der Bauch-Aorta und ihrer Zweige. Eine Gratulationsschrift für das 100jährige Jubiläum der Universität Wien. Mit einer historischen Einleitung über den Einfluss der Wiener Schule des vorigen Jahrhunderts auf den positiven Fortschritt in der Medicin von Dr. Hermann Lebert, ord. Professor und Director der med’ceinischen Klinik der Universität I reslau. Gr. 8. Preis 1 Thlr. 15 Sgr. Verlag der 3. 3. BLentner’schen Buchhandlung in München. ATLAS des menschlichen Gehörorganes. Herausgegeben von Dr. Rüdinger, k. Adjunct und Proseetor an der anatomischen Anstalt in München. Nach der Natur. photographirt von J. Albert, k. b. Hof-Photograph in München. ; Erste Lieferung, enthaltend 8 Tafeln Photographien mit 20 Figuren, 4 Tafeln Lithographien und den beschreibenden Text. Preis: 8 fl. 24 kr. oder 4 Thhlr. 28 Ngr. Microscopische Analyse der Anastomosen der Kopfnerven. (sekrönte Beantwortung der von der königl. medizinischen Fakultät zu München im Jahre 1863 ausgesetzten Preisfrage durch Ernst Philipp Eduard Bischoff, Dr. med. Mit 43 Steindrucktafeln. Preis: 4 fl. oder 2 Thlr. 16 Ngr. Verlag von Max Cohen & Sohn in Bonn: Binz, Dr. Carl, Privatdocent in Bonn. Pflüger, Dr. E. F.W., Professor der Beobachtungen zur innern Klinik. Physiologie m Bonn. Ueber die Koh- Mit 3 Tafeln in Farbendruck. 1864. lensäure des Blutes. 1864. 6Sgr. 1 Thlr. 16 Ser. Be Töpler, Dr. A., Professor in Riga. Be- Deiters. Dr. Otto, Untersuchungen über obachtung nach einer neuen opti- die Lamina spiralis membranacea. schen Methode. Ein Beitrag zur Ein Beitrag zur Kenntniss des m- | Experimental-Physik. Mit 4 lithogr. neren Gehörorgans. Mit 8 lithogr. Tafeln. 1864. 25 Sgr. Tafeln. 1860. 1 Thlr. 20 Sgr. RE a u b D h PEN: er Fopeı by ae 2 va "ur er, { 1) Serials MI IN Il Bi ‘ . B > ur p ’ ER 2 ® » r . - r x D As = - * ;. - ” ' s 2 eh R - - - ve > z / N ge 5 Big: I“, ET N a . em ie pr u” Stemi. TE Ya 2ulagit <= . Pelen, ER rt : ap Wir, ü er ch, EN AT Te rt, 9 =. base?” zur In ut a ee ze nee ge on = rn ass Fr r er _ Eh ee ER Fe RE